Auswirkungen eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems nach DIN EN ISO 9000ff. auf die Haftungssituation im Unternehmen [1 ed.] 9783428494859, 9783428094851

Die vorhandene Literatur zur Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen nach DIN EN ISO 9000ff. beschäftigt sich bis

104 65 23MB

German Pages 235 Year 1998

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Auswirkungen eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems nach DIN EN ISO 9000ff. auf die Haftungssituation im Unternehmen [1 ed.]
 9783428494859, 9783428094851

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

THOMAS BAYER

Auswirkungen eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems nach DIN EN ISO 9000ff. auf die Haftungssituation im Unternehmen

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 112

Auswirkungen eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems nach DIN EN ISO 9000ff. auf die Haftungssituation im Unternehmen

Von

Thomas Bayer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Bayer, Thomas:

Auswirkungen eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems nach DIN EN ISO 9000ff. auf die Haftungssituation im Unternehmen I von Thomas Bayer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum Wirtschaftsrecht ; Bd. 112) Zug!.: Konstanz, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09485-9

Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

© 1998 Duncker &

ISSN 0582-026X ISBN 3-428-09485-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Februar 1996 begonnen und im Sommersemester 1997 von der Juristischen Fakultät der Universität Konstanz als Dissertation angenommen. Sie wurde inhaltlich im Juni 1997 abgeschlossen. Rechtsprechung und Schrifttum wurden, soweit angesichts der Breite der tangierten Gebiete möglich, bis November 1997 nachgetragen. Insbesondere der Beitrag von Axel Merz zur Qualitätssicherung in der 2. Auflage des Produkthaftungshandbuches von Friedrich Graf von Westphalen konnte noch eingearbeitet werden. Besonders herzlich danken möchte ich Frau Prof. Dr. Astrid Stadler, die meine Arbeit unterstützt und begleitet hat und mir bei der Bearbeitung des Themas weitestgehende Freiheit ließ. Ebenso danke ich Herrn Prof. Dr. Werner F. Ebke fur die Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich auch den Mitgliedern der Prüfungskommission fur die schnelle Durchführung des Promotionsverfahrens. Dem Land Baden-Württemberg danke ich für das mir im Rahmen der Landesgraduiertenförderung gewährte Stipendium, ohne das die Arbeit nicht so zügig vorangeschritten wäre. Weiterhin danke ich der Allweiler AG Radolfzell und Herrn Dipl.-Ing. Reinmar Sieg von Lloyd's Register Quality Assurance Ltd. fur die Zuverfugungstellung von Materialien zu DIN ISO 9000 und die Ermöglichung eines umfassenden Einblicks in organisatorische und technische Unternehmensabläufe sowie den Vorgang der Zertifizierung. Die Unterstützung und Hilfe vieler anderer ist zwar wenig offenkundig, war aber unverzichtbar. Ihnen sei an dieser Stelle dafür herzlich gedankt. Konstanz, im Mai 1998

Thomas Bayer

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung..................................... ............................. ................ ......................... .. 15 B. Inhalt der Normenreibe DIN ISO 9000-9004 ............................................... ..... 19

I. Bedeutung und Geschichte der Qualitätssicherung ............ .................. ............ 19 I. Der Qualitätsbegriff ....................................................................................... 19 2. Festlegung von Qualitätskriterien .................................................................. 21 a) Vertragliche Festlegung ............................................................................. 23 b) Festlegung durch technische Normwerke .................................................. 23 3. Darstellung technischer Normwerke .............................................................. 26 a) Erstellung technischer Normwerke ............................................... :............ 26 b) Verfahren zum Erlaß von DIN-Normen .................................................... 28 4. Bedeutung von DIN-Normen im Wirtschaftsleben ........................................ 29 5. Die Sicherstellung einer bestimmten Qualität.. .............................................. 29 Begriff der Qualitätssicherung ........................................................................ 29 a) Begriff der Qualitätssicherung ................................................................... 29 b) Einfluß der gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Qualitätssicherung .......................................................................... 32 II. Entwicklung und Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004 ........................ 35 I. Die Entstehung normierter Qualitätssicherungssysteme ................................. 35 a) Total Quality Management ........................................................................ 36 b) Normierte Qualitätssicherungssysteme...................................................... 37 2. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004 ................................................ 38 lll. Inhalt und Aussagekraft einer Zertifizierung .................................................... 42 I. Das Zertifizierungsverfahren .......................................................................... 42 2. Das Qualitätsmanagement-Handbuch ............................................................ 44 3. Inhalt des Qualitätsmanagement-Zertifikates ................................................. 45

8

Inhaltsverzeichnis IV. Abgrenzung bezüglich Qualitätssicherungsvereinbarungen ............................. 48

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung .......................................... 49 I. Allgemeines......................................................................................................... 49 II. Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz ......................................................... 53 I. Haftungsvorsaussetzungen ............................................................................. 53 a) Fehlerbegriff.............................................................................................. 54 b) Haftungsausschluß und Beweislast... ......................................................... 56 2. Auswirkungen eines Qualitätsmanagementsystems auf die Haftung. ............. 58 a) Nichtvorliegen eines fehlerhaften Produktes ............................................. 59 b) Fehlerfreiheit im Zeitpunkt des Inverkehrbringens § I Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG .................................................................................................. 61 c) Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkennbar,§ I Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG ...................................................... 64

111. Deliktische Haftung .......................................................................................... 66

I. Haftungsvoraussetzungen ............................................................................... 66 a) Tatbestand der Produzentenhaftung .......................................................... 67 b) Rechtswidrigkeit im Sinne des § 823 Abs. I BGB ................................... 67 aa) Allgemeine Rechtswidrigkeitslehren .................................................. 67 bb) Die Rechtswidrigkeit im Rahmen der Produzentenhaftung ............... 71 c) Beweislastverteilung bei der Produzentenhaftung ..................................... 72 d) Verschulden .............................................................................................. 76

2. Exkurs: Begriffsklärung: Stand der Technik, Regeln der Technik, Stand von Wissenschaft und Technik ...................................................................... 78

3. Erflillung der Herstellerpflichten durch ein Qualitätsmanagementsystem...... 79 4. Gegenüberstellung Herstellerpflichten - Anforderungen von DIN ISO 9001 ....................................................................................................... 84 a) Konstruktionsbereich ................................................................................. 85 aa) Konstruktionspflichten ........................................................................ 85 bb) Instruktionspflichten .......................................................................... 88 cc) Produktbeobachtung .......................... ................................................. 89

Inhaltsverzeichnis

9

dd) Forderungen von DIN ISO 900 I an den Konstruktionsbereich ......... 89 b) Fabrikationsbereich ................................................................................... 92 aa) Fabrikationspflichten ........................................................................... 92 bb) Ausreißerproblematik ......................................................................... 94 cc) Forderungen von DIN ISO 9001 an den Fabrikationsbereich ............ 96 c) Zusammenhang von Verkehrspflichten und DIN ISO 9001-Forderungen ....................................................................................................... 97 d) Umkehrschluß: Fehlendes Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. als Verkehrspflichtverletzung? ............................................. I 06 aa) Allgemein ......................................................................................... I 06 bb) Anwendung auf Qualitätsmanagementsysteme ................................ I 07 e) "Befundsicherungspflicht" ...................................................................... II 0 5. Erschütterung des Anscheinsbeweises des Geschädigten ............................. 115 6. Einhaltung der inneren Sorgfalt .................. ............ .......... ........... ........ ........ 118 7. Die Haftung für Gehilfen nach§ 831 BGB .................................................. 119 IV. Zwischenergebnis ........................................................................................... 123 V. Haftungskonstellation bei Einbeziehung eines Zulieferers .............................. 123 I. Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz und Auswirkungen eines Qualitätsmanagementsystems...................................................................... 125 a) Haftungslage ............................................................................................ 125 b) Beweislast für die Fehlerhaftigkeit des Teilproduktes ............................. 125 c) Auswirkung eines Qualitätsmanagementsystems auf die Haftungslage... 126 2. Haftung von Endhersteller und Zulieferer nach allgemeinem Deliktsrecht .. .. ............. ........ .. .. .. .. ............ .. ......... .. ..... ... .. ....... ......... .. ........ ... 128 a) Veränderung der Herstellerpflichten ....................................................... I 31 b) Übertragung von Verkehrssicherungspflichten ....................................... 133 c) Ordnungsgemäße Auswahl und Überwachung durch ein Qualitätsmanagementsystem .................................................................................. 135 VI. Rückgriff ........................................................................................................ 141 I. Die verschiedenen Haftungskonstellationen ................................................ 141

2. Gesamtschuldnerausgleich nach§ 426 BGB ................................................ 143

10

Inhaltsverzeichnis VII. Haftung des Qualitätsbeauftragten ................................................................ I48

I. Die Stellung des Qualitätsbeauftragten ........................................................ I48 2. Diedeliktische Haftung von Mitarbeitern .................................................... 148 3. Übertragung dieser Überlegung auf Qualitätsbeauftragte ............................ 150 VIII. Deliktische Haftung des Händlers ............................................................... 153 I. Haftung des Händlers nach § 4 Abs. 3 ProdHaftG ....................................... 153 2. Haftung des Händlers nach § 823 Abs. I BOB ............................................ 155 a) Händlerspezifische Verkehrspflichten ..................................................... 155 b) § 823 Abs. 2 BOB i. V. m. § 3 Gerätesicherheitsgesetz .......................... 156 c) Auswirkung eines Qualitätsmanagementsystems................. .................... 159

D. Auswirkungen auf das Gewlhrleistungsrecht.... ................................ ............. 160 I. Fehlerbegriff.. .................................................................................................... 161 I. Beziehung Fehler- Gewährleistungsrecht... ................................................. 161 2. Neuer Fehlerbegriff Das "systemgerechte Produkt" ................................... 162 a) Vergleich mit Qualitätssicherungsvereinbarungen .................................. 162 b) Übertragbarkeit auf ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem ......... 163 aa) Werkvertrag ...................................................................................... 163 bb) Kaufvertrag .... .. .. ...... .. .. .. .. .. .. .. .. ..................... ...... .... .. .. .. .. .. .... .. .. .. .. .. . 164 3. Nichtbeachtung des Qualitätsmanagementsystems als Fehler ...................... 165 4. Beweislast für das Vorliegen eines Fehlers .................................................. 167 II. Eigenschaftszusicherung .................................................................................. 169 I. Begriffsklärung .... .. .. .. ....................................................... ............. .............. 169 2. Zusicherung von Eigenschaften durch ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem .......... ... .... ............................. .................... .......... .............. 172 a) DIN-Normen ............................................................................................ 173 b) Gütezeichen ............................................................................................. 175 c) Allgemeine Prüfzeugnisse ....................................................................... 178 3. Qualitätsmanagement-Zertifikate und zugesicherte Eigenschaften .............. 179 III. Positive Vertragsverletzung ............................................................................ 182 IV. Auswirkung auf die "Arglisthaftung"............................................................. 185

Inhaltsverzeichnis

II

I. Allgemeines ..... .......... ...................... ...... .. .. ... .. ............... ....... ................. ...... 185 2. Einsatz von Hilfspersonen ............................................................................ 186 3. Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12. März 1992 .................................... 188 4. Auswirkung dieser Rechtsprechung auf die Beweislast .............. ................. 191 5. Erfüllung der Organisationspflicht durch ein Qualitätsmanagementsystem ......................................................................................................... 192 V. Vorliegen eines Garantievertrages aufgrundder Zertifizierung ....................... 193

I. Grundsätzliches .... .. .. ... .... ... ... .. ........................................... .... ......... 193 a) Das Vorliegen einer unselbständigen Garantie ........................................ 195 b) Die selbständige Garantie........................................................................ 195 2. Qualitätsmanagement-Zertifikat als Garantieversprechen ............................ 196 VI. Untersuchungs- und Rügepflicht gemäß §§ 377, 378 HGB ........................... 198

E. Wettbewerbsre~htli~he Aspekte eines Qualitiltsmanagement-Zertifikates .... 202 F. Zusammenfassung und Ergebnisse.................. ....... ............................... ............ 208

Literaturverzei~hnis............. . .. . .... . .............. . .... . . . ... . . . ..... . ................ . ... . ........ . ...... . ...

213

Rechtsprechungsverzeichnis... ................................................................................ 226 Sachverzeichnis .............................. ................................................... ...................... 232

Abkürzungsverzeichnis a.A

a. E.

Abi. Abschn. AcP AGB AK-BGB Alt. Anm. AnwBI AT Autl. BauR BayVerfGH BB bearb. Beil. BGB BGBI. BGH BGHZ BT BVerfGE CE CEN CIC

CR DB ders. DGQ DIN DQS

andere Ansicht am Ende Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft Abschnitt Archiv für civilistische Praxis Allgemeine Geschäftsbedingungen Alternativkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Alternative Anmerkung Anwaltsblatt Allgemeiner Teil Auflage Baurecht: Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Bayerischer Verfassungsgerichtshof Betriebsberater bearbeitet Beilage Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes Besonderer Teil Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichtes conformite europeen comite europeen de normalisation culpa in contrahendo Computer und Recht Der Betrieb derselbe Deutsche Gesellschaft flir Qualität Deutsches Institut für Normung, Deutsche Industrienorm Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen

Abkürzungsverzeichnis DVGW EN EWiR FN FS GRUR GSG HDI HGB hM Hrsg. hrsg. HS ISO JA Jg. JuS JW JZ

Kza. LG m.w. N. MDR MünchKomm N. Y. U. L. Rev. NJW NJW-CoR NJW-RR NVwZ o. V. OLG PHI ProdHaftG pVV QM QMS QSV QZ RAL Rdnr.

13

Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches Europäische Norm Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Fußnote Festschrift Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gerätesicherheitsgesetz Haftpflichtverband der Deutschen Industrie Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben Halbsatz International Organisation for Standardisation Juristische Arbeitsblätter Jahrgang Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kennzahl Landgericht mit weiteren Nachweisen Monatsschrift des Deutschen Recht Münchener Kommentar New York University Law Review Neue Juristische Wochenschrift NJW -Computerreport NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Neue Zeitschrift flir Verwaltungsrecht ohne Verfasser Oberlandesgericht Produkt- und Umwelthaftpflicht international Produkthaftungsgesetz positive Vertragsverletzung Qualitätsmanagement Qualitätsmanagementsystem Qualitätssicherungsvereinbarung Qualität und Zuverlässigkeit, Zeitschrift für Qualitätsmanagement Deutsches Institut ftir Gütesicherung und Kennzeichnung Randnummer

14

Abkürzungsverzeichnis

Red. red. RG RGZ

Redakteur redigiert Reichsgericht Entscheidungsammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen Satz, Seite Schuldrecht Trägergemeinschaft für Akkreditierung Total Quality Management Technischer Überwachungsverein unter anderem, und andere Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb Verband Deutscher Elektrotechniker Vereinigung Deutscher Ingenieure Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung vergleiche Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil B Verbraucher und Recht W irtschaftstrechtliche Beratung Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wettbewerb in Recht und Praxis Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für nationales und internationales Baurecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Zivilprozeß

s.

SchuldR TGA TQM TÜV u. a. UWG VDE

VDI

VersR vgl. VOB/B VuR WiB WM WRP Zfß ZfBR ZIP ZLR ZPO ZRP ZZP

Für weitere Abkürzungen sei verwiesen auf Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl., Berlin/New York, 1993.

A. Einleitung Seit 1987 gibt es unter der Bezeichnung DIN EN ISO 9000- 9004 eine Normenreihe innerhalb der Deutschen Industrienormen, die, im Gegensatz zu vielen anderen DIN-Normen, keine Forderung an die Beschaffenheit eines Produktes aufstellt, sondern Forderungen an das unternehmensinterne Qualitätsmanagementsystem stellt. Die Normenreihe soll durch die Festlegung von einheitlichen Mindestforderungen Vertrauen in die Qualitätsfähigkeit eines Unternehmens schaffen. 1 Werden in einem Unternehmen die in dieser Norm geforderten Forderungen beachtet, kann sich der Unternehmer von einer unabhängigen Stelle zertifizieren lassen. Mit diesem Zertifikat kann der Unternehmer dann am Markt auftreten. Zahlreiche Unternehmen setzen sich mit der DIN ISO 9000ff. auseinander, um durch die Erlangung eines Zertifikates das Qualitätsmanagementsystem in ihrem Unternehmen zu dokumentieren und nachzuweisen. Einem solchen Zertifikat wird demgemäß für den Aufbau und die Pflege von Geschäftsbeziehungen eine zunehmende Bedeutung beigemessen. Die dahinterstehende Idee ist, daß die Wahrscheinlichkeit eines fehlerhaften Produktes wesentlich geringer ist, wenn die gesamte Unternehmensstruktur dahingehend ausgelegt ist, Fehler zu vermeiden bzw. zu erkennen und zu beseitigen. Die Folge ist, daß der Hinweis auf die erfolgreiche Zertifizierung in kaum einer Werbeanzeige fehlt. Geschäftsbereiche verkünden stolz die anstehende Zertifizierung auch dann, wenn das Zertifikat selbst noch nicht erteilt ist. Das hochgeschätzte Zeichen prangt auf vielen Briefbögen, Angebots- und Untemehmensbroschüren. 2 Beschränkungen auf bestimmte Unternehmenssparten gibt es dabei nicht; so sind Qualitätsmanagement-Zertifikate auch bei Banken, Rechtsanwaltskanzleien, Unternehmen der Freizeitbranche und selbst im Bestattungsgewerbe zu finden. Die Zahl solcher Zertifizierungen hat in den letzten Jahren ständig zugenommen, weil immer mehr Unternehmen und mittlerweile auch die öffentliche Hand von ihren Zulieferem einen solchen Nachweis als Grundvoraussetzung für die Begründung beziehungsweise Fortfiihrung der bisherigen Geschäftsbeziehung fordem.3 1 Vgl.

Nationales Vorwort zu DIN ISO 9000. Auswirkungen, PHI 96, 122, 131. 3 Homburg!Becker, Zertifizierung, WiSt 96, 444, 446. 2 Schlutz,

16

A. Einleitung

So ist bereits seit dem 1. Januar 1993 die öffentliche Hand europaweit gehalten, Dienstleistungsaufträge dann, wenn Qualitätssicherung notwendig ist, ab einem Auftragsvolumen von 200.000 DM nach Möglichkeit nur noch an zertifizierte Unternehmen zu vergeben. 4 In diesem Zusammenhang ist dem Autor ein Handwerksbetrieb bekannt geworden, der fiir einen weltweit tätigen Hersteller medizinischer Geräte ein fiir dieses Unternehmen relativ unbedeutendes Einzelteil fertigt. Dieser Handwerksbetrieb, in dem im wesentlichen nur der Bandwerksmeister selbst tätig ist, sieht sich nun gezwungen, fiir eine Fortsetzung dieser Geschäftsbeziehung eine Zertifizierung seines Betriebes vornehmen zu lassen. Ende Dezember 1995 wurden in 99 Ländern 127.389 Zertifikate nach ISO 9001, 9002, 9003 gezählt. In Deutschland wurden zum seihen Zeitpunkt 10.236 Zertifikate nach den entsprechenden DIN EN ISO-Normen gemeldet. 5 Die Attraktivität solcher Zertifikate ist auch darin zu sehen, daß alleine von der DQS, der Deutschen Gesellschaft fiir Qualitätssicherung, eine von mehreren Zertifizierungsgesellschaften, bis zum 8. November 1996 insgesamt 4.201 Qualitätsmanagement-Zertifikate erteilt wurden. Darunter befinden sich 3.235 Unternehmen, die sich nach DIN EN ISO 9001, derjenigen Norm mit den höchsten Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem, haben zertifizieren lassen. 6 In allen westeuropäischen Ländern hat die ISO-Normenreihe dabei eine ebenso positive Aufnahme wie in Deutschland gefunden. Staatliche, öffentliche und private Auftraggeber, wie auch zahlreiche Firmen aus den verschiedensten Industriebranchen, bauen ihre eigenen Qualitäts-Systeme entsprechend dieser Norm aufund verlangen sukzessive von ihren Zulieferem das Vorhandensein von funktionierenden Qualitäts-Systemen nach dieser Normenreihe. 7 Daher steht zu vermuten, daß das ISO-Zertifikat zumindest in Europa in den nächsten Jahren zum allgemein üblichen Standard werden wird. Hinzu kommt, daß beispielsweise die Automobilhersteller seit Januar 1996 verpflichtet sind, als Voraussetzung fiir die Erteilung einer EU-Betriebserlaubnis den Nachweis eines Qualitätsmanagementsystems zu erbringen, das zumindest den Anforderungen des ISO 9000-Standards genügt. Dabei ist es nicht ausreichend, daß nur der Automobilhersteller die Einfiihrung und Umsetzung eines funktionierenden, durchgängigen Qualitätsmanagementsystems nachweist, er muß sich auch davon überzeugen, daß seine Zulieferer und Entwicklungspartner den gleichen Kriterien entsprechen wie sein eigenes Unternehmen. Am einfachsten läßt sich dies umsetzen, indem der Endhersteller von seinem Teilehersteller oder Entwicklungspartner ebenfalls ein DIN EN ISO 9000, S. I 0. des Deutschen Institutes für Normung e. V. 6 Abgedruckt in QZ 97, 44. Ein Vergleich mit den entsprechenden Zahlen vom 23. August 1996, QZ 96, 1113, ergibt, daß in einem Zeitraum von zweieinhalb Monaten von dieser Gesellschaft 222 Unternehmen zertifiziert worden sind. 7 Hess, Qualitätsmanagement, S. 153. 4 Pfitzinger,

5 Presse-Info 46-96

A. Einleitung

I7

ISO-Zertifikat fordert. 8 Nicht zu Unrecht wird in der Zertifizierung auch eine Möglichkeit zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gesehen, die auch dem "Standort Deutschland" zugute kommen kann. Die Diskussion über Sinn und Nutzen solcher Zertifikate beschränkt sich dabei nicht auf die Expertenebene, sondern spielt sich oftmals in der breiten Öffentlichkeit ab, ist doch nicht zuletzt jeder durch oftmals einschneidende Veränderungen in den Arbeitsabläufen und der eingespielten Routine von der Normenreihe DIN ISO 9000ff. betroffen, der in einem Unternehmen beschäftigt ist, das ein entsprechendes Zertifikat besitzt oder eine solche Zertifizierung anstrebt. Von einer solchen öffentlichen Diskussion zeugen auch zahlreiche Artikel in der Tagespresse9. Aber auch praxisnahe Veröffentlichungen, welche die Wirkungen und auch die Schwierigkeiten und Probleme von Qualitätsmanagementsystemen nach DIN ISO 9000ff. thematisieren, haben seit geraumer Zeit in Zeitschriften und Tagungsbänden Hochkonjuntur. Charakteristisch fur die meisten Beiträge ist aber, daß gerade der juristische Aspekt solcher Qualitätsmanagementsysteme oftmals nur gestreift und damit allzu oberflächlich behandelt wird. Welche Wirkungen und Vorteile eine solche Zertifizierung unter juristischen Aspekten hat, bleibt somit oftmals im Dunkeln. Nach einer bei Malorny/K.assebohm10 dargestellten Untersuchung gaben 30% aller befragten Unternehmen an, daß die Absicherung gegen Produkthaftungsfalle mit ein Grund für die erfolgte Zertifizierung gewesen sei. Ob damit allerdings auf die Verbesserung der Haftungsgrundlage im Prozeß oder auf die Vermeidung solcher Prozesse durch die höhere Wahrscheinlichkeit einer fehlerfreien Produktion Bezug genommen wurde, ist nicht zu erkennen. So wird das ISO-Zertifikat bislang vornehmlich als Marketinginstrument angesehen, als "Gütezeichen" des qualitätsbewußten Unternehmens, als ein Nachweis einer modernen Organisationsstruktur. Ein solches Zertifikat ist jedoch insbesondere dann sinnvoll, wenn es dem Unternehmer außer einem Werbe- und Wettbewerbsvorteil auch einen rechtlichen Vorteil bringt. Gegenüber seinen Kunden oder sonstigen Dritten ist ein Unternehmer ständig der Gefahr ausgesetzt, aufgrund von Gewährleistungsrechten oder aufgrund von Produkthaftungsansprüchen auf die Leistung von Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden und dadurch zumindest den Gewinn aus dem getätigten Geschäft zu verlieren. Demzufolge soll im folgenden untersucht werden, ob der Unternehmer durch eine Zertifizierung nach DIN ISO 9000-9004 eine Haftungsbefreiung erreichen kann, ob eine solche Zertifizierung Einfluß auf das Gewährleistungsrecht und das Auswirkungen, PHI 96, I22, I28f. Siehe beispielsweise die Reihe "Qualitätsmanagement" in der Zeitung "Blick durch die Wirtschaft" in der Zeit vom I 0. Mai I 996 bis zum 14. Juni 1996. 10 Malorny!Kassebohm, TQM, S. 230. 8 Schlutz,

9

2 Bayer

18

A. Einleitung

Produkthaftungsrecht hat oder ob damit zumindest seine Verteidigungsmöglichkeit gegenüber Haftungsansprüchen verbessert wird. Obwohl sich die Rechtswissenschaft bisher nur wenig mit den juristischen Folgen befaßt hat, die sich infolge der zunehmenden Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen nach DIN ISO 9000ff. ergeben, und bisher auch noch keine Rechtsprechung vorliegt, die sich mit dem Themenkreis ,,Zertifizierung" beschäftigt, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis der Unternehmer ein solches Zertifikat auch in einem Haftungsfall zu seinen Gunsten einsetzen will. Der Grund fur die fehlende Rechtsprechung auf diesem Gebiet ist jedenfalls nicht darin zu sehen, daß es durch ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem tatsächlich zu einer Null-Fehler-Produktion kommt, denn in der Bundesrepublik Deutschland und in der Europäischen Union ereignen sich täglich tausende von Schadensfällen, wobei viele auf schadhafte oder mangelhafte Produkte zurückzufuhren sind. Insgesamt ereignen sich in Europa 45 Mio. Unfalle jährlich, wobei mangels entsprechender Daten ungeklärt ist, in welchem Umfang Konstruktionsbzw. Herstellungsmängel und unzureichende Gebrauchsanleitungen diese Unfälle verursachen. 11 Die Ursache ist meist darin zu sehen, daß es große Unternehmen, die bezüglich solcher Zertifikate noch fuhrend sind, vermeiden, Streitigkeiten vor ordentlichen Gerichten auszutragen, sondern entweder versuchen, sich mit dem Geschädigten zu vergleichen oder einem nichtstaatlichen Gremium, in der Regel einem Schiedsgericht, die Streitigkeit zu übertragen. Insbesondere wegen dieser fehlenden Rechtsprechung und auch wegen der teilweise oft aggressiven Werbeaussagen12 vieler Zertifizierungsgesellschaften über den Inhalt eines solchen Zertifikates unter juristischen Aspekten, ist der Informationsbedarf auf diesem Gebiet groß. 13 Dies soll Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung sein. Dabei beschränkt sich die Arbeit nicht auf die reinen unternehmensbezogenen Haftungsfragen, sondern bezieht auch, soweit möglich, "Nebengebiete", deren Bedeutung nicht sofort erkennbar ist, in die Untersuchung mit ein.

11 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit vom 31.01.1990, Abi. der EG Nr. C 75 S. 3 Nr, 14. 12 Beispiele solcher Aussagen finden sich bei Malorny!Kassebohm, TQM, S. 226 und S. 247f. 13 Siehe dazu auch Migge, Qualitätssicherungsverträge, VersR 92, 665, 666.

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

I

I. Bedeutung und Geschichte der Qualitätssicherung 1. Der Qualitätsbegriff

Wird zwischen zwei Personen ein Vertrag geschlossen, der die Herstellung oder Lieferung bestimmter Sachen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Inhalt hat, so wird entweder vertraglich vereinbart oder stillschweigend dem Vertrag zugrunde gelegt, daß die Waren oder Dienstleistungen eine bestimmte Qualität aufweisen müssen. Das Wort Qualität geht auf das lateinische "qualitas" zurück, das aus "qualis" (wie beschaffen?) abgeleitet wird. Man kann Qualität somit mit Beschaffenheit übersetzen. In der Umgangssprache hat das Wort jedoch einen viel weiteren Sinngehalt So kann es unter anderem Vortrefflichkeit, eine bestimmte Beschaffenheit (Tuch von englischer Qualität) oder Anspruchsniveau bedeuten. 2 In erster Linie wird der Begriff der Qualität umgangssprachlich zum Vergleich benutzt. Man spricht von guter oder schlechter Qualität, meint damit, daß das eine Produkt besser als ein anderes sei, daß es gegenüber einem anderen Produkt die gestellten Anforderungen besser erfiillt. Dabei können auch unterschiedliche Produkte einer Gattung in qualitativer Hinsicht miteinander verglichen werden. So ist eine Industriebohrmaschine qualitativ höherwertig als eine Bohrmaschine, die im Heimwerkerbereich verwendet wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Industriebohrmaschine zum Beispiel die in sie gesetzten Erwartungen hinsichtlich des einzuhaltenden Toleranzbereiches nicht erfullen kann. Auf die vielfältige Verwendung des Qualitätbegriffs in der Werbung soll hier nicht weiter eingegangen werden, man kann aber feststellen, daß dadurch grundsätzlich die Assoziation mit etwas Gutem geweckt werden soll. Der technische Sinngehalt des Wortes Qualität ist jedoch ein ganz anderer. Hierzu soll die vom Deutschen Institut fur Normung e.V. ausgearbeitete Definition verwendet werden. Qualität wird dabei als die Beschaffenheit einer Einheit,

1 Die Bezeichnung der Normen in uneinheitlich. Die seit August 1994 geltenden Fassungen, die jedoch nicht sämtliche Normen erfassen, sind mit "DIN EN ISO" bezeichnet. Im übrigen ist die aktuelle Bezeichnung "DIN ISO". Im folgenden werden zur Vereinheitlichung alle Normen als "DIN ISO" bezeichnet. 2 DIN-Taschenbuch Nr. 223, S. 136; zum Qualitätsbegriff und dessen Entwicklung, vgl. auch Geiger, Qualität, QZ 96, 1142ff.

2*

20

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

bezüglich ihrer Eignung, festgelegte oder vorausgesetzte Erfordernisse zu erfiillen, definiert. 3 Diese Definition erlaubt quantitativ stetig abgestufte Bewertungen der Qualität einer Einheit. Je nach dem Umfang der Erfüllung kann zum Beispiel von hervorragender, guter, mittelmäßiger oder schlechter Qualität gesprochen werden. 4 Verkürzt kann man sagen, daß die Qualität die mehr oder weniger gute Eignung eines Gegenstandes für seine spezifische Verwendung ist. 5 Im Gegensatz zur umgangssprachlichen Begriffsdefinition wird im technischen Bereich die Qualität somit nicht als Vergleich verschiedener Güter, sondern anforderungsbezogen definiert. Es erfolgt keine hierarchische Stufung, wenn Produkte, die einem einheitlichen Sammelbegriff zugeordnet werden können, für unterschiedliche Anforderungen konzipiert sind. Dies hat zur Folge, daß ein Haushaltsgerät umgangssprachlich von schlechterer Qualität als ein entprechendes Industriegerät ist, nach dem technischen Qualitätsbegriff jedoch von guter Qualität ist, wenn es die Erwartungen, die an ein entsprechendes Industriegerät gestellt werden, erfüllt. Der Begriff Qualität wird somit weder verwendet, um einen Grad der Vortrefflichkeit in einem vergleichenden Sinne auszudrücken, noch wird er in einem quantitativen Sinne für technische Bewertungen verwendet. 6 Die mangelnde Qualität eines Produktes ist oft die häufigste Ursache für Beanstandungen und damit auch einer Haftung des Herstellers. Die Folgen einer solchen Fehlerhaftigkeit können sehr unterschiedlich sein. Solange sie außerrechtlicher, insbesondere wirtschaftlicher Natur sind und den Hersteller selbst treffen (Urnsatzrückgang, Beeinträchtigung des guten Rufs, Minderung des Gewinns u.a.), interessieren sie den Juristen nicht. Juristisch wird es interessant, wenn durch die mangelnde Qualität eines Produktes fremde Rechtssphären beeinträchtigt werden. In einem solchen Falle können strafrechtliche und/oder zivilrechtliche Folgen eintreten. Letztere wiederum können vertraglicher oder außervertraglicher Natur sein. 7 Trotz dieser Folgen ist "Qualität" kein Rechtsbegriff Das positive Recht liefert dazu keine explizite Definition. Der Begriff der Qualität wird in Rechtsprechung8 und Literatur9 gewöhnlich aber im Zusammenhang mit Fällen der Sachmängelhaftung verwendet. Die rich3 DIN-Taschenbuch Nr. 223, S. 127; DIN 55350; Kaminske!Brauer, Stichwort Qualität, S. 126; DIN (Hrsg.), Qualitätsmanagement, Statistik, Zertifizierung, S. 211 f. 4 DIN-Taschenbuch Nr. 223, S. 128. 5 Marburger, Regeln der Technik, S. 258, Brende/, Qualitätsrecht, S. 35. 6 Kaminske/Brauer, Stichwort Qualität, S. 126. Auf weitere Definitionen des Qualitätsbegriffs soll im folgenden nicht mehr eingegangen werden. Vgl. hierzu nur die mehr als 30 verschiedenen Definitionen bei Ma/orny/Kassebohm, TQM, S. 67-70. 7 Pfeifer, Qualitätsmanagement, S. 405; im folgenden werden die Begriffe im Sinne von DIN 8402 verwendet, soweit nichts anderes vermerkt ist. 8 Beispielsweise BGH NJW 1988, 52; OLG Zweibrücken WM 1985,237.

I. Bedeutung und Geschichte der Qualitätssicherung

21

tige oder ausreichende Qualität ist eine Frage der richtigen oder ausreichenden Erfullung einer Rechtspflicht, zum Beispiel einer Leistungspflicht, die in einer vertraglichen Vereinbarung fixiert ist. In einem Vertrag über den Kauf einer bestimmten Sache legen die Vertragsparteien fest, welche Merkmale diese Sache haben muß. Hat die Sache diese Eigenschaften zum Lieferzeitpunkt und behält sie diese während der Gewährleistungsfrist, so ist sie von der richtigen Qualität. Qualität ist also das, was die Vertragsparteien als Gesamtheit der Merkmale fur die Sache vereinbart haben. 10 Es liegt dann ein Qualitätsmangel vor, wenn einem Produkt Fehler anhaften, "die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern". 11 Ein Fehler ist allgemein die Nichterfullung einer festgelegten Forderung. Dabei werden unter Forderung speziell auch Qualitäts- und Zuverlässigkeitsmerkmale verstanden. 12 Doch ist wiederum nicht jede Qualitätsabweichung ein Fehler, sondern nur erhebliche Abweichungen. Die Qualitätsforderungen beschreiben den Sollzustand einer zu erbringenden Leistung. 13 Qualität bedeutet aber nicht allein die Konformität eines Produktes mit bestimmten Spezifikationen, sondern auch die - in der Anspruchsgrundlage viel weitergehende und im Marktgeschehen entscheidende - Erfullung von Kundenwünschen, die oft ideeller Natur sein können, meist jedoch nicht justitiabei sind. 14 2. Festlegung von Qualitätskriterien

Schon seit frühesten Zeiten wurden Gegenstände nach ihrer Qualität differenziert. Waren erst einmal normative Größen fur Länge, Raum, Zeit und andere wesentliche Faktoren festgelegt, so erlaubte dies die Prüfung und Kontrolle einer geforderten Qualität. Dabei ist es nicht erstaunlich, daß solche Differenzierungen schon in frühester Zeit vorgenommen wurden. Selbst in den Urzeiten der Tauschwirtschaft mußten Güter der gleichen Gattung unterschiedlich bewertet werden können, um sie "gerecht" gegen andere Güter eintauschen zu können. Daß ein Produkt, das eine bestimmte Qualität aufweist, besser zu verkaufen ist als ein 9 Beispielsweise MünchKomm!Emmerich, § 243 Rdnr. 20; Staudinger/Medicus, § 243 Rdnr. 20, 22f. 10 Wiegand, Qualität und Recht, QZ 1988, 326; so auch in BGH NJW 1988, 52; aber auch in Staudinger!Schiemann, § 243 Rdnr.23 oder MünchKomm!Emmerich, § 243 Rdnr. 26. 11 § 459 Abs. I S. I BGB. 12 Kamins/ce/Brauer, Stichwort Qualität, S. 45. 13 Brende/, Qualitätsrecht, S. 36. 14 Ebenso auch Pleitner, Produkthaftungsgesetz, Teil 3/ 18, Seite 4.

22

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

anderes von minderer Qualität, führte schon früh zu einer Kennzeichnung einzelner Produkte. Handel und Handwerk mußten sich schon früh aufgrund der Arbeitsteilung um den Nachweis einer zufriedenstellenden Qualität der Ware bemühen. Diejenigen, die nicht mit der Herstellung der Ware befaßt waren, konnten die Beschaffenheit mangels ausreichender Fachkenntnisse kaum beurteilen. Da diese Unsicherheit den Handel und Güteraustausch beträchtlich hemmte, versuchten qualitätsfähige Kaufleute und Handwerker durch Herkunftszeichen wie Woll-, Leinen- oder Töpfersiegel das Vertrauen in die Qualität der Ware zu festigen. Bereits im alten Mesopotamen wurden leicht erkennbare Zeichen stets gleicher Art für die Verpackung der Güter verwandt. So wurden die Transportkrüge für Wein oder Öl durch einen einheitlichen Wachsverschluß als die Ware eines bestimmten Kaufinannes gekennzeichnet. 15 Durch Markieren der Ware mit dem Herkunftszeichen sollte gezeigt werden, daß man sich für eine zufriedenstellende Qualität der "Markenware" verbürge. Dieses Versprechen setzte Qualitätsprüfungen voraus, um festzustellen, inwieweit die Qualitätsforderung erfüllt ist. Daher wurde vor allem in den Zünften für viele Gewerbe die "Schau" eingerichtet. Besonders ausgeprägt war diese Qualitätsprüfung bei der Textilherstellung, im Nahrungsmittelbereich und bei den Metallhandwerkem. 16 Sie waren verpflichtet, ihre Waren mit einem individuellen Markierungen zu versehen. Dadurch garantierten sie für eine bestimmte Qualität ihrer Produkte. Die Kunsthistoriker kennen hier noch die Steinmetzzeichen, die seit den Tagen der Gotik in Kirchen angebracht wurden. Sie sind Qualitätsgarantien der am Bau beteiligten Handwerker. Ihre Anbringung lag im Interesse des Bauherrn, weil sich die Werkleute damit für die fachgerechte Ausführung auch derjenigen Arbeiten verbürgten, die dem Laien verborgen oder von ihm nicht beurteilbar waren. 17 In England wurde 1887 als Reaktion auf den beginnenden Verlust der technischen und technologischen Führungsrolle eine Kennzeichnungspflicht für ausländische Waren eingeführt. Durch den Aufdruck ,,Made in ... " sollte der Zufluß minderwertiger Waren in das eigene Land eingedämmt werden. Doch wurde dadurch beispielsweise ,,Made in Germany" bald zu einem Zeichen für eine besondere Qualität für Waren aus Deutschland. Die ursprüngliche Idee der Regelung, ausländische Ware vom inländischen Markt fernzuhalten, wurde dadurch in ihr Gegenteil verkehrt_l 8

Lerner, Geschichte, S I 7, 19. Siehe zum gesamten DGQ, Qualität und Recht, S. 15f. 17 V gl. Lerner, Geschichte, S. 17, 21. 18 V gl. Lerner, Geschichte, S. 17, 23; Hansen, Zertifizierung, S. 151. 15

16

I. Bedeutung und Geschichte der Qualitätssicherung

23

a) Vertragliche Festlegung

Grundsätzlich hat der Gesetzgeber durch den Erlaß von Vorschriften über die Herstellung und Zulassung von Produkten zum Markt die Möglichkeit, zum Schutz des Verbrauchers qualitätssteuernd Einfluß auf die Warenproduktion zu nehmen. Beispiele hierfür sind das Lebensmittelgesetz 19, das Gerätesicherheitsgeseti0 und die Straßenverkehrszulassungsordnung21• Hauptursache fur das Zustandekommen einer bestimmten Qualität ist aber, daß der Kunde bestimmte Wünsche hinsichtlich der zu erfullenden Ansprüche des Produktes hat. Solche Erfordernisse können beispielsweise Gesichtspunkte der Leistung, Brauchbarkeit, Zuverlässigkeit (Verfugbarkeit, Funktionsfähigkeit, lnstandhaltbarkeit), Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Ästhetik mit einbeziehen. 22 Bestimmte Qualitätserfordernisse werden gewöhnlich in Merkmale mit festgesetzten Prüfkriterien umgesetzt (Qualitätsforderungen). Solche Qualitätsforderungen artikuliert der Kunde gegenüber dem Hersteller oder dem Verkäufer oder setzt sie in Form von Erwartungen voraus. Damit verbindet er eine Vorstellung vom Preis, den er zu zahlen bereit ist. Ist der Lieferant bereit, zu diesem Preis eine solche geforderte Qualität zu liefern, kommt der Vertrag zustande. 23 b) Fest/egung durch technische Normwerke

Von welcher Beschaffenheit ein Gegenstand sein soll, kann aber auch unter Zuhilfenahme einschlägiger technischer Normwerke festgelegt werden. Dabei ist es zuerst notwendig, den Begriff der "Norm" zu erläutern. Hierbei interessieren nur technische Normen. Die Weltnormungsorganisation IS024 defmiert eine technische Nonn als eine technische Spezifikation, die von einer anerkannten Normungsinstitution zur wiederholten oder ständigen Anwendung angenommen wurde, deren Einhaltung nicht zwingend vorgeschrieben ist. 25 Das Deutsche Institut fur Normung e.V. definiert eine Nonn schlicht als das herausgegebene Er19 Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen in der Fassung vom 8.7.1993 (BGBI. I S. 1169), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.11.1994 (BGBI. I S. 3538). 20 Detaillierte Darstellung im Abschnitt "b) § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 3 Gerätesicherheitsgesetz" ab Seite 156. 21 Straßenverkehrszulassungsordnung in der ab dem 28.9.1988 geltenden Fassung (BGBI. I S. I 793) zuletzt geändert durch Verordnung vom 6.1.1995 (BGBI. I S. 8). 22 Kamins/ce/Brauer, Stichwort Qualität, S. 126. 23 Masing, Handbuch, S. 3. 24 International Organization for Standardization, siehe dazu das Kapitel "a) Erstellung technischer Norm werke" ab S. 26. 25 Gay, Bestimmungen, S. 38.

24

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

gebnis der Normungsarbeit Diese wiederum ist die planmäßige auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgefiihrte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit. 26 Durch die Vereinheitlichung kann eine Reduzierung einer Vielzahl (überflüssiger) Ausführungsformen auf eine wirtschaftlich vernünftige Auswahl erfolgen. 27 Das bietet sich insbesondere bei der Festlegung von "Standardmerkmalen" an. Denn eine technische Norm ist die Lösung einer sich wiederholenden Aufgabe. 28 Kennzeichnend für technische Normen ist danach, daß aus einer Vielzahl technischer Lösungsmöglichkeiten eines technischen Problems durch eine überbetriebliche Organisation eine wissenschaftlich gesicherte Variante ausgewählt, schriftlich normiert und zur Anwendung empfohlen wird. 29 Technische Normen legen Eigenschaften von Erzeugnissen fest. Ob es sich dabei um Farbe, Form, Abmessung, Güte des Rohmaterials oder Witterungsbeständigkeit eines Gegenstandes handelt, ist prinzipiell gleichgültig; alle diese Beschaffenheitsmerkmale bestimmen die Qualität des Produktes. Allerdings zeigt schon diese willkürliche Aneinanderreihung möglicher Produkteigenschaften, daß ihr Einfluß auf die Gebrauchstauglichkeit nach Art und Intensität sehr verschieden sein kann. So ist die Farbgebung bei Signalkleidung von außerordentlicher Bedeutung, bei Einhauteilen in eine Maschine aber eher unwichtig.30 Normung erfolgt somit nicht nur zur Regelung gesellschaftlicher Konfliktfälle. Sie ist auch das Ordnungsinstrument des gesamten technischen und wissenschaftlichen Lebens. 31 Normung verfolgt somit den Zweck, Produkte, Verfahren und Begriffe zu vereinheitlichen, um damit die Transparenz zu erhöhen und wirtschaftliche Beziehungen zu vereinfachen. 32 Die Vereinheitlichung technischer Erzeugnisse ist keine Erfindung der Neuzeit. Bereits das Altertum kannte sie. Das ist jedoch nicht erstaunlich, denn von jeher ist das Streben nach Vereinfachung und Arbeitserleichterung ein Grundmotiv technischen Schaffens.33 So wurden im alten Ägypten um 1500 v. Chr. für den Bau von Palästen und Häusern bereits einheitliche Ziegel in einem bestimmten 26 DIN 820 Blatt I - Grundsätze der Normungsarbeit; zu den weiteren Definitionen des Begriffs der technischen Norm, siehe Rönck, Technische Normen, S. 21-35. 27 Garbotz, Vereinheitlichung, S. 3ff., zitiert nach Marburger, Regeln der Technik, s. 41. zg Kienzle, Wesen der Normen, S. 59, 63, zitiert nach Marburger, Regeln der Technik, s. 41. 29 Huth, Technische Normen, S. 50. 30 Marburger, Regeln der Technik, S. 250. 31 DIN-Taschenbuch Nr. 226, S VI. 32 Wuppertaler Kreis, Qualitätsmanagement, S. 15. 33 Marburger, Regeln der Technik, S. 179; a. a. 0. auch die folgenden Beispiele.

I. Bedeutung und Geschichte der Qualitätssicherung

25

Format verwendet. Die aus dem alten Rom bekannten Wasserleitungen wurden mit genormten Rohren, die einen einheitlichen Rohrquerschnitt aufWiesen, errichtet. Im 15.Jahrhundert rüstete die Republik Venedig ihre Kriegsflotte mit Schiffen von gleicher Bauart aus. Dies ermöglichte eine einfache Lagerung von Ersatzteilen in den verschiedenen Häfen, um die Schiffe im Bedarfsfall schnell reparieren zu können. Aus dem späten Mittelalter gehört als wichtigstes technisches Ereignis die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern in diesen Zusammenhang. Das Verfahren beruht auf der beliebigen Austauschbarkeit der Lettern, einem Grundprinzip der Normung. Technische Normung ist somit untrennbar verbunden mit industrieller Fertigung austauschbarer Massenprodukte und mit der korrespondierenden Notwendigkeit, Leistungen und Herstellungsprozesse zu standardisieren. In Deutschland wurde das erste Normungsprojekt auf überbetrieblicher Ebene im Eisenbahnwesen durchgeführt. Nach dem Zusammenschluß mehrerer Eisenbahngesellschaften zum "Verein Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen" im Jahre 1847 wurden die unterschiedlichen Betriebseimichtungen mit dem Ziel vereinheitlicht, den Deutschen Eisenbahnen solche Einrichtungen zu geben, daß sie von jeder beliebigen Eisenbahnverwaltung mit ihren eigenen Betriebsmitteln und eigenem Fahrpersonal in Betrieb genommen werden konnten. Technische Normen haben sich zuerst aufbetrieblicher Ebene entwickelt. So fmden sich schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem in Großbetrieben der metallverarbeitenden Industrie sogenannte Werks-"Normalien" und Normalienbücher. Sie behandelten vornehmlich Kleinteile, wie Schrauben, Bolzen und sonstige Befestigungselemente, für deren Herstellung sie als Konstruktionsunterlagen dienten. 34 Diese Werksnormen waren der Ausgangspunkt für überbetriebliche Vereinbarungen, die erstmals im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zustande kamen. Den organisatorischen Rahmen dafür bildeten die damals konstituierten technischwissenschaftlichen Vereinigungen, beispielsweise der VDI, der DVGW oder der VDE. 35 Durch solche überbetrieblichen Normen wird die Materialbeschaffung wesentlich vereinfacht. Genormte Gegenstände sind durch die Norm in ihren Benennungen, Abmessungen, Güteeigenschaften usw. eindeutig bestimmt. Bei der Bestellung ersetzt daher die Bezugnahme auf die Norm und die darin festgelegten Bezeichnungen die sonst erforderliche, häufig umständliche und umfangreiche und zudem fehleranfällige Warenbeschreibung. Dieser Vorteil setzt sich in den Bereichen Lagerhaltung, Transportwesen und Konstruktion fort. 36 In zahllosen Produkt- und Tätigkeitsnormen sind viele Einzelforderungen an die Beschaffenheit der betreffenden Einheit enthalten. Die Gesamtheit der Einzelforderungen Marburger, Regeln der Technik, S. 43. Regeln der Technik, S. 44. 36 Marburger, Regeln der Technik, S. 250. 34

35 Marburger,

26

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

macht jeweils die Qualitätsforderung an das betreffende Produkt aus. 37 In der heutigen stark spezialisierten und arbeitsteiligen Wirtschaft ist die passungsgerechte Ausfiihrung auf der Basis standardisierter Abmessungen ein wesentliches Kriterium fiir die Bewertung von Produktqualität und Funktionseignung.38 3. Darstellung teeboischer Normwerke a) Erstellung technischer Normwerke

Die überbetriebliche Normung ist in der Bundesrepublik Deutschland eine Aufgabe der Selbstverwaltung der Wirtschaft unter Einschluß der interessierten behördlichen Stellen. Dazu wurde als zentrale Normungsorganisation im Jahre 1917 das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) geschaffen. Es ist heute der größte und bedeutendste Normungsverband in der Bundesrepublik Deutschland und zugleich der einzige, der sich ausschließlich mit der Aufstellung und Verbreitung technischer Normen befaßt. 39 Das DIN ist ein technisch-wissenschaftlicher Verein mit Sitz in Berlin. In dem am 5. Juni 1975 geschlossenen Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem DIN wurde dieses als das Zentralorgan der Normung und damit als die zuständige Normungsorganisation anerkannt. Darin anerkennt der Staat weiterhin, daß die Normung Gegenstand der Selbstverwaltung der Wirtschaft ist und daß das DIN Trägerio dieser Aufgabe ist. In dem Vertrag wird ferner das Verfahren der Normungsarbeit vom Staat gutgeheißen.40 Durch Bezugnahme auf die vom DIN erarbeiteten Normen in Rechtsvorschriften entlastet sich der Gesetzgeber davon, in jedem Einzelfall technische Regeln selbst erarbeiten zu müssen. Obgleich technische Normen keine Rechtsnormen sind, können sie rechtlich durch unmittelbare Nennung in einer Rechtsnorm relevant werden. Dies kann zum einen durch eine Verweisung innerhalb des Gesetzes auf die jeweilige technische Norm geschehen, wobei auf die verfassungsrechtliche Problematik einer solchen dynamischen Verweisung auf die jeweils gültige technische Norm nicht näher eingegangen werden soll. 41 DGQ, Qualität und Recht, S. 21. Marburger, Regeln der Technik, S. 250; Gay, Bestimmungen, S. 39. 39 Marburger, Regeln der Technik, S. 197. 40 Sonnenberger, Grundfragen, BB Beilage 411985, S. 3, 5. 41 Hierzu sei unter anderem auf die Darstellung bei Huth, technische Normen, S. 75ff. verwiesen; ausführlich dazu auch in Lukes, Industrielle Normen, in: Müller-Graf, Technische Regeln, S. 17, 19 und Marburger, Formen, Verfahren und Rechtsprobleme, in: Müller-Graf, Technische Regeln, S. 27, 38ff.; zu den weiteren Formen der rechtlichen Bezugnahme auftechnische Normen, siehe Rönck, Technische Normen, S. 156-169. 37

38

I. Bedeutung und Geschichte der Qualitätssicherung

27

Häufiger dagegen ist die Bezugnahme in gesetzlichen Vorschriften auf "allgemein anerkannte Regeln der Technik" oder auf den "Stand der Technik". Dies trifft vor allem fur verwaltungsrechtliche Gesetze zu, z.B. im Bereich des Immissionsschutz- und Abfallrechtes42 • Bei den anerkannten Regeln der Technik bzw. dem Stand der Technik handelt es sich um konkretisierungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe. Bei ihrer Konkretisierung kommt es darauf an, ob eine bestimmte Verfahrensweise so in die Praxis eingedrungen ist, daß sie sich dort bewährt und gefestigt hat, beziehungsweise ob sie den gegenwärtigen Entwicklungsstand des technischen Fortschritts wiedergibt. Aber gerade dieser technische Fortschritt, beziehungsweise die bewährte feste Praxis, wird mit großer Wahrscheinlichkeit durch eine spezielle technische Norm wiedergegeben. Dafur spricht insbesondere die Selbstbindung des DIN, die Normung an den jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik zu binden. 43 Zu den wichtigsten Grundsätzen fur das Zustandekommen einer DIN-Norm zählen weiterhin: Freiwilligkeit, Öffentlichkeit, Beteiligung aller interessierter Kreise, Einheitlichkeit und Widerspruchsfreiheit, Sachbezogenheit, Ausrichtung am Stand von Wissenschaft und Technik, Ausrichtung an den wirtschaftlichen Gegebenheiten, Ausrichtung am allgemeinen Nutzen und Internatiomlität. 44 Die meisten Länder haben fur Fragen der Qualität und der Sicherheit von Produkten und Verfahren eigene Normen und Rechtsvorschriften. Dies kann zu Kostenerhöhungen fuhren, weil Produkte, die in anderen Ländern verkauft werden sollen, entweder den jeweiligen nationalen Normen angepaßt werden müssen oder unterschiedliche nationale Prüf- und Zertifizierungsverfahren durchlaufen müssen. 45 Die Erkenntnis, daß unterschiedliche nationale technische Normen den freien grenzüberschreitenden Warenverkehr behindern, fuhrte schon zu Beginn dieses Jahrhunderts zur internationalen Zusammenarbeit in der technischen Normung. Es entstanden supranationale Normungsorganisationen mit dem Ziel, die Ergebnisse der Normungsarbeit in den Mitgliedsländern zu harmonisieren. Im folgenden sollen die zwei bedeutendsten Organisationen vorgestellt werden: Die International Organization for Standardization (ISO) wurde im Oktober 1946 gegründet. Sie hat den Status einer privatrechtliehen Körperschaft schweizerischen Rechts mit Sitz in Genf. Ihr Zweck besteht darin, die Entwicklung von 42 So in § 3 Abs. 6 BimSchG (Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräuschen, Erschütterungen und ähnlichen Vorgängen vom 14. Mai 1990 (BGBI. I S. 880) zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juli 1996 (BGBI. I S. 10 19)) oder § 12 Abs. I Krw-/AbfaliG (Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen vom 27. September 1994 (BGBI. I S. 2705)). 43 Zum Gesamten: Sonnenberger, Grundfragen, BB Beilage 411985, S. 3, 8. 44 Klein, Einflihrung, S 14. 45 Hölzer, Rechtsharmonisierung, Wirtschaftsrecht, 1993, 262.

28

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

Normen in der Welt zu fördern, um den internationalen Austausch von Gütern und Dienstleistungen zu erleichtern und die Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem, technischem und wirtschaftlichem Gebiet zu entwickeln. Zu diesem Zweck obliegt ihr unter anderem die Aufgabe, internationale Normen aufzustellen. Mitglieder der ISO können die nationalen Normungsorganisationen werden, aus jedem Staat jedoch nur eine. Die Bundesrepublik Deutschland ist seit 1951 durch das DIN in der ISO vertreten. Die Arbeitsergebnisse der ISO sind für die Mitglieder nicht verbindlich. Die vom ISO erarbeiteten Normen werden jedoch in der Regel vom DIN unverändert als DIN-ISO-Normen in das deutsche Normenwerk übernommen.46 Auf europäischer Ebene wurde 1961 als Zusammenschluß der Normungsorganisationen aus den Ländern der Europäischen Gemeinschaft das Cornite Europeen de Normalisation (CEN) gegründet. Satzungsmäßiges Ziel des CEN ist, die Entwicklung des Handels und des Austausches von Dienstleistungen durch die Beseitigung technisch bedingter Handelshemmnisse und die Ermöglichung des freien Handels zwischen allen Mitgliedsländern zu fördern. Demgemäß besteht die Aufgabe des CEN unter anderem in der Aufstellung "Europäischer Normen" (EN) durch die Harmonisierung von Normen der Mitgliedsländer oder durch die Schaffung völlig neuer Normen, in der Unterstützung der weltweiten Normung im Rahmen des ISO und der Sicherstellung einer einheitlichen Einführung von ISO-Normen in den Mitgliedsländern. Wird eine Europäische Norm verabschiedet, so verpflichtet die Zustimmung das Mitglied, die Europäische Norm innerhalb von sechs Monaten mit unverändertem Wortlaut in das nationale Normenwerk zu übernehmen. Ist dies geschehen, ist jede europäische Norm auch eine DIN-Norm, wobei etwa vorhandene nationale Normen zum gleichen Gegenstand zurückzuziehen sind.47 b) Verfahren zum Erlaß von DIN-Normen

Die Normungsarbeit des DIN wird von sogenannten Normungsausschüssen durchgeführt. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter in den Normungsausschüssen sind Fachleute aus interessierten Kreisen (Handel, Handwerk, Industrie, Behörden, Berufsgenossenschaften...). Die Normungsarbeit wird durch einen Antrag eingeleitet, der von jedermann gestellt werden kann. In der Praxis kommen die Anregungen jedoch meistens aus der Wirtschaft, von Behörden oder vom DIN selbst. 46 Marburger, Regeln der Technik, S. 236, 237; Sonnenberger, Grundfragen, BB Beilage 4/1985, S. 3, 4. 47 Zum Gesamten siehe: Marburger, Regeln der Technik, S. 243-245; Sonnenberger, Grundfragen, BB Beilage 4/1985, S. 3, 4. Vgl auch Hölzer, Rechtsharmonisierung, Wirtschaftsrecht 1993, 262; eine Darstellung weiterer nationaler und internationaler Normungsorganisationen findet sich bei Rönck, Technische Normen, S. 45-69.

I. Bedeutung und Geschichte der Qualitätssicherung

29

Am Normungsverfahren kann jedermann durch Stellungnahmen zu den Nor-

mentwürfen oder durch Einspruch gegen den Erlaß einer Norm teilnehmen. Die beschlossene Norm wird veröffentlicht. 4R 4. Bedeutung von DIN-Normen im Wirtschaftsleben

DIN-Normen stehen jedermann zur Anwendung frei. Sie haben den Charakter von Empfehlungen und sollen sich als "anerkannte Regeln der Technik" einfuhren. Es besteht grundsätzlich aber kein Zwang, die Festlegungen des DIN einzuhalten. Den Festlegungen von technischen Normen kommt zwar eine faktische und tatsächliche Erheblichkeit zu, sie können aber aus sich heraus keine rechtliche Geltung haben. Sie liegen damit auf der Ebene der Verkehrssitte und der handelsrechtliehen Usancen, bringen also das als üblich und richtig in dem jeweiligen Gebiet zum Ausdruck.49 Festlegungen in DIN-Normen sind aber aufgrundder Art und Weise ihres Zustandekommens und der im DIN gültigen und respektierten Grundsätze und Regeln der Normungsarbeit fachgerecht. DIN-Normen bilden dadurch einen Maßstab für einwandfreies technisches Verhalten; dieser Maßstab ist auch im Rahmen der Rechtsordnung von Bedeutung. Bei sicherheitstechnischen Festlegungen in DIN-Normen besteht überdies eine tatsächliche Vermutung dafür, daß sie "anerkannte Regeln der Technik" sind. Eine Anwendungspflicht kann sich aus Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Verträgen oder aus sonstigen Rechtsgrundlagen ergeben. Ansonsten ist die Einhaltung der DIN-Normen freiwillig. DIN-Normen sind in der Regel eine wichtige Erkenntnisquelle für fachgerechtes Verhalten im NormalfalL Sie können aber nicht alle möglichen Sonderfalle erfassen, in denen weitergehende oder einschränkende Maßnahmen geboten sind.50 5. Die Sicherstellung einer bestimmten Qualität a) Begriff der Qualitätssicherung

Unternehmen des herstellenden Gewerbes als auch Unternehmen der Dieostleistungsbranche sehen sich auf nationalen, insbesondere aber auf internationalen Märkten einem immer stärkeren Qualitätswettbewerb ausgesetzt. Mehr denn je

48 49

Marburger, Regeln der Technik, S. 202; zum Verfahren siehe auch DIN 820. Lu/ces, Industrielle Normen, in: Müller-Graf, Technische Regeln, S. 17, 18. Klein, Einfl.ihrung, S. 14; DIN 820-Grundlagen der Normungsarbeit.

°

5

30

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

entscheidet die Qualität der Erzeugnisse über Wachstum und Bestand des Unternehmens, über die Weiterführung ganzer Produktionszweige, in Einzelfällen sogar über komplette Branchen. 51 Auch besteht jederzeit die Möglichkeit, daß schon durch kleinste Fehler hochkomplexe Anlagen außer Betrieb gesetzt werden können und dadurch große Vermögenswerte vernichtet oder sogar Menschenleben in Gefahr gebracht werden oder zu Tode kommen. 52 Außer solchen schwerwiegenden Folgen kann eine wechselnde Produktqualität dazu führen, daß das Unternehmen seine Stellung am Markt verliert. Eine Haftung des Unternehmers für seine Produkte geht immer auf irgendeinen Fehler bei der betrieblichen Leistungserstellung zurück. Dabei tritt der Schaden in der Regel erst ein, wenn die direkte Verfügungsgewalt über das schadensstiftende Produkt nicht mehr beim Produzenten liegt. Einwirkungsmöglichkeiten auf das Produkt bestehen dann nicht mehr. Deshalb muß es das Ziel des Produzenten sein, durch geeignete Maßnahmen das Auftreten von Fehlern zu verhindern. 53 Wie hart der Kunde Qualitätsdefizite bestraft, zeigt sich in folgendem Ansatz: So werden 90 von 100 Kunden, die mit der Beschaffenheit eines Produktes unzufrieden sind, dieses fortan meiden. Weiterhin zeigt sich, daß sich im Mittel nur etwa 4 Prozent der unzufriedenen Kunden gegenüber dem Hersteller beklagen. Jeder dieser unzufriedenen Kunden wird aber seinen Unmut über die mangelnde Qualität mindestens neun und teilweise sogar über zwanzig weiteren potentiellen Kunden mitteilen. 54 Die Qualität eines Produktes ist stets kundenbezogen. Qualitätsmanagementdaher insbesondere Kundenmanagement 55 Insbesondere die Produzenten von Markenartikeln müssen darauf bedacht sein, eine ständig gleichbleibende Qualität ihrer Produkte zu gewährleisten. Die Verbraucher vertrauen in der Regel darauf, daß mit einer Marke versehene gleichartige Produkte von im wesentlichen gleichbleibender, nicht jedoch notwendig hochwertiger Beschaffenheit und Güte sind, und zwar zumindest in dem 51 Pfeifer, Qualitätsmanagement, S. 2; Als Beipiel sei hier der scheinbar unautbaltsame Niedergang der Fotoindustrie, der Phono- und TV-Industrie in den 60er, 70er und 80er Jahren in den westlichen Industrieländern genannt. So wurden hier noch Produkte von hoher Zuverlässigkeit und Gebrauchstauglichkeit auf der Basis einer lang eingeführten Technik entwickelt und hergestellt, obwohl das Interesse des potentiellen Kunden bereits auf die "neuen" fernöstlichen High-Tech-Produkte gerichtet war. Die Europäer produzierten nicht mehr die Qualität, die am Markt gefragt war. 52 Als Beipielaus der jüngsten Geschichte sei hier der Absturz des SirgenAir-Flugzeug vor der Dominikanischen Küste genannt, wo alle Insassen ums Leben kamen. Ursache des Absturzes war vermutlich ein defekter Geschwindigkeitsanzeiger, der die Piloten zu falschen Reaktionen veranlaßte; vgl. dazu Kitt/Specht, Reiserecht, NJW 96, 2916ff. 53 Hahn, Produkthaftung, S. 9. 54 Nach Pfeifer, Qualitätsmanagement, S. 3. 55 Albach, TQM, ZfB 63. Jg. (1993), S. 537.

I. Bedeutung und Geschichte der Qualitätssicherung

31

Sinne, daß die gekennzeichneten Waren keinesfalls eine schlechtere, möglicherweise aber eine bessere Qualität aufweisen. 56 Somit wird erkennbar, daß es für den Hersteller von Produkten von höchster Notwendigkeit ist, sicherzustellen, daß Produkte, die ein einmal festgesetztes Qualitätsziel nicht erreichen, nicht auf den Markt gelangen. Er muß somit sicherstellen, daß eine bestimmte Mindestqualität ständig erreicht wird. 57 Er muß diesen Qualitätsstand sichern. Um dies zu erreichen, sind verschiedene organisatorische und technische Maßnahmen, die der Schaffung und Erhaltung der Qualität dienen, notwendig. 58 Es ist eine Betriebsorganisation erforderlich, die eine Beherrschung aller technischen, administrativen und menschlichen Faktoren, die die Qualität eines Produktes beeinflussen, ermöglicht. 59 Die Qualität eines Produktes ist das Ergebnis planender und kontrollierender Aktivitäten auf allen Ebenen des betrieblichen Leistungserstellungsprozesses. So ist letztlich jeder Produktfehler auf den Faktor Planung zurtickzuführen. Somit muß Qualitätssicherung dahin gehen, systematisch Fehlern vorzubeugen und Defekte zu vermeiden. 60 Die Umsetzung dieser Anforderungen an die Unternehmensorganisation wird als Qualitätssicherungssystem bezeichnet. Der vorläufig letzte Schritt in dieser Entwicklung war ein Konzept, das auf der Erkenntnis beruhte, daß Qualitätssicherung eigentlich eine Aufgabe des Managements, also der Führungskräfte des Unternehmens, sei. Seitdem redet man vom umfassenden Qualitätsmanagementsystem. Ein Qualitätsmanagementsystem umfaßt alle Tätigkeiten des Gesamtmanagements, durch die sowohl die Qualitätspolitik festgelegt als auch diese durch Mittel wie Planung, Lenkung und Sicherung verwirklicht wird. Die Unternehmensleitung trägt somit eine nicht delegierbare Verantwortung für die Qualität und muß aktiv für deren Umsetzung auf allen Hierarchieebenen sorgen.61 Neben der Einsparung von Fehlerkosten kann ein Qualitätsmanagement weitere positive Auswirkungen haben. Dabei seien nur folgende genannt: Wettbe-

56 Baumbach/Hefermehl, WZG, Einleitung Rdnr. 12; Busse, WZG, Einfuhrung, Rdnr. I. 57 Hierzu sei noch angemerkt, daß es aus betriebswirtschaftlicher Sicht wegen der zunehmenden Produktionskosten bei gleichbleibendem Preis auch nicht wünschenswert ist, eine höhere Qualität zu erreichen. sx Siehe dazu unter anderem: Gabler-Wirtschafts-Lexikon, Stichwort: Qualitätssicherung; DlN-Taschenbuch Nr. 223, S. 131-133; DGQ, Begriffe, Stichwort: Qualitätssicherung; Hahn, Produkthaftung, S. I 08 mit einer umfangreichen Aufzählung der unterschiedlichen Maßnahmen, die zur"Sicherung der Qualität notwendig sind. 59 Hahn, Produkthaftung, S. 112. 60 Brende/, Qualitätsrecht, S. 61 . 61 Kaminskel Brauer, Stichworte Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung; Hansen, Zertifizierung, S. 153.

32

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

werbsvorteil im Kampf um Marktanteile durch eine verbesserte Qualität, Marktzugang zu Bereichen, die ein Qualitätsmanagementsystem zwingend fordern, und verbesserte Strukturen in der Aufbau- und Ablauforganisation des Betriebes durch eine permanente Analyse eventueller Fehlerquellen. 62 b) Eirifluß der gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Qualitätssicherung

Qualitätssicherung kann als einfache Möglichkeit dadurch erreicht werden, daß alle Produkte einer Endkontrolle unterworfen und dabei die mangelhaften ausgesondert werden. Dagegen spricht jedoch, wenn man dies als einzige Möglichkeit zur Qualitätssicherung einfuhrt, daß im Unternehmen durch die Herstellung mangelhafter Produkte zuallererst Kosten entstehen, die nicht durch den Verkauf dieses Produktes gedeckt werden können, sondern in der Preiskalkulation fur die übrigen Produkte berücksichtigt werden müssen. Weiterhin ist dadurch die Ermittlung der Fehlerursache schwierig, wenn das Produkt in mehreren Arbeitsschritten hergestellt wird. Insbesondere bei einer Massenfertigung von Artikeln mit niedrigem Verkaufswert erweist sich diese Methode als ebenso umständlich wie kostspielig.63 Ein System zur Sicherung der Qualität muß somit auf jeder Ebene der Entstehung des Produktes eingreifen. Qualität soll nicht "erprüft", sondern geplant und hergestellt werden. Präventives Qualitätsmanagement, das bereits in der Planung, Entwicklung UndKonstruktion umgesetzt wird, bindet zwar anfanglieh Kapazitäten, fuhrt aber zu einem hohen Qualitätsniveau und Rückgang des Kosten- und Kapazitätsbedarfs bei der Fehlerbeseitigung.64 Die Einfuhrung eines in allen Bereichen Unternehmerischen Handeins wirksam werdenden Qualitätsmanagementsystems erfolgte oftmals unter dem Druck der Anpassung an veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Hierbei seien einige genannt: kürzer werdende Produktionszyklen, geänderte Fertigungskonzepte (Just-In-Time), verschärfte Produkthaftung und ein zunehmender Qualitätswettbewerb.65 Die Grundidee der Just-In-Time-Produktion ist die flexible Anpassung der kurzfristigen Kapazitäts- und Materialbedarfsplanung an die aktuelle Fertigungsund Auftragssituation. Im Idealfall liefert der Zulieferer das benötigte Material Siehe dazu Wuppertaler Kreis, Qualitätsmanagement, S. 12. Masing, Handbuch, S. 23. 64 Braun, D!N EN ISO 9000ff., PHI 97, 134, 135. So besagt eine in den Ingenieurswissenschaften entwickelte Regel, daß die Kosten filr die Fehlerbeseitigung beim Eintritt in die nächste Stufe der Produktentstehung jeweils um den Faktor I 0 zunimmt. 65 Pfeifer, Qualitätsmanagement, S. 335. 62

63

I. Bedeutung und Geschichte der Qualitätssicherung

33

im Moment der Montage an den entsprechenden Montageplatz. 66 Ziel ist es, Endprodukte in der durch die Nachfrage bestimmten Zusammensetzung in möglichst kurzer Zeit und bei möglichst geringer Bevorratung herzustellen.67 Die Kapitalbindung im Umlaufvermögen soll vermindert und möglichst klein gehalten werden, dabei soll aber die Lieferbereitschaft gleichwohl erhalten und nach Möglichkeit noch verbessert werden. 68 Weiter sei hier das Fertigungskonzept der sogenannten "lean production" genannt. Darunter versteht man eine unternehmensübergreifende Dezentralisierung, die zu einer Verringerung der Fertigungstiefe durch Zusammenarbeit mit Partnern vor- und nachgelagerter Wertschöpfungsketten fuhrt. Wesentliche Bedeutung erlangen hierbei strategische Allianzen mit Zulieferern, Händlern und Spediteuren. 69 Allen diesen Anforderungen an ein modernes Unternehmen ist eines gemeinsam: Sie lassen sich ohne weitgehend fehlerfreie Beherrschung der Prozesse und Abläufe in allen Bereichen des Unternehmens nicht realisieren. Vor allem die Herstellung komplexer Sachgüter erfolgt in zunehmendem Maße durch die Einzelleistungen mehrerer Unternehmen. Grund fiir eine überbetriebliche Arbeitsteilung ist oftmals, daß die betreffende Tätigkeit im Vergleich zur Eigenfertigung von einem anderen Unternehmen zu geringeren Kosten und/oder in besserer Qualität erfolgen kann. 70 Diese fortschreitende Spezialisierung in der Industrie bedingt, daß der Anteil der Zulieferungen an komplexen Industrie-Erzeugnissen schon seit zwei Jahrzehnten in einigen Branchen wie im Automobilbau bei 50-65 Prozent, in der Elektronik-Geräte-Herstellung bei über 90 Prozent liegt. Hersteller, die die Qualität ihrer Produkte sichern wollten, mußten daher auch Zulieferer in ihre Zielsetzungen einbeziehen. Ursprünglich war bei Zulieferungen nur die Qualitätsprüfung im Wareneingang organisiert. Doch schon Mitte der sechziger Jahre zeigte sich, daß man allein mit solchen Prüfungen die Qualität der Zulieferungen nicht wirksam und wirtschaftlich sichern kann (so zum Beispiel bei Massenartikeln oder wenn eine zerstörungsfreie Qualitätsprüfung nicht möglich ist). Diese Erkenntnis fuhrte zur Entwicklung einer Reihe zusätzlicher Methoden und Verfahren, so daß man auch bei Zulieferungen von einem "System der Qualitätssicherung" sprechen kann. Die Leistungsqualität nimmt in dem Maße eine zentrale Stellung ein, je schwieriger es ist, die gestellten Qualitätsforderungen zu erfullen. Letztere wiederum erreichen aufgrund verschiedener Entwicklungstendenzen ein zunehmend Kamins/ce/Brauer, S. 84, Stichwort Just-ln-Time. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 8. 68 von Westhalen/Bauer, Just-In-Time, S. I. 69 Gabler-Wirtschafts-Lexikon, Stichwort: Iean production. 70 Siehe Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 5ff. 66

67

3 Bayer

34

B. Inhalt der Nonnenreihe DIN ISO 9000-9004

höheres Niveau. Gesteigerte Qualitätsforderungen ergeben sich vor allem aus einem - im Zuge fortschreitender technischer Möglichkeiten - ständig steigenden Ausstattungs- und Leistungsniveau industrieller Erzeugnisse. So war es früher noch möglich, die Tauglichkeit eines Produktes mit bloßem Auge bzw. sonstigen einfachen Meßmethoden festzustellen. Heutzutage dagegen sind die vorgegebenen Toleranzwerte meist derartig gering, daß nur noch hochkomplizierte Maschinen zur Überprüfung dieser Werte geeignet sind. Je komplizierter technische Produkte werden, umso mehr steigt auch ihre Abweichungs-, sprich Fehleranfälligkeit Solche gesteigerte Qualitätsforderungen sind aber auch die Folge einer zunehmenden Abweichungserheblichkeit. Je gravierender die Konsequenzen einer Abweichung der realisierten Beschaffenheit von der Sollvorgabe, urnso größere Anstrengungen werden zur Erreichung des angestrebten Qualitätsstandards aufgeboten. Grund dafiir sind zum einen haftungsrechtliche Konsequenzen, wobei hier insbesondere die zunehmende Entwicklung der Verschuldenshaftung zur Gefährdungshaftung zu nennen ist. Weiterhin ist hier der Funktionsverlust des Gewährleistungsrechtes anzuführen. Die zunehmende Reduzierung von Produktionszeiten und Lagerbeständen führt bei mangelhaften Zulieferteilen regelmäßig zu erheblichen Kosten wegen des Produktionsausfalles, die durch einen Anspruch auf Nachlieferung eines mangelfreien Produktes nicht ausgeglichen werden können. So ist die Geltendmachung der Minderung nurmehr dann sinnvoll, wenn das fehlerhafte Produkt noch irgendwie sinnvoll verwendet werden kann, was bei Einbauteilen aber häufig ausgeschlossen sein dürfte. Eine Wandlung des Vertrages führt nur dann zu einer Abhilfe, wenn eine Ersatzbeschaffung überhaupt möglich ist, was bei der zunehmenden Spezialisierung oftmals nicht der Fall sein dürfte.71 Demgegenüber kommen oftmals außeijuristische Sanktionsmaßnahmen in Betracht, wenn nur Abweichungen von bloßen Erwartungen vorliegen, die weder deliktsrechtlichen Integritätsschutz genießen, noch als Teil des vertraglichen Pflichtenprogrammes Verbindlichkeit erlangt haben. Dazu zählen insbesondere Nachfragerückgang, Preissenkungserwartungen, lmageverlust, Bevorzugung von Konkurrenten u. a. Somit wird sich jede Abweichung vom vorgegebenen Anforderungsprofil für einen Beteiligten negativ auswirken. Die Folge davon ist, daß sich die Bestrebung des Produkteherstellers verstärkt darauf konzentriert, die angestrebte Qualitätsforderung nicht erst nach mehrmaligen Versuchen (Nachbesserung, Wiederholung des Fertigungsvorganges), sondern die Forderung auf Anhieb zu erfüllen. Die Folge ist eine Schwerpunktverlagerung von fehleraufdeckenden zu fehlervermeidenden Sicherungsmaßnahmen.72

71 72

Zum Gesamten siehe Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 176. Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 175 und S. 178.

li. Entwicklung und Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

35

Denn insbesondere im Rahmen von Just-in-time ist eine Lieferung an das Band nur dann sinnvoll, wenn der sofortige Einbau in das Endprodukt nicht durch eine umständliche Wareneingangskontrolle verzögert wird, der Hersteller also möglichst auf eine eigene Überprüfung der Mangelfreiheit der gelieferten Einzelteile verzichten kann. 73

II. Entwicklung und Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004 1. Die Entstehung normierter QualitAtssicherungssysteme

Ansätze systematischer Qualitätssicherung sind erst mit Beginn dieses Jahrhunderts erkennbar. Am Anfang stand das Sortieren und gezielte Aussuchen der im Wege der Massenproduktion hergestellten Einzelteile. Mit der Weiterentwicklung der Meßtechnik in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts wurde die Qualitätsprüfungwährend der Fertigung und im Wareneingang eingefiihrt. Die Notwendigkeit, Systeme zu schaffen, in denen Qualitätssicherungsaspekte zusammengefaßt werden, hat sich aber erst gezeigt, als die industriellen Produktionsformen komplexer wurden und nicht mehr allein die Qualität der Maschine über die Qualität des Produktes zu entscheiden hatte. So kann selbst die Vornahme von Hundert-Prozent-Prüfungen das Restrisiko, fehlerhaftes Material zu vereinnahmen, nie hinreichend ausschalten. Bei einer manuellen 100%-Prüfung wird damit gerechnet, daß 5 bis 20% der in einem Los enthaltenen fehlerhaften Einheiten nicht gefunden werden. 74 Seit Beginn der 70er Jahre wurde Qualitätssicherung deshalb auch immer stärker als Mittel zur Vorbeugung betrachtet. Die Bemühungen der Qualitätssicherung zielen heute insbesondere auf die Qualitätsfahigkeit. Bei vielen Auftraggebern oder Kunden zählt nicht mehr allein die Qualität der Produkte, sondern die Qualitätsfahigkeit von Hersteller und Lieferanten nimmt an Bedeutung zu. Sie wollen Vertrauen in das Qualitätsmanagementsystem ihrer Zulieferer erhalten und fordern daher die Darlegung von Teilen des Qualitätsmanagementsystems. 75 Der Nachweis der Qualitätsfahigkeit soll dem Kunden die Überzeugung und das Vertrauen vermitteln, daß der Anbieter materieller oder immaterieller Produkte geeignet ist, die Qualitätsforderung zu erfiillen. So lautet heute der Grundsatz "Qualitätssicherung durch Sicherung der Qualitätsfahigkeit".76

Nach Martinek, Rügeverzichtsklauseln, FS für Günther Jahr, S. 305, 311 . Nach Steinmann, Abdingbarkeit, BB 93, 873, 877. 75 Franke, Qualitätsmanagement, S. 531. 76 DGQ, Qualität und Recht, S. 15, 16.

73

74

3*

36

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

Als in Japan in den 50er Jahren in Verbindung mit der bis zur Massenproduktion gesteigerten Herstellung von Konsumgütern das Problem nicht beherrschter Qualität deutlich wurde, und die Kunden mit Negativeinstellungen reagierten, griff man in einer konzentrierten Aktion das Qualitätsproblem auf. Denn die Erkenntnis, daß technische Maßnahmen nicht allein, Kontrollen schon gar nicht, daß Prüfung und Steuerung unter Anwendung der Methoden der technischen Statistik auch nicht ausreichend sind, um das notwendige Qualitätsniveau zu erreichen, hat dazu geführt, daß zusätzliche übergreifende Fragen betrieblicher Organisation in die Managementüberlegungen eingeschlossen wurden. 77 a) Total Quality Management

Der als Folge dieser Überlegungen in Japan entwickelte ganzheitliche Ansatz wurde unter dem Begriff Total Quality Management bekannt. Darunter versteht man sowohl eine Philosophie als auch ein Grundwerk von (bekannten) Prinzipien und praktischen Anleitungen, das auf einer sich ständig verbessemden Aufbauund Ablauforganisation beruht. Es basiert auf dem Einfluß eines jeden Einzelnen in der Organisation. Total Quality Management hat dadurch zwei große Zielsetzungen, die sich gegenseitig bedingen: Steigerung der Kundenzufriedenheit und kontinuierliche Verbesserung aller Leistungen und Tätigkeiten im Unternehmen. Total Quality Management fordert die laufende Verbesserung und Leistungssteigerung heraus. Einmal erreichte Ergebnisse dienen als Grundlage für ein neues Ziel. Es handelt sich somit um eine auf der Mitwirkung all ihrer Mitglieder basierenden Führungsmethode, die die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellung des Kunden auflangfristige Geschäftserfolge zielt.78 Total Quality Management kann somit als die umfassendste Strategie angesehen werden, die für ein Unternehmen denkbar ist. Vom Kunden über die eigenen Mitarbeiter bis hin zum Zulieferer werden alle Bereiche erfaßt und integriert. Dabei ist die Erkenntnis maßgebend, daß man "Qualität nicht in ein Produkt hineinprüfen kann, sondern Qualität produzieren muß", denn siebzig bis achtzig Prozent der Fehler entstehen bereits in den planenden und insgesamt der Fertigung vorgeschalteten Bereichen. 79 Da das Produkt das Ergebnis einer Folge von

77

Rothe, Absicherung, S. 8.

Eine umfassende Erläuterung des Total Quality Management ist unter anderem zu finden bei Bergholz, QZ 1991, 389-394; Kamins/ce/Brauer, S. 244, Stichwort Total Quality Management; Frehr, Total Quality Management, in: Masing, S. 46; Pfeifer, Qualitätsmanagement, S. 3; Oess, Total Quality Management, in Stauss (Hrsg.), Qualitätsmanagement, S. 199ff. 79 Franke, Qualitätsmanagement, in Masing, S. 53 1, 540. 78

II. Entwicklung und Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

37

Tätigkeiten innerhalb des Produktionsprozesses ist, leitet sich auch die Produktqualitätaus der Prozeßqualität ab. 80 Auch wenn das Ergebnis aller Arbeitsabläufe nicht automatisch ein fehlerfreies Produkt ist, kann ein effektiv eingesetztes Qualitätsmanagementsystem doch zu einer Optimierung dieser Abläufe und zur Entdeckung und Ausschaltung von Fehlerquellen zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt führen, als wenn bei der Endkontrolle noch Korrekturen vorzunehmen sind. Voraussetzung ist, daß die Arbeitsabläufe in jedem Stadium der Herstellung transparent und VerantwortIichkeiten klar zurechenbar sind. b) Normierte Qualitätssicherungssysteme Die hohen Qualitäts- und Sicherheitsanfordrungen an militärische Produkte führten in den fünfziger Jahren dazu, daß die entsprechenden Regierungsstellen vieler Länder damit begannen, spezifische Anforderungen an die Qualitätssicherungssysteme ihrer Zulieferer zu stellen. Die erste bedeutende Gruppe von militärischen Richtlinien, nach denen sich die Zulieferer zu richten hatten, waren die sogenannten ,,Allied Quality Assurance Publications" (AQUAP). Schon kurze Zeit später wurden auch in der Luft- und Raumfahrtindustrie sowie im Automobilbau81 branchen- oder firmenspezifische Qualitätsrichtlinien entwickelt. Die gleichzeitige Ausrichtung auf die unterschiedlichen Qualitätsanforderungen einzelner Branchen oder sogar Abnehmer führte bei vielen Zulieferfirmen zu erheblichen Komplexitäts- und Kostensteigerungen. Um die zunehmende Ausuferung der Richtlinien und die damit verbundene Kostenexplosion zu begrenzen, begannen nationale Normenorganisationen länderspezifische Qualitätssicherungsnormen aufzustellen. 82 Der Vorläufer der Normenreihe DIN ISO 9000-9004 findet sich in Großbritannien. Die britische Norm BSI 5750 ist als nationale Anstrengung zu sehen, um die eigene Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen. Bald wurde jedoch erkennbar, daß die Unterschiede zwischen den verschiedenen Verfahren zur Qualitätssicherung in den einzelnen Ländern nicht allzu groß sein würden und daher die Chance bestand, eine international anerkannte Norm zu schaffen. Auch entwickelten die nationalen Normen aufgrund der zunehmenden Internationalisierung der Märkte schon sehr bald den Charakter nichttarifarer Handelshemmnisse.83

80

Zum Gesamten Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 23, 25.

81Als Beispiel sei hier die Norm Qualität 101, die die Ford AG Mitte der 80er Jahre in

ihrem Unternehmen als Qualitätsrichtlinie eingeführt hat. 82 Homburg/Becker, Zertifizierung, WiSt 96, 444. 83 Vgl. Homburg/Becker, Zertifizierung, WiSt 96, 444.

38

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

Dies fiihrte in den 80er Jahren zu einem international abgestimmten Leitfaden, der unter der Bezeichnung ISO 9000-9004 im Jahre 1987 als Norm veröffentlicht und noch im gleichen Jahr in das deutsche Normenwerk integriert wurde. Das Anwendungsgebiet der Normenreihe ist dabei nicht auf bestimmte Unternehmen oder Branchen beschränkt. Sie gilt als universelles Werk. Aus diesem Grunde hat die Normenreihe den Charakter eines Leitfadens, dessen Inhalt vor dem Hintergrund der unternehmensspezifischen Randbedingungen gesehen werden muß, um die individuellen Ausprägungen einzelner Umsetzungen von qualitätssicherenden Maßnahmen zu bewerten und festzulegen. 84 2. lobalt der Normenreibe DIN ISO 9000-9004

Die Normenreihe DIN ISO 9000-9004 gliedert sich in vier Teile, wobei einzelne Teile wiederum untergliedert sind. Diese DIN-ISO-Normen beschreiben verschiedene Forderungen, die an ein effektives Qualitätsmanagement zumindest gestellt werden sollten. Mit der Normenreihe soll ein Mindeststandard fiir ein Qualitätsmanagementsystem definiert werden. 85 Dabei ist nicht die Produktion von Produkten mit hoher Qualität der Schwerpunkt der Normenreihe, sondern der wesentliche Aspekt ist vielmehr, daß das Unternehmen von der Unternehmensleitung in dem Bewußtsein und in der Überzeugung geftihrt wird, daß Qualität nicht kontrolliert, sondern unter Einbeziehung aller am Produktionsprozeß Beteiligten produziert wird. 86 Inhaltlich gliedert sich die Normenreihe in: -

DIN ISO 9000: Diese Norm ist ein Leitfaden zur Auswahl und Anwendung der Normenreihe. Dabei werden die wesentlichen Begriffe erläutert, um eine gemeinsame Sprachebene zu bilden. Konkret befaßt sich die Norm DIN ISO 9000 mit allgemeinen Erwägungen zu Qualitätsmanagement- und Qualitätssicherungsnormen. DIN ISO 9000-2 gibt grundsätzliche Hinweise fiir die Anwendung der Normen 9001 bis 9003. DIN ISO 9000-3 konkretisiert diese im Bereich der Norm 9001 auf Entwicklung, Lieferung und Wartung von Software.87

-

DIN ISO 9001-9003: Diese drei Normen bieten verschiedene Modelle zur Darlegung der Qualitätssicherung an. Mit Hilfe der in diesen Normen genannten Kriterien soll dargelegt werden, daß der Anwender entsprechende Maßnahmen getroffen hat, damit die Produkte und Abläufe die vereinbarten

84 Pfeifer, Qualitätsmanagement, S. 337; vgl zur Entstehung der Normenreihe DIN ISO 9000ff. auch Geiger, Entstehung, in: Stauss, Qualitätsmanagement, S. 27ff. 85 Münchrath, Qualitätsmanagement, S. 19, 163. 86 Nette/heck, Produktsicherheit, S. 97. 87 Heussen/Schmidt, Inhalt und rechtliche Bedeutung, CR 1995, 321, 322.

li. Entwicklung und Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

39

Eigenschaften besitzen. Hierzu bieten die Normen Hilfe in drei verschiedenen Stufen mit unterschiedlichen Anforderungen an. DIN ISO 9001 stellt hierbei den umfassendsten Anspruch an das Qualitätssicherungssystem des Anwenders. So werden alle Bereiche von der Entwicklung und Konstruktion über die Produktion und Montage bis zum Kundendienst auf die Qualitätsfahigkeit betrachtet. Zur Anwendung kommt diese Norm vor allem dann, wenn im Kunden-Lieferer-Verhältnis der Nachweis der Erfüllung von Forderungen in allen Phasen für die Lieferung von Bedeutung ist. DIN ISO 9002 bietet die Möglichkeit, das Vertrauen des Abnehmers in die Qualität von Produktion und Montage herzustellen. Die Qualitätssicherungselemente ,,Design" und ,,Kundendienst" werden dabei nicht berücksichtigt. DIN ISO 9003 stellt die geringsten Anforderungen an das Qualitätssicherungssystem. Diese Norm kommt dann zur Anwendung, wenn es genügt, durch Qualitätsprüfungen sicherzustellen, daß die vom Kunden verlangten Qualitätsforderungen erfüllt werden. 88 Insgesamt kann die Erfüllung dieser Forderungen als Mindeststandard eines systematischen Qualitätsmanagements verstanden werden. In 20 Punkten ist in der jeweiligen Norm niedergelegt, welche organisatorischen Maßnahmen und Verfahren notwendig sind, um ein systematisches Qualitätsmanagementsystem aufzubauen. Die von der umfangreichsten Norm DIN ISO 9001 aufgestellten Forderungen beziehen sich auf folgenden Bereiche: - Verantwortung der obersten Leitung für die Qualität - Vertragsprüfung - Produktdesign - Lenkung der Dokumente und Prozeß1enkung - Beschaffung - Vom Auftraggeber bereitgestellte Produkte - Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von Produkten - Prüfungen und Prüfstatus - Lenkung fehlerhafter Produkte - Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen - Handhabung, Lagerung, Verpackung und Versand der Produkte - Qualitätsaufzeichnung - Interne Audits - Schulungen der Mitarbeiter -Wartung, Kundendienst - Statistische Methoden

88

Pfeifer, Qualitätsmanagernent, S. 339, 340.

40

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

Für jeden einzelnen dieser Punkte muß in einem sogenannten Qualitätshandbuch schriftlich dokumentiert werden, wie das Unternehmen diesen zu handhaben gedenkt und welcher Mitarbeiter fur welchen Schritt verantwortlich ist. Das Qualitätsmanagementsystem reflektiert dabei letztlich die Ablauf- und Aufbauorganisation eines Unternehmens.89 -

DIN ISO 9004: Die Norm DIN ISO 9004 gibt abschließende Hinweise, mit welchen Elementen ein wirkungsvolles Qualitätsmanagementsystem in einem Unternehmen aufgebaut werden kann. 90 Die Norm ist fur den inneren Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems gedacht, sie formuliert Vorschläge in Bezug auf technische, administrative und menschliche Faktoren, die die Qualität der Produkte beeinflussen können, und verwirklicht einen integrativen Ansatz zur Qualitätssicherung. Die Elemente des Qualitätsmanagementsystems sind aus heutiger Sicht beschrieben und entsprechen dem Stand der Technik. 91 Unabhängig von der Größe eines Unternehmens enthält DIN ISO 9004 einen Leitfaden, wie ein Unternehmen seine Aufgaben der Qualitätssicherung erkennen, präzisieren und eine den Unternehmerischen Interessen und Pflichten angepaßte Regelung der Zuständigkeiten vornehmen kann. So heißt es nach Abschnitt 0.4.5 von DIN ISO 9004: Ein wirksames Qualitätsmanagementsystem sollte so ausgelegt sein, daß es die Erfordernisse und Erwartungen des Abnehmers erfüllt, wobei gleichzeitig die Interessen der Organsation gewahrt werden.

In DIN ISO 9004-2 werden diese Elemente dann nochmals speziell fur den Dienstleistungssektor aufbereitet. Unverkennbar ist aber dennoch, daß die Normenreihe ihren Ursprung in der Serienfertigung hat. Fehlererkennung und Fehlervermeidung stehen dort im Vordergrund. Durch den hohen Automatisierungsgrad in der Produktion liegen die häufigsten Fehlerursachen im Maschinen- und Materialbereich.92 Somit liegt in diesem Bereich auch noch der Schwerpunkt der Regelung. Andere Bereiche, wie der Dienstleistungssektor sind bisher noch unzureichend geregelt. 93 Die Normen zum Qualitätsmanagement sind keine Produktnormen. Sie bescheinigen auch keine Verfahrensnorm. Sie sollen lediglich dazu dienen, Vertrauen in die Qualitätsfähigkeit eines Unternehmens herzustellen. Ihr Zweck ist es, ein Schema festzulegen, nach dem Unternehmen ihre QualitätsmanagementsyMalorny!Kassebohm, TQM, S. 190. Pfeifor, Qualitätsmanagement, S. 340. 91 Enstahler!Füßler/Nuissl, Juristische Aspekte, S. 189. 92 Münchrath, Qualitätsmanagement, S. 20. 93 Vgl. dazu Saatweber, Inhalt, in: Stauss, Qualitätsmanagement, S. 63ff.; vgl. dazu auch die ausführliche Arbeit von Haas, Qua1itätsindikator, der untersucht, anhand welcher Faktoren die Qualität von Dienstleistungen beurteilt werden kann. 89

90

Il. Entwicklung und Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

41

steme beschreiben und ihren Kunden gegenüber nachweisen können, daß sie fähig sind, kontrolliert und regelmäßig Qualität zu liefern. Durch Anwendung der Darlegungsnorm DIN ISO 9001-9003 entstehen keine genormten Qualitätsmanagementsysteme. Qualitätsmanagementsysteme sind so unterschiedlich wie die Unternehmen selbst. Sie sind nur anhand des gleichen Kriterienkataloges gegenüber dem Kunden nachweisbar gemacht worden. Der Sinn der Normen DIN EN ISO 9000ff. ist es, eine gemeinsame Sprache zu schaffen.94 Denn Fachgebiete wie Maschinenbau, Elektrotechnik, Chemie usw., die sich historisch unterschiedlich entwickelt haben, auch bezüglich ihrer Fachsprachen, wachsen technologisch und aufgrund der zunehmenden Komplexität ihrer Produkte immer dichter zusammen. An den Nahtstellen muß man sich aber problemlos verständigen können, besonders im Hinblick auf Qualität. So sollte zum Beispiel der Fehlerbegriff in der Softwaretechnik genauso wie in der Feinmechanik und beim Qualitätsmanagement definiert und verstanden werden. Nur so ist eine problemlose Kommunikation innerhalb der einzelnen Bereiche eines Unternehmens bzw. zwischen Unternehmen und Kunden bei der Festlegung von Qualitätskriterien und deren Sicherung möglich. 95 Die Quälitätssicherung ist geprägt durch zahlreiche interne und externe Einflüsse, z.B. die individuellen Ziele, die Produkte, die Abläufe, die Größe des Unternehmens. Inzwischen haben viele Firmen erkannt, daß nicht nur das Renommee nach außen mit der Zertifizierung wächst, sondern daß auch betriebswirtschaftliche Vorteile mit einem Qualitätsmanagementsystem entstehen: Die Abläufe werden transparenter, Fehlerquoten, und damit der Aufwand für deren Beseitigung sinken, Mitarbeiter sind dank Mitwirkungsmöglichkeiten motivierter, die Kunden durch perfekten Service zufrieden. Eine Zertifizierung bietet dabei die Chance zur Verbesserung des vorhandenen Qualitätsmanagementsystems. Durch den Zwang zur schriftlichen Darstellung werden vorhandene Organisationsstrukturen und Abläufe neu überdacht.96 Zweck der Norm DIN ISO 9001 und in abgeschwächter Form der Normen DIN ISO 9002 und 9003 ist es, die Qualitätsfähigkeit des Lieferanten zu begleiten, zu regeln und zu organisieren. Sie fordert bei vollständiger Anwendung und Einhaltung vom Anwender die umfassende Überprüfung aller Produktionsphasen, den Nachweis sowohl der personellen wie technischen Qualifikationen sowie einen Nachweis über die Wirksamkeit aller die Qualität beeinflussenden Maßnahmen. Die Norm beschreibt den Umfang und die Anforderungen für all dieje94 Wuppertaler Kreis, Qualitätsmanagement, S. 15. 95 Petrick/Reihten, Qua1itätsmanagement, in: Masing, S. 91 . 96 Pärsch, Zertifizierung, in: Masing, S. 949.

42

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

nigen Maßnahmen, die das Vertrauen, auf das sich ein wesentlicher Teil der in der Norm enthaltenen Reglementierungen abstützt, in das Produkt und dessen Qualität sicherstellen sollen. 97 Nicht das Produkt, sondern der Produktentstehungsprozeß ist Gegenstand der Regelung. Die Normenreihe gibt keinen Qualitätsstandard vor, sondern setzt die Eckpunkte eines durch das Unternehmen selbst zu definierenden Qualitätszieles. Die Zertifizierungsstelle prüft nicht die Qualität des Unternehmens, sondern nur die Vollständigkeit gemäß dem Katalog der Nonnenreihe und die Einhaltung der durch das Unternehmen selbst vorgegebenen Standards und Verfahren.98

111. Inhalt und Aussagekraft einer Zertifizierung 1. Das Zertifizierungsverfahren

Seit Bestehen der DIN ISO 9000ff.-Nonnen bieten Gesellschaften die Möglichkeit der Zertifizierung an. Zweck dieses Angebotes soll die Möglichkeit sein, sich freiwillig einem qualifizierten Begutachtungsverfahren (Audit) zu unterziehen. Ein solches Qualitätsaudit wird nach DIN ISO 8402 definiert als eine systematische und unabhängige Untersuchung, um festzustellen, ob die qualitätsbezogenen Tätigkeiten und die damit zusammenhängenden Ergebnisse den geplanten Anforderungen entsprechen und ob die Anordnungen wirkungsvoll verwirklicht und geeignet sind, die Ziele zu erreichen99• In Deutschland nehmen unter anderem die Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen mbH (DQS), Lloyd's Register und verschiedene TÜV-Gesellschaften solche Begutachtungen vor. Zum Nachweis ihrer Kompetenz und damit zur Dokumentation der Qualität ihrer Prüfung können Zertifizierungsstellen eine Anerkennung durch eine Dachorganisation100 beantragen, die sogenannte Akkreditierung. Unter einer Zertifizierung versteht man die Bestätigung der Übereinstimmung eines Produktes oder eines Verfahrens mit vorgegebenen technischen Regeln durch einen sachverständigen Dritten. Eine Zertifizierung ist somit eine besondere Fonn des Konformitätsnachweises. Ein solcher Konformitätsnachweis wird allgemein als eine Vorgehensweise betrachtet, die in eine Feststellung einmündet, Hess, Qualitätsmanagement, S. 162. Baurecht 1995, 629, 630. 99 Vgl. Kamins/ce/Brauer, S. 5ff, Stichwort Audit. 100 In Deutschland ist dies die TGA, die Trägergemeinschaft für Akkreditierung. Derzeit sind etwa 30 SystemzertifiziereT akkreditiert. Einzelheiten zu Konzepten und Zielen der Trägergemeinschaft bei Hansen, Zertifizierung, S. 79ff. 97

98 Anker!Sinz,

III. Inhalt und Aussagekraft einer Zertifizierung

43

wonach Vertrauen darüber gegeben ist, daß ein Produkt, ein Verfahren oder auch eine Dienstleistung vorgegebene Anforderungen erfullt. 101 Das Verfahren der Zertifizierung ist sinnvollerweise mehrstufig. Zunächst unternimmt die Zertifizierungsstelle nur eine Art "Vorprüfung", ob das Unternehmen die Anforderungen der Norm umgesetzt hat, ob also theoretisch eine Zertifizierung erfolgen könnte. Diese Vorprüfungen sind weniger kostenaufwendig und decken oftmals Schwachstellen auf, an denen die teurere Zertifizierung gescheitert wäre. Der zweite Schritt ist das eigentliche Zertifizierungsverfahren, in dessen Rahmen ein Spezialist der Normen und ein Branchenkenner das Unternehmen auf Übereinstimmung mit dem eigenen, selbst erstellten Qualitätshandbuch, das die selbstdefmierten Qualitätsziele und die vom Unternehmer einzuschlagenden Wege zu diesem Ziel festlegt und das Qualitätshandbuch auf Erfüllung der Normvorgaben prüft. Eine Dokumentation von produkt- und prozeßbezogenen Daten ist dabei ein unverzichtbares Instrument des Qualitätsmanagements, um Fehler systemantisch auszuschalten. Sie hilft, den Produktionsprozeß überschaubar zu machen. 102 Wenn festgestellt wurde, daß die Dokumentation und das verwirklichte Qualitätsmanagementsystem des Unternehmens die Forderungen der anwendbaren internationalen Norm der Reihe ISO 9000 erfüllen, stellt die Zertifizierungsstelle ein Zertifikat aus und registriert das Unternehmen in einer Liste. Die Zertifizierung ist alle drei Jahre zu wiederholen, jährlich findet jedoch eine weniger aufwendige ,,Zwischenprüfung" statt. Alle Abnehmer der Produkte des Unternehmens können dann ein Zertifikat als Nachweis darüber akzeptieren, daß das Qualitätsmanagementsystem des Unternehmens die Forderungen der anwendbaren Norm der Reihe DIN ISO 9000 erfüllt. 103 Jedem Unternehmen ist es jedoch unbenommen, insbesondere auch aus Kostengründen 104, zunächst einen abgrenzbaren Teilbereich zertifizieren zu lassen. Außerdem ist es möglich, zunächst die Normen anzuwenden, die geringere Anforderungen stellen (so die Norm DIN ISO 9003 oder 9002 gegenüber DIN ISO 9001).

101 Vgl. Hahn, Produkthaftung, S. 144; Kassebohm!Malorny, Auditierung und Zerifizierung, ZfB 64. Jg. (1994), 693,697. 102 Pfeifer, Qualitätsmanagement, S. 145. 103 Vgl. Anker/Sinz, Bedeutung, BauR 95, 629, 630; DIN-Taschenbuch 226, I. Aufl., 1991 , S. IX, X. 104 Zur steuerlichen Beurteilung von Zertifizierungskosten, siehe Streck/Alvermann, Absetzbarkeit, BB 97, 1184ff.

44

B. Inhalt der Nonnenreihe DIN ISO 9000-9004

2. Das Qualitätsmanagement-Handbuch

DIN ISO 9000 fordert, daß das gesamte Qualitätsmanagementsystem des Unternehmens schriftlich im sogenannten Qualitätsmanagement-Handbuch niederzulegen ist. Das Qualitätsmanagement-Handbuch beschreibt in genereller Form Prozesse, Abläufe und Werkzeuge, definiert qualitätsbezogene Benchmarks ebenso wie Verantwortlichkeiten, Maßnahmen und Vorgehensweisen, wie die Einhaltung der Qualitätsvorgaben sichergestellt und Qualitätseinbrüche vermieden werden können, wie man diese feststellt und was zu tun ist, wenn tatsächlich einmal Fehler auftreten sollten. Dabei müssen auch Schnittstellen um Konzern und zu Dritten erfaßt werden. 105 Ein solches Handbuch enthält weiterhin Organigramme mit Regelungen der Verantwortung, Befugnisse und organisatorische Beziehungen der Mitarbeiter, die qualitätsrelevante Tätigkeiten ausüben. Weiterhin sind darin Qualitätssicherungsverfahren und -anweisungen und Maßnahmen zur Überprüfung, Aktualisierung und Überwachung des Handbuches festgelegt. 106 Der Zweck dieses Handbuches ist, daß damit der vollständige Nachweis darüber geführt werden kann, daß unternehmensumfassend und bereichsübergreifend alle notwendigen und erforderlichen Vorkehrungen getroffen wurden, die in der Organisationsverantwortung der Geschäftsleitung liegen. Daneben dient das Qualitätsmanagement-Handbuch als unternehmensinterne verbindliche Richtlinie für alle vom Qualitätsmanagementsystem betroffenen Bereiche und Mitarbeiter. 107 Die schriftliche Fixierung der qualitätsrelevanten Abläufe und Regelungsgegenstände in einem Unternehmen, muß in einer Form erfolgen, die es jedem Außenstehenden ohne weiteres ermöglicht, die Qualitätsvorgaben des Unternehmens nachvollziehen und Zielsetzungen, Entscheidungsabläufe und der jeweiligen Umsetzung fur einen konkreten oder konstruierten Fall überprüfen zu können. Die Dokumentation kann zum Beweis dafür dienlich sein, daß das Unternehmen alle notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung fehlerhafter Produkte getroffen hat. Reichen die in dem Handbuch aufgefuhrten Maßnahmen zur Qualitätssicherung aus, so kann zumindest die Vermutung naheliegen, daß das beklagte Unternehmen ausreichende Vorkehrungen getroffen hat, um dafür Sorge zu tragen, daß die Ioverkehrgabe fehlerhafter Produkte vermieden wird. 108 Sollte es somit zu einem Rechtsstreit kommen, kann dem Qualitätsmanagement-Handbuch Vgl. Schlutz, Rechtsfolgen, Beschaffung aktuell5/97, 36, 37. Möllers, Qualitätsmanagement, DB 96, 1445, 1459. 107 Hess, Qualitätsmanagement, S. 259. 108 Vgl. unter anderem Hess, Qualitätsmanagement, S. 262, 264. 105

106

III. Inhalt und Aussagekraft einer Zertifizierung

45

prozessual eine entscheidende Bedeutung zufallen. Es kann dann als Beweismittel fur die haftungsrechtliche Entlastung im Bereich der Vertrags- und Verschuldenshaftung dienen. Die Erstellung dieses Qualitätsmanagementhandbuches fuhrt bei den Mitarbeitern als Nebeneffekt oftmals zu einer bemerkenswerten Mobilisierung von Wissensressourcen. Ein weiterer Vorteil ist, daß infolge klar abgegrenzter Verantwortungsbereiche und der präzisen Beschreibung der Tätigkeit neu hinzukommenden Mitarbeitern die Einarbeitung und die Integration in die vorhandene Ablauforganisation wesentlich leichter fallt. 109 Somit wird der Umfang einer Selbstbindung eines Unternehmens, das sich der Normenreihe unterwerfen will, erst bei genauem Studium des Handbuchs deutlich. 110 3. Inhalt des Qualitätsmanagement-Zertifikates

Ein Zertifikat ist eine Konformitätsbescheinigung oder ein Konformitätsnachweis, der ein Vertrauen dahingehend schaffen soll, daß ein Produkt, ein Verfahren oder auch eine Dienstleistung bestimmte vorgegebene Anforderungen erfullt. Das heißt, die Zertifizierung ist ein Soll-Ist-Vergleich. Das Soll ist dabei die Normenreihe DIN ISO 9000ff. Dem zertifizierten Unternehmer wird jedoch kein Zeugnis darüber ausgestellt, wie gut sein Qualitätsmarnagement ist. Es macht zertifizierte Unternehmen auch nicht miteinander vergleichbar, sondern bestätigt nur, daß die Anforderung der Norm erfullt ist. 111 In der Zertifizierung wird überprüft, ob das Qualitätsmanagementsystem die Anforderungen der gewählten Bezugsnorm erfullt. Die Qualität der einzelnen hergestellten Produkte oder auch nur des Produkttyps wird jedoch nicht bewertet. Ein Zertifikat bescheinigt daher dem Unternehmen, so zu arbeiten, daß es die Qualität der Produkte sicherstellen kann. 112 Ein Zertifikat über ein Qualitätsmanagementsystem ist zu unterscheiden von einem Produktzertifikat Ersteres zielt darauf ab, dem potentiellen Abnehmer von Produkten die allgemeine Qualitätsfähigkeit des zertifizierten Lieferunternehmens aufzuzeigen. Ein Produktzertifikat soll hingegen die Qualifikation des Produktes belegen, also die nachgewiesene Erfullung der Qualitätsforderung durch das Produkt. 11 3 Anders jedoch bei Qualitätsrnanagementsystem-Zertifikaten. Hier 109 Franla!, Qualitätsmanagement, FS für Heiermann, S. 63; vgl. weiterhin Petrick, Auditierung, in: Stauss, Qualitätsmanagement, S. 93, I 07f; zum Inhalt der Dokumentation vergleiche auch Wischermann, Produzentenhaftung, S. 211 ff.; Gaster, Qualitätsaudit, in Masing, Handbuch, S. 927ff.; Esser, Qualitäts-Dokumentation. 110 Glatze/, Qualitätssicherungssystem, FS Craushaar, S. 335, 345. 111 Münchrath, Qualitätsmanagement, S. 164. 11 2 Wuppertaler Kreis, Qualitätsmanagement, S. 4. 11 3 Petrick/Reih/en, Qualitätsmanagement, S. 89, 98 .

46

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

scheint bis heute noch weitgehend ungeklärt zu sein, welcher konkrete Nachweis durch ein solches Zertifikat tatsächlich erbracht werden kann. Nach einer Ansicht sollen damit lediglich die in der Norm aufgestellten Forderungen im Unternehmen erfiillt sein, was dann zur Anerkennung des Qualitätsmanagementsystems fuhrt. Eine andere Ansicht sieht mit dem Zertifikat die Aussage verbunden, daß sich das Qualitätsmanagementsystem wenigstens im Zeitpunkt der Auditierung als funktionsfähig und damit wirkungsvoll erweist. Teilweise wird hier noch weiter gegangen, so daß mit dem Zertifikat von einer grundsätzlich nachgewiesenen Funktions- und Qualitätsfähigkeit des Unternehmens auszugehen ist. 114 Hierbei darf jedoch die Definition des Begriffes der Zertifizierung und das Selbstverständnis der Normenreihe DIN ISO 9000ff. nicht unberücksichtigt bleiben. So sind die einzelnen DIN ISO 9000-Normen als Modelle zur Darlegung der Qualitätssicherung bezeichnet. Dabei wird nicht beschrieben, wie ein solches Qualitätsmanagementsystem technisch zu realisieren ist. Es wird daher nur die Systematik und die Methodik reguliert, nicht aber Inhalte technischer und juristischer Art. Dies entspricht auch dem Selbstverständnis dieser Normen. Deren deutsches Vorwort betont, daß der Nachweis der Erfullung einer Qualitätsforderung an das konkrete Produkt bzw. die einzelne Leistung nicht Gegenstand dieser Regelwerke sei. Wesentlich fiir die rechtliche Bewertung dieser Normen ist, daß diese technischen Regelwerke im Gegensatz zu den bisher üblichen nur Gedankengerüste und strukturelle Vorgehensweisen sowie Einzelelemente und denjeweiligen Verhältnissen des Einzelfalles anzupassende Modelle empfehlen, diese aber nicht in der gewohnten Weise als technisch notwendig und zwingend bezeichnen. 115 Gegenstand derartiger Zertifizierungen ist die abstrakte Qualitätsfähigkeit des Betriebes, nicht dagegen die konkrete Qualitätsfähigkeit speziell zur Durchfiihrung eines einzelnen Auftrages nach den Qualitätsstandards eines einzelnen Auftraggebers.116 Zertifizierungen zu Qualitätsmanagementsystemen nach DIN ISO 9001-9003 sind somit ausschließlich Bestätigungen akkreditierter Organisationen, daß Teilorganisationen und einzelne Abläufe den Mindestanforderungen dieser Normen entsprechen. Qualitätsmanagement-Zertifikate sind somit stets produktunabhängig und nicht anwendungsbezogen ausgestellt. Sie können deshalb auch keine

114 Zu den unterschiedlichen Ansichten siehe Malorny/Kassebohm, TQM, S. 246, 247; dieselben, Auditierung und Zertifizierung, ZfB 64. Jg. (1994), 693, 699. 115 Vgl. Migge, Qualitätsicherungsverträge, VersR 92,665,670 116 Schmidt-Sa/zer, Öko-Audit, WiB 96, I.

III. Inhalt und Aussagekraft einer Zertifizierung

47

Aussagen über die Qualität der Produkte oder ihre Eignung fiir bestimmte Anwendungen enthalten. 117 Verwirklicht ein Unternehmer die in der DIN ISO 9000ff.-Reihe determinierten Vorschläge für ein Qualitätsmanagementsystem und läßt er sich hierfiir ein Zertifikat ausstellen, so spricht dies dafiir, daß er wenigstens die Mindestanforderungen der systematischen Qualitätssicherung umzusetzen imstande ist. Es muß gleichwohl noch nichts darüber besagen, daß gegebenenfalls doch mangelhafte Ware produziert und ausgeliefert wird. 118 Denn die durch das Zertifikat zum Ausdruck kommende Qualitätsfähigkeit eines Unternehmens bedeutet lediglich eine begrenzte Momentaufnahme. Produkt-, Prozeß- und Unternehmensqualität bedürfen hingegen ständiger Verbesserungen und damit einer dynamischen Definition.119 Hinsichtlich der Aussagekraft eines Zertifikates muß auch die Praxis der Zertifizierung berücksichtigt werden. Die Zertifizierungsgesellschaft wird von dem Unternehmen beauftragt 120, mußte sich dabei aber gegenüber verschiedenen Mitbewerbern durchsetzen. Oftmals ist die Zertifizierungsgesellschaft dabei dieselbe, die das Unternehmen hinsichtlich der Einrichtung des später zu zertifizierenden Qualitätsmanagementsystems bereits beraten hat. Dadurch, daß der Zertifizierer damit seine eigene Leistung beschreibt, ist eine Beeinträchtigung der Objektivität nicht auszuschließen. Unter diesen Umständen ist es auch nicht erstaunlich, daß 70% aller Unternehmen das Zertifikat im ersten Anlauf erhalten. 121 In vielen Bereichen der Industrie, insbesondere in der Automobilindustrie, einer Branche, die unbestreitbar durch technische Qualität geprägt ist, werden heute auch schon wesentlich erweitertere Qualitätsstandards gefordert, als sie DIN ISO 9000ff. beinhaltet. Diese Maßnahme wird damit begründet, daß die ISO-Normen genau dort aufhörten, wo die spezifischen Besonderheiten einzelner Branchen anfingen. Insbesondere die Automobilbranche stellt unternehmensintern und verbindlich fiir die Zulieferer eigene Kriterien fiir den Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems auf. 122

117

Bauer, rechtliche Konsequenzen, QZ 95, ZG 18, 20.

118 Malomy!Kassebohm, TQM, S. 258; dieselben, Auditierung und Zertifizierung, ZfB

64. Jg. (1994), 693,704. 119 Kassebohm!Malorny, Auditierung und Zertifizierung, ZfB 64. Jg. (1994), 693, 709. 120 Zu Rechtsnatur und Vertragsinhalt einer solchen Beauftragung, siehe Exner, Unternehmensberatungsvertrag, S 9fT.; zur Haftung der Zerifizierungsgesellschaft vergleiche Ebke, zivilrechtliche Verantwortlichkeit, S. 18ff. und S. 40ff. 121 Siehe dazu unter anderem Malorny/Kassebohm, TQM, S. 258; weiterhin sei aufregelmäßig in der Zeitschrift QZ erscheinende Aufsätze verwiesen, die dieses "Zertifizierungsunwesen" beklagen. 122 Handelsblatt Nr. 62 vom 27.3.1995, S. 25.

48

B. Inhalt der Normenreihe DIN ISO 9000-9004

Ein weiterer Grund für die Aufstellung solcher branchenspezifischen Kriterien an ein Qualitätsmanagementsystem ist darin zu sehen, daß die Normen ursprünglich für industrielle arbeitsteilig an stationären Fertigungsstätten arbeitende Unternehmer und nicht für kleine und mittlere Betriebe formuliert worden sind. Dadurch haben sich in der Praxis ganz erhebliche Schwierigkeiten dadurch ergeben, daß die Mehrzahl der vorgegebenen Forderungen in Klein- und Mittelbetrieben nicht ausgefüllt werden können, weil die jeweiligen Anforderungen sämtlich in der Person des Alleinunternehmers und Betriebsleiters zusammenlaufen.123

IV. Abgrenzung bezüglich Qualitätssicherungsvereinbarungen Die Arbeit befaßt sich nicht mit der rechtlichen Einordnung von Qualitätssicherungsvereinbarungen. Darunter versteht man die Vereinbarung technischorganisatorischer Maßnahmen zwischen dem Hersteller eines Produktes und dessen Zulieferer mit dem Ziel, die Qualität der Leistung und des Leistungserstellungsprozesses des Zulieferers möglichst umfassend zu regeln. Es werden darin die für die Erfüllung der definierten Qualitätsstandards erforderlichen Arbeitsschritte beschrieben und als Teil der Leistungsverpflichtung des Zulieferers ausgewiesen. Qualitätssicherungsvereinbarungen werden in der Regel entweder in einem Rahmenvertrag oder in Allgemeinen Einkaufsbedingungen oder in Richtlinien als Annex zu bestimmten Lieferverträgen vereinbart. Wenn nicht ein Qualitätssicherungssystem ausnahmsweise durch besondere Verhandlung als Einzelvertrag ausgehandelt wird, dann sind Qualitätssicherungsvereinbarungen regelmäßig als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu werten. Bezüglich der Darstellung solcher Vereinbarungen und der damit zusammenhängenden Probleme hinsichtlich Produkthaftung, Rügeobliegenheit, Vereinbarungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen usw. sei auf die einschlägige Literatur verwiesen124. Hier soll ausschließlich untersucht werden, wie die einseitige Einrichtung eines Qualitätsmanagementsystems Haftungsfragen beeinflußt.

123 Glatze/, Qualitätssicherungssystem, FS Craushaar, S. 335, 345. 124 Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen, NJW 94, 817ff.; Merz, Qualitätssi-

cherungsvereinbarungen; Quittnat, Qualitätssicherungsvereinbarungen, BB 89, 571 ff.; Schmidt, Qualitätssicherungsvereinbarungen, NJW 91, 144ff; Kreife/s, Qualitätssicherungsvereinbarungen, ZIP 90, 489ff.; Sina, Qualitätssicherungsvereinbarung, MDR 94, 332ff.; Westphalen, Produkthaftungshandbuch I!Merz, 2. Autl., §§ 44, 45; Steck/er, vetragliche Aspekte, WiB 97, 1065ff. Popp, Qualitätssicherungsvereinbarung; Grunewald, Just-in-time, NJW 95, 1777ff. Alle Fundstellen mit weiteren Nachweisen.

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung Der Hersteller eines Produktes sieht sich oftmals vielfaltigen Ersatzansprüchen ausgesetzt, wenn er Produkte auf den Markt bringt, die bei seinen Kunden oder auch bei Dritten einen Schaden verursacht haben. Viel schwerwiegender als eine Haftung gegenüber seinen Vertragspartnern aufgrund von Gewährleistungsansprüchen ist fiir ihn dabei meist eine eventuelle Haftung gegenüber dem Endverbraucher oder gegenüber einem sonstigen Dritten, der durch das von ihm hergestellte Produkt in absoluten Rechten wie Leben, Gesundheit und Eigentum geschädigt worden ist. Dies ist der Anwendungsbereich der Produkthaftung 1• Im folgenden soll nun untersucht werden, ob dem Hersteller bei der Inanspruchnahme auf Schadensersatz aufgrund produkthaftungsrechtlicher Ansprüche ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. zugute kommt. Dies kann zum einen dadurch möglich sein, daß dem Hersteller bereits das Zertifikat als Nachweis einer ordnungsgemäßen Betriebsorganisation dient, um sich zu entlasten oder dadurch, daß mit einer den DIN-Normen entsprechenden Betriebsorganisation die Möglichkeit geschaffen wird, nachweisen zu können, alle notwendigen Maßnahmen getroffen zu haben, die Gesetz und Rechtsprechung von einem Unternehmer fordern. Bevor aber eine Aussage darüber getroffen werden kann, in welcher Weise ein Qualitätsmanagementsystem bzw. Zertifikat nach DIN ISO 9000ff. Einfluß auf die Produkthaftungsrisiken des Herstellers oder auch seiner Zulieferer nehmen kann, soll jeweils zunächst die Haftungsvoraussetzung nach dem Produkthaftungsgesetz und dem Deliktsrecht dargestellt werden.

I. Allgemeines Die ,,Produkthaftung" ist nichts Neues. Lediglich der Begriff ist neu. Er wurde Ende der 60er Jahre durch die US-amerikanische Terminologie geprägt. Gemeint ist damit im Kernbereich die Schadensersatzhaftung fiir Folgeschäden, das heißt Haftung fiir Schäden, die einem Dritten durch Fehler des in den Verkehr ge-

1 Zu den Ursprüngen der "Produkthaftung" im Codex Hammurabi, siehe SchmidtSalzer, Produkthaftung III/1, Rdnr. 4.00 I f.

4 Bayer

50

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

brachten Produktes entstanden sind. 2 Insbesondere sollen dadurch Fälle erfaßt werden, in denen es zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller des Produktes an einer vertraglichen Beziehung fehlt. Das Fehlen einer solchen vertraglichen Beziehung bedeutet nicht, daß hier ein rechtspflichtfreier Raum bestünde. Die meisten Rechtsordnungen kennen neben dem Vertragsrecht das sogenannte Deliktsrecht Dadurch werden Sorgfaltspflichten bestimmt, die jedem Teilnehmer am Rechtsverkehr zum Schutze des anderen obliegen und deren Nichteinhaltung zum Schadensersatz verpflichtet. Die Produkthaftung gewährleistet somit den Verbraucherschutz dadurch, daß sie den Produzenten einer Ware auch außerhalb vertraglicher Beziehungen fur fehlerhafte und gefahrbringende Produkte haften läßt. Sie entlastet dadurch den Handel vor unmöglichen oder unzumutbaren Prüfungen der Ware. 3 Das Bürgerliche Gesetzbuch zieht einer zivilrechtliehen Haftung des Warenherstellers fur Schäden, die durch von ihm produzierte fehlerhafte Produkte verursacht wurden, enge Grenzen. Sachmängelgewährleistungsrechte und vertraglicher Schadensersatz setzen eine Vertragsbeziehung zwischen Hersteller und Geschädigtem voraus, an der es in den Produzentenhaftungsfällen in der Regel fehlt. Als deliktsrechtliche Haftungsgrundlage kommen die§§ 823, 826 und 831 BGB4 in Betracht, die entweder ein vom Geschädigten nachzuweisendes Verschulden erfordern oder aber dem Hersteller die Möglichkeit des Entlastungsbeweises eröffnen.5 Die heutige Rechtsprechung zur Produzentenhaftung geht im wesentlichen auf zwei kurz nach lnkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches verkündete Urteile des Reichsgerichts zurück. 6 Zum ersten Mal mußte sich das Reichsgericht im sogenannten ,,Brunnensalzfall"7 im Jahre 1915 mit dem Problem der Herstellerhaftung fur eine originalverpackte Ware auseinandersetzen. Das Reichsgericht verwarf darin den Anspruch einer vertraglichen Haftung und gab dem Klageanspruch aus § 823 BGB statt. Diese Konstruktion wurde im Prinzip weiterverfolgt und immer mehr ausgebaut. Auch der Bundesgerichtshof setzte diese Rechtsprechung fort8 • Aber speziell bei der Haftung von Produzenten von Waren fur Schäden, die durch ihre Produkte angerichtet wurden, war der vom Gesetz geforderte Verschuldensnachweis dem Geschädigten oftmals nicht möglich. 2 Schmidt-Salzer,

Produktverantwortung, in Masing, S. 747 und S. 745. Ensthaler, Wissen ist oft lückenhaft, QZ 1995, 734, 737. 4 Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 (RGBI. S. 195), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. September 1996 (BGBI. I S. 1476). 5 Huth, technische Normen, S. 97. 6 Allgemein zur Entwicklung der Verkehrssicherungspflichten, siehe Bar in JZ 1979, S. 332ff. und ders. in JuS 1988, S. 169ff. 7 RGZ87, I. 8 Erste Entscheidung war der sogenannte "Speiseöl"- Fall, BGH VersR 53, 242. 3

I. Allgemeines

51

Um hier eine Lösung zu finden, wurde auf das in anderen Bereichen bereits vom Reichsgericht entwickelte Instrument der Verkehrssicherungspflicht zurückgegriffen.9 So wurden in der Entscheidung des Reichsgerichts vom 23. Februar 1903 10 die Sorgfaltspflichten eines Grundstückseigentümers wie folgt bestimmt: "Jeder, der auf einem seiner Verfugung unterstehenden Grund und Boden einen Verkehr fiir Menschen eröffnet, hat fiir die Sicherung des Verkehrs zu sorgen." Sehr schnell wurde erkannt, daß hinter dieser Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers ein allgemeiner Rechtsgedanke steht, nämlich der Grundsatz der allgemeinen, fur jedermann geltenden Verkehrssicherungspflicht, die folgendermaßen formuliert werden kann: "Wer eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, hat die Verpflichtung, alle ihm zurnutbaren Maßnahmen zu treffen, um eine Schädigung Dritter zu verhindern". 11 Für die Festlegung der Pflichten eines Herstellers bedeutet dies, daß er alle zurnutbaren Maßnahmen treffen muß, um den Eintritt von Schäden durch sein Produkt zu verhindern. Ausgangspunkt fur die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Produzentenhaftung war das sogenannte ,,Hühnerpest"-Urteil 12 des Jahres 1968. In insgesamt weit über 50 Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof seither die Kriterien und Grenzen abgesteckt. Unter Ablehnung des amerikanischen Modells einer verschuldensunabhängigen Haftung befiirwortete der Bundesgerichtshof einen beweisrechtlichen Lösungsweg, der den Nachweis der Erfiillung der Verkehrssicherungspflichten dem Hersteller auferlegt. Nicht der Geschädigte hatte die Nichtbeachtung der Verkehrssicherungspflichten zu beweisen, sondern der Bundesgerichtshof fuhrte eine Beweislastumkehr ein, die den Hersteller zwingt, die Erfiillung der Verkehrssicherungspflichten nachzuweisen. 13 Bei der Produzentenhaftung handelt es sich somit um eine vermutete Verschuldenshaftung. 14 Trotz der flächendeckenden Wirkung der Produzentenhaftung konnte diese Rechtslage nicht unbedingt befriedigen: - Sie stellte sich als schwer überschaubare Einzelfallrechtsprechung dar. - Das angestrebte Ergebnis einer möglichst an objektiven Kriterien orientierten Haftung ließ sich mit den Mitteln des Deliktsrechtes nur durch außerordentlich hohe, abstrakte Sorgfaltsanforderungen erreichen. - Der Vorwurf, gegen solche Sorgfaltsanforderungen verstoßen zu haben, war der Vorwurf des "Unrechts", was den Beziehungen zwischen Hersteller und

Beispielsweise in RGZ I 63, 21, 26. RGZ 54, 53, 58. 11 Schmidt-Salzer, Produktverantwortung, in Masing, S. 763. 12 BGHZ51,91. 13 Zu den detaillierten Haftungsvoraussetzungen der Produzentenhaftung, siehe Abschnitt "a) Tatbestand der Produzentenhaftung" ab S. 66. 14 Deutsch, Fallgruppen, VersR 92,521,523. 9

10

52

-

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Abnehmer unter Berücksichtigung der modernen Produktionsmethode nicht gerecht wurde. Die praktizierte Beweiserleichterung in ihrer unterschiedlichen Art ließ im Einzelfall eine verläßliche Aussage über das Haftungsrisiko nicht mehr zu. 15

Allein von daher erschien eine gesetzliche Regelung sachlich wünschenswert. Eine solche Regelung gelang im Grundsatz mit dem am I. Januar 1990 in Kraft getretenen Produkthaftungsgesetz 16 • Es beruht auf einer EG-Richtlinie 17, deren Ziel der Schutz des privaten Endverbrauchers vor Schädigungen durch in Verkehr gebrachte Produkte und eine Vereinheitlichung der Produkthaftung in Europa ist. Als tatsächliche, spürbare Verbesserung des Verbraucherschutzes speziell in Deutschland ist jedoch allenfalls die haftungsmäßige Gleichstellung von QuasiHersteller und Importeur mit dem eigentlichen Hersteller anzusehen. Einschränkungen des bisher erreichten Schutzes gibt es durch eine Höchstschadensbegrenzung bei Sachschäden, der Nichtgewährung von Schmerzensgeld, einer fehlenden Haftung fur Schäden an der fehlerhaften Sache selbst 18 und eine Haftung des Herstellers fur die fehlende Warnung vor ungeeigneten Zubehörteilen anderer Produzenten. 19 Somit hat die Produzentenhaftung nicht an Bedeutung verloren, sie bleibt auch weiterhin neben dem Produkthaftungsgesetz anwendbar0 . Als Folge des feinmaschigen Netzes an Haftungskriterien, das die Rechtsprechung in den letzten 25 Jahren entwickelt hat, läßt sich als herausragendes Resultat beobachten, daß die zunächst repressiv wirkenden Entscheidungen, die in aller Regel zu einer Leistung, das heißt der Zahlung eines bestimmten Geldbetrages an den Geschädigten, verurteilten, zu einer vorbeugenden Fehlervermeidung der Unternehmen fuhrten. Um nämlich nicht mehr etwaigen Prozessen und Regreßansprüchen ausgesetzt zu sein, ist die Ausrichtung der Unternehmensorganisation an den wesentlichen Aussagen der Gerichtsurteile unerläßlich. 21 Im Ergeh15 Hahn, Produkthaftung, S. 41 ; vgl. zur Entwicklung auch Wickhorst, Produzentenfehler, VersR 95, I 005ff. 16 Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) vom 15. Dezember 1989 (BGBI. I S. 2198), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Oktober 1994 (BGBI. I S. 3082). 17 Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Amtsblatt der EG Nr. L 210/29 vom 7. August 1985). 18 BGHZ 67, 359; BGHZ 86, 256; NJW 1978, 2241; NJW 1985, 2420. 19 BGHZ 99, 167. 20 § 15 Abs. 2 ProdHaftG. 21 In diesem Zusammenhang ist als neuere Entwicklung das Produktsicherheitsgesetz (Gesetz zur Regelung der Sicherheitsanforderungen an Produkte und zum Schutz der CEKennzeichnung vom 22.April 1997, BGBI. I S. 934ff.) zu sehen. Dieses Gesetz beruht auf einer entsprechenden EG-Richtlinie. Zweck dieser Richtlinie ist es, für alle auf den Markt

li. Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz

53

nis gelangen Rechtsprechung und marktwirtschaftliche Anforderungen nahezu zur selben Lösung: Qualität muß präventiv gesichert werden. Dies ist auch insofern schlüssig, als Rechtsstreitigkeiten grundsätzlich immer durch Qualitätsmängel ausgelöst werden. 22 Um eine solche Qualitätssicherung unternehmensumfassend durchzufiihren, bietet sich aber ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. geradezu an; Hat nun der in Anspruch genommene Hersteller ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. in seinem Unternehmen eingerichtet, stellt sich die Frage, ob er dadurch seine Haftungsrisiken vermindern kann. Dabei soll jedoch nicht untersucht werden, ob sich die Haftungslage dadurch verändert, daß durch eine "ISO 9000-Produktion" weniger fehlerhafte Produkte auf den Markt gelangen, sondern es soll untersucht werden, ob sich die Haftungslage verändert, wenn dennoch ein fehlerhaftes Produkt bei einem Dritten einen Schaden verursacht hat, fiir den der Hersteller einzustehen hätte.

II. Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz 1. Haftungsvoraussetzungen

Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie über die Haftung fur fehlerhafte Produkte durch das Produkthaftungsgesetz ist eine weitere Anspruchsgrundlage fur die Haftung fur fehlerhafte Produkte neben die bisherige Verschuldenshaftung getreten. Ob es sich dabei um eine Gefahrdungshaftung oder um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt, kann hier fiir die weitere Diskussion offen bleiben, da hieraus fiir die weitere Erörterung keine praktischen Konsequenzen erwachsen und auch beide Ansichten darüber einig sind, daß ein Verschulden jedenfalls keine Haftungsvoraussetzung ist. 23 Inhalt des Produkthaftungsgesetzes ist die Haftung des Herstellers, dem Importeur und Quasi-Hersteller gleichgestellt sind, fiir die Folgen der Fehler der von ihm hergestellten Produkte. Ein Produkt ist gemäß § 2 ProdHaftG jede bewegliche Sache. Da die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz nicht an ein pflichtwidriges Verhalten des Herstellers anknüpft, stellt der Begriff des Fehlers das haftungsbegründende Merkmal dar. 24

gebrachten Produkte, die für den Verbraucher bestimmt sind, gemeinschaftsweit allgemeine Sicherheitsanforderungen aufzustellen. Die Richtlinie legt Pflichten von Herstellern, Händlern und der einzelnen Mitgliegsstaaten fest, um sicherzustellen, daß in allen Mitgliedsstaaten die in den Verkehr gebrachten Produkte sicher sind. Siehe dazu Kulimann, Produktsicherheitsgesetz, ZRP 96, 436ff. 22 Kassebohm!Malorny, Anforderungen steigen, ZfB 93, 569, 571. 23 Siehe Nachweise für beide Ansichten bei Koch, Produkthaftung, S. 89, 90; aktuelle Zusammenfassung bei Taschner, I0 Jahre Produkthaftungsrichtlinie, S. 15ff. 24 von Westpha/en, Produkthaftungsgesetz, NJW 90, 83, 87.

54

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung a) Fehlerbegriff

Die Anwendung des Produkthaftungsgesetzes hängt somit davon ab, ob ein Produkt mit einem Fehler behaftet ist. Was unter einem solchen Fehler zu verstehen ist, wird in § 3 ProdHaftG bestimmt. Ebenso, wie schon bislang im Bereich der Haftung bei unerlaubter Handlung, stellt auch das Produkthaftungsgesetz, anders als das Kaufrecht, nicht auf die Gebrauchstauglichkeit und die Verwendungsmöglichkeit für den vorgesehenen Zweck ab, sondern allein auf die berechtigte Sicherheitserwartung der Allgemeinheit. Ein Produkt ist danach fehlerhaft, wenn es "den berechtigten Sicherheitserwartungen" nicht genügt. Die Abgrenzung zum Fehlerbegriff des vertraglichen Gewährleistungsrechtes besteht darin, daß es dort nur auf die Gebrauchserwartung des Käufers und nicht auf die Sicherheitserwartung des Publikums ankommt. So schützt das Gewährleistungsrecht in erster Linie das wirtschaftliche Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Käufers, das Produkthaftungsrecht das Integritätsinteresse des Benutzers.25 Fehlerhaftigkeit im Sinne des § 3 ProdHaftG bedeutet somit einen technisch und mit wirtschaftlich zurnutbaren Mitteln vermeidbaren Mangel an Sicherheit. 26 Es handelt sich hierbei um einen normativen Maßstab, der eine rechtliche Bewertung erfordert, welche Sicherheitserwartungen im konkreten Fall berechtigt sind und welche nicht. 27 Für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit kommt es nach wohl einhelliger Meinung aber nicht auf subjektive Sicherheitserwartungen des konkret geschädigten Verbrauchers an, sondern diese Frage ist abstrakt zu lösen. Die Sicherheitserwartungen sind an einem objektiven Maßstab zu messen. Jedoch stellt sich hier die Frage, ob auf die Erwartungen der Allgemeinheit im Sinne der Gesamtheit aller Verbrauche~8 oder auf diejenige Personengruppe, die das fragliche Produkt tatsächlich ge- und verbraucht, 29 abzustellen ist. Im Rahmen der traditionellen Produkthaftung nach § 823 BGB ist seitens der Rechtsprechung allgemein anerkannt, daß der Maßstab, den der Hersteller für einen sicheren Gebrauch der Produkte zugrunde legen muß, der durchschnittliche, vernünf-

Vgl. Staudinger/Honse/1 § 459, Rdnr. 30. Es ist nicht Gegenstand der Produkthaftung, bei Unwirksamkeit oder Qualitätsmängel einzugreifen. Dies ist eine Aufgabe, die nach der gesetzlichen Normverteilung dem Vertragsrecht zugewiesen ist, so Deutsch, Schutzbereich, JZ 89, 465, 467. 27 Schmidt-Salzer, EG-Richtlinie, Band I, Art. 6, Rdnr. 46. 28 Einhellige Auffassung, vgl. u.A.: Taschner!Frietsch, Produkthaftung, Art. 6, Rdnr. 4; Schmidt-Sa/zer, EG-Richtlinie, Band I, Art. 6, Rdnr. 73; Hol/mann DB 85, 2389, 2392; Kretschmer/A/leweldt!Buyten, Produkthaftung, Rdnr. 223ff. 29 Schmidt-Salzer, EG-Richtlinie Produkthaftung, Bd. I, Art. 6, Rdnr. 67, 116ff.; Westphalen, Produkthaftungshandbuch II, § 62 Rdnr. 6; Kullmann!Pfister, Kza 3604, S. 2. 25

26

li. Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz

55

tige Benutzer ist. 30 So gelten für Geräte, die nur von Fachleuten benutzt werden, andere Sicherheitsanforderungen als für Produkte, die auch oder ausschließlich für Laien bestimmt sind. 31 Der Fehlerbegriff wird damit an den objektiven Sicherheitserwartungen der Produktbenutzer orientiert. Er hat die Funktion, den Maßstab für die Sicherheit von Produkten festzulegen, den der Benutzer zum Schutze seiner Rechtsgüter erwarten darf. Es ist stets auf diejenige Sicherheitserwartung abzustellen, die - gemessen am objektiven Standard - vom durchschnittlichen Produktbenutzer für erforderlich gehalten wird. Auszugehen ist dabei vom Idealtyp des durchschnittlichen Benutzers. Bei der Frage, welche Sicherheit von einem Produkt zu erwarten ist, sind alle Umstände zu berücksichtigen, die Sicherheitserwartungen zu wecken geeignet sind.32 Ein Produkt wird nicht dadurch fehlerhaft, daß irgendwelche, möglicherweise übersteigerte Sicherheitserwartungen des Erwerbers oder Dritter enttäuscht werden, sondern erst dadurch, daß es nicht die Sicherheit bietet, die berechtigterweise erwartet werden konnte. Ein Erzeugnis ist somit dann fehlerhaft, wenn es nicht die für den ihm zugedachten oder zugeschriebenen Verwendungszweck notwendige Sicherheit bietet. 33 Mit dem Abstellen auf den durchschnittlichen Benutzer (,,man") ist der Idealtyp des durchschnittlichen Benutzers gemeint. Verlangt ist eine objektive Beurteilung aus der Perspektive eines Benutzers, der den Maßstäben der Rechtsordnung entspricht, was konkret bedeutet: eines Benutzers, der sich seiner BenutzerSorgfaltspflichten bewußt ist und das ihm verfügbare Gefahren- und Gefahrvermeidungswissen einsetzt, um von sich selbst und anderen Schäden abzuwenden. 34 Welches Maß an Sicherheit der Verbraucher von einem Produkt berechtigterweise erwarten darf, ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen. Die drei in § 3 Abs. 1 ProdHaftG genannten Faktoren sind dazu typisierende Beispiele; eine abschließende Aufzählung stellt diese Vorschrift nicht dar. Als zusätzliche Abwägungsgesichtspunkte kommen hier noch in Betracht: die in Wissenschaft und Technik anerkannten Vorgaben oder Standards, die objektive, im Produkt selbst verkörperte Sicherheitsaussage, die Sicherheitserwartung des Produktbenutzers und die Benutzungserwartung des Herstellers.35 Für die Fehlerhaftigkeit eines Produktes sind nicht die Sicherheitserwartungen im Zeitpunkt des Schadenseintrittes, sondern die im Zeitpunkt des Inverkehrbringens von Bedeutung. Ein Produkt, das zu diesem Zeitpunkt den übBGH VersR 59, 523, 525; BGH VersR 81, 482; BGH VersR 89, 1307, 1308. BGH VersR 60, 342, 343. 32 Pfeifer, Qualitätsmanagement, S. 413. 33 Siehe Frietsch, Haftung, DB 90, 29, 33. 34 Schmidt-Sa/zer, Fehler-Begriff, BB 88, 349, 350. 35 Taschner!Frietsch, § 3 Rdnr. 12ff., 52ff. 30

31

56

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

liehen Sicherheitserwartungen entsprach und deshalb fehlerfrei war, wird nicht später dadurch fehlerhaft, daß sich, bedingt durch die wissenschaftlich-technische Weiterentwicklung, die Sicherheitsanforderungen erhöht haben. Die Regelung des Inverkehrbringens bezieht sich immer nur auf das einzelne, bereits in Verkehr gebrachte Erzeugnis. Diese Feststellung unterstellt notwendigerweise die Pflicht des Herstellers, die Fertigung einer Serie immer den neuen wissenschaftlichtechnischen Erkenntnissen und den Ergebnissen der Produktbeobachtung auf dem Markt anzupassen. 36 b) Haftungsausschluß und Beweislast

Die für die weitere Erörterung wesentlichen und hier einzig in Betracht kommenden Haftungsausschlußgründe nach dem Produkthaftungsgesetz liegen dann vor, wenn es dem Hersteller gelingt nachzuweisen, daß der Fehler zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens noch nicht vorlag oder nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkannt werden konnte.

§ 1 Abs. 4 ProdHaftG enthält eine ausdrückliche Regelung der Beweislastverteilung zwischen Schädiger und Geschädigtem. Produktfehler, Schaden und der Kausalzusammenhang zwischen Fehler und Schaden hat der Geschädigte zu beweisen. Dies umfaßt auch die Beweislast für die Rechtsgutverletzung und die haftungsausfüllende Kausalität nach § 1 Abs. 1 S. 1 ProdHaftG. Dagegen obliegt es dem Hersteller, das Vorliegen von Haftungsbegrenzungen und Haftungsausschlußtatbeständen nachzuweisen. Insbesondere kann sich der Hersteller mit dem Nachweis entlasten, der Fehler sei erst innerhalb der Vertriebskette entstanden (durch unsachgemäße Lagerung, Transport, Handhabung oder Wartung) und somit noch nicht im Zeitpunkt des Inverkehrbringens durch den Hersteller vorhanden gewesen. Obwohl der Geschädigte nach dem Produkthaftungsgesetz das Verschulden des Herstellers nicht nachweisen muß, trägt er dennoch ein nicht unerhebliches Beweisrisiko. Bei Fehlern im Entwicklungs- und Konstruktionsbereich muß er nachweisen, daß die gewählte Konstruktion vermeidbar gefährlich war, bzw. auf konstruktiv unvermeidbare Gefahren nicht ausreichend hingewiesen wurde. Dies setzt voraus, daß er eine Konstruktionsart nachweist, die für den Verbraucher weniger gefährlich gewesen wäre, und ferner, daß er den Vorteil dieser Konstruktion gegenüber dem schadenstiftenden Produkt nachweist. Bei Instruktionsfehlern muß er nachweisen, daß der Hersteller die schadenverursachende Produktgefahr hätte erkennen können und durch eine Warnung darauf hätte hinweisen müssen. Auch im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität 36

Jäschke, Wirtschaftsrecht 93 , 53, 54.

II. Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz

57

hat der Geschädigte Beweisprobleme. Er muß nachweisen, daß die zu dem Produktfehler fuhrende Verletzung der Herstellerpflichten nicht zu dem eingetretenen Schaden gefiihrt hätte, wenn der Produzent eine andere Konstruktion oder eine ausreichende Instruktion gewählt hätte. Im Gegensatz zur Produkt-Verschuldenshaftung, bei der der Geschädigte den Nachweis erbringen muß, daß der schadensverursachende Produktfehler bereits im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produktes durch den Hersteller vorlag, und bei der ausgeschlossen sein muß, daß der Fehler erst im Bereich des Handels oder vom Produktnutzer selbst verursacht wurde, wird die Beweislast in § I Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG umgedreht. Wenn ein Produktfehler, der ein Herstellerfehler sein könnte, zur Schadensursache wurdemuß der Hersteller den Nachweis erbringen, daß das Produkt im Zeitpunkt, als er es in den Verkehr brachte, fehlerfrei war, zumindest aber, daß "unter Betiicksichtigung der Umstände" davon auszugehen ist, daß der Fehler erst nach dem Inverkehrbringen durch den Hersteller entstanden ist. 37 Nach dem Produkthaftungsgesetz muß der Verbraucher den Zeitpunkt der Fehlerentstehung zunächst nicht beweisen, der ihm günstige Zeitpunkt wird vermutet. Der Hersteller kann aber in jedem Fall den Entlastungsbeweis antreten. Der rechtfertigende Grund fiir diese Umkehr der Beweislast wird darin gesehen, daß der Hersteller wegen der Gelegenheit zur Qualitätskontrolle und Dokumentation die ursprungliehe Fehlerfreiheit leichter beweisen kann als der Geschädigte das Gegenteil. 38 Der Hersteller kann den Beweis, daß das Produkt zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht fehlerhaft war, in zweifacher Hinsicht fuhren. Zum einen kann er den negativen Nachweis erbringen, daß zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens der schadensursächliche Produktfehler noch nicht vorlag. Zum anderen ist der positive Beweis möglich, daß der zum Schaden fuhrende Produktfehler erst nach dem Inverkehrbringen entstanden ist. Der Haftungsausschluß des Herstellers ist aber nicht daran gebunden, daß er nachweist, daß das Produkt fehlerfrei war. Die Haftung ist bereits dann ausgeschlossen, wenn nach den Umständen davon auszugehen ist, daß das Produkt noch nicht fehlerhaft war. Dieser Begriffbezeichnet einen Erkenntnisstand unterhalb der Schwelle der freien Überzeugung (vollen richterlichen Überzeugung), wie sie nach § 286 ZP039 fiir den Beweis von Tatsachen vorausgesetzt wird. Es genügt zwar nicht die bloße Möglichkeit, es reicht aber ein Geschehensablauf, • 37 Schmidt-Salzer, Produktverantwortung, in Masing S. 755; vgL dazu Vogt, Einstandsptlicht, S. 161 ff. 38 Foerste, Anmerkung, VersR 88, 958, 960. 39 Zivilprozeßordnung vom 12. September 1950 (BGBI. S. 533), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. November 1994 (BGBI. I S. 3346).

58

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

der nach allgemeiner Lebenserfahrung die Schlußfolgerung auf den Zeitpunkt des Fehlereintritts plausibel erscheinen läßt. 40 Dabei kommt es auf eine exakte Beweiswürdigung an: Sind die fur den Fehler des Produktes sprechenden, im Zeitpunkt des Inverkehrbringens bereits vorhandenen Umstände derart, daß es unter Beachtung von § 286 ZPO wahrscheinlicher ist, daß ein dem Hersteller zuzurechnender Produktfehler vorliegt, dann ist der Fehlemachweis durch den Geschädigten erfolgreich gefuhrt. 41 Für die erforderliche Beweisfuhrung des Herstellers wird es neben den allgemein üblichen Beweismitteln in vielen Fällen vor allem auf eine ausreichende und ordnungsgemäße Dokumentation der Konstruktion, des Herstellungsablaufes sowie der im Herstellungsprozeß vorgenommenen Qualitäts-, Eingangs- und Ausgangskontrollen ankommen.42 Dazu reicht es aber nicht aus, daß der Hersteller nachweist, daß sein Produktionsbetrieb ordnungsgemäß organisiert ist, denn die verschuldensunabhängige Haftung des Produkthaftungsgesetzes schließt die strikte Haftung fur "Ausreißer" mit ein. Die Fehlerfreiheit zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens wird der Hersteller nur durch die Durchfuhrung von laufenden Qualitäts-, Eingangs- und Ausgangskontrollen und deren entsprechenden Dokumentation nachweisen können. 43

2. Auswirkungen eines Qualitltsmanagementsystelll'J auf die Haftung Ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. kann im Rahmen einer Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz an mehreren Punkten Einfluß auf den Nachweis des Vorliegens eines Haftungsausschlußgrundes des Herstellers haben. Zum einen haftet der Endhersteller nicht, wenn ,,nach den Umständen davon auszugehen ist, daß das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte, oder daß dieser Fehler später entstanden ist" (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG). Weiterhin kann sich der Hersteller durch den Nachweis von der Haftung befreien, daß der ,,Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt, in dem der Hersteller das betreffende Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte" (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG). Auch könnte ein solches System bereits Einfluß auf die Definition des "Produktfehlers" haben. 40 Arens, Beweislastproblematik, S. 130 m.w.N., von Westphalen, Produkthaftungshandbuch II, § 69; Kretschmer/AI/eweldt!Buyten, Produkthaftung, Rdnr. 281; SchmidtSalzer!Hol/mann, EG-Richtlinie Produkthaftung, Art. 7 Rdnr. 51; Taschner!Frietsch, Produkthaftungsgesetz, Art. 7 Rdnr. 14. 41 von Westpha/en, Produkthaftungshandbuch II, § 69 Rdnr. 10. 42 Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz, § l Rdnr. 72. 43 Kretschmer/A/Ieweldt!Buyten, Produkthaftung, Rdnr. 275, 276.

li. Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz

59

a) Nichtvorliegen eines fehlerhaften Produktes Nach § 3 Prod.HaftG ist ein Produkt fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann (Art. 6 EG-Richtlinie Produkthaftung: " ...die man zu erwarten berechtigt ist"). Für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit eines Produktes ist das konkrete Produkt in der speziellen Schadenskonstellation Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung. Da aber der Begriff der objektiv und berechtigterweise erwartbaren Sicherheit wertend auszufullen ist, kann das Produkt im allgemeinen nicht ausschließlich und isoliert in Bezug auf den einzelnen Schadensfall betrachtet werden. Dies gilt sowohl hinsichtlich einer auf den Einzelfall bezogenen Sicht des konkreten Herstellers als auch im Hinblick auf die den einzelnen Schadensfall mitprägende Perspektive des individuellen Geschädigten. 44 § 3 ProdHaftG stellt bei der Fehlerdefinition somit auf den Gebrauch ab, ,,mit dem billigerweise gerechnet werden kann". Trotz der Formulierung im Passiv ist in erster Linie der Hersteller angesprochen. Der Gesetzgeber fordert von ihm, Verwendungsarten in Betracht zu ziehen, die der Zweckbestimmung des Produktes zwar nicht zuwiderlaufen - das wäre Mißbrauch -, aber ihr nicht genau entsprechen. Der Hersteller hat die Sicherheit der Produkte solchen Gebrauchsarten anzupassen. 45 Es kommt somit darauf an, mit welchem Gebrauch ein objektiver Dritter aus der Perspektive des Herstellers unter Berücksichtigung der dem Hersteller überschaubaren Momente rechnen kann.46 Zum anderen ist beim Abstellen auf die berechtigten Sicherheitserwartungen des Verbrauchers darauf einzugehen, welche Sicherheitsansprüche im allgemeinen an Produkte dieser Art gestellt werden. Im Rahmen dieser Wertung, was billigerweise erwartet werden kann, kommt der Produktbeobachtung große Bedeutung zu. Durch sie ist es fur den Hersteller möglich, in einem zurnutbaren Rahmen festzustellen, inwieweit sein Produkt den Sicherheitserwartungen der Verbraucher entspricht. Auch wenn es sich beim Begriff der "berechtigten Sicherheitserwartungen" um einen Rechtsbegriff handelt, so daß es nicht auf die tatsächlichen Sicherheitserwartungen ankommt, sondern auf eine Berücksichtigung und Abwägung aller Einzelumstände, sind die tatsächlichen Sicherheitserwartungen der Verbraucher je nach der Fallkonstellation der Ausgangspunkt fur die rechtliche Diskussion über das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Fehlers. Entscheidend wird immer sein, ob die tatsächlichen Sicherheitserwartungen auch rechtlich nach den fur das

Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz, § 3 ProdHaftG Rdnr. 46. Taschner!Frietsch, Produkthaftungsgesetz, Art. 6 Rdnr. 17. 46 Schmidt-Sa/zer/Hol/mann, EG-Richtlinie, Art. 6 Rdnr. 69. 44

45

60

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Vorliegen eines Fehlers maßgeblichen Kriterien berechtigt waren. 47 Es ist somit eine Analyse der Verbraucheranforderungen an ein Produkt vorzunehmen. Durch eine Dokumentation dieser Forderungen in einem Pflichtenheft oder ähnlichem ist es dem Hersteller dann möglich, nachzuweisen, daß bei Entwicklung und Konstruktion Verbraucherforderungen an die Produktsicherheit berücksichtigt worden sind. Der Hersteller kann so dokumentieren, welchen Sicherheitsforderungen er mit welchen Maßnahmen begegnet ist. Nach Ensthaler gewährleistet dabei einanDIN ISO 9000ff. orientiertes Qualitätsmanagementsystem, daß das Unternehmen im Schadensfall den Vorwurf, fehlerhaft produziert zu haben, widerlegen kann, denn die Normenreihe verlange eine gründliche Auseinandersetzung mit den technischen Standards, denen das Produkt genügen müsse. 48 Doch wie oben bereits dargelegt, kommt es bei der Beurteilung der Fehlerhaftigkeit gerade nicht auf technische Standards an, sondern zum einen auf die Erwartungen des Verbrauchers an das Produkt und zum anderen des Herstellers an die Verwendung des Produktes durch den Verbraucher. DIN ISO 9001 fordert zwar in Abschnitt 4.1.1, daß die "oberste Leitung des Lieferanten49 ihre Qualitätspolitik, eingeschlossen ihrer Zielsetzung und ihrer Verpflichtung zur Qualität, festlegen und dokumentieren" muß und weiterhin in Abschnitt 4.1.3, daß "der Lieferant festlegen und dokumentieren [muß], wie er die Qualitätsforderungen (an Produkte) erfüllen will." Um jedoch den Nachweis, den oben beschriebenen Erwartungen gerecht geworden zu sein, führen zu können, ist dem Hersteller ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9001ff. keine Hilfe, da die dargestellten Forderungen nicht beinhalten, daß eine Produktbeobachtung bzw. Marktanalyse durchgeführt wird. Für das Erfüllen der Normforderungen ist es völlig unbeachtlich, welche Qualitätspolitik der Hersteller betreibt, bzw. welche Qualitätsforderungen er an sein Produkt stellt. Es ist nicht zwingend für das Qualitätsmanagementsystem, daß die dokumentierten Qualitätsforderungen gerade die Verbrauchererwartungen berücksichtigen. Der Hersteller wird somit von dem Vorwurf, ein fehlerhaftes Produkt hergestellt zu haben, nicht dadurch entlastet, daß er in seinem Unternehmen ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. eingerichtet hat.

47 48

Siehe dazu Schmidt-Salzer/Hol/mann, EG-Richtlinie, Art. 6 Rdnr. 70-71. Ensthaler!Füßler/Nuiss/, Juristische Aspekte, S. 183.

49 DJN ISO 900 I verwendet den Begriff des Lieferanten wie in Abschn. A.ll von DIN ISO 9000 definiert. Lieferant ist danach die Organisation, die dem Kunden ein Produkt bereitstellt. Ein Lieferant kann z. B. der Hersteller, Verteiler, Importeur, eine Montagefirma oder eine Dienstleistungsorganisation sein.

II. Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz

61

b) Fehlerfreiheit im Zeitpunkt des Inverkehrbringens, § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG

Nach dem Produkthaftungsgesetz haftet der Hersteller nur, wenn der schadensstiftende Produktfehler im Zeitpunkt vorlag, als das Produkt in den Verkehr gebracht wurde. Umgekehrt gilt also, daß für Fehler, die nach dem Irrverkehrbringen des Produktes erst entstanden sind, der Hersteller nicht haftet, wie dies z. B. bei einer unsachgemäßen Behandlung des Produktes durch den Geschädigten oder einen Dritten der Fall wäre oder wenn es abgenutzt ist oder durch Alterung schadensgeneigt wurde. 50 Gelingt dem Geschädigten der Beweis, daß das konkrete Produkt im Schadenszeitpunkt fehlerhaft war und daß der schadensursächliche Produktzustand - abstrakt betrachtet - im Zeitpunkt des Inverkehrbringens ebenfalls als Fehler zu qualifizieren gewesen wäre, liegt es nach § I Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ProdHaftG beim Hersteller, zu beweisen, daß das Produkt damals seinen Betrieb fehlerfrei verlassen hat. 51 Bei diesem Haftungsausschluß scheiden Konstruktions- und Instruktionsfehler jedoch von vomherein aus. Denn ihnen ist immanent, daß sie dem Produkt von Anfang an anhaften, sind also im Zeitpunkt des Inverkehrbringens bereits vorhanden. Dies ist bei einem Fabrikationsfehler anders: Hier können Umstände für den entstandenen Schaden maßgebend sein, die erst nach dem Irrverkehrbringen eintreten, die nicht aus der Sphäre des Herstellers resultieren. 52 Die Beweislastregel des § I Abs. 4 ProdHaftG greift dann, wenn nicht feststeht, ob das Produkt den Fehler bereits im Zeitpunkt des Inverkehrbringens aufWies oder ob der schadensstiftende Fehler erst später - etwa durch Fehlbenutzung des Produktes - entstanden ist. 53 Bedeutung erlangt dieser Nachweis aber nur in solchen Fällen, wo der Fehler nicht offensichtlich nur beim Hersteller oder beim Benutzer entstanden sein kann. Der Ausschluß der Ersatzpflicht des beklagten Herstellers gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG setzt voraus, daß aufgrund der jeweiligen Umstände "davon auszugehen ist", daß das schadensverursachende Produkt den Fehler noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte. Die Anwendung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ProdHaftG ist also davon abhängig, daß eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß der Produktfehler erst zu einem späteren Zeitpunkt entstanden ist, er also aus diesem Grunde dem Hersteller nicht mehr zurechenbar ist, weil er nach dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens liegt.54

Taschner!Frietsch, Produkthaftungsgesetz, § I ProdHaftG Rdnr. 65. Frietsch, Haftung, OB 90, 29, 33. 52 von Westphalen, Produkthaftungshandbuch II, § 69, Rdnr. 6. 53 Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz, Art. 7 Rdnr. 12. 54 Rolland, Produkthaftungsrecht, § I, Rdnr. I 08. 50 51

62

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Bei diesem Nachweis tritt keine volle Beweislastumkehr zu Lasten des Herstellers ein, denn der Grund fur eine solche Beweislastumkehr besteht im gesamten Produkthaftungsrecht in der Komplexität des Produktionsprozesses. Dies gilt aber nur bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Produktion und des Inverkehrbringens, denn fortan sind neben der Produktion weitere konkurrierende Fehlerursachen in Betracht zu ziehen. 55 Auch nach der Gesetzesbegründung genügt "ein großes Maß an Wahrscheinlichkeit fur die Nichtexistenz des Fehlers zur Zeit des Inverkehrbringens oder fur das spätere Entstehen des Fehlers".56 Zum Nachweis genügt also ein Geschehensablauf, der nach allgemeiner Lebenserfahrung die Schlußfolgerung auf den Zeitpunkt des Fehlereintrittes plausibel erscheinen läßt. Die bloße Möglichkeit des Geschehensablaufes reicht nicht aus. Kommen mehrere Geschehensabläufe in Betracht, von denen einer oder mehrere eine andere Schlußfolgerung zulassen, dann verliert die den Haftungsausschluß begründende Schlußfolgerung nicht notwendigerweise ihre Plausibilität, sie ermangelt aber dann ihres exklusiven Charakters. In einem solchen Falle kommt es darauf an, welche der in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten wahrscheinlicher ist. 57 Bei den hier relevanten Fabrikationsfehlern reicht es nicht aus, daß der Hersteller nachweist, daß sein Betrieb ordnungsgemäß organisiert ist, denn die verschuldeusunabhängige Haftung des § I ProdHaftG schließt die Haftung fur "Ausreißer" ein. Das besagt wiederum aber nicht, daß über das Maß des Normalen hinaus gesteigerte Anforderungen an die Fehlerfreiheit der Unternehmerischen Tätigkeit zu stellen sind. Vielmehr kommt es gerade hier auf eine exakte Beweiswürdigung an: Sind die fur den Fehler des Produktes sprechenden, im Zeitpunkt des Inverkehrbringens bereits vorhandenen Umstände derart, daß es wahrscheinlicher ist, daß ein dem Hersteller zurechenbarer Produktfehler vorliegt, oder sind die Umstände derart, daß es wahrscheinlicher ist, daß das Produkt im Zeitpunkt des Inverkehrbringens fehlerfrei war und somit der Fehler erst später entstanden ist? Hier zählen stets die Indizien entweder zugunsten des Geschädigten oder zugunsten des Herstellers. 58 Es ist nicht ersichtlich, daß in diesem Zusammenhang (Nachweis der Fehlerfreiheit bei Inverkehrgabe) andere Umstände in Betracht kommen können als solche, die darauf zielen, das fehlerfreie Funktionieren der Produktion zu belegen, woraus dann der Schluß zu ziehen wäre, daß der Fehler am Produkt nicht im

Häsemeyer, FS flir Niederländer, S. 259, 264. Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 1112447, S. 14. 57 Sürder, Produkthaftungsgesetz, Teil 4/6.2.1, S. I. 58 von Westpha/en, Produkthaftungshandbuch li, § 69, Rdnr. I 0. 55

56

II. Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz

63

Herrschaftsbereich des Herstellers entstanden sein kann. Um eine solche fehlerfreie Produktion nachzuweisen, muß der Hersteller belegen, daß er seinen Verkehrspflichten hinsichtlich der betrieblichen Organisation im allgemeinen, der Konstruktion und der Herstellung seiner Produkte einschließlich der dazugehörenden Kontrollmaßnahmen und der Instruktion in jeder Beziehung nachgekommen ist.59 Bei Durchführung von Wareneingangs- und Warenendkontrollen sowie bei Einhaltung der sogenannten Befundsicherungspflicht kann der Hersteller ohne größere Schwierigkeiten den Nachweis fuhren, daß das Produkt zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens fehlerfrei war, da fiir diesen Beweis ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit ausreicht. 60 Für die erforderliche Beweisführung wird es neben den allgemein üblichen Beweismitteln in vielen Fällen vor allem auf eine ausreichende und ordnungsgemäße Dokumentation des Herstellungsablaufes sowie der im Herstellungsprozeß vorgenommenen Qualitäts-, Eingangs- und Ausgangskontrollen ankommen.61 Es stellt sich somit die Frage, ob ein Qualitätsmanagementsystem, das von einer dritten Stelle zertifiziert worden ist, ein Indiz fiir die Fehlerfreiheit des Produktes zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens sein kann. Die Norm DIN ISO 9001 sieht eine Dokumentation der Herstellungsprozesse und der einzelnen Prüfungen vor. Auch muß in weitem Umfang eine Kontrolle der einzelnen Produktionsschritte erfolgen. In diesem Zusammenhang sei Abschnitt 4.10.5 der DIN ISO-Norm genannt, in dem die Forderung aufgestellt wird, daß der Lieferant Aufzeichnungen einfuhren und aufrechterhalten muß, die fiir den Nachweis sorgen, daß das Produkt geprüft worden ist. Diese Aufzeichnungen müssen klar zeigen, ob das Produkt die Prüfungen gemäß den festgelegten Annahmekriterien bestanden hat oder nicht.

Das bedeutet, daß von dem Lieferanten Eingangs-, Zwischen- und Endprüfungen von Produkten verlangt werden, die auch zu dokumentieren sind. Zulieferungen müssen vor der Weiterverarbeitung geprüft werden. Weiterhin müssen zwischen den einzelnen Phasen des Design-, des Produktions- und Wartungsprozesses Prüfungen stattfmden, und die Endprodukte müssen vor dem Versand wiederum geprüft werden. 62 Eine Beachtung dieser Vorschrift und der weiteren Forderungen an die Produktprüfung63 ermöglicht durch das Vorhandensein

59 Sürder,

Produkthaftungsgesetz, Teil 4/6.2. I, S. 3. Haftungstatbestände, DStR 94, 791, 793. 61 Taschner!Frietsch, Produkthaftungsgesetz, § I Rdnr. 72. 62 Pfitzinger, D!N EN ISO 9000, S. 49. 63 Siehe dazu die aufgeführten Normen aufS. I I 3. 60 Schlutz,

64

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

von Dokumenten, Prüfergebnissen und Kontrollberichten und deren Vorlage im Prozeß lediglich die Führung des Nachweises, Kontrollen durchgeführt zu haben. Allein mit dem Vorlegen des Zertifikates läßt sich dabei aber noch nicht nachweisen, ob eine Untersuchung tatsächlich stattgefunden, die Forderungen der Norm DIN ISO 9001 also beachtet wurden und mit welchen Ergebnissen, ob also das für die Fehlerfreiheit notwendige positive Ergebnis zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe des Produktes vorlag. Das Vorhandensein eines Qualitätsmanagementsystems ist aber eine tatsächliche Voraussetzung, um überhaupt den Nachweis führen zu können, stellt für sich allein allerdings kein Indiz der Fehlerfreiheit des Produktes zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe dar. Die Wahrscheinlichkeit der Nichtexistenz des Fehlers im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produktes wird durch die Vorlage des Zertifikates nicht im notwendigen Umfang erhöht. Allerdings ist die Vorlage einer entsprechenden Dokumentation über die fehlerfreie, ordnungsgemäße Produktion und die erfolgten Kontrollen in Verbindung mit dem Zertifikat ein starkes Indiz für die Fehlerfreiheit des einen Produktes zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe durch den Hersteller. c) Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkennbar, § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG

Weiterhin kann sich der Hersteller dadurch entlasten, daß er nachweist, daß der Produktfehler zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkannt werden konnte, § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG. Die Vorschrift enthält damit einen Haftungsausschluß für Entwicklungsrisiken. Es stellt sich somit die Frage, ob dem Hersteller, der ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff eingerichtet hat, der Nachweis gelingt, daß bei der Entwicklung des schadenverursachenden Produktes der Stand von Wissenschaft und Technik beachtet wurde. Eine solche Entlastung käme aber nur dann in Frage, wenn die DIN ISO 9000ff.-Normen die Voraussetzung enthielten, daß im Unternehmen der Stand von Wissenschaft und Technik bekannt sein und in der Konstruktion und Produktion auch ständig berücksichtigt werden muß. Jedoch enthält keine der Normen eine diesbezügliche Aussage. Nach welchem Stand von Wissenschaft und Technik das Produkt konstruiert ist, die Produktion erfolgt und welche Prüfmittel eingesetzt und wie diese verwendet werden, ist nicht Inhalt der Norm und auch nicht Bestandteil der Zertifizierung64 . Der Hersteller muß den Beweis für seine Behauptung, es habe sich beim Inverkehrbringen des Produktes um einen Entwicklungsfehler gehandelt, also auf eine andere 64

Andere Ansicht wohl Ensthaler, in Ensthaler!Füßler/Nuissl, Juristische Aspekte,

s. 195.

Il. Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz

65

Weise erbringen. Für den Haftungsausschluß ist die mangelnde Erkennbarkeit des Fehlers maßgebend; nicht bedeutsam ist dabei, ob sich der Produktfehler trotz Einhaltung des Standes von Wissenschaft und Technik eingeschlichen hat. Völlig außerhalb der insoweit erforderlichen Prüfung liegt auch die Frage, ob der Fehlertrotz objektiver Erkennbarkeit nicht erkannt worden ist. Nur wenn eine potentielle Gefährdung durch das Produkt objektiv nicht erkannt werden konnte, weil der Stand von Wissenschaft und Technik insoweit noch keine Erkenntnismöglichkeiten bot, ist die Haftung ausgeschlossen. 65 Der Haftungsausschluß betrifft damit nur sogenannte Entwicklungsrisiken, also objektiv unerkennbare Sicherheitsdefizite wie etwa Asbestgefahren in den sechziger Jahren. Hersteller sollen nicht fiir Gefahren einstehen, die noch niemand kannte.66 Vom Hersteller wird damit ein Negativbeweis gefordert, eine objektive Fehlererkennbarkeit habe nicht vorgelegen. Dies wird nur dann einfach sein, wenn der Hersteller das Gericht z. B. durch Vorlage veröffentlichter wissenschaftlicher Abhandlungen überzeugen kann, daß das Gefahrwissen erst nach dem loverkehrbringen des Produktes zum Bestandteil des Standes von Wissenschaft und Technik geworden ist. 67 Es genügt somit nicht, daß der Hersteller den Fehler nicht erkannt hat, sondern es ist erforderlich, daß niemand den Fehler erkennen konnte. 68 Dabei kommt es nicht darauf an, welche Verfahren und welche Organisation im konkreten Betrieb verwirklicht sind. Auch dem Schlechtorganisiertesten Betrieb, der minderwertige Qualität produziert, kann der Nachweis gelingen, daß der spezifische Fehler von niemandem erkannt werden konnte. Dabei würde ihm im Gegensatz zu der Ansicht von Petrick, der anfuhrt, daß beim Nachweis der Nichterkennbarkeit dokumentierte Maßnahmen zur Qualitätssicherung bei der Entwicklung, Fertigung, Montage und Betreuung des Produktes hilfreich sind69, auch kein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. helfen. Eine andere Ebene ist aber die Weiterentwicklung von Wissenschaft und Technik im Hinblick auf einen zeitlich späteren Produktionsvorgang. Eine Weiterentwicklung der Produktionsgrundlagen wird im allgemeinen zu generell verbesserten Produkten fuhren. Sie wird oft auch fortschrittlichere Möglichkeiten bieten, einen Fehler zu venneiden. Dies darf aber nicht mit dem Bereich des Entwicklungsrisikos verwechselt werden, das nur den zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen, aber nicht entdeckbaren Fehler betrifft. 70 Haben sich solch Unter anderem Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz, § I Rdnr. I 02. Meyer, Rechtsprechungsbericht, WiB 96, 890. 67 Siehe hierzu Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz, § I Rdnr I 05. 68 Quittnat, Qualitätssicherungsvereinbarungen, BB 89, 571, 573. 69 Vgl. Petrick, Auditierung, in Stauss (Hrsg.), Qualitätsmanagement, S. 93, 117. 70 Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz, § I Rdnr I 06. 65 66

5 Bayer

66

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

verbesserte Produkte am Markt derart durchgesetzt, daß sie als ,,Standard" angesehen werden können, verändert sich dadurch die Einordnung eines Produktes als fehlerhaft, wenn es diesen neuen Maßstäben nicht mehr genügt. Dies hat dann aber keinen Einfluß auf das Vorliegen eines Haftungsausschlußgrundes, sondern beeinflußt das Vorliegen eines Produktfehlers. 71 Aber auch die Fehlerhaftigkeit des Produktes bestimmt sich anhand von objektiven Kriterien. Entspricht das Produkt nicht den Erwartungen des Verbrauchers, § 3 ProdHaftG, so ist es fehlerhaft, egal nach welchen Kriterien und mit welchem Aufwand hinsichtlich der Qualitätssicherung es hergestellt wurde.

111. Deliktische Haftung 1. Haftungsvoraussetzungen

a) Tatbestand der Produzentenhaftung § 823 Abs. 1 BGB begründet eine Schadensersatzpflicht für denjenigen, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper oder die Gesundheit, das Eigentum oder ein Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. Ein produkthaftungsrechtlicher Anspruch aus § 823 BGB setzt voraus, daß eines der durch die Norm geschützten Güter verletzt ist. Für die Verletzung des Rechtsgutes ist der Schädiger nur verantwortlich, wenn sie auf sein zurechenbares Verhalten zurückgeht. Wie schon der Name Produzentenhaftung sagt, handelt es sich dabei um ein persönliches Einstehen des Herstellers 72 für den Fehler seines Produktes.

Die haftungsbegründende Handlung eines Produzenten ist das Inverkehrbringen eines Produktes, durch das bei einem Dritten eine Rechtsgutverletzung verursacht wird. Er hat grundsätzlich dafür einzustehen, daß von ihm in den Verkehr gebrachte Produkte keinen Schaden an Rechten und Rechtsgütern von Dritten verursachen. Wenn der eingetretene Schaden nicht Folge "fehlerhaften" betrieblichen Verhaltens war, das heißt keine Verletzung rechtlicher Sorgfaltspflichten vorlag oder zumindest kein Verschulden gegeben war, dann besteht keine Schadensersatzhaftung des Betriebs, aus dem die Schadensursache hervorgegangen ist und der Geschädigte muß den Schaden selber tragen. Dies ist die Folge davon, daß ZuZum Fehlerbegriff des Produkthaftungsgesetzes siehe S. 54ff. Vgl. zu den verschiedenen Ausformungen der Herstellereigenschaft: ausführlich MünchKomm!Mertens § 823 Rdnr. 288fT.; von Westphalen, Subjektive Zurechnungsprobleme, Jura 83, 133ff.; und verschiedene BGH-Urteile, wie BGH NJW 68, 247; BGH NJW 75, 523; BGH BB 77, 1117; BGH NJW 80, 1219. 71

72

111. Deliktische Haftung

67

fallsschäden als Teil des allgemeinen Lebensrisikos aus dem Zusammenleben in der Gesellschaft vom Betroffenen zu tragen sind. 73 b) Rechtswidrigkeit im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB

aa) Allgemeine Rechtswidrigkeilslehren Die bloße Rechtsgutverletzung als solche durch ein fehlerhaftes Produkt reicht somit noch nicht aus, um die Haftung des Herstellers zu begründen. Die Rechtsgutverletzung muß auch rechtswidrig, d. h. unter Mißbilligung der Rechtsordnung erfolgt sein. Rechtswidrig ist, was der Rechtsordnung widerspricht. 74 Unter welchen Voraussetzungen diese Rechtswidrigkeit gegeben ist, ist aber nach wie vor umstritten. Ein Verhalten kann grundsätzlich allein schon deshalb als rechtswidrig angesehen werden, weil es zu einem schädlichen Erfolg gefiihrt hat. Nach dieser früher im Schrifttum allgemein vertretenen und in der Rechtsprechung bis heute herrschenden sogenannten Lehre vom Erfolgsunrecht ist grundsätzlich jeder Eingriff in die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter rechtlich zu mißbilligen, widerspricht also der Rechtsordnung und ist damit rechtswidrig. Der Verletzungserfolg "indiziert" die Rechtswidrigkeit des Eingriffes, es sei denn, der Schädiger beweist das Vorliegen eines speziellen Rechtfertigungsgrundes. 75 Die Lehre vom Erfolgsunrecht läßt aber außer Acht, daß Rechtsgutverletzungen und Schäden oftmals durch Handlungen ausgelöst werden, die sowohl erlaubt als auch im allgemeinen nützlich sind und dem Geschädigten häufig erst durch eigenes Fehlverhalten oder durch Fehler Dritter gefährlich wurden. Insbesondere im Bereich der Produzentenhaftung spricht gegen die Annahme, daß die Inverkehrgabe des mangelhaften Produktes bereits rechtswidrig ist, zum einen, daß es dem Hersteller im Einzelfall unmöglich gewesen sein kann, den Mangel zu vermeiden oder auch nur zu entdecken. Weiterhin bereitet die Abgrenzung einer Verletzungshandlung, die die Rechtswidrigkeit indizieren könnte, von einem Unterlassen, das einer Handlung nur im Falle einer Handlungspflicht gleichsteht, gerade im Bereich der Produkthaftung große Schwierigkeiten. 76 Denn eine klare Unterscheidung77 gelingt zurnal 73 Schmidt-Salzer, Untemehmenshaftung, in: Ahrens/Simon, Umwelthaftung, Risikosteuerung, S. 59, 60. 74 V gl. Deutsch, Haftungsrecht, Rdnr. 226; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 491. 75 Siehe BGHZ 24, 21, 24; BGHZ 57, 245, 253; BGHZ 67, 48, 49; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 490; Staudinger/Schä/er, § 823 Rdnr. I; Palandt/Thomas, § 823, Rdnr. 33, 34; Kötz, Deliktsrecht, Rdnr. 94ff. 76 Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/ Foerste, § 23 Rdnr. 3, 4.

68

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

bei Fahrlässigkeitsdelikten nur selten. Gerade im Produktionsverfahren lassen die betriebliche Arbeitsteilung sowie die Verschachtelung von Herstellungs- und Kontrollmechanismen die Grenzen der Verhaltensformen verschwimmen. Der Unterschied von Tun und Unterlassen verliert jedoch dann seine Bedeutung, wenn feststeht, daß das Verhalten im Ergebnis pflichtwidrig war; denn dann bestand, falls unterlassen wurde, jedenfalls eine Pflicht zum Handeln. Pflichtwidrig - und damit rechtswidrig - sind Verhaltensweisen, die im Bereich der Produzentenhaftung eine Rolle spielen, regelmäßig nur, wenn sie gegen eine hersteilerspezifische Verkehrspflicht verstoßen. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, im Rahmen der Produkthaftung fur die Rechtswidrigkeit von Handlungen wie von Unterlassungen an gleiche Voraussetzungen anzuknüpfen, nämlich an eine Pflichtverletzung des Schädigers. 78 Würde man somit jede kausale Verknüpfung mit einem schädlichen Erfolg mit dem Urteil der Rechtswidrigkeit belegen, so würde dies bedeuten, daß man auch weit vor der schädlichen Handlung liegende kausale Ereignisse als rechtswidrig ansehen müßte. Denn tritt ein Schaden aufgrund eigenartiger und entfernt liegender Umstände ein, so ist dies nicht in jedem Falle ein dem Schädiger zuzurechnendes Unrecht, sondern ein Unglück. 79 Um solches weitab liegendes Verhalten von vornherein auszuschließen, ist die neuere Lehre dazu übergegangen, die erfolgsbezogene Rechtswidrigkeit funktionsmäßig zu beschränken. Die sogenannte Lehre vom Verhaltensunrecht stellt zur Begründung der Rechtswidrigkeit einzig auf das Verhalten des Schädigers ab. Es reicht danach nicht aus, daß eines der Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB verletzt ist, sondern die Rechtswidrigkeit müsse fur den speziellen Eingriff jeweils positiv festgestellt werden. Denn die Rechtsordnung könne nicht generell jeden unerwünschten Erfolg verbieten, sondern könne sinnvollerweise, da sie an einzelne Menschen gerichtet ist, nur die Beachtung von Verhaltensgeboten oder -verboten zur Vermeidung des Verletzungserfolges verlangen. Denn gegen die Gebote des Rechtes kann nur ein Mensch als einziger Adressat der Rechtsordnung durch sein Verhalten verstoßen. 80 Ein rechtsgutverletzendes Verhalten sei daher nur dann rechtswidrig, wenn damit gegen ein spezielles Ge- oder Verbot oder gegen das Gebot zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen (äußeren) Sorgfalt verstoßen werde. 81

Vgl. dazu Bar, Verkehrsptlichten, S. 67ff.; Deutsch, Haftungsrecht, Rdnr. IOSff. Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/ Foerste, § 23 Rdnr. 4, 5. 79 V gl. Ku/lmann!Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 1515, S. 5. 80 Esser/Weyers, § 55 li 3. 81 Vgl. Esser/Weyers, § 55 !I 3; Esser!Schmidt, § 25 IV; Westphalen, Produkthaftungshandbuch IIFoerste, § 23 Rdnr. 5; Kötz, Deliktsrecht, Rdnr. I 0 I ff. 77

78

III. Deliktische Haftung

69

Dagegen differenziert die eingeschränkte Erfolgstmrechtslehre zwischen den beiden oben dargestellten Auffassungen und nimmt eine vennittelnde Stellung ein.82 Ausgangspunkt dieser Ansicht ist, daß grundsätzlich jede Rechtsgutverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB rechtswidrig ist. Zu berücksichtigen ist dabei aber, daß die Rechtsordnung nicht den bloßen Erfolg der Rechtsgutverletzung untersagt, sondern auch Verhaltensregeln beinhaltet, die den mißbilligten Erfolg vermeiden sollen. Aus diesem Grunde sind unmittelbare Verletzungen der Schutzgüter des § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich als rechtswidrig zu qualifizieren. Führt also vorsätzliches Handeln zur Verletzung eines subjektiven Rechtes oder Rechtsgutes, so ist die Rechtswidrigkeit dieses Handeins schon wegen des von der Rechtsordnung mißbilligten Erfolges als rechtswidrig zu qualifizieren; das Gleiche gilt auch fiir viele Fälle fahrlässigen Handelns. Vor allem dann aber, wenn es um die Unterlassung möglicher Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen geht, setzt das Rechtswidrigkeitsurteil zusätzlich die Feststellung voraus, daß ein Verhalten erst durch die Außerachtlassung gewisser Sorgfaltsanforderungen eine gewisse Mindestintensität der Gefahrdung verwirklicht hat. 83 Die Rechtswidrigkeit muß in einem solchen Falle positiv festgestellt werden. In diesem Sinne sind die Fahrlässigkeitstatbestände immer "offen". Die Feststellung geschieht, indem das Verhalten des möglicherweise Verantwortlichen am Maßstab der "im Verkehr erforderlichen Sorgfalt", § 276 Abs. 1 S. 2 BGB, gemessen wird. 84 Insbesondere mittelbare Eingriffe sind dann als rechtswidrig einzustufen, wenn dabei gegen eine besondere oder allgemeine Sorgfaltspflicht verstoßen wurde. Erst der Eingriff in den Schutzbereich einer Norm begründet die Rechtswidrigkeit des Verhaltens. Denn es ist zu weitgehend, Handlungen auch dann wegen der bloßen Erfolgsverursachung als widerrechtlich zu bewerten, wenn lediglich "entfernte", obgleich noch adäquate Ursachen fiir die nicht vorsätzliche Rechtsgutverletzung gesetzt werden; bei diesen nur ,,mittelbar" verursachten Eingriffen kann erst eine hinzutretende Sorgfaltspflichtverletzung die Rechtswidrigkeit begründen.85 Diese Einschränkung der Erfolgstmrechtslehre ist geboten. Denn solange bei

nur mittelbaren Eingriffen die geforderte Sorgfaltspflicht eingehalten werde, äußert die Verhaltensweise des Schädigers nicht die Mindestintensität einer Ge-

82 Siehe dazu: Deutsch, Haftungsrecht, Rdnr. 246; Marburger, Regeln der Technik, S. 433; Larenz, Schuldrecht 1112, § 75 li 3; Ennan!Schiemann, § 823 Rdnr. 75ff.; Erman/Battes, § 276 Rdnr. 8ff. 83 Erman!Battes, § 276 Rdnr. I 0. 84 Esser/ Weyers, § 55 li 3. 85 Erman/Battes, § 276 Rdnr. 8.

70

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

fährdung, die einen Eingriff in den Rechtskreis des Verletzten kennzeichne. 86 Die eingeschränkte Erfolgsunrechtslehre verbindet die Vorteile der beiden anderen Ansichten und schließt derenjeweilige Nachteile aus. So wird dadurch zum einen der mittelbare Schädiger nicht zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hat, zum anderen wird dadurch defensiver Rechtsschutz gegen den unmittelbaren Schädiger ermöglicht, ohne dabei auf einen Sorgfaltspflichtverstoß abstellen zu müssen. Die Verletzung allgemeiner Sorgfaltspflichten ist somit im Rahmen der Rechtswidrigkeit zu prüfen. Für die Begründung einer Haftung desjenigen, der solche allgemeine Sorgfaltspflichten verletzt und deshalb rechtswidrig gehandelt hat, ist im Verschulden dann nur noch zu untersuchen, ob der Schädiger die von ihm verletzte Sorgfalt schuldlos verkannt hat oder ihre Verletzung schuldlos nicht habe vermeiden können, ob ihm persönlich also die Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen ist. 87 Die Frage der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist somit weder eine Frage der Tatbestandsmäßigkeit der Verletzungshandlung88, noch ist sie im Bereich des Verschuldens zu prüfen, wie dies von den Vertretern der Lehre vom Erfolgsunrecht vorgenommen wird. Die Unterscheidung zwischen unmittelbaren Eingriffen und mittelbaren Beeinträchtigungen ist anhand folgender Kriterien vorzunehmen: Mittelbare Verletzungen sind solche, die nicht mehr im Rahmen des äußeren Handlungsablaufes liegen, sondern erst durch Zwischenursachen vermittelte entferntere Folgen eines bestimmten Verhaltens sind.89 Gehört der Erfolg noch zum Handlungsablauf, macht er somit lediglich sichtbar, was die Handlung ihrer objektiven Natur nach von Anfang an war90, dann liegt ein unmittelbarer Eingriff vor, der ohne Rücksicht auf eine Verkehrspflicht rechtswidrig ist. Liegt der Erfolg dagegen nicht im Rahmen des Handlungsablaufes, ist die Verletzung nur die durch mancherlei Zwischenursachen vermittelte entfernte Folge eines bestimmten Verhaltens, so liegt eine mittelbare Verletzung vor. 91 Beispielhaft für die mittelbare Beeinträchtigung ist insbesondere das Inverkehrbringen von gefahrliehen Gegenständen. Sofern diese von ordnungsgemäßer Beschaffenheit sind, wäre es angesichts der Erlaubtheit dieses Verhaltens sinnwidrig, es allein im Hinblick auf die bloße Möglichkeit einer mit ihm nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehenden späteren Rechtsgutbeeinträchtigung ex Deutsch, unerlaubte Handlung, Rdnr. 81; Larenz, Schuldrecht II/2, § 75 II 3. Vgl. Kötz, Delitsrecht, Rdnr. 11 7, 118. 88 V gl. dazu Ennan!Schieman, § 823 Rdnr. 73; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. I 059; Larenz, Schuldrecht 11/2, § 75 II 3, S. 368. 89 Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 229f. 90 Larenz, SchuldR II, § 72 I c ( II. Aufl. ). 91 Bar, Verkehrspflichten, S. 156. 86

87

III. Deliktische Haftung

71

post als Unrecht zu qualifizieren. Dieses Urteil kann daher hier nur auf der Verletzung einer Verhaltenspflicht aufbauen - also zum Beispiel darauf, daß jemand eine herstellerspezifische Verkehrspflicht verletzt hat. 92 Aus diesem Grund sind auch die produktionsspezifischen Verkehrssicherungspflichten bei der Rechtswidrigkeit einzuordnen. 93 Eine Verletzung derselben begründet damit den Sorgfaltspflichtverstoß. Haftungsbegründende Handlung ist lediglich das Inverkehrbringen des fehlerhaften Produktes. bb) Die Rechtswidrigkeit im Rahmen der Produzentenhaftung Somit ist bei der Produzentenhaftung nicht allein das Vorliegen eines Produktfehlers Haftungsvoraussetzung, sondern insbesondere der Umstand, daß der Hersteller die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt, also das Produkt nicht so konstruiert, es nicht so hergestellt oder es nicht mit solchen Informationen versehen in den Verkehr gebracht hat, wie man es von einem sorgfältigen Hersteller nach Lage des Falles verlangen muß. 94 Jeder Hersteller ist verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Gefahren abzuwenden, die aus einer möglichen Schadhaftigkeit des hergestellten Produktes im Hinblick auf die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter Dritter resultieren können. 95 Als Verkehrspflichten werden im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB allgemein diejenigen objektiven bzw. äußeren Sorgfaltspflichten bezeichnet, deren Einhaltung zum Schutz der Rechte und Rechtsgüter vor gefährlichen Zuständen und Verhaltensweisen erforderlich ist. 96 Als äußere Sorgfalt ist dabei das sachgemäße Verhalten aufzufassen, "das, je nach dem Tatbestand, auf den Bezug genommen ist, entweder in der Vermeidung einer Gefahr fiir ein Rechtsgut durch Unterlassen bzw. Vomahme einer Handlung, in der rechten Handlungssteuerung in einer zulässig geschaffenen Gefahrenlage oder in der Befolgung einer Verhaltensnorm besteht.'m Verkehrspflichten sind Pflichten zur Gefahrenabwendung. Es handelt sich dabei um abstrakte Verhaltensnormen. Sie beschreiben einen haftungsrechtlichen Vgl. Larenz, Schuldrecht Il/2, § 75 II 3. Vgl. dazu: Esser/Weyers, § 55 II 3; Kötz, Deliktsrecht, Rdnr. 98ff.; Bar, Entwicklung, JuS 88, 169, 173; ders., Verkehrsptlichten, S. 173; MünchKomrn!Mertens, § 823 Rdnr. 21ff.; RGZ 163,21, 126; BGHZ 51, 91, 105; Larenz, Schuldrecht Il/1 , § 41 a; Medicus, BR, Rdnr. 650; MünchKomrn/Mertens, § 823 Rdnr. 286. 94 Esser/Weyers, § 55 II 3. 95 Baumgärtel, Beweislastverteilung, JA 84, 660, 665. 96 Marburger, Regeln der Technik, S 442; Deutsch, Haftungsrecht, S. 70f; Staudinger/Schäfer, § 823 Rdnr. 3 13 97 Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 94. 92 93

72

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Bewegungsfreiraum, der einen sachgemäßen Umgang mit gefährlichen Sachen ermöglicht.98 Inhalt und Umfang bestimmen sich aus dem allgemeinen Grundsatz, daß der fiir die Abwehr von Gefahren Zuständige im Rahmen des Erforderlichen und Zurnutbaren solche Vorkehrungen zu treffen hat, die eine über das Übliche hinausgehende Gefährdung anderer verhindem oder beseitigen.99 Damit der Hersteller diesen Verkehrssicherungspflichten genügt, muß er im Rahmen des objektiv Möglichen und Zurnutbaren die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen treffen, um produktbedingte Gefahren fiir Leib und Leben sowie fur das Eigentum Dritter zu vermeiden. 100 Den Hersteller trifft demnach die Pflicht, keine gefahrbringenden, fehlerhaften Produkte in den Verkehr zu bringen, wobei er Sicherheitsmaßnahmen nur zu treffen hat, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden, sondern wenn dies naheliegt. 101 Da eine Verkehrssicherungspflicht, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist, muß ein Aulagenbetreiber nicht fur alle erdenklichen Schadenseintritte Vorsorge treffen. Jedoch ist ein Betriebsinhaber verpflichtet, seinen Betrieb entsprechend den Erfahrungen der Technik so einzurichten, daß voraussehbare Schädigungen Dritter im Rahmen des Möglichen und Zurnutbaren ausgeschlossen sind. 102

c) Beweislastverteilung bei der Produzentenhaftung Hauptproblem bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Wege der Produzentenhaftung ist jedoch meist die Erfullung der Beweislast An sich müßte der Geschädigte den vollen Beweis für sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 823 Abs. I BGB einschließlich der Verletzung einer produktionsspezifischen Verkehrspflicht und des schuldhaften Verhaltens des Herstellers erbringen. Dies ist ihm aber häufig kaum möglich, da er nicht in der Lage ist, den Organisations- und Verantwortungsbereich des Herstellers, in dem der Produktfehler entstanden ist, zu überschauen. Er hat daher auch keine Kenntnis von Umständen, die für die Beantwortung der Frage entscheidend sind, ob der Produzent bei der Herstellung der fehlerhaften Ware die im Verkehr erforderliche Sorgfalt hat walten lassen. 103 Diese Beweislastregeln finden dann Anwendung, wenn der Hauptbeweis gescheitert ist, das heißt nicht zur richterlichen Überzeugung vom Vgl. Bar, Verkehrspflichten, S. 173; Marburger, Regeln der Technik,§ 53 I I. Wickhorst, Produzentenfehler, VersR 95, 1005. 100 BGHZ 80, 186, 196. 101 BGH VersR 89, 1307. 102 RGZ 105, 213,218. 103 Baumgärtel, Beweislastverteilung, JA 84, 660, 663; AJlgemein zur Beweislast bei der Produzentenhaftung Baumgärtel, Beweislastpraxis, Rdnr. 458ff. m .w.N. 98 99

III. Deliktische Haftung

73

Vorliegen oder Nichtvorliegen der zu beweisenden Tatsache gefiihrt hat. Grundsätze der Beweisfiihrung und Beweislastregeln beeinflussen unmittelbar den materiell-rechtlichen Haftungstatbestand und seine Rechtsfolgen. Durch einen zu starren Schematismus bei der Verteilung von Beweislasten besteht jedoch auch die Gefahr, daß bestimmte Lebensbereiche der deliktischen Haftung weitgehend entzogen werden oder doch in Widerspruch zur materiellen Schadenszuständigkeit geraten, die bei richtigem Verständnis auch die Durchsetzung des Geltungsanspruches der Schutzgüter mit prozessualen Mitteln urnfaßt. Das gilt vor allem dort, wo der Kläger Sachverhalte aufklären muß, denen er als Laie hilflos gegenübersteht, während sie der Beklagte als Experte ungleich besser klären und erklären könnte. 104 Diese Schwierigkeiten löste der Bundesgerichtshof im Bereich der Produzentenhaftung in seinem sogenannten ,,Hühnerpesturteil" vom 26. November 1965 105 . Hinsichtlich der F ehlerhaftigkeit des Produktes muß der Geschädigte beweisen, daß das Produkt eine Eigenschaft hatte, die die Verletzung verursacht haben kann. Hat der Geschädigte bewiesen, daß der in Anspruch genommene Hersteller ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr gebracht hat und der Fehler aus dessen Organisations- und Gefahrenbereich herrührt, so ist es Sache des Herstellers, nachzuweisen, daß ihn an dem Fehler kein Verschulden trifft. Die sachlichen Gründe fiir diese Beweislastumkehr sind primär in der Größe und Kompliziertheit der Organisation der Betriebe sowie in den komplexen Produktionsvorgängen zu sehen. Dem Geschädigten ist es bei einem großen Unternehmen unmöglich, zu beweisen, welche Person den Fehler verschuldet hat. 106 Der Produzent sei ,,näher daran", den Schadensfall aufzuklären und die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, da er die Produktionssphäre überblicke und den Herstellungsprozeß sowie die Auslieferungskontrolle des fertigen Produktes organisiere. Sofern die Ursache der Unaufklärbarkeit im Herrschafts- und Organisationsbereich des Produzenten liege, sei es sachgerecht und zumutbar, dem Produzenten auch das Risiko der Nichterweislichkeit seiner Schuldlosigkeit aufzuerlegen. 107 Im Bereich des Nachweises der kausalen Schadenszufiigung durch ein Produkt des Herstellers durch den Geschädigten werden andere Beweiserleichterungen als der Anscheinsbeweis von der ganz herrschenden Meinung abgelehnt. Eine gewisse Erleichterung gilt allerdings fiir die Fehleridentifikation. Es ist nämlich nicht erforderlich, daß der Geschädigte die Art des Fehlers genau bezeichnet, es reicht, 104 Steffin, Beweislasten, FS' für Brandner, S. 327; vgl. dazu auch Vogt, Einstandspflicht, S. 131 ff. 105 BGHZ 51, 91 ff. 106 Huth, technische Normen, S. I 00. 107 BGHZ 51, 91, I OS und I 06; siehe jüngst BGH NJW 96, 2507.

74

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

wenn er nachweist, daß das Produkt beim Verlassen der Herstellersphäre irgendeinen Mangel hatte, der als Schadensursache in Betracht kommt. 108 Der Geschädigte hat somit zu beweisen, daß das Produkt bereits fehlerhaft war, als es den Herstellerbereich verlassen hat. Dabei kann dem Geschädigten aber die Beweiserleichterung nach dem sogenannten Beweis des ersten Anscheins zugute kommen. Die Beweiserleichterung nach dem Anscheinsbeweis greift dann ein, wenn ein feststehender Sachverhalt nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Verlauf hindeutet, wenn also ein typischer Geschehensablauf vorliegt. Ein genereller Erfahrungssatz des Inhalts, daß aus dem Vorliegen eines Produktfehlers auf dessen Ursächlichkeit für die eingetretene Rechtsgutverletzung geschlossen werden kann, besteht allerdings nicht; maßgeblich sind immer die konkreten Umstände des Einzelfalles. 109 Denn wie die Lebenserfahrung zeigt, gehört es zur Natur des industriellen Betriebes, daß gelegentliche tedmische Fehlleistungen in der Fabrikation nicht ausschließbar sind und auch nicht mit absoluter Sicherheit, wenigstens soweit es sich um komplizierte Fabrikationsvorgänge handelt und um die Untersuchung nicht offenliegender Teile des Fabrikates, bei der Abnalune ausgeschaltet werden können. Die Tatsache allein, daß bei einer Massenfabrikation ein einzelnes mangelhaftes Stück aufgrund des Fehlers eines Arbeiters in den Verkehr gelangt, bedeutet daher nicht, daß der erste Anschein für einen Fehler der Geschäftsleitung spricht. 110 Der Anscheinsbeweis ist nur ein Hilfsmittel für die Beweisführung und hat keine Umkehr der Beweislast zur Folge. Kann der Anspruchsgegner die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes darlegen, so ist der Anscheinsbeweis entkräftet, und der Anspruchssteiler muß für seine Behauptungen vollen Beweis erbringen. 111 Der Geschädigte muß ferner beweisen, daß der Produktfehler im Organisations- und Gefahrenbereich des Herstellers entstanden ist. Bei diesem Beweis kann ihm der Anscheinsbeweis dann nicht helfen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß der Fehler erst nach dem loverkehrbringen des Produktes entstanden ist. 112 Der Geschädigte muß im Prozeß gegen den Hersteller somit lediglich die objektive Mangelhaftigkeit oder Gefährlichkeit des Produktes, die eingetretene Rechts- oder Rechtsgutverletzung und den dazwischen bestehenden Ursachenzu-

108 Arens,

Beweislastproblematik, S. 124f. Hahn, Produkthaftung, S. 34ff. 110 BGH VersR 56,410. 111 Hahn, Produkthaftung, S. 34ff. 112 Diese allg. Regeln wurden allerdings mit dem Urteil des BGH zur Befundsicherung verändert. 109

111. Deliktische Haftung

75

sammenhang beweisen. 113 Hinsichtlich der Frage nach dem Vorliegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Seiten des Produzenten wird jedoch eine Beweislastumkehr vorgenommen. Das Ausmaß der Beweislastumkehr ist stets an folgenden Kriterien zu orientieren: die jeweilige Beweisnot des Geschädigten und die Zumutbarkeit einer Beweislastumkehr für den Hersteller. 114 Der Hersteller dagegen trägt die Beweislast dafiir, daß er fiir einen Fehler des Produktes nicht einzustehen hat. Diese Beweislast ist in persönlicher wie sachlicher Hinsicht umfassend. Der Hersteller kann ihr praktisch nur genügen, indem er jede Behauptung des Geschädigten über Unzulänglichkeiten bei der Herstellung widerlegt und von sich aus alle zurnutbaren Sicherheitsvorkehrungen - im Betrieb und speziell fiir das betreffende Produkt - lückenlos darlegt und unter Beweis stellt. In personeller Hinsicht muß der Inhaber des Betriebes nicht nur eigene Pflichtverletzungen ausschließen, sondern er muß die Sorgfalt sämtlicher Personen nachweisen, deren Fehlverhalten ihm zugerechnet würde. Denn beim Vorliegen eines Organisationsverschuldens wird dem Hersteller vorgeworfen, er hätte die Pflichtverletzung des Mitarbeiters jedenfalls voraussehen und durch eine bessere Organisation seines Betriebes verhindem können. 115 In sachlicher Hinsicht ist zu beweisen, daß dem Inhaber (und den betreffenden Mitarbeitern) keine der bei der Produktion vorstellbaren Pflichtverletzungen zur Last fallt. In erster Linie muß also ein rechtswidriges Handeln - ein Verstoß gegen die äußere Sorgfalt- ausgeschlossen werden. Steht eine Verkehrspflichtverletzung fest oder mißlingt zumindest die ihr geltende Entlastung, so kann der Hersteller versuchen, die weitere Vermutung zu widerlegen, welche fiir ein Verschulden - den Verstoß gegen die innere Sorgfalt- spricht. 116 Sache des Herstellers ist es somit, zu beweisen, daß er objektiv pflichtgemäß gehandelt hat, oder, wenn eine Pflichtwidrigkeit vorliegt, zu beweisen, daß ihn kein Verschulden trifft. Den Beweis pflichtgemäßen Handeins kann der Hersteller regelmäßig dadurch fuhren, daß er die Beachtung der einschlägigen technischen Regeln nachweist. Hat er sie nicht beachtet, so ist nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises auch die Ursächlichkeil des Regelverstoßes fiir den Schaden anzunehmen. 117 Alles in allem hat dadurch die Rechtsprechung im Rahmen der verschuldensunabhängigen Haftung eine Risikoverteilung vorgenommen, die dem VerbrauBGHZ 51, 91, 104. Westpha1en, Produkthaftungshandbuch II Foerste, § 30 Rdnr. 43. 115 Westpha1en, Produkthaftungshandbuch II Foerste, § 30 Rdnr. 44, 45, § 31 Rdnr. I. 116 Westphalen, Produkthaftungshandbuch II Foerste, § 30 Rdnr. 47. 117 Köhler, Haftungsrechtliche Bedeutung, BB Beilage 4/ 1985, S. 10, II. 113

114

76

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

eher vor dem Hintergrund der industriellen Massenfertigung zugute kommt, kauft er die Sache doch in der Regel nicht direkt beim Hersteller, sondern bei einem Händler. Die Beweislastumkehr zugunsten des Geschädigten erfaßt somit aus dem Gesamttatbestand der deliktischen Haftung die folgenden Merkmale: zum einen eine dem Hersteller zuzurechnende Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, zum anderen das Verschulden des Herstellers sowie schließlich die Ursächlichkeit dieser Verletzung fur den Produktfehler. Der Hersteller muß, um den Entlastungsbeweis fuhren zu können, Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, daß ihn an der Betriebsorganisation, den Fehlern seiner Zulieferer und Gehilfen sowie der mangelhaften Instruktion und Information seiner Abnehmer kein Verschulden trifft. 118 d) Verschulden

Wie jeder Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt auch der Schadensersatzanspruch im Wege der Produzentenhaftung ein Verschulden voraus. Denn nicht der Schaden verpflichtet zum Schadensersatz, sondern die Schuld. 119 Das Verschulden als Haftungsvoraussetzung in § 823 Abs. 1 BGB begründet die Zurechnung des Verletzungserfolges und der Verletzungshandlung zu der Person des Schädigers. 120 Damit verlangt das Gesetz, daß das Verhalten dem Handelnden persönlich vorgeworfen werden kann. 121 In Betracht kommt in den Fällen der Produzentenhaftung nur die Verschuldensform der Fahrlässigkeit. Darunter versteht man nach § 276 Abs. 1 S. 2 BGB die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Allgemein betrachtet, besteht der mit der Fahrlässigkeit gegenüber dem Schädiger verbundene Vorwurf darin, daß er die vorausgesehene Schädigung nicht vermieden oder den Eintritt der Schadensverwirklichung nicht vorhergesehen hat und der Schaden deshalb nicht abgewendet wurde.122 Die in§ 276 Abs. 1 BGB wesentlich durch das Merkmal der Sorgfalt gekennzeichnete Fahrlässigkeit beschreibt damit ein Verhaltensprofil, bis zu dessen Grenze eine Ersatzpflicht nicht eintritt. 123 Im einzelnen ist hierbei zwischen der inneren und äußeren Sorgfalt zu unterscheiden. 124 Die äußere Sorgfalt bezeichnet

Baumgärte/, Beweislastverteilung, JA 84, 660, 668 und 669. Jhring, Schuldmomente im römischen Privatrecht, 1867, zitiert nach Koch, Produkthaftung, S. 17. 120 Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 64f.; Staudinger!Löwisch, § 276 Rdnr. 10. 121 Geige/, Haftpflichtprozeß, Kap. 2, Rdnr. 23. 122 Jauemig/Vollkommer, 276 Anm. III; Geige/, Haftpflichtprozeß, Kap. 2, Rdnr. 26. 123 Jürgens, Technische Standards, S. 62. 124 Vgl.: BGH NJW 86, 2757, 2758; Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 93ff.; Huber, in Festschrift für Huber, S. 253, 263; Larenz, Schuldrecht I, § 20 IV. 11 8

11 9

III. Deliktische Haftung

77

das geforderte, objektiv sachgemäße Verhalten. 125 Die innere Sorgfalt dagegen beschreibt einen intellektuell-emotionalen Vorgang. Sie bezieht sich auf die Erkenntnis der möglichen Tatbestandsverwirklichung, aber auch auf die Möglichkeit, die äußere Sorgfalt erbringen zu können. Sie besteht somit aus den Elementen der Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit, die sich auf die Tatbestandsverwirklichung beziehen. 126 Die innere Sorgfalt ist nur dann verletzt, wenn dem Täter die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bekannt war und er die Möglichkeit der Vermeidung hatte. Denn der Fahrlässigkeitsvorwurf kann nur bei Vermeidbarkeit des schädigenden Verhaltens und Erfolges erhoben werden; sorgfältiges Verhalten muß dem Schädiger also möglich und zurnutbar gewesen sein.127 Der Maßstab, der hierbei anzulegen ist, ist grundsätzlich ein objektivtypisierender. Entscheidend sind daher nicht die speziellen Fähigkeiten des einzelnen Schädigers, sondern die Fähigkeiten, die an die Verkehrsgruppe gestellt werden. 128 Wie§ 276 Abs. l S. 2 BGB bereits zeigt, ist nicht auf die individuelle Fähigkeit des einzelnen abzustellen, sondern auf die im Verkehr verlangten Sorgfaltsanforderungen. Der objektiv-typisierte Fahrlässigkeitsmaßstab geht vom Grundsatz der "objektiven Übernahme" aus: Von jedermann wird grundsätzlich erwartet, daß er die Sorgfalt setzt, die der Verkehr an seiner Stelle erwartet. 129 Bei diesem objektiv-abstrakten Maßstab 130 stellt die Rechtsprechung aber einschränkend auf die Anschauung eines gewissenhaften Angehörigen des beteiligten Personenkreises ab. Im Verkehr erforderlich ist derjenige Grad von Sorgfalt, der in solchen Verhältnissen und in den in Betracht kommenden Personenklassen von tüchtigen, gewissenhaften Leuten für genügend erachtet wird. Der grundsätzlich anzuwendende objektive Maßstab bei der Prüfung der Sorgfalt erfährt somit eine gewisse Einschränkung in subjektiver Hinsicht, als es auf den Personenkreis der Beteiligten mit ankommt. Für den einzelnen Hersteller bestimmt sich somit die erforderliche Sorgfalt nach den in der jeweiligen Branche vorhandenen Kenntnissen, wobei auf eine eingerissene Nachsicht und Unsitte nicht Rücksicht zu nehmen ist. 13 1

125 Vgl. Huber, in FS fiir Huber, S. 253, 265; Deutsch, Unerlaubte Handlung, Rdnr. 121; Larenz, Schuldrecht I, § 20 111. 126 Siehe Deutsch, Haftungsrecht, Rdnr. 388; ders. Unerlaubte Handlung, Rdnr. 121 ; Geige/, Haftpflichtprozeß, Kap. 2, Rdnr. 27. 127 Vgl. Geige/, Haftpflichtprozeß, Kap. 2, Rdnr. 40; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, Rdnr. 49. 128 Deutsch, Unerlaubte Handlung, Rdnr. 123. 129 BGHZ 24, 21 , 27; BGHZ 39, 281 , 283; BGH NJW 88, 909; Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rdnr. 123; Larenz, Schuldrecht I, § 20 III m.w.N. 130 BGHZ 8, 138, 146. 131 BGHZ 5, 318,319.

78

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Da es in den Fällen der Produzentenhaftung stets um die Verletzung der Verkehrssicherungspflichten geht und bei dieser stets das gebotene und rechtlich geforderte Verhalten mit der sogenannten "äußeren Sorgfalt" zusammenfallt, muß im Rahmen des Verschuldens nur geprüft werden, ob die "innere Sorgfalt" gewahrt wurde oder nicht. Dieser genügt der Hersteller dann, wenn er nicht erkennen konnte und auch nicht erkennen mußte, aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht zu bestimmten Maßnahmen verpflichtet zu sein. 132 Denn eine Fahrlässigkeitshaftung setzt voraus, daß die Pflichtensituation als solche erkennbar gewesen ist. 133 Am Verschulden fehlt es somit, wenn man sich nicht für verpflichtet halten durfte, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. 134 2. Exkurs: Begriffsk.lärung: Stand der Technik, Regeln der Technik, Stand von Wissenschaft und Technik

Die für die Beurteilung der Verkehrspflichtverletzung notwendigen Begriffe der allgemein anerkannten Regeln der Technik, des Standes der Technik und des Standes der Wissenschaft und Technik beschreiben jeweils Sicherheitsanforderungen für technische Systeme, deren Herstellung, Inverkehrgabe und Benutzung in der Regel nicht völlig ungefährlich sind. Damit ist zugleich die Wertung verbunden, daß die beschriebenen Tätigkeiten zulässig sind, wenn die geforderten Sicherheitsstandards eingehalten werden. Wer die einschlägigen technischen Standards beachtet, befolgt die Verhaltensnormen des technischen Sicherheitsrechtes. Er handelt sachgemäß und wahrt das Höchstmaß der zur Gefahrsteuerung erforderlichen äußeren Sorgfalt. Sein Verhalten entspricht damit den Anforderungen der Rechtsordnung. Daher ist, selbst wenn sich das mit dem technischen System verbundene Restrisiko verwirklicht und hierdurch die Rechte oder Rechtsgüter anderer verletzt werden, das die Rechtsgutverletzung verursachende Verhalten als rechtmäßig im Sinne des Sicherheitsrechtes zu qualifizieren. 135 Der Stand von Wissenschaft und Technik urnfaßt diejenigen Erkenntnisse, die nach dem letzten gesicherten Forschungsstand in Technik bzw. Naturwissenschaften vorliegen. Der Stand von Wissenschaft und Technik ist der neueste Stand wissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse, der nachprüfbar begründet, technisch durchführbar, allgemein zugänglich, aber noch ohne praktische

132 Siehe zum Gesamten: Huth, Technische Normen, S. II I; BGH VersR 76, 149, 151; vgl auch Bar, Verkehrsptlichten, S. 177. 133 BGH VersR 76, 166, 168. 134 BGH VersR 76, 149, 151. 135 Jürgens, Technische Standards, S. 51; Marburger, Regeln der Technik, S. 430.

111. Deliktische Haftung

79

Bewährung ist. 136 Die Obergrenze der an die Produktsicherheit zu stellenden Anforderungen bildet im allgemeinen der Stand von Wissenschaft und Technik. 137 Unter dem Stand der Technik versteht man das von Fachleuten verfiigbare Fachwissen, das wissenschaftlich begründet, praktisch erprobt und ausreichend bewährt ist. Der Stand der Technik geht stets über die anerkannten Regeln der Technik hinaus. Er ist Richtschnur und Maßstab fiir "berechtigterweise zu erwartende Sicherheit" (ProdHaftG) wie zum Erfiillen der Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten des Herstellers. 138 Dagegen sind allgemein anerkannte Regeln der Technik solche, die in den Kreisen der betreffenden Techniker bekannt und als richtig anerkannt sind; sie sind in der Praxis erprobt worden und haben sich dort verbreitet und bewährt. 139 Anerkannte Regeln der Technik sind die von der Mehrheit der Fachleute anerkannten, wissenschaftlich begründeten und ausreichend erprobten Regeln zum Lösen technischer Probleme. Das Einhalten der allgemein anerkannten Regeln der Technik begründet eine Vermutung, daß die rechtlichen Mindestanforderungen erfiillt sind.140 Sie bilden zunächst die Untergrenze der Herstellerpflichten. Pflichtwidrig handelt allerdings nicht schon, wer diese Regeln mißachtet, indem er dadurch erhöhten Gefahren auf andere Weise vorbeugt. Pflichtwidrig handelt nur, wer den Sicherheitsstandard, der bei Beachtung der technischen Regeln gewährleistet wäre, unterschreitet. 141 3. Erfüllung der Herstellerpflichten durch ein Qualitätsmanagementsystem

Produzentenhaftung ist eine stets rückwärts gerichtete Betrachtung. Ausgehend vom eingetretenen Schadensfall wird gefragt, ob ein fehlerhaftes Produkt schadensursächlich und ob ggf. alle Sorgfaltspflichten erfiillt wurden. Die Tatsache, daß es zu einem Folgeschaden kam, ist dabei zunächst augenscheinlicher Beweis dafiir, daß das Bemühen um Schadensverhütung nicht von Erfolg gekrönt war.142 Kommt es im Betrieb zu einer Verkehrspflichtverletzung, so haftet dafiir nicht ohne weiteres der Inhaber des Betriebes, sei er Einzelkautmann oder eine juristische Person; auch die Organe einer juristischen Person sind nicht ohne weiteres 136 Rothe, Absicherung, S. 7; BVerfGE 49, 89 "Kalkar". 137

Westphalen, Produkthaftungshandbuch II Foerste, § 24, Rdnr. 18.

138 Bauer, Rechtliche Kosequet'lzen, QZ 95, ZG 18, 21 139 Marburger, Regeln der Technik, S. 157, 165. 140 Bauer, rechtliche Kosequenzen, QZ 95, ZG 18, 20. 141 Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/ Foerste, § 24, Rdnr. 21. 142 Rothe, Zertifizierung, S. 9.

80

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

verantwortlich. Denn die Sorgfaltspflichten, welche hinsichtlich der Produktsicherheit gegenüber dem Verbraucher bestehen, richten sich nicht zuletzt auch nach der Funktion, die innerhalb des Herstellungsverfahrens wahrgenommen wird. 143 Da der Hersteller somit im allgemeinen nicht persönlich fiir die Fabrikation des einzelnen Produktes und auch nicht fiir dessen Konstruktion verantwortlich ist, beschränkt sich sein Entlastungsbeweis in der Regel darauf, Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich ergibt, daß ihn kein Verschulden hinsichtlich der Betriebsorganisation, hinsichtlich der Fehler seiner Zulieferer und Gehilfen und hinsichtlich der Information und Instruktion seiner Abnehmer trifft. Die Geschäftsleitung hat den Betrieb somit so zu organisieren, daß die mit den betrieblichen Tätigkeiten verbundenen Pflichten aller Art und damit auch die Dritten gegenüber bestehenden Sorgfaltspflichten erfullt werden. 144 Wird der Hersteller somit aufgrund der deliktischen Produkthaftung in Anspruch genommen und eine Organisationspflichtverletzung vermutet, kann er sich durch den Nachweis, daß er mit dem ihm zurnutbaren Aufwand den Betrieb effektiv organisiert hat, exkulpieren. 145 Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation des Betriebes ist nur schwer von den Einzelpflichten abzugrenzen, die bei der Konstruktion, Fabrikation, Produktbeobachtung und Instruktion bestehen. Denn all die oben aufgefiihrten Einzelpflichten können als Ausschnitte einer allumfassenden Organisationspflicht des Unternehmers gesehen werden. 146 Eine solche Gesamtbetrachtung ist notwendig, da die Annahme von selbständigen Pflichtenbereichen einen Widerspruch zur Unternehmenspraxis darstellen würde. Ein solcher Ansatzpunkt würde die Gefahr mit sich bringen, daß Querund Wechselverbindungen zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen undabteiJungen usw. nicht berücksichtigt werden könnten. 147 Denn die Erfiillung jeder dieser einzelnen oben benannten Pflichten setzt naturgemäß voraus, daß die dafiir notwendigen organisatorischen Grundlagen geschaffen wurden. Im Umkehrschluß läßt sich sogar sagen, daß jeder Verstoß gegen eine beliebige Einzelpflicht sich durch ein Mehr an Organisation hätte vermeiden lassen. Denn die Produzentenhaftung ist und bleibt eine Frage des organisatorischen Versagens.148

Westphalen, Produkthaftungshandbuch II Foerste, § 24 Rdnr. 262. Produkthaftung III/1, Rdnr. 4.180. 145 8GH NJW-RR 87, 147; Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/Foerste, § 24 Rdnr. 266-270, der sich gegen eine Überspannung der Organisationspflicht richtet. 146 So auch Adams/Johannsen, Gerichtsfestes Produktionsunternehmen, 88 96, 1017, 1020. 147 V gl. Schmidt-Salzer, Produkthaftung III/1, Rdnr. 4.643ff. 148 Westphalen, Produkthaftungshandbuch II Foerste, § 24 Rdnr. 266. 143

144 Schmidt-Salzer,

Ill. Deliktische Haftung

81

Der Unternehmer ist zur ausreichenden Organisation seines Betriebes verpflichtet. Er hat eine ordnungsgemäße Geschäftsfuhrung und die Sicherheit des Betriebes zu gewährleisten und eine wirksame Kontrolle des Personals zu ermöglichen. Er erfullt diese Pflicht in der Regel durch den Erlaß von Richtlinien und allgemeinen Anordnungen. 149 Aufgrund der Organisationspflicht ist der Hersteller gehalten, seinen Betrieb sachlich und personell so auszustatten, daß der gesamte Fertigungsprozeß bis zur Endkontrolle und Auslieferung beherrscht und Produktfehler möglichst vermieden werden können. 150 Bezüglich seiner Personalorganisation muß der Unternehmer beweisen, daß er allgemeine Aufsichtsanweisungen erlassen hat, die die Gewähr fiir eine ordentliche Betriebsfiihrung bieten. Bei besonders hoher Gefährdungsmöglichkeit müssen sich die Anweisungen der Unternehmensleitung darauf erstrecken, wer von den Betriebsangehörigen als Ersatzmann geeignet ist und wer im Bedarfsfall eingesetzt werden soll, sowie welche zusätzlichen Sicherungs- und Überwachungsmaßnahmen in solchen Fällen vorzunehmen sind. 15 1 Kraft seiner Organisationsgewalt muß der Hersteller die allgemeine Oberaufsicht über seinen Betrieb ausüben. Sie erstreckt sich einerseits auf das Personal, nämlich auf Zahl und Zuschnitt der Arbeitsplätze und die grundlegenden Anweisungen, andererseits auf den technisch gegenständlichen Bereich. 152 Zu den Pflichten eines Unternehmers gehört auch, daß innerhalb eines mehrstufig organisierten Betriebes die Unternehmensleitung nach jeweiligem Ausbildungsstand!Erfahrung der Mitarbeiter eine ordnungsgemäße Organisation aufbaut und dies dokumentiert nachweisen kann. Die Mitarbeiter in dieser Organisation sind entsprechend auszusuchen, anzuweisen, zu belehren und fortzubilden, und ihre ordnungsgemäße Dienstausführung ist zu überwachen. 153 Auch muß es heute zur Organisation eines Unternehmens gehören, die Qualitätsregelung und damit die Schadensabwehr zu einer besonderen Aufgabe zu machen. Kann der Inhaber des Unternehmens diese Aufgabe nicht selbst ausreichend erledigen, hat er damit eine von sonstigen betrieblichen Einrichtungen organisatorisch unabhängige Betriebsabteilung zu betrauen. 154 Würde man das voraussetzen, so könnte das Organisationsverschulden nur dann entfallen, wenn

Hasso/d, Organisationsverschulden, JuS 82, 583, 584. Hassold, Organisationsverschulden, JuS 83, 583, 585. 151 Ku/lmann, Produzentenhaftung, BB 76, 1085, 1092. 152 von Westhaien (Hrsg.), Produkthaftungshandbuch 1/Foerste, § 24 Rdnr. 271; RGZ 87, I, 4; BGH NJW 68, 247, 248; BGH VersR 78,722,723. 153 Adams!Löhr, Bedeutung, QZ 91, 24, 25. 154 Steindorff, Gehilfenversagen, AcP 170 ( 1970), 93, 114. 149

150

6 Bayer

82

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

der Unternehmer nachweisen könnte, eine solche Abteilung eingesetzt und mit den nötigen personellen und sachlichen Mitteln ausgestattet zu haben. 155 Im Bereich der Sachorganisation muß der Produzent im wesentlichen den Beweis dafür antreten, daß er den Betrieb so organisiert hat, daß die Produktion erst aufgenommen wurde, nachdem die Entwicklung ausgereift und erprobt war, daß er die nötigen Anstalten getroffen hat, um von der praktischen Bewährung einer Neukonstruktion oder von etwaigen Unfällen unterrichtet zu werden, die mit dem Versagen der Vorrichtung bzw. des Produktes zusammenhängen, und daß Fabrikationsfehler vermieden werden, indem er technische Einrichtungen geschaffen hat, die eine exakte, fehlerlose Produktion gewährleisten. Weiterhin muß sichergestellt sein, daß durch produktionsbegleitende Kontrollen eine einwandfreie Herstellung gesichert ist oder durch ausreichende Stückkontrollen nach abgeschlossener Produktion bzw. gewissenhafter Auslieferungskontrolle dafür gesorgt wird, daß kein Werkstück die Produktionsstätte verläßt, das infolge eines Herstellungsfehlers andere in Gefahr bringen kann. 156 Die Beweisführung zu Punkt drei und vier kann praktisch nur mit lückenlos ausgestatteten, dem modernen Stand der Fertigungstechnik jeweils angepaßten Plänen und Berichten über die im Betrieb durchgeführte Qualitätsregelung, verbunden mit Proben aus jeder Serie oder Lieferung, erfolgen. 157 Die Organisationsverantwortung urnfaßt somit die Einführung und Aufrechterhaltung einer lükkenlosen, alle Unternehmensbereiche umfassenden Aufbau- und Ablauforganisation für das Planen, Durchführen und Überwachen aller Unternehmensaufgaben. Ein aussagekräftiges Dokumentationssystem, in dem diese Organisation festgeschrieben ist und das bei Änderung der Organisation aktualisiert wird, ist dadurch zwangsläufig erforderlich. 158 Unter einer Aufbauorganisation versteht man die Beschreibung des "Wer" und "Was", das heißt die Zuweisung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung in der funktional-hierarchischen Strukturorganisation. Die Ablauforganisation beschreibt dagegen das "Wie" und "Wann" der Organisation durch Festlegung der logisch-zeitlichen Abfolge zugewiesener Aufgaben und insbesondere durch Regelung von Schnittstellen verschiedener Funktionsträger. 159 Eine besondere Organisationsform wird vom Unternehmer nicht gefordert. Der Grundsatz der selbstverantworteten Organisation - und dessen Gestaltungsfreiheit- stellt dies in die alleinige Verantwortung der Unternehmensleitung,

Kullmann, Produzentenhaftung, BB 76, I 085, I 092. Vgl. Kulfmann, Produzentenhaftung, BB 76, 1085, 1092. 157 Steindorjf, Gehilfenversagen, AcP 170 ( 1970), 93, 114f. 158 Adams/Löhr, Bedeutung, QZ 91, 24, 25. 159 Adams/Johannsen, Gerichtsfestes Produktionsunternehmen, BB 96, I 01 7. 155

156

III. Deliktische Haftung

83

die von ihr fiir erforderlich, zweckmäßig und wirksam gehaltenen Maßnahmen zu schaffen. Nicht bestimmte Inhalte oder einzelne Abläufe einer formalen Organisation werden von der Rechtsprechung gefordert. Im Schadensfall wird ausschließlich geprüft, ob und wieweit die eigenverantwortlich geschaffene Organisation die allgemeinen Anforderungen unter den Bedingungen des konkreten Einzelfalles erfiillt hat oder nicht. 160 Die Rechtsprechung zur Produkthaftung verlangt den Nachweis, daß sicherheitsrelevante betriebliche Verfahren, Maßnahmen und Abläufe dem Stand der Technik entsprechen und als Erfiillung der Organisationsverantwortung durch die Geschäftsleitung unternehmensumfassend und betriebsübergreifend alle notwendigen und erforderlichen Vorkehrungen getroffen wurden. Maßstab zur Bewertung ist das technisch Mögliche und das wirtschaftlich Zumutbare. Noch so zahlreiche Einzelmaßnahmen können diese Anforderungen nicht erfiillen, solange sie nicht das gesamte Unternehmen erfassen und wechselseitig aufeinander abgestimmt eine systematisch aufgebaute Organisation ergeben. 161 Das Entscheidende an einem Managementsystem ist also das System an sich, nicht die konkrete Art und Weise der Ausgestaltung und der Beantwortung technisch-organisatorischer Fragestellungen. Es gibt nicht "das" Managementsystem, gewissermaßen als die Organisationsform, die über einen Betrieb gelegt werden kann und durch die die Ideallösung gefunden wird. 162 Wann immer sich die Frage der individuellen Verantwortung des Unternehmers stellt, ist die erste Frage, ob ein Organisationsfehler vorliegt, nämlich, ob ein betrieblicher Fehlvorgang der betreffenden Art vorhersehbar und ob er mit organisatorischen Maßnahmen vermeidbar war. Die zweite Frage ist gegebenenfalls, ob ein derartiger Organisationsfehler dem Unternehmer auch zum Vorwurf gemacht werden kann. 163 Die Rechtsprechung verkennt dabei jedoch nicht, daß es unmöglich ist, jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen zu begegnen, so daß eine vollkommene Verkehrssicherung, d. h. eine Herstellung absolut sicherer Produkte, die jede Gefahr ausschließen, nicht erreichbar ist. 164 Der Träger der Verkehrssicherungspflicht hat nur diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach den Gegebenheiten des Falles zur Gefahrenbeseitigung objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zurnutbar sind. 165 Welche Sicherungspflichten vom Her-

Bauer/Hinsch, Produkthaftung, S. 167. Bauer/Hinsch, Produkthaftung, S. 186. 162 Schmidt-Salzer, Öko-Audit, WiB 96, I, 2. 163 Schmidt-Salzer, Öko-Audit, WiB 96, I, 5. 164 BGH VersR 64, 746. 165 BGHZ 40, 379, 382; BGH NJW 65, 815; NJW 72, 903, 904. 160 161

6*

84

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

steiler zu erwarten sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Größe und der Wahrscheinlichkeit der Gefahr und der Bedeutung der bedrohten Rechtsgüter. 165

4. Gegenüberstellung Herstellerpflichten Anforderungen von DIN ISO 9001 Eine Beherrschung der die Produktion bedrohenden Fehlerquellen setzt ein System voraus, mit dessen Hilfe (möglichst) sämtliche Schwachstellen der Fertigung entdeckt und überwacht werden können. Erforderlich ist also eine auf vollständige Fehlerbekämpfung angelegte Organisation des Betriebes. 166 Organisationspflichtverletzung und Organisationsverschulden zur Begründung eines deliktischen Schadensersatzanspruches sind also die Punkte, an denen ein Qualitätsmanagementsystem seine rechtliche Bedeutung gewinnen kann. Ausgangspunkt umfangreicher rechtlicher Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem war das sogenannte "Schubstreben-"Urteil des Bundesgerichtshofes 167 Besteht ein den rechtlichen Anforderungen entsprechendes System, d. h. eine rechtlich ausreichende Unternehmensorganisation, dann entfällt eine mit dem Stichwort des Organisations-, Aufsichts- oder Beaufsichtigungsverschuldens begründbare Verantwortung des Unternehmers fur Konstruktions- oder Fabrikationsfehler. Dafur genügt allerdings nicht schon, daß überhaupt ein System im Unternehmen eingefuhrt ist. Das System muß den rechtlichen Anforderungen genügen.168 Vom rechtlichen Erfolg her (Vermeidung des Schadenseintrittes) sind Qualitätskontrollen im Sinne einer nachträglichen Überprüfung der hergestellten Produkte und Qualitätssicherung im Sinne einer Organisation von Maßnahmen, um sichere Produkte herzustellen, gleichwertig. 169 Im folgenden werden exemplarisch verbindliche Anforderungen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an die Unternehmen, ihre Organisation, einzelne Abläufe und Maßnahmen mit den entsprechenden Forderungen von DIN ISO 9001 verglichen. DIN ISO 9001 wurde aus dem Grund gewählt, weil es von drei Normen zur Darlegung eines Qualitätsmanagementsystems die umfassendsten Forderungen beinhaltet 170 . Einzig die Erfüllung dieser Forderungen ist ent165 Vgl. BGH NJW 66, 40, 41. 166 Westphalen, Produkthaftungshandbuch !!Foerste, § 24, Rdnr. 148. 167 BGH NJW 68, 247. 168 Schmidt-Salzer, Öko-Audit, WiB 96, I, 5. 169 Kamins/ce/Brauer, S. 244, Stichwort Total Quality Management. 170 DIN ISO 9004 als Leitfaden zum Aufbau einer Qualitätsorganisation enthält zahl-

reiche Hinweise in unterschiedlicher Präzisierung, die geeignet sein können, rechtliche

111. Deliktische Haftung

85

scheidend fiir die Vergabe des Zertifikates. Die aufgefiihrten Leitsätze der Rechtsprechung sollen andeutungsweise ein Bild davon vennitteln, was die Rechtsprechnung fur Anforderungen an denjenigen stellt, der ein Produkt auf den Markt bringt. Die angefuhrten Sätze stellen jedoch nur eine minimale Verkürzung eines komplexen Urteils dar und können nicht so verstanden werden, daß sie in jedem denkbaren Fall eine ähnliche Entscheidung des Gerichtes präjudizieren.172 Die einzelnen Herstellerpflichten wurden durch die Rechtsprechung konkretisiert und in unterschiedliche Pflichtenbereiche aufgespaltet. Im folgenden sind nur einige der verschiedenen Herstellerpflichten, die fur die weitere Untersuchung von Bedeutung sein könnten, näher dargestellt. Bei dieser Art der Darstellung darf aber nicht vergessen werden, daß durch die punktuelle Betrachtung der einzelnen Pflichtenbereiche der Blick auf die haftungsrechtliche Ganzheit und Unteilbarkeit der betriebsbezogenen Gefahrabwendungspflichten jedoch versperrt wird. Haftungsrechtlich gibt es nur eine einheitliche Untemehmensverantwortung. 173 a) Konstruktionsbereich aa) Konstruktionspflichten Die Konstruktionsverantwortung steht am Beginn jeder Produktherstellung. Um einen Konstruktionsfehler handelt es sich dort, wo die Fehlerhaftigkeit der Ware darauf beruht, daß sie schon nach ihrer Konstruktion oder Zusammensetzung nicht diejenige Beschaffenheit hat, die man zur Vermeidung einer unvernünftig großen Gefährdung anderer erwarten muß. 174 Da Konstruktionsfehler einer ganzen Fabrikationsserie anhängen, ist ebenso wie die Gefahr des Schadenseintrittes auch die Gefahr von Serien- und Massenschäden sehr hoch. Als Grundsatz besteht zunächst fiir die Konstruktion die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen, fehlerfreien Konstruktion eines Produktes, um Schadensfälle ausreichend zu vehindem. Um dieser Pflicht im einzelnen zu genügen, muß der Hersteller seine Erzeugnisse sach- und zweckgerecht produzieren, und seine Produkte müssen von der Planung und Konstruktion her betriebs-

Anforderungen aus der Produkthaftung zu erfüllen; als konkrete Qualitätselemente finden sie sich jedoch in den Modellen zur Darlegung der Qualitätssysteme in DIN ISO 90019003 nicht wieder. 172 Vgl. Hess, Qualitätsmanagement, S. 182ff. 173 Schmidt-Salzer, Produkthaftung III/1, Rdnr. 4.644. 174 Kötz, Deliktsrecht, Rdnr. 435 ; siehe zu den einzelnen Konstruktionspflichten auch Westphalen, Produkthaftungshandbuch II F oerste, § 24 Rdnr. 62ff.

86

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

sicher sein. Der Hersteller muß sein Produkt sach- und zweckgerecht konstruieren und eine Konzeption wählen, die die Benutzbarkeit für den voraussehbaren Gebrauch gewährleistet. Der Hersteller muß mögliche Gefahrenquellen soweit beseitigen, daß der durchschnittliche Benutzer das Produkt gefahrlos verwenden kann. Weiterhin sind die Aspekte der Materialauswahl, -prüfung und -bearbeitung zu beachten. Das ausgewählte Material darf nicht unnötig gefährlich sein. Es muß den Anforderungen, die das spätere Produkt an das Material stellt, gewachsen sein. Der Hersteller muß sich somit über Einsatzbedingungen und Materialeigenschaften informieren und eine dementsprechende Konstruktion vornehmen. Eventuell erkannte materialbedingte Gefahren sind durch spätere fertigungstechnische Maßnahmen zu kompensieren. 175 Der Maßstab der ihm auferlegten Pflichten hängt also wesentlich davon ab, wo, wie und zu welchem konkreten Zweck und von wem das Produkt benutzt wird und wie groß die von ihm ausgehenden Gefahren sind. Der Hersteller ist verpflichtet, das Produkt so zu konstruieren, daß die Einsatzfähigkeit für jeden bestimmungsmäßigen Gebrauch gewährleistet ist. Dazu gehört jedweder Einsatz, der nach Art der Bewerbung und Beschreibung des Produktes durch den Hersteller für einen Verwender, entsprechend dessen Kenntnis, im Rahmen seines Fachgebietes bei sachgemäßer Betrachtung in Frage kommt. Die Produkte müssen so entwickelt und konstruiert sein, daß die Sicherheit für den voraussehbaren Gebrauch durch den durchschnittlichen Benutzer gewährleistet ist, wobei auch noch Möglichkeiten einer nicht ganz fernliegenden Fehlanwendung zu berücksichtigen sind. Der Hersteller einer Maschine muß aber bei der Konstruktion Sicherheitsmaßnahmen auch zum Schutze solcher zur Bedienung der Maschine eingesetzter Personen treffen, die - durch Gewöhnung an Gefahren abgestumpft - die nötige Sorgfalt bei der Benutzung außer Acht lassen. Der Konstrukteur hat somit alle technischen Möglichkeiten auszunutzen, damit die von ihm konstruierten technischen Geräte und Anlagen betriebssicher sind. Außerdem müssen ausreichende Schutzvorrichtungen vorhanden sein. Zu einer einwandfreien Konstruktion gehört außerdem. daß eine maschinelle Anlage auch bei unvorsichtiger Benutzung nicht zu einer Gefahrenquelle wird. Eine völlig ,,narrensichere" Konstruktion wird aber nicht erwartet. Die Erstreckung der Hersteller-Gefahrabwendungspflichten erstreckt sich über den eigentlichen bestimmungsgemäßen Gebrauch hinaus auch auf das Fehlverhalten des Benutzers und urnfaßt auch, daß mit Unvorsichtigkeitendes Benutzers, die erfahrungsgemäß nicht selten vorkommen, gerechnet werden muß. Gefahren,

175

Vgl. Ensthaler!Füßler!Nuiss/, Juristische Aspekte, S. 27.

III. Deliktische Haftung

87

die typischerweise mit der Benutzung eines Produktes verbunden sind, von den Benutzern erkannt und grundsätzlich in Kauf genorrunen werden, braucht der Verkehrssicherungspflichtige jedoch nicht abzuwenden. Typischen Gefahrensituationen muß aber, auch wenn sie selten eintreten, vom Verkehrssicherungspflichtigen begegnet werden, jedenfalls, wenn sie zu nicht unerheblichen Schäden führen können. Unzumutbares darf aber insoweit vom Hersteller und Konstrukteur nicht verlangt werden. Sind mit einem Produkt Gefährdungen unvermeidbar verbunden, hat der Hersteller fiir Sicherheitsvorkehrungen zu sorgen, die solche Gefahren bei sachgemäßer Nutzung neutralisieren. Dazu muß durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt sein, daß die Konstrukteuregenaue Kenntnis über die geplanten Einsatzbedingungen eines neuen Produktes erhalten und daß Neukonstruktionen auf ihre Sicherheit hin überprüft werden. 176 Ferner muß der Produzent bei der Konstruktion und Planung Materialien und Herstellungsverfahren vorsehen, die eine Ordnungsgemäßheit und Sicherheit des Produktes entsprechend dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik gewährleisten. Der fiir die Konstruktion maßgebende Standard der Sicherheitsanforderungen ist der Stand der Technik. 177 Bei der Beurteilung der Sicherheitsstandards können die anerkannten technischen Normen (DIN-Normen, VDEBestirrunungen) Anhaltspunkte geben. Sie entlasten den Hersteller aber nicht, wenn festgestellt wird, daß die Norm den nach dem Stand der Technik vorausgesetzten Standard nicht erreicht. Technische Fehler, die nach dem Stand der Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produktes noch nicht erkennbar waren (Entwicklungsrisiken), sind keine haftungsbegründenden Konstruktionsfehler.178 Unter mehreren technischen Lösungsmöglichkeiten hat der Hersteller diejenige zu wählen, die die Benutzung des Produktes weniger gefahrträchtig macht. Läßt sich die Gefährlichkeit eines Produktes nicht von vornherein abschätzen, hat der Hersteller Versuche zu unternehmen, um sich Gewißheit zu verschaffen. 179 Der Hersteller hat somit bei den von ihm zu treffenden konstruktiven, fertigungstechnischen oder qualitätssicherungsmäßigen Maßnahmen alle im gegebe176 Vgl. insgesamt zu diesen Leitsätzen: BGH NJW 52, 1091; BGH VersR 56, 625; BGH VersR 59, 523; BGHZ 64, 46; BGH VersR 60, 1095; BGH VersR 70, 469; BGH NJW 72, 2217, 2219; BGH VersR 71, 80; BGH VersR 77, 334, 335; BGH VersR 83, 346; OLG Celle, VersR 84, 276; BGHZ 104, 323, 326; BGH NJW 96, 2224, 2225; RGRK-BGB/Steffen, § 823 Rdnr. 278; MünchKomm!Mertens, § 823 Rdnr. 293; SchmidtSalzer, Produkthaftung III/1, Rdnr. 4.856ff.; Wieckhorst, VersR 95, I 005, I 007; Rolland, Produkthaftungsrecht, S. 328, Rdnr. 24; Kullmann!Pjister, Kza. 1520, S. 22. 177 BGH VersR 57, 584; siehe zum Begriff des Standes der Technik, Exkurs ab Seite 78. 178 Rolland, Produkthaftungsrecht, S. 330, Rdnr. 25, 27; MünchKomm!Mertens, § 823 Rdnr. 23. 179 BGHZ 64, 46.

88

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

nen Zeitpunkt verfugbaren Gefahrenerkenntnisse und Gefahrenvermeidungsmöglichkeiten einzusetzen. Seine Leistung muß immer auf der Höhe der Zeit bleiben.180 Maschinelle Geräte, Kraftfahrzeuge, Maschinen o. ä. müssen betriebssicher sein. Unnötig gefährliche oder sicherheitstechnisch unzweckmäßige Konstruktionen sind zu vermeiden. Gebrauchsgegenstände müssen das Mindestmaß an Sicherheit aufweisen, das es ermöglicht, die Sache ohne unnötige Risiken zu verwenden. Die Eignung der benutzten Materialien unter den voraussehbaren Einsatzbedingungen muß gesichert sein. Die konstruktiv vorgesehenen Lösungen müssen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einsatzbedingungen sachgerecht sein. 181 Ein Produkt weist somit dann keinen Konstruktionsfehler auf, wenn es bestimmungsgemäß und erwartungsgemäß genutzt werden kann, ohne daß dadurch Gefahren für Rechtsgüter im Sinne von § 823 Abs. I BGB eintreten. bb) Instruktionspflichten Als Äquivalent zur Konstruktionspflicht ist die sogenannte Instruktionspflicht des Herstellers anzusehen. Ist es ihm nicht möglich, das Produkt so herzustellen, daß es für den Benutzer ungefährlich ist, hat er ihn über vorhandene Gefahren aufzuklären und ihn in die Benutzung einzuführen. Ist ein Arbeitsgerät so gestaltet, daß sich aus seiner Verwendung Gefahren ergeben, so ist der Hersteller verpflichtet, durch eine entsprechende Gebrauchsanweisung fiir die Belehrung der Abnehmer zu sorgen. Was aber auf dem Gebiet allgemeinen Erfahrungswissens liegt, braucht jedoch nicht Gegenstand einer solchen Belehrung zu sein. 182 Ein Warenhersteller hat Inhalt und Umfang seiner Instruktionen über die Verwendung seines Produktes nach der am wenigsten informierten und damit am gefährdetsten Benutzergruppe auszurichten. In Warnhinweisen über Produktgefahren muß die Art der drohenden Gefahr deutlich herausgestellt werden. Ein Warenhersteller darf sich nicht schlechthin auf die Gefahrenhinweise und -kennzeichnungen beschränken, die das Gesetz von ihm verlangt. Er hat dem Verwender auch alle erforderlichen weiteren Informationen und Hinweise zu geben, die dieser benötigt, um das Produkt ohne Gefahren für sich oder andere zu verwenden. 183 Der Hersteller muß dabei auch vor naheliegendem Mißbrauch oder versehentlichem Fehlgebrauch warnen. 184

180 Schmidt-Salzer, Produkthaftung 11111, Rdnr. 4.857. 181 Schmidt-Salzer, Produkthaftung III/ 1, Rdnr. 4.880; vgl. auch BGH NJW 52, 1091;

BGH VersR 60, 855; OLG Harnburg VersR 84, 793. 182 BGH VersR 59, 523. 183 Vgl. dazu BGH NJW 87, 373; BGH NJW 94, 932; BGHZ 116,60. 184 BGH NJW 72,2217.

III. Deliktische Haftung

89

cc) Produktbeobachtung Wird ein Produkt über längere Zeit hergestellt, muß der Hersteller den Markt beobachten, um durch eine andere Konstruktion oder ähnliche Maßnahmen auftretende Spätschäden bei neu hergestellten Produkten zu vermeiden. Denn die Sicherungspflicht eines Warenherstellers endet nicht mit der Freigabe seiner Ware fiir Dritte. Er ist verpflichtet, diese sowohl auf noch nicht bekannte schädigende Eingenschaften hin zu beobachten, als sich auch über deren sonstige, eine Gefahrenlage schaffende Verwendungsfolgen zu informieren und laufend den Fortgang der Entwicklung von Wissenschaft und Technik auf dem einschlägigen Gebiet zu verfolgen. Der Hersteller hat dafiir Sorge zu tragen, daß er über seine Außenstellen oder Vertragshändler schnellstmöglich über Unfälle unterrichtet wird, die auf Konstruktionsfehler hinweisen. So muß der Hersteller, der nachträglich erfährt, daß das von ihm in den Verkehr gebrachte Produkt wegen eines Fehlers gefährlich ist, alles tun, was ihm zugemutet werden kann, um dieses Gefahr abzuwmden. 185 dd) Forderungen von DIN ISO 9001 an den Konstruktionsbereich Seit Jahrzehnten ist durch Schadensanalysen unbestritten nachgewiesen, daß im Bereich ,,Entwicklung und Konstruktion" mehr Ursachen fiir das Versagen industrieller Erzeugnisse gesetzt werden als in allen anderen Bereichen des Unternehmens zusammen. So entstehen in diesem Bereich 75 Prozent aller Fehler; die Fehlerbehebung findet jedoch bei 80 Prozent aller Fehler erst im Bereich ,,Prüfung und Einsatz" statt. 186 Um zu erkennen, welche konstruktiven Maßnahmen zu treffen sind, muß im Wege der Marktforschung ermittelt werden, was der potentielle Benutzer von dem Produkt erwartet, wie er es verwenden will und inwieweit er sich möglicher Gefahren bewußt ist. Aus diesen Ergebnissen ist dann abzuleiten, welche technische Spezifikationen das Produkt haben soll, welche Sicherheitsmechanismen einzubauen sind, welche Materialien verwendet werden können und welche Fertigungsmethode geeignet ist. 187 Forderungen an den Konstruktionsbereich werden von DIN ISO 9001 im Abschnitt 4.4, der mit Designlenkung überschrieben ist, aufgestellt. So müssen gemäß Abschnitt 4.4.4: 185 Vgl. dazu schon RGZ 163,_21 ; BGH VersR 78, 550; BGH VersR 81, 636. Im folgenden wird auf eine eventuell bestehende Rückrufpflicht des Herstellers nicht weiter eingegangen, da ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. in diesem Bereich keine Auswirkungen hat. 186 So in HOl-Information 6/92, S. 9f. 187 Braun, D!N EN ISO 9000ff., PHI 97, 134, l36f.

90

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung die produktbezogenen Forderungen, die als Designvorgaben dienen, eingeschlossen die anwendbaren gesetzlichen und behördlichen Forderungen, festgestellt und dokumentiert werden, und ihre Auswahl muß hinsichtlich ihrer Angemessenheit durch den Lieferanten geprüft werden. ( ... ) Designvorgaben müssen die Ergebnisse aller Tätigkeiten der Vertragsprüfung berücksichtigen.

Weiter heißt es dann in Abschnitt 4.4.5: Das Designergebnis muß dokumentiert und in einer Form dargestellt werden, die in Bezug auf die Designvorgaben verifiziert und validiert werden kann. Das Designergebnis muß ( ... )

diejenigen Designmerkmale aufzeigen, die bezüglich Sicherheit und einwandfreier Funktion des Produkets entscheidend sind (z. B. Forderungen bezüglich Betrieb, Lagerung, Handhabung, Instandhaltung und Beseitigung).

Dies bedeutet, daß sichergestellt sein muß, daß das Design und die Entwicklung von Produkten aufgrund gesicherter Anforderungen stattfinden, daß Designänderungen festgehalten werden und daß das Designergebnis festgehalten wird. 188 Dadurch werden die wesentlichen Bereiche ,,Entwicklung und Konstruktion" von DIN ISO 9001 aber nur völlig unzureichend erfaßt. Kennzeichnend dafür ist bereits die W ortwahl. Nur in einer Fußnote wird in der deutschen Übersetzung nicht im englischen Orginal - der Begriff des "Designs" defmiert: Design kann Entwicklung, Berechnung, Konstruktion bzw. deren Ergebnis, Entwurf, Gestaltung oder Konzept usw. einschließen und entsprechend benannt werden.

Durch diese Begriffswahl wird bereits verständlich, daß mit diesem ebenso vieldeutigen wie höchst unklaren begrifflichen Ansatz der entscheidende Schwachpunkt für das Versagen industrieller Erzeugnisse weder angemessen erfaßt noch die in diesem Bereich entscheidenden Abläufe wirksam geregelt werden können. 189 Die Forderungen der DIN ISO 9001 beinhalten als Forderung, daß der Lieferant die Design- und Entwicklungsplanung, die Designvorgaben und das Designergebnis von Produkten festlegen und dokumentieren muß. Es ist somit ein System notwendig, das sicherstellt, daß produktbezogene Forderungen in das Produktdesign einfließen. Hinsichtlich der Frage, wie sich diese produktbezogenen Forderungen zusammensetzen müssen, macht die Norm keine Aussage. Die Forderung verlangt lediglich, daß aufgestellte Produktanforderungen bei der Kon-

188 189

Pjitzinger, DIN EN ISO 9000, S. 30. Vgl. HDI-Information 6/92, S. 9f.

III. Deliktische Haftung

91

struktion berücksichtigt werden, nicht aber, welchen Inhalt diese Anforderungen haben müssen. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, daß wesentliche sicherheitstechnische Anforderungen an das Produkt bei der Konstruktion bzw. beim Design völlig unberücksichtigt bleiben, dem Hersteller jedoch dennoch das Zertifikat erteilt wird. Die Lösung von Detailfragen, wie z. B. das Vorhandensein von Schutzeinrichtungen an einem gefährlichen Gerät 190 oder die ungefährliche Handhabung 191 , wird nicht gefordert. Grund dieses Zwiespaltes ist wiederum das Selbstverständis der Normenreihe, nur grundlegende Forderungen an ein Qualitätsmanagementsystem zu stellen, die konkrete Ausgestaltung im einzelnen Unternehmen aber nicht zu hinterfragen. Weiterhin enthält die Norm keine Forderung dahingehend, daß der Benutzer über Mängel, die produkttypisch sind, aufgeklärt wird. Es muß zwar sichergestellt sein, daß Kundenforderungen bei der Konstruktion berücksichtigt werden, es wird aber nicht danach gefragt, ob der Hersteller Verbraucherforderungen an das Produkt bzw. den tatsächlichen Gebrauch des Produktes bei seiner Konstruktion berücksichtigt. Die Produktbeobachtungpflicht wird dagegen durch die Forderung zur Einfiihrung eines Verfahrens zur Durchführung von Korrekturmaßnahmen berücksichtigt. So fordert Abschnitt 4.14.2 von DIN ISO 9001: die Verfahren flir Korrekturmaßnahmen müssen einschließen, a) die wirksame Behandlung von Kundenbeschwerden und Berichten über Produktfehler; b) Untersuchungen von Fehlerursachen bezüglich Produkt, Prozeß und QM-System sowie das Aufzeichnen der Untersuchungsergebnisse; c) Festlegungen der zur Beseitigung der Fehlerursachen nötigen Korrekturmaßnahme; d) Überwachungen, um sicherzustellen, daß eine Korrekturmaßnahme ergriffen wurde und daß sie wirksam ist.

Der Unternehmer muß somit seinen Betrieb so organisieren, daß bekanntgewordene Mängel seiner unternehmefischen Leistung und sonstige Marktbeobachtungen bei der Veränderung von Konstruktion oder Produktionsprozeß Berücksichtigung finden. Es muß somit für einen Informationsfluß an den Schnittpunkten zwischen den für den Außenkontakt zuständigen Stellen und der im Unternehmen fur die Umsetzung in Konstruktionsforderungen zuständigen Stelle gesorgt werden. Ob die aus der Marktbeobachtung resultierenden Ergebnisse

190 191

BGH VersR 57, 584. BGH NJW 52, 1091.

92

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

umgesetzt oder aber ignoriert werden, wird durch die Forderungen der DIN ISO 9001 nicht mehr erfaßt. Weiche Unternehmerische Entscheidung aufgrund der Information getroffen wird, ist durch eine bestimmte Organisationsstruktur nicht festlegbar. Die unternehmensinterne Abwägung zwischen der Veränderung des Produktes, der Inkaufnahme des ursprünglichen Zustandes und den daraus möglicherweise resultierenden Gefahren wird von DIN ISO 9001 nicht vorgegeben. Es kommt somit immer auf den Einzelfall an, ob die entsprechende Information, die man aus der Produktbeobachtung gewonnen hat, auch in entsprechende Maßnahmen umgesetzt worden ist. b) Fabrikationsbereich aa) Fabrikationspflichten In der Fabrikationsphase muß der Produzent alle nach dem jeweiligen Stand von Technik und Wissenschaft möglichen und zurnutbaren Sicherheitsvorkehrungen treffen, damit kein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr gelangt. Dabei gilt wiederum der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Je größer eine mögliche Gefahr ist, desto höhere Anforderungen sind im Hinblick auf die ordnungsgemäße Erfullung der Verkehrssicherungspflicht zu stellen. 192 Ein Fabrikationsfehler liegt vor, wenn das Produkt von der planerischen Vorgabe deshalb abweicht, weil es im Laufe des Produktionsprozesses eine (nicht beabsichtigte) Abweichung von der Norm erfahren hat. Gründe für Fabrikationsfehler sind äußerst vielfältig: manuelle Ungeschicklichkeiten oder Unachtsarnkeiten, Verschleiß der Maschine, technische Unzulänglichkeiten der Maschine, fehlerhafte Bedienung der Maschine und überhaupt jedes menschliche Fehlverhalten bis hin zur Sabotage. Der Schwerpunkt zur Vermeidung solcher Fabrikationsfehler liegt wiederum im Organisationsbereich des Unternehmers. So muß zum einen die gesamte Betriebsorganisation auf die Fehlerbekämpfung ausgelegt sein, zum anderen müssen aber auch geeignete Kontrollverfahren und -techniken vorhanden sein, die die Gewähr für Fehlerentdeckung und beseitigung bieten. Dies umfaßt die Pflicht, den Produktionsablauf zu organisieren, insbesondere die fiir eine fehlerfreie Produktion erforderlichen Materialien, Arbeitsverfahren und Mitarbeiter auszuwählen. 193 Der Hersteller ist somit gehalten, den Produktionsprozeß so zu gestalten, daß individuelle Fehlleistungen nach Möglichkeit von vornherein nicht eintreten können. Mängel im HerstellungsproBGHZ 40, 379, 384. Huth, Technische Normen, S. I 06; vgl. Ensthaler/Füßler/Nuissl, Juristische Aspekte, S. 28. 192 193

111. Deliktische Haftung

93

zeß können dabei auf zwei Wegen ausgeschlossen werden: durch Optimierung des Produktionsprozesses oder durch Kontrolle des gefertigten Produktes. Zwischen beiden Maßnalunen besteht eine Wechselwirkung. Welchen Weg der Hersteller geht, ist ilun freigestellt, solange er nur das Ziel der Fehlerfreiheit erreicht.194 Insbesondere, wenn aber die Gestaltung des Fertigungsprozesses nicht die höchstmögliche Gewähr fur Fehlerfreiheit bietet oder wenn sich Mängel auch bei sorgfältiger Herstellung nicht venneiden lassen, kommt der abschließenden Qualitätskontrolleeine entscheidende Bedeutung zu. 195 Denn der Warenhersteller ist in erster Linie zur fehlerfreien Herstellung seiner Produkte verpflichtet. Er wird nicht ohne weiteres dadurch entlastet, daß er durch Kontrollen im laufenden Herstellungsprozeß Produktfehler nicht erkennen kann. 196 Dem Hersteller obliegt es, Kontrollsysteme zu schaffen, die verhindern, daß ein fehlerhaft produziertes Teil in den Verkehr gebracht wird. 197 Je schwieriger der Herstellungsprozeß und je komplexer das Ergebnis sind, um so dichter muß das Kontrollsystem sein. Sowohl die Fertigung der Produkte als auch das Kontrollsystem müssen dem Stand der Technik entsprechen. 198 Art und Umfang der Kontrollen sind einzelfallabhängig und werden durch das Produktionsverfahren, den Verwendungszweck und das bestehende Risiko beeinflußt. 199 Als Ursache fur Fabrikationsfehler kommt vordringlich menschliches oder technisches Versagen in Betracht, welches durch organisatorische Maßnahmen möglichst verhindert werden muß. Hierunter fallen z. B. der Einsatz ausgebildeter Mitarbeiter und die Verwendung geeigneter Fertigungsanlagen sowie wirkungsvolle Kontrollen und Tests hinsichtlich der Fertigungsqualität Ist es nur möglich, gewisse erhebliche Produktgefahren durch den Einsatz von Apparaten auszuschließen, dann gehört es zu den Organisationspflichten des Herstellers, den Betrieb damit auszustatten, auch wenn es sich dabei um eine ,,neue" Methode handelt. Sind Produktkontrollen erforderlich, so muß der Unternehmer seinen Betrieb so organisieren, daß Kontrollpersonal vorhanden ist. Eine solche Produktkontrolle muß durch andere Personen als die mit dem Herstellungsprozeß befaßten Bediensteten ausgefuhrt werden. 200 Der Hersteller ist ver194 Baur!Hinsch, Produkthaftung, S. 57. 195

BGH VersR 59, 104, 105; BGH VersR 72, 559, 560.

196 Vgl. beispielsweise: BGH VersR 54, 100; BGH VersR 71, 80; BGH VersR 72,

559; BGH VersR 73, 862; BGH NJW 75, 1827; BGH VersR 89, 91. 197 Rolland, Produkthaftungsrecht, S. 331, Rdnr. 29; BGHZ 51, 91, 107; BGH VersR 60, 855, 856; BGH NJW 68, 247, 248; BGH VersR 72, 559, 560. 198 BGH VersR 71 , 80. 199 Wickhorst, Produzentenfehler, VersR 95, 1005, 1008. 200 RG Recht 1920, Nr 2845.

94

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

pflichtet, Gefahrenquellen, die sich unmittelbar aus dem technischen Prinzip einer Maschine ergeben, soweit zu neutralisieren, wie ihm dies nach dem Stand der Technik möglich ist. 201 Sicherheitsrelevante Arbeitsplätze sind mit dafur ausreichend qualifizierten und zuverlässigen Mitarbeitern zu besetzen. Im Fabrikationsbereich ist somit fur eine ausreichende Betriebsausstattung zu sorgen. Es sind die nach dem Stand der Technik geeigneten und erforderlichen Fertigungsmethoden einzusetzen. Prüfgeräte müssen alle zu prüfenden Merkmale abdecken und aussagefähige Prüfungen ermöglichen.202 Der Hersteller muß aufgrund der veranlaßten Qualitätssicherungsmaßnahmen nach Lage der Dinge berechtigterweise erwarten können, daß sicherheitsrelevante Fehler aufgedeckt werden. Art und Umfang der Qualitätssicherungsmaßnahmen hängen von Art und Umfang der nach Lage der Dinge voraussehbaren Produktfehler und ihrer Gefährlichkeit ab. 203 Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der Hersteller somit fur den gesamten Verlauf des Produktentwicklungsprozesses, der Produkterprobung, des Fertigungsverfahrens, der Material- und Produktkontrolle sowie der Produktüberwachung nachweisen muß, daß in diesen Bereichen alle technische und wissenschaftliche Erkenntnisse beachtet und angewendet worden sind, die zur Erstellung eines fehlerfreien Produktes erforderlich sind. 204 bb) Ausreißerproblematik Hat der Produzent die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen getroffen und ist dennoch infolge eines einmaligen Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers bzw. einer Fehlleistung einer Maschine ein Fehler entstanden, so liegt ein sogenannter ,,Ausreißer" vor. Unter einem Ausreißer versteht man somit Produkte, die trotz pflichtgemäßer Organisation und Kontrolle des Betriebsablaufes aufgrund eines dennoch möglichen Funktionsversagens bzw. menschlichen Versagens gefährlich sind. Ein Produzentenfehler, der durch seinen konkreten Verhaltensbezug gekennzeichnet ist, liegt nicht vor, da der Hersteller seine Verkehrspflichten erfullt hat. In einem solchen Falle scheidet eine deliktische Haftung des Produzenten

BGH VersR 60, 1095, 1096. Produkthaftung III/1, Rdnr. 4.897 und 4.90 I. 203 BGH VersR 78, 538, 540. 204 Baumgärte/, Handbuch, § 823 Anhang C Ill, Rdnr. 33. Für weitere Einzelheiten bezüglich der Konkretisierung einzelner Pflichten, vgl. Schmidt-Salzer, Produkthaftung III/1, S. 594ff, bzw. Rdnr. 4.626ff.; Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/Foerste, §§ 24f. 201

202 Schmidt-Salzer,

III. Deliktische Haftung

95

aus. 205 Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, daß trotz Einhaltung der Verkehrspflichten ein absoluter Ausschluß von Produktfehlern nicht möglich erscheint. 206 Unter beweisrechtlichen Aspekten betrachtet, bedeutet dies, daß es sich um einen Fall handeln muß, in dem dem Hersteller der Nachweis gelingt, daß der Schaden trotz aller Sicherheitsvorkehrungen und trotz bester Kontrolle nicht zu vermeiden war. 207 Mittlerweile sind allerdings Stimmen laut geworden, die das Vorliegen eines Ausreißers als unverschuldeten Fabrikationsfehler grundsätzlich ablehnen. 208 So bestünde fur den Hersteller die Möglichkeit, eine absolute Fehlerfreiheit zu gewährleisten. Das, was in der juristischen Diktion als Ausreißer angesprochen werde, sei in Wahrheit der ,,Durchschlupf' des Herstellungs- und Kontrollprozesses, der in der Qualitätssicherung als abschätzbarer und eben auch beeinflußbarer Fehleranteil des Outputs verstanden werde. Der Hersteller könne durch geeignete Maßnahmen diesen Dw·chschlupf möglichst gering halten und kalkulatorisch berechnen, um fur eventuelle Schäden finanzielle Rückstellungen vorzunehmen.209 Festzuhalten bleibt jedenfalls, daß der Ausreißer in der Entscheidungspraxis keine Rolle spielt. Obwohl die abstrakte Problematik in etlichen Entscheidungen eine eingehende Behandlung erfahren hat, war sie letzten Endes - soweit ersichtlich - nur selten entscheidungsrelevant. 210 Aus der Sicht der Gerichte handelt es sich somit eher um ein theoretisches Problem. Nach Foerste211 löst sich dieser Standpunkt von der Frage, ob der technisch mögliche Sicherheitsaufwand trotz der eventuell sehr hohen Kosten dem Hersteller im Hinblick auf die jeweilige Produktgefahr auch zurnutbar ist. Damit würde ein fur die Begründung der Verkehrspflicht und Rechtswidrigkeit unverzichtbares Element (die Zumutbarkeit des Verhaltens) vernachlässigt und sei mit deliktsrechtlichen Grundsätzen unvereinbar. Bei dem Ausreißer handle es sich nicht um unbeherrschbare und unvermeidbare Produktfehler, sondern um üblicherweise bei der Fabrikation, insbesondere bei einer Massen- oder Serienfertigung, auftretende Fehler, die in kalkulierbarer Weise hingenommen würden, da die Kosten, die fur die völlige Fehlervermeidung aufgewendet werden BGHZ 51 , 91 , 105. Wickhorst, Produzentenfehler, VersR 95, 1005. 207 BGHZ 51, 91, 105; BGH VersR 56,410, 411.; BGH NJW 75, 1827, 923 . 208 Koch, Produkthaftung, S. 64. 209 Brendel, Qualitätsrecht, S, 80; Es handele sich in Wirklichkeit nur um einen Grenzfall der Kalkulation, aufgrund dessen nicht erduldet, sondern entschieden werde, ein wie hoher Prozentsatz hingenommen wird; Steindorff, AcP 170, 93, 99. 210 von Westphalen, Grundtypen, Jura 83, 57, 61 spricht von einem einzigen Fall, nämlich BGH VersR 70, 841. 211 In: Westphalen, Produkthaftungshandbuch I/ Foerste, § 24 Rdnr. 126. 205

206

96

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

müßten, unverhältnismäßig hoch wären. So sei zu fordern, daß der Hersteller im Produkthaftungsprozeß lediglich darlegen müsse, daß das fehlerhafte Produkt innerhalb oder außerhalb der üblichen Streuung von Fehlern liege, die bei der Fertigung gewöhnlich aufträten, die mit Hilfe von in der Betriebswirtschaftslehre üblichen Wahrscheinlichkeitsrechnungen, d.h. mit stochastischen Methoden, ermittelt werden könnten. Jedoch bejaht der Bundesgerichtshof eine Entlastung des Herstellers von Produkthaftungsansprüchen nur dann, wenn es sich um ein fehlerhaftes Produkt handelt, das trotz bester Kontrollen in den Verkehr gelangte. 212 Der Hersteller geht daher ein hohes Prozeßrisiko ein, wenn er sich zu seiner Entlastung darauf beruft, das fehlerhafte Produkt liege innerhalb der üblichen Fehlerstreuung der Produktion.213 cc) Forderungen von DIN ISO 9001 an den Fabrikationsbereich Ein Nachweis, die Fabrikationspflichten durch die Einrichtung eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems erfüllt zu haben, ist dann möglich, wenn die entsprechenden Forderungen der DIN ISO 9001-Norm den Anforderungen der Rechtsprechung an ein solches System entsprechen. Die Anforderungen der Norm DIN ISO 9001 an die Bereiche der Fertigung bzw. Herstellung sind in Abschnitt 4.9 aufgeführt. Dort heißt es: Der Lieferant muß die Produktions-, Montage- und Wartungsprozesse, welche die Qualität direkt beeinflussen, identifizieren und planen. Er muß sicherstellen, daß diese Prozesse unter beherrschten Bedingungen ausgeführt werden. Beherrschte Bedingungen müssen folgendes enthalten: a) Verfahrensanweisungen, welche die Art und Weise von Produktion, Montage und Wartung festlegen, wo ein Fehlen solcher Anweisungen die Qualität beeinträchtigen würde; b) Benutzung geeigneter Produktions-, Montage- und Wartungseinrichtungen und eine geeignete Arbeitsumgebung; c) Erfüllung der einschlägigen Normen/Regeln, die QM-Pläne und/oder Verfahrensanweisungen; (...)

f) Kriterien für eine Arbeitsausführung, die in der klarsten praktischen Weise festgelegt werden muß (z. B. schriftliche Festlegungen, Sollmuster oder Veranschaulichungen).

BGH NJW 75, 1827. Kullmann/Pfister, Kza. 4310, S. 15f; siehe zu den einzelnen Fabrikationspflichten auch Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/Foerste, § 24 Rdnr. 124ff. 212 213

lll. Deliktische Haftung

97

Wo Prozeßergebnisse durch anschließende Qualitätsprüfung am Produkt nicht in vollem Umfang verifiziert werden können, so daß sich Unzulänglichkeiten im Prozeßablauf erst zeigen können, nachdem das Produkt in Gebrauch genommen wurde, müssen die Prozesse durch qualifizierte Personen ausgeführt werden, und/oder sie verlangen eine ständige Überwachung und Lenkung der Prozeßparameter, um sicherzustellen, daß die festgelegte Qualitätsforderung erfüllt wird.( ...)

Im Prinzip fordert diese Norm, was in jedem Unternehmen selbstverständlich sein sollte, die Beherrschung des Produktionsverfahrens auf jeder Stufe des Betriebes, die Eliminierung von bestehenden Schwachstellen oder deren Überbrükkung und einen geregelten Informationsfluß innerhalb des Betriebes. Diese dargestellten Forderungen an die Organisation sind ganz allgemein gehalten, was bei einer Norm, die weder branchen- noch produktspezifisch gestaltet ist, auch nicht verwundert. Jedoch wird auch nur die Erfüllung dieser Forderungen durch das Zertifikat bestätigt. Ob es aber im Einzelfall ausreicht, um gerade den produktspezifischen Gefahren begegnen zu können, wird nicht geprüft. Ein Herstellungsverfahren von Gußteilen fur Viehtränken z. B. muß anderen Ansprüchen genügen, als wenn Gußteile hergestellt werden, die später hohen physischen Belastungen ausgesetzt sein werden. Das geforderte geeignete Produktionsverfahren kann sich im Einzelfall fur ein speziell zu erstellendes Produkt als völlig ungeeignet erweisen. Selbst der Überlegung, daß bei der Produktion von Standardoder Serienteilen, die keinen speziellen Kundenforderungen unterliegen, der Produktionsprozeß somit nicht ständig angepaßt werden muß, ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 900 I reiche aus, ist entschieden entgegenzutreten. Auch in einem solchen Falle sind innerhalb des Qualitätsmanagementsystems die fur das jeweilige Produkt oder Verfahren notwendigen speziellen Maßnahmen zu berücksichtigen, um Gefahren- und Fehlerquellen, die mit jeder Fabrikation unweigerlich verbunden sind, auszuschalten. c) Zusammenhang von Verkehrspflichten und DIN ISO 9001-Forderungen

Die vorgenannten Urteile der Rechsprechung dokumentieren durchgängig eine juristische Sichtweise, wonach im Unternehmen die Qualitätssicherung l. auf technischen Methoden beruht, wie z. B. auf Prüfmittel, 2. die richtige Bedienung dieser durch das Personal erfolgt und 3. die entsprechende Auswahl und Anleitung des Personals durch "den Unternehmer" stattzufinden hat. Dabei kommt folgender Gedankengang zum Ausdruck: Auf der einen Seite stehen die im Unternehmen tätigen Menschen. Sie - und vorrangig das Management - trifft die Aufgabe, einen bestimmten Produktionsablauf zu organisieren, zu regeln und zu überwachen. Auf der anderen Seite ist dieser Produktionsablauf durch qualitätssichernde Maßnahmen so zu gestalten, daß jedwede Risikopotentiale der hergestellten Produkte auf ein Minimum reduziert werden. 2 14

7 Bayer

98

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Dabei sind die technisch-naturwissenschaftlich geprägten Ansätze der Qualitätssicherung (Auswahl und Anwendung bestimmter Techniken zur Überwachung der Qualität) ebenso zu gewährleisten wie das menschlich-soziale Qualitätsmanagement Beide Komponenten bedürfen einer engen Abstimmung aufeinander, wobei potentielle Fehlerquellen der einen Seite keinesfalls schon durch Sicherungsmaßnahmen auf der anderen Seite ausgeglichen werden können. So zeigt die unternehmensehe Praxis, daß die Anwendung bestimmter (geeigneter) Qualitätstechniken nur dann zum Erfolg führt, wenn zum einen die Mitarbeiter systematisch in den neuen Techniken geschult und diese sodann auch laufend trainiert werden, zum anderen sich die Geschäftsführung die quantitativen Resultate der Qualitätstechnken vorlegen läßt, um sodann eventuell notwendige Verbesserungen einzuleiten bzw. das Risiko einer möglichen Gefahr durch ein Produkt abzuwenden. Insbesondere ist dabei deutlich zu sehen, daß sich die Forderungen der Rechtsprechung nicht mit allgemeinen Darstellungen zur Organisation erfüllen lassen, sondern daß der Produzent seine konkret durchgeführten Maßnahmen vortragen muß, die daraufbin überprüft werden, ob sie der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt entsprechen. Wird bei der Überprüfung und Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems durch eine akkreditierte Zertifizierungsgesellschaft somit erwartet, daß dadurch das Produkthaftungsrisiko weitgehend reduziert oder sogar völlig ausgeschlossen werden kann, dann müssen die Bewertungsgrundlagen und das -system den rechtlichen Anforderungen und Maßstäben genügen. Diese gehen aber an vielen Stellen erheblich über den Regelungsumfang der Normen hinaus. Betrachtet man den Normeninhalt näher, wird sehr schnell deutlich, daß das Qualitätsmanagementsystem zusätzlich umfangreicher Ergänzungen bedarf, um dem Ziel näher zu kommen, ein vor dem Hintergrund rechtlicher Anforderungen wirksames Qualitätsmanagementsystem zu unterhalten. 215 Die Modelle zur Darlegung des Qualitätsmanagements in DIN ISO 9001-9003 decken nur einen kleinen Teil des Qualitätskreises ab. Die Anforderungen der Norm erfassen nicht alle Bereiche, wo möglicherweise Fehler verursacht werden, die in der Folge Ansprüche aus der Produkthaftung auslösen können. 216 Vorhandene Mängel im Unternehmen in denjenigen Bereichen, die von der DIN-Norm als notwendige Qualitätsmanagementelemente nicht angesprochen werden, werden im Zertifizierungsverfahren nicht erfaßt und können damit auch nicht Inhalt des Zertifikates sein. Denn die ausgestellten Zertifikate können nur das Einhalten

Malorny!Kassebohm, TQM, S. 140. Sou. a. Rothe, Zertifizierung, S. 5fund 9; Hess, Qualitätsmanagement, S. 182ff. 21 6 Reclrels, Qualitätssicherungssyeme, in: Bläsing, ISO-Zertifikat, S. 185. \ 88. 214

2 15

III. Deliktische Haftung

99

der - inhaltlich unzureichenden, produktspezifisch ungenügenden - Normeninhalte von DIN ISO 9001-9003 bestätigen. Sie beziehen sich nicht einmal auf das Umsetzen der weitergehenden, den rechtlichen Anforderungen näher kommenden, aber trotzdem noch unzulänglichen Empfehlungen von DIN ISO 9004. Die nach dem deutschen Recht, den europäischen Anforderungen und fiir die praktische Arbeit in den Unternehmen wichtige, wenn nicht sogar entscheidende Funktion der anerkannten Regeln der Technik wird in den DIN ISO-Normen zum Qualitätsmanagementsystem durch vollständige Nichtbeachtung verschwiegen. 216 Abgesehen davon, daß viele Empfehlungen nur unbestimmt und allgemein gehalten sind, fehlen weiterhin Querverweise auf andere Normen, die entsprechende Regelungen beinhalten und den Stand der Technik darstellen. So sind wichtige Elemente, wie die Festlegung allgemeiner Organisationsgrundsätz und Regelungen fiir die Ablauforganisation, Vorgaben fiir ein unternehmensinternes lnformationssystem, das Vorhandensein eines betrieblichen Risikomanagements und andere übergeordnete organisatorische Festlegungen, nur unzureichend oder nur nebenbei erwähnt oder fehlen völlig. Unter dem Begriff ,,Risikomanagement" wurden und werden in der betrieblichen Praxis häufig nur die Versicherung der Risiken des Unternehmens und die Optimierung des Kostenaufwandes verstanden, etwa in dem Sinne, daß abgewogen wird, wie das insgesamt zur Verfugung stehende Budget so aufzuteilen ist, daß die wirklich gravierenden Risiken abgesichert werden und auf die Versicherung von Kleinrisiken eher verzichtet wird. Mit einem so engen Verständis des Risikomanagements wird man den heutigen Risikodimensionen aber nicht meht gerecht. Gefragt ist vielmehr ein Risikomanagement, daß sich unmittelbar gegen die Bedrohung von Unternehmenszielen richtet. Dies bedeutet eine Abkehr von eines ausschließlich auf die Überwälzung von Risiken bezogene Handlungsweise hin zu einer unmittelbaren Risikominimierung aus eigener Kraft. Zutreffend spricht man in diesem Zusammenhang von einem umfassenden "Sicherheitsmanagement", das als ein Teilaspekt des gesamten Managements eines Unternehmens zu verstehen ist.217 Ein solches unternehmensinternes Risikomanagement setzt sich unter anderem aus folgenden Aufgabenbereichen zusammen: Zunächst muß das Unternehmen im Wege einer Risikoanalyse untersuchen, welche Produktrisiken sich fiir das Unternehmen ergeben können. Hierbei sind einmal die abstrakten Produktrisiken festzustellen, die ganz allgemein fiir die Produkte dieser Gattung bestehen. Andererseits sind die konkreten Produktrisiken zu ermitteln, die sich im Einzelfall er216 Bauer/Hinsch, Produkthaftung, S. 197; siehe dazu auch Reclre/s, Qualitätssicherungssysteme, S. I 86. 217 Vgl. Fink, Risiko-Management, in: Ahrens/Simon, Umwelthaftung, Risikosteuerung, S. 147, 148.

7*

100

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

geben können, so z.B. im Zusammenhang mit der Beratung des Abnehmers über die Verwendung eines Produktes. Sind die Produktrisiken ermittelt, ist im Wege eines Schadensverhütungsmanagements zu untersuchen, mit welchen unternehmensinternen Maßnahmen diese Risiken weitestgehend ausgeschaltet beziehungsweise zumindest begrenzt werden können und wie diese Maßnahmen organisatorisch zu verwirklichen sind. So muß sich vor Ioverkehrgabe eines Produktes für den Unternehmer immer die Frage stellen, in welchem Verhältnis das Risiko, das mit der Benutzung des Produktes verbunden ist, zum Nutzwert des Produktes steht. Es ist somit eine RisikoNutzen-Abwägung vorzunehmen. Dies läßt sich insbesondere bei der Inverkehrgabe von Arzneimitteln verdeutlichen. Es ist eine Abwägung zwischen dem benutzerbezogenen Risiko und dem Gebrauchsnutzen des Produktes vorzunehmen. Obwohl zwischen Konstruktion, Fabrikation und Qualitätskontrolle keine haftungsrechtliche Prioritätsregel besteht, ist ihm Rahmen des Risikomanagements zu prüfen, ob und mit welchem Aufwand Gefahren des Produktes möglichst frühzeitig und am effektivsten beherrscht werden können. 219 Auch eine solche Forderung stellt die DIN ISO-Norm nicht an den Hersteller. Daneben ist im Rahmen eines Schadensverhütungs- und -bearbeitungs- managementsfür den Fall Vorsorge zu treffen, daß das Unternehmen trotz aller Schadensverhütungsmaßnahmen Schadensersatzforderungen ausgesetzt wird. Dazu ist zum einen für eine adäquate Versicherung zu sorgen, andererseits ist aber auch ein Informationssystem aufzubauen, das dem Unternehmen im Schadensfall die Beweisführung ermöglicht.220 Ein expliziter Einbezug der Mitarbeiter in den Qualitätssicherungsprozeß ist durch die Normen ebenfalls kaum gewährleistet, obwohl das Funktionieren eines Qualitätsmanagementsystems ganz entscheidend davon abhängt, ob das Bemühen um Qualitätsverbesserung von den Mitarbeitern eines Unternehmens getragen wird. Nur wenn diese von dem Bemühen des Unternehmens um Qualitätskontrolle und -Verbesserung unterrichtet werden und die positive Auswirkung erkennen, werden sie die für ein erfolgreiches Qualitätsmanagementsystem nötige Motivation dauernd aufbringen. 221 Auch muß die teilweise sehr bürokratische Festschreibung von Prozessen im Rahmen der hier behandelten Normen kritisch betrachtet werden, da sich hieraus bedeutende negative Konsequenzen für ein Unternehmen ergeben können. So 219 Vgl. Schmidt-Salzer, Produkthaftung III/1 , Rdnr. 4.853; die erfolgte Darstellung des Risikomanangements ist nicht in allen Punkten vollständig, gibt jedoch einen Überblick über die zu treffenden Maßnahmen; vergleiche dazu auch Wischermann, Produzentenhaftung, S. 250ff. 220 Vgl. hierzu nur Schmidt-Salzer, Produkthaftung, BB 72, 1430, 1431 ; ders., Produkthaftung III/ I, Rdnr. 4.0 12; umfassend zu diesem Komplex: Thürmann, Produkthaftpflichtversicherung. 221 Vgl. Homburg/Becker, Zertifizierung, WiSt 95, 444, 447.

III. Deliktische Haftung

101

werden durch die Fixierung von Abläufen Innovationen behindert und Prozesse unterbrochen, wodurch eine kontinuierliche Verbesserung erschwert wird. 222 Gerade eine kontinuierliche Verbesserung ist aber notwendig, um bei der Produktionjederzeit den Stand der Technik beachten zu können. Das erteilte Zertifikat zeigt zudem auch nicht, inwieweit ein Unternehmen der jeweiligen Norm gerecht wird: ob gerade noch, durchschnittlich oder besonders gut, ob Organisationsfehlern in Teilbereichen durch Gegenmaßnahmen bzw. Kompensation in anderen Bereichen abgeholfen wird. Gerade solche Details ermöglichen aber im Nachhinein Rückschlüsse auf eine im Einzelfall ausreichende Beachtung der Verkehrspflichten. DIN ISO 9004 als Leitfaden für ein Qualitätsmanagementsystem gibt zwar Hinweise zu einigen weiteren zu beachtenden Einzelfragen, ohne dabei aber Verfahren oder Mittel für die Anwendung und die Auswertung innerhalb des Unternehmens auch nur anzudeuten. Die darin enthaltenen Elemente betreffen unter anderem die Managementaufgaben, die intern laufenden Überprüfungen des Systems, Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, Produktsicherheit und Produkthaftung.223 Aus der Norm DIN ISO 9004 lassen sich für die ordnungsgemäße Geschäftsführung weitere Vorgaben ableiten: Die Norm postuliert die Verantwortung der obersten Unternehmensleitung für die Qualitätspolitik, die Vorgabe der Qualitätsziele und die Erstellung eines Qualitätsmanagementsystems. Weiterhin erfordert die Norm die Festlegung von Verantwortung und Befugnis für jede qualitätswirksame Tätigkeit. Schließlich wird darüber hinaus der Einsatz geeigneter Mittel und geeigneten Personals und die Schaffung entsprechender Ablaufverfahren gefordert. 224 Jedoch ist dieser für die Produktsicherheit und Produkthaftung bedeutsamere Teil der Normenreihe nicht zertifizierbar. Ziel und Aufgabe eines Zertifizierungsaudits sollte es sein, das unternehmensspezifische und deshalb produktbezogene Einhalten der allgemein formulierten Mindestbedingungen der DIN ISO 9001-9003 zu prüfen und sich von ihrer Wirksamkeit zu überzeugen. Um die Allgemessenheit der organisatorischen Lösungen der einzelnen Unternehmen, bezogen auf die einzelnen Forderungen der Norm, festzustellen und inhaltlich wie in ihren Auswirkungen bewerten zu können, sollten technische Sachkenntnisse über die Verfahren, Produkte und deren Anforderungen aus dem Einsatz bekannt sein, weil sich nur von diesen Vorgaben aus die Allgemessenheit und Wirksamkeit des Audits und des sich darauf aufbauenden gesamten Zertifizierungsverfahrens sachlich bewerten läßt. 225 Für eine Homburg!Becker, Zertifizierung, WiSt 95,444,447. Abschn. 4, 5, 5.4, 6, 19 der DlN ISO 9004. 224 Eschenbruch, Konzemhaftung, Rdnr. 5003, S. 383, 384. 225 Bauer/von Westphalen, Recht zur Qualität, S. 241 f, siehe auch Bauer/Hinsch, Produkthaftung, S. 198. 222 223

102

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Bewertung des Qualitätsmanagementsystems entsprechend der in Abschnitt 0.2 von DIN ISO 9004-1 festgelegten Leitlinie zur Organisation des Qualitätswesens, gilt auch dementsprechend: Um ihre Ziele zu erreichen, sollte eine Organisation sicherstellen, daß die technischen, organisatorischen und menschlichen Faktoren beherrscht werden, welche die Qualität ihrer Produkte beeinflussen, (...). Alle diese Lenkungsmaßnahmen sollten auf das Verhindern, Eliminieren und, was am wichtigsten ist, auf das Verhüten von Fehlern abzielen. ( ... )

Die Bedeutung jedes Elementes (oder Forderung) in einem QM-System unterscheidet sich je nach Art der Tätigkeit und des Produktes. Um eine optimale Wirksamkeit zu erzielen und die Erwartungen des Kunden zu erfiillen, ist es wesentlich, daß das QM-System an die Art der Tätigkeit der Organisation und an das Angebotsprodukt angepaßt wird.

Diese Forderung wird aber nur in der fiir das Zertifizierungsverfahren nicht relevanten DIN ISO-Norm 9004 erhoben. Daraus folgt notwendig, daß für das Erfüllen der einzelnen Normforderungen durch die unterschiedlichen Produkte und Verfahren unterschiedliche Gewichtungen und Bewertungen abzuleiten sind, je nach der Bedeutung des Verfahrens oder des Elementes für die Leistung, Zuverlässigkeit und Sicherheit der individuellen Produkte unter den unterschiedlichen Einsatzbedingungen.226 Die somit notwendige Berücksichtigung produktspezifischer und anwendungsbezogener Forderungen an das Qualitätsmanagementsystem werden in den übrigen Normen jedoch überhaupt nicht berücksichtigt. Ob die Mindestvoraussetzungen der internationalen Norm als erfüllt gelten können oder nicht, wird somit unabhängig von Produkten, Verfahren und deren Aufgaben bewertet. Bei der Zertifizierung geht es nur um den Nachweis der Erfüllung der genormten Forderungen. Wenn aber eine Zertifizierung nur eine solche begrenzte Wirkung hat, gilt dies auch fiir das Zertifikat selbst. 227 Die von der Rechtsprechung geforderten Verkehrspflichten sind aber so vielfältig und speziell, die einzelnen Unternehmen wiederum so unterschiedlich, daß jeder einzelne Betrieb andere Maßnahmen ergreifen muß, um den in seinem speziellen Fall notwendigen Verkehrspflichten zu genügen. Was im einen Betrieb noch ausreicht, kann sich im Nachbarunternehmen als völlige Fehlorganisation darstellen. Im Gegensatz dazu sind die einzelnen Normen so allgemein gehalten, daß sie fiir fast jeden Betrieb anwendbar sind. Hierzu sei nochmals ein Textbeispiel einer Vorschrift auf-

226 227

Bauer/von Westphalen, Recht zur Qualität, S. 242. Rothe, Rechtliche Aspekte, QZ 93, 475, 478.

III. Deliktische Haftung

103

gefiihrt. Es handelt sich um den Abschnitt 4.10.4 der Norm DIN ISO 9001, der die Pflicht des Herstellers zur Endprüfung der Produkte beschreibt: Der Lieferant muß alle Endprüfungen entsprechend dem QM-Pian und/oder den Verfahrensanweisungen ausführen, um den Nachweis der Erfüllung der festgelegten QuaIitätsforderungen durch das Endprodukt zu vervol !ständigen. ( ... )

Kein Produkt darf versandt werden, bevor alle im QM-Plan und/oder in den Verfahrensanweisungen festgelegten Tätigkeiten zufriedenstellend abgeschlossen sind sowie die zugehörigen Daten verfügbar und genehmigt sind.

Hierbei gibt es jedoch keine Festlegung, welchen Inhalt der Qualitätssicherungsplan bzw. die Verfahrensanweisung haben muß, ob er also wirksam und sinnvoll ist, um ein Qualitätsprodukt herzustellen. Dies hängt wiederum mit dem Selbstverständis der Norm zusammen, keine bestimmte Qualität vorauszusetzen, sondern das vom Unternehmen festgelegte Qualitätsziel zu sichern. In diesem Zusammenhang ist es somit durchaus möglich, daß in einem Unternehmen in Fragen der Qualitätssicherung eine Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems vorliegt, aber trotzdem im rechtlichen Zusammenhang von einem Organisationsverschulden ausgegangen wird, weil unter den Umständen des Einzelfalles erforderliche Maßnahmen unterblieben sind. 228 Je nach Unternehmensart müssen die jeweiligen Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem differenziert durch Ausschöpfen der Interpretationsspielräume dem Risikopotential der verschiedenen Unternehmensbereiche angepaßt werden, um letztlich Deckungsgleichheit zwischen den Forderungen der Rechtsprechung und dem Qualitätsmanagementsystem zu erreichen. Die Normen können Schadensersatzansprüchen nur dann standhalten, wenn die rechtlichen Forderungen, die lückenlos auf Produkthaftungsfragen ausgerichtet sind, unternehmensindividuell ermittelt und in den Regelungsrahmen der DIN ISO-Normen miteinbezogen werden. 229 Selbstverständlich ist es gerade fiir die rechtliche Relevanz von entscheidender Bedeutung, daß sämtliche Maßnahmen nicht nur geplant und präzise dokumentiert sind, sondern vor allem, daß alle Maßnahmen im Unternehmen fortdauernd praktiziert werden. 230 Denn die Dokumentation der Absichten und Verfahren im sogenannten Qualitätshandbuch sind nicht ausreichend. Es ist immer zu beweisen, daß die dokumentierten Verfahrensanweisungen im Einzelfall auch beachtet worden sind. So nützen die umfassendsten Regelungen nützen, wenn man sie nicht befolgt. Es genügt damit nicht, daß das Zertifikat im Unternehmen nur fiir Schmidt-Salzer, Öko-Audit, WiB 96, I, 5. Vgl. Enstha/er!Füßler/Nuiss/, Juristische Aspekte, S. 195. 230 Rothe, Rechtliche Aspekte, QZ 93,475, 478. 228

229

104

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

die Verbesserung des Images und fiir die Werbung verwendet wird. Insbesondere lassen sich Qualitätsmanagementsysteme und spezielle qualitätssichemde Verfahren grundsätzlich nicht vorgefaßt bestimmen, sondern müssen sich an rasch wechselnde Gegebenheiten wie Produktart, Stand der Technik, betriebliche Ausstattung an Personal und Maschinen, Verbrauchererwartungen usw. orientieren.231 Diesen Gesichtspunkten würde es kaum gerecht werden, wenn lediglich durch theoretische Verfahren und abstrakte Forderungen Rückschlüsse auf eine ordnungsgemäße Betriebsorganisation gezogen würden. Denn allein die Beachtung allgemeiner Regeln ist im Einzelfall nicht unbedingt ausreichend, um in jedem Falle eine sichere Gefahrenabwehr und Einhaltung erforderlicher Qualitätsstandards zu gewährleisten. Allgemeine Regeln müssen stets auf ihre Übertragbarkeit auf den konkreten Einzelfall hin überprüft werden, damit gewährleistet ist, daß auch in der Praxis ein ausreichender Schutz vorhanden ist. Weiterhin müssen aufgestellte Regeln auch in die Praxis umgesetzt und angewandt werden. Dies veranschaulicht ein bei Schrnidt-Salzer in diesem Zusammenhang verwendetes Beispiel, den Untergang der Titanic232 : Die Titanic entsprach zwar zum einen hinsichtlich der Ausstattung mit Rettungsbooten den in England zu dieser Zeit gültigen Vorschriften, diese Vorschriften wurden aber erlassen, als Schiffe dieser Größenordnung noch gar nicht denkbar waren. Weiterhin wurden die vorhandenen Rettungsboote, als es zum Ernstfall kam, wegen fehlender Unterweisung der Crew über die Kapazität der Rettungsboote im Falle von Havarien, nur zu einem geringen Teil besetzt. Für ein Qualitätsmanagementsystem gibt es damit keine Standardlösung. Der Unternehmer muß vielmehr ein produkt- und unternehmensspezifisches Konzept erarbeiten. Dazu muß er zunächst festlegen, welche Produktqualität er anstrebt und diese mit der derzeit erreichten Qualität vergleichen. Danach muß er ein System finden, wie er das Qualitätsziel in einem finanzierbaren Rahmen, in einem überschaubaren Zeitraum und in Zusammenarbeit mit seinen Mitarbeitern, den Lieferanten und den Kunden erzielen kann. 233 Die Zertifizierung allein ist dabei nicht ausschlaggebend. Vielmehr ist es entscheidend, daß das praktizierte ,,Fehlerverhütungssystem" wirksam ist, daß also tatsächlich keine fehlerhaften Teile entstehen oder "durchrutschen" können. 234 Nach der zutreffenden Ansicht von Schlutz kann der Zwang zur detaillierten Dokumentation des Qualitätsmanagementsystems, die fiir eine Zertifizierung Malorny!Kassebohm, TQM, S. 195. Schmidt-Salzer, Produkthaftung 111/ 1, Rdnr. 4.758; vgl. auch Ma/orny/Kassebohm, TQM, S. 196f. 233 Nette/heck, Produktsicherheit, S. I 0 I. 234 Rothe, Rechtliche Aspekte, QZ 93, 475, 477. 231

232

Ill. Deliktische Haftung

105

notwendig ist, die Abwehr von Produkthaftungsklagen möglicherweise dadurch beeinflussen, daß damit zuvor nicht vorhandene Beweisunterlagen geschaffen werden. Die von DIN ISO 9000ff. vorausgesetzte Art der Dokumentation führe zu einer vollständigen Transparanz und Nachvollziehbarkeit interner Unternehmensabläufe. 235 Hess verweist in diesem Zusammenhang zu Recht aber darauf, daß nicht allein die Dokumentation ausreichend ist, sondern darüber hinaus ein betriebsinternes System installiert werden muß, mit dem die Übernahme und Durchfuhrung der Vorgaben kontrolliert werden kann und auch kontrolliert wird.236 Abzulehnen ist damit die Ansicht von Möllers237, daß der Unternehmer seiner Darlegungslast, daß er ein bestimmtes Verhalten nicht im Sinne von§ 823 BGB verschuldet hat, gerecht würde, wenn er nachweist, die in DIN ISO 9000ff. dargestellten Elemente eingehalten zu haben. Zugunsten des Produzenten kann ein Qualitätsmanagementsystem-Zertifikat grundsätzlich zwar geeignet sein, eine Beweiserleichterung (z. B. im Sinne eines Beweises des ersten Anscheins) dafiir zu schaffen, daß ihn kein Vorwurf im Sinne eines Organisationsverschuldens trifft. Ein solches Verschulden kann aber schon durch jede Nachlässigkeit der Unternehmensleitung hervorgerufen werden, so z. B., wenn Mitarbeiter überlastet oder überfordert sind, ein Organisationsplan nicht hinreichend verwirklicht wurde, Informationssysteme zu langsam arbeiten etc.238 So ist zwar der Nachweis einer bestimmten Organisation des Unternehmens durch die Vorlage des im Rahmen der Zertiflzierung erstellten Qualitätshandbuches grundsätzlich möglich, dagegen ist jedoch jederzeit der Nachweis zulässig, daß gerade im konkreten Fall aufgrund eines Organisationsverschuldens, abweichend vom Qualitätshandbuch gehandelt worden ist, daß die festgelegten Maßnahmen und Verfahrensschritte eben gerade nicht beachtet worden sind. Außerdem bleibt dem Dritten die Darlegungsmöglichkeit, daß das vorgelegte Qualitätshandbuch keine ausreichende Gewähr fiir eine ordentliche Organisation bietet, bzw. in der Praxis nicht beachtet worden ist. 239 In diesem Zusammenhang ist auch ein Vergleich mit der deliktischen Haftung im Umweltrecht angebracht. Die in diesem Bereich erforderlichen Sorgfaltspflichten des Unternehmers zur Vermeidung von Umweltgefahren, können nur dadurch erfüllt werden, daß der Unternehmer alles in seinen Kräften stehende unternimmt, damit sich etwaige Umweltgefahren nicht realisieren.Z40

Schlutz, Rechtliche Auswirkung, PHI 96, 122, 133. Vgl. Hess, Qualitätsmanagement, S. 200ff. 237 Vgl. Möllers, Qualitätsmanagement, DB 96, 1455, 1459. 238 Malorny!Kassebohm, TQM, S. 258. 239 Vgl. Anker/Sinz, Bedeutung, BauR 95, 629, 632f. 240 Vgl. BGH NJW 76, 46, 47. 235

236

106

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Dies hat durch eine entsprechende Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens zu geschehen. Auch hier darf der Unternehmer nicht darauf vertrauen, daß der betriebliche Umweltschutz im Rahmen der regelmäßigen behördlichen Überwachungsmaßnahmen nicht beanstandet wurde. Denn derartige externe Kontrollen lassen lediglich eine punktuelle Aussage des Inhalts zu, daß die Überwachungsbeamten zum Zeitpunkt der Überprüfung nichts vorschriftswidriges festgestellt haben. Die bloße Abwesenheit von Mängeln in dieser Hinsicht bietet aber keine Gewähr für die ordnungsgemäße Einhaltung der vorgeschriebenen Standards und für die Beachtung gefahrenadäquater Vorsorgemaßnahmen während der übrigen Zeit und begründen auch keine dahingehende Vermutung zugunsten des Unternehmers. 240 Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten, daß die Normenreihe für eine ausreichende Darlegung der Organisation unvollständig ist. Sie läßt den einzelnen Unternehmen so große Spielräume, daß eine fahrlässige Fehlorganisation nicht auszuschließen ist. So ist bis heute noch nicht der Nachweis erbracht, daß Unternehmen, die ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. aufgebaut haben, tatsächlich eine höhere Qualitätsfähigkeit besitzen als solche, die kein entsprechendes System eingeführt haben. Selbst das Deutsche Institut für Normung, als originärer Herausgeber der Normenreihe, macht sich zunehmend Gedanken, ob die Aktivitäten um die DIN ISO 9000ff. der Industrie tatsächlich Nutzen bringen oder als überzogen gelten müssen. 241 d) Umkehrschluß: Fehlendes Qualitätsmanagementsystem

nach DIN ISO 9000./J. als Verkehrspflichtverletzung? aa) Allgemein

Der Bundesgerichtshof geht von einem Anscheinsbeweis der schuldhaften Schadensverursachung aus, wenn der Unternehmer gegen einschlägige technische Normen (z. B. DIN-Normen) verstoßen hat. Als Verkehrspflichten bilden sie den Sorgfaltsmaßstab, anhand dessen die Rechtswidrigkeit bei mittelbaren Eingriffen in die durch § 823 Abs.l BGB geschützten Rechtsgüter untersucht wird. Die technischen Standards des Sicherheitsrechtes beschreiben damit die zum Umgang mit der Technik notwendigen Maßnahmen, um die in der Technik gründenden Gefahren zu steuern und so eine Verletzung oder Gefährdung anderer zu vermei-

°Kothe, Umweltauditrecht, S. 168; vgl. BGHZ 105, 346, 354.

24

241

Malorny/Kassebohm, TQM, S. 242f.

111. Deliktische Haftung

107

den. 243 Ebenso wie auch die Verkehrspflichten beschreiben die technischen Standards damit das einzuhaltende Maß der äußeren (objektiven) Sorgfalt. 244 Den Hersteller technischer Produkte trifft somit die Pflicht, diejenigen technischen Regeln zu beachten, die "allgemein anerkannt" sind und dem "Stand der Technik" entsprechen. 245 Unternehmen sind somit verpflichtet, bei allen Maßnahmen, die der Risikovorsorge und Gefahrenabwehr dienen, den "Stand der Technik" einzubeziehen. DIN-Normen werden mit dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens zu einer allgemein anerkannten Regel der Technik, wenn sie unter Beteiligung der betroffenen Fachkreise zur Vermeidung eines erkannten Risikos erarbeitete worden sind und die Befolgung der Normen aufgrund des vorgegebenen Standes der Technik keine Schwierigkeiten bereitet. 246 Bei der Beachtung des Standes der Technik sind sowohl anerkanntermaßen technische wie auch organisatorische Maßnahmen zu berücksichtigen, denn beide Maßnahmen nehmen wesentlichen Einfluß auf die Sicherheit. Organisation ist das Korrelat zur Technik. Beide stehen in einer unmittelbaren Wechselbeziehung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Denn ein hohes Risiko besteht trotzguter Technik, wenn der Einsatz der Technik nicht durch gute Organisation sichergestellt ist. Um dem "Stand der Technik" zu entsprechen, müssen also auch die organisatorischen Maßnahmen fortschrittlichen Betriebsweisen entsprechen. Deren praktische Eignung zur Risikovorsorge und Gefahrenabwehr muß sichergestellt sein. bb) Anwendung auf Qualitätsmanagementsysteme Im Bereich der Beweislastüberlegungen könnte nun die Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems eine entscheidende Rolle spielen. Denn neben den DIN ISO-Normen zum Qualitätsmanagement hat sich mit der hier nicht relevanten EG-Umwelt-Audit-Verordnung247 und den ersten Normforderungen zu Umwelt-Managementsystemen248 ein Stand der Organisationstechnik entwickelt, den zu unterschreiten im Schadensfall einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen könnte. Die DIN ISO 9000ff.-Normen können somit als Maßstab der Bewertung 243 Marburger, Regeln der Technik, S. 443. 244

Marburger, Regeln der Technik, S. 443; MünchKomm!Mertens, § 823 Rdnr. 23ff.

245 BGHZ 80, 186; BGH VersR 81, 636; BGH NJW 68, 247. 246 BGH GRUR 91, 921; Gorny, Qualitätssicherungssysteme, ZLR 95, I, 12. 247 Verordnung Nr. 1836/93 des Rates vom 29.6.1993 über die freiwillige Beteiligung

gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, Abi. Nr. L 168 vom 10.7.1993; vgl. hierzu nur Gemünd, Umwelt-Audit, PHI 95, 42ff. 248 Britische Norm (BS) 7750, 1992, Spezifikation für Umwelttechnische Managementsysteme, Vornorm des DIN, Stand Februar 1995.

108

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

einer Betriebsorganisation herangezogen und können als Kriterium einer fortschrittlichen Betriebsorganisation angesehen werden. 249 Bis heute gibt es keine unmittelbare gesetzliche oder andere rechtliche Verpflichtung, ein Qualitätsmanagementsystem nach der Normenreihe DIN ISO 9000 bis 9004 einzufiihren. In der neueren Rechtsentwicklung - vor allem im Rahmen der Bestrebungen der EG, den Handel zwischen ihren Mitgliedsstaaten zu liberalisieren und zu harmonisieren - ist jedoch eine deutliche Hinwendung zu dieser Normenreihe zu erkennen. Ein jüngeres Beispiel fiir diese Entwicklung ist die EG-Richtlinie 93/43 EWG vom 14.06.1993 250 auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene, die als Rahmenrichtlinie fiir alle Lebensmittel- und lebensmittelverarbeitenden Betriebe anzuwenden ist. Darin werden unter anderem die bei der Arbeit mit Lebensmitteln zu beachtenden allgemeinen Hygienevorschriften festgelegt. Zur Durchführung der allgemeineneo Hygienevorschriften und der Leitlinien fiir eine gute Hygienepraxis wird den Mitgliedsstaaten empfohlen, die europäischen Standards der Normenreihe ISO 9000ff. zugrunde zu legen. Obgleich es zu diesem Detailproblem noch keine Rechtsprechung gibt, wird man folgende Regeln aufstellen können: Mit der Zertifizierung ist mindestens der Nachweis erbracht, daß in dem betreffenden Unternehmen die Voraussetzungen fiir die Herstellung einer bestimmten Qualität gegeben sind. Ist das Unternehmen hingegen nicht zertifiziert, fehlt es bereits am abstrakten Nachweis, daß das Unternehmen sich so organisiert hat, daß es Fehler generell vermeiden kann, und um so schwieriger wird der weitere Nachweis werden, daß im konkreten Fall nicht mangelhafte Organisation und nicht konkrete Produktfehler die Ursache fiir Schäden gewesen sind.251 Bedeutsam ist dieser Umstand um so mehr, als mit der Normenreihe DIN ISO 9000ff. seit 1987 Mindestanforderungen zur Darlegung an ein Qualitätsmanagementsystem festgelegt sind. Als unvollkommene Grundsätze fiir ein funktionierendes und damit gefahrenadäquates Qualitätsmanagementsystem handelt es sich dabei zumindest um anerkannte Mindeststandards zur Gefahrenabwendung. Somit kann bei Nichteinhaltung dieses Mindeststandards ein Sorgfaltspflichtverstoß anzunehmen sein. Dies soll im folgenden beispielhaft im Lebensmittelrecht dar-

Gerichtsfestes Produktionsuntemehmen, 88 96, I 017, I 020. Abi. Nr. L 175 v. 19.07.1993, S. lff. In diesem Zusammenhang ist aber auch von Interesse, daß in der EG-Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit, die in Dtl. durch das Produktsicherheitsgesetz umgesetzt werden soll, eine solche Forderung gerade nicht aufgestellt worden ist. Siehe dazu Kullmann, Produktsicherheitsgesetz, ZRP 96, 436ff. 251 Gesamter Abschnitt aus: Heussen/Schmidt, Inhalt und rechtliche Bedeutung, CR 95, 321, 328. 249 Adams/Johannsen,

250

111. Deliktische Haftung

109

gestellt werden. Dieses Gebiet bietet sich insbesondere deswegen an, weil durch eine EG-Richtlinie hier erstmals eine Unternehmensorganisation nach DIN ISO 9000ff. gefordert wird. Nach einer Umsetzung der Richtlinie in nationales Rechr52 würde diese Anforderung an die Hygiene im lebensmittelverarbeitenden Betrieb dann in der Praxis bedeuten, daß die Normen DIN ISO 9000 bis 9004 den Standard des von den Inhabern zu beachtenden Qualitätsmanagementsystems darstellen, an dem sich alle davon abweichenden Systeme messen lassen müssen. Nur ein normgerechtes Qualitätsmanagementsystem würde dem Stand der Technik entsprechen. 253 Lebensmittel kommen sowohl in ihrer Urform als Naturprodukte als auch zu neuen Produkten verarbeitet auf den Mark. Unstreitig liegen im zweiten Fall Produkte im Sinne der Produkthaftung vor. Aber auch wenn Naturprodukte weder umgestaltet, noch zu anderen neuen Produkten verarbeitet, sondern nur aufbereitet oder sogar ohne Aufbereitung unmittelbar in den Verkehr gegeben werden, bestehen grundsätzlich Sicherungspflichten desjenigen, der die lnverkehrgabe bewirkt. Dem steht nicht entgegen, daß solche Personen kaum als Hersteller bezeichnet werden können. Auch sie müssen aber dafur Sorge tragen, daß die Produkte in ihrer Zusammensetzung nicht schädlich sind.254 Die Einflußmöglichkeit auf Eigenschaften und Qualität von Naturprodukten von demjenigen, der dasselbe in den Verkehr bringt, sind von vornherein nur beschränkt, da diese typischerweise nicht oder nur geringfugig bearbeitet werden. Aber selbst hier kann der Verbraucher gefahrdet werden, indem Lebensmittel falsch oder zu lange gelagert werden, unter Mißachtung der notwendigen Hygiene verarbeitet oder unzureichend verpackt werden. Im übrigen kann sich die Frage stellen, ob derjenige, der Naturalien in den Verkehr bringt, nicht sogar auf dieselben einwirken muß, um den Verbraucher zu schützen. Der Umfang der Sicherungspflichten des Lebensmittelproduzenten richtet sich nach den jeweiligen Einflußmöglichkeiten des Produzenten. Mit jeder Verarbeitungsstufe gehen neue, weiter Verkehrspflichten einher. 255 Qualitätssichemde Maßnahmen, insbesondere Vorbeugemaßnahmen, sind der Lebensmittelindustrie aber schon lange vertraut. Nicht die grundlegende Forderung, Qualitätssicherung zu betreiben, ist damit neu, sondern die Forderungen an die Qualitätssicherung haben sich gewandelt, seit die Normen zum Qualitätsma252 Eine Umsetzung in deutsches Recht ist bisher noch nicht erfolgt. Die Umsetzungsfrist ist 30 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie am 19.01.1996 abgelaufen. 253 Claußen/Lippert, Qualitätsmanagemen, Lebensmittelrechts-Handbuch, Kap. III.E, Rdnr. 301. 254 Kullmann!Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 1520, S. 24; siehe zur Haftung für schadensstiftende, fehlerhafte Lebensmittel auch Merk, Produkthaftung, in Lebensmittelrechts-Handbuch, Kap. III.A; Möllers, Rechtsgüterschutz, S. 2 12. 255 Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/Foerste, § 25 Rdnr. 19, 23.

I IO

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

nagement veröffentlicht wurden. Normgerechte Qualitätsmanagementsysteme führen jedoch nicht automatisch zu einer gehobenen Qualität. Mit einem Qualitätsmanagementsystem können - theoretisch - in nachvollziehbarer, systemgerechter Weise nicht nur schlechte Qualitäten, sondern auch verkehrsunfähige Produkte hergestellt werden. Qualitätsmanagement ist damit lediglich ein Weg, um auf vorhersehbarer Weise "sicher von A nach B" zu gelangen; welches Ergebnis in B erzielt werden soll und tatsächlich erzielt wird, hängt davon ab, wie die einzelnen Stationen des Weges und B selbst defmiert werden. 256 Zwar kann aus diesem Grunde nicht gefordert werden, daß nun etwa nur mit Hilfe solcher Systeme der Sorgfaltspflicht Genüge getan werden kann257 • Aufgrund der Festlegung eines Qualitätsmanagementsystems als Stand der Technik führt jedoch jede Abweichung von der Norm zu einer Argumentationspflicht Das gilt besonders dann, wenn immer mehr Unternehmer dazu übergehen, ihr Qualitätsmanagementsystem nach einem einheitlichen Standard überprüfen und zertifizieren zu lassen. Letztlich ist dieser Stand dann als allgemeingültig anzusehen.258 Derjenige, der sein Unternehmen dann nicht entsprechend den Forderungen der Norm organisiert hat, muß den Nachweis erbringen, daß das von ihm gewählte System ebenso wirksam ist und die vorgegebenen Forderungen ebenso wirkungsvoll erfüllt. Gelingt dies nicht, müßten Unternehmen gegebenenfalls nachweisen, warum sie nicht in der Lage sein konnten, diese Mindestanforderungen einzuhalten. Jegliche Form der Nichteinhaltung der DIN ISO 9000ff. ginge zunächst einmal zu ihren Lasten. Wählt der Hersteller eine andere technische Lösung, träfe ihn die Beweislast dafür, daß dadurch der gleiche Sicherheitsstandard gewährleistet wird. 259

e) "Befundsicherungspflicht " Eine andere Auswirkung könnte ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem aber haben, wenn dem Hersteller vorgeworfen wird, seiner Befundsicherungsoder Statussicherungspflicht nicht nachgekommen zu sein. Mit seiner Entscheidung vom 7. Juni 1988260, die in späteren Urteilen261 bestätigt wurde, hat der Bundesgerichtshof den Pflichtenkatalog des Herstellers um eine weitere spezifische Variante bereichert: die Pflicht zur Befundsicherung (oder Statussicherung). 256 Vgl. Horst, lnformationsbedarf, ZLR 94,475,491. 257 Horst, Jnformationspflicht, ZLR 94, 475, 492. 258 Kassebohm!Malorny, Rechtsprechung, QZ 96, 80, 83. 259 Köhler, Haftungsrechtliche Bedeutung, BB Beilage 411 985, S. I 0, II. 260 Vgl. nur BGHZ 104, 323ff. 261 BGH NJW 93, 528fund BGH NJW 95, 2162f.

III. Deliktische Haftung

111

Ihre Verletzung hat Auswirkungen auf die Beweislast und führt im Ergebnis zur Umkehr der Beweislast im Bereich der Kausalität, konkret in Bezug auf den Nachweis, daß der Fehler im Bereich des Herstellers entstanden ist. Bislang erstreckte sich die Beweislastumkehr weder auf die Fehlerhaftigkeit der Produkte noch auf die haftungsbegründende Kausalität zwischen Fehler und Schaden, sondern bezog sich ausschließlich auf die Pflichtverletzung und das Verschulden. Kann der Verletzte aber nicht beweisen, daß die Fehlerursache (bereits) in der Sphäre des Herstellers gesetzt wurde, kann er auch nicht von der Beweislastumkehr profitieren, die ihn vom Nachweis des Herstellerverschuldeos entlasten würde. 262 Eine Pflicht zur Befundsicherung im Bereich der Produkthaftung263 nimmt der Bundesgerichtshof an, "wenn der festgestellte Mangel des Produktes typischerweise aus dem Bereich des Herstellers stammt, dieser gerade deshalb - und weil er zur Vermeidung schwerer Schadensfolgen ein derartiges Risiko auszuschließen hat- zum Schutz des Verbrauchers verpflichtet ist, sich über das Freisein der Produkte von solchen Mängeln vor Ioverkehrgabe zuverlässig zu vergewissern, und der Geschädigte nachgewiesen hat, daß der Hersteller diese 'Statussicherung' über den mangelfreien Zustand des Produktes nur unzureichend wahrgenommen hat".264 Die Grundsätze dieser Bundesgerichtshof-Urteile reichen weit über den engen Bereich des Produktes ,,Mehrwegflasche" hinaus. Zwar hat der Bundesgerichtshof den Schritt zu einer offenen Beweislastumkehr beim Fehlerbereichsnachweis ausdrücklich noch nicht vollzogen; aber immer dann, "wenn die Pflicht des Herstellers zur Gefahrenabwehr gezielt auf Erhebungen zur Aufhellung eines unklaren Zustandes oder einer ungeklärten Beschaffenheit des Produktes gerichtet ist, die dem Hersteller zum Schutz der Verwender gerade deshalb aufgegeben ist, um durch eine genaue Ermittlung und Sicherung des Status' sich rechtzeitig über das Freisein von Produktgefahren zu vergewissern, die typischerweise das Produkt belasten und die nach loverkehrbringen des Produktes durch den Hersteller nicht mehr aufzudecken sind'.265, seien hohe Anforderungen an die Befundsicherung zu stellen. Diese Betrachtung kann leicht auf jede Situation ausgedehnt werden, in der der Geschädigte Schwierigkeiten mit dem Kausalitätsnachweis und dem Fehlerbereichsnachweis hat.266 Foerste, Anmerkung, JZ 93, 680. Vgl. zum Bereich der Arzthaftung aus dem neueren Literatur nur Nixdorf, Befunderhebungsptlicht, VersR 96, 160ff. . 264 Rolland, Produkthaftungsrecht, S. 337, Rdnr. 40; zur Befundsicherung des Arztes vgl. u. a. BGH NJW 94, 1594; BGH NJW 89, 2943. 265 BGHZ I 04, 323, 335. 266 Taeger, Außervertragliche Haftung, S. 299; vgl. dort FN 26 als Beispiel aus dem Softwarebereich: Ein Softwarehaus testet vor Auslieferung jedes Softwareprogramm auf 262 263

112

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Die Pflicht zur "Statussicherung" setze vielmehr ein Produkt voraus, das erhebliche Risiken fiir den Verbraucher in sich trägt, die in der Herstellung geradezu angelegt sind und deren Beherrschung deshalb gerade einen Schwerpunkt des Produktionsvorganges darstellt. Nicht erforderlich ist dagegen, daß das Produktrisiko durch die Einfiihrung von technisch möglichen und dem Hersteller zumutbaren Befundsicherungsmaßnahmen völlig ausgeschlossen wird. Ausreichend ist vielmehr, daß durch die Maßnahme der Befundsicherung eine signifikante Verringerung des Produktrisikos erfolgt. 267 Aus dem Gedanken der Beherrschung des Gefahrenbereiches und der Einhaltung der daraus resultierenden Verkehrspflicht leitet der Bundesgerichtshof die Pflicht ab, den Sicherheitszustand des Produktes vor dessen Inverkehrgabe zu überprüfen. Danach obliegt es dem Hersteller, das Produkt zum Schutz des Verbrauchers innerhalb seiner Betriebssphäre daraufhin zu kontrollieren, ob es in sicherheitstechnischer Hinsicht von den Gefahren frei ist, die dem Produkt typischerweise immanent sind. Die Befunde dieser Prüfung sind zu dokumentieren, um sowohl dem Hersteller als auch dem Verwender Auskunft über die Sicherheit des Produktes zu geben. Kommt der Hersteller dieser Prüfungs- und Befundsicherungspflicht nicht nach und setzt dadurch den Konsumenten den latenten Gefahren eines ungeklärten Status' aus, ist es nur konsequent, daß er nachzuweisen hat, daß das Produkt zur Zeit der Inverkehrgabe in einwandfreiem Zustand war.268 Diese materielle Pflichtenlage wirkt sich auf die Beweislast insofern aus, als bei einer Verletzung dieser Pflicht die Unsicherheit über den Zeitpunkt der Fehlerentstehung nicht mehr den Geschädigten belasten soll. 269 Im Ergebnis bedeutet die Pflicht zur Befundsicherung, die eine Art ,,Beweiserhaltungspflicht" des Herstellers darstellt, die Umkehr der Beweislast fiir die Frage der Zuordnung des Fehlers in den Bereich des Herstellers. Die Einschränkung, die der Bundesgerichtshof fiir den Anwendungsbereich der Pflicht zur Befundsicherung aufgestellt hat, dürfte schon wegen der Unsicherheit der Abgrenzung keine Bedeutung gewinnen, so daß man sich auf die Umkehr der Beweislast bei der Frage der Zuord-

Viren. Ein Programmanwender sandte seine Disketten an das Softwarehaus mit dem Hinweis zurück, das Programm ließe sich nicht installieren. Nachdem festgestellt wurde, daß die Installation problemlos möglich war, wurden diese Disketten an einen anderen Kunden ausgeliefert, dessen Computer daraufhin mit Viren "verseucht" wurde, was erhebliche Schäden anrichtete. Die Viren waren möglichweise über den ersten Kunden eingeschleppt. Kann das Softwarehaus nun eine ausreichende Überprüfung der ausgelieferten Software beweisen, wird die Verursachung des Schadens durch das Softwarehaus angenommen. 267 BGH NJW 93, 528, 529. 268 Giesen, Anmerkung, JZ 88, 969, 971. 269 Meyer, Anmerkung, WiB 95,718.

III. Deliktische Haftung

113

nung des Fehlers zum Herstellerbereich als allgemeinen Grundsatz einstellen muß. 270 Die Befundsicherungspflicht darf somit nicht als eine Dokumentations- oder Registrierungspflicht mißverstanden werden. Befundsicherung durch den Produzenten meint seine Verpflichtung, zur Vermeidung schwerer Schäden beim Benutzer jedes einzelne Produkt auf das Freisein von Fehlern zu überprüfen. Diese Pflicht kann nicht mit der Pflicht zur üblichen Warenendkontrolle gleichgestellt werden; sie ist hierzu aber auch kein aliud. Sie trägt lediglich dem Umstand Rechnung, daß der Produzent in seine Produktion eine Schadensquelle eingebaut hat und sie fur seine Produktion nutzt, aus der schwere Gesundheitsgefahren für den Produktbenutzer oder Dritte erwachsen können, und die er deshalb nur dann einsetzen darf, wenn er zuverlässig ausschließen kann, daß diese Schadensquelle nicht aus dem Unternehmen herausgetragen wird. Es geht um eine qualifizierte Kontrolle, auf die die Produktion, wenn und weil sie sich solcher Schadensquellen bedient, zugeschnitten sein muß. Wenn eine mögliche Einzelstückkontrolle des Herstellers zu einer zumindest einigermaßen zuverlässigen Aussonderung gefährlicher Produkte führen kann, dann verhält sich der Produzent, der dieser Überprüfungspflicht nicht nachgekommen ist, gemäß § 242 8GB treuwidrig im Sinne eines venire contra factum proprium, wenn er sich im Prozeß darauf beruft, es könne nicht mehr geklärt werden, ob der Produktfehler bei Verlassen des Herstellerbereiches schon vorhanden gewesen sei. Denn bei pflichtgemäßem Verhalten würde man insoweit wesentlich klarer sehen?71 Diese besondere Überprüfungs- und Befundsicherungspflicht des Herstellers ist nicht mit der Pflicht zur üblichen Warenendkontrolle bei einem beliebigen Produktionsvorgang gleichzusetzen.272 Die Befundsicherungspflicht geht auch inhaltlich keineswegs dahin, eine Dokumentation im Sinne der Auflistung von Einzel-Prüfergebnissen zu erstellen. Befundsicherung bedeutet vielmehr die Sicherstellung eines Prüfverfahrens, durch das der Zustand eines jeden Produktes ermittelt und gewährleistet wird. Danach muß also eine Datenerhebung nicht hinsichtlich eines einzelnen Produktes erfolgen, sondern im Hinblick auf das Produktionsverfahren, das die Qualität gewährleistet273 ; so auch der Bundesgerichtshof74 in seiner vorläufig letzten Entscheidung zu diesem Bereich.

Rolland, Produkthaftungsrecht, S. 339, Rdnr. 44. Steffen, Beweis1asten, FS für Brandner, S. 327, 338. 272 BGH NJW 93, 528, 529. 273 Kassebohm/Malorny, Rechtsprechung, QZ 96, 80, 82; Foerste, Anmerkung, JZ 93, 680,681. 274 BGH NJW 93, 528, 529. 270 271

8 Bayer

114

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Danach bedeutet Befundsicherung die Sicherstellung eines Kontrollverfahrens, durch das der Zustand des Produktes ennittelt und gewährleistet wird, daß soweit technisch möglich - alle nicht einwandfreien Produkte nicht in den Verkehr gelangen. Ein Qualitätsmanagementsystem beinhaltet von seinem Ansatz her grundsätzlich ein solches Kontrollsystem. So befaßt sich in DIN ISO 9001 der gesamte Abschnitt 4.10 und 4.11 mit der Prüfung der Produkte, dem dazu notwendigen Verfahren, den Prüfmitteln und der Dokumentation der Ergebnisse. Dabei stellt beispielsweise der Abschnitt 4.11.2 von DIN ISO 9001 folgende Forderung auf: Der Lieferant muß die durchzuführenden Messungen und die geforderte Genauigkeit festlegen sowie die geeigneten Prüfmittel auswählen, die bezüglich der erforderlichen Richtigkeit und Präzision geeignet sind; (... )

Dem Lieferanten obliegt damit die Aufgabe, Prüfmittel wie z. B. Meßgeräte zu überwachen, zu kalibrieren und instandzuhalten. Prüfmittel müssen so behandelt werden, daß die mit ihnen durchgefiihrten Prüfungen verläßliche Ergebnisse liefern, die Genauigkeit von Prüfmitteln muß sichergestellt sein.275 Die Norm verlangt, daß sich die eingesetzten Prüfmittel immer in einem solchen Zustand befinden, der gewährleistet, daß die vorgesehenen Prüfungen vorgenommen werden können und die Meß- und Prüfergebnisse den Zustand des Produktes exakt beschreiben. In diesem Zusammenhang sei auch nochmals auf die oben dargestellte Forderung des Abschnittes 4.10.4 der Norm DIN ISO 9001, der Anforderungen an die Endprüfung stellt, verwiesen. In den besagten Urteilen stellte sich aber immer die Frage, ob das speziell im Betrieb vorhandene System ausreichend war, um Fehler zu vermeiden. So hat der Bundesgerichtshof in den besagten Entscheidungen den Umfang und die Pflichten der Beklagten genau beschrieben und die Kontroll- und Prüfverfahren auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. So trägt in einer aktuelleren Entscheidung der Hersteller äußerst detailliert vor, welche Maßnahmen er ergriffen hat. Der Bundesgerichtshof hält selbst diese Ausführungen zu den angewandten Verfahren aber noch nicht für ausreichend. So wird die Frage untersucht, ob es genügt, Flaschen mit Gewindeschäden, Flaschenbodenschäden o. ä. auszusondern, oder ob es für die Beachtung der Befundsicherungspflicht auch notwendig sei, äußerlich stark zerkratzte Flaschen auszusondern, da diese ersichtlich stärker beansprucht seien als andere Flaschen. 276

275 276

Pfitzinger, DIN EN ISO 9000, S. 51. BGH NJW-RR 93, 988.

111. Deliktische Haftung

115

Weiterhin wird untersucht, ob der Vorspanndruck von 5 bar, dem die Flaschenabfüllerin die zur Wiederbefiillung bestimmten Flaschen unmittelbar vor der Befüllung mit Mineralwasser unterzieht, ausreichend war oder nicht, um die Flaschen auf ihre Berstsicherheit hin zu überprüfen. Weiterhin wird die maschinelle Überprüfung auf ihre Wirksamkeit hin untersucht und geprüft, ob die konkrete Ausgestaltung der menschlichen Sichtkontrolle eine zuverlässige Aussonderung gewährleistet. 277 Aus diesem Grunde kann der Vortrag, daß ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem im Betrieb vorhanden ist, das grundsätzlich geeignet ist, fehlerhafte Produkte zu vermeiden, nicht ausreichen, um den Entlastungsbeweis antreten zu können. Denn dabei geht es nur um die abstrakte Qualitätsfähigkeit, nicht aber um die spezielle Umsetzung im Einzelfall und um die Beachtung im jeweiligen Schadensfall. Dennoch kann die im Zuge des Qualitätsmanagementsystems anzufertigende Dokumentation dem Unternehmer im Streitfall von Nutzen sein. In Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung verlangt der Bundesgerichtshof nämlich von dem nicht beweisbelasteten Hersteller, die ihm zurnutbaren näheren Angaben zu machen. Konkret bedeutet dies, daß der Hersteller die von ihm getroffenen Maßnahmen zur Befunderhebung und -Sicherung schildern muß. Dies fällt ihm naturgemäß leichter, wenn entsprechende Unterlagen vorhanden sind.

S. Erschütterung des Anscheinsbeweises des Geschädigten Beim Anscheinsbeweis handelt es sich nicht um ein besonderes Beweismittel, sondern um den konsequenten Einsatz von Sätzen der allgemeinen Lebenserfahrung bei der Überzeugungsbildung im Rahmen der freien Beweiswürdigung. Wesentlich für den Anscheinsbeweis ist, daß mit Hilfe der allgemeinen Lebenserfahrung fehlende konkrete Indizien bei der Beweisführung überbrückt werden können. Zulässig ist dies dann, wenn der angewandte Erfahrungssatz einem typischen Geschehensablauf und dem neuesten Stand der Erfahrung entspricht sowie eine eindeutige Aussage enthält. Der Anscheinsbeweis läßt die Beweislast unberührt. Er erleichtert der beweisbelasteten Person lediglich die Beweisführung.278 Der Anscheinsbeweis setzt voraus, daß ein Tatbestand feststeht, bei dem der behauptete ursächliche Zusammenhang oder das behauptete Verschulden typischerweise gegeben ist und daß durch die Regeln des Lebens oder durch Erfahrungswissen regelmäßig auf einen bestimmten Verlauf hingewiesen wird. Dabei

277

BGH NJW 95,2161,2164. ZPO, § 115, S. 661 und 664.

278 Rosenberg/Schwab,

s•

116

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

muß der Fall so sehr das Gepräge des Üblichen und Gewöhnlichen tragen, daß die besonderen Umstände in ihrer Bedeutung zurticktreten. 279 In diesem Zusammenhang und für die Produzentenhaftung ist hierbei wesentlich, daß die Rechtsprechung es zuläßt, mittels des Anscheinsbeweises von einem festgestellten Erfolg auf die Ursache zu schließen. 280 Der Anscheinsbeweis erstreckt sich zum einen auf die Verursachung des Produktfehlers, zum anderen aber auch auf die Kausalität. Die Feststellung des Kausalzusammenhanges zwischen Rechtsgutverletzung und Produktmangel ist aber unter Umständen ebenso schwer zu beweisen, zumal dann, wenn auch andere Ursachen (Fehlgebrauch, Sabotage, Zusammenwirken mehrerer Mängel, wobei sich der Hersteller fur einen Mangel aber von vornherein entlasten kann) zum Schadengefuhrt haben können. 281 Nach der gesetzlichen Regelung hat prinzipiell der Geschädigte diesen Kausalitätsnachweis zu fuhren. Sofern jedoch feststeht, daß ein Produkt nicht die erforderliche Sicherheit aufwies, also fehlerhaft war, und daß bei seinem Gebrauch ein Schaden entstand, nimmt die Rechtsprechung in weitem Umfang einen Anscheinsbeweis fur die haftungsbegründende Kausalität an.282 Auch hierbei muß ein typischer Geschehensablauf feststehen, bei dem nach der Lebenserfahrung auf die Verursachung durch ein bestimmtes Verhalten geschlossen werden kann. Der behauptete Vorgang muß zu jenen gehören, die schon auf den ersten Blick nach einem durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägten Muster abzulaufen pflegen. 283 Ist der Anscheinsbeweis gelungen, kann der Gegner diesen aber durch einfachen Gegenbeweis erschüttern. Dieser Gegenbeweis wird gefuhrt, indem ein Sachverhalt dargetan wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Verfahrensablaufes ergibt. Die Tatsachen, aus denen eine solche Möglichkeit abgeleitet wird, bedürfen aber des vollen Beweises. Der Gegner hat dabei jedoch nicht zu beweisen, daß sich ein abweichendes Geschehen wirklich ereignet hat. 284 Der Hersteller kann somit einen Anscheinsbeweis entkräften, indem er konkrete Anhaltspunkte vorträgt, die auch einen anderen, nicht typischen GescheVgl. Thomas!Putzo, ZPO, § 286, Rdnr. 12. Zöller, ZPO, Rdnr. 30a vor§ 284;BGH VersR 58, 107; BGH VersR 91, 460; BGH NJW 91,230, 231; BGH NJW-RR 93, 1117. 281 Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/ Foerste, § 30 Rdnr. 83. 282 BGH VersR 67,498, 499f; BGHZ 51, 91ff., 274; BGH VersR 74,263, 264; BGH VersR 71, 80, 82; Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/ Foerste, § 30 Rdnr. 88. 283 BGH NJW 91, 230, 231; BGH NJW 95, 667; Baumbach!Lauterbach, ZPO, Anh. § 286, Rdnr. 16. 284 Rosenberg/Schwab, ZPO, § 115, S. 664; Thomas!Putzo, ZPO, § 286, Rdnr. 13. 279 280

HI. Deliktische Haftung

117

hensablauf und damit eine andere Schadensursache wahrscheinlich erscheinen lassen. Dies kann dadurch geschehen, daß er eine spätere Fehlerentstehung nachweist, beispielsweise durch eine Fehlbenutzung oder durch Abnutzung. Weiterhin bleibt es ihm unbenommen, nachzuweisen, daß der Produktfehler erst in der späteren Vertriebskette entstanden ist oder sich durch ungenügende und mangelhafte Weiterverarbeitung eingeschlichen hat. Er kann aber auch darlegen, daß er in allen relevanten Bereichen (Konstruktion, Produktion, Instruktion, Produktbeobachtung) sämtliche organisatorischen Vorkehrungen zur Fehlervermeidung und Fehlerentdeckung getroffen hat. Hier ist nun zu überlegen, ob nicht der Schädiger bereits seiner Beweislast nachkommt, wenn er nachweist, ein bestimmtes Betriebssystem eingehalten zu haben. In den USA wurde dazu bereits früher vorgeschlagen, daß ein Produkt dann nicht als fehlerhaft gelten soll, wenn ein optimales Betriebssystem eingehalten wurde. 285 Diesen Weg gehen auch verschiedene Produktsicherheitsrichtlinien der Europäischen Gemeinschaft. Danach gilt ein Produkt als sicher, wenn es zertifiziert worden ist. Die Vermutungswirkung der Fehlerfreiheit kann vom Geschädigten aber entkräftet werden. 286 Diese Regelung fuhrt dazu, daß der Geschädigte wiederum die volle Beweislast fiir die anspruchsbegründenden Tatsachen hinsichtlich des Produktfehlers sowie des dadurch eingetretenen Schadens trägt. 287 Es ergibt sich hier eine identische Situation wie im Bereich des Produkthaftungsgesetzes, wo der Hersteller die Möglichkeit der Entlastung durch den Nachweis der Fehlerfreiheit im Zeitpunkt des Inverkehrbringens hat. 288 Aber auch in der hier einschlägigen Fallkonstellation kann es zu keinem anderen als dem oben geschilderten Ergebnis kommen. Die Einrichtung eines Qualitätsmanagementsystems und dessen Zertifizierung ist kein Anhaltspunkt dafiir, daß die gewählte Organisation tatsächlich bezüglich der Vermeidung, Erkennung und Beseitigung von Fehlern wirksam ist. Insbesondere ist ein Vergleich mit Produktzertifikaten unzulässig. Dabei wird das konkrete Produkt auf seine Sicherheit hin untersucht. In eine solche Untersuchung fließen dann produkt- und anwendungsspezifische Forderungen mit ein. Nicht so aber bei einem Qualitätsmanagementsystem und dessen Zertifizierung. Eine solche Beurteilung des Unternehmens ist abstrakt und losgelöst von dem Produkt oder der zu erbringenden Dienstleistung. Ein Anscheinsbeweis fiir den Hersteller dahingehend, die objektiv gebotenen Sorgfaltspflichten beachtet zu haben, wird dadurch nicht geschaffen.

285

374ff.

Vgl. Twerski!Weinsteinlu. a., shifting perspectives, N.Y.U.L. Rev. 55 (1980), 347,

Möllers, Rechtsgüterschutz, S. 244. Schlutz, Haftungstatbestände, DStR 94, 707, 712. 288 Siehe dazu Abschnitt "b) Fehlerfreiheit im Zeitpunkt des Inverkehrbringens", ab Seite 61. 286 287

118

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

6. Einhaltung der inneren Sorgfalt Die innere Sorgfalt ist nur dann verletzt, wenn fur den Täter die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorhersehbar gewesen wäre und er die Möglichkeit der Vermeidung gehabt hätte. Denn der Fahrlässigkeitsvorwurf kann nur bei Vermeidbarkeil des schädigenden Verhaltens und Erfolges erhoben werden; sorgfaltiges Verhalten muß dem Schädiger also möglich und zurnutbar gewesen sein.289 Der Maßstab, der hierbei anzulegen ist, ist grundsätzlich ein objektivtypisierender. Dabei ist nicht auf die individuelle Fähigkeit des einzelnen abzustellen, sondern auf die im Verkehr verlangten Sorgfaltsanforderungen. Entscheidend sind daher nicht die speziellen Fähigkeiten des einzelnen Täters, sondern die Fähigkeiten, die an die Verkehrsgruppe gestellt werden. 290 Der objektiv-typisierte Fahrlässigkeitsmaßstab geht vom Grundsatz der "objektiven Übernahme" aus: Von jedermann wird grundsätzlich erwartet, daß er die Sorgfalt setzt, die der Verkehr an seiner Stelle erwartet. 291 Versucht sich jemand mit dem Argument zu entlasten, daß es ihm persönlich nicht möglich war, die geforderten Sorgfaltsanforderungen zu erfullen, so verändert sich in diesem Falle der Schuldvorwurf dahingehend, daß er es übernommen hat, eine solche Tätigkeit auszuüben, obwohl er nicht die in ihn gesetzten Erwartungen hinsichtlich der notwendigen Sorgfalt erfullen konnte. Die Frage nach der Einhaltung der geforderten Sorgfalt muß somit davon ausgehen, daß jeder die in den Verkehrskreisen, in denen er tätig wird, und die fur die berufliche Rolle, die er wahrnimmt, geltenden Verhaltensregeln kennt. Die einzig mögliche Entlastung ist in diesem Fall somit nur, wenn es dem Schädiger unmöglich war, die Sorgfaltswidrigkeit seines Verhaltens zu erkennen. Bewertungszweifel über die Pflichtmäßigkeit oder Pflichtwidrigkeit des schädlichen Verhaltens gehen dabei zu Lasten des Handelnden.292 Trägt der Hersteller nun vor, daß er sich darauf verlassen habe, daß er durch das zertifizierte Qualitätsmanagementsystem alle Sorgfaltsanforderungen erfullt habe, er also nicht erkennen konnte, daß er die Verkehrspflichten noch nicht ausreichend erfiillt habe, so ist dies dennoch unbedeutend und entlastet ihn nicht bezüglich des Verschuldens. So sind die Verkehrspflichten von Betrieb zu Betrieb, von Produkt zu Produkt unterschiedlich, das zertifizierbare QualitätsmanageGeige/, Haftpflichtprozeß, Kap. 2, Rdnr. 40; Wussow, UnfallhaftpflichtR, Rdnr. 49. Deutsch, Unerlaubte Handlung, Rdnr. 123. 291 BGHZ 24, 21, 27; BGHZ 39, 281, 283; BGH NJW 88, 909; Deutsch, Unerlaubte Handlungen, Rdnr. 123; Larenz, Schuldrecht I,§ 20 III m.w.N. 292 Vgl. Geige/, Haftpflichtprozeß, Kap. 2, Rdnr. 29; BGH VersR 81, 636; BGH VersR 85, 64. 289 290

III. Deliktische Haftung

119

mentsystem dagegen aber zu abstrakt, um eine Aussage dahingehend zu treffen, daß im speziellen Fall alle Pflichten beachtet worden sind. An denjenigen, der Schrauben fiir Möbel herstellt, werden andere Anforderungen bezüglich seiner Verkehrspflichten gestellt, als an denjenigen, der Schrauben beispielsweise fiir Flugzeuge produziert. Beide Unternehmen lassen sich nach der gleichen Norm zertifizieren, die einzelnen Anforderungen an die zu erfiillenden Verkehrspflichten sind aber völlig unterschiedlich. Dies muß der Hersteller selbst erkennen. Dabei helfen Zertifikate von Dritten, die sich nur auf die abstrakte Qualitätsfahigkeit beziehen, nicht. 7. Die Haftung für Gehilfen nach§ 831 BGB

Haftungsadreessat des zivilen Haftungsrechts kann sowohl das Unternehmen, also zum Beispiel die Aktiengesellschaft oder GmbH, das im Unternehmen fiir den Fehler verantwortliche Mitglied der Geschäftsleitung, innerhalb der hierarchischen Struktur eine Führungskraft als auch der Mitarbeiter, der einen Montage- oder Anlagenwartungsfehler verursacht hat, sein.293 Kommt es im Betrieb zu einer Verkehrspflichtverletzung, haftet somit nicht ohne weiteres der Inhaber des Betriebes, sei er Einzelkaufmann oder eine juristische Person, dafür; auch die Organe einer juristischen Person sind nicht ohne weiteres verantwortlich. Denn die Sorgfaltspflichten, welche hinsichtlich der Produktsicherheit gegenüber dem Verbraucher bestehen, richten sich nicht zuletzt auch nach der Funktion, die innerhalb des Herstellungsverfahrens wahrgenommen wird. 294 Kann sich nunmehr der Betriebsinhaber aber von dem Vorwurf eines Organisationsverschuldeos entlasten und somit einer Haftung, die an ein eigenes Verschulden anknüpft entgehen, hat er dennoch fiir die Fehlleistungen aller von ihm zur Fertigung herangezogenen Personen nach § 831 BGB einzustehen. Die Haftung aus § 831 BGB fiir Schäden, die ein Gehilfe in Ausübung seiner Tätigkeit einem anderen widerrechtlich zufügt, spielt im Produkthaftungsrecht zwar nur eine geringe Bedeutung295 , dennoch fmden sich immer wieder Urteile des Bundesgerichtshofes zu diesem Haftungstatbestand. So zuletzt das Urteil vom 16. März 1993 296, wo dem Geschädigten ein Schadensersatz in Höhe von

293 Schmidt-Salzer, Untemehmenshaftung, in: Ahrens/Simon, Umwelthaftung, Risikosteuerung, S. 59, 66. 294 Westphalen, Produkthaftungshandbuch I/ Foerste, § 24 Rdnr. 262. 295 Über die Bestrebungen, den Wirkungsbereich des § 831 BOB im Bereich der Produzentenhaftung einzuschränken, siehe Westphalen, Produkthaftungshandbuch l/Foerste, § 38, Rdnr. 3, 4. 296 BGH VersR 93, 764; vgl. dazu auch Kullmann, Rechtsprechung 92-94, NJW 94, 1698, 1702.

120

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

I ,8 Millionen Mark wegen mangelhafter Instruktion durch einen Kundenbetreuer des Herstellers über die Ungeeignetheit eines Reinigungsmittels fur verzinkte Metallteile zugesprochen wurde. Im Regelfall hat der Geschädigte zunächst zu beweisen, daß sein Schaden auf der Fehlleistung einer solchen - nicht notwendig namentlich zu benennenden Person beruht, sofern sich dies nicht aus den Umständen ergibt. Da der Geschädigte jedoch regelmäßig von sich aus nicht zu übersehen vermag, inwieweit der Fertigungsprozeß auch die Möglichkeit von Fehlerquellen durch menschliches Einzelversagen enthält, muß der Hersteller darlegen und beweisen, daß der organisierte Produktionsablauf keiner Störung durch individuelle Fehlleistungen von Bediensteten ausgesetzt war. Hat der Ersatzpflichtige auch nicht im einzelnen vorgetragen, daß nach Art der Fertigung unfallursächliche Fehlleistungen einzelner Arbeitnehmer ausgeschlossen waren, dann muß er die mit der Fertigung gerade des schadensursächlichen Gegenstandes seinerzeit befaßten Arbeitnehmer benennen und sich bezüglich der Auswahl und Überwachung jedes einzelnen nach § 83I Abs. I S. 2 BGB entlasten. 297 So muß bei einem größeren Personal der Geschäftsherr bei einer Haftung nach § 83I BGB entweder dartun, auf welche Personen die Schaden zufugende Handlung zurückzufuhren ist, und alsdann fur diese Personen seine Sorgfalt in der Auswahl dartun, oder er muß diesen Nachweis für alle Personen im einzelnen fuhren, die als Urheber der Handlung in Betracht kommen können. Zudem ist die ordnungsgemäße Beaufsichtigung des Personals zur Zeit der schädigenden Verrichtungstätigkeit nachzuweisen. 298 Bei größeren Unternehmen wird dem Geschäftsherm die Möglichkeit eröffnet, einen sogenannten dezentralisierten Entlastungsbeweis zu fuhren. Das bedeutet, daß er sich bei einer größeren Betriebsorganisationen, wo die Wahrnehmung der Auswahl und Überwachung des Personals weitgehend durch Hilfspersonen unterhalb der haftungsrechtlichen Organebene vorgenommen wird, nur hinsichtlich der Auswahl und Überwachung dieser Leitungsebene entlasten muß. Aber auch in diesen Fällen bleibt es Aufgabe des Geschäftsherm, "allgemeine Aufsichtsanordnungen zu treffen, die die Gewähr fur eine ordentliche Beweisfuhrung bieten. Sollte ein Mangel der Organisation vorliegen (d. h. eine allgemeine Aufsicht auf allen Stufen der Betriebshierarchie effektiv nicht gewährleistet sein), so ist der Geschäftsherr wegen Vernachlässigung der allgemeinen Aufsicht aus § 823 Abs. 1 BGB haftbar". 299 Er haftet fur eine verschuldete fehlerhafte oder unzureichende Aufsicht, das heißt fur ein Organisationsverschulden.300 BGH VersR 73, 862. RGZ 87, I, 4. 299 Vgl. BGH VersR 64, 297; vgl. dazu unter anderem auch MünchKomrn!Mertens, § 831 Rdnr. 22. 300 Sch/echtriem, Organisationsverschulden, in FS für Heiermann, S. 281 , 284. 297 298

!II. Deliktische Haftung

121

Wurde das pflichtwidrige Verhalten eines Mitarbeiters festgestellt oder konnte es vom Geschäftsherrn jedenfalls nicht widerlegt werden, so wird sein Verschulden bei der Auswahl bzw. Beaufsichtigung des Mitarbeiters vermutet. Der Geschäftsherr kann sich jedoch entlasten, indem er diese Vermutung widerlegt. Er muß dafür darlegen und beweisen, daß er den betreffenden Mitarbeiter sorgfaltig ausgewählt, angeleitet und überwacht hat, § 831 Abs. 1 S. 2 BGB, daß dessen Verfehlung für den Geschäftsherrn also unvermeidlich war.301 In Verbindung mit einem Qualitätsmanagementsystem ist dabei einzig die Frage interessant, ob der Gehilfe ordentlich angeleitet und überwacht wurde. § 831 Abs. 1 S. 2 BGB gebietet dem Geschäftsherrn hinsichtlich der Anleitung der Gehilfen, notwendige konkrete Leitungsmaßnahmen bei der Ausfuhrung einer Verrichtung sorgfaltig vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Darüber hinaus bedarf es insbesondere in größeren Unternehmen und für Tätigkeiten, die sich einer konkreten Anleitung entziehen, der Aufstellung von Dienstanweisungen und Richtlinien302 durch den Geschäftsherrn, soweit dieses Verfahren geeignet und geboten erscheint, um die Gefahrdung des Verkehrs auf ein Mindestmaß herabzusetzen. Außer den konkreten Anleitungen und der abstrakten Richtliniengebung gehören Instruktion, Belehrung und Fortbildung des Personals zu den Pflichten des Geschäftsherrn. Auch hier gilt aber, daß diese Pflicht umso intensiver wahrzunehmen ist, je weitmaschiger die Kontrolle ist, der die Tätigkeit des Gehilfen unterliegt. 303 Weiterhin hat sich der Geschäftsherr laufend von der ordnungsgemäßen Dienstausübung der Verrichtungsgehilfen zu überzeugen. Art und Ausmaß der Überwachung richten sich nach den Umständen des Einzelfalles; insbesondere sind dabei die Verkehrsgefährdung durch die übertragene Tätigkeit, die Persönlichkeit des Gehilfen, sein Alter und seine Vorbildung und Erfahrung und seine bisherige Bewährung im Verhältnis zu der von ihm zu erfullenden Aufgabe zu berücksichtigen. 304 Es muß davon abgesehen werden, starre Regeln für die Überwachung aufzustellen.305 Bei der Beweisführung des Geschäftsherrn bezüglich der ordentlichen Überwachung des Gehilfen sind solche möglichen Pflichtverletzungen zu thematisieren, die im konkreten Fall die Gefahr der rechtswidrigen Schädigung durch den Gehilfen erhöht haben könnten, sowie sonstige vom Verletzten vorgetragene Umstände und die Frage einer sachgerechten Organisation im allgemeinen. Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/ Foerste, § 38 Rdnr. I. Dazu beispielsweise BGH VersR 69, 518; OLG Stuttgart VersR 84, 1078. 303 MünchKomm/Mertens, § 831 Rdnr. 18, 19. 304 MünchKomm!Mertens, § 831 Rdnr 15; Westphalen, Produkthaftungshandbuch II Foerste, § 38 Rdnr. 8. 305 BGH VersR 66, 364. 301

302

122

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Die Vermutung des § 831 Abs. l S. 2 ist nicht schon durch den Nachweis widerlegbar, daß die unerlaubte Handlung des Gehilfen mit keiner den Umständen nach in Betracht kommenden Sorgfaltsverletzung des Geschäftsherrn konkret im Rechtswidrigkeitszusammenhang steht. Vielmehr muß der Entlastungsbeweis dahingehend gefiihrt werden, daß auch eine das abstrakte Risiko einer unerlaubten Handlung des Gehilfen erhöhende Sorgfaltsverletzung nicht vorliegt. 306 Denn die Rechtsprechung307 setzt fiir eine Haftung nach § 831 BGB nicht voraus, daß sich im Schadensfall gerade deijenige Mangel eines Gehilfen ausgewirkt hat, den der Geschäftsherr bei sorgfältiger Überwachung hätte erkennen und abstellen können. Hätte er den Gehilfen allgemein besser überwachen müssen, so genügt es, daß durch seine Sorgfaltspflichtverletzung die abstrakte Gefahr von Fehlhandlungen des Gehilfen erhöht worden ist. 308 Die Rechtsprechung verlangt somit in diesen Fallkonstellationen keinen Rechtswidrigkeitszusammenhang. Jedoch ist die Behauptung, es seien generell in dem Betrieb die notwendigen Kontrolleinrichtungen vorhanden, ungenügend. Es sind vielmehr Einzelheiten anzugeben, also etwa Kontrollpersonen zu benennen. 309 Denn das ganz allgemeine, in keiner Weise spezifizierte Vorbringen, alle für die Kontrolle in Betracht kommenden Betriebsangehörigen seien ausgewählt und überwacht worden, kann mangels konkreter Nachprüfbarkeit nicht ausreichen. 310 Aus diesem Grunde ist auch ein Qualitätsmanagementsystem fiir den Nachweis der ordnungsgemäßen, pflichtgemäßen Überwachung und Anleitung nicht ausreichend. So hat der Geschäftsherr dadurch zwar die Möglichkeit, den Nachweis fiihren zu können, daß in seinem Unternehmen die Art und Weise von Überwachungsmaßnahmen geregelt worden sind. Aber auch hier sind die Vorgaben von DIN ISO 900lff. an das Qualitätsmanagementsystem zu abstrakt und allgemein gehalten. Kontrollpflichten sind, wie oben dargelegt, von ganz unterschiedlichen, insbesondere persönlichen Umständen und den speziellen Tätigkeiten im einzelnen Unternehmen abhängig. Bei der Implementierung und Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems nach DIN ISO 9001ff. kann aber gerade keine Aussage dahingehend getroffen werden, ob und wie die Kontrolle des einzelnen Verrichtungsgehilfen tatsächlich durchgeführt wird. Insbesondere kann darin eine im Einzelfall notwendig werdende verstärkte Überwachung oder Anleitung nicht dokumentiert werden. MünchKomm!Mertens, § 831 Rdnr. 60. Beispielsweise BGH NJW 78, 1681; BGH VersR 61,848. 308 MünchKomm!Mertens, § 831 Rdnr. 55. 309 Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, Rdnr. 511. 310 BGH VersR 59, 104. 306 307

V. Haftungskonstellation bei Einbeziehung eines Zulieferers

123

IV. Zwischenergebnis Zusammenfassend kann man somit sagen, daß ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. sowohl im Bereich der Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz als auch im Bereich der Produzentenhaftung nach § 823 BGB keinen direkten Einfluß auf die Haftungssituation im Unternehmen hat. Ein Qualitätsmanagementsystem kann nicht von dem Vorwurf entlasten, das Produkt sei nicht fehlerhaft im Sinne von§ 3 ProdHaftG. Entsprechendes gilt bei der Frage der Fehlerfreiheit im Zeitpunkt des Inverkehrbringens und fiir die Entlastung wegen mangelnder Erkennbarkeit des Produktfehlers durch den Unternehmer. Im Bereich der Produzentenhaftung besteht ein umfassender und ausdifferenzierter Katalog der unternehmensspezifischen Verkehrspflichten. Diesen kann der Unternehmer in erster Linie nur durch eine umfassende Unternehmensorganisation gerecht werden. Die abstrakten Forderungen der DIN ISO 9000ff.-Normen zum unternehmensinternen Qualitätsmanagementsystem können diesen Anforderungen an die zu beachtenden Verkehrspflichten nicht gerecht werden. Die Forderungen sind sowohl zu allgemein als auch zu abstrakt, als daß man lediglich anband eines vorhandenen Zertifikates Rückschlüsse auf tatsächliche unternehmensinterne Erfiillung der Verkehrspflicht ziehen könnte. Die einzelfallbezogene Frage nach der Beachtung der unternehmenstypischen Sorgfaltspflichten kann nicht durch abstrakte Darlegungen ersetzt werden. Unabhängig davon gibt ein Qualitätsmanagementsystem dem Unternehmer aber die Möglichkeit durch das Vorhandensein einer systemnotwendigen Dokumentation aller wesentlichen Organisationsmaßnahmen und Abläufe, Unterlagen vorzulegen, die ihm dem Nachweis der Beachtung der Verkehrspflichten ermöglichen.

V. Haftungskonstellation bei Einbeziehung eines Zulieferers In der heutigen arbeitsteiligen Wirtschaft kommt es immer seltener vor, daß sämtliche Einzelteile eines Produktes von demselben Hersteller stammen. Die Gründe fiir die Vergabe von Produktionsteilen an Dritte bzw. den Fremdbezug von Teilen sind dabei recht vielfältig. Sie reichen von kapazitätsbedingten Gründen über die Inanspruchnahme des speziellen Know-hows eines Dritten bis zu Kostenentscheidungen. Wenn im folgenden von Zulieferem die Rede ist, dann soll damit ein Unternehmen bezeichnet werden, das von einem anderen Unternehmen, dem Abnehmer oder Endhersteller, beauftragt wird, diesem bestimmte Waren zu liefern, eventuell auch begleitende Dienstleistungen zu erbringen, die

124

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

der Abnehmer fur seine geschäftlichen Zwecke benötigt. 311 Läßt sich der einzelne Hersteller aber Teile zuliefern, können sowohl diese zugelieferten Teile fehlerhaft sein, als auch durch die eigene Leistung des Endherstellers Fehler entstehen, die Auswirkungen auf das Endprodukt haben können. Im Vorgriff auf die folgende Untersuchung sei jedoch angemerkt, daß sich die Betriebe in begrenztem Umfang auf die sachkundige Erfullung der Sicherungsund Kontrollaufgaben durch andere verlassen müssen. Auch muß dabei berücksichtigt werden, daß dem Hineinregieren in einen fremden Betrieb durch die Notwendigkeit zu vertrauensvoller Zusammenarbeit, durch Selbständigkeit und Weisungsunabhängigkeit der beteiligten Unternehmen als Korrelat fur das unternehmerische Wagnis Grenzen gesetzt sind. Auch im Team kann der Partner nicht auf Schritt und Tritt kontrolliert werden. 312 Um nicht auch fur die Fehler der Zulieferer einstehen zu müssen, versucht der Endhersteller, eine ihn eventuell treffende Haftung auf die Zulieferer abzuwälzen. Die Verlagerung von Risiken aus der Produkthaftung vom Hersteller auf den Zulieferer ist in zweierlei Art und Weise denkbar. Der Hersteller kann zum einen durch eine entsprechende Vereinbarung mit dem Zulieferer versuchen, diesem bereits im Außenverhältnis, regelmäßig im Verhältnis zum Endabnehmer, das Haftungsrisiko aufzubürden. Bei der Anwendung des Produkthaftungsgesetzes kommt der Vereinbarung über die Haftungsverlagerung im Außenverhältnis jedoch geringe Bedeutung zu. Die Grundkonzeption der Haftung als Gefahrdungshaftung schließt eine nach außen wirkende Haftungsreduzierung aus. Eine Modifizierung des Kreises der Ersatzpflichtigen scheitert an§ 14 ProdHaftG. Weiterhin wird der Endhersteller bemüht sein, durch eine umfassende Regreßvereinbarung den Zulieferer im Innenverhältnis fur den Fall seiner Inanspruchnahme haftbar zu machen313 oder durch geeignete Maßnahmen zu erreichen versuchen, daß er fur Fehler des Zulieferproduktes nicht einzustehen hat. In gleicher Weise setzt sich aber der Zulieferer einem erhöhten Haftungsrisiko aus, da er Produkte zur Weiterverarbeitung einem Dritten überläßt, der auf dieses Teilprodukt einwirken kann, ohne daß dies durch den Zulieferer beeinflußt werden kann. Somit hat auch der Zulieferer ein Interesse daran, daß er nicht fur Schäden in Anspruch genommen wird, die nicht durch ein von ihm fehlerhaft hergestelltes Zulieferteil entstanden sind.

Martinek, Zulieferverträge, S.l. RGRK-BGB!Steffen, § 823, Rdnr. 270. 313 Siehe dazu unter anderem Ensthaler, Qualitätssicherungsvereinbarungen, NJW 94, 817, 822. 311

312

V. Haftungskonstellation bei Einbeziehung eines Zulieferers

125

1. Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz und Auswirkung eines Qualitätsmanagementsystems

a) Haftungslage

Die Haftung für fehlerhafte Produkte nach dem Produkthaftungsgesetz ist nicht auf den Hersteller des Endproduktes kanalisiert. Haften müssen auch der Teile-Produzent und der Grundstoff-Produzent (die Zulieferer). Deren Haftung ist jedoch nur dann aufgerufen, wenn das zugelieferte Teil für sich fehlerhaft ist. 314 Liegt ein fehlerfrei zugeliefertes Produkt vor, so entsteht durch dessen Einbau in das Endprodukt oder die Verwertung zu einem Endprodukt selbst dann keine Haftung des Zulieferers, wenn nunmehr das Endprodukt fehlerhaft sein sollte. 315 Nach dem Produkthaftungsgesetz haftet der Zulieferer nur für Schäden des Endverbrauchers, die durch das fehlerhafte Zulieferteil verursacht worden sind. Der Hersteller des Endproduktes haftet dagegen auch für Fehler des Gesamtproduktes, die durch ein Zulieferteil verursacht worden sind. Diese Haftung erstreckt sich dabei auf jede Herstellerstufe, soweit Zulieferprodukte verwendet werden. 316 b) Beweislastfür die Fehlerhaftigkeitdes Teilproduktes

Der Produktgeschädigte hat bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Hersteller des Teilproduktes den Nachweis dahingehend zu führen, daß zum einen das Folgeprodukt schadensursächlich war und weiterhin, daß innerhalb des Folgeproduktes die Ursache auf das betreffende Teilprodukt zurückzuführen ist. Bleibt nach Lage der Dinge offen, ob innerhalb des Folgeproduktes die Ursache auf das betreffende Teilprodukt oder aber auf ein anderes Teilprodukt zurückzuführen ist, ist gegenüber dem Hersteller des Teilproduktes der grundsätzliche Fehlernachweis nicht geführt, daß gerade dieses (Teil-)Produkt schadensursächlich war. Kann der Nachweis des fehlerhaften Zulieferteils nicht geführt werden, so tritt zwar keine Haftung des Zulieferers ein, unberührt davon bleibt jedoch die Haftung des Endherstellers. In diesem Zusammenhang spielt ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem des Zulieferers keine Rolle, da der Geschädigte die ganze Beweislast trägt und auch kein Anscheinsbeweis dahingehend ersichtlich ist, daß das schadensverursachende Produkt auf einem Fehler von Einzelteilen, die vom Endhersteller zugekauft wurden, beruht. Taschner/Frietsch, Produkthaftung, § I Rdnr. 55, 73, 113ff. und§ 4 Rdnr. 36. Frietsch, Gesetz, DB 90, 29, 30. 316 Siehe Rothe, Rechtliche Aspekte, QZ 93,475, 476. 314 315

126

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

c) Auswirkung eines Qualitätsmanagementsystems auf die Haftungslage

Die in § I Abs. 2 ProdHaftG genannten Haftungsausschlußgründe fmden sowohl auf den Hersteller des Endproduktes wie auch auf den Zulieferer Anwendung. Für denjenigen Hersteller, der Zulieferteile verwendet, gilt nichts anderes als für denjenigen, der ein Produkt ohne den Fremdbezug von Teilen herstellt. Auch der Zulieferer scheidet dann als Haftungsadressat aus, wenn er das Produkt fehlerlos in den Verkehr gebracht hat und der Fehler erst später im Laufe des Fertigungsprozesses entstanden ist. 317 Die Auswirkungen eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems nach DIN ISO 9000ff. auf den Nachweis des Vorliegens eines solchen Haftungsausschlußgrundes durch den Endhersteller müssen hier nicht nochmals erörtert werden, insoweit sei auf die vorhergegangene Darstellung verwiesen. Ein Zulieferer mit einer entsprechenden Qualitätskontrolle erleichtert sich den Gegenbeweis mangelfreier Erfiillung seines Liefervertrages und erfiillt die ihm obliegende Gefahrenabwendungspflicht. Prüfzertifikate, Testergebnisse, Analysen ermöglichen die Verteidigung gegenüber Ersatzansprüchen Dritter, weil so nachgewiesen werden kann, daß das Zulieferteil nicht fehlerhaft war. 318 Kann der Zulieferer die Fehlerlosigkeit des Produktes im Rahmen seiner Qualitätskontrollen dokumentieren, so schafft dies den ersten Anschein, daß das Zulieferprodukt fehlerlos war und er von der Produkthaftung freizustellen ist. 319 Aber ein abstrakter Nachweis der Fehlerfreiheit allein durch ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem scheidet auch hier aus. Für den Hersteller eines Teilproduktes gibt es jedoch unabhängig von den Haftungsausschlußgründen des § I Abs. 2 ProdHaftG noch eine wichtige Ausnahme: Nach § I Abs. 3 ProdHaftG ist die Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn der Fehler erst durch die Konstruktion des Produktes, in welches das Teilprodukt eingebaut wurde (1. Alt.), oder durch die Anleitung des Herstellers des Endproduktes (2. Alt.) verursacht worden ist. Die erste Alternative von § 1 Abs. 3 ProdHaftG hat dabei nur eine klarstellende Funktion. Denn wenn der Schaden des Endproduktes nur und ausschließlich deshalb eintritt, weil das ansonsten fehlerfreie Produkt des Zulieferers allein durch eine falsche Verwendung des Endherstellers eintritt, so entfällt die Haftung des Zulieferers bereits schon deshalb, weil sein Produkt fehlerfrei war? 20

Begriffe, Wirtschaftsrecht, 93, 53, 54. Quittnat, Qualitätssicherungsvereinbarungen, BB 89, 571 , 572. 319 Nagel, Just-in-Time, DB 91,319,325. 320 Kretschmer/A/leweldt, Produkthaftung, Rdnr. 327; Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz, Art. 7, Rdnr. 61; Schmidt-Salzer/Hol/mann, EG-Richtlinie, Art. 7, Rdnr. 151 ff.; Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/Foerste, § 64, Rdnr. 7; weitergehend: 317 Jaschke, 318

V. Haftungskonstellation bei Einbeziehung eines Zulieferers

127

Die zweite Alternative von § I Abs. 3 ProdHaftG greift zugunsten des Zulieferers ein, wenn dieser das Produkt nach fehlerhaften Angaben (bindende, konstruktive Weisungen) des Endherstellers konstruiert oder gefertigt hat. Man kann den Inhalt des § I Abs. 3 (2. Alt.) ProdHaftG somit dahingehend zusammenfassen, daß die Ersatzpflicht eines Zulieferers dann entfallt, wenn er - bildlich gesprochen- als "verlängerte Werkbank" des Endherstellers fungiert und sich exakt an dessen Vorgaben und Weisungen hält. Erforderlich ist also ein fehlerhaftes Zulieferprodukt, das durch seinen Einbau oder seine Verwendung zu einem fehlerhaften Endprodukt fuhrt, durch das ein Schaden verursacht wird. 321 Der Umstand, daß die Herstellung des Teilproduktes durch die Anleitung des Endherstellers vorgegeben war, entlastet den Zulieferer jedoch nicht ausnahmslos. Auszugehend ist somit von der Grundregel, daß die Verwendbarkeit des Teilproduktes zu einem bestimmten Zweck grundsätzlich Sache des Endherstellers ist. Dies entspricht jedoch immer seltener der Wirklichkeit der arbeitsteiligen Wirtschaft. Oftmals fertigt der Zulieferer das Teilprodukt zu einem vom Endhersteller vorgegebenen Zweck oder wird bei der Konstruktion hinzugezogen und übernimmt so immer mehr (Mit-)Verantwortung auch bezüglich der Verwendung des Teilproduktes im Endprodukt. Vorausgesetzt werden muß somit, daß es an einem zurechenbaren Tatbeitrag des Zulieferers fehlt. Ein solcher wäre beispielsweise auch dann gegeben, wenn er eine besondere Sachkunde auf diesem Gebiet hat und die Fehlerhaftigkeit sich ihm aufdrängf22 oder wenn er von sich aus einen Anlaß hatte, die konstruktiven Vorgaben und die Prüfrichtlinien des Herstellers anzuzweifeln. Wenn sich ihm bei der Arbeit an und mit dem herzustellenden Teil - auch im Hinblick auf den angestrebten Verwendungszweck (soweit dieser bekannt ist) - Zweifel an der technischen Zuverlässigkeit anband der technischen Vorgaben aufdrängen, so ist er verpflichtet, den Endhersteller dahingehend zu unterrichten. 323 Der Nachweis der Fehlerhaftigkeit des Teilproduktes obliegt nach den allgemeinen Regeln des § I Abs. 4 ProdHaftG dem Geschädigten. Steht fest, daß das Teilprodukt fehlerhaft war, obliegt es dem Hersteller desselben, nachzuweisen, daß dieser Fehler auf einer Anleitung des Herstellers des Endproduktes beruht und er das Zulieferteil aufgrund dieser Anweisung hergestellt hat. Diesen Nachweis kann der Zulieferer durch die Vorlage von Plänen, Konstruktionsunterlagen, dokumentierten Einzelanweisungen des Herstellers des Endproduktes führen. Ein Rolland, Produkthaftungsrecht, § I, Rdnr. 148; jeweils mit Beispielen zu den einzelnen Variationen von Konstruktionsfehlern und fehlerhaften Zulieferprodukten. 321 Rolland, Produkthaftungsre~ht, § I, Rdnr. !57, !58; Schmidt-Salzer, EG-Richtlinie, Art. 7, Rdnr. 189; Kullmann!Pjister, Produzentenhaftung, Kza. 3602, S. 24; Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/Foerste, § 64 Rdnr. 15. 322 Rolland, Produkthaftungsrecht, § I, Rdnr. !59. 323 Martinek, Zulieferverträge, S. I II.

128

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 900 I unterstützt eine solche Nachweisfiihrung dahingehend, daß es eine Dokumentation des Herstellungsprozesses ermöglicht bzw. fordert. Durch die Dokumentation der Qualitätskontrollen stehen beiden Vertragsparteien Unterlagen zur Verfiigung, mittels derer sich unter Umständen nachweisen läßt, daß kein Fabrikationsfehler oder ein den Zulieferer befreiender Konstruktionsfehler vorlag oder daß das Produkt nach dem neusten Stand der Technik produziert wurde.324 Ob aber der Fehler des Zulieferteiles tatsächlich durch eine fehlerhafte Anleitung verursacht wurde oder durch den Zulieferer nicht noch weitere oder andere Fehler entstanden sind, können durch ein solches Qualitätsmanagementsystem nicht ausgeschlossen werden. Ein eventuell vorhandenes Zertifikat fiir ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 900 I ff. hat somit fiir sich allein keine direkten Auswirkungen auf die Möglichkeit des Zulieferers den Nachweis nach § I Abs. 3 ProdHaftG fuhren zu können. 2. Haftung von Endhersteller und Zulieferer nach allgemeinem Deliktsrecht

Die Pflicht, sichere Produkte in den Verkehr zu bringen, ist nur eine besondere Erscheinungsform der allgemeinen deliktsrechtlichen Gefahrabwendungspflicht. Damit kann sie grundsätzlich weder auf den Hersteller des Endproduktes beschränkt werden, noch kann eine Aufteilung der Verantwortung auf den Hersteller des Endproduktes und den Zulieferer vorgenommen werden. Jedermann muß sich vielmehr so verhalten, daß in seinem Herrschaftsbereich nicht widerrechtlich Ursachen fiir eine Verletzung der in § 823 BGB geschützten Rechtsgüter anderer gesetzt werden. Daraus ergibt sich, daß jeder Unternehmer die deliktsrechtliche Verantwortung fiir das Produkt trägt, das in seinem Unternehmen gefertigt wurde; der Hersteller des Endproduktes grundsätzlich fiir dieses Produkt, ohne Rücksicht darauf, ob es in allen Teilen in dessen Unternehmen hergestellt wurde, der Zulieferer fiir alle von ihm hergestellten Produkte, die zur Herstellung des Endproduktes verwendet werden. So hat auch jeder Zulieferer eigene Herstellerpflichten. Ihm obliegen die gleichen Pflichten wie jedem anderen Warenhersteller, so daß er fiir die ordnungsgemäße Konstruktion, Fabrikation, Instruktion und Beobachtung seines Produktes einzustehen hat. 325 Da die deliktische Produzentenhaftung in der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht begründet ist, trifft sie jeden Hersteller aber auch nur im Rahmen seines Organisations- und Gefahrenbereiches. Bei arbeitsteiligem Handeln müs-

324 Martinek, Rügeverzichtsklauseln, in: FS für Jahr, S. 305, 321 ; siehe dazu auch Quittnat, Qualitätssicherungsvereinbarungen, BB 89, 571, 573. 325 Kullmann/Pjister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 3, 4.

V. Haftungskonstellation bei Einbeziehung eines Zulieferers

129

sen Endhersteller und Zulieferer somit auch nur die in ihre jeweiligen Organisationsbereiche fallenden Gefahrabwendungspflichten erfullen. Die jeweilige Haftung hängt daher davon ab, welche Sicherungspflichten bei der Organisation des Produktionsablaufes und der Produktionskontrolle dem Zulieferer und dem Endhersteller obliegen. Grundsätzlich trägt jeder Hersteller die Verantwortung fur das von ihm gefertigte Produkt, das heißt der Zulieferer fur das Teilprodukt, der Endhersteller fur das Gesamtprodukt inklusive der darin verarbeiteten Teile. Die Haftung des Zulieferers beschränkt sich somit auf seinen Produktionsvorgang und urnfaßt nicht die seinem Einflußbereich und seiner Überprüfungsmöglichkeit entzogene Verarbeitung des Teilproduktes im Endprodukt 326 Der Endhersteller kann wiederum haftungsrechtlich, trotz seiner Verantwortung fur das Gesamtprodukt, bezüglich der Zulieferteile nicht so behandelt werden, als habe er sie selbst hergestellt. 327 Den Endhersteller treffen jedoch als Verantwortlichen fur das Endprodukt auch hinsichtlich der in diesem verarbeiteten Einzelteile eigene spezifizierte Sorgfaltspflichten, die vor allem in der sorgfaltigen Auswahl und Beauftragung des Zulieferers und in der Produktkontrolle liegen. 328 Der Lieferant dagegen ist verpflichtet, in konstruktiver und fertigungstechnischer Hinsicht das von ihm zugelieferte Produkt so zu gestalten, daß der Sicherheitsgrad erreicht wird, der in dem Verwendungsbereich dieser Produkte allgemein fur erforderlich angesehen wird. 329 Einerdeliktischen Haftung nach§§ 823ff. BGB ist es immanent, daß jeder nur fur sein Verschulden einzustehen hat. Somit haftet der Hersteller auch nur, wenn er ihm selbst obliegende Pflichten verletzt hat. Bedient sich nun der Endhersteller der Arbeitsleistung Dritter, verändern sich seine Pflichten bezüglich der Nichtinverkehrgabe fehlerhafter Produkte gegenüber dem Verbraucher/Geschädigten insoweit, als es ihm oftmals nicht mehr möglich ist, auf die Konstruktion, Fabrikation, ... des Zulieferteiles Einfluß zu nehmen. Inhalt und Umfang der Verkehrspflichten sind aber nach dem Grundsatz zu bestimmen, daß der Träger der Verkehrspflicht diejenigen Maßnahmen zu treffen hat, die nach den Umständen des Falles zur Vermeidung bzw. Beseitigung einer Gefahr sowohl erforderlich als auch zurnutbar sind. 330 Die Gefahr- und Schadenszuständigkeit der an der Produktion Beteiligten richtet sich dabei nach dem jeweiligen Herrschafts- und WisMünchKomm!Mertens, § 823, Rdnr. 288. Schmidt-Salzer, EG-Richtlinie Produkthaftung, Ein!., Rdnr. 112. 328 Schmidt-Salzer, EG-Richtlinie Produkthaftung, Ein!., Rdnr. 113; BGH VersR 60, 855, 856; NJW 75, 1827, 923; OLG Düsse1dorfNJW 78, 1693. 329 von Westphalen, FS 40 Jahre Der Betrieb, S. 233, 234; BGH VersR 72, 559, 560; Schmidt-Salzer, Bedeutung, BB 79, 1ff. 330 Unter anderem BGHZ 40, 379ff.; BGH NJW 65, 815; BGH NJW 72,903, 904. 326 327

9 Bayer

130

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

sensbereich. Grundsätzlich hat Sicherungspflichten als Hersteller nur, wer und soweit er den Herstellungsprozeß beherrschen und steuern kann. 331 Der Endhersteller hat im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht jedoch auch die Qualität von Zulieferteilen so zu sichern, daß vom Produkt keine Gefahren ausgehen. Um Haftungsansprüchen bei Schäden zu begegnen, die durch das Endprodukt verursacht wurden, hat der Hersteller den Nachweis zu fuhren, auch die Qualität von Zulieferungen ausreichend gesichert zu haben. 332 Die Haftung fur Schäden durch zugelieferte Teile kann ihre Grundlage zum einen in einer falschen Auswahl oder Spezifikation des Zulieferteiles finden, so daß ein Fall des Konstruktionsverschuldens vorliegt. Sie kann aber auch an den (an sich mangelfreien) Einbau von mangelhaften Teilen anknüpfen. 333 Eine Verantwortung für fehlerhafte Zulieferteile trifft den Endproduktehersteller dann, wenn die Zulieferteile nach seinen Konstruktionsplänen oder Anweisungen erstellt wurden oder wenn er seine Pflicht hinsichtlich der sorgfältigen Auswahl des Zulieferers oder hinsichtlich der ihm möglichen und zurnutbaren Qualitätskontrolle bzw. Überwachung der verwendeten Einzelteile verletzt hat. 334 Uneingeschränkt gilt dies natürlich nur dann, wenn und soweit der Herstellungsprozeß des Endproduktes Kontrollen erfordert, welche sich auch auf die Funktionstüchtigkeit des zugelieferten Einzelteiles beziehen. 335 Eine Ausnahme der Haftung fur zugelieferte Teile ist von der Rechtsprechung336 allerdings lediglich bei einem reinen Montageunternehmen anerkannt worden. Auf der anderen Seite treffen den Zulieferer hinsichtlich des Zulieferteils sämtliche Verkehrspflichten eines Herstellers bezüglich Konstruktion, Fabrikation, u. a. So heißt es in einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofes zur Haftung des Zulieferers fur seine Produkte im Rahmen der Produzentenhaftung gegenüber dem Verbraucher: "Der Hersteller eines Zulieferproduktes hat dafür einzustehen, daß das von ihm gefertigte Produkt im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs in der durch andere in vollem Umfang fehlerfrei und ohne Gefährdung des Eigentums Dritter eingesetzt werden kann. Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehört jeder Einsatz, der nach der Art der Bewerbung und Beschreibung des Produktes durch den Hersteller fur den Verwender, entsprechend dessen Kenntnissen, im Rahmen seines Fachgebietes bei sachgemäßer Betrachtung in Frage kommt."337 Die Recht33 1 RGRK-BGB/Steffen,

§ 823 Rdnr. 270. Qualitätsmanagement, S. 534. 333 Martinek, Zulieferverträge, S. 123; auch BGH VersR 60, 855; BGH NJW 75, 1827; BGHZ 67,359. 334 BGHZ 99, 167, 172; BGHZ 67, 359, 364. 335 BGH VersR 60, 855; siehe zum Gesamten von Westphalen, Grundtypen, Jura 83, 133, 134. 336 BGH BB 77, 1117. 337 BGH NJW 96, 2224. 332 Franke,

V. Haftungskonstellation bei Einbeziehung eines Zulieferers

131

sprechung hat Regeln und Forderungen definiert und formuliert, die rechtliche Maßstäbe fiir die Regelung an Schnittstellen zwischen selbständigen Unternehmen herleitet. Diese Maßstäbe wurden an Beispielen von Zulieferem entwickelt und formuliert und gelten in erster Linie fiir die Organisation dieses Bereiches. Sie enthalten jedoch so allgemeine Anforderungen, daß sie ohne große Schwierigkeiten auch fiir die Organisation in der Vertriebskette gelten. Bei der Organisation z. B. von Entsorgung, Kundendienst und Serviceaktivitäten können diese Grundsätze ebenfalls produktspezifisch und anwendungsbezogen ausgefiillt und unabhängig von der jeweiligen Rechtsgrundlage als bewährte Maßstäbe herangezogen werden. 338 a) Veränderung der Herstellerpflichten

Der Bundesgerichtshof hat schon in einer frtihen Entscheidung339 ausgefiihrt, daß der Hersteller keine Teile verwenden dürfe, von deren mangelfreien Beschaffenheit er nicht überzeugt sein darf. Welche Pflichten den Hersteller eines Endproduktes treffen, bei dessen Herstellung im Handel angebotene Einzelteile verwendet werden, hat der Bundesgerichtshof zuletzt in einem Urteil vom 27. September 1994340 präzisiert. Danach ist er grundsätzlich gehalten, nur solche Teile zu erwerben, die nach Einfugung in sein Produkt oder in Verbindung mit ihm fiir den Produktverwender oder Dritte nicht gefährlich werden können. Dies hat der Endhersteller durch entsprechende Zielvorgaben sicherzustellen. 341 Dies bedingt eine Pflicht zur Kontrolle der Zulieferteile. Diese Kontrollpflicht ergibt sich aber auch schon daraus, daß die vom Endhersteller gefertigten Endprodukte mitsamt den darin verarbeiteten Teilen auf ihre Ordnungsgemäßheit und Betriebssicherheit untersucht werden müssen.342 Die Prüfung der Zulieferteile ist damit nichts anderes als die Pflicht des Endherstellers zur Kontrolle und Eliminierung fehlerhafter Teile und/oder Endleistungen im Rahmen seiner Fabrikation.343 Unabhängig von der im Einzelfall fiir den jeweiligen Endhersteller gegebenen Möglichkeit zu einem vollinhaltlichen Nachvollziehen, Wiederholen oder Gegenprüfen der vom Zulieferer vorgenommenen oder vorzunehmenden Maßnahmen beschränkt das Kriterium der Zumutbarkeit die Pflichten des einzelnen Herstellers allerdings auf die GefahrabwendungsmaßBauer/von Westphalen, Recht zur Qualität, S. 235. BGH VersR 60, 855, 856. 340 BGH NJW 94, 3349. 341 Groß, Entwicklung, VersR 96, 657, 658; auch Meyer, Rechtsprechungsbericht, WiB 96, 890, 892. 342 BGH VersR 83, 346, 347. 343 Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 119. 338

339

132

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

nahmen, die auf der Ebene seines Aufgabenbereiches sinnvoll sind. 344 Bereits in einer früheren Entscheidung345 hat der Bundesgerichtshof schon darauf hingewiesen, daß der Endhersteller entweder die Güte des zugelieferten Materials oder die Zuverlässigkeit des Zulieferers prüfen müsse. Die Möglichkeit, die Produktkontrolle durch eine Prüfung der Verläßlichkeit des Zulieferers zu ersetzen, hat nichts mit einer Delegation der Produktkontrollpflichten des Endherstellers auf den Zulieferer zu tun, wie Schmidt-Salzer346 annimmt, der darin eine Übertragung der Verkehrssicherungspflicht sieht, sondern ist eine Frage der Ausgestaltung bzw. Erfüllung der eigenen Fabrikationsverantwortung des Endherstellers. Bei der hier in Frage stehenden Aufgabenteilung obliegen Zulieferer und Endhersteller aufgrund ihrer jeweiligen originären Herstellerverantwortung Verkehrssicherungspflichten. Aber die Pflichten des Endherstellers können entfallen, weil sie wegen der Pflichterfüllung bereits durch den Zulieferer überflüssig werden. Da der Zulieferer seine Produktkontrollen unter Berücksichtigung des ihm bekannten Verwendungszweckes des Zulieferteiles im Endprodukt wahrnehmen muß, werden die ihm in seinem originären Aufgabenbereich obliegenden Produktkontrollen regelmäßig denen des Endherstellers in Art und Umfang entsprechen müssen.347 Es geht also darum, daß sich der Endhersteller davon überzeugt, daß der Zulieferer seine ihm obliegenden originären Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt, nicht ob er ihm übertragene Pflichten erfullt. 348 Denn je vollkommener die maschinelle und personelle Ausstattung und die Organisation der Fertigung die Produktion fehlerfreier Ware gewährleistet, umso geringere Anforderungen sind an die Kontrolle des fertiggestellten Produktes selbst zu stellen. Das OLG Köln349 hat es in diesem Zusammenhang als ausreichend für die Erfüllung der endherstellerspezifischen Verkehrssicherungspflicht gehalten, wenn dieser, der die Teile von einem ihm aus langjährigen Geschäftsbeziehungen als zuverlässig bekannten Lieferanten bezieht, die Tauglichkeit der gelieferten Teile nicht mehr in Zweifel zieht und sich dahingehend auf die Bescheinigung des Zulieferers verlasse. 350 Nicht zu vergessen ist darüber hinaus, daß eine Pflicht des Endherstellers zur Durchführung von Produktkontrollen ohnehin entfällt, wenn diese vom Zulieferer mit seinen besonderen Betriebserfahrungen und Einrichtungen Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 67. BGH VersR 72, 559, 560. 346 Schmidt-Salzer, Bedeutung, BB 79, I, 3. 347 Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 121, 129. 348 Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 130, und S. 124. 349 OLG Köln, NJW-RR 90,414. 350 Als nicht entscheidungserheblich sah das OLG in diesem Zusammenhang die Tatsache an, daß es fiir den Endhersteller gar keine zuverlässige Methode gab, die Funktionsfaigkeit der zugelieferten Teile zu überprüfen. 344

345

V. Haftungskonstellation bei Einbeziehung eines Zulieferers

133

vorgenommen worden sein mußte. Dies bedeutet, daß eine Prüfungspflicht des Endherstellers bei Bezug von einem Spezialuntemehmen, das das Zulieferprodukt ohne spezifische auf das Endprodukt abgestimmte Vorgaben des Endherstellers fertigt, nur noch in sehr eingeschränktem Umfang besteht. Der Endproduktehersteller kann somit von Qualitätskontrollen bezüglich der einzelnen zugelieferten Teile freigestellt sein, wenn es ihm nicht möglich oder nicht zurnutbar ist, sie einer Überprüfung zu unterziehen und er die Produkte von einem als zuverlässig bekannten Unternehmer bezieht oder er dessen Verläßlichkeit besonders geprüft hat. 351 Ein haftungsrechtliches Erfordernis einer vertraglichen Verpflichtung des Zulieferers, bestimmte Kontrollen vorzunehmen, ist nicht gegeben, da dieser bereits ein originäres Eigeninteresse hat, seine ihm selbst obliegende Verkehrssicherungspflicht zu erfiillen, um nicht selbst zu haften. Im Ergebnis bedeutet dies, daß im Bereich der Fabrikationskontrolle die Verläßlichkeitsprüfung eine Pflichtendelegation weitestgehend erübrigt. Zweifelhaft bleibt, ob der Endhersteller außer der Tatsache der langfristigen, beanstandungsfreien Lieferbeziehung noch andere Möglichkeiten hat, die Zuverlässigkeit zu prüfen, und ob sich der Endhersteller wirklich entlasten kann, wenn er keine Kenntnis davon hat, ob der Zulieferer ständig ausreichende Produktkontrollen vornimmt, und er ihn auch nicht vertraglich zu solchen Kontrollen verpflichtet hat. 352 Führt der Produzent keine eigene Wareneingangsprüfung durch, dann ist er aufgrund seiner speziellen Sorgfaltspflicht zumindest zu folgenden qualitätssichemden Maßnahmen verpflichtet: vertragliche Verpflichtung des Lieferanten zu effektiven Warenausgangskontrollen nach dem neuesten Stand der Prüftechnik und einer angemessenen Dokumentation hierüber, Überwachung der Funktionsfähigkeit des beim Lieferanten eingerichteten Systems und Untersuchung der eingehenden Ware aufTransportschäden. Kommt der Hersteller diesen Pflichten nach, so kann ihm kein Schuldvorwurf im Sinne des § 823 BGB gemacht werden.353 b) Übertragung von Verkehrssicherungspflichten

Mit der Auslagerung der Produktion von Einzelteilen auf Zulieferer hat der Endhersteller die Möglichkeit, fabrikationsspezifische Verkehrssicherungspflichten teilweise auf den jeweiligen Zulieferer zu delegieren und durch die Aufteilung und Festlegung von Verantwortungsbereichen zwischen sich selbst 351 Kullmann, Rechtsprechung 89/90, NJW 91, 675, 679; mit detaillierten Beispielen und weiteren Nachweisen aus der Literatur, Kullmann!Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, s. 10. 352 Kullmann, Rechtsprechung 89/90, NJW 91, 675, 679. 353 Schmid, Sorgfalt, QZ 97,714, 715.

134

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

und seinen Zulieferem eine entsprechende Haftungsbegrenzung zu erreichen. 354 Mit Wirkung für das Außenverhältnis beider Haftungsadressaten gegenüber dem geschädigten Dritten können der Umfang und die Grenzen der Verkehrssicherungspflichten zugunsten des Endproduzenten und zu Lasten des Zulieferers verschoben werden. Im Grundsatz hat die Rechtsprechung355 - unter weitgehender Zustimmung der Literatur356 - die Möglichkeit anerkannt. die Ausführung von Verkehrssicherungspflichten Dritten zu übertragen. In den Produkhaftpflichtfällen geht es hierbei meist um eine befreiende Übertragung von Kontrollpflichten im Fabrikationsbereich auf den Zulieferer. Eine solche Pflichtendelegation kann aber nur dort eine eigenständige Bedeutung haben, wo der Endhersteller dem Zulieferer tatsächlich eigene, d. h. dem Endhersteller allein obliegende Kontrollpflichten überträgt, nicht aber, wenn der Zulieferer selbst entsprechende Pflichten als Hersteller des Zulieferproduktes, unter Umständen sogar in strengerem Umfang, erfüllen muß. Oft sind die zugelieferten Erzeugnisse in ihrer Funktion und Bauweise auch so komplex und das Fachwissen des Abnehmers so gering geworden, daß es diesem oftmals gar nicht mehr möglich ist, die Zulieferteile einer wirklichen Qualitätsprüfung zu unterziehen. Einig ist man sich dahingehend, daß der Übemehmer durch die faktische 357 Übernahme der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht im Schadensfall dem Geschädigten selbst unmittelbar aus Delikt haftet. 358 Inwieweit sich jedoch im gleichen Zuge die Haftung des Erstgaranten gegenüber dem Geschädigten reduziert, ist umstritten. Nach der wohl herrschenden Meinung359 verengt sich dessen Verkehrssicherungspflicht auf eine bloße Pflicht zur sorgfältigen Auswahl und Überwachung des Übemehmers. Jener könne bei einer schuldhaften Verkehrssicherungspflichtverletzung des Übemehmers dann nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn er den Übemehmer hinreichend sorgfältig ausgewählt und überwacht habe. Die Befreiung von der eigenen Verantwortlichkeit durch die Übertragung von Verkehrssicherungspflichten ist dabei jedoch von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig: Insbesondere eine hinreichende QualifiBGH NJW 76,46 BGH VersR 66, 145; NJW 76, 46; VersR 82, 595; BGH VersR 83, 152; DB 89, 1515; OLG Köln NJW-RR 90, 414; Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 9. 356 MünchKomm!Mertens, § 823 Rdnr. 195ff.; Esser!Weyers, Schuldrecht BT, §55 V 2 b; Medicus, BR, Rdnr. 656-658; Westphalen, Produkthaftungshandbuch I!Foerste, § 25 Rdnr. 44ff; Schmidt-Salzer, Bedeutung, BB 79, I, 3; Kul/mann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. II ; Erman/ Schiemann, § 823 Rdnr. 85; 357 Entscheidend ist, daß der Übemehmer tatsächlich tätig wird. Nicht allein maßgebend ist aber, ob ein wirksamer Vertrag vorliegt. m SiehezuletztBGHDB89, 1515,1516. 359 Siehe Nachweise in FN 355 und 356; Nachweise für die Gegenansicht bei Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 271 f. 354

355

V. Haftungskonstellation bei Einbeziehung eines Zulieferers

135

kation und Zuverlässigkeit des anderen Unternehmers sind fiir eine befreiende Übertragung notwendig. Es gehört zu den endherstellspezifischen Verkehrspflichten, den Zulieferer in erster Linie nach seiner Qualitätsfahigkeit auszuwählen.36o Auch in zahlreichen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes361 wird immer wieder darauf hingewiesen, daß Sicherungspflichten des zunächst Verkehrssicherungspflichtigen nur dann entfallen können, wenn er diese einem als zuverlässig geltenden sachkundigen Unternehmer übertragen hat. Diese Zuverlässigkeit muß allerdings nicht konkret nachgewiesen sein. Es genügt vielmehr, daß der Unternehmer als zuverlässig bekannt ist. 362 Der Endhersteller kann somit von seiner eigenen Verantwortlichkeit bezüglich der Teilproduktion dann befreit werden, wenn er das Risiko von Fabrikationsfehlern durch eine sorgfaltige Auswahl, Anleitung und Überwachung des Zulieferers möglichst minimiert hat. Eine Delegation deliktsrechtlicher Pflichten ist im Interesse des Rechtsgüterschutzes Dritter also nur dann anzuerkennen, wenn der Lieferant die erforderliche sachliche und persönliche Zuverlässigkeit bietet. 363 Werden Verkehrssicherungspflichten übertragen, sind die vom Zulieferer vorzunehmenden Sicherungsmaßnahmen genau zu konkretisieren. Es sind detaillierte Anweisungen über die vom Zulieferer vorzunehmenden Maßnahmen notwendig. Pauschale Übertragung, wie in folgenden Klauselbeispielen364 gezeigt, wären dabei völlig unzureichend: "Für die Einhaltung der Qualifikation ist in vollem Umfang der Auftragnehmer verantwortlich." "Der Lieferant hat eine nach Art und Umfang geeignete, dem neuesten Stand der Technik entsprechende Qualitätskontrolle durchzuführen."

c) Ordnungsgemäße Auswahl und Überwachung durch ein Qualitätsmanagementsystem

Im praktischen Ergebnis macht die dogmatische Differenzierung zwischen der Verläßlichkeitsprüfung als originäre "alternative" Fabrikationspflicht des Endherstellers und der Delegation von Verkehrspflichten nur insoweit einen Unterschied, als bei der Verläßlichkeitsprüfung eine vertragliche Bindung des Zulieferers zur Übernahme von im einzelnen dargelegten Kontrollpflichten nicht erfor-

°Kullmann!Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. II.

36

So beispielsweise: BGH VersR 54, 364, 365; BGH VersR 65, 38, 40; BGH VersR 76, 954, 955; BGH VersR 82, 595, 596. 362 Kullmann!PflSter, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 12. 363 von Westphalen, FS 40 Jahre der Betrieb, S. 235. 364 Klauselbeispiele aus Ensthaler!Füßler/Nuiss/, Juristische Aspekte, S. 73. 361

136

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

derlieh ist. Die übrigen Voraussetzungen, und zwar Zulieferauswahl und -überwachung, sind in beiden Fällen dieselben. 365 Für die Integration von Lieferungen und Leistungen dritter Unternehmen, sowohl auf der Zulieferer- wie auf der Vertriebsseite, hat der Bundesgerichtshof in den Jahren 1975 366 und 1976367 Detaillierungen der allgemeinen Sorgfaltspflichten der Unternehmen formuliert. 368 So hat der Besteller die Pflicht, den Zulieferer sowohl entsprechend seinen technischen, organisatorischen, persönlichen Qualifikationen als auch entsprechend den Anforderungen an Funktion und Sicherheit der zu liefernden Teile oder Materialien sorgfaltig auszuwählen. Der Besteller hat die Pflicht, den Zulieferer vollständig zu informieren über alle ihm bekannten oder von ihm festgelegten Anforderungen an die Einzelteile. Es muß also eine genaue und umfassende Beschreibung des zu erwerbenden Teils gegenüber dem Zulieferer vorgenommen werden. Damit korrespondiert die Pflicht des Zulieferers zur sorgfaltigen Prüfung der ihm übermittelten Unterlagen auf mögliche Abweichungen von anerkannten Regeln der Technik oder des darüber hinausgehenden Standes der Technik nach den ihm bekannten Anforderungen an die zu liefernden Teile aus den voraussichtlichen Betriebslasten und Anwendungen. Weiterhin hat der Besteller die Pflicht, Lieferungen und Leistungen des Zulieferers auf das sichere Einhalten der von diesem zu erbringenden Leistungen und Eigenschaften zu überwachen. 369 Dies beinhaltet eine generelle Tauglichkeitsuntersuchung des zugelieferten Teils. 370 Allgemein wird sich die erforderliche Sorgfalt bei Auswahl und Überwachung aber wohl an folgenden Parametern ausrichten lassen: Qualifikation des Zulieferers, bisherige Erfahrung mit dem Zulieferer und dem Produkt, Anforderungen an die Produktion der Einzelteile, Bedeutung der Einzelteile für die Sicherheit des späteren Endproduktes.371 Der Hersteller darf für die Konstruktion und/oder Produktion von Teilerzeugnissen somit nur solche Zulieferer einschalten, die Gewähr dafür bieten, daß die Produkte die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik mögliche Sicherheit aufweisen. Folglich muß der Zulieferer ausreichend organisiert sein und über zuverlässiges Personal verfügen. 372

Ebenso Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 130. Siehe dazu BGH NJW 76, 46f, " Entsorgung". 367 Siehe dazu BGHZ 67, 359ff., "Schwimmerschalter". 36MDazu Schmidt-Salzer, Bedeutung, BB 79, I ff. 369 Siehe zum Gesamten von Westphalen!Bauer, Just-In-Time, S. 96f. 370 Zum Gesamten: Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 6. 371 Siehe zum Gesamten Martinek, Rügeverzichtsklauseln, in: FS flir Jahr, S. 305, 323. 372 OLG DüsseldorfNJW 78, 1693. 365 366

V. Haftungskonstellation bei Einbeziehung eines Zulieferers

137

Die Eignung des Zulieferunternehmens richtet sich nach dem Gefahrenpotential des zugelieferten Teilproduktes. Die dadurch erforderliche Lieferantenauswahl beinhaltet nicht die kaufmännische Beurteilung, sondern die Eignung des Lieferanten hinsichtlich der Produktqualität, für die es auf die fachliche und ausstattungsmäßige Qualifikation des Zulieferbetriebes im Zeitpunkt der Auftragserteilung ankommt. 373 Hierbei sei noch angemerkt, daß für die Haftungsverteilung im Verhältnis von Zulieferer und Hersteller ein Verschulden hinsichtlich der dem Hersteller obliegenden Auswahl- und Überwachungspflicht auch nicht durch das Vorhandensein eines Gütezeichens auf den zugelieferten Teilen ausgeschlossen werden kann. Die einem Gütezeichen zugrundeliegenden eigenen Verpflichtungen des Herstellers eines Zulieferteiles, die Typprüfung und die Überwachung durch die Gütegemeinschaft stellen keinen Ersatz für die Erfüllung der sich auf Qualifikation, Ausstattung und Gesamtdarstellung des Zulieferers beziehenden Auswahl- und Überwachungspflichten dar. 374 Hauptziel einer solchen Lieferantenbeurteilung ist die Beurteilung der Qualitätsfähigkeit des Lieferanten durch den Auftraggeber. Dies geschieht durch die systematische Sammlung von Informationen. Dadurch verschafft er sich ein Bild von der Eignung des jeweiligen Lieferanten, die zur Realisierung eines Produktes notwendigen Qualitätsforderungen zu erfüllen. 375 Der Endhersteller muß hierzu die sichere Gestaltung des Herstellungsprozesses, d. h. die gesamte Organisation des Zulieferbetriebes, mit dem Einsatz entsprechender personeller und sachlicher Mittel sowie die Geeignetheil und Zuverlässigkeit der Fabrikationskontrolle prüfen. Entscheidend ist dabei die auftragsbezogene Fabrikationsverläßlichkeit des Zulieferbetriebes. 376 Dazu gehört auch der Nachweis von Umständen, aus denen sich die besonderen fachlichen Betriebserfahrungen und Überprüfungsmöglichkeiten des Zulieferers ergeben, und daß er Vereinbarungen mit dem Zulieferer über bestimmte, von diesem zu treffende Qualitäts- bzw. Produktionskontrollen getroffen hat, aufgrund derer er sich für berechtigt halten konnte, von weiteren Überprüfungen Abstand zu nehmen. 377 Umfang und Inhalt der Sorgfaltspflichten bei der Integration von Drittunternehmen in die Organisation eines industriellen Anwenders richten sich somit nach der Bedeutung der zu liefernden Teile oder der zu erbringenden Steckler, Produkthaftungsrisiko, BB 93, 1225, 1227. Vgl. Wiebe, Rahmenbedingungen, WRP 93, 156, 167. 375 Franke, Qualitätsmanagem~nt, in: Masing, Handbuch, S. 531, 540. 376 Vgl. Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 122; Schmidt-Salzer, Bedeutung, BB 79, I, 3; Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 12; Westphalen, Produkthaftungshand- buch 1/Foerste, § 25, Rdnr. 48. 377 Kullmann, Rechtsprechung, BB 76, 1085, 1092. 373

374

138

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Leistungen für Funktion und Sicherheit der gesamten Anlage unter vorhersehbaren Einsatzbedingungen. 378 Diese Drittunternehmer-Auswahl hat sich produktspezifisch und anwendungsbezogen an den Risiken zu orientieren, die sich bei einem Versagen des von dem Unternehmen zu liefemden Produktes unter den vorhersehbaren Anwendungsbedingungen ergeben können. Qualitätsmanagement-Zertifikate nach DIN ISO 9001 ff. sind aber weder produktspezifisch noch anwendungsbezogen aussagefähig. Eine Auswahl von Unternehmen nur nach produktunspezifischen und nicht anwendungsbezogenen Zertifikaten kann deshalb keine angemessene Drittunternehmer-Auswahl beweisen. Anforderungen allgemeiner, produktunspezifischer und anwendungsunabhängiger Organisationsnormen können die nach der Produkthaftung erforderliche differenzierte Bewertung nach der Funktion von Teilen und deren Auswirkung auf Zuverlässigkeit und Sicherheit der Anlagen von ihrer Struktur her nicht erfüllen. Eine Aussage über die Qualifikation von Unternehmen über die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen aus der Drittuntemehmerauswahlverantwortung allein auf dieser Grundlage ist daher erkennbar unzureichend und grob fahrlässig, weil Maßstab und Inhalt dieser allgemeinen, genormten Bewertungen nicht auf die von der Rechtsprechung geforderten individuellen Ziele eindeutig, vollständig und aussagefähig ausgerichtet sind. 379 Wer seine Drittunternehmer-Auswahl nur nach diesen Kriterien richtet, hat die entscheidenden Ziele fur die sachgemäße Auswahl erkennbar nicht berücksichtigt.380 Zertifikate über die Einhaltung nur der genormten Anforderungen aus solchen Qualitätsorganisationsnormen bedürfen sowohl der produktspezifischen und anwendungsbezogenen Ergänzung als auch der darauf ausgerichteten Prüfung von Angemessenheit, Vollständigkeit und Leistungsfähigkeit von technischer Ausrüstung, personeller Qualifikation und wirksamer Organisation der Unternehmer. 381 Läßt der Endhersteller ein Produkt fertigen, das, um dem geplanten Verwendungszweck gerecht zu werden, besonderen Spezifikationen entsprechen muß, so hat er selbst zu prüfen, ob der Zulieferer aufgrund seiner Ausstattung, Fertigungsorganisation und Kenntnisse die Einhaltung der Produktqualität gewährleisten kann.382 Die Lieferantenbeurteilung vor Auftragsvergabe kann aber nur belegen, daß die Voraussetzungen fur eine fehlerfreie Produktion grundsätzlich geschaffen 378 von

Westphalen/Bauer, Just-In-Time, S. 98. von Westphalen/Bauer, Just-In-Time, S. I 00. 380 Bauer, Rechtliche Konsequenzen, QZ 95, ZG 18, 24. 381 von Westphalen/Bauer, Just-Jn-Time, S. I 00. 382 Franz Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 123; Kullmann!Pjister, Produzentenhaftung, Kza. 3250, S. 12; Westphalen, Produkthaftungshandbuch I!Foerste, § 25, Rdnr. 48. 379

V. Haftungskonstellation bei Einbeziehung eines Zulieferers

139

sind, beantwortet aber nicht die Frage, ob die Qualitätssicherungsmaßnahmen dauerhaft beachtet werden. Der Endhersteller muß sich bei einer solchen Erstbeurteilung allein auf die Angaben des Zulieferers verlassen, wenn er nicht auf eigene Erfahrungen oder die Dritter aus Geschäften mit dem Zulieferer zurückgreifen kann. Er kann zwar eine Beurteilung der technischen Bedingungen und Ausrüstungen des Zulieferers vornehmen, ihm ist es aber nicht möglich, zu beurteilen, wie zuverlässig z. B. die Qualitätskontrollen in der Serienfertigung durchgeführt werden. Diese Unsicherheit wird aber immer geringer, je länger der Endhersteller sich im Rahmen einer laufenden Lieferbeziehung durch beanstandungsfreie ZuliefeTprodukte von der Verläßlichkeit des Zulieferers überzeugen kann. Aber auch der zuverlässigste Zulieferer kann aus unterschiedlichen Gründen anfangen, fehlerhafte Ware zu liefern. Aus diesem Grunde ist es notwendig, die Verläßlichkeit des Zulieferers laufend zu überwachen. Abzulehnen ist hierbei die im Bereich der Pflichtendelegation von Schmidt-Salzer383 vertretene Überwachung durch eine regelmäßige stichprobenartige Wareneingangskontrolle, denn diese soll durch die Verläßlichkeitsprüfung gerade ersetzt werden. 384 Auch kann vom Endhersteller nicht verlangt werden, die Arbeitsweise des Zulieferers auf Schritt und Tritt zu kontrollieren.385 Hat sich der Endhersteller aber durch eine eigene Lieferantenbeurteilung davon überzeugt, daß der Zulieferer grundsätzlich in der Lage ist, die von ihm geforderte Qualität zu erbringen, genügt es, wenn sich ihm nicht gerade die Mängel des Zulieferproduktes aufdrängen, daß im Zulieferbetrieb ein von einem Dritten nach DIN ISO 900lff. zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem vorhanden ist. Da ein einmal erteiltes Zertifikat nach einem Jahr durch eine Nachauditierung erneuert werden muß, wird der Zulieferbetrieb ständig auf seine Qualitätsfähigkeit hin untersucht. Schwachstellen werden dadurch sichtbar und können beseitigt werden. Bei der Entwicklung von Leitlinien für eine Haftungsabgrenzung nach Verantwortungshereichen darf jedoch nicht vernachlässigt werden, daß die Beteiligung des Zulieferers am Endprodukt ganz unterschiedlich ausgestaltet sein kann und deshalb auch die Haftung eines Zulieferers fur sein Produkt je nach den Umständen des Einzelfalles verschiedenen Regeln folgen muß. Normalerweise können sich Produzenten in einem etwaigen Rechtsstreit nicht schon dadurch entlasten, daß sie ihre Produkte und/oder Organisation durch Dritte auf ihre Qualität haben untersuchen und diese sodann haben zertifizieren m Schmidt-Saltzer, Bedeutung, BB 79, I, 3; Schmidt-Sa/zer!Hollmann, EG-Richtl., Ein!., Rdnr. 117. 384 Westphalen, Produkthaftungshandbuch I!Foerste, § 25 Rdnr. 59; Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 125. JRs BGH NJW 76, 46, 47; vgl. Kullmann/Pfister, Kza. 3250, S. 15.

140

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

lassen386 . Andere am Herstellungsprozeß und Vertrieb beteiligte Unternehmen treffen aber geringere Sorgfaltspflichten als den Hersteller. So können sich zum Beispiel Auftragsfertiger, Endhersteller, Händler oder Importeure darauf berufen, daß die Produkte von entsprechend sachverständigen Experten geprüft und mit einem Zertifikat ausgezeichnet worden sind. Anband eines vom Bundesgerichtshof entschiedenen Falles soll dies verdeutlicht werden387 : Die Kundin hatte von einem Einzelhändler einen Expander erworben, dessen Griff infolge eines Konstruktionsfehlers brach. Der Expander schnellte dabei so unglücklich in ein Auge der Kundin, daß sie hierauf erblindete. Der Händler hatte den Expander nicht untersucht. Der Produzent dagegen aber hatte diesen vom TÜV prüfen lassen. Dort war das Gerät mit dem entsprechenden Zeichen für sichere Produkte versehen bzw. in einem anderem Test sogar mit "gut" bewertet worden. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes durfte sich der Händler auf diese Aussagen verlassen, so daß er mangels eigenen Verschuldeos nicht auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen werden konnte. Ein Vertrauen auf die Beurteilung durch Dritte, wie dies durch eine Zertifizierung nach DIN ISO 900lff. erfolgt, kommt somit dann in Betracht, wenn der Endhersteller ein Serienprodukt bestellt, das nicht seinen besonderen Wünschen angepaßt ist. Ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem als Auswahlkriterium reicht zur Erfüllung der Auswahlpflicht dann aus, wenn der Endhersteller Standardteile bezieht, die der Zulieferer in dieser Weise für viele unterschiedliche Abnehmer fertigt. In diesem Falle fällt es in den ausschließlichen Verantwortungsbereich des Endherstellers, zu prüfen, ob das von ihm bezogene Teil den Anforderungen genügt, die die Konstruktion des Gesamtproduktes an das Einzelteil stellt. Der Endhersteller ist im Rahmen seiner Verkehrspflicht gehalten, bei der Konstruktion seines Produktes zu berücksichtigen, daß die zugelieferten Produktteile nach Material und Belastbarkeit die vorgesehenen Funktionen im Endprodukt erfüllen, ohne Schäden für Dritte hervorzurufen. Eine ständige Überprüfung der einzelnen Zulieferteile ist nicht notwendig, wenn die grundsätzliche Geeignetheit des Zulieferteiles feststeht und der Zulieferer seine Zuverlässigkeit bezüglich der dauerhaften Lieferung von gleichbleibender Qualität nachweisen kann. Ein solcher Nachweis ist ihm durch ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem möglich. Er dokumentiert dadurch die grundsätzliche Geeignetheit seines Betriebes, die Qualität der hergestellten Produkte zu sichern. Insbesondere ist in einem solchen Falle auch zu berücksichtigen, daß es dem Endhersteller oftmals nicht möglich ist, den Fremdbetrieb in der Weise auf seine grundsätzliche Qualitätsfähigkeit zu prüfen, wie es einem Zertifizierer möglich ist. Zum einen spricht auf der 386 387

Vgl. BGHZ 99, 167, 176; BGH NJW 87, 372. Vgl. BGH DB 90, 577.

VI. Rückgriff

141

Seite des Endherstellers ein unverhältnismäßiger Aufwand, der für ihn insbesondere aus Kostengründen unzumutbar ist, gegen eine solche eigene Prüfung, auf der anderen Seite steht aber auch die Unternehmerische Selbständigkeit des Zulieferers. Vor allem bei Massenartikeln und Produkten, die er einheitlich für viele Abnehmer in der gleichen oder ähnlichen Weise herstellt, kann ihm nicht zugemutet werden, daß sein Betrieb von jedem Abnehmer auf die Qualitätsfähigkeit und Zuverlässigkeit hin untersucht wird.

VI. Rückgriff 1. Die verschiedenen Haftungskonstellationen

Wie oben dargestellt, kann bei einem Produkthaftungsfall sowohl der Hersteller des Endproduktes als auch der Zulieferer gegenüber dem Geschädigten haften. Nach den Grundsätzen der Produzentenhaftung haftet dabei der Endhersteller und der Zulieferer bei Verletzung einer eigenen herstellerspezifischen Verkehrssicherungspflicht. Dabei kann es zu folgenden drei Konstellationen kommen: nur der Endhersteller hat seine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Endproduktes oder des Zulieferteiles verletzt, nur dem Zulieferer ist eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorzuwerfen, sowohl Endhersteller wie auch Zulieferer haben eine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des Zulieferteiles verletzt. Bei der Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz stellt sich die Situation etwas anders dar. Da das Produkthaftungsgesetz einzig das Irrverkehrbringen des fehlerhaften Produktes voraussetzt, muß ein Hersteller für Fehler im vorgelagerten Herstellungsbereich auch dann einstehen, wenn er selbst keine ihm obliegende Gefahrabwendungspflicht verletzt hat. 388 Der Zulieferer haftet jedoch daneben, da er als Hersteller des schadhaften Zulieferteiles gerade für dessen Fehlerfreiheit einzustehen hat. Somit besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, daß der Geschädigte entweder den Zulieferer oder den Endhersteller in Anspruch nehmen kann. In der Praxis wird der Geschädigte jedoch mangels Kenntnis des Zulieferers oftmals nur den Endhersteller in Anspruch nehmen. Obwohl sich der Geschädigte nur an den tatsächlichen Verantwortlichen halten kann,389 wird diese klare Grenzziehung durch die Regeln der Beweislastumkehr im Deliktsrecht völ-

Wandt, Produkthaftung, BB 94, 1436, 1438. Weist der Hersteller nach, daß die Pflichtverletzung im Rahmen der Produzentenhaftung ausschließlich dem Verantwortungsbereich des Zulieferers zuzurechnen ist, so hat der Geschädigte keinen Anspruch gegenüber dem Endhersteller, und die Klage wird abgewiesen, BGH NJW 68, 247. 388 389

142

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

lig unscharf, da dem Endhersteller selten der völlige Entlastungsbeweis gelingen wird. Dennoch gibt es auch Fälle, in denen der Endhersteller - obwohl ihn keine Pflichtverletzung trifft - die Ansprüche des Geschädigten befriedigt. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzufiihren, daß der Endhersteller durch rasche Bereinigung des Schadens einen Imageverlust am Markt verhindem will.390 Häufig liegen jedoch Pflichtverletzungen aus dem Verantwortungsbereich des Endherstellers wie des Zulieferers vor, so daß neben dem Zulieferer auch der Endhersteller haftet. Sind fiir denselben Schaden mehrere Hersteller nebeneinander verpflichtet, so haften sie gemäß § 840 BGB als Gesamtschuldner. Damit wird dem Geschädigten die Möglichkeit gegeben, in der Produktions- oder Verteilerkette denjenigen in Anspruch zu nehmen, der fiir ihn am ehesten feststellbar oder aufgrundseiner wirtschaftlichen Lage fähig ist, Ersatz zu leisten.391 Befriedigt also der Zulieferer oder der Endhersteller den Geschädigten, so sind fiir den Ausgleich im Innenverhältnis zwei Konstellationen zu unterscheiden. Entweder sind Zulieferer und Endhersteller dem Geschädigten als Gesamtschuldner zum Schadensersatz verpflichtet, so daß im Innenverhältnis ein Ausgleich nach den Verantwortungsbeiträgen erfolgen muß, oder einer der beiden begleicht, ohne eigene Mitverantwortung fiir den eingetretenen Schaden, die Forderung und will dafiir im Innenverhältnis vollen Ausgleich erhalten. Bei Alleinverantwortung des anderen Teils fehlt es an der Gesamtschuldnerschaft, so daß demjenigen, der die fremde Schuld erfüllt hat, nur ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 670, 683, 677 BGB oder ein Bereicherungsanspruch nach§ 812 Abs. 1 S. 1 (2. Alt.) BGB zur Seite stehen kann. Erbrachte der Zulieferer oder Endhersteller die Leistung zumindest auch in der Absicht, eine Verpflichtung des anderen Beteiligten zu erfüllen, so sind ihm seine Aufwendungen als Geschäftsführer ohne Auftrag zu ersetzen. Im übrigen, das heißt, wenn die Zahlung an den Geschädigten nicht wegen verantwortungsunabhängiger Eigeninteressen wie zum Beispiel Prestigedenken oder Kulanzgründen erfolgte, sondern der Leistende sich allein für verpflichtet hielt, besteht ein Bereicherungsanspruch.392 Die strikte Trennung zwischen der Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter und reinen Vermögensschäden führt dazu, daß der Endhersteller von dem Geschädigten aus Delikt in Anspruch genommen werden kann, während dem Endhersteller durch diese Inanspruchnahme lediglich ein reiner Vermögensschaden entsteht, den er gegenüber seinem Zulieferer nicht gemäß § 823 BGB geltend machen kann. Wegen der insbesondere im Kaufrecht kurzen 390 Link, Regreßansprüche, BB 85, 1424, 1425. 391Kretschmer/Alleweldt, Produkthaftung, Rdnr. 149. 392 Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 136, 142; Link, Regreßansprüche,

BB 85, 1424, 1426.

VI. Rückgriff

143

Verjährungsfrist etwaiger vertraglicher Ansprüche wäre ein Regreßanspruch des Herstellers gegenüber dem Zulieferer, der allein auf vertragliche Ansprüche beschränkt wäre, in den meisten Fällen im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Endherstellers durch den Geschädigten bereits veljährt. 393 Haften aber Endhersteller und Zulieferer gegenüber dem Endverbraucher, liegt gemäß § 840 BGB ein Gesamtschuldverhältnis vor, dessen Ausgleich sich nach § 426 BGB richtet. Bereits mit der Begründung des Gesamtschuldverhältnisses entsteht der Ausgleichsanspruch. Danach hat jeder Gesamtschuldner gegen die übrigen Verantwortlichen einen Anspruch auf Mitwirkung an der Befriedigung des Gläubigers. Dieser Mitwirkungsanspruch verdichtet sich zu einem Freistellungsanspruch, wenn intern die übrigen Gesamtschuldner für den gesamten Schaden aufkommen müssen. Mit der Befriedigung des Gläubigers durch einen Gesamtschuldner geht der Mitwirkungsanspruch dann in einen Ausgleichsanspruch über. 394 Die endgültige Schadensverteilung zwischen mehreren verschuldensunabhängig haftenden Herstellern gemäß § 5 S. 2 ProdHaftG hängt, soweit nichts anderes bestimmt ist, "von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist; im übrigen gelten die §§ 421 bis 425 sowie § 426 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches". Für die Teilung des Produkthaftungsschadens gelten also stets dieselben Kriterien, unabhängig davon, ob die Haftpflichtigen im Außenverhältnis verschuldensunabhängig oder verschuldensahhängig haften.395 2. Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB

Es ist gefestigte Rechtsprechung, daß die interne Schadensteilung zwischen den Haftpflichtigen in erster Linie davon abhängt, in welchem Maß jeder Einzelne den Schaden verursacht hat. Neben der wertenden Abwägung der Verursacherbeiträgen ist eine Verschuldensahwägung vorzunehmen, die der Korrektur der aus der Verursacherahwägung gewonnenen Quoten dient. Das jeweilige Verschulden ist auch dann abzuwägen, wenn die Gesamtschuldner im Außenverhältnis zum Geschädigten verschuldensunabhängig haften. 396 Bei der Verursachung ist nicht die zeitliche Reihenfolge der Bedingungen, die für den Schadenseintritt ursächlich waren, ausschlaggebend. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Verhalten der einen Partei nicht nur ursächlich, sondern in beträchtlichem Umfang wahrLink, Regreßansprüche, BB 85, 1424. Steinmann, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 86. 395 Wandt, Produkthaftung, BB 94, 1436, 1439. 396 Wandt, Produkthaftung, BB 94, 1436, 1439. 393

394

144

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

scheinlicher war als das Verhalten der zweiten Partei. Je größer also die Wahrscheinlichkeit der Schadenszurechnung, desto größer auch der zu vertretende Schadensanteil. 397 Zu berücksichtigen ist auch, welche Möglichkeiten die einzelnen Parteien hatten, den Fehler zu erkennen und zu beseitigen. Eine von § 426 BGB vorgesehene Ausgleichsregelung nach Kopfteilen stellt dabei nur eine Hilfsregelung fiir den Fall dar, daß das vertraglich vereinbarte oder vom Gesetzgeber angeordnete Ausgleichsverhältnis nicht etwas anderes vorsieht.398 In der Literatur wird im Rahmen der Produzentenhaftung verschiedentlich die Überlegung angestellt, daß im Innenverhältnis der Zulieferer fiir Schäden, die durch das Teilprodukt verursacht worden sind, voll haftet. Uneinheitlich und unklar sind jedoch die Voraussetzungen einer alleinigen Haftung im Innenverhältnis, wenn gleichzeitig eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Endherstellers vorliegt. Während Rolland 399 meint, daß der fiir den Schaden allein verantwortliche Teilproduzent, ,jedenfalls, wenn keine besonderen Umstände zu Lasten des Herstellers des Endproduktes, z. B. mangelnde Kontrolle, ins Gewicht fallen", im Innenverhältnis allein haftet, läßt Foerste400 den Zulieferer auch dann den gesamten Schaden tragen, wenn der Endhersteller sich aufgrund eines mit dem Zulieferer genau vereinbarten und ordnungsgemäßen Qualitätssicherungsverfahrens ganz auf den Zulieferer verläßt und die Qualität des zugelieferten Produktes nicht mehr prüfte, obwohl er hierauf nicht völlig verzichten durfte. Der Endhersteller soll im Endergebnis von der Haftung freigestellt sein, wenn nach der Vereinbarung mit dem Endhersteller der Zulieferer fiir die Qualität seiner Leistung abschließend verantwortlich sein soll und der Endhersteller einen Mangel der Lieferantenleistung leicht fahrlässig übersehen hatte oder den Mangel bei besserer Auswahl und Überprüfung des beauftragten Unternehmers von vomherein hätte vermeiden können. 401 Diese Überlegungen lehnen sich an die Rechtsprechung zur vollen Ausgleichspflicht eines schadensverursachenden Bauunternehmers im Verhältnis zum aufsichtspflichtverletzenden Architekten an. 402 Die Fälle, in denen der Hersteller nur wegen der Beweislastumkehr zur Haftung im Außenverhältnis herangezogen werden kann, seien entsprechend den Fällen im Bereich der gesamtschuldnerischen Haftung zwischen schadensverursachendem Bauunternehmer

Kretschmer!Aileweldt, Produkthaftung, Rdnr. 156. MünchKomm/Se/b, § 426 Rdnr. 6; Palandt/ Heinrichs,§ 426 Rdnr. 254. 399 Rolland, Produkthaftungsrecht, § 5 Rdnr. 22. 400 Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/ Foerste, § 42 Rdnr. 48. 401 Westphalen, Produkthaftungshandbuch I!Foerste, § 42 Rdnr. 57; auf dieselbe Weise will Link, gesetzliche Regreßansprüche, BB 85, 1424, 1425 den Ausgleich vornehmen. 397 398

402

Siehe dazu BGHZ 43, 227ff.; BGH NJW 71, 752, 753.

VI. Rückgriff

145

und aufsichtspflichtverletzendem Architekten angemessen zu lösen. 403 Trotz der Anwendung der§§ 840, 426 BGB sei der Bauunternehmer im Rahmen des § 426 BGB zum vollen Ausgleich gegenüber dem Architekten verpflichtet. Dies sei auch dann der Fall, wenn der Architekt seine Aufsichtspflicht schuldhaft verletzt habe. Dies wird mit dem überwiegenden Verschulden des Bauunternehmers als Schadensverursacher begründet. 404 Die Hauptverantwortung für die Sicherheit liege bei dem Bauunternehmer, der Architekt aber sei nur verpflichtet, die Erfüllung der Sicherungspflicht durch den Bauunternehmer zu überwachen. In diesem Zusammenhang sei jedoch folgendes angemerkt: Im ersten Urteil des Bundesgerichtshofes vom I. 2. 1965 405 , das in Verbindung mit der angesprochenen Frage zitiert wird, ging es nur um die grundsätzliche Bejahung einer Haftung von Bauunternehmer und Architekt als Gesamtschuldner. Über den damit verbundenen Innenausgleich wurde nichts ausgesagt. In der hierzu ebenfalls zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16. 2. 1971 406 ist die Besonderheit zu berücksichtigen, daß es sich um einen Schaden handelte, den ein Arbeitnehmer des Bauunternehmers erlitten hatte. Für die Sicherheit ihrer Arbeitnehmer zu sorgen oblag aber ausschließlich dem Bauunternehmer, nicht dem Architekten. 407 Und in dem wohl aktuellsten Urteil in diesem Zusammenhang408 fehlte es bereits an einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des Architekten, so daß eine Gesamtschuld nicht begründbar war. Nichtsdestoweniger kann sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Konstellation, in der ein Gesamtschuldner vom jeweils anderen Gesamtschuldner, ungeachtet seiner Verpflichtung dem Gläubiger gegenüber, ganz freizustellen ist, vor allem ergeben, wo der Freizustellende nur wegen Verletzung einer Aufsichts- oder Garantenpflicht haftbar ist, vermöge dessen er eine von anderen ausgehende Gefahr hätte verhüten sollen.409 Durch dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof klargestellt, daß das Gesetz dem schuldhaften Verhalten des unmittelbaren Schadensverursachers grundsätzlich eine größere Bedeutung beimesse als dem Verantwortungsbeitrag desjenigen, der den Schaden durch Verletzung seiner Pflicht zur sorgfaltigen Auswahl, Bestellung, Beaufsichtigung oder Überwachung nur mittelbar ermöglicht hat.410

Link, Regreßansprüche, BB 85, 1424, 1425. BGH NJW 71 , 752. 405 BGHZ 43, 227ff. 406 BGH NJW 71, 752f. 407 Schmalz/, Haftung, S. 175f, Rdnr, 234f. 408 LG Tübingen NJW-RR 89, 1504, zitiert in Soergei/ Wolf, § 426 Rdnr. 19. 409 Vgl. BGH NJW 80, 2348, 2349. 410 Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 140; MünchKomm!Mertens, § 840, Rdnr. 25. 403

404

10 Bayer

146

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Geht man somit von dem in § 840 Abs. 2 BGB enthaltenen Grundgedanken, daß das Schwergewicht auf dem Verantwortungsbeitrag des unmittelbaren Schädigers liegt, aus, so ist dieser Beweis bereits mit Darlegung der Arbeitsteilung und der den Zulieferer treffenden Qualitätssicherungspflichten, die die Qualität des Zulieferteils abschließend, d. h. ohne Hinzutreten besonderer dem Zulieferer nicht obliegender Prüfpflichten des Endherstellers, garantieren sollen, gefiihrt. 411 In Anwendung auf die hier relevanten Fälle, in denen der Endhersteller sich eines nach DIN ISO 9000ff. zertifizierten Zulieferers bedient hat, bedeutet dies folgendes: Aufgrund der Aussage des vorhandenen Zertifikates hat der Zuliefecer einen Vertrauenstatbestand in seine Qualitätsfahigkeit gesetzt. Er hat sich zu einer "qualitätsbewußten" Verfahrensweise verpflichtet. Das damit geschaffene Vertauen in seine Qualitätsfahigkeit reicht soweit, daß der Abnehmer auf eigene Kontrollen verzichten durfte. Er kann dadurch davon ausgehen, daß durch dieses System die Qualität des Zulieferproduktes abschließend gesichert werden soll. Der Zulieferer ist somit im Innenverältnis regelmäßig allein verantwortlich, soweit der Endhersteller nicht gegenüber den Zulieferverpflichtungen weitergehende Produktkontrollen mangelhaft durchgeführt hat. Der Verursachungsbeitrag des Endherstellers, der möglicherweise eigene Überwachungspflichten verletzt hat, tritt in dann hinter den Beitrag des Zulieferers zurück. In einem solchen Falle kann der Endhersteller somit Rückgriffbezüglich des gesamten Schadens nehmen. Oblagen dem Endhersteller jedoch Kontrollpflichten, die der Zulieferer auch nicht kraft Pflichtendelegation erfüllen mußte, so ist eine andere Haftungsverteilung vorzunehmen. Eine interne Haftungsverteilung nach der hier dargelegten Grundregel hat allerdings auch nur insoweit Berechtigung, als der Zulieferer die primäre Ursache fiir den Produktfehler gesetzt hat. Entspringt der Fehler nicht originär dem durch die Aufgabenverteilung begründeten Herrschafts- und Verantwortungshereich des Zulieferers, sondern ist der Zulieferverpflichtung ein fehlerhaftes Verhalten des Endherstellers vorgelagert, durch das erst besondere Verkehrssicherungspflichten des Zuliefecers zum Schutze des Verbrauchers ausgelöst werden, kann das Schwergewicht nicht mehr auf dem Verantwortungsbereich des Zulieferers liegen. 41 2 Eine andere Haftungskonstellation, in der der Zuliefecer vom Geschädigten in Anspruch genommen wird, begründet somit im Grundsatz keine Rückgriffsmöglichkeiten gegenüber dem Endhersteller oder Abnehmer, wenn dieser durch Verletzung von Kontrollpflichten zur Schadensverursachung ebenfalls beigetragen hat, da, wie oben dargestellt, der Zulieferer in einer solchen Konstellati-

411

Franz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 141. Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 141.

41 2 Franz,

VI. Rückgriff

147

on im Innenverhältnis den Schaden alleine tragen soll. Somit kommt es entscheidend darauf an, den genauen Verursachungsanteil an dem eingetretenen (Außen-) Schaden belegen zu können. Ein solcher Nachweis des Verursachungsanteils ist aber nur mittels eines sicheren und fähigen Prozesses möglich, wie ihn ein Qualitätsmanagementsystemnach DIN ISO 9000ff. ermöglicht.413 Weiterhin sei in diesem Zusammenhang noch angemerkt, daß Fälle denkbar sind, in denen der konkret schadensverursachende Fehler überhaupt nicht mehr ermittelt werden kann. Es kann einzig der Beweis erbracht werden, daß das Endprodukt fehlerhaft war, nicht aber, ob der Fehler durch den Endhersteller verursacht worden ist oder das Zulieferteil fehlerhaft war. Denkbar ist eine solche Situation in Fällen, in denen das Produkt aufgrund des Fehlers vollständig zerstört wird und eine Rekonstruktion des konkreten Schadensverlaufs nicht mehr möglich ist. Wird der Endhersteller vom Geschädigten auf Schadensersatz in Anspruch genommen, ist ein Rückgriffsanspruch gegenüber dem tatsächlichen Schädiger begründet. Ist dieser jedoch wie in einem solchen Fall nicht errnittelbar und sprechen Anzeichen sowohl fur den einen wie auch den anderen Teilhersteller, schafft ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. bei einem Zulieferer oder beim Endhersteller gegenüber den übrigen möglichen Fehlerverursachern einen Anscheinsbeweis dahingehend, daß der Fehler in diesem Unternehmen nicht verursacht worden ist. Der Nachweis der abstrakt möglichen Qualitätsproduktion führt gegenüber den übrigen Herstellern, die noch nicht einmal diesen abstrakten Nachweis fuhren könnnen, zur Vermutung eines fehlerfreien Teilbeitrages zum Gesamtprodukt Wird in diesem Fall der zertifizierte Unternehmer auf Schadensersatz in Anpruch genommen, so kann er vollständig Rückgriff nehmen, bzw. ist, wenn er im Außenverhältnis nicht gehaftet hat, von der Ausgleichspflicht freigestellt. Dieser Beweis des ersten Anscheins ist jedoch jederzeit dadurch zu Fall zu bringen, daß die übrigen Teil- oder der Endhersteller konkrete Tatsachen behaupten, aus denen sich die Möglichkeit eines anderen Verlaufes ergibt. Dies ist hier insbesonder dadurch möglich, daß die Nichtbeachtung der Vorgaben des Qualitätsmanagementsystems nachgewiesen wird oder daß der Nachweis der fehlenden Geeignetheit des verwirklichen Qualitätsmanagementsystems fur die Vermeidung des konkreten Fehlers geführt werden kann. Dadurch wird der Beweis des ersten Anscheins erschüttert. Nunmehr muß auch dasjenige Unternehmen, dem aufgrund des Qualitätsmanagementsystem der Beweis des ersten Anscheins zugute kam, fur die Behauptung der Nichtverursachung des Fehlerbeitrages vollen Beweis erbringen. 41 3

10*

Vgl. Teich/er, Qualitätssicherung, BB 91,428, 431.

148

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

VII. Haftung des Qualitätsbeauftragten 1. Die Stellung des Qualitätsbeauftragten

Die persönliche Verantwortung des Einzelnen ist ein wichtiger Baustein moderner Managementsysteme. Es fragt sich nun, inwieweit der einzelne Mitarbeiter bestimmte unternehmensinterne Pflichten auch gegenüber Dritten schuldet und insbesondere auch bei einer Verletzung derselben Pflichten persönlich gegenüber dem Dritten haftet. Hier ist in erster Linie die Stellung des sogenannten Qualitätsbeauftragten und dessen Haftung zu untersuchen. Abschnitt 4.1.2.3 von DIN ISO 9001, der mit ,,Beauftragter der obersten Leistung" bezeichnet ist, fordert, daß die oberste Leitung des Lieferanten ein Mitglied des lieferanteneigenen Führungskreises benennen muß, das- abgesehen von anderen Verantwortlichkeiten- die festgelegte Befugnis besitzt, um sicherzustellen, daß ein QM-System festgelegt, verwirklicht und aufrechterhalten ist in Übereinstimmung mit dieser internationalen Norm, der Leitung des Lieferanten einen Überblick über die Leistung des QM-Systems als Grundlage für dessen Verbesserung zu geben.

Entsprechende Forderungen finden sich in den Normen DIN ISO 9002 und 9003. Es muß somit im Unternehmen eine Person mit der Überwachung des Qualitätsmanagementsystems auf seine Funktionsfahigkeit betraut sein. Fraglich ist nun, ob und in welcher Weise diesen Mitarbeiter die haftungsrechtlichen Folgen treffen, wenn das Qualitätsmanagementsystem versagt und dadurch bei Dritten ein Schaden entsteht. 2. Die deliktische Haftung von Mitarbeitern

Die persönliche Verantwortung und eine eventuell damit verbundene Haftung des einzelnen Mitarbeiters gehört zu den umstrittensten Fragen im Bereich der Manager- und Mitarbeiterhaftung. In zahlreichen Entscheidungen hat zwar der Bundesgerichtshof festgestellt, daß leitende bzw. einfache Arbeitnehmer auch bei Verletzung unternehmens-interner Pflichten Dritten gegenüber persönlich haften können. 414 Weiterhin seien auch in diesem Bereich die Grundsätze der Produzentenhaftung, insbesondere die Beweislasturnkehr, anwendbar. Ihren Höhepunkt fand diese Rechtsprechung in der sogenannten ,,Baustoff-" Entscheidung von 1989 415 • 414 415

Vgl. u. a. BGH NJW 75, 1827; BGH NJW 87,372,373 BGHZ I 09, 297ff.

VII. Haftung des Qualitätsbeauftragten

149

Diese Entscheidung wurde in der Literatur aber überwiegend mit der Begründung abgelehnt, daß dem Mitarbeiter eine allgemeine Verkehrspflicht nur gegenüber der juristischen Person, nicht aber gegenüber dem geschädigten Dritten obliege.416 Des weiteren spreche gegen die Haftung des Mitarbeiters, daß die Produkthaftung des Unternehmens das Gegenstück zu seiner Gewinnerzielungsmöglichkeit sei. Am Unternehmensgewinn sei aber der Mitarbeiter nicht beteiligt. Nur das Unternehmen könne sich gegen das Haftungsrisiko versichern und diese Kosten über den Preis des Produktes wieder hereinholen. 417 Gegen eine Haftungsbeschränkung auf den Unternehmensträger spricht jedoch der Grundsatz der individuellen Verantwortlichkeit, wie ihn das Deliktsrecht verwirklicht. Dieser Grundsatz überzeugt, da hinter einem Unternehmen immer einzelne Personen stehen, die handeln und damit grundsätzlich auf die Gefahrsteuerung Einfluß nehmen können. 418 Unternehmensinterne Pflichten können zu unternehmensexternen Pflichten erstarken, wenn diese Pflichten vornehmlich bezwecken, Gefahren gegenüber der Allgemeinheit zu vermeiden.419 Es ist nicht einzusehen, weshalb ein Abteilungsleiter, durch dessen Pflichtwidrigkeit Betriebsfremde verletzt werden, gerade von der Produkthaftung ausgenommen sein sollte. Auch ihm gegenüber verdient das Interesse des Geschädigten den Vorzug.420 Im Innenverhältnis bestehende Ansprüche des Mitarbeiters auf Freistellung oder Aufwendungsersatz berühren dabei das Außenverhältnis nicht, ebensowenig wie eine im Verhältnis zum Arbeitgeber, sei es eine juristische oder natürliche Person, vereinbarte Haftungsbeschränkung.421 Der Bundesgerichtshof verlangt zur Begründung einer eigenständigen Verkehrspflicht gegenüber dem geschädigten Dritten, daß der Mitarbeiter gerade in seinem Aufgabenbereich zur Abwehr einer "aktualisierenden Gefahrenlage" gefordert ist422 . Dies ist mit zwei Kriterien zu präzisieren: Erstens ist ein persönliches Einstehenmüssen erforderlich, weil der Mitarbeiter die Gefahr konkret hätte beherrschen und deshalb den Schaden hätte vermeiden müssen. Indizien für ein solches persönliches Handeln sind das bestehende Risiko einer Schädigung Dritter, die Schwere des potentiellen Schadens und die Notwendigkeit, gefahrträchtige Vorgänge persönlich zu überwachen. Solche Gefahrlagen existieren zweitens 416 Vgl. Medicus, Eigenhaftung, FS Lorenz, S. 155, 166; Lutter, persönliche Haftung, ZHR 157 ( 1993), 464, 470 m. w. N. 417 Vgl. u. a. MünchKomm!Mertens, § 823 Rdnr. 311; Schlechtriem, Schuldrecht, Rdnr. 731 tf.; Erman/ Schiemann, § 823 Rdnr. 123; dazu auch Möllers, Qualitätsmanagement, DB 96, 1455, 1458. 418 Larenz, Schuldrecht II/2, § 76 111 5 d. 419 Vgl. Möllers, Qualitätsmanagement, DB 96, 1455, 1459. 420 Westphalen, Produkthaftungshandbuch I/F oerste, § 25 Rdnr. 20 I. 421Medicus, deliktische Eigenschaftung, FS für Lorenz, S. 155, 156f. 422 BGHZ 109,297,304.

150

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

vorrangig dann, wenn Dritte besonders schutzbedürftig sind, weil ihre hohen Rechtsgüter wie Gesundheit, Leib und Leben bedroht sind. Denn bei gefährlichen Tätigkeiten darf auch der einfache Arbeitnehmer nicht blind auf Anweisungen des Vorgesetzten vertrauen, sondern hat verantwortungsbewußt zu handeln und kritisch mitzudenken.423 Der Umfang der Haftung muß der jeweiligen Funktion und Aufgabenzuweisung im Betrieb entsprechen. Leitende Mitarbeiter verfugen einerseits über einen erheblichen Entscheidungsspielraum, der ihre Verantwortung spürbar erhöht, andererseits sind sie aber auch selbst nicht gänzlich unabhängig, da sie die Richtlinien der Unternehmensleitung zu respektieren haben und etwaige konkrete Beschlüsse über Produktionsweise, Konstruktionsänderung, Gestaltung von Warnhinweisen umsetzen müssen. Daneben werden die Leitenden aber in die Entscheidungsbildung oftmals mit einbezogen; das Gewicht ihrer Einwirkungsmöglichkeit kann hier ganz zurücktreten, bei entsprechender Autorität aber auch ausschlaggebend werden. Demnach läßt sich die individuelle Produktverantwortung des mittleren Managements nur im Einzelfall festlegen.424 3. Übertragung dieser Überlegung auf Qualitätsbeauftragte

Eine eigenständige deliktsrechtliche Haftung des Qualitätsbeauftragten setzt somit voraus, daß der Schaden auf die Verletzung einer eigenständigen Pflicht innerhalb des Herstellungsprozesses zurückzufuhren ist, deren Einhaltung dem Qualitätsbeauftragten oblag. Die Funktion des Qualitätsbeauftragten endet mit der Zertifizierung keineswegs. Da diese nur den Übergang von der Organisationsphase in die Funktionsphase markiert, dauert auch seine Verantwortlichkeit fort. Diese umfaßt in erster Linie die optimale Anwendung der Möglichkeiten des Qualitätsmanagementsystems zum Nutzen des Unternehmens, danach die laufende Kontrolle der Funktionsfähigkeit und Effizienz des Systems, der Aufrecherhaltung der Normkonforrnität, die Verhinderung von Mißbräuchen, die Veranlassung interner Audits und die laufende Kontrolle der Qualitätskosten. Hinzu konunt die interne Verantwortung fur alle Konsequenzen der Zurechenbarkeit von Handlungen und pflichtwidrigen Unterlassungen von fur das Unternehmen eingesetzten Personen, da es unter anderem auch Zweck eines Qualitätsmanagementsystems ist, daß keine von der Unternehmensleitung nicht kontrollierte Maßnahmen durchgefuhrt werden. So darf es bei Anwendung eines Qualitätsmanagementsystems zum Beispiel nicht zu einer Beschäftigung ungeeigneter Mitarbeiter,zu mangelhaften Sicherheitsprüfungen oder Gesetzesverlet423 424

Möllers, Rechtsgüterschutz, S. 231, 232; siehe auch Kötz, Deliktsrecht, Rdnr. 115. Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/Foerste, § 25 Rdnr. 202.

VII. Haftung des Qualitätsbeauftragten

151

zungen kommen. Die Konsequenzen solcher Anwendungsfehler fallen im Innenverhältnis dem für das Qualitätsmanagementsystem verantwortlichen Qualitätsbeauftragten zur Last. Die Grenzen dieser internen Verantwortlichkeit werden objektiv durch die Qualitätspolitik der gesamten Unternehmensleitung bestimmt, subjektiv durch die Möglichkeit der Anwendung der für den Qualitätsbeauftragten gebotenen besonderen Sorgfalt. Nachteile, die durch das planmäßig implementierte Qualitätsmanagementsystem nicht von vomherein verhindert werden konnten, führen daher ebenso wenig zu einer internen Haftung, wie einmalige Fehlleistungen von Mitarbeitern, die durch Vorbeuge- und Kontrollmaßnahmen gar nicht verhindert werden können. 425 Zweifellos erlaubt die Philosophie eines Qualitätsmanagementsystems, dem Qualitätsbeauftragten derart umfassende Aufgaben zuzuweisen. Das gilt insbesondere dann, wenn das System alle drei Nachweisbereiche von der Angebotsüber die Herstellungsphase bis zur Endprüfung umfaßt (somit bei Zertifizierung nach DIN ISO 9001). Inwieweit eine Verletzung dieser internen Pflichten aber eine eigenständige Haftung des Qualitätsbeauftragten gegenüber Dritten begründet, hängt ganz davon ab, ob die einzelnen Pflichten als Verkehrspflichten auch gegenüber Dritten bestehen. Dabei sind der Umfang der übertragenen Aufgaben und die Stellung des Qualitätsbeauftragten innerhalb der Unternehmenshierarchie maßgebliche Parameter für eine eigenständige deliktsrechtliche Haftung. Den Qualitätsbeauftragten können zivilrechtliche Sanktionen nur bei Verletzung eigener zivilrechtlicher Pflichten treffen. Da aber der Status des Betriebsbeauftragten in der Regel durch Überwachungsfunktionen, nicht aber durch Anordnungs- und Entscheidungsbefugnisse gekennzeichnet ist, nimmt er lediglich Aufgaben wahr, deren Erfüllung der Unternehmer ohnehin sicherzustellen hätte. Damit kann den Betriebsbeauftragten diesbezüglich keine unmittelbare zivilrechtliche Haftung treffen. Somit komme nur eine unternehmensinterne Haftung aus einer positiven Vertragsverletzung des Arbeitsvertrages in Betracht, wenn der Beauftragte seinen Informationspflichten nicht nachgekommen ist und der Unternehmer aus diesem Grunde einen Mangel nicht beheben konnte. Kam der Unternehmer den Hinweisen des Beauftragten jedoch nicht nach, so haftet nur dieser. Auch ein Rückgriff gegenüber dem Beauftragten ist dann nicht möglich. Dies ist nur dann anders zu beurteilen, wenn dem Beauftragten im Einzelfall auch Entscheidungsbefugnis übertragen worden ist. 426 Einer Ablehnung einer Außenhaftung des Beauftragten mit der Begründung, ihm fehle, abhängig von seiner Stellung in der Unternehmenshierarchie, ohne

425 426

Vgl. Langer/Popper/Prandstötter, Qualitätsmanagementsysteme, S. 69. Vgl. dazu Sa/je, Verantwortung, BB 93, 2297, 2298.

152

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Weisungsrecht die Möglichkeit, bestimmte Verstöße zu unterbinden, muß jedoch widersprochen werden. Gerade die dauernde Überptüfung und Anpassung der Organisations- und Betriebsstrukturen an die jeweiligen Erfordernisse kann nur erfolgen, wenn diese regelmäßig auf ihre Effizienz überptüft und Schwachstellen aufgedeckt werden. Kommt somit der Beauftragte den ihm aufgrund seiner Beauftragung obliegenden Kontroll-, Informations- und Initiativpflichten nicht nach, kann er auch ohne Entscheidungsbefugnis zivilrechtlich haften.427 Dabei muß aber in jedem Einzelfall immer gefragt und untersucht werden, inwieweit es dem Qualitätsbeauftragten auch möglich war, seine Vorschläge durchzusetzen. Insbesondere wenn im Unternehmen das Qualitätsmanagementsystem nur auf dem Papier besteht und dadurch die Einflußmöglichkeiten des Qualitätsbeauftragten seht gering sind, ist der ihn treffende Vorwurf an der mangelnden Unternehmensorganisation vernachlässigbar gegenüber der Verletzung der allgemeinen Organisationspflicht durch die Unternehmensleitung. In diesem Zusammenhang stellt sich weiterhin die Frage, ob der Qualitätsbeauftragte ebenso wie der Hersteller zu behandeln ist und dem Geschädigten auch bei der Inanspruchnahme des Qualitätsbeauftragten eine Beweislastumkehr zugute kommt. In der ,,Baustoff-"Entscheidung428 hat der Bundesgerichtshof festgestellt, daß auch ein angestellter Produktionsleiter als Hersteller angesehen werden kann, wenn er im Produktionsbereich eine herausgehobene und verantwortliche Stellung innehatte. Hintergrund war, daß dieser die von ihm geleitete Sphäre überblickte, selbständig den Herstellungsprozeß bestimmte und organisierte und schließlich das Produkt bei seiner Auslieferung kontrollierte. Insgesamt gesehen war er also ,,näher daran", den Sachverhalt aufzuklären, als der Geschädigte. Dem Bundesgerichtshof genügte dieser Umstand, um dem Produktionsleiter die Beweislast dafür aufzuerlegen, daß der Schaden nicht auf eine in seinem Organisationsbereich liegende Pflichtverletzung zutückzufuhren war.429 Eine Beweislastumkehr findet somit dann statt, wenn der Mitarbeiter im Betrieb als Repräsentant des Unternehmens betrachtet werden kann.430 Da die Normen der DIN ISO 9000-Reihe dem Unternehmer sehr viel Spielraum bei der individuellen Ausgestaltung des Qualitätsmanagementsystems lassen, kann hierzu keine generelle Aussage gemacht werden. So kann der Qualitätsbeauftragte Mitglied der Geschäftsleitung sein oder aber lediglich Mitglied des Managements und damit erst in der zweiten oder dritten Führungsebene eingestuft sein. Letztlich muß einer Ptüfung des Einzelfalles überlassen bleiben Möllers, Qualitätsmanagement, DB 96, 1455, 1460. BGHZ I 09, 297ff. 429 Franke, Qualitätsmanagement, FS Heiermann, S. 63, 77f. 430 Möllers, Rechtsgüterschutz, S. 233m. w. N.; Baumgärte/, Handbuch,§ 823 Anh. C 111 Rdnr. II; Kullmann!Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 3210, S. 3f. 427 428

VIII. Deliktische Haftung des Händlers

153

festzustellen, ob der Qualitätsbeauftragte tatsächlich eine leitende Position mit der Konsequenz einer eigenständigen Haftung einnimmt.431

VIII. Deliktische Haftung des Händlers Bei der Produkthaftung denkt man meist nur an die Haftung des Herstellers. Dabei wird aber oft übersehen, daß diese auch den Händler treffen kann. Eine Haftung kann sich dabei zum einen aus § 4 Abs. 3 ProdHaftG ergeben, falls der Händler die Herkunft der Produktes bzw. seine eigene Bezugsquelle nicht aufklären kann. Zum anderen ist hier § 823 Abs. 2 BGB, in dem die Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes geregelt ist, zu nennen. Wenn Dritte durch Produkte eines Händlers geschädigt werden und diese Schädigung auf die Verletzung eines Schutzgesetzes durch den Händler zurückzufuhren ist, kommt eine deliktische Schadensersatzpflicht des Händlers in Betracht. Weiterhin kann der Händler auch nach § 823 Abs. I BGB wegen Verletzung eigener Verkehrspflichten durch die Ioverkehrgabe des Produktes haften. Dies ist dann der Fall, wenn der Händler durch die Ioverkehrgabe von Waren Gefahren schafft, die durch ihm obliegende und auch zurnutbare produktbezogene Schutzmaßnahmen hätten verhindert werden können, wenn ihn also händlerspezifische Gefahrabwendungspflichten treffen. 1. Haftung des Händlers nach § 4 Abs. 3 ProdHaftG

Kennt der Geschädigte den Hersteller eines Produktes nicht, hatte er nach traditionellem Produkthaftungsrecht erhebliche Schwierigkeiten, seinen durch das mangelhafte Produkt entstandenen Schaden ersetzt zu bekommen. Diese Schwierigkeit wurde durch das Produkthaftungsgesetz gelöst. Gemäß § 4 Abs. 3 ProdHaftG haftet der Lieferant fiir etwaige Produktschäden wie ein Hersteller, wennertrotz Aufforderung durch den Geschädigten nicht in der Lage ist, den tatsächlichen Hersteller oder Vorlieferanten dem Geschädigten bekanntzugeben. Hierbei kann es nur darauf ankommen, ob das Produkt in der Form, wie es vom Lieferanten in den Verkehr gebracht worden ist, nicht den Hersteller erkennen läßt, es sich um ein "anonymes" Produkt handelt432 , nicht dagegen, wenn der geschädigte Käufer durch einen Untergang des Produktes nicht mehr in der Lage

431 Franke, Qualitätsmanagement, FS Heiermann, S. 63, 78; vgl. hierzu auch Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/ Merz, 2. Aufl., § 45 Rdnr. 157ff. 432 Vgl. Kullmann!Pjister, Produzentenhaftung, Kza. 3605, S. 17; Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz, § 4 Rdnr. 67.

154

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

ist, den Hersteller festzustellen433 • Die Lieferantenhaftung stellt ein Druckmittel des Geschädigten dar, die tatsächliche Herkunft der schädigenden Sache aufzuklären. Der Geschädigte ist in die Lage zu versetzen, sich unmittelbar an den Hersteller oder Vorlieferanten wenden zu können. Über die vollständige Adresse hinaus hat der Lieferant dem Geschädigten aber auch alle Fakten mitzuteilen, die diesen in die Lage versetzen, beweisen zu können, daß und wann der Vorlieferant an den Verkäufer des Geschädigten das schädigende Produkt verkauft hat. 434 Für die Praxis bedeutet die Lieferantenhaftung ein gesteigertes Haftungsrisiko fur alle Handelsuntemehmen, vor allem auch fur kleinere Geschäfte, die oft Produkte aus einer größeren Charge heraus einzeln verkaufen. Die Produkte, in den größeren Einheiten mit Herkunftsnachweisen versehen, werden durch den Einzelverkauf anonym, weil dem Käufer die ursprüngliche Herkunft nicht bekannt ist. Für Händler bedeutet dies, daß sie zur Vermeidung einer Haftung ihre eigene Dokumentation daraufhin überprüfen müssen, daß ihnen zumindest fur normalerweise vorhersehbare Fälle eine lückenlose Rekonstruktion der Vertragsverhältnisse möglich ist.435 Zwar genügt dazu ein Qualitätsmanagement-Zertifikat nicht, ein bestehendes Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9001 ist hierzu jedoch dahingehend nützlich, daß dem Unternehmer gemäß Abschn. 4.8 von DIN ISO 9001 aufgegeben ist: Wo und in dem Ausmaß, in dem Rückverfolgbarkeit eine festgelegte Forderung ist, muß der Lieferant Verfahrensanweisungen fiir eine eindeutige Kennzeichnung eines einzelnen Produktes oder einer einzelnen Charge erstellen und aufrechterhalten. Diese Kennzeichnung muß aufgezeichnet werden.

Dies erfordert eine Sicherstellung der Zuordnung eines Produktes zu den ihm entsprechenden Zeichnungen und Spezifikationen und der Rückverfolgbarkeit des Produktes durch die früheren Phasen seines Lebenszyklus'. 436 Die Notwendigkeit einer jeder-zeitigen Identifikation und Rückverfolgbarkeit der Produkte bedingt eine umfassende Dokumentation aller Warenbewegungen. Der Verkäufer kann bei Beachtung dieser Forderung auf einfachem Wege Unterlagen bereitstellen und eine eigene Haftung aus § 4 Abs. 3 ProdHaftG vermeiden.

So aber Rolland, Produkthaftungsrecht, § 4 Rdnr. 67. Vgl. Weber, Lieferantenhaftung, PHI 94, 26f. 435 Vgl. Weber, Lieferantenhaftung, PHI 94, 26, 27. 436 Pfitzinger, DIN EN ISO 9000, S. 43. 433

434

VIII. Deliktische Haftung des Händlers

155

2. Haftung des Händlers nach § 823 Abs. 1 BGB

a) Händlerspezifische Verkehrspflichten Der Händler haftet gegenüber Dritten in jedem Falle nach Maßgabe seiner spezifischen Schutzpflichten, die sich aus dem Vertrauen des Käufers ergeben, das darauf beruht, daß der Verkäufer/Händler üblicherweise bestimmte eigene Schutzpflichten wahrnimmt. So kann sich eine Deliktshaftung aus der Lieferung eines evident wirkungslosen Produktes, aus der fehlerhaften Beratung über die Produkteignung, aus der Nichtbeachtung von Abgabebeschränkungen und hinweisen oder wegen einer unsachgemäßen Lagerung des Produktes ergeben. Notwendig ist hier aber immer eine Einzelfallbetrachtung.437 Auch soweit es sich um Fabrikations- oder Konstruktionsfehler handelt, muß ein Händler nur händlerspezifische Verkehrspflichten erfiillen. Die Verantwortung fiir sichere Konstruktion und fehlerfreie Herstellung verbleibt dabei stets beim Hersteller. Maßnahmen gegen Herstellungsfehler erwartet der Verkehr im allgemeinen nur vom Produzenten. Denn anders als der Hersteller, verfugt der Händler in der Regel weder über die Kenntnis noch über die Ausrüstung, welche erforderlich wäre, um Produktgefahren zu erkennen und gefährliche Produkte auszusondern. So ist der Händler nur in engen Grenzen fur die Produktsicherheit verantwortlich.438 Dem Händler obliegt aber eine Untersuchungspflicht Sie beschränkt sich jedoch auf eine Sichtkontrolle auf offensichtliche Fehler oder Mängel der Ware. Darüber muß der Händler nur hinausgehen, wenn aus besonderen Gründen Anlaß zu einer genaueren Prüfung jeden Einzelteiles auf fehlerfreie Beschaffenheit besteht oder die Umstände des Falles eine solche Überprüfung zumindest nahelegen.439 Möglicherweise kann er sogar äußerstenfalls gehalten sein, den Vertrieb der entsprechenden Ware einzustellen. Als besonderer Umstand, der zu einer gesteigerten Untersuchungspflicht fuhren kann, ist es angesehen worden, daß das Produkt bereits Schaden verursacht hat und dies dem Händler auch bekannt ist.440 Ähnlich liegt es, wenn der Händler Informationen über den Hersteller oder den Herstellerbetrieb erhält, die ihn dazu bringen müssen, der Qualität des Produktes zu mißtrauen. 441 Ab wann der Händler verpflichtet ist, Anzeichen fiir Sicherheitsmängel zu berücksichtigen, ist aber immer eine Frage des Einzelfalles. Vgl. Westphalen, Produkthaftungshandbuch I/ Foerste, § 26 Rdnr. 3ff. Westphalen, Produkthaftungshandbuch I/ Foerste, § 26 Rdnr. 2. 439 BGH VersR, 60, 855; Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/Foerste, § 26 Rdnr. 19. 440 Vgl. BGH 81,774. 441 Martinek/Semler, Vertriebsrecht, § 35 Rdnr. 55f. 437

438

156

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

Jede Beziehung zwischen Hersteller und Händler ist anders ausgestaltet, abhängig von der Art des Produktes oder der Art des Verkaufes, z. B. Großhändler, Fachhändler. 442 Die zur Vermeidung der Produkthaftung gebotenen Untersuchungen sind im übrigen nicht mit der Untersuchungs- und Rügepflicht zu verwechseln, die dem Käufer hinsichtlich der empfangenen Ware gemäß § 377 HGB 443 gegenüber seinem Vertragspartner obliegt. Diese handelsrechtliche Pflicht besteht nicht gegenüber dem Produktbenutzer, sondern gegenüber dem Lieferanten und bezieht sich auf Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche gegen denselben.444 b) § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 3 Gerätesicherheitsgesetz

Zum Schadensersatz ist auch verpflichtet, wer gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezweckt. Kann gegen ein solches Gesetz auch ohne Verschulden verstoßen werden, tritt die Ersatzpflicht nur bei schuldhaften Verstößen ein, § 823 Abs. 2 BGB. Von besonderer Bedeutung ist im Bereich der Produkthaftung des Händlers445 eine Verletzung des Gerätesicherheitsgesetzes (GSG) 446 • § 3 GSG ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB447 • Das Gerätesicherheitsgesetz schreibt vor, von welcher Beschaffenheit sogenannte technische Arbeitsmittel sein müssen, um in den Verkehr gebracht werden zu dürfen. Technische Arbeitsmittel sind gemäß § 2 Abs. 1 GSG verwendungsfertige Arbeitseinrichtungen, vor allem Werkzeuge, Arbeitsgeräte, Arbeits- und Kraftmaschinen, Hebe- und Fördereinrichtungen sowie Beförderungsmittel. Indem das Gesetz bestimmte Voraussetzungen aufstellt, die erfüllt sein müssen, damit ein Gerät in den Verkehr gebracht werden darf, verpflichtet es den Hersteller, Einführer und Händler grundsätzlich, nur solche technischen Arbeitsmittel in den Verkehr zu bringen, die den Sicherheitsstandards genügen. Es sollen nur sicherheitstechnisch unbedenkliche Geräte auf den Markt kommen. Für si-

Vgl. Westphalen, Produkthaftungshandbuch 1/ Foerste, § 26 Rdnr. 21, 28m. w. N. Handelsgesetzbuch vom I 0. Mai 1897 (RGBI. S. 219), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Oktober 1994 (BGBI. I S. 3210). 444 Kretschmer, in: Martinek/Semler, Vertriebsrecht, § 35 Rdnr. 58. 445 Das Gesetz gilt entsprechend auch für die Haftung des Herstellers. Im Zusammenhang mit Qualitätsmanagementsystemen stellen sich jedoch in diesem Fall keine Probleme, die nicht bereits in den vorherigen Kapiteln angesprochen worden wären. 446 Gesetz über technische Arbeitsmittel (Gerätesicherheitsgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.0ktober 1992 (BGBI. I S. 1793), zuletzt durch Gesetz vom 14. September 1994 (BGBI. I S. 2329). 447 Vgl. dazu nur Peine, GSG, § 3 Rdnr. 157f; Westphalen, Produkthaftungshandbuch II Foerste, § 32 Rdnr. 8, 9. 442 443

VIII. Deliktische Haftung des Händlers

!57

cherheitstechnisch mangelhafte Arbeitsmittel führt § 3 Abs. I S. 1 und S. 2 GSG zu einem Handelshemmnis bzw. Handelsverbot. 448 Bis 1992 galt das Gesetz primär für Hersteller und Einführer von technischen Arbeitsmitteln. Im Zuge einer Gesetzesnovelle wurde der Wortlaut der Norm dahingehend verändert, daß nun nicht mehr auf Personen abgestellt wird, sondern auf Tätigkeiten: das Inverkehrbringen und Ausstellen. Das Gesetz gilt somit auch für Händler. Diese sollen die Verantwortung dafür übernehmen, daß das Erzeugnis dem im Zeitpunkt seines erstmaligen lnverkehrbringens geltenden Anforderungen entspricht. 449 Gemäß § 2 Abs. 3 GSG ist das Inverkehrbringen jedes Überlassen technischer Arbeitsmittel an andere. Somit kann auch ein Händler gegen dieses Gesetz verstoßen. Zur Vorbereitung des europäischen Binnenmarktes hat die Europäische Gemeinschaft eine Reihe von Richtlinien erlassen, die sich auf die Beschaffenheit solcher technischer Erzeugnisse beziehen. Durch die Novelle von 1992 zum Gerätesicherheitsgesetz wurden diese Richtlinien450 in nationales Recht umgesetzt. Künftig sind fiir Beschaffenheitsanforderungen die zur Umsetzung von EGRichtlinien erlassenen Rechtsverordnungen451 maßgebend. Nur insoweit solche Verordnungen nicht bestehen, bleibt es bei dem bisherigen System, nach dem für das Sicherheitsniveau die allgemein anerkannten Regeln der Technik sowie die Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften maßgebend sind. Der Hersteller, der technische Arbeitsmittel produziert, die mit den Verordnungen übereinstimmen, hat diese mit dem sogenannten CE-Zeichen als Konformitätserklärung zu versehen. Dieses im Zuge der Harmonisierung in Europa auf verschiedenen Produkten aufgebrachte Zeichen ist allerdings kein Sicherheitszeichen im klassischen Sinne. Wer ein Produkt mit CE-Zeichen erwirbt, kann sich nicht darauf verlassen, ein auf Sicherheitsmängel geprüftes Gerät vorzufinden. Das CE-Zeichen soll für alle auf dem europäischen Markt vertretenen Produkte einen freizügigen Warenverkehr ermöglichen. Mit diesem Zeichen wird die Konformität mit den einschlägigen europäischen Richtlinien erklärt. Das CE-Zeichen ist somit weder ein Herkunfts- noch ein Qualitätszeichen. Es handelt sich dabei nur um eine Art "Verwaltungszeichen", man könnte auch sagen eine Art ,,Reisepass" fiir das einzelne Erzeugnis. Das auf dem Erzeugnis angebrachte ZeiPeine, GSG, § 3 Rdnr. 16. Peine, GSG, §§ I, I a, 2 Rdnr. 54. 450 Vgl. hierzu nur Spielzeugrichtlinie (88/378/EWG) vom 3. Mai 1988, Abi. EG Nr. L 187 S. I, und die Richtlinie über persönliche Schutzausrüstung (89/686/EWG) vom 21.12.1989, Abi. EG Nr, L 399 S. 18. 451 So z. B. die Verordnung über elektrische Betriebsmittel vom II. Juni 1979, BGBI. I S. 629, die Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug vom 21.12.1989, BGBI. I S. 2541, die Verordnung über kraftbetriebene Flurfürderfahrzeuge vom 6.11.1991, BGBI. I S. 2179 oder die Maschinenverordnung vom 12. Mai 1993, BGBI. I S. 704. 448

449

158

C. Auswirkung auf die Produkt-/Produzentenhaftung

chen bedeutet, daß dieses Erzeugnis den einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften zur technischen Harmonisierung, die zwingenden Charakter haben, entspricht. Es bestätigt die Übereinstimmung des Produktes mit den grundlegenden Sicherheitsanforderungen, die in europäischen Richtlinien verlangt werden. 452 Ob sich Produzenten und Importeure jedoch tatsächlich an die in den Vorschriften niedergelegten "allgemeinen Schutzziele" für die Sicherheit und Gesundheit der Nutzer halten, ist durch die Benutzung des Zeichens nicht garantiert, denn bei den meisten Geräten können sich die Hersteller das Zeichen selbst verleihen, und wie genau sie es mit der Prüfung nehmen, bleibt ihnen überlassen. Eine Kontrolle durch unabhängige Prüfmstitute muß nicht erfolgen. Liegen für das entsprechende Produkt aber keine entsprechenden Rechtsverordnungen vor, ist die Inverkehrgabe gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 GSG dann verboten, wenn der Schutz der Rechtsgüter Dritter dabei nicht in angemessener Weise gewährleistet ist. Solche Produkte müssen insbesondere den allgemein anerkannten Regeln der Technik und den Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften entsprechen bzw. die gleiche Sicherheit auf andere Weise gewährleisten. Auch die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB setzt einen Schuldvorwurf voraus. Dieser bezieht sich ausschließlich auf die Verletzung des entsprechenden Schutzgesetzes, nicht aber auf die Folgen dieser Verletzung. 453 Als Verschuldensform kommen auch hier Vorsatz und Fahrlässigkeit in Betracht. Für die weitere Betrachtung ist jedoch nur die Verschuldensform der Fahrlässigkeit von Bedeutung. Im Bereich des Verstoßes gegen das Gerätesicherheitsgesetz besteht der mit der Fahrlässigkeit verbundene Vorwurf darin, daß der Händler es nicht vorausgesehen und nicht verhindert hat, daß er ein nicht den sicherheitstechnischen Anforderungen genügendes Produkt in den Verkehr bringt. Auch hier ist zwischen der inneren und äußeren Sorgfalt zu unterscheiden. Die äußere Sorgfalt bezeichnet das geforderte, objektiv sachgemäße Verhalten. 454 Die innere Sorgfalt dagegen beschreibt einen intellektuell-emotionalen Vorgang. Sie bezieht sich auf die Erkenntnis der möglichen Tatbestandsverwirklichung, aber auch auf das Erbringen der äußeren Sorgfalt. Sie besteht somit aus den Elementen der Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit, die sich auf die Tatbestandsverwirklichung beziehen. 455 Der geforderten Sorgfalt genügt der Händler dann, wenn er nicht erkennen konnte und auch nicht erkennen mußte, daß er das besagte Produkt nicht in den Verkehr bringen durfte. Eine Fahrlässigkeitshaftung setzt somit voraus, daß die PflichtenHansen, Zertifizierung, S. I l . BGH NJW 76, 1143, 1!44. 454 Huber, in FS fur Huber, S. 253, 265; Deutsch, unerlaubte Handlung, Rdnr. 121; Larenz, Schuldrecht I, § 20 III. 455 Deutsch, Haftungsrecht, Rdnr. 388; ders. unerlaubte Handlung, Rdnr. 121; Geige/, Haftpflichtprozeß, Kap. 2, Rdnr. 27; vgl auch Schmidt-Salzer, Produkthaftung III/1, Rdnr, 4.365ff.; Johannsen!Rademacher, Produkthaftungsrisiken, BB 96, 2636, 2639. 452 453

VIII. Deliktische Haftung des Händlers

159

Situation als solche erkennbar gewesen ist. 456 Der Händler muß Anhaltspunkte haben, an der Verkehrssicherheit des Produktes zu zweifeln. c) Auswirkung eines Qualitätsmanagementsystems

Ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem dient von seinem Selbstverständnis dazu, Vertrauen in die Qualitätsfähigkeit des Lieferanten herzustellen. Vertrauen dahingehend, daß der Betrieb des Herstellers so organisiert worden ist und dabei ein Organisationssystem aufrechterhalten wird, das geeignet ist, fehlerhafte Produkte nicht in den Verkehr gelangen zu lassen. Auf dieses System kann sich der Händler verlassen. Der Abnehmer kann davon ausgehen, daß er Produkte von gleichbleibender Qualität, daß er systemgerechte Ware erhält. Hat er sich zu Beginn der Lieferbeziehung im Rahmen seiner eigenen händlerspezifischen Verkehrspflichten dahingehend vergewissert, daß er vom Hersteller Produkte erhält, die den sicherheitstechnischen Anforderungen entsprechen, kann er bei zukünftigen Lieferungen grundsätzlich darauf vertrauen, daß dies auch weiterhin der Fall ist. An die Stelle der Produktprüfung tritt eine HerstellerBeurteilung. Der Händler ist somit nicht mehr zu eigenen Untersuchungen verpflichtet. Die händlerspezifische Sorgfaltspflicht hinsichtlich Konstruktions- und Fabrikationsfehlern reduziert sich dahingehend, daß eine eigene Untersuchungspflicht erst bei offensichtlichen Mängeln oder eindeutiger bzw. unzweifelhafter Kenntnis von Produktfehlern oder Organisationsmängeln im Herstellerbereich eingreift. Er kann sich somit hinsichtlich der Inanspruchnahme aus § 823 Abs. 1 BGB dadurch entlasten, daß er keine ihm obliegende händlerspezifische Verkehrspflicht bezüglich Herstellungsfehlern verletzt hat. Entsprechendes gilt bei einer Inanspruchnahme aus§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 3 GSG. Hat sich der Händler von der Verkehrsfähigkeit der Ware überzeugt, dann kann er bei einem zertifizierten Händler auch bei zukünftigen Lieferungen davon ausgehen, daß die Ware von der früheren Beschaffenheit ist. Er muß die Ware dann nicht mehr dahingehend untersuchen, ob ein eventuelles Verkehrsverbot besteht. Ein vorhandene Qualitätsmanagement-Zertifikat beim Hersteller fuhrt somit dazu, daß die händlerspezifischen Sorgfaltspflicht bezüglich der Verkehrsfähigkeit der bezogenen Ware erst dann wieder eigene Maßnahmen hinsichtlich der Überprüfung der Ware verlangt, wenn der Händler konkrete Kenntnis von Organisationsmängel im Herstellerunternehmen hat. Soweit dies nicht der Fall ist, kann er sich darauf verlassen, daß Qualitätsmanagementsystem im Herstellerunternehmen weiterhin wirksam ist und er Waren geliefert bekommt, die den einmal vereinbarten Qualitätsanforderungen genügen. 456

BGH VersR 76, 166, 168.

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht Bei der Frage nach den Auswirkungen eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems auf die Geltendmachung von vertraglichen Gewährleistungsansprüchen ist eine Beschränkung auf das Kauf- und das Werkvertragsrecht angebracht, weil beide in der gerichtlichen Praxis im Vordergrund stehen und die dabei zu gewinnenden Ergebnisse weitgehend auf andere Vertragstypen übertragen werden können. Weiterhin ist in den auf diese Vertragstypen zurückgehenden Unternehmensformen der Hauptanwendungsbereich von zertifizierten Qualitätsmanagementsystemen zu finden. Obwohl Qualitätsmanagement-Zertifikate bereits im Dienstleistungsbereich anzutreffen sind, wobei selbst Anwälte das Qualitätsmanagement als Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Dienstleistung entdecken', liegt ihr Hauptanwendungsgebiet und ihre ursprüngliche Konzeption im Bereich Warenproduktion und -vertrieb. So handelt es sich bei den DIN ISO 9000-Normen um Richtlinien, die im Kern eindeutig auf Prozesse in Unternehmen des Sekundärsektors, somit auf Hersteller von Sachgütern, ausgelegt sind und damit dem Dienstleistungssektor nur unzureichend gerecht werden.2 Die Gewährleistungsansprüche sind abhängig vom jeweiligen Vertragstyp. Ruft der Hersteller fertige, nicht individuell hergestellte Produkte des Zulieferers ab, so schließt er einen Kaufvertrag nach § 433 BGB ab. Stellt der Zulieferer einzelne, vom Hersteller zu spezifizierende Teile her, so handelt es sich um einen Werkvertrag nach § 631 BGB. Stellt dagegen der Zulieferer die Ware aus einem von ihm zu beschaffenden Stoff her, so handelt es sich um einen W erklieferungsvertrag, der den Regeln des § 651 BGB folgt. Es wird sich im folgenden zeigen, daß sowohl beim Werkvertrag wie auch beim Kaufvertrag dieselben Fragen zu erörten sind und sich auch einheitliche Lösungen anbieten. Aus diesem Grunde werden die beiden Vertragstypen zum größten Teil gemeinsam dargestellt.

1 Siehe dazu u. a. Thomas!Vorbrugg, TQM, AnwBI 95, 273; Streck, Rechtsanwalt, AnwBI 96, 57; Mauer/Krämer, ISO 9000, AnwBI 96, 73; Mattik, TQM, AnwBI 96, 274; Streck!Kilger!Ehnert, Anwendbarkeit, AnwBI 97, 190fT.; Werner, Qualitätsmanagement, NJW-CoR 97, 346ff.; Steinbrück, Zertifizierung, NJW 97, 1266ff. 2 Vgl. Homburg/Becker, Zertifizierung, WiSt 95, 444, 447.

I. Fehlerbegriff

161

I. Fehlerbegriff 1. Beziehung Fehler - Gewährleistungsrecht Die Geltendmachung vertraglicher Gewährleistungsansprüche nach Kauf- oder Werkvertragsrecht ist unter anderem davon abhängig, daß der Vertragsgegenstand einen Fehler aufweist. Nach heute allgemein anerkannt herrschender Meinung ist eine Sache fehlerhaft, wenn ihre tatsächliche Beschaffenheit negativ von der vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit abweicht. 3 Dieser sogenannte "subjektive Fehlerbegrift'' findet auch beim Werkvertrag Anwendung. So ist ein Werk dann mangelfrei, wenn es den vertraglichen Anforderungen entspricht. In ihrer sprachlichen Fassung und in ihrem Inhalt stimmen damit die Voraussetzungen des § 633 BGB mit dem Gewährleistungsrecht des Kaufes weitgehend überein. Voraussetzung der Sachrnängelhaftung ist ferner die Beeinträchtigung des Wertes oder der Tauglichkeit zum gewöhnlichen oder vertraglich vorausgesetzten Gebrauch. Unter dem Begriff "Wert der Kaufsache" ist ihr Verkehrs- oder Tauschwert zu verstehen. Er hängt von den wertbildenden Faktoren ab, wobei jedoch der Wert als solcher - der Marktpreis - außer Betracht bleibt. Alternativ verwendet § 459 Abs. 1 BGB den Begriff der Gebrauchstauglichkeit Die Gebrauchstauglichkeit zum gewöhnlichen Gebrauch ist fur die Feststellung eines Sachrnangels immer dann erheblich, wenn die Parteien nach dem Inhalt des Kaufvertrages keinen abweichenden Gebrauch - im Rahmen des subjektiven Fehlerbegriffes - gewollt haben. Ob eine Minderung des Wertes oder der Gebrauchstauglichkeit vorliegt, entscheidet sich nach der Verkehrs-auffassung.4 Die Fehlerhaftigkeit der Sache ist also nichts anderes als die vertragswidrige Beschaffenheit. Zur Beschaffenheit gehören alle der Sache zur Zeit des Gefahrübergangs anhaftenden körperlichen Eigenschaften. Umstände, die nicht mehr die Beschaffenheit der Sache ausmachen, können daher eine Sachrnängelhaftung nicht begründen.5

3 Ganz h. M., vgl. dazu u. a.: MünchKomm!Westermann, § 459 Rdnr. 9ff.; Jauernig!Vollkommer, § 459 Anm. II I; Larenz, SchuldR II, § 41 I a; Staudinger, Staudinger/Honse/1, § 459 Rdnr. 18fT.; Erman!Grunewald, § 459 Rdnr. I; jeweils m. w. N. aus Lit. und Rspr. 4 Vgl. zum gesamten: Soergei!Huber, § 459 Rdnr. 66; Staudinger/Honse/1 § 459 Rdnr. 55, 57,§ 633 Rdnr. II; Jauemig!Schlechtriem, § 633 Anm. 2; Palandt!Putzo, § 459 Rdnr. 9, 13; vgl. auch Bauer/von Westphalen, Recht zur Qualität, S. 88f. 5 Soergei!Huber, § 459 Rdnr. 23, 24. II Bayer

162

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

2. Neuer Fehlerbegriff: Das "systemgerechte Produkt"

Dieser ,,klassische" Fehlerbegriffkönnte aber durch die Einrichtung eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems nach DIN ISO 9000ff. im Unternehmen einer Neudefinition zugänglich sein. Mit einem Qualitätsmanagement-Zertifikat bringt der Unternehmer zum Ausdruck, daß in seinem Betrieb Maßnahmen durchgeführt werden, die dazu führen sollen, daß kein mangelhaftes Produkt in den Verkehr gelangt. Es stellt sich somit die Frage, ob ein solches Produkt, das unter Anwendung eines Qualitätsmanagementsystems erstellt worden ist, hinsichtlich seiner Mangelfreiheit anders zu qualifizieren ist als eines, das unter ,,normalen" Bedingungen erstellt worden ist? Durch die Auftragsvergabe des Abnehmers/Bestellers an den zertifizierten Unternehmer könnte man annehmen, daß dieser inzident sein Einverständis dahingehend gibt, daß der Unternehmer anhand dieses Systemes produzieren soll. Man könnte somit weiterhin annehmen, daß der Abnehmer/Besteller selbst nicht mehr mit dem Auftreten fehlerhafter Teile rechnet, auf die Funktionsfahigkeit des Qualitätsmanagementsystemes somit vertraut. Für den Vertragspartner läge somit eine vertragsgemäße Leistung dann vor, wenn der Produktentstehungsprozeß systemgerecht gewesen wäre. Dementsprechend müßte der Verkäufer nicht mehr schlechthin für die Qualität des Produktes, sondern allein für die Einhaltung des Qualitätsmanagementsystems einstehen. Dies wiederum könnte zur Folge haben, daß er für einen Mangel der Ware nicht zu haften braucht, wenn ihm der Nachweis gelingt, "systemgerecht" produziert zu haben. 6 Er bräuchte für einen Mangel der Ware dann nicht zu haften, wenn und soweit ihm der Nachweis der Installierung und Beachtung eines normgerechten Qualitätsmanagementsystems gelänge. a) Vergleich mit Qualitätssicherungsvereinbarungen

Die Frage nach dem Einfluß eines Qualitätsmanagementsystems auf den Fehlerbegriff ist von Merz 7 erörtert worden, der diese Überlegungen jedoch anhand von Qualitätssicherungsvereinbarungen anstellt. Nach Merz führen die zusätzlich zum eigentlichen ,,Austauschvertrag" vereinbarten Qualitätssicherungsmaßnahmen zwischen Unternehmer und Besteller zu zwei unterschiedlichen und selbständigen wirtschaftlichen Leistungen des Unternehmers. Dies sei einerseits die Herstellung des Gutes, andererseits die Erbringung der industriellen Dienstleistung "Qualitätssicherung", die, wenn auch organisatorisch eng verzahnt, inhalt-

6 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 265; siehe dazu auch Westphalen, Produkthaftungshandbuch I!Merz, 2. Autl., § 44 Rdnr. 18ff.; mit ähnlichen Überlegungen bereits Steindorjf, Gehilfenversagen, AcP 170 (1970), 93, I09ff. 7 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 265ff.

I. Fehlerbegriff

163

lieh streng zu unterscheiden sei. Wesentlich sei dann die Frage nach der Unterscheidbarkeit. Je mehr Spezifikationen für die Produktion und die Beschaffenheit des Gutes durch die Qualitätssicherungsvereinbarung vorgegeben bzw. verbindlich gemacht werden, desto weniger läßt sich haftungsrechtlich zwischen Herstellungsprozeß und Herstellungserfolg unterscheiden. Die Aufteilung in zwei selbständige Leistungen müßte im Ergebnis dann aber zu dem Kuriosum führen, daß Gewährleistungsansprüche wegen fehlerhafter Produkte durch schuldrechtliche Ansprüche des Zulieferers gegen den Hersteller wegen der Nichterfullung der Verpflichtung zur Beachtung eines Qualitätsmanagementsystems kompensiert werden. In diesem Falle müßte weiterhin das außerhalb des Qualitätsmanagementsystems angesiedelte (und damit nicht haftungsrelevante) Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter abgegrenzt werden. Durch die fertigungsnahen und -begleiten-den Plazierungen von Qualitätsmanagement-Maßnahmen und deren engen Verzahnung mit dem Wertschöpfungsprozeß stellen Fertigungsprozeß und Fertigungserfolg aber haftungsrechtlich eine Einheit dar. Eine strikte Trennung zwischen den fur die Qualitätssicherung zuständigen Mitarbeitern einerseits und denjenigen in Entwicklung, Konstruktion und Fertigung andererseits läßt sich nicht praktizieren. Für die Frage nach der Fehlerhaftigkeit eines Produktes ist ein vereinbartes Qualitätsmanagementsystem dennoch nicht bedeutungslos. Hat die Anwendung des vereinbarten Qualitätsmanagementsystems Einfluß auf die Produktbeschaffenheit, dann muß fur die Fehlerdefmition gelten, daß das, was dieses Sicherungssystem bedingt, der Zulieferer nicht als Fehler zu vertreten hat. 8 Bedingt somit das vereinbarte Qualitätsmanagementsystem einen Fehler im Produkt, kann dem Unternehmer entsprechend § 645 Abs. 1 BGB kein Vorwurf gemacht werden. b) Übertragbarkeit aufein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem

aa) Werkvertrag In den Fällen eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems stellt sich bereits die Ausgangssituation grundsätzlich anders dar. Der Unternehmer bekommt keine Vorgaben des Bestellers, welche konkreten Maßnahmen er zu treffen hat, wie dies bei Qualitätssicherungsvereinbarungen der Fall ist, sondern erklärt mit seinem Zertifikat die Beachtung bestimmter selbstdefinierter Maßnahmen und Ziele. Insbesondere aber im Werkvertragsrecht liegt das Wesen des Vertrages in der ausgeprägten Erfolgsbezogenheit der Unternehmenspflichten. Diese Erfolgs8

11*

Vgl. Ensthaler, Bedeutung, NJW 94,817,821.

164

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

bezogenheit findet ihren überzeugendsten Ausdruck auch und gerade in den Gewährleistungsregeln der §§ 633, 634 BGB. Die dort verankerten Gewährleistungsansprüche zeigen, daß der Unternehmer dem Besteller einen Erfolg schuldet und hierfiir auch einzustehen hat. Diese Einstandsverpflichtung trifft den Unternehmer selbst dann, wenn er den Nichteintritt des werkvertraglich geschuldeten Erfolges nicht zu vertreten hat. 9 Nur wenn er diesen Erfolg herbeifiihrt, hat er den Vertrag erfiillt. Der Weg dorthin wird aber gerade nicht festgelegt. Dem Unternehmer steht es frei, welche Maßnahmen er durchfuhrt, um das Ziel zu erreichen. Würde man nun ein systemgerechtes Produkt als fehlerfrei bezeichnen, obwohl es nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspricht, bzw. der systembedingte Fehler kein Fehler im Sinne des Gewährleistungsrechtes sein, würde dies der Systematik des Werkvertragsrechtes vollständig widersprechen. Weiterhin würde dadurch auch der zertifizierte Unternehmer außergewöhnlich bevorzugt werden. Er könnte sich darauf berufen, daß es ihm nicht möglich war, den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeizuführen, soweit er nur entsprechend dem Qualitätsmanagementsystem produziert hat. Der Unternehmer wäre somit nur noch zum systemgerechten Tätigwerden, nicht aber zur Erfolgsherbeiführung verpflichtet. Hinsichtlich der Mangelfreiheit kommt es immer auf die vertraglich getroffenen Vereinbarungen an. Entspricht das Werk diesen Anforderungen, kann der Besteller keine Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche geltend machen. Somit kann der Besteller auch bei im übrigen gegebener Mangelfreiheit des Werkes keine Ansprüche geltend machen, wenn der Unternehmer durch das Zertifikat zwar ein Qualitätsmanagementsystem angeboten, es aber nicht angewandt hat, denn die Beachtung eines Qualitätsmanagementsystems ist unter normalen Umständen kein Wert an sich, auf das der Besteller/Käufer Anspruch erheben könnte. 10 Es ist somit davon auszugehen, daß die Herstellung unter Beachtung des Qualitätsmanagementsystems zusätzlich zu den anderen vertraglich vereinbarten Eigenschaften des Vertragsgegenstandes erfolgen und nicht an die Stelle dieser Vereinbarungen treten soll. 11 bb) Kaufvertrag Anders könnte sich die Situation jedoch im Kaufrecht darstellen. Der Verkäufer verpflichtet sich, dem Käufer die Sache zu übergeben und ihm daran das Eigentum zu verschaffen. Diese Verpflichtung bezieht sich bei der Stückschuld auf die konkret gekaufte Sache, bei der Gattungsschuld auf Sachen dieser Gattung, MünchKomm/Soerge/, § 631 Rdnr. 4. Vgl. dazu Franke, Qualitätsmanagement, FS flir Heiermann, S. 63, 68. 11 Vgl. auch Grob, Qualitätsmanagement, S. 177.

9

10

I. Fehlerbegriff

165

mittlerer Art und Güte. Dem Käufer stehen Gewährleistungsansprüche zu, wenn die gelieferte Sache einen Fehler im Sinne des § 459 Abs. I BGB im Zeitpunkt des Gefahrübergangs aufweist. Insbesondere wenn ein Fehler aufgetreten ist, der nur und einzig im Bereich des Verkäufers entstanden sein kann oder von diesem bei entsprechenden Untersuchungen hätte entdeckt werden müssen, könnte nun aber ein Qualitätsmanagementsystem von Bedeutung sein. Es stellt sich somit die Frage, ob der Verkäufer durch das Argument des systembedingten Umgangs mit der Ware entlastet sein könnte, das heißt, wenn er vorträgt, Kontrollen oder Behandlung der Ware entsprechend dem System durchgeführt zu haben. Dies ist jedoch ebenfalls abzulehnen, da die Anforderungen an den Umgang mit der Ware immer produktspezifisch sind, das Qualitätsmanagement-Zertifikat entsprechend den DIN ISO 9000ff.-Normen aber ohne Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Besonderheiten vergeben wird. Selbst innerhalb einer Produktsparte sind ganz unterschiedliche Anforderungen zum Beispiel hinsichtlich Lagerung, Transport und Verpackung zu beachten. Man denke nur auf der einen Seite an den Fischhändler im Vergleich zu demjenigen, der ausschließlich mit Konserven handelt. Noch deutlicher werden die Unterschiede, wenn verschiedene Produktsparten miteinander verglichen werden. Weiterhin ist eine Haftung im Kaufrecht gerade nicht vom individuellen Einstehenmüssen abhängig. Die Gewährleistungsansprüche begründen gerade keine verschuldensahhängige Haftung des Verkäufers. Das Bestehen der Ansprüche ist unabhängig von allen unternehmensspezifischen Besonderheiten, die Einfluß auf den Zustand des Vertragsgegenstandes haben könnten. 3. Nichtbeachtung des Qualitätsmanagementsystems als Fehler

Ein Fehler kann auch darin bestehen, daß die Beziehung der Sache zur Umwelt gestört ist. 12 Neben den physischen Eigenschaften können auch solche tatsächlichen, wirtschaftlichen, sozialen oder rechtlichen Beziehungen der Sache zur Umwelt Beschaffenheitsmerkmale sein, die wegen ihrer Art und Dauer die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache beeinflussen. Die Parteien können bestimmen, welche Merkmale die Sache haben soll. Hat die verkaufte Sache diese Merkmale nicht, ist sie mangelhaft. 13 Unter Beachtung des subjektiven Fehlerbegriffes kann damit auch das Unterlassen von vereinbarten oder vorausgesetzten Qualitätsmanagement-Maßnahmen für sich allein schon einen Fehler darstellen. Hingewiesen sei in diesem Zusam-

12 13

RGZ 161 , 330, 331; Staudinger/ Honse/1, § 459 Rdnr. 18. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, S. I 06.

166

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

menhang auf die sogenannte "Trevira-"Entscheidung14 des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1967. Darin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsgericht angewiesen, zu prüfen, ob die Werbung dahin gehe, ,jedem Abnehmer eines Trevira-Produktes die Gewähr dafur zu bieten, daß das im Wege der Arbeitsteilung von verschiedenen Betrieben weiterverarbeitete oder verarbeitete Produkt in jeder dieser Stufen so behandelt werden muß, damit es die in der Werbung einem Trevira-Produkt zugeschriebenen Eigenschaften hat." Sei dies der Fall, dann liege ein fehlerhaftes Endprodukt vor, wenn dieses Verfahren auf einer Produktionsstufe nicht beachtet worden sei. Durch die Vereinbarung der Anwendung eines Qualitätsmanagementsystems im Rahmen einer Qualitätssicherungsvereinbarung nach einer bestimmten Norm, also DIN ISO 9001 bis 9003, werden Vorgänge zugesagt, die den Qualitätsmanagement-Normen in der konkret gewählten Form entsprechen. Erfolgt dagegen keine ausdrückliche Vereinbarung über die Anwendung eines Qualitätsmanagementsystems, kommt dem erteilten Zertifikat eine besondere Bedeutung zu. Verwendet der Unternehmer das ihm erteilte Zertifikat im Geschäftsverkehr, zum Beispiel in der Werbung, in der Korrespondenz oder auf Prospekten, gibt er zu erkennen, daß er die genannte Norm einzuhalten verspricht. Die Vertragspartner können darauf vertrauen, daß die Vertragsbesprechung, der Vertragsschluß und die Vertragserfiillung im Sinne der Qualitätsnormen erfolgen wird. 15 Wirbt der Hersteller somit mit einem Qualitätsmanagement-Zertifikat, so hat dies zur Folge, daß nach Vertragsschluß entsprechend der zertifizierten Unternehmensorganisation vorgegangen werden muß, die Vorgaben der DIN ISO-Normen also beachtet werden müssen. Die ,,DIN ISO 9000ff."-gemäße Behandlung der Ware oder des Werkes stellt somit eine Beschaffenheitsangabe dar. Für das Vorliegen eines Fehlers ist es daher nicht erforderlich, daß das Unterlassen einer QualitätsmanagementMaßnahme einen weiteren Mangel verursacht hat. Allein die Nichtbeachtung des Managementsytems macht die Sache mangelhaft. Allerdings ist hier festzuhalten, daß die Nichtbeachtung dieser allgemeinen Verfahrensnormen nicht dazu fuhrt, daß der dann vorliegende Fehler den "Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufhebt oder mindert", § 459 Abs. I S. I (2. HS) BGB. Denn fiir die Verwendbarkeit des Produktes ist es ohne Belang, welche allgemeinen unternehmensinternen Verfahreosanweisungen beachtet worden sind, solange die produktspezifischen Forderungen erfiillt werden. Für die Mängelrechte des Bestellers macht es somit einen Unterschied, ob bei der Vertragserfiillung die vorausgesetzten Qualitätsmanagement-Maßnahmen nicht beachtet worden sind oder ob das Produkt an sich man14 15

BGHZ 48, 118ff. Vgl. Popper!Langer/Prandstätter, Qualitätsmanagement, S. 20f.

I. Fehlerbegriff

167

gelhaft ist 16. Abzugrenzen ist die Nichtbeachtung dieser allgemeinen DIN ISONormen zu Qualitätsmanagement-Maßnahmen allerdings zu Fällen, in denen konkrete produktspezifische Qualitätssicherungs-Maßnahmen, unabhängig davon, ob sie konkret vereinbart oder grundsätzlich vorausgesetzt worden sind, nicht beachtet werden. Darunter fallt beispielsweise die Durchfiihrung bestimmter Materialprüfungen oder die Beachtung bestimmter Sicherungsmaßnahmen, die es erst ermöglichen, daß das einzelne Produkt seiner bestimmungsgemäßen Verwendung zugefuhrt werden kann. 17 4. Beweislast für das Vorliegen eines Fehlers

Nach Abnahme bzw. Übergabe hat grundsätzlich der Besteller bzw. Käufer darzulegen und zu beweisen, daß die gelieferte Ware oder das erstellte Werk mangelhaft ist. Ihn trifft die Beweislast bezüglich aller Tatbestandsvoraussetzungen der Gewährleistungsansprüche. Diese Darlegungs- und Beweislast dreht sich allerdings um, wenn feststeht, daß DIN-Normen, die allgemein fiir die betreffende Art von Waren gelten, im konkreten Fall nicht eingehalten sind. 18 Denn DIN-Normen stellen anerkannte Regeln der Technik dar. Werden sie nicht eingehalten, so spricht wegen der damit verbundenen Gefahrerhöhung eine - widerlegbare - Vermutung dafiir, daß die entstandenen Schäden bei Beachtung der DIN-Normen vermieden worden wären. Technische Normen im engeren Sinne, in denen z. B. Belastbarkeit von Werkstoffen, Qualität von Prüfmitteln oder ähnliche, klar beschreibbare Faktoren eine Rolle spielen, können trotz gewisser Unsicherheiten, die sich daraus ergeben können, daß innnerhalb einer Übergangszeit neu entwickelte Techniken, die sicherer und besser sind, noch nicht in das Normgefiige eingearbeitet sind, einen relativ klar umrissenen Rahmen dafiir abgeben, welche Qualitätskriterien eingehalten werden müssen, um entsprechend dem "Stand der Technik" zu arbeiten. Als Normalbeschaffenheit einer Sache darf ohne besondere Vereinbarung vorausgesetzt werden, daß die anerkannten Regeln der Technik beachtet worden sind. Entspricht ein Produkt somit nicht den Anforderungen einer bestimmten technischen Norm, liegt demnach ein Fehler vor. Dies ist bei Nichtbeachtung einer technischen Norm allerdings dann zu verneinen, wenn der Vertragsgegenstand trotzanderer stofflicher Zusammensetzung oder Fertigungsweise dem Ver-

Ansicht wohl Grob, Qualitätsmanagement, S. 193. Vgl. dazu insbesondere Westphalen, Produkthaftungshandbuch I!Merz, 2. Aufl., § 45 Rdnr. I Off. 18 OLG München NJW-RR 92, 1523, 1524 m.w.N. 16 Andere 17

168

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

Wendungszweck des Käufers in gleicher Weise gerecht wird und dem von der nichtbeachteten Norm geforderten Sicherheitsstand entspricht. Dieser Nachweis ist allerdings vom Hersteller bzw. Verkäufer zu erbringen. Wird ein vertraglicher Schadensersatzanspruch geltend gemacht, hat der Hersteller/Verkäufer in diesem Falle weiterhin zu beweisen, daß der geltendgemachte Schaden gerade nicht auf der Verletzung anerkannter Regeln der Technik beruht, also auch im Fall der Beachtung entstanden sein würde. 19 Er kann somit auch den Beweis dahingehend antreten, daß die von ihm gewählte Variante die von der DIN-Norm garantierte Sicherheit in der gleichen Weise herbeizufuhren geeignet ist. Hier stellt sich nun die Frage, ob allein die Nichtbeachtung der DIN-Normen über das Qualitätsmanagementsystem ebenfalls zu einer solchen Beweislastumkehr fuhren kann, ob also allein ein solcher Umstand dazu fuhrt, daß für den Käufer/Besteller eine Vermutungswirkung hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit eintritt. Technische Normen, in denen zum Beispiel die Belastbarkeit von Werkstoffen, die Qualität von Prüfmitteln oder ähnliche klar beschreibbare Faktoren eine Rolle spielen, können einen klar umrissenen Rahmen dafür abgeben, welche Qualitätskriterien eingehalten werden müssen, um entsprechend dem "Stand der Technik" zu arbeiten. Dazu gehören auch produkt- und prozeßbezogene QualitätsmanagementMaßnahmen wie etwa die Durchführung von Produktprüfungen oder besondere Sicherheitsvorkehrungen in gefährlichen Bereichen. Viel schwieriger ist das aber bei einer Organisationsnorm wie DIN ISO 900lff., die ganz absichtlich einen hohen Abstraktionsgrad hat, um branchenneutral verwendbar zu bleiben. Je abstrakter aber eine Norm ist, um so weniger konkrete Vorwürfe lassen sich aus ihr ableiten. Darüber hinaus wird es bei solch abstrakten Forderungen oftmals streitig und unaufklärbar bleiben, ob die Verletzung der Norm kausal für ein bestimmtes Ereignis geworden ist, bzw. ob die abstrakte Norm tatsächlich durch die konkrete Ausgestaltung im Unternehmen verletzt worden ist.20 Allein die Nichtbeachtung der DIN-Normen bezüglich des einzurichtenden Qualitätsmanagementsystems kann somit nicht zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Nichtvorliegenseines Fehlers fuhren.

BGH NJW 91,2021. V gl. Heussen!Schmidt, Inhalt und rechtliche Bedeutung, CR 95, 321, 327; siehe auch Grob, Qualitätsmanagement, S. 193. 19

20

II. Eigenschaftszusicherung

169

II. Eigenschaftszusicherung Sachmängelgewährleistungsrechte finden nicht nur Anwendung bei Fehlerhaftigkeit des Vertragsgegenstandes mit den Rechtsfolgen von Wandlung, Minderung und Nachbesserung, sondern umfassen im Kaufrecht auch einen Schadensersatzanspruch bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft. Das Werkvertragsrecht hingegen qualifiziert Eigenschaftszusicherungen als bloße Beschaffenheitsangaben, deren Fehlen dem Unternehmer nicht zu einem zusätzlichen Nachteil gereichen. Ein Schadensersatzanspruch hängt damit nicht vom Fehlen der zugesicherten Eigenschaft ab, sondern verlangt gemäß § 635 BGB ein Vertretenmüssen des Unternehmers hinsichtlich des vorhandenen Mangels. 1. Begriffsklärung Nach der Formel, welche die Judikatur verwendee 1, ist eine Eigenschaft ,jedes dem Kaufgegenstand auf gewisse Dauer anhaftende Merkmal, das für den Wert, den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch oder aus sonstigen Gründen fiir den Käufer erheblich ist. " 22 Erfaßt werden die physischen Merkmale der Sache, also die "der Sache an sich zukommenden Eigenschaften"23, nicht minder aber alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, also: ihre rechtlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, welche in ihren Beziehungen zu anderen Sachen wurzeln und infolge ihrer Beschaffenheit sowie der vorausgesetzten Dauer - nach der Anschauung des Verkehrs - einen Einfluß auf die Brauchbarkeit und auf die Wertschätzung der Sache auszuüben pflegen. Zwar können neben den physischen Eigenschaften des Gegenstandes auch solche tatsächlichen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Beziehungen des Gegenstandes zu seiner Umwelt Eigenschaften sein, die für die Brauchbarkeit und den Wert bedeutsam sind. Diese Beziehungen müssen aber in der Beschaffenheit des Kaufgegenstandes selbst ihren Grund haben, also von ihm ausgehen. Sie dürfen sich nicht erst durch Heranziehung von außerhalb des Kaufgegenstandes liegenden Verhältnissen oder Umständen ergeben. 24 Die Eigenschaften, die der Verkäufer zusichern kann, decken sich mit den Beschaffenheitsmerkmalen, deren Nichtvorhandensein die Sache fehlerhaft macht. 25 Hiervon besteht nur in21 Vgl. RGZ 52, 2; RGZ 148, 286, 294; RGZ 161, 193; RGZ 161, 330; BGHZ 16, 54, 57; BGHZ 79, 183, 186; weiterhin nur noch Staudinger/ Honsel/, § 459 Rdnr. 38f. 22 BGHZ 87,302, 303; vgl. ansonsten nur Soergei!Huber, § 459 Rdnr. 142. 23 BGHZ 16, 54, 57. 24 Vgl. nur Soerge1/Huber, § 459 Rdnr. 147; vgl. u. a. RGZ 148, 286, 294; BGHZ 70, 47, 49. 25 Esser/Weyers, Schuldrecht Il, § 5 Il 2; Larenz, Schuldrecht Il/1, § 41 I b.

170

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

sofern eine Ausnahme, als der Verkäufer auch Eigenschaften zusichern kann, deren Fehlen den Wert oder die Tauglichkeit der Sache nicht oder nicht erheblich mindert. Von dieser Ausnahme abgesehen, besteht zwischen den Beschaffenheitsmerkmalen, deren Nichtvorhandensein einen Sachmangel darstellt, und den Eigenschaften, die zugesichert werden können, kein Unterschied. 26 Die Beschaffenheitsmerkmale, deren Fehlen die Sache fehlerhaft machen, und die Eigenschaften, die zugesichert werden können, sind somit identisch. Damit ist mit Reinicke/Tiedtke27 die Ansicht abzulehnen, ein Unterschied zwischen den beiden Begriffen sei dann gegeben, wenn es sich um die Beziehungen der Sache zur Umwelt handele. Diese Beziehungen müßten bei den Beschaffenheitsmerkmalen in der Beschaffenheit der verkauften Sache selbst ihren Grund haben, sie dürften sich nicht allein durch Heranziehung von außerhalb des Kaufgegenstandes liegenden Verhältnissen oder Umständen ergeben. Dagegen könnten Eigenschaften, die zusicherungsfahig seien, auch durch solche Umstände bedingt sein, die außerhalb der verkauften Sache ihre Ursache haben. In beiden Fällen brauchen aber die gestörten Beziehungen ihren Grund nicht allein in der Beschaffenheit der Sache zu haben, und in beiden Fällen dürfen sie nicht ausschließlich aufUmständen beruhen, die mit der Sache nichts zu tun haben. Unter einer Zusicherung ist eine vertragliche Vereinbarung zu verstehen, nach der der Verkäufer fiir das Vorliegen bestimmter Eigenschaften einstehen will. 28 Eine Zusicherungsecklärung liegt vor, wenn ein Vertragswille des Verkäufers erkennbar ist, die Gewähr fiir das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft zu übernehmen und fiir die Folgen eines FehJens dieser Eigenschaften einstehen zu wollen, den Käufer insoweit schadlos zu stellen.29 In der Praxis ist es oft schwierig, exakt die Unterscheidungskriterien zu bezeichnen, welche eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 459 Abs. 1 BGB ausmachen, weil wegen der weiterreichenden Rechtsfolgen, Eigenschaftszusicherungen gemäß § 459 Abs. 2 BGB hiervon abzugrenzen sind. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Zusicherungsecklärung stets ein ,,Mehr" gegenüber einer Beschaffenheitsvereinbarung voraussetzt. Die Zusicherungsecklärung schließt somit zum einen eine Beschaffenheitsvereinbarung ein, zum anderen setzt sie voraus, daß der Verkäufer gegenüber dem Käufer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Bereitschaft erkennen läßt, fiir die

26 Reinicke!Tiedtke, Kaufrecht, S. 111. 27 Reinicke!Tiedtke, Kaufrecht, S. 112. 28 Erman!Grunewald, § 459 Rdnr. 29m. w. N. 29 Vgl. nur MünchKomrn!Westermann, § 459 Rdnr. 56 m. w. N.; Reinicke/Tiedtke,

Kaufrecht, S. 115.

II. Eigenschaftszusicherung

171

Folgen einstehen zu wollen, falls die Kaufsache die zugesicherte Eigenschaft nicht hat. 30 Der Bundesgerichtshof ist mit der Annahme von Eigenschaftszusicherungen des Verkäufers zurückhaltend. 31 Die vertragsmäßige Zusicherung von Eigenschaften im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB kann ausdrücklich32 oder stillschweigend, insbesondere durch schlüssiges Verhalten erfolgen33 • Entscheidend ist dabei, ob in dem Verhalten des Verkäufers fiir den Käufer der Wille zu einer rechtsverbindlichen Zusicherung von Eigenschaften hervortritt. Bei der Festlegung des Erklärungswertes, der dem Verhalten des Verkäufers zukommt, ist darauf abzustellen, wie der Käufer dieses Verhalten unter Berücksichtigung der konkreten Umstände nach der Verkehrsauffassung auf der Grundlage von Treu und Glauben ansehen durfte. 34 Vorausgesetzt werden muß jedoch, daß der Verkäufer in dieser Erklärung hinreichend deutlich seine Bereitschaft zu erkennen gibt, fiir das Vorhandensein verantwortlich zu sein und - sofern diese Eigenschaft fehlt - auch ohne Verschulden fiir die Folgen einstehen zu wollen. Nicht als Zusicherung von Eigenschaften sind allgemein gehaltene Vertragserklärungen anzusehen, die lediglich die ohnehin bestehende Verpflichtung zur Herstellung eines mangelfreien Werkes nur bekräftigen, so z. B. das Versprechen erster Qualität, bester Ausfiihrung, hervorragender Durchfiihrung oder ähnlicher Werbeaussagen. 35 Keine Zusicherung sind also Angaben, die sehr allgemein gehalten oder ersichtlich nicht ernst gemeint sind, weil sie übertrieben sind. In diesem Falle kann nicht auf einen besonderen Verpflichtungswillen des Verkäufers geschlossen werden. Stellt sich die Äußerung jedoch als ernst gemeinte Willenserklärung dar, die nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte als solche gewertet werden durfte, und sind die von der Erklärung betroffenen Eigenschaften in einer Weise bezeichnet, daß Inhalt und Umfang derselben sich feststellen lassen, so wird in der Regel eine Zusicherung von Eigenschaften anzunehmen sein?6

30 von Westphalen/Bauer, Just-in-Time, S. 21; BGHZ 91 , 158, 160; BGH WM 82, 696, 697; BGH ZIP 85, 416, 417. 31 Vgl. BGH NJW 81 , 1501 m.w.N. aufdie ständige Rechtsprechung. 32 Vgl. BGH NJW 81, 1501; BGH WM 74, 1204; BGHZ 48, 118; Erman!Grunewald, vor § 459 Rdnr. 6; § 459 Rdnr. 24fT.; Pa1andt/Putzo § 459 Rdnr. 14; Staudinger/Honsell § 459 Rdnr. 60ff.; MünchKomm!Westermann § 459 Rdnr. 51f. 33 Vgl. BGH NJW 68, 2238; BGH VersR 66, 241 ; BGH DB 54, 927; Jauernig!Vollkommer § 459 Anm. III 4; RGRK!Mezger § 459 Rdnr. 22; Soerge11Huber § 459 Rdnr. 28 und weiterhin die in FN 33 au fgefiihrten Literaturhinweise. 34 Nachweise dazu siehe FN 32 und 33. 35 MünchKomm!Soergel, § 633 Rdnr. 29. 36 Erman/Grunewald, § 459 Rdnr, 30.

172

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Zusicherung und Beschaffenheitsvereinbarung treten bezüglich der hinlänglichen Konkretheit und Genauigkeit von schlagwortartigen Bezeichnungen und Beschreibungen der Sache auf, wie sie auch in der Werbung verwendet werden. Entscheidend ist dann, ob die Angaben des Verkäufers bei Auslegung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte bestimmte konkrete Eigenschaften ergeben.37 Auch in der Warenbezeichnung kann somit eine Zusicherung von Eigenschaften liegen. Es müssen dann aber besondere Umstände vorliegen, die auf einen Verpflichtungswillen des Verkäufers schließen lassen38 . Dies wäre dann der Fall, wenn die Bezeichnung nicht nur eine genaue Kennzeichnung darstellt, sondern damit auch Angaben gemacht werden, die über das sonst Übliche, Zweckmäßige und Ausreichende hinausgehen. 39 Keine zusicherungsfähige Eigenschaft liegt vor, wenn im Rahmen einer Leistungsbeschreibung nur eine Art und Weise der Ausführung beschrieben wird, die sich ohnehin aus den anerkannten Regeln der Technik ergibt. 40 Aus Handelsbrauch und Verkehrssitte kann sich aber ergeben, daß eine bestimmte Beschaffenheit der Ware als stillschweigend zugesichert gilt. 41 2. Zusicherung von Eigenschaften durch ein zertiftziertes Qualitätsmanagementsystem

Bevor nun der Frage nachgegangen wird, ob es sich bei QualitätsmanagementZertifikaten um Eigenschaftszusicherungen handelt, sollen einige Werbebeispiele42 dargestellt werden: "X ist das erste Dienstleistungsunternehmen der A-Branche, das mit sämtlichen Betrieben nach der internationalen Qualitätssicherungsnorm ISO 9001 zertifiziert wurde. Sie gilt als anspruchsvollste Nachweisform der Qualitätssicherung. Für unsere Kunden ist die Zertifizierung eine unabhängige Bestätigung für die gleichbleibende und zuverlässig hohe Qualität unserer Dienstleistung." "Für sie leisten unsere Mitarbeiter ausgezeichnete Arbeit. ISO 900 I zertifiziert Damit ist für F-Produkte der höchste Qualitätsstandard sichergestellt."

MünchKonun!Westermann, § 459 Rdnr. 61; siehe hierzu auch BGHZ 59, 138. Beispielsweise in RGZ 103, 77; BGH BB 52, 903; BGH VersR 59, 424; BGHZ 48, 118ff. 39 Staudinger/ Honsell § 459 Rdnr. 135. 40 Staudinger/Peters, § 633 Rdnr. 16; vgl. BGH NJW 81 , 1448. 41 Soergei!Huber, § 459 Rdnr. 184;. angenommen bspw. in BGH DB 54, 927, 928 "Pfefferminzöl" . 42 Beispiele aus der Verlagsbeilage "Qualitätsmanagement" der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 237 vom 12. Oktober 1992. 37

38

II. Eigenschaftszusicherung

173

"Der Oscar für Qualität Mit der Verleihung des Zertifikates nach DIN ISO 9001 für denBereichSdurch die A-Zertifizierungsgesellschaft wird unser Streben nach Perfektion in eindrucksvoller Weise bestätigt."

Um die Frage nach dem Inhalt dieser Werbeaussagen und die dadurch eventuell vorhand~ne Zusicherung beantworten zu können, kann ein solches Zertifikat mit verschiedenen anderen "Werbe-"Aussagen verglichen werden. Hier sei nur die Bezugnahme in der Produktbeschreibung oder Werbung auf DIN-Normen, auf Gütezeichen oder auf Prüfbescheinigungen genannt. a) DIN-Normen

Ein Vergleich mit DIN-Normen bietet sich hier an, da auch bei der Werbung mit dem Qualitätsmanagement-Zertifikat auf die jeweilige DIN ISO 9000-Norm Bezug genommen wird. So geht der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung43 davon aus, daß bei einer Werbung für Produkte unter Anführung bestimmter Normen (DIN, VDE etc.) oder Zertifikate der Verbraucher grundsätzlich erwarten darf, daß die Produkte den zugrunde gelegten Regelwerken vollständig und in jeder Hinsicht entsprechen44 . Es ist im juristischen Schrifttum aber umstritten, ob es sich bei der Bezugnahme auf technische Regelwerke, wie etwa auf DIN-Normen, nur um eine Warenbeschreibung handelt, für die man gleichsam als Kurzschrift eine DIN-Norm verwendet hat, oder ob mit der Verweisung auf solche Normen ihr Inhalt in rechtlich verbindlicher Weise zugesichert wird. 45 Der Bundesgerichtshof folgt hierbei einer restriktiven Linie. Mit Rücksicht auf die Freiwilligkeit der Befolgung der Empfehlungen des deutschen Normenausschusses, die in den DINNormen zum Ausdruck kommen, hält der Bundesgerichtshof die Bezeichnung des verkauften Artikels mit einer solchen Norm nicht für eine Zusicherung. Dem fügt er in inzwischen ständiger Rechtsprechung hinzu, daß es nicht angehe, den Bereichen der Industrie, die bei der Beschreibung der Produkte notwendig auf technische Normen Bezug nehmen müssen, eine garantieähnliche Haftung aufzubürden.46 Bei DIN-Normen handelt es sich um die Fixierung technischer Daten, die dem jeweiligen Stand des technischen Wissens entsprechen. Ihr Anbringen auf dem 43 So beispielsweise in BGH NJW 92, 369, 371; BGH WRP 85, 546, 547f; Wiebe, Rahmenbedingungen, WRP 93, 156, 163. 44 Malorny/Kassebohm, TQM, S. 260. 45 Meinungsstand bei Kullmann!Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 1410, S. 5ff. 46 BGH NJW 68, 2238; BGHZ 59, 303; BGH WM 74, 1204; BGHZ 77, 2 15; BGH NJW 81, 1501; OLG München, NJW-RR 92, 1532.

174

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

Produkt oder die Bezugnahme im Vertrag bedeute nur, daß dieses Produkt den DIN-Normen entspricht. DIN-Normen stellen somit eine Produktbeschreibung dar. 47 Die bloße Bezugnahme im Vertrag auf Normen, die von der Industrie aufgestellt werden, rechtfertige somit grundsätzlich nicht die Annahme, der Verkäufer wolle fiir die Einhaltung dieser Normen auch ohne Verschulden einstehen, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten. 48 In DIN-Normen ist damit keine stillschweigende Zusicherung der den Normen entsprechenden Mindesterfordernissen zu sehen. Ob beim Abschluß des Vertrages die Übereinstimmung mit den DIN-Normen und den sonstigen im Verkehr anerkannten Normen als selbstverständlich vorausgesetzt wurde oder ob die Normen- etwa um die bestellte Ware genau zu bezeichnen - ausdrücklich genannt wurden, ist gleichgültig; auch ausdrückliche Bezugnahme auf technische Normen ist fiir sich allein noch nicht als Zusicherung zu werten. 49 Die Bezugnahme auf Normen dient lediglich der Individualisierung der jeweiligen Kaufsache, begründet jedoch keine - verschuldensunabhängige - Einstandspflicht, sofern die Kaufsache eine normwidrige Beschaffenheit aufweist. 50 Die Bezugnahme auf DIN-Normen ist somit normalerweise nur eine Produktbeschreibung und keine Zusicherung dahingehend, daß die Ware auch den DIN-Normen entspricht. Allerdings kann auch die Bezugnahme auf DIN-Normen unter besonderen Umständen die Annahme rechtfertigen, der Verkäufer wolle für die Einhaltung der Normen auch ohne Verschulden im Sinne einer Garantie einstehen. Insbesondere kann die Bezugnahme auf DIN-Normen eine Zusicherung von Eigenschaften darstellen, wenn nach der Verkehrsauffassung unter dieser Bezugnahme eine Zusicherung verstanden wird.51 Da aber die Normen durch die Angaben von Toleranzgrenzen teilweise auch die Voraussetzungen für die Verwendbarkeit eines Artikels verbindlich festlegen, muß man das Verhalten des Käufers, der nach Maßgabe von DIN-Normen kauft, so verstehen, daß die Einhaltung dieser Grenzen fiir ihn unabdingbar ist. Das spricht dafür, im Regelfall eine Zusicherung zu bejahen. 52 Ob eine DIN-Norm somit eine Zusicherung enthält, richtet sich nach allgemeinen Maßstäben. Danach muß die Zusicherung nach Umfang und Inhalt bestimmbar sein, ohne daß es auf Müller, Gütezeichen, DB 87, 1521, 1524 m.w.N. aus der Rechtsprechung. Siehe hierzu unter anderem auch BGH BB 81, 815; BGHZ 77, 215ff.; BGH NJW 96, 836; BGH NJW 81, 1501. 49 Soergel!Huber, § 459 Rdnr. 333, vgl. dazu auch die Nachweise zur Rechtsprechung bei Staudinger/Honsell, § 459 Rdnr. 144. 50 Westphalen, Produkthaftungshandbuch I, § 2 Rdnr. 22f; Bauer/von Westphalen, Recht zur Qualität, S. 91. 51 BGH NJW 81, 1501; BGH WM 74, 1204; BGH NJW 68,2238. 52 MünchKomm!Mertens, § 459 Rdnr. 65; vgl. auch Hensler, Eigenschaften, BB 69, 24; Staudinger!Honsell, § 459 Rdnr. 74; Soergel/Huber, § 459 Rdnr. 181. 47

48

II. Eigenschaftszusicherung

175

die ganz genaue Bezeichnung der zugesicherten Eigenschaft ankommt. Dabei muß danach unterschieden werden, ob die DIN-Norm lediglich die Gattung festlegt (DIN A4-Papier) oder innerhalb einer bereits anderweitig festgelegten Gattung eine nähere Konkretisierung darstellt (Schrauben nach DIN X). In einem solchen Fall ist die DIN-Norm gewissermaßen das Kürzel fiir die in ihr niedergelegten Mindestanforderungen. Darin ist mehr als die Konkretisierung der Lieferpflicht zu sehen, es handelt sich vielmehr dabei um eine Garantie des Verkäufers, daß die Ware die in der DIN-Norm festgelegten Voraussetzungen erfiillt. 53 Die Bezugnahme auf Industrienormen stellt weiterhin dann eine Zusicherung dar, wenn der Käufer dem Verkäufer deutlich gemacht hat, daß es ihm auf die Normgerechtigkeit besonders ankommt. 54 b) Gütezeichen Ein Vergleich von Qualitätsmanagement-Zertifikaten mit Gütezeichen bietet sich an, da die oben dargestellten Werbebeispiele gerade den Eindruck erwecken sollen, daß es nach der Auszeichnung so gut wie unmöglich ist, daß die Produkte noch Qualitätsschwankungen unterworfen sind, und insbesondere auch, daß es sich um qualitativ besonders hochwertige Produkte handelt. In diese Richtung geht auch die Ansicht von Schlutz, der annimmt, daß das ISO-Zertifikat unabhängig von rechtlichen und faktischen Zwängen zukünftig auch die Wertschätzung eines anerkannten Einheits-Gütesiegels fiir Qualität erlangen wird. 55 Bei Gütezeichen56 handelt es sich um Wort- oder Bildzeichen oder beides, die als Garantieausweis zur Kennzeichnung von Waren oder Leistungen Verwendung fmden, die die wesentlichen, an objektiven Maßstäben gemessenen, nach der Verkehrsauffassung die Güte einer Ware oder Leistung bestimmenden Eigenschaften erfiillen. 57 Ein Gütezeichen darfnur dann an Waren angebracht werden, wenn das Zeichen in einem aufwendigen Verfahren in die Gütezeichenliste aufgenommen worden ist. Für jedes Gütezeichen wird in sogenannten GütebedinHens/er, Zusicherung, BB 69, 24, 25. Erman/Grunewa/d, § 459 Rdnr, 52; MünchKomm!Soerge/, § 638 Rdnr. 27; Soergel!Huber, § 459 Rdnr. 181 ; vgl. auch BGH NJW 68, 2238, 2240; BGHZ 59, 303, 308; BGHZ 77, 215; BGH NJW 81 , 1501 ; BGHNJW 88, 1018. 55 Vgl. Sch/utz, rechtliche Auswirkungen, PHI 96, 122, 129. 56 Gütezeichen werden institutionell getragen durch den RAL - Deutsches Institut fur Gütesicherung und Kennzeichnung e. V. Der RAL wurde bereits 1925 als Gemeinschaftsorganisation der Spitzenverbände der Wirtschaft und des Staates geschaffen mit dem Ziel, die Verbreitung des Gütegedankens in der Wirtschaft im Interesse der Aufrechterhaltung der Redlichkeit im Handelsverkehr durchzusetzen und den Verbraucherschutz zu fördern. 57 Ziffer 1.2 der RAL-Grundsätze, zitiert nach Müller, Gütezeichen, DB 87, 1521, 1522. 53

54

176

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

gungen ein umfangreiches und detailliertes Produktprofil aufgestellt, in dem die Qualifikationsmerkmale des Produktes und seine stofflichen und funktionalen Eigenschaften umschrieben sind. 58 Diese spiegeln nicht grundlegende Anforderungen und Standardisierungserfordernisse wider, sondern beinhalten darüber hinausgehende Qualitätsanforderungen. 59 Gütezeichen sollen danach garantieren, daß bestimmte nach der Verkehrsauffassung für die Güte wesentliche Eigenschaften erfullt sind und von einer neutralen Institution geprüft und ständig überwacht werden.60 Aber auch die Bezugnahme auf Prüf- oder Gütezeichen begründet nach der Judikatur grundsätzlich keine Zusicherung, daß die Gütebedingungen erfullt sind. 61 Die Verkehrsgeltung beruhe bei diesen Zeichen nicht auf einer Haftungszusage, sondern auf der Handhabung der Gütesicherung durch den Verband oder die Gütegemeinschaft, also auf der Überzeugungskraft des Zeichens im Wettbewerb. Diese Zeichen enthielten grundsätzlich keine Garantiezusage, aus der der Abnehmer des Produktes vertragliche Ersatzansprüche wegen Qualitätsmängel herleiten könnte. 62 Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil aber auch ausgeführt, daß die Verkehrsgeltung jeweils auf der Handhabung der Gütesicherung durch deren Verband und Gütegemeinschaft, also auf ihrer Überzeugungskraft im Wettbewerb, beruhe. Hinsichtlich des Aussagewertes des Gütezeichens läßt sich somit auf die Grundsätze der Gütegemeinschaft63 zurückgreifen. Diese Grundsätze lassen erkennen, daß die Gütezeichen nur Nachweise einer Gütesicherung durch Überwachung sind. Darin wird nach der Verkehrsauffassung nicht die Zusicherung bestimmter Eigenschaften des Einzelstückes, sondern nur die Zusicherung der Kontrolle eines allgemein ordnungsgemäßen Herstellungsvorganges gesehen. 64 Die Erklärungen, durch die sich Träger und Benützer eines solchen Zeichens binden, werden zunächst im Interesse der Reinhaltung des Gütezeichens gegeben und enthalten in der Regel keine Haftungsübernahme gegenüber dem Verbraucher der gekennzeichneten Ware, der weder Mitglied des

Müller, Gütezeichen, DB 87, 1521. Wiebe, Rahmenbedingungen, WRP 93, 156, 164; vgl. dazu auch BGH NJW 68, 2238, 2240, der auf den Unterschied der Verkehrsgeltung von Gütezeichen und DfNNormen hinweist. 60 Wiebe, Rahmenbedingungen, WRP 93, 156, 163. 61 BGH NJW 74, 1503, 1504; OLG Hamm BB 87, 363; siehe zum Gesamten auch Staudinger/Honse//, § 459 Rdnr. 144. 62 BGH NJW 74, 1503, 1504: Im speziellen Fall ging es um Röhren, die mit einem Prüfzeichen des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern (DVGW) gekennzeichnet waren. 63 Zum Verständis des BGH bezüglich Prüf- und Gütezeichen im Sinne der RALGrundsätze, siehe BGH BB 91, 292, 293. 64 Vgl. auch Weber, Verhältnis, ZfBR 83, 151, 153. 58

59

li. Eigenschaftszusicherung

177

Verbandes oder der Gütegemeinschaft noch sonst an der Abmachung beteiligt ist. 6s Die Literatur hat dieser Ansicht zum Teil mit der Behauptung widersprochen, daß ein Gütezeichen ein Garantieausweis zur Kennzeichnung von Waren sei, die bestimmte, an objektiven Maßstäben gemessene, nach der Verkehrsauffassung fiir die Güter einer Ware oder Leistung wesentliche Eigenschaften erfiillen. Ein Gütezeichen besitze somit wesensmäßig eine Garantiefunktion und stelle eine stillscheigende Zusicherung fiir das Vorliegen der Gütebedingungen dar. 66 Denn soweit der Verkäufer selbst durch die lnanspuchnahme eines Gütezeichens fiir seine Waren besonderes Vertrauen zu schaffen sucht, kann hieraus der Schluß gerechtfertigt sein, daß Angaben über technische Qualität oder Brauchbarkeit der Waren im Sinne einer Zusicherung ernst zu nehmen sind.67 Somit soll die Verwendung derartiger Prüf- und Gütezeichen generell als rechtlich verbindliche Zusicherung von Qualitätsmerkmalen/Eigenschaften verstanden werden. 68 Denn macht sich der Hersteller die mit dem Gütezeichen verbundene Qualitätsaussage zunutze, so geht der Aussagewert der Vermarktung des Produktes mit einem Gütezeichen nicht nur dahin, daß das Produkt die jeweiligen Güte- und Prüfbedingungen erfiillt, deren Vorhandensein ständig überwacht wird und ein überdurchschnittlicher Qualitätsstandard vorhanden ist, sondern daß dafiir auch eingestanden und das Vorliegen dieser Eigenschaften gewährleistet wird. 69 Der Käufer kann in dem Verhalten des Verkäufers, das in dem Anbieten der mit dem Gütezeichen versehenen Ware besteht, jedoch nur dann die vertragsmäßige Zusicherung der in den Gütebedingungen aufgefiihrten Eigenschaften durch den Verkäufer verstehen, wenn er den Bedeutungsinhalt des Gütezeichens als Gewährleistungsaussage fiir bestimmte Eigenschaften versteht. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn das Gütezeichen selbst jedenfalls den Kern der Produktmerkmale zum Ausdruck bringt, wie dies etwa bei dem Gütezeichen "Wollsiegel"

BGH NJW 74, 1503, 1504 Staudinger/Honsell, § 459 Rdnr. 144. 67 MünchKomm!Mertens, § 459 Rdnr, 65; vgl. auch BGH VersR 66, 241; zustimmend Sem/er, Warenbeschreibung, NJW 76, 406. 68 Kassebohm/Malorny, Auditierung und Zertifizierung, ZtB 64. Jg. (1994), 693, 708. Diese Ansicht nimmt dabei auf eine fiühere Entscheidung des BGH Bezug. In BGH DB 1954,927, 929 (Pfefferminzöl) wurde ausgeführt, daß unter Umständen die Verwendung des bloßen Warennamens als Zusicherung der dieser Ware innewohnenden Eigenschaften angesehen werden kann. 69 Wiebe, Rahmenbedingungen, WRP 93, 156, 164; Malorny!Kassebohm, TQM, S. 263, 264 FN 162m. w. N.; Müller, Bedeutung, DB 87, 1521ff.; dazu auch schon BGHZ 48, 118ff.; BGH DB 54, 927, 928. 65

66

12 Bayer

178

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

der Fall ist, das die Wortverbindung beziehungsweise Assoziation ,,Reine Schurwolle" enthält.70 Etwas anderes ist aber anzunehmen, wenn das Gütezeichen selbst keine auch nur schlagwortartige Umschreibung der Qualifikationsmerkmale, die in den Gütebedingungen niedergelegt sind, enthält. In einem solchen Falle ist fiir die Annahme einer Zusicherung notwendig, daß der konkrete Inhalt der Gütebedingungen bekannt ist. Ist dies nicht der Fall, fehlt es bereits an einem schutzwürdigen Vertrauen des Käufers in eine etwaige zusicherungsfähige Eigenschaft. Wenn ihm bestimmte Eigenschaften der Kaufsache nicht einmal oberflächlich bekannt sind, trifft er seine Kaufentscheidung auch nicht im Hinblick auf das Vorhandensein dieser Eigenschaften. c) Allgemeine Prüfzeugnisse

Auch die Bezugnahme auf Prüfzeugnisse, so z. B. die Aussage "TÜVgeprüft", wird im allgemeinen nicht als Zusicherung einer besonderen Eigenschaft der Kaufsache angesehen. Der Grund fiir die fehlende Zusicherungsqualifikation einer Bescheinigung über die Vornahme einer Materialprüfung nach bestimmten Vorschriften liegt in deren Inhalt: Sie bescheinigt die Vornahme von Prüfungen, mehr nicht, trifft also keine Aussage über Prüfart und -umfang. 71 Solche Bescheinigungen bestätigen also nicht, daß das Material bestimmte Eigenschaften hat, sondern lediglich, daß entsprechende Prüfungen vorgenommen wurden. 72 Wie bei DIN-Normen handelt es sich bei Zertifikaten der privaten Prüfgesellschaften zunächst nur um reine Produktbeschreibungen oder unverbindliche Konformitätsbewertungen, die noch keine besondere rechtliche Bedeutung fiir den Verwender dieses Zeichens oder dessen Kunden haben. Auch wird bei Berufung auf Prüfzeugnisse und Zertifikate nicht ohne weiteres mehr gewollt sein als eine qualifizierte Leistungsbeschreibung, die allenfalls dahin geht, daß eine bestimmte Prüfung tatsächlich durchgefiihrt worden ist. Entscheidend kommt es somit darauf an, ob derartige Bescheinigungen lediglich die Vornahme von Prüfungen zum Gegenstand haben, was meist der Fall ist, oder ob darin weitergehende Zusicherungserklärungen begründet werden sollen, wie z. B. die Fehlerfreiheit des geprüften Materials. Hier kommt es stets auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an. 73

Mü//er,Gütezeichen, DB 87, 1521 , 1523. OLG Hamm, BB 87, 363f. 72 Vgl. Henseler, Anmerkung, BB 87, 364; MünchKomm/Mertens, § 459 Rdnr. 65; OLG Hamm, BB 87, 363. 73 Bauer/von Westphalen, Recht zur Qualität, S. 92. 70

71

li. Eigenschaftszusicherung

179

3. Qualitltsmanagement-Zertifikate und zugesicherte Eigenschaften

Angesichts der oben dargestellten Ansichten hinsichtlich der Zusicherung von Eigenschaften bei der Bezugnahme aufDIN-Nonnen, Gütezeichen oder Prüfzertifikate ist nun zu klären, welcher Inhalt einem Qualitätsmanagement-Zertifikat zukommt. Vorrangig gilt es jedoch zu klären, welcher Inhalt einem solchen Zertifikat beizumessen ist. Soll dadurch eine bestimmte Verfahrensart, nämlich die qualitätssichemde Produktionsweise als Eigenschaft zugesichert werden, oder wird eine besondere Qualität des Endproduktes zugesichert? Zu fragen ist somit, was eigentlich vom Zulieferer zugesichert wird: die Einhaltung eines bestimmten Qualitätssicherungsverfahrens, d. h. ein Produktionsverfahren, das geeignet ist, eine "Null-Fehler-Qualität" zu erreichen, oder die Fehlerfreiheit der konkret gelieferten Ware. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, daß sich der Kunde eine bestimmte Qualität der Ware zusichern läßt. 74 Dabei muß jedoch der jeweilige Einzelfall berücksichtigt werden. Zum einen muß es dem Kunden gerade auf einen besonderen Zustand des Produktes ankommen, zum anderen muß der Verkäufer erkennbar für das Vorhandensein dieses Zustandes einstehen wollen. So kann eine rechtliche Zusicherung im Sinne einer Garantiehaftung dann vorliegen, wenn die durch das Zertifikat beim Kunden hervorgerufenen Qualitätserwartungen hinsichtlich des Endproduktes sich derart festigen, daß dieser davon ausgehen mußte, der Hersteller oder Verkäufer wolle in jedem Fall für die Qualität einstehen. 75 Dies kann jedoch bei einem Qualitätsmanagement-Zertifikat nicht der Fall sein. Dabei handelt es sich nicht um Produktzertifikate, die sich in besonderer Weise auf die Zusammensetzung und die Qualität der einzelnen Produkte beziehen. Qualitätsmanagement-Zertifikate beziehen sich nur auf das Verfahren, ohne auf das konkrete Produkt einzugehen. Sie treffen keine Aussage hinsichtlich des Ergebnisses des Produktionsprozesses. 76 Es begründet keine Einstandspflicht für eine besondere Produktqualität Die Fehlerfreiheit des Produktionsergebnisses wird nicht zugesichert. Denn selbst in Fällen, in denen besondere Pflichten des Verkäufers, etwa zur Durchführung von Kontrollen im Rahmen einer Qualitätssicherungsvereinbarung, vorgeschrieben sind, ist allein damit noch nicht die Übereinstimmung der Ware BGH VersR 66, 241f; BGHZ 87,302,306. Kassebohm/Malorny, Auditierung und Zertifizierung, ZfB 64. Jg. (1994), 693,705. 76 Verwiesen sei hier auf die oben dargestellten "Prüfzertifikate". Auch sie beinhalten nur die Aussage, daß Kontrollen und Prüfungen durchgeführt worden sind, nicht aber, daß eine bestimmte Produktqualität erreicht worden ist. Vgl. hierzu auch Westphalen, Produkthaftungshandbuch II Merz, 2. Aufl., § 45 Rdnr. 18. 74

75

12*

180

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

mit den Qualitätsanforderungen des Käufers zugesichert, denn die Absprache, Kontrollen durchzuführen, enthält keine Gewähr dafiir, daß die Kontrollergebnisse lückenlos sind und alle fehlerhaften Produkte eliminiert werden. 77 Der Grund dafür ist, daß die Vertragsparteien weiterhin mit der Möglichkeit rechnen, daß Fehler vorhanden sein könnten; der Verkäufer verspricht nicht, für alle Folgen einstehen zu wollen, wenn sie vorhanden sind, sondern er verspricht, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um das Fehlerrisiko auszuschließen oder so gering wie möglich zu halten, und er haftet für die Durchführung dieser Maßnahme, nicht für deren Erfolg. 78 Somit kann nur die Beachtung des zertifizierten Verfahrens zugesichert werden. Geht man - unter strenger Beachtung des subjektiven Fehlerbegriffes - von der oben dargestellten Ansicht zum Inhalt einer zusicherungsfahigen Eigenschaft aus, dann kann die Beachtung eines bestimmten Verfahrens, beispielsweise die Durchführung von Kontrollmaßnahmen, eine zusicherungsfahige Eigenschaft sein. Berücksichtigt man aber weiterhin die oben dargestellten Ansichten zur Zusicherung von Eigenschaften bei der Bezugnahme auf DIN-Normen oder Gütezeichen, muß man zu dem Ergebnis kommen, daß durch die Aussage, das Unternehmen sei ,,DIN ISO 9000-zertifiziert", gerade keine Zusicherung von Eigenschaften vorliege. Der BGH würde dies grundsätzlich ablehnen, und auch diejenige Ansicht, die eine Bezugnahme auf DIN-Normen als Zusicherung ansieht, würde dies in den hier beschriebenen Fällen wohl ebenfalls ablehnen, da die Normen, auf die Bezug genommen wird, viel zu unbestimmt sind, um daraus einen konkreten zusicherungsfahigen Inhalt herzuleiten. Die DIN ISO 9000ff.-Normen sehen weder ein bestimmtes Verfahren noch eine bestimmte Produktionsweise vor. Wie im einzelnen Unternehmen vorzugehen ist, welcher Ablauf einzuhalten ist, konkretisiert sich erst mit der Erstellung des Qualitätsmanagement-Handbuches. Erst damit werden innerhalb des Unternehmens die zu beachtenden Schritte festgelegt. Geht man vom Normalfall aus, wird dieses Handbuchjedoch nicht Inhalt des einzelnen Vertrages, sein Inhalt wird also auch nicht zugesichert. Die mit dem Zertifikat verbundene Zusage, eine normgerechte Produktionsweise anzuwenden, ist somit nicht als Zusicherung zu werten, ganz im Gegensatz zu den Angaben über die Einhaltung bestimmter Verfahrensweisen bei der Herstellung. Ein Vergleich mit den oben ebenfalls dargestellten Gütezeichen verbietet sich schon von vornherein, da diese gerade streng auf das einzelne Produkt ausgerichtet sind, somit produktbezogene Merk77 MünchKomm/Westermann, § 459 Rdnr. 70; Kreifels, Qualitätssicherungsvereinbarungen, ZIP 90, 489, 492; Sina, Qualitätssicherungsvereinbarung, MDR 94, 332, 333. 78 Vgl. Soergel/Huber, § 463 Anhang, Rdnr. 2lff., der diese Überlegungen für Qualitätssicherungsvereinbarungen anstellt; ders. § 433 Anh. I, Rdnr. 28a.

II. Eigenschaftszusicherung

181

male festlegen, die erfiillt sein müssen, damit das Gütezeichen vergeben werden kann. Diese strenge Produktbezogenheit fehlt Qualitätsmanagement-Zertifikaten aber völlig. Sie treffen keine Aussage über das konkrete Produkt. Das zertifizierte Verfahren läßt keine Rückschlüsse auf das Ergebnis zu. Im Unterschied zu der Annahme, daß Information Sicherheit über das Ergebnis liefern kann, ist hier festzustellen, daß ein Qualitätsmanagement-Zertifikat nur über den Prozeß und damit über das Ergebnispotential informieren kann. Da nicht von einer festgelegten Beziehung zwischen Zertifikat und Prozeßqualität beziehungsweise Prozeßqualität und Produktqualität ausgegangen werden kann, liefert ein Zertifikat allenfalls eine erhöhte Wahrscheinlichkeit fiir die Produktqualität Ein Zertifikat bescheinigt einem Unternehmer die Existenz eines beschriebenen, nicht eines optimalen Qualitätsmanagementsystems. So informiert das Zertifikat über das Anspruchsniveau der Unternehmensprozesse, liefert aber keine produktbezogenen Informationen. Kernpunkt von Qualitätsmanagementsystemen ist, durch Erfassung und Überprüfung von Unternehmensprozessen das Potential fiir eine hohe Produktqualität zu schaffen. Eine Normung von Qualitätsmanagementsystemen zielt durch Festlegung von Beurteilungskriterien auf die Errichtung einer Vergleichsbasis zur Beurteilung der Qualitätsfähigkeit verschiedener Anbieter. 79 Selbst wenn die systemgerechte Produktion aber als zugesicherte Eigenschaft zu qualifizieren wäre, ist damit eine Schadensersatzpflicht des zertifizierten Unternehmers nicht automatisch gegeben. Der mit dem Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft verbundene Schadensersatzanspruch gemäߧ§ 463, 459 Abs. 2 BGB umfaßt das positive Interesse des Käufers an der ordnungsgemäßen Erfiillung des Vertrages einschließlich des entgangenen Gewinns. Der Schadensersatz wegen Nichterfiillung umfaßt dabei immer nur den sogenannten Mangelschaden. Darunter versteht man die Nachteile, die dem Käufer aus der Mangelhaftigkeit der Kaufsache selbst erwachsen, einschließlich des entgangegenen Gewinns, nicht aber die sogenannten Mangelfolgeschäden, das heißt die an anderen Rechtsgütern des Käufers entstandenen Schäden. Dies bedeutet, daß der Käufer so zu stellen ist, wie er stünde, wenn die Sache die zugesicherte Eigenschaft gehabt hätte, wenn sie also entsprechend dem zertifizierten Verfahren hergestellt worden wäre.so Normalerweise wird es auch unter Beachtung des maßgeblichen Willens der Parteien, und hier insbesondere des Willens des Käufers, aber völlig ohne Belang sein, ob das Qualitätsmanagementsystem angewandt wurde oder nicht. Selbst wenn der Käufer gegenteiliger Auffassung sein sollte, wird man unter Beachtung Weisenfeld-Schenk, Nutzung von Zertifikaten, ZfB 67. Jg. (1997), S. 21, 27ff. Vgl. u. a. Jauemig!Vollkommer, § 463 Anm. 4; MünchKomm!Westermann, § 463 Rdnr. 32-34. jeweils m. w. N. 79

80

182

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

des Grundsatzes von Treu und Glauben überprüfen müssen, ob er aus der eventuellen Zusicherung Ansprüche ableiten kann. Hinzu kommt, daß nicht zu erkennen ist, worauf sich ein solcher Anspruch richten könnte. Der Mangel der fehlenden Erstellung unter den Bedingungen der DIN ISO 9000ff. könnte nur durch eine erneute Erstellung des Werkes beseitigt werden. Diese Maßnahme dürfte aber in der Regel bei im übrigen vorliegender Mangelfreiheit unzumutbar sein. Ferner dürfte es fiir den Besteller auch schwierig sein, nachzuweisen, in welchem Umfang er durch die Nichtbefolgung einen Schaden erlitten hat, dessen Ersatz er beanspruchen könnte. 81

111. Positive Vertragsverletzung Neben den eigentlichen Gewährleistungsansprüchen bestehen aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages eventuell noch Ansprüche auf Schadensersatz aus dem Rechtsinstitut der positiven Vertrags- oder Forderungsverletzung. Der Hersteller oder der Verkäufer haftet dem Abnehmer auf Schadensersatz, wenn er eine ihm aufgrund des geschlossenen Vertrages obliegende Nebenpflicht schuldhaftverletzt hat. Die Nebenpflichten (oft auch "weitere Verhaltenspflichten" genannt) unterscheiden sich dadurch von den Leistungspflichten (seien es Haupt- oder Nebenleistungspflichten), daß bei Nichtbeachtung von Nebenpflichten nur Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung in Betracht kommen, während die vertraglichen Leistungspflichten mit Hilfe von Erfiillungsansprüchen, also mit Hilfe von Leistungs- und Unterlassungsklagen, verfolgt werden können. Bei den Nebenpflichten handelt es sich teils um Pflichten, bei denen es um die aktive Förderung des Vertragszweckes geht (beispielsweise Treue- und Rücksichtspflichten, Anzeige- und Auskunftspflichten); es können aber auch Schutzpflichten sein, bei denen allein das Erhaltungsinteresse des Gläubigers zur Debatte steht. Eine einheitliche Systematisierung der verschiedenen aus Treu und Glaube folgenden Pflichten hat sich angesichts der Vielfalt ihres Inhaltes, ihrer Voraussetzungen und ihrer Wirkungen nicht durchsetzten können. Für die Begründung und inhaltliche Bestimmung dieser Pflichten sind die jeweiligen Parteivereinbarungen regelmäßig unergiebig. Vielmehr sind diese Pflichten aus einer Beurteilung der Interessenlage heraus ebenfalls nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu entwickeln. 82

Franlre, Qualitätsmanagement, FS für Heiermann, S. 63, 72. Vgl. zum gesamten nur MünchKomm!Kramer, § 241 Rdnr. 14 und 18 und MünchKomm/Roth, § 242 Rdnr. 115, 130. 81

82

III. Positive Vertragsverletzung

183

Tritt der Unternehmer mit einem Qualitätsmanagement-Zertifikat am Markt auf, dann schafft er einen Vertrauenstatbestand in seine Qualitätsfähigkeit, in seine Untemehmensorganisation. Kommt es zum Vertragsschluß, entwickelt sich die Werbung mit dem Zertifikat zu einer erfolgsbezogenen Nebenpflicht dahingehend, entsprechend dem zertifizierten Verfahren zu produzieren. Der Unternehmer darf dieses hervorgerufene Vertrauen nicht enttäuschen. Für die Bestimmung des Inhaltes dieser Nebenpflicht bietet sich wiederum der Vergleich mit den sogenannten Qualitätssicherungsvereinbarungen an. Hat der Käufer mit dem Verkäufer, von dem er Vorprodukte für die eigene industrielle Fertigung bezieht, eine Qualitätssicherungsvereinbarung abgeschlossen, so verpflichtet dies den Verkäufer, vor Ablieferung der Ware die im Vertrag vorgeschriebenen Qualitätskontrollen vorzunehmen bzw. Maßnahmen während der Herstellung entsprechend der Vereinbarung durchzuführen. Diese Kontrollpflicht ist eine unselbständige Nebenpflicht im Verhältnis zur Hauptpflicht, Waren von der vertraglich vereinbarten Qualität zu liefern. Führt der Verkäufer die Kontrollen nicht oder nicht in einwandfreier Weise durch und weist die gelieferte Ware daher Mängel auf, die bei ordnungsgemäßer Durchführung der vereinbarten Kontrollmaßnahmen hätten erkannt werden können, so haftet der Verkäufer neben der eigentlichen Sachmängelhaftung aus positiver Vertragsverletzung. Er haftet damit für solche Produktionsfehler, die bei der vorgeschriebenen Endkontrolle hätten erkannt werden müssen. 83 Nichts anderes gilt aber bei der Verwendung eines QualitätsmanagementZertifikates. Dadurch verpflichtet sich der Unternehmer zu einer Verfahrensweise, die den DIN ISO 9000ff.-Normen entspricht, das heißt zu einer Produktionsweise, wie sie von ihm im sogenannten Qualitätsmanagement-Handbuch niedergelegt worden ist, das Gegenstand der Zertifizierung war. Er verpflichtet sich, eine systemgerechte, qualitätssichemde Produktion vorzunehmen und die dazu notwendigen Verfahrensschritte zu beachten. Das durch das Zertifikat hervorgerufene Vertrauen Dritter in das eigene Unternehmen und die Unternehmensorganisation begründet diese Pflicht, entsprechend dem Qualitätsmanagementsystem zu produzieren oder die Produkte dementsprechend im Unternehmen zu behandeln. Dies stellt eine unselbständige Nebenpflicht im Verhältnis zur Hauptpflicht, Ware von der vereinbarten Qualität zu liefern, dar. Wendet nunmehr der Vertragspartner dieses System nicht oder nicht ordnungsgemäß an und weist die gelieferte Ware daher Mängel auf, die bei systemgerechtem Verfahren nicht aufgetreten wären oder zumindest erkannt und beseitigt worden wären, so haftet der Vertragspartner neben der eigentlichen Sachmängelhaftung gemäß §§ 459ff. BGB bzw. §§ 633ff. BGB aus positiver Ver-

83

Vgl. Soergel/Huber, § 433 Anh. I, Rdnr. 28a; ders., § 463 Anhang, Rdnr. 8.

184

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

tragsverletzung84 . Die Pflichtverletzung liegt dabei in der Nichtbeachtung des zertifizierten Qualitätsmanagementsystems. Ist der Mangel dabei so beschaffen, daß er bei ordnungsgemäßer Beachtung des Qualitätsmanagementsystems vermieden worden wäre, spricht eine prima-facie-Vermutung fiir die Nichtbeachtung des Qualitätsmanagementsystems, der Systemwidrigkeit des Betriebsablaufs.85 Dabei gilt aber auch hier die oben dargelegte Ansicht, daß die Produktion entsprechend dem Qualitätsmanagementsystem keinen Wert an sich darstellt und dessen Nichtbeachtung somit auch nicht zu einem Schadensersatzanspruch fuhren kann. Der Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung umfaßt nur den sogenannen Mangelfolgeschaden86, also den Schaden, der an anderen Rechtsgütern des Vertragspartners als dem eigentlichen Vertragsgegenstand entstanden ist. Ist somit trotz der Nichtbeachtung des Qualitätsmanagementsystems keine Verletzung anderer Rechstgüter eingetreten, liegt auch kein ersatzfähiger Schaden vor. Ein solcher Schaden kann aber zwingend ausschließlich dann entstehen, wenn der Vertragsgegenstand selbst mangelhaft ist und einen Fehler aufweist, der sich dahingehend realisiert hat, daß andere Rechtsgüter beeinträchtigt worden sind. Das Verschulden des Herstellers muß sich dabei nur und ausschließlich auf die Nichtbeachtung des Qualitätsmanagementsystems beziehen, nicht aber auf den tatsächlichen Fehler. Planwidrigkeiten bei der Durchfiihrung von Qualitätssicherungsmaßnahmen können jedoch auch auftreten, ohne daß sich dies sogleich in Gestalt von Mängeln an der Ware selbst niederschlägt. In einem solchen Falle steht dem VertragspartDer kein Schadensersatzanspruch zu. Aus dem Verlust des Verläßlichkeitseffektes des Qualitätsmanagementsystems des Vertragspartners können sich aber Folgen fiir den Bestand einzelner Lieferverträge ergeben, wie namentlich die Kündigung laufender oder der Rücktritt von künftigen, bereits verbindlich festgelegten Lieferverträgen.87 In gegenseitigen Verträgen kann dem durch die positive Vertragsverletzung beeinträchtigten Partner analog der §§ 325, 326 BGB statt des Schadensersatzanspruches ein Rücktrittsrecht zustehen, das sich in Dauerschuldverhältnissen zum Kündigungsrecht aus wichtigem Grund wandelt. 88 Voraussetzung ist dabei, daß die Vertragsverletzung den Vertragszweck derartig gefährdet, daß dem ande84 Auf den im Bereich der positiven Vertragsverletzung äußerst umstrittenen Bereich der Beweislastverteilung soll im folgenden nicht weiter eingegangen werden. Siehe dazu die äußerst umfassende Darstellung bei Baumgärte/, Handbuch, Anhang zu § 282. 85 Vgl. Soergei!Huber § 433 Anhang I, Rdnr. 28a, der diese Überlegungen flir Qualitätsicherungsvereinbarungen anstellt. ~6 Einzig dazu Soergei!Huber, § 463 Anhang, Rdnr. 21 ff. mit umfangreichen Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung. 87 Merz, Qualitätssicherungsvereinbarungen, S. 300f. 88 Schünemann, pVV, JuS 87, I, 9.

IV. Auswirkung auf die "Arglisthaftung"

185

renTeil nach Treu und Glauben das Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann. 89 Es muß sich unter Berücksichtigung des jeweiligen Vertragszweckes um schwere, die Vertragsgrundlage erschütternde Verstöße handeln.90 Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist dabei immer eine Frage des Einzelfalles und kann hier nicht pauschal geklärt werden. Doch wird man ein Rücktrittsrecht bei Berücksichtigung der oben dargestellten Auswirkungen auf Fehlerbegriff und zusicherungsfähige Eigenschaft wohl ablehnen, da bei Mißachtung des Qualitätsmanagementsystems von einem schwerwiegenden Vertrauensbruch nicht die Rede sein kann. Bei einem auf dauerndes Zusammenwirken der Parteien angelegten Vertrag sind dabei aber an das beiderseitige Verhalten strengere Maßstäbe anzulegen als bei reinen Warenumsatzgeschäften.

IV. Auswirkung auf die "Arglistbaftung" Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht nicht nur beim Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft bzw. bei einem zu vertretenden Werkrnangel, sondern gemäß § 463 BGB auch dann, wenn ein Mangel des Vertragsgegenstandes arglistig verschwiegen bzw. eine nicht vorhandene Eigenschaft arglistig vorgespiegelt worden ist91 • Im Werkvertragsrecht führt das arglistige Verschweigen eines Mangels gemäß § 638 BGB dagegen zu einer Verlängerung der Verjährung auf dreißig Jahre. 1. Allgemeines Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes92 verschweigt arglistig, wer sich bewußt ist, daß ein bestimmter Umstand für die Entscheidung seines Vertragspartners erheblich ist und er nach Treu und Glauben verpflichtet ist, diesen Umstand mitzuteilen, ihn aber dennoch nicht offenbart. Arglistiges Verschweigen erfordert nicht, daß der Unternehmer bewußt die Folgen der vertragswidrigen Ausführung in Kauf genommen hat. Es verlangt keine Schädigungsabsicht und keinen eigenen Vorteil. Ist der Mangel offenkundig, scheidet ein arglistiges Verhalten von vomherein aus. 93 Arglist des Unternehmers/Verkäufers

89 Ständige Rspr., vgl. nur BGHZ II, 80, 84; BGH NJW 69, 975; OLG Koblenz NJWRR 92,468. 90 Palandt/Heinrichs, § 276 Rdnr. 124; RG JW 38,2010. 91 Vgl. nur Jauemig!Vollkommer, § 463 Anm. 3 c. 92 Beipielsweise BGH I I 7, 3 I 8, 319 m. w. N. 93 Siegburg, Haftung, S. 9.

186

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

ist gegeben, wenn er sowohl Kenntnis von dem Mangel als auch Kenntnis von tatsächlichen Umständen hat, die hinsichtlich des Mangels eine Offenbarungspflicht gegenüber dem Besteller/Käufer begründen.92 Eine solche Offenbarungspflicht besteht dann, wenn damit zu rechnen ist, daß die Kenntnis des Käufers/Bestellers von dem Mangel diesen entweder von der Abnahme überhaupt oder doch jedenfalls von einer rügelosen Abnahme abhalten würde. 93 Ein arglistiges Verschweigen eines Mangels liegt somit dann vor, wenn der UnternehmerNerkäufer den Mangel als solchen wahrgenommen hat, seine Bedeutung als erheblich für den Bestand oder die Benutzung der Leistung erkannt, ihn aber pflichtwidrig nicht mitgeteilt hat.94 Derjenige, der sich auf die dreißigjährige Verjährung des § 195 BGB beruft, muß grundsätzlich darlegen und notfalls auch beweisen, daß der Unternehmer Kenntnis vom fraglichen, offenbarungspflichtigen Mangel gehabt hat. 95 Für den Beweis der Arglist hinsichtlich des Verschweigens der Mängel sind aber Indizien durchaus genügend. So wurde eine Unternehmensstrategie, bei der Prüfungen immer auf das Stadium verlegt wurden, in dem die vorher offensichtlichen Mängel nicht mehr erkennbar waren, dahin gewürdigt, daß das Absicht - also Arglist gewesen sein müsse.96

2. Einsatz von HUfspersonen Dem Unternehmer/Verkäufer kann außer der eigenen Arglist auch die Arglist Dritter zugerechnet werden. Denn wer sich im Rechtsverkehr fremder Hilfe bedient und die Wirkung fremden Handeins für sich in Anspruch nimmt, muß auch die Nachteile daraus in Kauf nehmen und darf sich nicht der eigenen sauberen Hände rühmen. 97 Rechtsfolgen arbeitsteiligen Handeins sind zwar geregelt, §§ 164ff. BGB bzw. §§ 278, 831 BGB. Diese Regelungen sind aber lückenhaft und vermögen für die heutige Arbeitsteilung typische Fallkonstellationen nicht zu erfassen. Immer öfter zeigen sich Fälle, in denen es darum geht, ob dem Veranlasser eines arbeitsteilig vorgenommenen Rechtsgeschäftes insbesondere Kenntnis oder böser Glaube der von ihm eingesetzten Hilfskräfte zugerechnet werden

92 Vgl.

BGHZ 62, 63ff. Staudinger/Peters, § 638 Rdnr. 30; Waltermann, Verschweigen, NJW 93, 889, 890. 94 Vgl. u. a. Erman/Grunewa/d, § 459 Rdnr. 5; MünchKomm/Soerge/, § 638 Rdnr. 31, m. w. N.; vgl. auch Soergel!Huber, § 463 Rdnr, 25; MünchKomm/Westermann, § 463 Rdnr. 8; StaudingerIPeters, § 638 Rdnr. 30. 95 So auch in BGHZ 117,318,321. 96 Quack, Höchstrichterliche Rechtsprechung, Rdnr. 162. 97 BGHZ 40, 42, 45. 93

IV. Auswirkung auf die "Arglisthaftung"

187

kann bzw. muß. 100 Hinsichtlich des Auftretens von Organmitgliedern geht der Bundesgerichtshof dabei in ständiger Rechtsprechung davon aus, Wissen oder Wissen-müssen von Organmitgliedern sei Wissen oder Wissenmüssen der juristischen Person. 101 Die Haftung fiir das arglistige Verhalten eines in die Vertragsbeziehung eingeschalteten Dritten ist im Kauf- sowie im Werkvertragsrecht differenziert zu betrachten. Soweit der Dritte kraft Vertretungsmacht fiir den Verkäufer handelt, muß dieser sich eine vom Dritten verübte arglistige Täuschung bzw. auch ein arglistiges Verschweigen nach§ 166 Abs. l BGB zurechnen lassen. Das ist anerkannt fiir den Abschlußvertreter, gilt aber ebenfalls, wenn der die Verhandlungen fuhrende Dritte, ohne Abschlußvollmacht zu besitzen, die Befugnis hatte, Erklärungen bezüglich der Kaufsache mit Wirkung fiir den Verkäufer abzugeben. Die Grundlage einer Zurechnung in § 166 Abs. l BGB, der auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist, reicht indessen nicht aus, um einem Vertragspartner, etwa einem Kaufmann mit mehreren Mitarbeitern, das Wissen und die Annahme, daß ein Mangel fiir den Käufer wichtig sein könnte, auch bei einem solchen Mitarbeiter zuzurechnen, der mit dem konkreten Verkauf gar nicht befaßt ist. 102 Der Verkäufer haftet somit nicht nach § 463 BGB, wenn einer seiner Angestellten, der mit den Vertragsverhandlungen und dem Vertragsschluß nichts zu tun hatte, Kenntnisse von Fehlern besitzt, die dem Verhandlungs- und Abschlußvertreter unzugänglich waren. 103 Nach §§ 638, 278 BGB hat ein Unternehmer regelmäßig nur die Arglist solcher Mitarbeiter zu vertreten, deren er sich zur Erfiillung seiner Offenbarungspflichten gegenüber dem Besteller bedient, der sogenannte ,,Abnahmegehilfe'" 04 • Dabei handelt es sich um diejenigen Mitarbeiter, die mit der Mitwirkung bei der Ablieferung oder Abnahme des Vertragsgegenstandes betraut sind, sofern sie hierbei nicht nur ganz untergeordnete Funktionen haben. Die Kenntnis deljenigen Mitarbeiter, deren sich der Unternehmer lediglich bei der Herstellung bedient, muß er sich dagegen nicht zurechnen lassen. 105 Der Geschäftsherr muß den Mitarbeiter so eingesetzt haben, daß dieser an seine Stelle tritt, während er selbst es unterläßt, sich um die nach der jeweiligen Norm relevanten Fragen zu kümWaltermann, Verschweigen, NJW 93, 889. Hierzu u. a. auch BGHZ 109, 327; BGH NJW-RR 90, 1330; BGHZ 41 , 282, 287; jeweils mit weiteren Nachweisen; Waltermann, Verschweigen, NJW 93, 889, 891. 102 Vgl. dazu u. a. MünchKomrn!Westermann, § 463 Rdnr. 15; siehe dazu auch BGH NJW 90, 1661 . 103 Soergel!Huber, § 476 Rdnr. 42; Staudinger/Honse/1, § 463 Rdnr. 16. 104 BGHZ 62, 63ff. 105 BGHZ 117, 318, 322 rn. w. N. aus Rspr. und Lit.. Vgl. dazu auch Waltermann, Verschweigen, NJW 93, 889, 891; vgl. u. a. BGH NJW 92, 1099, 1100; BGH NJW 89, 2879, 2880; BGH NJW 86, 2315, 2316; BGH NJW 85, 2583. 100 101

188

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

mern. 104 So hat der Schuldner nach § 278 BGB nur das Verschulden einer Person, deren er sich zur Erfullung einer bestimmten Verbindlichkeit bedient, wie eigenes Verschulden zu vertreten. Ein Verschulden bei der Herstellung ist einem Verschulden bei der Ablieferung nicht gleichzusetzen. 105 3. Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12. März 1992 Dadurch wird man jedoch der modernen Organisationsformen, die auf arbeitsteiligem Handeln beruhen, nicht mehr gerecht. In all diesen Fällen stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Wissen von Mitarbeitern oder in elektronischen Datenverarbeitungsanlagen gespeichertes Wissen zugerechnet werden kann, auch wenn die mit einem bestimmten Wissen versehene oder fur einen elektronischen Wissensspeicher zuständige Person gerade nicht als Vertreter in Außenkontakte eingeschaltet war, ihr Wissen also jedenfalls nicht gemäß § I66 BGB direkt dem Unternehmer zugerechnet werden kann. Denn es ist schwer erträglich, wenn sich der Unternehmer bei vorhandenem Wissen im Unternehmen darauf zurückziehen kann, daß der jeweilige Wissensträger fur den fraglichen Außenkontakt nicht zuständig war. Der Unternehmer muß vielmehr die Verfugbarkeit des fur die Außenkontakte relevanten Wissens so organisieren, daß es bei Entscheidungen den fur Außenkontakte zuständigen und vertretungsberechtigten Mitarbeitern präsent ist und von ihnen berücksichtigt werden kann. Wissen im Unternehmen muß somit bei der Abnahme so zur Verfugung stehen, daß der für diesen Außenkontakt mit dem Besteller zuständige und entsprechend befugte Mitarbeiter die Offenbarungspflicht hinsichtlich vorhandener Mängel/Fehler erfullen kann. Steht das relevante Wissen nicht zur Verfugung, muß der Unternehmer sich dieses Verschulden in der Organisation des Wissensflusses so zurechnen lassen, als habe es bei dem Außenkontakt dem jeweiligen Mitarbeiter zur Verfugung gestanden, sei aber unterdrückt worden. 106 Auf diesem rechtlichen Hintergrund wird verständlich, daß der Bundesgerichtshof nach neuen Wegen gesucht hat, den Auftraggeber, nach Ablauf der kurzen Verjährungsfrist des § 638 Abs. I S. I BGB in Fällen, in denen der Auftraggeber die Kenntnis des Unternehmers und/oder die Kenntnis der von diesem speziell fur die Überwachung und Abnahme eingesetzten Hilfspersonen nicht nachzuweisen

Waltermann, Verschweigen, NJW 93, 889, 892. Vgl. BGHZ 62, 63, 68; Lang, Gewährleistung, FS Odersky, S. 583, 584. 106 Vgl. Quack, Höchstrichterliche Rechtsprechung, Rdnr. 163; Schlechtriem, Organisationsverschulden, FS fUr Heierrnann, S. 281, 291 f. 104 105

IV. Auswirkung auf die "Arglisthaftung"

189

vennag, besser zu schützen. 109 Mit seinem Grundsatzurteil vom 12. März 199i 10 hat der Bundesgerichtshof die Fälle, in denen der Unternehmer für Gewährleistungsansprüche des Bestellers nach § 195 BGB dreißig Jahre lang haftet, weil die kurzen Verjährungsfristen des § 638 BGB 111 nicht zur Anwendung gelangen, um die Fallgruppe des sogenannten Organisationsverschuldens erheblich erweitert. Der Unternehmer habe auch dann einzustehen, wenn er die Überwachung und Prüfung des Werkes nicht oder nicht richtig organisiert habe und der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre. 112 Mit diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof durch Schaffung einer neuen rechtlichen Konstruktion die Verjährungsfrist faktisch für alle Fälle, in denen nicht definitiv feststeht, daß der Unternehmer und/oder sein zur Offenbarung von Mängeln speziell beauftragter Erfüllungsgehilfe zum Zeitpunkt der Abnahme keine Kenntnis von Mängeln hatten, auf dreißig Jahre erweitert. 113 Der Bundesgerichtshof fuhrt in diesem Zusammenhang aus: Der Unternehmer kann sich seiner vertraglichen Offenbarungspflichten bei Ablieferung der fertigen Ware nicht dadurch entziehen, daß er sich unwissend hält oder sich keiner Gehilfen bei der Pflicht bedient, Mängel zu offenbaren. 114 Sorgt er bei der Herstellung des Werkes nicht für eine den Umständen nach angemessene Überwachung und Prüfung der Leistung und damit auch nicht dafür, daß er oder seine insoweit eingesetzten Erfüllungsgehilfen etwaige Mängel erkennen können, so handelt er vertragswidrig. Er ist gehalten, den Herstellungsprozeß angemessen zu überwachen und das Werk vor Abnahme zu überprüfen. Er muß daher die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das fertiggestellte Werk bei Ablieferung keinen Fehler aufweist. Es ist zwar allein Sache des Unternehmers, wie er seinen Betrieb organisiert, er hat jedoch dann einzustehen, wenn er die Überwachung und Prüfung des Werkes nicht oder nicht ausreichend organisiert hat und der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre. Der Besteller ist dann so zu stellen, als wäre der Mangel dem Unternehmer bei Ablieferung des Werkes bekannt gewesen.115 Unabhängig von der rechtlichen Einordnung der Entscheidung haben sich Werkunternehmer bei der Organisation ihres Betriebes zukünftig auf die 109 Vgl dazu schon in älterer Literatur: Lang, Gewährleistung, FS Odersky, S. 583, 584; AK/Derleder, § 638 Rdnr. I; Hoffmann, Arglist, JR 69, 372, 374; Staudinger/Peters, § 638 Rdnr. 33;. 110 BGHZ 11 7, 318ff. 111 Die im Urteil des BGH ebenfalls angesprochenen Vorschriften der VOB/B werden im folgenden nicht weiter berücksichtigt. 112 Lang, Gewährleistung, FS Odersky, S. 583,586. 113 Siegburg, Haftung, S. 16. 114 Vgl. dazu auch schon BGHZ 66, 43, 46. 115 BGHZ 117,318, 320f.

190

0. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

neue Situation einzustellen. Insbesondere deswegen, weil die Entscheidung des Bundesgerichtshofes in der Zwischenzeit auch von mehreren Instanzgerichten aufgegriffen und weitergeführt wurde 116• Diese Entscheidung gilt nicht nur für Bauunternehmer. Auch andere Werkunternehmer müssen die organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen, daß Fehler entdeckt werden können. 117 Weiterhin ist eine Anwendung im Kaufrecht denkbar und wohl auch sinnvoll. So hat das OLG Hamm 118 in einer Entscheidung vom 10. 3. 1993 die Grundgedanken der BGH zur "Organisationshaftung" beim arglistigen Verschweigen auch für einen Werklieferungsvertrag übernommen. Dieses Urteil ist in der Literatur unterschiedlich aufgenommen worden 119• Nach der Ansicht von Derleder 120 erscheint es adäquat, de lege late die werkvertragliche Unterscheidung zwischen der Kenntnis beim Produktionsgehilfen einerseits und beim Informationsgehilfen des Unternehmers andererseits fallen zu lassen und allein auf die gebotene Vernetzung des Wissens beim Leitungspersonal und den Arbeitnehmern des Unternehmers abzustellen. Er qualifiziert diese Grundsatzentscheidung als eine rechtssystematische wie praktisch bedeutsame Veränderung gegenüber der früheren Rechtsprechung, die eine Haftungsverschärfung für die Unternehmer darstellt121 • Nach der Ansicht von Kniffka 122 liegt das Urteil auf der Linie bewährter Rechtsgrundsätze, wie sie vor allem in der Sekundärhaftung für Rechtsanwälte, Steuerberater und Architekten zum Ausdruck gekommen sind. Die Verlängerung der Verjährungsfrist knüpft an eine außerhalb des eigentlichen Herstellungsvorganges begangene Pflichtverletzung an. Ob dadurch ein Anspruch nach § 635 BGB oder aus positiver Vertragsverletzung 123 besteht, kann im Ergebnis offen bleiben. Wenn der arbeitsteilig tätige Unternehmer durch die Rechtsprechung des 116 Vgl. OLG Oldenburg, BauR 95, 105; OLG Köln, NJW-RR 95, 180; OLG Celle, NJW-RR 95, 1486, das diese Rechtsprechung auf die Organisationspflichten des Architekten hinsichtlich der Wahrnehmung der Bauaufsicht ausdehnt. 117 Portz, Qualitätssicherung, FS fiir Heiermann, S. 251, 262. In diesem Zusammenhang sei noch die Entscheidung BGH NJW 97, 1917 genannt, die sich mit der Wissenszurechnung und der daraus resultierenden groben Fahrlässigkeit einer Bank bei der Hereinnahme von Schecks beschäftigt. 118 OLG Hamm BB 93, 1475. 119 Siehe die Nachweise bei Siegburg, Haftung, S. 2 I, 22; dazu auch Jagenburg, Entwicklung, NJW 96, 2198, 2205, FN 132. 120 Derleder, Anmerkung, JZ 92, I 022. 121 So auch Schlechtriem, Organisationsverschulden, FS fiir Heiermann, S. 281, 291; Rutkowsky, Organisationsverschulden, NJW 93, 1748. 122 Knijfka, Gewährleistung, ZfBR 93, 255, 256. 123 So ist nach Siegburg, Haftung, S. 29tf. die Organisationspflicht des Unternehmers als eine Nebenpflicht zu qualifizieren, deren schuldhafte Verletzung den Tatbestand der positiven Vertragsverletzung erfüllt.

IV. Auswirkung auf die "Arglisthaftung"

191

Bundesgerichtshofes dadurch privilegiert wird, daß er sich die Kenntnis bestimmter Erfüllungsgehilfen und nicht die Kenntnis jeglicher zur Ausfuhrung der geschuldeten Leistung eingesetzten Mitarbeiter zurechnen lassen muß, 124 insoweit also zugunsten des Unternehmers eine wesentliche Einschränkung des § 278 BGB vorgenommen wird, wäre es in der Sache unbillig, dem Unternehmer die Wohltat der kurzen Vetjährung des§ 638 BGB auch dann zu gewähren, wenn er seinen Betrieb intern nicht so organisiert hat, daß ihm oder dem von ihm zur Abnahme bestellten Erfüllungsgehilfen Mängel rechtzeitig mitgeteilt werden.125 Der Unternehmer muß die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das fertiggestellte Werk bei Ablieferung keinen Fehler aufweist. 126 4. Auswirkung dieser Rechtsprechung auf die Beweislast

Durch diese Gleichstellung von Organisationsverschulden und arglistigem Verschweigen wird zunächst die Beweislast nicht berührt. Grundsätzlich hat der Besteller die Voraussetzungen der dreißigjährigen Verjährung darzulegen und zu beweisen. Dazu gehört, daß der Unternehmer arglistig gehandelt hat, sei es, daß er einen erkannten Mangel arglistig verschwiegen, sei es, daß er sein Werk gar nicht auf Mängel überprüft hat, ihn also ein Organisationsverschulden trifft, und der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden wäre. 127 Dabei läßt jedoch ein gravierender Mangel an einem besonders wichtigen Teil ebenso den Schluß auf eine mangelhafte Organisation der Überwachung zu wie ein besonders augenfalliger Mangel an einem weniger wichtigen Teil. 128 Somit ist die Art des Mangels ein erhebliches Indiz fur die fehlende oder mangelhafte Organisation des Herstellungsprozesses. Das gilt insbesondere bei Anhäufung offensichtlicher Mängel, die in ihrer Gesamtschau dazu fuhren, daß eine offenbare Mangelhaftigkeit der Leistung vorliegt. 129 Es ist somit weiterhin grundsätzlich Sache des Bestellers, vorzutragen, der Unternehmer habe die Überwachung des Herstellungsprozesses nicht oder nicht richtig organisiert, so daß der Mangel nicht erkannt worden sei. Der Besteller ist mit einem substantiierten Vortrag zur Organisation allerdings regelmäßig überVgl. Kniffl«J, Gewährleistung, ZfBR 93, 255, 256. Siegburg, Haftung, S. 30f. 126 Portz, Qualitätssicherung, FS fiir Heiennann, S. 251, 261; vgl. auch Staudinger!Peters, § 638 Rdnr. 33; vgl auch MünchKomm/Soerge/, § 638 Rdnr. 36. 127 Lang, Gewährleistung, FS Odersky, S. 583, 587; vgl. auch Baumgärtel, Handbuch, § 463 Rdnr. 5; § 638 Rdnr. I. 128 BGHZ 117, 318, 320; OLG 01denburg, BauR 95, 105. 129 OLG Köln, NJW-RR 95, 180. 124 125

192

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

fordert. Der Bundesgerichtshof scheint aus diesem Grunde von einer qualifizierten Darlegungslast des Unternehmers auszugehen. Dieser hat vorzutragen, wie er seinen Betrieb im einzelnen organisiert hatte, um den Herstellungsprozeß zu überwachen und das Werk vor Ablieferung zu überprüfen. Diese qualifizierte Darlegungslast zur Organisation zwingt den Unternehmer de facto zu einer sorgfältigen Dokumentation der Arbeits-, Überwachungs- und Prüfungsabläufe. Ihn trifft zwar keine materielle Dokumentationspflicht, er kann jedoch seiner Darlegungslast - nach unter Umständen vielen Jahren - in der Regel nur genügen, wenn er auf entsprechende Dokumente zurückgreifen kann. Nach den allgemeinen Grundsätzen muß der Besteller beweisen, daß die Darlegungen des Unternehmers zur sorgfältigen Organsation unzutreffend sind. 130 Er muß die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das fertiggestellte Werk bei Ablieferung keinen Fehler aufweist. 5. Erfüllung der Organisationspflicht durch ein Qualitätsmanagementsystem

Nach Quack zeigt die Konstruktion des Bundesgerichtshofes dogmatische Verwandtschaft mit Entscheidungen zur Produkthaftung und zu den Verkehrspflichten. Sie lasse sich durchaus als vertragliche "Verkehrspflicht" zur organisatorisch lückenlosen und transparenten Qualitätskontrolle verstehen. Die Grundgedanken der Entscheidung würden erhebliche Parallelen zu der Rechtsprechung zur Befundsicherungspflicht erkennen lassen.131 Dieser Ansicht ist zuzustimmen. In beiden Fällen ist das Unternehmen so zu organisieren, daß Fehler grundsätzlich vermieden bzw. rechtzeitig erkannt und beseitigt werden. Die Parallelen bei der Organisationspflicht führen aber auch zu entsprechenden Ergebnissen bei der Frage, ob ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. für den Nachweis der Erfüllung dieser Organisationspflichten ausreichend ist. So stellt Portz in einer Urteilsanmerkung hierzu fest, daß dieses Urteil nur dahingehend verstanden werden kann, daß de facto ein Qualitätsmanagementsystem verlangt wird, wenn der Unternehmer sich auf die Regelvetjährung berufen will. So dürfte eine Zertifizierung nach DIN ISO 900 l dann als geeigneter Nachweis der Erfüllung der Organisationspflichten in Betracht kommen, wenn im Rahmen der Durchführung von Prüfungen entsprechend der DIN ISO 9001 nach betriebsinternen Verfahrens- und Arbeitsanweisungen gearbeitet wird, die speziell auf die jeweilige Werkleistung abgestimmt sind und sich die Prüfaufzeichnungen ge-

130

131

Vgl. Kniffka, Gewährleistung, ZfBR 93, 255, 257f. Quack,Höchstrichterliche Rechtsprechung, Rdnr. 166, 169.

V. Vorliegen eines Garantievertrages aufgrundder Zertifizierung

193

rade auf die jeweiligen kritischen Bereiche erstrecken. 132 Dieser Ansicht ist jedoch zum einen dahingehend zu widersprechen, daß die DIN ISO 9000ff.Normen und das darauf aufbauende Qualitätsmanagementsystem gerade nicht auf die einzelne Werkleistung abgestimmt und weiterhin die konkrete Einbeziehung der indivuellen Verhältnisse nicht Gegenstand der Zertifizierung und datnit auch nicht des Zertifikates sind. Zweifelhaft ist weiterhin, ob die Qualitätsmanagement-Handbücher, die Verfahrens- und Arbeitsanweisungen sowie die Prüfaufzeichnungen detailliert genug sind bzw. sein werden, um als Nachweis fiir eine ausreichende Organisation zur Vermeidung bzw. Meldung von Mängeln anerkannt zu werden. 133 Da die Zurechnung zur Arglist wegen Organisationsverschuldens nach der Rechtsprechung konkret-individuell ist, erscheint es fiir Quack ebenfalls zweifelhaft, ob dieser Vorwurf tnit einer Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000 ausgeräumt werden kann. 134 Grundsätzlich kann bei einer Organisationspflichtverletzung im Rahmen eines Werkvertrages auch hinsichtlich der Entlastung bzw. des Nachweises der ausreichenden Beachtung der Organisationsgrundsätze nichts anderes gelten als im Bereich der Produzentenhaftung. In beiden Fällen ist ein entsprechendes Qualitätsmanagementsystem und ein darauf aufbauendes Zertifikat nicht ausreichend, um den Nachweis fuhren zu können, daß keine Organisationspflichtverletzung vorliegt. Da sich die Qualitätsnorm nicht auf das einzelne Vorhaben bezieht, kann selbst die durch eine außenstehende Kontrollstelle bestätigte Einhaltung der selbstgestellten und von der Norm geforderten Voraussetzungen durch den Auftragnehmer allenfalls ein Indiz dafiir sein, daß auch eine konkretes Projekt einbezogen war und daß dort eine effiziente Kontrolle stattgefunden hat. 135

V. Vorliegen eines Garantievertrages aufgrundder Zertifizierung 1. Grundsätzliches

Eine weitere vertragliche Anspruchsgrundlage stellt der Garantievertrag dar. Obwohl diese Vertragsform im BGB keine gesetzliche Grundlage fmdet, kommt ihr aber ein nicht zu unterschätzender Anwendungsbereich zu. In der Regel ist Portz, Einflüsse, NJW 93, 2145, 2152. So auch Siegburg, Haftung, S. 54. 134 Quack, Höchstrichterliche Rechtsprechung, Rdnr. 170. 135 Vgl. Glatze/, Qualitätssicherungssystem, FS Craushaar, S. 335, 345f.

132 133

13 Bayer

194

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

der Kunde bei der Geltendmachung von Ersatzansprüchen auf den Händler als seinen Vertragspartner beschränkt, da er mit dem Hersteller in der Regel keinen Vertrag abgeschlossen hat. Durch eine selbständige Herstellergarantie wird dagegen ein direkter vertraglicher Haftungsanspruch des Kunden gegenüber dem Hersteller des Produktes begründet. Eine solche Herstellergarantie ist zum einen von der bloßen Verwendung des Begriffes "Garantie" für die Zusicherung von Eigenschaften durch den Verkäufer, zum anderen von der sogenannten "unselbständigen Garantie" des Verkäufers als eine Haftungszusage für eine von der gesetzlichen Gewährleistungsfrist abweichende, regelmäßig längere Frist 136 abzugrenzen. 137 Insbesondere in Fällen, in denen eine zusicherungsfähige Eigenschaft verneint wird, kann ein Garantieversprechen vorliegen. So können Umstände, die sich auf die Zukunft beziehen, nicht Gegenstand einer Zusicherung sein, wohl aber eines besonderen selbständigen Garantievertrages. 138 Bei einem Garantievertrag verspricht der Verkäufer, den Käufer von Nachteilen freizustellen, die eintreten, wenn seine Zusagen sich hinsichtlich des betreffenden Umstandes als unzutreffend erweisen.139 Nach der Judikatur ist ein Garantievertrag eine Vertragsform, durch die sich jemand verpflichtet, einem anderen für einen bestimmten Erfolg einzustehen oder aber eine Schadensgefahr zu übernehmen. Diese Einstandspflicht muß dabei über die Gewähr für die Vertragsmäßigkeit der Leistung hinausgehen. 140 Ein deutliches Anzeichen für das Vorliegen eines Garantievertrages ist die Übernahme der Einstandspflicht für zukünftige Entwicklungen insbesondere der Art, daß keine der Parteien darauf Einfluß hat, ferner für Umstände, die nicht als Beschaffenheitsmerkmaleder Sache anzusehen sind. 141 Derartige Garantien werfen verschiedene Fragen auf. Alle hängen damit zusammen, daß der Gesetzgeber - weder im Kauf- noch im Werkvertragsrecht den Begriff der Garantie kennt, sondern dem Käufer bzw. Besteller Gewährleistungerechte zuweist. Schadensersatz wegen Nichterfüllung muß der Unternehmer gemäß § 635 BGB dann leisten, wenn er das Fehlen der zugesicherten Eigenschaft zu vertreten hat. Diese verschuldensahhängige Schadensersatzhaftung kann durch die Abgabe einer Garantie verstärkt werden, und zwar je nachdem, ob Beispielsweise angenommen in BGH NJW 79, 645. hierzu Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 1480, S. I, 2. 138 Staudinger/Honsel/, § 459 Rdnr. 170, 171; Soergei/Huber, § 459 Rdnr. 150, 204; siehe dazu auch Kullmann/Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 1480. 139 Soergei/Huber, § 459 Rdnr. 151. 140 Vgl. dazu u. a. BGH DB 57, 1222; BGH NJW 69, 787; BGH WM 77, 365, 366; BGH NJW 86, 1927; dazu auch schon RGZ 146, 120, 124. 14 1 MünchKomm!Westermann, § 459 Rdnr. 97. 136

137 Siehe

V. Vorliegen eines Garantievertrages aufgrundder Zertifizierung

195

es sich um eine unselbständige oder um eine selbständige Garantiezusage handelt. Die Zusammenhänge sind bereits von der Rechtsprechung des Reichsgerichtes 142 entwickelt worden. Gegenüber dem Kaufvertragsrecht ergeben sich insoweit gewisse Abweichungen, so daß es angezeigt ist, den dogmatischen Dreiklang - Zusicherung/unselbständige Garantie/selbständige Garantie - anhand der Ergebnisse der Judikatur darzustellen. a) Das Vorliegen einer unselbständigen Garantie

Es ist sicherlich so, daß die Abgabe einer Garantie als gleichbedeutend mit einer Zusicherungshaftung gemäß § 635 BGB eingeordnet werden kann. Da das Gesetz jedoch von Gewährleistungsrechten ausgeht, liegt es im Sinne der allgemeinen Auslegungskriterien gemäߧ§ 133, 157 BGB näher, wenn man die Abgabe einer Garantie als Begrundung einer verschuldensunabhängigen EiDstandspflicht begreift. Im Kaufrecht bezieht sich die Schadensersatzhaftung gemäß § 463 BGB bereits auf eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht Die Schadensersatzhaftung wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft deckt sich mit einer unselbständigen Garantiezusage. Gemäߧ§ 133, 157 BGB ist allerdings stets zu prüfen, ob eine solche unselbständige Garantiezusage nicht als eine Haltbarkeitsgarantie aufzufassen ist. Dies bedeutet dann, daß der Käufer im Gegensatz zur kaufrechtlichen Gewährleistung nicht verpflichtet ist, den Nachweis zu erbringen, daß die garantierte Eigenschaft schon im Zeitpunkt des Gefahrenübergangs gemäß § 446 BGB nicht vorhanden war; es reicht vielmehr aus, wenn er den Nachweis erbringt, daß die Eigenschaft während der Dauer der Haltbarkeitsgarantie weggefallen ist. 143 b) Die selbständige Garantie

Die Verwendung des Begriffes Garantie - bezogen auf eine Eigenschaft - kann auch bedeuten, daß der Werkunternehmer damit für einen weitergehenden, leistungsunabhängigen Erfolg einstehen will. Der mit einer solchen Garantie ins Auge gefaßte - weitergehende - Erfolg muß deshalb außerhalb der Vertragsgemäßheit der aufgrund des Werkvertrages geschuldeten Lieferung liegen 144 • Mit den werkvertragliehen Gewährleistungsverpflichtungen gemäß §§ 633ff. BGB hat eine selbständige Garantie nichts mehr zu tun. Sie ist auf Schadloshaltung gerichtet: Der Unternehmer ist verpflichtet, den Besteller von entstandenen NachSiehe bereits RGZ 165,41, 46f. Bauer/von Westphalen, Recht zur Qualität, S. III , 112; vgl. Staudinger/Honsell, § 459 Rdnr. 60. 144 Vgl. RG JW 1921, 828; BGH WM 76, 977; BGH WM 77,718. 142

143

13•

196

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

teilen freizustellen, sofern der garantierte Erfolg ausbleibt. 145 In einem selbständigen Garantieversprechen werden Verpflichtungen übernommen, die über die Gewähr fiir die Vertragsmäßigkeit der Sache hinausgehen und einen noch von anderen Faktoren abhängigen wirtschaftlichen Erfolg versprechen.

2. Qualitätsmanagement-Zertifikat als Garantieversprechen Ein Garantieversprechen wird im wesentlichen unter Werbegesichtspunkten abgegeben, etwa um das notwendige Vertrauen in ein neues Produkt herzustellen oder um das schlechte Image eines Produktes zu verbessern. In dieser Funktion wird ein Garantieversprechen vor allem vom Hersteller eingesetzt. Allerdings wird kann das Garantieversprechen auch direkt vom Verkäufer benutzt werden. Dadurch soll vor allem das Vertrauen in seine Person als Geschäftspartner gestärkt werden. Dies sind alles Parallelen zu QualitätsmanagementsystemZertifikaten Inhalt und Reichweite einer Garantie werden vom Garantiegeber bestimmt. Dabei ist zu differenzieren zwischen Garantien, die den Abnehmer vor Material- oder Herstellungsfehlern schützen sollen 146, und allgemeinen Funktionsgarantien147. Diese letzteren werden jedoch zumeist als zu unbestimmt in den Bereich nichtssagender Werbeangaben gestellt und bleiben daher ohne Rechtsfolge. Diese enge Auffassung stellt sich als Folge der restriktiven Auslegung des § 463 BGB dar. Weitgehend unproblematisch ist das Zustandekommen des Garantievertrages zwischen Hersteller und Endabnehmer. Dem Produkt liegt in der Regel eine Garantiekarte oder ein Garantieschein bei. Darin ist die Angebotserklärung des Herstellers zum Abschluß des Garantievertrages zu sehen. Einer besonderen Annahmeerklärung bedarf es nicht, da in der bewußten Entgegennahme der Garantiekarte eine Annahme gemäß § 151 BGB zu sehen ist. 148 Der Hersteller hat mit dem Qualitätsmanagement-Zertifikat das Versprechen abgegeben, nach einem bestimmten Qualitätssicherungssystem zu produzieren. Er hat dadurch zugesagt, in bestimmter Art und Weise zu produzieren und damit 145 Bauer/von Westphalen, Recht zur Qualität, S. II!. 146 BGHZ 78, 369, 372. 147 Beispielsweise in BGH VersR 81 , 636 oder BGH NJW 81, 2248. 148 BGHZ 78, 369, 372; BGH NJW 81, 2248, 2249. Dadurch wird ein direkter ver-

traglicher Anspruch des Endabnehmers gegen den Hersteller begründet. Siehe dazu u. a. Soergei!Huber § 459 Rdnr. 14; Palandt/Putzo vor§ 459 Rdnr. 31; Jauemig!Vollkommer § 459 Anm. I 3 c; Staudinger/Honse/1 § 459 Rdnr. 192; Esser/Weyers § 7 III 3; Larenz, Schuldrecht II/ I, § 62 111; Köhler, technische Regeln, BB Beilage 4/ 1985, I 0, 15; siehe dazu BGHZ 51, 91, 98; BGHZ 78,369, 372; BGHZ 80, 186; BGH NJW 81, 2248, 2249; BGHZ 93, 29, 46.

V. Vorliegen eines Garantievertrages aufgrund der Zertifizierung

197

beim Abnehmer das Vertrauen hervorgerufen, derart geschaffene Produkte mittels eines Systems hergestellt zu haben, das geeignet ist, fehlerhafte Produkte zu vermeiden. Im Hinblick auf das Produkt hat er aber noch kein Garantieversprechen abgegeben. Von einem selbständigen Garantievertrag kann aber nur dann ernsthaft die Rede sein, wenn der Unternehmer die Gewähr fur einen über die Vertragsmäßigkeit hinausgehenden, noch von anderen Faktoren abhängigen wirtschaftlichen Erfolg übernehmen wollte. Er muß sich bereit erklärt haben, eine Verpflichtung zur Schadloshaltung zu übernehmen, falls der garantierte Erfolg nicht eintritt. Dies wäre beispielsweise die kostenlose Beseitigun aller Schäden, die während eines bestimmten Zeitraumes auftreten. Da die Anwendung des Qualitätsmanagementsystems in der Regel aber keinen über den typischerweise im Vertrag vereinbarten hinausreichenden Erfolg herbeifuhren oder garantieren will, sondern lediglich auf eine Erstellung unter optimalem Ressourceneinsatz abzielt, kann die Interpretation als selbständiges Garantieversprechen nur in Ausnahmefallen in Betracht kommen. Eine Interpretation des Zertifikates als ein derartiges selbständiges Garantieversprechen ist lediglich in den Fällen anzunehmen, in denen der Wille des Herstellers erkennbar wäre, fur jeden Fehler eines von ihm produzierten Teiles uneingeschränkt einstehen zu wollen. Im Regelfall wird der Hersteller allerdings ausgehend von der Erkenntnis, daß eine solche Null-Fehler-Produktion nicht erreichbar ist - eine solche Garantie nicht abgeben wollen. 149 Im Normalfall kann der Werbung mit einem Qualitätsmanagement-Zertifikat eine solche Aussage nicht entnommen werden. Wenn also die Normenreihe ISO 9000ff. selbst nicht den Anspruch erhebt, den Nachweis der Erfullung einer Qualitätsforderung an ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Leistung festlegen zu wollen, sondern nur das Organisationsverfahren des Betriebes selbst betrifft, so kann eine rechtliche Bindung entweder nur durch einzelvertragliche Vereinbarungen zwischen Auftraggeber und nehmer entstehen, in der detailliert festgelegt wird, welche Kontrollverpflichtungen der Auftraggeber bzw. Auftragnehmer eingeht. Oder es kann aus Rechtsscheinsgründen eine Haftung fur die Einhaltung bestimmter Kontroll- und Dokumentationspflichten bestehen, wenn der Auftragnehmer etwa gegenüber seinen Kunden damit wirbt, daß er "nach DIN ISO 9001 zertifiziert sei" und dann eventuell noch darauf hinweist, daß er qualitätssichemde Maßnahmen in seinem Betrieb eingefuhrt hat oder einhalte. Wer in dieser Weise besondere Maßnahmen zur Sicherung seiner Ausftihrungsqualität anpreist, 149 Franke, Qualitätsmanagement, FS fur Heiermann, S. 63, 73; so auch Steinmann, Abdingbarkeit, BB 93, 873, 876f; Westphalen, Produkthaftungshandbuch I!Merz, 2. Autl., § 45 Rdnr. 17ff.

198

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

muß im Schadensfall schon aus dem Grundsatz "venire contra factum proprium" oder nach§§ 1, 4 UWG dem Auftraggeber den Vertrauensschaden ersetzen. Er kann sich gegen den selbstgesetzten Rechtsschein nicht darauf berufen, daß er seinen Betrieb nach seinem Qualitätshandbuch zwar ordentlich organisiert habe, dies aber bei dennoch auftretenden Mängeln gegenüber dem Auftraggeber keine Schadensersatzverpflichtung begründe, weil eine Zertifizierung nur die innerbetriebliche Organisation betreffe. Wer mit Qualität wirbt, muß dafür auch einstehen. 150

VI. Untersuchungs- und Rügepflicht gemäߧ§ 377,378 HGB Fraglich ist weiterhin, ob ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. beim Zulieferer Auswirkungen auf die Untersuchungs- und Rügepflicht nach§§ 377fHGB haben könnte. Die Bedeutung eines Qualitätsmanagementsystems fiir die Rügepflicht könnte darin bestehen, daß das Ziel der Wareneingangskontrolle beim Erwerber dem prozeßsteuemden Qualitätsmanagementsystem des Lieferanten entspricht, durch das in der Regel Fehler schneller und zuverlässiger entdeckt werden. Unter Anwendung eines Qualitätsmanagementsystemes ist es dem Lieferanten regelmäßig möglich, die Fehlerhaftigkeit der Lieferung während des Herstellungsprozesses zu überprüfen und zu steuern. Denn der Zweck eines Qualitätsmanagementsystems liegt auch darin, durch vorausschauende Planung und produktionsprozeßbegleitende Kontrollen weitere Überprüfungen überflüssig zu machen. 151 . Bei der Frage, ob der Erwerber durch ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem des Herstellers selbst auf die Wareneingangskontrolle verzichten kann, ohne dabei eine Obliegenheitsverletzung zu begehen, muß die Interessenlage von Hersteller und Erwerber betrachtet werden. Der Intention der in den§§ 377, 378 HGB aufgestellten Genehmigungsfiktion der Ware durch den Kunden liegt das auch schon vom Gesetzgeber des 19. Jahrhunderts anerkannte besondere Bedürfnis nach einer möglichst raschen und klaren Abwicklung des Handelsverkehrs zugrunde. Der Verkäufer muß aus betriebswirtschaftliehen Gründen möglichst bald nach der Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten wissen, ob seine Lieferung in Ordnung geht oder ob er sich noch weiter mit Reklamationen auseinanderzusetzen hat. 152 Ist die Ware nach Ansicht seines Kunden nicht einwandfrei, so soll der Verkäufer schon frühzeitig Glatze/, Qualitätssicherungssystem, FS Craushaar, S. 335, 346. Bedeutung, NJW 94,817,820. 152 BGH NJW 91,2633, 2634f. 150

151 Ensthaler,

VI. Untersuchungs- und Rügepflicht gemäߧ§ 377, 378 HGB

199

in die Lage versetzt werden, ihn entlastende Beweise zu sichern und gegebenenfalls vortragen zu können. 153 Von dieser strengen Untersuchungs- und Rügeobliegenheit des Kunden gibt es grundsätzlich aber zwei Ausnahmen: So in dem Fall, in dem die Ware nur sehr "geringfiigig" von der vertraglich bestimmten Qualitätsanforderung abweicht 154 oder wenn es sich um eine solche Falschlieferung handelt, hinsichtlich derer objektiv niemand eine Genehmigung durch den Kunden erwarten kormte 155 · Die Annahrnen der zweiten Alternative ist um so wahrscheinlicher, je mehr der Kunde seinen Vertragspartner von der Notwendigkeit einer bestimmten Qualität der Ware in Kenntnis setzt und hieran bindet. Das kann durch eine vertragliche Fixierung geschehen oder auch durch das verbindliche Verlangen nach der Anwendung konkreter qualitätssichernder Methoden und Techniken eines bestimmten Produktionsverfahrens. Selbst wenn dies geschehen sollte, kann aber jedwede Einschränkung der Wareneingangskontrolle langfristig nur dann sinnvoll sein, wenn sich die Vertragspartner auf das jeweilige Qualitätsniveau und bewußtsein des anderen verlassen können. Eine solche Vertrauensbasis läßt sich wiederum nur schaffen, wenn eine gegenseitige Kenntnis und Akzeptanz der Qualitätsfähigkeit von Organisation, Prozessen und Produkten des Vertragspartners möglich ist. 156 Voraussetzung hierfiir wären daher besondere vertragliche Vereinbarungen hinsichtlich des Aufbaus eines Qualitätsmanagementsystems des Vertragspartners im Rahmen der oben bereits beschriebenen Qualitätssicherungsvereinbarungen. Nicht ausreichend sind aber einseitige Maßnahmen auf der Seite des Lieferanten, wie dies durch eine Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems der Fall wäre. Hinsichtlich einer insomit bestehenden Möglichkeit, den strengen Anforderungen an die Untersuchungs- und Rügeobliegenheit der§§ 377, 378 HGB durch besondere vertragliche Regelungen zu entgehen, insbesondere im Rahmen von Qualitätssicherungsvereinbarungen157, sei nur Folgendes angemerkt: Der Bun153 BGH NJW 75, 2011, 2012; BGH NJW 90, 1290, 1292; Schmidt, Handelsrecht, § 29 III, S. 802ff. 154 Geringere Qualitätsabweichungen als Fehler im Sinne von § 459 BGB müssen nicht besonders gerügt werden, führen demgemäß zwar nicht zu Sachmängelgewährleistungsansprüchen, können aber im Rahmen einer langfristigen Lieferbeziehung Schadensersatzansprüche wegen einer fehlenden Information des Zulieferers über die veränderte Qualität begründen, vgl. "Wellpappe-Urteil", BGH VersR 89, 1152ff. Siehe dazu Müller, Rügeobliegenheit, ZIP 97, 661 ff. 155 Vgl. nur BGH NJW 75,2011 , 2012. 156 Malorny/Kassebohm, TQM, S. 363. 157 Siehe dazu insbesondere die zum Abschnitt "IV. Abgrenzung bezüglich Qualitätssicherungsvereinbarungen" ab S. 48 aufgeführte Literatur.

200

D. Auswirkungen auf das Gewährleistungsrecht

desgerichtshofhat in seinem Urteil vom 19. 6. 1991 158 die Wirksamkeit des formularmäßigen Ausschlusses der §§ 377, 378 HGB in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verneint. Dem Ausschluß stünde § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG 159 entgegen, weil der Gesetzgeber mit den in Rede stehenden gesetzlichen Vorschriften eine eindeutige Risikoverteilung fiir den kaufinännischen Verkehr vorgenommen habe, nach der den Interessen des Verkäufers der Vorrang zu geben ist. Die grundsätzliche Wirksamkeit solcher schuldrechtlichen Vereinbarungen ist davon abhängig, ob sie Klauseln enthielte, die der durch die §§ 377f HGB bezweckten Risikominderung entsprechen. Dies sei dann der Fall, wenn das Risiko des Versagens oder der teilweisen Untauglichkeit des Qualitätsmanagementsystems vom Abnehmer in einem bestimmten Umfang mitgetragen werde. Dies kann dann insbesondere dadurch der Fall sein, daß beim Auftreten systembedingter Fehler die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten in gewissem Umfang ausgeschlossen ist 160• Die Einfiihrung eines Qualitätsmanagementsystems und eines damit verbundenen Ausschlusses der§§ 377, 378 HGB, allein kann demnach nicht die Untersuchungs- und Rügepflicht des Abnehmers mindern. Entscheidend dafiir ist allein der schuldrechtliche Vertrag im Gesamten, nach dem sich der Hersteller gegenüber dem Abnehmer verpflichtet, ein bestimmtes Qualitätsmanagementsystem zu installieren. "Das, was bei ordentlicher Installierung und Pflege des Systems dann an Fehlern hätte vermieden werden können, untersteht nicht mehr der Rügepflicht. Produktfehler, die dann trotz des vereinbarten Qualitätsmanagementsystems eintreten können, unterliegen aber nach wie vor der Untersuchungs- und Rügepflicht des Handelsgesetzbuches." 161 Diese Überlegungen, die fiir die Einschränkung der Rügepflicht im Rahmen von Qualitätssicherungsvereinbarungen nur einen geringen Anwendungsbereich eröffnen, sind aber nicht auf die einseitige Einfiihrung von Qualitätsmanagementsystemen anwendbar. So ist es gerade nicht im Interesse des Herstellers, der sein Unternehmen in dieser Weise organisatiert, daß er dadurch in seiner Verteidigungsmöglichkeit gegenüber Haftungsansprüchen eingeschränkt wird. Auch erfiillt eine solche einseitige Einfiihrung eines Qualitätsmanagementsystems gerade

BGH NJW 91, 2366. Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9. Dezember 1976 (BGBI. I S. 3317), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juli 1996 (BGBI. I S. 1013). 160 So kann beispielsweise vertraglich vereinbart sein, daß eine gewisse Quote mangelhafter Produkte noch als ordnungsgemäße Erfüllung gilt. Auch ist es möglich, daß der Abnehmer bei systembedingten Fehlern nur Nachlieferung verlangen kann, sonstige Ansprüche aber ausgeschlossen sind. 161 Ensthaler, Bedeutung, NJW 94, 817, 820. Vgl. hierzu auch Westphalen, Produkthaftungshandbuch I!Merz, 2. Aufl., § 45 Rdnr. 48ff. 158 159

VI. Untersuchungs- und Rügepflicht gemäߧ§ 377, 378 HGB

201

nicht die oben dargelegten immanenten Bestandteile von Qualitätssicherungsvereinbarungen, dahingehend daß Hersteller und Abnehmer übereinstimmend festlegen, welche Maßnahmen in welcher Art und Weise durchgeruhet werden müssen. Auch würde dies das Haftungsrisiko einseitig auf den Hersteller konzentrieren. Der Kunde wird nicht verpflichtet einen Teil des Risikos des Systemversagens mitzutragen; systemimmanente Fehler die sich im Ergebnis, das heißt im Produkt, fortsetzen könnte er weiterhin als Mangel geltend machen: Es widerspricht dabei einer angemessenen Risikoverteilung, den Abnehmer aufgrund des Qualitätsmanagementsystems einerseits von seiner Prüf- und Rügeobliegenheit freizustellen, ihm auf der anderen Seite aber die Gewährleistungsrechte in vollem Umfang zu belassen.

E. Wettbewerbsrechtliche Aspekte eines Qualitätsmanagement-Zertifikates Neben Ansprüchen auf Wandelung, Minderung oder Schadensersatz von Kunden und Dritten besteht fiir einen Unternehmer jederzeit die Gefahr, Ansprüchen aufgrund unlauteren Wettbewerbs ausgesetzt zu sein. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der in § 3 UWG 1 geregelte Unterlassungsanspruch von Bedeutung. Wettbewerbsrechtliche Ansprüche stehen in erster Linie nur den Mitbewerbern am Markt zu. Neben dem Unterlassungsanspruch des § 3 UWG gewährt § 13 Abs. 6 UWG den Mitbewerbern auch einen Schadensersatzanspruch bei Verstößen gegen § 3 UWG. 2 Weiterhin kann nach§ 13a UWG dem Käufer ein Rücktrittsrecht zustehen, wenn er durch eine unwahre und zur Irrefiihrung geeignete Angabe zum Abschluß des Kaufvertrages bestimmt worden ist. Es ist dabei unerheblich, ob er die Sache zum Wiederverkauf oder als letzter Verbraucher gekauft hat. Voraussetzung für die Entstehung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches nach§ 3 UWG ist zunächst eine konkrete Verletzungshandlung. Diese kann insbesondere in einer Irreführung über Eigenschaften, Güte und Wirkungen der Unternehmerischen Leistung bestehen. Denn die Wertschätzung, die eine Ware im Verkehr genießt, beruht vornehmlich auf ihren besonderen Eigenschaften, ihrer Wirkungsweise, ihrer Echtheit, ihrem Aussehen und vor allem ihrer Qualität. Angaben über diese Umstände können nicht nur unmittelbar, sondern auch mittelbar durch Symbole, Kennzeichen oder Herkunftsangaben gemacht werden.3 Angaben im Sinne des § 3 UWG sind inhaltlich nachprüfbare Aussagen über geschäftliche Verhältnisse, die durch jedes beliebige Mittel zum Ausdruck kommen können.4 Der Begriff der Beschaffenheitsangabe, wie ihn § 3 UWG verwendet, ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift weit zu fassen. Zur Beschaffenheit im engeren Sinne gehören die einer Ware oder gewerblichen Leistung innewohnenden tatsächlichen und rechtlichen Eigenschaften, im weiteren Sinne jedoch alles das, 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1904 (RGBI. S. 499), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Oktober 1994 (BGBI. I S. 3082). 2 Köhler!Piper, UWG, § 13 Rdnr. 57. 3 Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 3 UWG Rdnr. 147. 4 Speckmann, Wettbewerbssache, Rdnr. 232.

E. Wettbewerbsrechtliche Aspekte

203

was nach der Auffassung des Verkehrs für die Würdigung einer Ware oder Leistung von Bedeutung ist. 5 Entsprechend seinem Schutzzweck untersagt§ 3 UWG ein Verhalten, das zur Irreführung geeignet ist. Auf ein tatsächliches Irregeführtwerden des Verbrauchers kommt es nicht an. Irreführend ist eine Werbeaussage regelmäßig dann, wenn mit ihr - gleich in welcher Ausdrucksform und Modifikation - sachlich etwas Unrichtiges behauptet wird. Für ein tatbestandsmäßiges Handeln im Sinne von § 3 UWG genügt dabei schon die Gefahr einer Irreführung. § 3 UWG schützt damit vor unwahrer Werbung. Unzutreffende oder sonst täuschende Angaben sind mit § 3 UWG prinzipiell nicht vereinbar. 6 Die (Un-)Richtigkeit der Behauptung muß gegebenenfalls im Wege der Beweisaufnahme feststellbar sein. 7 Eine Angabe ist aber auch schon dann irreführend, wenn sie die Wirkung einer unzutreffenden Angabe ausübt, das heißt den von ihr angesprochenen Verkehrskreisen einen unrichtigen Eindruck vermittelt. 8 Auch eine objektiv richtige Angabe kann damit im Sinne des § 3 UWG unrichtig sein, wenn sie wie eine unrichtige Angabe wirkt. Somit kann auch eine objektiv richtige Angabe unzulässig sein, wenn sie im Verkehr falsch verstanden wird und sie für die Kaufentscheidung des Verbrauchers von Bedeutung ist. Dies setzt voraus, daß derjenige, der sie zur Kenntnis nehmen soll, ihr etwas Unrichtiges entnimmt, die objektiv richtige Angabe also die Wirkung einer unrichtigen Angabe ausübt. Dabei kommt es allein darauf an, in welchem Sinne die Kreise, an die die Ankündigung sich richtet, die Angabe versteht. 9 Nicht die abstrakte Wahrheit ist somit entscheidend, sondern das, was der Verkehr nach dem Inhalt der Werbeaussage und den Gesamtumständen als richtig voraussetzt. Ob eine irreführende Werbung vorliegt, kann immer nur anband einer Gesamtbetrachtung der konkreten Umstände, unter denen eine Angabe über geschäftliche Verhältnisse gemacht wird, sowie nach Ermittlung der maßgebenden Verkehrsauffassung bestimmt werden. Maßgebend für die Bestimmung des Inhaltes einer Werbung ist allein die Auffassung des Verkehrs, für den die Werbeaussage bestimmt ist und von dem der Werbende verstanden werden will. Eine zergliedernde Betrachtungsweise, die die Werbeaussage in ihre einzelnen Teile zerlegt, ist unzulässig. Unselbständige Bestandteile einer Werbeaussage dürfen nicht aus ihrem Zusammenhang gelöst und gesondert geprüft werden. Der Grund für diese enge Auslegung des Begriffes der irreführenden Werbung ist Wettbewerbsrecht, § 3 UWG Rdnr. 124. Köhler/Piper, UWG, § 3 Rdnr. 5, 7, 103. 7 Vgl. Köhler!Piper, UWG, § 3 Rdnr. 50. 8 Köhler/Piper, UWG, § 3 Rdnr. 62, m. w. N. 9 Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 3 UWG Rdnr. 25; u. a. auch Gamm, UWG, § 3 Rdnr. 17m. w. N.; Köhler/Piper, UWG, § 3 Rdnr. 120. 5 Hefermehl,

6 Vgl.

204

E. Wettbewerbsrechtliche Aspekte

darin zu sehen, daß § 3 UWG in erster Linie dem Schutze der Allgemeinheit vor irrefuhrendem Wettbewerb dient. Diese Zielsetzung der Vorschrift verlangt, daß an die Richtigkeit und Wahrheit der Werbung strenge Anforderungen gestellt werden. 10

§ 3 UWG verlangt nicht, daß sich die Irreführung in der Person des Getäuschten tatsächlich vollzieht. Es genügt, daß die Werbebehauptung zur Täuschung des Verkehrs geeignet ist, das heißt die Gefahr einer Irreführung besteht. Gegen § 3 UWG verstößt daher eine Werbung schon dann, wenn die (unzutreffende) Angabe geeignet ist, Interessenten zu näherer Befassung mit dem Angebot zu veranlassen, auch wenn im Zeitpunkt der Kaufentschließung ein Irrtum nicht mehr bestehen sollte. Sind unklare, unvollständige oder mehrdeutige Angaben für den Kaufentschluß bedeutsam, besteht eine wettbewerbsrechtliche Aufklärungspflicht, wenn eine sachliche Entschließung sonst nicht möglich ist, das heißt, wenn die Nichterwähnung oder die Unklarheiten usw. geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise irrezuführen. 11 Die unwahren Angaben müssen für den Personenkreis, an den sie sich richten, für den Abschluß von Verträgen wesentlich sein; es kommt nicht darauf an, ob der Käufer sie für wesentlich oder nicht wesentlich gehalten hat. Hält er sie für nicht wesentlich, wird es allerdings in der Regel an der Kausalität zwischen den unwahren Angaben und dem Kaufabschluß fehlen. 12 In diesem Zusammenhang kommt die Werbung mit dem vorhandenen Qualitätsmanagement-Zertifikat als möglicherweise anspruchsbegründende "unlautere Wettbewerbshandlung" in Betracht. Dies wäre dann der Fall, wenn der Unternehmer mit dem Qualitätsmanagement-Zertifikat Aussagen verbindet bzw. dem Kunden vermittelt, die von dem Inhalt des Zertifikates nicht gedeckt sind. Insbesondere kommt dabei als Werbeaussage in Betracht, daß das Unternehmensprodukt von einer besonderen Qualität sei, daß das Zertifikat eine gegenüber den Wettbewerbern bessere Qualität garantiere. Ausschlaggebend für eine rechtliche Beurteilung des Verhältnisses des Verwenders eines Zertifikats zum Verbraucher ist dabei das Ausmaß der etwaigen Diskrepanz zwischen der vom V erbraueher mit der Zertifikat assoziierten Qualität und der tatsächlichen Beschaffenheit. Der Begriff der Beschaffenheit ist weit zu fassen. Er erfaßt alle Umstände, die nach der Verkehrsauffassung für die Wertschätzung einer Ware oder Leistung von Bedeutung sein können.13 Wird nämlich ein Gegenstand oder Qualitätsmanagementsystem eines Unternehmens mit einer Auszeichnung versehen, so ist diese in der Regel geeignet, beVgl. zum Gesamten Köhler/Piper, UWG, § 3 Rdnr. 67, 75f, 120. Piper, Rechtsprechung, GRUR 96, 147, 163. 12 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, S. 254. 13 Köhler/Piper, UWG, § 3 Rdnr. 150. 10 11

E. Wettbewerbsrechtliche Aspekte

205

stimmte Etwartungen auf eine gesteigerte Qualität von Produkt oder Produzent hervorzurufen. Eine Auszeichnung im Sinne von § 3 UWG ist alles, was den Werbenden (ein Unternehmen. dessen Ware oder Leistung) für das Publikum aus dem Durchschnitt heraushebt. Ihr Werbewert ist beträchtlich. Unzulässig ist dabei die Vetwendung von Werbezeichen, die den unzulässigen Eindruck einer Qualitätsprüfung durch eine dafür zuständige Stelle etwecken. 14 Hinsichtlich der Zulässigkeit von Qualitätswerbezeichen, die den Eindruck etwecken, die so gekennzeichnete Ware sei auf Qualität geprüft, führte der Gutachterausschuß für Wettbewerbsfragen schon 1971 aus: ,,Das Irrverkehrbringen oder die Benutzung eines Werbezeichens, das durch seine Gestaltung oder die Art seiner Vergabe oder Anpreisung- entgegen den bestehenden Tatsachen- den Eindruck etweckt, die unter ihm gelieferte Ware oder bewirkte Leistung sei von einer dazu geeigneten oder hierfür zuständigen Stelle auf Qualität hin geprüft worden, verstößt gegen§ 3 UWG." 15 Unlauter im Sinne des§ 1 UWG ist es somit, wenn durch Einsatz und Autorität der öffentlichen Hand, von Wissenschaftlern oder sonst fachlich kompetenten Personen ein sachlich nicht gerechtfertigtes Vertrauen in Anspruch genommen wird. 16 So hat zum Beispiel eine empirische Erhebung in einem Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof ergeben, daß 30,4% der befragten Brillenträger Brillenfassungen mit einem TÜV-Prüfzeichen als "etwas besser" und 27,3% sogar als "wesentlich bessere Qualität" bewerten. Objektiv war das jedoch keineswegs der Fall. 17 In diesem Falle hatte ein Optiker Brillenfassungen mit der Angabe "TÜVgeprüft" beworben. Diese richtige Angabe war irreführend, weil die Aussage den unrichtigen Eindruck vermittelte, als seien TÜV-geprüfte Brillen von höherer Qualität als nicht geprüfte. So befand der Bundesgerichtshof, daß das TÜVPrüfzeichen die falsche Behauptung einer überlegeneren Qualität im Vergleich zu nicht ausgezeichneten Konkurrenzprodukten enthalte. 18 Verbraucher und Kunden, die auf die Qualitätsaussage solcher Zertifikate vertrauen, können somit für den Fall einer in Wirklichkeit geringeren Qualität deren Vetwender (z. B. Produzenten, Verkäufer) grundsätzlich regreßpflichtig machen. 19 Der Bundesgerichtshof beruft sich zur Begründung einer strengen Haftung des Verkäufers darauf, daß diese die Erklärungen bewußt in werbewirksamer Weise

Köhler/Piper, UWG, § 3 Rdnr. 286f. Gutachterausschuß ftir Wettbewerbsfragen-Gutachten Nr. 2/1971 , in WRP 73, 56. 16 Piper, Rechtsprechung, GRUR 96, 147, 159; BGHZ 85, 84, 98; bei Werbung mit "Fachkompetenz und vorhandenen Qualifikationen", siehe auch BGH NJW 97, 464f. 17 BGH BB 91, 292, 293. 18 Speckmannn, Wettbewerbssache, Rdnr. 250. 19 Ma/orny/Kassebohm, TQM, S. 252; vgl. dazu auch Wilms, Produktehaftung, s. 144ff. 14

15

206

E. Wettbewerbsrechtliche Aspekte

einsetzen, um besonderes Vertrauen bei seinen Abnehmern zu erwecken. 20 Unrichtige oder unzutreffende Aussagen über Wert oder Inhalt eines Zertifikates hat nach den Rechtsnormen des Wettbewerbsrechtes allein der zu verantworten, der sie als Mittel des Wettbewerbs oder im Geschäftsverkehr werbend einsetzt. Unzweifelhaft besteht bei der Werbung mit Qualitätsmanagement-Zertifikaten ein beträchtliches Potential den Dritten zu täuschen, sei es über den Inhalt des Zertifikates, sei es über Umfang und Inhalt der DIN ISO-Normen zum Qualitätsmanagement Falsche Bewertungen und unzutreffende Interpretationen von Qualitätsmanagement-Zertifikaten sind häufig anzutreffen. Hierzu seien als Beispiele offensichtlicher Fehlauslegungen, die der bewußten Irreführung des Verbrauchers nahekommen, nochmals auf die auf Seite 172 angeführten Werbeaussagen verwiesen. Schon bei einer oberflächlichen Betrachtung des Lauterkeitsrechtes wird deutlich, daß sich die beiden entscheidenden gesetzlichen Regelungen in generalklauselhaften Tatbeständen erschöpfen (vgl. §§ l, 3 UWG). Infolgedessen kommt gerade in diesem Rechtsgebiet der Rechtsprechung eine zentrale Funktion zu. Entsprechende Urteile zu der wettbewerbsrechtlichen Bedeutung eines Qualitätsmanagement-Zertifikates liegen jedoch bisher noch nicht vor. Mehr als in jedem anderen Rechtsgebiet kommt es im Wettbewerbsrecht auf den konkreten Einzelfall an. Nur anband dessen läßt sich beurteilen, ob ein Fall der unlauteren Werbung vorliegt oder nicht. Pauschale Urteile und Ergebnisse unabhängig vom Einzelfall sind hier unmöglich, so daß es bei einer solchen allgemeinen Darstellung der Problemlage bleiben muß. Die Werbung mit Qualitätsmanagementzertifikaten ist vergleichbar mit verschiedenen Formen der Umweltwerbung. Umweltwerbung stellt ein vielgestaltiges Problem dar. Sie reicht von der Werbung mit Produktionsverfahren über die Werbung mit Werbeeigenschaften bis zur Werbung mit Umweltsponsoring. Selbstverständlich muß Umweltwerbung wahr sein. 21 Aufgrund der typischen Unbestimmtheit der Angaben ist den produktbezogenen Umweltwerbeformen ein beträchtliches Irreführungspotential eigen. 22 Insbesondere sei hier auf die Werbung mit dem sogenannten ,,Blauen Engel" verwiesen. Das Umweltzeichen ,,Blauer Engel" darf vom Hersteller eines Produktes unter Angabe des Verleihungsgrundes nur verwendet werden, wenn es ihm aufgrund einer Entscheidung der Jury "Umweltzeichen", der verschiedene für den Umweltschutz tätige Organisationen angehören, nach einer Prüfung, ob das Produkt den gestellten Anforderungen genügt, verliehen wird. Mit dem einem Gewerbebetrieb verliehenen Umweltzeichen darf in der verliehenen Form aber auch dann nur unter Beachtung

BGHZ 87, 302, 306. Vgl. dazu Fezer, Umweltwerbung, JZ 92, 443ff, 448. 22 BGH NJW 89, 711 , 712. 20

21

E. Wettbewerbsrechtliche Aspekte

207

der Einschränkungen und Auflagen (Hinweispflichten) geworben werden. 23 So ist die Angabe notwendig, aus welchem Grund das Umweltzeichen vergeben worden ist. Der Verwender muß angeben, aus welchem Grund sein Produkt umweltfreundlicher ist als das Konkurrenzprodukt, denn ein umweltbezogener Hinweis darf nicht ins ,,Blaue" hineien aufgestellt werden, sondern muß tatsächlich gerechtfertigt sein. 24 So ist die Werbung mit dem Umweltzeichen unzulässig, wenn fiir dessen Verwendung ein Grund nicht erkennbar gemacht wird. 25 Diese Überlegungen können auf die Werbung mit Qualitätsmanagement-Zertifikaten übertragen werden. Wirbt der Unternehmer mit einer Auszeichnung, die ihm das Vorhandensein eines Qualitätsmanagementsystems nach DIN ISO 9000ff. bescheinigt, so ist er verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß weder seine unternehmerische Leistung qualitativ besonders hochwertig ist, noch diese einer besonderen Qualitätsprüfung unterzogen worden ist. Er muß jeden Eindruck vermeiden, der darauf hindeutet, daß sein Produkt oder sonstige Leistungen gegenüber den Konkurrenzprodukten besonders hochwertig sind.

Hefermehl, Wettbewerbsrecht, §I UWG Rdnr. 181a, b. Hefermehl, Wettbewerbsrecht, §I UWG Rdnr. 180c. 25 Siehe dazu Köhler/Piper, UWG, § I Rdnr. 72, 73 m. w. N.; § 3 Rdnr. 187b; vgl. zum gesamten auch Kienle, Werbung, NJW 97, 3360, 3361. 23

24

F. Zusammenfassung und Ergebnisse Eine unzureichende Produktqualität ist Hauptursache der meisten Haftungsfalle, die einen Unternehmer treffen können. Aus diesem Grunde muß es eines der Hauptanliegen der Unternehmenspolitik sein, eine einmal festgelegte Qualität dauerhaft zu sichern. Dies bedeutet, daß der Unternehmer sicherstellen muß, daß die festgelegten Qualitätskriterien bei allen hergestellten Produkten unabhängig davon erfüllt werden, ob es sich um das erste oder letzte Produkt einer Serie handelt oder von welchem Mitarbeiter es hergestellt worden ist. Dieses Ergebnis wurde in erster Linie durch Produktprüfungen am Ende des Herstellungsprozesses und der damit verbundenen Aussonderungen der fehlerhaften Produkte erreicht. Veränderungen in den Produktionsformen und innerhalb von Lieferbeziehungen machten aber auch bei den Qualitätssicherungssverfahren neue Strukturen notwendig. Nicht mehr die Prüfung der Produkte soll die Qualität sicherstellen, sondern der gesamte Herstellungsprozeß soll so angelegt sein, daß die Vermeidung von Fehlern auf jeder Produktionsstufe im Mittelpunkt steht. Um solche Verfahrens- und Organisationsstrukturen auch für Unternehmensfremde transparenter zu machen und um eine Basis zu schaffen, die es ermöglicht, die unternehmensinternen Bemühungen um die Qualitätssicherung vergleichen zu können, wurde eine internationale Normenreihe, die DIN ISO 9000ff. geschaffen. Die Erfüllung der darin enthaltenen Forderungen an die Qualitätssicherung kann der Unternehmer gegenüber Dritten dadurch belegen, daß er sein Qualitätsmanagementsystem zertifizieren läßt. Bei dieser Zertifizierung wird überprüft, ob das Qualitätsmanagementsystem die Anforderungen der gewählten Bezugsnorm erfüllt. Kann der Unternehmer die ordnungsgemäße Organisation seines Betriebes nicht nachweisen, so wird dadurch eine Schadensersatzpflicht im Rahmen der Produzentenhaftung begründet. Überlegungen, allein durch das Vorhandensein eines Qualitätsmanagementsystems nach DIN ISO 9000ff. den somit notwendigen Nachweis der Erfüllung der Organsationspflichten führen zu können, gehen aber fehl. Für den Nachweis der Erfüllung der unternehmensspezifischen Sorgfaltspflichten ist ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. nicht ausreichend. Die Normen sind für sich allein genommen keine ausreichende Basis für eine Exkulpation. Denn um einer Haftung zu entgehen, genügt es nicht, daß die Unternehmensorganisation anband abstrakter Normen durchgeführt wird,

F. Zusammenfassung und Ergebnisse

209

sondern Anknüpfungspunkt für alle Maßnahmen ist immer das konkrete Produkt und das einzelne Unternehmen. Die Unternehmensorganisation muß sowohl die Gefahrlichkeit des Produktes als auch die jeweiligen unternehmensspezifischen Besonderheiten berücksichtigen. Weiterhin ist sowohl das QualitätsmanagementZertifikat, als auch die mit dem Zertifizierungsverfahren verbundene ausfuhrliehe Dokumentation der Unternehmensprozesse nicht ausreichend, um im Haftungsfall nachzuweisen, daß zumindest die genormten Forderungen der DIN ISO 9000ff.-Norm erfiillt worden sind. Denn auch in diesem Fall handelt es sich nur um einen abstrakten Nachweis, bestimmte Forderungen an die Unternehmensorganisation erfullt zu haben. Dies ist im Produkthaftungsprozeß aber gerade nicht ausreichend. Der Nachweis der Erfiillung der unternehmensspezifischen Verkehrspflichten ist immer anhand des einzelnen schadensverursachenden Produktes beziehungsweise hinsichtlich des jeweiligen Produktionsabschnittes zu fuhren. So sind die Verkehrspflichten immer unternehmens- und produktbezogen zu bestimmen. Nicht ausreichend ist es damit, daß abstrakte Forderungen beachtet worden sind. Auch im Rahmen einer Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz ist dem Unternehmer ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. allein keine Hilfe in rechtlicher Hinsicht. Die für den Nachweis der Fehlerfreiheit des Produktes im Zeitpunkt der Ioverkehrgabe notwendige Prüfung und die damit verbundene Dokumentation der Prüfergebnisse wird von den DIN ISO 9000ff.-Normen zwar gefordert, aber welche beziehungsweise ob positive Ergebnisse vorlagen und ob bei negativen Ergebnissen das Produkt gerade nicht in den Verkehr gebracht worden wäre, wird allein durch ein Qualitätsmanagement-Zertifikat nicht gewährleistet. Weiterhin wird beispielsweise die im Rahmen des Produkthaftungsgesetzes die fur die Bestimmung der Fahlerhaftigkeit eines Produktes notwendige Ermittlung der Verbrauchererwartungen von den entsprechenden Normen zum Qualitätsmanagementsystem gar nicht gefordert. Umgekehrt kann es dem Unternehmer aber nicht im Rahmen einer Beweislasturnkehr zum Nachteil gereichen, die DIN ISO 9000ff.-Normen nicht beachtet zu haben, wenn er sein Unternehmen in einer anderen Weise organisiert hat. Bei den Normen zum Qualitätsmanagementsystem handelt es sich zwar um DINNormen, deren Nichtbeachtung grundsätzlich zu einer Beweislastumkehr fuhrt, die besagten Normen sind aber gerade so abstrakt gehalten, daß daraus keine zwingende, dem Stand der Technik entsprechende Organisationstruktur herleitbar wäre. Die Unternehmensorganisation hat sich am jeweiligen Produkt und der daraus resultierenden Gefahrlichkeit zu orientieren, nicht an abstrakten Forderungen. Aufgrund der jeweiligen unternehmerischen Selbständigkeit sind die unternehmensspezifischen Verkehrspflichten aber eingeschränkt, wenn innerhalb des Herstellungsprozesses Unternehmensfremde, insbesondere Zulieferer, tätig werden. Weiterhin ist es jedem Hersteller im Rahmen von Zulieferketten möglich, eigene Verkehrspflichten auf Dritte zu übertragen. Grundsätzlich kann aber bei 14 Bayer

210

F. Zusammenfassung und Ergebnisse

der Übertragung von Verkehrspflichten bei Auswahl und Überwachung des Zulieferers hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit und Geeignetheit, die speziellen Qualitätsforderungen an das Produkt zu erfullen, nichts anderes gelten, als wenn der Endhersteller diese Aufgabe selbst übernehmen würde. Die unternehmerische Eigenständigkeit zwingt aber dazu, daß sich der Endhersteller in einem solchen Fall an weniger aussagekräftigen Kriterien orientieren muß, um seiner Auswahlund Überwachungspflicht nachzukommen. Dies gilt insbesondere beim Bezug von Massenartikeln, bzw. von Teilen, die nicht nach den Vorgaben des Endherstellers gefertigt werden. In solchen Fällen kommt dem Endhersteller ein beim Zulieferer vorhandenes zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem zugute. Um seiner Auswahl- und Überwachungspflicht zu genügen, muß er lediglich im Rahmen einer "Erstprüfung" untersuchen, ob das zugelieferte Produkt seinen Qualitätserwartungen genügt und der Zulieferer in seinem Unternehmen ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. verwirklicht hat. Dies bestätigt die Übereinstinunung der Unternehmensorganisation mit genormten Forderungen, bei deren Erfullung der zertifizierte Hersteller eine Struktur geschaffen hat, die es verhindern soll, daß fehlerhafte Produkte, also Produkte, die der vom Unternehmer festgelegten Qualität nicht entsprechen, nicht in den Verkehr gelangen. Solange der Zulieferer Inhaber eines solchen Zertifikates ist, kann der Endhersteller auf eigene Überwachungsmaßnahmen verzichten. Diese Überlegungen sind entsprechend auf die Haftung eines Händlers anwendbar. Diesen treffen hinsichtlich des von ihm in den Verkehr gebrachten Produktes nur sehr eingeschränkte Verkehrspflichten. Insbesondere bei der Untersuchung, ob ein Produkt dauerhaft verkehrfähig ist, kann er sich auf ein beim Hersteller vorhandenes Qualitätsmanagementsystem verlassen, da dieses System von seinem Selbstverständis her gerade die einmal bestimmte Qualität sichern soll. Denkbar ist aber, daß ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. Auswirkungen auf eine bestehende Vertragsbeziehung zwischen dem Hersteller/Verkäufer und dem jeweiligen Abnehmer hat. Diese Auswirkungen könnten sich vor allem bei der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten zeigen. Das Vorhandensein eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems fuhrt jedoch weder zu einer Neudefinition des Fehlerbegriffes noch zu einer zugesicherten Eigenschaft. Für den Abnehmer ist es einzig und allein entscheidend, daß das gelieferte Produkt der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Auf welche Weise sein Vertragspartner dies letztendlich erreicht hat, ist für ihn unwesentlich. Solange das Produkt der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspricht, ist für den Abnehmer das angewandte System bedeutungslos; entspricht das Produkt der vereinbarten Beschaffenheit aber nicht, interessiert es den Abnehmer bei der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten auch nicht mehr, ob es sich bei dem mangelhaften Produkt zumindest um ein systemgerechtes Pro-

F. Zusammenfassung und Ergebnisse

211

dukt gehandelt hat. Ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. hat somit keinen Einfluß auf die Bestimmung der Fehlerfreiheit eines Produktes. Die Beachtung des Systems fuhrt nicht dazu, daß es für die Fehlerfreiheit genügt, systemgerecht produziert zu haben. Dementsprechend stellt auch die Nichtbeachtung des Systems weder einen Fehler an sich, noch das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft dar. Entscheidend ist einzig die jeweilige Vereinbarung über die konkreten Beschaffenheitsmerkmale. Entsprechendes gilt auch, wenn die Beachtung des Qualitätsmanagementsystems als eine vertragliche Nebenpflicht eingeordnet wird, deren Nichtbeachtung zu einem Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung führen würde. Die systemgerechte Produktion stellt keinen Wert an sich dar. Entscheidend ist einzig das Produktionsergebnis. Nur wenn die Nichtbeachtung des Qualitätsmanagementsystems zu einem fehlerhaften Produkt gefuhrt hat und dieser Fehler zu einem entsprechenden Schaden, ist ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung begründet. Bei einer Inanspruchnahme des Unternehmers auf Schadensersatz wegen arglistigem Verschweigen von Mängeln des Vertragsgegenstandes zeichnet sich gegenwärtig in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Tendenz ab, daß eine Haftung nicht nur dann eintritt, wenn der fur den Außenkontakt zuständige Mitarbeiter die jeweilige, ihm bekannte Tatsache nicht offenbart hat, sondern auch dann, wenn im Unternehmen keine Organisationsstrukturen geschaffen sind, die es ermöglichen, daß dieser Mitarbeiter über alle offenbarungspflichtigen Umstände in Kenntnis gesetzt werden kann. Beim Nachweis der Erfüllung dieser Organisationspflicht durch ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem nach DIN ISO 9000ff. gilt aber nichts anderes als bei der oben bereits beschriebenen Haftung des Unternehmers auf Schadensersatz aus § 823 BGB im Rahmen der Produzentenhaftung. Weiterhin fuhrt die Einrichtung eines Qualitätsmanagementsystems nach DIN ISO 9000ff. beim Verkäufer nicht zu einer Einschränkung bei der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit nach § 377f HGB auf der Seite des Erwerbers. Nur wenn eine zweiseitige Vereinbarung vorhanden ist, die sowohl Regelungen über die Qualität der Ware als auch über Qualitätssicherungsverfahren, die zur Erreichung derselben notwendigen sind, enthält, führt jeder anderweitige Fehler zu einer derartigen Falschlieferung, daß auch eine Genehmigung der Ware von niemandem mehr erwartet werden kann. Entscheidend ist allein die vertragliche Vereinbarung, nicht einseitige Maßnahmen durch Installierung eines Qualitätsmanagementsystems nach DIN ISO 9000ff., wobei die konkrete Ausgestaltung nur vom zertifizierten Unternehmen bestimmt wird. Unabhängig von der Frage nach einer Verbesserung der Haftungssituation durch das Vorhandensein eines zertifizierten Qualitätsmanagementsystems nach DIN ISO 9000ff. kann eine Werbung mit diesem Zertifikat den Unternehmer der 14*

212

F. Zusammenfassung und Ergebnisse

Gefahr einer unlauteren Wettbewerbshandlung aussetzen. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn durch die Werbung mit dem Zertifikat die Aussage einer besonderen Produktqualität oder einer besonderen, qualitativ hochwertigen Verfahrensweise verbunden wird. Die Werbung muß zum Ausdruck bringen, daß allein die Unternehmensorganisation allgemeinen Vorgaben entspricht. Es bleibt somit festzuhalten, daß ein zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem fiir sich genommen die Haftungssituation im Unternehmen nicht grundlegend, insbesondere nicht allein durch das Vorhandensein eines solchen Systems, verbessert, sondern daß dadurch vielmehr die Chance gegeben ist, produktionsbedingte Fehlleistung von vornherein zu vermeiden und dadurch Haftunsgfällen zu entgehen. DIN ISO 9000ff. stellt als eine DIN-Norm nicht nur den Stand der Technik dar, sondern kann als Organisationsnorm helfen, gestiegene rechtliche Anforderungen an die Organisation zu bewältigen. Ein solches Qualitätsmanagementsystem und die damit verbundene Zertifizierung dient dazu, daß klare Strukturen und Abläufe geschaffen werden. Durchdachte und geplante Verfahren, die Dokumentation der Prozesse und eine strenge Ausrichtung aller betrieblichen Entscheidungen an den Zielen des Qualitätsmanagementsystems können das Risiko minimieren, daß fehlerhafte, schadhafte Produkte in den Verkehr gelangen und in der Folge zu einer Haftung des Unternehmers fuhren. Ein Qualitätsmanagementsystem, das die Forderungen der DIN ISO 9000ff. erfiillt, wirkt präventiv mit dem Ziel, Fehler zu verhindern. Ein funktionierendes Qualitätsmanagementsystem ist fiir den Unternehmer ein wirksames Mittel zur Verringerung von Fehlern. Es gelangen weniger fehlerhafte Produkte in den Verkehr. Dadurch kann die Zahl der Schadensfälle, die durch die Fehlerhaftigkeit eines Produktes verursacht werden, gesenkt und ein entsprechendes Haftungsrisiko vermieden werden. Ein wirksames Qualitätsmanagementsystem kann das Auftreten von Fehlern verringern, jedoch nie ganz ausschließen. Der Entstehung von Fehlern wird vorgebeugt und somit auch der Entstehung von Schadensfällen und Haftungsrisiken.

Literaturverzeichnis Adams, Heinz W. I Löhr, Volker: Bedeutung von Qualitätssicherungssystemen in der entstehenden Haftungsgesellschaft, in: QZ 1991, S. 24-26. Adams, Heinz W. I Johannsen, Dirk: Das "gerichtsfeste" Produktionsunternehmen, in: BB 1996, S. 1017-1021. Albach, Horst: Total Quality Management, neue Entwicklungen auf dem europäischen Kapitalmarkt, in: ZfB 63. Jg. ( 1993), S. 537f. Alternativkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 3 - Besonderes Schuldrecht, bearb. von Wolfgang Däubler u. a., Neuwied I Darmstadt, 1979.

Anker, Axel I Sinz, Gerhard: Die rechtliche Bedeutung der Normenreihe DIN EN ISO 9000-9004 unter besonderer Berücksichtigung der 30jährigen Gewährleistungshaftung für arglistig verschwiegene Mängel, in: BauR 1995, S. 629-639. Arens, Peter: Zur Beweislastproblematik im heutigen deutschen Produkthaftungsprozeß, in: ZZP 91 (Band 104), S. 123-135. Bar, Christian von: Entwicklung und rechtsstaatliche Bedeutung der Verkehrs(sicherungs)-pflichten, in: JZ 1979, S. 332-337. -

Verkehrspflichten: richterliche Gefahrsteuerungsgebote im deutschen Deliktsrecht, Köln I Bonn I u. a., 1980.

-

Entwicklung und Entwicklungstendenzen im Recht der Verkehrs(sicherungs)pflichten, in: JuS 1988, S. 169-174.

Bauer, Carl-Otto: Rechtliche Konsequenzen aus CE-Kennzeichen und QM-Zertifikaten, in: QZ 1995, S. ZG 18-ZG 27. Bauer, Cari-Otto I Hinsch, Christian (Hrsg.): Produkthaftung - Herausforderung an Manager und Ingenieure, BerliniHeidelberg, 1994. Bauer, Carl-Otto I Westphalen, Friedrich Graf von (Hrsg.): Das Recht zur Qualität: die Rechtsgrundlagen der Qualitätsorganisation, Berlin I Heidelberg I u. a., 1996. Baumbach, Adolf I Hefermehl, Wolfgang: Warenzeichen und Internationales Wettbewerbs- und Zeichenrecht, II. Aufl., München, 1985. Baumbach, Adolf I Lauterbach, Wolfgang: Zivilprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und anderen Nebengesetzen, verf. von Jan Albers und Peter Hartmann, 54. Aufl., München, 1996. Baumgärtel, Gottfried: Die Beweislastverteilung bei der Produzentenhaftung, in: JA 1984, S. 660-669. -

Handbuch der Beweislast Im Privatrecht - Allgemeiner Teil und Schuldrecht BGB mit VOB, HOAI, KSchG und ProdHaftG, Band I, 2. Aufl., Köln I Berlin I u.a., 1991.

Bergholz, Hans-Jörg: Total Quality Management: Der Weg in die Zukunft, in: QZ 1991, 389-394. Braun, Kerstin-Carolin: DIN EN ISO 9000ff. -schon wieder überholt?, in: PHI 1997, S. 134-139.

214

Literaturverzeichnis

Brendel, Thornas: Qualitätsrecht Die technisch-ökonomischen lrnplikationen der Produzentenhaftung, Berlin, 1976. Busse, Rudolf I Woes/er, Ernrni (Hrsg.): Warenzeichengesetz, 5. Aufl., Berlin I New York, 1976. Claußen, Thornas I Lippert, Klaus-Dieter: Qualitätsmanagement in der Lebensrnittelindustrie, in: Lebensrnittelrechts-Handbuch, red. von Rudolf Streinz, 10. Ergänzungslieferung, München, 1995, Kapitellll.E. Derleder, Peter: Anmerkung zum Urteil des BGH vorn 12. März 1992 - VII ZR 5191, in: JZ 1992, S. 1021-1023. Deutsch, Erwin: Der Zurechnungsgrund der Produzentenhaftung, in: VersR 1988, s. 1197-1201.

-

Die Fahrlässigkeit als Außerachtlassung der äußeren und der inneren Sorgfalt, in: JZ 1988, s. 993-996.

-Der Schutzbereich der Produzentenhaftung nach dem BGB und dem ProdHaftG, in: JZ 1989, s. 465-470. -

Fallgruppen der Produkthaftung: gelöste und ungelöste Probleme, in: VersR 1992,

s. 521-527.

Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt: eine privatrechtliche Untersuchung, 2. Aufl., Köln I Berlin I Bonn I München, 1995.

-Unerlaubte Handlungen, Schadensersatz und Schmerzensgeld, 3. Aufl., Köln I Berlin, 1995. -Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl., Köln I Berlin I u. a., 1996. Deutsche Gesellschaft für Qualität e.V. (Hrsg.): Begriffe zum Qualitätsmanagement, 5. Aufl., Berlin 1993. -Qualität und Recht, BerliniKöln, 1988. Deutsches Institut für Normung e.V. (Hrsg.): DIN-Taschenbuch 223 - Qualitätssicherungssysteme und angewandte Statistik, Berlin I Köln, 1989. - DIN-Taschenbuch 226- Qualitätsmanagement und Statistik- Verfahren: Qualitätsrnanagernentsysterne, 2. Aufl. Berlin I Wien I Zürich, 1994. - DIN-Taschenbuch 226- Qualitätssicherung und angewandte Statistik- Qualitätssicherungssyterne, I. Aufl., Berlin I Köln, 1992. -

Qualitätsmanagernent, Statistik, Zertifizierung: Begriffe aus DIN-Norrnen, 2. Aufl., BerliniWien/Zürich, 1995.

Ebke, Wemer F.: Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der wirtschaftsprüfenden, steuerund rechtsberatenden Berufe im internationalen Vergleich, Heidelberg, 1996. Enstha/er, Jürgen: Haftungsrechtliche Bedeutung von Qualitätssicherungsvereinbarungen, in: NJW 1994, S. 817-823.

-Wissen ist oft lückenhaft - Juristische Aspekte beim Verwirklichen von Qualitätsrnanagementsysternen, in: QZ 1995, S. 734-738. Ensthaler, Jürgen I Füßler, Andreas I Nuiss/, Dagmar: Juristische Aspekte des Qualitätsmanagements, Berlin I Heidelberg I u. a., 1997. Erman, Walter: Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Harrn Peter Westerrnann, I. Band, 9. Aufl., Münster, 1993.

Literaturverzeichnis

215

Eschenbruch Klaus: Konzernhaftung - Haftung der Unternehmer und der Manager, Düsseldorf, 1996. Esser, Frank: Qualitäts-Dokumentation unter besonderer Berücksichtigung der Produzentenhaftung, Bergisch Gladbach I Köln, 1988. Esser. Josef: Schuldrecht, Band I, Allgemeiner Teil, Teilband 2, fortgefiihrt von Eike Schmidt, 7. Aufl., Heidelberg, 1993.

-

Schuldrecht, Band 2, Besonderer Teil, fortgefiihrt von Hans-Leo Weyers, 7. Aufl., Heidelberg, 1991.

Exner, Stefan: Der Unternehmensberatungsvertrag, Köln, 1992. Fezer, Kari-Heinz: Umweltwerbung mit Unternehmerischen Investitionen in den Nahverkehr - Zugleich eine Besprechung der Entscheidung "Biowerbung mit Fahrpreiserstattung" des BGH v. 18.10.1990- I ZR 113189, in: JZ 1992, S. 443-448. Fikentscher, Wolfgang: Schuldrecht, 8. Aufl., Berlin I New York, 1991. Fink, Bernhard: Risiko-Management und Umwelthaftung, in: Umwelthaftung, Risikosteuerung und Versicherung, hrsg. von Martin Ahrens und Jürgen Simon, Berlin, 1996, s. 147-167. Foerste, Ulrich: Anmerkung zum Urteil des BGH vom 7. Juni 1988- VI ZR 91187, in: VersR 1988, S. 958-961.

-Anmerkung zum Urteil des BGH vom 8. Dezember 1992 - VI ZR 24192, in: JZ 1993, s. 680-682. Franke, Hinrieb: Qualitätsmanagement bei Zulieferungen, in: Handbuch Qualitätsmanagement, hrsg. von Walter Masing, 3. Aufl., München I Wien, 1994, S. 531-551 . Franke, Horst: Qualitätsmanagement und Bauvertrag, in: Festschrift fiir Wolfgang Heiermann, hrsg. von Jürgen Doerry und Hans-Georg Watzke, Wiesbaden I Berlin, 1995, S. 63-78. Franz, Birgit: Qualitätssicherungsvereinbarungen und Produkthaftung, Baden-Baden, 1995. Frehr, Hans-Ulrich: Total-Quality-Management, in: Handbuch Qualitätsmanagement, hrsg. von Walter Masing, 3. Aufl., München I Wien, 1994, S. 31-48. Frietsch, Edwin: Das Gesetz über die Haftung fiir fehlerhafte Produkte und seine Konsequenzen flir den Hersteller, in: DB 1990, S. 29-34. Gabler- Verlag (Hrsg.): Gabler-Wirtschafts-Lexikon, 13. Aufl., Wiesbaden, 1992. Gamm, Otto-Friedrich Frhr. v.: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 3. Aufl., Berlin I Köln I u. a., 1993. Garbotz, Georg: Vereinheitlichung in der Industrie, München I Berlin, 1920. Gaster, Dietmar: Qualitätsaudit, in: Handbuch Qualitätsmanagement, hrsg. von Walter Masing, 3. Autl., München I Wien, 1994, S. 927-948. Gay, T.: Rechtliche Bestimmungen für Produkthaftung in Europa, Frankfurt, 1994. Geiget, Reinhard: Der Haftpflichtprozeß: mit Einschluß des materiellen Haftpflichtrechts, hrsg. von Günter Schlegelmilch, 21. Autl., München, 1993. Geiger, Walter: Qualität - Eine Begriffsentwicklung seit mehr als 2000 Jahren, in: QZ 1996, s. 1142-1148.

216

Literaturverzeichnis

Geiger, Walter: Die Entstehung, Erstellung und Weiterentwicklung der DIN ISO 9000Familie, in: Qualitätsmanagement und Zertifizierung - von DIN ISO 9000 zum TotalQuality-Management, hrsg. von Bemd Stauss, Wiesbaden, 1994, S. 27-62. Gemünd, Wolfgang: Das Umwelt-Audit als Voraussetzung filr die Umwelt-Haftpflichtversicherung, in: PHI 1995, S. 42-49. Giesen, Dieter: Anmerkung zum Urteil des BGH vom 7. Juni 1988- VI ZR 91 /87, in: JZ 1988, S. 969-971. Glatze!, Ludwig: Bedeutung eines Qualitätssicherungssystems nach DIN EN ISO 9000ff. beim Auftragnehmer eines Bauvertrages filr seine Gewährleistungs- und Nebenpflichten, in: Dem Baurecht ein Forum - Festschrift filr Götz von Craushaar zum 65. Geburtstag, hrsg. von Klaus Vygen und Peter Böggering, Düsseldorf, 1997, S. 335-348. Gorny, Dietrich: Qualitätssicherungssysteme und lebensmittelrechtliche Sorgfaltspflichten, in: ZLR 1995, S. 1-13. Grob, Walter: Qualitätsmanagement - Sachverhalt und schuldrechtliche Aspekte, Freiburg (Schweiz), 1995. Groß, Wemer: Die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Haftungsund Schadensrecht, in: VersR 1996, S. 657-662. Grunewald, Barbara: Just-in-time-Geschäft - Qualitätssicherungsvereinbarungen und Rügelast, in: NJW 1995, S. 1777-1784. Haas, Hendrik: Ein neuer Qualitätsindikator auf Dienstleistungsmärkten? Eine empirische und theoretische Untersuchung über den Nutzen von Zertifikaten nach DIN EN ISO 9000ff. für Verbraucher, Berlin, 1998. Häsemeyer, Ludwig: Das Produkthaftungsgesetz im System des Haftungsrechts, in: Festschrift filr Hubert Niederländer zum siebzigsten Geburtstag, hrsg. von Erik Jayme, Adolf Laufs, u. a., Heidelberg, 1991, S. 251-265. Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (Hrsg.): Qualitätssicherungssysteme, Normen und Zertifikate, HOl-Information H-Ili 6/92, Hannover, 1992. Hahn, Peter: Produkthaftung und Qualitätssicherung- Leitfaden filr die Lebensmittelwirtschaft, Hamburg, 1989. Hansen, Wolfgang (Hrsg.): Zertifizierung und Akkreditierung von Produkten und Leistungen der Wirtschaft, München I Wien, 1993. Hassold, Gerhard: Die Lehre vom Organisationsverschulden, in: JuS 1982, S. 583-587. Hefermehl, Wolfgang: Wettbewerbsrecht Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Zugabeverordnung, Rabattgesetz und Nebengesetze, begr. von Adolf Baumbach, 19. Aufl., München, 1996. Hensler, Peter: Zusicherung von Eigenschaften beim Kauf durch Angabe von DINNormen?, in: BB 1969, S. 24-25. -Anmerkung zum Urteil des OLG Hamm vom 28.10. 1991 - 19 U 35/86, in: BB 1987, s. 364. Hess, Hans-Joachim: Qualitätsmanagement, Risk Management, Produkthaftung, Neuwied/Kriftel/Berlin, 1995. Heussen, Benno I Schmidt, Markus: Inhalt und rechtliche Bedeutung der Normenreihe DIN ISO 9000-9004 für die Untemehmenspraxis, in: CR 1995, S. 321-332. Hölzer, Bemd: Rechtsharmonisierung, technische Normen und Zertifizierung im Binnenmarkt, in: Wirtschaftsrecht 1993, 262-264.

Literaturverzeichnis

217

Hoffmann, Hans-Joachim: Arglist des Unternehmers aus der Sicht für ihn tätiger Personen, in: JZ 1969, S. 372-374. Hol/mann, Hermann: Die EG-Produkthaftungsrichtlinie, in: DB 1985, S. 2389-2396 u. 2439-2443. Homburg, Christian I Becker, Jan: Zertifizierung von Qualitätssicherungssystemen nach den Qualitätssicherungsnormen DIN ISO 9000ff., in: WiSt 1996, S. 444-450. Horst, Matthias: Der Bedarf an Information und Kooperation zwischen Politik, Verwaltung und Wirtschaft bei der Gestaltung und Durchführung des Lebensmittelrechts, in: ZLR 1994, S. 475-49. Huber, Ulrich: Zivilrechtliche Fahrlässigkeit, in: Festschrift für Ernst Rudolf Huber zum 70. Geburtstag, hrsg. von Ernst Forsthoff, Werner Weber, Franz Wieacker, Göttingen, 1973, s. 253-289. Huth, Rainer: Die Bedeutung technischer Normen für die Haftung des Warenherstellers nach § 823 BGB und dem Produkthaftungsgesetz, Frankfurt I Berlin I Bern I u. a., 1992. Jäschke, Hans Joachim: Die Begriffe Produkt, Fehler und Hersteller im Gefllge der Produkthaftung, in: Wirtschaftsrecht 1993, S. 53-55. Jagenburg, Walter: Die Entwicklung des privaten Bauvertragsrechts seit 1994: BGB- und Werkvertragsfragen, in: NJW I996, S. 2198-2209. Jauernig, Othmar: Bürgerliches Gesetzbuch. Mit Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 7. Aufl., München, 1994. Johannsen, Dirk I Rademacher, Helmut: Produkthaftungsrisiken im Handel und Lösungsansätze, in: BB 1996, S. 2636-2641 . Jürgens, Andreas: Technische Standards im Haftungsrecht, Göttingen, 1995. Kaminske, Gerd F. I Brauer, Jörg-Peter: Qualitätsmanagement von A bis Z: Erläuterungen moderner Begriffe des Qualitätsmanagement, 2. Aufl., München I Wien, 1995. Kassebohm, Kristian I Malorny, Christian: Die Anforderungen der Rechtsprechung an Qualitätsmanagementsysteme steigen, in: ZfB 63. Jg. (1993), S. 569-585.

-

Auditierung und Zertifizierung im Brennpunkt wirtschaftlicher und rechtlicher Interessen, in: ZfB 64. Jg. (1994), S. 693-715.

- Aus der Rechtsprechung lernen, in: QZ 1996, S. 80-84. Kienle, Thomas: Werbung mit (Umwelt-)Qualitätsmanagementsystemen- Gefühlsausnutzung oder Kundeninformation, in: NJW 1997, S. 3360-3361. Kienzle, Otto: Vom Wesen der Normen, Studium Generale 6 (I 953 ), S. 59ff. Kitt, Elmar I Specht, Karl : Reiserecht als Kontrolle und Verbesserung der Flugsicherheit?, in: NJW 1996, S. 2916-2918. Klein, Martin: Einführung in die DIN-Normen, 10. Aufl., Stuttgart I Berlin I Köln, I 989. Kniffka, Rolf: Dreißigjährige Gewährleistung des Bauunternehmers bei pflichtwidriger Organisation der Überwachung und Prüfung eines Werkes nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes VII ZR 5191 vom 12.3.1992, in: ZfBR 1993, S. 255-259. Koch, Detlef: Produkthaftung: zur Kokurrenz von Kaufrecht und Deliktsrecht, Berlin, 1995. Köhler, Helmut: Die haftungsrechtliche Bedeutung technischer Regeln, in: BB Beilage 4/1985, s. 10-15.

218

Literaturverzeichnis

Köhler, Helmut I Piper, Henning: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, mit Zugabeverordnung, Rabattgesetz und Preisangabenverordnung, München, 1995. Kötz, Hein: Deliktsrecht, 7. Aufl., Berlin, 1996. Kothe, Peter: Das neue Umweltauditrecht, München, 1997. Kreife/s, Thomas: Qualitätssicherungsvereinbarungen - Einfluß und Auswirkungen auf die Gewährleistung und Produkthaftung von Hersteller und Zulieferer, in: ZIP 1990, s. 489-496. Kretschmer, Friedrich I Alleweldt, Helmuth I u. a.: Produkthaftung in der Unternehmenspraxis, Stuttgart I Berlin I Köln, 1992. Kullmann, Hans-Josef: Produzentenhaftung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in: BB 1976, S. 1085-1093.

-Die Rechtsprechung des BGH zum Produkthaftpflichtrecht in den Jahren 1989190, in: NJW 1991 , S. 675-683 .. -

Die Rechtsprechung des BGH zum Produkthaftpflichtrecht in den Jahren 1992-1994, in: NJW 1994, S. 1698-1707.

-

Das künftige Produktsicherheitsgesetz, in: ZRP 1996, S. 436-440

Kullmann, Hans-Josef I Pfister, Bernhard (Hrsg.): Produzentenhaftung, Grundwerk von 1980,37. Ergänzungslieferung, Berlin, August 1995. Lang, Arno: Die Gewährleistung bei Organisationsmängeln des Bauunternehmers - Beispiel einer höchstrichterlichen Rechtsfortbildung, in: Festschrift fur Waller Odersky zum 70. Geburtstag am 17. Juli 1996, hrsg. von Reinhard Böttcher, Götz Hueck und Burckhardt Jähnke, Berlin I New York, 1996, S. 584-588. Langer, Hans I Popper, Alfred I Prandstötter, Michaela: Die Haftung fur Qualitätsmanagementsysteme, Wien, 1995. Larenz, Kar!: Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., München, 1987.

-Lehrbuch des Schuldrechts, Band 1111 , Besonderer Teil I, 13. Aufl., München, 1986. -Lehrbuch des Schuldrechts, zweiter Band, Besonderer Teil, 11 . Aufl., München, 1977. -

Lehrbuch des Schuldrechts, Band 1112, Besonderer Teil 2, fortgefuhrt von ClausWilhelm Canaris, 13. Aufl., München, 1994.

Lerner, Franz: Geschichte der Qualitätssicherung, in: Handbuch Qualitätsmanagement, hrsg. von Walter Masing, 3. Aufl., München I Wien, 1994, S. 17-29. Link, Klaus-Ulrich: Gesetzliche Regreßansprüche bei Produzentenhaftung gegenüber dem Zulieferer, in: BB 1985, S. 1424-1429. Lu/ces, Rudolf: Industrielle Normen und Standards- Grundzüge und Bedeutung, in: Technische Regeln im Binnenmarkt hrsg. von Peter-Christian Müller-Graf, Baden-Baden, 1991, s. 17-26. Lutter, Markus: Zur persönlichen Haftung des Geschäftsfuhrerg aus deliktischen Schäden im Unternehmen, in: ZHR 157 (1993), S. 464-472. Malorny, Christian I Kassebohm, Kristian: Brennpunkt TQM: rechtliche Anforderungen, Führung und Organisation, Auditierung und Zertifizierung nach DIN ISO 9000ff., Stuttgart, 1994. Marburger, Peter: Die Regeln der Technik im Recht, Köln/BerliniBonniMünchen, 1979.

Literaturverzeichnis

219

-Die haftungs- und versicherungsrechtliche Bedeutung technischer Regeln, in: VersR 1983, s. 597-602. -Formen, Verfahren und Rechtsprobleme der Bezugnahme gesetzlicher Regelungen auf industrielle Normen und Standards, in: Technische Regeln im Binnenmarkt hrsg. von Peter-Christian Müller-Graf, Baden-Baden, 1991, S. 27-55.

Martinek, Michael: Zulieferverträge und Qualitätssicherung, Köln, 1991. -

Sind Rügeverzichtsklauseln in Just-in-time-Verträgen AGB-rechtlich wirksam?, in: Festschrift fiir Günther Jahr zum siebzigsten Geburtstag, hrsg. von Michael Martinek, Jürgen Schmidt, Elmar Wadle, Tübingen, 1993, S. 305-338.

Martinek, Michael/ Sem/er, Franz-Jörg (Hrsg.): Handbuch des Vertriebsrechts, München, 1996.

Masing, Walter: Handbuch Qualitätsmanagement, 3. Aufl., München I Wien, 1994. Mattik, Dierk: Der DA V-Ausschuß "Total Quality Management" hat seine Arbeit aufgenommen, in: AnwBII996, S. 274f.

Mauer, Reinhold I Krämer, Andreas: ISO 9000 fiir Rechtsanwälte, in: AnwBI 1996,

s. 73-79.

Medicus, Dieter: Zur deliktischen Eigenhaftung von Organpersonen, in: Festschrift fiir Werner Lorenz zum siebzigsten Geburtstag, hrsg. von Bernhard Pfister und Michael R. Will, Tübingen, 1991, S. 155-169.

-

Bürgerliches Recht - Eine nach Anspruchsgrundlagen geordnete Darstellung, 17. Aufl., Köln/Berlin/u. a., 1996.

Menke, Burckhart: Haftung fiir reklamemäßige Garantieerklärungen im deutschen Recht? -Zu einem Vorschlag im Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, in: VuR 1994, S. 223-234.

Merk, Klaus-Peter: Produkthaftung fiir fehlerhafte Lebensmittel, in: LebensmittelrechtsHandbuch, red. von Rudolf Streinz, I 0. Ergänzungslieferung, München, 1995, Kapitel III.A.

Merz, Axel: Qualitätssicherungsvereinbarungen: Zulieferverträge, Vertragstypologie, Risikoverteilung, AGB-Kontrolle, Köln, 1992.

Meyer, Justus: Anmerkung zum Urteil des BGH vom 9. Mai 1995- VI ZR 158/94, in: WiB 1995, S. 718.

-

Rechtsprechungsbericht Tendenzen der jüngeren höchstrichterlichen Judikatur im Produkthaftungsrecht, in: WiB 1996, S. 890-894.

Migge, Michael: Qualitätssicherungsverträge: Versuch einer Zwischenbilanz aus der Sicht der betrieblichen Praxis, in: VersR 1992, S. 665-675.

Möllers, Thomas M. J.: Qualitätsmanagement, Umweltmanagement und Haftung, in: OB 1996, s. 1455-1461.

Möllers, Thomas M. J.: Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht Präventive Verkehrspflichten und Beweiserleichterungen in Risikolagen, Tübingen, 1996.

Müller, Gerd: Die Rügeobliegenheit des Kaufmanns - Zugleich Besprechung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 13. März 1996, ZIP 1996, 756, in: ZIP 1996, S. 661-669.

Müller, Klaus: Die haftungsrechtliche Bedeutung des Gütezeichens im Kaufvertrag mit dem Endabnehmerals Käufer, in: OB 1987, S. 1521-1526.

220

Literaturverzeichnis

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von Kurt Rebmann, Jürgen Säcker u. a., München; Band 2, Schuldrecht - Allgemeiner Teil, 3. Aufl., Band 3, I. Halbband, Schuldrecht - Besonderer Teil (§§ 433-651k), 2. Aufl., Band 3, 2. Halbband, Schuldrecht - Besonderer Teil (§§ 652-853), 2. Aufl., Band 3 Schuldrecht- Besonderer Teil (§§ 433-606), 3. Aufl., 1995.

Franz 1994; 1988; 1986;

Münchrath, Rainer: Qualitätsmanagement in Verkauf und Service: kundenorientierte Dienstleistungen nach DIN EN ISO 9000ff., Frankfurt I New York, 1995. Nagel, Bernhard: Schuldrechtliche Probleme bei Just-in-Time-Lieferbeziehungen, in: OB 1991, s. 319-327. Nette/heck, Beate Illona: Produktsicherheit, Produkthaftung: Anforderungen an die Produktsicherheil und ihre Umsetzung, Berlin I Heidelberg I New York I u. a., 1995. Nixdorf Wolfgang: Befunderhebungspflicht und vollbeherrschbare Risiken in der Arzthaftung: Beweislastverteilung im Fluß?, in: VersR 1996, S. 160-163. Oess, Attila: Total Quality Management (TQM): Eine ganzheitliche Unternehmensphilosophie, in : Qualitätsmanagement und Zertifizierung - von DIN ISO 9000 zum TotalQuality-Management, hrsg. von Bernd Stauss, Wiesbaden, 1994, S. 199-222. ohne Verfasser: Forderungen der ISO 9000 nicht ausreichend, in: Handelsblatt Nr. 62 vom 27. März 1996, S. 25. Pärsch, Joachim G.: Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen, in: Handbuch Qualitätsmanagement, hrsg. von Walter Masing, 3. Aufl., München I Wien, 1994, s. 949-958. Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch, 56. Aufl., München, 1997. Peine, Franz-Joseph: Gesetz über technische Arbeitsmittel (Gerätesicherheitsgesetz), 2. Aufl., Köln I Berlin I u. a., 1995. Petrick, Klaus: Auditierung und Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen gemäß den Normen DIN ISO 9000 bis 9004 mit Blick auf Europa, in: Bernd Stauss (Hrsg.), Qualitätsmanagement und Zertifizierung - von DIN ISO 9000 zum Total-QualityManagernent, Wiesbaden, 1994, S. 93-126. Petrick, Klaus I Reihten, Helmut: Qualitätsmanagement und Normung, in: Handbuch Qualitätsmanagement, hrsg. von Walter Masing, 3. Aufl., München I Wien, 1994, S. 89-108. Pfeifor, Thilo: Qualitätsmanagement Strategien, Methoden, Techniken, München I Wien, 1993. Pfitzinger, Elmar: DIN EN ISO 9000 für Dienstleistungsunternehmen, Berlin I Wien I Zürich, 1995. Piper, Henning: Neue Rechtsprechung des BGH zum Wettbewerbsrecht, in: GRUR 1996, s. 147-167. Pleitner, Hans-Peter: Das neue Produkthaftungsgesetz - Rechtsgrundlage und rechtssichernde Vorgehensweisen, Kissing I Zürich I Paris I u. a., Stand Dezember 1995. Popp, Klaus: Die Qualitätssicherungsvereinbarung - Fehler und Fallen in "ship-to-stock" und ,just-in-time"-Verträgen, München I Wien, 1992. Popper, Alfred I Langer, Hans I Prandstötter, Michaela: Qualitätsmanagement und Recht -Die ISO 9000-Normenfamilie, Wien, 1995. Portz, Eveline: Die Einflüsse des europäischen Binnenmarktes auf das private Baurecht, in: NJW 1993, S. 2145-2152.

Literaturverzeichnis

221

Portz, Eveline: Qualitätssicherung für Freie Berufe am Beispiel des Architekten - Überlegungen zu Möglichkeiten und Grenzen, in: Festschrift fiir Wolfgang Heiermann zum 60. Geburtstag, hrsg. von Jürgen Doerry und Hans-Georg Watzke, Wiesbaden I Berlin, 1995, s. 251-262. Quack, Friedrich: Aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zum privaten Baurecht, Köln, 1996. Quittnat, Joachim: Qualitätssicherungsvereinbarungen und Produkthaftung, in: BB 1989, S. 571-575. Recke/s, Hermann: Zertifizierte Qualitätssicherung-Systeme und Anforderungen aus der Sicht der Produkthaftung, in: Das ISO-Zertifikat Garantie für eine erfolgreiche Zukunft, hrsg. von Jürgen P. Bläsing, München, 1991, S. 185-190. Reinicke, Dietrich I Tiedtke, Klaus: Kaufrecht einschließlich Abzahlungsgeschäfte, AGBGesetz, Eigentumsvorbehalt, Leasing, Pool-Vereinbarungen, Produzentenhaftung, UNKaufrecht und Verbraucherkreditgesetz, 5. Aufl. Neuwied I Kriftel I Berlin, 1992.

RGRK-BGB: Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, hrsg. von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, Band 2, 5. Teil, 12. Aufl., Berlin I New York, 1989. Rönck, Rüdiger: Technische Normen als Gestaltungsmittel des europäischen Gemeinschaftsrechts - Zulässigkeil und Praktikabilität ihrer Rezeption zur Realisierung des gemeinsamen Marktes, Berlin, 1995. Rolland, Walter: Produkthaftungsrecht, Köln, 1990. Rosenberg, Leo I Schwab, Karl Heinz: Zivilprozeßrecht, bearb. von Peter Gottwald, 15. Aufl., München, 1993. Rothe, Lothar: Rechtliche Aspekte der Zertifizierung, in: QZ 1993, S. 475-478. -

Zertifizierung des Qualitätsmangement aus juristischer Sicht, in: Qualitätsmanagement im Unternehmen: Grundlagen, Methoden und Werkzeuge, Praxisbeispiele hrsg. von Wolfgang Hansen und Jörg-Peter Brauer, Berlin I Heidelberg, Grundwerk von 1994, Stand August 1995, Teil 07.01.

- Absicherung des Herstellers, in: Qualitätsmanagement im Unternehmen: Grundlagen, Methoden und Werkzeuge, Praxisbeispiele hrsg. von Wolfgang Hansen und Jörg-Peter Brauer, Berlin I Heidelberg, Grundwerk von 1994, Stand August 1995. Teil 07.03.

Rutkowsky, Stefan: Organisationsverschulden des Bauunternehmers als Arglist i. S. von § 638 BGB?, in: NJW 1993, S. 1748-1749. Saatweber, Jürgen: Inhalt und Zielsetzung von Qualitätsmanagementsystemen nach den Normen DIN ISO 9000 bis 9004, in: Qualitätsmanagement und Zertifizierung - von DIN ISO 9000 zum Total-Quality-Management, hrsg. von Bernd Stauss, Wiesbaden, 1994, s. 63-91. Salje, Peter: Zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortung des Betriebsbeauftragten für Umweltschutz, in: BB 1993, S. 2297-2306. Sch/echtriem, Peter: Organisationsverschulden als zentrale Zurechnungskategorie, in: Festschrift fiir Wolfgang Heiermann zum 60. Geburtstag, hrsg. von Jürgen Doerry und Hans-Georg Watzke, Wiesbaden I Berlin, 1995, S. 281-292. Schlutz, Joachim H.: Haftungstatbestände des Produkthaftungsrechts, in: DStR 1994, s. 707-713, u. s. 791-794. -

Rechtliche Auswirkungen der ISO-Zertifizierung, insbesondere auf Produkthaftungsklagen, in: PHI 1996, S. 122- 135.

222

Literaturverzeichnis

- Rechtsfolgen der ISO-Zertifizierung, in: Beschaffung aktuell511997, S. 36-39. Schmalz/, Max: Die Haftung des Architekten und des Bauunternehmers, 3. Aufl., München, 1976. Schmid, Karlheinz: größte Sorgfalt gefordert- Restpflichten des Endabnehmers beim Wareneingang trotz Freizeichnung, in: QZ 1997, S. 7I4-7I5. Schmidt, Detlef: Qualitätssicherungsvereinbarungen und ihr rechtlicher Rahmen, in: NJW I99I, s. 144-150. Schmidt, Karsten: Handelsrecht, 4. Aufl., Köln I Berlin I u. a., 1994. Schmidt-Salzer, Joachim: Produkthaftung, Produkthaftpflichtversicherung, Betriebsorganisation und risk management, in: BB I972, S. 1430-1437.

- Die Bedeutung der Entsorgung- und der Schwimmerschalter-Entscheidung des Bundesgerichtshofes für das Produkthaftungsrecht, in: BB I 979, S. I- I I. -Der Fehler-Begriff der EG-Richtlinie Produkthaftung, in: BB 1988, S. 349-356. -

Produkthaftung, Band III, Teilband I, Deliktsrecht, 2. Aufl., Heide lberg, 1990.

-

Zivil- und strafrechtliche Produktverantwortung, in: Handbuch Qualitätsmanagement, hrsg. von Walter Masing, 3. Autl., München/Wien, 1994, S. 745-764.

-

Öko-Audit und sonstige Management-Systeme in organisationsrechtlicher und versicherungstechnischer Sicht, in: WiB 1996, S. 1-10.

-

Untemehmes- und Mitarbeiterhaftung im deutschen und europäischen Produkt- und Umwelthaftungsrecht, in: Umwelthaftung, Risikosteuerung und Versicherung, hrsg. von Martin Ahrens und Jürgen Simon, Berlin, 1996, S. 59-75.

Schmidt-Salzer, Joachim I Hol/mann, Hermann: Kommentar EG-Richtlinie Produkthaftung, Band I, Heidelberg, I 986. Schünemann, Wolfgang B.: Die positive Vertragsverletzung- eine kritische Bestandsaufnahme, in: JuS 1987, S. 1-9. Sem/er, Franz-Jörg: Warenbeschreibung oder Zusicherung einer Eigenschaft, in: NJW I 976, S. 406-408. Siegburg, Peter: Kurzkommentar zum Urteil des OLG Koblenz vom 27.6.199I - 5 U 5219I, in: EWiR I992, S. 251-252.

-

Dreißigjährige Haftung des Bauunternehmers aufgrund Organisationsverschuldens, Düsseldorf, 1995.

Sina, Peter: Qualitätssicherungsvereinbarung - Einordnung und Rechtsfolgen, in: MDR 1994, s. 332-333. Soergel, Hans Theodor (Begr.): Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, hrsg. von Wolfgang Siebert u. a., Stuttgart; Band 2, Schuldrecht I (§§ 242-432), 12. Autl., 1990; Band 3, Schuldrecht II (§§ 433-515), 12. Autl., 1991. Sonnenberger, Hans Jürgen: Grundfragen des technischen Norrnwesens, in: BB Beilage 411985, s. 3-9. Sossna, Ralf-Peter: Die Rechtsprechung des BGH zur Produkthaftung -BGH Urt. v. 31. Januar 1995- VI ZR 27194- NJW 1995, 1286-, in: Jura 1996, S. 587-593. Speckmann, Gerhard: Die Wettbewerbssache - UWG, MarkenG (gesch. Bez.), Wettbewerbsverfahren; Strategien in Wettbewerbsstreitigkeiten, 2. Aufl., Köln I Berlin I u. a., 1995.

Literaturverzeichnis

223

Staudinger, Julius v.: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Zweites Buch, Recht der Schuldverhältnisse, Berlin: §§ 243-254, 12. Aufl., 1983; §§ 255-292, 13. Bearb., 1995; §§ 433-534, 13. Bearb., 1995; §§ 631651, 13. Bearb., 1994; §§ 823-832, 12. Aufl., 1986. Steck/er, Brunhild: Das Produkthaftungsrisiko im Rahmen von Just-in-time-Lieferbeziehungen, in: BB 1993, S. 1225-1231. -

Vertragsrechtliche Aspekte der Qualitätssicherung bei überbetrieblicher Arbeitsteilung, in: WiB 1997, S. 1065-1073.

Steffen, Erich: Beweislast für den Arzt und den Produzenten aus ihren Aufgaben zur Befundsicherung, in: Festschrift für Hans Erich Brandner zum 70. Geburtstag, hrsg. von Gerd Pfeiffer und anderen, Köln, 1996, S. 327-340. Steinbrüc/c, Ralph: Zertifizierung von Anwaltskanzleien nach DIN EN ISO 9000ff.", in: NJW 1997, S. 1266-1270. Steindorjf. Ernst: Repräsentanten- und Gehilfenversagen und Qualitätsregelungen in der Industrie, in: AcP 170 (1970), S. 93-132. Steinmann, Christina: Abdingbarkeit von Wareneingangskontrollen in Qualitätssicherungsvereinbarungen, in: BB 1993, 873-879. -

Qualitätssicherungsvereinbarungen zwischen Endproduktehersteller und Zulieferern, Heidelberg, 1993.

Streck, Michael: Der "objektiv" gute Rechtsanwalt, in: AnwBI 1996, S. 57-72. Streck, Michael I Alvermann, Jörg: Zur steuerlichen Absetzbarkeit von Zertifizierungs aufwendungen nach DIN 9001-9003, in: BB 1997, S. 1184-1186. Streck, Michael I Kilger, Hartmut I Ehnert, Maf!ia: Die Anwendbarkeit der Normen ISO 9004 Teil 2 (Leitfaden) und ISO 9001 (Zertifizierungsmodell) auf die Dienstleistung des Rechtsanwalts, in: AnwB1 1997, S. 190-212. Sürder, Heinrich (Hrsg.): Das neue Produkthaftungsgesetz - Rechtsgrundlagen und rechtssichernde Vorgehensweisen, bearb. von Hans-Peter Pleitner, Kissing I New York I Paris I u. a., Grundwerk von 1990, Stand Mai 1996. Taeger, Jürgen: Außervertragliche Haftung für fehlerhafte Computerprogramme, Tübingen, 1995. Taschner, Hans-Claudius: I 0 Jahre EG-Richtlinie zur Produkthaftung - Rückblick, Umschau, Ausblick, in: Schriftenreihe deutscher Jura-Studenten in Genf Nr. 15, hrsg. von Michael R. Will, Genf, 1996. Taschner, Hans-Ciaudius I Frietsch, Edwin: Produkthaftungsgesetz Produkthaftungsrichtlinie, 2. Aufl., München, 1990.

und

EG-

Teich/er, Maximilian: Qualitätssicherung und Qualitätssicherungsvereinbarungen, in: BB 1991' s. 428-432. Thomas, Heinz I Putzo, Hans: Zivilprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Einführungsgesetzen, 19. Aufl., München, 1995. Thomas, Jürgen I Vorbrugg, Georg: Total Quality Management, in: AnwBI 1995, S. 273278. Thürmann, Dagmar: Produkthaftpflichtversicherung und ausgewählte Fragen der Produkthaftung, Karlsruhe, 1994.

224

Literaturverzeichnis

Twerski, Aaron D. I Weinstein, Alvin S. I u. a.: Shifting perspectives in products liability: from quality to process standards, in: N.Y.U.L. Rev. 55 (1980), S. 347-384. Vogt, Matthias Kar!: Die Einstandspflicht des Produzenten nach § 823 I BGB und nach dem Produkthaftungsgesetz im Vergleich, Neuenstadt-Stein, 1996. Wa/termann, Raimund: Arglistiges Verschweigen eines Fehlers bei der Einschaltung von Hilfskräften, in: NJW 1993, S. 889-895. Wandt, Manrred: Produkthaftung und Regreß, in: BB 1994, S. 1436-1442.

-Internationale Produkthaftung, Heidelberg, 1995. Weber, Harald: Das Verhältnis von DIN-Normen zu zugesicherten Eigenschaften und den anerkannten Regeln der Technik, in: ZfBR 1983, S. 151-155. Weber, Michael: Die Lieferantenhaftung nach dem ProdHaftG, in: PHI 1994, S. 26-27. Weisenfeld-Schenk, Ursula: Die Nutzung von Zertifikaten als Signal für Produktqualität, in: ZfB 67. Jg. (1997), S. 21-39. Werner, Markus: Qualitätsmanagement, TQM und Zertifizierung - In Zukunft ein Muß ftir die Anwaltskanzlei?, in: NJW-CoR 1997, S. 346-348. Westphalen, Friedrich Graf von: Grundtypen deliktsrechtlicher Produzentenhaftung, in: Jura 1983, S. 57-68.

-Subjektive Zurechnungsprobleme im Rahmen der deliktischen Produzentenhaftung, in: Jura 1983, S. 133-138. -

Qualitätssicherungsvereinbarungen: Rechtsprobleme des "Just-in-Time-Delivery", in: Festschrift "40 Jahre Der Betrieb", hrsg. von Günther Ackermann, Stuttgart, 1988, s. 223-240.

-Das neue Produkthaftungsgesetz, in: NJW 1990, S. 83-93. -

(Hrsg. ): Produkthaftungshand buch, Band I, vertragliche und deliktische Haftung, Straftecht und Produkt-Haftpflichtversicherung, verf von Ulrich Foerste u. a., München, 1989.

-

(Hrsg.): Produkthaftungshandbuch, Band I, vertragliche und deliktische Haftung, Straffecht und Produkt-Haftpflichtversicherung, verf. von Ulrich Foerste u. a., 2. Aufl., München, 1997.

-

(Hrsg.): Produkthaftungshandbuch, Band 2, das deutsche Produkthaftungsgesetz, internationales Privat- und Prozeßrecht, Länderberichte zum Produkthaftungsrecht, verf. von J. M. Barendrecht u. a., München, 1991.

Westphalen, Friedrich Graf von I Bauer, Cari-Otto: Just-In-Time-Lieferungen und Qualitätssicherungsvereinbarungen, Köln, 1993. Wickhorst, Thomas: Vom Produzentenfehler zum Produktfehler des § 3 ProdHaftG, in: VersR 1995, S. 1005-1015. Wiebe, Andreas: Wettbewerbs- und zivilrechtliche Rahmenbedingungen der Vergabe und Verwendung von Gütezeichen (Teil2), in: WRP 1993, S. 156-167. Wiegand, K.: Qualität und Recht, in: QZ 1988, 326f. Wilms, Egbert Franz Joseph: Produkte- oder Produzentenhaftung aus Marken oder ähnlichen Zeichen, Zürich, 1984. Wischermann, Barbara: Produzentenhaftung und Risikobewältigung - eine ökonomische Analyse, München, 1991.

Literaturverzeichnis

225

Wuppertaler Kreis e.V. (Hrsg.): Qualitätsmanagement in der Weiterbildung nach DIN EN ISO 9000ff., Köln, 1996.

Wussow, Wemer: Unfallhaftptlichrecht, verf. von Wolf-Dieter Pressier, 14. Autl., Köln/Berlin/u. a., 1996.

Zöller, Richard: Zivilprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Einfiihrungsgesetzen, mit internationalem Zivilprozeßrecht, Kostenanmerkungen, 19. Aufl., Köln, 1995.

IS Bayer

Rechtsprechungsverzeichnis Entscheidungen des Reichsgerichtes

Datum

Aktenzeichen

07.06.02

VII 1/02

23.02.03 25.02.15 22.12.19 01.03.21 25.10.21 04.10.22 11.12.34 13.08.35 01.03.38 28.08.39 05.10.39 17.01.40 28.09.40

VI 349/02 VI 526/14 VI 208119 VII 381/20 III 378/21 V 611/21 VII 240/34 III 314/34 III 119/37 V 38/39 V 87/39 II 82/39 II 23/40

Schlagwort

Brunnensalz Obstpflückleiter Saatgut

Venusberg Kraftdroschke

Fundstelle

zitiert auf Seite

RGZ 52,2

169

RGZ 54,53 RGZ 87, I Recht 1920,Nr.2845 JW 1921,828 RGZ 103, 77 RGZ 105,213 RGZ 146,120 RGZ 148,286 JW 1938,2010 RGZ 161, 193 RGZ 161,330 RGZ 163,21 RGZ 165,41

51 81 , 120 93 195 172 72 194 169 185 169 165, 169 51, 71,89 195

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes Datum

Aktenzeichen

Schlagwort

Fundstelle

zitiert auf Seite

23.06.52 07.10.52 14.10.52 27.11.52 01.04.53 13.11.53 16.12.53

III ZR 168/51 III ZR 363/51 I ZR 20/52 VI ZR 25/52 VI ZR 77/52 I ZR 140/52 VI ZR 12/53

Rungenverschluß

NJW 52, 1091 BGHZ 5, 318 BB 52,903 BGHZ 8, 138 VersR 53, 242 BGHZ II, 80 VersR 54, 100

87,88,91 77 172 77 50 185 93

Krempelwolf Speiseöl Typhus

Rechtsprechungsverzeichnis Datum

Aktenzeichen

26.05.54 13.10.54 18.12.54 21.04.56 13.07.56 04.03.57 17.05.57 27.09.57 22.10.57 28.10.58 12.02.59 14.04.59 20.10.59 05.07.60

VI ZR4/53 II ZR 295/53 II ZR 296/53 VI ZR 36/55 VI ZR 223/54 GSZ 1156 VI ZR 120/56 VI ZR 139/56 VIII ZR 408/56 VI ZR 176/57 II ZR 179/57 VI ZR 94/58 VI ZR 152/58 VI ZR 130/59

18.10.60 27.06.61 21 .05.63 26.05.63 08.11.63 21.11.63 06.04.64 21.04.64 14.10.64 21.01.65 01.02.65 12.10.65 26.11.65

VI ZR 8/60 VI ZR 257/60 VI ZR 254/62 VIII ZR 61/62 VI ZR 257/62 III ZR 148/62 II ZR 75/62 VI ZR 39/63 lbZR7/63 III ZR 217/63 GSZ 1/64 VI ZR 92,64 VI ZR 212/64

30.11.65 20.12.65 25.01.66 28.02.67 21.06.67

VI ZR 145/64 VIII ZR 220/63 Hohllochziegel VI ZR 154/64 Plastikmassebehälter VI ZR 14/65 VIII ZR 26/65 Trevira

17.10.67 VI ZR 70/66 25.09.68 04.12.68 11.02.69 19.02.69 15•

Schlagwort

Pfefferminzöl Ultraschallgerät Fahrradgabel Karussell Gelenkwellenschutz Betondecke Seilschloß Fensterkran Klebemittel Kondenstopf Kühlmaschinen

Feuerwerk

Hühnerpest

Schubstrebe

VIII ZR I 08/66 Dieselöl VIII ZR 208/66 Inlandsschrott VI ZR 233/67 VII ZR 58/67

227

Fundstelle

zitiert auf Seite

VersR 54, 364 DB 54,927 BGHZ 16,54 VersR 56,410 VersR 56, 625 BGHZ 24,21 VersR 57, 584 VersR 58, 107 DB 57, 1222 VersR 59, 104 VersR 59, 424 VersR 59, 523 VersR 60, 342 VersR 60, 855

135 171, 177 169 74,95 87 67, 77, 116 91 116 194 93, 122 172 55,87,88 55 88, 93, 129, 155 87,94 122 77,116 186 120 83,99,129 187 83 135 83, 129 144, 145 84 51, 71, 93, 95, 116, 196 134 171, 177ff. 121 116 166, 171ff., 177 66, 81, 84, 93, 107, 141 17lff. 194 121 185

VersR 60, 1095 VersR 61, 848 BGHZ 39,281 BGHZ40,42 VersR 64, 297 BGHZ40, 379 BGHZ41, 282 VersR 64, 746 VersR 65, 38 NJW 65,815 BGHZ43, 227 NJW 66,40 BGHZ 51,91 VersR 66, 145 VersR 66, 241 VersR 66, 364 VersR 67, 498 BGHZ48, 118 NJW68,247 NJW 68,2238 NJW 69,787 VersR69, 517 NJW69, 975

Rechtsprechungsverzeichnis

228 Datum

Aktenzeichen

10.03.70 07.07.70 28.09.70 16.02.71 19.11.71 16.02.72 21.02.72 26.06.72 11.07.72 04.10.72 29.06.73 06.11.73 20.12.73 14.05.74 11.11.74 19.02.75 30.04.75 03.06.75

VI ZR 218/68 VI ZR 223/68 VIII ZR 166/68 VI ZR 125/69 V ZR 100/69 VIZR 111170 III ZR 134/68 III ZR 114170 VI ZR 194170 VIII ZR 117171 VI ZR 178171 VI ZR 76172 VII ZR 189/72 VI ZR48173 VIII ZR 137173 VIII ZR 144173 VIII ZR 164/73 VI ZR 192/73

16.09.75 23 .09.75 07.10.75 15.01.76 03.02.76 11.05.76 20.05.76 29.06.76 24.11.76 30.11.76 19.01.77 25 .03.77 14.06.77 18.11.77 15.02.78 14.03.78 30.05.78 05.07.78 20.12.78 11.12.79 22.04.80 02.06.80

VI ZR 156174 VI ZR 62/73 VI ZR43/74 VII ZR 96174 VI ZR 235174 VI ZR 210/73 III ZR 156/74 VI ZR 68175 VIII ZR 137/75 VI ZR 3176 VIII ZR 319/75 V ZR 92174 VI ZR 247175 V ZR 172176 VIII ZR 257176 VI ZR 213176 VI ZR 113/77 VIII ZR I 72/77 VIII ZR 246177 VI ZR 141/78 VI ZR 134178 VIII ZR 78/79

Schlagwort

Druckfehler Bremsen

Förderkorb

Estil Wasserversorgung Feuerwerkskörper Wendeltreppe Abnahmegehilfe Prüfzeichen Holzspanplatten Haartonicum Weilstegträger Spannkupplung

Entsorgung Prüfungsgehilfe

Schwimmerschalter Autoscooter Gewächshausheizung Autokran

Kfz-Reparatur Hinterreifen Wärmeschutzsystem Klapprad Holzfußboden

Fundstelle

zitiert auf Seite

VersR 70, 469 VersR 70, 841 VersR 71,80 NJW 71,752 BGHZ 57,245 VersR 72, 559 NJW 72,903 BGHZ 59,138 NJW 72,2217 BGHZ 59,303 VersR 73, 862 VersR 74, 263 BGHZ62,63 NJW 74, 1503 WM 74,1204 BGHZ 64,46 NJW 75,2011 NJW 75, 1827

87 95 87,93,116 144, 145 67 93, 129, 132 83, 129 172 87,88 173, 175 93, 120 116 186ff. 176, 177 171ff. 87 199 93ff., 129, 130, 148 78 78, 159 105, 134ff. 189 158 135 195 67 52, 130, 136 87 194 195 66, 130 169 94 122 81 52 194 66 145 173ff.

VersR 76, 149 VersR 76, 166 NJW 76,46 BGHZ66,43 NJW 76, 1143 VersR 76, 954 WM 76,977 BGHZ67,48 BGHZ 67, 359 VersR 77, 334 WM 77,365 WM 77,718 BB77,1117 BGHZ 70, 47 VersR 78, 538 NJW 78, 1681 VersR 78, 722 NJW 78,2241 NJW 79, 645 NJW 80, 1219 NJW 80, 2348 BGHZ 77,215

Rechtsprechungsverzeichnis

229

Datum

Aktenzeichen

Schlagwort

Fundstelle

zitiert auf Seite

12.11.80 19.12.80 20.01.81 25.02.81 26.02.81 17.03.81 17.03.81 24.06.81 09.03.82 02.04.82 29.09.82 09.11.82 18.01.83 18.01.83 25 .05.83 23.10.84 28.11.84 24.01.85 30.01.85 19.03.85 14.05.85 11.03.86 12.03.86 22.04.86 30.09.86 07.10.86 09.12.86 16.09.87 07.10.87 20.10.87 07 .06.88 20.10.88 25 .10.88 I 7.01.89 31.05.89 01.06.89 20.06.89 17.10.89 05.12.89 08.12.89 08.12.89

VIII ZR 293/79 V ZR 185/79 VI ZR 205/79 VIII ZR 35/80 VII ZR 287/79 VI ZR 191/79 VI ZR 286/78 VIII ZR 96/80 VI ZR 220/80 V ZR 54/81 I ZR 88/80 VI ZR 129/81 VI ZR 310/79 VI ZR 270/80 VIII ZR 55, 82 VI ZR 85/83 VIII ZR 214/83 I ZR 22/83 VIII ZR 238/83 VI ZR 190/83 VI ZR 168/83 VI ZR 22/85 VIII ZR 332/84 VI ZR 133/85 VI ZR 274/85 VI ZR 187/85 VI ZR 65/86 VIII ZR 334/86 VIII ZR 255/86 VI ZR 280/86 VI ZR 91 /87 I ZR 219/87 VI ZR 344/87 VI ZR 186/88 VIII ZR I 40/88 111 ZR 261 /87 VI ZR 320/88 VI ZR 258/88 VI ZR 335/88 V ZR 246/87 V ZR 259/87

Garantieschein Abschreibung

BGHZ 78,369 BGHZ 79, 183 VersR 81,482 NJW 81, 1501 NJW 81,1448 BGHZ 80, 186 VersR 81,636 NJW 81,2248 VersR 82, 595 WM 82, 696 BGHZ 85,84 VersR 83, 152 BGHZ 86,256 VersR 83, 346 BGHZ 87,302 VersR 85,64 BGHZ93, 29 WRP 85,546 ZIP 85,416 NJW 85,2583 NJW 85,2420 NJW 86,2757 NJW 86, 1927 NJW 86,2315 NJW-RR87, 147 NJW 87,372 BGHZ 99,167 NJW 88,52 NJW 88, 1018 NJW 88,909 BGHZ I 04, 323 NJW89, 711,712 VersR 89, 91 DB 89, 1515 VersR 89, I 152 NJW 89,2879 NJW 89,2943 VersR 89, 1307 BGHZ 109, 297 BGHZ 109,327 NJW 90, 1661

196 169 55 17lff. 172 72, 107, 196 89, 107, 118 196 134, 135 171 204 134 52 87, 131 169,179, 205 118 196 173 171 187 52 76 194 187 80 83, 140, 148 52, 140 20,21 175 77, 118 87, I !Off. 206 93 134 199 187 III 55, 72 148ff. 187 187

Elektromotoren Apfelschorf, Derosal Dämmelemente

ADAC-Rechtsschutz Erdölleistung Gaszug Hebebühne werkstattgeprüft Schlepplift Vertragshändlervertrag Siloverschraubung Kompressor Fußbodenbelag Heizöltank Gasversorgung Zinkspray Honda Weinkorken Garnqualität Ia Limonadenflasche Umweltengel Breitbandantibiotika Wellpappe

Pferdebox Baustoff

230

Rechtsprechungsverzeichnis

Datum

Aktenzeichen

09.01.90 24.01.90 05.04.90 03.07.90 11.10.90 06.03.91 19.04.91 06.06.91 19.06.91 11.07.91 12.11.91 24.01.92 12.03.92 08.12.92 16.03.93 16.03.93 12.05.93 11.01.94 01.02.94 27.09.94 07.12.94 09.05.95 13.12.95 14.05.96 11.06.96 19.09.96 15.04.97

VI ZR 103/89 VIII ZR 22/89 IX ZR 16/89 VI ZR 239/89 I ZR 10/89 IV ZR 82/90 V ZR 349/88 I ZR 234/89 VIII ZR 149/90 I ZR 33/90 VI ZR 7/91 V ZR262/90 VII ZR 5/91 VI ZR 24/92 VI ZR 139/92 VI ZR 84/92 IV ZR 120/92 VI ZR 41/93 VI ZR65/93 VI ZR 150/93 VIII ZR 153/93 VI ZR 158/94 VIII ZR 328/94 VI ZR 158/95 VI ZR 202/95 I ZR 124/94 XI ZR 105/96

Schlagwort

Fundstelle

Expander

zitiert auf Seite

DB 90,577 NJW90, 1290 NJW-RR 90, 1330 NJW 91,230 TÜV-Prüfzeichen BB 91,292 VersR 91,460 NJW91,2021 Sahnesiphon GRUR 91 , 921 NJW 91 , 2633 NJW 92,369 Kindertee I BGHZ 116,60 NJW 92, 1099 BGHZ 117, 318 Mineriilwasserflasche I NJW 93, 528 Mineralwasserflasche II NJW-RR 93, 988 Reinigungsmittel VersR 93, 764 NJW-RR93, 1117 Kindertee II NJW 94,932 NJW 94,1594 Atemüberwachungsgerät NJW 94,3349 NJW 95, 667 Mehrwegflasche NJW 95,2162 NJW 96, 836 Spezialmaschinenöl NJW 96,2224 Chefbüro NJW 96,2507 NJW 97,464 NJW 97, 1917

140 199 187 116 176,204 116 168 107 198,200 173 88 187 185ff. 110, 112ff. 114 119 116 88 III 131 116 110, 115 174 87, 130 73 204 190

Entscheidungen anderer Gerichte

Gericht

Datum

Aktenzeichen

Fundstelle

zitiert auf Seite

BVertG OLG Düsseldorf OLG Celle OLG Harnburg

08.08.78 24.01.78 23.03.83 19.05.83

2 BvL 8/77 4 u 154/77 9 u 195/82 6 u 55/8

BVerfGE 49, 89 NJW 78, 1693 VersR 84, 276 VersR 84, 793

79 129, 136 87 88

Rechtsprechungsverzeichnis

231

Gericht

Datum

Aktenzeichen

Fundstelle

OLG Stuttgart OLG Zweibrück. OLGHamm OLG Köln LG Tübingen OLG Koblenz OLG München OLGHamm OLG Oldenburg OLGKöln OLGCelle

08.06.83 28.03.84 28.10.86 15.03.89 15.08.89 27.06.91 08.11.91 10.03.93 15.12.93 01.07.94 31.08.94

4 u 185/82 2 u 27/82 19 u 35/86 13 u 70/87 2 0 142/87 5 u 52/91 23 u 6990/90 II U 235/92 2 u 147/93 II U 27/94 6 u 194/92

zitiert auf Seite

VersR 84. 1078 WM 85, 237 BB 87, 363 NJW-RR 90,414 NJW-RR 89, 1504 NJW-RR 92, 468 NJW-RR 92, 1523 BB 93, 1475 BauR 95, 105 NJW-RR 95, 180 NJW-RR 95, 1486

121 20 176, 178 132, 134 145 185 167, 173 190 190, 191 190, 191 190

Sachverzeichnis Ablauforganisation 32, 45, 82, 99, 106 Abnahmegehilfe I 88 Abschlußvertreter I 87 Akkreditierung 42 allgemein anerkannte Regeln der Technik 27, 79 Anscheinsbeweis 74 AQUAP 37 Arglisthaftung 185 Ausreißerproblematik 94 Baustoff-Entscheidung 152 Befundsicherungspflicht 63, II 0, 112, I 14, 193 Beschaffung 39, 44 Betriebsinhaber 72, 119 Betriebsorganisation 31, 49, 76, 80, 92, 104, 108, 120

DIN-Norm 15,28,49,87, 106,167,178, 208 Dokumentation 42, 57, 60, 63, 82, 103, 113, 128, 133, 154, 192,208,211 DQS 16,42 DVGW 25, 176 EG-Umwelt-Audit-Verordnung

107

Eigenschaftszusicherung 169ff. Einstandspflicht 57, 73, 174, 194 Endkontrolle 32, 81, 183 Endprodukt 33, 64, 125ff., 136, 141, 144, 179, Entlastungsbeweis 50 Entwicklungsrisiken 64, 65, 87 Entwicklungsrisiko 66 Fabrikationsfehler61 , 82, 84, 92, 135, 159

Beweislast 51, 56, 61, 71, 107, 110, 125, 141,148,167,184,191,208

Fabrikationskontrolle 133, 137

Beweiswürdigung 58, 62, 115

Fabrikationspflichten 92, 96,

Brunnensalzfall 50

Fahrlässigkeitsmaßstab 77 Fahrlässigkeitsvorwurf 77, I 07, I I 8

CEN 28 CE-Zeichen

I 57

Comite Europeen de Normalisation 28 Deliktische Haftung im Umweltrecht I 05

Fehlerbegriff 4 I, 54, 66, 16 I, I 80, I 85, 210 Fehlererkennbarkeil 65 fehlerhaftes Produkt 92,96

53, 61, 67, 73, 79,

Deutschen Industrienorm 15

Fehlerhaftigkeit 20, 54, 59, 66, 73, 85, II I, 125, 161 , 168, 198,211

Deutsches Institut für Normung 23, I 06

Fehlerkosten 31

Dienstleistungssektor 40, 160

Fertigungsprozeß 126

Sachverzeichnis Garantievertrag 194ff. Gebrauchstauglichkeit 24, 30, 54, 161 Gefahrabwendungspflichten 85, 129 Gefahrdungshaftung

34, 53, 124

Gefahrenhinweise 88 Gerätesicherheitsgesetz 23, 156 Gesamtschuldner 142 Gesamtschuldnerausgleich 143 Geschäftsherr 120ff. Gewährleistungsrecht 18, 54, 160 Gütezeichen 17, 137, 173ff. 56, 58, 61, 126

Haftungskonstellation 123, 141, 146 Haftungskriterien 52 Handelsbrauch

153

Herstellungsfehlers

82

Hühnerpest"-Urteil

51

Importeur 52, 60, 140, 158 Innenverhältnis 124, 142, 144, 149 Instruktionspflichten 88 International Organization for Standardization 23, 27 16

Lehre vom Verhaltensunrecht Lieferantenauswahl

68

13 7

Lieferantenbeurteilung 137ff. Lieferbeziehung 133, 139, 159, 199, 207 Lloyd's Register 42 Mangelfreiheit 35, 162, 164, 182 Markenartikeln 30 Mitarbeiterhaftung 148

Normungsarbeit 24ff. Normungsausschüssen 28 Null-Fehler-Produktion

18, 197

Null-Fehler-Qualität 179 Offenbarungspflicht 186, 188 Ordnungsgemäße Auswahl und Überwachung 135 Organisationsnorm 138 Organisationspflicht

81

Organisationsstrukturen 41, 207, 21 0

Just-In-Time 32, 136, 138 Kaufvertrag 160, 164, I 95, 202 Kennzeichnung 22, 39, 52, 154, 172ff. Konformitätsnachweis 42 Kontrollergebnis 180 Kontrollmaßnahmen

Lean production 33

Normalbeschaffenheit 167

Herkunftsnachweis 154

ISO-Normenreihe

Kundendienst 39, 131

Nebenpflicht 182ff., 191, 210

172

Händlerhaftung

122, 131, 134, 146,

Lehre vom Erfolgsunrecht 67

Gefahrenpotential 136

Haftungsausschluß

Kontrollpflicht 183

233

62, 151, 180, 183

Organisationsverantwortung 44, 82, 83 Organisationsverschulden 75, I 05, 119, 189 Pflichtendelegation 133, 139, 146 Pflichtverletzung 75 Positive Vertragsverletzung 182 prima-facie-Vermutung

184

234

Sachverzeichnis

Produktbeobachtung 56, 59, 61, 60, 89, 91, 117 Produktdesign 39, 91 Produktentstehungsprozeß 42, 162 Produktgefahr 57, 88, 93, III, 155 Produktionsprozeß

37, 62, 92, 179

Produktionsverfahren 97, 199 Produktnormen

40

Produktrisiken 99 Produzentenfehler 72, 93, 95 Prozeßqualität 37, 181

Technische Normung 25 Teilprodukt 124ff., 135, 136, 144 Total Quality Management 36, 84 TÜV 42, 140, 178, 205 Umwelt-Managementsystem 107 Umweltwerbung 206 Umweltzeichen 206 unlautere Wettbewerbshandlung 204 Untersuchungs- und Rügepflicht 156, 198,200

Prüfstatus 39 Prüftechnik 133

VDE 25, 87, 173

Prüfzeugnisse 178

VDI 25

Verfahrensanweisung 96, I 03, 154, 166 Rechtswidrigkeit 67

Verjährung 143 185, 189, 191

Risikomanagements 99ff.

Verjährungsfrist 143, 189, 191

Risiko-Nutzen-Abwägung 100

Vertragsprüfung 39, 90

Rückgriff 141, 151

Vertriebskette 56, 117, 131

Rückverfolgbarkeit 39, 154

Vorbeugemaßnahmen

Sachorganisation

Warenbezeichnung 172

82

39, 109

Schadensverhütungsmanagements I 00

Wareneingang 33, 35, 63, 133, 139, 198

Schuldvorwurf 118, 133, 158

Warenendkontrolle 63, 113

Sicherheitsanforderungen 54ff.

Warnhinweisen 88, 150

Sicherheitserwartung 49, 50, 55

Warnung 52, 57

Sicherheitsmängel 155, 157

Wartung 38,56,64,96

Sicherheitsstandard 78, 87, 156

Weiterverarbeitung 64, 117, 124

Sicherungsmaßnahmen 72

Werbeaussage 18,171,173, 202

Sichtkontrolle 115, 155

wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch 202

Sorgfaltsanforderungen 51, 69, 118 119 Sorgfaltspflichten 67 Statistische Methoden 39

Zertifizierungsaudit 101

Statussicherungspflicht 110

Zertifizierungsstelle 42

Technische Arbeitsmittel 156

Zubehörteilen 52

Zertifizierungsverfahren 42, I 0 I