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German Pages 367 Year 1882
Aus den Papieren des
Ministers und Burggrafen von Marienbnrg
Theodor von Schön. Dritter Theil. Ergänzungs- Dlätter. Fnnfter Band.
Kirchen- und Kchutpolitisches.
Mit emer Lithographie.
—-—-
B e r l i n.
Verlag von Leonhard Simion. 1882.
Das Rccht der Uebersctzung ist vorbehaltcn nnd Nachdruck jeder Art verboten.
Iil>>li>ts-Ner?eichilis!. Lfd. Nr.
Seite
Erläuterung.
Lirchen- und Schnlpotitisches.
1
3
I. Reformbestrebnngen. Schuleinrichtung.
5
1. Nicolovius au Schöu. Königsberg, 30. 8. 1809 . . . . 2. Derselbe au Deuselbeu. Königsberg, 23. 9. 1809 . . 3. W. v. Humboldt an Schön. Gumbiuneu, 27. 9. 1809 . . 4. Borowski au Schöu Königsberg, 24. 1. 1810 . . . .
5
5. Nicolovius au Schön. Berlin, 24 2. 1810. 6. Süveru an Schön. Berliu, 26. 3. 1810. 7. Nicolovins an Schöu. Berlin, 14. 4. 1810. 8. Zeller an Schön. Königsberg, 29. 5. 1810. 9. Zeller an Schön. Königsberg, 10. 8. 1810. 10. Schön an Zeller.
11. Aus der Selbstbiographie II.
12. Zeller an Schön. Braunsberg, 20. 4 1811. 13. Zeller an Schön. Kumetschen, 20. 9. 1811.
II. Aus der Kricgszeit.
14. Arudt an Schöu Leipzig, 29. II. 1813.
15. Nicolovius au Schön. Berlin, 30. 12. 1813. 16. Borowski an Schön. KönigSberg, 22. 1. 1814 . . . .
17. NicoloviuS au Schön. Berlin, 26. 2. 1814. 18. Arndt an Schön. Coblentz (Herrn von S. in G.) 10. 4. 1814
19. NicoloviuS an Schön. Berlin, 25. 6. 1814. 20. Borowski an Schön. KönigSberg, 29. 6. 1814.
21. Niebuhr an Schöu. Meldors, 20. 9. 1814.
22. Niebuhr an Schön. Berliu, 21. 1. 1815.
23. NicolovinS au Schön. Berlin, 22. 1. 1815.
8 9
10 16 17
24 26 32
34 35 36 38 42 42 43 44 49 52 53 54 60 64 67
IV 24. HeinrichS an Schön. Johannisburg, 1i. 7. 1815 . . . . 25. Schön an die Hochwnrdige iH zur Preußischen Bnrg
68
St. Johannis. Gumbinnen, 23. 7. 1815.
69
26. Loge zur preuß. Burg St. JohanniS im Orient zu Johannis-
burg an Schön. 30. 7. 1815. 27. Gisevius an Schön. Lycth 2. 6. 1816.
28. Schön an Albrecht. Gumbinnen, 5. 6. 1816.
III. binc Heiralhsepisode.
29. Memoire Schöns über die Heirath des Königs . .
70 74
73 75 75
30. Schön an die Prinzessin Louise. HUmstehend erwahnte
Anlage.) Derlin, 24. 5. 1817.
78
31. Fürstin Radziwill (Prinzeß Louise von Preußen
an Schön. Berlin, 25. 5. 1817.. . . . .
80
an Schön. Berlin.
81
32 Fürstin Radziwill (Prinzeß Louise von Preußen 33. Fürstin Nadziwill hPrinzcß Louise von Preußen)
an Schön. Berlin, 11. 7.
81
34. Fürstin Radziwill (Prinzeß Louise von Preußen)
an Schön. Posen, 4. 11. 1817.
82
35. Schön an die Fürstin Radziwill (Pr. L.) . . . ..
83
36. Fürstin Radziwill (Pr. L.) an Schön. Posen, 8. 2. 1818 37. Fürstin Radziwill lPr. L.) an Schön. Posen, 7. 6. 1818 38. Fürstin Radziwill (Pr. L.) an Schön. Berlin, 20. 6. 1819
87
IV. Ansätze zu neuen Organisationen.
90
88 89
39. Nicolovins an Schön. Berlin, 2. 8. 1816 . . . . . 40. Derselbe an Denselben. Berlin, 4. 8. 1816 . . . .
90 91
41. Niebuhr an Schön. Rom, 9. 4. 1817.
93
42. Schön an Nicolovius. Danzig, 20. 11. 1818 . . . . 43. Derselbe an Denselben. Danzig, 17. 3. 1819 . . . . 44. Aus dem Briese an Nicolovius. 2. 7. 1819 . . . .
95 102
45. An Nicolovius. Danzig, 20. 12. 1819 ......
104
103
46. Bischof Hohenzollern an Schön. Schmolainen bei Guttstadt,
18. 7. 1820 .
47. Nicolovius an Schön.
106 112
48. Altenstein an Schön. Berlin, 14. 8. 1820 .
114
49. Vorstehend erwähnte Anlage. Braunsberg, 5. 2. 1818
121
50. Schön an Altenstein. Danzig, 3. 12. 1820 . . . . . 51. Altenstein an Schön. Berlin, 19. 12. 1820 . . . . . 52. Borowski an Schön. Königsberg, 26. 8. 1822 .
122
53. Raisonnement über die nene Agende v. B.
133
125
126
V Lsd.
Rr. Seite 54. Hahnneder an Schön. Ossa bei Nikolaiken - Rastenburg,
6.7.1823..136 55. Bischof Hohenzollern an Schön. Schmolainen bei Gnttstadt
in Ostprenßen, 25. 9. 1823 . 152 56. Niebuhr an Schön Bonn, 24. 1. 1826 . 153 57. Olshausen an Schön. Königsberg, 4. 1. 1827 . 154
V. Nicoloviiis'sche Sache.156
58. Nicolovius an Schön. Berlin, 15. 6. 1821.156
59. Schön an Nieolovins.162
60. Nieolovius an Schön. Berlin, 22. 1. 1823. 162 61. Wilken an Nicolovius. Berlin, 3. 1. 1823 . 163
62. W. v. Hnmboldt an Nicolovius.164
63. Nicolovins an Schön. Berlin, 24. 2. 1827 . 165 64. Schön an Nicolovius. An H. G.-R. Nicolovius. Königs-
berg, 8. 3. 1827 166
65. Nicolovius an Schön. Berlin, 23. 3. 1827 . 167 66. Flottwell an Schön. Marienwerder, 29.3. 1827. . . . 168 67. Flottwell an Schön. Marienwerder, 2. 4. 1827 .... 171 68. Roeckner an Schön. Marienwerder, 3. 4. 1827. . . . 174
69. Altenstein an Roeckner. Berlin, 24. 3. 1827 ..... 182 70. Roeckner an Altenstein. Marienwerder, 31. 3. 1827 . . 183
71. Aus dein Briese Staegemann'S an Schön. Berlin, 4.4.1827 185
72. Gernhardt an Schön. Danzig, 7.4. 1827 . 186 73. Schön an H. C. D. Roeckner. Königsberg, 11. 4. 1827 . 188
74. Flottwell an Schön. Marienwerder, 18. 4. 1827 . . . 190
75. Altenstein an Roeckner. Berlin, 9. 4. 1827 . 193 76. Roeckner an Altenstein. Marienwerder, 17. 4. 1827 . . 194
77. Gernhardt an Schön. Danzig, 22.4. 1827. 196 78. Altenstein an Roeckner. Berlin, 18. 5. 1827 ..... 199 79. Roeckner an Altenstein. Marienwerder, 10. 6. 1827 . . 200
80. Flottwell an Schön. Marienwerder, 13. 6. 1827 . . . 203 81. Flottwell an Schön. Marienwerder, 19. 6. 1827 . . . . 204
82. Altenstein an Roeckner. Berlin, 30. 6. 1827 . 205 83. An die Königliche Regiernng zu Marienwerder.
Berlin, 17. 7. 1817 . .'.206
84. An die Königliche Regierung zu Marienwerder.
Berlin, 10. 12. 1817.208 85. Kabinets-Ordre an Schön. Berlin, 11. 6. 1827 .... 210 86. Schön au Se. Majestat den König. Königsberg, 4.7.1827 211
VI
87. Schön an Nicolovius. 88. Nicolovius an Schön. 29. 1. 1839. VI. Briefe zur Wissenfchaft uiid Poesie.
217 217 218
89. Fnrstin Radziwill (Pr. L.) an Schön. Schloß Antonin bei
Deutsch-Ostrow, 8. 8. 1826 ..
90. Neumann an Schön. Königsberg, 2. 12. 1826 . 91. A. v. Humboldt an Schön. Berlin, 3.4. 1828 . . . . 92. Wilhelm von Humboldt an Schön. Berlin, 5.1.1829 93. Alexander von Humboldt an Schön. Derlin, 23. 3. 1829 .
94. Alex. von Humboldt an Schön. Berlin, 10.4. 1829 . . 95. Alex. von Humboldt an Schön. St. Petersburg, 9. 12. 1829
218 219 220 220 223 224 225
96. Schön an den Kgl. Provinzial-Steuerdirector und Geh. Fin.-Rath Landmann. Königsberg, 14. 12. 1829
97. Arndt an Schön. Bonn, IV. 3. 1832 .
225 226
98. Eichendorff an Schön. Derlin, Potsdamer Chaussee Nr. 41,
12. 4. 1833 .
99. Eichendorff an Schön. Berlin, 13. 1. 1834 .
227
110. v. d. Gröben an Schön. Berlin, 11. 1. 1838 .
230 233 235 237 244 246 247 218 253 259 260 262
111. Friedrich Wilhelm Kronprinz an den Prorector und Senat der Ilniversität zu Königsberg i. Pr. Berlin, 22. 1. 1838
263
100. Fürst Bischof Hohenz. an Schön. Schmolainen, 25. 8. 1835 101. Fnrft Bischof Hohenz. an Schön. Schmolainen, 9. 9. 1839
102. Schön an Eichendorff. Königsberg, 30. 11. 1835 . . >.
103. Kamptz an Schön. Berlin, 2. 4. 1836 . 104. von Baer an Schön. St. Petersburg, 18./30. 5. 1836 . .
105. Befsel an Schön. Sternwarte, 1. 6. 1837 . 106. Schön an Eichendorff. Pr. Aruau, 25. 9. 1836 . . .
107. Bohlen an Schön. Bowood, 27. 5. 1837 ......
108. Bohlen an Schön. Bonn, 6. 9. 1837 .
109. Bohlen an Schön. Hyöres, 5. 10. 1837 .
112. Kamptz an Schöu. Den 4. 6. 1838 ..
117. Gröben an Schön. Berlin, 28. 12. 1837 ......
264 265 265 267 268 268 269
118. Schön an Gröben. Königsberg, 4. 1. 1838 . . . . .
271
113. Alex. von Humboldt au Schön. Berlin, 22. 12. 1837/38.
114. Bessel an Schön. Sternwarte, 31. 3. 1839 . 115. Eichendorff an Schön. Berlin, 2. 10. 1839 . . . . . VII. Kirchlichc Wirren. Coelner Bifchofsstrcit . . . .
116. Boyen an Schön. 29. II. 1837 ..
119. Zum Betoge fiir deu vorstehenden Brief. V. Anrede an
das Frauenburger Domcapitel vor der Bischofs-
VII
wahl. 8. Anredc an das Domcapitel nnd den neu erwählten Bischof oon Ermland von Hatten, nnd bei der Bereidignng des Letzteren (1838). Königs-
berg, 20. 4. 1037 . . . . . . . . . . . . 120. Gröben an Schön. 121. Schön an Gröben. Königsberg, 18. 3. 1838 .
122. Zacobson an Schön. 29. 6. 1838 .
123. Benzenberg an Schön. Düsseldorf, 28. 11. 1838. . . .
124. Anfsatz. 125. Aufsatz. Königsberg, 6. 5. 1839 . 126. Benzenberg an S chön. Dnfseldors, 22. 12. 1839 . . . .
127. Eichendorff au Schön. Berlin, 24. 6. 1840 . VIII. Schlußresultat des VoltSschulwesens.
128. Rothe an Schön. Danzig, 3. 12. 1852 . 129. Der Volks-Unterricht in Westpreußen. 130. Schön an Rothe. Pr. Arnau, 6. 12. 1852.
280 286 289 292 293 295 301
304 307 310 310 312 352
Lrläuterung. Die Reihe der Portraits, welche Schön fnr sein Zimmer sich hatte malen lassen, wird durch das Titelbild vervollständigt.
Die allgemeine Bezeichnung „Ergänzungs-Blätter" ist snr diesen Theil gewählh weil der Anfang davon noch einer
Zeit angehört, die vor der des 3. und 4. Bandes liegt.
„Hasche Minuten, denn auf ihren Fittigen ruhet die Seligkeit!" Diese Worte schreibt mein Vater, im ersten Abschnitt der Selbstbiographie II, dem im ersten Theile Seite 5, Zeile 14 von oben genannten Hanptprediger Andersch zu, indem er dadurch die wohlthätige Wirknng begrnndet, welche
der „ehrwnrdige Mann" auf ihn als Student ausgeiibt und ihm hinterlassen hat. — In diesem Sinne — unbeknmmert ob der Advokat des Teufels „zerrt und zwickt" —^ fährt in seiner Aufgabe sort
der Kerausgeber.
Kjrihen- und Slhulpolltislhks.
Schule.
1*
Rcformbcstrcbungc». Schiilciiirichtiiiig. An Schön. Kbg., d. 30. Ang. 9. Jhre Stinune hat mich erfreut und wie so mancher Besuch bey Jhnen, geschah er gewöhnlich auch nur im Flnge,
Kraft in mir aufgeregt. Sie haben recht und predigen wie ein Geweihter, abcr leider in der Wüste! Jn dieser stehen wir nnn einmal und sollen in ihr allerley Gewächs zunr Gedeihen bringen, und der Himmel über uns bleibt eisern. Da also die Himmelsgabe zum Wachsthum fehlt, mnß allerley Nothbehelf ihre Stelle vertreten. Freylich gehört in die beste Welt keine Schnlabgabe, noch weniger eine Kirchenabgabe,
u. am allerwenigsten eine Armensteuer. Wenn aber die lezte an vielen Orten, nnd sogar am meisten im gelobten brittischen
Lande, die mittlere überall gang nnd gebe ist, so lasfen Sie es nns anch immerhin mit der ersten nicht so genan nehmen, insonderheit da die Kammerpräsidenten, Jhres Anathema nn-
geachtet, nicht überall, sondern nur in Gnmbinnen, Nath wissen, und die Finanzsachen der heil. Cnltus- und halb heil. Unterrichts-Section nicht abnehmen, sondern ganz unbeschämt
zuschieben. Fürchten Sie aber nicht, daß wo, wie z. B. bey
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Jhnen, die Sache besser einzurichten möglich seyn wird, dies
werde von der Hand gewiesen werden. Lassen Sie nns aber
eines nenen Hinunels und einer neuen Erde harren, in der
statt Abgaben für heilige Zwecke Liebe wohnen wird, nnd dein Altar nie sreiwillige Gaben sehlen. Vergessen Sie übrigens auch nicht, daß wenn Sie Jhr Wehe über die Section sür den öfsentlichen Unterricht ausrufen, ich schnell von Jhrem Tisch, an dem ich nur als Gast sitze, aufstehen und dem Fluch mich entziehen kann. Möchten
Sie nur nie auch über die Section sür den Cultns ein Wehe
ansrusen können! Jch sühle nur zu sehr und oft mit tieser
Trauer, daß Rücksichten und Pläne eitlen Glanzes an die Stelle srommer, und aus Gesahr des Tadels und der Schmach
unternommener Vorhaben, wie z. B. jenes mit Zeller und Pestel, treten, und wenn gleich mein Naturell viel zu hölzern
nnd — sik veniu vsrUu — mein Herz viel zu einsach und sromm ist, als daß je eitle Ehre mein 8piritu8 rsetor werden könne, doch galante und um die Freundschast mit der Welt sehr besorgte Nachbarn oder Gehülsen oder Chess all-
mälig einem Muth und Kraft lähmen nnd mit ihrem immer empor gehobenen Schilde der Allmannssreundschaft Lethargie
und Asthenie verbreiten. Gottlob ist bey den Cultus-Angelegenheiten sür jetzt noch eben nicht Ehre, wohl aber Schimpf
und Schande zu eruten, nnd so wird man doch wohl die vorsichtigen Fingerlein davon entsernt halten. Verleihe mir der Himmel nur einen geistigen Mitarbeiter, de mes Ernst sey wie mir, und ich will unter allem Druck leidiger Umstände dennoch sreudig mein Werk treiben, und die Ehre, salls unverhoft so etwas dabey zu verdienen seyn sollte, gern
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und nnt frohem Schweigen einem Anderen überlassen, alles
Nisieo aber allein wagen.
Um aus etwas anderes zu kommen, so kann ich Jhnen
melden, daß Hr. o. Humb. nun wohl, da der Großkanzler nbermorgen abgeht und dessen Abreise gewisser Conferenzen
halber abgewartet werden sollte, bald bey Jhnen seyn wird.
Jhre Aeußerungen nber die Schwedische Constitntion und diese selbst habe ich ihm mitgetheilt.
Jhr St. k. Hosfmann läßt sich's in der combinirten Section so wohl gehen, daß ich es ihm bisweilen beynah nbel nehme. Jch kann keinen Ches leiden, der nicht in der That in^ Ustter- ist. Vor solchem benge ich mich gern nnd von Natur; jeder andere, er sey mir so begnem als möglich,
ist mir ein Greuel. Roeckner wird in der Mitte October der Welt entsagen und seine einsame Pfarre beziehen. Sein Fleisch mag sich wohl etwas stränben, aber seinem edlen Geiste ist der Ein-
gang in das Heiligthum einsamer, sester Thätigkeit gewiß gedeihlich, und seine Verklärnng wird mir nicht unerwartet seyn. An dem Minister- und Kammerdiener-Centaur (wie der Großkanzler wegen des Contrastes zwischen Kops und Beinen von unserm schlesischen Frennde genannt wird) hat
er natnrlich Anstoß genug genommen, und wenn er dann nnd wann von ihm noch etwas hosft, so ist es nur ein von der alten Liebe nbriggebliebenes knidls.
Wie Sie in Jhrem nngestörten Winkel die Welt ansehen, nnsern Jammer um Rath- nnd Hnlslosigkeit, unsre
Ruhe und unsern tiefen Frieden, das möchte ich wohl gern dann und wann vernehmen. Aber ich vernehme es
wirklich nüt den Ohren meines Geistech denn ich citire Sie
nür oft, und bringen Sie gleich ein gräuüiches Gesicht bisweilen nüt, so erschrecke ich doch nicht, sondern halte Stand
und besrage Sie.
Leben Sie wohl, so weit es einem ehrlichen magern Manne heut zu Tage möglich ist, und sehen Sie nüch ferner
zu dem heiligen Orden gehörig an, der vor dickem Bauch und dem ?nx, der kein Frieden Gottes, sondern Schlaf ist, jederzsit und vor allem zu dieser unserer Zeit sicher seyn kann.
Jhr
Nicolovius.
Derselbe an Denselben. Kbg., d. 23. Septbr. 9. Jch kann den Ueberbringer dieses') nicht zn Jhnen reisen
lassen, ohne ihm einen krästigern Gruß an Sie mitzugeben,
als der mnndliche seyn wnrde. Also uüt Hand und Mund nnd von Herzen seyn Sie mir gegrüßt, und glauben Sie, daß Jhr Andenken uür heilig ist. Vom Salzbnrger Hospital ist noch nichts an nns gelangt. Jch babe aber Süvern Jhre Anfforderung nütgetheilt und wir erwarten gemeinschaftlich den Schlüssel zu der Hieroglyphe Jhres Brieses. Wird er uns gegeben, und wir fühlen die Kraft, die Sie uns zuschreiben, Segen über die Sache ausznsprechen, so wird es wahrlich aus reinem Herzen geschehen.
ü Wilhelm v. Humboldt, der iur September 1809 mit Schöu in Gumbinneu kouferirte. (Bergl. defsen Brief an Schön vom ZI.Oktbr. 1809.
Aus den Papierm Th. I. Bd. 2 S. 2-19.)
9
Niebuhr ist vor einigen Tageu unter uns erschienen. Unschuldig und unwissend wie ein Kind tritt er aus der platonischen Vorwelt in unsere sündhafte, finstere, erdenkothige Welt. Er thut Fragen wie ein Kind, und wird doch nnr zu bald in dem neuen Leben des Gefallenen erwachen. Besudeln wird er fich uicht, aber ärgern, und protzen und im Winkel fitzen. — Jch vermuthe eine große Verlegenheit des Finanz-Ministers, wo und wie ihn anzustelten, damit nicht er, damit nicht C . . . ., damit nicht dieser, damit nicht jener im sanften Schlaf gestört werde. — Niebuhr frägt oft, wenn er zwischen Wahrheit und Traum ungewiß ist: aber wie urtheilt Schön darüber? Jch bin begierig, wie er selbst bald urtheilen werde.
Jhr Vix eveclo, daß nämlich B . . . . eines neuen Lebens fähig sey, unterschreibe ich nicht, sondern sage keck:
wahrlich niemals! Jch habe keine, anch gar keine Hoffnung
mehr auf ihn, und kein, auch gar kein Vertrauen mehr zu ihm. llnd wohl mir, daß ich es nie gehabt! Zch muß schließen. Die Eile jagt mir Kopf und Hand. Leben Sie wohl und stärken Sie den lleberbringer zum Wandel im Licbt.
Zhr N. 3.
An Schön. (Vergl. A. d. Papieren Bd. 2. S. 248.) Gumbinnen, den 27. Septbr. 1809. Verzeihen Sie, liebster Freund, wenn ich in der Freude,
mit einem Mann wie Sie über Gegenstände, die uns Beide interessiren, sprechen zu können, Jhnen einige heute gleich aufgesetzte Blätter schicke, iu denen ich mich über das, was
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sich für Acten paßte, hinausgegangen bin, indeß doch hoffe innerhalb dessen geblieben zu seyn, und auch Sie sis yraktisch erkeunen.
Humboldt. 4.
Königsberg, den 24. Jauuar 1810. Hochwohlgeborener Herr! Höchstzuverehrender Herr Geheimer
Staatsrath und Negieruugs-Präsident!
Ungern dränge ich mich sonst an große und für den Staat mit Eiser arbeitende Männer. Jch weiß es, daß ihr Geschästskreis umsänglich ist nnd jedes Andrängen an Sie,
sey es schristlich oder mündlich, ihnen Zeit ranbt, die sie sich nngern rauben lassen. Ersahre ich es doch in meinem beschränkten Wirkungskreise schon! — Aber zu Jhnen, Gnädigster
Herr! treibt mich mein Herz so gewaltig, daß ich dem Zuge desselben nicht länger widerstehen kann, da ich ihn so lang und so ost schon bekämyst habe.
Sie sehen die Angelegenheiten des Reiches Gottes aus
Erden als wichtig an. Jhnen ist es Herzenssache, sich dasür
zu beeisern. O, lohne es Jhnen doch Goty der jedes Gnte lohnt -—- und lasse Sie lange, lange und viel Gutes in der
Provinz, die Ihrer Leitung anvertraut ish wirken! Ich höre dies von so vielen Orten her, und aus dem Munde sehr bewährter Zeugen, daß es mir ost schon Deranlassung zu
innigen Thränen der Freude war. Denn — (sreilich in einem großen Abstande von Jhnen!) — ich möcht' auch so gerne Religiosität, Menschenbildnng sördern; ich möcht' gerne
alle Tage die Freude haben, zu hören: „Da oder dort geschehen große Fortschritte im Guten!" ich^ möchte dadurch die
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wenige Zeit, die ich noch zu leben habe, erheitern — nnd also treffen Sie und ich in der Hanptsache zusammen. Dank Jhnen, innigsten Dank dafnr, daß Sie sich über die elenden Hirten hermachen, die ihre Heerden nur verwahrlosen. Schaffen Sie ja die Menschen, wie H., S., R., W. sind, hinweg. Eine solche Reinignng ist dem Stande, in welchem ich selbst lebe, höchst nöthig. Heben Sie aus der Mitte dieses Standes Alle heraus und beseitigen Alle, die der traurigsten Gemächlichkeit sich hingeben; auf der Kanzel allensalls beredte Nloralisten sind und die Ansprnche der Moral an sie selbst nnd an sie zuerst nicht kennen wollen;
— die die Bibel höchstens znm Motto ihrer Borträge gebranchen, aber sie selbst nicht kennen und anch ihre Gemeinen
nicht kennen lehren; —- die den nicht laut, nicht nberlaut verkündigen, in dem all unser Heil beruht und der dnrch sein Evangelium zu Allem Veranlassung gab, was neuere und allerneueste Philosophien uns etwa Gutes sagen, ihn vielmehr verkleinern, hintansetzen und nun, wenn sie ihre Gemeinen, die von Jesus hören wollen, dnrch ihr Moralgeschwätz evaknirt haben, durch neue Gesänge, ohne Geist
und Leben, durch neue Litnrgien und andere dergleichen Palliative wieder ansüllen wollen. Daß diese doch Alle, die nie aus den eigentlichen Zweck des christlichen Predigtamts Hinwirken und auch nicht hinwirken wollen, beseitiget würden.
Wir wollen, in Ansehung dieses Hinwegschaffens und Aufräumens bei der hiesigen Regierung dahin streben, mit Euer Hochwohlgeboren gleichen Schritt zu halten. Daß es unseren Geistlichen in hohem Ernste gesagt ist, wird Jhnen die unterm
23. December v. I. erlassene Versügung sagen, von wel-
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cher em Exemplar hier beizulegen, ich mir, iu Bescheidenheih erlaube.
Deu m. P. in C. kanu ich, nach meiner innigsten, gewissenhastesten Ueberzeugung nnd, vor Gott gesagh nicht zu
denen zahlen, von welchen ich eben sprach. Er mag seine
Fehler und Schwächen haben; er mag hier und da es zn strenge nehmen mit Schullehrern, die nichts thnn wollen, mit Eltern, die im Grnnde nicht Eltern zu nennen sind, sondern blos Erzeuger von Kindern, um welche sie, wenn sie einmal da sind, sich weiter nicht beknmmern, selbst mit Gemeingliedern, die ihn im Maaß und Gewicht ubervortheilen
wollen. Aber er ish was seine Amtsführnng und Pflicht betrisst, eben so strenge gegen sich selbst. Durch seine Wegschassnng oder durch seine Verpslanzung in's Ostpreußische
verliert Litthauen eincn Prediger, der der dortigen Sprache ganz gewachsen ist >— und wie sehr wenige sind solcher dort?
Wie ost skandalisiren sich nicht dortige Menschen an Worten
nnd Ausdrncken, die sie von der Kanzel hören müssen und
wie mannigmal da noch Litthanen zu uns gehörte, klagten Deputirte, daß sie ihren Lehrer nicht verständen, warsen ihm Faulheit — ganz mit Recht -— vor, die Sprache nicht lernen
zu wollen; — seuszten darüber, daß ihr Hirte dann anf dem
Kanzelpult vor ihnen läge nnd sein Coneept nicht einmal recht lesen könnte! Bei P. ist dies nicht der Fall. —^ Daß die Beamten seiner Gegend wider ihn, der sich so gern an sein Haus anknüpst und an seinen Kindern arbeitet, sind; — daß der dortige Präcentor, der nicht singen kann, und doch den Namen vom Singen und Brot mn des Singens willen hat, einen Mann nicht gerne vor sich sieht, der ihn
zu seiner Pflicht anhält, ist ganz netorisch, anch — noch
einmal sag' ich, ich rede vor Gott, ganz unstreitig. Die Beamten und Präcentoren Jhrer Provinz, wie ich schon von vielen Seiten her höre, würden triumphiren, wenn P. siele — und dann, bei allem ernsten Willen Euer Hochwohlgeboren — wahrlich der Menschenbildung und Religiosität in
der Provinz ein höchst trauriges Hinderniß in den Weg ge-
legt werden. Die Mehrsten dieser Männer sind Lauscher aus den Prediger, um an ihm kleine Fehler auszudecken, mit welchen sie die ihrigen bedecken oder doch entschuldigen wollen.
Jch rede durchaus nicht von Ltllen: aber, aus meiner vieljahrigen Amtslausbahn habe ich viele dieser Art ans Aeten nnd sonst kennen lernen. Ich snrchte nichts, wenn H., W. w.
sinken; die gute Sache gewinnt im Gegentheil aber, o lassen Sie es mich tund mir steht Berantwortung snr das,
was ich anch aus diesem Blatte schreibe, vietleicht bald bevor!) lassen Sie es mich ossen sagen, ich snrchte viel, wenn
P. sinkt. — Jch snge nur noch das Eine hinzu, daß er weder mit mir verwandt, noch vertrant ist, daß ich ihn aber
von seinen aeademischen Iahren her und in seiner Amtsfnhrung kenne. Einige Brnderschasten-Gemeinglieder wünschen ihn vielleicht hinweg, weil sie kein Gntes ernstlich wollen.
Daß die Gemeine eine der verwildertsten war, wußte ich und
das Consistorinm nnseres Orts. Eben darnm waren wir Alle
einig, einen P. hinzustellen. Verwarnen Sie ihn, Gnädiger Herr! in Ansehung seiner zeitherigen Schwächen; ^— ich werd'
es anch thnn und — Sie werden noch Frende nnd Wonne an ihm haben.
klnaussprechlich hat es mich gefreuet, daß Sie — I.
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aus W. — für Insterburg bestimmt habeu. Er will freilich uicht gerne hin, aber Euer Hochwohlgeboren werdeu schon
auf ihn zum geneigten Willen wirken. Ich wüßte durchaus keinen besferen. Er ist ein Eoangelist — und nur ein solcher
kann da etwas wirken, wo seit einer Reihe von Iahren so Vieles verdorben ist. Der Jnsterburgsche Magistrat und alle Gewerke der Stadt haben an mich geschrieben und mich gebeten, wenn auch in diesem Falle, wie sonst, von der Section
ein Gutachten von mir gefordert würde, mich für H. zu verweudeu. Der Concipient schreibt ganz zuversichtlich: „So weit
wäre es auch in den kleineu Städten doch schon gekommen,
daß man über dem Rathgeben, Trösten des Predigers — ganz gerne den Heiligenschein an ihm vermißte? Jch habe ihnen geradezu geantwortet, daß ich ganz anderer Meinung wäre und die Ueberzeuguug hätte, der Prediger müßte ratheu,
tröften, aber auch inuere Heiligkeit und deu äußeren Heiligeu-
schein haben! Euer Hochwohlgeboren stimmen gewiß mit mir überein. Ieueu R. in K., dessenwegen die, uuter Zhrer Leitung sich glücklich befiudende p. Deputation an mich geschrieben uud mir einen so ehrenvollen Auftrag gemacht hat, den ich mit der nächsten Post beantworten werde, kenne ich und seine
hiesigen Freunde, als einen Schwachkopf in vieler Beziehung,
aber sonst als einen rechtlichen und redlichen Mann. Ich dächte, weun Euer Hochwohlgeboren aus der Gegend von
Memel ein Paar Gott im Auge habende und geschickte Männer bestimmten, alle die Punkte noch einmal von Grund aus zu recherchireu, es würde gewiß die Sache des R. anders
zu stehen kommen. Dieser Maun hätte sich ja das ganze
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Vermögen der Frau p. von G. zn eigen machen können, außerdem ist er arm, im ganzen Sinne des Worts; — des vorsätzlichen Betrugs ganz unfähig, obwohl er aus Schwäche
gefehlt haben kann. Und warum mußten auch Sachen gegen
ihn hervorgesucht werden, die von der Behörde, dem ehe-
maligen Etatsministerium, abgethan waren? warum Quittungen hieher gefordert werden von Dingen, über die damals kompetente Behörde finaliter entschieden hatte?
Scheffner sagte mir, daß wir in wenigen Tagen oder Wochen die Frende haben werden, Euer Hochwohlgeboren hier zu sehen. Sie kommen, das Zellersche Jnstitut zu sehen,
zu dessen letzter Prüfung mich Herr w. von Dohna und von
Humboldt einlud, der ich mit ihnen beiwohnte und wo ich in vieler Beziehung gar sehr befriedigt ward. Seine Methode ist von der Pestalozzischen in Haupt- und Nebendingen verschieden.
Darf ich es wagen, Gnädiger Herr! diesem Schreiben —- dem Sie für diesmal die ungebührliche Länge vergeben werden, — ein Paar unbedeutende Blätter beizulegen? Gerne
gäbe ich Jhnen etwas, wodurch sich meine Verehrung, meine
Liebe und Anhänglichkeit an Sie so ganz, wie sie in meinem
Jnneren ift, ganz ausspräche: aber was kann ich Armer geben, als etwa ein Kanzelwort — und dann den innigsten, angelegentlichsten Wunsch, daß Gott Sie segne und durch
Sie, die Provinz in jeder Hinsicht, segne! Es kommt dies Alles aus dem Herzen Jhres Verehrers und viel Mehreres ruht noch in diesem Herzen, was dieses Blatt nicht fasset. Borowski. st ^ Ludwig Ernst vou B., geb. 1750 in Köuigoberg, 1829 protestautischer Erzbischof uud starb 1831.
16 5.
Nicolovius au Schöu. B. den 24. Febr. 10. Jhre Freunde habeu inich bis heut auf die Einlage warteu lasseu, soust hätte ich Jhnen schon lange gesagt, daß
Jhr Andenken überall bey unr ish daß ich das Päckchen treulich Knnths Händen übergeben habe, und daß Jhr Bries-
chen mich ersreut und betrübt hat. Die Section hat sich zwar nicht zu schämen, indeß giebt es Leiden anderer Art bey der heiligen Sache, die im Normal-Jnstitut begonnen ist. Leiden, die mir sreylich nicht neu sind, die aber dennoch
immer, wo sie mir wieder zu theil werden, das Herz mit so tiesem Gram erfüllen, daß es Zeit bedarf, bis der Muth znm Leben wieder ansrecht steht. Jch kenue kein größeres
Leiden, als wenn der Glanbe an Menschen, an die Reinheit
der Edleren gekränkt wird. Zellers Eitelkeit gehört hieher; nur Süvern danke ich es, daß sie mich nicht ganz znrückgeschreckt hat. Jch sehe, daß Andere, die tiefer in sein Jnneres schauen, ihn ungestört ehren nnd lieben, und ich
glanbe anf dieser Zeugniß. Sie werden nun auch wvhl als Augenzeuge urtheilen. Möchte er vor Jhnen bestehen!
Vom hiesigen Getreibe wissen Sie vielleicht mehr als
ich. Es berührt mich wenig und doch zn viel. Nur in etwas sind wir ganz. In der radicalen Schlechtigkeit nämlich, die im Großen wie im Kleinen nichts Entschiedenes ertragen
kann, überall aus halbem Wege stehen bleibt, rechts und
links sich nmschant, und von Hinzens Schmunzeln und Kunzens Geschwäz sich znrückschrecken läßt, nnd um Himmels-
willen es mit keinem verderben mag, nnd eben deshalb keinen
Frennd im Himmel nnd anf Erden hat. Solch ein Leben
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zu solch einer Zeit, das bringt wahrlich nicht weit! Doch scheint es nianchem, ja Vielen recht lästig. Sie lächeln über
jede Meynung, als sey irgend wo Gesahr. — Verzeih es Jhnen Gott, daß Sie je von dem Kammerdiener-MinisterCentaur gut gedacht haben! Der wird wahrlich nirgend uns helfen. Äber wie viel, wahrhaft schrecklich viel hat er uns geschadet! Könnt ich Jhnen ein Viertelstündchen nur erzählen.
Niebuhr lebt muthiger, als ich vermuthet hatte, obgleich
über den Exfreund A. ganz im Klaren. Er hat sich jetzt über die Zeit erhoben, und wandert oft in seine Bücherwelt
ans. Jhren Wundlacker sehe ich beynahe täglich und liebe ihn von Herzen. Kunth ist gegen mich, wie ein alter Freund,
nnd man muß ihn lieb haben. Hoffmann scheint matt und voll Himmel nach der Professur. Jn mir wird das heilige
Feuer eoncentrirt. Es erlischt nicht, wiewohl es selten anderswo als in der Einsamkeit ausbricht. Die Einlage kam so plötzlich, daß ich nur in Eile schreiben kann. Erhalten Sie sich dem Vaterlande und behalten Sie mit mir Glauben an eine bessere Welt und an ihre Offenbarung auf Erden.
Ihr N. 6.
An Schön. Berlin, den 26. März 1810. Aufrichtigen Dank, verehrter Freund, soll ich Jhnen im
Namen der Section d. ö. U, für Jhr geist- und gemüthvolles Schreiben wegen der Königsberger G.-Sch.-Commission
abstatten. Wir haben es aufgenommen wie eine Stimme des
Volks von dorther, haben es nicht ungenutzt gelassen und 2
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bewahren es als einen wichtigen Beleg fnr nnsere eigenen Operatwnen, die wahrlich von Anfang an in keinenr anderei? Geiste gemeint waren.
Lasfen Sie mich, im engsten Vertrauen, Einiges über die ganze Sache zu Jhnen reden!
Sie haben ganz Recht, die Com. ist falsch componirt und trägt einen Keim des Unheils in sich selbst. -Nachweisen darf ich das nicht weiter. Aber wie hat sich diese Composition gemacht? — Der Präfident ist unmittelbar
vom Könige gesetzt, aber wahrlich nicht mit Willen der Seetion, sondern, wie ich Grund genug habe zu vermuthen,
nicht ohne Znthun Zeller's selbst, der sein eigenes Beste nicht kannte, und auch in manchen anderen Stücken, die ihn den Augen des Volks in nicht vortheilhaftem Lichte zeigen, sich nicht bedeuten lafsen wollte. Sch. ist von Jhnen
gewählt — und daß auch der nicht die Sache aus dem richtigen Gefichtspunkte gefaßt hat, beweiset ein gestern von
ihm eingelaufenes fulminantes Anklageschreiben gegen Sie
und gegen mich an Herrn v. H., veranlaßt durch einige sehr
glimpfliche Aeußerungen der Section über den Geist, in welchem die Com. operiren müsfe. Die Ostpreußische Regierung hat ihren Präsidenten gewahlt. Sagen Sie doch,
wen hätte Sie nehmen sollen? Jst in Kbg. irgend ein Geistlicher von ächter Würde, den man dazu hätte vorschlagen können, irgend ein für die Sache erwärmter und in ihr Wesen eingedrungener Lehrer? Wollte man den Bock
zum Gärtner machen, so konnte man wohl einen finden, der sich selbst anbot. — Westpreußischer Seits ist Kelch
deputirt. Die Section hatte den Pr. Graff in Elbing
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vorgeschlagen. Sch. sagte mir gegen diesen: Er sey nicht genug blindglänbig! Andere sagen: Er ist ein verschrobener Kopf! Aber G. ist ein genialer Mensch von tiefem reizbaren
Gemüth, der einem freilich etwas zu schaffen macht, und mit dem nicht jeder leicht fertig wird — und Menschen der
Llrt, so edel und weich fie meistens find, gehörig zu behandeln, haben wir freilich weder Geist noch Gemnthlichkeit,
noch Ernst und Kraft genug, und befasfen uns darum mit ihnen nicht gern! Ein blind Gläubiger ist er anch nichst nnd es dnrfte ihm vielleicht so gehen wie Jhnen, daß er glanbte erst nachdem er klar gesehen, aber das wnrde er anch gewiß und der Gewinn wäre um so größer, weil er nicht oberflächlich in der Pädagogik ist, sondern weiß und nbersieht was in ihr geschehn isst und den Standpunkt kennst
auf dem sie sich gegenwärtig befindet. Die Section gab
indeß nach, daß Kelcb in die Com. kam, nm nur die Sache nicht aufzuhalten. Nunmehr ist Graff in die Westpreußische G. . . . Deput. gekommen und unsererseits ist diese abermals dringend anfgeforderff Graff statt Kelchs zu
deputiren, damit doch ein Mann, der mehr als Officiant ist, außer Z. hineinkomme. Die beiden anderen Mitglieder sind Anhängsel.
Was mußte aber aus dieser Art der Zusammensetznng,
die sich vor der Hand nicht ändern ließ, entstehen? Meiner
bisherigen Ansicht nach dies. Es ist zusammengekommen Zeller's stnrmischer, zu durchgreifenden Maaßregeln, nm so
mehr, als er in der Schweiz und kn Wnrtemberg mit Schwierigkeiteir zu kämpfen hatte, geneigter Feuereifer, mit dem kalteu gebieterischen Ofstckautengeiste des größten Theils
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der Com. und deren zwar mit gutem Willen, aber nur nach fragmentischen Ansichten, ohne großes und gründliches
System, operirenden, nur hier uud da antippenden, nicht vom Keim aus schaffenden Wesen des Besten ihrer Mitglieder. So verschiedenartig das Prinzip eines jeden dieser drei Bestandtheile war, in einem so gleichartigen Resultaten mnßten sie alle zusammentreffen, so daß äußerst schwer zu sagen ist, von welchem eigentlich das Verkehrte ausgeht.
Z. von einer Seite — Sie werden mich nicht mißverstehen, ich spreche hier eins meiner Geheimnisse aus —
scheint mir nicht so rein von Weltlichkeit zu seyn, als er beym ersten Anblick erscheint. Wie wichtige und häufige Dispute habe ich mit ihm darnber gehabt, daß er sein Werk
nicht wie eine Pflanze des Himmels der einen Obhut und Pflege des Höchsten überlassen, nicht still und geräuschlos es gedeihen lassen, nicht von seinem tiesen Werthe allein sein Ausbreiten unter dem Volke erwarten wollte, sondern daß er darauf ausging, Menschen dafür zu gewiunen, statt seinen Fortgang anf das alleinige und unsertige Fundament alles menscklichen Wirkens und den unverdorbenen gesunden
Sinn des Volks, ihn aus den leeren Beisall und die Gunst eitler, unzuverlässiger, seinem Geist durchaus entsremdeter
Meuschen zu gründen! Und das kann er noch nicht lassen,
so ernsthaft ich ihm so wohl als Sch. darüber geredet nnd geschrieben habe. Wie viel könnte ich Jhnen schreiben von
den Scenen, die ich -— und ich allein — mit ihm hatte, als er um den Ober-Schulraths-Titel auf offenen und geheimen Wegen sich bewarb — wie er das Rechte sah, und sich doch nicht überwinden konnte,' aus dem Zeitgeiste, den
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er bekämpfen will, sich zu erheben und es zu ergreifen — wie er mir schriftlich gestand, sein Fröhlich beschäme ihn, 'aber — wie lonnten nnr wir Erwachsenen nicht auf einmal
Fröhlichs werden — und wie er damp als ich voll Vertrauen anf sein besseres Selbst und sicher war, nach ein Paar Tagen seinen Lohn durch ein unmittelbares Cabknets-
Schreiben dahin bekam. Eine ähnliche Sache ist die mit dem Honorar fnr seine Lehrbücher! Verlangt er es, so kann
man es mit Necht nicht tadeln. Aber edler wäre es, er sähe nicht darauf, zumal da ihm eine außerordentliche Belohnung nach Vollendung seines Werks in Preußen zugesagt
ist. — Nein, glauben Ske mir, feurig und ftark genug ist Z., um Reformator zu seyn — Jammer und Schade, daß er nicht groß genug dazu ist! Das ist meines Herzens aus schmerzlicher Erfahrung geschöpfte Meinnng, die ich Jhnen nur eröffne, weil es mir nöthig scheint, die aber Jhren Glauben an die Sache nicht schwächen wird.
Weil ich Z. kannte, glaubte ich nun, er regiere die Eom. und diese, anstatt ihn zu mäßigen und mit Behutsamkeit zu leiten, lasfe sich von ihm fortreißen. Alles, was wir von der Com. erhalten, bestärkte mich in dieser Vermuthnng. Allein nun höre ich von Sch. selbst, dem ich mich erklärt hatte, daß diese allein sich den Ruhm an-
maaßt, alles was da geschehn ist, gehe von ihr aus, und sehr dagegen protestirt, von Z. geleitet zu werden. Was ist nach dem Allen anders zu schließen, als beide begegnen sich
einander und treffen in dem gleichen Resultate ganz verschiedenartiger Prinzipe znsammen?
Daß die Sect. keineswegs alles billigt was die Com.
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gethan hat, weisen unsere Akten und die der Com. aus. Es ist fast kein Dekret an diese ergangen, in welchem
ihr nicht die richtigen Maßregeln, die sie zu ergreifen hat, dringend empfohlen und gegen Punkte ihrer schon erlassenen, aber hinterher eingeschickten, Pnblikanden, Er-
innerungen gemacht find. Dies aber hat sie höchst übel aufgenommen, nnd nachdem Scheffner mir schon privatim,
Auerswald der Seet. officiell den wohlmeinenden Rath ge-
geben hattc, die Com. ja nicht zurechtweisen zu wollen, sondern nach ihrem Gutdünken gewähren zu lasfen, langt
nun gestern der oben erwähnte Brief an, worin S. droht, er werde vom Könige den Abschied aus der Com. fordern, und mit bestimmtcr Andentnng, Jhr Schreiben habe gewisse, allerdings mit ihrem Geist übereinstimmende Acußerungen einer nculichen Verfügung veranlaßt, mich als
den Decernenten — wie er das errathen, weiß ich auch
nicht! — verklagt. Herr v. H. denkt viel zn richtig, als daß er die Sache aus Scheffner's Gefichtspnncte nehmen
sollte. Ein ähnliches officielles Schreiben der Com. selbst steht nns noch bevor.
Sie sehen hieraus, wie die Sect. selbst gegen diese
Com. steht. Sch. Schreiben, oder ein ähnliches, war mir nicht nnerwartet. Aus dem Scheine, den die Com. fich gab, als ob fie eine Immediat-Com. wäre, aus der Machination, daß A. immsckints ihr Präsident wurde, ans ihrem Benehmen nnd aus vielen äntis die nur zusammengenommen einen moralischen Beweis bilden, war es
mir lange wahrscheinlich, nnd ich habe es in unserer ersten Session hier in B. gesagt, daß entweder Zeller selbst seinen
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bisherigen, mit Hnlfe von mancherley Mitteln durchgefochtenen
Kampf gegen die Regierungen gegen die Sect. selbst fort-
-setzen, oder doch gewiß, daß die Com. sich auch von der Sect. unabhängig zu machen snchen werde. Der Zeit-
punkt, wo dieser Plan explodirt, scheint nahe. Die Sect. selbst mußte, da sie unmöglich die Com. allein handeln lassen, und zu allem ihrem Beginnen still schweigen konnte,
ihn beschleunigen. Das Resultat steht zu erwarten. Es ist nicht unmöglich. daß es die Aufhebung der Com. — wenn diese nehmlich an den König geht — zur Folge hat, denn wir sind in allen Pnncten gerechtfertigt durch unsere Original-Decrete, durch die Berichte der Com. und manche Anzeigen.
Die Bemerkung erlauben Sie mir noch, daß die Com. in ihrem weitläufigen Publicando nicht sagt, sie wolle
nach Conduitenlisten die Prediger einrufen. Der Ausdruck, den sie da gebraucht, berechtigt nicht, an trockne Con-
dnitenlisten zu denken. Hierin scheinen Sie mir ihr etwas zu nahe zu treten. — Anch weiß ich nicht, was Sie unter dem exelusivo verstehn, das die Com. fnr die Methode
veranlaßt haben soll. Meinen Sie die Verfügung, daß Schullehrer nur interimistisch angestellt werden sollen? Darin
liegt noch nichts Excludirendes. Wir werden bey der bevorstehenden Musterung — wenn es noch dazu kommt — ja sehn, welche Lehrer Geist und Kopf haben, und welchen
es daran fehlt. Daß man sich, wenn man das Schulwesen
innerlich verbessern will, den Weg offen hält, die besten Subjecte hineinzubringen, schlechte zn entfernen, ist, dnnkt
mich, nicht zu tadeln. Die Methode selbst aber besteht in
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dem Zeigen des richtigen Suchens nach dem Jdeal einer objectiven Methode, dem wir wie iedem Jdeal uns nnr nähern,
nicht in einem Festschlagen und Bannen des Geistes in den
Mechanismus gewisser stehender Formen. So daß, wenn man anch sagte: Nur wer die Methode kann, soll Lehrer werden, dies nichts anderes hieße, als: Nur der geistig entbundene, aus dem rechten Wege, sich selbst durch eigenes
Suchen und Verstehen der Natur zu vervollkommnen begristene, soll Lehrer werden, nnd andere srnher geistig frey und wnrdig machen als er es selbst geworden. Fnr jetzt leben Sie wohl! Mit herzlicher Ergebenheit hänge ich auch entfernt an Jhnen. Wollte Gott, Sie wären
bey uns, so wäre auch ich vergnngter. Bleiben Sie gut Jhrem ergebensten
Snvern. Viele herzliche Grüße dem wackern Clemens, sür den wir diese Woche noch das Präd. als Reg.-Rth. nachsuchen wollen! 7.
Nicolovins an Schön. B., d. 14. -Apr. 10. Nicht in der Anmaßung, Preiß oder MLssslt zu gewinnen, delphischer Mann, sondern weil ich, um mit Sokrates zu reden, etwas nicht Schlechteres aus dem Herzen habe als
Sie, erlauben Sie mir hier ein Gegenzettelchen.
Leider ist die Protestantische Kirche irun einmal aus
Predigen gerichtet, und wie wollen Sie ihr eine andere Wendung geben, solange nnsere Gesangbücher leb- nnd geschmacklose Excremente sind, so lange unsere Agende so wenig
ansprechend, und die Abendmahlsfeyer nur für den Einzelnen
und im Stillen eine Feyer ist? Die Zeit soll komrnen, wenn
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Gott nür Leben und Muth frtstet, wo unser Gesangbuch, gleich der Bibel, ein Tempel schöner Denkmaler großer Mo-
mente heiliger Seelen, und unsere Agende, gleich der englischen, ein hocherhebender Anspruch zwischen Priester und
Gemeine seyn wird. Bis dahin mag man die Predigt als das Erste, und da znm Zuhören Wille nöthig ist, als das eigentlich Geschlossene ansehn.
Ob die Cultus-Section nicht Cultus-Polizey-Section zu brandmarken sei? Za, so wie eine Gertrud mit dem Namen
Magd, wenn sie verwaisete Kinder von der Straße ausnimmt, nnd Tagelang nichts thut, als sie kämmt und wäscht
und kleidet, oder wie Zelter mit dem Namen Zuchtmeister, wenn er die ersten Wochen über seine Buben nur dressirt. Ob die Section ihre polizeylich äußere Zucht recbt ansängt, das ift eine andere Frage. Aber die Sachen machen sich ost
anders, als sie sollten nnd angelegt waren. Abhängigkeit von Umständen ist überall. Wähnen Sie aber nicht, daß mir das Aeußere genüge, oder daß ich es sür das Erste halte,
wenn ich gleich jetzt hier alle Kirchen im buchstäblichsten Sinne fegen und stobern lasse. Jn mir stestt das hohe Ziel in wachsender Klarheit, und ich würde Wunder thnn, wenn
ein hoher Sinn, wie der Ihre, neben mir stände, oder ich Reinhard in Dresden zum Gehnlfen genommen hätte. Wäre die Section was sie seyn sollte, ein Tempel voll Ernstes und
heiligen Sinnes, sie würde schon durch ihr bloßes Daseyn, anch ohne besondere Operationen, Großes wirken. Iezt aber,
da Scheu vor allem Ernst, Geiz und Wollust eine Seele beherrscht, die nur den vergänglichen Nuhm bei Menschen kennt; in einer andern alle Ouellen ächten, hochstrebenden
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Lebens versiegt sind nnd ein rnnre rnorto entstanden ist, in dessen Nahe anch die höhere Schwnngkraft gelahmt wird
u. s. w. u. s. w.: da nnch man das heilige Feuer langsam nahren, nnd der immer unauslöschlichen Kraft und der schützenden Göttin trauen, daß es dennoch siegen nnd das
llnreine verzehren werde. Und dieser Glaube ist mein Trost und meine Begeisterung, nnd er sey auch Jhr Vertrauen zu mir. Jch werde sest stehen und unbesleckt, und wenn auch
nicht schnell, doch sicher, an das Ziel gelangen, das mein eigner Genius mir nicht minder hoch steckt, als verwandte
und reichere Geister, z. B. der Jbrige. knx vobnsonni! N. 8.
An Schön. Z Königsberg, den 29. May 1810. Die Schwaben, mein Hochverehrter! sind nicht so dumm
als sie anssehen. Meinen Sie, ich werde Jhnen jetzt — schriftlich — alles nur so sagen, was ich auf dem Herzen 0 Karl August Zeller geb. 1774 hatte Theologie studirt, war Prediger in Brünu. 'Jur Jahre 1803 war er zu Pestalozzi gegangen, und wiederholte diesen Besuch, nachdem er in Ziirich Direktor einer Bildungsanstalt gewesen war, im Jahre 1808. Die Pestalozzische Lehrmethcde hätte in Preußen schon vor 1806 versuche-weise Eingang gesunden, und eo waren in einer Anstalt zu Berlin schon mehrere junge Männer, unter ihnen auch Friesen und Zahn, nach derselben auogebildet worden. Nach der unglücklichen Katastrophe und während der Hos in KönigSberg residirte, interessirte die Königin Louise nnd dann auch der König selbst sich dasür, und man entschied sich dafür, die Volksschulen nach Pestalozzi's System einzurichten. Man sendete eine Anzahl sunger Leute zu Pestalozzi nach Hoswyl, und der Minister v. Schrötter empsahl dieselben dem Meister, damit sie „an der reinsten Quelle schöpsen" könnten. Jnzwischen aber
wurde sofort Zeller nach Königsberg berusen, und zum Schulrath er-
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habe in Betreff der Normalinstitute? nnd die schöne Gelegen-
heit vornberlassen, Sie, vnrn avi8 in Iris tsrriZ, recht bald wiederzusehen? Darnm muß ich anch mich schon ein wenig
vor machen, damit Sie — um Jhrer eigenen Seele Seligkeit willen recht bald wieder hierherkommen, und das schreck-
liche Unwesen, das in meinem Hause getrieben wird, in der
Nähe zu sehen, um sich ein klein wenig todt zu lacheu. Wissen Sie denn, daß Ende dieser Woche nicht weniger, als
200 Menschen in diesen Mauern leben und weben. Etliche
30, worunter süns die Schulmeister eines Haufens von 60 kleinen Thiermenschen sind, welche die Freyschule des Kön.
Normalinstituts ausmachen. Dazu l12—120 Superintendenten, Pröbste, Pfarrer, Diaeonen, Kaplane, Vicarien und Hotmeister aus Ost- nnd Westprenßeu, Litthauen, Pommern,
Schlesien nnd Brandenburg, die, wozu Gott bald ihnen verhelsen möge, Perücken und Kragen ab- und Kindersinn anziehen sollen. Das wird dann ein Schauspiel sür Menschen,
wie Sie einer sind und nur Einmal werden wirs erleben. nannt. Er sollte in dem am Sackheimer Thore belegenen Waisenhanse ein „Normalinstitut" einrichten, um Lehrer und Geistliche snr den Schuldienst vorzubereiten. Aus diese Mission beziehen sich seine Briese an
Schön. Die Seminare zu Brannoberg und Karalene hat er anch eingerichtet, und er wnrde wohl trotz ganz absonderlicher Wunderlichkciten eine große Wirksamkeit entfaltet haben, wenn nicht die Kriegsnnruhen
nnd daö Einrncken der Franzosen im Jahre 1812 der Schulmeisterei einstweilen ein Ende gemacht hätten. Er wurde mit einer Pension und einem kleinen Gnte abgefunden, und hat sich dann in seine Heimath zurnckgezogen. Zeller starb 1847. Sein Nachfolger in Ostpreußen wurde nach dem Frieden Dinter.
(Dergl. iiber Zeller den Brief Scheffner's an Schön vom 26. Dezember 1809. Aus den Papieren Th. I. Bd. 2. p. 244, und Süvern'S vorstehenden Brief vom 26. März 1810, Seite 17.)
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Antworten Sie mir, Theuerster! ob Sie abkommen können
im Laufe dieses Monats, dann melde ich Jhnen, wann Sie am schicklichsten können.
Von den Normalinstituten einstweilen so viel! Noch seh
ich nicht naus damit! Aber ich muß lachen über anderer und
meine Zweisel, denn mein Auge, das so manches Wnnder sah in diesem prosaischen Preußen, nnd so viele prosaische Menschen nolsntsZ voIentsZ poetisch werden, d. h. schaffen,
mit wirken sah zum großen Plane, das wird noch manches Wnnder und seine Lnst sehen. Darum wirds gehen mit den Normalinstituten. Jch bin eben beschäftigt, einen Plan über das organische Gesetz dieser Dinge auszuarbeiten; denn bey
mir kommt das Wort erst durch und nach der That wie die D.nelle durch Sand und Steine; und darum darf man hoffen, daß es ein festes, yroyhetisches Wort werde. Hat die Section dasselbe geheiligt, dann geht leichter das Uebrige.
Was Herrn Graff betrifft, so kann ich nur das sagen, daß ich ihn noch nicht genug kenne, denn er hat das Herz nicht so auf der Zunge, wie ich und thut wohl daran, und handeln sah ich ihn noch nicht. Vor seinem Kopfe habe ich alle Achtnng. Aber er ist Regierungsrath und verheyrathet, d. h. er bedarf eines Einkommens, das größer seyn muß, als das eines Waisenschulmeisters cinn tnlis. Daß es aber sehr schlimm sey, wenn der -Negiernngsrath den Schulmeister
füttern muß, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Mit Einem Worte, der Vorsteher eines Normalinstituts, mit wel-
chem ich zu thun haben soll, mnß seyn: ein junger Mann mobil, wie ich, um, sobald er nicht weiter kann und weiß, wieder zu mir zu kommen und einem andern Platz zu machen;
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der mit 2—Z gleichfalls mobileu Zöglingen sich als Bestandtheil des Ganzen, des Schulmeisterordens ansieht, nnd geht,
kömmt und macht wie sein Gott Kopf uud Gemüth durch den Mund des Schulmeisterordensmeisters ihu gebaut. Vor
allenr aber muß er wissen, daß er ein elender Tropf, daß mit seiner Macht nichts gethan, sonderu daß der heilige Geist
in den Schwachen mächtig ist. Dann, daun bringt Er unter-
stntzt von den 2—3 Iungen, die ich ihm mitgebe, Etwas zu
Stande, womit man fürs erste Jahr vorlieb nehmen kaun. Denn jedes neue Normalinstitut, das in diesem Jahre eutsteht,
muß zwei Periodeu haben —- die Novizen- und die Meister-
periode. Jm ersten Jahre nehmen wir 20—30 Iungen auf, aus dem Glückstopf gegriffen; ein Drittel davon taugt was, die andern sind, einige wlnheilbar d. h. organisch — zerstört, die andern schwach, die müssen nach Jahresfrist alle fort und
den Kraftjungen Platz machen, deren Genie den neuen und erneuerten Schulmeistern und Pfarrern in die Augen schnellt
und aus den neuen Schultabellen ansgezogen und conscribirt werden, damit das heillose Necommandiren, womit mich
die Menschen bis auf den Tod quälen, aufhöre. — Wenn dann das Normalinstitut in völliger Abgeschiedenheit von der alten Welt 6—8 Monate gelebt hat, dann muß es für l—2—3 Monate für Conferenzen nnd Curse geöffnet werden,
und dazu wäre Graff der Mann, der sollte, wenn ich fort muß, alle Jahre, in jeder dieser drei Provinzen sechs Wochen
lang — in den neuen Normalinstituten, mit litternkm und illittzimtm schulmeistern, dann wird das Unmögliche möglich!
Er als Regiernngsrath — mit innerer Weihe und äußerem Ansehen, lebte der alten der Jüngling mit innerer Weihe
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ohne äußeres Ansehen nnt 300—400 Thl. und freyer Sta-
tion zufrieden der Kinderwelt seines Normalinstituts. Jch aber — bleibe ich, wie ich denke, auch künftigen Winter in Königsberg, —- ziehe umher in den nenen Jnstitnten und schicke bald diesen bald jenen nach Bednrfniß.
Auch in Brannsberg meine ich, wird eines zu Stande kommen. Das Lokal des dortigen Schlosses wäre unvergleich-
lich und edle, gute Mcnschen habe ich da gefunden, die eine
herzliche Freude hatten an meinen Kindern. Diese marschirten in anderthalb Tagen hin, lebten dort herrlich nnd in Freuden, machten eine Prnfung vor den Damen und Herren
Braunsbergs, machten vieler Menschen Herzen offenbar und
fuhren heinr in den Eguipageir der Kinderfrennde. 15—20 Damen konnen die Rnckkehr des Braunsberger Schnlmeisters
kanm erwarten, und haben mir in meine Hand gelobt zu widersageu dem Teufel und allen seinen Werken und Wesen
und den Kindlein zu seyn, was fie nach Gottes Rathe seyn solten. Sie wolten dann eine Filialsoeietät der hiesigen Gesellschaft, die sich gleich nach beendigter Conferenz wieder
versammeln solh ausmachen. So —- geben Sie Acht — wird am Ende erfullet, was ich einmal zum Könige sagte, wenn er nicht eine Million gebohrner Schnlmeister kommen
lasfe und 2 — 3 Millionen Colonisten, die die neue Landwirthschaft lernen; so sey weder fnr das Schul- und Erziehungswesen noch fnr die höhere Bodencultur das Mindeste zu hoffen; daß jene die Mutterwelt, diese die Kinderwelt seyen,
bedarf fnr Sie keiner Deutnng. Unsere kleine Zürcherserwirthschaft ist gar niedlich, und
änßerst komisch, unsere Jnngen auf Bäumen sitzen und
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Schulmeister grabeu, sahren, jäten und schulmeistern zu seheu.
Wie indiscret Journal- und Bncherschreiber meine liebe,
stille kleine Welt der lehrhungrigen Welt preißgeben und im
Koth herumzerren, wird Jhneu bekaunt seiu. Mein Glaube
war, wo ein Oedsk ist, muß auch ein Oosäik seyn und wenn dieser N. meinen ehrlichen Namen zerreißt, wird jener
N. ihn wieder zu flicken wissen. Aber, Theuerster! was siel Ihnen ein, den lieben, guten alten Herrn in unser Haus zu schicken, in dieser Woche des
Wirrwarrs und Getümmels im Hause? Weun ich ihm nicht 3—4 Tage eine cursorische Repetition gebe, so sieht er nichts
mit sehenden Augen und nimmt dann einen Eindruck mit sich, welcher der Sache nicht günstig ist, und zu dieser Repe-
tition ist jetzt keine Zeit. Die Kinder hatten vier Wochen lang Ferien, d. h. sie arbeiteten im Felde und machten eine Fußreise
uud mußten mit Benutzung jeder Minute vorwärts, nicht steheu
und wiederhohlen. Jhr Lithauer, Gratztatis, ist ein tresflicher Knabe geworden, der unserm Viehstall vorsteht nud mich ost mit Vergnügen an die braunen Sennen des Rigi erinnert, denn er ist außerordentlich weit in der Gymnastik. Der andere große,
Macik, thnt auch was er kann; aber er kaun eben sehr wenig.
Genug! Das ist der größte Brief, den ich, seit ich denke, geschrieben habe. Wie viel könnte ich Jhnen anch von meiueu
neuen Christen schönes sagen; ich muß abbrechen, Klage der
Buchdrucker. Leben Sie wohl — machen Sie mir die Freude,
Sie bald wiederzusehen. Jch ehre und liebe Sie.
Zeller.
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9.
Königsberg, den 10. Aug. 1810.
Mit Mnhe schreib ich Jhnen, Verehrungswnrdiger! Meine Hand zittert wie eines Greisen Hand. Mein Nervensistem ist schrecklich überreizt, nnd ich unterliege, wenn mein
Zustand sich nicht bald ändert. Schon liegt der Gedanke mir anf der Seele, erst noch spät im Jahre eine Reise in's sndliche Deutschland zu machen, denn daß die Reise dorthin
gehen werde, wird mir beynahe zur Gewißheit, wenn ich an die mannigsaltigen Veränderungen am Hofe und im Ministerio und an so manches Ändre denke, was anders ist,
als vor einem Iahre. Wnrde Wißmann es gewagt haben, mir um eines so nichtswürdigen Ilmstandes willen, ein Miß-
fallen, das zweite, seit ich hier bin, zuzuschicken, wenn er nicht Wind von einem andern Winde hätte? Ew. Hochwohlgebohren werden mein letztes Schreiben
an die Seetion gelesen haben, wo ich von diesem Mißsallen ansführlicher sprach.
Noch kann ich das mir abgeforderte Tagebuch nicht ab-
senden; Bnrgund, der es Herrn Wißmann zur Censur über-
gab, wird erst Sonntag, den 12., znrückkommen, nnd nur diesem, so wills die Form, will er es übergeben, wie aus seinem meinem nächsten Schreiben beyzulegenden Billet er-
hellen wird. Vielleicht kommt mein geschwächter Körper zu Pobethen,
wohin ich auch 8—10 Tage zu reisen gedenke, wieder zurechte. Jch mnß ihm zur Ehre nachsagen, daß er sich wacker gehalten — ein Leinenhaus, das unter so anhaltendeni Regen
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noch nicht zusammengesunken ist. — Jndeß ist lange anhaltende Ungewißheit — ich rede aus bitterer Erfahrung —
Gift für mich; und darum befreundete ich mich mit dem Gedanken an die Heimreise nach den Bergen, wo Friede wohnt und Freyheit. Meine Welt ist die Kinderwelt, ich finde sie unter Hofleuten wie unter Hottentotten wieder, und
ich muß sie wiederfinden, denn ich kann und will in keiner
anderu mehr leben, ich der ich Uurdurus bin, weil die Wenigsten mich verstehen.
Klein hat sich ausgezeichnet brav gehalten, so auch die Lithauischen Präcentoren, von denen ich, wenn sie Schuiz
finden, viel gutes hoffe. — Macik und Graßtatis halten sich vortrefflich, seit die schreckliche Borkenraupe, die am Walde
der Preußischen Nation nagt, in ihnen vertilgt ist. Sie und die übrigen sechs Schulmeister haben mich bereits zum Groß-
vater gemacht. Zwey treffliche, talentvolle Iungen, Schüler ihrer Freyschule, sind ihr Werk und zur unglaublichen Freude
der kleinen Schulmeister — ein Produkt der Methode — vorige Woche als Zöglinge eingetreten.
Der Gedanke an die Trennung von diesen Kleinen, deren 20 mich seit Monaten Vater nennen, ist mir entsetzlich.
Darum, wenn meine Bitte auch nur den mindesten Werth für Sie hat, mein Edler Freund! so Helfen Sie machen, daß bald geschehe, was geschehen soll.
Jhr Andenken und der Wenigen, die mir theuer geworden sind, seyen die Goldkörner, die ich gesammelt an Pregallas Ufern und heilig bewahren will auch in weiter Ferne.
Zeller.
34 10.
Schön an Zeller. (Concept eigenhändig.) Sie wollen Trost von mir, und ich gebe ihn Jhnen gerne.
Aber ich kann nur den geben, den ich Jhnen gab, als ich Sie zuletzt sah. Nehmlich, wenn Jhr Nerven-System überreitzt, und dieß Folge Jhrer Pflicht-Ersüllung ist, so liegt daran Nichts. Sie sollen sortsahren in guten Werken, zu trachten nach einem neuen Leben, unbekümmert der Welt
und der Folge Ihrer Handlung. Aber dann müssen Sie nicht denkeu an die Veranderungen am Hose und in den Ministerieu und noch weniger ein Mißfallen achten, wenu Sie es nicht verdient haben, es werde zum ersten oder rnale bezeigt. Es kommt darauf an, daß Sie Schulmeister sind, und einzig und allein Schulmeister sind und für
Jhren Beruf leben und sterben. Die Leiden, die Sie habeu,
Sie wollen Wahrheit von mir, sind Leiden, die Jhnen nicht
Jhr Beruf giebt, sondern die der Austritt aus der Schule, Jhr Leben in der Welt, wohin Sie nicht gehören, erzeugt.
Der Himmel strast Sie mit Recht, sobald Sie für fich oder Jemanden sonft, als Jhre Schule leben wollen. Aber
wenn Sie dieß unbedingt, aber unbedingt der Wahrheit
huldigen, Jhren Plan mehr auf Liebe als auf Strenge gründen, und überhaupt der Welt, uud weltlicher Herrschaft
und weltlichem Glanze entsagen, die einmahl sür Sie nicht da sind, so müsfen Sie ein überaus glücklicher Mann seyn,
und wenn Gott Sie unglücklich werden läßt, sobald Sie von Jhrer Bestimmuug weichen, so thut er Ihnen wohl. Huldigen Sie aufs Neue der Wahrheit, werfen Sie weg, was Täuschung seyn soll, entfernen Sie Alles, was auf
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den augenblicklichen Eindruck berechnet ist, leben Sie allein für Jhre Kinderwelt, ohne Kämpfe zn snchen, so werden Sie,
sey es zwischen den Bergen oder an der Ost-See ein glück-
licher und großer Mann seyn.
Gott sey mit Jhnen. 11.
Aus der Selbstbiographie II. Eine Probe meines Charakters sand nach meiner Znrück-
kunft von Berlin (1810) statt: Sehr bald nachdem ich in Gumbinnen die Präsidenten-Stelle angetreten hatte, bekam ich von W. Humboldt, als Ches des Geistlichen Departements,
die Aussorderung, dem ersten Geistlichen einer Stadt sein sittenloses Leben vorzuhalten und ihn zu Niederlegung seines
Amts zu veranlassen, und in Ou8u ciuock uou eine gerichtliche Untersuchung gegen ihn zu veraulassen. Der Geistliche
leugnete die Anschuldigung und die Sache wurde dem Gericht übergeben. Obgleich ich vor dem Auftrage den Mann nicht dem Namen nach kannte und noch weniger von seinem Leben etwas wußte, hielt derselbe mich für seiuen
Verfolger, und schickte einige Zeit nach der Vorladung einen
xuZciuilluutsu Artikel gegen mich zur Aufnahme in das Gumbinner Jntelligenz-Blatt ein. Der Zensor war verreist und ich hatte für diese Woche selbst die Zensur übernommen.
Der Correcturbogen wurde mir gebracht, und ohne, daß mein
Name genannt war, lag es am Tage, daß die Verläumdnng mich treffen sollte.
Jm ersten Augenblicke trat das Gefühl mit dem Prinzip
in Kampf, aber bald darauf setzte ich, gerade bei dem ver-
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lämnderischen Artikel, mit eigener Hand das Jmprimatnr bei, nnd Achtnng und Ansehen gegen mich haben dabei nicht
gelitten. Jm Gegentheil hatte ich den hohen Triumph, daß derselbe Geistliche später in einem Immediat-Gesuche den
König bat, mir die Untersuchung und Prnfung seines Antrages zu nbertragen, denn ich wäre ein gerechter Mann.
12.
An Schön. Braunsberg, den 20. -Upr. 1811. Der Schulmeister Zeller entbietet den Männern Gottes:
Schön, Schulz, Keber, Fernow, Clemens und Schulz seinen Grnß!
Hie Schwerd des Herrn und die Methode! Auf dem Niß gesprengter Verfassnngen sieht man ihre Fahnen wehn. Anf dem Mistbeet schrecklicher Zeitnbel, mitten nnter dem
Unkraut, das der Feind aussät unter den Weizen, keimt die
perennirende Pflanze, die uns Brod des ewigen Lebens geben wird.
Edle Männer und — darf ich hinzusetzen — meine Freunde! Jch folg' Euch. Was ich — scherzend — versprochen, will ich — ernst — halten. Unglaubig ob dem erbärmlichen Gange der Braunsbergischen Geschichte hätte ich
zn Allem ja gesagt, zu was Sie immer wollten. Jch habe Respect vor Euch und folge glaubig dem höhern Worte!
Zielinskjs und der Formen Widerstande danke ich den Sieg der guten Sache in Westprenßen, meine Reisen nach
Elbing, Marienburg, Marienwerder nnd ihre Folgen, ver-
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danke ich ein braves Weib und einen hoffnungsvollen Pflegesohn, einen Bauernknaben aus Lichtfelde.
Jene, eine vater- und mutterlose Waise, wird ureinen Waisen Mutter seyn.
Fnnf und zwanzig Schulen in Westpreußen, vier in Ermeland und Oberland, das Waisenhaus in Elbing, das die Stadt zu einem Normalinstitnte weihen will, die Soldatenschule und die Normalschule in Marienburg, deren Eröffnung
nahe ist, find die Werke, die der Vater dort gethan hat, auf
daß wir glauben und ferner in Liebe thätig seyn sollten. Mündlich mehr von diesen Geschichten.
Das erste Opfer, das ich bringe, ist Verzicht aus eine Reise, die ich im Julius zu gründlicher Wiederherstellung
meiner Gesundheit in ein Bad meines Vaterlandes thun wollte. Jch hatte mich seit fünf Monaten so gefreut auf diese
Reise. Will sie Gott nicht haben, so will er mich auch gesund machen, und dann will ich sie anch nicht haben.
Gestern den 19. Apr. erhielt ich zu gleicher Zeit mit einem Schreiben vom 29. März das andere vom 8. Apr. und antworte heute den 20. Apr., daß ich Sonnabend den 21. Apr. in Gumbinnen einzutreffen hoffe, drei Tage daselbst
bleiben, alle vorbereitenden Bedingungen, Einrichtungen re.
Jhnen vorlegen, am 4. May wieder hier seyn, am 7. May in Marienburg mich copuliren lassen und bis Ende Juny dem hiesigen Jnstitute leben will.
Soviel Zeit möchte wohl für Sie nöthig seyn, bis das Jnventarinm angeschafft ist, und aus den lithauischen Schulen,
in welchen die Methode Eingang gefunden hat, die Kinder, deren Anlagen sie bewährte, conseribirt sind.
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Auch jenes Schreiben vom 30. May 1810, das mir aufträgt, ein Unterrichtsmittel der christlichen Religionslehre
vorzuschlagen, kann ich nun zu Jhrer Zufriedenheit beant-
worten. Die erste Probe der Ausführung meiner Jdee hat den Beyfall wnrdiger Geistlichen beyderley Confession erhaltcn, und bewährt sich bereits in der Marienburger Schule. Jch meine: eine vom Kinde ausgehende elementare Analyse und Synthese der Evangelien, wovon das Evangelium Mathäi vollendet ist. Eine christliche Religionslehre ausgehend von Jesu selbst,
bearbeitet von den Kindlein, die er herzte und segnete.
Jch werde meine Arbeit Jhnen vorlegen. Zur Beantwortung des dritten Reskripts, den Grastatis betreffend, kann ich nichts mehr geben als die beyliegende Qnittung, da die Beläge in Königsberg liegen und im gegenwärtigen Falle überstüssig scheinen.
Schenke uns Gott ein frohes Wiedersehen.
Zeller. 13.
Kumetschen (vergl. A. d. Payieren Th. I., xaZ. 61., Anm. 1.),
den 20. Sept. 1811. Da bin ich wieder, in der bedentungsvollen Einsamkeit,
wohin Gott die Behörde und Sie mich riefen, heimgekehrt ans den pontinischen Sümpfen, die ich bereist habe in dem Lande, das von Jhnen, edler Mann, eine bessere Znknnft
hofft. Ach mich jammert dieses Volks, das in Finsterniß fitzt und Schatten des Todes. Ach und es wird so bleiben, wenn — Sie nicht kräftig helfen.
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Noch habe ich ein Schreiben zu beantworten, das Sie
am 25. Uugnst 1810 an mich erließen. „Ich soll, schrieben Sie, „aufs nene der Wahrheit huldigen, soll wegwerfen, was
Täuschung seyn soll, soll entfernen, was nur auf augenblicklichen Eindruck berechnet ist w." Daß ich wahr gewesen und gcblieben, hat das vergangene
traurigste Jahr meines Lebens bewiesen. Daß ich's noch bin,
soll Jhnen das erste Wort bewähren, das ich jetzt, als freyer Mann, der keine Menschenseele fnrchtet und von keiner was
will, knrz „als Schulmeister, der sonst nichts sein will
und fnr seinen Beruf lebt und stirbt" mit Jhnen spreche.
Jch danke Mayern, daß er — in seiner knrzlich erschienenen Schrift mich der peinlichen Mnhe nberhoben hat,
von dem schrecklichen Znstande der Volkscultur in Lithauen
Jhnen eine Schilderung zu machen. Genug, daß es wahr ist, was er sagt, und Wahrheit mnß ja vor allem der wollen, der einst vor den richtenden Gott treten will — sprechend: „ich habe deren keines verloren, die Du mir gegeben hast." Was ist zu thnn?! Ach es kann leider nicht auf angenblicklichen Eindruck berechnet werden, was gethan werden
muß, denn nicht eine „knlmln rnsn" ist dieß Volk die nur gleich mit unvertilglicher Dinte beschrieben werden dnrfte, es
ist eine von Rost zerfressene eiserne Tafel, die erst — Gott
weiß, wie lange — abgeschliffen werden muß, eh sie beschrieben werden kann. Dazu ist mein stilles Wirken nicht hinreichend, wenn Sie nicht der eifernde Moses seyn wollen,
der die Tafeln (Lehrstand) zerschmeißt, die nicht verdienen,
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beschrieben zu werden und sich erst neue Tafeln (im N.-Jn-
stitute) haut.
Seit Monaten hofste die Gemeinheit mancherley, was
allerdings oortrefflich in ihre Pläne yaßte. Es ward so still mit dem rasch angefangenen Wesen. „Herr von Schön, hieß es, sey des Unwesens müde w." Meine Ankunft nnd der Ernft,
womit Sie, Verehrungswürdiger, jetzt das Wort gestalten in Leben, hat jenen Menschen das Concept verrückt und sie er-
warten nun geduldiglich, was nnn weiter von Jhnen ausgehen werde.
Würde ich wahr seyn, wie Sie wollen, daß ich es sey,
wenn ich Jhnen ferner verhehlte: daß man in Königsberg mit Sicherheit erwartet, ich würde nur zu bald wieder umkehren,
weil es undenkbar sei, daß zwei Naturen wie die Unsrigen sich vertragen könnten. Welche Begriffe diese Menschen von
unsern Naturen haben mögen, das weiß Gott. Soviel aber weiß ich, daß die Meinige felsenfest entschlossen ist, sich mit
der Jhrigen zu vertragen, anch wenn Sie das Gegentheil von dem allem hätten, was ich unbedenklich ihr zueigne: Reinheit der Absichten,
Kraft des Wollens,
Klugheit ..^ ^ : ur der sAusstwruna. Eonseqnenz f
Der Mann, der sich sür Sie verbürgt hat, als ich mit blutendem Herzen mich von ihm losriß, der Mann, der — ohne Berus — ohne Amt und Amtsbrod — einer Provinz Wohlthäter geworden, und nachdem. er längst die Eitelkeit des Weltlebens erkannt hatte, mit nnerhörter Hingebnng nur
seiner Kinderwelt lebt, der gab mir den Trost mit,
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daß Sie mir seyn wnrden, was Er mir war: Oestreich klug wie die Schlangen,
„ ohne Falsch wie die Tauben, „ warm empfindend fnr die Rechte der Unschuldigen,
„ kalt prüfend, was zu ihrem Frieden diene. Was ich mit ihm bewährt habe, das wird Jhnen, noch ehe Sie es selbst und naher prnfen, wenigstens empfohlen seyn,
denn der Freund, der es bewähren half, ist anch der Jhrige.
Was ich in den Beylagen schrieb, das ift auch ihm, ich weiß es, aus der Seele geschrieben. Entscheiden Sie bald!
psrierrlum in morn! Ob ich von den Bedingungen meines Wirkens in Lithauen,
von den erften Schritten, die von Seiten der Behörde, deren
ruhmvoller Chef Sie sind, in Sachen der Schnlreform geschehen sollten, Classification der Schulen, Prüfungsmethodus,
die Praecentoren, betreffend die Laufschulmeister w., etwas
sagen und so sagen soll, daß es nicht in den Tag hinein gesagt ist, das hängt von Jhnen ab. Jch überlasse mich Jhrer Disposition, denn ich mnß wirken, so lange es Tag ist, es kommt nach sechs Monaten die
Zeit, wo ich — in Lithauen nicht mehr wirken kann. Möge Jhnen dann die Gottesfreude zu Theil werden, anschauen zu
kommen, was gemacht ist, und zu sprechen:
„So es ist sehr gnt."
Zeller.
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II.
Aus der Briegs?eit. 14.
An Schön. Leipzig 29. Novbr. 1.3. Auch Sie find verschwunden, leider, kann man sagen, wie so viele; gottlob noch nicht unter dem Boden, der schon so manches brave Herz bedeckt. Jch wollte, Sie wären hier, und gubernirten. Jch sitze hier und schwärze Gedanken, die Kontrabande
find, in die Welt! Hier sende ich Jhneu ein Pröbchen, was Sie nachsichtig beurtheilen werden. Jch hätte dem großen Gegenstande wür-
diger sprechen köunen und sollen, sie vsrdu Zruuckioru ok
uuZu8tu terrsut 8tuIto8, orZo — Es scheint zu gehen, und wird gehen mitten durch alle Dummheiten und Thorheiten. Jch mache mich aus viele
gefaßt; wir sind zu ties herunter, wir können nicht aus ein-
mal besser werden. Tacitus vor 1700 Jahren klagt schon: turckioru 8uut romockiu — wenigstens
— halb blind, itzt hat er mich völlig sehend gemacht. Mein Beispiel wird Andere anch vorsichtiger machen.
Das Ministerium des Jnnern, also Herr v. Schuckmann,
den ich zweimal bei dem Kammergericht verklagt hatte, hat durch die Regiernng ^— welche, wie es scheint, eine Freude
daran hat — mir bekannt machen lasfen, daß ich von itzt ab nur monatlich und zwar postnumerando mein Gehalt, und zwar nach beigebrachtem landräthlichen Attest, daß ich in meinem Wohnort mich befinde —- also ein complettes Exil
— bezahlt erhalten solle; ich fühle mich sehr unglücklich in
der Lage zu seyn, die 300 Thlr. zu bedürfen, wenn es mir irgend möglich, ich thäte darauf Verzicht. Sie wollen itzt
Alle an mir zu Pillen werden, o die Elenden! Durch alle diese Ereignisse ist meine schon so sehr angegriffene Gesund-
heit so sehr angegriffen, daß es mir oft Mühe kostet, einen Gedanken zu fassen, daher habe ich anch dieVollendung desAufsatzes vor derHand aufschieben müssen, es greift mich Zu sehr an.
Ew. Excellenz sagen in Jhrem Schreiben, „daß der Vor-
schrilt der Welt zu nngeheuer wäre, als daß im Momente der Gedanke gefaßt und entwickelt dargestellt werden könnte."
— ich gestehe aufrichtig, daß ich den Vorschritt, von welchem
hier die Rede ist, fnr so ungeheuer nicht halte, und bin der Meinung, daß gerade in diesem Dafnrhalten die Deutschen
so sehr zurnckbleiben, und nicht eher vorwärts können, als
bis sie bei anderen Nationen sehen, daß es geht. Es hat unter den Deutschen viele Köpfe gegeben und giebt an noch,
die glückliche Einfälle haben, aber wenn sie mit auftreten, so schreit ihnen gleich eine Menge entgegen: „das ist zu ungeheuer oder geht nicht!" nun wird geschrieen und geschrieben,
zu beweisen, daß der Gedanke nicht ausgeführt werden kann, wenigstens daß noch viele Vorbereitnugen vorangehen müssen;
unterdesfen benntzen andere Nationen unseren Einfall, nnd
nach Jahren sehen wir erst ein, daß es geht, nun ahmen wir wie die Affen nach und rühmen uns — eigentlich zu nnserer Schande, daß wir es nicht zu benutzen verstanden haben — daß es eine deutsche Erfindung ist. Weiter mag ich hierüber nichts sagen, aber so viel halte für nöthig zu bemerken, daß doch von dem, was in beiliegendem Anfsatz über die Schule gesagt ist, auf der Stelle manches ausgeführt
werden könnte, und daß Ew. Excellenz auf Jhrem Standpunkt sehr viel vermögen könnten, wenn Sie nnr einen Einzigen bei der Hand hätten, der Jhnen einigermaßen dabei
behülflich wäre, und sollten Sie dort an Solchen so arm sein, daß anch nicht ein Einziger vorhanden wäre? Wäre es so, so wäre es freilich schlimm, aber im Grunde nicht besonders, denn wir find reich an Worten, aber arm an
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Thaten, wenn's erst zum Handeln kommt, da bleibt's gewöhnlich stecken.
Wie stehts mit dem Buche vom Aberglauben? Nehmen
Ew. Excellenz es nicht übel, daß ich anfrage; auf halbem Wege muß man nicht stehen bleiben, wenn man nicht etwa durch unwiderstehliche Gewalt aufgehalten wird; ich fing damit bei Auerswald an, es ging nicht; ich setzte es bei Ew. Excellenz fort, es fing gut an, gerieth aber in's Stocken, vielleicht wird's nun gehen, geht's nicht, so muß ich wieder weiter versuchen, denn die Sache ist sehr nothwendig zur Erweiterung des Reichs Gottes.
Zst es Ew. Exeellenz möglich, niich auf irgend eine Art so zu ftellen, daß ich die 300 Thlr. absagen könnte, so wnrden
Sie mir einen großen Gefallen erzeigen. Am liebsten wäre es mir, wenn ich unser Land verlassen könnte, denn es wird
nun schon mir und den meinigen ganz zum Ekel; welches auch sehr natürlich ist, denn nnausgesetzt das Opfer der Ge-
setzlosigkeit zu seyn, weil man als ehrlicher Mann seine Pflicht, die man als Staatsbürger der Gesellschaft schuldig ist, möglichst zu erfüllen strebt, ist doch am Ende unerträglich;
und der ewige Kampf mit Schurken, die nur ihren Vortheil, und soltte das Vaterland dabei zu Grunde gehen, beabsichtigen,
wird endlich zum Ekel. Sie werden diese Bitte nicht unbillig finden, denn es ist Religionspflicht einauder beizustehen,
wenn die Schlechtheit uns zu unterdrücken sucht; so wie es
Religionspflicht ist, sich und Andere einem Verhaltnisse zu entziehen, in welchem die Kraft, welche man besser verwenden
könnte, gelähmt oder gar vollends zerstört wird; einem Morde — und dieses ist sogar Geistesmord — sich und Andere zu ent-
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ziehen, ist wohl Religionspflicht. Das Vaterland kann höchstens nur so lange von den Eingebornen gerechte Ansprüche machen,
als derselbe gegen Ungerechtigkeiten geschützt wird, und wenn
die Mitbürger für ihn auftreten, wenn Ungerechtigkeiten von
ihm verübt werden, und das ift doch ihre Pflicht, wenn die Behörden gesetzlich verfahren, denn dadurch, wie Sokrates schon gesagt hat, daß ein Jeder das Anderen zugefügte Un-
recht so betrachtet, als wäre es ihm selbst zugefügt, werden die Ungerechtigkeiten in der Welt bedeutend vermindert.
Durch die Verbannung hat man mich außer aller Verbindnngen gesetzt, und ich weiß vor der Hand nicht, was zu machen, und in welchem Lande ich ein Unterkommen suchen
soll; vielleicht wisfen Ew. Exeellenz guten Rath. Es wäre wohl nothwendig, die Lehmstrohdächer möglichst
allgemein einzuführen, sie find gegen Feuer und Sturm sicherer, ich habe bereits zwei. Meine Manier habe ich in Sachsen bekannt gemacht, und auch in Stuttgart habe ich ein kleines Dach dieser Art zum Muster eonftruiren lassen;
die Regierung will es dort verallgemeinern lassen. Wenn Ew. Excellenz in Jhrem Bezirk es bekannt machen und Muster dazu haben wollen, so würde ich hinkommen, wenn
Sie mir die Erlaubniß dazu answirkten. Meine Manier nnterscheidet fich sehr von der Gylli'schen, ste ist leichter.
Der Frau Geheimen Räthin Excellenz empfehle ich mich zum geneigten Andenken. Mit gebührender Hochachtung habe
ich die Ehre mich zu unterzeichnen
Hahnrieder.
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Antwort auf die Frage: Wie kann die Schule so gestellt werden, daß sie wenigstens einen Haupttheil ihrer Erhaltnng selbst erwnrbt? Zur Beantwortung dieser Frage bin ich von Sr. Excellenz,
dem Herrn.ausgesordert worden. Um allen möglichen Misverständnissen vorzubeugen, halte ich es fnr nöthig, erst
nber den Begrisf der Schule, da derselbe noch immer nicht allgemein genug nnd nicht klar gedacht wird, einiges zu sagen.
— Wer etwa behaupten möchte, daß man schon überall weiß,
was unter dem Begriss der Schule gedacht werden soll, der muß eine andere Kenntniß von diesem Gegenstande haben, als ich sie habe. Der Mensch in seinen psychischen Beziehnngen war von jeher der Hauptgegenstand meines Stndiums; welches sreilich, ob es nun schon dreißig und einige Jahre dauert, noch nicht voll-
endet ist; indessen bin ich doch nun seit dieser Zeit, in welcher
ich den Menschen und sein Treiben am Kymen und am Uralstrom, an der Wolga, an der Newa, an der Düna, an der Weichsel, an der Oder, an der Elbe, am Pregel, an der Donau, an der Etsch, am Neckar, am Rhein, am Mayn und an der Spree gesehen habe, in meiner Kenntniß so weit vor-
gerückt, daß der Begrisf der Schule nicht klar gedacht wird;
und wie es scheint, ist es auch anderwärts, wo ich nicht ge-
wesen bin, der Fall, sonst müßte uns doch schon etwas zu Ohren gekommen seyn.
Bereits im Jahre 1797 habe ich in meinen Briesen: Ueber Lievland, welche im Archiv der Zeit abgedruckt sind,
über vernachlässigte Schuldisciplin und deren nachtheilige
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Folgen aus die Moralität einige Worte gesagt. Der Herausgeber hat in einer Bemerkung gesagt: daß dieses doch nur von der Volksschule in Lievland gelten könne; ich frage aber:
wo ist irgend eine öfsentliche Schule, in welcher auf die Entwickelung der moralischen Bestimmung ganz vorzüglich Rück-
sicht genommen, und nichts beigemischt wird, was der Moralität hinderlich ist? ich würde eine Wette mit einem Jeden,
der es will, eingehen, daß mit höchst seltenen Ausnahmen, und wer weiß, ob man auch diese sinden würde, eine solche
öffentliche Schule vorhanden ist. — Zm Allg. Anzeiger sür
die Deutschen habe ich im vergangenen Jahre (1822) die Nothwendigkeit der Diseiplin abermals zur Sprache gebracht;
und ich trage keine Bedenken, sie hier abermals, und noch
öster, und so lange ich lebe, znr Sprache zu bringen, denn dergleichen Angelegenheiten müssen so oft in Erinnerung ge-
bracht wcrden, bis dagegen nichts mehr zu erinnern nbrig
bleibt. Unter Disciplin verstehe ich übrigens weiter nichts, als die Unterordnung der Neigungen unter die Herrschaft der
Vernunst, und zwar durch Mittel, die ebenfalls von der Ver-
nunft gerechtfertigt werden können, und von der Vernunft läßt sich nichts verantworten, und nur das, was allgemein gelten kann. — Versuche mit Schuleinrichtungen sind bereits genug gemacht, und werden noch gemacht, welches auch sehr
löblich ist; es scheint aber mehr ein Herumtappen, als ein nach haltbaren Principien gerichtetes Handeln zu seyn, und dieses rührt blos davon her, weil im Allgemeinen der klare
Begriff von Schule fehlt. Was ist nun eigentlich unter Schule zu verstehen? Doch
wol nichts anderes, als eine Anstalt, in welcher für die
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zweckmäßige Entwickelung der Gemnths-Anlagen der Jugend
gewirkt werden soll. — Daß man auf die Entwickelung der Gemüths-Anlagen der Jugend in solchen Anstalten gewirkt hat,
und noch wirkt, ist freilich wahr, aber es ist ja anch eben so wahr, daß das zweckmäßige dabei noch immer verfehlt wird.
In einzelnen Privathäusern mag wol dahin gewirkt werden, aber noch immer geschieht es nicht in öffentlichen Schnlen.
— Das Erkenntniß-Gefühl und Begehrungsvermögen find bekanntlich die Hauptvermögen des Gemüths nnd auf die Cultur des Begehrnngsvermögens soll ganz vorzüglich gewirkt werden; die übrigen sind nur Mittel zu diesem Zweck. Wer dieses nicht begreift, der muß erst anfangen zu lernen, und mit einem solchen läßt fich vor der Hand darüber weiter
nicht sprechen. Nnr für einige hat es Bedeutung, die über die eigentliche Bestimmnng des Menschen die gehörigen Begriffe haben.
In der Schnle soll also vorzüglich auf die Entwickelung richtiger Vorstellungen über das, was der Mensch im Leben
zu thun und zu unterlassen hat, gewirkt werden. Hier ist übrigens von einem Leben die Rede, welches ewig währet.
Die Negel für ein solches Leben klingt freilich anders, als die, welche man gewöhnlich giebt, denn nach dieser soll man
Gott und dem Teufel zugleich dienen können. Die Negel für ein ewiges Leben kennt aber keine Rücksicht, es soll da-
hin gestrebt werden, so zu handeln, wie man wollen soll, daß alle handeln sollten. Die Aufgabe ist freilich groß, aber sie ist nicht zu groß, fie ist der Natur der Menschen ganz angemessen. Daß diese Aufgabe übrigens von der Art ist, die nur dnrch Annäherung gelöst werden kann, wird wol
)44 denen nicht unbekannt seyn, welche nber diesen Gegenstand gedacht haben.
Wie ist es aber nnn möglich, auf dem leichtesten Wege,
die Iugend in der Schnle so zn leiten, daß sie mit dieser Anfgabe, in der Art fie zu lösen, innigst vertraut werden? Durch Lehre und Beispiel. Aber ganz vorzüglich durch Beispieh das ist die Hauptsache, und gerade fnr diese Hauptsache
geschieht noch immer viel zu wenig, sie wird noch immer nicht als die Hanptsache betrachtet, und dieser ist wol der bnndizste Beweis fnr meine Behauptung, daß man im Allgemeinen noch keinen klaren Begriff von der Schule hat. — Da der Lehrer zunächst auf den Zögling cinen sehr großen Einfluß hat, so ist es durchaus nothwendig, daß der Lehrev seine Neigungen zügeln könne, damit der Zögling keine Aus-
brüche wilder Thierheit, oder zügelloser Sinnegier von ihm
gewahr werde; und daher sind wol die Herrenhnter und die Ouäker ganz vorzüglich zu Erziehern der Jugend geeignet. Es ist freilich nicht zu läugnen, daß unter ihnen noch so sehr viele sind, welche über Relkgion ganz sonderbare
Begriffe haben; indessen stndet man doch auch uuter denen,
welche weder Herrenhuter noch Ouäker sind, eiuige, welche
ihre Religionsbegriste so weit gereinigt haben, daß ste unter Religion nichts anderes verstehen, als den Jnbegriff der Morah.
welche zu einer Denk- und Handelsweise verbindet, wie sie
altgemein gelten könne, und daß man unter Gott fich nichts anderes vorstellen könne, als ein gerechtes, allwissendes, allinächtiges u. s. w. Wesen, welches man nothwendig annehmen,
muß, nnl mit seinen Vorstellungen über die wichtigsten Angelegenheiten der Menschheit im Reinen zu seyn, und daß.
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dieses Wesen die Schicksale der Menschen vergönnt und einem
Jeden giebt und nber ihn zuläßt, was er verdient, und was
ihm dauerhaft möglich ist, daß man daher nicht murren dürfe, wenn nns dieses oder jenes trifft, was uns nicht gefällt, und daß man immer mehr und mehr in dem Glanben sich zu befestigen snche, daß das, was Gott thut, wohlgethan
ist! übrigens darf dieser Glanben uicht in Aberglauben ausarten, daß man nämlich Gott alles überlassen und selbst nichts
thnn solle; nein! wir sollen thun, was in unsern Kräften liegt, und haben auch diePflicht, zu thun das, was aufgegeben ist; nur
das, was wir nicht vermögen, sollen wir derLeitung Gottes über-
lassen. Und eine Menge find überzeugt, daß ein ewiges Leben notwendig ist, um die moralische Aufgabe durch unendliche An-
näherung zu lösen. Der Vorwurf, daß die Iustitutionen der Herrenhuter und Ouäker Geist- und Fleisch - tödtend sind, möchte wol nicht so ganz richtig seyn, denn diese Disciplin, diese Herrschaft über die Neigungen tödtet ja nicht, sie macht
im Grunde lebendig. Diese Gemütsruhe ist ja notwendig, um den Geist in seinen freien Wirkungen nicht zu hindern; daß es freilich auch Excesse giebt, ist nicht zu läugnen, indessen wird man auf der andern Seite auch Excesse finden, welche den Geist und Leib wirklich tödten, als da ist: Saufen,
Zanken, Schwelgen u. s. w. Das findet man aber unter den Herrenhutern und Quäkern nicht. Jst es nicht Geistund Leib-tödtend, wenn unsere Iugend anf Bälle und andere
Gelage von den Lehrern und Erziehern geführt wird, und man sie noch mehr thun läßt, und allen das Beispiel giebt, wodurch Leib und Geist berauscht, also tödtend wird! Das thut der Herrenhuter nicht. Früher stand ich auch im großen 10
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Vorurteil gegen die Herrenhuter, und als vor zwauzig und eiuigen Jahren ein Herr v. Resewitz aus Schlesien mir erzählte, daß Er seine Tochter einer Herrenhutischen Pensions-
Anstalt zur ersten Erziehung anvertrauen wolle, so wunderte
ich mich, wie ein vernünftiger Mann einen solchen Einsall haben könne. Er erklärte mir aber, daß die Jugend in solchen Herrenhutischen Anstalten am besten vor der natürlichen Wilö-
heit behütet, uud zu einem der Menschheit ziemenden An-
stande und Bezähmung der Neigungen hingeleitet werde. Der Mann hatte vollkommen Recht, und ich habe nachher
sehr oft an ihn gedacht und denke noch, und halte es sür Pslicht, einen Ieden aus Seine Ansicht aufmerksam zu machen.
Es verstehet sich übriges, daß auch hiebei eine Ausnahme zu machen sey.
Es ist mir nicht nnbekannt, daß man besonders in unserer
Zeit aus Krastentwickelung bei der Jugend hinarbeitet; man
könnte aber doch wol sragen: ob bei der Art, wie daraus gewirkt wird, nicht mehr Schwäche- als Krafteutwickelung zu erwarten ist? Sind die Ercesse auf den Universitäten, die leider itzt so häusig vorkommen, etwa Beweise von Kraft?
Warlich, sie sind Beweise von Schwäche; nur die Herrschaft
von Vernunst über die Thierheit ist ein Beweis von Kraft. Schwächlinge werden es sreilich nicht begreisen, aber darauf
kommt es nicht an. Bei dieser Gelegenheit wäre es uicht überslüssig zu be-
merken, daß in gegenwärtiger Zeit das Nniversitäts-Wesen im Ganzen ein wahres Unwesen ist, und man sollte endlich je eher, je lieber die ganze Universitäts-Verfassung ausheben,
um nicht das Unwahre noch länger sortdauern und noch
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mehr einnisten zu lassen. Eine palliative K'nr hilft nichts! Dieser Gedanke ist übrigens nicht neu, er ist bereits vor mehreren Jahren in der Revision der Erziehung zur Sprache
gebracht. Wer freilich mit dem Wesen der Cultur nicht gehörig bekannt isst wird sich einbilden, daß dnrch die Aushebung der Universitäten die Cultur sinken, wer aber damit bekannt ist, wird glauben, daß die Cultur dadurch sich heben
wird. Ilebrigens mnß ich, nm der Einwendung zu begegnen,
daß ich vielleicht aus Neid gegen das Universitäts-Wesen spreche, bemerken, daß ich selbst drei Jahre Student auf einer
deutschen Univerfität gewesen bin, und also Gelegenheit gehabt habe, das Universitäts-Unwesen kennen zu lernen. Man kann nicht sagen, daß es itzt aufgehört habe, die in der neue-
sten Zeit durch Studenten verübten Excesse beweisen noch
immer die große Erbärmlichkeit dieser Jnstitutionen.
Es muß, wie gesagt, alles angewendet werden, damit der Jüngling von den Lehrern kein böses Beispiel habe; in-
dessen ist es noch nicht hinreichend, daß der Staat dafür sorge, daß die Jngend-Lehrer nicht Menschen sind, die nngezügelt sich der Ausbrüche wilder Thierheit oder der ungeregelten Sinnegier sich überlassen; der Staat muß auch dafür sorgen, daß die Jugend überhaupt so wenig als möglich böse Beispiele gewahr werde, und daher muß die Gesetz-
gebung so eingerichtet werden, daß alle Staatsbedienten, da
der Staat sie mehr als Andere in seiner Gewalt hat, angewiesen werden, sich möglichst eines anständigen Lebens-
wandels zu besteißigen; Betrug, Zänkerey u. s. w. muß an ihnen vorzüglich bestraft werden, und sie können nicht über Unrecht klagen, wenn ihnen dieses gleich bei Uebernahme 10*
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ihres Anües zur Bedingung gemacht wird, daß sie zugleich
durch Loyalität und Beständigkeit auch außer ihrem Amte als Beispiel wirken sollen. Aber auch von Anderen dürfen solche Ausbrüche nicht übersehen werden Niemand darf dabei
über Unrecht klagen, denn ein Zeder hat schon die natürliche Verbindlichkeit anf sich, kein böses Beispiel Anderen zu geben.
Nach der Preusch. Gesetzgebung sind böse Beispiele, wenn gleich kein besonderes Strafgesetz darüber vorhanden ist, un-
erlaubt, denn nach Alg. L.-R. Einl. § 87 sind nur solche Handlungen erlanbt, die weder durch positive noch durch natürliche Gesetze verboten sind; böse Beispiele sind aber dnrch natürliche Gesetze schon verboten, denn dieses verbietet
alte Handlungen, von denen man wollen kann, daß sie von Andern nicht geschehen sollen, und dazu gehören auch böse
Beispiele. — Es ist eine in der That die Menschheit erniedrigende Erscheinung, wenn man auf öffentlichen Straßen
sogar seandaleuse Anftritte gewahr wird, das kann man vor-
zngsweise in Berlin und auf den deutschen Universitäten
gewahr werden. Zn Dresden, in Wien siehet man sie seltener.
Nach dem Beispiel kommt die Lehre. Diese muß vorzüglich anf die Entwickelnng des Begehrungsvermögens, also
auf das Thun und Unterlassen gerichtet seyn. Je einsacher
diese Lehre ist, desto mehr Wirkung ist zu erwarten. Keine Kompendien zum Auswendiglernen! bloße Beurteilungen über die Handlnngen der Menschen, ob sie recht oder unrecht, billig
oder unbillig sind, sind vorzüglich zu empsehlen. Unparteiisch müssen diese Beurteilnngen sein; der Schurke auf dem Thron
ist nicht minder ein Schurke, als der Schurke in der Hütte;
149
der Rechtschaffene in der Hütte ist nicht minder werth, als der Rechtschaffene auf dem Throne; man nenne alles bei seinem rechten Namen, das Laster nbertünche man nicht,
man zeige es in seiner wahren Gestalt. Es ist eine große Erbärmlichkeit, die Wahrheit des -Ausdrucks mildern zu wollen,
sie hat wol größtentheils ihren Grund darin, daß diejenigen,
welche sich der Aechtheit ihrer Gesinnungen nicht bewußt
sind, gern in einer besseren Gestalt vor dem Publikum erscheinen möchten. Herunter mit den Larven! man zeige einen
Jeden, wie er ist. Es giebt aber auch Menschen, welche gegen jeden rechtschaffenen Mann Zweifel zu erheben suchen,
weil sie, da sie selbst schlechter Art sind, nicht leiden können, daß irgend ein Mensch besser seyn sollte, als sie es
sind. Es ist dieses auch eine Nichtswürdigkeit, und so wie
das vorhergehende Lüge. Wahrhaftigkeit ist des Mannes würdig, und von Jugend auf muß der Mensch daran gewöhut werden, sie zu sagen und sie zu hören. Von Jugend aus muß der Mensch damit bekannt gemacht werden, was geschehen und nicht geschehen soll. Nnd dieses Sollen darf nur als der Hauptbeweggrund des Handelns angegeben wer-
den. Die beste Methode des Unterrichts über das Sollen uud nicht Sollen ist in der früheren Jugend das Znrückhalten derselben von Handlungen, welche ungerecht, nnbillig und unverständig sind, daher ist es so notwendig, daß Kinder beständig unter Aufsicht siud, nicht um sie beständig im Zügel
zu sühren, nein! Kinder müssen alle nur mögliche Freiheit haben, sonst werden sie Maschinen, oder sie streifen nachher
den Zügel ab, wenn sie ihn los werden, und schlagen in Wildheit aus; man lasse ihnen, wie gesagt, alle mögliche
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Freiheit, und lenke sie blos ein, wenn fie Handlungen begehen, welche ungerecht, unbillig und unverständig sind, nnd
bediene sich nur der Worte: das ist unrecht, oder unbillig, oder unanständig; etwas später sage man ihnen: wenir alle Menschen so handeln wollten, was würde daraus entstehen?
Hat man schon verwilderte Kiuder zu erziehen, da müssen
sreilich oft Mittel angewendet werden, die Furcht erregen, aber man gehe dabei vorsichtig zu Werke, man übertreibe es
nicht, denn sonst artet es in Mishandlung aus, und diese darf der Mensch nicht einmal gegen das Thier, viel weniger also gegen den Menschen sich erlauben. Man lasse auf der
andern Seite aber nicht nach, die Disciplin ist notwendig. Erst in späteren Jahren, vor dem zwanzigsten dürfte wol selten ein klarer Begrisf zu erwarten möglich seyn, über den Grund dieses Sollens, der im Moralgesetz enthalten ist,
daß nemlich nur allein das Gebot: „Du sollst so handeln, wie du wollen kannst, daß alle Menschen handeln sollten", das allein zureichende ist. So ist ebenfalls vor diesem Alter ein klarer Begriff von Gott und von der Fortdauer nach dem
Tode kaum möglich. Man nbereile also in dieser, so wie in jeder andern Beziehung bei dem Unterrichte nichts, so wie die
Kräfte allmählig sich entwickeln, so schreite man vor; kein Mittel zum Forttreiben werde aber angewendet, welches der
Moralität Abbruch thut, und sollte es die Kenntnisse noch so sehr vermehren; man vergesse nie, daß derjeuige, der an
Kenntnissen zu, uud an Moralität abnimmt, mehr ab als zu-
nehme, g;ni protieit iu litteris st clotieit in morib>u8, xlus ckstieit >'. Noeckner, Hochwürden zu Marienwerder.
200 79.
Antwort. An Altenstein. Ew. w. haben in dem hohen Erlaß vonr 18. v. M. mir zu erkennen gegeben, daß, wenn ich in Hinsicht auf das von
nrir in der Angelegenheit des O.-Pr. Hrn. v. Schön und des W. G. O.-R.-R. Hrn. Nicolovius zu beobachtende Ver-
halten auch bei meiner schiefen Ansicht, wie Sie diefelbe nennen, bleiben zu dnrfen geglaubt habe, ich es dennoch nicht hatte übersehen müssen, daß es nicht mir, sondern
meiner vorgeseßten Behörde zusteht, die Grenzen meiner Amtspflichten zu bestimmen. Jene Anficht nun ist keine andere, als die wiederholt von mir abgegebene Erklarung:
daß von den theils gegen mich allein, theils im Beiseyn einiger Tischgäste ausgesprochenen Aeußerungen des Herrn
:c. v. Schön über den Herrn Nicolovius, welche die Pflicht der Zreundschaft gegen diesen zu seiner Kenntniß zu bringen
mir gebot, eine offizielle Anzeige zu machen, was Ew. w.
als cine Aäntspflicht von mir verlangt hatten, mir moralisch unmöglich sey, weil ich dadurch nach meinem fitt-
lichen Gefühl, das hierin allein mich leiten könne, das Recht des Vertrauens und der Gastfreundschaft verletzen müßte.
Unter welcher Benennung Ew. rc. diese meine Ansicht sich denken, muß ich dahin gestellt seyn lassen, da jeder für
das Urtheil über die Ansichten eines Andern seinen eignen
Maaßstab hat. Ein Anderes ist es, wenn, wie hier, diese Benennung mit einem Ausdruck ausgesprochen wird, der in der Sprache des gewöhnlichen Lebens die Absicht, dem-
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jenigen, gegen welchen er gebraucht wird, etwas Unangenehmes
zu sagen, und in der Geschäftssprache, wenn seiner der Vorgesehte gegen den Untergebenen sich bedient, einen Tadel be-
zeichnet. Doch auch davon, da es hier nicht auf Worte ankommt, kann ich wegsehen.
Was indesfen den von Gw. rc. in diesem hohen Erlaß aufgestellten Satz betrifft,
„daß es nicht mir zusteht, die Grenzen meiner Amtspflichten zu bestimmen, sondern der mir vorgeseszten Behörde,"
der keinen anderen Sinn enthält, als den, daß der Geistliche
— denn von meinem geistlichen Amte ist hier die Rede — bei den Befehlen seiner Oberen sich alles eigenen Urtheils enthalten, und diescn Befehlen auch in dem Falle, wenn die
Stimme seines Gewissens ihm etwas Anderes gebietet, un-
bedingt gehorchen muß; so kann ich, als ein evangelischer Geistlicher, eine solche Festsetzung nicht anerkennen, sondern
muß dagegen, als gegen einen dem Wesen und den Charakter der Kirche, welcher ich angehöre, fremden Grundsatz feierlich, wie ich hiemit thue, protestiren.
Wenn Cw. w. ferner meine Weigerung, die von mir verlangte offizielle Auskunft zu geben, ungeachtet ich diese Weigerung nach meiner Ueberzeugung hinreichend begrnndet
hatte, fnr dienstwidrig und fnr einen amtlichen Ungehorsam erklären, von desfen gesetzlicher, mir gebnhrender
Strafe ich nur durch die neue Wendung, welche diese Angelegenheit genommen, befreit worden sei; so enthält diese
Erklärung einen Vorwurf nber Verletzung der Amtspflicht, der fnr mich um so härter ist, da ich denselben in meiner
202
langen Amtsfnhrnng zum ersten Mal vernehme; iudem in all den verschiedenen Dienstverhältnissen, in welchen ich seit
vierzig Jahren gestanden, nie der Tadel meiner Vorgesetzten
wegen einer von mir verletzten Amtspflicht mich getroffen
hat. Da nun ein Vorwurf dieser Art für deip der fich bewnßt ist, sein Amt während einer so langen Reihe von Iahren
mit Treue und nicht ohne Segen verwaltet zu haben, eine sehr empfindliche Strafe ist, eine solche Strafe aber in dem Preuß. Staat, in welchem ich geboren und erzogen und nunmehr bereits zweiundsechzig Jahre alt geworden bin, nur über denjenigen, dessen Schuld vorher durch eine gründliche Unter-
snchnng erwiesen ist, verhängt werden kann; so gebietet mir
die Achtung, die ich meinem Amte, dem Dienstverhältniß,
welches Se. Majestät der König mir angewkesen, und mir selbst schuldig bin, Ew. w'. hierdurch gehorsamst zu bitten, eine strenge Untersuchung zu verfügen, durch welche ermittelt
werde, ob durch die wiederholt von mir abgegebene Erklä-
rung, daß von den Aeußerungen des H. :e. v. Schön über den H. n'. v. Nieolovius, die derselbe gegen mich allein, so ivie in meinem Deiseyn bei einem Tischgespräch in Danzig ausgesprochen, eine offizielle Anzeige zn machen, wie solches
Ew. w. von mir gefordert, mir moralisch unmöglich sei, ich meine Amtspflichten verletzt habe oder nicht; wobei ich bemerke, daß, bis dies durch eine solche Untersuchung ge-
hörig festgestellt werde, ich den von Ew. w. mir ertheilten Vorwurf des Ungehorsams und der Verletzung meiner Amtspflichten hiemit ehrerbietigst zurückweise.
Sollten Ew. w. mir, was ich zu fordern ein Necht habe, und warum ich hier gehorsamst gebeten, versagen; so zeige
203
ich hierdurch pflichtmaßig an, daß ich vor Sr. Majestät, unserm Altergnädigsteu Könige, dessen Unterthanen die Vor-
gesetzten, wie die Untergebenen sind, und dessen Wille, wie
ich mit sroher Ueberzeugnng weish es wahrlich nicht ist, daß ein treuer Diener aus dem von Allerhöchstdenenselben Selbst
ihm angewiesenen Standpunkt nach einer vierzigjährigen vorwursssreien Amtsfnhrnng als ein Pflichtvergessener behandelt werde, nber die mir verweigerte Gerechtigkeit mich beschweren
und von Allerhöchstdenenselben die Versngung der erwähnten
Untersuchung mit ehrsurchtsvollem Vcrtrauen erbitten werde.
Marienwerder, am 10. Juni 1827.
An den Königl. Preuß. Staats- gez. Vr. Roeckner. minister w. Herrn v. Altenstein w.
zu Berlin. 80.
An Schön. Marienwerder, den 13. Iuny 1827. Der Inhalt des letzten Schreibens des Hrn. v. Altenstein an Roeckner ist wirklich empörend; ich fnge eine Abschrist des-
selben sowie des srnheren ganz ergebenst bei. Noeckner's Gr-
widerung ist, meiner Ansicht nach, ganz würdig und seinem Standpunet angemessen; er protestirt gegen den jesuitischen GrundsaH, daß nicht der Geistliche selbst, sondern nur dessen
Vorgesetzte die Grenzen seiner Amtspslichten zu bestimmen
haben, verlangt, daß der Minister seinen Vorwurs entweder zurücknehmen oder durch eine sörmliche Untersuchung erst den-
selben begründen lassen möge, und erklärt, daß wenn keines von beiden geschehe, er die Sache dem Könige anzeigen und
dessen Gerechtigkeit in Anspruch nehmen werde. Uebrigens
soll Altenstein, wie Roeckner von Nicolovius in Danzig er-
204
fahren hat, die Sache jetzt wirklich dem Könige vorgelegt und sich dabei insbesondere des Einflusses von Wittgenstein
und Lottum zu bedienen, bemnht gewesen seyn. ich muß dies auch, aus der Aeußerung in dem Schreiben des Hrn. v. A. an Roeckner,
„daß nehmlich die Sache jetzt eine andere Wendung erhalten",
schließen; der Erfolg kann indessen jetzt wohl nicht mehr zweifelhast seyn, und wir alle werden Jhnen dazu Glück wnnschen können, wenn der Kampf mit solchen Gegnern über-
haupt ehrenvoll genannt werden kann. Hier konnnt es indessen mehr auf die Sache, als auf die Personen an, mit denen man es zu thun hat, und wir werden uns hoffentlich einer günstigen Aenderung in dieser Verwaltung zu erfreuen
haben, wenn die Entscheidung ünrr endlich zum Könige ge-
langt w R'.
Flottwell. 81.
Marienwerder, den 19. Juny 1827.
Euer Excellenz ilbersende ich in der Anlage ganz ergebenst:
1. Die Abschrift des berüchtigten Ministerialreseripts vom
10. Debr. 1817, die gemischten Ehen betreffend, mit der An-
zeige, daß das Original dieses Reseripts sich nicht in den Regierungsacten, sondern in den Oberpräsidialacten besindet,
indem dasselbe Jhnen mittelst Berichts vom 25. Debr. 1817 (k. 78. Xbr.) eingereicht worden ist. Die Vergleichung' dieser
Abschrift mit dem Original kann ich hiernach nnr ganz ergebenst anheimstellen, in Königsberg bewürken zu lassen.
205
2. Die Abschrift eines anderweitigen Ministerialrescripts
vom 17. July 1817, von ahnlichem Inhalt. Sehr gern würde ich auch Jhrem Verlangen in dem so eben eingegangenen Schreiben vom 17. d. M. in Betreff des zweiten Schreibens von Altenstein an Noeckner genngen; aber
der letztere ist leider aus ein Paar Tage verreiset und ich kann Jhnen die Abschrist also nur erst nach Coniff mitbringen,
was ich nicht unterlassen werde.
Alles Uebrige glanbe ich der nahen Zusammenkunst in
Conitz vorbehalten zu können und hier nur noch bemerken zu dürsen, daß Noeckner sich in Marienburg einstellen wird,
und nur über den bestinunten Zeitpunkt Ihres Eintreffens daselbst noch naher unterrichtet zu werden wünscht.
Der Kriegsminister trifft nun erst einige Tage später hier aus der Durchreise nach K. ein, indem er erst heute in Thorn erwartet wird. ich werde ihn also dieses mal nicht sehen können, mich jedoch deshalb bei ihm entschuldigen. ich empsehle mich ergebenst.
Flottwell. 82.
An des Königl. Consistorial-Directors, Herrn Dr. Roeckner, Hochwürden zu Marienwerder. (Abschrist.) Berlin, d. 30. Juni 1827. Euer w. eröffne ich aus Jhre Anzeige vom 10. d. M., daß von einer Beeinträchtigung Jhres Gewissens hier gar nicht die Rede seyn kann, da Jhnen die Pslicht: die Wahrheit an den Tag zu bringen, an sich heilig seyn muß, und von Jhnen nur verlangt worden ist, daß Sie dassenige, was Sie aus freien Stücken aus Rücksichten der Freundschast
206
mitzutheilen nicht bedentlich gefunden haben, auf die Aufforderung Jhres Borgefetzten, weil das Jnteresse des König-
lichen Dienstes es erforderte, der Wahrheit gemäß anzeigen soltten. Es wnrde daher keinem Bedenken unterlegen haben,
auch gegen Sie die geseßlichen Norschriften fnr den Falh daß Beamte ihren Norgesetzten den Gehorsam verweigern,
zur Anwendung zu bringen, wenn es die Sache selbst erfordert, und nicht vielmehr die amtlichen Verhaltnisse des Ober-Präsidenten w. von Schön und des w'. Nicolovius es nothwendig gemacht hätten, dieser Angelegenheit keiire noch
größere Publicität zu geben, als fie schon jetzt zune Nach-
theil des Königlichen Dienstes, nach der Natur der Sache,
erhalten hat. In Ihrer Anzeige vom 10. d. M. haben Sie aber das Verhältniß zu mir, als Jhrem Vorgeseßten, aber-
mals so sehr verkannt und auf eine solche Weise verleßt, daß ich, bey aller Jhnen außerdem iu Jhren Verhältnissen gewidmeten Achtung, doch die Deranlasfung einer Disciplinar-
Untersuchung nicht würde umgehen können, wenn nicht die vorerwähnte Rücksicht mich davon abhielte. Ich erwarte aber,
daß eine ruhige Erwägung desfen, was Sie sich erlaubt haben, mir zu schreiben, auch ohne weitere Grlauterung Jhnen
sühlbar machen wird: wie sehr Sie gefehlt haben, und dies hinreichen wird, Sie vor serneren Mißgrissen zu bewahren.
gez. Altenstein. 86.
An die Königl. Regierung zu Marienwerder. Nr. 1751. Abschrist. Berlin, den 17. Julius 1817. Jn der urschristlichen Anlage wird der Königl. Regierung
eine Vorstelluug des Commendarii Berent zu Zlötenstein
207
vom 20. März o., worin derselbe ihn als Pfarrer zu bestäligen
bittet, mit denr Beifügen zugefertigt, daß es hier zu Lande und anch in anderen, sowohl katholischer als protestantischer
Provinzen, ein ziemlich allgemein verbreiteter Gebrauch ist,
daß Ghen, unter Personen von verschiedenem Glaubensbekenntnifsc geschlossen, auf Verlangen doppelt, nämlich von
den Geistlichen beider Confessionen eingesegnet werden und
die Beobachtung dieser Fälle weder der einen noch der anderen Kirche zur Beschwer oder zur Unehre gereicht, da selbst
erlauchte Brautpaare es auf diese Art bei ihrer Verbindung zu halten pflegen. Fnr katholische Seelsorger dieser Diöcesen
und Landen, wo das Concil von Trient angenommen und publicirt ist, tritt noch der besondere triftige Grund ein, ihren Eingepfarrten, welche sich mit Christen eines andern Glaubensbekenntnisses verehelichen, die Vollziehung oder Wiederholung
der Trauung nach den Vorschriften und Gebräuchen der römisch-katholischen Kirche zu empfehlen, weil ohne cteelnimtio
60N86NSU8 eonzuAnti8 eornru pnroeiro proprio et ciuol)U8
t68til)u8 die Ehe als kirchlich ungültig ist, diese cleelnrutio
aber erlaubter Weise nur unter der Einsegnung abgelegt werden kann. Es giebt Provinzen, wo die katholischen Geistlichen sich weigern, über eine sogenannte gemischte Ehe den
Segen zu sprechen: um so weniger ist ein Grund vorhanden, fich zu beschweren, wenn sie in Westpreußen diese Einsegnung
nach Vorschrift des Concils von Trient als zur kirchlichen Legitimität der Ehe gehörig betrachten und solche zu ertheilen
bereit find. Ueberdies kann ein Kaplan oder Pfarrer in solchen Angelegenheiten seines Amts nicht anders verfahren,
als ihm die Agende, die Diözesan-Statute und die Befehle
208
seines geistlichen Obern die Wege vorzeichnen, zumal in Dingen, die durch kein Staats-Gesetz verboten sind.
Der Königl. Regierung werden diese Bemerkungen mitgetheilt, um dieselbe zu überzeugen, daß sie nicht Ursach hat,
auf den Commendarius Derent, einen nbrigens, soviel hier bekannt, unbescholtenen und keineswegs ungeschickten Geist-
lichen, ferner rurgehalten zu seyn und damit Sie seinen Wunsch um Beförderung bei der nicht großen Anzahl solcher Subjeete, die ihm gleich gesteltt werden können, gelegentlich berncksichtigen mag.
Ministerinm des Jnnern. Zweite Abtheilung. gez. Nieolovius. Stimmt init dem Original. Grube, Reg.-Registrator.
84.
An die Königl. Regierung zu Marienwerder. Berlin, den lO. Dezbr. 1817.
Der Königlichen Regierung wird auf den Bericht vom 14. August d. Z. wegen nochmaliger Einsegnung der Ehen nnter Personen von verschiedenen Glaubens-Bekenntnissen, zu
erkennen gegeben, daß die Königl. Regierung den vorliegen-
den Fall des Kommendarius Berent nach nnrichtigen Prämissen beurtheilt; da das Coneil von Trient in der Diöces,
welcher der Berent angehört, publicirt ist und bei Beurtheilung der kirchlichen Gültigkeit der Ehen zur Richtschnur
dient, hat derselbe nicht anders Handeln dürfen. Das Eoneil.
§688. 24. clo Lnernlnont. nmtrüin. fordert zur kirchlichen Gültigkeit der Ehe, Erklärnug der ehelichen Einwilligung vor
dem behörigen Pfarrer des Bräutigams oder der Braut in
209
Gegenwart zweyer Zeugen. Das katholische Kirchenrecht sieht aber einen protestantischen Prediger in Beziehung anf katholisch-
kirchliche Handlungen der Katholiken nicht als Pfarrer, über-
haupt nicht als psrsonn pndlien an, indem er nicht Beanrter der katbolischen Kirche ift, und daraus ergiebt sich, daß
die vor einenr solchen abgelegte Grklärung da, wo das Concil
von Trient in Kraft getreten, zur Gnltigkeit der Ghe nicht hinreicht, urithin das Zusanmrenleben der Ghegatten von der
Kirche nnr als leichtfertige Beiwohnung angesehen werden kann. Außerdem aber legt die katholische Kirche einen Werth
darauf, daß die Ghen ihrer Mitglieder auch kirchlich eingesegnet werden. Die Hintanseüung der kirchlichen Trauung
wird mit Saeraments-Sperre verpönt. Wer nun ein katholischer Christ seyn will, muß sich dieser Anordnnng unterwerfen. Nur unter dieser Bedingung gehört er zur katholischen Kirche und hat rechtlich begrnndeten Anspruch auf den
Genuß der Sacramente. Man kann ohne Gewifsenszwang auszunben von der Kirche nicht verlangen, daß sie die Sacramente solchen Personen reichen soll, die nach der kirchlichen
Lehre nicht gehörig vorbereitet und nicht in der Fassung sind,
fie wnrdig zu empfangen. Was aber den Berent persönlich
betrifft: so mnßte er als Pfarrer sich nach der Anordnung des Bischofs richten, und nicht mit ihm, sondern mit dem Bischöflichen Amte war, wenn hier etwas versehen, die Sache zu verhandeln.
Den Katholiken ist übrigens die Che mit andern Glaubens-
genossen von den ältesten Zeiten her verboten 0. Z. § b. 6. 15.
6. 16. XXVIII. 9. i. und die Deklaration Benedict. XIV. vom 14. Novbr. 1741 bezweckt blos eine Milderung dieses Verbots. 14
210
Die Verfügung des allgemeinen Landrechts Th. 2, Tit. II,
§ 56 ist natnrlicher Weise so zu nehmen, daß der oberste
Grundsatz von der Gewissensfreiheit a. a. O. anch in Beziehung aus die Kirche nicht verletztz und die das sxereitinw. reliZionis betrefsenden Staatsverträge aufrecht erhalten werden.
Hiernach beschränkt es sich auf Verhinderung offenbaren Miß-
brauchs der öffentlichen Gewalt, davon hier nicht die Rede
ist. Ueberhaupt aber betrißt dieser Punkt sn8 oiron snorn und gehört nicht zum Ressort der Regierung, sondern wegen
des katholischen Religionstheiles zur Kognition des Königl.
Ober-Präsidii, dem die weitere Behandlung der Sache zu überlassen ist.
Ministerium der Geistlichen, Unterrichts- und MedicinalAngelegenheiten. Geistliche Abtheilung.
gez. Nicolovius. Vorstehende Abschrift stimmt mit der in Aeten besindlichen Ur-
schrift iiberein. Grabe, Registrator. 85.
Jch habe aus der Anzeige des Staats-Ministers Freihcrrn von Altenstein nnd aus einem mir vorgelegten Schreiben
von Jhnen an den Wirklichen Geheimen Ober-RegierungsRath Nicolovius ersehen, daß Sie es sich haben zu Schulden
kommen lasseti, durch die Aeußerung, letzterer sei heimlich zum katholischen Glaubenskenntnisse übergetreten, den guten
Nahmen und die Amtsehre eines sehr achtbaren Beamten
anzugreifen. Da der tc. Nicolovius mit Recht auf Genugthuung dringt, welche ihm selbst durch eine richterliche Gnt-
scheidung nicht entstehen würde, wenn es nicht dem Jnteresse Meines Dienstes entgegen wäre, daß ein solcher Streit
2)1 zwischen zwei höheren Beamten vor den Gerichten verhandelt
werde, so kann Ich nicht umhin, Jhnen Mein ernstes Mißfallen über den gerngten Vorgang zu erkennen zu geben und
Sie aufzufordern, Jhre der Ehre des Geheimen Ober-Regie-
rungs-Raths Nicolovius nachtheilige Behauptnng, überall, wo sich die Gelegenheit dazu darbietet, zurückzunehmen, auch
in Zukunft bei Ihren Aeußerungen überhaupt diejenige Rück-
ficht und Vorsicht zu beobachten, welche Jhr Verhältniß und
Ihre Stellung in der Provinz doppelt fordert. Jm Uebrigen erheischt es Jhre Dienstpflicht, wenn Sie die Ueberzeugung
hegen, daß Verfügungen des Ministeriums der geistlichen Angelegenheiten die katholische Kirche auf eine geseh- und verfassungswidrige Weise zum Nachtheil der Evangelischen begünstigen, nicht durch gehässige Aeußeruugen und Urtheile
Mißtrauen und Unmuth gegen die Regierung zu erregen, sondern mir ofsene und belegte Anzeige darüber zu machen.
Ich hoffe, daß Sie nicht ferner Veranlassung zu ähnlichen Deschwerden geben werden.
Berlin, den 11. Juni 1827. Friedrich Wilhelm. An den Ober-Präsidenten Wirklichen Geheimen Rath von Schön. 86.
(Konzept.) An Se. Majestät den König. Königsberg, den 4. Iuly 1827. (Abgesendet den 5. S.) Euer K. M. haben während meiner vieljährigen Dienst-
zeit mir nur Gnade und Wohlthaten erwieseir. Mit deni tiefsten Gefühl der Unterthänigkeit und des Dankes hat mich
dies belebt und bei Erfüllung meiner Pstichten gestärkt. Um so größer mußte der Schmerz seyn bei der Unzufriedenheit, 14*
212
welche E. K. M. nnr wegen einer Meinnng über den G. R. Nieolovius unterm II. v. M. zu äußern geruht haben. Habe ich gefehlt, so bitte ich um E. K. M. allergnädigste Nachsicht. ich habe uicht sehlen, ich habe dabei Niemanden beleidigen oder wehe thun wollen, und G. K. M. werden es dem treuen Diener, der srnher niemals ein Zeichen von Unzusriedenheit von seinem König und Herrn erhielt, zu Gnaden
Halten, wenn er in der Bennuthung, daß die Sache von dem Minister v. Altenstein nicht vollständig vorgetragen sei, solche in Ghrsurcht und Unterthänigkeit darstellt.
Den Geh. Rath Nieolovius kenne ich seit zwanzig und
einigen Jahren, und unsere Bekanntschaft war nahe. Jn der Ueberzeugung von den Vorzügen dieses Mannes machte
ich in den Jahren 1807 und 8 den Minister v. Stein aus ihn ausmerksam, in:d bei dem nahen Verhältniß, in welchem
ich damals mit dem Minister v. Stein stand, dars ich annehmen, daß mein Wort die Veranlassung war, daß der ie. v. Stein den w. Nieolovius zu der jehigen Stellung in Vorschlag brachte. Einige Iahre nachher legte der Ruf ihm eine besondere Vorliebe sür den Katholizism bey, der so weit
ging, daß man ihn des Katholizism selbst beschuldigte. ich widerstritt dieser Sage Jahre lang, es kamen Thatsachen vor,
welche allerdings Verdacht erregen mußten, z. D. daß gegen
die Meinung des Bischofs von Mathy unter der Unterschrist
des w. Nicolovius der Regierung zu Marienwerder demonstrirt wurde, daß der Katholik eine vor einem evangelischen Geistlichen geschlossene Ehe nicht als Ehe, sondern, wie das Reskriyt sich ausdrückt, als Zusammenleben, zur leichtsertigen
Beiwohnung, zu betrachten habe. — Doch kam der Gedanke
213
mir nicht in den Sinn, daß der rc. Nicolovius Katholik sei! Die Sage hatte indessen ihren Fortgang, und als ich zuletzt in Berlin war, äußerte ich es ihm selbst, daß man ihn fnr einen verkappten Katholiken halte, daß ich dieses aber nicht annehmen könne.
Nun nahmen die Umtriebe des katholischen Clerus in
der ermländischen Diöces, welche ich E. K. M. unter dem 21. Mai 1826 anzuzeigen snr meine Pflicht hielt, ihren Ansang, und die Borsteltungen an das Ministerium wurden mit Theilnahme snr die Wnnsche des geringen Theils der katholischen Geistlichkeit, welcher sich der Umtriebe schuldig
machte, beantwortet, wovon inein E. K. M. vorgelegtes Schreiben an den G. R. Nicolovius mehrere Thatsachen enthält. Der G. R. Nicolovius ist der einzige Mann im Ministerio, der, außer dem katholischen Rath, die Richtung dieser Kirche, wo sie in weltliche Wirksamkeit ausartete, bei
seinem früheren Verhältniß mit dem Grafen Stolberg, in dessen Dienst er war, aus den Reisen in katholischen Ländern kennen zu lernen Gelegenheit hatte.
Mehrere Bekannte des w. Nicolovius hier wollten ihn auf Kosten seines Characters entschuldigen, mein Bild von ihm und seinem Character kann ich aber heut nicht sallen lassen, und sein Benehmen steht nür nur allein consequent da, wenn er aus voller Ueberzeugung einer Kirche angehört, welche in ihrer Ausartung Verheimlichnng des Glanbens und ähnliche unklare Dinge als Gottesdienst aufstellt, sobald etwas
zu Erhöhung des Glanzes der Kirche (in nmsorom oeeltzZias Zlorinnr nach der päpstlich-kirchlichen Sprache) geschehen soll.
Der benachbarte katholische Souverain, Se. Majestät der König
214 von Sachsen, hat noch unlängst ein Landes-Gesetz gegen die
verkappten Katholiken erlassen. Es ward mir schwer, von einem Manne, der mir nahe stand und werth war, anzunehmen, daß er von seinem Glauben bis zu diesem Grade gewichen sey, aber es war und ist mir unmöglich, ihn für so charaeterlos zu Halten, als seine Vertheidiger ihn stellen. Die von mir angetnhrte Geschichte des Hirtenbriefes, welchen
der Bischof von Ermland des Jubiläums wegen erlasfen wollte, befestigte meine Meinung, daß der w. Nicolovius Katholik sei, und als nun auf dem nächsten Landtage in Danzig Machinationen des Iesuitismus äußerten, welche aber
die Versammlung sogleich zurnckwies, da war es mir Gewissensbedürfniß, dem nächsten, ältesten und meines Wissens
einzigcn Freunde des G. R. Nicolovius, dem ConfistorialDirector Roeckner, in Gegenwart meiner nächsten Freunde, welche das Gute an dem w. Nicolovius auch erkennen, meine
Meinung mitzutheilen, und ihn nachher aufzufordern, daß er dem G. R. Nicolovius, um dessen Seele zu retten, darüber schreibe, damit er entweder osten bekenne, daß er aus
Ueberzeugung Katholik sei, oder die Thatsachen widerlege, welche die Meinung von seiner Vorliebe für den Katholizism
rechtfertigen. ich wußte dabei, daß der w. Nicolovius als Ministerial-Rath nur Gutachten abgeben, aber nichts bestimmen könne, also es auf seinen Glauben um so mehr, da er so viel mit evangelischen als katholischen Sachen zu thun
habe, und da der Minister seine Sachen selbst zu führen hat und allein verantwortlich ist, nicht wohl ankommen kann.
ich traute aber seinem Character die Erkenntniß der Gewissens-Pflicht zu, hier Protestation einlegen oder fich un-
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mittelbar an E. K. M. wenden zu müssen. Dieses war aber nicht geschehen, und daher macht allein der oben erwähnte
Gesichtspunkt (in mnzorsm sLolosino Alorinm) mir sein Be-
nehmen erklärlich. Meine Aeußerung war nur vor wenigen nahen Freunden, in meiner Wohnung, bey einer srenndschast-
lichen Zusammenkunst, ans keine Weise öfsentlich, ich habe sie niemals ösfentlich gemacht, niemals damit beleidigen oder
kränken wollen, und sie würde, da nnsere Gesetze die vertrauliche Vcittheilung an Freunde besonders in Schutz nehmen,
kein Gegenstand eines Richters sein können. Nichts feind-
seliges lag dabey in meinem Herzen, sondern es kam nur daraus an, eine Gewissenspslicht zu ersüllen, und zwar gegen
E. K. M. ineinen König und Herrn, wegen der Ansangs erwähnten Empsehlung zur Anstellung des w. Nieolovius in
dem Posten, in dein er jetzt ist, und gegen eincn Mann, der
mir werth war und den ich jetzt nnr bedauern, aber nicht sür characterlos halten kann.
ich habe über dies Gespräch und das, was ich dem ie. Geh. Rath Nieolovius aus seine Aufsorderung daraus schrieb,
Stillschweigen beobachtet, aber er hat leider! geblendet, besonders durch seinen Bruder hier, sogar deu Schriftwechsel, zu seinem offenbaren Nachtheil, hier so bekannt werden lassen,
daß gegen meinen Willen und meine Absicht die Meiuuug
von seinem Katholizism hier verbreiteter ist, als sie war. Und, allergnädigster König und Herr! auch dies ist mir vou einem Manne unerklärlich, den ich als einen Mann von lauterer Gesinnung kenne, wenn nicht Verblendung in anderer
Beziehung vorausgesetzt wird. ich wiederhole es vor E. K. M.,
daß ich bei jener Aeußerung im engsten Cirkel von nahen
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Freunden nickt die Absickt gehabt habe, den guten Namen
und die Amts-Ehre des G. R. Nicolovius zu verletzen, ich würde mick im Gegentheil freuen, wenn meine auf Thatsachen gegrnndete Meinung durch Thatsachen von ihm wider-
legt würde.
Wäre der G. R. Nieolovius mein Sokn oder mein Bruder, so würde ich nicht anders haben handeln können^ ich würde, wie jesit geschieht, sede öffentliche Aeutzerung darüber vermeiden, und nur mit nahen Freunden darüber sprechen,
aber wie heute meine Meinung ift, das Gegentheil nicht äußern können.
G. K. M. werden hieraus zu ersehen geruhen, daß durch
^neine Aeußerung, wie sie geschehen ist, das Vertrauen zur
Regierung, wie der M. v. Altenstein gemeint hat, nicht ver-
ringert werden konnte. Der größte Theil der Thatsachen, welche ick anführte, sind als öffentlich geschehn bekannt, die
wenigen versammelten Freunde waren mit Ausnahme eines einzigen, der mir am allernächsten fteht, offiziell von der Sache
im Allgemeinen nnterrichtet, und ich kann im Gegentheil be-
bemerken, daß so wie man in Ehrfurcht E. K. M. dafür dankt, daß nach Allerhöchst-Dero Defehlen dem widergeseh-
lichen kircklichen Getriebe eine Grenze gesetzt werden soll,
man im Publiko auch votles Dertrauen auf die ProvinzialDehörden bat, daß diese E. K. M. Defehle zu erfüllen bemüht sind.
Die Meinungen über die Anfichten eines MinisterialÜiaths können dies Dertrauen wohl nicht schwächen, und über
das Derfahren des M. v. Altenstein in dieser Sache glaube
ich E. K. M. nur einen Schriftwechsel zwischen ihm und
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dem Consistorial-Director Roeckner in Abschrist vorlegen zu dürfen.
ich wiederhole C. K. M. schließlich in Ehrfurcht die Bitte um gnädige Nachsicht, wenn ich gefehlt habe, und er-
sterbe in Unterthänigkeit nnd Treue in der Zuversicht, daß
mein König und Herr mich nicht durch Ungnade strafen werde, wo ich nichts Unrechtes beabsichtigte, sondern nur eine
Pflicht zu erfüllen bemüht war. Schön. 87.
(Coneept.) Schön an Nieolovius. (Ohne Datum.) Unser friiheres Verhältniß war zn lauter und zu rein, als daß je! Etwas Feindliches in meinem Herzen Platz greifen
konnte. Sckon Iahre lang sehnte ich mich nach einem Worte
von Ihnen, dem iä) unbedingt zu vertrauen immer bereit war, um meine Vermutung aufgeben zu können. Flottwell hat mir dieß gebracht, rn:d indem ich Sis bitte, nur das frühere Verhältniß in Jhrem Herzen zu behalten, werden Sie, wo wir uns treffen, mich so wiederfinden, wie wir in der großen Zeit in Kgsbg. Hand in Hand neben und mit einander standen. 88.
An Schön. Mein Glaube hat niemals gewankt, die Lauterkeit meiner
Gesinnung und meines Thuns ist niemals getrübt worden, Mistrauen nnd Verdacht habe ich niemals verdient. Haben
Sie diesen nun entsagt und das alte Vertrauen wieder in sich aufgenommen, so ergreife ich mit Freuden die Hand des
Mannes, der in jener großen Zeit mir als gleichgesinnter,
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ja gleichbegeisterter Freund nahe stand und dessen Ermunte-
rung, Rath und Hnlse ich manches Bleibende verdanke, immer verdankt habe und immer verdanken werde.
Nicolovius. B., d. 29. Ian. 39.
VI.
Vriese rur Wiffcnschast u»d Poejic. 89.
An Schön. Schloß Antonin bei Deutsch-Ostrow, d. 8. Aug. 1826,
den 26. Septbr. beantwortet.
Jch weiß, lieber Herr von Schön, daß Sie unser noch mit aller Theilnahme gedenken, daher wage ich es, Jhnen einen jungen Manir zu empfehlen, der als Reisender hier durchkam, und uns durch seine unglückliche Lage und seineir
Wunsch, sich auf der Universität noch auszubilden, interessirt
hat. Da hoffe ich, Sie verzeihen es mir gntigst, wenn ich Sie bitte, dem armen Schubert die Wohlthaten angedeihen zu lassen, deren unbemittelte Studirende sich ersreuen.
Mein Mann empfiehlt sich Jhnen, wir bitten beide Jhrer Frau Gemahlin erinnert zu werden. Erhalten Sie nns Jhre sreundschaftliche Theilnahme und genehmigen Sie die Versicherung meiner treuen Ergebenheit.
Lnise von Preußen, Fürstin von Radziwill.
219 90.
Kömgsberg, am 2. Decbr. 1826.
Ew. Excellenz gebe ich mir die Ehre, in der Anlage einen Abdruck meiner soeben erschienenen kleinen Schrift über
die pariser Taubstummen-Anstalt und die französischen Methoden des Taubst.-Unterrichts ganz gehorsamst zu nberreichen.
Geruhen Hochdieselben, sie Ihrer geneigten Aufmerksamkeit
zu wnrdigen! Bei Bearbeitung des Ganzen bin ich von dem Gesichtspunkte ansgegangerp daß am besten auf dem Wege historischer
Forschung die wahre Methode des Taubstummen-Unterrichts
gefunden und dcm Gewirre, das in den Anfichten über dieselbe zur Zeit noch stattfindesi abgeholfen werden kann. Zu dem Ende mußte die Geschichte mit der Darstellung der spa-
nischen und französischen Lehrarten beginnen: einmal, weil diese beiden Länder fich zuerst mit Erfolg in dem Unterrichte
der Taubstummen versucht haben, dann, weil sämmtliche Verfahrungs-Arten anderer Länder, namentlich Deutscblands,
wenn auch nicht ganz mit denen Frankreichs und Spaniens
übereinstimmen, doch gewissermaßen in ihnen wurzeln. —
Unmittelbar an die vvrliegende Schrift soll sich künftig die geschichtliche Darstellung des Taubstummen-Unterrichts in Deutschland schließen, und, als Ergebniß der bisherigen For-
schungen, die Hauptgesichtspunkte für die einzig wahre und zweckmäßige Methode des Taubstummen-Unterrichts enthalten.
Wahrhaft erfreuen würde es den Verfaffer beigehenden
kleinen Werks, wenn Ew. Excellenz aus demselben Sich zu
überzeugen geruhen wollten, daß in Beziehung auf den Unfug, der hie und da mit dem Taubst.-Unterrichte getrieben
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worden, mit Hochihren Ansichten Niemand mehr übereinstimmen kairn, als eben er. — Geruhen Ew. Ercellenz die Versicherung der tiefsten Ehr-
erbietung zu genehmigen, mit welcher ick verharre Ew. Excellenz ganz gehorsamster Diener
Neumann. 91.
Derlin, den 3. April 1828. Einer meiner theuersten Freunde, unser beruhmter Che-
miker, Prosessor Mitscherlich, macht eine kleine Reise nach Königsberg. Ich hatte die Arbeiten dieses eben so bescheide-
nen als geistreichen Mannes schon in England und Frankreich schälzen gelernt; durch meinen Ausenthalt in Derlin ist
er mir persönlich werth geworden, und ich dars es daher wohl wagen, ihn Euer Excellenz ganz gehorsamst zu eurpfehlen. Alle geistigen Destrebungen der Menscheir finden bei Jhnen Schutz und Jnteresse; Sie lieben, was Jhrem eigenen Geiste verwandt ist. Der Mann, den Laplaee am Ende seiner Lausbahn sür den ersten Astronomen des Zeit-
alters erkannte, Prosessor Bessel, ersreut sich Ihres Wohl-
wollens. Schenken Euer Excellenz auch mir den Theil des-
selben, welchen Sie seit so langer Zeit meinem Bruder geschenkt haben, und empsangen Sie die erneuerte Versickerung
meiner sreundschaftlichen Verehrung und Anhänglichkeit.
A. Humboldt. 92.
Berlin, den 5. Januar 1829. Euer Excellenz sreundschaftliches Schreiben vom 8. v. M.
hat mich sehr überrascht und unendlich erfreut. Ich dachte
nicht, als ich die Worte nber das Litthauische niederschrieb,
daß sie mit so oieler Wärme und Zustimmung würden ausgenouunen werden, als es von Jhnen und Herrn von Bohlen geschehen ist. Meine Frende darnber wnrde noch ungleich lebhaster gewesen seyn, wenn mich Euer Excellenz
Brief nicht in einer sehr traurigen Lage gesunden hätte. Diesem Umstande und meinem Wunsche, Herrn von Bohlen's interessante Schrist auch meinem Freunde Bopp mitzutheilen,
mnssen Sie meine verspätete Antwort zu Gute halten. Meine Frau ist seit unserer Rnckkunst aus dem Bade sehr bedeutend krank, und ihr Zustand läßt mir karun eine schwache
Hoffnung der Genesung übrig. Wir haben immer aus das engste mit einander verbunden gelebt, und auf gewisse Weise
hatte sie, wie ich mit Wahrheit sagen kann, an Allem Theil, was ich im öffentlichen und Privatleben that. Borauszusehen,
daß alte diese Fäden auf einmal zerreißen, ist eine wahre innere Zerstörung. Aber ich will Sie nicht mit diesen trüben
Gedanken unterhalten, sondern mich zu den allgemeinen Jdeen wenden, die Sie in Jhrem Briese so trefflich anregen. Die Jdee, welche in dem Bau einer sein organisirten Sprache
liegt und sich Jahrtausende hindurch bloß an den redenden
Menschen durch alle Nüancen der Bildung und Unbildung hindurch erhält, ohne daß sie selbst sie erkennen und ahnden,
beweist allerdings, daß in der Tiefe des Menschen etwas Höheres und Größeres waltet, als sich ihm selbst bewußt, sichtbar entwickelt. Bei der Sprache aber zeigt es sich auch, daß dies Höhere durch das ganze Menschengeschlecht und durch
alle Zeiten geht und Verwandtschasten unter ihnen stistet
und an den Tag bringt, von welchen keine Geschichte
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Zeugniß giebt. Es ist wie ein Geisst der sich der Zungen bemächtigt und sie erfinden läßst was aus dem Verstande, wie man ihn menschlich zu nehmen pstegt, nicht hergeleitet werden
kann, sie sprechen: und die Mcnschen verstehen nicht, wenn
sie den tiesen und vollen Sinn erst altnlählich entwin'en, und der dies Alles in althistorischen Verknüpfungen thut, bald hier den Funken aufslammen, bald dort ihn halb glimmend
schlummern läßt, bald ihn wirklich auslischt, um ihn anderswohin zu tragen. Diese verschiedenen Richtnngen und Wan-
derungen der Dildung haben gewiß ihre sesten und unabänderlichen Geseße, die in den Kräften der Dinge gegrnndet
sind. Aber dies unerklärbare Geheimniß liegt in der Natur desjenigen, wem das menschliche Wollen und Denken nur eine äußere Erscheinung ist, und in deren unsichtbarer Ver-
bindung, in der dies in jedem Einzelnen mit allen nbrigen steht. Denn daß die Sprache keines Volks sich weiter in ihrem Bau entsernt, als daß jedes andere sich noch hineinzudenken vermag, und daß dies an jedem Punkte des Erdbodens einzeln, von selbst und ohne Verabredung geschieht, ist der sicherste Beweis, daß es in den Menschen aller Zonen
und Zeiten noch etwas tiefer Gemeinsames giebt, als wir zu ergrnnden vermögen.
Herrn von Bohlen's Aussaß habe ich mit großem Vergnngen gelesen. Gr enthält die vollständigste Vergleichung, die man bis jetzt zwischen diesen Sprachen besitzt. Jch bitte
sehr, ihm sür die Mittheilung meinen herzlichsten Dank zu sagen. Zch hoffe doch, daß die Abhandlung recht bald ge-
druckt werden wird. Der srühere Aufsatz in Doigt's Geschichte war mir bekannt. Zuerst hat Bopp aus die Ver-
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wandtsckaft des Litthauischen mit dem Sanscrit aufmerksam
gemacht. Meine Stelle in der Abhandlung nber den Dualis
hat daher mehr Glnck als Verdienst. Jch lege aber diese Abhandlung bei, und freue mich sehr, daß Euer Excellenz an den darin entwickelten Jdeen Antheil nehmen. Man hatte den armen Dualis immer als so ganz überflnssig und beinahe
widersinnig angesehen, und er ist tiefer, als manche andere
Sprachform in der Natur des Menschen und des Sprechens
gegründet. Auch er aber lebt im Deutschen und Polnischen
nur noch in Dolksdialecten fort. So ist überall das ungebildete Volk die Sprache immer bewahrend. Die Vildung macht Alles flack und gleich.
Jn sechs bis acht Wocken werden Guer Ercellenz die Verhandlungen des Kunstvereins vom 30. December 1828
zukommen. Jch bitte Sie, dann mit Güte und Nachficht meinen Vortrag zu lesen. Er enthält einige allgemeine Jdeen über die Kunst und den Gang, den sie genommen. Mit herzlichster und Hochachtungsvollster Freundschaft
der Jhrige.
W. v. Humboldt. 93.
Berlin, den 23. März 1829. Jck bin gerührt und beschämt zugleich über die wohl-
woltende Güte Euer Excellenz. Wie empstndlich würde es mich schmerzen, Sie nicht in dem Wirkungskreise zu sehen,
in dem Sie schaffen und so viel mehr schaffen möchten. Meine Abreise kann nickt vor dem 12. sein, vielleicht mehrere
Tage später. Jch erwarte, wie Se. Majestät der König, nähere Nachrichten von der Abreise des Kaisers von Peters-
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burg, den ich noch in seiner Residenz zu sehen hofse. Man
glaubte bis jetzt diese Abreise am 4. Es hängt nicht von mir ab, meine Reise frnher anzutreten, was für den Wagen und die Möglichkeit, Sie nnd den vortrefflichen Bessel etwas
länger in Königsberg zu sehen, besser seyn wnrde. Zögerte ich dagegen, bis die Wege besfer wären, so fände ich wahr-
scheinlich den Kaiser nicht mehr in Petersburg und träte die
Reise nach dem Ural, von Petersburg aus, zu spät an. Das Leben ist eine Bedingungsgleichung (6xeellenz gewogenes Andenken ist mir so wichtig,
daß jede Gelegenheit, demselben mich zu erinnern, mir will-
kommen ist und darf ich daher wohl aus gntige Gntschuldi-
gung rechnen, wenn ich dazu auch die gegenwärtkge Veranlastung benutze. Eure Excellenz vergessen uns überdem
ganz in Jhrer mit allem reichlich versehenen Provinz; reichlich versehen in negativer und positiver Beziehung, in jener,
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weil es dort nicht so viele unklare Ideen, Projekte re. giebt,
wie in den westlichen Gegenden, und in dieser, weil dort alte Sitte, alter Geist und alte Gesinnung sich mehr erhalten hat und so manche andere Eigenthnmlichkeit, die ich
an den hieher koinmenden jungen Preußen jedes Mal mit wahrer Freude wahrnehme, sowie sie sich auch durch Sittlichkeit, Einsachheit und, so weit das menschliche Auge bemerken kann, ächte, praktische Religiositat auszeichnen. Die
Pietisten bitte ich nicht zum Preußischen Provinzial-Recht zu
rechnen, sie sind so ziemlich zuris eommrmi^ moäorni geworden. Entschuldigen Enre Exceltenz gewogentlichst diese Abschweisung und erlauben mir den Assessor Schmiß Jhrer
Gewogenheit und Protection zu empsehlen. Es ist der Sohn
eines alten Bekannten, des Appellations-Raths Schmitz in Eoeln, eines sehr ausgezeichneten Staatsdieners. Der junge Mann selbst ist ein gebildeter, rechtlicher und tnchtiger jnnger
Mann; zwar snr den Dienst in der Rheinprovinz bestimmt,
ist ihm der Ausenthalt und Dienst in einer alten Provinz wesentlich nützlich, um die allgemeinen Verwaltungsgrundsätze vollständiger, als es dort möglich ist, kennen zu lernen.
Der junge Mann ist in Preußen ohne alle Bekannte und Verhältnisse und hat nur wcnige Geldmittel. Er kann sich in jeder Beziehung Glnck wnnschen, unter Euer Excellenz oberster Aussicht seine Laufbahn zu beginnen und wird sich ernstlich bestreben, Jhre Gnade zu verdienen. Erlauben Eure Excellenz, daß ich ihn derselben empsehle und ge-
nehmigen Sie sowohl die Bitte um Fortdauer Jhrer Gewogenheit als die erneuerte Versicherung meiner ausgezeichnetsten
und ausrichtigsten Hochachtung. Gehorsamst Kamptz.
246 104.
St. Petersburz, den 18./30. Mai 1836. Euer Excellenz bin ich so frei ein Exemplar einer Rede zu nberschicken, welche ich hier an dem Tage unserer Stiftungs-
feier gehalten habe. Sie erregte damals einiges Jnteresfe und wurde auch ins Russische übersetzt. Jetzt ift fie anch in der Originalsprache gedruckt, womit wir uns hier immer erstannlich viel Zeit nehmen, und noch nicht ins Publikum
gekommen. Dafnr hat das Publikum sie aber auch längst schon wieder vergessen und ich weiß nicht, ob und wie viele
Menschen sie setzt hier lesen werden. Zndessen nehme ich von dem Drucke derselben die gewnnschte Gelegenheitz mich
den Königsbergern ins Gedächtniß zu rufen.
Wie sehr wünschte ich vor allen Dingen, daß Euer Ercellenz sich zuweilen gütig und freundlich des Unterzeichneten
erinnern möchten! Hätte ich setzt das Anerbieten, einige Tage in Arnau zuzubringen oder mit Euer Excellenz eine
Fahrt ins Land zu machen — ich würde wahrlich nicht finden, daß ich zu thun habe. Ich habe Ursache, mit meinen hiesigen Verhältnissen zu-
frieden zu seyn — aber nach einem geistreichen Gespräche
sehne ich mich, wie der Wanderer in der Wüste nach einem
Trunk Wasser.-Ich werde diesen Mittag bei Euer Excellenz an der Tafel fitzen — zwar nur in Gedanken, aber die Sehnsucht der Gedanken ist es ja, welche gestiltt werden solt.
Wenn Euer Excellenz meine Rede durchblättern, so werden Sie auf S. 39 Etwas finden, das aus der Erinnerung Ihres Gesprächs mit dem Groß-Kanzler Beime ge-
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flossen ist. Ich war zweifelhast, ob es erlaubt sey, es naher auszuführen, als in der Llmnerkung 4l geschehen ist, da ich
nicht wußte, ob nicht noch lebende Personen sich dadurch
verletzt fnhlen wnrden und vor allen Dingen, ob Euer Exeellenz es genehmigen würden. Sollten Sie einmal Zeit und Gelegenheit sinden, mir in wenigen Worten die wahre Geschichte des Memoire, aus welchem die Erhebung Preußens
basirt wurde, zu schreiben oder schreiben zu lassen, so könnte
ich diese Nachrichten vielleicht bei einer spätern Bearbeitnng
benutzen^ wenn ich zugleich erfahre^ daß diese Notizen gedruckt werden dürfen.
Mit der ergebensten Bitte, bei der Frau Ober-Präsideutiu
mich gehorsamst zu empsehlen, habe ich die Ehre mich zu zeichnen als Euer Excellenz gehorsamster
Akademiker v. Baer. 105.
Sternwarte, den 1. Juni 1836. Ich fürchte, heute wieder keine Gelegenheit zu habeip
Euer Ex'cellenz das mir gütigst übersandte Buch selbst zurückzubringen und danke daher schristlich dasür. Ich konnte es sehen, da Beausoy es mir gleich nach seiner Erscheinung
zum Geschenke gemacht hat. Es ist eine uugeheure Arbeit
darin aufgestapelt. Aber es ist ein Schatz, den Nobinson auf seiner Jnsel sammelt. Ausgeben kann man vorläufig nichts davou, denn die Theorie der Beweguug der Flüssigkciten ist noch nicht so, daß sie Beobachtungen anwenden könnte. Jedes Experiment steht einzeln; von dem einen Falle aus den anderen schließen, kann man nicht. Wenn Beausoy so überzeugt gewesen wäre, wie ich zu sein glanbe,
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daß man die Theorie nie erheblich viel weiter bringen wirch so würde er wohl nicht den Muth gehabt haben, viele Jahre zu verwenden, um Etwas zusammenzuhänfen, was vielleicht
nie benrcht werden wird. — Auf jeden Fall hätte der Anfang des Buches uns darlegen sollen, welchen Nrchen Beaufoy
von seinen Experimenten erwartete. — Soltte die Theorie
einmal einen Schritt thun, so ist hundert gegen eins zu wetten, daß sie ganz andere Gegenstände auf das Experiment
verweisen wird. Ich halte es für ein Unglück, wenn Einer Eifer besitzt und nicht Kenntnisse, welche ihm die rechte Bahn
anweisen. Ich fürchte, Beaufoy ist in diesem Falle gewesen,
und hat Gxperimente gemacht, von welchen ihm nicht einleuchtete, wie sie zu dem Zwecke der Schistfahrt benuüt werden
können. Sein Wille ist aber gut gewesen und so muß man ihm Glück wünschen, wenn man auch nickck zu hosten wagt,
daß er es haben werde.
Die stattlichen Verse von Pope find, mit Newtons Bilde, nach Berlin gegangen. Ghe fie in meinem Zimmer prangen werden, zeige ich fie Euer Exeellenz. Voll Derehrung Euer Excellenz gehorsamster
Bessel. 106.
An Eichendorf. Pr. Arnail, den 25. Septbr. l836. Ielzt ist wieder Zeit, mein herzlich lieber Freund! daß wir an einander schreiben, denn fremd müssen und dürfeir wir einander nicht werden. Zuweilen bekomme ich indirecte von Ihnen Nachricht, und da habe ich denn zuletzt gehört,
daß Sie mit den Ihrigen wohl sind, und daß Sie noch vor dem Thore (also im Berlinischen Fegefeuer) wohnen, und
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daß Sie noch immer Censor werden solten. Als Censor der Welt haben Sie Jhr Amt Zwar herrlich gesührt, aber die Censorei nach Berlinischen Gedanken ist ein anderes Ding, und dabei snrchte ich, könnten Sie zuweilen Banchgrinunen bekommen. Deshalb wnnsche ich Jhnen etwas Besseres. Zuweilen kommt mir auch der anmaßliche Gedanke
vor, ob es nicht am besten wäre, wennr Sie wieder nach Preußen kämen (reiner Cgoismus), und dann suche ich mir
sogar Argumente dasnr heraus, z. B. daß Sie Jhre besten Sachen in Preußen geschrieben haben :c. Älber dann jage ich auch wieder den Egoismus zum Kopse heraus und sage mir, daß bei dem sabrikartig getheilten Berlinischen Gelehrten-
getreibe gerade dem Dichter von Gottes Gnaden dort am wohlsten sein muß, wo er die Resultate der einzelnen Weberschisschen zusammensindet und nnr immer aus vollem Halse:
In die Höhe! schreien dars. Genug! da sinde ich wieder Argnmente, daß Sie nothwendig in Derlin bleiben müsseir.
Also: wie Gott will! Aber wenn es möglich wäre, daß Sie einen Austrag sür Preußen bekommen, und wir so einige Zeit Sie hier haben könnten, dann würde ich mich sehr sreuen. Vor knrzem nur hat sich ein Geh.-Rath Bernauer in Westpreußen
hernmgetummelt, da hätten Sie doch die Sache anders gesaßt. Ich war gerade in Westpreußen, aber der Mann scheint,
obgleich ich ihn nicht kenne, mir widerstreitende Pole zu haben, denn er hielt es nicht der Mühe werth, auch nur einen Tag zu warten, um mich kennen zu lernen. Dabei hat er in Danzig nicht mit dem Präsidenten, sondern mit dem Dptsrath verhandeln wollen, worüber mein alter sörm-
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licher Präsident Rothe noch sehr crstaunt war, als ich ihn bald daraus sprach. Ueberhaupt hat das Benehmen dieses Mannes, welches etwas Geheimnißvolles hat andeuten sollen,
zu manchen Gerüchten Anlaß gegeben, welche nicht zu Er-
höhung der Meinung nber seine Sendung beitragen. Wären Sie doch gekommen!
Doch! Was besseres! Was wird aus dem Kampse der
Zeit Ludwig XIV. mit der hentigen Zeit werden? Das Bemühen im Don Carloch die srühere Zeit wieder Herzustellen,
hat schon gräßliche Dinge aus der entgegengesetzten Seite
erzeugt. Daß Unterofsiziere in Spanien die Constitutiou von 1812 sordern und ihre Forderung durchsetzen, ist besonders merkwürdig, aber wohl erklärlich, denn die Unterossiziere gehören zum Mittelstande, und die Osfiziere wollen
den Adel in der alten Form halten. Spanien bewährt deu Satz, daß jeder Stand ullhaltbar ist, wenn er nichtz lnit Ausrechthaltung des Ewig Alt und Neuen (wie Sie sagen) mit der Zeit mitgeht. Aber in allen Staaten Europas,
selbst in Cngland, galoppirt lnan jetzt zurück. Das Aussallendste von Borliebe sür die alte Zeit ist wohl das gewaltsame Bemühen in Westpreußen, durch Absondernng in
den Schulen und Schul-Anstalten den alten Haß zwischen Katholiken und Protestanten wiederherzustellen. Eine Predigt in diesem Geiste, wo es schon stark über die Katholiken hergeht, ift wohl sckon da, aber die gute alte Zeit, wo eine Partei
die andere zu vergisten drohte, wird doch nicht wiederkommen.
Der liebe Gott ist mächtiger als Ministerial-Reseripte. Sie wissen, ich lebe nicht allein mit Freude meiner Ueberzeugung, sondern ich ergreise auch gerne die Gelegenheit, meine Ueber-
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Zeugung durch Handlungen zu äußern, und so habe ich nreincn Sohn Bernhard auf das Gymnasium nach Brannsberg geschickt, nnd bei Gerlach in Pension gegeben. Er kam
hier im Friedericiano jeßt aus Prima, und des pedantischen,
steisen Wesens wegen, welches da ist, wollte ich ihn in ein
anderes Gymnasium bringen, nnd da wählte ich, im Einoerständniß nnt Jachmann und Diekmann, Braunsberg. ich sage es mir selbsh daß dies wieder ein Sturm ist, wie es der Gang zu den Cholera-Kranken war, aber was will man
machen, wenn der Himmel das Stnrmen einmal in die Existenz gesetzt hat. Dabei bemerke ich, damit Sie nicht glauben, Braunsberg solle Verweisungsort sein, daß mein
Bernhard ein sähiger und guter Junge ist.
Nnsere Muckersache liegt in Magdeburg. Da in dem dortigen Consistorio kein gelehrter Theologe sein soll, so werden die Herren stark schwitzen müssen, denn es sind oerdamncke
theologische Nüsse in dieser Sache zu knacken. ich sürchte,
das Ding wird matt werden, wenn man nicht Wegscheider aus Halle zuzieht. Diese Ebel'sche Muckersache halte ich sür
beseitigt, aber ich türchte, daß eine neue durch den neuen General-Superintendenten si)ier entstehen wird. Der Mann ist hieher berusen, weil er ein dicker lutherischer Orthodoxer
sein soll. Dem Mann sehlt aber das Wesen der Orthodoxie,
nehmlich das Glauben ohne Verstand und Vernunft. Er hält zwar alle veralteten Kirchensäße, aber Sr will sie alle demonstriren. So demonstrirt er den Weibern die Dreieinig-
keit, die beiden Naturen in Christo u. s. w., und die Weiber (sreilich schwache Weiber) denken schon, daß sie überklug sind.
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So fing Ebel es auch an, und ebenso fielen die Weiber ihm
zu, und so hat Sartoriuö auch keinen Anhang unter den Männern. Dabei soll er mitunter herzlich schlecht predigen.
Die junge deutsche Schule wäre also auch so gut wie zur Ruhe gebracht. Was wird nun kommen? ich denke, die innere Politik wird wieder die Geister fassen, aufgeregt durch das Streben der Gouvernements nach der gilten alten Zeit. Viel Heil erwarte ich von dieser neuen Aufregung nicht, denn das Jnnere Staaten-Leben regt anl mehrsten zu excentrischen
Dingen auf, und dann wird nichts Kluges. Das Gouvernement, welches seine Zeit erfaßt und init Bewußtsein Jdeen ins Leben stellen will, hat die Herrschaft der Welt. Dann
fallen aber die alte gute Zeit und alles neue ungeordnete Wesen von selbst in ihr Nichts zusammen.
Was sagen Sie zu dem, was Raumer wieder iu England herausgefunden hat? Die Occupationsgeschichte von Schlesien hat mein Preußisches Herz recht traurig gemacht,
besonders deshalb, weil Fr. II. dabei nur einem gemeinen Triebe folgte, und keine Spur von Jdee l6Znrä mit den Pserdeställen und Wagenremisen; in der Mitte zwischen beiden liegt die niedliche Kapelle. Nördlich und westlich liegen
noch Brau-, Back-, Waschhaus und eine reinliche Dairy, so
daß alles in der Nähe sich besindet nnd kein isolirtes Gebäude den Blick ablenken kann. Doch ich muß wohl sehr um Gntschuldigung bitten, daß ich so weitläufig geworden bin,
zumal da Euer C'xcellenz alle diese Englischen Einrichtnngen sattsam aus Ersahrung kennen und sie sich ziemlich alle in Be-
ziehung aus Eleganz und Comsort gleich sehen mögen; für
niich hat bis jetzt alles noch den Reiz der Neuheit, ja eine Art von Begeisterung, und Sie werden es gütigst dieser zu Gnte halten, daß ich versucht habe, eine schwache Schilde-
rung von Bowood zu entwersen. Der größte lebende Dichter
der Jetztwelt, Thom. Moore, dessen Haus ich neulich mit Ehrsurcht betreten habe, lebt hier ganz in der Nähe; ein
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anderer, welchen Byron mit Unrecht verkleinert hat, Mr. Bowles, ebenfalls, und die Gegend ist in der That so schön, daß man hier entweder ein träger Landjunker seyn oder zum
Dichter werden muß.
Mit der Bitte, Jhrer Excellenz meirre ergebenste Empsehlung zukommell lassen zu dürsen, verharre ich nlit der innigsten Liebe und Berehrung E. E. ganz ergebener
Bohlen. 108.
Bonn, den 6. Sept. 1837. Euer C'xcellenz bald wieder zu sehen und nnt gewohntem
herzlichen Zutrauen begrüßen zu dürsen, hat immer mit zu meinen heitersten Hossnungen gehört, wenn ich an Königs-
berg gedachte, aber diese Hossnungen sind leider jeßt aus
lange Zeit wieder vereitelt. Jch habe in den letzten Wochen
in dem Dunstkreise Londons unsäglich wieder gelitten au Fiebern, Brustschmerzen und Husten und es haben sich dort
erst die Folgen der Grippe entschieden aus die Lunge ge-
worsen. Nun erhielt ich von dem ersten Arzte Londons, I)r. Chanlbers, die Warnung, für diesen Winter llicht in einem nordischen Klinla zu weilen und hier in Bonn, lvoselbst ich auf das höchste erschöpst ankam, stellte mir eben-
falls ein Arzt die Wahl zwischen einer zu hossenden Genesung im Süden und einem nahen, gewissen Tode in Königsberg, daher ich, um mich meinen Kindern zu erhalten,
im Begriffe bin nach Hyeres bey Toulon zu gehen. Ach, mein väterlicher Freund, wie schwer mir bey alledem dieser
Schritt ankomme und in welche häuslichen Sorgen ich da17 §
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durch gerathe, können Sie einigermaßen ermessen und ich
bitte auf das Allerinnigste, mir Jhre Gunst und Fürsprache nicht zu versagen, wenn das Ministerium nicht zu einiger
Hülfe geneigt seyn sollte, oder meine armen Kinder nicht ganz zu verlassen, im Falle mich dennoch die Vorsehung ab-
rufen soltte. Jch werde von meinem knnftigen Aufenthalte aus einige Zeilen über meine Hoffnung mit demselben Zu-
trauen an Sie richten, mit welcher ich unveränderlich und mit der hochachtungsvollsten Liebe bin und bleibe Euer Exeellenz treu ergebener
Bohlen. 109.
Hyeres, den 5. Oetob. 1837.
Euer Excellenz werden es mir diesmal verzeihen, daß ich nach der Weise der Handelsleute ein bloßes Blättchen zu iibersenden wage, indessen konnte ich unmöglich nach Königs-
berg schreiben, ohne ein freundliches Wort des Dankes auf
Ihre gütige Zuschrift zu erwidern. Vor Allem hat mich die Theilnahme und die Fürsorge auf das Jnnigfte gernhrt, nach welcher Euer Excellenz sich meiner in Berlin so liebevoll annehmen wollen: ich habe an das Ministerium offen und wahr
die ganze Lage meiner äußeren Verhältnisse berichtet und hege die gegründete Hoffnung, daß es mir einige Hülfe gewähren werde, aber es wird bey alledern immer schwer halten,
die Sorgen ganz zu tilgen, wenn mir Gott Leben und Gesundheit wieder schenkt. Hier vertraue ich aber mit heiterem
Aiuthe der Vorsehung, theilnehmenden Freunden nnd den
eigenen geringen Kräften. Zch fühle schon jeht und es ist
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keine Täuschung, deu Einfluß der rnilden Luft; meine Brust-
schmerzen, welche in London bis zum Ersticken waren und einen Blntfturz befnrchten ließen, sind gänzlich verschwunden,
mein Husten hat sich auffallend gemildert und es ift einstweilen nur noch eine unbeschreibliche Mattigkeit und Erschlaffung, welche mich zu jeder Bewegung unfähig macht. Meine Frau leidet weit mehr am eigentlichen Husten als ich, und, da derselbe seinen Sitz in der Luftröhre hat, so möchte
wohl leider das Klima weniger Einfluß darauf haben: indessen sehen wir mit Vertrauen der Genesung entgegen und
ich freue mich unendlich auf den Angenblick, an welchem es
mir vergönnt seyn wird, Jhnen mit Liebe und Dank die Hand zu drncken. Zn einer ganz besonderen Freude gereicht es
mir noch, berichten zu können, wie sich die Familie Lansdowne
gegen mich auf das Allerliebevollste gezeigt hat; man hat mich
während der ganzen Zeit auf das Sorgfältigste pflegen und
ärztlich behandeln lassen, Lady L. hat mich faft täglich be-
sucht und wie eine Mutter für mich gesorgt, und, was das Pekuniäre anbetrifft, so sind mir nicht allein alle und jede Auslagen, die ich fnr den Sohn gemacht hatte, auf das pnnktlichste ersetzt, sondern der Marquis selbst hat sich außer-
dem auf eine liberale Weise gegen mich betragen.
Mit den allerdankbarsten Gesinnungen und der vollkommensten Hochachtung Ew. Excellenz treu ergebener
B ohlen.
262
Verhandlungen
per Graf Groeben mit S. K. H. dem Kronprinzen.') 110.
Hierauf am 16. eigenhändig geantwortet, daß ich mit Universitäts-Sachen Nichts zn thun habe und vom Entstehen
der Sache Nichts gewußt hätte. Man solle die Sache nur
gehen lafsen. S. 16. Än Schön. Ew. Excellenz soll ich im Auftrag Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen vertraulich fragerp ob das Gerücht, welches hier allgemein verbreitet ist und sogar in answärtigen Blättern
stehh wahr sei:
daß die Nniversität zu Königsberg i. Pr. sich veranlaßt geseheip zweien Prosessoren der Göttinger Universität, welche
sich gegen das Patent des Königs von Hannover ausgesprochen, ein Ehrendiplom zuzusenden?
S. K. Hoheit der Krprz. können diesem Gerncht keinen Glauben beimessen und müßten, abgesehen von der Unangemessenheit des Schrittes, diesen um so mehr mißbilligeip
als diesem Diplome wahrscheinlich Jhr eigener Name als Rektor Magnisicus voranstehen müßte, welches meistens bei den nahen verwandtschastlichen und politischen Beziehungen
zu des Königs von Hannover Masestät um so unangenehmer
wäre und gegen den Herrn, welcher dies veranlaßh eine nm so ernstere Klage der Unbesonnenheit begründen würde.
Als hier Herr von Savigny durch Herrn Gros aus0 Diese eigenhändige Aufschrift hat Schön, in seinen Papieren, aus Nr. 110 und 111, 117 und 118, 120 und 121 augewandt.
263
gefordert wurde, für die sieben Profesforen Beiträge ;u sammeln, erklärte er sich gegen diese Sache als eine Unziem-
lichkeit auf das Bestimmteste und sie unterblieb. Ew. Exeellenz soll ich also nnr ersuchen, mir mit wenigen
Worten zu sagen: wie die Sache dort fteht? Mit wahrer Berehrung
Karl Gröben.
Berlin, am I I. Zanuar 1838. 111.
Die philosophische und medizinische Fakultät der Albertina
hatte, wie Jch erfahren, beschlossen^ zweien von den sieben Professoren der Universität Göttingen Ghrendiplome zu nber-
senden, welche gegen das Patent Sr. Majestät des Königs
von Hannover vom 1. November v. Z. össentlich protestirt haben, eines davon ist bereits abgegangen. Jch bin gewiß weit entfernt, Ansichten und Urtheile Einzelner meistern zu wollen. Wenn aber Fakultäten einer Hoästchule, deren Reetor
zu sein Zch die Ehre habe und in deren Diplomen Mein Name obenan zu stehen pflegt, sich össentlich Tadel erlaubcn
gegen die Regierung eines Fürsten, welcher Sr. Majestät dem Könige, unserm gnädigen Herrn, durch Bundesverhältniß und nahe Berwandschast befreundet ist, so kann Jch das
nnt Gleichgnltigkeit nicht ansehn. Zch ersuche Sie daher, den beiden genannten Fakultäten Mein großes Mißsallen über Jhre Beschlußnahme zu erkennen zu geben.
Berlin, den 22. Jannar 1838.
An Friedrich Wilhelm K.-P. dcn Proreetor und Senat der Universität zu Königsberg i. P.
264 112.
An Schön. den 4. Juni 1838. Eurer (rxcellenz bin ich sehr dankbar verbunden, daß Sie meines xstiti dotuiriei so gütig eingedenk gewesen sinch bedauere aber unendlick die Jhnen dadurch verursachte Mnhe.
Jndem ich das Zettelchen wieder beifnge, bemerke ich gehorsamst, daß ich die Namen aus Dieterichs Flora des Königreichs Preußen entnommen habe, welcher aucl' die Abbildungen
dieser Gewächse enthält. Wahr ist es allerdings, daß die Orobancheen Schmarotzer - Pslanzen sind und, was noch nbeler ist, starke Gaprizen haben.
Ia wohl gährt und tobt es noch immer sort aus der Welt. Guer Gxcellenz haben wohl Recht, wenn Sie sagen, daß aus Wäinne Spiritus kommt; es kommt aber doch wohl
auf die Glemente inrd Richtung der Wärme an; Spiritus ans schleckten gährenden Glementen und Substanzen möchte
wohl nicbt sehr heilbringend sein. ich rechne dahin insbesondere die kirchlichen Gährungen, aus welchen wir am
Gnde einen sxiritnm OroAorinimm und eine Unzahl sporadischer Luthers zu erwarten haben werden, wenn das gute,
wahre p»rineixÜ8 oÜ8tn nicht nachgeholt würde, falls dies vollständig möglich ist. Da in den jetzigen Zeiten des Ultra-
Skepticismus alles, was besteht und stets bestanden hat,
präjudiciell weggeläugnet wird und alles n xriori construirt wird, so habe ich die beiden Sammlungen aus meinem Schatze auswärtiger Gesetze construirt, und erlaube mir, diese
Compilation in der Voraussetznng beizulegen, daß der Gegen-
stand Gure Excellenz interessirt. Compilationen sind schon
deshalb aus der Mode, weil sie ältere Weisheit enthalten
265
und an die für Neuerer so unbequeme Geschichte erinneru; dies möchte aber gerade eine schähbare Seite sein. Die Vor-
sehung bescheide es Euer Exeellenz und mir, daß wir die Resultate — und zwar recht freudige — dieser Fermentationen und zwar gesund und wohl erleben. Mit der ausgezeichnetsten
Hochachtung empfehle ich mich zum gntigen und freundlichen
Ändenken gehorsamst. Kamptz. 113.
Berlin, den 22. Decbr. 1837/38. Euer Excellenz darf ick schon wagen, einen sehr jungen
Mann, der von der Pariser Sternwarte nach dem Norden, zu unserem großen und geistreichen Freunde Bessel ziehtz in
schuldiger Ergebenheit zu empfehlen. Jch wnnsche, daß Herr
Plantamow, knnftiger Director der Genfer Sternwarte, sich Jhres Schutzes während seines Königsberger Äufenthaltes erfreuen dnrfe. Es ist ein unterrichteter, feiner, wohlerzogener
Mensch. Jch bin noch ganz unter den Eindrücken des herr-
lichen Entwurfs Jhrer höheren Volksschule. st Mögen wir noch die Früchte davon sehen.
Mit innigster Verehrung Euer Excellenz ganz gehor-
samster Al. Humboldt. 114.
Sternwarte, den 31. März 1839.
Euer Epcellenz nehme ich mir die Erlaubniß, hierbei ein Buch anzubieten, welches zwar schon seit einem Iahre, für den Zweck, den ich jetzt dadurch zu erreichen suche, ein-
gebunden, aber dennoch, aus einer Art von UnentschlossenVergl. A. d. Papieren rc. Bd. 3, S. 104 und Bd. 4, S. 468 bis 532.
266
heit, bci mir liegen geblieben ist. Mit Recht — wie ich glaube — abgeneigt, die nur durch die Art der Ausfnhrung Interesse erregende Darstellung von Arbeiten, welche ich als wirklich wissenschaftlich betrachte, Denen mitzutheilen, die nur
dem erreichten Ziele, nicht aber dem Wege, der dahin gesührt hat, Theilnahme gewähren können, die also, wenn jener
ohne Erheblichkeit bleibt, in der Mittheilung nur eine Zudringlichkeit ohne Entschuldigung sehen können, habe ich den
Entschluß, (5uer Excellenz mein Buch mitzutheilen, weder
ausgesührt, noch ausgegeben. Den Grund gegen seine Ausführung habe ich eben angegeben, denn ich muß mir leider gestehen, daß der eigentliche Zweck der Arbeiten, dessen
Erreichung mir durch sreigebige Verwendung voir Kunst und
Mühe nicht zu theuer erkaust schien, nicht erreicht worden ist, indem von einer Seite, von welcher ich keine Gesahr vermnthete, Hindernisse entweder in den Weg gelegt, oder wenig-
stens nicht weggeräumt worden sind. Der Grund sür die Ueberreichung des Buches ist dagegen, daß das Nnternehmen
in Guer Gxcetlenz Provinzen ausgesührt worden ist und Sie
doch ersahren müssen, was, von einiger Bedeutung, darin
vorgeht. Bis zn dem Grade von Bescheidenheit, der die Gradmessung unter die ganz unbedeutenden Ereignisse setzen
würde, kann ich mich aber nicht erheben, da ich die Hossnung
keineswegs anfgebe, daß ihr eigentlicher Zweck, wenn einmal
andere Derhältnisse eintreten, noch erreicht werden wird. —
Dieser Grnnd erlangt, wenigstens in dem gegenwärtigen Augenblicke, das Nebergewicht, und so versäume ich diesen
nicht, das lange bei mir vorhandene Buch an seine Bestimmung zu besördern.
267
Jch habe die Ehre zu sein Euer Excellenz gehorsamster
Dicner F. W. Bessel. l 15.
Berlin, den 2. October 1869. Potsdamer Platz 1. Euer Excellenz wnnschen ein Buch zur Geisteserfrischung.
Leider weiß ich beim besten Willen keines zu empfehlen, ich suche es selbst vergeblich. Die allerneueste Poesie, so oft und so herzhaft ich auch darangegangen, hat mich sedesmal durch
das Forcirte und Gemachte wieder abgeschreckt, durch diese fast grandiose Affection, die nm so widerlicher ist, se mehr sie
sich den Schein der Natnrlichkeit und Jnnerlichkeit zu geben sucht. Shakespeare ist und bleibt doch der Meisterz crfrischend
für alle Zeiten. Die sechige ist aber in der That auch gar zu schmählich! Alle Erscheinungen^ in Staat und Kirche, lassen sich freilich unter einem großen Gedanken — Kampf des Alten nnd Neuen — zusammenfassen, auch ist kein Zweifel,
daß im letzten Llct das ewig Alte und Neue doch siegen wird. Aber dieses Drama mit seiner weitschweifigen Exposition, mit seinem unnntzen Geschwätz und hohlen Floskel-Wesen, Szene
fnr Szene mit durchzumachen, ohne die Hoffnung, den fnnften
Act zu erleben, ift wahrlich nber alte Gebnhr langweilig; ich
flnchte mich daher noch immer häufig in's Spanische, wo mir denn Cervantes und Calderon nber manche Sandscholle wacker hinweghelfen.
Meine Frau empfiehlt sich Euer Excellen,; und Jhrer Fran Gemahlin ganz ergebenstz welcher ich meine tiefgefühltefte
Hochachtung zu versichern bitte. Lebenslang mit innigster Ver-
ehrung und Ergebenheit Euer Excellenz gehorsamster
Eichendorff.
268
VII.
Rirchliche Wirren. Coelner Mschossstreit. (Vergl. A. d. Papieren rc. Bd. 3, x. 126 ff.)
116.
An Schön. Den 29./N. 37. Mit meinem herzlichen Dank sende ich Ihnen beyliegend das mir mitgetheilte zurück; daß ich Jhre Aufsätze mit großem, steigendem Interesse gelesen habe, bedarf wohl keiner weitern
Aussührung, doch am Schlusse hat sich mein Gesühl in Schmerz verwandelt, weil es wenig oder keine Aussicht giebt, daß wir den von Jhnen angedeuteten Weg gehen werden. Die
Steltung, welche unsere Regierung in Hinsicht der Kirchlichen Angelegenheiten genommen oder jeßt bekommen hat,
kann ich nach allen Ersahrungen der Geschichte nicht als die
richtige anerkennen, die Regierungen müssen sich nie um den Dogmatischen Theil der Consessionen bekümmern, sich an der Hand der Christlichen Sittenlehre iiber alle erheben. Können Sie mir gelegentlich durch Jasky eine Abschrist Jhrer beiden Aufsätze zukommen lassen, so würde ich Ihnen schön-
stens danken; man muß in unserer Lage nicht müde werden,
in allen Kreisen richtige Ansichten zu verbreiten.
Ie mehr sich die neueste Zeit zu entwickeln anfängt, desto ernster müssen sich die Besorgnisse über unsren Staat
in der Brust sedes Patrioten anhäusen; im Innern lösen sich die nothwendigsten Bande aus Mangel von übereinstimmenden GrundsäHen mit jedem Tage mehr aus und im Aeußeren
269
sind wir trotz aller oder vielmehr zu vieler Nachgiebigkeit doch nahe daran, bald wiederum ganz isolirt dazustehen.
Grüßen Sie meinen alten Zasky und empsangen Sie meine sreundlichen Wünsche sür Jhr Wohlseyn. B o y e n.
Da wir aus Rom wahrscheinlich nur Feindliches bekommen werden, so wäre dies vielleicht der rechte Zeitpunkt,
um mit Eklat das Konkordat auszuheben und die Katholische
Kirche aus den srüheren Standpunkt zu stellen. 117.
Berlin, am 28. Dee. 1837.
Se. Königl. Hoheit der Kronprinz hat mir zuvörderst aufgetragen, Ew. Gxeellenz zu sagen, daß es Höchstihn schmerzen mußte, wenn Sie glauben konnten, etwas von Jhnen empfangen zu haben, und noch dazu über einen so höchstwichtigen Gegenstand, was er nicht bald lesen würde. Er hat also Ahr Memoire und auch Jhre Bemerkungen gegen die Bekanntmachungen gelesen und zwar noch an dem Tag,
da Sie abreisten. Gr läßt Gw. E.rcellenz zugleich sagen, daß
er in einigen wesentlichen Punkten ganz mit Jhnen übereinstimme,
Drittens, daß er in das höchste Erstaunen gerathen wäre über Jhre Wahl des neuen katholischen Ministers; Er kann durchaus noch nicht in das vor der Hand einstimmen.
Darin bin ich auch ganz der Ansicht S. K. H., das war nur Jronie, und als solche ist sie ganz aus ihrem Platz. Wir haben nnn auch die Allokution des Pabstes vom
10. Dec. Sie wurde gehalten, ehe die Staatsschrist dort
270
erschien und bevor Bunsen in Rom angekommen war. Der
Effekt auf die Rheinländer läßt sich von hier aus noch nicht nbersehen. Jndeß, man wird jetzt offener sprechen von Seiten des Gouvernements, und die Staatsschrift wird gedruckt.
Jn Wien hat er bereits einen Sieg erfochten, nehmlich insofern, als aus der Offensive eine ehrenvolle Retirade ge-
worden ist. Ein Alliirter wäre anch besser gewesen, aber das wäre fast zuviel gefordert. Vom Rhein waren hier vier Deputirte vom Adel. Der König hat sie nicht gesehen, obgleich sie sagten: sie seien nicht deputirt, sondern sie kämen nur, auf die Gefahr aufmerksam zu machen. Aus Westphalen
sind nun auch vier Deputirte hier, sie sagen, sie kämen nur, um sich gegen heimliche Anklagen zu rechtfertigen. ich glaub'
auch nicht, daß sie der König sehen wird. Bodelschwingh verkennt seine Lage am Rhein nicht, ist
aber doch voll Muth und oben auf. Andere dort sehen schwärzer. Man muß die Zukunst abwarten. ich bin nur rnhig, weil des Königs Absicht rein ist und sein Thron eine
Million Nertheidiger findet. Zir Mnnster haben die katholischen Soldaten sich vortrefflich benommen. Ob sie auf die Länge dem ausgesprochenen Willen des Pabstes widerstehen
werden, steht dahin; ich hoffe es aber mit Zuversicht. Gott
sitzt auch im Regiment. Wahrheit muthig vertheidigt, ist stärker als Täuschung.
Von meinem Schwiegervater den innigsten und verbindlichsten Dank. Die Anlage sendete ich sogleich an Brnnneck.
Finden Ew. Excellenz Zeit zum Schreiben, so erfreuen
Sie mich wahrhaft und auch Zemand anders.
271
Mit wahrer und der ausgezeichnetsten Verehrung Ew. Exeellenz ganz gehorsamster Fd. Diener
Karl Gröben. l18.
(Eoncept.) Königsberg, d. 4. Januar 1838. Des Königl. Gen.-Masor ersten Adjudanten Sr. Königl.
Hoheit des Kronpnnzen w. Herrn Grafen v. d. Groeben.
H. S. Hochgeboren. Berlin. Nach meinem herzlichen Gruße, mein verehrter Graf!
ermangele ich nicht, Jhr Schreiben vom 28. v. M. dankbar zu beantworten:
I. Wenn ich Bedenken hatte, ob S. K. H. der K.-Pr. auch meine Schreiberei gelesen hätten, so grnndete sich mein
Bedenken nur darauf, daß S. K. H. in den Tagen nach der Ankunft in Berlin von allen Seiten und in den verschiedenartigsten Richtnngen bestürmt wurden. Bei alle den Widersprnchen, welche gerade in diesen Tagen S. K. H. vor-
getragen sein mnssen, war mir aus Ergebenheit die Ueber-
zeugung besonders wichtig, daß mein Blatt von S. K. H. gelesen sei.
2. mein Borschlag, um nur den unentbehrlichsten Geist und das nothwendigste geistige Leben in das Staatsministerium
zu bringen, A. H. die Schule, die Kunst und das landesherrliche Üu8 eiren 8nern nber die katholische Kirche zu nbergeben, ist nach der sorgfältigsten Erwägung noch der meinige.
Die dagegen aufgestetlten Bedenken kenne ich zwar nicht, ich
will aber zur Unterstntzung meiner Meinnng noch etwas herseßen:
272
L. Durch Jntelligenz ist der preußische Staat groß geworden,
der Mann, der die beste intetligente Firma vor Europa führt, der, inan kann sagen, vor der Welt die Wissenschast selbft repräsentirt, gehört daher an die Spitze der Schule. Scheint die Trennung der Schule von der Kirche bedenklich, so erwidere ich, daß die allmählige Auslösung
des alten, bei einem tiesen Cultur-Stande guten ehemaligen Verhältnisses der Schule zur Kirche nicht mehr zu hemmen ist. England und Frankreich wissen von diesem Zusammenhange nichts. Religion gehört allerdings
wesentlich in die Schule, aber Alles muß man mit Gott ansangen und mit Gott sühren. ich würde ein schlechter
Ober-Präsident sein, wenn ich nicht mit Gott mein Werk beginnen und mit Gottessurcht sühren wollte. Und diese
nothwendige Verbindung der Schule mit der Religion wird H. nicht hindern oder hemmen. Ferner: A. H. steht in Beziehung aus Religion und Kirche nicht so entschieden össentlich da, als dies bei seinem
Bruder Wilhelm der Fall war. Goethe wollte den Znbegriff aller geistigen und moralischen VollkoMmenheiten von W. H. aus einmal ausdrücken nnd sagte: er ist ein vollendeter Heide, und unter
W. H. wnrde die berliner Universität ganz vorzüglich besetzt; er hat Bessel und die berühmteften Männer zu uns
gebracht; unter ihm entstanden die Schullehrer-Seminarien, und er gab der Schule den Schwung, den sie heute noch hat.
Ferner: Min. Altenstein ist Hegelianer, und diese wissen bekanntlich von Unsterblichkeit Nichts. A. H. scheint
273 mir der Basis nach in der entgegengesetzten, der Kantischen
Richtung.
d. Das 3ns eiren 8uera nber die katholische Kirche, welches
in andern cultivirten Staaten der Aeinister des Innern verwaltet, ist das chr8 8neruni bei den Katholiken, der Bischos verwaltet kein kirchliches, sondern eine weltliches Hoheitsrechtz bei welchein man nurg ohne besondereFrömmig-
keitz Christ sein dars. Bei Verwaltung dieses Rechts kommt es nicht mehr ans kirchliches Leben, als in jedem andern Verhältnisse an. Zu der Verwaltnng dieses Nechts
gehören aber vorzugsweise Kenntniß, Kopf, Bitdung und geistiges Leben nberhaupt, welches H. im hohen Grade hat.
Abgesehen von diesem Alten kommt es daraus an, in
das Staats - Ministerinm Geist nnd geistiges Leben zu bringen, damit Kenntnisse, Bitdung, Zdeen aushören, dort
Contrebande zu sein. Was ich in meinem letzten Briese
von dem Schweinekopf anführte, ist noch nicht das Traurigste, es kamen noch ungleich traurigere Aeußerungen aus dem Jnnern hervor. Nur weil meiner Ueberzeugung nach der geisttiche Minister der evangelischen Kirchen-Angelegenheiten, weil
hier von bischöslichen Nechten die Rede ist, auch nicht den Schein von Heterodoxie haben dars, bin ich der Meinung gewesen, daß H. nicht evangelischer geistlicher Mi-
nister werde, sondern diese Sache entweder bei A., weil
er sie einmal hat, bleibe, oder einem anderen Minister ubergeben werde. Wem? das ist ans dieser Geseltschast
schwer zu bestimmen. Der wissenschastlichste und gebildetste (wenngleich unsähig zum Handeln) ist Br., nächst 18
274
ihm ist Kiz. A. hat diese Sache, wie die echten Lutheraner zeigen, in eine so nble Lage gebracht, so daß er
hieriir Klarheit zu bringen wohl nicht im Stande ist. 3. Nach der Rede des Papstes ist der päpstliche Stuhl auf
der Netirade. ich sah zuerst nach dem Schluß, und als ich da keine kauonischen Bestinunungen sand, z. B. jeder Priester
sei verdammt, der eine Ehe ohne Zusicherung, daß die Kinder
katholisch werden, einsegne n. s. w., da war ich ruhig. Wenn
nur Bnnsen die Sache nicht verdirbt! Läßt er sich auf Verhandlnngen, auf kanoirische Erörterungen u. s. w. ein, so ist er verloren und würdigt unser Gouvernement ebenso herab, wie
dies schon bei den Verhandlungen mit dem Grafen Spiegel,
mit dem jetzigen Grzbischofe u. s. w. der Fall war. Friedrich
der II. erklärte nach der Occupation von Westpreußen und
Grmland, ohne Papst nnd Bischöse zu sragen, daß er bei gemischten Ghen weder Schwierigkeiten noch Bedingungen dnlden würde, und der Bischos von Ermland erklärte hierauf seiner Geistlichkeit, daß die päpstlichen Bullen wegen der ge-
mischten Ehen nnter dem preußischen Scepter sich nicht würden halten lassen, und die Geistlichen daher anfangs an
ihn berichten und nachher sich blos aus Ermahnungen beschränken sollten.
Mit Eonsequenz schlägt man die katholische Kirche in jedem Falle; bei Verhandlung mit ihr, besonders wenn man
die Einrichtnngen der Kirche und das Verhaltniß der Kirche
zum Staat so wenig kennt, wie dies bei Bunsen der Fall zu sein scheint, ist man immer verloren.
In Berlin gab Bnnsen sich nicht einmal die Mühe, zu fragen, wie diese Sache in Preußen stehe und sich mache.
275
Nun der Papft durch die Alloeutiou sich bestiuunt erklärt hat, ist nreines Erachtens iu Nom nichts weiter zu ver-
handelu, sonderu es ist nur auf den Grund der frühern Kabinets-Ordre vom Jahre 1819, welche alle Schwierigkeiten
und Bedingungen bei gemischten Ehen verbietet, ein Gesetz
zu publieiren, daß derjenige Geiftliche, er sei evangelischer oder katholischer Confession oder Mennoniten-Ermahner, wel-
cher bei einer Trauung wegen der Confesfion der Drautlente
oder der zu erwartenden Kinder Schwierigkeiten macht oder Bedingungen stellt, wegen dieser indirecten Proselytenmacherei
seines Anües zu entsetzen und fnr unfähig zu erklären sei, in preußischen Staaten kirchliche Handlnngen zu verrichten.
Sobald dies Gesetz publieirt ift, werden die Bischöfe sehen, daß unser Gouvernement nicht Knecht der Kirche ist,
und dann werden solche Hirtenbriefe erlassen werden, wie
der Bischof von Ermland nach der Occnpation erließ. — 4. Die Bunsen'sche Schrift mit dem besondern^ Band Be-
läge habe ich offiziell erhalten. Die Bunsen'schen Declamationen hätten darans wegbleiben sollen, sonst gicbt die Schrift
ein treues Bild von der jesuitischen Unwnrdigkeit des Erzbischofs, aber auch leider! leider! in Abficht unseres Gouvernements einige traurige Znge. Und zwar:
n. Daß der Bischof vor dem Antritt seines Amts die geordneten Neversalien unterzeichnet habe, nnd darauf ver-
eidigt sei, ist nirgend angefnhrt, obgleich dies besonders
in der Meinung ein Haupt-Argnment gegen den Erzbischof sein wnrde. Schon von drei Bischöfen habe ich die Neversalien unterschreiben lassen, und sie darauf ver-
eidet, nnd binnen vierzehn Tagen hoffe ich den vierten 18*
276
Bischos schwörcn zu lasscn; ich kenne die Sache daher
genau. In diesen Reversalien erklärt der angehende Bischof, daß: jede päpstliche oder kanonische Festsetzung, welche unsern
Landesgesetzen nicht gemäß oder entgegen sest sür ihn
keine Güttigkeit habe; nachdem dies unterschrieben isst erfolgt der Eid, und dann
die Uebergabe des Königlichen Ernennungs-Decrets, so-
wie der päpstlichen Bullen und Breven. Daß von diesem Act in der Bunsen'schen Schrist gar nicht die Rede ist, ist im hohen Grade aussallend; so daß
Iustiz-Personen daran großen Anstoß nehmen. Dies ausfallende Verschweigen eines Hauptsundaments gegen den Erzbischos, da doch Herr Schmedding die diessällige Norm
und Borschrist genau kennt, kann nur darin seinen Grund haben, daß entweder:
nn. Bunsen von der Art der Anstellung eines Bischoss iu nnserem Lande gar nichts wußte, und ohne Kenntniß der Sache, doch in der Sache gehandelt und geschrieben,
ja ein ganzes Buch geschrieben hat, oder daß man 66. von dein angehenden Erzbischose das Reversale und den Eid gar nicht gesordert hat. Daß wäre sehr übel, deun in diesem Falle sällt die besondere Berpslichtung
als Erzbischos sort. Man wird, wie ich schon vermuthen kann, sagen, er habe schon srüher den Huldigungseid geleistet; vielleicht Neversalien unterschrieben, allein die besondere Berpslichtung aus das erzbischösliche
Amt in Preußen sehlt und scheint umgangen zu sein. Herr v. Hatten in Franenburg ist schon seit sehr vielen
277
Zahren Bischof von Diana, nun er aber Bischof von Ermland wird, wird er als solcher die Reversalien ausstellen und schwören. st
d. Nach der Bunsen'schen Schrift und deren Beilagen ist zwischen Bunsen und dem Grafen Spiegel über die Auslegung des päpstlichen Breves w. wie zwischen zwei Ge-
sandten nber einen Friedens- oder Handels-Traktat ver-
handelt. Nach dieser Form hätte noch Ratisteation vom Könige und vom Papste folgen sollen, es hätten mnssen
Tabatieren gewechselt werden u. s. w. Es verhandelten
zwei Gewalten, und es ist ganz conseguent, wenn der nene Souverain (Droste) die Spiegel'sche Handlung, da sie nicht ratificirt ist, nicht als fnr stch verpflichtend be-
trachtete. Der rechte Standpunct des Gouvernements wäre in diesem Falle der gewesen, daß Hr. Bunsen zwar mit dem Grafen Spiegel über die Sache sprechen konnte,
nach dieser Besprechung aber der Graf Spiegel vor den Minister, gesetzlich vor den Ober-Präsidenten treten und
sich Genehmigung erbitten mußte, die von ihm aufgestellten Sätze verfolgen und denen gemäß die vorzulegenden Znstructionen und Hirtenbriefe erlassen zu dürfen.
Dies wäre den Bestimmnngen nnseres Allg. Landrechts und der Würde des Gouvernements gemäß gewesen.
o. Nach den Belägen der Bunsen'schen Schrift hat der Mi-
nister Altenstein, als Bedenken gegen die Beförderung des Domherrn Droste v. Bischering stattfanden, es nicht gewagt, als Minister des Königs es nicht gewagt, den Dom-
Ü Siehe die nachfolgendm Belagsdokumente.
278
herrn Droste vor Zeugen entweder selbst zu besragen, oder durck den Ober-Präsidenten vor Zeugen besragen zu lassen:
ob er die speciell zu bezeichnenden Spiegel'schen An-
ordnungen und Erlasse in der Sache wegen der gemischten Ehen, auch sür sich bindend als Norm und Regel betrachtete, oder nichh
so, daß wenn er sreilich sa! vor Zeugen erklärte, und dies verschrieben war, ihm die Hoffnung gleich gemacht
wurde, Erzbischos von Koln zu werden' wenn er aber nein! antwortete, ihm erklärt wurde, daß er zu Erlangung eines bischöslichen Amtes im preußischen Staate niemals
Hoffnung habe.
Statt dessen betrachtete der Minister Altenstein den
Domherrn Droste (denn Weihbischos ist bloß ein Titel) wie einen hohen Herrn, dem er sich nickt directe nähern dürse, und beauftragte den Domherrn Schmülling, den D.-H. Droste über den Punkt cpu. zu sondiren. Droste
nimmt nun, wie natürlich, den Ton eines hohen Herrn an und antwortet so diplomatisch, wie ein Jesuit nur antworten kann. Beim Ministerio wird die Zweideutigkeit dieser Antwort ganz übersehen, Droste wird Erzbischof, und die Kabale ist geglückt.
Dafür, daß hier eine Kabale stattzufinden scheint,
darf ich nur anführen, 1) daß Hr. Sckmedding und Hr. Schmülling intime Freunde sind, und der leßte, wie mir der Graf Spiegel sagte, zur Droste'schen Partei
gehört, und 2) daß der Domherr Schmülling, der mehrere Jahre Rector in Braunsberg war, hier mehrere Zeichen eines sesuitischen, fanatischen Priesters gegeben
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hat.') Er fand hier kein Terrain und suchte daher bald in die Finsterniß nach Mnnster zurnckzukommen. Droste,
Schmnlling und Schmedding gingen hier anscheinend
Hand in Hand, und der unschuldige M. A. hat setzt die Zeche zu bezahlen.
ä. Eollege Bodelschwingh ließ sich aus seinem Kreise als Verwalter des Rechts eiren 8norn stellen, und hätte han-
deln sollen, wie die Königliche Znstruction es von ihm sordert.
6. College Stolberg wird durch den Drnck und die Publication der Bunsewschen Schrist leiden. Cs wird dadurch
vor aller Welt erklärt, daß man ibm in der Person des Bunsen einen Kops- und Kenntniß-Mann mitzugeben snr nothwendig erachtet, also ihm einen Austrag gegeben
habe, bei der Ueberzeugung, daß er ihn zu voltsnhren unsähig sei.
ich glaube nun zwar, daß dies richtig ist, aber so vor
aller Welt dies gedruckt zu lesen, möchte ich sür meine Person doch nicht erleben.
5. Daß die Adelsdeputirten vom Rhein und aus Westphalen, diese Mauern des Throns, welche vermittelst der Mauer wohl nur unbemerkt den Souverain nach ihrem Willen leiten und beherrschen wollen, daß diese Stammhalter
besonderer Art gar nicht vorgelassen sind, ist höchst würdig
und gut, und wird am Rhein, wo diese Leute verhaßt sein sollen, einen guten Eindruck machen. Aber nun müßte man die Herren noch wegen des Erbsolgegesetzes zur Verantwortung
9 Vergl. Schmnlling's Schreiben vom 5. Febr. 1818. Seite 121.
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ziehen. Sie solten nämlich sich als ehemalige Reichsunmittelbare gerirt und behauptet haben, daß sie die Selbstbestimmung,
welche das Gesetz ihnen seßt beilegt, srüher gehabt hätten.
Herr v. Savigny widerstreitet dem, daß sie Reichsunmittelbarkeit und Selbstbestimmung gehabt haben, und so wäre unser Gouvernement getäuscht, und aus den Grund dieser
Täusckung mnßte das Geset;, wclches ohnedies nicht den
Staatsrath passirt iit, als erschlichen cassirt werden. Dies würde unserm Gouvernement hohe Popularität bringen, und
vielleickt die 20 kleinen Souveraine veranlassen, mit ihrem wüthenden Katholieismus aus unserm Lande zu gehen.
ick freue mick, daß Bodelsckwingh guten Muths ist; ein braver Mann ist er nach der Meinung aller, die ihn kennen, nur zum Berwalter des Reckts eircu suoru hat ihn Gott einmal nickt gesckasten. Er sollte Gouverneur von Kölln werden.
Gern stimme ick bei: Wahrheit mutbig vertheidigt, ist stärker, als Täusckungg man muß die Täusckung aber auch
nickt veranlassen oder herbeisühren. S. 1l9.
Zum Velage für den vorstebenöen Briest K.
Anrede an das Frauenburger Domeapitel vor der Bisckosswahl. Königsberg, den 20. April 1837.
Meine Herren Prälaten und Dom-Kapitularen des Ermländiscken Hochstists!
Es bat der Vorsehung gesallen, das Haupt Ihres Kapitels und dieser Diözese von der Welt abzurusen. Die Kirche
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bat dadurck einen treuen Derehrer und Beförderer ihrer Einncktungen, und die Welt einen, in nrehrerer Beziehung ebren-
wertben und würdigen Mann verloren. Wäbrend Er an der Spitze des brmländiscken Bistbums stand, ist der Wirkungskreis desselben erweitert, und er ist sortwabrend bemubt gewesen, Gottessrirckt zu verbreiten. Er erkannte lebbast, daß
die cknstlicke Kircke nur in dem Grade gedeiben kann, als das Lickt der Grkenntniß verbreitet ist, nnd die edlen Triebe des menscklicken Herzens geweckt und erböhet werden. Des-
halb war er angelegcntlick bemnbt, mit der Krast, welcke Neligion giebt, die Bewobner seiner Diöeese durck die Scknle
immer mehr zu entwickeln. Gott! lasse ibm in einer besseren
Welt die Frnckte seines edeln Strebens zu Tbeil werden! Die katboliscke Kircke sordert nack ibren Grundeinricktungen snr seden irdiscken Llbscknitt einen Leiter, einen Fnhrer,
ein Haupt. Iede Diözese ist verwaiset, so lange nickt ein Bisckos an ibrer Spitze stebt, und desbalb ordnet die Kircke es sehr weise an, daß nack dem Absterben eines Bisckoss,
sobald die Berbältnisse es irgend gestatten, zur Wabl eines neuen Bisckoss gesckritten werde.
Sie, meine Herren! haben die Wabl deshalb zur gebörigen Zeit in Anregung gebrackt, nnd Se. Majestät der König bat mick beaustragt, Ibnen die Königl. Genehmigung zur Wabl mitzutbeilen. Ick werde Ibnen das Königl. Sckreiben desbalb setzt vorlesen und, nackdem dies gesckehen
iit, übergeben.
Das Königl. Sckreiben lautet solgendermaßen:-
--und hiemit übergebe ich dem bockwürdigen Dom-Kapitel dieses Königl. Sckreiben da-
282 durch, daß ich es in die Hand des hochwnrdigen Präses des Kapitels lege.
Nnd nun, meine Herren! fordere ich Sie im Namen Sr. Majestät des Königs, unseres Herrn, hiemit aust die Wahl vorzunehmen.
Bei der hohen Würdigkeit dieses Kapitels, welche sich
rnir bei seder Gelegenheit, in welcher mein Wirkungskreis
mich in ein specielles Verhältniß mit dem hochwürdigen Dom-Kapitel führte, und bei der Achtung, welche dadurch bei mir gegen das hochwürdige Dom-Kapitel begründet ist,
bin ich im Voraus iiberzeugt, daß Sie eine solche Wahl treffen werden, von der Sie wisfen, daß fie dem Staate und der Kirche heilsam und Sr. Masestät dem König wohlgefällig seyn würde.
Meine Herren! Zeder, der einem wichtigen Amte vorsteht und Ginfluß auf das Wohl seiner Mitmenschen ausiiben soll, kann nur mit Segen wirken, wenn das Vertrauen derery welche er leiten und führen, und in dem vorliegenden
Fall kann man sagen, dem Himmel naher führen soll, ihm entgegen kommt. Während ein Anderer, bei dem dies nicht der Fall ist, erst durch Pflichtmäßigkeit und Treue in seinem Amte fich Vertrauen erwerben muß, findet ery dem man dies
schon im Voraus schenkt, die Herzen offen und Jedermann
geneigt, seine Worte als Worte des Segens zu betrachten nnd aufzunehmen.
Dem Staate ist es sehr wichtig, daß der Würdigste zum
wichtigen Amte eines Bischofs gelange, denn wir leben in
einem Staate, um uns in dieser Welt für jene zu vervollkommnen. Von diesem Standpunkte müssen alle An-
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ordnungen des Staats ausgehen, wenn sie einen Werth haben sollen. Die Kirche hat unmittelbar und allein die Ausgabe: die Menschen dem Himmel näher zu snhren, und
daher ist deren hohes Streben dem Staate von großer Wichtigkeit.
Doch! meine Herren, Sie sind Männer, die ihre PsliäKen
kennen und sie auszunben bemnht sind. Ich verlasse Sie daher jetzt, sordere Sie im Namen des Königs, unseres Herrn,
aus, zur Wahl zu schreiten, und mir das Resultat Ihrer Wahl mitzutheilen.
L.
Anrede an das Domcapitel und den erwählten Bischos
von Ermland v. Hatten, und bei der Vereidigung des Letzteren (1838). Meine Herren Prälaten und Domherren des Ermländischen Hochstifts!
Sie haben mich benachrichtigt, daß Sie die Wahl voll-
sührt und daß Sie den hochwnrdigen Bischos von Diana, den Prälaten des hiesigen Domstists Herrn von Hatten zum Bischof der Ermländer Diözese erwählt haben, und hieraus
erkläre ich Jhnen im Namen Sr. Mas. des Königs: daß diese Wahl Sr. Mas. dem Könige wohlgesällig ist und daher sosort publicirt werden dars.
Meine Herren! selten wird eine Wahl stattsinden, bei der die altgemeine Stimme (vox populi vox äoi), die Stimme des Clerus, die Stimme der hochwürdigen Dom-Kapitularen,
so vollständig mit dem Wunsche Sr. Masestät des Königs übereinstimmt; und ich betrachte es als einen besonders glück-
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lichen Moment meines Lebens, daß ich bei dieser Wahl der Königl. Commissarins habe seyn dürfen.
Ich kann es rnir nicht versagen, und setze einen besonderen Werth daraus, Jhnen, hochwnrdigster Dischof, zuerst
meinen Glnckwunsch darbringen zu können.
Wir wollen eilen, dem Volke die glnckliche Wahl zu ver-
knnden, und den Segen des Himmels fnr den Neuerwählten zu erbitten.
Hockwürdiger Herr Bischof!
Das hochwürdige Dom-Kapitel von Crmland hat Sie einstimmig zum Bisckwfe dieser Diöeese gewählt, Se. Heilig-
keit der Papst haben die Wahl bestätigt und Seine Masestät
der König, unser Allergnädigfter Herr, haben Sie zum Dischofe von Ermland ernannt. — Wenn ein anerkannt würdiger und edler Mann, vor aller Welt, Zeichen des Anerkenntnisses dieser Würdigkeit er-
hält, so ist dies ein erhebendes Ereigniß für Jeden, der seine
Pflichten zu erfüllen bemüht ist. Einstinrmig ivar die Wahl des Kapitels, und einstimmig ist die Freude über diese Ernennung. — Es würde außer meinem Kreise liegen, hier über die hohe Wichtigkeit des bischöflickwn Amts etwas zu äußern, und
ebenso entbehrlich scheint es mir, hier den Standpunkt der
Kirche zum Staate ausführlich zu erörtern. Ew. Bischöfliche Hochwürden haben durch ein langes würdiges Leben
gezeigt, daß Jhnen diese Verhältnisse klar find. Unser gemeinschaftlicher, jetzt im Grabe ruhender Freund stellte und
bewährte im Leben den Satz:
285
daß ein guter Katholik auch ein guter Unterthan sech nnd
daß, wenn er das- letzte nicht wäre, er auch kein guter Katholik sein könne. Staat, Kirche und Schule haben Einen großen Zweck, die
Menschen dem Himmel naher zu fnhren. Die Wege sind verschieden, aber das Streben hat bei allen dreien Ein Ziel. Die allgemeinen Grundwahrheiten der christlichen Kirche, wie die des Staats müssen, ihreni Wesen nach nothwendig immer
im Einklange bleiben.
Die Ermländer Diöcese hat darin, daß sie dies erkannt,
ein Vorbild gegeben, und dieser gute Geist wird bei Ew. Bischöslichen Hochwnrden Leitnng des Clerus gewiß immer lebendig bleiben.
Die nblichen Reversalien, so wie sie alle Bischöfe unsres
Staats vor dem Antritt ihres Llmts unterschrieben haben, sind von Ew. Bischöflichen Hochwnrden vor Zeugen unterzeichnet. Zur Bekräftigung dieser Unterschrift fordere ich Sie
jetzt, vernlöge des mir zugekommenen Auftrages auf, in der
Qualität eines Bischofes von Ermland den Eid der Treue Sr. Majestät dem Könige zu leisten. Der Znhalt des Eides wird Zhnen zuvor vorgelesen werden.
(Zch bitte Sie, den Eid zu lesen.) Nun erbitte ich mir Zhre feierliche Erklärung, ob Sie aus vollem Herzen diesen Eid zu leisten bereit sind. — (Der Eid wird geleistet.) Und nun nbergebe ich Ew. Bischöflichen Hochwnrden von Ermland hiemit zuerst das Ernennmrgspatent Sr. Majestät des Königs und darauf folgende päpstliche Bulten und Breven w. w.
286
Es ist mir eine hohe Genugthuung und eine hohe Freude,
Ew. Bischöftichen Hochwürden, und mit Ausdruck meiner vollen Hochachtung, zuerst als Bischos von Ermland meinen
Glückwunsch darbringen zu können. Daß ich berusen war
schon bei der Wahl, und jetzt berusen bin, bei der Bereidigung der Königliche Eommissarius zu sein, betrachte ich
als ein besonders glückliches Ereigniß meines Lebens. Der
Himmel erhalte Sie uns noch lange; er wird Jhr Thun und Wirken segnen, wie er jedes edle und reine Streben segnet! — 120.
An Schön. Ew. Exeeltenz bin ich die Beantwortung von drei Briefen
schnldig. Diese Schuld liegt mir schwer auf dem Herzen.
ich muß sie darum lösen. Zuvörderst aber meine Entschnldigung. Achine Zeit war mehr als je besetzt. Ein guter
Geschästsmann muß zwar immer Zeit übrig haben; da ich aber aus ein solches Lob keine Ansprüche mache, so vergeben
Sie gütigst.
1. Die Universitäts-Sache betreffend, werden Sie den Schlußbrief des Kronprinzen gelesen haben. ich denke,
Sie sollen damit zufrieden sein, auch die, die ihn empfingen. Die Antwort der beiden Facultätenr war ihrer würdig. Der Krprz. war tiefgerührt, als er seinen Tadel so aufgenommen faird; er mußte daher Jhnen dies schreiben,
Sein Herz konnte nicht anders! — 2. Jhre Sehnsucht nach dem unentbehrlichen Geist theilt
der Kronprinz, theile ich. Der Kronprinz ist auch für
287
A. H. ich begreife das, stimme aber nur zu in Ermangelung eines Alannes, der bei gleichen Geistes-Gaben das zweinndsechzigste Lebensjahr nicht erreicht hah ohne die Geschästsschule durchgegangen zu sein.
Jhre Ansicht über das su8 eiren snLrn und das jus 8uerum theilt der Kronprinz ganz; auch ich; nber die zu erwählende Halste von A. H. bleiben wir beide aber entschieden in unserer Ansicht.
3. Die Nede des Papstes halte ich troh ihrer Lergötte-
rung I. Görnes mehr snr eine Lerwahrung; die Art aber, wie ihr von unserer Seite begegnet und wie sie von katholischen Bundesgenossen ausgenommen wird, kann ihr eine größere Ledeutung geben. Gesinnungen geschlossener
großer Massen sind nbrigens anders zu behandeln, als die
Einzelnen und in kleineren Massen. Ein politischer Held
spricht und handelt nberdem auch mit ganz anderm Er-
solg, als der beste Wille ohne Geist und Kraft. Nach meiner Ueberzeugung hätte L. längst abberusen
werden mnssen, es geschieht aber wohl noch, und sagte mir vielleicht nicht mit Unrecht (wenngleich gegen mein Gesnhl): „mit Rom kann man nie langsam genug versahren."
4. Ihre Ansicht über die Staatsschrist und die Llößen namentlich rücksichtlich des Eides theile ich ganz. Ueber den letzten Mangel hat Ihnen der Krprz. bereits geschrieben.
Lunsen kennt Üiom, das menschliche Herz, aber nicht unser
Land, und das ist ein großer Mangel. 5. Lodelschwingh bewährt sich sortdauernd nnd er wird
nicht erst Kommandant von Cölln, sondern ist bereits
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konunandirender General am Rhein. Weil er dies ist, konnte er nicht herkonunen zmn Landtags-Abschied. Solche
Zustände solten nun anch vorhalten, wenn die Zeiten be-
wegter werden? Und das werden sie.
6. Zn der Schrift heißt es: „Wo aber das Salz dunun wird, womit will man salzen? Den Altenstein'schen Brief an Lodelschwingh hat unser Eichhorn geschrieben. Dies ist fnr mich eine der betrnbtesten Erscheinnngen der Zeit.
7. Hasfenpflug kenne ich nur wenig, aber er hat mir gut gefallen. Gr scheint mir ein Ehrenmann, ein Mann von Geist und Energie. Da er nur eine untere Stelle in der Iuftiz einnehmen wollte, so hätte man es inuner mit ihm wagen sollen. Einen Dentschen kann ich nie als Ansländer betrachten. Preußen kann nur gedeihen, wenn es ganz Deutschland in sein System aufninunt. Hasfenpflng's
Lob eines wnthenden Katholiken könnte fich jetzt leicht in
Haß verwandelt haben. So möchte ich jetzt nur die Gabe
befitzen, Z. Görres nüt Liebe, Ernst und schlagendem Scharffinn auf dem rein historischen Boden zu widerlegen.
ich wollte mit ihm von demselben Standpunkt ausgehen,
und ganz wo anders endigen, als er es thut. Seiire Llpotheose der katholischen Kirche ist wirklich zu toll.
8. Hat die Einrichtung mit den Provinzial-PolizeiConunisfarien Gewißheitz so weine ich mit Jhnen. ich hoffe, dieses Gerücht ist nicht gegründetz obgleich mir jetzt Alles möglich dünkt. Rochow beninunt sich in diesem Augen-
blick wie ein Heros in der Angelegenheit, die alle Gemüther
bewegt, allein solche Mißgriffe könnte ich uür aus gewiffen
Geistes-Nichtungen nur zu gut erklären.
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Nun schließe ich den langen Brief. Nachdem ich für mein langes Schweigen um Verzeihung gebeten, mnß ich jetzt Ihre Vergebung fnr mein langes Geschwätze mir erbitten. Vergeben Sie also, und diese gütige Gesinnung werden Sie am besten bestätigen, wenn Sie mir würden schreiben wollen. Darum bitte ich herzlich. Sie erfreuen auch jemand Anders dadurch.
Niit wahrer und der ausgezeichnetsten Verehrung Ew. Gxcellenz ganz gehorsamster Diener
Karl Gröben. 121.
(Eoncept.) An Gröben. Königsberg, den 18. Acärz 1838.
Gleich antworte ich, und gern und mit Dank.
1. Die Antwort des K.-P. an die beiden Fakultäten brachte hohe Freude. Prof. Burdach, der den Brief erbrach, schrieb darunter: leZi, ich unterdrücke mein Gefühl
der Freude und des Danks. Der zweite Professor schrieb neben seinem lsZi: ich kann mein Gefühl der Freude und
des Dankö nicht zurückhalten, rc. Und so circulirte der
Brief weiter und jeder war erfreut. Die Antwort des K.-P. ist aber aucb würdig, edel und schön. Aber auch
das Schreiben der beiden Fakultäten an S. K. H. ist würdig einer Universität. Es ist von Lobek, dem man nur reine Gesinnungen hier zutraut.
2. In dem Augenblick, wo Sie, mein verehrter und herzlich lieber Graf! an mich schrieben: Rochow kämpft wie ein Heros in der Coelln'schen Sache, da wußten Sie
nicht, daß die drei Minister dem Könige den Rath gegeben hatten, in der Sache der gemischten Ehen nach19
290
zugeben, und ruehr zu bewüligen, als der Erzb. nur wollte. Lesen Sie die Beilage. Unser Gouvernement ift Preis gegeben vor aller Welt. Wie stehen wir da? Und dabey hat man in der, dem Könige vorgelegten Cab.-Ordre
eine rein sesuitische Stellung angenommen. Gewissens-
zwang soll nicht sein, und der soll und muß auch nicht sein, aber da kann von keinem Gewissenszwange die Rede
seyn, wo iä) sreiwillig in einem Verhältnisse stehe, welches
ich verlassen kann, wenn Landes-Gesetze mir die Aussührung einer Bestimmung auslegen, deren Aussnhrung meinem Gewissen entgegen ist. Sie, mein werther Gras! und ich, wir können täglich in die Lage konimen, wo man vermöge unseres Verhältnisses Handlungen von uns sordert,
welche unserem Gewissen entgegen sind. Dann werden wir als treue Unterthanen und als ehrlickw Männer unser Verhältniß verlassen, aber nicht von Gewissenszwang reden.
So handelte der vorige Erzbischos von Gnesen, nnd so wnrden Sie und ich handeln, aber wir wnrden nicht nber Gewissenszwang schreien. Die Sache wegen der Hermes'schen
Lehre hat sich selbst regulirt. Der E.-B. von Cöln kann jetzt sordern, daß er in sein Amt wieder eingesetzt werde,
nnd dann kann er mit allen anderen Bischösen unseres Staats seinen Diözesanen sagen: Es sei seinem Gewissen
gemäß, daß die UnUn in Ooenn Domini, mit dem namentlichen Flnch gegen alle Lutheraner und Reformirten, bei jeder Messe angesührt werde. Es sei seinem Gewissen
gemäß, daß man den Ketzern keinen Glauben halte, daß
man die Bibel-Gesellschasten zu zerstören bemüht sei n. (Alles päbstliche Satzungen), so können wir nichts dagegen
291
sagen, wenn die Bischöfe nach jener Theorie nicht über Gewissenszwang schreien sollen. Sie wissen, daß nür schon
in Berlin, als die Coelln'sche Sache anfing, sehr bedenklich zu Muthe war. Die grelle Unwissenheit von R.,
diese amnaßende Geistlofigkeit, nut der die Sache fich machen sollte, dies .Renonuniren und Braviren ins Finstere
hinein, dies mit der Gehaltlosigkeit von Bunsen verbunden, konnten keine guten Frnchte tragen. Nehmen Sie, mein lieber Gras! nur immer den Heros zurnck, um so mehr, wenn der angebliche Heros jetzt schon klein bei-
gegeben hat. Einen so traurigen Ausgang der Sache habe ich nicht besorgt.
3. Daß Bodelschwingh dort auch als kommandirender
General agirt, kann sehr gut sein, und da er ein braver Mann ist, der besser handelt und schlägt, als denkt und
regiert, so wird er seine Sache gut machen. Nur zum Ober-Prasidenten hat ihn Gott einmal nicht geschaffen. Beim Geistl. Ministerio klagte man mir in Berlin, daß er immer nicht wisse, was er thun soll und immer ansrage. Ein gutes Eommis-, aber kein Ober-Präsidenten-
Berhältniß. Ein Ober-Präsident mnß erst sein Ei legen, und dann kann er darnber kakeln, aber er muß nicht erfi kakeln, und dann erst das Ei legen.
4. Allerdings mnssen wir Deutschland in uns ausnehmen, aber daraus solgt noch nicht, daß wir unsere Eigenthnmlichkeit als Preußen verlengnen, nnd Ausländer
in unseren Dienst nehmen, von deren Qualification wir Schockweis Jnländer haben. Dem Ausländer fehlt immer die Wärme des Herzens. ich mag strenge darin sein, aber 19"
292
ich würde mich verachten, wenn ich auf Stein's Einleitung, Staats-Kanzler iir Würtemberg zu werden, eingegangen wäre.
5. Llls Goerres' Schrift hieher kam, verhandelte ich hier mit eknenr gescheuten Gelehrten über eine Gegenschrift auf kanonischem und Staatsrechtlichen Doden. Wir verhandelten
gerade zmn zweiten Male, als die Post das Ende der Coelln'schen Sache anbrachte. Da sagte mein Professor:
Die Feder fällt mir aus der Hand, und den Triumphzug des E.-V. v. C., der seüt nur noch beschrieben werden könnte, beschreibe ich nicht. Lielleicht giebt aber die Coetln'sche Sache eine gute Lehre.
Die Sache des R. R. Schumann, von dem Flottwell arge Dinge erzählt, war schon Warnung, die Coelln'sche
Sache ist es noch mehr. Das Bedürfniß der Jntelligenz und der nothwendigsten Kenntniß der Sache muß doch endlich in die Augen springen. Gott erhalte Sie wohl! Schön. 122.
An Schön. Den 29. Juni 1838. Cuer Excellenz deuteten vor Kurzem gesprächsweise dar-
auf hin, daß nach der Aufhebung des Ostpreußischen Etats-
ministerii im Z. 1804 wichtige Verordnungen, das chm eiren 8nern über die katholische Kirche betreffend, ergangen, und
daß Herr Präsident Fülleborn in Marienwerder dieser Verordnungen Crwähnung gethan. Vergebens habe ich mich bemüht, darüber Etwas zu ermitteln, und im Allgemeinen nur so viel festzustellen vermocht:
293
Dem Etatsministerium stand in Beziehung aus das hm eii-en 8noru nber die katholische Kirche die Aussicht über die
Verwaltung der extsrnu zu, insbesondere rücksichtlich der Vermögensverwaltuug, der Besetzuug der geistlichen und der Schulstellen.
Diese Befugnisse gingen nach dem Reglement über die Vertheilung der Geschäste zwischen den Landes-Collegien in
Ostpreußen und Litthauen vom 21. Iuni 1804, § 5, Nr. 6 (Ediktensamml. d. I. T. XI Nr. 31) aus die Kriegs- und Domänen-Karnmer zu Königsberg über. Genauere Bestimmungen ersolgten dann erst durch die Geschästsinstruction sür die
Oberpräsidenten vom 23. December 1808, sür die Regiernngen vom 26. December 1808 und später. Es würde ohne Zweisel mannigsache Ausklärung gewähren, wenn Euer Excellenz die Geneigtheit hätten, durch den Herrn Präsidenten Fülleborn die besonderen Vorschristen
des I. 1804 vermitteln zu wollen. Jacobson. 123.
n'. Ich wage es, E. E. eine kleine Schrift zu übersenden,
welche den Titel hat: „Der Erzbischos in Cöln." Freilich ist mir der Gegenstand fremd. Allein es ging hinter dem Religionsrezeß von 1672, der die vier Länder Jülich,
Cleve, Berg und Mark umsaßte, und die einzige Nicht-
schnnr war, an dem wir uns zu halten hatten. Dieser Religionsrezeß wurde vom Churfürsten von Brandenburg und dem Herzoge von Neuburg unterzeichnet und konnte allerdings wieder aufgehoben werden, aber nur,
wenn der große Ehurfürst oder dessen Nachfolger und der
294 Herzog von Neuburg oder dessen Nachsolger ihn wieder aufhoben.
Dieses ist aber noch nicht geschehen! Die Minister von Goldbek und von Massow haben diesen
Religionsrezeß wohl nicht gekannt? als sie am 2l. Nov. 1803 dem Könige eine Kabinetsordre vorlegten, worin das Gegen-
theil von dem Religionsrezeß von 1672 enthalten war. Nämlich, daß bei gemischten Ehen nur der Vater das Recht habe,
nber die Religion seiner Kinder zu bestimmen, nicht die
Mutter. Dies ist eben die Schuld an der ganzen Verwirrung. Wenn der große Chursnrst einmal in den Saal des Staatsraths träte und sagte: „Jcb habe im Jahre 1672 durch den Religionsrezeß
alles geordnet, und ihr wollt nun Streit mit den Katholiken macken?"
Deutschland ist eine Republik, die beim Bundestage 17
Stimmen hat. Von diesen gehören 12 an Protestantischen Häusern, vier an Katholischen Häusern und eine den freien Städten, die auch Protestantisch sind.
Zahlen entscheiden! So auch hier. Aber Gleichheit
der Rechte der Christlichen Religionen in Deutschland ist durch den Westphälischen Frieden sestgeseßt, den aber
der Pabst nicht bestätigt hat, und mit dem man noch immer
im Kriege ist. Das ist eben schlimm, daß man einen Gesandten in Rom hält. Die Engländer halten keinen Gesandten in Rom. Es ist schön bei der Preußischen Regierung, daß man seine Meinung sagen dars. Auch wenn es gegen die Re-
295
gierung ist. So hat z. B. Seine Majestät der König diese Schrist mit Ausmerksamkeit gelesen und mir eine werthvolle goldene Dose zum Geschenke gemacht.
Der große Chursürst regierte 48 Iahre, und Cr hatte die Katholiken in Furckt. Denn, sobald der Religionsvergleich von 1672 abgeschlossen war, erließ der Chursnrst von
Coln ein Rundschreiben an die Katholische Geistlichkeit der
vier Lander, die zu seinem Sprengel gehörten:
„Daß sie doch ja nichts thun sollten, was diesem Religionsrezeß zuwider sei." Jch habe diesen Religionsrezeß an Herrn von Merkel geschickt. Es ist wahrscheinlich der erste Abdruck, denn er
kam im Jahre 1674 in Cleve heraus. E. E. ganz gehorsamster Diener Benzenberg. Dnsseldors^ den 28. November 1838.
124.') Die neueste päpstliche Allocution giebt abermals den schlagenden Beweis, daß die päpitliche Curie weder die Zeit
der Gegenwart auf dem Standpunkte ihrer geistigen und insbesondere ihrer religiösen Entwickelung versteht, noch die
Steltung erkennt, die sie einnehmen mnßte, wenn sie mit wnrdiger Haltung und ersolgreichem Wirken in der nun einmal in ihrer bestimmten geistigen Entwickelung dastehenden
Zeit snr religiöse und kirchliche Zwecke thätig sein wollte. Statt die Richtungen und Stimmnngen der Zeit zu beachten, die in der gewonnenen Jntelligenz des Zeitalters ihren AusZ Dieses Schriftstück ist von der Hand des Professors Joh. Voigt geschrieben.
296
fluß haben, bringt die päpstliche Cnrie in der erwähnten Allocution von neuem, wie es längst schon ihre Sitte gewesen, eine gute Anzahl mittelalteriger Sätze, Dogmen und
Behauptungen zu Tage und kämpft mit dieserr gegen den Geist der Zeit an, Behauptungen, welche, abgesehen von der gesarnmten protestantischen Menschheit Europa's, selbst in der
katholischerr Kirche die Dlinden nicbt sehend und die Hellsehenden rricht blind machen werden. Die päpstliche Curie rnag es allerdings fnr wohlgetharr und zweckrnäßig erachtet haben, den Glanberrsgenossen der katholischen Kirche diese in
frnheren Zeiten schon hurrdertfältig von Rorn her ausgesprocherren Behauptungen wieder eirrrual in's Gedächtniß
zn bringen; allein fie hatte dabei ofsenbar auch eine andere
Absicht. Wenn man eine Sache oder eine Handlnng tadeln
will, und selbst beim Mangel an Argumenten dieser Wille vorwaltet, so ist es, wenn man keine nberzeugenden Grnnde
zum Tadel stndet, ein gewohnlicher Ausweg, daß man dern Gegner, von welchem die Sacke oder Handlnng ansgegangen
ist, Bestrebungen, Meinungen und Abfickten, die nie bei ihrn obgewaltet, andichtet und den Handlungen uutersckiebt, urn
an ihnen einen anhaltigen Gegenstarrd zu gewinnen, gegen den rrrarr mit allen Wasten kämpferr kann. Dieses Verfahren
springt auch klar in die Augen, wenn man die erwähnte neueste päpstlicke Altocution rrrit einiger Aufmerksarnkeit durckliest.
Sie geht von der Behauptung aus, daß von Seiten der preußiscken Regierung „neue Unternehmungen gegen die unverleßlichen Rechte der katholischen Kirche" im Werke seien,
daß das prcußische Gouvernement die Absicht habe, die katho-
297
lische Kirche als Staats-Jnstitution in Abhängigkeit von der Staatsgewalt auch in Religionssachen zu behandeln; sie nennt
dieses der preußischen Regierung insinuirte Bestreben, die
Kirche in Abhängigkeit von der Staatsgewalt zu bringen, „den irrthnmlichen Grundsatz, der den Punkt und das Centrum bilde, von dem die ganze Reihe der Sätze und Behauptnngen der preußischen Regierung in der bekannten preu-
ßischen Crklärung und Denkschrist vom 31. December 1838
ausgehe." Za, die päpstlicke Curie geht so weit, daß sie „in der Anwendung der von der preußischen Regierung in ihrer Erklärung und Denkschrist behaupteten, der Natur, dem Wesen und den ursprnnglichen Prärogativen der katholischen
Kirche entgegengesetzten Grundsätze, Marimen und Regeln,
weit entsernt, darin eine Bnrgschaft der Existenz und Wohl-
sahrt der Kirche zu sehen, vielmehr eine wahre Sklaverei sindetz abzweckend aus die Zerstörung des Katholizismus in Preußen."
Dies ift nun aber der Feind, den sich die päpstliche Curie hingesteltt hat, um ihn mit allen Waffen von Rechten, Prärogativen, Attributen und Pslichten ihres oberften Hirtenamtes und Weltapoftolats, von denen die Allocution so reichlich sprickck, zu bekämpsen. Sie will die unwnrdige „Sklaverei"
nicht dulden, in welche, wie sie meint, das preußische Gouvernement die katholische Kirche unter der Abhängigkeit von
der Staatsgewalt hinabdrncken möchte. Hätte sie indeß nur das preußische Grundgesetz, das Allg. Landrecht, eingesehen,
so würde sie gesunden haben, daß von einer Kirche, indem
diese ihrem Wesen nach die Grenzen eines Staates über-
schreitet, darin gar nicht die Rede ist, und die Kirche als
298
solche weder einem Gebote, noch einem Verbote von Seiten
des Staats nnterliegt; sie wnrde eingesehen haben, daß das preußische Grundgesetz die katholische Kirche als solche nicht
weiter bernhrt und das Wort „Papst" so wenig kennh als den Großmeister aller Freimaurerlogen aus der Erde. Es würde ihr dagegen vielmehr klar geworden sein, daß atle gesehlichen Be-
stimmungen und staatsrechtlichen Anordnungen nur die katho-
lische Kircken-Gesellschast, wie sie gleichsam als Jndividuum,
als Einzelnheit der katholischen Kirche sich im Staate gestaltet hat und sortwährend gestaltet, und wie deren Handlungen sich
äußern, insoweit betressen, als diese Handlungen und Gestal-
tungen derselben in das staatsrechtliche Gebiet sallen. Ms katholische Kirchen-Gesellschast hat sie wie eine andere Gesell-
schast im Staate eine zweisache Stellung, eine rein kirchliche, in
welcher sie als ein Theil der katholischen Kirche angehört, und eine staatsrechtliche, in welcher sie als Gesellschast im Staate
nur in den Grenzen eines Staats, oder besser in den Grenzen der Jdee eines Staats als solche angenommen und anerkannt
wird. Jn ersterer Beziehung ist und bleibt sie in ihren Einrichtnngen, Meinnngen^ Glaubenssätzen und in allen kirchlichen Handlungen und Angelegenheiten, welche nicht in den staatsrechtlichen Kreis sallen^ so unbeschränksi und wird
in ihrer innern kirchlichen Fortbildung und religiösen Entwickelung so wenig gehemmt und gestörsi wie jede andere im Staat eristirende wohlthuende, die geistige oder körperliche
Wohlsahrt der Staatsbürger sördernde Gesellschast. Das preußische Gouvernement hat der katholischen Kirchengesellschast in dieser Beziehung niemals bindende Vorschristen aus-
dringen, niemals sür sie einen Glaubenssaü bestimmen, nie-
299
mals ihr von aller Zeit ihr eigenthümliches Ritual ändern, oder überhanpt Anordnungen über den ihr eigenthümlichen
Gottesdienst trefsen wollen. Man würde daher dem preußi-
schen Gouvernement unverantwortlich Unrecht tbun, wenn man ihm die Absicht beimessen wollte, die katholische Kirche durch die Unterordnung unter die Staatsgewalt zur „Sklaverci" herabzuwürdigen.
Frei und unbeschränkt steht in Preußen die Katholische Kirchengesellschast in staatsrechtlicher Beziehung da, so lange
sie den Staatszweck nicht hindernd und hemmend und die Staatsgesetze nicht verletzend austritt. Der Staat findet die erste Bedingung seiner Gxistenz und seines Bestehens noth-
wendig :rur in der vollkommensten Grsüllung und der unablässigen Realisirung des höchsten Staatszweckes, nämlich
der höchstmöglichen Bildung seiner Staatsbürger. Diese aber
ist nur unter steter Aufrechthaltung und heiliger Unverletzlichkeit der Gesetze möglich, weil nur unter dem Gesetze die nothwendigsten Bedingungen der Bildung, kirchliches Leben,
Freiheit und Sicherheit denkbar sind. Diese Gesetze giebt oder entwickelt der Staat ans sich selbst und zwar in dem
Geist und Gharacter, wie er sie zur Erreichung und Verwirklichung des Staatszweckes am zweckmäßigsten findet; er
kann es keiner sremden Macht erlauben, ihm solche Gesetze auszudringen. Unter diesen Gesetzen steht in Prenßen ebenso
wie die evangelische und reformirte Kirchen-Geseltschast auch
die katholische. Der Staat tritt gegen die erstern wie gegen die letztern nur dann verbietend ein, wenn die eine oder die andere dem Zwecke des Staats entgegen handeln will. Hier
kann der Staat aber den Einsluß einer sremden Macht aus
300
keine Weise dulden, wenn er nicht zugleich zugeben will, daß
Bestrebungen und Tendenzen im Staate geltend werden sollen, die dem Staatszwecke entgegen wirken können. Das
hat Preußen auch von jeher gethan. Sobald ein fremder Einfluß auf die katholische Kirchen-Gesellschaft des Landes
fich hat geltend machen wollen, oder eine Handlung eines Gesellschafts-Mitglieds den Landesgesetzen entgegen, dem Staatszwecke widersprechend und unchristlich war, hat das
Gouvernement es stets als seine Pflicht betrachtet, mit Ver-
bot und Strafe entgegen zu treten. Man hat sogar in einzelnen Fallen Nachsicht bewilligtn wenngleich dem Wesen eines Staats nach solche zu bewilligen nicht nothwendig war.
Arrders freilich die päpstliche Curie. Sie kennt oder sie will wenigstens die katholische Kirchengesellschaft im Staate
in ihrer staatsrechtlichen Stellung nicht anerkennen. Alles, was nur nach den Regeln einer Gesellschaft, nber welche der
Staat seinem Wesen und seinem Zwecke nach nothwendig
und pflichtgemäß die Oberaufsicht führen muß, beurtheilt werden kann, beurtheilt fie in ihrer Allocution aus dem nicht hierher gehörigen Fundament der Kirche. - So lange daher der Papst alles, was jetzt in dem Streit zwischen dem päpst-
lichen Hofe und dem prenßischcn Gouvernement in Frage gestellt ist, nur von diesem Gesichtspunkte aus anfieht, läßt
fich kaum eine Möglichkeit denken, wie die obwaltenden Irrungen beseitigt werden könnten. Das preußische Grundgesetz erkennt nun einmal den Papst als Gesetzgeber fnr die katholische Kirchengesellschaft in staatsrechtlicher Hinsicht nicht
an und wird ihn nimmermehr als solchen anerkennen; es kennt nur die im Staate lebenden Vorsteher der katholischen
301
Kirchengesellschaft, die Bischöfe, und nbt nber diese, wie es
seine Pflicht verlangt, wie über die Vorsteher jeder anderen
Gesellschaft in seinem Staate, das zu seiner Existenz und zur Realisirung des Staatszweckes nothwendige Oberaussichts-
recht aus. Dieses Recht, diese heilige Psiicht des Staates,
ebenso heilig, als der Papst seine Pflichten seines Hirten-
amtes und Weltapostolats heilig hält, wird und dars der preußische Staat nimmermehr aufgeben.
Was wilt und soll also nun in solcher Gegenstellung der Verhältnisse der päpstlichen Curie und des preußischen Gouvernements die neue päpstliche Alloeution? Sie geht von
einem Grundsahe und einer Ansicht der Derhältnisse aus,
die nie zur Ausgleichung und Einigung snhren können; sie setzt Bestrebungen und Tendenzen voraus, die bei dem preußischen Gouvernement nicht vorwalten und nie gesaßt worden
sind; sie kämpst mit einem Schattenbilde^ welches man sich
in Rom selbst geschassen hat, einem Bilde, welches nur dadurch eine körperliche Gestalt bekommt, daß man, wohin die
anfmerksame Betrachtung der Allocution allerdings sühren muß, aus ihr die Meinung gewinnt: der Papst erstrebe nichts geringeres, als in allen katholisch-kirchlichen Angelegenheiten
Ober-König in Preußen zu sein. 125.
Königsberg, den 6. Mai l839.
Wenn man eine Sache oder eine Handlung tadeln will^ und selbst beim Mangel von Argumenten dieser Wille
vorwaltet, so ist es, wenn man keine Gründe zum Tadeln findet, ein gewöhnlicher Weg, daß man dem Gegner Mei-
302
nungen und Absichten, welche er gar nicht gehabt hat, an-
dichtet und dagegen nüt allen Wafsen fechtet. Dies Verfahren fpringt in die Augen, wenn man die neueste Allocution gegen das preußische Gouvernement vom 12. v. M. liest.
Die Atlocution geht davon aus, daß Preußen die Absicht habe, die katholische Kirche als Staats-Institution unter
dem Gouvernement zu behandeln und nun wird dagegen mit alter Macht angekämpft. Hätte die päpstliche Gurie nur das preußische Grundgesetz, das Allg. Land-Recht angesehen, so würde sie gesnnden haben, daß von einer Kirche, wenn diese ihrem Wesen
nach die Grenzen eines Staats nberschreitet, darin gar nicht die Rede istz und die Kirche als Kirche weder einem Gebote,
noch einem Verbote von Seiten des Staats unterliegt. Man würde gesunden haben, daß alle gesetzlichen Mißstimmungen rurd staatsrechtlichen Anordnungen nur die katholische Kirchen-
gesellschast, wie sie im Staate sich gestaltet hat und gestaltet
und wie deren Handlungen sich äußern, insoweit betrisstz als diese Handlungen in das staatsrechtliche Gebiet sallen. Die katholische Kircheirgesellschast ist in ihren Einrichturrgen, Meinungen, Glaubenssätzen, Handlungen, in allen Arrgelegenheiten, welche rricht in den staatsrechtlichen Kreis fallerr, so nnbeschränkt, wie jede andere im Staate existirende
wohlthuerrde Gesellschaft, und der Staat tritt gebietend oder
verbieterrd nur ein, wo die Gesellschast dem Zwecke des Staats entgegen handeln will. Das preußische Gonvernement
hat sür diese Gesellschast niemals einen Glaubenssatz be-
stinrmen oder Anordnungen über den Gottesdienst treffen wollen, aber so bald eine Handlung eines Gesellschafts-Mit-
303
gliedes den Landesgesetzelr entgegen, oder unchristlich war,
so hat das Gouvernement seiner Pflicht nach eine solche Handlung nicht geduldet. Za, man ist sogar weiter gegangen
und hat in einzelnen Fallen Nachsicht bewilligt, welche dem
Wesen eines Staats nach zu bewilligen nicht nothwendig war. Wenn der Diener einer Gesellschaft, hier noch dazu einer privilegirten Gesellschast, als Autorität anerkannt wird, so kann man von ihm fordern, daß er seine Amtshandlungen entweder den Gesetzen gemäß einrichte oder sein Amt nieder-
lege, und doch ninunt man es an, daß der katholische Geistliche ohne gesetzliche Grnnde eine Tranung verweigern dürfe.
Was nach den Regeln einer Gesellschaft im Staate, über welche der Staat seinem Wesen nach die Oberaussicht führen
muß, nur beurtheilt werden kann, das beurtheilt die Allocution
aus dem nicht hierher gehörigen Fundamente der Kirche. Unsere Gesetze wissen aber von der karholischen Kirche
nichts; das Allg. Land-Recht kennt das Wort: „Papst" so wenig als den Großmeister aller Freimaurerlogen aus der Erde. Es kennt nur die im Staate lebenden Lorsteher der katholischen Kirchengesellschaft sdie Bischöfe) und übt über
diese, wie es seine Pflicht ist, wie über die Lorsteher jeder anderen Gefellfchaft im Staate, das zu seiner Existenz nothwendige Oberaufsichts-Recht aus. Kommen von einer Gesellschaft Handlungen zu Tage, welche unchristlich oder dem
Zweck des Staats entgegen sind, z. B. daß man den Mitchristen als Unchristen behandele; so ist es die Pflicht des Staats, solche Verletznngen zu bestrafen. Betrachtet man die Allocution