Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde: 66. Band 2020 [1 ed.] 9783412520571, 9783412520557


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Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde: 66. Band 2020 [1 ed.]
 9783412520571, 9783412520557

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Archiv für Diplomatik Schriftgeschichte Siegel- und Wappenkunde Herausgegeben von

IRMGARD FEES und ANDREA STIELDORF

66. Band · 2020

BÖHLAU VERLAG WIEN · KÖLN · WEIMAR

Archiv für Diplomatik 66

Archiv für Diplomatik Schriftgeschichte Siegel- und Wappenkunde Begründet durch

EDMUND E. STENGEL Herausgegeben von

IRMGARD FEES und ANDREA STIELDORF

66. Band · 2020

BÖHLAU VERLAG  WIEN KÖLN WEIMAR

Archiv für Diplomatik Schriftgeschichte Siegel- und Wappenkunde begründet von Edmund E. Stengel Herausgeber: Prof. Dr. Irmgard Fees Prof. Dr. Andrea Stieldorf eMail: eMail: [email protected] [email protected] Anschrift: LMU München Historicum Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München

Universität Bonn Institut für Geschichtswissenschaft, Konviktstr. 11 53113 Bonn Telefon 0228 / 735167

Redaktion: Prof. Dr. Andrea Stieldorf, Dr. Tobias Weller Aufgabenkreis: Das »Archiv für Diplomatik« veröffentlicht Untersuchungen und Darstellungen aus dem Bereich der historischen Hilfswissenschaften. Manuskripte sind, möglichst nach vorheriger Anfrage und nur in druckfertigem Zustand, an die Redaktion einzusenden (CD-ROM mit Angabe des benutzten Programms sowie ein Ausdruck oder per E-Mail-Anhang). Ein Merkblatt über die technische Einrichtung von Manuskripten findet sich unter (http://www.hgw.geschichte.uni-muenchen.de/ forschung/forsch_projekte/afd/index.html). Die Verfasser tragen für ihre Beiträge die Verantwortung; die Herausgeber sind nicht verpflichtet, Entgegnungen zu drucken. Autorenkorrekturen gehen im üblichen Ausmaß zu Lasten der Verfasser. © 2020 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG., Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: Punkt für Punkt · Mediendesign, Düsseldorf Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN: 0066-6297 ISBN: 978-3-412-52057-1 Erscheinungsweise: jährlich Preis: auf Anfrage Ein Abonnement verlängert sich automatisch um ein Jahr, wenn die Kündigung nicht zum 1. Dezember erfolgt ist. Zuschriften, die Anzeigen und Vertrieb betreffen, werden an den Verlag erbeten.

Inhalt

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Theo Kölzer Nachruf auf Walter Koch (1942–2019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Giovanna Nicolaj A conclusione delle ChLA, seconda serie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Theo Kölzer Ansgar und das Erzbistum Hamburg. Eine Nachlese . . . . . . . . . . 21 Barbara Klössel-Luckhardt König Heinrich I. im zeitgenössischen Siegel- und Münzbild . . . 33 Frank Engel Päpstlicher als der Papst? Papstbriefe um das Jahr 1000 . . . . . . . . 55 Karl Borchardt Ein Würzburger Formularium der späten Stauferzeit in Clm 639 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Jean-François Nieus/Aurélie Stuckens Vestiges épistolaires de Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut. Deux collections-formulaires du début des années 1270 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Žarko Vujošević Das Phänomen Herrscherkanzlei im mittelalterlichen Serbien . . 239 Lorenzo Benedetti Sul contributo di Benjamin Hederich allo sviluppo delle scienze storico-documentarie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

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Inhalt

Stand und Perspektiven der Historischen Grundwissenschaften 2 Beiträge zur Tagung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 16./17. Februar 2018 Irmgard Fees Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Thomas Wozniak Zum Stand der Genealogie und Genetik in den Geschichtswissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Jochen Johrendt Papsturkunden und Papstbriefe bis zu Bonifaz VIII. . . . . . . . . . . 331 Wolfgang Huschner Stand und Perspektiven der Historischen Grundwissenschaften Kaiser- und Königsurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Anschriften der Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis Abb. Abbildung(en) AA SS Acta Sanctorum Abh. Abhandlung(en) Abh. München Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Die Abhandlungen anderer Akademien werden in entsprechender Abkürzung zitiert. Gemeint ist stets die philosophisch-historische oder entsprechende Klasse)

ADB AfD

Allgemeine Deutsche Biographie Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde AHP Archivum Historiae Pontificiae AHR American Historical Review AKG Archiv für Kulturgeschichte Anm. Anmerkung(en) Archiv Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde AUF Archiv für Urkundenforschung Aufl. Auflage(n) AZ Archivalische Zeitschrift Bd., Bde. Band, Bände BDLG Blätter für deutsche Landesgeschichte BECh Bibliothèque de l’École des Chartes Bibl. Bibliothek, Bibliothèque, Biblioteca BMCL Bulletin of Medieval Canon Law N.F. Bouquet Recueil des Historiens des Gaules et de la France, hg. von Martin Bouquet u. a. ChLA Chartae Latinae Antiquiores CLA Codices Latini Antiquiores CSEL Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum D – DD Diploma – Diplomata ergänzt um die abgekürzten Herrschernamen. Beispiele: zu Otto III: D O.III. 28 zu Friedrich II: D F.II. 55

DA

Deutsches Archiv für Erforschung (bis 1944: Geschichte) des Mittelalters Diss. Dissertation EHR English Historical Review FmSt Frühmittelalterliche Studien FSGA Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe FSI Fonti per la storia d’Italia Germ. Pont. Germania Pontificia Hg., hg. Herausgeber(in), herausgegeben HJb Historisches Jahrbuch HRG Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte

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Abkürzungs- und Siglenverzeichnis

Hs., Hss. Handschrift(en) hsl. handschriftlich HV Historische Vierteljahrsschrift HZ Historische Zeitschrift It. Pont. Italia Pontificia Jg. Jahrgang Jh. Jahrhundert (Deklinationsformen unverändert) JK Jaffé/Kaltenbrunner ⎫ JE Jaffé/Ewald ⎬ Regesta Pontificum Romanorum JL Jaffé/Löwenfeld ⎭ LexMA Lexikon des Mittelalters LG Landesgeschichte LThK Lexikon für Theologie und Kirche MGH Monumenta Germaniae Historica Auct. ant. Auctores antiquissimi Briefe d. dt. Kaiserzeit Die Briefe der deutschen Kaiserzeit Capit. Capitularia regum Francorum Capit. episc. Capitula episcoporum Conc. Concilia Const. Constitutiones Dt. Chron. Deutsche Chroniken Dt. MA Deutsches Mittelalter. Kritische Studientexte Epp. Epistolae (in Quart) Epp. saec. XIII Epistolae saeculi XIII Epp. sel. Epistolae selectae Fontes iuris Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum separatim editi Fontes iuris NS Fontes iuris Germanici antiqui, Nova series Ldl Libelli de lite imperatorum et pontificum Libri mem. Libri memoriales Libri mem. NS Libri memoriales et Necrologia, Nova series LL Leges (in Folio) LL nat. Germ. Leges nationum Germanicarum Necr. Necrologia Germaniae Poetae Poetae Latini medii aevi QQ zur Geistesgesch. Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters SS Scriptores (in Folio) SS rer. Germ. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separati mediti SS rer. Germ. NS Scriptores rerum Germanicarum, Nova series SS rer. Lang. Scriptores rerum Langobardicarum SS rer. Merov. Scriptores rerum Merovingicarum Staatsschriften Staatsschriften des späteren Mittelalters Mschr. Maschinenschrift Migne PL J.-P. Migne, Patrologia Latina MIÖG Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (1923–1942: MÖIG) MLW Mittellateinisches Wörterbuch

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis

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NA

Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Nachdr. Nachdruck Nachrichten Göttingen Nachrichten von der Akademie (bis 1940: Gesellschaft) der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Klasse NDB Neue Deutsche Biographie NF, NS Neue Folge; Nova Series, Nuova Serie u. dgl. Nr. Nummer Potthast Potthast, Regesta Pontificum Romanorum QE Quellen und Erörterungen zur bayerischen (und deutschen) Geschichte QFIAB Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken RI Regesta Imperii Rep. font. Repertorium fontium historiae medii aevi (1962 ff.) Rev. Bén. Revue Bénédictine RH Revue historique RHE Revue d’Histoire Ecclésiastique RIS1 Rerum Italicarum Scriptores, alte Ausgabe (1723 ff.), hg. von Muratori Rerum Italicarum Scriptores, neue Ausgabe (1900 ff.) RIS2 RTA Deutsche Reichstagsakten SB München Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Die Sitzungsberichte anderer Akademien werden in entsprechender Abkürzung zitiert. Gemeint ist stets die philosophisch-historische oder entsprechende Klasse)

SZG Schweizerische Zeitschrift für Geschichte Stegmüller Friedrich Stegmüller, Repertorium biblicum medii aevi StM Studi Medievali StMGBO Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner Ordens und seiner Zweige Stumpf Stumpf/Brentano, Die Reichskanzler 2 Tab. Tabelle(n) Taf. Tafel(n) ThLL Thesaurus Linguae Latinae UB Urkundenbuch Univ. Universität Vf. Verfasser(in) (Deklinationsformen unverändert) vgl. vergleiche VL Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon VSWG Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte VuF Vorträge und Forschungen ZBLG Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte ZGO Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins ZHF Zeitschrift für historische Forschung ZKG Zeitschrift für Kirchengeschichte

X

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis

ZRG Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, GA Germanistische Abteilung KA Kanonistische Abteilung RA Romanistische Abteilung Zs. Zeitschrift(en) ZSG Zeitschrift für Schweizerische Geschichte

Nachruf auf Walter Koch (1942–2019) von THEO KÖLZER

In Waidhofen/Ybbs (Niederösterreich), seinem Alterssitz, verstarb am 27. Dezember 2019 nach langer Krankheit und doch unerwartet im Alter von 77  Jahren der emeritierte Münchner Ordinarius für Historische Grundwissenschaften und langjährige Mitherausgeber des „Archivs für Diplomatik“ Walter Koch. Der gebürtige Wiener studierte in seiner Heimatstadt Geschichte und Klassische Philologie und wurde 1967 von Alphons Lhotsky († 1968) promoviert mit einer Arbeit über „Ausländische Besucher in Wien. Ein Beitrag zur internationalen Stellung der Stadt Wien im Mittelalter“. Seit dem Herbst 1968 unterstützte er – nach Abschluss des 51. Institutskurses und parallel zu seiner Tätigkeit im gymnasialen Schuldienst – seinen verehrten Lehrer Heinrich Appelt maßgeblich bei der Edition der Urkunden Barbarossas, einem epochalen Projekt der Monumenta Germaniae Historica (MGH). Die 1973 veröffentlichte „diplomatisch-paläographische Untersuchung“ über „Die Reichskanzlei in den Jahren 1167−1174“ zeichnet sich nach ­Appelt „durch ungewöhnliche methodische Schärfe, vor allem in der p ­ aläographischen Einzelbeobachtung“ aus, und das sollte richtungsweisend für Kochs weitere Arbeiten sein, z. B. für seine 1978 eingereichte Habilita­tionsschrift über „Die Schrift der Reichskanzlei im 12. Jahrhundert“ (erschienen 1979), eine Pioniertat ohne vergleichbares Vorbild. Auch das von Koch selbständig erarbeitete, streng philologisch konzipierte Wort- und Sachregister zum ersten Band der Barbarossa-Urkunden (1975) setzte Maßstäbe, indem es innerhalb der Diplomata-Reihe erstmals einen fundierten Überblick über die Phraseologie der Kaiserurkunden und eine ­sichere Grundlage für den Diktatvergleich bot. Die Früchte solchen ­Engagements ließen nicht lange auf sich warten. Seit 1975/76 bekleidete Koch eine für ihn neu geschaffene Planstelle am Institut für Österreichische Geschichtsforschung, um sich ganz der Wissen-

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Theo Kölzer

schaft widmen zu können. Gleichwohl und für ihn bezeichnend führte er seine Tätigkeit im Schuldienst nebenberuflich und in reduzierter Form bis August 2003 fort, obwohl 1982 seine Berufung auf den Münchner Lehrstuhl für Historische Grundwissenschaften als Nachfolger von Peter Acht und Waldemar Schlögl erfolgte. Als ‚Morgengabe‘ fiel ihm die Aufgabe zu, den für das Folgejahr in München geplanten internationalen Kongress der ‚Commission Internationale de Diplomatique‘ (CID) zu organisieren, was ihm im Zusammenwirken mit der Generaldirektion der bayerischen Archive glänzend gelang: Der Münchner Kongress war ein Meilenstein in der Geschichte der noch jungen Organisation. Mitglied der CID war Koch bereits 1982 geworden, wurde jetzt in deren bureau gewählt und war schließlich 1996−2001 Generalsekretär. Auch in seinem zweiten Arbeitsfeld, der Paläographie, reüssierte er auf internationaler Bühne: 1989 erfolgte Kochs Kooptation in das ‚Comité International de Paléographie Latine‘, dessen bureau er 1995−2005 als Mitglied und Schatzmeister angehörte. Eng verknüpfte Koch mit diesem Arbeitsfeld sein Engagement für die Epigraphik. Der Inschriftenpaläographie waren schon seine ersten wissenschaftlichen Gehversuche gewidmet, aus denen sich sodann ein weltweit anerkanntes Expertentum entwickelte, gipfelnd in der auf zwei Bände angelegten „Inschriftenpaläographie des abendländischen Mittelalters und der frühen Neuzeit“, deren erster Band im Jahr seiner Emeritierung (2007) erschien und die jetzt leider unvollendet bleiben muss – wiederum eine grundlegende Pionierstudie. Denn es ist nicht vermessen, wenn man dieses Standardwerk neben Bernhard Bischoffs Klassiker „Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters“ stellt, für dessen vierte Auflage (2009) Koch eine ergänzende Auswahlbibliographie beisteuerte. In eine Reihe mit einem der bedeutendsten Paläographen des 20. Jahrhunderts gestellt zu werden, hätte Koch wohl als das größtmögliche Lob empfunden, ihn aber wohl auch verlegen gemacht, denn Walter Koch war ein äußerst bescheidener Mensch, der nicht die große Bühne suchte und insofern aus der Zeit gefallen schien, der aber stets zur tätigen Hilfe und fachlichen Diskussion bereit war, auch wenn dies seine ohnehin schmalen Zeitressourcen weiter auszehrte. Und was er aus seiner sehr bescheidenen Münchner Erstausstattung gemacht hat, verdient höchsten Respekt und wird auch im Fach anerkannt, etwa das Epigraphische Forschungs- und Dokumentationszentrum, das seinesgleichen sucht. Insofern waren die drohende Streichung und die schließliche Herabstufung seines Lehrstuhls für Koch eine bittere Enttäuschung. Über seine Emeritierung hinaus leitete er die äußerst produktive Münchner

Nachruf auf Walter Koch (1942–2019)

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Arbeitsstelle der „Deutschen Inschriften“, eines Gemeinschaftsunternehmens der deutschen Akademien und der österreichischen Akademie der Wissenschaften; bereits 1997 war er zum Vorsitzenden der Interakademischen Kommission dieses Inschriftenwerkes gewählt worden. Die Aufzählung solcher Leitungsfunktionen ließe sich leicht fortsetzen, denn Walter Koch ließ sich immer wieder in die Pflicht nehmen, wenn es die Interessen des Fachs erforderten; auf ihn war immer Verlass. So stellte er sich spontan als Mitherausgeber zur Verfügung, als das ‚Archiv für Diplomatik‘, das Flaggschiff der deutschen hilfswissenschaftlichen Forschung, nach dem Tod Walter Heinemeyers († 2001) in schweres Fahrwasser zu geraten drohte. Und in all den Jahren gestaltete sich die Zusammenarbeit reibungslos in kollegialer, ja freundschaftlicher Weise. Der Respekt und die Anerkennung seitens der Fachwelt für solches Engagement blieben nicht aus und schlugen sich in Preisen und Kooptationen in wissenschaftliche Korporationen nieder. Besonders gefreut hat ihn die Zuwahl in die Zentraldirektion der MGH (1997). Zudem war er u. a. korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie (1985) sowie ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1993), und für beide Institutionen wirkte er wiederum segensreich in verschiedenen Leitungskommissionen mit; daneben war er auch in der akademischen Selbstverwaltung engagiert und als Fachgutachter tätig. Den Preis der Göppinger Staufergesellschaft für sein Lebenswerk (2018) und die ihm anlässlich des MGH-Jubiläums (2019) verliehene Freiherr-vom-Stein-Medaille konnte Koch nicht mehr persönlich in Empfang nehmen. Zeitlich parallel, am 26. Juni 2019, wurde ihm das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse verliehen. Das zuvor skizzierte Arbeitspensum reicht ohne Zweifel für einen gut gefüllten, eng getakteten Tagesablauf und verheißt wenig Raum für schöpferische Muße. Dass aber bei alldem auch ein beeindruckendes und fachlich breites Œuvre auf der Habenseite steht, hat Walter Koch für selbstverständlich gehalten, denn in erster Linie war er ein Forscher und Lehrer der alten Schule, der sich auf seinen Forschungsgebieten als international anerkannter Experte profiliert hat. Nichts verdeutlicht seine internationale Vernetzung besser als die ihm zur Emeritierung überreichte voluminöse Festschrift (2007), streng genommen seine dritte, in der die nichtdeutschen Beiträger in der Mehrzahl sind1. De litteris, manuscriptis, inscriptionibus… Festschrift zum 65. Geburtstag von Walter Koch, hg. von Theo Kölzer/Franz-Albrecht Bornschlegel/Christian Friedl/Georg Vogeler, Wien/Köln/Weimar 2007. 1

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Theo Kölzer

War schon die Realisierung des Appelt’schen Großunternehmens der Barbarossa-Edition (1975−1990) anfangs mit Skepsis betrachtet worden, so war das von Walter Koch seit 1985 betriebene und auf mehr als das doppelte Volumen geschätzte Projekt der Edition der Urkunden Kaiser Friedrichs II. (1198−1250) noch einmal ein Quantensprung, da dieses weltweit größte diplomatische Editionsunternehmen in seinen Dimensionen alles bisher Dagewesene sprengt, nicht nur hinsichtlich der Dauer und Arbeitsorganisation, sondern auch der Finanzierung (Deutsche Forschungsgemeinschaft, Union der deutschen Akademien, Bayerische Akademie, MGH). In ruhiger und bewundernswerter Beharrlichkeit und mit Hilfe einer Équipe von ihm ausgebildeter, hochqualifizierter Mitarbeiter hat Walter Koch anfängliche Skeptiker eines Besseren belehrt: 2002 erschien nach langer Vorbereitungszeit, bedingt durch die Materialsammlung fast im gesamten Orbis christianus, der mit Bewunderung aufgenommene erste Band, der sogar der ‚Süddeutschen Zeitung‘ einen respektvollen Artikel wert war. Seither folgten in großer Regelmäßigkeit weitere Bände (2007, 2010, 2014, 2017), und derzeit erwarten wir den sechsten Band (für die Jahre 1226−1231), womit gut die Hälfte des Weges zurückgelegt ist; den Rest werden die bewährten Mitarbeiter Kochs nun ohne die Mitwirkung des Meisters bewältigen müssen. Sie werden, daran ist nicht zu zweifeln, einen glanzvollen Höhepunkt der Diplomatik vollenden, um den uns die Fachwelt beneidet. Denn Kochs wissenschaftliche Großtat verspricht der besonders populären Staufer-Forschung einen ähnlichen Aufschwung zu geben wie das schon für die Barbarossa-Edition zu konstatieren war. Zahlreiche vorbereitende und begleitende Einzelstudien aus seiner Feder und von seinen Mitarbeitern legen dafür bereits Zeugnis ab. Als führender Experte im deutschsprachigen Raum gilt Walter Koch für das Gebiet der Epigraphik, für die er Standards setzte, nicht nur durch die Bearbeitung konkreter Fälle oder ganz praktische Tipps für die Arbeit vor Ort, sondern auch durch die Formulierung von Bearbeitungs- und Editionsgrundsätzen, die dem Gesamtunternehmen der „Deutschen Inschriften“ zugutekamen; von der kraftvoll weiterentwickelten Inschriftenpaläographie war bereits die Rede. In regelmäßigen Abständen veröffentlichte er zudem in der Hilfsmittel-Reihe der MGH Literaturberichte (1987, 1994, 2000, 2005), ein zeitraubendes und wenig honoriertes, von den Fachkollegen gleichwohl fleißig konsultiertes aggiornamento. Überdies organisierte er Fachtagungen und redigierte und publizierte deren Akten (1983, 1990, 1999). Man darf daher ohne Übertreibung feststellen, dass die Epigraphik im Reigen der Hilfs- oder Grundwissen-

Nachruf auf Walter Koch (1942–2019)

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schaften nie so sichtbar war und positiv von sich reden machte wie unter der Ägide von Walter Koch. Die „Moderne Mediävistik“ zählt Walter Koch zu den „wenige(n) eng hilfswissenschaftlich ausgerichtete(n) Mediävisten“2. Das hat er – obwohl vielleicht anders gemeint – durchaus als Lob empfunden, denn seine Welt war die an den Quellen und strenger Methodik ausgerichtete Grundlagenforschung, nicht die publikumswirksame Darstellung. Allenfalls einige Biogramme staufischer Herrscher und österreichischer Fürsten in Sammelbänden gehen auf sein Konto sowie Beiträge zu Ausstellungskatalogen zur österreichischen Geschichte. Nur angedeutet wurde bislang, dass Walter Koch auch ein engagierter und erfolgreicher Lehrer war, dessen Fürsorge über das rein Fachliche hinaus stets auch persönliche Zuwendung und Anteilnahme einschloss. Ein schönes und zugleich symbolträchtiges Bild für Walter Koch als Lehrer ist die bekannte spätantike „Henne von Monza“, die den Schutzumschlag seiner Festschrift zum 65. Geburtstag ziert: Inmitten ihrer Küken pickt die Henne Körner (der Erkenntnis). Bezeichnend waren auch die ersten betroffenen Reaktionen ausländischer Kolleginnen und Kollegen auf Kochs Tod, die – jenseits des unstrittigen wissenschaftlichen standing – seine Bescheidenheit, Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft hervorhoben, und diese menschliche Wärme atmen auch seine Laudationes anlässlich von Preisverleihungen oder seine Nachrufe auf enge Fachkollegen. Die deutschsprachige Mediävistik hat einen ihrer profiliertesten Forscher und Lehrer auf dem Gebiet der Hilfs- oder Grundwissenschaften verloren.

Hans-Werner Goetz, Moderne Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung, Darmstadt 1999, S. 157 Anm. 417.

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Theo Kölzer

Schriftenverzeichnis 2008−2019 (Ergänzung zu: De litteris, manuscriptis, inscriptionibus … Festschrift zum 65. Geburtstag von Walter Koch, hg. von Theo Kölzer/Franz-Al­ brecht Bornschlegel/Christian Friedl/Georg Vogeler, Wien/Köln/ Weimar 2007, S. 789−801; zusammengestellt von Christian Friedl) Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde, hg. von Walter Koch/Theo Kölzer, Bd.  54−60, Köln/Weimar/Wien 2008−2014. 2008 Internationalismus und Regionalismus in der epigraphischen Schrift, in: Régionalisme et internationalisme. Problèmes de paléographie et de codicologie du Moyen Âge. Actes du XVe colloque du Comité international de paléographie latine (Vienne, 13−17 septembre 2005), hg. von Otto Kresten/Franz Lackner (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl., Denkschriften 364 = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters, Reihe IV/5), Wien 2008, S. 363−376. 2009 Auswahlbibliographie 1986−2008 zu: Bernhard Bischoff, Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters, 4. durchgesehene und erweiterte Aufl., Berlin 2009, S. 379−410. Edizioni di fonti per la storia degli svevi. L’edizione dei diplomi di Fe­ derico II, in: Miscellanea Virginia Brown (Archivio normanno-svevo 1, 2008), Caserta 2009, S. 51−59. Epigraphik des Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: AfD 55 (2009) S. 425−444. 2010 The Gothic Script in Inscriptions. Origin, Characteristics and Evolution, in: Las inscripciones góticas. Il Coloquio Internacional de Epigrafía Medieval. León del 11 all 15 de septiembre 2006, hg. von Ma Encarnación Martín López/Vicente García Lobo, León 2010, S. 9−27.

Nachruf auf Walter Koch (1942–2019)

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Die Edition der Urkunden Kaiser Friedrichs II., in: Akademie Aktuell 2/2010, S. 34−35. Kaiser- und Königsurkunden der Staufer (1138−1268), hg. von Walter Koch/Christian Friedl (Digitale Urkundenbilder aus dem Marburger Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden [DIGUB] 4), Leipzig 2010. Epigraphisches zur Schedelschen Weltchronik, in: Die Leidenschaft des Sammelns. Streifzüge durch die Sammlung Woldan, hg. von Gerhard Holzer/Thomas Horst/Petra Svatek (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl., Edition Woldan 3/2), Wien 2010, S. 365−385. Epigraphics, in: Handbook of Medieval Studies. Terms  – Methods  – Trends, hg. von Albrecht Classen, Bd.  1, Berlin/New York 2010, S. 489−506. Kaiser Friedrich II. und seine Herrschaft. Zur Edition seiner Urkunden, in: Nulla historia sine fontibus. Festschrift für Reinhard Härtel zum 65. Geburtstag, hg. von Anja Thaller/Johannes Giessauf/Günther Bernhard (Schriftenreihe des Instituts für Geschichte 18), Graz 2010, S. 263−277. Peter Acht (1911–2010), in: ZBLG 73/3 (2010) S. 851−855. Die Urkunden Friedrichs II. 1218−1220, bearb. von Walter Koch unter Mitwirkung von Klaus Höflinger/Joachim Spiegel/Christian Friedl (MGH DD regum et imperatorum Germaniae 14/3), Hannover 2010. 2011 Peter Acht (1911−2010), in: MIÖG 119 (2011) S. 592−594. Epigraphica Salisburgensia saec. XIV, in: Beruf(ung) Archivar. Festschrift für Lorenz Mikoletzky, Teil II (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 55/2), Wien/Köln/Weimar 2011, S. 743−757. Diplomi imperiali e reali degli Suevi (1138−1268), a cura di Walter Koch/Christian Friedl (Digitale Urkundenbücher aus dem Marburger Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden [DIGUB] 4), Leipzig 2011. 2012 Alfred Gawlik, in: DA 68/2 (2012) S. 605−607.

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Theo Kölzer

2014 Heinrich Appelt und die Edition der Diplome Kaiser Friedrich Barbarossas, in: Urkunden und ihre Erforschung. Zum Gedenken an Heinrich Appelt, hg. von Werner Maleczek (Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 62), Wien 2014, S. 15−31. Die Urkunden Friedrichs II. 1220−1222, 2 Teilbde., bearb. von Walter Koch unter Mitwirkung von Klaus Höflinger/Joachim Spiegel/ Christian Friedl (MGH DD regum et imperatorum Germaniae 14/4), Wiesbaden 2014. Die epigraphische Schriftentwicklung in Rom – Die Zeit des Mittelalters, in: AfD 60 (2014), S. 219−252. 2015 Die großen westlichen Corpuswerke zu den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Inschriften, in: Inscriptions in Byzantium and Beyond. Methods – Projects – Case Studies, hg. von Andreas Rhoby (Denkschriften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 478 = Veröffentlichungen zur Byzanzforschung 38), Wien 2015, S. 79−92. Počiatky modernej epigrafie stredovekých a ranonovovekých nápisov v nemecky hovoriacich krajinách, in: Latinská epigrafia. Dejiny a metodika výskumu historických nápisov zo Slovenska (Corpus Inscriptionum Slovaciae I.1) hg. von Juraj Sedivý a kolektiv, Bratislava 2014, S.  25−31.  – Deutschsprachige Zusammenfassung: Die Anfänge der modernen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Epigraphik im deutschsprachigen Bereich, ebd. S. 221−226. 2017 Die Urkunden Friedrichs II. 1222−1226, 2 Teilbde., bearb. von Walter Koch unter Mitwirkung von Klaus Höflinger/Joachim Spiegel/ Christian Friedl/Katherina Gutermuth (MGH DD regum et imperatorum Germaniae 14/5), Wiesbaden 2017. Die Frühhumanistische Kapitalis. Eine epigraphische Schrift zwischen Mittelalter und Neuzeit im Umfeld Kaiser Friedrichs III., in: Der Kaiser und sein Grabmal 1517−2017. Neue Forschungen zum Hochgrab Friedrichs III. im Wiener Stephansdom, hg. von Renate Kohn unter Mitarbeit von Sonja Dünnebeil/Gertrud Mras, Wien/Köln/Weimar 2017, S. 89−118.

Nachruf auf Walter Koch (1942–2019)

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2018 Die gefälschten österreichischen Hausprivilegien, in: Privilegium maius. Autopsie, Kontext und Karriere der Fälschungen Rudolfs IV. von Österreich, hg. von Thomas Just/Kathrin Kininger/Andrea Sommerlechner/ Herwig Weigl (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 69 = Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Sonderband 15), Wien/Köln/Weimar 2018, S. 77−90. Die Rotunda in der Epigraphik, in: AfD 64 (2018) S. 397−419. 2019 Schriftwandel bei Notaren in der hochmittelalterlichen Reichskanzlei, in: Change in Medieval and Renaissance Scripts and Manuscripts. Proceedings of the 19th Colloquium of the Comité international de paléographie latine (Berlin, September 16−18, 2015), hg. von Martin Schubert/Eef Overgaauw (Bibliologia 50), Turnhout 2019, S. 47–61. Paläographisches Zwiegespräch (zus. mit Rüdiger Fuchs) (im Druck). Schriftwandel bei Notaren in der hochmittelalterlichen Reichskanzlei (in Vorbereitung). Epigraphische Schriften „zwischen“ Mittelalter und Neuzeit (in Vorbereitung). Inschriftenpaläographie des abendländischen Mittelalters und der früheren Neuzeit. Spätmittelalter und frühere Neuzeit (in Vorbereitung).

A conclusione delle ChLA, seconda serie* di GIOVANNA NICOLAJ

Nell’ormai lontano 1954 usciva il I volume delle Chartae Latinae Antiquiores, la grande serie di documenti fondata e diretta da Albert Bruckner e Robert Marichal e dedicata alle chartae su papiro o pergamena, datate o databili entro l’VIII secolo (fino all’anno 800). L’opera di riproduzione, edizione ed esegesi dei testi, complessa e assai cospicua, terminava nel 1998, al traguardo di 49 volumi, ma appena prima che si chiudessero i lavori l’editore Urs Stocker chiedeva a Guglielmo Cavallo e a me se il programma ideato un tempo e ormai in via di completamento dovesse o potesse essere ulteriormente integrato. Dapprima si pensò di includere nella serie le note tavolette pompeiane ed ercolanesi del I secolo, antico supporto ligneo di documenti e perciò progenitrici delle future chartae, ma questa integrazione non è stata possibile perché lo stato di conservazione di quel materiale non ne ha permesso la riproduzione. Poi, di seguito a un suggerimento di Alessandro Pratesi, passammo a prendere in considerazione la documentazione del IX secolo (età carolingia). Questa ipotesi ha posto subito due questioni, in primo luogo quella della congruenza dell’integrazione stessa: vale a dire, i documenti del IX secolo – fra rinascenza carolingia e successiva crisi – possono essere considerati antiquiores e quindi non stridere con la linea dell’opera tutta? Si sa che la storia ha sempre a che fare con problemi di tempo, di tempi e di scansioni: epoche e periodizzazioni, significati e ‘confini’ cronologici di una civiltà, continuità e fratture, lunghe durate e soluzioni di continuità, costanti (strutture) e varianti dei fenomeni storico-antropologici. Studiosi di assoluto riferimento, quelli che possiamo definire ‘i classici’, hanno

Queste pagine sono già uscite come Postfazione nell’ultimo volume della serie: ChLA CXVIII, Addenda II, Dietikon/Zürich 2019. *

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disegnato variamente tanti percorsi spazio-temporali del passato, nutrendo e arricchendo la nostra epistemologia e allargando il ventaglio delle nostre prospettive storiche, eppure hanno mancato – ed è naturale e logico – un punto fermo accettato da tutti: si pensi a Gibbon che nella Storia della decadenza e caduta dell’impero romano (1776–1788) non riuscì a trovare una vera e propria cesura temporale. Comunque, malgrado i possibili distinguo, gli storici capiscono a quali fasi temporali ci si riferisce, in linea di massima, se si parla di “tarda antichità” o di “alto medioevo” o di “rinascenza carolingia”. E dunque ecco il punto della prima questione: dopo l’invecchiamento e poi la “decrepitezza” del mondo romano ad Occidente1, dopo l’entrata degli Arabi sulla scena mediterranea, dopo l’allontanamento dell’Occidente dall’Oriente (e proprio dopo il naufragio in Occidente dell’unità giuridico-diplomatica romana e di conseguenza il passaggio rovinoso dai presìdi di quell’unità, i monumentali libri del Corpus iuris giustinianeo, al particolarismo delle chartae del primo medioevo2), dopo questi capitoli di storia, la cosiddetta rinascenza carolingia rappresenta davvero un nuovo inizio, una vicenda nuova, un cambio di percorso? Peraltro, a contrappunto delle fasi di caduta della prima Roma, la diplomatica ci insegna che proprio fra i secoli IV–VI il fenomeno della documentazione crebbe quantitativamente e qualitativamente nelle terre dell’Impero e più tardi, in tempi di particolarismo, ci mostra come i relitti sparsi del naufragio avvenuto portino in luce tante varianti documentarie, finora rimaste nascoste, non solo per le perdite delle testimonianze tardoantiche, scritte su friabilissimo papiro, ma anche per la astrattezza e generalità costitutive delle norme (teodosiana del V secolo e giustinianea del VI) che celavano le varie tipologie della prassi giuridico-diplomatica. Comunque, dunque, si voglia soppesare il capitolo carolingio (per il problema della “complessa contraddittorietà” degli eventi di cui dice Fichtenau3, da cui derivano le diverse valutazioni degli storici), una rinascita fra fine VIII e IX secolo c’è stata, quando, fra salvataggio degli autori Il termine colorito e significativo è di Roberto S.  Lopez, Naissance de l’Europe, Ve–XIVe siècles, Paris 1962 (ital.: La nascita dell’Europa. Secoli V–XIV, Torino 1966, p. 56). 2 Mutuo la definizione dal “particolarismo grafico” di Giorgio Cencetti, Lineamenti di storia della scrittura latina dalle lezioni di paleografia (Bologna, a.a. 1953–54), rist. a cura di Gemma Guerrini Ferri, Bologna 21997, p. 79, perché, proprio come la scrittura, anche la documentazione che proviene dalla comune matrice romana ora va verso “una differenziazione” e “uno svolgimento geograficamente ramificato”. 3 Così Heinrich von Fichtenau, Das Karolingische Imperium, Wien 1949 (ital.: L’Impero carolingio, Roma/Bari 1974, p. 3. 1

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latini, raccolte e assemblaggio delle leges germaniche in libri legum4 e produzioni crescenti di chartae, rifiorì sparsamente un ampio mondo di “written word”5. Quindi, spazi e tempi nuovi sì, risveglio sì, ma, per logica dei contrari o per eterogenesi dei fini, proprio quelle brillantissime riprese di scrittura, che significano l’accettazione consapevole e intenzionale dell’eredità romana, segnano anche all’estremo, dopo la lunghissima consumazione di quella immane civiltà e la sua interminabile vecchiaia, la chiusura del sipario. Se questa lettura ha una qualche verosimiglianza, allora i documenti del IX  secolo sono gli ultimi degli antiquiores, e la seconda serie delle carte costituisce un significativo epilogo di tutta una secolare vicenda. Una seconda questione posta dalle Chartae del secolo IX ha riguardato il reperimento sistematico dei materiali, che non solo ora sono in crescita esponenziale rispetto al passato (e infatti la seconda serie conterà molti più volumi della prima) ma sono anche poco e male censiti: fin da subito, per esempio, i colleghi e amici della pur eruditissima Germania, interpellati e chiamati a collaborare, sottolineavano la mancanza di inventari e addirittura di numeri di consistenza conosciuti, e solo il fatto che Mark Mersiowsky stesse terminando un ampio lavoro sulla documentazione del IX secolo6 ha permesso di dedicare un volume ai documenti conservati in luoghi tedeschi. Dunque, viste le non poche difficoltà anche di base e di partenza, solo una sorta di coraggio incosciente, unitamente a un fortissimo interesse scientifico, hanno fatto sì che la lunga maratona alla ricerca e alla conoscenza delle carte del secolo IX prendesse avvio e procedesse. E in prosieguo dei lavori, l’impegno dell’Editore, la partecipazione di numerosi Autori e il crescente coinvolgimento scientifico di tanti studiosi hanno consentito di affrontare i problemi che ancora, in corso d’opera, si sono presentati. Nel 1997 (vol. nr. L) hanno così cominciato ad uscire i volumi dedicati all’Italia e alla Svizzera (con S.  Gallo in testa), volumi numerosi per Rosamund McKitterick, The Carolingians and the written word, Cambridge 1989, Kap. 2; su una famosa raccolta di leggi carolingia destinata al Regno Italico v. Giovanna Nicolaj, Il Liber legum di Everardo e altre storie, in: Leges Salicae, Ripuariae, Longobardorum, Baioariorum, Caroli Magni, Archivio del Capitolo della Cattedrale di Modena, ms. O. I. 2, Modena 2008, p. 75–117. 5 Dal titolo di McKitterick, The Carolingians (come nota 4). 6 Mark Mersiowsky, Die Urkunde in der Karolingerzeit. Originale, Urkundenpraxis und politische Kommunikation I–II (MGH Schriften 60), Wiesbaden 2015. 4

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l’esistenza di cospicui fondi documentari (tutti accompagnati da attente anagrafi dei rogatari): a Lucca, a S. Gallo, a Piacenza. Il fiume delle chartae s’ingrossava e allo stesso tempo altre questioni si ponevano. Per esempio, la Gran Bretagna, a trent’anni dai suoi 2 volumi nella prima serie (risalenti agli anni 1963 e 1967), non è stata in grado (fra colleghi della Commission internationale de diplomatique invitati insieme a quelli del Comité international de paléographie latine) di presentare nessuno che potesse occuparsi delle carte britanniche del IX secolo. D’altra parte, tali carte (circa 150) sono state messe on line, e questo, per una mentalità oggi purtroppo diffusa, sembrerebbe bastare agli studi e alla conoscenza scientifica. E qui è un altro problema dei nostri tempi e di tanti attuali indirizzi di lavoro: infatti, la messa on line di materiali difficili e complessi come i nostri, se consiste nella pubblicazione di foto con segnature e trascrizioni non controllate, può servire in un’ottica e a fini archivistici, non assolve certamente compiti e fini di studio e di ricerca scientifica. L’assenza dei documenti inglesi, comunque, non metteva in crisi il nostro progetto, del quale si poteva, in corso d’opera, aggiustare la direzione. Infatti, basta scorrere un atlante storico per incontrare dall’anno 800 in avanti la evidentissima tessera geopolitica dell’Impero carolingio e così inquadrare ora, in un contesto storicizzato, lo spazio delle ChLA del IX secolo, uno spazio che ci richiama un presagio e una immagine suggestiva: “Verrà il giorno in cui, alla corte di Carlo Magno, s’incontreranno l’irlandese Dungal, l’anglosassone Alcuino, lo spagnolo Teodolfo, il longobardo Paolo Diacono. Tutti i personaggi sono al loro posto: può alzarsi il sipario sull’Europa”7. Ecco, l’Europa. La presenza sulla scena del IX  secolo della nuova entità e lo spostamento del baricentro d’Occidente dal Mediterraneo alle lande settentrionali conducono senza sforzo alle ChLA della seconda serie. Certo, è vero che nome e concetto d’Europa sono discussi e ruminati dalla storiografia – in merito basti pensare, per esempio, alla asciutta Storia dell’idea d’Europa del modernista Federico Chabod e, di contro, a L’Europa. Storia di una civiltà, bellissimo quadro di Lucien Febvre8  –, ma è anche vero che, quale che sia la percezione di

Henri-Irénée Marrou, Decadence romaine ou antiquité tardive? IIIe-VIe siècle, Paris 1977 (ital.: Decadenza romana o tarda antichità? III-VI secolo Como 2007, p. 141–142). 8 Federico Chabod, Storia dell’idea d’Europa (1961). A cura di Enrico Sestan e Armando Saitta, Roma/Bari 1977; Lucien Febvre, L’Europe. Gènese d’une civilisation, Paris 1999 (ital.: L’Europa. Storia di una civiltà. Corso tenuto al Collège de France nell’a.a. 1944–1945, in part. p. 3−103). 7

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ognuno, “non è errato considerare l’impero carolingio come un preludio d’Europa”9, mentre tutto il secolo IX, malgrado i suoi limiti e la sua debolezza finale, ha risvegliato “esperienze e ideali”10 e soprattutto ha generato forme mentali di grande futuro. Quindi, un panorama delle ChLA del IX secolo, che converga verso un baricentro settentrionale, con qualche frangia sul Mediterraneo da cui proviene (Italia meridionale e Spagna), ha un suo senso e una sua coesione e reca in sé un forte significato: è solo per un brutto equivoco e per un’ottica ristretta, infatti, se alcuni studiosi vedono negli scritti documentari un genere testuale tecnico-pratico, mentre invece quei testi rappresentano un grande fenomeno di cultura e di pensiero, di mentalità e di linguaggi, come testimoniano parole, formule e schemi diversi e sparsi nelle ChLA della seconda serie, tutte cariche di un forte fattore transnazionale e culturalmente già ‘europeo’. Sempre nel corso dei lavori è emersa un’altra questione. L’impresa editoriale delle ChLA (prima serie di 49 volumi per più di 40 anni, seconda serie già di 68 volumi per già più di 20 anni) non poggia su un’istituzione, un’accademia o simili, operanti a tempo indeterminato, ma è sostenuta tutta da un editore privato (coraggioso e un po’ folle?) e perciò, per non restare interrotta a caso, ha imposto ad un certo punto una programmazione di chiusura. Intanto è apparso subito chiaro che non era possibile continuare con i Diplomata Karolinorum, troppi (per la sola Francia circa  300), troppo grandi per dimensioni ed anche in gran numero editi e già riprodotti in facsimile. Si è quindi deciso, per una necessaria economia editoriale, di lasciarli fuori dalle due più importanti aree dell’Impero, la Francia11 e la

Così Lopez, La nascita (come nota 1) p. 102. Id., p. 118. 11 Per la Francia, da un primo spoglio condotto su La diplomatique française du Haut Moyen Age. Inventaire des chartes originales antérieures à 1121 conservées en France, sous la direction de Benoît-Michel Tock, Michèle Courtois et Marie-José Grasse-Grandjean, avec la collaboration de Philippe Demonty, Tournhout 2001, era stato tratto un buon numero (da controllare) di documenti provenienti da emittenti vari, e perciò molto interessanti nel loro complesso, per i quali alcuni colleghi francesi avevano assicurato la loro collaborazione. Purtroppo, per il carico degli impegni di lavoro degli Autori in pectore e per i molti problemi presentati dai documenti stessi, il progetto è sfumato, con una perdita dolorosa, credo, per la Francia in primo luogo. 9 10

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Germania12, dove da lungo tempo quei diplomi sono all’attenzione degli specialisti. Si è infine deciso di chiudere la lunghissima maratona nel 2019, con 2 ultimi volumi di Addenda che raccolgono documenti sfuggiti in precedenza. Un’impresa di un solo editore, che va per i 70 anni e che conterà alla fine 118 volumi, sembra quasi un portento. E lo sembrerà sempre più quando gli studiosi vorranno immergersi nei piccoli e grandi fiumi di carte13 che, attraverso un percorso di lunghissima durata, dall’età antica (ellenistico-romana e soprattutto mediterranea) sfociano infine nell’età medievale (romano-barbarica e cristiana, alle radici d’Europa). Un percorso che, contro ogni ostacolo, convoglia una straordinaria messe di materiali ora a disposizione della ricerca e della riflessione di oggi e di domani.

Abstract Der Beitrag zeigt den Abschluss der zweiten Reihe der Chartae Latinae Antiquiores im Jahr 2019 an, in der die in europäischen Archiven und Bibliotheken überlieferten Urkunden ediert und abgebildet wurden. Parallel zum Abschluss der ersten Serie, die sich den Urkunden bis 800 widmete, kamen Überlegungen zu einer Fortsetzung auf. Die neuen Herausgeber, Guglielmo Cavallo und Giovanna Nicolaj, dachten zunächst an die Edition der Tafeln des ersten nachchristlichen Jahrhunderts aus Pompeij und Herkulaneum als Vorläufer der frühmittelalterlichen Chartae,

Fin dagli inizi della collaborazione comunicavo al collega Mersiowsky la dolorosa rinuncia ai diplomi regi e imperiali per la Francia e la Germania e invece auspicavo che nel volume tedesco potessero comparire alcuni specimina, databili al secolo IX, tratti dai celebri libri traditionum tedeschi, ma tirannia di tempo e complessità di questa documentazione hanno precluso ulteriori inclusioni. Dispiace, perché quei libri, al di là delle loro note caratteristiche, avrebbero potuto essere significativi in un’ottica comparativa: c’è da ipotizzare, infatti, che quei libri indichino nella tradizione diplomatica romano-barbarica un’interessante divaricazione fra i suoi due profili, con il ritorno (o la prevalenza) nei paesi tedeschi di una qualche antica mentalità germanica espressa da traditiones accompagnate da brevi scritture nelle quali l’elemento principale sembra essere costituito dai nomi dei testimoni al negozio. 13 Carte tutte non solo riprodotte a grandezza naturale ma anche tutte, edite e inedite, ristudiate e ridefinite singolarmente dai vari Autori nella loro formazione e tradizione. Molte tabelle corredano la pubblicazione area per area, a cominciare da quelle dedicate alle anagrafi di rogatari, scrittori, notai, preziosissime in particolare per i fondi ricchi di centinaia di documenti (per esempio, Lucca, S. Gallo, Piacenza). 12

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verwarfen den Plan aufgrund des Erhaltungszustandes der Tafeln aber. Sie griffen schließlich den Vorschlag von Alessandro Pratesi auf, die Dokumente des 9. Jahrhunderts zu edieren und damit die Zeit der karolingischen Renaissance ebenso wie der des Niedergangs des karolingischen Großreichs in den Blick zu nehmen. Dabei spielte die Überlegung eine Rolle, dass es sich bei aller Komplexität und Widersprüche, des Ausgreifens der dokumentarischen Praxis auch auf neue Räume, doch um eine Phase des Abschlusses und der Vollendung handelt. Eine zweite Frage war die nach der Erfassung des im Vergleich zur ersten Serie der Chartae Latinae Antiquiores deutlich umfangreicheren Materials – tatsächlich umfasst die zweite Serie deutlich mehr Bände –, das aufgrund seiner breiten Streuung oft nur aufgrund intensiver kollegialer Zusammenarbeit bzw. Vorarbeiten einzelner Kollegen, wie Mark Mersiowsky in Deutschland, zu ermitteln war. So begannen 1997 die Arbeiten an den Bänden für Italien und die Schweiz, vor allem mit dem Bestand St. Gallen. Bedauerlicherweise gelang es nicht, einen Bearbeiter für die Bestände in Großbritannien zu gewinnen; zwar sind die etwa 150 Urkunden mittlerweile online zugänglich, aber eben nicht kritisch ediert. Trotzdem wurden die Arbeiten an der zweiten Serie fortgesetzt, die das karolingische Europa mit einem Schwerpunkt eher in seinen nördlichen Teilen bearbeitet (aber auch mit Süditalien und Spanien die Ränder des Mittelmeerraumes mit einbezieht) und vor allem angesichts der in den Bänden gespiegelten dokumentarischen Praktiken eine kohärente Grundlage für die Untersuchung zahlreicher Phänomene aus dem Bereich des kulturellen Lebens, der Geistesgeschichte, der Mentalitäts- sowie Sprachgeschichte ermöglicht. Angesichts des „privaten“ Charakters des Unternehmens, das vom Engagement der Kolleginnen und Kollegen sowie des Verlags getragen wurde, wurde beschlossen, die Diplomata Karolinorum nicht fortzusetzen, die insgesamt besser ediert sind, oft in Abbildungen vorliegen und breiter erforscht sind, sondern nach nun fast 70 Jahren ein Editionsunternehmen abzuschließen, das 118 Bände hervorgebracht hat, die Kontinuitäten und Brüche zur Spätantike und frühmittelalterliche Entwicklungen im Spiegel der außerordentlichen Breite und Vielfalt des dokumentarischen Materials aufzeigt und für heutige aber auch künftige Forschungen zur Verfügung stellt.

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Indice dei volumi della seconda serie Chartae Latinae Antiquiores. Facsimile-Edition of the Latin Charters, 2nd Series. IX Century, ed. Guglielmo Cavallo, Giovanna Nicolaj, Dietikon/Zürich   1. L, Italy XXII. Cava dei Tirreni, hg. von Maria Galante (1997);   2. LI, Italy XXIII. Cava dei Tirreni, hg. von Francesco Magistrale (1998);   3. LII, Italy XXIV. Cava dei Tirreni, hg. von Maria Galante (1998);   4. LIII, Italy XXV. Montecassino, Trani, Barletta, Benevento, hg. von Francesco Magistrale, Pasquale Cordasco, Clelia Gattagrisi (1999);   5. LIV, Italy XXVI. Ravenna I, hg. von Giuseppe Rabotti, Francesca Santoni (2000);   6. LV, Italy XXVII. Ravenna II, Roma, Città del Vaticano, hg. von Rita Cosma (1999);   7. LVI, Italy XXVIII. Piemonte I: Asti, hg. von Gian Giacomo Fissore (2000);  8. LVII, Italy XXIX. Piemonte II: Novara, Torino, hg. von Gian Giacomo Fissore, Antonio Olivieri (2001);  9. LVIII, Italy XXX. Pisa, Volterra, hg. von Antonino Mastruzzo (2001); 10. LIX, Italy XXXI. Verona I, hg. von Francesca Santoni (2001); 11. LX, Italy XXXII. Verona II, hg. von Francesca Santoni (2002); 12. LXI, Italy XXXIII. Siena I, hg. von Vincenzo Matera (2002); 13. LXII, Italy XXXIV. Siena II, hg. von Rita Cosma (2003); 14. LXIII, Italy XXXV. Siena III, hg. von Antonino Mastruzzo (2004); 15. LXIV, Italy XXXVI. Piacenza I, hg. von Cristina Mantegna (2003); 16. LXV, Italy XXXVII. Piacenza II, hg. von Cristina Mantegna (2004); 17. LXVI, Italy XXXVIII. Piacenza III, hg. von Cristina Carbonetti Vendittelli (2005); 18. LXVII, Italy XXXIX. Piacenza IV, hg. von Paolo Radiciotti (2005); 19. LXVIII, Italy XL. Piacenza V, hg. von Paola Degni (2006); 20. LXIX, Italy XLI. Piacenza VI, hg. von Flavia De Rubeis (2006); 21. LXX, Italy XLII. Piacenza VII, hg. von Flavia De Rubeis (2007); 22. LXXI, Italy XLIII. Piacenza VIII, hg. von Cristina Mantegna (2007); 23. LXXII, Italy XLIV. Lucca I, hg. von Clelia Gattagrisi (2002); 24. LXXIII, Italy XLV. Lucca II, hg. von Francesco Magistrale (2003);

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25. LXXIV, Italy XLVI. Lucca III, hg. von Francesco Magistrale, Clelia Gattagrisi, Paolo Fioretti (2004); 26. LXXV, Italy XLVII. Lucca IV, hg. von Francesco Magistrale, Pasquale Cordasco, Corinna Drago (2004); 27. LXXVI, Italy XLVIII. Lucca V, hg. von Clelia Gattagrisi, Francesco Magistrale (2004); 28. LXXVII, Italy IL. Lucca VI, hg. von Francesco Magistrale, Clelia Gattagrisi, Paolo Fioretti (2008); 29. LXXVIII, Italy L. Lucca VII, hg. von Marco Palma (2009); 30. LXXIX, Italy LI. Lucca VIII, hg. von Clelia Gattagrisi, Francesco Magistrale (2010); 31. LXXX, Italy LII. Lucca IX, hg. von Clelia Gattagrisi, Francesco Magistrale (2010); 32. LXXXI, Italy LIII. Lucca X, hg. von Antonino Mastruzzo (2011); 33. LXXXII, Italy LIV. Lucca XI, hg. von Clelia Gattagrisi, Pasquale Cordasco, Corinna Drago Tedeschini (2013); 34. LXXXIII, Italy LV. Lucca XII, hg. von Antonino Mastruzzo (2013); 35. LXXXIV, Italy LVI. Lucca XIII, hg. von Clelia Gattagrisi, Corinna Drago Tedeschini, Paolo Fioretti (2014); 36. LXXXV, Italy LVII. Lucca XIV, hg. von Antonino Mastruzzo (2015); 37. LXXXVI, Italy LVIII. Lucca XV, hg. von Clelia Gattagrisi, Corinna Drago Tedeschini (2015); 38. LXXXVII, Italy LIX. Lucca XVI, hg. von Clelia Gattagrisi, Corinna Drago Tedeschini (2016); 39. LXXXVIII, Italy LX. Modena, Nonantola I, hg. von Giovanni Feo, Maddalena Modesti, Matteo Al-Kalak, Melania Mezzetti (2008); 40. LXXXIX, Italy LXI. Nonantola II, hg. von Giovanni Feo, Lorenza Iannacci, Maddalena Modesti (2009); 41. XC, Italy LXII. Arezzo, hg. von Giovanni Feo, Giovanna Nicolaj, Marta Calleri, Caterina Tristano (2011); 42. XCI, Italy LXIII. Reggio Emilia, Firenze, hg. von Maddalena Modesti, Melania Mezzetti, Lorenza Iannacci, Annafelicia Zuffrano (2012); 43. XCII, Italy LXIV. Parma I, hg. von Francesca Santoni (2012); 44. XCIII, Italy LXV. Parma II, hg. von Cristina Mantegna (2014); 45. XCIV, Italy LXVI. Milano I, hg. von Maddalena Modesti (2015); 46. XCV, Italy LXVII. Milano II, hg. von Annafelicia Zuffrano (2016); 47. XCVI, Italy LXVIII. Milano III, hg. von Lorenza Iannacci (2016);

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48. XCVII, Italy LXIX. Milano IV, Monza, Bolzano, Padova, hg. von Annafelicia Zuffrano (2018); 49. XCVIII, Italy LXX. Bergamo, hg. von Maddalena Modesti (2017); 50. XCIX, Italy LXXI. Brescia, Cremona, Udine, Venezia, hg. von Cristina Mantegna, Gianmarco De Angelis, Laura Pani (2018); 51. C, Switzerland III, Sankt Gallen I, hg. von Peter Erhart (2006); 52. CI, Switzerland IV, Sankt Gallen II, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller (2008); 53. CII, Switzerland V, Sankt Gallen III, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller (2009); 54. CIII, Switzerland VI, Sankt Gallen IV, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller (2010) 55. CIV, Switzerland VII, Sankt Gallen V, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller (2011); 56. CV, Switzerland VIII, Sankt Gallen VI, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller (2012); 57. CVI, Switzerland IX, Sankt Gallen VII, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller (2013); 58. CVII, Switzerland X, Sankt Gallen VIII, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller (2014); 59. CVIII, Switzerland XI, Sankt Gallen IX, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller (2015); 60. CIX, Switzerland XII, Sankt Gallen X, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller (2016); 61. CX, Switzerland XIII, Sankt Gallen XI, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller (2017); 62. CXI, Switzerland XIV, Chur, Delémont, Porrentruy, Sankt Gallen, Zürich, Züg, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller (2018); 63. CXII, Spain I, hg. von Jesús Alturo with the Assistance of Tánia Alaix (2017); 64. CXIII, Spain II, hg. von Jesús Alturo with the Assistance of Tánia Alaix (2017); 65. CXIV, Spain III, Portugal, hg. von Miguel Calleja-Puerta, Pilar Ostos-Salcedo, María Luisa Pardo Rodríguez, María Josefa Sanz Fuentes (2018); 66. CXV, Germany IV, hg. von Mark Mersiowsky (2019); 67. CXVI, Austria IV, Belgium, hg. von Anja Thaller, Georges Declercq (2019);

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68. CXVII, Addenda I: Italy, hg. von Simone Allegria, Corinna Drago Tedeschini, Maria Galante, Clelia Gattagrisi, Cristina Mantegna, Paola Massa, Antonino Mastruzzo, Francesca Santoni, Gaia Elisabetta Unfer Verre (2019); 69. CXVIII, Addenda II: Switzerland, Luxembourg, Spain, hg. von Peter Erhart, Karl Heidecker, Bernhard Zeller, Georges Declercq, Jesús Alturo, Tánia Alaix (2019); S. 105–156: Index nach Ländern in alphabetischer Reihenfolge Aufbewahrungsort – Archiv/Bibliothek Datierung.

Ansgar und das Erzbistum Hamburg Eine Nachlese von THEO KÖLZER

Hans-Werner Goetz behandelte kürzlich ein strittiges Thema 1, dem in jüngerer Zeit nicht weniger als drei Dissertationen sowie weitere Einzelstudien gewidmet wurden und für das schließlich auch die kritische Edition der zentralen Urkunde Ludwigs des Frommen von angeblich 834 Mai 15 (D LdF. † 338) neue Orientierung bot2. Zwischen den Befürwortern einer frühen Gründung eines Bistums bzw. Erzbistums (831/834) und den Verteidigern der späten Gründung 8933 – um nur die Extreme zu nennen – fand der emeritierte Hamburger Ordinarius zu einem fast schon philosophisch formulierten und in gewisser Weise versöhnenden dritten Weg.

Hans-Werner Goetz, Ansgar und die Anfänge des Erzbistums Hamburg, in: Norddeutsche Heilige im Mittelalter, hg. von Martin J. Schröter (Nordalbingensia sacra. Beiträge und Mitteilungen des Vereins für katholische Kirchengeschichte in Hamburg und SchleswigHolstein 13), Husum 2018, S. 7−34. Ausgangspunkt der folgenden Bemerkungen ist meine Rezension in: Zs. der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 145 (2020). 2 Die Urkunden Ludwigs des Frommen, unter Mitwirkung von Jens Peter Clausen/ Daniel Eichler/Britta Mischke/Sarah Patt/Susanne Zwierlein u. a. bearb. von Theo Kölzer (MGH DD Karolinorum 2), 3 Bde., Wiesbaden 2016, S. 833−849 Nr. † 338; dort auch zum Forschungsstand; vgl. auch Anm. 3. 3 Ältere Forschungsüberblicke bieten etwa Wolfgang Seegrün, Das Erzbistum Hamburg in seinen älteren Papsturkunden (Studien und Vorarbeiten zur Germania Pontificia 5), Köln/Wien 1976, S. 15 ff.; Brigitte Wavra, Salzburg und Hamburg. Erzbistumsgründung und Missionspolitik in karolingischer Zeit (Gießener Abhandlungen zur Agrar- und Wirtschaftsforschung des europäischen Ostens 179), Berlin 1991, S. 283 ff.; Thomas Klapheck, Der heilige Ansgar und die karolingische Nordmission (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 242), Hannover 2008, S. 72 ff. Zu den Auseinandersetzungen im Vorfeld zwischen Köln und Bremen vgl. Germ. Pont. 6, bearb. von Wolfgang Seegrün/Theodor Schieffer, Göttingen 1981, S. 36−39 Nr. 29−35; Germ. Pont. 7/1, bearb. von Theodor Schieffer, Göttingen 1986, S. 38−41 Nr. *78−89. 1

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Danach werde man „an der (durchaus möglichen) Existenz eines solchen, institutionell noch zu schaffenden Erzbistums als eine auf die Nordmission ausgerichtete Missionsmetropole schon vor 845/847 (Ansgars Versetzung nach Bremen) festhalten dürfen. Eine regelrechte Erzbistumsgründung oder -erhebung hat es hingegen weder 834 noch 864 gegeben“4. Dem Schlusssatz ist zuzustimmen, denn das hatte bereits seit den späten 1960er Jahren Richard Drögereit als heftig bekriegter ‚Einzelkämpfer‘ postuliert, der auch die Begründung eines Bistums Hamburg unter Ludwig dem Frommen († 840) bestritt5, und Eric Knibbs und der Verfasser haben dieses Ergebnis jüngst gestützt6. Es ist folglich nicht richtig, wenn Goetz behauptet, dass niemand mehr bezweifle, dass 864 ein Erzbistum bestand7! Ansgar war tatsächlich nie Bischof oder Erzbischof von Hamburg, auch nicht Erzbischof von Hamburg-Bremen, sondern Missionsbischof (seit 831/34) Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 28. Richard Drögereit, Hamburg-Bremen, Bardowick-Verden. Frühgeschichte und Wendenmission, in: Bremisches Jahrbuch 51 (1969) S. 193−208; Ders., War Ansgar Erzbischof von Hamburg oder Bremen?, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte 70 (1972) S. 107−132; Ders., Ansgar: Missionsbischof, Bischof von Bremen, Missionserzbischof für Dänen und Schweden, in: Jahrbuch der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte 73 (1975) S. 9−45; Ders., Erzbistum Hamburg, Hamburg-Bremen oder Erzbistum Bremen? Studien zur Hamburg-Bremer Frühgeschichte, Teil 1, in: AfD 21 (1975) S. 136−230. 6 Eric Knibbs, Ansgar, Rimbert and the Forged Foundations of Hamburg-Bremen (Church, Faith and Culture in the Medieval West), Farnham-Burlington 2011; Theo Kölzer, Ludwigs des Frommen „Gründungsurkunde“ für das Erzbistum Hamburg (BM2 928), in: AfD 60 (2014) S.  35−68 = Vorabdruck von DD  LdF.  † 338; Ders., Die gefälschte „Gründungsurkunde“ Kaiser Ludwigs des Frommen für Hamburg, in: Mythos Hammaburg. Archäologische Entdeckungen zu den Anfängen Hamburgs, hg. von Rainer-Maria Weiss/Anne Klammt (Veröffentlichungen des Helms-Museums, Archäologisches Museum Hamburg, Stadtmuseum Harburg 107), Hamburg 2014, S. 43−47; Ders., Ohne Masterplan und Reißbrett. Die Entstehung von Bistümern in der Saxonia im 9. Jahrhundert, in: Saxones, hg. von Babette Ludowici, Darmstadt 2019, S. 320−327. 7 Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 11, verleitet wohl durch die – auf die Autorität Theodor Schieffers gegründete, aber fatale – Auszeichnung der Nikolaus-Urkunde als echt in: Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751–918 (926/962) 4: Papstregesten, 800– 911, Teil 2: 844–872, Lieferung 2: 858–867 (Nikolaus I.), ed. Klaus Herbers (RI I, 4, 2, 2), Wien/Köln/Weimar 2012, Nr. 706 und J3 5902 (= Philipp Jaffé, Regesta Pontificum Romanorum ab condita ecclesia ad annum post Christum natum MCXCVII. Tomus tertius [ab a. DCCCXLIV usque ad a. MXXIV], hg. von Klaus Herbers, bearb. von Judith Werner unter Mitarbeit von Waldemar Könighaus, Göttingen 2017, Nr. 5902). Missverständlich auch Klapheck, Ansgar (wie Anm. 3) S. 83, wonach „Ansgar Erzbischof gewesen ist, aber ein Hamburger Erzbistum faktisch nie existiert hat“, wohl aber 864 die Ernennung Ansgars zum Erzbischof von Hamburg-Bremen erfolgt sei (S. 86). Knibbs, Ansgar (wie Anm. 6) S. 11, 45, 176 ließ die Ernennung Rimberts zum regulären Erzbischof schon im Jahre 865 gelten. 4 5

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bzw. Missionserzbischof (seit 864), dessen Stützpunkt Hamburg war. Bischofssitz war Bremen, das Ansgar seit 847 innehatte, während der Titel eines (Missions-)Erzbischofs auf die Nordmission bezogen war8. Eine Metropole errichtete erst Papst Formosus im Jahre 893 durch Vereinigung von Bremen mit Hamburg9. Das Problem ist vor allem ein quellenkritisches, weil die zahlreichen Hamburger Urkundenfälschungen10 das Geschehen verunklaren und zudem die früher wegen ihres Detailreichtums hochgelobte und als verlässlich geltende ‚Vita Anskarii‘ seines Nachfolgers Rimbert11 sich immer deutlicher als tendenziöse Geschichtsklitterung herausstellt, was Goetz einräumt12. Die Auswahl lediglich einzelner Elemente, die man (subjektiv!) für plausibel hielt und zu einem vermeintlich logischen Zusammenhang zusammenfügte, hatte zuletzt Brigitte Wavra in die Irre geführt13, aber auch für Goetz „ist nicht alles an dieser Vorgeschichte von vornherein unglaubwürdig“14. Wenn aber der inhaltliche Kern der Urkundenfälschungen – das ist doch wohl die Etablierung eines Bistums bzw. Erzbistums Hamburg – verlässlich wäre, hätte es nicht der Fälschungen bedurft15! Goetz möchte 8 Martin Colberg, Ansgar – der gefälschte Erzbischof?, in: Norddeutsche Heilige (wie Anm. 1) S. 35−48 hat unsere Ergebnisse im Wesentlichen rezipiert. 9 Siehe unten S. 28 ff. 10 Die späteren Fälschungen bleiben hier außer Betracht; vgl. dazu Gerhard Theuerkauf, Urkundenfälschungen des Erzbistums Hamburg-Bremen vom 9. bis zum 12. Jahrhundert, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 60 (1988) S. 71−140. 11 Vita Anskarii auctore Rimberto, accedit Vita Rimberti, ed. Georg Waitz (MGH SS rer. Germ. in us. schol. 55), Hannover 1884. Wilhelm Levison, Die echte und die verfälschte Gestalt von Rimberts Vita Anskarii, in: Zs. des Vereins für Hamburgische Geschichte 23 (1919) S.  89−146 = Ders., Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit, Düsseldorf 1948, S. 567−609, bes. S. 567 bezeichnete die Vita „als eine der besten und wertvollsten kirchlichen Biographien des früheren Mittelalters“; vgl. Ders., Zur Würdigung von Rimberts Vita Ans­ karii, ebd. S. 610−630; Wavra, Salzburg und Hamburg (wie Anm. 3) S. 322 ff.; Klapheck, Ansgar (wie Anm. 3) S. 72 ff.; Knibbs, Ansgar (wie Anm. 6) S. 175 ff. 12 Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 7, 9. Für Knibbs, Ansgar (wie Anm. 6) S. 85 Anm. 30 war Skepsis in bezug auf die ‚Vita Anskarii‘ leitende Prämisse seines Buches. In der Tat verändert sich die Quellenkritik bei zunehmender Skepsis, steht wie bei großen Fälschungszentren zunächst einmal alles unter Verdacht! Richard Drögereits These (zuletzt: Erzbistum Hamburg [wie Anm. 5] S. 141 ff.), dass die Vita erst kurz vor 893 von Adalgar für seine Zwecke interpoliert worden sei, ist nicht zutreffend; vgl. zuletzt Klapheck, Ansgar (wie Anm. 3) S. 78 ff. 13 Wavra, Salzburg und Hamburg (wie Anm. 3) S. 307 ff. 14 Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 15. 15 Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 13 argumentiert anders: „Wenn die verfälschten Urkunden jedoch jeweils echte Teile enthalten, dann ist ein darin bezeugtes Erzbistum dennoch nicht von vornherein ausgeschlossen, es sei denn, man weist nach, dass gerade diese Nachrichten zu den gefälschten zählen (und genau das suchten die Kritiker zu erweisen)“.

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indes die Diskussion der Gründungsfrage „nicht ausschließlich von der Fälschungsfrage ab(hängig)“ machen16, sondern auch „die jeweilige historische Situation und die historischen Möglichkeiten“ in Betracht ziehen17, was freilich auch Diplomatiker stets zu tun pflegen, während gerade „die Plausibilität einer solchen Gründung im historischen Kontext und vor dem Hintergrund karolingischer Herrschaftspraxis“ von anderer Seite in Abrede gestellt wurde18. Goetz zufolge werde hier „nicht einfach ‚gefälscht‘, sondern das damalige Wissen um die historische Tradition (das so natürlich nicht stimmen muss) nacherzählt“19. Seine Hypothese lautet: „Im kollektiven Gedächtnis der Hamburger Kirche blieb eine frühe Erzbistumsgründung jedenfalls unzweifelhaft maßgeblich im Bewusstsein“20. Bekannt ist der Fall, dass Bischof Pilgrim von Passau († 991) die angeblich in dem vermeintlichen Erzbistum Lorch wurzelnde Tradition seiner Kirche und deren daraus resultierenden Rang erfand, um so – vergeblich – die Loslösung aus der Kirchenprovinz Salzburg zu erreichen21. Wie Pilgrim für Passau prägte auch Rimbert das Hamburger Geschichtsbild und bestimmte es bis heute, denn Ansgar ist Rimberts Ansgar! Gegenüber der Goetz’schen ‚Vorstellungsgeschichte‘22, auch wenn sie nur den „Versuch einer Erklärung“ darstellt23, beharren wir mit dem berühmten Althistoriker Eduard Meyer starrköpfig auf der „Prävalenz des diplomatischen Urteils über die ‹Tradition›“24, denn dies v.a. vermittelt einen verlässlichen Interpretationsrahmen. Das gilt auch – wie wir glaubten gezeigt zu haben25 – für die Etablierung diözesaner Strukturen im Missionsgebiet, in die auch der ‚Fall‘ Hamburg eingepasst werden müsste. Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 12. Ebd., S. 28. 18 Klapheck, Ansgar (wie Anm.  3) S.  84; man denke nur an die ständige Bedrohung durch die ‚Nordmänner‘, die 845 Hamburg zerstörten. Auch Rimbert, Vita Anskarii c. 22 (wie Anm. 11) S. 47 bemerkt bezüglich Hamburgs: haec ipsa multotiens iam barbarorum incursionibus devastata. 19 Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 15. 20 Ebd. 21 Franz-Reiner Erkens, Die Fälschungen Pilgrims von Passau: Historisch-kritische Untersuchungen und Edition nach dem Codex Gottwicensis 53a (rot), 56 (schwarz) (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte, NF 46), München 2011. 22 Hans-Werner Goetz, Vorstellungsgeschichte. Gesammelte Schriften zu Wahrnehmungen, Deutungen und Vorstellungen im Mittelalter, hg. von Anna Aurast u. a., Bochum 2007. 23 Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 28. 24 Eduard Meyer, Geschichte des Altertums 1/1, Stuttgart-Berlin 21907, S. 217 f. 25 Theo Kölzer, Die Anfänge der sächsischen Diözesen in der Karolingerzeit, in: AfD 61 (2015) S. 11−37; Ders., Ohne Masterplan (wie Anm. 6) S. 320−327. 16 17

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Dagegen unterliegt die Exegese einer Tendenzschrift, für deren diesbezügliche Nachrichten wir oft keinerlei Kontrollmöglichkeiten haben, der Gefahr von Zirkelschlüssen. Dafür nur ein Beispiel: Nach der These von Goetz ist die Bistumsgründung in Hamburg 831/834 unstrittig26; wie sonst solle man die „unkanonische Versetzung nach Bremen 847 erklären“, die Rimbert durch – sonst nicht bezeugte (!) – Synodalbeschlüsse zu ‚heilen‘ sucht. Folglich schließt Goetz: „Dieser Streit setzt also geradezu voraus, dass Ansgar vorher bereits Bischof in Hamburg war“. Tatsächlich wollte Rimbert genau diesen Eindruck erzeugen. Hamburg wäre in dieser Sicht – worauf Goetz nicht eingeht – neben Paderborn das früheste Bistum im Sächsischen und die einzige direkte Initiative Ludwigs des Frommen27! Nach unseren Ergebnissen konstituierten sich jedoch die Bistümer mit Ausnahme Paderborns erst in der Zeit Ludwigs des Deutschen (840−876), und spätestens 868 (Synode von Worms) war dieser Vorgang erkennbar abgeschlossen, weil sich jetzt erstmals alle sächsischen Bischöfe nach ihren Sitzen benannten. * Über das Spurium auf den Namen Ludwigs des Frommen (D LdF. † 338) konnten wir inzwischen den Fokus von Ansgar auf Rimbert als Spiritus rector lenken, denn ein wichtiges, induktiv gewonnenes Ergebnis unserer Arbeit ist, dass die Ludwigs-Fälschung auf Rimberts ‚Vita Anskarii‘ aufbaut und nicht umgekehrt28. Unser Befund befreit zugleich Ansgar, aber auch Rimbert von dem Vorwurf, selbst Urkundenfälscher gewesen zu sein29, womit sich wiederum mancherlei Mutmaßungen erledigen. Diesen Ergebnissen stimmt Goetz zu30.

Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 14. Die Karte ebd. S. 20 f. bildet leider ohne Kommentar veraltete ‚Gründungsdaten‘ ab. 28 DD LdF. 2, S. 837 f. Anders noch Knibbs, Ansgar (wie Anm. 6) S. 106. Eine Priorität der ‚Vita‘ hatten schon postuliert, wenn auch ohne schlagende Argumente, Friedrich Wilhelm Rettberg, Kirchengeschichte Deutschlands 2, Göttingen 1848, S. 492 sowie Karl Koppmann, Die ältesten Urkunden des Erzbistums Hamburg-Bremen, in: Zs. des Vereins für Hamburgische Geschichte 5 (1866) S. 483−573, bes. S. 522 ff., 564 ff. 29 Ansgar hatten nach Wavra, Salzburg und Hamburg (wie Anm. 3) S. 303 ff. auch Klap­ heck, Ansgar (wie Anm. 3) S. 85 f. und Knibbs, Ansgar (wie Anm. 6) S. 106 ff. als Fälscher beschuldigt. 30 Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 11. 26 27

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Zu beachten ist freilich, dass bereits die ‚Vita Anskarii‘ (c. 23) als Fragment die verfälschte Form des Privilegs Papst Nikolaus’ I.31 enthält, das seinerseits Bezug nimmt auf die gefälschten Urkunden Gregors IV. und Ludwigs des Frommen32, während letztere, wie erwähnt, die Vita benutzt. Unbeachtet blieb bislang, dass auch dieses Nikolaus-Fragment das typische sprachliche Merkmal der genannten Fälschungen aufweist, die eigenartige Inversion von in (z. B.: in caeteris ubicunque illis in partibus constitutis)33. Das bedeutet nichts weniger, als dass – anders als allgemein und auch von uns bislang angenommen – die Fälschung und ihre ‚Geschwister‘ nicht erst im Vorfeld der Entscheidung von 893 hergestellt wurden34, sondern parallel zur Abfassung der ‚Vita‘35. Wenn aber, wie wir schon nachgewiesen haben, Ansgar und Rimbert eben wegen dieses stilistischen Merkmals nicht selbst als Urkundenfälscher in Frage kommen36, bleibt nur die Schlussfolgerung, dass Rimbert bei seinen Geschichtsfiktionen von einem Anonymus unterstützt wurde, der die flankierenden Spuria lieferte, und dass beide in der kurzen Zeitspanne zwischen 865 und 871 an ihrem ‚Projekt‘ arbeiteten; Rimberts Fiktionen und die Urkundenfälschungen sind Teile einer konzertierten Aktion! Bezüglich der Entstehungszeit der ‚Vita Anskarii‘ ist das Todesjahr Ansgars (865) als Terminus post quem sicher. Der allgemein angenommene Terminus ante quem 876 bezieht sich auf das Todesjahr Ludwigs des Deutschen, der zur Abfassungszeit offenbar noch lebte, denn er wird von Rimbert als dominus et senior noster Hludowicus rex bezeichnet37. Geht man jedoch Franz Curschmann, Die älteren Papsturkunden des Erzbistums Hamburg, Hamburg/ Leipzig 1909, S. 19−24 Nr. 4 a/b; Germ. Pont. 6 (wie Anm. 3) S. 31 f. Nr. 21; J3 5902; vgl. oben Anm. 7. 32 Curschmann, Papsturkunden (wie Anm. 31) S. 13−17 Nr. 1 a/b/c; Germ. Pont. 6 (wie Anm. 3) S. 25 f. Nr. 11; J3 † 5150. – D LdF. † 338. 33 Zu dieser Stelle, ohne Hinweis auf die Inversion, Levison, Frühzeit (wie Anm. 11) S.  600 sowie Knibbs, Ansgar (wie Anm.  6) S.  84. Der Fälscher dürfte das echte Privileg Paschalis’ I. für Erzbischof Ebo von Reims (Germ. Pont. 6 [wie Anm. 3] S. 24 Nr. 6; J3 5060; MGH Epp. 5, ed. Ernst Dümmler u. a., Berlin 1899, S. 68 f. Nr. 11) benutzt und als Vorbild für seine sprachliche Marotte verwendet haben (duximus illis in partibus … dirigendum). 34 Vgl. etwa Drögereit, Ansgar (wie Anm. 5) S. 23: „Mit Adalgar fassen wir also den ersten Bremer Erzbischof, unter dem gefälscht wurde“. Vgl. unten Anm. 44. 35 Bereits Klapheck, Ansgar (wie Anm. 3) S. 81 hatte hervorgehoben, dass das GregorSpurium (oben Anm. 32) spätestens 876 (der angenommene Terminus ante quem für die Abfassung der ‚Vita‘; s. aber unten) vorgelegen habe. Eine Vita mit Urkundenfälschungen stützend zu ‚garnieren‘, war nicht ungewöhnlich; vgl. etwa Drögereit, Ansgar (wie Anm. 5) S. 18. 36 DD LdF. 2, S. 837. 37 Vita Anskarii c. 22 (wie Anm. 11) S. 47. Vgl. etwa Werner Trillmich, Quellen des 9. und 11. Jahrhunderts zur Geschichte der Hamburgischen Kirche und des Reiches (Frei 31

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davon aus, dass die älteste Überlieferung der ‚Vita‘, die ehemals Konstanzer, heute Stuttgarter Handschrift, die von Bernhard Bischoff in das letzte Drittel des 9. Jahrhunderts datiert wurde38, jene war oder zumindest auf jene zurückgeht, die Bischof Salomo I. von Konstanz († 871) geschenkt wurde, der 864 bei Papst Nikolaus I. die Interessen Ansgars vertreten hatte39, engt sich die Abfassungszeit der ‚Vita‘ und der flankierenden Urkundenfälschungen auf nur wenige Jahre nach Ansgars Tod ein (865/71)40. Ziel der konzertierten Aktion war demnach, die von Nikolaus I. im Jahre 865 für Rimbert († 888), den Biographen und Nachfolger Ansgars, bestätigte Stellung als Missionserzbischof41 in das reguläre Amt eines Metropoliten in einer selbständigen Provinz zu überführen und damit zugleich Bremen der Kölner Provinz zu entziehen. Erfolgreich war jedoch erst Rimberts Nachfolger Adalgar (888−909), der dem Kränkelnden in dessen letzter Lebensphase zur Hand gegangen war42. Sollte Adalgar nicht auch jener anonyme Schüler Ansgars sein, der Rimbert bei der Abfassung der ‚Vita‘ unterstützt hatte43, oder könnte er nicht gar der Urkundenfälscher gewesen sein44? herr vom Stein-Gedächtnisausgabe  11), Darmstadt 51978, S.  5; Wilhelm Wattenbach/ Wilhelm Levison/Heinz Löwe, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, Heft  6, Weimar 1990, S. 843 mit Anm. 626. 38 Stuttgart, Landesbibliothek, HB XIV,7. Theodor Schieffer, Adnotationes zur Germania Pontificia und zur Echtheitskritik überhaupt, Teil 1, in: AfD 32 (1986) S. 503−545, der sich ebd. S.  513 auf eine Auskunft Bernhard Bischoffs beruft; vgl. Bernhard Bischoff, Die Schriftheimat der Münchener Heliand-Handschrift, in: Ders., Mittelalterliche Studien 3, Stuttgart 1981, S. 112−119, bes. S. 118 f. „frühestens 865“; siehe auch Wilfried Hartmann, Neues zur Entstehung der sächsischen Bistümer, in: AfD 63 (2017) S. 27−46, bes. S. 39 mit Anm. 67. 39 Klapheck, Ansgar (wie Anm. 3) S. 13 f., 81. 40 Dass auch später noch fleißig gefälscht wurde, zeigen etwa die Zusammenstellungen in Germ. Pont. 6 (wie Anm. 3) oder die Manipulationen an D LdF. † 338, die in einem verlorenen Bremer Ps.-Original aus der Frühzeit Barbarossas mündeten; D Arn. 27 wird strittig beurteilt (vgl. DD LdF. 2, S. 842). 41 Curschmann, Papsturkunden (wie Anm. 31) S. 26 f. Nr. 6; Germ. Pont. 6 (wie Anm. 3) S. 35 Nr. 26; J3 5989; von Knibbs, Ansgar, als Verleihung des regulären Erzbischof-Titels gewertet (oben Anm. 7)! 42 Vita Rimberti c. 21 (wie Anm. 11) S. 97. 43 Ebd. c. 9, S. 87. Im Text macht sich die Hilfestellung nicht bemerkbar: Levison, Zur Würdigung (wie Anm. 11) S. 618 f. 44 Als Urkundenfälscher hatte ihn bereits Michael Tangl im Auge: Die Urkunden Karls d. Gr. für Bremen und Verden, in: MIÖG 18 (1897) S. 53−68, bes. S. 65 f., fand aber Widerspruch bei Paul Kehr, Vorbemerkung zu D Arn. 27. Die Annahme einer Autorschaft Adalgars ist verlockend, aber nicht abzusichern. Sicher ist nur, dass er sich in den Auseinandersetzungen mit Köln der Fälschungen bediente: Knibbs, Ansgar (wie Anm. 6) S. 216 f.; vgl. auch oben Anm. 34.

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Goetz nimmt zu Unrecht an, dass „eine Bistumsgründung in Hamburg“ 831/34 „(weithin) unstrittig“ und dass ebenfalls „unstrittig“ sei, „dass spätestens 864 ein Erzbistum bestand, und dass Ansgar selbst Erzbischof war“45. Ihm zufolge hat aber Nikolaus I. „864 nicht ein neues Erzbistum begründet, sondern das bestehende, aber nicht wirklich intakte Erzbistum bestätigt und darüber hinaus die beiden Bistümer Bremen und Hamburg vereinigt“46. Merkwürdig nur, dass Papst Formosus bei seiner Suche nach einer Lösung des an ihn herangetragenen Streits davon nichts weiß! * Das vielmehr erst 893 durch Papst Formosus begründete Hamburg-Bremer Erzbistum ist das Ergebnis einer mittels Urkundenfälschungen beförderten Kampagne, die erst Rimbert, verlockt und begünstigt durch die Sedisvakanz des zuständigen Kölner Metropolitansitzes (863−870), in seiner ‚Vita Anskarii‘ gezielt vorbereitet hatte. Die Urkundenfälschungen waren also nicht, wie man bislang glaubte, die Antwort auf Proteste der Kölner Kirche wegen des ‚abtrünnigen‘ Suffragans Bremen. Schon Ansgar hatte als Bremer Bischof die Situation genutzt, indem er sich 864 vom Papst zum Missionserzbischof für die Dänen und Schweden ernennen ließ47, und diesen Titel ‚erbte‘ Rimbert ein Jahr später. Ein Missionserzbischof, der zugleich als Bremer Bischof Suffragan von Köln war: Das barg ohne Zweifel Konfliktpotenzial! Aber es dürfte in dieser apodiktischen Form fraglich sein48, dass bis zur zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts die Titel Erzbischof und Bischof „keineswegs klar unterschieden“ worden seien; „und solange es noch keine Suffraganbistümer gab, musste die Frage ‚Bistum‘ oder ‚Erzbistum‘ gar nicht zwingend geklärt werden; sie erscheint vielmehr geradezu unzeitgemäß“49. Das sehen z. B. die Bearbeiter der karo-

Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 13 f. Ebd., S. 24; eine thesenartige Zusammenfassung seiner Sicht ebd. S. 27 f. 47 Knibbs, Ansgar (wie Anm. 6) S. 70 geht noch einen Schritt weiter: „The idea of an archiepiscopal foundation emerged … at the end of Ansgar’s life, and was further developed by Rimbert and his successors“. Allerdings hielt Knibbs Ansgar fälschlich für den Urkundenfälscher (oben Anm. 29). 48 Hamburg mochte angesichts der Fälschungsproblematik und der Überlagerungen von Amt (Bischof von Bremen) und Titel ([Missions-]Erzbischof) eine verwirrende Sonderrolle gespielt haben; vgl. auch die Zusammenstellung von Wavra, Salzburg und Hamburg (wie Anm. 3) S. 322 ff. 49 Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 19. 45 46

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lingischen kirchlichen Synoden anders, auf denen sich doch in der Regel die Zugehörigkeit zu Kirchenprovinzen abbildete50! 870 wurde Köln mit Willibert († 888) wiederbesetzt, der im selben Jahr wie Rimbert starb. Von einem Streit zwischen Köln und Bremen, die erst seit 870 (Vertrag von Meerssen) wieder im selben Reichsteil lagen, verlautet bislang nichts51. Rimbert blieb auch als Missionserzbischof weiterhin Suffragan von Köln. Für jene, die an die Existenz eines Hamburger Erzbistums glauben, war es Erzbischof Hermann I. von Köln (889−924), der die Rückgewinnung Bremens betrieben habe52. Wir nehmen dagegen an, dass es der parallel erhobene Adalgar (888−909) war53, der als Missionserzbischof Rimberts Fiktion in die Realität umzusetzen und die Loslösung von Köln zu erlangen suchte, was aus seiner Sicht gewiss auch eine Frage des eigenen honor war. Die auffällige Inkubationszeit bis zur Realisierung von Rimberts Fiktion und der entsprechenden Spuria mag man damit erklären, dass von Bremer Seite eine günstige Gelegenheit abgewartet werden sollte und Rimbert zumindest gegen Ende seines Pontifikats gesundheitlich stark beeinträchtigt war und in seinen Amtsgeschäften von seinem späteren Nachfolger Adalgar unterstützt wurde54. Köln, dessen Erzbistum seit der Reichsteilung von Verdun (843) auf zwei Teilreiche aufgeteilt war, musste nach dem Ende des Mittelreiches 870 und dem Anfall an das ostfränkische Reich erst noch seinen Platz in dem neuen Teilreich finden und sah sich in einem Jahrzehnt ständiger Bedrohungen durch die Normannen (880/91) großen Gefährdungen ausgesetzt. Der Erklärungsbedarf gilt im Übrigen auch für jene, die bereits zu 864 oder 865 mit der Errichtung eines Erzbistums rechnen und sich mit dem Großteil der Forschung wundern müssten, warum erst Erzbischof Hermann I. von Köln das Blatt zu wenden versuchte. Sieht man gar in Ludwig dem Deutschen „die bestimmende

Hartmann, Neues (wie Anm. 38) S. 29 ff. Wiederum nur Rimbert, Vita Anskarii c. 23 (wie Anm. 11) S. 48 ff. berichtet von einem Protest Erzbischof Gunthers von Köln (850−863), der aber gegen die geschlossene Phalanx der Befürworter der angeblichen Vereinigung Bremens mit Hamburg erklärt habe, si apostolica auctoritate firmaretur, ex se quoque ratum esse (S.  49 Z.  5 f.), was dann mit dem  – gefälschten – Privileg Nikolaus’ I. de dato 864 (Anm. 31) geschah. 52 J3 7220; MGH Epp. 7, ed. Erich Caspar u. a., Berlin 1912–1928, S. 358 f. Nr. 2. Zu diesen Auseinandersetzungen vgl. etwa Knibbs, Ansgar (wie Anm. 6) S. 212 ff. 53 So schon Friedrich Wilhelm Oediger, Das Bistum Köln von den Anfängen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts (Geschichte des Erzbistums Köln 1), Köln 31991, S. 97. 54 Vita Rimberti c. 21 (wie Anm. 11) S. 97. 50 51

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politische Kraft“ für den Vorgang55, war dieser Impetus mit dessen Tod (876) vorerst erloschen. Goetz sieht den Grund für die Verzögerung darin, dass erst in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts „der Aufbau einer kirchlichen Provinzialverfassung weitgehend abgeschlossen“ war56, was zu formalistisch gedacht sein dürfte. Papst Formosus war 893 beraten durch das Votum einer auf seine Anordnung hin im August 892 in Frankfurt unter Erzbischof Hatto von Mainz tagenden Synode der Kölner Suffragane, die betonten, dass bis zu Adalgar – die Papsturkunde nennt ihn archiepiscopus Hammaburgensis – kein Bremer Bischof die Überordnung des Kölner Erzbischofs in Zweifel gezogen habe57, was Adalgar als Initiator des ‚Scheidungsprojekts‘ ausweist. Formosus fand dispensative zu einer gleichsam salomonischen Zwischenlösung: Die Hamburger Kirche solle die Bremer solange in Personalunion zum Unterhalt haben, solange sie selbst noch keine Suffragane habe. Im Übrigen solle der Hamburger Erzbischof den Kölner, wenn es nötig sei, unterstützen, jedoch nicht als Untergebener, sondern mit brüderlicher Liebe – eine nur noch schwache Reminiszenz an den früheren Status als Suffragan. Diese Entscheidung, die faktisch ein Erzbistum Hamburg-Bremen begründete, erwies sich – wie oft bei Provisorien – als dauerhaft, obwohl Hamburg im 10./11. Jahrhundert mit Oldenburg, Ratzeburg und Mecklenburg eigene Suffragane erhielt. * Unsere Sicht der Dinge stärkt die Thesen Drögereits weitgehend und kommt ohne riskante Hypothesen aus, etwa bzgl. einer unkanonischen Translation Ansgars von Hamburg nach Bremen (die wiederum nur bei Rimbert thematisiert ist!) oder einer in D  LdF.  † 338 von angeblich 834 verborgenen „kanzleigemäße(n) Immunitätsverleihung“ für das junge Bistum58. Letzteres wäre dann nach Paderborn (D LdF. 207) der früheste Beleg für die Existenz eines sächsischen Bistums, und deshalb hätte unsere

55 Klapheck, Ansgar (wie Anm. 3) S. S. 85 f. (Zitat S. 86). Boris Bigott, Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im Ostfränkischen Reich (826−876) (Historische Studien  470), Husum 2002, S. 153 ff., 180 f., 265 sieht Ludwig eher passiv. 56 Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 19. 57 Die Konzilien der karolingischen Teilreiche 875–911, ed. Wilfried Hartmann/Isolde Schröder/Gerhard Schmitz (MGH Conc. 5), Hannover 2012, S. 295 f. Nr. 34B. 58 Goetz, Ansgar (wie Anm. 1) S. 19.

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entgegenstehende, diplomatisch fundierte Deutung59 zunächst falsifiziert werden müssen! Ansgar wurde von Gregor IV. mit der Missionslegation im Norden betraut und Missionsbischof – strittig ob 831 oder 834 –, erhielt von Ludwig dem Frommen die Zelle Torhout als Grundlage, wählte Hamburg als Stützpunkt, wurde nach dessen Zerstörung durch die Wikinger (845) regulärer Bischof von Bremen (847) und 864 Missionserzbischof durch Verleihung des Palliums. Das erinnert an Willibrord (†739) in Utrecht, der (Missions-) Erzbischof der Friesen war („Apostel der Friesen“), ohne dass förmlich ein Erzbistum errichtet worden wäre60. Knibbs betont zu Recht, dass Ansgars Missionsarbeit „was never sufficient to justify an archdiocese north of the Elbe“61. Zu seiner Titel- und Kompetenzerweiterung trug wohl bei, dass der übergeordnete Kölner Erzstuhl nach der Absetzung Erzbischof Gunthars (863) im Zusammenhang mit der Eheaffäre Lothars II. verwaist war und bis 870 blieb, so dass möglicher Widerstand ausfiel, zumal auch die Wiederbesetzung von Turbulenzen begleitet war62. Exakt in diesem Vakuum entstanden 865/871 in Bremen in konzertierter Aktion die ‚Belege‘ für die Loslösungstendenzen in Gestalt von Rimberts ‚Vita Anskarii‘ und der Urkundenfälschungen seines anonymen Gehilfen, die den Metropolitenstatus bereits für Ansgar reklamierten. Für Rimbert und seinen ‚Koadjutor‘ und Nachfolger Adalgar war auf Dauer untragbar und in einem hierarchisch denkenden Mittelalter ihrem honor wohl abträglich, dass ein Missionserzbischof zugleich Suffragan eines ‚regulären‘ Erzbischofs war. Adalgar war es denn auch, der nach längerer, durch die Zeitumstände bedingter Inkubationszeit die Initiative zur endgültigen Lösung von Köln ergriff.

DD LdF. 2, S. 838 f. Zusammenfassend Knibbs, Ansgar (wie Anm. 6) S. 23 ff., der ebd. S. 24 zu Recht unterstreicht: „Willibrord’s archiepiscopal title was strictly personal“. Das Erzbistum existierte erst 1559−1583 und wurde 1853 neu errichtet: Eugenius H. (Guus) Bary, in: LThK  103 (2001) Sp. 501. 61 Knibbs, Ansgar (wie Anm. 6) S. 44 ff., Zitat S. 47. 62 Oediger, Das Bistum Köln 1 (wie Anm. 53) S. 94 ff.; Erzbischof Willibert erhielt erst 874/75 das Pallium und stützte 876 Ludwig den Jüngeren gegen die Okkupationsversuche Karls des Kahlen (ebd. S. 96). 59 60

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Theo Kölzer

Abstract Two years ago Hans-Werner Goetz agreed that until 864 there was no archbishopric at Hamburg. Nevertheless he argued that even before ­Ansgar’s translation to Bremen (845/47) there existed the idea of an archbishopric to be built at Hamburg with regard to the northern mission. In contrast to this thesis the present study strengthens recent results, which the author missed to falsify: The archbishopric of Hamburg-Bremen was founded in 893 by pope Formosus. Supposed older fictions had been ­invented by Ansgar’s successor Rimbert in his ‘Vita Anskarii’ which he probably wrote in 865/71. He was supported by a congenial anonymous author who fabricated the first relevant forgeries, which however were produced in public not before Adalgar’s controversy with Cologne (890/93).

König Heinrich I. im zeitgenössischen Siegel- und Münzbild von BARBARA KLÖSSEL-LUCKHARDT

Siegelabbildungen sind beliebt, wenn es gilt, mediävistische Abhandlungen und Tagungen zumindest auf den Titelblättern authentisch zu dekorieren1. Dem folgt jedoch in den Bänden selbst nur bisweilen ein intensiverer Blick auf diese Bildquellen. Hagen Keller fragte immerhin genauer nach dem Stellenwert eines Siegelbildes als Objekt im frühen 10. Jahrhundert „in einer fast bildnislosen und relativ schriftarmen, weitgehend illiteraten Zeit“2. Zu berücksichtigen bei einer Untersuchung von Form und Bedeutung dieser Objekte für die Repräsentation des frühen ottonischen Königtums sind dabei aber nicht allein die Siegelabdrücke, die in der Regel im Verbund mit der gut datierten urkundlichen Überlieferung stehen, sondern auch ihre kunsthandwerklichen Urformen, die Siegelmatrizen bzw. -typare. Daraus ergeben sich die Fragen nach deren künstlerischer Tradition, nach ihrer Fertigung, ihren materiellen Medien und der Überlieferung entsprechender Artefakte, die nicht selten aus archäologischen Kontexten stammen. Über die „Genealogie“ der ‚deutschen‘ Königssiegel sind wir durch das mehrbändige Werk von Otto Posse nachhaltig unterrichtet3. Den Auftrag, seine vierzigjährige Forschungsarbeit zu den „Symbolen deutscher Herr Dies gilt aktuell auch für den zum 1100-jährigen Jubiläum erschienenen Tagungsband: 919 – Plötzlich König. Heinrich I. und Quedlinburg, hg. von Stephan Freund/Gabriele Köster (Schriftenreihe des Zentrums für Mittelalterausstellungen Magdeburg 5), Regensburg 2019 mit dem Heginric-Medaillon auf dem Innentitel (S. 8), dem sich keiner der Beiträge mehr widmet. 2 Vgl. Hagen Keller, Das neue Bild des Herrschers. Zum Wandel der „Herrschaftspräsentation“ unter Otto dem Großen, in: Ottonische Neuanfänge. Symposium zur Ausstellung „Otto der Grosse, Magdeburg und Europa“, hg. von Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter, Mainz 2001, S. 189–211, hier 192 f. 3 Otto Posse, Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige, 5 Bde., Dresden 1909–1913. 1

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schergewalt und Herrschergröße“4 durch eine anspruchsvolle Publikation „auch weiteren Kreisen zugänglich“ zu machen, erhielt Posse 1902 direkt durch Kaiser Wilhelm II., dem er sein Werk entsprechend ‚ehrfurchtsvoll‘ widmete5. Der Wert von Posses Arbeit liegt nicht nur in der akribischen Dokumentation des Materials sowie in der bis heute unübertroffenen fotografischen Erfassung, sondern auch in der breiten chronologischen Perspektive, die bei der karolingischen Dynastie ansetzt. Moderne Überblicke bieten durch terminierte Forschungsfelder hingegen wenig Hinweise auf Übergänge oder Kontinuität für das ‚magische‘ Jahr 919 mit der Erhebung des ersten sächsischen Herzogs Heinrich zum König, weder zurück auf spätkarolingische Traditionen, oder voraus auf deren Weiterleben bzw. deren Modifikation6. Für Heinrich I. dokumentierte Posse zwei Siegelbilder: ein ovales aus dem Beginn der Regierungszeit, das sich allein schon im Format an antiken Steinschnitten orientierte7 und dessen Typar möglicherweise als Anhänger getragen wurde8, und ein etwas größeres in Rundform, das als Hauptsiegel Heinrichs diente, beide mit dem Profilbild des Königs. Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) V, S. V. Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) I, S. 3. 6 So setzt die auf die ottonische Entwicklung ausgerichtete Betrachtung von Keller, Das neue Bild (wie Anm. 2) erst um 910 mit einem als ‚Neuschöpfung‘ betrachteten (dritten) Siegel des letzten Karolingers Ludwig IV. des Kindes ein, ohne den vergleichbaren Typus von dessen Urgroßvater Ludwig dem Deutschen zu berücksichtigen (vgl. unten Anm.  31), während Genevra Kornbluth in ihren qualitätsstarken Fotoarchiven, ausgehend von der karolingischen Steinschneidekunst, genau dort für den ostfränkischen Bereich endet (vgl. unten Anm. 29). Der monographische Überblick von Wolfgang Giese, Heinrich I. Begründer der ottonischen Herrschaft (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2008, mit S. 136–143 zu den Urkunden enthält keinerlei Bemerkung zu den Siegeln; nur kurze Bemerkungen bei Andrea Stieldorf, Das Bild vom König als Krieger im hochmittelalterlichen Reich, in: Der König als Krieger. Zum Verhältnis von Königtum und Krieg im Mittelalter, hg. von Martin Clauss/ Dies./Tobias Weller (Bamberger Interdisziplinäre Mittelalter Studien. Vorträge und Vorlesungen 5), Bamberg 2015, S. 23–64, hier 25, 50, 53. Ein aktuelles Forschungsprojekt unter ihrer Leitung „Bilder vom König. Macht und Herrschaft der ostfränkisch-deutschen Könige im Siegel- und Münzbild (936–1250)“ an der Universität Bonn setzt erst bei Otto I. an, vgl. Andrea Stieldorf, Die Rückkehr des Königs. Zur Funktion des Herrscherbildes auf Münzen, in: AfD 64 (2018) S. 27–59, hier 31 Anm. 13. – Eine stärkere Fokussierung auf die Jahre des Übergangs erst jüngst bei Gerd Althoff, Konrad I. und Heinrich I. Machtverzicht in den Anfängen der deutschen Geschichte, in: Fuldaer Geschichtsblätter 93 (2017) S. 5–21 und bei Roman Deutinger, Weichenstellungen. Konrad I. und das Ende der Karolinger im ostfränkischen Reich, in: Freund/Köster (Hgg.), 919 – Plötzlich König (wie Anm. 1) S. 45–53. 7 Vgl. Genevra Kornbluth, Engraved Gems of the Carolingian Empire, Pennsylvania University Press 1995, S. 23. 8 S. unten Anm. 67. 4 5

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Abb. 1: Erstes Siegel Heinrichs I.; Hessisches Staatsarchiv Marburg, Bestand Urk. 56 (Reichsabtei Hersfeld), Nr. 2272; Aufnahme: Hessisches Staatsarchiv Marburg

Das ältere Siegel mit der schlichten Umschrift + HENRIC’(us) REX blieb in zwei Abdrücken zu 920 und 925 an Immunitätsbestätigungen für die Klöster Fulda und Hersfeld überliefert9. Deutlich lassen sich dabei Spuren Hessisches Staatsarchiv Marburg, Bestand Urk. 75 Nr. 62 und Urk. 56 Nr. 2272 (Handlungsorte Fulda und Worms); vgl. Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) I, Taf. 6.6, V, S. 11; Percy Ernst Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit 751–1190, Neuauflage hg. von Florentine Mütherich, München 1983, S. 185, Abb. 78; eine Umzeichnung bei Ludwig Stacke, Deutsche Geschichte, Bielefeld 51892, Nachdr. Paderborn 2015, Bd.  1, S. 248; Die Urkunden Konrad I. Heinrich I. Otto I., ed. Theodor von Sickel (MGH Diplomata regum et imperatorum Gemaniae 1), Hannover 1879–1884: DD H.I. 1, 9; zum historischen Kontext vgl. Giese, Heinrich I. (wie Anm.  6) S.  138 und Althoff, Konrad I. (wie Anm.  6) S.  21.  – Die etwas unglückliche Bezeichnung Posses als ‚provisorisches Siegel‘ wurde in Hinblick auf die schmale Überlieferungslage dankbar weiter referiert

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einer metallenen Einfassung erkennen, die auf eine Fertigung des Siegelstempels aus anderem Material, wohl aus Bergkristall, hinweist. Im 9. Jahrhundert hatte sich in Lotharingien, dem karolingischen und von Heinrich 923 teilweise eroberten ‚Mittelreich‘ im Raum Aachen – Trier – Metz die Steinschneidekunst in Bergkristall zu einer im europäischen Abendland einzigartigen Blüte entwickelt10. Das nur zufallsweise aufzufindende und außerordentlich schwer zu bearbeitende Material stand nicht nur wegen dieser Eigenschaften sondern auch durch die ideelle Deutung als Stoff höchster Reinheit11 in besonderer Wertschätzung und dürfte zum Großteil in königlichen Werkstätten bearbeitet worden sein. Unter den raren, meist in Kirchenschätzen überlieferten Objekten finden sich auch drei Siegelsteine. Das Ende des 10. Jahrhunderts als Schmuckgemme und namengebend in das Lothar-Kreuz im Aachener Domschatz einmontierte Bergkristalltypar Lothars II. (855–869)12 demonstriert das königliche Patronat, zwei weitere, etwa eine Generation jüngere Kristalle sind dem Umkreis der lotharingischen Kanzlei zuzuordnen. Sowohl die Typare von Erzbischof Radpod von Trier (amtiert 883–915, seit 895 Kanzler von Lothringen)13 vgl. Schramm und Otto der Große. Magdeburg und Europa. Ausst. Kat. Magdeburg 2002, hg. von Matthias Puhle, 2 Bde., Mainz 2001, hier 2, S. 106 unter Kat.-Nr. III.1 (Rainer Kahsnitz). – In diesem Zusammenhang wäre auch das weitgehend unkenntliche Siegel an einer auf 929 datierten Urkunde genauer zu betrachten, das erstmals bei Christian Warnke, Die ‚Hausordnung‘ von 929 und die Thronfolge Ottos I., in: Freund/Köster  (Hgg.), 919 – Plötzlich König (wie Anm. 1) S. 116–142, hier 124, Abb. 38 rechts (vgl. auch Anm. 46) publiziert ist. Die Urkunde selbst erachtet er als (ottonische?) Fälschung. Die leicht ovale Grundform des Siegels sowie die Spuren seines abgegriffenen Reliefs könnten auf eine spätere Benutzung des ‚alten‘ Typars hindeuten. 10 Dazu das Referenzwerk von Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7), bes. S. 21–24 zu den Siegelsteinen. 11 Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 17 mit Anm. 51. 12 Schnittseite mit Umschrift außen und damit seitenverkehrt XPE (Christe) ADIVVA HLOTHARIVM REG(em) – „Christus stehe König Lothar bei“; 38 x 32 mm; vgl. Posse, Die Siegel (wie Anm.  3) I, Taf.  2.5; Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige (wie Anm. 9) S. 50, Abb. 28 a, b; Genevra Kornbluth, The Seal of Lothar II. Model and Copy, in: Francia 17/1 (1990) S. 55–68; Dies., Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 58–63, Kat. No. 6, Fig. 6.1–7; Erika Zwierlein-Diehl, Antike Gemmen im Mittelalter. Wiederverwendung, Umdeutung, Nachahmung, in: Persistenz und Rezeption. Weiterverwendung, Wiederverwendung und Neuinterpretation antiker Werke im Mittelalter (Schriften des Lehr- und Forschungszentrums für die antiken Kulturen des Mittelmeerraumes 6), hg. von Dietrich Boschung/Susanne Wittekind, Wiesbaden 2008, S. 237–284, hier 267 f. 13 Umschrift + RADPODVS AR(c)HIEP(iscopu)S; 35 x 28 mm; Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe, Inv. Nr. 1956.6; vgl. Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 68 f. Kat. No. 8, Fig. 8.1–10 und Fig. 8.1−5; Puhle (Hg.), Otto der Große (wie Anm. 9) 2, S. 284 f. Kat.-Nr. IV.67 (Rainer Kahsnitz).

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als auch von einem Abt Theodulf, der mit einem zwischen 902–910 in der dortigen Kanzlei nachweisbaren Notar identifiziert wird14, lehnen sich an den letztlich aus römischen Gemmen und Münzen bekannten Profiltypus an. Heinrichs älteres Siegel zeigt dabei nicht nur in der Grundform und der Bildtechnik des Steinschnitts sondern ebenso in der Bildgestaltung eine deutliche Orientierung an karolingischen Vorbildern in Art des LotharKristalls. In den jugendlich anmutenden Idealbüsten sowohl des erhaltenen lotharingischen Siegelsteins als auch in den ältesten Siegelabdrücken des ersten sächsischen Königs bleibt die Prägung durch den römischen Imperatoren-Typus gleichermaßen spürbar. Das Typar am Aachener Kreuz stellt dabei in der Siegelpraxis von Lothar II. ein ‚moderneres‘ Stadium dar gegenüber dem Gebrauch seiner nachträglich mit einer Legende versehenen und für urkundliche Besiegelungen bevorzugten antiken Bildnisgemme15. Der eigentümliche Kopfschmuck beim Kristall in Form eines zweiteiligen, über der Schläfe gekreuzten Reifs entfernt sich dabei von dem traditionsreichen Lorbeerkranz. Genevra Kornbluth sah darin eine gezielte Transformation zu einem anspruchsvolleren Schmuck in Annäherung an karolingische Kronenformen16. Genau an dieser Phase versuchte Heinrich, sich mit seinem ersten Siegel zu orientieren. Bei seinem schweren unverzierten Kronreif ist die Erinnerung an einen Kranz schon getilgt17. Die obligatorische Schmuckfibel, die den Feldherrenmantel, das römische Paludamentum,

14 Schnittseite mit Umschrift innen und damit seitenrichtig TEODVLFVS ABB(as); 30 x 25 mm; Halberstadt, Domschatz, einmontiert in das Tafelreliquiar des 13. Jahrhunderts, rückseitig vergoldet; vgl. Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 69 f. Kat.-Nr. 9, Fig. 9.1−7 und ebenso Hans Fuhrmann, Die Inschriften des Doms zu Halberstadt (Die Deutschen Inschriften 75), Wiesbaden 2009, S. 3–6 Nr. 1 mit Anm. 15, Abb. 2. 15 Dazu vgl. Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) I, Taf. 2.4, Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige (wie Anm. 9) S. 50, Abb. 29; Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 23, 59 f., Fig. 39. Die Umschriften von Kristall und Gemmensiegel sind identisch. 16 So Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 61 f.: „The simple laurel wreath was changed to a more elaborate headdress approximating the contemporary Carolingian crown, strengthening the association between the seal and its owner.“ Zwierlein-Diehl, Antike Gemmen (wie Anm. 12) S. 267 f. formulierte aus archäologischer Perspektive knapper: „Der Lorbeerkranz ist ersetzt durch eine karolingische Krone.“ 17 Ein ähnlich schwerer Kronreif schon bei einem einzigen der zahlreichen Siegel Arnulfs von Kärnten (gest. 899; Bay. HStA, Kaiserselekt 81) und dem seines Sohn Zwentibold von Lotharingien (gest. 900), vgl. Posse, Die Siegel (wie Anm.  3) I, Taf.  V.4, 7; Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige (wie Anm.  9), Abb.  59, 62; https://www.kornbluth photo.com/images/ArnulfAug896.jpg und https://www.kornbluthphoto.com/images/ Zwentibold896.jpg (13.3.2019).

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zusammenhält, scheint etwas unentschlossen arrangiert und nur schwach ausgeprägt zu sein, so dass sie in der Umzeichnung des 19. Jahrhunderts einfach eliminiert wurde18. Wie bei dem Aachener Kristall wurden Bildnis und Umschrift ohne jede graphische Zäsur in das Typar geschnitten, auf die bei den Karolingern von Karl dem Großen bis hin zu Ludwig IV. dem Kind (gest. 911) gebräuchliche Formel für göttlichen Beistand aber wurde unter Heinrich I. verzichtet19. Mit seinem ersten Siegel knüpfte Heinrich also durchaus gezielt an spätkarolingische Herrschaftsrepräsentation an und bediente sich dafür eines Siegelschneiders, der trotz mancher formaler Unschärfen noch in Tradition der lotharingischen Steinschneidekunst stand20. Dieses Siegel wurde, das bleibt zu betonen, auch nach der Einführung eines neuen Typars nicht verworfen, wie es die erwähnte Urkunde für Kloster Hersfeld von 925 beweist. Es mag als Zeichen der Festigung von Heinrichs Königsherrschaft zu deuten sein, dass er mit dem Ausbau der Pfalz Quedlinburg und bei der ersten Feier des Osterfestes ebenda 922 ein neues Siegel in Rundform einführte. Gerd Althoff wies darauf hin, dass Heinrich mit der entsprechenden Urkunde zugleich in außergewöhnlicher Form auch auf die Geburt seines dritten Sohnes Heinrich Bezug nahm, des ersten als sächsisch königlicher Prinz zur Welt Gekommenen natus ... in aula regali 21. Zu solchen ‚Kaiserfibeln‘ vgl. Michael Schmauder, Imperial Representation or Barbaric Imitation? The Imperial Brooches (Kaiserfibeln), in: Strategies of Distinction. The Construction of Ethnic Communities 300–800, hg. von Walter Pohl/Helmut Reimitz (The Transformation of the Roman World 2), Leiden/Boston/Köln 1998, S. 281–296; Falko Daim/Dieter Quast, Byzanz und seine Nachbarn. Der Anspruch des oströmischen Kaisers auf Universalherrschaft, in: Otto der Grosse und das Römische Reich. Ausst.-Kat. Magdeburg 2012, hg. von Matthias Puhle/Gabriele Köster, Regensburg 2012, S. 315–319, hier 316, Abb. 45 f.; s. unten Anm. 68. 19 Vgl. Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) I, Taf. I.4, 6–8, Taf. II.1, 4 f., 7–9, Taf. III.3, Taf. V.8. 20 Im Gegensatz zu Kahsnitz in: Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen, Ausst.-Kat. Hildesheim 1993, hg. von Michael Brandt/Arne Eggebrecht, 2 Bde., Hildesheim/Mainz 1993, hier 2, S.  17 Kat. Nr.  II-1, S.  19 f. Kat. Nr.  II-3, S.  214 f. Kat. Nr.  IV-50 und Ders., in: Puhle  (Hg.), Otto der Große (wie Anm.  9) 2, S.  106 f. Kat. Nr. III.1, S. 284 f. Kat. Nr. IV.67 betrachtete Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 118 f. nicht vordringlich Metz als Zentrum der karolingischen Steinschneidekunst, sondern präferierte Aachen und für die Spätzeit auch Trier. – Die Frage nach der Herkunft des zu damaligen Zeiten offenbar üppigen Materials ist ungelöst. Jedoch wären dafür die historischen Bedingungen vom nahe gelegenen Idar-Oberstein in den Blick zu nehmen, der Stadt, die bis heute als überregionales Zentrum der Edelsteinschleiferei gilt. 21 Vgl. Gerd Althoff, Gandersheim und Quedlinburg. Ottonische Frauenklöster als Herrschafts- und Überlieferungszentren, in: FmSt 25 (1991) S.  123–144, hier 129 f.; vgl. Giese, Heinrich I. (wie Anm. 6) S. 132, Anm. 66 mit der Quellenangabe aus der jüngeren Vita der Königin Mathilde.

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Abb. 2: Zweites Siegel Heinrichs I.; Hessisches Staatsarchiv Marburg, Bestand Urk.56 (Reichsabtei Hersfeld), Nr. 2274; Aufnahme: Hessisches Staatsarchiv Marburg

In dem zweiten Siegel präsentierte Heinrich seine königlichen Insignien sehr viel deutlicher, zeigte sich aber zugleich auch sehr viel militärischer. Nun in Halbfigur hält er mit energischem Griff und dynamisch gespanntem Arm eine bewimpelte Lanze, deren Blatt dominant die Umschrift HEIN/RICVS REX durchstößt22. Angesichts von Heinrichs Streben in Durchmesser 43 mm; Münster, Landesarchiv NRW, Abt. Westfalen, Kaiserurkunden Nr.  31 zu April 922 (Bestand Corvey); vgl. Posse, Die Siegel (wie Anm.  3) I, Taf.  6.7 (Abdruck von 927; München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ebersberg Urk 4), V, S. 11; Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige (wie Anm. 9) S. 178, Abb. 49; Puhle (Hg.), Otto der Große (wie Anm. 9) 2, S. 106 f. Kat.-Nr. III.1 (Rainer Kahsnitz; Abdruck Münster) April 922; Keller, Das neue Bild (wie Anm. 2) S. 193, 200 Abb. 3 (Abdruck München); 22

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den Folgejahren, die legendäre Heilige Lanze sowohl als Herrschaftszeichen wie als auch als Heiltum in seinen Besitz zu bekommen, gewinnt das Siegelmotiv eine hochprogrammatische Dimension23. Mit der Linken hält er verteidigungsbereit einen deutlich gewölbten Rundschild nach karolingischem Typus, der fast ein Viertel des für die Legende nutzbaren Raumes beansprucht. Die Spuren des Dekors mit kleinen buckelförmigen Beschlägen an der Schildkante und spiraligen Schwüngen auf dem Schildcorpus stimmen mit Darstellungen aus karolingischer Buchmalerei, wie beispielsweise im Stuttgarter Psalter, überein24. Hinsichtlich des königlichen Ornats hat das Paludamentum über der rechten Schulter nun eine ausgeprägte Fibel erhalten. Als Bekrönung trägt Heinrich einen Reif mit Andeutungen von Edelsteinbesatz und mit Lilienaufsätzen nach Art einer Krone, wie sie beispielsweise das Stifterbild im Gebetbuch Karls des Kahlen zeigt25. Die klare Profilzeichnung des Kopfes in Nachfolge antiker Gemmen- oder Münzbildnisse blieb dabei bestehen26. Im Verhältnis von Siegelbild und -legende wurde dem Abbild ein deutlicher Vorrang eingeräumt. Hagen Keller beschrieb diesen Typus als „bartlosen König, der in Waffen wachsam oder angriffsbereit in die Ferne schaut“ und sah ihn in der Formulierung des Widukind von Corvey anlässlich des Sieges Ottos I.

auch Gunther G. Wolf, Nochmals zur Geschichte der Heiligen Lanze bis zum Ende des Mittelalters, in: Die Heilige Lanze in Wien. Insignie – Reliquie – „Schicksalsspeer“, hg. von Franz Kirchweger (Schriften des Kunsthistorischen Museums 9), Wien 2005, S. 23–51, hier 27 Farbabb. 5 (Abdruck Münster) und Warnke, Die ‚Hausordnung‘ (wie Anm. 9), Farbabb. 38 und 44 mit weiteren Abdrücken (zwei Exemplare von April 923, Würzburg; 932, Marburg; Überlieferung zu 929, aber einer Urkunde von 928 zugeordnet, Magdeburg); Edition: DD H.I. 3; zum Kontext vgl. Giese, Heinrich I. (wie Anm. 6) S. 138. 23 Dazu nur Jörg Oberste, Heilige und ihre Reliquien in der politischen Kultur der früheren Ottonenzeit, in: FmSt 37 (2003) S. 73–98, hier 77–79 mit dem Bericht des Liudprand von Cremona; Wolf, Nochmals zur Geschichte (wie Anm. 22) S. 27–30, 40–42 mit Anm. 81; Giese, Heinrich I. (wie Anm. 6) S. 122–125; zuletzt Franz Kirchweger, Die Gestalt und frühe Geschichte der heiligen Lanze in Wien, in: Freund/Köster (Hgg.), 919 – Plötzlich König (wie Anm. 1) S. 144–161, bes. 146–151. 24 Paris, um 820–830, geschrieben in der Abtei Saint-Germain-des-Prés; heute: Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. bibl. fol. 23; vgl. Peter Burkhart, Kunsthistorische Einführung, in: Kupfergrün, Zinnober & Co. Der Stuttgarter Psalter, Ausst.-Kat. Stuttgart, hg. von Vera Trost u. a., Stuttgart 2011, S. 19–77, hier 38, 56 (fols. 5v, 27r). 25 München, Schatzkammer der Residenz, vgl. Puhle/Köster (Hgg.), Otto der Grosse (wie Anm. 18) S. 487 f. Kat.-Nr. IV.43 (Thomas Labusiak). 26 Vgl. die Bewertung bei dem Nachfolgesiegel des Sohnes Otto, vgl. Brandt/Eggebrecht (Hgg.), Bernward von Hildesheim (wie Anm. 20) 2, S. 17 Kat.-Nr. II-1 (Rainer Kahsnitz).

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über die Ungarn geradezu in Aktion treten: arrepto clipeo ac sacra lancea – „ergriff er den Schild und die heilige Lanze“27. Dieser Bildtypus schließt an eine Siegelrepräsentation an, die sich bereits um 830 im ostfränkischen Reich unter Ludwig dem Deutschen angebahnt und ab 900 unter den direkten Vorgängern Heinrichs, den Königen Ludwig IV. (reg. 900–911) und Konrad I. (reg. 911–918), ab 900 durchgesetzt hatte28. Während bei Ludwig dem Deutschen aber offenbar noch das traditionelle Siegel mit einer römisch-kaiserzeitlichen Gemme für Beurkundungen bevorzugt wurde, wandelte sich das Verhältnis bei seinem Urenkel Ludwig IV. das Kind. Der minderjährige letzte Karolinger übernahm noch das ererbte und sicherlich hoch geachtete Objekt antiken Ursprungs29, doch sind von ihm ebenso Besiegelungen mit zwei einander ähnlichen Typaren überliefert, die ihn nun deutlich als Krieger repräsentieren mit sukzessiv ausgeprägterer Lanze und einem vergrößerten bzw. demonstrativ vorgestreckten Schild, einmal mit hoher Krone, das andere Mal wohl mit einer Art Diadem30. Die hinsichtlich der Bewaffnung geschärfte Bildformulierung mag auf Initiative der Herrschaftselite im Umkreis des Kind Vgl. Keller, Das neue Bild (wie Anm. 2) S. 205, vgl. Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae, ed. Hans-Eberhard Lohmann/Paul Hirsch (MGH SS rer. Germ. [60]), Hannover 1935, lib. III, c. 46, S. 127 f. 28 Das neue, kriegerische Siegel Ludwigs des Deutschen mit kleinem Buckelschild und dahinter aufragender Lanze stand 831–861 in parallelem, aber offensichtlich weniger häufigem Gebrauch zum traditionellen Gemmensiegel, vgl. Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) I, Taf. 2.6–10, V, S. 7; zu dem bewaffneten Typus auch Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 23, Fig. 40. Zur Würdigung der kriegerischen Bedeutung des Siegelführers durch Regino von Prüm cui maxima opes erant instrumenta bellica vgl. Stieldorf, Das Bild vom König (wie Anm. 6) S. 31 mit Anm. 20. 29 Das Gemmensiegel wurde zwischenzeitlich an Ludwig III. vererbt, dann verwahrt und schließlich von Ludwig IV. benutzt, vgl. Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) I, Taf. 2.7–9 (Ludwig d. Deutsche), 3.3. (Ludwig III.), 5.9 (Ludwig IV.), V, S. 7 f., 10; Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige (wie Anm. 9) S. 178, Abb. 50 (Ludwig d. Deutsche); zum Intaglio selbst vgl. Erika Zwierlein-Diehl, Antike Gemmen und ihr Nachleben, Berlin/New York 2007, S. 253 f., Abb. 841, die jedoch eine geläufige Zuschreibung der drapierten Büste mit lockigem Haarschopf und Bart an Kaiser Hadrian verwirft. In solchen Siegelvererbungen sah Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 60 einen bewussten ‚Konservatismus‘ in Hinblick auf eine dynastische Legitimation. – Abdrücke in niedersächsischen Beständen finden sich zu 877 (Ludwig III.) im Urkundenfonds des Reichsstifts Gandersheim, NLA-Standort Wolfenbüttel, 6 Urk 3, 3a und 4. 30 Vgl. Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) I, Taf. 5.8–10, V, S. 10; zu Ludwig IV. eingehend Thilo Offergeld, Reges pueri. Das Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter (MGH Schriften 150), Hannover 2001, S. 518–641, bes. 581 f. zu den Siegeln; für Abb. vgl. http:// www.kornbluthphoto.com/images/LouisChild905.jpg und http://www.kornbluthphoto. com/images/LouisChild911.jpg (15.3.2019). 27

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königs zurückzuführen sein31, doch schließt auch sie an das Vorbild des dynastischen Ahnherrn an32. Zu dieser das königliche Abbild prägenden Elite gehörte sicherlich auch Bischof Salomo  III. von Konstanz, seit 890 Abt von St. Gallen, sowie 909–918 Kanzler unter den Königen Ludwig IV. und Konrad I. und Literat33. Wenn Salomo in einem Gedicht an seinem Amtsbruder Dado von Verdun über den Zustand des ostfränkischen Reiches und den jungen Ludwig klagte Aetas nec pugne est habilis nec legibus apta – „Sein Alter ist weder brauchbar im Kampf noch fähig, die Gesetze zu handhaben“34, dann erweisen sich beide Siegelbilder, das des bärtigen Philosophenkaisers und das des kraftvollen jugendlichen Kriegers, als reine (Bild)propaganda35. Der Nachfolger, der Frankenherzog Konrad I., dem zwar militärische Kraft attestiert wurde Chunradus Francorum ex genere oriundus, vir strenuus bellorumque exercitio doctus – „Konrad aus dem Geschlecht der Franken stammend, ein kräftiger und kriegserfahrener Mann“36, dessen Regierung aber kurz und erbenlos blei-

So Keller, Das neue Bild (wie Anm. 2) S. 191, 193, Abb. 1, wobei seine Bewertung als ‚neuer Typus des Bildsiegels‘ die ältere Tradition ausblendet; zuvor Ders., Zu den Siegeln der Karolinger und Ottonen. Urkunden als ‚Hoheitszeichen‘ in der Kommunikation des Königs und seiner Getreuen, in: FmSt 32 (1998) S. 400–441, hier 416 f. Allenfalls wäre hier genauer nach den Initiatoren für den Rückgriff und die Intensivierung zu fragen. 32 Die Traditionslinie betonte auch Susanne Wittekind, Die Makkabäer als Vorbild des geistlichen Kampfes. Eine kunsthistorische Deutung des Leidener Makkabäer-Codex 17, in: FmSt 37 (2003) S. 47–71, hier 69–71 in ihrer Untersuchung zu Text- und Bildgeschichte von kriegerischen Illustrationen vor allem im Makkabäer-Codex in Leiden (s. unten Anm. 44). Sie betonte den Charakter der Handschriften als „erzieherische Schriften zur Ausbildung und Wachsamkeit im geistlichen Kampf ... aus dem Umkreis der geistlichen Ratgeberschaft für die karolingischen Könige und ihre Söhne.“ 33 Zu Salomo vgl. Offergeld, Reges pueri (wie Anm. 30) S. 544–547, 588–590, 600 f.; in Salomo sieht Wittekind, Die Makkabäer (wie Anm. 32) S. 70 auch um 910 den Initiator für das ‚kriegerische Doppelwerk‘ der Leidener Handschrift. 34 Salomonis et Waldrammi carmina, vgl. Offergeld, Reges pueri (wie Anm. 30) S. 602 mit Quellenangabe. 35 In diesem Fall ist die These von Keller, Das neue Bild (wie Anm. 2) S. 209 zum Siegelbild als Zeugnis für „eine reale Veränderung in den Formen der Herrschaftsrepräsentation“ zu relativieren; Offergeld, Reges pueri (wie Anm. 30) S. 592 sprach in diesem Zusammenhang von ‚Fiktion‘ und ‚Entstellung der Realität’. 36 Nach Liutprand von Cremona, Antapodosis, ed. Joseph Becker (MGH SS rer. Germ. [41]), Hannover/Leipzig 1915), lib.  II, c.  17 und ähnlich in der eher negativ geprägten Geschichtschreibung des Widukind von Corvey, Res gestae Saxonicae (wie Anm.  27) lib. I, c. 25, S. 38: vir fortis et potens, domi militiaque optimus und Antoni Grabowski, Konrad I. – ein König, der groß sein sollte, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 70 (2018) S. 51–70, hier 59 Anm. 29 und 31 mit Quellenangaben. 31

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ben sollte37, knüpfte in seiner Siegelrepräsentation genau bei dem propagandistischen Bild des letzten ostfränkischen Karolingers an. Konrads Darstellung ist dabei noch deutlich aktionsgeladener hin in Richtung auf die spätere Schlachtenschilderung Widukinds: der angewinkelte Waffenarm verrät Kraft und Anspannung, und die nun mit einem Fahnentuch ausgestattete Lanze reicht diagonal durch das Siegelfeld und stößt – wie später bei Heinrich – durch die Umschrift hindurch38. Im Übrigen dürfte Heinrich bei seinem Besuch des Bonifatius-Grabes in Fulda 920 und der damit verbundenen Privilegienerteilung für das Kloster, als er noch sein erstes Siegel in Benutzung hatte, das dort vorliegende kämpferische Siegelbild Konrads als Vorbild direkt zu Augen gekommen sein. Im Urkundentext stellte Heinrich sich jedenfalls ausdrücklich in die Nachfolge Ludwigs und Konrads ... antecessorum nostrorum, Hludouuici et Chuonradi, auctoritatem in qua continebatur ...39. Was waren nun die thematischen und ebenso die künstlerischen Leitbilder für die nach 900 unter Ludwig dem Kind intensivierte und unter Heinrich ab 922 gewissermaßen vollendete Bildpräsentation als Krieger bzw. Heerführer?40 Inwieweit die Gestalt des alttestamentarischen Königs David in seiner kriegerischen Funktion41, das ebenfalls alttestamentarische 37 Vgl. zuletzt Grabowski, Konrad I. (wie Anm. 36) und Deutinger, Weichenstellungen (wie Anm. 6). 38 Vgl. Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) I, Taf. 6.3 f., V, S. 5; Freund/Köster (Hgg.), 919 – Plötzlich König (wie Anm. 1) S. 44 (Farbabb. von Abdruck 912 an einer Urkunde für Kloster Fulda). 39 Vgl. D H.I. 1. 40 Ähnlich formulierte auch Wittekind, Die Makkabäer (wie Anm.  32) S.  69 für den ‚geistlichen Kampf‘ in den Handschriften-Illustrationen: „Ansatzpunkt sind die bereits genannten ‚Vorbilder’, die nicht (nur) als künstlerische Kopiervorlagen, sondern (auch) als geistige, bewusst gewählte Referenzpunkte im Sinne einer Anknüpfung an Traditionen und als Dokumentation von Ansprüchen aufgefasst werden.“ 41 Die Bezugnahme der Karolinger auf David sind zahlreich besprochen, hier sei nur hingewiesen auf Wolfgang Christian Schneider, Die Generatio Imperatoris in der Generatio Christi. Ein Motiv der Herrschaftstheologie Ottos III. in Trierer, Kölner und Echternacher Handschriften, in: FmSt (1991) S. 226–258, hier 242–244, Taf. XX Abb. 38 f.; Die Macht des Silbers. Karolingische Schätze im Norden, Ausst. Kat. Frankfurt/Hildesheim, hg. von Egon Wamers/Michael Brandt, Regensburg 2005, S.  153–158 (Novus David) und Christoph Eggenberger, Gold und Silber auf Pergament. Buchmalerei zur Zeit der Karolinger, in: Die Zeit Karls des Grossen in der Schweiz, hg. von Markus Riek/Jürgen Goll/Georges Descœudres, Zürich 2013, S. 234–245, hier 236–242 (‚Der karolingische König als Novus David’). – Anzumerken bleibt ein spätantikes Steinschnitt-Amulett, das König Salomon in untypischer Form als gerüsteten Reiter mit Lanze und einem  – allerdings unglücklich geschrumpften – Schild zeigt, vgl. Puhle/Köster (Hgg.), Otto der Grosse (wie Anm. 18) S. 251 f. Kat.-Nr. II.25 (Antje Bosselmann-Ruickbie).

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Buch der Makkabäer42 oder die Vorstellung eines Christus miles in königlicher Gewandung43 diese Vorstellungen bestimmten, bliebe erst noch zusammenhängend zu untersuchen. Aus bildkünstlerischer Perspektive bedeutete diese Form aktueller Herrscherdarstellung jedenfalls eine Abkehr von den statischen, ja fast statuarischen Abbildern nach antikem Vorbild geschnittener Steine hin zu einer aktionsgeladeneren Abbildung nach Vorbild kämpferischer Szenen aus narrativen Zyklen. Dazu boten die zeitgenössischen Illustrationen von Handschriften reiches Vorlagenmaterial, beispielsweise in Psalterien aus Paris oder St. Gallen, in der Psychomachia, dem ‚Seelenkampf‘ des Prudentius, oder im Buch der Makkabäer44. Heinrichs Sohn Otto I. folgte ab 940 mit seinem Königssiegel noch dem väterlichen Siegeltypus im militärischen Habitus bis zur Kaiserkrönung 96245.

Dazu Hagen Keller, Machabaeorum pugnae. Zum Stellenwert eines biblischen Vorbildes in Widukinds Deutung der ottonischen Königsherrschaft, in: Iconologia sacra. Festschrift für Karl Hauck, hg. von Dems./Nikolaus Staubach (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung 23), Berlin/New York 1994, S. 417–438 und Wittekind, Die Makkabäer (wie Anm. 32). 43 Zum militärischen Christus-Typus wie in der Miniatur des Stuttgarter Psalters  – im Panzerhemd mit purpurfarbenem Paludamentum, kaiserlichen Schuhwerk, Helm und Lanze (fol. 107v zu Psalm 91) – sowie im spätantiken Mosaik in Ravenna vgl. Ernst Kantorowicz, Götter in Uniform. Studien zur Entwicklung des abendländischen Königtums, hg. von Eckhardt Grünewald/Ulrich Raulff, Stuttgart 1998, S. 46–72, hier 63 f., Taf. 15 f. Abb. 38, 40. 44 Zum Stuttgarter Psalter aus Paris s. oben Anm. 24 und 43 sowie Christoph Eggenberger, Psalterium aureum Sancti Galli. Mittelalterliche Psalterillustrationen im Kloster Sankt Gallen, Sigmaringen 1987, Abb. 78, 80–82, 85, 103, 121, 136, 141, 147 f., 178 f.; zum Goldenen Psalter aus St. Gallen (um 880/900; St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 22) vgl. Anton von Euw, Die St. Galler Buchkunst vom 8. bis zum Ende des 10. Jahrhunderts, Text- und Tafelbd. (Monasterium Sancti Galli 3), St. Gallen 2008, Abb. 373 f., 376–378 und Eggenberger, Gold und Silber (wie Anm. 41) S. 236 f. mit Abb. 2, S. 203 Abb. 1; zum Berner Prudentius (Bodenseeregion, um 900; Bern, Burgerbibliothek, Cod. 264) vgl. Ellen J. Beer, Überlegungen zu Stil und Herkunft des Berner Prudentius-Codex 264, in: Florilegium Sangallense. Festschrift für Johannes Duft, hg. von Otto P. Clavadetscher/Helmut Maurer/Stefan Sonderegger, Sigmaringen 1980, S. 15–70, Abb. 25 f., 28, 30 f. und Eggenberger, Gold und Silber (wie Anm. 41) S. 242 f. Abb. 9; zur Makkabäer-Handschrift (St. Gallen, vor 926; Leiden, Universitätsbibliothek, Cod. Perizoni 17) vgl. Puhle (Hg.), Otto der Große (wie Anm. 9) 2, S. 218–221 Kat.-Nr. IV.26 (Rainer Kahsnitz), Wittekind, Die Makkabäer (wie Anm. 32) Taf. IV–VIII, Abb. 18–22, 24, 26 f., 29 und von Euw, St. Galler Buchkunst, Abb. 625 f., 628– 632, 634 f., 637–639. 45 Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) I, Taf. 7.1 f., V, S. 11 f.; Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige (wie Anm. 9) S. 187, Abb. 81; Brandt/Eggebrecht (Hgg.), Bernward von Hildesheim (wie Anm. 20) 2, S. 17 Kat.-Nr. II-1, auch S. 19 f. Kat.-Nr. II-3 (Rainer Kahsnitz) 42

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Ein Zufall in der Überlieferung seiner Siegelabdrücke macht deutlich, dass auch sein Typar nach antikem Vorbild in Stein, wahrscheinlich aus dem in spätkarolingischer Zeit so virtuos bearbeiteten Bergkristall, geschnitten war46. Rainer Kahsnitz resümierte: „Als Werk der Steinschneidekunst steht das Siegel als eine der spätesten Arbeiten in der Tradition des in spätkarolingischer Zeit zu höchster Blüte entwickelten Bergkristallschnitts.“47 Für die Siegel Heinrichs I. bleibt festzuhalten, dass er sich kurz nach seiner Königswahl 919 schon mit einem Siegel repräsentierte, das sich im Typus durchaus an der kontinuierlichen karolingischen Bildtradition in Nachfolge antiker Herrscherbildnisse orientierte und eher vorsichtig die ­kö­niglichen Insignien formulierte. Schon drei Jahre später, am Osterfest 922 in Quedlinburg, in Jahren gefestigter Herrschaft, zeigte er sich dann als starker und kampferprobter Regent mit adäquater ‚Insignienausstattung‘ in einem jüngeren Typus, der durch einen sich um 910 ankündigenden tiefgreifenden Dynastiewechsel erst zur Entfaltung gekommen war. In beiden Siegeln dürfte die künstlerische Ausführung bei einem versierten, wahrscheinlich in der lotharingischen Techniktradition stehenden Steinschneider gelegen haben, der von den Bedingungen seiner Kunst her äußerst mobil gewesen48 und dem gewandelten Auftraggeber- bzw. Rezipientenkreis her offenbar durchaus aufgeschlossen war49.

mit dem in entsprechender Weise gefertigten, aber schon den neuen Frontaltypus zeigenden Königssiegel von Otto II. (963–967), außerdem S. 25–27, Kat.-Nr. II-9 (Ders.) zu der Kaiserbulle Ottos III., bei der auf dem Revers der kämpfende Typus auf die Personifikation der Roma übertragen ist; Puhle (Hg.), Otto der Große (wie Anm. 9) , S. 108 f. Kat.-Nr. III.3 (Rainer Kahsnitz); Keller, Das neue Bild (wie Anm. 2) S. 190 f., 193, 195, Abb. 4; Puhle/ Köster  (Hgg.), Otto der Grosse (wie Anm.  18) S.  573 Kat.-Nr.  V.13 (Markus Späth); Warnke, Die ‚Hausordnung‘ (wie Anm. 9) S. 131 Abb. 41. – Für einen Abdruck in niedersächsischen Beständen vgl. NLA-Standort, Abt. Wolfenbüttel, 6 Urk 8 (Reichsstift Gandersheim). 46 Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) V, S. 11 f. beobachtete, dass die stabilere Krappenfassung des Siegelsteins mit dem charakteristischen Zackenrand auf den Abdrücken 952 zu einer fragileren A-jour-Fassung umgearbeitet worden war, dass der Stein aber 956 zersprang und dann mit dem Sprung und einer erneuten Krappenfassung bis 961 weiter in Benutzung blieb. 47 Vgl. Brandt/Eggebrecht (Hgg.), Bernward von Hildesheim (wie Anm. 20) S. 17 Kat. Nr. II-1; vgl. Zwierlein-Diehl, Antike Gemmen (wie Anm. 12) S. 271 f. 48 Zu den technischen Grundvoraussetzungen vgl. Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 15 f. 49 Vgl. Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 119.

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Abb. 3a und 3b: Heginric-Medaillon (Avers und Revers); Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, 18206256; Aufnahme: Lutz-Jürgen Lübke (Lübke & Wiedemann)

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Dass in der Herrschaftsrepräsentation Heinrichs I. weiterhin das Vorbild des römischen Kaiserbildnisses präsent blieb, verdeutlicht ein drittes Bildzeugnis, das so genannte Heginric-Medaillon. Es stammt aus dem Schatzfund Klein-Roscharden II im Oldenburger Land – nahe an der Handelsroute vom Arnem am Niederrhein nach Hamburg gelegen  –, welcher durch seinen Münzanteil in die Jahre um 1000 datiert werden und damit eine Zuschreibung an Heinrich  I. bestätigen kann50. Das Reliefbildnis wurde  – ähnlich wie bei den Siegeln  – mittels einer Matrize aus einem Silberblech geprägt und gehört damit in den Bereich der Münztechnik, also der Metall verarbeitenden Produktion bzw. Reproduktion. Zur Münzprägung unter Heinrich I. zunächst einige kurze Bemerkungen: Für die Regierungszeit Heinrichs sind keinerlei Münzbildnisse bekannt, wie überhaupt die Münzprägung wohl äußerst schwach war51. Die wenigen überlieferten Objekte mit Kreuzen oder Namensinschriften sind den Münzstätten Konstanz, Metz, Mainz, Verdun und Straßburg zuzuweisen52.

Berlin, Münzkabinett, Inv. 203/1887, Brakteat Durchmesser 24,5 mm; dazu OttoFriedrich Gandert, Die oldenburgischen Silberschatzfunde von Klein-Roscharden (Kreis Cloppenburg), in: Oldenburger Jahrbuch des Oldenburger Landesvereins für Geschichte und Heimatkunde 51 (1951) S. 151–206, hier S. 163 f., Taf. 5.1; Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige (wie Anm. 9) S. 186 Abb. 80 mit kurzer Aufzählung; Brandt/Eggebrecht (Hgg.), Bernward von Hildesheim (wie Anm. 20) 2, S. 368 Kat.-Nr. VI-40 (Egon Wamers) ohne Beschr. und mit vertauschter Abb.; Puhle  (Hg.), Otto der Große (wie Anm. 9) 2, S. 107 f. Kat.-Nr. III.2 mit Farbabb., auch S. 54–56 Kat.-Nr. II.28 (Bernd Kluge); zuletzt: Thietmars Welt. Ein Merseburger Bischof schreibt Geschichte, hg. von Markus Cottin/Lisa Merkel, Petersberg 2018, S. 389 Kat.-Nr. C-1 (Christian Stoess); https://nat. museum-digital.de/index.php?t=objekt&oges=544153 (Stand 2018; Zugriff 19.1.2019); zum Kontext auch Kenneth Jonsson, The Routes for the Importation of German and English Coins to the Northern Land in the Viking Age, in: Fernhandel und Geldwirtschaft. Beiträge zum deutschen Münzwesen in sächsischer und salischer Zeit. Kolloquium Dannenberg 1990, hg. von Bernd Kluge (Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Monographien 31/ Berliner numismatische Forschungen, NF 1), Sigmaringen 1993, S. 205–232, hier 222–224. Kluge hält trotz anderer Vorschläge an einer Zuschreibung an Heinrich I. fest und erwägt eine regierungszeitliche Fertigung, die erst im späteren 10. Jahrhundert mit der Filigranfassung montiert worden sein könnte. 51 Für diese Einschätzung danke ich den Herren Professores Wolfgang Leschhorn und Johannes Wienand, Braunschweig; dazu auch Bernd Kluge, Deutsche Münzgeschichte von der späten Karolingerzeit bis zum Ende der Salier (Römisch-Germanisches Zentralmuseum. Monographien 29), Sigmaringen 1991, S. 23, 25 f. Karte 8 f.; vgl. Stieldorf, Die Rückkehr des Königs (wie Anm. 6) S. 35, 46. 52 Kluge, Deutsche Münzgeschichte (wie Anm.  51) S.  126 f. Abb.  9–12 und Manfred Miller, Die Münzen der großen Herrscherdynastien. Heiliges Römisches Reich im Mittelalter, Norderstedt 2016, S. 11 f. Abb. 2–4 mit der hoch auktionierten Konstanzer Prägung. 50

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Interessant erscheinen dabei die Belege aus Konstanz, Mainz und Metz, die auf den Reversen die mehr oder minder abbreviierte Darstellung einer übergiebelten Kirchenfassade zeigen. Diese bilden ein ikonographisches Bindeglied zwischen den Prägungen Karls des Großen mit einer antikisierenden Tempelfront im Typus der ‚Christiana religio’, wohl als Chiffre für das Heilige Grab in Jerusalem bzw. für die ‚neue‘ christliche Königsherrschaft53, und der auch in Sachsen möglicherweise nach dem Ungarneinfall 926 einsetzenden Münzprägung mit allerdings deutlich roheren, zu ‚Holzkirchen‘ modifizierten Architekturmotiven54. Zurück zum Heginric-Medaillon: die silberne Schmuckmünze mit der rückläufig zu lesenden Umschrift HEGINRIC REX wurde mit einer üppigen Filigranrahmung zu einem Schmuckmedaillon ausstaffiert, das noch der Tradition spätrömischer goldener Kaisermedaillons verpflichtet ist55. Diese in Edelmetallschalen ein- oder zu Schmuckstücken umgearbeiteten Bildnismünzen, die so genannten Donativa, wurden ursprünglich als werthaltiges wie ideell bindendes Geschenk zu besonderen Anlässen an

53 Dazu Bernd Kluge, Nomen imperatoris und Christiana Religio. Das Kaisertum Karls des Großen und Ludwigs des Frommen im Licht der numismatischen Quellen, in: 799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Ausst.-Kat. Paderborn 1999, hg. von Christoph Stiegemann/Matthias Wemhoff, 3 Bde., Mainz 1999, 3, S. 82–90, bes. 83, der eine Deutung der tempelartigen Kirchenfassade als Abbreviatur der Grabeskirche in Jerusalem noch ablehnte; anders dagegen Wamers/Brandt  (Hgg.), Die Macht des Silbers (wie Anm.  41) S.  155–158, Abb.  50 mit Bezeichnung als ‚Chiffre der Christenheit‘ und jüngst Martin Briddle, XPICTIANA RELIGIO and the tomb of Christ, in: Early Medieval Monetary History. Studies in Memory of Jack Blackburn, hg. von Rory Naismith/Martin Allen/ Elina Screen (Studies in Early Medieval Britain and Ireland), Farnham 2014, S. 115–144, außerdem Ildar H. Garipzanov, Coins as symbols of early medieval ‚Staatlichkeit‘, in: Der frühmittelalterliche Staat. Europäische Perspektiven, hg. von Walter Pohl (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.hist. Kl. Denkschriften 386), Wien 2009, S. 411–422, bes. 419 und Stieldorf, Die Rückkehr des Königs (wie Anm. 6) S. 34 f. 54 Vgl. Bernd Kluge, Sachsenpfennige und Otto-Adelheid-Pfennige. Anfänge und Dimensionen der Münzprägung in Magdeburg und Sachsen zu Zeit der Ottonen, in: Puhle (Hg.), Otto der Große (wie Anm. 9) 1, S. 417–426, hier 419, 421, bes. Abb. 2 und 9, auch 3–5, 7 f., wobei die Münzen Konrads I. und Heinrichs I. aus Mainz (Kluge, Deutsche Münzgeschichte [wie Anm. 51] Taf. 2.7 und 11) noch Merkmale der ursprünglichen ‚Tempelfront‘ bewahrt haben. 55 Zu spätantiken Beispielen solcher aufwendig zu Anhängern umgearbeiteten goldenen Bildnismünzen vgl. Puhle/Köster (Hgg.), Otto der Grosse (wie Anm. 18) S. 221 Kat.Nr. II.8 (Ulrike Theisen), S. 258–260 Kat.-Nr. II.28a, b (Yvonne Petrina), S. 295–297 Kat.Nr. II.48a, b (Klaus Vondrovec); zu karolingischen Nachempfindungen in der Funktion auch als Fibeln vgl. Stiegemann/Wemhoff (Hgg.), 799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit (wie Anm. 53) 1, S. 72 f. Kat. Nr. II.34–36 (Bernd Kluge).

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imperiale Würdenträger, aber auch an außerrömische Empfänger vergeben56. Ein Vergleich des Münzreliefs aus Klein-Roscharden mit einem viel aufwendigeren Medaillon des spätrömischen Kaisers Honorius aus dem Hortfund Velp I in der niederrheinischen Provinz Gelderland57 offenbart die Vorbildfunktion: Heinrich im scharfen Profil römischer Münzbildnisse trägt hier noch das Diadem spätantiker Herrscher, die über Jahrhunderte kaum gebräuchliche Stirnbinde mit den charakteristisch im Nacken herabhängenden Bandenden58. Das Stirnband selbst ist mit Perlen besetzt, außerdem mit kräftigen Perlen behängt, und die Bandenden sind ebenfalls durch Perlen deutlich markiert. Die Fibel am Paludamentum wirkt schwer, wie ein Schmuckstein mit Metallfassung59. Gut vergleichbar sind auch die gratigen Gesichtszüge, das weit geöffnete Auge mit eindringlicher Pupille, die lange Nase und die streng geschlossenen Lippen, das kräftige, hier offenbar bartlose Kinn sowie das betonte Oval der Ohrmuschel, außerdem auch der strähnige, wie nach hinten gekämmte Haarschopf. Spätrömische Objekte wie der Schmuckanhänger aus Velp oder vor allem Goldmünzen blieben in stattlicher Konzentration am Niederrhein, aber auch im Gebiet zwischen Rhein und Weser in Hortfunden überliefert. Der ganz aktuelle Fund eines so genannten Multiplums von Kaiser Constans (337–350) in Fredenbeck/Kr. Stade von 2017 weitet das Spektrum sogar noch bis zur Elbe aus. Diese Goldobjekte gelangten konzentriert im

Vgl. dazu Ruth L. Leader-Newby, The Emperors Gifts. The Missorium of Theodosius and Imperial largitio, in: Dies., Silver and Society in Late Antiquity. Functions and Meanings of Silver Plate in the Fourth to Seventh Centuries, Aldershot 2004, S.  11–59, bes. 25 f., Max Martin, Edelmetallhorte und -münzen des 5. Jahrhunderts in Nordgallien und beiderseits des Niederrheins als Zeugnisse frühfränkischer Geschichte, in: Xantener Berichte 15 (2009) S. 1–50, hier 25 f.; für die karolingische Rezeption der ‚Schau- bzw. Sondermünzen‘ vgl. Stieldorf, Die Rückkehr des Königs (wie Anm.  6) S.  34–36; Beispiele bei Puhle/ Köster (Hgg.), Otto der Grosse (wie Anm. 18) S. 221–223 Kat.-Nr. II.9 (Rita Amedick) und S. 250 f. Kat.-Nr. II.24 (Ilse Rollé Ditzler) zu spätantiken Silberrelieffragmenten aus einem Bodenfund in Großbodungen/Thüringen. 57 Paris, Cabinet des médailles, 28.56; Durchmesser 37 mm mit der Umschrift HONORIVS P(ius)F(elix) AVG(ustus); vgl. dazu zuletzt Puhle/Köster (Hgg.), Otto der Grosse (wie Anm. 18) S. 258 f. Kat.-Nr. II.28a (Yvonne Petrina) mit abweichender Legendenauflösung. 58 Dazu Peter Franz Mittag/Claudia Sode, Münzbilder und Münzlegenden – ein Kommunikationssystem der spätantiken und frühbyzantinischen Kaiser, in: Kosmos der Zeichen. Schriftbild und Schriftformel in Antike und Mittelalter, hg. von Siegfried Boschung/Hansgerd Hellenkemper, Wiesbaden 2007, S. 235–253, hier 247. 59 Vgl. unten Anm. 68. 56

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5. Jahrhundert als Anwerbe-, Sold- oder Tributzahlungen an germanische, vor allem an fränkische60 und – so lässt sich jetzt mit dem Archäologen Daniel Nösler sagen – auch an sächsische Eliten61, und konnten dort als Traditionsträger bzw. als ‚Symbole politischer Autorität’62 weiter wirken, wie letztlich an der Imitatio im Heginric-Medaillon noch zu erkennen ist63.

Resümee Die Bilddarstellungen Heinrichs  I. stehen damit viel stärker, als es die Konzentration auf das maßgebliche Siegelbild vorgibt, in der karolingischen und auch der postantiken Tradition64 – in den Medien der Repräsentation, den künstlerischen Typen und sogar den Details des Ornats.

Vgl. Martin, Edelmetallhorte (wie Anm.  56) mit Übersicht und zum historischen Kontext, bes. S. 27 f., 34 f., 37 und 44 f. 61 Ein erstes Fazit von Daniel Nösler: „Fasst man die bisherigen Indizien zusammen, kann als ehemaliger Eigentümer ein Fürst oder König des sich in der Zeit herausbildenden sächsischen Großstammes vermutet werden. ... Das Goldmultiplum ist somit aus einer schriftarmen Zeit der früheste archäologische Beleg für die Existenz einer sächsischen Elite in Niedersachsen.“, vgl. https://www.archaeologie-online.de/nachrichten/weltweit-einzigartiger-fund-bei-stade-4327/(25.5.2020) und Gold des Kaisers, Kunstwerke  – Ernst von Siemens Kunststiftung, s. https://www.ernst-von-siemens-kunststiftung.de › objekt › golddes-kaisers (25.2.2020) sowie Ders., Das Gold des Kaisers. Ein Goldmultiplum von der Niederelbe, Vortrag 22. September 2019, bei: New Narratives for the First Millenium? Alte und neue Perspektiven der archäologischen Forschung zum 1. Jahrtausend, 70. Internationales Sachsensymposium, Braunschweigisches Landesmuseum 2019. Ich danke Herrn Nösler für die Information über den aktuellen Publikationsstand. 62 So Garipzanov, Coins (wie Anm. 53) S. 421. 63 Das gilt selbst noch für den Avers der außergewöhnlichen ersten Kaiserbulle Ottos III., s. oben unter Anm. 45 und Puhle/Köster (Hgg.), Otto der Große (wie Anm. 18) S. 678 Kat.-Nr. V.69 (Markus Späth). Kahsnitz betont dabei die Vorbildhaftigkeit von Gemmen und weist auf die antiken Diadembänder hin, benennt aber auch die physiognomischen Unzulänglichkeiten der Darstellung. Späth spricht für die unterschiedlichen Traditionsstränge der doppelseitigen Bulle vom Versuch, „die verschiedenen Referenzsysteme seiner Herrschaftslegitimation auf künstlerischem Wege miteinander in Einklang zu bringen“. 64 Aus ganz anderer Perspektive, nämlich aus militärhistorischer Sicht, betonten Bernhard S.  und David Bachrach immer wieder die ‚institutionelle Kontinunität‘ zwischen spätkarolingischer und sächsisch-ottonischer Herrschaft, vgl. dazu nur Bernhard S. Bachrach/ David Bachrach, Continuity of Written Administration in the Late Carolingian East c. 887–911, in: FmSt 42 (2008) S. 109–146, hier 144–146 zur Mobilität des königlichen Archivs und Dies., Early Saxon Frontier Warfare: Henry I, Otto I, and Carolingian Military Institutions, in: Journal of Medieval Military History 10 (2012) S. 17–60, bes. 46, 55. 60

König Heinrich I. im zeitgenössischen Siegel- und Münzbild

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Das silberne Medaillon und die in Stein geschnittenen Siegeltypare verbindet dabei trotz der materiellen Verschiedenheit letztlich die Funktion als Schmuckobjekt65, vielleicht verbindet sie sogar die Tragweise. Es mehren sich die Indizien, dass Siegelsteine keineswegs nur als Ringe66, sondern auch als Anhänger67 – oder hypothetisch: vielleicht sogar als Scheibenfibel68 – getragen werden konnten. Aus der Transparenz des geschnittenen Steins,

Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 22 mit dem Hinweis auf die doppelte, ‚physische‘ (d. h. materielle) wie ‚soziale‘ (d. h. urkundliche) Funktion der Siegel. 66 In den Siegelankündigungen der überlieferten Urkunden Heinrichs ist zwar fast durchgängig von 920 bis 935 vom Abdruck des Ringes annulus nostri zu lesen, nahezu ausnahmsweise nur vom sigillum (20 gegenüber drei Nennungen), jedoch steht da der materielle Bestand mit den vielen und großformatigen Abdrücken des so genannten Hauptsiegels der textlichen Bezeichnung entgegen; vgl. DDH.I. 67 Schon Posse, Die Siegel (wie Anm. 3) V, S. 11, auch 10 vermerkte für den Abdruck des ersten Siegels Heinrichs „Spuren eines Ringes mit Kettenglied“; zur Anhängerfunktion eines erst 1982 in Sens gefundenen karolingischen Siegelsteins vgl. Stiegemann/Wemhoff (Hgg.), 799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit (wie Anm. 53) 1, S. 74 Kat.-Nr. II.37 (Didier Perrugot) und Puhle/Köster  (Hgg.), Otto der Große (wie Anm.  18) S.  438 f. Kat.Nr. IV.17 (Mark Mersiowsky): „Die negative Schrift, der rückwärtige Schmuck und eine runde Bohrung zeugen von der Nutzung als Schmuckstück, das vielleicht am Hals getragen wurde, wie von der praktischen Brauchbarkeit als Siegelstempel.“ Für die Aachener LotharGemme wiederum, deren Siegelfunktion gelegentlich angezweifelt wurde, verwies Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 21 f., 60 zum einen auf die technischen Merkmale mit der tief eingeschnitten, für Reproduktionen geeigneten Umschrift, zum anderen auf die verschiedenen, nicht an Urkundenausstellung gebundenen Siegelpraktiken, vgl. ebd. auch S. 77, Fig. 12.2. 68 Das Paradebeispiel für eine imperiale Fibel mit großem gefassten Rundstein bietet das Mosaik Kaiser Justinians in Ravenna, San Vitale, wo der Stein nicht in Tessera-Technik gelegt ist, sondern als einziges Bildelement überhaupt monolithisch aus (rotem) Glasfluss geschnitten ist. Unter Justinian wurde auch der kaiserliche Monopolanspruch für die Edelsteinverwendung im Kontext mit der kaiserlichen Kleiderordnung kodifiziert (Buch 11, 12 Nulli Licere in Frenis et Equestribus ...); vgl. Corpus Iuris Civilis II: Codex Justinianus, hg. von Paul Krüger, Dublin 141967, S. 433 und Corpus Iuris Civilis. Das römische Zivilrecht, bearb. u. übers. von Rudolf Haller, Edition Opera-Platonis 2017: http://www. opera-platonis.de/CI/Codex_Iustiniani.pdf (19.2.2019). Eine Notiz über die Gestalt dieser Insignie als in Gold gefasster Edelstein mit Pendilien bietet Prokopius von Caesarea, ‚De aedificiis – Über die Bauten‘, Buch III, Kap. 1, 21, vgl. Prokop, Werke (griechisch/deutsch), ed. Otto Veh, Bd. 5: Bauten, München 1977, S. 143; Kantorowicz, Götter in Uniform (wie Anm.  43) S.  64 f., Taf.  16 Abb.  40; Schmauder, Imperial Representation (wie Anm.  18) S.  292 f.; Yvonne Stolz, The Evidence for Jewellery Production in the Early Byzantine Period, in: Intelligible Beauty. Recent Research on Byzantine Jewellery, hg. von Chris Entwistle/Noël Adams, London (British Museum) 2010, S. 33–39, hier 34 f., auch oben Anm. 18. – Für ein Beispiel des 10. Jahrhunderts vgl. die Scheibenfibel mit dominantem (blauen) Mittelstein im Thronbild Ottos II. auf dem Einzelblatt des Registrum Gregorii (Chantilly, Musée Condé, Ms. 14). 65

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eines Bergkristalls oder eines ähnlichen Minerals, ergibt sich eine Doppelansichtigkeit: einerseits die zum Siegeln bestimmte flache Basis mit einer mattiert wirkenden Darstellung und der seitenverkehrtem Umschrift, andererseits die polierte, vielleicht auch gewölbte Oberfläche, aus siegelkundlicher Sicht die ‚Rückseite‘ des Steins. Genevra Kornbluth hat die außerordentliche Strahlwirkung einer derartigen Präsentation untersucht und demonstriert69: Darstellung und Inschrift erscheinen dabei seitenrichtig und werden durch die irisierenden Effekte des Steinkörpers gewissermaßen entrückt und verklärt. Entsprechende Weiterverwendungen karolingischer Kristallschnitte – allerdings christologischen Themas – lassen sich an verschiedenen hochmittelalterlichen Reliquiaren beobachten70. Übertragen auf einen Siegelstein bedeutet dies, dass das negativ gearbeitete Abbild an seinem Träger selbst anliegt, für den äußeren Betrachter aber positiv und bedeutungsvoll inszeniert werden kann. Diese Überlegungen zum Siegeltypar Heinrichs haben mittlerweile sogar eine materielle Konkretisierung erfahren. In der Quedlinburger Gedenkausstellung 2019 konnte ein in Idar-Oberstein ausgeführter Bergkristallschnitt in Goldfassung die ursprüngliche Erscheinung wirkungsvoll veranschaulichen71. Die in Stein geschnittenen Königstypare Heinrichs sowie seines Sohnes 69 Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 5 f., 20 und Dies., Active Optics. Carolingian Rock Crystal on Medieval Reliquiaries, in: Different Visions. A Journal of New Perspectives on Medieval Art 4, Januar 2014 (Online Ressource) S. 1–36, hier 14 f. (http://differentvisions.org/articles-pdf/four/kornbluth-active-optics.pdf; 25.3.2019): „Whatever flat or curved, all of the Carolingian engraved crystals were designed to be correctly seen from the reverse, through the body of the stone, taking advantage of their medium’s transparency“; dazu im älteren Text die erhellenden Seitenansichten der Steine Fig. 8.3, 9.2, 10. 3, 14.2 f., 18.2, 19.3. 70 Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 20: „An engraver must have carefully observed and used the stone’s magnification. If the engravers consciously used this optical property, the metalworkers setting the stones probably did so.“ Eines der wenigen in deutschen Kirchenschätzen bzw. Sammlungen (s. oben Anm. 12–14) befindlichen Stücke ist ein qualitätvoller karolingischer Intaglio im Zentrum des Kreuzes aus Stift Enger (Berlin, Kunstgewerbemuseum), das Heinrichs Witwe Mathilde 947 gegründet hatte, vgl. Kornbluth, Engraved Gems (wie Anm. 7) S. 73–75, Fig. 11.1−4, ebenso Dies., Active Optics (wie Anm. 69), S. 21 f., 25–29 Abb. 18–21. 71 ‚Heinrich I. in Quedlinburg‘ 2019/2020 im Schlossmuseum, ohne Katalog. Zum Tagungsband s. oben Anm. 1. – Aktuell ist eine interdisziplinäre Tagungspublikation zum Thema ‚Bergkristall‘ erschienen, deren Schwergewicht aber auf der islamischen Bergkristallbearbeitung liegt. Zur zentraleuropäischen Steinschneidekunst s. vor allen den Beitrag von Genevra Kornbluth, Transparent, Translucid, and Opaque: Merovingian and Anglo-Saxon Crystal Amulets, in: Seeking Transparency. Rock Crystals Across the Medieval Mediterranean, hg. von Cynthia Hahn/Avinoam Shalem, Berlin 2020, S. 67–78.

König Heinrich I. im zeitgenössischen Siegel- und Münzbild

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Otto und seines Enkels dienten jedenfalls in doppelter Weise der Herrschaftspräsentation: mit der Reproduktionsfunktion durch Abformungen der Bestätigung von Hoheitsakten, mit dem Juwelcharakter der originalen Urformen der unmittelbaren Performanz des herrscherlichen Idealbildes.

Abstract The contemporary portraits of Duke Henry of Saxony, who was elected king in 919, and is also known as ‚Henry the Fowler’, have not been investigated as a whole so far, though the 1100th anniversary of his ascension to the throne was celebrated last year. Research in this period with only few surviving written documents and artificial objects has to consider original charters and their still existing seals, as well as art objects, mainly in carved stones, and even archaeological contexts, especially coins respectively jewels. The first seal of King Henry survives only in the form of two prints from the years 920 and 925. His profile bust appears slightly humble with a simple circlet and his military coat, the paludamentum, without a representative brooch. However, it clearly reflects the style of Roman emperors which is known from classical gemstones or their post-antique imitations. Such gems were constantly used by the Carolingian kings for sealing their documents until Louis IV. the Child around 910. The importance King Henry placed on demonstrating unity, especially in his early reign, is evident from the first mentioned charter from 920, a privilege for the venerable monastery of Fulda. There, at the burial place of his direct predecessor, Conrad I. and also of Saint Boniface, Henry explicitly proclaimed himself successor of Louis and Conrad. On this occasion, Henry had the opportunity to take a look at the military type of Conrad’s seal which survives at his privilege for the monastery of Fulda from 912. – No later than 922 Henry started to use a new seal when celebrating Easter at his newly founded residence in Quedlinburg in Saxony. In this second seal Henry is presented as a distinguished ruler and powerful leader with a highly decorated crown, wearing a shield and raising his (Holy) Lance. This image may be interpreted as a sign of consolidated kingship and ensured dynasty. Traces on the surviving seal prints indicate that the matrices of both seals were made from semiprecious stones, probably rock crystal. The region in which carving of rock crystals was at this time highly developed was Lotharingia, especially the area between Aachen, Metz and Treves.  – A third portrait further illustrates the exemplary function of Roman em-

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peror portraits for the royal representation of Henry. The so-called Heginric-Medaillon came to light at the archaeological site of KleinRoscharden II near Oldenburg (conserved at Berlin, Münzkabinett). The inscribed little silver relief was manufactured in the technique of coins and later garnished with filigree as a jewel. It clearly imitates Late Roman coinage, as can be seen on the imperial diadem which had been in use since Constantine I. Highly precious coins of gold, the so-called multipla, found their way as tributes to Central Europe and came into the possession of Frankish and even Saxon elites, as proven by a recent find at Fredenbeck/ Lower Saxony. So there is clear evidence that the Late Antique and Carolingian portrait tradition remained essential for the representation of the king of a new dynasty. Henry himself could and probably did wear the matrices of his seals, made of transparent rock crystal with a metal setting, as a highly impressive jewel with his own ideal portrait.

Abbildungsnachweise Abb. 1: Erstes Siegel Heinrichs I.; Hessisches Staatsarchiv Marburg, Bestand Urk. 56 (Reichsabtei Hersfeld), Nr. 2272; Aufnahme: Hessisches Staatsarchiv Marburg Abb. 2: Zweites Siegel Heinrichs I.; Hessisches Staatsarchiv Marburg, Bestand Urk. 56 (Reichsabtei Hersfeld), Nr. 2274; Aufnahme: Hessisches Staatsarchiv Marburg Abb. 3a und 3b: Heginric-Medaillon (Avers und Revers); Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, 18206256; Aufnahme: Lutz-Jürgen Lübke (Lübke & Wiedemann)

Päpstlicher als der Papst? Papstbriefe um das Jahr 1000 von FRANK ENGEL

„Päpstlicher als der Papst“ – die deutsche Redewendung meint, dass jemand eine Norm genauer erfüllt, als es allgemein üblich ist, ja auch über dasjenige Maß an Regelkonformität hinaus, das der Urheber oder Sachwalter dieser Norm selber an den Tag legt. Die Feststellung, jemand verhalte sich derart, ist wenigstens in der Alltagssprache mit einer Missbilligung verbunden, und sehr häufig fließt die Redewendung in die Aufforderung ein, nun solle man doch bitte nicht päpstlicher als der Papst sein. Auf die Thematik der päpstlichen Briefüberlieferung angewendet, zielt dieses alltagssprachliche Zitat auf etwas anderes ab: Wieviel Papst steckt, wiederum umgangssprachlich formuliert, in den Papstbriefen aus der Zeit um die erste Jahrtausendwende? Welchen Anteil nahmen die römischen Bischöfe in dieser Zeit an der Textgestalt der in ihrem Namen verfassten epistolographischen Zeugnisse? Dass die Frage nach dem Eigendiktat von Herrschern und insbesondere von Päpsten, Kaisern und Königen für die historische und die philologische Mediävistik von bleibendem Interesse ist, liegt auf der Hand, denn sie vermag zumindest in günstigen Fällen sehr konkrete Einblicke zu eröffnen in die Herrschaftspraxis und auch in die persönlichen Voraussetzungen des jeweiligen Potentaten1. Ebenso bekannt Der folgende Beitrag versteht sich als bloße Skizze und ist nicht Teil eines umfangreichen Forschungsvorhabens. Ich danke Herrn Prof. Dr. Klaus Herbers (Erlangen) dafür, dass er mir die Möglichkeit eröffnet hat, diese Überlegungen im Rahmen der EPISTOLA-Tagung „La lettre dans son environnement“ vorzutragen (Madrid, Casa de Velázquez, 14.–16.1.2015). Der Text des Vortrages wurde nur geringfügig geändert, der bibliographische Apparat auf das nötigste Maß beschränkt. 1 Vgl. hier nur Hartmut Hoffmann, Eigendiktat in den Urkunden Ottos III. und Heinrichs II., in: DA 44 (1988) S. 390–423.

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ist, dass der Stilvergleich aufgrund mancher problematischer Anwendungsversuche in der Vergangenheit heutzutage als eines der „heikelsten und sensibelsten“ Instrumentarien der Mediävistik2 gelten muss. Erinnert sei hier etwa an Bernhard Schmeidlers Monographie Kaiser Heinrich der Vierte und seine Helfer im Investiturstreit von 19273. Da die rigorose Einhaltung formaler Vorgaben wohl zu allen Zeiten die Sache ausführender Organe war, die nonchalante oder souveräne Durchbrechung derselben hingegen das Vorrecht der Herrschenden, darf man wohl voraussetzen: Etwaige Spuren persönlicher päpstlicher Textgestaltung, sprich solche des Eigendiktats, sind noch am ehesten zu finden in eben jenen Briefen, die gerade nicht päpstlicher als der Papst sind: das heißt, die von den kanzleimäßigen Vorgaben in signifikanter Weise abweichen. Dabei ist klar, dass der Terminus Kanzlei für die Zeit um das Jahr 1000 strenggenommen ein Anachronismus ist4, wobei immerhin ein päpstlicher cancellarius just in dieser Zeit, 1005, erstmals erwähnt wird5. Was nun eine signifikante Abweichung ist und welche Auffälligkeiten letztlich doch undeutbar bleiben, darüber wird im Folgenden noch zu handeln sein. Zuerst jedoch einige Worte über die Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und das Textcorpus dieses Beitrags.

Eingrenzung des Themas Ausgangspunkt für die Themenwahl ist die bereits sehr gut erforschte Tatsache, dass Gerbert von Aurillac auch in seiner letzten Lebensphase, unter 2 Hans-Henning Kortüm, Gerbertus qui et Silvester. Papsttum um die Jahrtausendwende, in: DA 55 (1999) S. 29–62, hier S. 55. Vgl. jetzt auch die ablehnende Wertung bei Roland Zingg, Grundsätzliche Überlegungen zu Briefen und Briefsammlungen des früheren Mittelalters bezüglich Quellengattung und Überlieferung, in: Frühmittelalterliche Briefe. Übermittlung und Überlieferung (4.–11. Jahrhundert)/La lettre au haut Moyen Âge. Transmission et tradition épistolaires (IVe–XIe siècles), hg. von Thomas Deswarte/Klaus Herbers/Cornelia Scherer (Beihefte zum AKG 84), Köln/Weimar/Wien 2018, S. 141–154, hier S. 147. 3 Bernhard Schmeidler, Kaiser Heinrich der Vierte und seine Helfer im Investiturstreit. Stilkritische und sachkritische Untersuchungen, Leipzig 1927, Nachdr. Aalen 1970. 4 Vgl. hier nur Thomas Frenz, Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit (Historische Grundwissenschaften in Einzeldarstellungen 2), Stuttgart 22000, S. 72–74 (§§ 86–87); und Paulius Rabikauskas, Kanzlei: B. Päpstliche Kanzlei. 1. Von den Anfängen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, in: LexMA 5 (1991) Sp. 921 f. 5 Papsturkunden 896–1046, ed. Harald Zimmermann (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse. Denkschriften 174, 177, 198/Veröffentlichungen der Historischen Kommission III–V), Wien 21988–1989, Nr. 422.

Päpstlicher als der Papst?

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dem Papstnamen Silvester II., als hervorragender Briefschreiber hervorgetreten ist, wenngleich die Individualität des Verfassers in diesen Schreiben naheliegenderweise nicht so deutlich wie in den früheren Briefen erkennbar wird. Angesichts der vorhandenen, sehr umfangreichen Literatur kann ich mich zur Person Gerberts ganz kurz fassen und verweise nur auf eine Studie von Hans-Henning Kortüm aus dem Jahr 19996. In Kenntnis der reichen Briefüberlieferung aus Gerberts früheren Lebensphasen drängt sich aber sofort eine Frage auf: So unzweifelhaft Gerbert von Aurillac eine gelehrte Ausnahmepersönlichkeit war, könnte es nicht sein, dass sein höchstpersönlicher Anteil an der päpstlichen Briefproduktion sozusagen überbelichtet ist? Bekanntlich sind aus der Zeit um das Jahr 1000 keinerlei päpstliche Auslaufregister erhalten7. Mit erheblichsten Überlieferungsverlusten ist zu rechnen, dies umso mehr, weil Gerbert-Silvesters unmittelbare Vorgänger und Nachfolger an den Ruhm seiner Gelehrsamkeit und Eloquenz wohl auch in der Wahrnehmung der Zeitgenossen keineswegs heranreichten, man also zumindest unter diesem Gesichtspunkt keine sonderliche Veranlassung hatte, ihre Briefe zu überliefern: Die Anlage einer Briefsammlung – gegenüber den höchst selten auf uns gekommenen Originalbriefen bis ins Hochmittelalter die weitaus häufigere Form der Brieftradierung – wurde in ihrem Fall höchstwahrscheinlich nicht von Schülern oder Bewunderern geleistet, dürfte also für diese Päpste, einmal abgesehen von den verlorenen Registern, einfach nicht stattgefunden haben8. Beispielsweise schätzten die Rezipienten „variety“ als „admired aspect of many Kortüm, Gerbertus (wie Anm. 2), passim. Zur päpstlichen Registerüberlieferung vgl. Rudolf Schieffer, Die päpstlichen Register vor 1198, in: Das Papsttum und das vielgestaltige Italien. Hundert Jahre Italia Pontificia, hg. von Klaus Herbers/Jochen Johrendt (Abh. Göttingen, NF 5. Studien zu Papstgeschichte und Papsturkunden), Berlin/New York 2009, S. 261–273, hier S. 265. 8 Vgl. zu Briefsammlungen und zur Briefüberlieferung der ottonischen Zeit Mark Mersiowsky, Früh- und hochmittelalterliche Briefe: ein Überblick, in: Briefe aus dem Spätmittelalter: Herrschaftliche Korrespondenz im deutschen Südwesten, hg. von Peter Rückert/Nicole Bickhoff/Mark Mersiowsky, Stuttgart 2015, S. 9–31, hier S. 12 f., 15–18; vgl. auch Zingg, Grundsätzliche Überlegungen (wie Anm. 2) sowie Giles Constable, LetterCollections in the Middle Ages, in: Kuriale Briefkultur im späteren Mittelalter. Gestaltung – Überlieferung – Rezeption, hg. von Tanja Broser/Andreas Fischer/Matthias Thumser (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 37), Köln/Weimar/Wien 2015, S. 35–51, insbesondere S. 45 f. zum selektiven Charakter der Sammlungen, die fast immer Briefe ausgelassen haben. Im Übrigen endet auch die Briefsammlung Gerberts bereits 997 und somit vor seiner Papsterhebung. Vgl. hierzu nur: Die Briefsammlung Gerberts von Reims, ed. Fritz Weigle (MGH Briefe d. dt. Kaiserzeit 2), Weimar 1966, S. 3. 6 7

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letter-collections“9. Schon deshalb dürfte es die Briefproduktion anderer Päpste dieser Zeit schwer gehabt haben, ein ähnlich großes Interesse wie diejenige Gerberts zu erreichen10. Zudem fällt es selbstverständlich leichter, das Eigendiktat Silvesters II. nachzuvollziehen, weil man seine Papstschreiben mit seinen Briefen vor der Thronbesteigung vergleichen kann11. Worin besteht also die Ausnahme: in Gerbert-Silvesters Einflussnahme auf die Papstbriefproduktion oder im Einfluss seiner überlieferten Briefe auf unsere Wahrnehmung? Die Frage erscheint auch deshalb nicht uninteressant, weil unter den direkten Amtsvorgängern und Nachfolgern beileibe nicht nur solche waren, die dem gängigen Vorurteil über die römischen Bischöfe vor dem Reformpapsttum entsprechen, also ungebildet waren und nicht richtig Latein konnten. Silvesters Vorgänger Gregor V.12, geboren als Bruno von Kärnten und von seinem Verwandten Otto III. als römischer Pontifex eingesetzt, erfreute sich des Nachruhms, er habe in drei Sprachen, nämlich Latein, Fränkisch und der Volkssprache Roms, predigen können. So lobt es seine Grabinschrift13. Das macht aus ihm, man muss es mit Hansmartin Schwarzmaier einräumen14, sicherlich keinen Gelehrten vom Format Gerberts von Aurillac; doch wird man, selbst wenn man diesen Teil des möglicherweise von Otto III. selbst verfassten Elogiums wie Schwarzmaier15 für konventionell hält, sicher mit Gregors Biographin Teta E. Moehs16 davon ausgehen dürfen, dass auch dieser eine gute Ausbildung erhalten und das Lateinische ohne Vulgarismen zu beherrschen gelernt hatte17. Immerhin schloss Gregor während seines ziemlich kurzen und bedrängten Constable, Letter-Collections (wie Anm. 8) S. 44. Das schließt insbesondere ein kirchenrechtliches Interesse an einzelnen Papstschreiben nicht aus: Vgl. etwa Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5), Nr. 342 (Gregor V. an den Erzbischof von Canterbury in einer Bußangelegenheit) mit Ausführungen zur Überlieferung im Handbuch des Erzbischofs Wulfstan von York. Vgl. auch Papstregesten 911– 1024, bearb. von Harald Zimmermann (RI II 5), Köln/Weimar/Wien 21998, Nr. 799a zur Datierung. 11 U. a. ediert in: Weigle, Die Briefsammlung Gerberts von Reims (wie Anm. 8). 12 Vgl. zu ihm v. a. Teta Ernestine Moehs, Gregorius V. 996–999. A biographical study (Päpste und Papsttum 2), Stuttgart 1972. 13 Zitiert bei Moehs, Gregorius V (wie Anm. 12) S. 84 f. und Hansmartin Schwarzmaier, Von Speyer nach Rom. Wegstationen und Lebensspuren der Salier, Sigmaringen 21992, S. 38 f. Vgl. auch RI II 5 (wie Anm. 10) Nr. 854. 14 Vgl. Schwarzmaier, Von Speyer nach Rom (wie Anm. 13) S. 39. 15 Vgl. Schwarzmaier, Von Speyer nach Rom (wie Anm. 13) S. 38 f. 16 Vgl. Moehs, Gregorius V (wie Anm. 12) S. 7 f., 86. 17 Belege hierzu bietet v.a. RI II 5 (wie Anm. 10) Nr. 742 mit umfänglichem Apparat. 9 10

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Pontifikats auch Freundschaft mit dem Abt Abbo von Fleury. Davon wird noch zu handeln sein. Für die sogenannten Tuskulanerpäpste des 11. Jahrhunderts hat KlausJürgen Herrmann darauf hingewiesen, dass sie  – mit Ausnahme Benedikts IX. – offenbar mit Gerbert-Silvester in Kontakt gestanden hatten und – das gilt auch für Benedikt IX. – über eine beachtliche Bildung verfügten18. Es wäre zumindest denkbar, dass sie Silvester II. in der Praxis ihrer Briefproduktion folgten.

Eingrenzung des Quellencorpus Eine umfassende Analyse der überlieferten Papstbriefe in den Jahrzehnten vor und nach dem Jahr 1000 würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Nach dem bisher Gesagten erscheint es jedoch, wie ich hoffe, statthaft, die Papstbrief-Überlieferung für einige ausgewählte Pontifikate vor und nach ­Silvester II. näher zu betrachten, und zwar auf der Grundlage von Harald Zimmermanns Edition der Papsturkunden19. Damit ist als Endjahr 1046 vorgegeben. Zimmermanns sorgfältige Analysen insbesondere zur Benutzung des Liber Diurnus und zu Auffälligkeiten der Diktion sind für die Fragestellung von größtem Wert und waren jeweils der Ausgangspunkt für punktuelle eigene Textuntersuchungen. Außer den bekannterweise gebildeten Päpsten Gregor V., Benedikt IX. und natürlich Silvester II. habe ich Johannes XV., Johannes  XVIII. und Benedikt  VIII. berücksichtigt. Diese Auswahl hat ­verschiedene Gründe: Nicht nur könnte der mutmaßlich bedeutsame Faktor Bildung durch den Vergleich mit, wie man annimmt, weniger gebildeten Päpsten auf seine Bedeutung überprüft werden. Eine Rolle bei der Auswahl spielte auch der pragmatische Gesichtspunkt, dass die Pontifikate eine gewisse Zeitdauer und einen nennenswerten Bestand an Urkunden bzw. Briefen aufweisen sollten. Für einige Päpste – und Gegenpäpste – des Zeitraums von Johannes XV. (985–996) bis zur Synode von Sutri (1046) ist schlicht gar kein Brief überliefert. Die Entscheidung für Johannes XVIII. – und damit Vgl. Klaus-Jürgen Herrmann, Das Tuskulanerpapsttum (1012–1046). Benedikt VIII., Johannes XIX., Benedikt IX. (Päpste und Papsttum 4), Stuttgart 1973, S. 168 f. Vgl. zum Bildungsstand Benedikts  IX. auch: Papstregesten 1024–1058, bearb. von Karl Augustin Frech (RI III 5,1), Köln/Weimar/Wien 2006, Nr. † 155. Zu einer positiveren Würdigung der Tuskulanerpäpste vgl. jetzt außerdem Klaus Herbers, Geschichte des Papsttums im Mittelalter, Darmstadt 2012, S. 109 f. 19 Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5). 18

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gegen Johannes XIX. – schließlich sollte dazu dienen, aus der Zeit nach Silvesters Pontifikat nicht nur Tuskulanersprösslinge zu berücksichtigen, denn auch Johannes XIX. war ein solcher, nicht jedoch Johannes XVIII. und übrigens auch nicht Sergius IV., der ebenso gut oder schlecht für diese Gegenprobe zu den Tuskulanern hätte dienen können. Was unter einem Papstbrief verstanden wird und wie sich demgemäß das Quellencorpus zusammensetzt, muss allerdings noch kurz erläutert werden. Keinerlei Probleme verursacht etwa der Briefwechsel zwischen Gregor V. und Abbo von Fleury20: Das Ich des Ausstellers schreibt an das Du bzw. Ihr des Adressaten, handelt zwar auch als Inhaber des Petrusamtes, doch mindestens genauso sehr als Individuum und Freund. Auch Reskripte21, Einladungsschreiben22 und Mandate23 sowie allgemeine Mitteilungen an Einzelpersonen24 wird man als Briefe behandeln dürfen, wenngleich Freundschaft und Individualität in ihnen eine viel geringere oder gar keine Rolle spielen. Feierliche Privilegien25 hingegen und Synodaldekrete26 sind nicht in das Textcorpus aufgenommen worden. Im einen Fall spricht dagegen die hochgradige Formelhaftigkeit, damit zusammenhängend die erhebliche Mitwirkung von stadtrömischen Notaren und die große Bedeutung der Empfänger als Initiatoren der Urkundenausstellung, im anderen Fall die Tatsache, dass faktisch eine ganze Versammlung als Urheber des Synodaldekrets in Erscheinung tritt. Ebenfalls gänzlich ausgeschieden wurden offenkundige Fälschungen ohne echtes Textsubstrat, von denen hier namentlich die „zur höheren Ehre Pisas“27 ersonnenen Falsifikate des Ottavio Angelo d’Abramo28 erwähnt seien. Aufgenommen in die Zählung und die – offensichtlich rudimentäre – Statistik wurden ­dagegen nachweisliche oder, unter den Zweifelsfällen, wahrscheinliche Deperdita, die sich aus den Papstregesten von Zimmermann und Frech29 gewinnen ließen. Ich räume gerne ein, dass es auf diesem Feld einen gewissen Ermessensspielraum gibt. Siehe dazu im Folgenden S. 64 f. Z. B. Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 401. 22 Z. B. Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 395. 23 Z. B. Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 367. 24 Z. B. Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 387. 25 Z. B. Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 328. 26 Z. B. Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 341. 27 Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. † 383, Kommentar. 28 Z. B. Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 293. 29 RI II 5 (wie Anm. 10) und RI III 5,1 (wie Anm. 18); ein Beispiel: RI II 5 (wie Anm. 10) Nr. 916. 20 21

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Quantitative Bestandsaufnahme Somit ergibt sich für die genannten Päpste folgender Bestand, man könnte auch sagen: es ergeben sich folgende Mindestzahlen an überlieferten und mehr oder weniger sicher nachweisbaren Papstbriefen: Tabelle 1: Papst

Zweifelsfrei existente Briefe inkl. Deperdita (in Klammern die im Brieftext überlieferten)

Zweifelsfälle

Johannes XV. (985–996)

mindestens 4 (1)

Keine

Gregor V. (996–999)

4 (3)

5 (zu 6 oder mehr Briefen)

Silvester II. (999–1003)

mindestens 18 (10)

5 (zu 6 oder mehr Briefen)

Johannes XVIII. (1003–1009)

mindestens 10 (8)

5 (zu 5 Briefen)

Benedikt VIII. (1012–1024)

mindestens 12 (5)

6 (zu 6 oder mehr Briefen)

Benedikt IX. (1032–1044; 1045; 1047/48)

5 (2)

4 (zu 4 oder mehr Briefen)

Das ist nicht allzu viel. Die Zahl der Briefe, von deren Existenz wir in den jeweiligen Pontifikaten sicher ausgehen können, ist meines Erachtens einfach zu gering, um aus diesem quantitativen Befund weiterreichende Schlussfolgerungen ziehen zu können. Am ehesten mag man sich vielleicht über zweierlei wundern: erstens, dass aus dem ziemlich langen Pontifikat Benedikts IX., der zudem als gebildeter Papst gelten darf, im Vergleich zu den Pontifikaten seiner Vorgänger so wenige Briefe im Wortlaut oder als Deperdita überliefert sind: nur fünf, und zweitens, dass dem berühmten Briefschreiber Gerbert-Silvester zwar unter den hier näher betrachteten Päpsten die höchste Zahl an gesicherten Briefen im Sinne unserer Tabelle zugewiesen werden kann, aber doch nicht mit so großem Abstand, wie man erwarten könnte: Man vergleiche insbesondere die Zahlen zu Johannes  XVIII. Diese Befunde könnten dazu einladen, sich näher mit den Überlieferungsträgern der betreffenden Briefe zu befassen. Da es in diesem Beitrag jedoch eher um einen Bestandsüberblick und zugleich um einige Stichproben gehen soll, muss dieser Punkt hier auf sich beruhen.

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Plausibel vermuten kann man immerhin, dass etwaige Briefe Benedikts IX. in der Zeit des Reformpapsttums noch einmal schlechtere Überlieferungschancen hatten als an sich schon30, denn die Wahrnehmung eines kirchlichen Verfalls wurde bekanntlich mit seiner Person besonders eng verbunden31, und aus den etwaigen Briefen ließ sich doch mutmaßlich weder für seine Anschwärzung als vermeintlicher Lehrling des Nigromanten Gerbert32 etwas gewinnen, noch waren sie von dauerndem Nutzen wie etwa die Besitzbestätigungen in den Privilegien Benedikts IX.

Die erhaltenen Papstbriefe der ausgewählten Pontifikate: einige Beobachtungen zu möglichen Vorlagen und sprachlichen Auffälligkeiten Um die Briefproduktion Silvesters II. in eine aussagekräftige Relation zu der seiner Vorgänger und Nachfolger zu bringen, bleibt allerdings die Möglichkeit, die einzelnen Brieftexte näher zu betrachten: Sind Vorlagen erkennbar, insbesondere Anklänge an die Formeln des Liber Diurnus, also jenes ältesten Formelbuches für das päpstliche Schriftgut, das zu langen mediävistischen Debatten Anlass gegeben hat33? Ich folge hierin im Wesentlichen den von Zimmermann in seiner Papsturkunden-Edition festgestellten Befunden und habe nicht vor, einen neuen Impuls zur LiberDiurnus-Forschung zu geben. Eine weitere Frage ist die nach sprachlichen Eigentümlichkeiten und Gemeinsamkeiten der Briefe eines einzelnen Papstes. Für Gerbert-Silvester sind diese u. a. von Karl Pivec34 und, auch Siehe oben bei Anm. 8. Vgl. Herrmann, Tuskulanerpapsttum (wie Anm. 18) S. 166–178, insbesondere S. 166– 169. 32 Vgl. zum Vorwurf der Nigromantie Herrmann, Tuskulanerpapsttum (wie Anm. 18) S. 168 f. und RI III 5,1 (wie Anm. 18), Nr. † 155 sowie jetzt J³ IV Nr. *† 9144. Zu den vermeintlichen Schwarzkünsten Gerberts vgl. jetzt auch Thomas Ricklin, Der Philosoph als Nekromant. Gerbert von Aurillac (Silvester II.) und Vergil im europäischen Hochmittelalter, in: Interfaces. A Journal of Medieval European Literatures 1 (2015) S. 236–264. 33 Vollständige Edition: Liber Diurnus Romanorum Pontificum, ed. Hans Foerster, Bern 1958. Zur Thematik vgl. hier nur Hans-Henning Kortüm, Liber diurnus, in: LexMA 5 (1991) Sp. 1942 f., Frenz, Papsturkunden (wie Anm. 4), S. 50 f. (§§ 57 f.) sowie, sehr ausführlich und auf die päpstlichen Privilegien bezogen, Hans-Henning Kortüm, Zur päpstlichen Urkundensprache im frühen Mittelalter. Die päpstlichen Privilegien 896–1046 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 17), Sigmaringen 1995, S. 312–387. 34 Karl Pivec, Die Briefsammlung Gerberts von Aurillac, in: MÖIG 49 (1935) S. 15–74, hier S. 71–74. 30 31

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hinsichtlich der Privilegien, von Hans-Henning Kortüm35 aufgearbeitet worden. Ein Eigendiktat des Papstes bzw. eine Beteiligung an der Sprachgestalt kann demnach für neun der zehn Brieftexte mit Sicherheit oder zumindest einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden36. Das schließt die Benutzung des Liber Diurnus aber nicht aus, und im Falle von Nr. 395 der Zimmermannschen Edition37 (der Vorladung des Vizegrafen von Barcelona zum geplanten Osterkonzil nach Rom wegen eines Besitzstreites mit dem Bischof) klingt in der Tat am Briefende eine Formel des Liber Diurnus an (V 71 = C 88 = A 83, übrigens unter der „sachfremden“ Rubrik Preceptum de concedendo puero in monasterio38). Gleichwohl fällt der hohe Eigenanteil Gerbert-Silvesters ins Auge39. Der einzige Brief Johannes‘ XV., über dessen Text wir verfügen40, ist nach Zimmermanns Urteil ohne Benutzung des Liber Diurnus abgefasst worden. Ob allerdings der Papst den Text entworfen hat, muss man wohl offenlassen. Der Brief weist, soweit ich sehe, keine interpretierbaren sprachlichen Eigentümlichkeiten auf: Ein wiederholter Konjugationsfehler (zweimal Aktivform statt der hier eindeutig intendierten Passivform)41 lässt sich nun einmal nicht weitergehend deuten. Greifbar wird die epistolographische Tätigkeit dagegen beim folgenden Papst Gregor V. Aus einem Brief an den Erzbischof von Canterbury in Vgl. Kortüm, Gerbertus (wie Anm. 2) passim, v.a. S. 49–52. Vgl. Pivec, Briefsammlung (wie Anm.  34) S.  71–74 und Kortüm, Gerbertus (wie Anm.  2) S.  49–52. Es handelt sich um: Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm.  5) Nrr. 372, 377, 387, 390, 391, 392, 394, 395, 401. Nr. 392 ist nach Pivec, S. 71 zu kurz, um zu einem sicheren Urteil über eine Beteiligung Gerberts zu gelangen, doch weist Kortüm, S. 49 f. mit Recht auf die ausgefeilte Rhetorik auch dieses Briefes hin. Nr. 367 handelt zwar von einer Angelegenheit des Erzbistums Reims, doch deutet nach Pivec, S. 73 („in einer durchaus uninteressanten Bistumsangelegenheit“) nichts auf den Papst als Verfasser des ebenfalls kurzen Schreibens hin. 37 Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 395. 38 Liber Diurnus (wie Anm. 33) S. 127 f., hier S. 128. 39 Augenfällig durch den verschwindend geringen Anteil von Wörtern in Petitschrift, im Gegensatz zu vielen anderen Papstschreiben in der Zimmermannschen Edition. Die für Gerbert charakteristische rhetorische Ausgestaltung zeigt sich etwa in dem unter mehreren Gesichtspunkten kunstvollen Satzgefüge: Si ecclesia legibus debet perdere illud, nolumus umquam, ut habeat, et si ad te iuste pertinet, nolumus, ut amittas. (Papsturkunden, ed. Zimmermann [wie Anm. 5], Nr. 395). Vgl. zur stilistischen Gestaltung bei Gerbert im Allgemeinen und insbesondere in diesem Brief Kortüm, Gerbertus (wie Anm. 2) S. 49 f. 40 Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 314. 41 Papsturkunden, ed. Zimmermann, (wie Anm. 5) Nr. 314: Der heilige Petrus benefaciat de te, cum a presenti vita subtraxeris [...]; cum per divinam vocationem a presenti lucę [!] deportaveris ab angelis sanctis [...]. 35 36

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einer Frage der Bußdisziplin42 und einem Mahnschreiben an den Markgrafen Arduin von Ivrea43 ergibt sich zunächst kein klares Bild, schon deshalb, weil es sich um ziemlich kurze Texte handelt. Der Brief an Erzbischof Aelfrik ist im Zuge des Überlieferungsprozesses, und das heißt hier im Zuge seiner Aufnahme in das sogenannte Handbuch des Erzbischofs Wulfstan von York (1002–1023), außerdem um sein Eschatokoll verkürzt worden: Schon dadurch fällt eine Aussage über etwaige Vorlagen schwer. Der Brief an Arduin von Ivrea verrät allerdings doch wohl einen gewissen sprachlichen Gestaltungswillen: In Anbetracht der Bedrängnisse, die Arduin dem Bistum Ivrea zufügte, wird ihm u. a. vorgeworfen: unde doctrinae lac ad animae tuae remedium suscepisti, diabolica recompensatione persecutionis toxicum porrigere non perhorrescis […]. Für eine Mitwirkung des Papstes ist das aber selbstverständlich kein Beleg, zumal ein vermeintlicher sprachlicher Gestaltungswille natürlich immer auch von der subjektiven Wahrnehmung des Lesers abhängt. Festeren Grund betritt man mit Bruno-Gregors Brief an seinen Freund Abbo von Fleury44. Dieses Schreiben ist an sich ebenfalls kurz, zeigt aber eine eindeutig persönliche Färbung und gehört zur Korrespondenz der beiden: Dem einen Brief Gregors stehen drei Briefe Abbos gegenüber45. Während einer Italienreise des Abtes hatten sich beide Männer persönlich kennengelernt und Freundschaft geschlossen46. Diese spricht aus dem kurzen Brief des Papstes an Abbo, den Zimmermann wegen der Erkundigung über den Gesundheitszustand des Erzbischofs von Canterbury auf das Frühjahr 997 datiert: Die Heimreise Erzbischof Aelfriks, auf der er erkrankte, erfolgte wohl zu Beginn des Jahres 99747. In seinem Brief dankt Papst Gregor dem Abt für bereits erhaltene Briefe – oder auch nur einen Brief, litterae – und erbittet die von Abbo zuvor angeregte Abordnung eines „Bruders R.“, der den Papst über die Gesundheit des Abtes und des erwähnten Erzbischofs, aber auch über politische Entwicklungen in Frankreich informieren soll: näherhin wohl über die Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 342, dort auch zur Überlieferung. Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 362. 44 Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 344, mit dem Nachtrag in Bd. 3, S. 1556. 45 Ediert bei Migne PL 139, Sp. 419–423; Regesten bei RI II 5 (wie Anm. 10) Nrr. 796– 798 sowie jetzt bei J³ III, Nrr. 8309–8311. 46 Zum Verhältnis der beiden vgl. Moehs, Gregorius V (wie Anm. 12) S. 44–52, 55–57 und Schwarzmaier, Von Speyer nach Rom (wie Anm. 13) S. 42. 47 Vgl. RI II 5 (wie Anm. 10) Nr. 791. 42 43

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Ehescheidung König Roberts II.48 Aufschlussreich für unsere Fragestellung ist die letzte hier geäußerte Bitte des Papstes: unum deprecans, ut ex vestris missalibus libris optimum transmittatis, quatinus, quotienscumque inter missarum sollempnia videro, specialis amici memor sim, numquam ingratus vestro beneficio. Valete! Es liegt auf der Hand, dass eine derartige, freundschaftliche Bitte wenigstens unter Mitwirkung des Papstes formuliert worden sein dürfte. Beweisen lässt sich das natürlich nicht. Die Bitte wird in Abbos erstem Brief an Gregor vorbereitet49: nam liberalitatis vestrae memor, ut servus Domino gratias refero, qui inter missarum sollemnia, vestro munere plane usus, vestri nullo modo oblivisci valeo in meis orationibus. Man merkt deutlich, dass Gregors Bitte hierauf auch im Wortlaut reagiert. Dafür, dass Gregor selber die stilistische Feile angelegt hat, sprechen zudem die gesuchten Formulierungen im ersten Teil seines Briefes, die vermutlich mit Abbos gelehrtem Briefstil wetteifern: Da es der Überbringer von Abbos litterae sehr eilig gehabt habe, vix vespertinalis synaxeos spatio (also für die Dauer einer Vesper50), ut remoraretur, valui impetrare, unde breviloquio usus, vestrae semper erga me novae benevolentiae gratias refero […]. Hervorhebung verdient nicht zuletzt der griechische Genitiv synaxeos. Beim folgenden Papst in unserer Reihe, Johannes XVIII., ergeben sich, soweit ich sehe, keine belastbaren Indizien für ein Eigendiktat oder auch nur, vorsichtiger formuliert, für eine erhebliche Beteiligung an der sprachlichen Ausarbeitung der überlieferten und eindeutig echten Briefe seines Pontifikats: dies, obwohl relativ viele Briefe Johannes’ XVIII. überliefert sind, darunter solche von großer inhaltlicher Tragweite wie die vier Schreiben betreffend bischöfliche Übergriffe gegen das Kloster Fleury von Ende 1007, einschließlich eines Mahnschreibens an König Robert  II., in dem der Papst das ganze Königreich zu interdizieren droht51. Immer­hin lässt sich festhalten, dass diese vier Briefe ohne Benutzung des Liber Diurnus konzipiert wurden. Das gilt auch für die restlichen Briefe Johan-

Vgl. Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) S. 669, Anm. 4 zu Nr. 344. Migne PL 139, Sp. 419–421; Regest: RI II 5 (wie Anm. 10) Nr. 796 und J³ III Nr. 8309. 50 Vgl. zur Wortbedeutung den Art. ‚synaxis‘, in: Albert Blaise, Dictionnaire latin–français des auteurs du Moyen-Âge/Lexicon Latinitatis Medii Aevi (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis), Turnhout 1975, S. 898. 51 Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm.  5) Nr.  438 (an den König) sowie Nrr. 439–441. 48 49

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nes’ XVIII., wobei drei kurze Schreiben an angelsächsische Bischöfe in Bußfragen untereinander Textübereinstimmungen aufweisen52. Von den fünf Briefen Benedikts VIII., also des ersten Tuskulanerpapstes, die im Wortlaut und ohne Fälschungsverdacht auf uns gekommen sind53, weist ebenfalls keiner Spuren des Liber Diurnus auf. Es handelt sich um vier Mahnschreiben zugunsten von Klöstern bzw. eines Bischofs sowie um ein Reskript an den Markgrafen Bonifatius von Canossa betreffend die Verehrung des Eremiten Simeon von Polirone. Inhaltlich ist letzteres Schreiben freilich als Kanonisationsurkunde zu bewerten. Dass gerade in diesem Fall der Liber Diurnus nicht verwendet wurde, lag sicherlich – Zimmermann weist in seinem Kommentar zur Edition darauf hin54 – am Fehlen eines geeigneten Formulars innerhalb des Formelbuchs. Ein Indiz für eine stärkere Beteiligung des Papstes an der Textgestaltung könnte meines Erachtens in einem Mandat Benedikts VIII.55 erkennbar sein, das er im Frühjahr 1012 an den Vizegrafen Gosfridus von Bourges richtete, und zwar zugunsten des neuen Erzbischofs Gauzlinus von Bourges, dem der Vizegraf den Aufenthalt in seiner Bischofsstadt verweigerte. Gauzlinus war möglicherweise der Halbbruder Roberts II. von Frankreich und verdankte diesem seine Bischofserhebung56. Das relativ kurze Papstmandat fällt durch die Art auf, wie hier ein Zitat aus den Psalmen (Ps  83 bzw. 82 nach der Zählung der Septuaginta) eingebunden wird: Nachdem bereits zu Beginn das Verhalten des Vizegrafen mit dem im selben Psalm inkriminierten Verhalten der Frevler verglichen wurde, heißt es dann nach der Festsetzung eines Termins: quod si usque ad condictum terminum, quę moneo, implere distuleris, cantabo cum psalmographo postea dicens: ‚Deus meus, pone Gosfridum ut rotam et sicut stipulam ante faciem venti et sicut ignis, qui comburit silvam, imple faciem eius ignominia, et querat nomen tuum, Domine. Confundatur et conturbetur et pereat‘, quin etiam excommunicatum te esse censemus apostolica censura. Das Ungewöhnliche daran ist natürlich nicht, dass der Übergriff auf Kirchengut bzw. gegen einen Kleriker eine Exkommunikationsandrohung Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nrr. 408–410. Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nrr. 471, 506, 530, 531, 543. Zur fraglichen Echtheit von Nr. 464 vgl. hingegen RI II 5 (wie Anm. 10) Nr. † 1076 sowie jetzt J³ III Nr. † 8622. 54 Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 506. 55 Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 471. 56 Vgl. die Erläuterungen von Zimmermann, Papsturkunden (wie Anm. 5) Nr. 471 und Neithard Bulst, Gauzlin, Abt v. Fleury, in: LexMA 4 (1989) Sp. 1145 f. 52 53

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nach sich zieht und diese mit passenden Bibelstellen belegt wird. Die Junktur „ich werde mit dem Psalmisten singen“ bzw. „rezitieren“ zur Einleitung dieses biblischen Drohwortes findet sich allerdings, soweit ich sehe, in den Papstschreiben der Amtsvorgänger nirgends  – zumindest nicht bis zu Johannes XII. (955–963/964) einschließlich. Ähnliche Formulierungen mit cum psalmographo und ähnlichen Verben (z. B. decantare) sind in der mittellateinischen Literatur durchaus belegt, etwa bei Beda Venerabilis57. Wenn aber dem Papst Derartiges in den Mund gelegt wird, ist es zumindest nicht unwahrscheinlich, dass er hier in die Textgestaltung einbezogen war, und sei es im Sinne einer Zustimmung zum Vorschlag eines anderen. Das ist natürlich wiederum kein Beweis. Es sei auch eingeräumt, dass uns die Einsetzung des Namens Gosfridus auf die Praxis von Platzhaltern bzw. Blankettwörtern verweist. Da der eigentliche Liber Diurnus als mögliche Vorlage ausscheidet58, kann man sich mit aller Vorsicht fragen, ob hier vielleicht ein anderer Formularbehelf benutzt wurde. Dass es dergleichen gab, wenn auch in Verbindung mit dem Liber Diurnus, hat für die Papstprivilegien Hans-Henning Kortüm aufgezeigt59. Auffällig ist unsere Textstelle in jedem Fall. Kommen wir abschließend zu Benedikt IX., dem dritten und letzten Tuskulanerpapst. Von ihm sind zwei Briefe im Wortlaut überliefert, die als echt angesehen werden, aber jeweils Eigentümlichkeiten aufweisen. Die Urkunde, mit der Benedikt die Gründung des Klosters Phalempin (bei Lille) dessen Gründer Savalon bestätigte60, weist nicht etwa die zu erwartende Form eines Privilegs auf, für die der Liber Diurnus übrigens durchaus eine Vorlage (A  89  =  C  94, Privilegium ad confirmandum monasterium61) geboten hätte. Es handelt sich um ein kurzes Schreiben des Papstes an Savalon ohne das umfangreiche Eschatokoll, über das die päpstlichen Privilegien auch in dieser Zeit schon verfügten. Nach inhaltlichen Definitionsmerkmalen wird man kaum von einem Brief sprechen können  – oder eben nur in der sehr pragmatischen Weise, in der etwa Beda Venerabilis, Expositio Apocalypseos, ed. Roger Gryson (Corpus Christianorum, Series Latina 121 A), Turnhout 2001, hier c. VIIII, S. 317. 58 Vgl. Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 471, Kommentar. 59 Vgl. Kortüm, Urkundensprache (wie Anm. 33) S. 393–396; vgl. auch Ludwig SchmitzKallenberg, Die Lehre von den Papsturkunden, in: Grundriß der Geschichtswissenschaft, hg. von Aloys Meister, Bd. I, Abt. 2: Urkundenlehre, I. und II. Teil, Leipzig/Berlin 21913, S. 56–116, hier S. 88 f. 60 Papsturkunden, ed. Zimmermann (wie Anm. 5) Nr. 612. 61 Liber Diurnus (wie Anm. 33) S. 415–418. 57

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Thomas Frenz (oder hier auch die Zimmermannsche Edition) die Papsturkunden vor Leo IX. in Briefe und Privilegien sortiert62. Diese Schwierigkeit ergibt sich nicht bei dem letzten hier vorzustellenden Schreiben, einem Mandat Benedikts IX. an Bischof Walter von Verona63, mit dem er ihm die Einmischung in die Besitzverhältnisse seines Klerus verbietet. Bemerkenswert ist an diesem Brief allerdings, dass er ein früheres Papstschreiben zugunsten der Veroneser Kleriker und gegen einen Amtsvorgänger Bischof Walters fast wörtlich wiederholt – und zwar, ohne dass dieses Vorgängermandat als solches erwähnt wird. Es ist nur allgemein von Gnadenerweisen (per mercedem) früherer Päpste, Kaiser und Könige für den dortigen Klerus die Rede. Die Frage, ob es sich bei dieser Vorurkunde bzw. diesem Vorgängerschreiben um ein Mandat Benedikts VI. oder eines Papstes Johannes (XI./XII./XIII., da Zeitgenossen Bischof Rathers) handelt, ist mit Einzelheiten der handschriftlichen Überlieferung verknüpft64 und mag hier auf sich beruhen; sie ist für unsere Thematik auch unerheblich. Der Umstand, dass dieses Mandat gleichsam doppelt päpstlich ist, wirft aber eine andere Frage auf, ob es nämlich eine solche Übernahme von Vorgängermandaten nicht öfter gab, als wir heute noch erkennen können: Die Überlieferungschance derartiger Schreiben dürfte in der Regel doch deutlich geringer als die der Privilegien gewesen sein. Das zwingt uns wie manche andere quellenkritische Rücksicht dazu, beim Umgang mit den Papstbriefen dieser Zeit päpstlicher als der Papst zu verfahren. Unter den päpstlichen Briefausstellern der Jahrtausendwende erweist sich, trotz aller gebotenen Kautelen, Gerbert-Silvester wohl doch als Ausnahmegestalt, nicht so sehr durch die Quantität der Überlieferung, vielmehr durch die mit großer Sicherheit und in etlichen Fällen erkennbare persönliche Einwirkung.

Vgl. Frenz, Papsturkunden (wie Anm. 4) S. 15 f. (§ 7), 17 (§ 9). Zimmermann, Papsturkunden (wie Anm. 5) Nr. 605. 64 Vgl. Kortüm, Urkundensprache (wie Anm. 33) S. 194–196. 62 63

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Abstract Being rather a sketch than an extensive study, this contribution is dedicated to the question of authorship in papal letters from the decades before and after the year 1000. As is well known, Gerbertus of Aurillac did not refrain from stylising letters issued in his name even after he had become Pope Silvester II. Yet it is not self-evident whether this extraordinary presence in tradition is merely due to Gerbertus’s personality, whose intellectual skills and passions doubtlessly outranged those of his immediate predecessors and successors, or in some degree ‚overexposed‘ by the existence of his relatively large letter collection. Hence, the extant letters of the Roman pontiffs John  XV, Gregory  V, Silvester  II, John  XVIII, Benedict  VIII, and Benedict  IX are analysed for possible evidence of stylistic authorship. Leaving solemn privileges and synodal decrees out of consideration, this sketch essentially confirms the outstanding role of Gerbertus-Silvester in the production of papal letters in this period.

Ein Würzburger Formularium der späten Stauferzeit in Clm 639 von KARL BORCHARDT

Traktate zur Stilkunst (Ars dictaminis) wurden im 13. Jahrhundert öfters mit einer kleineren oder auch größeren Anzahl von Mustertexten verbunden. Der historische Gehalt solcher Texte lässt sich mitunter nicht einfach bestimmen: Sie können, müssen aber nicht auf authentischen Ausfertigungen basieren. Außerdem erscheint die Alternative echt oder erfunden zu simpel; ein Schreiber kann ihm vorliegende echte Briefe im Sinne der Ars dictaminis ‚verbessert‘ haben, um seine Formulierungskünste unter Beweis zu stellen. Bisher unedierte Beispiele, die vor diesem Hintergrund zu betrachten sind, bietet der Codex latinus monacensis 639 der Bayerischen Staatsbibliothek in München1. Die Pergamenthandschrift des 13. Jahrhunderts kam durch die Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts aus dem bayerischen Benediktinerkloster Rott am Inn nach München. Laut einem

Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, ed. Hans Martin Schaller unter Mitarbeit von Bernhard Vogel (MGH Hilfsmittel 18), Hannover 2002, S. 184 f. Nr. 122; Sigrid Krämer, Handschriftenerbe des deutschen Mittelalters 2 (Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Erg.bd. 1/1–2), München 1989, S. 692; Catalogus codicum latinorum bibliothecae regiae Monacensis 3/1, München 21892, S. 165 f. [1. Aufl., ed. Carl Halm/Georg Laubmann, 1868, S. 125]; Ludwig von Rockinger, Über die Abfassung des kaiserlichen Land- und Lehnsrechts, in: Abh. München 18/2 (1888) S. 275–378, hier S. 346 f.; Ders., Briefsteller und formelbücher des eilften bis vierzehnten jahrhunderts (Quellen zur bayerischen und deutschen Geschichte 9/1), München 1863, hier S. 178 Anm. 3; Archiv 7 (1839) S. 121. – Nach Alfred Wendehorst (1927–2014) hat insbesondere R. B. C. Huygens, Leiden, sehr engagiert den Editionstext durchgesehen. Ihm gebührt für seine viele Mühe herzlicher Dank. Er kam zu dem Schluss, die Sammlung sei „ein derbes Beispiel“ für schlechtes, teils unverständliches Latein. Andererseits belegt sie, dass nicht alle, die im Mittelalter Latein verwendeten, es beherrschten. Weiterer Dank gebührt für manche Einzelhinweise auch Kolleginnen und Kollegen bei den MGH. Die Verantwortung für alles trotzdem Übersehene trägt ausschließlich der Autor. 1

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Vermerk fol. 74vb gehörte sie im Jahre 1424 einem Ordensbruder (frater) Konrad Beck. Der Einband besteht aus zwei Holzdeckeln, die auf den Innenseiten beklebt sind mit Passagen aus einem Psalter2. Auf 75 Blättern im Format 120 x 165 mm, zweispaltig beschrieben mit etwa 35 Zeilen pro Spalte, enthält der Band in der Hauptsache, fol. 8r–74v mit Rubriken und abwechselnd roten und blauen Initialen, Schriften des ab 1215 belegten und nach 1248 gestorbenen Guido Faba. In Bologna tätig, rechnet er aufgrund der Zahl seiner Werke und der Anzahl der von ihnen erhaltenen Handschriften neben Buoncompagno da Signa und Bene da Firenze zu den einflussreichsten Lehrmeistern der in den Kanzleien der späteren Stauferzeit hochgeschätzten Ars dictaminis3. Den Anfang macht fol. 8ra–31rb Guidos Hauptwerk, seine Summa dictaminis4, gewöhnlich um 1228/29 angesetzt. Sie beginnt hier ohne eigenes Rubrum mit dem Incipit Quasimodogeniti, ausgezeichnet durch eine besonders schmuckvolle Initiale. Der mit zahlreichen Randbemerkungen gründlich durchkorrigierte Text endet mit ... noscitur indigere. Explicit de privilegiis. Die Widmung an den Podestà von Bologna Aliprando Faba und das Lob der Stadt Brescia, die sich zur Freude des verbündeten Bologna 1238 einer Belagerung durch Friedrich II. erwehren konnte, fehlen in dieser Überlieferung, welche deshalb möglicherweise eine frühe Textstufe repräsentiert. Stattdessen folgen auf die Summa dictaminis nahtlos, nur durch Rubren abgegrenzt, drei weitere Werke Guido Fabas, fol. 31rb–54ra

Vorn Ps. 131.5, der Rest durch das Exlibris der kurfürstlich-bayerischen Bibliothek überklebt, hinten Ps. 142.1–5. 3 Roger Aubert, Guy Faba, in: Dictionnaire d’histoire et de géographie écclésiastiques 22 (1988) Sp. 1270–1272; Hans Martin Schaller, Guido Faba, in: LexMA 4 (1989) Sp. 1776 f.; Hanns Hohmann, Guido Faba, in: Medieval Italy: An Encyclopedia 1, hg. von Christopher Kleinhenz, New York 2004, S. 474 f.; ausführlich Augusto Gaudenzi, Sulla cronologia delle opere dei dettatori bolognesi da Buoncompagno a Bene di Lucca, in: Bolletino dell’Istituto Storico Italiano 14 (1895) S. 85–174; Giuseppe Vecchi, Le Arenge di Guido Faba e l’eloquenza d’arte, civile, e politica duecentesca, in: Quadrivium 4 (1960) S. 61–87; Ernst Kantorowicz, An ‘Autobiography’ of Guido Faba, in: Selected Studies, hg. von Dems./Michael Cherniavky/Ralph E. Giesey, Locust Valley/New York 1965, S. 194–212, zuerst in: Medieval and Renaissance Studies 1 (1943) S. 253–280. 4 Ediert von Augusto Gaudenzi, Guidonis Fabe Summa Dictaminis, in: Il Propugnatore, NS 3/1 (1890) S. 287–338, 3/2 (1890) S. 345–393 auf der Grundlage von vier Hss.: Vat. Ottob. 125, Vat. Palat. 1611, Vat. lat. 5107 und Riccardianus 1222. Auszüge auch bei Ludwig Rockinger, Briefsteller (wie Anm. 1) S. 175–200. Dazu besonders Charles B. Faulhaber, The Summa dictaminis of Guido Faba, in: Medieval Eloquence. Studies in the Theory and Practice of Medieval Rhetoric, hg. von James J. Murphy, Berkeley/Kalifornien 1978, S. 85–111. 2

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die Dictamina rhetorica5, fol. 54ra–68vb die Exordia6 und fol. 68vb–74vb die Arenge. Die beiden letzteren Texte blieben bisher ungedruckt. Anders als die Summa dictaminis wurden alle drei folgenden Werke ausweislich fehlender Randnotizen im Clm 639 nicht von einem Korrektor durchgesehen. Aus anderen Überlieferungen sind weitere Werke Guidos bekannt und teilweise ediert, eine Gemma purpurea, die auch italienische Texte bietet7, eine Summa de vitiis et virtutibus8, Petitiones, lateinische Epistole9 und schließlich italienische Reden, Parlamenti ed epistole. Wieweit bei Guido dem Kaiser Friedrich II. und seinem Widerpart, Papst Gregor IX., zugeschriebene Urkundentexte authentisch sind, muss Editionen und Studien zu den Schriften dieses Autors vorbehalten bleiben. Mit Materialien der spätstaufischen Kanzlei, die später in die nach Petrus de Vinea († 1249) benannten Mustersammlungen einflossen, ergeben sich hier jedenfalls keine Überschneidungen. Bisher nie näher untersucht wurde der erste Quaternio des Clm 639, fol. 1r–7v, dessen letztes Blatt fehlt. Geboten wird dort, ebenfalls zweispaltig, aber von anderer Hand10 als die Werke des Guido Faba geschrieben und nur mit roten, nicht mit abwechselnd roten und blauen Initialen ausgezeichnet, ein Formularium mit Erläuterungen und Mustertexten für geistliche Gerichte. Meist lässt sich am Rand noch erkennen, dass die Initialen für den Rubrikator vorgeschrieben wurden. Auf drei Seiten wurden unten am Rand kurze Worte von gleichzeitigen Händen notiert, fol. 2r inecessitatis [!] Deus, fol. 3r Veni sancte spiritus et emitte, das Incipit Ediert ebenfalls von Augusto Gaudenzi, Guidonis Fabe Dictamina Rhetorica, in: Il Propugnatore, NS 5/1 (1892) S. 86–129 und 5/2 (1892) S. 58–109, Nachdr. Guido Faba, Dictamina Rhetorica Epistole, Bologna 1971, S. 1–97. 6 Andere Überlieferungen: Clm 16124 fol. 43–55, Clm 21565 fol. 47va–64ra, Clm 22293 fol.  92–103va, 105. Dazu Constant J. Mews, Literary Sources of Le Livre de paix, in: The Book of Peace by Christine de Pizan, hg. und übersetzt von Karen Green/Constant J. Mews/Janice Pinder (Penn State Romance Studies), University Park/Pennsylvania 2008, S. 33–40, hier S. 37 Anm. 13. 7 Auszüge hg. von Arrigo Castellani, Le formule volgari di Guido Faba, in: Studi di Filologia Italiana 13 (1955) S. 5–78. 8 Hg. von Virgilio Pini, La Summa de vitiis et virtutibus di Guido Faba, in: Quadri­ vium 1 (1956) S. 41–152. 9 Ediert von Augusto Gaudenzi, Guidonis Fabe Epistole, in: Il Propugnatore, NS 6/1 (1893) S. 359–390 und 6/2 (1893) S. 372–389, Nachdruck: Guido Faba, Dictamina Rhetorica Epistole, Bologna 1971, S. 99–147. 10 Fol. 2rb Nr. 14, fol. 2va in Nr. 18, fol. 3rb in Nr. 26, fol. 4ra Nr. 32, fol. 6ra in Nr. 55 und fol. 6va Nr. 59 setzt die Schrift neu an, doch handelt es sich kaum um einen neuen Schreiber. 5

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der Stephen Langton († 1228) zugeschriebenen Pfingstsequenz, und fol. 3v Deus. Eingeteilt ist das Formularium nach den Initialen in 66  Kapitel, die nachfolgend ediert werden (Nr. 1 bis 66), zusammen mit einigen an anderen Stellen der Handschrift nachgetragenen Texten (Nr. 67 bis 79). Fol. 1r ist stark abgegriffen und kaum mehr lesbar. Der Text endet fol. 7vb ... dignemini, qua puniendum noveritis ultione. Da die zweite Spalte auf fol. 7v am Ende freien Platz gelassen hatte, bis dort als Nachtrag Nr. 77 eingetragen wurde, war das nunmehr verlorene achte Blatt des Quaternio vermutlich unbeschrieben. Urheber und Entstehungszeit der Sammlung werden nirgends expressis verbis angegeben. Doch erlaubt der Inhalt eine nähere zeitliche Eingrenzung und bietet Hinweise auf das Milieu, in dem die Zusammenstellung erfolgte. Erwähnt werden Nr.  39 der Würzburger Bischof Iring von Reinstein (1254–65) sowie Nr. 3 und 60 Papst Alexander IV. (1254–61). Terminus post quem für den Hauptteil Nr. 1 bis 66 ist sicher der 15. September 1259 (Nr. 2), als der Papst auf Bitten der Johanniter zu Mergentheim zwei delegierte Richter bestellte. Erwähnt wird ferner die Bitte des Domkapitels um Kanonisation des Bischofs Bruno (Nr. 60), die man plausibel mit der Öffnung von dessen Grab 1257 in Verbindung bringt11; in diesen Zusammenhang gehört auch unter den Nachträgen Nr. 76 die entsprechende Bitte von Ministerialen, Bürgern, Rittern und Volk der Stadt und der Diözese Würzburg. Erwähnt wird außerdem der Reichsküchenmeister Lupold (Nr. 31 f.), dessen seit 1240 namengebender Ansitz Nordenberg bei Rothenburg ob der Tauber lag12. Schließlich wird Nr. 46–49 die Parteinahme des Urhebers der Sammlung gegen die Grafen von Henneberg

Alfred Wendehorst, Die Bischofsreihe bis 1254 (Das Bistum Würzburg 1, Germania Sacra NF 1), Berlin/New York 1962, S. 99 f. 12 Lupold war 1239 noch Schultheiß in Rothenburg, 1240 aber, als er die Burg Nordenberg erhielt, bereits Reichsküchenmeister: Die Urkunden der Reichsstadt Rothenburg 1182– 1400 Tl. 1, hg. von Ludwig Schnurrer (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte III/6), Neustadt/Aisch 1999, S.  5 Nr.  8, S.  6 Nr.  10; 1276 ist er gestorben: Die Inschriften der Stadt Rothenburg ob der Tauber, hg. von Dietrich Lutz (Die Deutschen Inschriften 15), München 1976, S. 10 f. Nr. 21. Dazu Karl Borchardt, Vögte, Truchsesse, Küchenmeister: Stauferzeitliche Ministerialen zwischen Rothenburg und Würzburg, in: Herbipolis. Studien zu Stadt und Hochstift Würzburg in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Markus Frankl/Martina Hartmann in Verbindung mit Dorothea Klein (Publikationen aus dem Kolleg ‚Mittelalter und Frühe Neuzeit‘ 1), Würzburg 2015, S. 1–58, hier S. 33–43 und Stammtafel S. 58. 11

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deutlich13. Territorialpolitische Spannungen zwischen Henneberg und Hohenlohe um die Vorherrschaft in Würzburg zeichneten sich bereits unter Bischof Iring von Reinstein ab und eskalierten nach dessen Tod 1265. In der Schlacht am Cyriakus-Tag, dem 8.  August  1266, bei Kitzingen14 siegten die mit der Stadt Würzburg verbündeten Hohenlohe über Henneberg, Castell und deren Verbündete. Trotzdem erfolgte im Sommer 1267 eine Doppelwahl, weil sich eine beträchtliche Minderheit des Domkapitels gegen Poppo von Trimberg für Berthold von Henneberg entschied. Zu einem – brüchigen – Friedensschluss kam es erst 1275, als Poppos Nachfolger Berthold von Sternberg sich mit den Hennebergern verglich15. Die Gegner der Henneberger wurden in den späteren 50er und den 60er Jahren des 13.  Jahrhunderts bereits durch die fünf Söhne der Brüder Gottfried von Hohenlohe und Konrad von Brauneck repräsentiert, die beide unter Kaiser Friedrich  II. († 1250) auch in Italien tätig gewesen waren. Aus der Linie Brauneck waren dies die Brüder Heinrich zu Neuhaus und Gottfried zu Brauneck, aus der Linie Hohenlohe die Brüder Albrecht, Kraft und Konrad zu Uffenheim, Weikersheim und Röttingen. Deren Vater Gottfried von Hohenlohe wird in Nr. 63 als verstorben genannt16,

Alphons Lhotsky, Ein Würzburger Formularbuch aus dem 13. Jahrhundert, in: MIÖG Erg.-Bd. 12 (1933) S. 259–296, hier S. 280 f. Nr. 66 und S. 288–293 bietet einen rhetorisch ausgefeilten Hilferuf des Klerus in Stadt und Diözese Würzburg an Markgraf Heinrich von Meißen gegen die Grafen Hermann und Berthold von Henneberg, den er vor der den Konflikt entscheidenden Schlacht bei Kitzingen vom 8. August 1266 datiert. 14 Die Würzburger Inschriften bis 1525, hg. von Karl Borchardt unter Mitarbeit von Franz Xaver Herrmann (Die Deutschen Inschriften 27), Wiesbaden 1988, S. 25 Nr. 34. Klaus Arnold, Die Kitzinger Cyriakusschlacht von 1266, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 69 (2017) S. 1–30. 15 Paul Aldinger, Der Streit um das Bistum Würzburg in den Jahren 1254–56, in: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte NF 6 (1897) S. 453–468; Wilhelm Füsslein, Zwei Jahrzehnte würzburgischer Stifts-, Stadt- und Landesgeschichte 1254–1275, Meiningen 1926; Paul Schöffel, Eine unbekannte Quelle zum Würzburger Bistumsstreit 1267–1271, in: ZBLG 10 (1937) S. 124–132; Wilhelm Engel, Würzburg und Hohenlohe. Zwei Untersuchungen zur fränkischen Geschichte des hohen und späten Mittelalters (Mainfränkische Hefte 2), Würzburg 1949, S. 8–21; Alfred Wendehorst, Die Bischofsreihe von 1254 bis 1455 (Das Bistum Würzburg 2, Germania Sacra NF 4), Berlin/New York 1969, S. 3–9, 11–28. 16 Gottfried lebte noch im Mai 1254: Codex diplomaticus Ebracensis I. Die Urkunden der Zisterze Ebrach 1127–1306, Tl. 1, ed. Elke Goez (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte III/7), Neustadt/Aisch 2001, S. 418 f. Nr. 205; Hohenlohisches Urkundenbuch 1: 1153–1310, hg. von Karl Weller, Stuttgart 1899, S. 171 f. Nr. 259. 1255 war er sicher tot (ebd. S. 173 Nr. 261), vermutlich bereits im Februar 1255 (ebd. S. 172 f. Nr. 260). Europäische Stammtafeln: Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten NF 17, hg. von Detlev Schwennicke, Marburg 1995, Tafel 1. 13

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einem Stück, das daher 1255 oder später datiert. Seine drei Jahresangaben – Inkarnation, Indiktion und Regierungsjahre  – passen nicht zusammen. Hohenlohe war aber sicher interessiert, von einem neuen Reichsoberhaupt als Pfandherr Rothenburgs anerkannt zu werden, denn dem verstorbenen Gottfried hatte 1251 König Konrad  IV. die Stauferstadt an der oberen Tauber verpfändet17. Erwähnt werden in der Mustersammlung außerdem der Herr H. von Brauneck (Nr. 44 f.) und die Frau E. von Brauneck (Nr. 3318) sowie der Johanniterpräzeptor H. von Deutschland (Nr. 5819). Nr. 1 bis 13 betreffen die Johanniter in Mergentheim, die wegen vorenthaltener Besitzungen gegen den Ritter H(ildebrand) von Seinsheim klagten und sich 1259 durch den Papst den Domthesaurar und den Domkantor zu Würzburg als delegierte Richter bestellen ließen. Geboten werden die Supplik an den Papst (Nr. 1), die Bestellung der delegierten Richter (Nr. 2), die Ladung des Beklagten nach Würzburg (Nr. 3), der Befehl zur Veröffentlichung der Ladung durch den Dekan von  NN (Nr.  4), eine weitere Ladung, die zugleich die Exkommunikation androht (Nr. 5), der Befehl zur öffentlichen Exkommunikation des Beklagten (Nr. 6), die Verhängung der Exkommunikation selbst (Nr. 7), die Verhängung des Interdikts (Nr. 8), ein Angebot, Genugtuung zu leisten (Nr. 9), die Erlaubnis zur Absolution nach geleisteter Genugtuung (Nr. 10), die Mitteilung darüber an den ausführenden Geistlichen (Nr. 11), die Zusage des Beklagten an seinen Prokurator, sich binnen drei Wochen dem Gericht zu stellen (Nr.  12), und die entsprechende Bitte des Prokurators an den Richter (Nr. 13). Nr.  14 bis 18 betreffen den Fall einer Frau L., die gegen ihren Ehemann B. Faber klagt, der sie verlassen habe und andernorts mit einer anderen Frau T(h)ayda – ein für Formularien nicht untypischer Platzhaltername – zusammenlebe. Geboten werden die Bitte des für die Frau zuständigen Pfarrers an seinen Amtskollegen um Hilfe (Nr. 14), die Ermahnung dieses Pfarrers, der Mann solle zu seiner rechtmäßigen Frau zurückkehren Dazu unten Nr. 63, Anm. 4. Konrads von Brauneck († 1249) Sohn Heinrich von Brauneck zu Neuhaus starb nach dem 4. Oktober 1267 und wurde in Mergentheim begraben; Heinrichs Ehefrau ist bisher nicht namentlich bekannt: Europäische Stammtafeln 17 (wie Anm. 16) Tafel 5. 19 In Frage kommen Heinrich von Fürstenberg 1255–57, Heinrich von Boxberg 1260 und erneut Heinrich von Fürstenberg 1266–72: Karl Borchardt, Verwaltungsstrukturen bei den deutschen Johannitern (12. bis 14. Jahrhundert), in: Die geistlichen Ritterorden in Mitteleuropa. Mittelalter, hg. von Karl Borchardt/Libor Jan (Země a kultura ve střední Evrupě 20), Brno 2011, S. 51–77, hier S. 58. 17 18

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(Nr. 15), die Erklärung des Mannes, gar nicht rechtmäßig mit der ersten Frau verheiratet gewesen zu sein (Nr. 16), die Entscheidung, die angeführten Gründe seien nicht zureichend, weshalb der Mann erneut aufgefordert wird, zu der ersten Frau zurückzukehren (Nr. 17), und die Exkommunikation des Mannes (Nr. 18). – Nr. 19 betrifft die Ritter S. oder G. von Seenheim und Solid(er)us, letzteres wieder ein Platzhalter; ein Pfarrer erklärt einem Richter, die gegen sie ergangenen Urteile seien nichtig, weil weder Ladung noch Mahnung vorausgegangen seien. Nr.  20 bis 24 behandeln die Verpfändung von drei Joch Weingärten gegen 10 Pfund Heller. Weil die Schulden bezahlt seien, solle das Pfand zurückgegeben werden (Nr. 20). Der Gläubiger wird aufgefordert, dies zu tun oder sich dem Gericht zu stellen (Nr. 21), und er soll über die Erträge des Weingartens Rechnung legen (Nr.  22); es folgen der Einwand des Gläubigers, die Schuldsumme sei noch nicht vollständig bezahlt (Nr. 23), und der Befehl zur Exkommunikation des Gläubigers durch den zuständigen Pfarrer, weil der Gläubiger den Weingarten nicht ohne Wucherzins zurückgeben wolle (Nr. 24). – Nr. 25 ist eine Bitte, den Archidiakon Domitius, wieder ein in Formularien gängiger Platzhaltername, zur Beerdigung eines Ritters zu schicken, und Nr. 26 die entsprechende Anordnung an diesen Archidiakon. Nr. 27 ist die Mitteilung eines Schulleiters H. an den Pfarrer C., er sei zu Diensten bereit, Nr.  28 die Bitte, Gaben in Empfang zu nehmen, und Nr. 29 ein Trost gegen erlittene Ungerechtigkeiten. Nr. 30 schreibt eine Steuer aus für die Teilnahme an einer Königswahl in Frankfurt. In Nr. 31 bittet eine Witwe G. den Reichsküchenmeister L(upold), einen Ritter zur Rückgabe gestohlenen Gutes zu veranlassen, und in Nr. 32 erklärt der ungenannte Aussteller, er habe dies bisher nur deshalb unterlassen, weil er von dem Vorgang erst durch diese Bitte erfahren habe. Nr. 33 ist die Bitte, der Frau E. von Brauneck nicht länger ihr Eigentum vorzuenthalten. In Nr. 34 wird gebeten, Verurteilte nicht aufzunehmen, in Nr. 35, Gefangene freizulassen. Nr. 36 ist die Stiftung von 30 Schilling für den Jahrtag eines verstorbenen Propstes, Nr. 37 eine zusätzliche Stiftung ebenfalls für den verstorbenen Propst. Nr. 38 bittet, den Überbringer des Schreibens zum Diakon zu weihen, und Nr. 39 formuliert die Bestätigung über die empfangene Weihe. Nr. 40 bittet ein Pfarrer um Lossprechung eines Bigamisten, der zudem zweimal einen Meineid geleistet hat, Nr. 41 wird gebeten, eine Frau loszusprechen, die mehrfach Unzucht getrieben und ihr Kind erstickt habe. Nr.  42 soll das Volk unterrichtet werden, der Bischof werde am Gründonnerstag in Würzburg die Chrysamweihe vornehmen und Ablass

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erteilen, Nr. 43 bestätigt, dass der Bischof dies trotz seiner Erkrankung tun werde. Nr. 44 und 45 betreffen eine Bürgschaftsleistung für den Herrn H. von Brauneck über 60 Ellen Tuch. Nr. 46 bis 49 fordern Unterstützung für einen Vergeltungszug gegen den Grafen H. von Henneberg, der die Abwesenheit eines anderen Herrn ausnutzend dessen Besitzungen verwüstet hatte. Nr. 50 mahnt allgemein zur Bescheidenheit. Nr. 51 enthält die Bitte um Unterricht in der scientia dictandi, Nr. 52 die Erklärung, dazu bereit zu sein, Nr. 53 den Dank dafür; Nr. 54 betrifft den Unterricht in den freien Künsten. Nr. 55 stellt Formeln zu Anrede von Untergebenen in Aussicht. Ferner bittet Nr. 56 um Unterstützung bei der Aufnahme in einen Orden, Nr. 57 bei der Wiederaufnahme in einen Orden. Entsprechend teilt Nr. 58 der Johanniterpräzeptor  H. in Deutschland mit, er habe einen solchen Priester wieder aufgenommen. In Nr. 59 ernennt dieser Johanniterpräzeptor mit Rat seines Kapitels den Bruder C. zum Komtur, eines der frühesten überlieferten Formulare für eine solche Bestellung. In Nr. 60 bitten Domdekan und Domkapitel zu Würzburg den Papst Alexander IV. um Kanonisation des in ihrer Domkirche begrabenen Bischofs Bruno von Würzburg. Bei Nr. 61 handelt es sich um die Verleihung eines Weingartens durch die Johanniter in Mergentheim. Nr. 62 erklärt den Begriff Privileg anhand einer Urkunde Papst Alexanders IV. für die Johanniter. Nr. 63 erläutert die Formeln einer Verpfändung der Stadt Rothenburg durch einen Kaiser für 300 Pfund Heller an einen Sohn des verstorbenen Gottfried von Hohenlohe; dabei macht der Text auch generelle Bemerkungen, wie man in der kaiserlichen Kanzlei die Menschen beeindrucken wollte: quod in privilegiis imperialibus signa quedam interseruntur ad maiorem hominum terrorem serpentibus circumvoluta. Bei Nr. 64 handelt es sich um ein Testament, bei Nr. 65 um eine letztwillige Freilassung. In Nr. 66 schließlich klagt ein Mann, seine einzige Tochter sei vergewaltigt worden. Offenbar handelt es sich demnach im Clm 639 um ein in Würzburg entstandenes Formularium, das den Texten des Guido Faba vorgebunden wurde. Die Texte verweisen auf eine Verwendung allgemein an der bischöflichen Kurie20 und speziell bei geistlichen Gerichtsverfahren21. Nicht zu übersehen ist die Nähe zu den Johannitern22, aber auch zum Unterricht in Nr. 20–24, 25 f., 34 f., 38 f., 42 f., 64 f. Nr. 1–13, 14–18, 19, 40 f. 22 Nr. 1–13, 56–59, 61 f. Hospitalarii sind immer Johanniter. Deutschordensbrüder, die es in Mergentheim ebenfalls gab, wurden als fratres ordinis oder domus Theutonice oder ähnlich bezeichnet: Codex diplomaticus ordinis sanctæ Mariæ Theutonicorum. Urkundenbuch des Deutschen Ordens, 2 Bde., ed. Johann Heinrich Hennes, Mainz 1845/61. 20 21

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der ars dictaminis23. Einfluss durch andere Mustersammlungen ist aufgrund von Siglen und Namen wahrscheinlich, die offenkundig bloße Platzhalter darstellen24. Das verarbeitete Material könnte auf einen Scholaster in Würzburg zurückgehen, der zugleich formale Bildung besaß und an der römischen Kurie tätig war. Man denkt an Magister Heinrich den Poeten, Kanoniker des Stifts Neumünster in Würzburg und Prokurator an der römischen Kurie25, der bekannt ist durch sein in 18 Hss. überliefertes, 513 Disticha umfassendes fingiertes Zwiegespräch De statu curie Romane26. Seine Pfründe im Stift Neumünster wurde am 26. November 1265 neu vergeben27. Scholaster des Stifts Neumünster, wie der nach 1313 verstorbene Hugo von Trimberg, Scholaster von St. Gangolf in Bamberg, in seinem Registrum multorum auctorum meinte28, kann Heinrich allerdings nicht gewesen sein, denn in diesem Amt sind zu seiner Zeit andere Personen urkundlich belegt29: (1) ein Magister Eberhard 1239–57, zuvor als Stiftskanoniker von Neumünster 1237 scriptor in einer Urkunde des Würzburger Bischofs Nr. 27. Dazu auch Nr. 28 f., 50–55. Nr. 14 T(h)ayda, Nr. 19 Solidus oder Soliderus, Nr. 25 Domitius, Nr. 65 filii A, B, C. Wie bei Formularien üblich wurden Rufnamen oft als bloße Initiale gekürzt: B.  (miles) Nr.  66, C.  (plebanus) Nr.  27, C. (frater) Nr.  59, G.  (clericus)  Nr.  78, G.  (vidua) Nr.  31, H. (rector puerum [sic!]) Nr. 27, L. (femina) Nr. 14. 25 Hermann Grauert, Magister Heinrich der Poet in Würzburg und die römische Kurie (Abh. München 27) München 1912; Rep. font. 4 (1976) S. 177 f.; Franz Josef Worstbrock, Heinrich von Würzburg, in: VL2 3 (1981) Sp. 924–926; Alfred Wendehorst, Das Stift Neumünster in Würzburg (Das Bistum Würzburg 4, Germania Sacra NF 26), Berlin/New York 1989, S. 463 f. 26 Lachrime Ecclesie, hg. von Grauert, Heinrich (wie Anm. 25) S. 65–106. Ebd. S. 65 heißt es in einer einleitenden Vorbemerkung zum Haupttext: ... sub stilo metri composuit hunc libellum; propterea auctoritate papali canonicus prebendatus ecclesie Novimonasterii Herbipolensis effectus ... Zur Interpretation des gesamten Werkes Thomas Haye, Päpste und Poeten. Die mittelalterliche Kurie als Objekt und Förderer panegyrischer Dichtung, Berlin 2009, S. 213–218; ebd. S. 217 f. zu dem seit 1244 amtierenden Kardinal Giovanni Caetano Orsini, dem späteren Papst Nikolaus III. (reg. 1277–80), als möglichem Mäzen Heinrichs. 27 Grauert, Heinrich (wie Anm. 25) S. 472 f. Nr. 4 aus StA Würzburg, Standbuch 185 (alt 93) fol. 120va–b alt, 127va–b neu: Prebendas vero magistri H. poete et Th. de Zize ad presens nostro arbitrio reservamus. Dazu der Randvermerk: Heinricus de Sueuia poeta, qui scripsit Lachrimas Ecclesie, quem pontifiex fecit canonicum nostrum. Mit pontifex dürfte hier der Papst gemeint sein. Der bisher anscheinend nicht bekannte Zusatz de Sueuia mag auf Herkunft aus Schwaben oder auf den Familiennamen Schwab deuten. Zu Dietrich von Zeitz Wendehorst, Neumünster (wie Anm. 25) S. 461. 28 Hg. von Karl Langosch, Das ‚Register multorum auctorum‘ des Hugo von Trimberg. Untersuchungen und kommentierte Textausgabe, Berlin 1942, S. 188. 29 Wendehorst, Neumünster (wie Anm. 25) S. 369 f. 23 24

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Hermann von Lobdeburg30, (2) ein Magister Simon 1258–67 und (3) ein Servatius 1275–79. Ebensowenig darf man Magister Heinrich den Poeten, den man als Kanoniker von Neumünster nur durch die Reservierung seiner Pfründe 1265 und durch seine Jahrtagsstiftungen kennt, gleichsetzen mit Magister Heinrich von Breitungen, der urkundlich 1250–64 als Kanoniker von Neumünster belegt ist31. Heinrich von Breitungen erhielt 1250 durch den Abt Friedrich und den Konvent von St. Stephan in Würzburg Gefälle für seinen Jahrtag32. Papst Innocenz IV. versuchte 1250, für Heinrich von Breitungen Einkünfte als Stiftsherr im Neumünster zu sichern33. 1264 schenkte Heinrich letztwillig einen Hof an die Johanniter in Würzburg34. In einer Urkunde 1277 über Finanzen und Jahrtage werden beide Personen, Heinrich von Breitungen und Heinrich der Poet, nebeneinander genannt: Für den Jahrtag des Heinrich von Breitungen erhielt die Stiftskirche 20  Pfund Heller, für den Jahrtag des Heinricus Poeta der Stiftskellerer Gottfried 30 Pfund Heller35. Die erhaltenen Anniversarverzeichnisse des Stifts – Gießen, Universitätsbibliothek, Hs. 784 (Papier), fol. 172r–183v36 und Staatsarchiv Würzburg, Historischer Verein, MS f. 36, fol. 46v alt/45v neu bis fol. 58r alt/57r neu37  – entstammen erst dem 15. respektive 16. Jahrhundert und helfen hier nicht weiter. Für das hier interessierende Formularium im Clm 639 bleibt nur festzuhalten, dass der Urheber der Nachträge Nr.  68–74 offenkundig Zugang zu Materialien eines würzburgischen Prokurators an der römischen Kurie unter Innocenz IV. (1243–54) hatte. 1237 Januar 13: Ausfertigung StA Würzburg, Münchener Abgabe Würzburger Urkunden 5392. 31 Wendehorst, Neumünster (wie Anm. 25) S. 461 f. 32 Urkundenbuch der Benediktiner-Abtei St. Stephan in Würzburg 1, ed. Franz Joseph Bendel (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte III/1), Leipzig 1912, S. 288 Nr. 261. 33 1250 Februar 26: Ausfertigung StA Würzburg, Münchener Abgabe Würzburger Urkunden 205; Friedrich Bock, Studien zu den Registern Innozenz’  IV., in: AZ  52 (1956) S. 11−48, hier S. 35 Nr. 42. 34 1264 Januar 9: Monumenta Boica 37, München 1864 S. 415 Nr. 360. 35 Ausfertigung StA Würzburg, Stift Neumünster Würzburg, Urkunden 1277 August 1 (früher Münchener Abgabe Würzburger Urkunden 5742); Kopie StA Würzburg, Standbuch 185 (alt 93) fol. 111ra–112rb alt, 118ra–119rb neu. Zuerst: Item tenetur ecclesia ad anniversarium magistri Heinrici de Bretingen XX libras Hallensium. Dann: Gotefridus cellerarius de anniversario magistro Heynrici poete XXX libras Hallensium. Grauert, Heinrich (wie Anm. 25) S. 154 f. geht von zwei verschiedenen Jahrtagen aus. 36 Wendehorst, Neumünster (wie Anm. 25) S. 42. 37 Ebd. S. 37. 30

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Die Steuer für eine Königswahl in Frankfurt (Nr. 30) könnte sich auf 1257 beziehen, als dort erst Richard von Cornwall, dann Alfons von Kastilien zum römischen König erhoben wurde38. Ebenso aber könnte man an einen der Pläne in den 60er Jahren denken, Konradin zum römischen König zu wählen, wie sie ein Papstbrief vom 3. Juni 1262 missbilligend erwähnt39 oder das undatierte Konzept Omnipotens conditor mundi – statuentes propagiert40. Zusammenfassend wird davon auszugehen sein, dass die Sammlung in den späten 50er oder frühen 60er Jahren41 durch einen Würzburger Geistlichen angelegt wurde, der auf Seiten der Hohenlohe gegen die Henneberger stand und enge Beziehungen zum Johanniterorden in Mergentheim unterhielt. Die Zusammenstellung bediente sowohl schulische als auch praktische Interessen, so dass man sich einen Scholaster, aber auch einen Prokurator oder ähnlichen Funktionsträger des 1275 zuerst in Würzburg nachgewiesenen Offizialats42 als Kompilator vorstellen könnte. Der erste, übrigens in einer Urkunde für die Johanniter in (Schwäbisch) Hall43 auftretende Offizial Rudolf von Hürnheim († 1289) war zu RI V Nr. 5289a, 5488a, 5488b. RI V Nr. 4778c, 9285 f.; Potthast Nr. 18346. 40 Historia diplomatica Friderici secundi 1/1, ed. Jean-Louis-Alphonse Huillard-Bréholles, Paris 1852, S. 195–199, angesetzt Nürnberg 1211 Oktober; Acta imperii selecta, ed. Johann Friedrich Böhmer, Innsbruck 1870, S. 633 Nr. 923; Rudolf M. Kloos, Petrus de Prece und Konradin, in: QFIAB 34 (1954) S. 88–108, hier S. 94–98 Nr. 1, erstmals nicht nur aufgrund von Wien, Nat.-Bibl. 526, sondern auch aufgrund von Leipzig, Univ.-Bibl. 1268 und Berlin, lat. fol. 188, daher S. 98–100 mit guten Gründen angesetzt 1266/67. Zur Überlieferung Schaller, Handschriftenverzeichnis (wie Anm. 1) S. 18 Nr. 11, S. 54 Nr. 34, S. 122 Nr. 78, S. 146 Nr. 97, S. 399 Nr. 220. 41 Paläographisch spricht jedenfalls nichts dagegen, dass die Würzburger Einträge im Clm 639 etwa im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts geschrieben wurden: Walter Heinemeyer, Studien zur Geschichte der gotischen Urkundenschrift (AfD Beiheft 4), Köln 21982, S. 53–126. 42 Nikolaus Reininger, Die Archidiacone, Offiziale und Generalvicare des Bisthums Würzburg, in: Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken 28 (1885) S. 1–265, hier S. 13 f.; Nachträge bei Helmut Weigel, Zur Geschichte der Weihbischöfe, Generalvikare, Archidiakone, Offiziale und Domherren des Bistums Würzburg, in: ebd. 70 (1935/36) S. 153–164, hier S. 161; Lhotsky, Formularbuch (wie Anm. 13) S. 259–261, aus der Dissertation: Zur Entstehungsgeschichte der süddeutschen Offizialatsgerichte mit besonderer Berücksichtigung Würzburgs, Diss. phil. Wien 1926 (Mschr.). Dazu Alfred Wendehorst, Die Würzburger Formularbücher des 13. und 14. Jahrhunderts, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 16/17 (1954/55) S. 170–188, hier S. 183, 185 f. 43 1275 September 2: Wirtembergisches Urkundenbuch 7 (1900) S. 385 f. Nr. 2526 (http:// www.wubonline.de/?wub=3352, Stand 27. September 2012), auch als Formular Lhotsky, Formularbuch (wie Anm. 13) S. 274 Nr. 45. Am 12. Juli 1280 schlichteten magister Gregorius domini pape capellanus et archidiaconus sowie Rudolfus scolasticus ecclesie Herbipolensis einen Streit zwischen der Johanniterkommende Krautheim und dem Zisterzienserkloster 38 39

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gleich Domscholaster, ebenso wie der Empfänger des Nachtrags Nr. 77 im Clm 639. Rudolf besuchte 1263 die Würzburger Domschule, wo er noch zwei weitere Jahre bleiben sollte44, und taucht dann, vermutlich nach einem Studium in Italien, 1272 als Magister wieder in Würzburg auf45. Sein Lehrer, der 1263 amtierende Domscholaster Berthold von Sternberg, war inzwischen Domdekan und 1270 gegen Berthold von Henneberg mit Unterstützung der Hohenlohe zum Bischof gewählt worden, fand aber erst 1274 allgemeine Anerkennung. Bald danach machte Bischof Berthold von Sternberg († 1287) Rudolf zum Domscholaster und verlieh ihm zugleich das neue Amt des Offizials. Der Nachtrag Nr. 77 muss daher 1274/75 oder später datieren. Im Dienst des Bischofs Berthold von Sternberg benötigte Rudolf von Hürnheim ähnliche Texte, wie sie im Clm 639 vorlagen. Um 1280 hat daher ein Notar Rudolfs ein Formularium mit 55 Stücken angelegt, das um 1290 und um 1310 noch zweimal erweitert wurde46 und den Clm 639 möglicherweise ersetzte. In Clm  639 selbst ergänzen das Formularium fol.  1r–7v mit seinen 66 Stücken insgesamt dreizehn Nachträge von zwei verschiedenen Händen, die beide nicht identisch sind mit dem Schreiber von Nr. 1 bis 66. Zum einen wurden auf dem letzten Binio, fol. 73r–75v (genauer fol. 74rb– 75vb) von einer Hand zehn mit einer Ausnahme bisher unedierte Texte eingetragen (Nr. 67 bis 76). Obwohl das letzte Blatt des Binio fehlt, ist vermutlich kein Textverlust eingetreten, denn schon die zweite Spalte auf fol. 75v wurde nicht vollständig ausgenutzt. Zum anderen wurden an zwei freien Stellen innerhalb der Werke des Guido Faba gleichfalls Briefe nachgetragen, fol. 29v (Nr. 78) und fol. 53v (Nr. 79), und ähnlich nutzte man Schöntal: Wirtembergisches Urkundenbuch 8 (1903) S. 232 f. Nr. 2981 (http://www.wubonline.de/?wub=3835, Stand 27. September 2012). 44 1263 April 14: Monumenta Boica 37 (wie Anm. 34) S. 406 f. Nr. 355 ... ordinamus, quod a proximo festo penthecostes ad biennium manebunt in scolis et tunc sunt sine omni inpedimento et contradictione qualibet emancipati ... Bei dem in der Urkunde erwähnten C. scolasticus handelt es sich um den 1262–66 amtierenden Konrad von Dürn: August Amrhein, Reihenfolge der Mitglieder des adeligen Domstiftes zu Würzburg, in: Archiv des Historischen Vereins für Unterfranken 32 (1889) S. 1–315, 33 (1890) S. 1–380, hier 1, S. 131 Nr. 421 und 2, S.  331, nicht mehr um den 1260 und 1262 in diesem Amt belegten Berthold von Sternberg: Monumenta Boica 37 (wie Anm. 34) S. 394 f. Nr. 346, S. 401 Nr. 351. 45 1272 Oktober 9: ebd. S. 446–448 Nr. 385, gesiegelt durch das Domkapitel, 27 einzelne Domherren und die Stadt Würzburg. Unter den Domherrn befanden sich vier magistri, Gregorius (1257–91), Rudolf von Hürnheim (1263–90), Ulrich von Stontz, Scholaster zu Erfurt (1267), und Johann von Halberstadt (1271–72). Dazu Amrhein, Reihenfolge (wie Anm. 44) 1 S. 129 f. Nr. 416, S. 142 f. Nr. 459, S. 149 Nr. 471, S. 153 Nr. 488. 46 Hg. von Lhotsky, Formularbuch (wie Anm. 13) S. 269–288.

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den freien Platz am Ende des Würzburger Formulariums fol. 7v (Nr. 77). Nr. 77 bis 79 stammen von einer zweiten Hand, die ebenfalls noch ins 13. Jahrhundert gehört. Nach Nr. 67 ermahnt Friedrich II. seinen Sohn Konrad IV., besonders bei der Jagd stets auf seine Würde zu achten. Allein dieser Text ist zugleich in anderen Handschriften überliefert, gewöhnlich zusammen mit spätstaufischem Kanzleimaterial, das in die nach Petrus de Vinea benannten, weit verbreiteten Briefsammlungen einging. Ermahnungen an den Thronerben betrafen eine Standardsituation alteuropäischer Herrschaft. Einerseits könnte deshalb ein Diktator versucht haben, seine Stilkunst unter Beweis zu stellen. Andererseits pflegten die Schreiber der würzburgischen Teile des Clm 639 enge Beziehungen zu den Hohenlohe, so dass eine echte Ausfertigung an Gottfried von Hohenlohe zugrunde liegen mag. Dafür spricht, dass der Clm 639 einen Zusatz hat, der in anderen Überlieferungen meist fehlt: Doctrinam quoque, iuxta quod per litteras nostras te sepius sollicitavimus, libenti animo amplecteris, existendo sub preceptoris ferula obediens, sicut decet, et si scire desideras, desideres et doceri. Vom Inhalt her vergleichbar ist ein ähnlicher, wesentlich härter formulierter Befehl des Kaisers an Konrads Erzieher (Nr. 67a), schlechte Gesellschafter aus der Umgebung des jungen Königs zu entfernen und an den kaiserlichen Hof zu schicken; dieses im Clm 639 nicht gebotene Stück wird zum Vergleich unten ebenfalls aus Sammelhandschriften mit Petrus de Vinea-Material gedruckt. Die Stücke Nr.  68 und Nr.  70 bis 74 sind Papsturkunden von Innocenz IV. (1243–54), Nr. 68 ein Ablass für Stift Neumünster in Würzburg, Nr. 70 ein Mandat gegen Kleriker, die entgegen den Statuten des Laterankonzils mehrere Pfründen mit Seelsorge gleichzeitig besaßen, Nr. 71 eine diesbezügliche Dispens für den Dompropst von Bamberg Albrecht47, Nr. 72 ein Auftrag an den böhmischen König, das Bistum Bamberg zu

Albrecht ist belegt am 5. Dezember 1258, sein Nachfolger Heinrich von Geroldseck wurde am 10. März 1263 zum Bischof von Straßburg gewählt: Johann Looshorn, Das Bis­ thum Bamberg von 1102–1303 (Die Geschichte des Bisthums Bamberg 2), München/Bamberg 1888, S. 741, 751. Der in Nr. 68 namentlich nicht genannte Dompropst zu Bamberg, vielleicht Albrecht, war am 25. August 1257 zugleich Domherr und Portenarius des Domkapitels zu Würzburg: Monumenta Boica 37 (wie Anm. 34) S. 373 f. Nr. 331. Das Amt des Portenarius bekleidete Konrad von Enkersberg (ebd. S. 365 f. Nr. 325 vom 4. Mai 1254), und dann Konrad von Rottenbauer (ebd. S. 396–398 Nr. 348 vom 7. Oktober 1261). 47

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schützen48, Nr. 73 eine Lizenz an den Bischof von Eichstätt, Kleriker vom Makel unehelicher Geburt zu dispensieren, und Nr. 74 ein Mandat an den Bischof von Würzburg, gegen Wucherer in seiner Diözese vorzugehen. Nr. 69 enthält die Vollmacht des an der römischen Kurie tätigen Geldwechslers Philippus Petri Falconis zum Eintreiben von Schulden bei den Bischöfen und Domkapiteln von Bamberg und Würzburg, geschrieben durch einen Palmerius, Sekretär des apostolischen Stuhles49. Die Arenga

Dieser Schutzauftrag wird sonst nirgends überliefert, passt aber zu den engen Beziehungen, welche in den 50er, 60er und frühen 70er Jahren die Bamberger Bischöfe Heinrich, Wladislaw und Berthold mit dem böhmischen Hof unterhielten: Erich Freiherr von Guttenberg, Das Bistum Bamberg, Teil 1 (Germania Sacra II/1), Berlin 1937, S. 177, 180 f., 183. Bischof Berthold war 1273 Gesandter König Ottokars bei den Wahlverhandlungen in Frankfurt: Oswald Redlich, Rudolf von Habsburg. Das deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaisertums, Innsbruck 1903, S. 164. 49 Die Bezeichnung Sekretär ist für das 13. Jahrhundert sehr ungewöhnlich, ebenso der Rufname Palmerius. Ein Palmerius von Galluccio († 1283) war 1252 als Bischof von Kephalonia vorgesehen, seit 1253 Elekt von Tricario bei Potenza, wurde erst nach Manfreds Untergang 1266 vor Ort durchgesetzt und zuvor 1258 vom Papst nach Regensburg entsandt zur Untersuchung gegen den dortigen Bischof Albert: Norbert Kamp, Kirche und Monarchie im staufischen Königreich Sizilien 1: Prosopographische Grundlegung: Bistümer und Bischöfe des Königreichs 1194–1266, Tl. 1: Apulien und Kalabrien (Münstersche MittelalterSchriften 10/I.2), Münster 1975, S. 802 f. Ein magister Palmerius war 1248 päpstlicher Kammerkleriker und Inhaber der Pfarrei He(r)troph. in der Diözese Worcester: Les registres d’Innocent IV 1, ed. Élie Berger (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 2), Paris 1884, S. 597 Nr. 3946, sein Neffe magister Palmerius Thomasii von Rieti 1249 päpstlicher Skriptor: ebd. 2, Paris 1887, S. 65 Nr. 4455. Ein magister Palmerius, Kaplan des apostolischen Stuhles, war 1251 bereits verstorben, als sein nepos Matthäus, Domkanoniker von Salerno, durch den Bischof von Ravello ein Dom- oder Stiftskanonikat im Königreich Sizilien erhalten sollte: ebd. S. 261 Nr. 5429. – Eine Verschreibung oder Verlesung für Paltinerius oder Paltinarius ist ebenfalls nicht ausgeschlossen. Ein magister Simon Paltinerius de Monte Silice, Domkanoniker von Padua, wurde 1261 Kardinal und starb 1277: Konrad Eubel, Hierarchia catholica medii aevi 1, Münster 21913, S. 8, 46 Nr. VII/3; zu ihm jetzt Matthias Thumser, In Erwartung des Gottesurteils. Letzte Verhandlungen zwischen Papst Clemens IV. und Manfred von Sizilien, in: Zwischen Rom und Santiago. Festschrift für Klaus Herbers zum 65. Geburtstag, hg. von Claudia Alraum u. a., Bochum 2016, S. 315–334, hier S.  326 f. mit Anm.  27; Ders., Petrus de Vinea im Königreich Sizilien. Zu Ursprung und Genese der Briefsammlung, in: MIÖG 123 (2015) S. 30–48, hier S. 34. Bis über die Mitte des 13. Jahrhunderts hinaus hießen die mercatores curiam Romanam sequentes mitunter auch cambiatores oder campsores: Markus A. Denzel, Von der Kreuzzugssteuer zur allgemeinen päpstlichen Steuer. Servitien, Annaten und ihre Finanzierung in voravignonesischer Zeit (12. bis frühes 14.  Jahrhundert), in: Die Römische Kurie und das Geld. Von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zum frühen 14. Jahrhundert, hg. von Werner Maleczek (VuF 85), Ostfildern 2018, S. 131–166, hier S. 153; Marco Vendittelli, Geldhandel und Kreditwesen in Rom im 12./13. Jahrhundert. Aufstieg und Niedergang der römischen mercatores, in: ebd. S. 495–558, hier S. 519 f. 48

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für ein Testament Nr. 75 stammt ebenfalls aus dem Umkreis der römischen Kurie; sie findet sich ganz ähnlich in Paris, Collection Paul Durrieu Nr.  5 fol.  77v–78r Nr.  8850 und wurde beispielsweise durch Papst Gregor  XI. am 5.  Mai 1374 für sein Testament verwendet51. Nr.  76 ist schließlich eine Supplik von Ministerialen, Bürgern, Rittern und Volk aus Stadt und Diözese Würzburg, der Papst möge den Bischof Bruno von Würzburg heiligsprechen (vgl. Nr. 60). Nach dem hl. Kaiser Heinrich in Bamberg 1202, der hl.  Elisabeth in Marburg 1235 und analog zu der hl. Hedwig in Trebnitz bei Breslau 1267 wollten offensichtlich auch die Würzburger einen neuen eigenen Heiligen. Von der dritten, sehr ausdrucksstarken und geschäftsmäßigen Hand stammen drei verstreute Einträge an Stellen, wo der Clm 639 Platz bot: In Nr. 77 bittet der Pfarrer von Mosbach den Scholaster und Offizial von Würzburg, einen Akolythen zum Subdiakon zu weihen. In Nr. 78 bittet Agnes, die Witwe des Konrad von Strahlenberg52, das Würzburger Domkapitel um Einsetzung eines Vikars in der Pfarrei Heiligkreuzsteinach, und in Nr.  79 ein Pfarrer seine Amtskollegen um Unterstützung eines Rompilgers. Insgesamt liegt mit dem Clm 639 zwar kein selbständiges Formularbuch vor, wie es für Würzburg aus den 20er Jahren des 14. Jahrhunderts überliefert wird53. Aber gerade deshalb erscheint die Handschrift aufschlussreich, zeigt sie doch den Sitz im Leben von Werken der Ars dictaminis. Mitte des 13. Jahrhunderts gelangte sie mit teilweise korrigierten Texten des Guido Faba, eines der bekanntesten zeitgenössischen Vertreter der Ars dictaminis, nach Mainfranken. Spekulativ bleiben mögliche Verbindungen zu Würzburger Klerikern wie Magister Heinrich dem Poeten oder

Ute Pfeiffer, Untersuchungen zu den Anfängen der päpstlichen Delegationsgerichtsbarkeit im 13. Jahrhundert. Edition und diplomatisch-kanonistische Auswertung zweier Vorläufersammlungen der Vulgataredaktion des Formularium auditentie litterarum contradictarum (Littera antiqua 15), Città del Vaticano 2011, S. CXVIII Anm. 332. 51 Luc d’Achery, Spicilegium sive collectio veterum aliquot scriptorum qui in Galliae Bibliothecis delituerant 1, Paris 1723, S. 738–742. 52 Europäische Stammtafeln: Stammtafeln zur Geschichte der europäischen Staaten NF 16, hg. von Detlev Schwennicke, Marburg 1995, Tafel 157. Eine Person mit der Initiale O. ist bei dieser Familie in der fraglichen Zeit nicht belegt. Eine Agnes wird zwar hier genannt, aber nicht bei den Schauenburg, ebd. 12, Marburg 1992, Tafel 26, 27B. 53 342 Stücke: Tabula formarum curie episcopi. Das Formularbuch der Würzburger Bischofskanzlei von ca. 1324, ed. Alfred Wendehorst (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 13), Würzburg 1957; hier S. XI f. zur Datierung. 50

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Magister Heinrich von Breitungen, die in Italien studiert haben und/oder an der römischen Kurie tätig waren. Der Hauptteil fol. 1ra–7vb (Nr. 1–66) wurde auf einem Quaternio den Texten des Guido Faba vorgebunden. Zusammengestellt wurden diese Stücke sicher nach 1259, dem Datum des Delegationsreskripts von Papst Alexander IV. (Nr. 2). Kein Text scheint nach dem Pontifikat Bischof Irings von Würzburg anzusetzen zu sein, der 1265 verstarb. Von einer anderen Hand stammt der Nachtrag fol. 74rb– 75vb. Nr. 68–74 sind Stücke, die vermutlich auf eine Person zurückgehen, die am päpstlichen Hof unter Innocenz IV. († 1254) tätig war; fol. 75vb Nr. 75–76 wurden unmittelbar und vom gleichen Schreiber angefügt. Eröffnet wird das Konvolut mit Nr. 67 Gloria genitoris, einer Ermahnung Kaiser Friedrichs II. an seinen Sohn König Konrad IV., dessen Erzieher Gottfried von Hohenlohe war. Für diesen Text gibt es andernorts auch eine Kurzfassung Fatigatus est auditus (unten zum Vergleich gedruckt als Nr. 67a). Beide Fassungen finden sich in nach Petrus de Vinea benannten Mustersammlungen, allerdings nicht in den üblichen, in fünf oder sechs Bücher eingeteilten Codices, sondern nur in Handschriften ohne Bucheinteilung und in der 14-Bücher-Fassung, die auch Texte aus der nach Thomas von Capua benannten Sammlung päpstlicher Schreiben bieten. Wer die mindestens drei Schreiber im Clm 639 und ihre Auftraggeber waren, muss offen bleiben. Zweifellos weist die Handschrift in ein Umfeld, dem neben Magister Heinrich dem Poeten und Magister Heinrich von Breitungen, beide Kanoniker im Stift Neumünster, auch der Domscholaster und spätere Bischof Berthold von Sternberg sowie der Domscholaster und spätere erste Inhaber des neugeschaffen Offizialats Rudolf von Hürnheim angehörten. Wer immer der Urheber der Sammlung war, er erhob einen gewissen Anspruch als Schulmeister, indem er neben biblischen und patristischen Anspielungen, die immer und überall passten, auch Horaz und Juvenal zitierte54, vielleicht aus einem Florilegium, da klassisch-antike Schriftsteller im juristisch geprägten Kanzleialltag eher überflüssig waren. Wie nicht weiter verwunderlich, konnten Schreiber und Rubrikator der Handschrift mit diesen Zitaten nichts anfangen und haben sie bei Nr. 24 gründlich entstellt. Die klare Nähe zur antihennebergischen, hohenlohefreundlichen Partei in Würzburg lässt es nicht ausgeschlossen erscheinen, dass Nr. 63 mit der Verpfändung Rothenburgs – deren Wortlaut leider sehr entstellt ist – und Nr. 67 mit der Ermahnung an den Erzieher Konrads IV.

Siehe Nr. 18 Anm. 1, Nr. 24 Anm. 1, Nr. 28 Anm. 1, Nr. 48 Anm. 1.

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auf Vorlagen in hohenlohischem Besitz zurückgehen; dass der Zusatz Doctrinam quoque – doceri am Ende von Gloria genitoris nur hier überliefert ist, mag man entweder als Hinweis auf eine Stilübung55 oder als Reflex einer echten, an Gottfried von Hohenlohe ergangenen Ausfertigung sehen. Denkbar wäre allerdings auch, dass der originalnahe Text aus Unterlagen stammt, die 1254, als Innocenz IV. in Neapel einzog, im ehemaligen Palast des Petrus de Vinea Kurialen in die Hände fielen56. Auf alle Fälle markiert der Clm 639 einen weiteren Schritt bei der Entwicklung von Kanzleibehelfen des 13. Jahrhunderts in Würzburg, hinausweisend über die sächsische Summa prosarum dictaminis, die in der Mainmetropole lediglich durch acht Zusätze und bei zwei Stücken durch Eigennamen mit lokalem Bezug adaptiert wurde57. Im Clm 639 wurde vielmehr begonnen, eigenständig wichtige würzburgische Texte zu sammeln und sie als Muster bereitzustellen. Neben bisher kaum oder gar nicht bekannten Details zu mehr oder weniger hochrangigen reichs-, kirchen- und territorialpolitischen Vorgängen, die einer genaueren Einordnung harren, sowie zum Rechtsleben im Alltag liegt hierin die Bedeutung des Clm 639.

Horst Enzensberger, La struttura del potere nel Regno: corte, uffici, cancelleria, in: Potere, società e popolo nell’età sveva (1210–1266). Atti delle seste giornate normanno-sveve Bari – Castel del Monte – Melfi, 17–20 ottobre 1983, hg. von Centro di studi normannisvevi, Università degli Studi di Bari, Bari 1985, S. 49–69, hier S. 59 mit Anm. 68. 56 Innocenz IV. verschied dort am 7. Dezember 1254 im Palast des Petrus de Vinea: Karl Borchardt, Die nach Petrus de Vinea benannten Briefsammlungen und die römische Kurie. Beispiele einer frühen Rezeption, in: Kuriale Briefkultur im späteren Mittelalter. Gestaltung – Überlieferung – Rezeption, hg. von Tanja Broser/Andreas Fischer/Matthias Thumser (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 37), Köln 2015, S. 301−312, hier S. 310. 57 Paul Schöffel, Karlburg, Karlstadt und die „fränkische Gertrud“, in: Herbipolis sacra. Zwei Untersuchungen zur Geschichte des Bistums Würzburg im frühen und hohen Mittelalter, aus dem Nachlaß hg. von Wilhelm Engel (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte  IX/7), Würzburg 1948, S.  13–55, hier S.  37 f.; Wendehorst, Würzburger Formularbücher (wie Anm. 42) S. 171, 175 f.; hg. von Rockinger, Briefsteller (wie Anm. 1) S. 203–346, dazu Ergänzungen aus einer zweiten Hs. Eugen Rosenstock, Ostfalens Rechtsliteratur unter Friedrich  II. Texte und Untersuchungen, Weimar 1912, S. 4–13; knapp Karl Borchardt, Summa prosarum dictaminis Saxonica, in: Aufbruch in die Gotik: Der Magdeburger Dom und die späte Stauferzeit 2: Katalog, Landesausstellung Sachsen-Anhalt aus Anlass des 800. Domjubiläums, hg. von Matthias Puhle, Mainz 2009, S. 398–400. 55

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Edition Clm 639 (künftig M) wird nachfolgend als codex unicus behandelt. Sein lateinischer Text ist vielfach so verderbt, dass sich der Wortlaut der Vorlage(n) nicht erkennen lässt. Die Edition bietet den Text der Handschrift. Offenkundige Versehen sind in den Fußnoten notiert. Eckige Klammern verweisen auf Stellen, wo die Tinte stark abgerieben und die Lesung daher unsicher ist. Hinsichtlich der Orthographie fällt die häufige Vertauschung von -c- für -sc- auf, beispielsweise bei concientia für conscientia (Nr. 6, 9) und cindi für scindi (Nr. 12), umgekehrt auch scitatus für citatus (Nr. 5), scoriam für coriam (Nr. 24).

1 Die Johanniter in Mergentheim klagen beim Papst, ihnen werde durch den Ritter H(ildebrand) von Seinsheim und andere Leute aus Stadt und Diözese Würzburg Schaden an Häusern, Besitzungen und anderen Gütern zugefügt. Der Domthesaurar und der Domkantor zu Würzburg sollen mit dem Prozess beauftragt werden. M fol. 1ra.

Conqueruntura sanctitatis vestre devoti et humiles filii commendator et tota confraternitas Hospitalariorum in M(er)gen(theim), quod H. miles dictus de Souwenheim1) et quidam alii civitatis et dyocesis Herbipolen(sis) super domibus, possessionibus et rebus aliis iniuriantur eisdem. Ideo petunt iudices tesaurarium et cantorem maioris ecclesie Herbipolen(sis)2), per quos dampnorum ac iniuriarum sorciantur iusticie complementum. a) Initiale nicht ausgeführt 1) Gemeint sein dürfte der Ritter Hildebrand von Seinsheim, der 1269 seine Burg in Mergentheim dem Deutschorden daselbst verkaufte: Wirtembergisches Urkundenbuch 7, Stuttgart 1900, S. 14–16 Nr. 2052 f., S. 18 f. Nr. 2057 f., S. 28 Nr. 2068, S. 47–49 Nr. 2095 f., S. 141 f. Nr. 2215. – 2) Domkustoden oder -thesaurare waren Arnold Camerarius 1236–48 (1246 zugleich Domscholaster), Otto von Lobdeburg 1250–71, Warmund von Neipperg 1272 und Arnold von Spießheim 1275–90: Amrhein, Reihenfolge (wie Anm.  44) 2, S.  333 f., Domkantoren Friedrich von Rottenbauer 1219–48/50, Konrad von Lutterberg 1250–63 und Konrad von Theilheim 1263–81: ebd. 2, S. 332.

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2 Die Johanniter in Mergentheim haben sich beklagt, der edle Herr NN und andere in Stadt und Diözese Würzburg schädigten sie an Häusern, Besitzungen und anderen Gütern. Deshalb bestellt der Papst zwei delegierte Richter. M fol. 1ra.

Quaa nobis dilecti filii conmendator et tota fraternitas Hospitalariorum in Merg(en)th(eim) conquestione demonstraverunt  – vel sic: dilectorum commendatoris et sue fraternitatis Hospitalariorum in M(ergentheim) grave recepimus questionem, vel: querimoniam recepimus continentem, aut sic: oblata nobis talium petitio continebat –, quod vir nobilis de tali loco et quidam alii civitatis et dyocesis Herbipolen(sis) super domibus, possessionibus et rebus aliis iniuriantur eisdem. Ideoqueb discretioni vestre per apostolica scripta mandamus et precipimus, quatinus partibus convocatis – vel: ad vestram presentiam evocatis, vel: citatis – audiatis causam et appellatione remota usuris cessantibus fine debito terminetis, facientes, quod decreveritis, per censuram ecclesiasticam firmiter observari. Testes vero, qui nominati fuerint, si se gratia, timore vel odio subtraxerint, per eandem censuram appellatione cessante cogatis testimonium perhibere. Quod si non ambo hiis exsequendis poteritis interesse, alter vestrum ea nichilhominus exequatur. Data decimo septimo kl. Octobris pontificatus nostri anno quinto1. a) Initiale nicht ausgeführt, so für Quia – b) danach ein Wort getilgt 1) Alexander IV., Anagni, 1259 September 15; nicht bei Potthast.

3 Die delegierten Richter zitieren aufgrund der obigen Schreibens (Nr. 2) von Papst Alexander (IV.) die Beklagten nach Würzburg auf den Tag nach dem nächsten Fest Mariae Geburt. M fol. 1ra–b.

Litterasa domini pape recepimus per hec {1rb} verba – vel aliter: mandatum sedis apostolice recepimus in hunc modum: “Allexander”. Hic resumatur

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prior littera usque in locum illum “Ideoque”. Et sic deinceps procedamus: Ideoque etcetera. Testes etcetera. Quod si non ambo etcetera data etcetera [usque] reperitis. Tunc addatur: huiusmodi auctoritate mandati, cui[us ... per...] non debemus aliquatenus nec audemus – vel sic: [et e]apropter vobis districte mandamus auctoritate, qua fungimur in hac parte –, quatenus in crastino nativitatis beate virginis Marie1) – vel: die proximo sequenti post instans festum beate virginis Marie  – comparere vel consistere coram vobis – vel: in vestra presentia – Herbipolen.b debeatis predictorum talium querimonie responsurusc. a) Initiale nicht ausgeführt – b) so für Herbipoli – c) so für responsurum 1) Der Tag nach dem 8. September.

4 Der Domthesaurar und der Domkantor von Würzburg als päpstlich delegierte Richter schreiben dem Dekan von NN, der Laie B. solle von der Belästigung der Johanniter in Mergentheim ablassen oder andernfalls sich zum angegebenen Termin dem Gericht stellen. M fol. 1rb.

Tesaurariusa et cantor maioris ecclesie Herbipolib,1) iudices a sede apostolica delegati discreto viric decano de tali loco salutem et iusticiam firmiter amplecti. Laicorum inquitasd extra iuris sp[a... excu...], nisi suis excursibuse rigor ecclesiasticus obviaret. Sed et Hospitalariorum in Merg(entheim) seriosam querimoniam a sedis apostolice [au... ...nciant de...], quod B. talis [in ...] non immodicum eis gravamen et iniuriam faciens quasdam suas possessiones et res alias indebite vendicat et usurpat [...] super huiusscemodi causa suggerentes [...]is officio [...] vestre [...] dicti [...] videtur [...] indebitum a dictorum fratrum dampnificatione seu gravamine qualicum­ que desistere et se coibere efficaciter moneatis. Alioquin tali die et loco in nostra presencia compareat [rationem veram] de propositis rediturus. a) Initiale nicht ausgeführt – b) so für Herbipolensis – c) so für viro – d) so für iniquitas – e) so für excessibus 1) Wie Nr. 1, Anm. 2).

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5 Da der Beklagte weder erschienen ist noch einen Bevollmächtigten gesandt hat, könnte er wegen Kontumazie exkommuniziert werden. Doch soll er wegen seiner Ehre vorerst geschont werden. Deshalb wird dem Empfänger erneut befohlen, den Beklagten dazu anzuhalten, Genugtuung zu leisten; sonst soll er binnen acht Tagen nach Zustellung dieses Schreibens vor dem Empfänger im Gericht erscheinen. M fol. 1rb–va.

Proa eo, quod malisb nostris scitatus litteris {1va} non comparuit nec re­ sponsalem aliquem pro se misit, ipsum pro contumacia excommunicare possemus iustitia exientec. Ad presens tantum sue volentes parcere honestati vobis iterato mandamus, quatenus faciatis eum vel ad compositionem querelantium tendere vel ad octo dies a receptione presentium coram vobis peremptorie comparere. a) Initiale nicht ausgeführt – b) so für in aliis – c) so für exigente

6 Befehl (an einen Pfarrer), die Exkommunikation des Ritters NN auf Bitten der Johanniter von Mergentheim öffentlich zu machen, so dass er vom (Pfarr)Volk gemieden wird. M fol. 1va.

Si leges sapite1) silentium teneant, nichil tutum apud homines relinquetur. Impellente igitur concientia et fratrum Hospitalariorum in Mer. frequentaa instantia contra militem talem coacti procedere tam citando quam induciando iuris ordine in omnibus et per omnia observato, sententiam excommunicationis quasi contumacie auctoritate, qua fungimur, tulimus in eundem, mandantes vobis eadem auctoritate firmiter et districte, quatenus ipsum populo vestro denuntietis et ab omnibus faciatis arcius evitare. a) so für frequentata 1) sapitus ‚weise‘: Peter Stotz, Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters 5, München 2004 S. 951.

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7 Hartnäckig in der Exkommunikation verharrend, wird der die Johanniter weiterhin belästigende Ritter NN durch das vorliegende, besiegelte Schreiben exkommuniziert. M fol. 1va.

Constare volumus universosa, queb excommunicationis sententiam in talem militem iure latam nullis aquiescens consiliis, set in suis pertinax maleficiis talibus fratribus iniuriosus exstitit et exsistit, ad ipsorum instantiam roborantes presentes litteras et sigillum nostrum [...] in testimonium dedimus memorie reductamc. a) so für universis – b) so für quod – c) unklar

8 Dem Dekan oder Pfarrer wird befohlen, mit brennenden Kerzen und Glockengeläut an allen Sonn- und Feiertagen öffentlich kundzutun, dass der ­Ritter, der fortgesetzt die Johanniter belästigt, und alle, die mit ihm Umgang pflegen, exkommuniziert sind, bis er die geschuldete Genugtuung leistet. M fol. 1va–b.

Iudices tali decano vel plebano salutem et oves errantes1) virga debita coercere. Excrescit inutilis herba, nisi frequenter evellatur manibus ortulanis. Non aliter exuberat talis militia, qui iniquitatem superaddens iniquitati gravaminibus et iniuriis fratrum Hospitalariorum cumulat maledicta machinationes noxias et minas audens nichilominus in excommunicationis {1vb} sententia contumaciter in sue salutis dispendium perdurare. Quia igitur crescente contumacia crescere debet posteaa, districte vobis precipiendo mandamus vestre beneficii et officii sub obtentu, quatenus sui domicilii loca subicientes ecclesiastico interdicto eum et omnes sibi communicantes excommunicatos denuntietis accensis candelis et compulsatis campanis singulis diebus dominicis et festivis, donec per debitam satisfactionem reformetur. a) so für pena 1) 1. Petr. 2.25.

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9 Der Dekan NN mahnt den Ritter H(ildebrand von Seinsheim), den Johannitern Genugtuung zu leisten, um eine Aufhebung des Interdikts zu erreichen. M fol. 1vb.

Honorando viro H. militi de tali loco talis decanus spiritum consilii sanioris. Expavescit omnis iure fidelis anima fidelium communionem amittere suorum caligine peccatorum. Anima enima, que peccaverit et in peccato perseveraverit, morte pessima morietur. Presumo igitur in Domino vestre consulere honestati, quatenus absolutionem et inducias aliquas apud iudices obtinentes, quinimmo et ad puritatem vestre concientie recurrentes vel per ius vel per compositionem amicabilem vos cum fratribus Hospitalariorum adversariis vestris, prout expedit, complanetis1) sententias interdicti, suspensionis continue denuntiationisb, quas iniunctas michi contra vos Deo teste exequor, evitando. a) enim wiederholt – b) continue denuntiationis vielleicht für et excommunicationis 1) Eccl. 34.8: complanabitur.

10 Der Ritter NN darf, wenn er den Johannitern Genugtuung leistet, öffentlich absolviert werden. M fol. 1vb–2ra.

Quia publice condempnatur, satisfaciens absolutionem publicam promeretur. Eapropter mandamus vestre discretioni, ut, cum talis miles fratribus Hospitalis in tali loco satisfecerit de transactis necnon cautionem habundantem ipsis dederit de futuris, ab excommunicationis absolutum vinculis ipsum manifestius nuntietis, ne peccata pristina sue {2ra} pudorem fortassis incutere valeatb faciei. a) . b . über der Zeile: Markierung, dass Nr. 10 inhaltlich nach Nr. 11 gehört –  b) so für valeant

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11 Dem Empfänger wird auf Fürbitte hin erlaubt, den Ritter NN zu absolvieren, sofern er den Johannitern Genugtuung leistet. M fol. 2ra.

Ecclesiaa redeuntibus claudere gremium non consuevit. Quare et nos vestre suplicationi necnon affectui talis militis inclinati eum sub forma iuris a vinculo anathematis absolvendi et petitas inducias ei pariter indulgendi testimonio presentium vobis concedimus auctoritatem, ut interea dilectumb suum iustificans et errorem corrigens fratrum talium iuris et gratie decretum quamlibet ipse compescere debeat actionem. a) . a . über der Zeile: Markierung, dass Nr. 11 inhaltlich vor Nr 10. gehört. – b) so für defectum

12 Der durch die Johanniter Beklagte beauftragt seinen Rechtsbeistand, er möge bei den Richtern drei Wochen Fristverlängerung nebst Absolution erbitten, weil er sich der Klage stellen will. M fol. 2ra.

In dilatione gratuita late contra me sententie re vera nomen et officium ocupastis, qui mentis conceptum non precipitat. Sed antequam rem in actum proferatur, illius exitum premetitura. Exb etiam divino et vestro in­ stinctu ego membrum ecclesie cindi ab ecclesia verebar. Volo a iure meo cedere, in quantum tollerantia dampni permiserit, ut fratrum talium plene compescere valeam actionem, rogans quam intime discretionem, ut ad iudices accedentes sub forma iuris trium ebdomadarum inducias michi non sine absolutionis beneficio inpetretis. a) so für premetatur – b) so für Et

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13 Der Richter wird gebeten, den Beklagten zu absolvieren, weil er sich binnen drei Wochen dem Gericht stellen will. M fol. 2ra–b.

Quos commissi piget criminis, cum eidema veniam promerentibus ewangelicob censet ratio micius dispensandum. Cum iuxta vestre dominationis mandatum paratus essem contra militem talem per denuntiationis modum sententias agravare, humilitate boni spiritus me rogavit, ut ad componendum amicabiliter cum fratribus talibus absolutionem sibi apud vos ac trium ebdomadarum inducias optinerem. Quod dignetur admittere vestra {2rb} discretio sue humilitatis et mee petitionis suplice interventuc. a) so für eisdem – b) so für ewangelica – c) ab hier neuer Ansatz des Schreibers, wohl keine neue Hand

14 Die Frau L. hat geklagt, ihr rechtmäßiger Ehemann B. Faber lebe mit einer gewissen T(h)ayda zusammen. Deshalb bittet (der zuständige Pfarrer) seinen Amtskollegen, dagegen einzuschreiten. M fol. 2rb.

L. femina mea parrochina michi nuper edidit conquerendo, quod B. Faber eius legitimus sacro consortio turpiter destituto quadama colit Thaydam et apud vos in turpi sibi cohabitat officina. Vestram igitur monitionem et consilium predictus accipiat fornicator, ut a polluta recedens Taydeb cum affacionec maritali derelictam recipiat aut rigore plectatur, sicut debet. a) so für quandam – b) so für Tayda – c) so für affectione

15 Ein Pfarrer ermahnt einen Mann, seine Dirne aufzugeben und zu seiner rechtmäßigen Ehefrau zurückzukehren. M fol. 2rb.

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Quod univit Deus1), nulla cessare debet ratio, nec humana presumptio separare. Cum uxore legitima, sicut michi veraciter innotuit, te sancta mater ecclesia fecit unum. Qua derelicta in tue salutis periculum hic audes in gremio recumbere meretricis. Unde te moneo fideliter consulendo, ut mecha postposita tue legitime non desinas adherere. Alioquin rigor ecclesiasticusa absque mora particeps faciat me docrateb. a) Kürzungsstrich fehlt – b) unklar, vielleicht participem te faciat me docente 1) Matth. 19.6: Quod ergo Deus coniunxit, homo non separet.

16 Ein Mann erklärt, mit der Frau nicht rechtmäßig verheiratet zu sein, weil sie seine Taufpatin gewesen sei und als Begine gegenüber einem Priester Keuschheit gelobt habe. M fol. 2rb.

Dissolutionis ut patitura officium, quod a simplicibus illicite est contractum. Talis mulier minus iuste me repetit, que mecum infantem de sacro fonte baptismatis levaverat et per manus sacerdotis peginarumb induvias continencie signum receperat, quod inter nos matrimonium inpedire potuit contrahendum. Ego itaque cum perversa perverti metuens cum alia contraxi postmodum legitime et licenter. Unde vos propter Deum parcatis impropriis et probrosis. {2va} a) so für vermutlich impartitur – b) so für beginarum

17 Die angeführten Gründe würden eine rechtmäßige Heirat nicht ausschließen, es sei denn, einer der beiden hätte in die Hände eines Priesters Enthaltsamkeit gelobt. Deshalb solle der Mann zu seiner Frau zurückkehren. M fol. 2va.

Cause michi proposite iuxta sanctiones canonum contractum inter te et talem feminam non dirimunt matrimonium,a potuerit contrahendum. Esto

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etiam, quod in manus sacerdotis continencie votum alteruter fecerit manifestum. Hinc est, quod in simplicitate consulo, rememeob firmiter et in­ iungo, quatenus a cultura tui abstinens lupanaris ad thorum legitimum redens derelicti, si fidelis communionis terminis expavescis. a) unklar – b) vielleicht für rememoror

18 Der Mann wird für exkommuniziert erklärt. M fol. 2va.

Suscrescit lolium tritico, nisi falce tempestiva radicitus evellatur autumnali. Multos et perfectos concavat unius iniquitasa, nisi rigore debito corrigatur. Quapropter hominem talem cum feminab regulariter non viventem monitionis mee consilium contemptentemc vobis excommunicatum ­denuncio et universis precipio evitandumd, nam exempla domestica teste Philosopho cicius et velocius nos corrumpunt1). a) ab hier neuer Ansatz des Schreibers, wohl keine neue Hand – b) hinzugefügtes non getilgt – c) so für contempnentem – d) e über der Zeile 1) Juvenal, Satiren 14: Sic natura iubet: velocius et citius pueros corrumpunt vitiorum exempla domestica. Hier dem Aristoteles zugeschrieben.

19 Ein Pfarrer hält dem Richter vor, die Urteile gegen die Ritter S. von Seenheim und Solidus seien nichtig, weil keine Ladung und Mahnung vorausgegangen sei. M fol. 2va.

Non videtur excommunicandi vel denunciandi ratio, ubi delinquensa citatio non precessit. Hinc est, quod vestre discrecioni suplico reverenter, quatenus in sententiis promulgandis contra S.b de Seheim1) et Solidumc milites per me vel quemquam alium non scitatus nunc et in futuro contra iuris ordinem michi et honorisd nostri ordinis propter Dominum deferatis.

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a) so für delinquentis – b) oder G. – c) oder Soliderum mit Kürzung – d) so für honori 1) Bekannt sind ein oder mehrere Personen namens Hermann von Seenheim (bei Ergersheim nahe Windsheim, Vasallen der Hohenlohe) unter anderem 1225 bis 1277: Wirtembergisches Urkundenbuch 3, Stuttgart 1871, S. 162 f. Nr. 682, S. 218 f. Nr.  733, S.  272–275 Nr.  782; ebd. 6, Stuttgart 1894, S.  89 f. Nr.  1689, S.  416 f. Nr. 2026; ebd. 8, Stuttgart 1903, S. 39 f. Nr. 2694.

20 Durch Schulden bedrängt hat jemand einen Weingarten von drei Joch für zehn Pfund Heller verpfändet. Weil der Gläubiger nach fünf Jahren seinen Anteil zurückbekommen hat, was nötigenfalls bewiesen werden kann, wird das Gericht gebeten, die Verpfändung aufzuheben. M fol. 2va–b.

Doceat suptus assiduia res mutabiles cum ipsis possessoribus alternari. Ego siquidem graviarumb expensarum honere compulsus tali talem vineam trium iugerum pro X tal(entis) Hal(lensium) nominic pignoris {2vb} obligavi. Quia igitur eandem iam quinquennio possidens recepit super sortem, utpote, si necesse fuerit, potero aprobare, auctoritatis vestre suplex invoco equitatem, ut predictum tenementoremd libere eam veniame remittere ­suaque sorte contentum exsistere censura debita compellatis. a) unklar  – b) so für graviorum – c) so für nomine – d) tenementarius = der Pächter: Niermeyer 2, S. 1327. – d) so für vineam

21 Der Gläubiger wird aufgefordert, entweder das Pfand herauszugeben oder sich dem Gericht zu stellen. M fol. 2vb.

O mira contrarietas a detestanda nimirum subtilitas, que devinci renitens ex loco tuo tociens cum proxinoa subtilitas, nam quod pati respuis, inferre legaliter non vereris, nullus re vera videtur affectius precessisse pietatis quam effectus subsequitur gravitatis. Rursus tollens, quod non posuit mentes, quod non sevit iure servili, nequicie a Domino computatur. Aut

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igitur in restitutione pignoris mandato vestrob parere aut ferende contra vos sententie subiacere discretione saluberrima eligatis. a) so für proximo – b) so für nostro

22 Der Gläubiger wird aufgefordert, über die Erträge der Weingärten Rechnung abzulegen. M fol. 2vb.

Suffert humana sepe consuetudo, quod divina detestabili iudicat celsitudo, quominus expavescitis fortassis usure maculari vitio, quam utriusque testamenti pagina detestatur1). Ne igitur ullius ambiguitatis vel ignorantie simplicitas vos excuset, exortamur in Domino vobis nichilhominus auctoritate, qua fungimur, districte precipiendoa, quatenus discretam extimationem concessi et recepti obligatam vobis a tali vineam contentus debito Dei et iuris intuitu remittatis, metuentes mundum substantie granum lucris huiusmodi sub omni specie prohibitis fermentare. a) korr. aus precipiendis 1) Vgl. Lev. 25.37, Deut. 23.19, Ps. 14.5, Matth. 25.27.

23 Der Gläubiger will den Weinberg zwar zurückgeben, aber erst nach fünf Jahren, wenn er voll bezahlt ist. M fol. 2vb–3ra.

Pro beneficio sequi maleficium, pro suffragio suplicium, non consentit calcalus rationis. Ego siquidem talem meam vineam {3ra} tali restituere non reveroa, quam sue magis aquiescens preci, quam precio pignoris titulo decursu iam quinquennio mancipavi, ut cum forte recepta pariter id michi, quod ex ipsa sorte probabiliter crescere potuit, refundatur. Quocirca ves­ tram discretionem duxi propensius exorandam, quatinus considerato in hac parte meo affectob et effectu meo parcatis gravamini, immo dampno

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scientes et minimum ambientesc, quod amore nullius criminose pecunie meam vellem conscientiam sarcinared. a) so für revereor – b) so für affectu – c) so für ambigentes – d) korr. aus resarcinare

24 Der Gläubiger, ein Ritter NN in dem Dorf des Empfängers, soll exkommuniziert werden, weil er den Weingarten nicht ohne Wucherzins zurückgeben will. M fol. 3ra.

Captat efficiaa bos piger, optat arare caballus1), cum officii sui quis descendens ab insignibus ad usus contemptibiles et indecores se coaptat. Viget in villa vestra miles talis studio notabilis caballino, qui olim sub equestri ordine mira probitate Patroclus, nunc vero turpi negotiatione Symeonisb iniqui negociatoris consocius vineam quandam talis parrochialis vestri titulo pignoris possidens negat restituere, nisi a mutuante tale quid percipiat pro fenoris incremento. Ut igitur legis huius iuventoc non transeat in sinceros, tenore vobis presencium precipimus et mandamus, quatinus per excommunicationem solempnem a credulis et fidelibus eum tamquam ab auro scoriam separetis, nulla sibi sacramenta, si fortassis indiguerit, concedentes. a) Captat efficia] so für Optat ephippia – b) so für Simonis – c) vielleicht für inversio 1) Horaz, Epistolae 1.14.43.

25 Bitte, den Archidiakon Domitius zur Beerdigung des Ritters NN zu schicken. M fol. 3ra–b.

Qui sola solet recludere mortis ora,a in spiritu consilii1) grabatum talis militis banniti vocatus ab eodem nudius tertius2) visitavi. Qui cum obstinatione ductus phantastica sui lutum peccati {3rb} michi develare nollet nec a mala consuetudine resilire, sine fidelium consuetis beneficiis sinente Domino exspiravit. Huius itaque occasione funeris inhumati affines et fortassis

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eidem consimiles honoris et persone michi discrimina comminantur, quapropter reverenter vestram exoro dominationem, quatenus in hoc casu mee solicitudini precaventes Domitium archiaconumb ad locum ipsum venire personaliter ordinetis, ut vestra et ipsius auctoritate funus, quam meruit, humanationem recepisse ac recipere videatur. a) so für hora – b) so für archidiaconum 1) Isai. 11.2. – 2) Gen. 31.2, 31.5.

26 Der Archidiakon wird zur Beerdigung des Ritters geschickt, welche zur Abschreckung für Wucherer nicht auf einem Friedhof, sondern auf freiem Feld erfolgen soll. M fol. 3rb.

Metu supliciia temporalis exorbitare non tenetur aliena equitatis vigilancia pastoralis. Que reatus dimetiens et contemplatis circumstanciis similes hos cum pene modulo recompensans, anime talis militis fenoraris absque divinis honoribus addicit hospicium corporis cenolentumb, quem tamen parentes eiusdem in dulci statione cimiterii dignum exstimant sepeliri. Sane concesso nobis in usuris correctionis stimulo debentes esse iusticie sectatores, venerabilem et discretum dominum archiaconumc ad vos dirigimus, ut eius accedente ministerio funus recipiat in campis, quam ex delictod meruit sepulturam, et ut exemplis horribilibus iam visis abhominationibus alii terreantur. a) ab hier neuer Ansatz des Schreibers, wohl keine neue Hand – b) so für cenulentum – c) so für archidiaconum – d) korr. aus dilicto

27 Dem Pfarrer C. schreibt der Schulleiter H., er sei zu Diensten bereit. M fol. 3rb–va.

Domino et amico C. tali plebano H. rector pueruma in tali loco paratum servitium et quid expedit non differri. Expectans expectavi1), quando roga-

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tionem et exienciamb tempestivam vestre honestatis liberalitas preveniret. Attendens illud poeticum: Est, rogo, vox miseri, vox importuna, pudoris prodiga, meroris plena, favoris egens2), nunc mee legacionis fungens officio presens cartula {3va} mei memoriam vobis resuscitet pro mercede mercenaria effectuosius interpellet, quo peracto negocio vestris instillare non desinant auribus hoc proverbium et exemplum, quia discipulorum parcitas meretur invenire magistralis scientie paupertatemc,3). Rursus: de pauco semine pauca metes4). a) so für puerorum – b) so für exigentiam – c) so für parcitatem 1) Ps. 39.1. – 2) Matthaeus von Vendôme, In librum Tobiae paraphrasis metrica, vv. 927–928, in: Mathei Vindocinensis Opera 2, hg. von Franco Munari (Storia e letteratura 152), Rom 1982, S. 201.  – 3) Sibylle Hallik, Sententia et Proverbium: Begriffsgeschichte und Texttheorie in Antike und Mittelalter (Ordo. Studien zu Literatur und Gesellschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit 9), Köln 2007, S. 567 Nr. 34. – 4) Vgl. Magloire Thévenot, Anthologie poétique latine, extraites des meillieurs poètes modernes 1, Paris 1811, S. 423 Z. 35 f., einem nicht bekannten Autor zugeschrieben: Nam veniet messis tempus: si non bene verno/Tempore pauca seris, tunc tibi pauca metes.

28 Bitte, Gaben in Empfang zu nehmen. M fol. 3va.

Negat abortivum dilata diu fetus nativitas organaruma elegantab diligentis nature officio solidari. Tam longa quam benigna vestre postulationis dilatio predicte correspondens metaphore parturiens campestemc fructu muneris bene digno re vera metuit fecundari. Inclinet itaque vestre honestatis prudencia missis iam exiguis per me salvo pacto vobis peticio dominationis, quod eorum esse videtur gratiarum actio primitam meis autem uterinis prebere virtutis materiam et amicis eorum infanciam ablactare, quia servabit odorem testa diu, quo primis ex teporibus eius novitas est inbuta1). a) so für organorum – b) vielleicht für elegans – c) so für campestrem 1)  Horaz, Epistolae 1.2.69 f.: Quo semel imbuta est recens servabit odorem/ Testa diu.

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29 Trost gegen Ungerechtigkeit. M fol. 3va–b.

Affectum nature continuo supergressa est iniquitas, cum estu proprii vel affectu consultoris iniqui celestiuma concipiet filius in parentem. Ecce concepisti dolorem, iniusticiam peperisti, sed iniquitatem evidencius parturisti mercem inpius populando, truculentus pauperes degrassando, ut loqui liceat, famam in infamiam commutando, super hiis materna viscera contremiscunt. Si quid igitur criminosi tua patravit sinistra, prona retractare studeat iam dextra sine temporis quolibet intervallo. Malignantes enim secundum psalmistam Deus exterminat1) et illata cuipiam violenta predacio cum tumultu2) prinitab bonis eventibus in sinum auctoris credo revertitur {3vb} cum singultu. a) korr. aus celistium – b) so für punita 1) Ps. 36.9: Quoniam qui malignantur exterminabuntur. – 2) Isai. 9.5.

30 Der Aussteller erhebt von seinen homines eine Steuer für seine Teilnahme an der Wahl eines Königs in Frankfurt. Im Gegenzug wird der Empfänger für zwei Jahre von der angaria befreit. M fol. 3vb.

Necessitatis inopie secretarius nobis multociens commendatur, ad quod tamen lente vel invite racionis nostre animus inclinatur. Huiusmodi itaque inpulsu compellor ad presens in homines meos exactionem facere aliquantulum solito graviorum edictam aput Vrankenvort curiam super eligendo viro regio decencius accessurus, ut a me de petulationis onus tantulum velint, valeant libencius adque lenius suportare. Congruum ob remedium plenam eis qualibet agariea inmunibus cogitam per begenniumb concedere libertatem tibi quominus matri venerande super ablatis et illatis gracie naturalis observancia conplanandus1). a) so für angaria – b) so für biennium; danach plenam eis getilgt

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1) Der Text dieses Stückes so verderbt, so sich weder der genaue Sinn noch der Entstehungszusammenhang erkennen lassen.

31 Die Witwe G. bittet den Reichsküchenmeister L(upold), den Ritter NN zur Rückgabe gestohlenen Gutes zu veranlassen und ihm keinen Schutz zu gewähren. M fol. 3vb–4ra.

Honorando viro L. imperialis coquine magistro G. vidua talis sue sinceritatis affectum. Tigris dampnis, lupus agnis ferocissima queque mansuetissimis angustata iam feritate posita commansuescunt. Perdurans autem obcecata nimium solius hominis iniquitas variis hinc inde angustia circumsepta cedis et furtorum, doli spoliorum in furtivis conatur morsibus in invicem desevire non pavescens infra se interminabilis voraginem indaginis nec extentam super se tremende [r...seam]a ulcionis. Cintillam hu­ iuscemodi mali persentire doleo per militem talem vispilionemb ad vos quoque transfugum nuper meo pectori destituta. Unde rogo discretionem vestram sub Dei timore et proximitatis amore, ut eundem ablata michi re­ stituere efficaciter moneatis nec in meo dampno {4ra} protectionis seu receptionis ullum amodo sibi subsidium concedatis, attendentes quoniam expers reatus maleficii non iudicatur, qui malefactori prebet ad se refugium et tutelam. a) vielleicht für mensuram – b) so für vispilonem

32 Nur weil er von dem Diebstahl erst durch die Briefe der Empfängerin erfahren hat, sei der Richter nicht gegen den Ritter NN vorgegangen. M fol. 4ra.

Si malorum futurorum nos memoria premeret, reatus presentis aut preter­ iti patracio mentem nostram nullatenus elevaret. Exulavit a corde talis militis timor optimi Conditoris, cum armenta vobis diripuit et aliena contra a

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legem Domini concupivit1). Cuius rei prius ignarus, factus modo conciusb vestrarum ex indicio litterarum, debito compassionis modulo restitutioni conabor omnium deservire, aut mee familiaritatis et cuiuslibet protectionis omnino re vera senciet peregrinic. a) ab hier neuer Ansatz des Schreibers, wohl keine neue Hand – b) für conscius – c) so für se sentiet peregrinus 1) Deut. 5.21: Non concupisces uxorem proximi tui, ...

33 Bitte, der Frau E. von Brauneck nicht länger ihr Eigentum vorzuenthalten. M fol. 4ra.

Ignari penitus quid liberalium arcium septenarius docmatizareta parentem ipsius paginam nature studiosius intuendo doceri possemus nobis esse fidelius atque mutuo deferendum. Huiusmodi re vera non consentit ratio, quod in sorte locum quis habeat aliena, cum etenim illa primum divisit tempus a tempore singulis vires tribuens, ut durarent hiemales moles rigores sevicias ultra vernales delicias, non procedere ordinavit prefatum nature cursum et ordinem non servastis, cum vires in viduas, pupillos et orphanos aut quoslibet exercitis, ut iam liquet in matrona venerandeb E. de Bruneke1), cui pecoris preter dampnorum aliorum gravamen impetuosam violenciam intulistis, pro quorum satisfactione seriose et efficaciter vos exhortor. Eius enim inquietatio, ut sit mei doloris exasperatio, cogitc nostre familiaritas ac amicitie diuturna. a) mit a und b über der Zeile docmatizaret septenarius nach Korrektur umgestellt – b) so für veneranda – c) unklar, cog mit übergeschriebenem t 1)  Vermutlich die namentlich bisher unbekannte Gemahlin des Heinrich von Brauneck zu Neuhaus: s. u. Nr. 44 u. 45

34 Bitte, Verurteilte nicht aufzunehmen. M fol. 4ra–b.

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Sapit fides meritum, cui prebet ulla {4rb} ratio argumentum. Equitatem honestatis vestre cordis oris asserverancia iudico fidedignam, qua manenti iusticie quam fluenti amicicie plus innixa me rapinam perditam gaudio recepisse et proinde grates vobis referens, quantas possum, sia prudens et consultus minori consilio aquiesciens nec interdum aures patulas simplicitas abnegatis, moneo et in Domino vos exortor, ut pro vitando summi iudicis offendiculo et gravi anime vestre laqueo caveatis nefarios et infames deratib sacrilego recepturos aptam in inferis portionem. a) unklar – b) vielleicht für de tanto

35 Bitte um Freilassung von Gefangenen. M fol. 4rb.

Merita viciatur erubescentia quevis auctoritas, cum plebeiam illa descendens inconstanciam a pacto nititur resilire. Eapropter tibi consulimus et honori tuo videbitur expedire, ut factam civibus de tali loco condicionem inviolatam teneas nec irrituma cupias revocare, tales captivos absolutos restituens et indepnesb, sciens, si secus feceris, utilitatis et honoris tibi discrimina forsitan insultabunt. a) so für irritam – b) so für indempnes

36 Stiftung von jährlich 30 Schilling für die nächtliche Beleuchtung der Marienkirche zur Anniversarfeier des verstorbenen Propstes. M fol. 4rb.

Solent ellecti Dei1) bonum initium frequenter concludere meliorea et, quem vivum ubereb diligunt, defuncti animam uberiorum memoria commendare. Considerato igitur affectu, quem fratri nostro bone memorie preposito2) gessistis actenus in effectu, ad lumen nocturnum beate Virginis basilice vestre in remissionem sui peccaminis intendendo et ipsius anniversarium

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vigiliarum et missarum solempniis celebrandum ex legatione singulis annis XXX sol(idos) vobis promittimus et presentis scripti et sigilli nostric ro­ boramus. {4va} a) korr. aus miliore – b) vielleicht für ab ubere – c) ergänze einen Ablativ wie munimine (Nr. 62), firmamento (Nr. 63) oder apicibus (Nr. 64) 1) Rom. 8.33: adversus electos Dei. – 2) Gemeint ist wohl kaum der Propst von Neumünster: Otto von Lobdeburg starb bereits am 17. Mai vermutlich 1244; seine Nachfolger Andreas von Hohenlohe (1245 belegt) und Lambert von Gleichen (1258–72 belegt) haben die Propstei resigniert; vgl. Wendehorst, Neumünster (wie Anm. 25) S. 295–297.

37 Zusätzliche Stiftung für das Seelenheil des verstorbenen Propstes. M fol. 4va.

Quanto specialius personam venerabilis prepositi pie memorie fratris nostri dileximus, tanto amplius ad eiusdem anime salutem inclinari volumus serviciis, si qua fecerimus Deo digna. Facta nobis elemosina nos adita preter celebrandum ipsius anniversarium pariter amonente vos et alios reliquiarum suarum possessores in Domino cohortantes, ut per remissionem odiorum ac restitutionem bonarumb, que fortassis vel ignarus tenuit, purgatoriam sibi clementiam studeatis undique mitigare et gavisi hereditatis sue transsitorio gaudeatis pocius requiei solacio permanssuro. a) vielleicht für ad te – b) so für bonorum

38 Bitte, den Überbringer dieses Schreibens zum Diakon zu weihen. M fol. 4va.

Ad sacros digne ordines promoventur, quibus admixta morum honestate conversatio laudabili scientia ydonea suffragatur. Super hiis tam saporosis quam utilibus condimentis capellano meo presentium exibitori verum audens testimonium perhibere, ipsum paternitati vestre destino, ut per

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manuum vestrarum inpositionem ordinem diaconatus recipere mereatur sue probitatis ac mee intercessionis utilis interventu.

39 Bestätigung durch Bischof Iring von Würzburg, dass der Inhaber dieses Schreibens am Samstag Sitientes zum Diakon geweiht wurde. M fol. 4va–b.

Presentem paginam inspectorisa salutem in Domino. Agnoscant universi, quod nobis I(ringo) Dei gratia Herbipol(ens)i episcopo sabato Sitientes1) sacros clericorum ordines celebrante presentium exibitorumb sancti Spiritus iuncta coadunata gratia promovimus in levitam2) scientie laudabilis et proborum hominum interventu. Pro cuius rei testimonio sibi fortasse terras ad dextras profecturo contra fatigationis inopine calumpniam presentem paginam indulgemus. Sunt enim nonnulli, qui {4vb} non receptos recepisse ordines inprudentic quadam audacia mentiuntur. a) so für inspecturis – b) so für exhibitorem – c) so für impudenti 1) Samstag nach Letare – 2) Nach dem vorausgehenden Stück: Diakon. Ein levita kann allerdings auch ein Inhaber bloß niederer Weihen sein.

40 Bitte eines Pfarrers, den Überbringer dieses Schreibens – einen Bigamisten, der zweimal einen Meineid auf heilige Reliquien geschworen hat – loszusprechen; er habe dies aus Neid getan. M fol. 4vb.

Cor contritum et humiliatum Deus non despicit1), set peccatori, si peccati peniteat humiliter, condescendit. Latorem presentium parrochialem meum in sanctis reliquiis bis periurum falsa quoque face tortum invidie tribus vicibus protestatum necnon bigamie turpitudine maculatum vestre destino sanctitati pro peccatis emendandum et sancte ecclesie reconciliandum. 1) Ps. 50.19: ... non despicies.

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41 Bitte, der Überbringerin dieses Schreibens, die mehrfach Unzucht getrieben und ihr Kind erstickt hat, die als Buße auferlegte Karene zu erleichtern. M fol. 4vb.

Habeuntes libero latrix presentium arbitrio culpis gravibus in sui conditoris faciem terga dedit conceptum aliquociens voluntarie suffocando partum quoque semel apud se nescia sub noctis silencioa obprimendo et aliis criminalibus communibus fornicando. Veruntamen quod post culpam Deus ad se redire persuadet, adversum revocat, commissa non respicit, revertenti sinum pietatis expandit, in abolitione suorum peccaminum karrinam asumpsit, penitencie se submisit, quam vestre dignetur sanctitatis misericordia relevare. a) -o nach Korrektur

42 Aufforderung, das Volk zu unterrichten, dass der Bischof oder ein Stellvertreter am Gründonnerstag in Würzburg einen Ablass erteilen und das heilige Öl für die Krankensalbung und die Taufe weihen wird. M fol. 4vb.

Habet ritus ecclesie, quod in Cena Domini per episcopum dyocesianuma vel per aliquem eius suffraganeum indulgencia pro penitentibus Herbipoli celebratur et sacrumsanctum oleum pro valitudinariis et infantibus consecretur. Super quo divinitatis officio sic nunc fieri debeat, ad intimandum hoc populo nostro nos velitis reddere certioresb, nam in huius salic miseria ita legaliter nemo vivit, ut tenus aliqua non delinquat. a) so M – b) korr. aus –ris – c) huius sali vielleicht statt universali

43 Mitteilung, der erkrankte Bischof werde, sofern er mit Gottes Hilfe wiederhergestellt sei, am Gründonnerstag sowohl das Chrysam weihen als auch den Ablass erteilen.

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M fol. 4vb–5ra.

Aquisitaa vestre discretionis certamb {5ra} reddere non valet responsivam propter gravem corporis impotenciam, qua reverendus dominus ­noster episcopus iam laborat. Veruntamen si reformata complexionis qualitate Dominus ipsum ad gradum sospitatis1), tam crismate consecrando quam indulgenciam celebrandoc in Cena Domini ritum ecclesie obser­ vabit. a) vielleicht für ad quesitam – b) vielleicht für cartam – c) so für celebranda 1) Iob 5.11: ad gradum erigat oder reducat sospitatis.

44 Bürgschaft für den Herrn H. von Brauneck über 60 Ellen Tuch. M fol. 5ra.

Inter negociantes provide posci solet fideiussoria cautio, quaa res credite pactum ad precium levius revertuntur. Instante igitur solutionis termino, quam pro domino H. de Bruneke1) insolute ac fideiussorie michi facere spopondistis, cum ullas LX panni virgulati rubicundis spaciis interstinctis indiguo acredebam, discretionem vestram necessitate cogente moneo ad eandem previso et precauto dampno, quod plerumque suevit ex intrantibus et vescentibus inutiliter suboriri. a) in danach radiert 1) Vermutlich Heinrich von Brauneck zu Neuhaus, belegt seit 1245, verstorben nach dem 4. Oktober 1267 und begraben in Mergentheim: Europäische Stammtafeln 17 (wie Anm. 16) Tafel 5.

45 Die Bürgschaftspflicht für den Herrn H. von Brauneck wegen ihm übergebenen Tuchs wird anerkannt, doch wird gebeten, sie bis zu dessen Rückkehr oder bis zu einem bestimmten Termin auszusetzen. M fol. 5ra.

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Recognoscimus nec ullo ambiguitatis scrupulo diffitemur, quod ad preces domini H. de Bruneke pro panno sibi acredito fideiussimus, quem, si esset in provincia, sine diffcultate solveret, nos quoque obligatos eximeret obligatosa absque dampno. Quocircob monemus providenciam vestram, ut usque ad ipsius reditum vel saltem ad talem terminum nobis velitis inducias concedere de solvendo et nos extunc, quod verbo promisimus, exsecucione digna complebimus dampno eciam quolibet acrescente. a) obligatos irrig in M – b) so für Quocirca

46 Weil Graf H. von Henneberg den Leuten und Gütern des Ausstellers, als er sich nicht im Lande aufhielt, großen Schaden zugefügt hat, bittet dieser einen Freund, zu einem bestimmten Termin an einem bestimmten Ort mit Heeresmacht zu erscheinen, damit sie gemeinsam Rache üben. M fol. 5ra–b.

Quem longa pacis tranquillitas remissum ac saporatum efficit, iniuriarum a sompno suscitat magnitudo. Dudum ad tuam pervenit noticiatua, {5rb} quanta dominus H. comes de Hennenberc1) me tirannide persecutus et inpotentem inglorius populum degrassatus, cum in provincia non essem, in me liberius irruit, armentab rapinose sustulit, villas meas measc quamplures Dei et vindicte timore postposito incendio devastavit. Cuius temeritatem inprobam huius exempli notat auctoritas: „Acrius insultat sevitque profundius ensis, conserte partes ubi nulla repagula donant2).“ Veruntamen ego a tantorum dampnorum et iniuried suspirans toto conamine ultionem tuam confidenter et effectuose dilectionem invoco et exoro, quatenus de propositis iure michi compaciens incomodis tali die et loco michi studeas occurrere potenti brachio, manu forti, ut tuo et aliorum amicorum meorum auxilio illatam valeam tyrannidee conterere vicissitudine responsiva. a) so für noticiam – b) unklar, vielleicht aratoria – c) meas irrig verdoppelt M – d) et iniurie für eius iniuria – e) so für tyrannidem 1)  In Frage kommen Hermann  I. († 1290), dessen älterer Bruder Heinrich  II. († 1262), des letzteren Söhne Hermann II. († 1292) oder Heinrich III. († 1317): Europäische Stammtafeln 16 (wie Anm.  52) Tafel  146.  – 2)  Alanus ab Insulis, ­Anticlaudianus, ed. Robert Bossuet, Paris 1955, S. 81 Verse 286−87.

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47 Der Aussteller verspricht, dem Empfänger wegen der in dessen Abwesenheit durch Graf H. von Henneberg zugefügten Schäden mit Macht zur Hilfe zu eilen, damit sich ähnliche Übeltaten nicht wiederholen. M fol. 5rb.

Lex est equa dolum referire dolore dolorema, in capud, unde venitb egressus, habere regressum1). In meo sedet animo presumptio et iniuria copiosa, quam dominus H. comes de Hennenberc tuis intulit hominibus acrius et validius, cum tuam per absenciam tutaminis repagulum non sentiret. In­ stante igitur hora tempestiva, reddente sibi merite talionis secundum tuarum apicem litterarum, quodquot habere potero, ducam tibi subsidium armatorum, ut ex nostre ultionis gravedine discant alii nobis parcere et a nostris se lesionibus de ceroc coibere. {5va} a) so für dolosum – b) so für fuit – c) so für cetero 1) Hans Walther, Proverbia sententiaeque Latinitatis Medii Aevi, Tl. 2, Göttingen 1964, S. 721 Nr. 13694; Hallik, Sententia (wie Nr. 27, Anm. 3) S. 340 Nr. 5.

48 Damit das Volk nicht unter Fehden zu leiden hat, werden beide Parteien zu einem bestimmten Termin vorgeladen. M fol. 5va.

Plectuntur homines aut fiunt inopes, domicilia concremantur, pupilli et vidue lamentantur, cum auctore diaboloa tanquam in casu summo terrarum prelia suscitantur iuxta illud poeticum: Quicquid delirant reges, plec­ tuntur Achiui1). Ne igitur inter vos patrati cuiusdam odiosi maleficii forte semina renoventur, ut nostra interesse dinoscitur, preveniente consilio et labore flagrantem adhuc ranchoreb vestrum extinguere proponimus in tranquillitatis et concordie gaudia mediante domino residente. Super quo nostri cordis proposito tam utili quam salubri dilectionem vestram ad talem diem seriose ad nostram presenciam evocamus, nec presumat alter­ uter se subtrahere vel ratione aliqua voluntarie absentare, ne suborta suspicio unius ad partes alterius nos inclinet.

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a) celerum zuvor getilgt – b) so für ranchorem 1) Horaz, Epistolae 1.2.14.

49 Gebot an einen Herrn und einen Edlen, die sich gegenseitig bekämpfen, während der Verhandlungen Frieden zu halten; dafür sind Geiseln zu stellen und bei Verletzung der Friedenspflicht 100 Mark Silber an den Aussteller zu zahlen. M fol. 5va.

Et voce testium et vivaci1) testimonio litterarum res geste, ne contradictionis aut oblivionis infuscentur calumpnia, eternantur. Congerentibus inter se guerra diutina et dampnosa generoso viro tali et nobili tali non sine devastatione sibi adiacencium terminorum ad pacis formam et concordie gratiam auxiliante Deo revocavimus datis utrimque securis obsidibus hoc tenore, ut, si quis eorum prior a pace resiliret forsitan instituta, nobis in solvendis C argenti marcis ex pacis violencia teneretur. Super hiis presentisa cyrographo sigilli nostri decrevimus aponere firmamentib. a) so wohl für presenti – b) so wohl für firmamentum 1) Vgl. Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt und seiner Bischöfe, Tl. 2: 1236– 1303, hg. von Gustav Schmidt (Publikationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven 21), Leipzig 1884, S. 170 f. Nr. 925 vom 18. April 1257: voce testium et vivaci littera perhennare.

50 Ermahnung zur Bescheidenheit. M fol. 5va–b.

Planta convalescens ad spem fructus, ut suum erigit plantatorem, itaque genitura moribus et etate proficiens eius exilarata genitorem. Diffusa vice paterna {5vb} dilectio quedam sectanda, quedam summopere devitanda inserta tibi presentibus apicibus preconcepit, quorum primum et precipuum infelix est superbia, que divinum non attingens solium sola deiecit Luciferum insolen-

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tem. Cuius auctoritas in elatione sola consistens totam se profert et respectu contumaci, cui non est par nec ea melior sui sibi de se iudicio mentiente, qua peste malignissima penitus relegata, si salubribus aquiescis, ad scalam superbie caveto presumere, nam dum videtur integra, rumpitur et relinquit suo ludibrium ascensori. Preterea leves et levia locis in omnibus abhorrescas, magistrum honora, consocios tuos ama. Maiores ut patres, minores ut fratres te moneo et precipio venerari. Denique omnibus inferiorem teb habeas, ut superior omnibus habearis. Hec et alia tibi congrua frequenter mentem tuam subeant, ut ex tuo profectu benedictionem paternam cotidie merearis. a) korr. aus exilaret – b) am Rande

51 Bitte um Unterricht in der scientia dictandi. M fol. 5vb.

Videtur et idem fama predicat, quod tam arte quam ingenio redimitum dictandi scientia divina gratia vos beavit. Cui summo cupientes aplicari desiderio, benignitatem vestram et quanto melius possumus exortamur, quatenus cure vestre nos mancipantes curetis instruere fideliter ad eandem, scituri quod vestri laboris efficacia responsionis merito non carebit. 52 Erklärung der Bereitschaft, Unterricht zu erteilen. M fol. 5vb–6ra.

Si quid sciencie, quam modicam esse confiteor, pectori meo Dominus in­ spiravit, vobis et universis addiscere volentibus pro modulo recipiencium infundere {6ra} sum paratus. Quicquid enim scitur, non secundum sui vim, set pocius cognoscencium comprehenditur facultatem. Exortor sollicitudinem vestram, quatenus uta abiectis vanitatum otiis cupiende virtuti concedatis animum intentum aplicabilem tempestivum, ut in vestro profectu decursus temporis in fructus faciat mei laboris semina pullulare. a) sic M, zu streichen

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53 Dank für die Zustimmung zu einer Bitte. M fol. 6ra.

Vestre preminenciea bonitatis gratiarum, si non quantas debemus, saltem quantas possumus, referimus actiones, quod subnixisb pube die vestre precibus tam subnixec annuere curavistis, iuxta quas nova et alia cordis nostri vobis desideria destinamus, ut summatim velitis discere, que cause mentusd dociles precipue soleant docibilibus1) ablegare, quibus cognitis iuvante Domino noxia valebimus evitare. a) so für preeminentie – b) zu streichen – c) so für subnixis – d) unklar 1) Vgl. 2. Tim. 2.24.

54 Unterricht in den freien Künsten. M fol. 6ra.

Quid multis nocibilibus arcium liberalium ac scolastice discipline super noticiea malignetur, prestolantes petebatis solicite responsivam, quibus, ut teneorb, promotionis cuiuslibet gerens affectum volo modis omnibus abotiisc quibuscumque conventiculis dampnose petulancie domesticorum precipue continere. Sic in vobis capiet, quod intendo1). a) so wohl für notitiam – b) vielleicht für teneo – c) unklar 1) Der Text dieses Stücks ist so verderbt, dass sich der Sinn nicht mehr erkennen lässt.

55 Formeln zu Anrede von Untergebenen. M fol. 6ra.

Parere volentes decreto salubria, quod vestra nobis pericia distillavitb, remonemus discrecionem vestram, quatenus nobis preceptionic vestre subdi-

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tis iuxta diversorumd statume personarum compendiosam traditionem salutandi per regulas colligatis. Hoc etenim intentionis nostre desiderat principium et ingressus. a) ab hier neuer Ansatz des Schreibers, wohl keine neue Hand – b) vielleicht für destinavit – c) korr. aus preceptione – d) so für diversarum – e) hinzugefügtes diver getilgt

56 Bitte um erneute Unterstützung zum Eintritt in einen Orden, den der Bittsteller bereits wiederholt schuldhaft verlassen hatte, bei der nächsten Kapitelsversammlung. M fol. 6ra–b.

Prenoscens omnia divina cognitio, cum {6rb} ad vigilandum et orandum discipulos ammoneret, carne quidam infirma, proptuma vero spiritum asserebat1). Quid est ergo, quod securus de se quis estimet vel presumat, ubi ministris tam electis, vera karitate tam perfectis, lapsusb negatimc sompnolentia obrepebat2)? Illustrante boni spiritus gratia iugum conabar ferre et asummere ordinis gravioris, set mole pressus carnea subsistere non valui et eundem iterato deserui concepto heu spiritu subcumbente. Verum quia iam idem Deo gratias reviviscit, inestimabili flagrans penitencia pro conmissis, rogo, moneo voce cordis et oris vestris genibus provolutisd, quatenus ad capitulum in proximo venientee pro mei receptione velitis intercedere opera efficaci, ut proinde vos participem facere debeam, si quid in hac vita gessero Deo dignumf. a) so für promptum – b) so für lapsis – c) vielleicht für negative – d) so für provolutus – e) so für venientem – f) dignum Deo nach Korrektur mit . b . und . a . umgestellt 1) Matth. 26.41: Vigilate et orate, ut non intretis in tentationem. Spiritus quidem promptus est, caro autem infirma. – 2) Vgl. Matth. 26.70,72.

57 Bitte um die Wiederaufnahme eines Reumütigen in einen Orden. M fol. 6rb–va.

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Non dampnatur qui cecidit, sed qui post lapsum non assumit propositum resurgendi. Contritus nimium talis Dei minister nostri quondam ordinis illum reliquisse et a Christi ministerio destitisse vultu verecundo tamquam sui reatus conscio me accedens profusis etiam lacrimis meam parvitatem miserabiliter inmo et incompassibiliter invocavit, ut interpellare vellem auctoritatis vestre gratiam pro sui restitucione devotius inperpetuum, a quo apostotavita, Domino servituri et vosb, si ewangelica vos tangit ratio, videlicet Beati misericordes, quoniam ipsi misericordiam consequentur1), et accepta sit mea pro ipso vobis intercessio propter Deum rescribere confratrum numero ac restituere dignemini semite derelicte. Nisi {6va} enim ipse Dei traditor maius esse suum delictum quam venie meritum estimasset, nefas, ut opinor, insolabiliter non defleret2). a) so für apostatavit – b) vielleicht für serviturus et vobis 1) Matth. 5.7. – 2) Vgl. Matth. 26.75.

58 Der Präzeptor H. teilt den Johanniterkomturen in Deutschland mit, er habe nach Bußleistung einem Priester das wegen Apostasie verwirkte Ordenskreuz zurückgegeben, und befiehlt, diesen Priester deshalb nicht mehr für ehrlos zu halten. M fol. 6va.

Dilectis in Christo commendatoribus universis Hospitalariorum per totam Alimoniama constitutis H. preceptor eiusdem1) pro affectum et profectum Domino complacere. Superante precum efficacia meum propositum in hac parte ad rigorem iusticie solidatum tali sacerdoti crucem restituimus, quamb per inobedientie maculam a nobis apostotandoc demeruerat insigniri. Mandamus igitur universitatid vestre, ut ipsius abolentes infamiam, qui per excessum Deo quasi mortuus fuerat, eum revixisse per fructum penitencie pariter gaudeatis et vestre communionem equalitatis mereatur sibi sanctitas actionis2). a) so für Alimaniam – b) so für qua; quam wohl wegen demeruerat – c) so für apostatando – d) korr. aus universitatem 1) Heinrich von Boxberg oder Heinrich von Fürstenberg (wie Anm. 19). – 2) Grégoire le Grand, Le règle pastorale, hg. von Floribert Rommel mit französischer Übersetzung von Charles Morel (Sources Chrétiennes 381), Paris 1992, S. 210 [2.6

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Z. 98 f.]; ebenso Moralia in Iob 26.45, ed. Marc Adriaen (Corpus Christianorum. Series latina 143B), Turnhout 1985, S. 1301.

59 Da es nützlich ist, Ämter immer wieder anders zu besetzen, schickt der Aussteller den Bruder C., den er mit Rat seiner Helfer zum Komtur ernannt hat, und befiehlt, ihm bei der Ausübung seines Amtes behilflich zu sein. M fol. 6va.

Quociens vestre vigilancia solicitudinis domorum alternat magistratus vel officiob, personarum affectum non considerat, set profectum, iuxta quem et ea commutanusc in respectu divini timoris et proprie honorisd usquequaque solicite procurandum. Dilectum itaque C. fratrem karitati vestre transmittimus ex ordinatione nostra et assidentiume lateri nostro requisito consilio comendatoris officio institutum, rogantes pariter et mandantes, ut debitam in eo nobis reverentiam observantes affectione condigna studeatis ipsius laboris honera sublevare. a

a) ab hier neuer Ansatz des Schreibers, wohl keine neue Hand – b) so für officium – c) so für commutamus – d) korr. aus timoris – e) so für assistentium

60 Dekan und Domkapitel zu Würzburg bitten Papst Alexander (IV.), den in ihrer Kirche begrabenen Bischof Bruno von Würzburg öffentlich zum Heiligen zu erheben. M fol. 6va–b.

Sanctissimo patri ac dominoa Alex(an)dro sacrosancte Romanę ecclesie summo pontifici decanus et totum capitulum maioris ecclesie Herbipolen(sis) devoti filii de{6vb}bitam ac devotamb in omnibus obedienciam. Fides habet meritum, cui ratio vivum prebere poterit experimentum. Vita beatc Brunonis inolita boni quondam patroni nostri et pontificis reverendi prelucens iusticie speculum candentis a regula perexemplis docmata revocavit nec in aliquad virtutis apice claudicavit. Tumbam, quam sui lapsi de vite medioe, ut multorum predecessorum nostrorum ac veridicorum assertio protestatur, frequen-

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tibus Deus, qui pro servis suis operatur, illustravit miraculis nec adhuc desinit illustraref in evidens eius pontificis indicium sanctitatis. Hinc est, quod vestre sanctitati reverenter et humiliter suplicamus, ut quem sanctorum colligiog firmiter credimush agregatum, auctoritatis vestre signet indulgencia de gleba terre sancte tollere diemque solempnem in salutem omnium eum visitancium et sinceritatei cordis deprecancium celebrare. a) hinzugefügtes suo getilgt – b) korr. aus debitam – c) so für beati – d) so für aliquo – e) korr. aus medium – f) korr. aus illustravit – g) so für collegio – h) hinzugefügtes fir getiligt – i) korr. aus sinceritatis

61 Die Johanniter in Mergentheim verleihen einem Dorfbewohner zwei Joch Weingärten auf einem Weinberg auf zwölf Jahre. Dafür soll er die Hälfte des Ertrags vor dem Pressen der Trauben abliefern und jedes Jahr diese Weingärten mit sechs Fudern düngen. Bei Säumnis wird eine Strafe von 9 Pfund Hellern fällig. M fol. 6vb.

Tenore presencium pateat universis, quod nos fratres Hospitalis in Mer(gentheim) villano tali duo iugera vineti domosa nostre tali monte sita suis flexi suplicationibus ad spacium XII annorum concessimus pro medietate fructuum ante torcular equaliter presentanda, tali videlicet interposita pactione, quod idem VI plaustris ad maiorem fertilitatem annis singulis dictam vineam infimabit, quod, si fortassis de ulliusb culture negligencia convinci veraci testimonio poterit, angarie seu pene novem libramc nobis Hall(ensium) assignabit. Pro cuius rei evidencia presentem litteram dedimus nostri sigilli munimine roboratam. Actum etcetera. {7ra} a)  so für domus – b) so für illius – c) so für librarum

62 Ein Privileg eximiert gleichsam als privates Gesetz von dem allgemeinen Gesetz oder Edikt. Beschrieben werden sodann Formeln eines Privilegs von Papst Alexander (IV.) für die Johanniter. M fol. 7ra–b.

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Ad habenduma privilegiorum noticiam notandum, quod privilegium est apostolica vel imperialis sanctio, qua iura firma servantur et integra1). Et dicitur privilegium quasi lex privata, id est specialis et propria2), quod nos tribuentis auctoritate defendit, ut nulla lege valeamus gravari vel edicto. Debet autem prima linea exstensis disponi litteris in hunc modum: ALEXANDER episcopus servus servorum Dei universis Christi fidelibus im perpetuum. Hoc est pro salutatione. Deinde ponatur aliqua sentencia generalis isto modo: Ex iniuncto nobis apostolatus officio cogimur aut tenemur audire preces humilium et eorum iustis votis prebere consensum facilem. Post hanc generalem sentenciam sub persona pape cito subsequens ponatur oratio tali modo: Devotorum filiorum domus Hospitalis Iherosolimitanisb pericula contemplantes, quibus ad debellandum paganorum cuneos, Dei et ecclesie inimicos angustiati, cesi, mersi cottidie se exponunt fratres ordinis eiusdem per omnem terrarum ambitum cum rebus et personis specialis gratia privilegii Romanam in libertatem recepimus ac tutelam. Cuius receptionis evidenciam presentisc singrafod confirmamus. Confirmat autem dominus papa solum licite habita vel habenda. Post hoc sequi debet anathema terribile sub hiis verbis: Quecum­ que vero ecclesiastica vel secularis persona presenti pagine nititur contraire vel presentem paginam conabitur infirmare, in extremo iudiciie vel examinisf cum iquisg recipiat portionem. – vel aliter: cum Iuda, Datan, Abyron penis {7rb} infernalibus crucietur3). Post hoc ponantur fieri signa consueta. a) so für habendam – b) so für Iherosolimitani – c) so für presenti – d) so für cirografo – e) so für iudicio – f) so für examine – g) cum iquis für congruam 1) Privilegium est apostolica vel imperialis sanctio ratione firmata. Ars dictandi Aurelianensis, in: Rockinger, Briefsteller (wie Anm. 1) S. 103–114, hier S. 111. – 2) Isidor von Sevilla, Etymologie 5.18; vgl. Die Jüngere Hildesheimer Briefsammlung, hg. von Rolf De Kegel (MGH Die Briefe der deutschen Kaiserzeit 7), München 1995, S.  7.  – 3)  Vgl. Num. 16.1, Deut. 11.6, Ps. 105.17. Eine derartige Pönformel mag recht verbreitet gewesen sein; sie taucht ähnlich auf z. B. in einer Privaturkunde der Gräfin Sancha Fernández und ihrer Kinder für das Kloster Santa Maria de Sandoval vom 29. August 1230: Colección documental del monastero de Villaverde de Sandoval (1132–1500), ed. Mauricio Herrero Jiménez (Fuentes y estudios de historia leonesa 101), León 2003, Nr. 65: ... iram Dei omnipotentis incurrat eumque cum Iuda, Dathan et Abiron pena puniat eternali ...

63 Der Kaiser überträgt dem überlebenden Sohn des verstorbenen G(ottfried) von Hohenlohe wegen dessen Verdiensten die Stadt Rothenburg als Lehen

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auf Lebenszeit, so dass er jährlich davon 300  Pfund Heller empfängt. Papst­urkunden sehen ähnlich aus, doch wird bei Kaiserurkunden ein von Schlangen umwundenes Zeichen hinzugefügt, um Schrecken unter den Menschen zu verbreiten. M fol. 7vb.

Magestatis imperatorie1) referre dinoscitur fidelium subiectorum sic munificentie curam gerere, ut eorum exemplo virtutum ad studia ceteri provocentur assidua et devota. Bonia memorie G. de Hohenloch2) nobis et imperio fidelis ad observata semper obsequia recolentes pio animi decreto ab eiusdem filio nunc superstiti3) ac fidelitatis in officio patrissantib civitatem Rotenpurc titulo feudi concedimus4), coad vixerit, singulis ei annis in trecentis libris Hall(ensium) servituram5). Quam eandem nostre largitatis gratiam presentis privilegii firmamento roboramus. Quisquis autem huic scripto seu facto ausu temerario contrarius esse presumpserit vel rebellis, menbrorum sentencie dampnabitur aut, cum poterit, IIII marcas persolvet curie nostre magne6). Actum publice in nostro palatio anno verbi incarnationis M CC L VIII, imperii nostri vicesimo, indictione nona7). Hec ultima adiunctio, scilicet: Actum etcetera, in privilegiis domini pape similiter observatoc. Hoc tamen conside­ rato, quod in privilegiis imperialibus signa quedam interseruntur ad maiorem hominum terrorem serpentibus circumvoluta, nec umquam nisi bene ad rem pertinentem generaled sententiam licet privilegiis adaptare. a) so für Bone – b) korr. aus patrissante – c) so für observatur – d) so für generalem 1) Die Formulierung verweist auf einen Kaiser als Aussteller, so dass anscheinend eine Urkunde Friedrichs II. vorlag. – 2) siehe oben Anm. 16. – 3) Gottfried wurde von seinen Söhnen Albrecht und Kraft beerbt; hier dürfte ersterer gemeint sein. – 4) König Konrad IV. verpfändete am 2. August 1251, vor seinem Aufbruch nach Italien, die Stadt Rothenburg, die Juden daselbst und das benachbarte Gebsattel für 3000 Mark Silber an Albrechts Vater Gottfried von Hohenlohe: RI V Nr. 4553; Hohenlohisches Urkundenbuch 1 (wie Anm. 16) S. 159 f. Nr. 245. – 5) Nach der Steuerliste von 1241 entrichteten Rothenburg 90 Mark Silber und die Juden daselbst 10 Mark Silber: MGH Const. 3, S. 1–5, hier S. 3 Nr. 61. – 6) Eine solche Sanctio oder Pönformel mit 4 Mark an den Großhof ist völlig ungewöhnlich in staufischen Urkunden. – 7) Die drei Jahresangaben passen nicht zusammen. Das 20. Kaiserjahr Friedrichs II. begann am 22. November 1240. Die 9. Indiktion galt u. a. für die Jahre 1236, 1251 und 1266; die staufischen Kanzleien folgen gewöhnlich der Indictio Graeca, bei der das Indiktionsjahr am 1. September vor unserem Jahresbeginn umschlägt: MGH DD F. II. 3, S. LXXXV f. Sollte es sich um einen Entwurf für die Bestätigung der Verschreibung Konrads IV. von 1251 im angegebenen Inkarnationsjahr 1258 handeln?

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64 NN macht sein Testament. Nach Abzug seiner Schulden erhält seine Frau B. ihr Wittum sowie 60 Mark Silber und ihr Haus. Sein ältester Sohn erhält die Lehen und soll davon den jüngeren Brüdern Unterhalt leisten, bis sie volljährig werden. Die Kirche, auf deren Friedhof der Testator begraben wird, erhält alle Zehnten, die der Testator besitzt. M fol. 7rb–va.

Universa bona, que prestat homini partem, debet prestitorum et habere {7va} locum in pagina testamenti. Sciant ergo presentisa et futuri, quod ego talis in egritudinis lecto recubans de observanda extrema voluntate mea solicite cogitans testamentum meum, sicut privisumb est et decuit, ordinavi, edictum faciens et preceptum, ut debita mea, quecumque fuerint, in integrum deducantur. Quibus deductis rite et persolutis B. uxor mea sive consors thori mei res parafarnalesc, id est iuxta dotem habitas, cum argenti marcis LX domoque sua debeat obtinere. Meus vero filius, qui primus matris vulvam aperuit, primogeniture iustitia1) quelibet feoda mea possideat et etate minoribus eius fratribus, usque ad provectam discretionis lineam perveniant, de necessariis deinde provideat competenter. Preterea statui et decrevi, quod ecclesia, cuius in cimiterio sepulture locum desidero, perpetuo meis decimis gaudere debeat quibuscumque. Hanc ordinationem tam dignam quam honestam astante prole mea factam sigillo tali et presencium litterarum apicibus roboravi. Testes etcetera. Acta etcetera. a) so für presentes – b) so für previsum – c) so für paraphernales 1) Vgl. Exod. 13.2, Num. 3.12.

65 Der Aussteller gewährt um seines, seiner Eltern und Nachkommen Seelenheils willen einem Mann und allen dessen jetzigen und künftigen Kindern die Freiheit. Drei Söhne des Ausstellers haben zugestimmt. M fol. 7va–b.

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Debitori suo quicumque misericordiam fecerit, illi fiet a summo iudice misericordia, cum dies extremi iudicii venerit, dies ire, dies flebilis et tremenda1). Innotescat ergo presentibus et futuris sive posteris, quod ego talem hominem pro amore Dei et meorum remissionem peccaminum parentumque meorum cum universis heredibus ipsius iam natis vel inposterum nascituris nunc et semper {7vb} ab omni debito ex libertorum servicio ­relaxavi. Et ne per meos filios A, B, C2), qui consencientes et presentes adheranta, ulla valeat contradictionis calumpnia suboriri, manumissionem huiusmodi sigillo meo et presentis pagine testimonio confirmavi. Testes etcetera. Acta etcetera. a) so für aderant 1) Vgl. Soph. 1.15: Dies ire, dies illa. Zu dem obigen Hymnus vgl. Marc Bloch, Rois et serfs. Un chapitre d’histoire capétienne, Paris 1920, S. 140 mit Anm. 4. – 2) Hier sind die Siglen für das Formularium erfunden, während sonst anscheinend durchgängig der Anfangsbuchstabe des realen Namens stehen blieb. Anders verfuhr das Würzburger Formular aus den 20er Jahren des 14. Jh., vgl. Wendehorst, Tabula (wie Anm. 53) S. XIII.

66 Der Aussteller klagt, seine einzige Tochter sei durch den Ritter B., der sich nächtens heimlich in die Vorburg (suburbium) eingeschlichen hatte und mit Worten sein Ziel nicht erreichen konnte, vergewaltigt worden, und fordert dessen Bestrafung. M fol. 7vb.

Coerceri cum debeat omnis illata, omnis presumptio vindicari debet in eum potissime, qui lacessit viduam aut egenam. Unam et unicam natura michi dederat filiam et a sexu fraudem iacetarata meliore. In hac meum defixeram solacium credens et sperans eandem habere baculum1), cum ad annos descenderem inbecilles. Quidam vero miles B. nomine talis castelli nostri noctis in silencio meum mappaleb subintrans in suburbio, cum ad votum nequiret eam flectere promissis et precibus, ve, per violentiam defloravit, cuius raptus crimen clamorosum et nefarium ad vestre sanctitatis audientiam lacrimosis vocibus iam perlatum punire dignemini, qua puniendum noveritis, ultione. a) vielleicht für incitabat – b) vielleicht für mappale tectus oder indutus 1) Vgl. Tob. 5.23.

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Anhang

67 Kaiser Friedrich II. mahnt seinen Sohn König Konrad IV., seinen Ratgebern zu folgen, doppelzüngige Diener zu meiden, auf ehrenhafte Männer zu hören, Schmeichler nicht zuzulassen, Fürsten und getreuen Prälaten Ehre zu erweisen, die Ritterschaft zu lieben und sich als ebenso frommer wie gerechter Herrscher zu erweisen. Die Jagd will der Kaiser seinem Sohn nicht verbieten, doch solle dieser dabei seiner königlichen Würde nichts vergeben und sich nicht mit dem Gefolge sowie dessen leichtfertigen Reden gemein machen. Besonders solle er seinen Vater achten und den von diesem bestimmten Ratgebern folgen, eingedenk des Schicksals seines Bruders, des Königs Heinrich (VII.), der hochmütig dem Vater nicht gehorchen wollte und dessen Platz nun Konrad selbst einnimmt. (1242–50) M fol. 74rb–vb. Überliefert in mindestens 17 weiteren Handschriften, gewöhnlich mit Petrus de Vinea-Material: – zweite Hälfte 13. Jh., Firenze, Biblioteca Nazionale Centrale, Fondo Landau Finlay 17 [hier F], fol. 30v–31r Nr. 78; – 13. Jh., Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 953, fol. 50v– 51r Nr. 36; – spätes 13. oder frühes 14. Jh., Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 14204, fol. 5r Nr. 17; – spätes 13. oder frühes 14. Jh., Paris, Bibliothèque nationale, lat. 2954, fol. 1rv–7va Nr. 2; – spätes 13. oder frühes 14. Jh., Wrocław, Biblioteka Uniwersitecka, R 342, fol. 31v Nr. 51; – 14. Jh., Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 4957, fol. 45r–v Nr. 47; – 14. Jh., Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Vat. lat. 5985, fol. Vorsatzblatt r–v Nr. 2, unter Einzelstücken vor einer großen fünfteiligen Petrus de Vinea-Sammlung; – 14. Jh., Palermo, Biblioteca della Società Siciliana per la Storia Patria, Ms. I. B. 25 (Codice Fitalia), fol. 47v–48r Nr. 40 [hier P]; – 14. Jh., Torino, Biblioteca Nazionale Universitaria, H. III. 38, fol. 70r; – 14. Jh., Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, lat. fol. 188, fol. 63v– 64r Nr. 41 [hier B], in Buch IV einer nach Petrus de Vinea benannten Briefsammlung; – 1349, Cambridge, University Library, Add. 3040, fol. 69r–71v Nr. 2, vermutlich Nr. 41 in Buch IV der gleichen Sammlung;

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– 15. Jh., Leipzig, Universitätsbibliothek, 1268, fol. 46v–47r Nr. 69 [hier L]; – 15. Jh., Jena, Universitätsbibliothek, El. phil. q. 1, fol. 1r–85r Nr. 67; – 15. Jh., Wolfenbüttel, Herzog-August-Bibliothek, Helmstad. 298, Nr. 85; – 15. Jh., Wrocław, Biblioteca Uniwersitecka, IV. fol. 102, Nr. 30; – 15. Jh., Wien Österreichische Nationalbibliothek, 401, Nr. 24; – um 1500, von Konrad Peutinger angelegt, Stuttgart, Württembergische Landesbibiliothek, Cod. hist. 2o 247, fol. 153v–154r Nr. 12, unter 36 Einzelstücken. Drucke: Simon Friedrich Hahn, Collectio monumentorum veterum et recentium ineditorum 1 (1724) S. 228 f. Nr. 18; Stephan Alexander Würdtwein, Nova subsidia diplomatica ad selecta juris ecclesiastici Germaniae et historiarum capita elucidanda, Tl. 11 (1788) S. 10–12 [WÜ]; Huillard-Bréholles, Historia diplomatica Friderici secundi 6/1 (1860) S. 245 f. [HBH]; Eduard Winkelmann, Acta imperii inedita 2 (1885) S. 43 Nr. 40 [WI, nur Incipit und Explicit sowie der Zusatz aus M]; ebenso nur der Zusatz bei Enzensberger, La struttura (wie Anm. 55) S. 59; Errico Cuozzo, La nobiltà dell’Italia meridionale e gli Hohenstaufen. Appendice di testi latini dei secoli XII e XIII, hg. von Edoardo D’Angelo, Salerno 1995, S. 191–193. Regest: RI V Nr.  3453. Literatur: Schaller, Handschriftenverzeichnis (wie Anm. 1) Nr. 11, 34, 46, 53, 55, 57, 71, 78, 97, 122, 151, 153, 202, 207, 216, 235, 239, 241. Zahlreiche Erwähnungen, darunter Federico II di Svevia, De arte venenadi cum avibus, hg. von Anna Laura Trombetti Budriesi (Collana di Fonti e Studi 10), Ariano Irpino 2000, S. CXLVII Anm. 337 zu S. CIII. Da König Heinrich (VII). als verstorben erwähnt wird, muß das Stück, wenn es echt ist, nach 1242 entstanden sein. Terminus ante quem wäre sicher der Tod des Kaisers 1250, vielleicht die Volljährigkeit Konrads IV. 1244 mit Vollendung des 16. Lebensjahres (so WI). Außer M wurden für die nachfolgende Edition auch P, B und L kollationiert. Der unten folgende Text gibt M einschließlich seiner Fehler wieder, auf die in den Anmerkungen hingewiesen wird.

Fr(idericus)a Dei gratia Romanorum imperator semper augustusb, Ierusalem et Sicilie rex, C(onrado) filio suo etceteraa. Gloria genitoris est filius sapiens, et obedientia filii paterna cottidiec benedictione beatur. Gaudiumd este igiturf nobis, o Cesareig sanguinish divai prolesj, quod regalisk indoles tual laudabiliter moribus clareat etm quod scientia cottidien proficiato et etate, ut honorificeturp nomen Augusti patris in rege filio et iam impleasq virtute regnantemr. Benedicits itaque dextra nostra tibit et tuarumu incrementis honorumv, etw felici statuix tuo paterney zelo sollicitudinis aspiramusz,y, hortantesa2 filiationem tuam per gratiam nostram, quam in te gerimus, paterno cordeb2 diffusamc2, quatenusd2 de bono in melius decorese2 etf2 felicitesg2 mores tuosh2,f2, de virtute proficiensi2 in virtutem, etj2 cumk2 materiam virtutisl2 habeasm2,j2, proferas remn2 in actumo2. Consultorump2,q2 etenim tuorumr2,s2 consiliisq2 et prudentiat2 non abhorreas informariu2, servos bilinguesv2 aspernasw2; viros honestate conspi-

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cuos audire te volumus et amare, leves et levia non admittasx2. Palpansy2 adulatioz2 in aulaa3 tua locum non habeat {74va} et detractoribus, qui serpunt circab3 limina prepotentumc3, aures regias nond3 impendas. Principese3 vero nostros, nostri columpnas imperii et imperialis amatores nominis et honoris, debito liberaliter honore preveniase3. Prelatos indifferenter honoresf3 nobis et imperiog3 devotosh3 obi3 auctorisj3 ac Dei ecclesiek3 reverentiaml3, quim3 regnan3 constituit et imperium preposuit universiso3. In stennuitatep3 militum et militieq3 delecteris, affabilis et misericorsr3, affabilems3 te prebeas ett3 exaudibilem subditis, iuste pius et pie iustus existens. Pacificus rexu3 et verax, utv3 rectew3 sibi misericordia et veritasx3 obviantesv3, iustitia simuly3 et pax tuum regale solium complectanturz3. Aucupationesa4 et venationum solatia regibus assueta tibib4 non interdicimus loco et tempore cum exercitatis hominibus exercenda. Monemus tamen, et istudc4 fore volumus ad cautelam, quod prod4 venationis exercitio vel deductionibuse4 aviumd4 non tef4 adhibeas adeo familiarem venatoribus balistarumg4 et versatoribush4, ut gravitatemi4 regiam frivolis verbis offendant et suis confabulationibus alterent et inficiant bonos mores. Adj4 nos autemk4 memoriterl4 respectum habeas et velud nobis inspectoresm4 singula discreten4 provideaso4, facias et sequerisp4,j4, assistentium lateri tuoq4 de ordinatione nostra consiliariorumr4 consiliiss4 inherendot4. Et ut scias evitareu4 noxia etv4 discas salutaribus informari, inprovisa tui fratris quondam regisw4 Henricix4 et incauta temeritas veniaty4 frequenter in mentem, quez4 pro eo, quod nobis decerderea5 voluitb5 et obedire patri filius recusavit, secutusc5 adulationesd5, blanditias et suggestuse5 necnonf5 etg5 prava consilia diripientium bona sua et pervertentium cottidieh5 mores eiusi5, cecidit a sede, quam habuit, utj5 ingratusf5, et tuk5, bone indolis fili, locuml5 eius nobis concedentibus accepistim5. Sis igiturn5 nobis obediens et devotus, eto5 verbap5 nostra memoriq5 corder5 retineass5 ett5 tam effectuu5 quam opere persequarisv5, utw5 augeatur in tex5 benedictioy5 nostra continuaz5 et regnuma6 tuum optatab6 felicitate firmetur. Nobis quoquec6 de continentia {74vb} bonad6, processu laudabili et optatise6 successibus tuisf6 letitie cumulusg6 eth6 glorie proveniat incrementumi6 de filio sapientej6. Doctrinamk6 quoque, iuxta quod per litteras nostras te sepius sollicitavimus, libenti animo amplecteris, existendo sub preceptoresl6 ferula obediens, sicut decet, et si scire desiderasm6, desideres et docerin6,k6. a–a) Fridericus imperator instruit regem H. (über der Zeile verbessert zu Conradum) filium suum, qualiter se debeat gerere in solio regali. Rubrica P; Doctrina quadam imperator ostendit regi C. filio suo, quomodo debeat uti virtutibus B;

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Monet imperator filium suum, qualiter se debat virtutibus informare L; fehlt WÜ; Fredericus Dei gratia Romanorum imperator semper augustus, Ierusalem et Sicilie rex, dilecto filio suo Conrado regi, etcetera HBH; Fridericus etcetera Conrado regi etcetera WI – b) semper augustus fehlt F – c) cotidie paterna stellt um P – d) Gaudendum B, L – e) so M, WÜ; es richtig HBH – f) ergo HBH; ergo est stellt um L – g) o Cesarei] et Caesareo WÜ – h) sanguini WÜ – i) divina B, L – j) diva proles fehlt WÜ – k) laudabilis WÜ – l) tuis P – m) fehlt B, F, L, P, HBH; quod et stellt um WÜ – n) fehlt B, L, P – o) so M, HBH; proficias richtig B, F, L, P, WÜ – p) honorifecetur P – q) implearis P, impleat WÜ – r) regnantis P – s) Benedicat P – t) fehlt HBH – u) so M; tuorum richtig B, F, L, P, WÜ, HBH – v) bonorum P – w) ac F, L, P, WÜ, HBH – x) fehlt P – y–y) paterno F, L, HBH; paterne – aspiramus fehlt WÜ  – z)  aspiremus P  – a2)  orantes F, P, HBH, honorantes B, L  – b2) corde paterno stellt um P – c2) fehlt P – d2) quod HBH – e2) labores P – f2– f2) et – tuos] feliciter, ut P – g2) felices L, decores fügt hinzu B, L – h2) et fügt hinzu B, L – i2) proficuis P, proficias B, L – j2–j2) et – habeas fehlt WÜ – k2) et cum] ut in P, ut cum B, L – l2) virtutem P – m2) habens P – n2) ut P – o2) rem in actum fehlt WÜ – p2) Consultor B, L, P – q2–q2) Consultorum – consiliis] Consilio procerum, quorum consilium WÜ – r2) procerum, quorum B, L, P – s2) Consultorum etenim tuorum] Consultor sis procerum, quorum F, HBH – t2) providentia P, prudentiam WÜ – u2) et fügt hinzu F – v2) servos bilingues] serpiligos P  – w2)  aspernens P, aspernari B, L, WÜ; servos bilingues aspernas] et servos aspernari bilingues et F (et fehlt), HBH – x2) admittans P – y2) Palpansque P – z2) adulator B, L, P – a3) aure HBH – b3) serpunt circa] spernunt P – c3) potentum HBH, prepotentum limina stellt um F – d3) numquam WÜ – e3–e3) Principes – prevenias fehlt B, F, L, P, HBH – f3) indifferenter honores fehlt B, F, L, P, WÜ, HBH – g3) nostro fügt hinzu F, L – h3) ac Dei ecclesiasticos indifferenter honores F, P, HBH, ac deinde ecclesiasticas personas indifferenter honores B, ac omnes ecclesiasticos indifferenter honora L, WÜ – i3) ab P – j3) auctoritatis B, L – k3)  ac Dei ecclesie fehlt B, F, P, WÜ, HBH  – l3)  reverentia P  – m3)  que B  – n3) regnum, vielleicht regunde P – o3) preposuit universis fehlt WÜ; te non invenias vacuatum, sed plenum fügt hinzu P  – p3)  serenitate P, WÜ; severitate HBH – q3) militia P – r3) affabilis et misericors fehlt B, F, L, P, WÜ, HBH – s3) affabiliter L – t3) fehlt F, P – u3) fehlt P, WÜ – v3–v3) ut – obviantes fehlt WÜ – w3) recte] in te HBH – x3) veri[t]ates P – y3) similis P – z3) amplectantur F, P, amplectentur HBH – a4) Astores P – b4) fehlt P – c4) illud B, L; tibi fügt hinzu HBH – d4–d4) pro – avium fehlt WÜ – e4) deductionis F – f4) te non stellt um WÜ – g4) korr. aus valistarum M, balistariis B, F, L, P, HBH – h4) birsatoribus seu versatoribus B; balistarum et versatoribus fehlt WÜ, et versatoribus fehlt P  – i4) dignitatem P, gratuitatem B – j4–j4) Ad – sequeris fehlt WÜ – k4) fehlt B, L – l4) memorie F, memorialiter P – m4) in pectores HBH; nobis inspectores] in pectore nobis P, nobis in pectore B, L – n4) districte P, L, distincte HBH – o4) prodeas P; et fügt hinzu B, L – p4) facias et sequeris] facias exequaris P, et sequere HBH, facias et sequaris B, F, L – q4) nostro P – r4) consiliatorum B, L, P – s4) consilio WÜ  – t4)  honorando P, inhaereas WÜ  – u4)  evitari L  – v4)  ut fügt hinzu L  – w4) fehlt WÜ – x4) H. P, Heinrici B – y4) veniat tibi P, tibi veniat B, L – z4) qui B, F, L, WÜ, HBH, quid P – a5) so M; decredere richtig F, WÜ, condescendere HBH,

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obedire P, credere B, L – b5) noluit richtig B, L, HBH – c5) est fügt hinzu WÜ – d5) adulationibus HBH – e5) suggestiones P – f5–f5) necnon – ingratus] malevolorum WÜ – g5) fehlt B, F, P, HBH – h5) fehlt P, B – i5) fehlt P – j5) et P, B, L – k5) et tu] quam B, L – l5) loco B, L – m5) accepisse P – n5) ergo P, HBH, enim B, L – o5) fehlt F, P, WÜ – p5) devotus et verba] monita B, L – q5) memorie P – r5) cordi P – s5) retinens P – t5) fehlt P – u5) affectu B, F, L, P, WÜ – v5) prosequaris B, L – w5) tibi fügt hinzu B, L, P – x5) in te fehlt B, F, L, P, WÜ – y5) gratia B, L – z5) so M, HBH, continue B, WÜ, cottidie continue L, fehlt P – a6) regimen WÜ – b6) obtenta P – c6) Nobis quoque] Nobisque F – d6) continentia bona fehlt WÜ – e6)  ac felicibus fügt hinzu P  – f6)  fehlt P  – g6)  cumulo P  – h6)  fehlt P  – i6)  proveniant incrementa B, L  – j6)  de filio sapiente fehlt B, WÜ  – k6– k6) Doctrinam – doceri fehlt B, F, P, HBH; Dat. et cetera fügt hinzu F – l6) richtig preceptoris WI – m6) desideres WI, Enzensberger – n6) docere Enzensberger

67a Kaiser Friedrich II. schreibt an nicht genannte Empfänger, deren Obhut sein Sohn Konrad anvertraut ist, ihm kämen zum wiederholten Male Klagen zu, Konrads Sitten seien durch schlechten Umgang verdorben. Sie sollen die schlechten Gesellschafter sofort entfernen und an den kaiserlichen Hof schicken; stattdessen sollen sie Konrad unverzüglich tüchtige und zuverlässige Reichsdienstmannen an die Seite stellen. Überliefert nicht in M, aber in mindestens vier Handschriften mit Petrus de VineaMaterial: – um 1300, Wilhering, Stiftsbibliothek, 60, fol. 173v–174r Nr. 201; – frühes 14. Jh., Wien, Österreichische Nationalbibliothek, 590, fol. 132v–133r Nr. 189; – 14. Jh., Troyes, Bibliothèque municipale, 1482, fol. 91rb–va Nr. 595; – 14. Jh., Wien, Österreichische Nationalbibliothek, 409, fol. 39ra Nr. 16. Drucke: Huillard-Bréholles, Historia diplomatica Friderici secundi 6/1 (1860), S.  243–245 [HBH]; Das Baumgartenberger Formelbuch. Eine Quelle zur Geschichte des XIII. Jahrhunderts, vornehmlich der Zeiten Rudolfs von Habsburg, hg. von Hermann Baerwald (Fontes rerum Austriacarum II/25), Wien 1866, S. 224 Nr. 16 [BA]. Regest: RI V Nr. 3452. Literatur: Schaller, Handschriftenverzeichnis (wie Anm. 1) Nr. 212, 217, 221, 233.

Fatigatusa est auditus noster clamoribus filii nostri C.b regis insolentias in publicum deducentibus. Animum nostrum amara turbatio subiit et cor nostrum inveterati doloris immensitas profundius sauciavit pro eo, quod idem filius nosterc, qui ex genuitated natalium deberet in virtutum exercitio delectari precipuee, sequendof sui animig levitatemh, in viciorum preci­

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picium, nobisi insolentias eius, quorum eum speciali custodie ac regimini fiducialiterj commisimusk dissimulantibus, adeo est delapsusl, quod, nisi reformationi morum eius, quos parvam nimis et infecta corruptione ­societas illaudabilisn deformavit, celeri remedio succurratur, ad cultum ­virtutum non adiicieto, ut resurgat. Cum igitur principiis sit obstandum, ne malis per longas invalescentibus moras sero, quod absit, contra reforma-tionem eius medicina paretur, volentes ex affectione paterna de suisp ­lateribus feditatem tumq turpis contubernii penitus detruncari, quiar ­immedicabile vulnus ense rescindendum est, ne pars sincera trahaturr, ­devotioni vestre districte precipiendos mandamus, quatinus, sicutt gratiam nostram diligitis, tales omni occasione sublata a dicto filio nostro quanto citius removentes, ipsos sive volentes sive nolentes in curiam nostram ­incontinenti transmittere procuretisu. Mandamus etiam vobis, ut virost de ministerialibus imperii fama celebres, fide insignes virtutibusque conspicuos eiusdemv filii nostri lateri, qui distortos mores ipsiusw in viam honestatis et discipline dirigant, applicetis, circa predicta vos tam sollicitos exhibentes, ut non contingat animum nostrum circa vos graviter commoveri. a) Fredericus etcetera fügt zuvor ein HBH – b) Ch. BA – c) noster filius stellt um BA – d) ingenuitate BA – e) fehlt BA – f) nunc fügt hinzu BA – g) animi sui stellt um BA – h) lenitatem BA als Fußnote nach V – i) vobis BA – j) fehlt BA – k) commiseramus BA – l) prolapsus BA – m) prava richtig BA, HBH – n) illavabilis BA – o) adiciet BA – p) filii BA – q) tam richtig BA, HBH – r–r) quia – trahatur fehlt BA – s) districte precipiendo] iniungimus et BA – t–t) sicut – viros fehlt BA – u) circa predicta usw. hier irrig von unten eingefügt und von HBH korrigiert – v) predicti BA – w) ipsius distortos mores stellt um BA

68 Papst Innocenz (IV.) gewährt auf Bitten und mit Zustimmung des Bischofs von Würzburg dem Propst, Dekan und Kapitel des Stifts Neumünster in Würzburg für alle Besucher seiner Kirche, welche diese Kirche am Fest Johannis des Evangelisten, dem die Kirche geweiht ist, an den Festtagen des hl. Kilian und seiner Gefährten, von denen dort Reliquien aufbewahrt werden, und am Kirchweihtag wahrhaft bußfertig und nach abgelegter Beichte betreten, jährlich 40 Tage Ablass. M fol. 74vb.

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Innoc(entius) episcopus servus servorum Dei dilectis filiis preposito, decano et capitulo Novi Monasterii Herbip(olensis) salutem et apostolicam benedictionem. Etsi loca sanctorum omnium pia et prompta devotione sint a Christi fidelibus veneranda, ut, dum Dei honoramus amicos, ipsi nos amabiles Deo reddant et illorum nobis vendicantes quodammodo patrocinium apud Deum, quod merita nostra non optinent, eorum mereamur intercessionibus optinere1). Satagentes tamen fideles Christi ad id reddere voluntarios, uta per hoc Domino acceptabiles eos quasi quibusdam illectivis premiis, indulgentiis scilicet et remissionibus invitamus, ut exinde reddantur divine gratie aptiores. Optento siquidem venerabilis fratris nostri Herbipolen(sis) episcopi nobis super hoc supplicantisb, cupientes, ut ecclesia vestra congruis honoribus frequentetur, omnibus vere penitentibus et confessis, qui ecclesiam ipsam in festivitatibus beatorum Iohannis ewangeliste, cuius vocabulo dicta est ecclesia insignita, et Kyliani et sociorum eius, quorum reliquiarum quedam inibi requiescunt, necnon et in die dedicationis eiusdem ecclesie venerabiliter visitarint, de omnipotentis Dei misericordia et beatorum Petri et Pauli apostolorum eius auctoritate confisi XLa dies de iniunctis sibi penitentiis annis singulis misericorditer relaxamus. Dat. etcetera2). a) so für ac – b) ergänze assensu 1) Vgl. z. B. Alexander IV. für die Minoriten in (Schwäbisch) Hall, 1257 Januar 29: Wirtembergisches Urkundenbuch  5, Stuttgart 1889, S.  187 f. Nr.  1423.  – 2)  Am 14. November 1247 erteilte Innocenz IV. auf fünf Jahre 40 Tage Ablass für die Unterstützung zum Bau der Türme, zur Reparatur der officine und zu den Dächern der Kirche des Stifts Neumünster: Ausfertigung StA Würzburg, Münchener Abgabe Würzburger Urkunden 5714; Wendehorst, Neumünster (wie Anm. 25) S. 205.

69 Philippus Petri Falconis, Bürger und Geldwechsler in Rom, bevollmächtigt seinen Sohn Petrus zur gerichtlichen Eintreibung verliehener Gelder, besonders bei dem Bischof und dem Domkapitel von Bamberg für das Bamberger Bistum sowie beim Bischof von Würzburg. Petrus darf seinerseits Unterbevollmächtigte ernennen. Philippus haftet für alle auf diese Weise getroffenen Verabredungen mit seinem gesamten Vermögen und bei einer Strafe von 300 Mark Silber. Geschrieben auf Bitten des Philippus durch Palmerius, Sekretär des Apostolischen Stuhles. M fol. 75ra

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In nomine Domini amen. Ego quidem Philippus Petri Falconis civis et campsor Romanus1) propria et spontanea voluntate facio, constituo et ordino Petrum filium meum procuratorem meum et nuntium specialem ad petendum et recipiendum mutuum, in quo tenentur michi episcopus et canonici Babenbergen(ses) et episcopatus Babenbergen(sis) est michi obligatus cum omnibus bonis suis, et ad petendum et recipiendum mutuum, in quo tenetur michi episcopus Herbipolen(sis), eta petendum et recipiendum ab omni alia persona vel ab omnibus aliis personis michi obligatis. Item instituo eum procuratorem meum tam contra episcopatum quam contra predictas personas et omnes alias ad agendum, petendum, respondendum, defendendum, litigandum, excipiendum, replicandum, iudicandumb vel iudices inpetrandum, instituendum, testes et instaurandumc producendum et reprobandum, sententiam audiendumd appellandum. Item ad componendum et concordiam faciendum et ad faciendum generalem et specialem refutationem de omnibus et singulis supradictis meo nomine obligando omnia bona mea presentia et futura. Et do atque concedo ei plenariam potestatem sibi, si neccesse fuerit, alium vel alios procuratorem vel procuratores substituendi in omnibus et singulis supradictis, ratum, gratum et firmum perpetuo habiturus, quicquit dictus P., substitutus vel substituti ab eo de predictis et quibuslibet predictorum duxerit vel duxerint faciendum, sub pena CCCarum marcarum argenti, qua soluta vel non soluta predictam nihilominus perpetuam teneant firmitatem. Ego Palmerius apostolice sedis secretarius de mandato et rogatu domini Philippi hiis interfui et, ut supra legitur, scripsi atque in publicam formam redegi. a) ergänze ad – b) so für iudicem – c) so für instrumenta – d) ergänze et 1) Zu Filippo und seinen Brüdern Giovanni und Massimo, Söhnen des Pietro Falconi, vgl. jetzt Vendittelli, Geldhandel (wie Anm. 49) S. 529 f.

70 Der Papst beklagt gegenüber einem Bischof, wie unersättliche Kleriker aus Habgier mehrere Pfründen mit Seelsorgeverpflichtung entgegen den Statuten des Laterankonzils und ohne päpstliche Dispens besitzen. Deshalb befiehlt er dem Bischof, diesen Klerikern die überzähligen Pfründen zu entziehen und sie durch die ordentlichen Kollatoren neu vergeben zu lassen oder, falls dies nicht in der vorgeschriebenen Frist geschieht, diese Pfründen selbst neu zu vergeben.

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M fol. 75ra–b.

Cum famem suia omne vivum patiens et fiat magis insatiabile, quo sibi amplius indulgetur, expedit ambitiosis illicite usurpata ecclesiastica bene­ ficia subtrahi, ne crescens eorum ambitusb in inmensum sibi animarum periculum et aliis scandalum pariat et errorem. In nostra siquidem proposuisti presentia constitutus, quod nonnulli clerici tue civitatis et dyocesis modum avaritie non ponentes plura beneficia curam animarum habentia, personatus ac alias ecclesiasticas dignitates absque {75vb} dispensatione sedis apostolice detinere presumunt in animarum suarum periculum et scandalum plurimorum. Ut igitur preda de ipsorum faucibus auferatur, fraternitati tue per apostolica scripta mandamus, quatenus, si est ita, dictos clericos, quod eorum quilibet unico personatu vel dignitate seu ecclesiastico beneficio curam animarum habente iuxta Lateranensis statuta concilii1) sit contentus, illis dumtaxat exemptis, cum quibus constitit super hoc per sedem apostolicam dispensatum, qua convenit districtione compellens, illis, ad quorum collationem reliqua beneficia pertinent, prefigas ad ea personis ydoneis conferenda terminum competentem, et nisi infra terminum eundem ipsa contulerint, tamen extunc ea personis idoneis conferas et assignes, ceterac per censuram ecclesiasticam appellatione postposita compeod. Dat. etcetera. a) so für sit – b) M mit Kürzung – c) so für contradictores – d) so für compescendo 1) IV. Lateranum c. 29, in: Dekrete der ökumenischen Konzilien 2: Konzilien des Mittelalters vom Ersten Laterankonzil (1123) bis zum Fünften Laterankonzil (1512–1517), hg. und übersetzt von Josef Wohlmuth, Paderborn 2000, S. 248 f.

71 Papst Innocenz (IV.) gestattet dem Dompropst Albrecht von Bamberg, der dem Bischof von Speyer bei Angelegenheiten der Kirche behilflich ist und außerdem durch Lebenswandel, edle Abkunft und Wissen hervorragt, entgegen den Konzilsbeschlüssen eine weitere Pfründe mit Seelsorgspflichten zu erwerben, vorausgesetzt, die mit dieser Pfründe verbundenen Pflichten werden dadurch nicht vernachlässigt. M fol. 75rb

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Innoc(entius) etcetera dilecto filio Alberto preposito Babenbergen(si)1) etcetera. Etsi propter ambitiones quorundam, ne quis plures ecclesias vel ecclesiasticas dignitates habeat, sacri concilii constitutio2) interdicat, illos tamen nonnumquam apostolica sedes gratia prosequitur ampliori, qui eius se beneplacitis per grata devotionis obsequia coaptantes moribus ornant, scientiam et conversationem muniunt honestate. Cum igitur, sicut ex insinuatione venerabilis fratris nostri Spirensis episcopi3) accepimus, eidem in ecclesie negotiis te obsequiosum exhibeas et devotum, – alias: quia litterarum scientia, nobilitate generis, honestate vite ac bonis moribus contenderis, – nos bonis benefacere cupientes ac intendentes te ad hoc prerogativa gratie specialis tecum, quod preter beneficia, que optines, quibus cura animarum est annexa, adhuc unicum beneficium seu personatum recipere licite, si tibi canonice offeratur, ac cum optentis retinere libere valeas, auctoritate presentium disspensamusa, proviso ut eadem beneficia debitis obsequiis non fraudentur et animarum cura nullatenus negligatur. Nulli ergo omnino hominum liceat hanc paginam nostre concessionis infringere vel ei ausu temerario contraire. Si quis autemb atemptaverit, indignationem omnipotentis Dei se noverit incursurum. a) so M – b) ergänze hoc 1) Graf Albrecht von Castell, Dompropst von Bamberg vermutlich seit 1236 als Nachfolger des zum Bischof erhobenen Poppo, urkundlich erwähnt erst 1244, auch Domkanoniker zu Würzburg 1257, gestorben 1258. Sein Bruder Graf Markward war 1228–54 Dompropst von Würzburg. Amrhein, Reihenfolge (wie Anm. 44) 1, S. 132 Nr. 424, S. 115 f. Nr. 378. – 2) wie Nr. 70, Anm. 1) – 3) In Speyer war der 1245 gewählte Bischof Heinrich von Leiningen († 1272), der 1254–56 mit Iring von Reinstein um das Bistum Würzburg konkurrierte und dessen Bruder Berthold 1257–85 Bischof von Bamberg war, bis 1260 nur Elekt: Hans Ammerich/Helmut Flachenecker, Heinrich, Graf von Leiningen († 1272), in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, hg. von Erwin Gatz unter Mitwirkung von Clemens Brodkorb, Berlin 2001, S. 744 f. und Helmut Flachenecker, Berthold von Leiningen († 1285), in: ebd. S. 41–43.

72 Der Papst (Innocenz IV.) teilt dem König von Böhmen mit, er fördere dessen Heil und Ehre, wenn er ihm den Schutz von Kirchen und geistlichen Personen empfehle. Deshalb betraut er ihn jetzt mit dem Schutz des Bischofs von Bamberg und seiner Kirche. M fol. 75va

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Illustri regi Bohemie1). Quotiens tibi ecclesias et personas ecclesiasticas committimus seu commendamus, saluti et honori tuo nos utiliter consulere arbitramur. Qua re tanto te proniorema ad id convenit exhibere, quanto te utriusque promtiorem esse convenit amatorem. Hinc est, quod pro venerabili fratre nostro episcopo Babenbergen(si) celsitudinem tuam rogandam duximus et hortandam, quatenus provide considerans, quam gratum sit regi regum, si eius ministris honor debitus inpenditur, et quam acceptum in divine oculis maiestatis, si loca sibi dicata maneant a pravorum inquietatione secura, sic prefatum episcopum et eius ecclesiam habeas pro apostolice sedis et nostra reverentia commendatos, quod brachio magnificentie tue protecti in quietis beatitudine conserventur et nos excellentiam tuam non immerito commendantes teneamur tibi proinde ad merita gratiarum. Dat. etcetera. a) am Rande nachgetragen 1) Vermutlich Přemysl Ottokar II., der sich 1254 in Krems im Vorfeld des durch Innocenz IV. geförderten Kreuzzugs ins Preußenland mit Bischof Heinrich von Bamberg getroffen hat: Jörg K. Hoensch, Přemysl Otakar II. von Böhmen. Der goldene König, Graz 1989, S. 75, 77, 82 f. Als Ottokar sich im März 1253 in Prag unter anderem mit Bischof Heinrich von Bamberg zusammentraf (ebd. S. 45), war er noch nicht König.

73 Auf Ersuchen des Bischofs von Eichstätt, Kleriker seiner Diözese vom Makel unehelicher Geburt dispensieren zu dürfen, gestattet der Papst, sechs Kleriker der Diözese Eichstätt kraft päpstlicher Autorität entsprechend zu dispensieren, sofern keiner aufgrund von Inzest, Ehebruch oder unter Bruch eines Ordensgelübdes gezeugt wurde, keiner die väterliche Zügellosigkeit nachahmt und alle durch guten Lebenswandel sowie ausreichendes Wissen hervorragen. M fol. 75va

Episcopo Eisteten(si)1). Ex parte tua nobis fuit humiliter supplicatum, ut super defectum natalium, quem nonnulli tue dyocesis clerici patiuntur, dispensandi cum eis, quod non obstantea ministrare in susceptis ordinibus et ascendere ad maiores ac

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ecclesiastica beneficia optinere valeant, de benignitate solita tibi licentiam largiremur. Nos igitur tuis precibus inclinati fraternitati tue, de qua in Domino plenam fiduciam optinemus, presentium tibi auctoritate committimus, ut consideratis diligenter circumstantiis universis, que circa ydoneitatem clericorum ipsorum fuerint attendende, cum sex dumtaxat ex eis, dummodo ipsorum aliquis de incestu aut adulterio aut de regulari genitus non existit nec sint imitatores paterne incontinentieb, set bone conversationis et vite ac scientie competentis, super premissis auctoritate nostra dispenses, prout secundum Deum animarum suarum saluti videris expedire. a) ergänze hoc – b) in- über der Zeile 1) Vermutlich Graf Heinrich von Württemberg (reg. 1247–59), ein Parteigänger von Innocenz IV.; Julius Sax, Die Bischöfe und Reichsfürsten von Eichstädt 745– 1806 1: 745–1535, Landshut 1884, S. 110−117; Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt, hg. von Franz Heidingsfelder (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte  6), Erlangen 1915/38, S.  229–250, u. a. zu Innocenz  IV. Nr. 747–750, 746, 766, 771, 773–775.

74 Auf Mitteilung des Bischofs von Würzburg (Hermann von Lobdeburg, reg.  1225−54) hin, einige Laien dieser Diözese hätten sich des Wuchers schuldig gemacht, befiehlt ihm der Papst (Innocenz IV.), diese Laien unter Androhung der vom Laterankonzil vorgesehenen Strafen zur Rückgabe ihrer Pfänder sowie ihrer Gewinne und zum Verzicht auf Wucher zu zwingen. M fol. 75va–b

Sicut nobis venerabilis frater noster Herbipolen(sis) episcopus intimare curavit, nonnulli layci sue dyocesis diversas usuarum species presumunt in animarum suarum periculum exercere. Qua re super hiis eorum providere saluti et aliorum indempnitati consulere a nobis humiliter postulavit. Cum igitur usurarum crimen utriusque testamenti pagina detestetur, discretioni vestre per apostolica scripta mandamus, quatenus, si est ita, dictos usurarios et pignorum detentores, ut sua sorte contenti pignora ipsa, et quicquit ultra {75vb} sortem perceperint ex eis, restituant conquerentibus et et ab usurarum extractione desistant, per penam illatema conciliib contra usurarios editam1) appellatione remota cogatis atentius.

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a) so für in Lateranensi – b) so für concilio 1) III. Lateranum c. 25, in: Dekrete der ökumenischen Konzilien 2 (wie Nr. 70, Anm. 1) S. 223.

75 Arenga für ein Testament: Weil das Gedächtnis der Menschen schwankend ist und der mit Sorgen erfüllte menschliche Geist oft Vergangenes vergisst, ist es weise eingerichtet, dass Handlungen in öffentlichen Schriftstücken festgehalten werden. Meine menschliche Schwachheit und meine Sünden betrachtend, eile ich aufgrund göttlicher Eingebung, zu meinem Heil und als Heilmittel für meine Sünden mit dem vorliegenden Schriftstück ein Testament als letzten Willen zu begründen. M fol. 75vb

Quia labilis est memoria hominum et mens humana sollicitudinibus occupata preteritorum facile obliviscitur, sapientum providit ratio vela discretio contractus hominum litteris publicis annotari. Ideoqueb ego attendens mee humanitatisc fragilitatemd diu humanis sollicitudinibus implicatame multa et varia incurrisse peccata, divina gratia inspirante ad id recurrere festinavi, quod mihi salutem pariatf et remedium peccatorum, presentibusg litteris testamentum faciens. Et dicitur testamentum quasi testatio mentisg,1). a) ratio vel fehlt Durrieu: Pfeiffer, Untersuchungen (wie Anm. 50) S. CXVIII Anm. 332 – b) -que fehlt Durrieu; .. fügt hinzu Durrieu – c) humanitas Durrieu – d) fehlt Durrieu – e) implicata Durrieu – f) pariet Durrieu – g–g) presentibus – mentis] Inde est utique, quod, cum testamentum sit ultima testatio mentis, presentibus litteris testamentum faciens heredem instituo. Durrieu 1) Inst. 2.10 pr.

76 Ministerialen, Bürger, Ritter und Volk von Stadt und Diözese Würzburg berichten dem Papst, ihr früherer Bischof Bruno werde von ihnen oft bei Kämpfen erfolgreich um Hilfe angerufen und deshalb weithin als Heiliger verehrt. Da Bruno von Gott im Himmel anerkannt ist, bitten sie den Papst, Brunos Verehrung überall auf Erden anzuordnen.

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M fol. 75vb

Sanctissimo patri ac domino sacrosancte Romane ecclesie summo pontifici ministeriales, cives, milites totusque populus Herbipolen(sis) civitatis et dyocesis devota pedum oscula beatorum. Fama celebri docente didicimus, patres nostri narraverunt nobis, ipsi quoque scimus, vidimus et testamur et ipsum tota provincia casum veraciter sentit et fatetur, quoda invocationemb gloriosi confessoris sui beati Brunonis nostri quondam episcopi multa miracula dignanter est Dominus operatus. Adc cuius etiam preces, ut de eius innumeris signis veteribus taceamus, cottidie multisd ex nostris in strage pu­ blica et conflictu ipsius auxilium humiliter implorantes adiutos esse novimus et petitionis ipsorum effectum assecutos. Sanctitatis igitur vestre pedibus provoluti humiliter supplicamus et devote, quatenus ob divinam reverentiam et gloriosi confessoris beati Brunonis merita ad honorem gloriose virginis Marie et Herbipolen(sis) ecclesie sanctum illum confessorem, quem honorat Deus in celis, apostolica mandet auctoritas in terris ab hominibus venerari, ut, qui sanctus a nobis pia ac indubitata presumptione dicitur, ipsum de terre pulvere iubeat sanctitas vestra misericorditer sublevari, ut sic, quod pluries est ceptum multisque laboribus et expensis attemptatum, nunc vestris temportibus in expeditionis viam et salutis feliciter dirigatur nosque proinde ex devotis devotiores et ex promptis [redd]atis promptiores. a) nach Korrektur – b) so für invocatione – c) mit Initiale A – d) so für multos

77 Pfarrer H. zu Mosbach schickt dem Scholaster und Offizial des bischöflichen Hofes zu Würzburg den Überbringer dieses Schreibens, den jungen Akolythen Heinrich, den seine Lebensführung und seine Kenntnisse empfehlen und der deshalb zum Subdiakon geweiht werden soll. Der Aussteller verpflichtet sich, Heinrich solange mit Nahrung, Kleidung und anderer Notdurft zu unterhalten, bis er eine angemessene Pfründe erlangt. – Siegel des Dekans von Ballenberg. M fol. 7v.

Honorando viro domino .. scolastico ac oficiali Herbipolen(sis) curie H. rector ecclesie in Mosebach1) orationes in Christo devotas. Heynricum

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acolitum exhibitorem presencium iuvenem quidem, qui morum, laudabilis vite, honeste conversacionis necnon competentis literature meritis adiuvatur, vestre reverencie duxi transmittendum, rogans humiliter et devote, quatenus iure propter Deum ad recipiendum subdyaconatus ordinem ipsum dignemini promovere. Ego enim presentibus me obligo et promitto fide data, quod eidem loco patrimonii in victu et vestitu2) et omnibus suis neccessariis volo habundanter providere, donec dignatus fuerit Dominus eidem graciosius providere in beneficio competenti. In cuius rei testimonium presentem literam feci sigillo .. decani de Ballenb(ur)g insigniri. Dat. etcetera. 1) Mosbach im Landkapitel Buchen in der Diözese Würzburg: Franz J. Bendel, Die Würzbuger Diözesanmatrikel aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 2/2 (1934) S. 14 Nr. 569. – 2) Vgl. Deut. 10.18.

78 Agnes, Witwe des Edelherren (Konrad) von Strahlenberg, trägt einem Domdekan und -kapitel vor, dass die Kirche Heiligkreuz in (Heiligkreuz) Steinach, deren Patronatsrecht und Verleihung dem Domkapitel zustünden, jetzt vakant sei. Darum bittet sie, ihren Kleriker G., dessen Lebenswandel, wie viele bezeugen könnten, ehrenhaft sei, als Vikar bei dieser Kirche einzusetzen. M fol. 29v, am unteren Rand nachgetragen.

Honorabilibus dominis .. decano totique capitulo maioris ecclesie ..1) Agnes relicta O.a,2) nobilis quondam de Stralenberg quidquid potest obsequii et honoris. Cum vestra ecclesia in Steynach sancte Crucis, cuius iusb patronatus et collationis ad vos spectare dinoscitur evidenter, iam vacet, hinc est, quod vestram honestatem, de qua plenius confidimus, duximus studiosius flagitandam, quatenus ob meritum divine retributionis et nostrarum precum interventu G. nostrum clericum dilectum, cuius vita et conversatio honesta esse dinoscitur, prout a pluribus poteritis experiri, ad locum prefate ecclesie in vicarium constituere et locare curetis, scientes certissime ex ipsa promocione nobis gratum et acceptum obsequium inpendisse. a) richtig vermutlich C. – b) darauffolgendes et getilgt M

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1) Die Pfarrei Heiligkreuzsteinach im südlichen Odenwald gehörte zur Diözese Worms: Meinrad Schaab, Die Diözese Worms im Mittelalter, in: Freiburger Diözesan-Archiv  86 (1966) S.  94–291, hier S.  133, 156, 160. Der Pfarrer wurde vom Wormser Domkapitel eingesetzt; vgl. die Erhöhung seiner Bezüge 1455 Oktober 31: GLA Karlsruhe 43 Nr. 3230. – 2) Agnes, die Witwe des Konrad von Strahlenberg, ist mit ihrem Sohn Konrad und weiteren Söhnen 1284, 1291 und 1295 belegt: Alfred Krieger, Topographisches Wörterbuch des Großherzogtums Baden 2, Heidelberg 21905, Sp. 1104. Zu Neckarsteinach ebd. 1, Sp. 911.

79 Ein Pfarrer empfiehlt anderen Pfarrern einen seiner Pfarreiangehörigen, der vorliegendes Schreiben mit sich führt und zu den Aposteln Petrus und Paulus pilgern möchte, damit sie ihn bei ihrem Pfarrvolk unterstützen, wenn er um Almosen bittet. – Siegel des Ausstellers. M fol. 53v, am unteren Rand nachgetragen.

Universis Christi fidelibus, ad quos presentes littere pervenerint, .. plebanus ..a orationes in Christo devotas. Vestram discretionem et honestatem duxi presentibus eorandamb, quatenus intuitu remunerationisc necnon peccaminum nostrorum remissionem .. meum parrochialem presentium exhibitorem, qui peregre proficisci volens ad limina sanctorum apostolorum Petri et Pauli, cum ad vos pervenerit pro elemosinis petendis, apud plebem vobis commisared caritative promovere velitis. In cuiuse testimonium presentem litteram sigillo proprio feci communiri. a) so in M – b) so für orandam oder exorandam – c) ergänze eterne oder divine – d) so für commissam – e) ergänze rei

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Namenregister Die Zahlen der beiden Register beziehen sich auf die Nummern der Edition. nur Initialen: A., B., C. (filii) 65; B. (laicus) 4; B. (uxor) 64; B. (miles) 66; C. 27 (plebanus); G. (clericus) 78; G. 31 (vidua); H. 27 (rector puerum [sic!]); L. 14 (femina); C. (frater) 59 Achäer 48 Alexander IV., Papst, 3, 60, 62 Aristoteles (Philosophus) 18 Ballenberg, Dekan 77 Bamberg, Bischof und Domkapitel 69, 72 ~, Dompropst Albrecht 71 Böhmen, König 72 von Brauneck, E. (matrona) 33 ~, H. (dominus) 44, 45 Domitius (archidiaconus) 25 Eichstätt, Bischof 73 Frankfurt am Main, Hoftag 30 Friedrich II., Kaiser 67, 67a Heiliges Land (terra sancta) 60 Heiligkreuzsteinach, Pfarrkirche 78 Heinrich (VII.), König 67 Heinrich, Akolyth 77 von Henneberg, Graf H(ermann) 46, 47 von Hohenlohe, G(ottfried) 63 Innocenz IV., Papst 68, 71, 72, 73, 74 Johanniter 7, 8, 9, 10, 11, 12, 62 ~, Mergentheim 1, 2, 4, 6, 61 ~, H., preceptor per totam Alimoniam 58 ~, C. (frater) 59 Konrad IV., König 67, 67a

Laterankonzil 70, 74 Mergentheim → Johanniter Mosbach, Pfarrer H. 77 Palmerius, apostolice sedis secretarius 69 Papst 1, 2, 3, 60, 62, 68, 70, 71, 72, 73, 74, 76; → Innocenz IV., Alexander IV. Patroclus 24 Petri Falconis, Philippus und sein Sohn Petrus 69 Reichsküchenmeister, L(upold) 31 Rom 69; → Petri Falconis Rothenburg ob der Tauber 63 Schmidt (B. Faber) 14 von Seenheim (bei Ergersheim), S. (miles) 19 von Seinsheim, H(ildebrand) (miles) 1, 9 Simeon (Simonist) 24 Solidus, Soliderus (miles) 19 Speyer, Bischof 71 von Strahlenberg (Ruine bei Schriesheim), Konrad, seine Witwe Agnes 78 Staufer → Friedrich II., Heinrich (VII.), Konrad IV. T(h)ayda (femina) 14 Worms, Domdekan und -kapitel 78 Würzburg, 3, 42 ~, Bischof 42, 68, 69, 74 ~, Bischof Bruno 60, 76 ~, Bischof Iring 39 ~, Domdekan und -kapitel 60 ~, Domkantor 1, 4

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~, Domscholaster und Offizial 77 ~, Domthesaurar 1, 4 ~, Ministerialen, Bürger, Ritter und Volk von Stadt und Diözese 76

~, Stadt und Diözese 1, 2 ~, Stift Neumünster, Propst, Dekan und Kapitel 68

Wort- und Sachregister Die nachfolgende Auswahl legt das Schwergewicht auf rechtserhebliche Termini und Floskeln sowie auf ausgefallene Vokabeln. Vgl. dazu Wendehorst, Tabula (wie Anm. 53) S. 222. absolutio 9, 12, 13; ~ publica 10; absolvere 11, 35 actio 11, 12; ~ gratiarum 28 acolytus 77 adulterium 73 affectus 11; ~ sue sinceritatis 31; affectio maritalis 14 agere: ad agendum, petendum, re­ spondendum, defendendum, litigandum, excipiendum, replicandum, iudicem vel iudices impetrandum, instituendum, testes et instrumenta producendum et reprobandum, senteiam audiendum et appellandum 69 ambiguitas 22; ambiguitatis scrupulus 45 amicitia 33, 34; amicus 46; ~ Dei 68 ambitiosus 70; ambitio 71; ambitus 70 amor Dei 65; ~ proximitatis 31 anathema 11, 62 angaria 30, 61 anima 9, 26, 34, 36, 37 animus 30, 47, 52, 63, 67, 67a annus 2, 63; ~ imbecillis 66; ~ incarnationis 63; anni duo, bien-

naium 30; ~ quinque, quinquennium 20, 23; anni XII 61; septenarius 33; annis singulis 36 anniversarium (Jahrtag) 36, 37 apostatare 57, 58 appellatio: appellatione remota 2, 70, 74; ~ cessante 2 arbitrium liberum 41 archidiaconus 25, 26 artes liberales 33, 54 auctoritas 5, 11, 20, 25, 35, 46, 50, 62, 67, 68; ~ apostolica 76; auctoritate presentium 71, 73; auctoritate, qua fungimur 3, 6, 22; ~ vestra 57, 60 aucupatio 67 audientia 66; audire causam 2 balista 67 bannitus 25 baptisma 16 begina 16 benedictio 50, 67 beneficium 12, 23, 25, 71, 77; ~ ecclesiasticum 70, 73; ~ et officium 8

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beneplacitum 71 benignitas vestra 51 bigamia 40 bonum (Gut) 64, 69 brachium 46, 72 calumpnia 39, 49, 65 campana: campanis (com)pulsatis 8 campsor (Geldwechsler) 69 candela: candelis accensis 8 canonicus 69; canonice 71 capellanus 38 capitulum (Versammlung) 56 captivus 35 carena (Zeitraum von 40 Tagen) 41 caritas vestra 59 cartula 27 castellum 66 cautela 67 cautio 10; ~ fideiussoria 44 celsitudo divina 22, ~ tua 72 censura debita 20; ~ ecclesiastica 2, 70 chirographum 49, 62 cimiterium 26, 64 citare 6, 19; citatio 19 civis 35, 76; ~ Romanus 69; civitas 63; ~ et diocesis 1, 2, 70, 76 clericus 39, 70, 73, 78 coercere 8, 66 cohabitare 14 cohibere 47 cohortari 37; → exhortari collatio 70 collegium sanctorum 60 commendare 30, 36, 72; commendator 58, 59; ~ et tota (con)fraternitas 1, 2 comes 46, 47 committere 13, 41, 56, 72, 73

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communio 9, 17, 58 comparere 3, 4, 5 compellere 20, 70 compescere 11, 12, 70 compositio 5; ~ amicalibis 9; componere amicabiliter 13; ad componere et concordiam faciendum 69 concedere 30, 45, 61, 63; concessio 71 concordia: ad concordie gratiam 49 concupiscere 32 condempnare 10 conditor (Schöpfer = Gott) 41 conferre 70 confessor gloriosus 76 conscientia 6, 9, 23 consecrare 42, 43 consentire 23, 33, 65; consensus 62 consilium 7, 9, 14, 18, 25, 34, 59, 67; ~ et labor 48; consiliarius 67 consors thori mei 64; consortium (Ehe) 14 consuetudo 22; ~ mala 25 consulere 15, 17, 35; consultus 34, 67 continentia (Enthaltsamkeit) 16, 17 contractus 75 contradictio 65; contradictor 70 contrahere 16, 17 contraire 62, 71 contrarietas 21; contrarius 63 contumacia 5, 6; contumaciter 8; contumax 50 conversatio (Lebenswandel) 38, 73; ~ honesta 77, 78 cor 67a; ~ contritum et humiliatum 40 corrigere 11, 18; correctio 26 corruptio 67a

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crimen 13, 66, 74; criminosus 29; criminalia 41 crisma 43 culpa gravis 41 cura animarum 70, 71 curia (Hoftag) 30, (Gerichtshof) 77; ~ magna (Großhof in Sizilien) 63; ~ nostra 67a custodia 67a dampnare 57, 63; dampnum 12, 23, 31, 33, 44, 45, 46; dampna et iniuria 1; dampnosus 54 dampnificatio seu gravamen 4 debitum 64, 65; debitor 65 decanus 4, 8, 9, 77; decanus et totum capitulum 60, 68, 78 decima (Zehnt) 64 decretum 55, 63; ~ iuris et gratie 11 dedicatio ecclesie 68 defectus natalium 73 delictum 11, 57; delinquere 19, 42 denuntiare 6, 8, 18, 19; denuntiatio 9, 13 detentor pignorum 74 devastatio 49 devotio 71; ~ pia et prompta 68; ~ vestra 1, 67a; devotus 67 dies (Termin) 48; ~ octo 5; diebus dominicis et festivis 8 dignus 64; dignitas ecclesiastica 70, 71 dilectio tua 46; ~ vestra 48; dilectus in Christo 58 disciplina 67a; ~ scolastica 54 discretio 12, 21, 75; ~ vestra 2, 10, 13, 19, 23, 31, 43, 44, 55, 74; ~ et honestas vestra 79 dispensare 13, 70, 71, 73 districtio 70dolor 33, 47

dolus 31, 47 domicilium 8, 48 dominatio 28; ~ vestra 13, 25 dominus 44, 45, 46, 47, 62; ~ et amicus 27; ~ honorabilis 78; ~ venerabilis et discretus 26 domus 59, 61, 62, 64; ~, possessiones et res 1, 2 dos 64 dyocesis 73, 74 ebdomada 12, 13 ecclesia 11, 12, 62, 64, 67, 68, 71, 72, 78; ritus ecclesie 42, 43; reverendus ~ noster 43; ~ sancta 40; sancta mater ~ 15; sacrosancta Romana ecclesia 60 edictum 62, 64 egenus 66 electus Dei 36 elemosina 37, 79 emendare 40 episcopus 39, 43, 69, 71, 72, 73, 74, 76; ~ diocesanus 42; ~ servus servorum Dei 62, 68; episcopatus 69 equitas 20, 26, 34 error 11, 70 evidentia: pro cuius rei evidentia 61 evitare 9, 18, 53; ~ arcius 6 exactio 30 excellentia tua 72 excessus 58 excommunicare 5, 18, 19; excommunicatio 6, 7, 8, 9, 10; ~ solempnis 24 exhibitor presentium 38, 39, 77, 79 exhortari 22, 51, 52; ~ seriose et efficaciter 33; ~ in Domino 34; → cohortari

Ein Würzburger Formularium der späten Stauferzeit in Clm 639

exorare propensius 23 expensa gravia 20 facere, constituere et ordinare 69; ad faciendum generalem et specialem refutationem 69 falx (Sichel) 18 fama 29, 51, 67a, 76 familiaris 67; familiaritas 32, 33 feditas (= haeditas) 67a felicitas 67 femina 14, 17, 18 fenus (Ertrag, Zins, Wucher, Schulden) 24; fenoraris 26 feudum 63, 64 fides 34, 60, 67a; fidelis (Substantiv) 9, 25, 63; ~ Christi 62, 68, 79; (Adjektiv) 33; fideliter 15, 51; fidedignus 34; fideiubere 45; fideiussorius 44 filia 66; filius 29, 63, 64, 65, 67, 67a, 69; ~ devotus 60, 62; ~ devotus et humilis 1; ~ dilectus 2, 68, 71; filiatio tua 67 firmiter et districte 6; firmitas 69; firmamentum 49, 63 fons: de sacro fonte 16 forma iuris 11, 12 fornicator 14; fornicare 41 frater 4, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 36, 37, 50, 61, 62, 64, 67; ~ dilectus 59; ~ venerabilis 68, 71, 72, 74; confrater 57; fraternitas tua 70, 73 fraus 66 fructus 28, 52; ad spem fructus 50; pro medietate fructuum 61 funus (Beerdigung) 25, 26 furtum 31; furtivus 31 gratia 11, 39, 56, 57, 63, 71; Dei ~ 67; ~ divina 51, 68, 75; ~ specia-

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lis 62; ~, timore vel odio 2; → actio, concordia, meritum gravamen 23, 33; ~ et iniuria 4, 8; gravare 62 gravedo (Schwere) 47; gravitas 21, 67 guerra diutina et dampnosa 49 herba inutilis 8 hereditas 37; heres 65 homo (Mann) 18; (Mensch) 6, 30, 31, 47, 48, 63, 64, 65, 75, 76; ~ probus 39; nulli ergo omnino hominum liceat hanc paginam 71 honestas 5, 67, 67a, 71; ~ morum 38; ~ vestra 9, 27, 28, 34, 78, 79; ~ vite 71; honestus 64 honor 25, 35, 59, 67, 68, 72, 78; ~ divinus 26; honorificare 67 humilitas 13; humiliter 74; ~ et devote 76, 77idoneitas 73 ignarus 32, 33, 37; ignorantia 22 illicite 16, 70 imperator: Romanorum imperator semper augustus 67; imperatorius 63 impositio manuum 38 impotens 46; impotentia gravis corporis 43 incendium 46 incestus 73 inclinare 37; inclinatus 11; tuis precibus inclinati 73 indignatio: indignationem omnipotentis Dei se noverit incursurum 71 induciare 6; inducie (Aufschub) 9, 11, 12, 13, 45 indulgere 11, 39, 70; indulgentia 42, 43, 60; ~ et remissio 68

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infamia 29, 58; infamis 34 infans 16, 42 infimare (düngen) 61 iniquitas 4, 8, 18, 29, 31; iniquus 24, 29 iniuria 46, 47; iniuriosus 7 iniustitia 29; → iustitia inobedientia 58; → obedientia inquietatio 33, 72 insolens 50; insolentia 67a instantia 6, 7 insultare 35 integer: in integrum 64 intercessio 38, 57 interdictum 9; ~ ecclesiasticum 8; interdicere 67, 71 interpellare 27, 57 interventus 13, 38, 39 inutiliter 44; → utilis iudex 1, 8, 9, 12; ~ summus (Gott) 34, 65; iudices a sede apotolica delegati 4 iudicare 22, 31, 34; iudicium 50; ~ extremum 62, 65 iuger (Joch, Flächenmaß) 20, 61 ius 9, 12, 21, 22, 46, 62; ~ patronatus et collationis 78 iustus 67; minus iuste 16 iustificare 11 iustitia 1, 4, 26, 34, 58, 60, 64, 67; ~ exigente 5; iustitie speculum 60; → iniustitia laicus 4, 74 lator presentium 40; latrix presentium 41 legatio (Gesandtschaft) 27; (Vermächtnis) 36 legitimus (Ehemann) 14; legitima (Ehefrau) 15; legitime 16

lesio 47 levita (Diakon) 39 lex 6, 24, 47; ~ Domini 32; ~ privata 62; legaliter 21, 42 liberalitas 27; liberaliter 67 libertas 30; Romana libertas 62; libertus 65 libra (Pfund) 61, 63 limen 67; ad limina sanctorum apostolorum Petri et Pauli 79 littera 2, 5, 7, 32, 47, 49, 61, 62, 64, 67, 75, 77, 79; litteratura competens 77 locus sanctorum 68 lolium (Lolch, Schwindelhafer) 18 lucrum prohibitum 22 lumen nocturnum 36 lupanar (Bordell) 17 magister coquine imperialis 31; magister 50 magistratus 59 magnificentia tua 72 maiestas divina 72; ~ imperatoria 63 maledictus 8 maleficium 7, 23, 31, 48; malefactor 31 mandare 5, 6, 10, 24, 58, 59; per apostolica scripta mandamus 70, 74; per apostolica scripta mandamus et precipimus, quatinus 2; districte mandamus 3; districte precipiendo mandamus 8, 67a; mandatum 13, 21; mandatu et rogatu 69 manumissio 65 mappale 66 marca 63; ~ argenti 49, 64, 69 mater 15, 29, 64; matrona 33

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matrimonium 16, 17 mecha (Dirne) 15 medicina 67a memoria 7, 27, 32, 36, 37, 63, 75 mentire 39, 50 meretrix 15 meritum 34, 35, 51, 57, 60, 68; merita gratiarum 72; ob meritum divine retributionis 78 merx (Ware, Preis) 27, 29 miles 1, 6, 7, 9, 10, 11, 13, 19, 24, 25, 26, 31, 32, 66, 67, 76; militia 8, 67 minister 56, 72; ~ Dei 57; ministerium 26, 57; ministrare 73 ministerialis 76; ~ imperii 67a miraculum 60, 76 miseria 42; miserabiliter 57 misericordia 41, 57, 65, 68; misericors 57, 67 monere 4, 15, 34, 44, 45, 50, 56, 67; ~ efficaciter 31; monitio 14, 18 mora: absque mora 15 morire morte pessima 9; mors 31 mores 67, 67a, 71, 77; ~ bone 71 mulier 16 mutuare 24; mutuus (gegenseitig) 33; mutuum petere et recipere 69 natura 28, 29, 33, 66; naturalis 30 necessitas 30; necessitate cogente 44 nefas 57; nefarius 34, 66 negotiare 44; negotium 27, 71; negotiator 24 nequitia 21 nobilis 78; nobilitas generis 71 noxia 8, 53, 67 nuntiare 10; nuntius specialis 69

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obedientia: debitam ac devotam in omnibus obedientiam 60; obedire 67; → inobedientia obligare 22, 45, 69 obsequium 63, 71, 74; obsequiosus et devotus 71 observantia 30 obses (Bürge) 49 officium 4, 8, 12, 16, 24, 27, 28, 59, 63; ~ apostolatus 62; ~ divinitatis 42 officialis 77 oleum sacrumsanctum 42 oratio: orationes in Christo devotas 79; orationes in Domino devotas 77 ordinatio 59, 64, 67 ordo 33, 56, 57, 62, 73; ~ diaconatus 38; ~ equester 24; ~ iuris 6, 19; ~ sacer 38, 39; ~ subdiaconatus 77 orphanus 33 osculum: devota pedum oscula beatorum 76 pactio: pactione interposita 61; pactum 28, 35, 44 paganus 62 pagina 33, 64; ~ presens 39, 62, 65; ~ utriusque testamenti 74 palatium 63 pannus (Tuch) 44, 45 papa: dominus papa 62 parcere 5, 23, 47 parens, parentes 26, 29, 33, 65 parrochina (Pfarreiangehörige) 14; parrochialis (Pfarreiangehöriger) 24, 40, 79 pater 50; paternitas vestra 38; paternus 50, 67; sanctissimo patri ac domino 60, 76

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patrimonium 77 patronus 60 pauper 29 pax 67; longa pacis tranquillitas 46; ad pacis formam 49; ex pacis violentia 49 peccatum 9, 10, 25, 40, 75; peccator 40; abolitio peccaminum 41 pecunia 23; pecus 33 pena (Strafzahlung) 61, (Strafe) 62, 74 penitere 40, 42; penitentes et confessi 68; penitentia 41, 56, 58 peremptorie 5 periculum animarum 70, 74; ~ salutis 15 periurus 40 persona 25, 37, 55, 59, 62, 69; ~ ecclesiastica 72; ~ ecclesiastica vel secularis 62; ~ idonea 70; personatus 70, 71 petitio 2, 13, 28 pietas 21; sinus pietatis 41 pignus (Pfand) 20, 21, 23, 24, 74 plaustrum (Fuder) 61 plebanus 8, 27, 79 plebs 35, 79 pontifex reverendus 60; sanctissimo patri ac domino sacrosante Romane ecclesie summo pontifici 76; ~ summus 60 populus 6, 42, 46, 76 possessiones et res 1, 2, 4; possessor 20, 37; possidere 20, 24, 64 potestas plenaria 69 precipere 8, 18, 50; districte precipiendo 22; precipimus et man­ damus 2, 24; preceptio 55; preceptum 64; preceptor (Komtur) 58, (Lehrer) 67

preces 58, 62, 66; ad preces 45, 76; ob nostrarum precum interventu 78 preeminentia vestra 53 prepositus 36, 37, 71 presumptio 15, 47, 66 primogenitura 64 princeps (Fürst) 67 privilegium 62, 63 procurare 59; procurator 69 promittere 45, 66, 77 promovere 38, 39, 77, 79 protectio 31, 32 protestare 40, 60 providentia vestra 45 provincia 45, 46, 76 publice 10, 63; publicus 67a pudor 10, 27 punire 66 pupillus 33, 48 purgatorius 37 querelare 5 querimonia 2, 3, 4 quod si non ambo 2, 3 rapina 34; rapinosus 46 ratio 13, 15, 19, 23, 30, 33, 34, 48, 57, 60, 75 ratum, gratum et firmum habere 69 reatus 26, 31, 32, 57 rebellis 63 recapere 23 receptio 5, 31, 56; recipere 14, 25, 26, 34, 38, 39, 62 reconciliare 40 rector ecclesie 77; ~ puerum 27 redigere: in publicam formam redegi 69 reditus 45 reformare 8; reformatio morum 67a

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regimen 67a regnum 67 regula 55, 60; regularis (Ordens­ angehöriger) 73; regulariter 18 relaxare 65, 68 relicta (Witwe) 78 reliquia 68; ~ sancta 40 remittere 20, 22; remissio 37; ~ peccaminis 36, 65, 79 remuneratio 79 repagulum (Riegel) 46, 47 res credita 44; ~ mutabilis 20; ~ pa­ raphernales 64; ~ et persone 62 rescribere 57 respondere 3; responsalis 5; responsiva 43, 46, 54 restitutio 21, 32, 37, 57; restituere 23, 24, 31, 35, 57, 58 reverenter 19, 25, 60; reverentia 67, 72, 76; ~ debita 59; ~ vestra 77 rex 67, 67a; ~ illuster 72; ~ regum 72; regius 67; vir ~ 30 rigor 14; ~ debitus 18; ~ ecclesiasticus 4, 15; ~ iustitie 58 roborare 7, 36, 61, 63, 64 rogare 12, 13, 31, 56, 59, 77; ~ et hortare 72; rogatio 27 sacerdos 16, 17, 58 sacramentum (kirchlicher Brauch) 24 sacrilegum 34 salus 4, 8, 37, 60, 72, 74, 75; ~ animarum 73; salutem in Domino 39; salutem et apostolicam be­ nedictionem 68 salutare 55; salutatio 62 sanctio apostolica vel imperialis 62; ~ canonum 17 sanctitats 58, 60; ~ vestra 1, 40, 41, 60, 66, 76

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sapitus: leges sapite 6 satisfacere 10; satisfactio 33; ~ de­ bita 8 sauciare 67a scandalum 70 scientia 52, 67, 73; ~ laudabilis 38, 39; ~ dictandi 51; ~ litterarum 71; scire, videre et testari 76; scientes certissime nobis gratum et acceptum obsequium impendisse 78 scolasticus 77 scriptum presens 36 secratarius 30; ~ apostolice sedis 69 sedes apostolica 4, 70, 71, 72; → secretarius sententia (Urteil) 6, 7, 8, 9, 12, 13, 19, 21; ~ membrorum (Körperstrafe) 63 sentire et fateri 76 sepelire 26; sepultura 26, 64 serpens 65; serpere 67 servilis 21; servus 60, 67; servitium 27, 37, 65 si est ita 70, 74 sigillum 7, 36, 49, 61, 62, 65, 77, 79 signum 16 simplicitas 17, 22, 34 societas 67a solatium 67 solidus (Schilling) 36 solium divinum 50; ~ regale 67 sollicitudo 59, 67, 75; ~ vestra 52; solicite 59 solutio 44; solvere 45 sors (Anteil) 20, 23, 33, 74 spiritus bonus 13, 56; ~ consilii sanioris 9; ~ sanctus 39 spolia 31

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statuere 64 strages et conflictus 76 subsidium (Hilfe) 31, 47 substantia 22 substituere 69; substitutus 69 subtilitas 21 suburbium 66 suffraganeus 42 suffragium 23 supplicatio 11, 61; supplicare 19, 68; ~ humiliter et devote 76; ~ reverenter et humiliter 60; nobis fuit humiliter supplicatum 73; supplicium 23; ~ temporale 26; supplex 13, 20 suspensio 9 suspicio 48 talentum (Pfund) 20 talio 47 temerarius: ausu temerario 63, 71; temeritas 67 tenementor (Pächter) 20 tenor: tenore presentium pateat universis 61 terminare fine debito 2; terminus 44, 45; ~ competens 70 terror 63 testamentum 22, 64, 75 testimonium 7, 11, 49, 69; ~ perhibere 2, 38; pro cuius rei testimonio 39; testimonio veraci 61; in cuius rei testimonium 77, 79 testis 2, 3, 49, 64, 65, 69; teste Deo 9 thorus legitimus 17 timor Dei 31; ~ divinus 59; ~ optimi conditoris 32; timor vindicte 46 torcular (Kelter, Weinpresse) 61 traditor Dei 57

triticum (Weizen) 18 tua → celsitudo, dilectio, excellentia, filiatio, fraternitas, magnificentia tumba 60 turpis 24; turpiter 14; turpitudo 40 tutamen 47 tutela 31, 62 tyrannide 46 ulla (Elle, Maßeinheit) 44 ultio 31, 46, 47, 66 universitas vestra 58; universis Christi fidelibus, ad quos presentes littere pervenerint 79 usura 26, 74; ~ cessante 2; usurarius 74 usurpare 70 utilis 38; utilitas 35; → inutilis uxor 22, 64; ~ legitima 15 venatio 67; venator 67 vendicare et usurpare 4 venerabilis 37 venia 13, 57 veritas 67 vestra → auctoritas, benignitas, caritas, devotio, dilectio, discretio, dominatio, honestas, paternitas, preeminentia, providentia, reverentia, sanctitas, sollicitudo, universitas; → tua vicarius 78 victus et vestitus 77 vidua 31, 33, 48, 66 vigilantia 59; ~ pastoralis 26 villa 24, 46; villanus 61 vindicare 66 vinea (Weingarten) 20, 22, 23, 24, 61; vinetum 61 violentia 66; ~ impetuosa 33

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vir discretus 4; ~ generosus 49; ~ honorandus 9, 31, 77; ~ nobilis 2, 49 virtus 60, 63, 67, 67a vita (Lebenswandel) 73; ~ laudabilis 77; ~ et conversatio honesta 78

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vitium 22, 67a voluntas extrema 64; ~ propria et spontanea 69 votum 66; ~ (Gelübde) 17; ~ iustum 62 vulnus rescindere 67a

Abstract The manuscript Clm 639 includes four works of Guido Faba (d. after 1248), among them his Summa dictaminis in a form that apparently predates 1238. Later on, the codex came to Würzburg, where a quire was added to the beginning, with 66 dictamina relating to ecclesiastical administration and jurisdiction in the city and diocese of Würzburg. The dicta­ mina date from after 1259 and were composed by a clerk who enjoyed close relations to the Hohenlohe family and the Hospitallers at Mergentheim. Before the end of the thirteenth century, two further scribes used free spaces to add 13 texts, including a copy of the Gloria genitoris, Frederick II’s famous admonition of his son, which concerns Pope Innocent IV (r. 1243–54) and King Conrad IV (d. 1254). The form it is included in here is probably similar to that issued to Conrad’s tutor Gottfried of Hohenlohe. Unfortunately, the compiler cannot be identified with certainty, though possibilities include the magister Henricus poeta (d. before 1265), Berthold of Sternberg (d. 1287 as bishop of Würzburg) and Rudolf of Hürnheim (d. 1289 as officialis of Würzburg, the first known holder of that office). At any rate, the hitherto unedited dictamina shed new light on both the regional and imperial history of the mid-thirteenth century, the wars between Hohenlohe and Henneberg over the bishopric of Würzburg, a plan for an imperial election at Frankfurt, a proposal to Innocent IV to declare Bishop Bruno of Würzburg (d. 1045) a saint, Bohemian protection for the bishopric of Bamberg, and other matters. Furthermore, the compilation in Clm 639 shows how collections in the genre of the ars dictaminis transformed gradually to become formularies for specific chanceries.

Vestiges épistolaires de Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut Deux collections-formulaires du début des années 1270 par JEAN-FRANÇOIS NIEUS/AURÉLIE STUCKENS

Si rares et précieuses qu’elles soient aujourd’hui, les quelques dizaines de lettres dont nous proposons ici l’édition n’avaient à l’origine rien de très exceptionnel. Elles ne représentent qu’un infime échantillonnage, opéré sur une courte période (1270–1273 surtout), parmi les centaines, si pas les milliers  de missives de toutes sortes que la princesse Marguerite de Constantinople († 1280) a dû expédier chaque année – à l’instar de beaucoup d’autres gouvernants – au cours du tiers de siècle durant lequel elle a présidé aux destinées des comtés de Flandre et de Hainaut (1244–1278). Leur seule singularité réside précisément dans le fait d’avoir traversé les siècles à la faveur de leur réunion dans deux collections de dictamina, c’est-à-dire de modèles épistolaires. Cette exploration de l’art du formulaire par les clercs de la comtesse Marguerite  – qui seront relayés par d’autres à la génération suivante – semble bien, elle, distinguer la Flandre dans le concert des administrations princières du XIIIe siècle. La première de ces deux collections (que nous baptisons «  collection A ») n’est pas tout à fait inconnue. Le cahier qui en est conservé a été inséré au début du XIVe siècle dans le célèbre Codex Dunensis, énorme collection-formulaire de lettres et d’actes compilée à cette époque à l’abbaye cistercienne de Ter Doest près de Bruges, décrite et partiellement publiée au XIXe siècle par J. Kervyn de Lettenhove1. Mais bien que cet érudit 1 Bruges, Openbare Bibliotheek, ms. 418 (fos 369 r°–374 r° pour la collection A). Voir ­Joseph Kervyn de Lettenhove, Notice sur un manuscrit de l’abbaye des Dunes, in: ­Mémoires de l’Académie royale des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique 25 (1850) p. 1–56 (paginé à part), puis Id., Codex Dunensis, sive diplomatum et chartarum Medii Aevi amplissima collectio (Académie royale de Belgique. Commission royale d’his-

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eût observé l’antériorité dudit cahier et signalé son origine comtale2, celui-ci n’a jamais été étudié comme tel3. La seconde collection (« collection B »), quant à elle, est une découverte récente, consécutive à la publication du catalogue des manuscrits de la Russell Library de l’université irlandaise de Maynooth, où elle repose de nos jours. Elle se présente elle aussi sous la forme d’un cahier isolé, serti au XVe siècle dans un recueil composite provenant de l’abbaye Saint-Jacques à Liège4. Les collections A et B sont étroitement liées, au point de partager une séquence commune de cinq lettres. L’intérêt de leur publication est évident ; on touche du reste à des thèmes fort présents dans les recherches actuelles sur l’écrit médiéval. La présente édition lève tout d’abord un petit coin du voile sur le continent perdu de l’épistolaire politique et administratif au Moyen Âge central5. La lettre, on toire. Collection de chroniques belges inédites), Bruxelles 1875. Pour la provenance supposée du manuscrit, voir Roger De Ganck/Nicolas Huyghebaert, Abbaye de Ter Doest, à Lissewege, in: Monasticon Belge 3/2: Province de Flandre Occidentale, Liège 1966, p. 318– 651, à la p. 318. Une étude approfondie du Codex Dunensis manque encore. 2 Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. III: « Les feuillets 369 à 373 sont d’une main plus ancienne. On y voit des titres écrits à l’encre rouge. On ne peut guère douter que ce ne soit un cahier de transcriptions tenu par un clerc de la comtesse Marguerite de Constantinople, qui a été plus tard relié dans le même Codex ». L’auteur n’a cependant pas jugé bon de renvoyer aux numéros des lettres correspondantes à l’intérieur de son édition (p. 371–378, nos 236–258), rendant ainsi tout rapprochement difficile. 3 Hormis certaines observations de Pascal Montaubin, L’administration pontificale de la grâce au XIIIe siècle: l’exemple de la politique bénéficiale, in: Suppliques et requêtes. Le gouvernement par la grâce en Occident (XIIe–XVe siècle), éd. Hélène Millet (Collection de l’École française de Rome 310), Rome 2003, p. 321–342, aux p. 325–326, 328 et 332. 4 Maynooth, Russell Library, ms. 4 RB47, fos 88 r°–92 v°. Voir Peter J. Lucas/Angela M. Lucas, The Medieval Manuscripts at Maynooth. Explorations in the Unknown, Dublin 2014, p. 41 et 49–53, qui la décrivent comme un « formulary of papal letters » (p. 49). Ce manuscrit nous a été signalé par Élisabeth Terlinden, assistante à l’Université de Namur; nous tenons à lui exprimer ici toute notre gratitude. 5 Lequel a suscité une impressionnante mobilisation ces dernières années. Voir en particulier la trilogie Épistolaire politique  I. Gouverner par les lettres, éd. Bruno Dumézil/ Laurent Vissière (Cultures et civilisations médiévales 62), Paris 2014; Épistolaire politique II. Authentiques et autographes, éd. Id. (Cultures et civilisations médiévales 66), Paris 2016; Art de la lettre et lettre d’art. Épistolaire politique III, éd. Paolo Cammarosano/ Bruno Dumézil/Stéphane Gioanni/Laurent Vissière (Collection de l’École française de Rome 517), Trieste 2016. D’autres collectifs ont été publiés concomitamment: La correspondance entre souverains, princes et cités-états. Approches croisées entre l’Orient musulman, l’Occident latin et Byzance (XIIIe–début XVIe siècle), éd. Denise Aigle/Stéphane Péquignot (Miroir de l’Orient musulman 2), Turnhout 2013; Kuriale Briefkultur im späteren Mittelalter: Gestaltung, Überlieferung, Rezeption, éd. Tanja Broser/Andreas Fischer/Matthias Thumser (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu

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le sait, n’avait pas vocation à être conservée dans la longue durée. En l’occurrence, sur la quarantaine de documents transmis par nos deux collections, un seul a survécu par ailleurs, sous la forme de deux originaux mis au rebut dans les archives comtales (lettre B22 de l’édition ci-après). Ces dernières contiennent bien quelques épaves de correspondance, mais plutôt de l’extrême fin du XIIIe siècle6. Il n’est guère que les archives hors normes de la monarchie anglaise qui renferment encore des lettres originales en grande quantité7, y compris des comtes de Flandre (une dizaine J. F. Böhmer, Regesta Imperii 37), Cologne et al. 2015; Gouverner par les lettres, de l’Antiquité à l’époque contemporaine. Actes du collogue de Metz, 10−12 octobre 2013, éd. Agnès Bérenger/Olivier Dard (Centre de recherche universitaire lorrain d’histoire  54), Metz 2015; Medieval letters. Between fiction and document, éd. Christian Høgel/Elisabetta Bartoli (Utrecht Studies in Medieval Literacy 33), Turnhout 2015; Carteggi tra basso medioevo ed età moderna. Pratiche di redazione, trasmissione e conservazione, éd. Andrea Giorgi/ Katia Occhi (Fonti 13), Bologne 2018; Epistola 2. La lettre diplomatique. Écriture épistolaire et actes de la pratique dans l’Occident latin médiéval, éd. Hélène Sirantoine (Collection de la Casa de Velázquez 171), Madrid 2019. Le XIIIe siècle et la correspondance princière n’occupent cependant qu’une place modeste parmi les contributions réunies dans ces volumes. 6 Voir les pièces éditées par Joseph Kervyn de Lettenhove, Études sur l’histoire du XIIIe siècle, in: Mémoires de l’Académie royale de Belgique 28 (1854) p. 1–105 (paginé à part), et beaucoup plus récemment par Thomas Brunner/Aurélie Stuckens, Autour d’une correspondance privée inédite entre deux frères en 1298: les lettres de Gérard et de Jacques Mulet, chanoines douaisiens et clercs du comte de Flandre, in: Revue du Nord 98 (2016) p. 759–809. Les archives comtales renferment par ailleurs des lettres reçues par la comtesse douairière Béatrice de Brabant, dame de Courtrai († 1288), qui ont été répertoriées par Marguerite Gastout, Béatrix de Brabant, landgravine de Thuringe, reine des Romains, comtesse de Flandre, dame de Courtrai (1225 ?–1288) (Université de Louvain. Recueil de travaux d’histoire et de philologie, 3e série 13), Louvain 1943, annexe II, p. 219–295 (nos 6, 16, 72, 86, 96–99, 107, 109, 148, 155 et 161–165), et partiellement publiées par Joseph Kervyn de Lettenhove, Béatrice de Courtray, in: Bulletin de l’Académie royale des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique 21/2 (1854) p. 403–415, et 22/1 (1855) p. 382–400. 7 En particulier la « Special Collection 1 » des National Archives britanniques à Kew, qui renferme presque 7000 lettres du XIIIe siècle (comptées par Kathleen Neal, From Letters to Loyalty: Aline la Despenser and the Meaning(s) of a Noblewoman’s Correspondence in Thirteenth-Century England, in: Authority, Gender and Emotions in Late Medieval and Early Modern England [Genders and Sexualities in History], éd. Susan Broomhall, Basingstoke 2015, p. 18–33, à la p. 31, n. 13). Voir les florilèges publiés par Walter W. Shirley, Royal and Other Historical Letters Illustrative of the Reign of Henry III from the Originals in the Public Record Office 1–2, Londres 1862–1866; Frédéric-Joseph Tanquerey, Recueil de lettres anglo-françaises (1265–1399), Paris 1916; Pierre Chaplais, Diplomatic Documents Preserved in the Public Record Office 1: 1101–1272, Londres 1964. Les richesses de l’Angleterre offrent un saisissant contraste avec « la situation globalement désolée » de la correspondance politico-administrative des XIIIe–XIVe  siècles dans les archives européennes – ainsi qualifiée après inventaire par Xavier Hélary, L’« épistolaire politique » au

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pour la comtesse Marguerite8). L’édition devrait ensuite contribuer à attirer l’attention sur un entre-deux assez peu étudié de la pratique du formulaire au XIIIe siècle, à l’intersection des grandes sommes italiennes gorgées de rhétorique et des flux documentaires réglés au quotidien par des administrations résolument ancrées dans la réalité gestionnaire9. Les textes édités jettent enfin un éclairage de premier plan sur certains aspects de la gouvernance des comtes de Flandre et de l’activité de leurs agents au seuil des années 1270, ainsi que sur un florilège de « dossiers » qui ont occupé le pouvoir comtal à cette époque, depuis l’élection impériale jusqu’au sort de la mystique Élisabeth de Spalbeek en passant par la frappe de la grosse monnaie.

1. Présentation des manuscrits Les manuscrits des deux collections se ressemblent sur plusieurs points. Tous deux datent vraisemblablement des années 1270. Tous deux sont au format « in-octavo », copiés avec un certain soin par une seule main (hormis un ajout dans le manuscrit de la collection A) qui a introduit des rubriques à l’encre rouge. Tous deux enfin sont constitués d’un unique cahier, qui se révèle à l’examen être le cahier final d’une compilation autrefois plus étendue. L’écriture et le rendu général sont cependant très différents. 1.1. Ms. Bruges, Openbare Bibliotheek, 418, fos 369 r°–374 v° (collection A) Le quaternion survivant de la collection A (24 lettres), on l’a dit, a été inséré en l’état dans la compilation cistercienne de presque mille documents baptisée Codex Dunensis (avant 1325), dont il occupe les fos 369 à 376 et où ses pièces ont été numérotées anciennement de DCLII à DCLXXVI. L’insertion est contemporaine de la composition du Codex, car une partie du f° 374 et les fos 375–376, qui étaient restés vierges, ont été chargés de nouveaux textes par l’un des scribes du Codex. Mais l’écriture du quaternion, sa mise en page et son parchemin plus fin le distinguent bien du reste du manuscrit. XIIIe siècle: autour d’un recueil de lettres relatives à la croisade de Tunis (1270), in: Épistolaire politique I (v. n. 5) p. 199–213, aux p. 199–203. 8 Chaplais, Diplomatic Documents (v. n. 7) p. 172–173, 198, 269, 271, 272–273, 275–276, 295–296 et 307–308, nos 259, 290, 392, 395, 399, 402, 404, 422 et 441–443 (lettres échelonnées de 1246 à 1270). 9 Cette question est abordée infra, point 3.3.

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Ill. 1: Manuscrit de la collection A. (Bruges, Openbare Bibliotheek, ms. 418, f° 372 v°).

Ses feuillets, réguliers, mesurent 255 x 170 mm et portent 26 lignes d’écriture, très droites malgré l’absence de traces de réglure, avec un ample espace interlinéaire (ill. 1). Chaque nouveau document est marqué par une

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Ill. 2: Manuscrit de la collection B. (Maynooth, Russell Library, ms. 4 RB47, f° 98 v°).

initiale à l’encre noire, de même que par un espace vierge d’une ligne lorsque la dernière ligne du texte précédent n’offrait plus assez de place pour accueillir une rubrique. Après avoir tracé deux rubriques à l’encre

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noire (lettres A2–A3), le scribe principal est passé à l’encre rouge. Il a toutefois omis les rubriques aux fos 370 r°, 372 r° et 373 r° (lettres A6-A7, A18 et A21–A22). Il fait aussi usage de l’encre rouge pour signaler une formulation alternative au f° 372 r° (lettre A16 : et si fuerint plures scribatur sic). L’écriture de ce scribe est une cursive documentaire de belle tenue. Des hastes montantes et descendantes tout en courbes, des jeux d’empattements prononcés sur les lettres d, s, f, l, ainsi que sur les signes abréviatifs, dégagent une impression de virtuosité. Un recours massif aux abréviations (dont certaines peu usitées en Flandre, telles que ƺ pour est, ou qƺa/qƺe pour quam/quem) révèle un spécialiste accompli de l’écrit. Au final, une main d’apparence assez singulière, qui ne rappelle guère les écritures en usage à la chancellerie flamande dans la seconde moitié du XIIIe siècle10. Le scribe principal s’est interrompu abruptement à la fin du f° 373 r°, laissant la copie de la lettre A22 inachevée. Une seconde main a pris le relais aux fos 373 v°–374 r° pour ajouter deux lettres concernant le clerc comtal Guillaume d’Haverskerque11 (A23–A24), dont la deuxième avait pourtant déjà été transcrite plus haut (A7/A24/B11). Cette main élégante, rythmée par les hastes obliques des d, ressemble sensiblement, elle, à celles de la chancellerie. On pourrait donc envisager – sans plus – qu’il s’agisse de la main de Guillaume d’Haverskerque lui-même. Bien que la copie du premier document débute en haut du f° 369 r°, l’absence d’un titre, et plus encore d’une rubrique annonçant l’objet de ce premier document (ou d’un espace ménagé à cet effet), peut laisser penser que nous n’avons pas le début de la collection sous les yeux. La rubrique se trouvait peut-être à la fin du folio précédent, comme c’est le cas au f° 369 v°, au niveau de la lettre A5. Il est donc possible qu’un quaternion au moins ait disparu12. S’agirait-il d’une main « étrangère » ? Dans cette hypothèse, on pourrait éventuellement songer à l’un des deux adjuvants extérieurs de la comtesse Marguerite cités dans les collections A et B, à savoir le notaire pontifical Ysembard de Plaisance ou le clerc angevin Jean de Villemareuil (voir infra, point 3.1). Ce dernier, en particulier, a beaucoup côtoyé Gérard de Vertain – le clerc comtal que nous identifions comme le « formulariste » principal – en 1272– 1273. Il se trouvait avec lui en Flandre, au sein de l’hôtel de Gui de Dampierre, au moment probable de la mise en recueil des deux collections (fin de l’année 1273: voir infra, point 2.3). 11 À son propos, voir infra, point 3.1. 12 Néanmoins, on observe une nette évolution dans la façon d’abréger les lettres entre le début et la fin du cahier (on passe de copies intégrales ou presque à des copies fragmentaires, limitées au cœur des lettres: voir infra, point 3.2), ce qui serait plus compatible avec l’hypothèse d’un document complet. L’absence d’agencement thématique des lettres, quant à elle, n’est pas forcément significative: voir infra, n. 18. 10

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1.2. Ms. Maynooth, Russell Library, 4 RB47, f° 88 r°–92 v° (collection B) Le cahier rescapé de la collection B (23 lettres) est aussi un quaternion, amputé de son dernier feuillet (réduit à un onglet visible entre les fos 94 et 95). Les salissures de sa première et de sa dernière pages suggèrent qu’il a longtemps circulé dans cet état ; une marque horizontale en son centre indique aussi qu’il a été plié en deux à un moment donné. Pourtant, l’ajout au f° 92 v° d’une lettre de l’abbé de Saint-Jacques à Liège à son homologue de Saint-Trond indique qu’il se trouvait déjà dans les murs de l’abbaye liégeoise dans la première moitié du XIVe  siècle13. C’est en tout cas au début du XVe siècle que le prieur de Saint-Jacques, Philippe d’Othée14, l’a intitulé Quedam dictamina (f° 88 r°) et l’a relié avec divers autres membra disiecta pour former le recueil dont il constitue les fos 88 à 9415. Les feuillets, faits d’un parchemin de qualité inférieure présentant force lisières, mesurent environ 210 x 155 mm et comportent 43 lignes d’écriture, guidées par une réglure à la pointe sèche ; la mise en page est donc assez dense, même si les marges de queue et de gouttière restent généreuses (ill. 2). Chaque document s’ouvre par une lettrine rouge sur deux lignes, flanquée d’une lettre d’attente. Les rubriques à l’encre rouge sont systématiques, avec une seule omission au niveau de la lettre B14. L’écriture est une textualis libraria très simple, sans point commun avec celle du manuscrit de Bruges, ni plus généralement avec les écritures documentaires de la période. Elle n’en présente pas moins beaucoup d’abréviations (plus classiques que celles du manuscrit de Bruges). La collection de Maynooth est également fragmentaire, car le texte du quaternion conservé commence à la fin d’une lettre (B1) ; un ou plusieurs cahiers précédaient donc à l’origine. Ici aussi, il s’agit du quaternion final de la collection, qui se terminait au milieu du f° 92 v°. Celui-ci, ainsi que les fos 93 et 94, initialement restés vierges, ont reçu diverses additions au XIVe siècle16. C’est sans doute ce recyclage de ses espaces libres qui explique la survie du quaternion, plutôt qu’un intérêt persistant pour les Lettre de l’abbé Henri (1317–1342) à l’abbé de Saint-Trond Adam (1297–1330), antérieure donc à 1330. 14 À son propos, voir Élisabeth Terlinden, Philippe d’Othée: un bibliothécaire au temps de la réforme bénédictine (abbaye de Saint-Jacques à Liège, début du XVe siècle), in: Revue bénédictine 129 (2019) p. 345–363. 15 Voir la description codicologique de Lucas/Lucas, The Medieval Manuscripts (v. n. 4) p. 41 et 49–53. 16 Ibid. p. 53. 13

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textes qu’il véhiculait17. Dès lors, on ne peut que s’interroger sur l’ampleur originelle de la collection. La seule observation qui puisse être formulée à cet égard porte sur l’absence de regroupement thématique des lettres : elles paraissent copiées en pagaille, ce qui soutiendrait plutôt l’hypothèse d’une petite collection. Mais l’argument est fragile18.

2. Présentation des lettres Dans leur état actuel, les collections A et B comptent respectivement 24 et 23 entrées. Elles nous livrent au total 41 documents différents19, sachant qu’une séquence identique de 5 lettres figure dans les deux compilations (A4–A8 et B8–B12) et qu’une de ces 5 lettres apparaît deux fois dans la collection A (A7/ A24/B11). Nous présenterons les deux corpus ensemble, dans la mesure où ils sont manifestement issus d’un seul et même réservoir de correspondance comtale20 – une correspondance exclusivement latine, faut-il encore préciser21. La décontextualisation et l’élagage subis par les missives lors de leur transformation en « formules » (suppression des noms propres, des dates, de certaines parties du discours) compliquent bien sûr la tâche de l’historien. Heureusement, dans nos deux collections, bon nombre d’éléments circonstanciels ont malgré tout été préservés ; les rubriques, en particulier, indiquent souvent l’auteur et/ou le destinataire de la lettre. La plupart des lettres peuvent donc être à peu près resituées dans leur contexte.

Les additions ne sont d’ailleurs pas des dictamina, mais des remèdes médicinaux et un extrait hagiographique. 18 On peut très bien imaginer une collection ample et bien agencée, dont les derniers feuillets auraient néanmoins regroupé en vrac des écrits « inclassables » ou retrouvés par le compilateur en cours de route. Il existe au demeurant une troisième collection flamande créée vers 1290 (voir infra, point 3.3), qui est nettement plus volumineuse (plus de 130 entrées à l’origine) et pourtant parfaitement désordonnée ... 19 Dont un texte fragmentaire (B1) et une simple formule (B19). 20 Voir infra, point 3.2. 21 Ce qui n’allait plus tout à fait de soi à une époque où, dans la production des actes comtaux, le français prenait déjà nettement le pas sur le latin: Aurélie Stuckens, Les hommes de l’écrit. Agents princiers, pratiques documentaires et développement administratif dans le comté de Flandre (1244–1305) (Studies in Belgian Historiy 9), Bruxelles 2020, p. 60 et 70. Le latin paraît cependant avoir mieux résisté dans le champ épistolaire, comme en témoignent aussi, parmi la documentation flamande, le formulaire de Pierre de Béthune (présenté infra, point 3.3) ou les lettres des frères Mulet (étudiées par Brunner/Stuckens, Autour d’une correspondance [v. n. 6], p. 759–809). 17

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2.1. Auteurs La comtesse de Flandre et de Hainaut en est sans conteste la figure centrale. On peut en effet considérer que Marguerite de Constantinople est l’auteur de 31  lettres (Tableau  1)22. Il faut aussi noter que, parmi les 10 lettres émanant de tiers, 6 lui sont adressées (Tableaux 1 et 2). Enfin, la princesse n’est pas complètement étrangère aux 4 lettres dont elle n’est ni l’expéditrice, ni la destinataire : une épître des bourgeois de Gand au roi de France l’implique directement (B22) ; deux autres concernent la carrière de son petit-fils Jean, à l’époque prévôt de Bruges et chancelier de Flandre (A10 et B17) ; une dernière émane d’un chanoine de Messines qui est peutêtre son clerc Guillaume d’Haverskerque (B20). Il est déjà permis d’en conclure que les collections A et B ont vu le jour dans l’entourage de la comtesse Marguerite. Tableau 1: Auteurs des lettres des collections A et B. Fonction/Nom

Lettre(s)*

– Cardinal (Guillaume de Bray) – Chanoine de Messines – Commune de Gand – Comtesse de Flandre-Hainaut (Marguerite)

B15* B20 B22  A1–A3, A4–A8/B8–B12, A9, A11–A17, A19, A22–A23, B2–B14, B16, B18–B19, B23 A10 A20*–A21*, B21*  B17 A18*, B1*

– Évêque d’Arras (Pierre de Noyon) – Évêque de Cambrai (sans doute Nicolas de Fontaine) – Prévôt de Bruges et chancelier de Flandre (Jean de Flandre) – Indéterminé

* Les astérisques identifient les lettres destinées à la comtesse Marguerite.

Parmi les auteurs secondaires, un prélat se détache : l’évêque de Cambrai a adressé 3  lettres à Marguerite et en a reçu une quatrième de la part de celle-ci (A13). Même si la chronologie de cette correspondance est incertaine, il devrait s’agir de Nicolas III de Fontaine (1248–1273) plutôt que de son successeur Enguerran  II de Créquy (1273–1292)  ; nous y reviendrons23.

Dans deux cas (A6 et A8), son fils Gui est co-auteur. Voir infra, point 2.4.

22 23

160

Jean-François Nieus/Aurélie Stuckens

2.2. Destinataires La comtesse Marguerite est donc la destinataire de 6 lettres. Les 35 autres – les siennes pour l’essentiel – sont en majorité adressées à des dignitaires de l’Église (22 lettres), papes et cardinaux en tête (11 lettres) (Tableau 2). Les relations avec les autorités ecclésiastiques forment en effet une bonne partie de la substance des collections A et B, très marquées par les échanges avec la Curie romaine durant le pontificat de Grégoire X (mars 1272–janvier 1276), ainsi du reste qu’avec le haut clergé régional. Les puissances temporelles ne sont pas absentes, mais nettement plus discrètes : le roi de France Philippe III le Hardi (1270–1285) et son oncle Charles Ier d’Anjou, roi de Sicile (1266–1285), sont les seuls grands laïques identifiés parmi les destinataires. Tableau 2: Destinataires des lettres des collections A et B. Catégorie

Nom/Fonction/Institution

Lettre(s)*

Dignitaires ecclésiastiques (22 lettres)

– Abbé du Mont-Saint-Éloi 

A19

– Un abbé

A14

– Cardinaux

A11, B3–B4 

– Chapitre cathédral de Thérouanne

A12

– Chapitre général de l’ordre cistercien

A22

– Chapitre général de l’ordre des trinitaires

B16

– Chefs des maisons religieuses de Flandre et du Hainaut

A1, B7

– Évêque de Cambrai

A13

– Évêque de Liège

B13

– Pape

A2–A3, A4/B8, A6/B10, A9, A10*, B2, B19, B23

– Indéterminé

A23

– Charles Ier d’Anjou, roi de Sicile

B6

– Marguerite, comtesse de Flandre-Hainaut

A18*, A20*– A21*, B1*, B15*, B21*

– Philippe III, roi de France

B14, B22*

– Indéterminé

A17

– Émissaires auprès des princes électeurs

A8/B12

– Émissaires à la Curie romaine

A15

– Gérard de Vertain, prévôt de Cassel

B5

Princes laïques (10 lettres)

Agents comtaux (7 lettres)

Vestiges épistolaires de Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut Agents comtaux (7 lettres)

Autres (2 lettres)

– Guillaume d’Haverskerque, trésorier de Lille et prévôt d’Aire

A7/A24/B11

– Messager envoyé au comte Gui outre-mer

A16

– Pierre de Wede, bourgeois de Bruges

B17*

– Ysembard Pecorara de Plaisance, notaire du pape

A5/B9

– Un vassal de la comtesse Marguerite

B18

– Un ami d’un chanoine de Messines

B20*

161

* Les astérisques identifient les lettres dont l’auteur n’est pas la comtesse Marguerite.

Un troisième groupe, assez consistant, est celui formé par divers agents comtaux, qui tantôt reçoivent des lettres comtales à titre personnel (condoléances, étrennes : A7/A24/B11, B5), tantôt en sont les « bénéficiaires » directs ou indirects (octroi d’une pension, nomination, créance, délégation financière, sauf-conduit : A5/B9, A8/B12, A15–A16, B17). C’est parmi ces serviteurs du pouvoir bien en vue dans les collections A et B qu’il faudra en chercher le(s) concepteur(s). 2.3. Chronologie Les collections A et B n’ont qu’une faible profondeur chronologique. Les quelques lettres qui portent encore une date s’échelonnent entre 1270 et 1276, mais se rapportent surtout aux années 1272 et 127324. Les dates reconstituées qu’il est possible d’attribuer à d’autres lettres confirment tout à fait cet arrimage temporel. Au total, ce sont 25 lettres qui sont datées ou datables à un ou deux ans près avec un bon degré de certitude (Tableau 3) : elles s’égrènent de 1269 à 1276, mais se concentrent pour une large part entre 1270 et 1273 (22 lettres), et plus particulièrement en 1272 et 1273 (16 ou 17 lettres25). Le pic est atteint en 1273 (9 lettres), année plus que probable de la mise en forme des collections A et B ou de leur source commune.

Lettres A1 (6 mars 1273, n.st.), A4 ([1–20] septembre 1272), A6 (3  juin 1273), A8 (12 mars 1273, n.st.), B7 (27 octobre 1270) et B22 (1275, vers le 11 novembre). 25 Le chiffre s’élève même à 20 ou 21 lettres – soit la moitié du corpus – si l’on prend en compte 4 lettres dont le terminus ad quem est déduit de la date de confection probable des collections A et B (à savoir 1273): A3, A5/B9 et A10–A11. 24

162

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Tableau 3: Lettres datées ou datables. Dates

Lettres (souligné : lettres datées)

1269

A18

 1

1270

A17, B7, B16

 3

 1270/71

A16, A19

 2

1271

B14

 1

 1271/72

B15

 1

1272

A2, A4/B8, A21

 3

 1272/73

A7/B11, A15, A22

 3

1273

A1, A6/B10, A8/B12, A9, B2, B3, B4, B6, B13

 9

1274

-

 0

1275

B22

 1

1276

B23

 1

Total

Total

25

On note que les lettres B22 et B23, sur lesquelles se referme la collection B, sont plus récentes que les autres. Il s’agit clairement d’additions, peut-être introduites par le copiste du manuscrit de Maynooth, à moins qu’elles aient déjà figuré dans son modèle. Les lettres B17 à B21, qui ne sont pas datables finement, pourraient elles aussi constituer des additions au corpus originel. 2.4. Contenu Au seuil des années 1270, la comtesse Marguerite gouverne la Flandre et le Hainaut depuis bientôt trois décennies, secondée par son fils Gui de Dampierre, associé au pouvoir en Flandre depuis les années 1250 et également comte de Namur depuis 1263. Après un début de principat obscurci par le conflit ravageur entre les fils de ses deux lits (Avesnes et Dampierre) et par les problèmes financiers, Marguerite a pu, au cours des années 1260, se concentrer davantage sur la gouvernance de ses états, en améliorer l’administration et assainir quelque peu les finances comtales26. Si les années 1270 sont celles de la transmission du pouvoir à son fils Gui – elle lui cèdera la Flandre en décembre 1278, une grosse année avant sa mort –, elle n’en 26 Theo Luykx, De grafelijke financiële bestuursinstellingen en het grafelijk patrimonium in Vlaanderen tijdens de regering van Margareta van Constantinopel (1244–1278) (Verhandelingen van de Vlaamse Academie voor wetenschappen, kunsten en letteren van België, klasse der letteren 39), Bruxelles 1961; Stuckens, Les hommes de l’écrit (v. n. 21).

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continue pas moins d’exercer la plénitude de l’autorité comtale malgré son âge avancé. Ses échanges épistolaires en témoignent de façon éclatante. L’échantillon préservé dans les collections A et B n’éclaire évidemment pas toutes les facettes de sa pratique gouvernementale. Par-delà une réelle variété, accentuée par le joyeux désordre qui règne dans les deux lots de lettres, certains thèmes dominent. Les grands enjeux de l’actualité internationale des années 1270–1273 sont plus représentés que les « affaires intérieures » du comté, illustrées seulement par une quinzaine de pièces sans liens entre elles. Les missives concernant les agents comtaux, qu’il s’agisse de leur action au service de la comtesse ou de leurs carrières personnelles, attirent également l’attention. Enfin, les relations avec la papauté, diversement impliquée dans bon nombre de tractations, constituent une sorte de fil conducteur et donnent un semblant de cohérence au corpus. Voyons cela de plus près. Les opérations de la huitième croisade, dont l’élan s’est brisé devant Tunis avec la mort du roi Louis IX (25 août 1270), forment un premier dossier lié à l’actualité. Les lettres qui le composent laissent transparaître toute l’inquiétude de la comtesse Marguerite pour son fils Gui et ses petits-fils Robert et Guillaume, qui se sont joints à l’expédition au printemps 1270 et ne regagneront la Flandre qu’au milieu de l’année suivante, après s’être longuement attardés en Sicile et Italie27. Au moment de leur départ, Marguerite commande des prières au chapitre général des trinitaires (B16). Avide de nouvelles, elle envoie des messagers et s’enquiert de la situation auprès d’un croisé dont le nom ne nous est pas parvenu (A16–A17). Le 27 octobre 1270, elle ordonne à tous les religieux de la Flandre et du Hainaut de prier pour le défunt Louis IX ainsi que pour sa progéniture toujours bloquée en Afrique du Nord (B7). Au retour des siens, soulagée, elle peut annoncer la bonne nouvelle à l’abbé du MontSaint-Éloi et solliciter encore des prières (A19). Une lettre anonyme racontant la prise de Lucera par les troupes de Charles d’Anjou deux ans plus tôt, le 27 août 1269, a été insérée parmi ces missives dans la collection A (A18). Elle n’est pas tout à fait hors propos : la mise au pas de cette La vieille notice de Victor Gaillard, Expédition de Gui de Dampierre à Tunis en 1270, in: Le messager des sciences historiques, des arts et de la bibliographie en Belgique (1853) p. 141–157, vient d’être actualisée par Aurélie Stuckens, Itinérances aristocratiques: sur les pas des comtes de Flandre-Namur autour de 1270, in: Voyageurs, en route ! Circonstances et objectifs de la mobilité des hommes au Moyen Âge, voies d’eau et de terre, éd. ead. (Cahiers de la Maison du patrimoine médiéval mosan 13), Bouvignes/Dinant 2019, p. 37–55. Pour le déroulement général, voir Xavier Hélary, La dernière croisade. Saint Louis à Tunis (1270), Paris 2016.

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colonie musulmane du sud de l’Italie, rebelle au nouveau roi de Sicile et de Naples, fut perçue comme une victoire contre les Sarrasins28. L’amorce du pontificat de Grégoire X, intronisé le 27 mars 1272, a généré une intense activité épistolaire dont témoigne un deuxième ensemble de textes. L’élection de Tebaldo Visconti en septembre 1271 a mis fin à trois longues années de vacance pontificale – Clément IV était mort en novembre 1268 – et donné une impulsion nouvelle à la diplomatie flamande en direction du Saint-Siège. Des procureurs comtaux sont d’ailleurs envoyés en Italie en 1272 et 1273 ; ils prennent en quelque sorte le relais des agents qui avaient accompagné Gui de Dampierre à son retour de Tunis et défendu les intérêts de son fils Jean devant le collège des cardinaux29. Les collections A et B contiennent, on l’a dit, une dizaine de lettres adressées au nouveau pape et aux cardinaux (Tableau  2)  ; mais d’autres missives disent aussi l’attention que la comtesse Marguerite porte à la papauté. Peu après l’élection de Visconti, le cardinal Guillaume de Bray l’informe, à sa demande, de l’attente dans laquelle se trouve la Curie, qui ignore encore si l’élu est vivant et s’il va accepter la tiare (B15). Une fois Grégoire X en charge, elle s’empresse de lui écrire pour le féliciter et introduire auprès de lui ses premiers émissaires (A2)30. Une autre lettre suit quelques mois plus tard pour le remercier de ses premières faveurs et lui présenter un nouvel envoyé, son chapelain Gérard de Vertain (A4/B8). En mars 1273, elle le recommande aux prières des maisons religieuses de ses deux comtés (A1). Il est révélateur que la seule formule « hors contexte » consignée dans nos collections soit une captatio benevolentiae adaptée à une lettre de la comtesse au souverain pontife (B19). Il ne s’agissait pas seulement d’obtenir des bénéfices pour ses protégés ou des dispenses pour les membres de sa famille. Des intérêts politiques vitaux étaient en jeu. En 1272, Marguerite s’inquiétait à coup sûr des tensions persistantes avec les Avesnes, que Grégoire X serait peut-être enclin à favoriser31. L’année suivante, c’est en rap Julie Taylor, Muslims in Medieval Italy. The Colony at Lucera, Lanham 2003, notamment p. 145–148. 29 Voir infra, point 3.1, et Stuckens, Les hommes de l’écrit (v. n. 21) p. 177–179. 30 Cette lettre qui se trouve au début de la collection A – dans son état présent du moins – trouve comme un écho dans la collection B, qui se referme sur la lettre de félicitation adressée au successeur de Grégoire X au début de l’année 1276 (B23, une addition à la collection originelle). 31 Alain Marchandisse, Le prince-évêque de Liège et les comtes de Hainaut des maisons d’Avesnes et de Wittelsbach (1247–1433). Un marché de dupes quasi permanent, in: Revue du Nord 82 (2000) p. 629–657, à la p. 634; Stuckens, Les hommes de l’écrit (v. n. 21) p. 97. Dans une lettre écrite en septembre 1272, son chapelain Gérard de Vertain déplore – à re 28

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port avec l’élection impériale qu’elle doit essayer de s’attirer les faveurs de la papauté. Un troisième dossier de « grande politique » européenne concerne en effet la succession du roi des Romains Richard de Cornouailles († 2 avril 1272) ; il en dévoile d’ailleurs un aspect inédit. On connaît l’importance du processus électoral de 1272–1273, qui a mis fin au « grand interrègne », consacré le rôle des princes électeurs et intronisé le premier représentant de la dynastie des Habsbourg, Rodolphe Ier (1273–1291), élu au bout d’un an et demi de tractations, le 1er septembre 127332. Deux candidats éminents furent initialement en lice : d’un côté le roi de France, soutenu par Charles d’Anjou qui pensait surtout devoir convaincre Grégoire X ; de l’autre le roi de Bohême, dont les efforts diplomatiques visèrent plutôt les princes électeurs rhénans. Mais il apparut bientôt que ces figures trop puissantes n’étaient pas en mesure de créer le consensus, et qu’elles avaient peut-être eu tort de ne pas approcher parallèlement les princes de l’Empire et le Saint-Siège. Les premiers reprirent la main et concentrèrent leur réflexion sur des personnalités de rang comtal, dont Rodolphe de Habsbourg, sur lequel ils finirent par s’accorder. C’est dans cette seconde phase que la comtesse de Flandre a lancé sa propre offensive diplomatique, mue par l’espoir de placer son fils Gui dans la course à la couronne. Six lettres, principalement issues de la collection B, balisent ses démarches. Au début du mois de mars 1273, elle a envoyé aux princes électeurs rhénans – les archevêques de Trèves et de Mayence, ainsi que le comte palatin du Rhin Louis II de Bavière, qui dominaient en effet le jeu – une ambassade conduite par l’évêque de Cambrai Nicolas de Fontaine, un allié de longue date qui avait aussi été le chancelier de Richard de Cornouailles33 (récit dans B6). Le prélat mourut cependant en chemin à Andernach, obligeant la comtesse à renouveler les bours du ton général des lettres transcrites dans les collections A et B – l’attitude très dure du pape vis-à-vis des demandes flamandes: dominus papa durissimus est omnibus in gratiis ­aciendis. Sur cette lettre, voir infra, n. 42. 32 Synthèses historiographiques et nouvelles perspectives: Martin Kaufhold, Deutsches Interregnum und europäische Politik. Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen, 1230–1280 (MGH Schriften  49), Hannover 2000, p.  433–457; Karl-Friedrich  Krieger, ­Rudolf von Habsburg, Darmstadt 2003, p. 84–114. 33 Donald E. Queller, Diplomatic Personnel Employed by the Counts of Flanders in the Thirtheenth Century, in: Revue belge de philologie et d’histoire 34 (1956) p. 68–98 et 385– 422, à la p. 88; Manfred Groten, Mitravit me, et ego eum coronabo. Konrad von Hochstaden und die Wahl Richards von Cornwall, in: Richard von Cornwall. Römisch-deutsches Königtum in nachstaufischer Zeit, éd. Anton Neugebauer (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 2), Kaiserslautern 2010, p. 25–54, aux p. 45–48; Stuckens, Les hommes de l’écrit (v. n. 21) p. 139–143.

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lettres de créance de ses émissaires (A8/B12). Marguerite a ensuite rendu compte à Charles d’Anjou dans une lettre circonstanciée qui nous apprend que le roi de Sicile était l’instigateur de toute la manœuvre (B6). Charles la pousse d’ailleurs à intensifier ses efforts, mais elle estime en femme politique avisée qu’il faut d’abord sonder l’état d’esprit de Grégoire  X. En juin–juillet 1273, elle envoie donc au Saint-Siège une délégation menée par son chapelain Gérard de Vertain et par maître Jean de Villemareuil, un homme de confiance de Charles d’Anjou qui travaille aussi pour elle (A6/ B10, B2–B4)34. Le silence de la collection  B sur la suite des évènements nous dit en creux ce que fut la réaction du pape… Les affaires intérieures de la Flandre – beaucoup plus que du Hainaut, presque absent35 – occupent une petite quinzaine de lettres. Les matières ecclésiastiques se rencontrent plutôt dans la collection A : on y croise des problèmes de gestion et de discipline monastique ou canoniale (A20–A22), ainsi que des recommandations personnelles (A13–A14, A23). Deux missives se rapportent plus spécialement à la carrière de Jean de Flandre, à l’époque prévôt du chapitre Saint-Donatien à Bruges  –  et par là même chancelier de Flandre – et depuis peu également prévôt de Saint-Pierre de Lille (A10, B17). Mais le patronage de la comtesse Marguerite dépasse les limites de ses territoires, pour toucher aussi la mystique Élisabeth de Spalbeek (B13), qui vit dans le comté de Looz, ou encore le nouvel abbé de Clairvaux Bovon (A9). Sur le versant profane, plus propre à la collection  B, la comtesse se préoccupe en vrac d’un mariage contesté entre grandes familles yproises (A12, B1), du lancement de sa « grosse monnaie » qui contrarie le roi de France (B14), de l’amortissement d’un fief (B18), du jugement de deux assassins (B21) et du renversement du régime oligarchique de la ville de Gand (B22). Cette dernière affaire prend elle aussi un tour diplomatique, puisqu’il s’agit de convaincre le roi Phil­ ippe III d’approuver les nouvelles instances urbaines. Il importe enfin de souligner la visibilité offerte aux serviteurs princiers dans les collections A et B. En plus des lettres qui nous les présentent dans le cadre de leurs missions (lettres de créance, sauf-conduits, etc.), d’autres traitent en tout ou en partie de leurs propres intérêts ; certaines leurs sont même personnellement adressées. Deux lettres de Marguerite pour Grégoire X reviennent ainsi sur la nomination du chapelain Gérard de Vertain Sur ces clercs, voir infra, point 3.1. La seule pièce qui concerne à coup sûr le Hainaut est une lettre de l’évêque de Cambrai attirant l’attention de la comtesse Marguerite sur l’état déplorable de l’abbaye de Saint-Ghislain (A21). 34 35

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à la prévôté du chapitre Saint-Pierre de Cassel en 1273 (A6/B10, B2), tandis qu’une troisième accompagnait l’envoi de ses étrennes du Nouvel An (B5). Le clerc Guillaume d’Haverskerque bénéficie d’une recommandation et reçoit une lettre de condoléances (A7/A24/B11, A23). Un autre auxiliaire de Marguerite, Guillaume de Licques, chanoine de Thérouanne, profite pareillement du soutien comtal lorsqu’il ambitionne de devenir trésorier (A3, A11). Et pour finir, un notaire du pape, Ysembard Pecorara de Plaisance, est gratifié d’une grosse pension en récompense des services qu’il rend à la princesse (A5/B9). Tous ces éléments reflètent la dimension auto-référentielle des formulaires, souvent observée par les spécialistes : leurs auteurs ont tendance à se mettre délibérément en scène à travers des écrits qui témoignent de leur propre activité36. Les 41 lettres des collections A et B laissent des pans entiers du gouvernement de Marguerite dans l’ombre. Les interactions entre la comtesse et la noblesse flamande, féodales notamment, manquent au tableau, tout comme l’administration financière, qui a pourtant laissé une empreinte massive dans la documentation comtale du temps. Ainsi la guerre commerciale avec l’Angleterre, actualité brûlante des années 1270–127437, n’apparaît-elle pas. Ces matières ne relevaient visiblement pas des attributions des clercs qui ont compilé les missives de la comtesse.

3. Les collections A et B : un corpus, deux projets ? Passons à présent des lettres aux recueils qui les renferment. L’examen des manuscrits de Bruges et de Maynooth n’a pas véritablement éclairé l’origine et le statut des collections que ceux-ci nous ont transmises. Il reste à tenter de découvrir qui les a compilées, à partir de quels matériaux, suivant quels procédés et sous quelle inspiration. 3.1. Les « formularistes » : Gérard de Vertain et les autres Comme nous venons de le voir, tout porte à croire que les «  formularistes », pour oser ce néologisme, se cachent parmi les clercs dont les noms ont survécu comme par magie à l’anonymisation des lettres. Le plus ex Voir les travaux cités infra, n. 81–85. Richard H. Bowers, English Merchants and the Anglo-Flemish Economic War of 1270–1274, in: Seven Studies in Medieval English History and Other Historical Essays Presented to Harold S. Snellgrove, éd. Id., Jackson (Miss.) 1983, p. 21–54 et 158–185. 36 37

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posé d’entre eux, et donc notre meilleur candidat, est Gérard de Vertain, nommé à six reprises et concerné par sept lettres au moins. En effet, le « seigneur G. », chapelain de la comtesse Marguerite envoyé à la Curie en septembre 1272 (A4/B8 : domino G., capellano meo), ne doit faire qu’un avec le chapelain Gérard « de Vertain »38 mentionné dans plusieurs lettres de l’année 1273, qui évoquent entre autres sa promotion à Cassel (A6/B10, B2-B6). Cet ecclésiastique évoluait dans l’entourage comtal depuis quelques années au moins ; il y était connu comme monseigneur Gerard le capelain/dominus Gerardus capellanus. Désigné exécuteur testamentaire de Blanche d’Anjou (première épouse de Robert de Béthune, fils aîné de Gui de Dampierre) en juillet 126939, signalé dans l’hôtel du comte Gui en janvier de l’année suivante40, le chapelain Gérard a accompagné ce dernier dans son périple en Afrique du Nord et en Italie en 1270–1271 : son nom revient à maintes reprises dans les comptabilités tenues durant le voyage par le financier en chef Jean Makiel ; on l’y voit notamment servir d’émissaire auprès du roi de Sicile41. On conserve une remarquable lettre privée qu’il a adressée au même Makiel juste après son arrivée à la Curie le 20 septembre 1272, dans laquelle il fait allusion à de premiers contacts avec Charles d’Anjou et son clerc Jean de Villemareuil, ainsi qu’à de difficiles tractations avec Grégoire X42. En juin-juillet 1273, désormais prévôt de Ce loconyme apparaît dans la lettre A6/B10. Vertain: France, dép. Nord, arr. Cambrai, cant. Caudry. 39 Édouard Hautcoeur, Cartulaire de l’abbaye de Flines 1, Lille 1873, p. 177–180, n° 168. Dans ses dernières volontés, la jeune Blanche d’Anjou – fille de Charles Ier – lègue par ailleurs 20 lb. tournois a segneur Gerart le capelain, ainsi qu’une robe de prix à la mère de celui-ci. Elle le présente comme nostre capelain dans l’énumération de ses exécuteurs: aurait-il débuté sa carrière à son service et noué ses premiers contacts avec la cour angevine de Naples à travers elle? 40 Gand, Rijksarchief, Oorkonden der graven van Vlaanderen [dorénavant: OGV], Fonds Wyffels, n 38. 41 Gand, Rijksarchief, OGV, Fonds Gaillard, nos  7 (février–mai 1271) et 10 (mai–juin 1271); Victor Gaillard, Archives du Conseil de Flandre, ou recueil de documents inédits relatifs à l’histoire politique, judiciaire, artistique et littéraire, Gand 1856, p. 9, 57 (nos 526– 527), 63 (n° 629) et 75 (n° 777) ; Jan Buntinx, Het memoriaal van Jehan Makiel, klerk en ontvanger van Gwijde van Dampierre (1270–1275) (Académie royale de Belgique. Commission royale d’histoire série in−8), Bruxelles 1944, p. 1–2, 14, 20–21, 23–24, 27, 30, 32–33, 39–40, 43, 119, 121 et 132. 42 Original: Gand, Rijksarchief, OGV, Fonds Wyffels, n° 244. Cette lettre émanant de « Gérard, chapelain du seigneur Gui, comte de Flandre », datée seulement du « vendredi après la Saint-Mathieu », a été publiée sous la date fausse de 1299 par Kervyn de Lettenhove, Études (v. n. 6) p. 80, n. 1, et Thierry de Limburg-Stirum, Codex diplomaticus Flandriae inde ab anno 1296 ad usque 1325 1, Bruges 1879, p. 234–235, n° 83. En fait, Jean Makiel 38

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Cassel, Gérard de Vertain est chargé avec ce Jean de Villemareuil de défendre la candidature de Gui de Dampierre à l’élection impériale auprès du souverain pontife (A6/B10, B2-B6). Au mois de novembre, après l’échec de cette mission, il a regagné la Flandre où il fréquente à nouveau l’hôtel du comte Gui, toujours en compagnie de Villemareuil43. On le retrouve en Italie à la fin des années 1270 et au début des années 1280, négociant des emprunts auprès de marchands siennois pour le compte du même Gui44. De retour au pays en 1283, peut-être de façon définitive, il est impliqué dans un arbitrage entre Jean de Flandre, devenu évêque de Liège, et le chapitre cathédral liégeois, puis dans une transaction entre Gui et le monastère de Villers-en-Brabant45. Il terminera son parcours comme archidiacre de Hainaut dans le diocèse de Cambrai46. Mort après 1298, date à laquelle il perçut encore sa pension annuelle du comte de Flandre47, il s’est fait enterrer à l’abbaye féminine de Flines, où il avait pris soin de fonder une a pris sa retraite en 1292 et s’est éteint avant 1296 (son testament est alors exécuté: Stuckens, Les hommes de l’écrit [v. n. 21] p. 393, n° 9). Il est du reste question dans la missive d’un neveu de Makiel appelé Gilles, qui ne vivait apparemment plus lorsque son oncle fit son testament en 1292 (édité ibid. p. 393–395, n° 9). Il n’y a pas d’argument péremptoire pour la dater du début des années 1270, mais on se fiera au faisceau d’indices que constituent l’évocation par l’auteur de ses contacts avec l’agent angevin Jean de Villemareuil (concernant celui-ci, voir la suite de l’exposé), la sollicitude qu’il affiche pour le seigneur Gérard de Marbais (qui a participé à l’expédition de Tunis et se trouve encore dans l’entourage du comte Gui en 1272: Xavier Hélary, Les rois de France et la Terre sainte de la croisade de Tunis à la chute d’Acre (1270–1291), in: Annuaire-bulletin de la Société de l’histoire de France 118 [2005] p. 21–104, à la p. 87), et enfin la concordance de mois entre son arrivée à la Curie (20 septembre) et la lettre A4/B8 qui introduit le chapelain « G. » auprès du pape (septembre 1272). En effet, si l’on admet cette chronologie, et dans la foulée une attribution à Gérard de Vertain, c’est bien l’année 1272 qui s’impose, car l’auteur parle du pape (or le siège pontifical fut vacant de novembre 1268 à mars 1272) et ne se donne pas le titre de prévôt de Cassel (que Gérard de Vertain recevra au printemps 1273). L’écriture de la lettre nous semble par ailleurs correspondre à celle d’une quittance délivrée par Gérard de Vertain en 1289 (Gand, Rijksarchief, OGV, Fonds de Saint-Genois, n 489). 43 Gand, Rijksarchief, OGV, Fonds Gaillard, nos 17 (novembre 1273–avril 1274) et 51 (novembre 1274). Un fragment du n° 17 est édité par Albert Henry, Les œuvres d’Adenet le roi 1, Bruges 1951, p. 67. 44 Alain Marchandisse, Un prince en faillite. Jean de Flandre, évêque de Metz (1279/80– 1282), puis de Liège (1282–1291), in: Bulletin de la Commission royale d’histoire 163 (1997) p. 1–75, aux p. 34–38, n° 3 (et p. 38, n. 215). 45 Stanislas Bormans/Émile Schoolmeesters, Cartulaire de l’église Saint-Lambert de Liège 2, Bruxelles 1895, p. 354–355, n° 737; Charles F. J. Galliot, Histoire générale, ecclésiastique et civile de la ville et province de Namur 1, Liège 1788, p. 367–368. 46 Fonction attestée à partir de 1289: Gand, Rijksarchief, OGV, Fonds de Saint-Genois, n° 489. 47 Ibid. n° 960.

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chapellenie à la mémoire des princes qui avaient patronné sa carrière : la comtesse Marguerite, son fils Gui et son petit-fils l’évêque Jean48. Le profil de Gérard, le rôle qu’il a joué en 1272–1273, la récurrence de son nom dans les deux collections, le soin mis à transcrire une additio sollicitant une dispense de résidence à Cassel (B2), le choix de copier une banale lettre d’étrennes reçue de sa patronne (B5), tout cela concourt à faire de lui le principal artisan de la mise en collection des textes transmis par les manuscrits de Bruges et de Maynooth. On peut même imaginer qu’il s’est mis au travail dans la seconde moitié de l’année 1273, lorsque, rentré en Flandre après sa seconde ambassade au Saint-Siège, il a eu le loisir de mettre de l’ordre dans sa documentation et de prendre du recul. Ce n’est toutefois pas le seul clerc qui émerge dans les lettres. Sa centralité ne doit pas gommer le fonctionnement en réseau des clercs de la comtesse Marguerite ni, partant, la possible dimension collaborative de l’entreprise. Deux autres auxiliaires flamands de Marguerite sont en effet cités, dans deux lettres chacun. Le plus impliqué dans l’administration comtale semble être maître Guillaume d’Haverskerque. Cadet d’une famille noble de l’Artois apparentée à la dynastie comtale49, Guillaume était trésorier du chapitre Saint-Pierre d’Aire-sur-la-Lys – un point de chute traditionnel des hauts fonctionnaires comtaux – depuis les années 125050. La lettre de recommandation émanant de Marguerite (A23) est le seul document qui précise sa qualité de clericus de la princesse, mais sa proximité avec cette dernière ressort aussi de la lettre de condoléance qu’elle lui a adressée lors du décès de son frère aîné Fastré d’Haverskerque (A7/A24/B11). Cette affinité avec le pouvoir n’est sûrement pas étrangère à sa nomination comme trésorier de Saint-Pierre de Lille en 1270 ou 127151, ni à sa promo Hautcoeur, Cartulaire Flines (v. n. 39) p. 357–358 et 361, nos 328 et 331. Ernest Warlop, De Vlaamse adel vóór 1300 2/1, Handzame 1968, p. 276–283, n° 106. Haverskerque: France, dép. Nord, arr. Dunkerque, cant. Hazebrouck. 50 Roger Berger, Dignitaires et chanoines du chapitre Saint‑Pierre d’Aire, in: Bulletin de la Société des antiquaires de la Morinie 21 (1972) p. 598–604, aux p. 602–603, et 22 (1973) p. 42–58, à la p. 46. 51 Encore simplement « trésorier d’Aire » dans un acte d’arbitrage qu’il adresse au chapitre lillois en août 1270 (Édouard Hautcoeur, Cartulaire de l’église collégiale Saint-Pierre de Lille 1, Paris 1894, p. 441–442, n° 623), il apparaît comme « trésorier de Lille et d’Aire » en février et novembre 1271 (ibid. p. 445, n° 631; Isidore L. A. Diegerick, Inventaire analytique et chronologique des chartes et documents appartenant aux archives de la ville d’Ypres  1, Bruges 1853, p.  105–106, n°  119, à croiser avec l’analyse d’Eusèbe  Feys/ Aloïs Nélis, Les cartulaires de la prévôté de Saint-Martin à Ypres 1, Bruges 1884, p. 72). 48 49

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tion à la prévôté d’Aire deux ans plus tard52. C’est peut-être encore Guillaume qui se cache derrière le chanoine anonyme qui renonce vers cette époque à une prébende à Messines (B20) ; il a en tout cas constitué une rente en faveur des moniales du lieu en 127453. Pour le reste, on ne connaît de cet ecclésiastique, mort entre 1282 et 128554, que ses activités de trouvère dans le milieu arrageois55 et, surtout durant les années 1270, d’arbitre dans divers conflits impliquant des maisons religieuses ou des aristocrates de la Flandre méridionale et de l’Artois56. Mais le lien de Guillaume d’Haverskerque avec les collections A et B est au fond assez lâche : son nom a disparu dans la lettre tronquée A7/A24/ B1157 et il faut se souvenir que la lettre A23 est un ajout à la fin de la collection A, suivi d’une seconde copie de A7/A24/B11. Cette double addition pourrait en revanche indiquer que Guillaume a acquis le manuscrit de Bruges à un moment donné, et se l’est approprié à sa façon en l’augmentant de deux écrits auto-référentiels. Guillaume de Licques est également plus en retrait. Cadet d’une famille noble du Boulonnais, apparenté lui aussi à la comtesse de Flandre, Guillaume a rejoint le chapitre cathédral de Thérouanne dans les années 126058. En 1272 ou 1273, il brigue – en vain – la dignité de trésorier du chapitre, avec le soutien appuyé de Marguerite qui lui fournit des lettres de recommandation pour le pape et les cardinaux ; elle y loue les services rendus par son consanguineus, sans pour autant le présenter comme son clerc (A3, A11). Il n’obtiendra que beaucoup plus tard la prévôté d’Aire, qu’il occupera jusqu’à sa mort autour de 1300. Les lettres indiquent que Guillaume s’est rendu lui-même à la Curie romaine en 1272 ou 1273 pour plaider sa Berger, Dignitaires 21 (v. n. 50) p. 602. Isidore L. A. Diegerick, Inventaire analytique et chronologique des chartes et documents appartenant aux archives de l’ancienne abbaye de Messines, Bruges 1876, p. 74, n° 131. 54 Berger, Dignitaires (v. n. 50) p. 603. 55 Guillaume est le poète connu sous les noms de « Trésorier d’Aire » et « Trésorier de Lille »: ibid., p. 603; Roger Berger, Littérature et société arrageoises au XIIIe siècle: les chansons et dits artésiens (Mémoires de la Commission départementale des monuments historiques du Pas-de-Calais 21), Arras 1981, p. 435. 56 Hautcoeur, Cartulaire Lille (v. n. 51) p. 441–442, 445 et 464–468, nos 623 (1270), 631 (1271) et 660 (1276); Daniel Haigneré, Les chartes de l’abbaye de Saint-Bertin 2, SaintOmer 1891, p. 103, n° 1115 (1269); Diegerick, Inventaire Ypres (v. n. 51) p. 105–106, n° 119 (1271); Paris, Archives nationales, J 1124, nos 5 et 38 (1275); Lille, Archives départementales du  Nord [dorénavant: Arch. dép. Nord], B  964/1898 (1276), B  1526/1926 (1276), 16  G 25/246 et 249 (1276). 57 Il est seulement identifié dans la rubrique de la collection B. 58 Son parcours a été retracé par Berger, Dignitaires (v. n. 50) p. 603–604. 52 53

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cause, de sorte que sa route a dû croiser celle de Gérard de Vertain : voilà qui peut expliquer la présence dans la collection A des missives dont il était porteur. Restent encore deux clercs étrangers à la Flandre, qui cependant servent les intérêts de la comtesse Marguerite en 1272–1273 et exercent peut-être une influence sur les pratiques scripturaires de ses agents. L’un est maître Jean de Villemareuil, que son nom rattache à la région de Meaux aux portes de l’Île-de-France59. Nous le découvrons dans l’entourage de Gui de Dampierre au printemps 1271, alors que celui-ci séjourne encore en Italie. Il fréquente à nouveau l’hôtel comtal en novembre-décembre 1273, en Flandre cette fois, en même temps que Gérard de Vertain60. Dans l’intervalle, en juin 1273, le comte Gui et sa mère l’ont envoyé au Saint-Siège avec ce dernier pour discuter de l’élection impériale. Gui et Marguerite l’ont présenté au pape comme « notre procureur et clerc spécial » (A6/ B10), mais la lettre expédiée au même moment à Charles d’Anjou le désigne plus justement comme le clerc commun des comtes de Flandre et du roi de Sicile (B6 : vestri et nostri clerici). Car Jean est bien, à la base, un homme de Charles d’Anjou. C’est auprès de lui, à Naples, qu’il a reçu Gérard de Vertain en septembre 127261. C’est encore auprès de lui qu’il se trouve le 24 juin 1273, à Florence cette fois, peut-être venu faire rapport de ses démarches à la Curie62. Et c’est bien dans la sphère angevine qu’on le voit plus tard poursuivre sa carrière : en 1276, Charles, qui l’appelle « son clerc et son familier », le nomme administrateur de ses biens en Anjou63. L’identification la plus probable de Vilemaroi est en effet le village français de Villemareuil (dép. Seine-et-Marne, arr. Meaux, cant. Serris), dont on reconnaît la graphie courante au XIIIe siècle: Henri Stein/Jean Hubert, Dictionnaire topographique du Département de Seine-et-Marne, Paris 1954, p. 567. 60 Gand, Rijksarchief, OGV, Fonds Gaillard, n° 17; Gaillard, Archives (v. n. 41) p. 58, n° 545; Buntinx, Het memoriaal (v. n. 41), p. 93; Henry, Les œuvres (v. n. 43), p. 67; Stuckens, Les hommes de l’écrit (v. n. 21) p. 98. 61 Lettre de Gérard à Jean Makiel présentée supra, n. 42. 62 Charles d’Anjou lui octroie alors un sauf-conduit: Alain de Boüard, Actes et lettres de Charles Ier, roi de Sicile, concernant la France (1257–1284), Paris 1926, p. 177, n° 656; Riccardo Filangieri di Candida, I registri della cancelleria angioina 10 (Testi e documenti di storia napoletana 10), Naples 1957, p. 92, n° 369. 63 de Boüard, Actes (v. n. 62) p. 277 et 282, nos 912 et 922; Riccardo Filangieri di Candida, I registri della cancelleria angioina  11 (Testi e documenti di storia napoletana  11), Naples 1958, p. 277 et 281, nos 103 et 114. À partir de ce moment, Jean de Villemareuil est fréquemment cité dans les registres angevins. Il n’a pas reçu d’attention particulière de la part de Jean H. Dunbabin, The Household and Entourage of Charles I of Anjou, King of the Regno, 1266–85, in: Historical Research 77 (2004) p. 313–336 (simple mention à la p. 331, n. 108). 59

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Jean de Villemareuil, agent royal, aura été chargé à un moment donné – peut-être en 1271 précisément64 – d’assurer la liaison avec la famille de Flandre-Dampierre et de travailler pour elle en certaines occasions, comme lors des tractations relatives à l’Empire, menées du reste en étroite concertation avec son maître. L’autre adjuvant extérieur est ce maître Ysembard, notaire du pape, que la comtesse Marguerite gratifie d’une généreuse pension pour services rendus (A5/B9). Cette collaboration n’est pas documentée par ailleurs, mais on devine tout le profit que la princesse a pu tirer de l’entremise de ce personnage dans ses négociations avec Grégoire X en 1272 et 1273. Ysembard de Plaisance était en effet un notaire pontifical expérimenté (en poste depuis les années 1250) et bien introduit dans le milieu curial, qui semble avoir connu un pic d’activité sous Grégoire X65. Lui aussi a certainement entretenu des contacts suivis avec Gérard de Vertain. Ces éléments prosopographiques laissent entrevoir un petit groupe de clercs qui servent la comtesse Marguerite à des degrés divers et gravitent peut-être autour du chapelain Gérard de Vertain, en qui nous devinons une personne de confiance de la princesse, investie des missions diplomatiques les plus délicates. Ces clercs ont fait circuler entre eux les documents qui sont à la base des collections A et B, mises en forme par certains membres de leur groupe – dont très vraisemblablement Gérard lui-même – en 1273. 3.2. Sources, statut et mise en œuvre des collections A et B Les collections A et B ont été constituées à partir d’un ensemble disparate de lettres expédiées par la comtesse Marguerite (il faut supposer l’existence d’un lot de minutes conservées par les formularistes et leurs collègues, éventuellement complété par des copies de lettres choisies) et de lettres adressées à la princesse par ses correspondants (qui devaient être stockées Au mois de mars 1271, des émissaires de Charles se sont portés au-devant de la comtesse Marguerite pour discuter du remboursement des 7000 lb. que celle-ci devait encore au roi en dédommagement du comté de Hainaut, qu’elle lui avait promis en 1253 (Lille, Arch. dép. Nord, B 4034, n° 1725). 65 Gerd F. Nüske, Untersuchungen über das Personal der päpstlichen Kanzlei 1254–1304 [1e partie], in: AfD 20 (1974) p. 39–240, aux p. 132–133; Agostino Paravicini-Bagliani, Il testamento del notaio papale Isembardo da Pecorara († 1279). Note di prosopografia curiale duecentesca, in: Paleographica, diplomatica et archivistica. Studi in onore di Giulio Battelli 2 (Storia e letteratura. Raccolta di studi e testi 140), Rome 1979, p. 219–251; Stuckens, Les hommes de l’écrit (v. n. 21) p. 98. 64

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temporairement par ses agents à défaut d’être archivées pour l’éternité), ensemble enrichi à la marge de missives rédigées ou reçues par ses clercs en lien avec leur activité au service de la famille comtale ou dans le cadre de leurs propres affaires, voire de documents simplement repérés au gré des circonstances (et aussitôt mis de côté ou transcrits). Le désordre qui règne dans les collections A et B – et qui touche jusqu’aux pièces relatives à un même objet – reflète sans doute l’état confus des matériaux mis en œuvre. Les deux collections semblent avoir été constituées au départ de ce même vivier épistolaire, mais indépendamment l’une de l’autre. Il faut en effet préciser que la collation de la petite séquence de lettres qui leur est commune (A4–A8 et B8–B12) exclut l’hypothèse d’une filiation : si la collection A présente des textes plus complets et plus corrects que la collection  B, la seconde nous a néanmoins transmis deux rubriques «  originelles » omises dans la première (A6/B10, A7/B11)66. Le modèle commun aux deux collections doit avoir été une simple feuille volante renfermant la copie de ces cinq lettres – déjà transformées en dictamina et pourvues de rubriques, notons-le bien, ce qui permet d’y voir une sorte de document préparatoire67. Il est par ailleurs évident qu’outre ce document prétraité, on retrouve dans les deux collections des pièces issues des mêmes « dossiers » (huitième croisade, élection impériale, diplomatie romaine) : l’une et l’autre puisent donc bien à une même source. En dépit du cadre collaboratif et institutionnel que ces constats dessinent, les collections A et B sont sans doute en fin de compte des travaux d’initiative personnelle, réalisés par et pour des clercs désireux de se doter d’instruments adaptés à leurs besoins individuels. C’est la meilleure façon d’expliquer l’existence de ces deux projets parallèles, à la fois concomitants et fondés sur le même réservoir de documents. La destinée des manuscrits de Bruges et de Maynooth paraît conforter l’hypothèse : ils ne proviennent pas des archives comtales, mais d’établissements religieux auxquels leurs propriétaires initiaux ont dû les léguer d’une façon ou d’une autre. Celui de Bruges (que nous serions enclin à considérer comme un « manuscrit

L’une de ces deux rubriques (B11) dévoile l’identité du destinataire, absente de la lettre abrégée. 67 Le contenu bigarré des lettres A4–A8/B8–B12 n’offre pas d’indices particuliers. On ne peut que constater qu’elles datent de 1272–1273 et font écho aux activités des clercs Gérard de Vertain, Guillaume d’Haverskerque et Ysembard de Plaisance (y compris A8/B12, dans la mesure où Gérard fit probablement partie des émissaires envoyés aux princes électeurs). Deux pièces se rattachent au dossier de l’élection impériale (A6/B10, A8/B12). 66

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d’auteur »68) a peut-être, comme le suggèrent ses additions, appartenu à Guillaume d’Haverskerque avant d’arriver au monastère de Ter Doest. Celui de Maynooth (qui serait plutôt une copie réalisée peu après 127669), lui, est probablement entré à l’abbaye Saint-Jacques de Liège par le biais de l’un des clercs et administrateurs flamands attirés dans la cité épiscopale par Jean de Flandre, qui en occupa la cathèdre de 1282 à 129170. On observe au demeurant certaines différences dans le traitement réservé aux lettres lors de leur transformation en dictamina. Dans la collection A, le formulariste a d’abord transcrit deux lettres intégralement (A1– A2), puis recopié la séquence déjà mise en forme (A4–A8/B8–B12), qui présentait tant des textes complets que des pièces tronquées, et finalement décidé, à partir de la lettre A9, de ne plus reprendre que le cœur des lettres. Il laisse alors subsister la narratio et la petitio (à savoir le propos informatif et l’éventuelle requête de l’auteur), mais élimine complètement la salutatio (identification de l’auteur et du destinataire), l’exordium (ou captatio benevolentiae) et la conclusio (remerciement, offre de service, salut final, éléments de date), ne conservant parfois que l’amorce de la date ou du salut final (suivie de etc.)71. Seule la lettre A16 fait exception ; c’est aussi la seule qui présente des formulations alternatives, dont la principale est introduite par les mots et si fuerint plures scribatur sic, écrits à l’encre rouge. Dans la collection B, en revanche, les textes ainsi écourtés sont minoritaires72. La plupart des lettres se rapprochent de la complétude, à ceci près que les salutationes sont souvent abrégées et les conclusiones parfois omises. Ce qui est commun aux deux collections en matière de « formularisation », c’est un faible souci de décontextualisation des documents : beaucoup de noms subsistent de part et d’autre (les autres sont remplacés de façon classique Deux petits indices vont dans ce sens. Premièrement, le scribe semble avoir eu l’état préparatoire des lettres A4–A8/B8–B12 sous les yeux: il a marqué une pause après avoir copié la lettre A3 (pour ensuite reprendre avec une encre plus diluée) et s’est mis à utiliser de l’encre rouge pour les rubriques à partir de la lettre A4. Deuxièmement, on le voit ici et là hésiter entre deux synonymes, ce qui dénote une attention soutenue aux textes copiés (voir l’apparat des lettres A1, A2 et A6). 69 Copie assez fautive du reste (voir les apparats), œuvre d’un scribe pressé et peu attentif aux contenus. 70 Alain Marchandisse, La fonction épiscopale à Liège aux XIIIe et XIVe siècles. Étude de politologie historique (Bibliothèque de la Faculté de philosophie et lettres de l’Université de Liège 272), Genève 1998, p. 376–378. 71 Lettres A12–A13, A15 et A23. 72 Hormis la séquence A4–A8/B8–B12, il s’agit des lettres B3, B5, B13, B18 et B21. Rappelons aussi que la lettre B19 n’est en réalité qu’une formule d’expositio (une arenga selon le terme de la rubrique). 68

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par talis ou, très rarement, par N.), et les rubriques inscrites en tête des lettres livrent fréquemment des indices sur l’identité de l’auteur et/ou du destinataire, en particulier quand la salutatio a été coupée. Une ultime différence entre les deux projets apparaît cependant au niveau de cette rubrication, dans la mesure où le formulariste de la collection B se montre plus attentif à nommer la nature ou l’objet des lettres que son homologue. 3.3. Place dans le paysage documentaire flamand et européen du XIIIe siècle À notre connaissance, les recueils épistolaires de Bruges et Maynooth, en tant que florilèges de la correspondance politico-administrative d’un prince laïque du XIIIe siècle, constituent un unicum dans la documentation conservée73. Ils ne sont pas pour autant de purs isolats documentaires. Ils s’inscrivent dans l’évolution des pratiques scripturaires de l’administration flamande sous Marguerite de Constantinople, tout comme dans les mouvements de fond qui parcourent l’ensemble des chancelleries européennes dans la seconde moitié du XIIIe siècle. Ils se situent du reste à la croisée de plusieurs pôles typologiques : leur affinité avec l’univers des collections de lettres et des summae dictaminis ne doit pas masquer leur rapport aux formulaires et registres « de chancellerie ». Les riches archives des comtes de Flandre témoignent de la frénésie de collecte et de fixation de l’information écrite qui s’empare de l’administration princière dans la seconde moitié du XIIIe siècle, et tout spécialement, semble-t-il, dans les années 1260–127074. À côté du chartrier « central » qui connaît un essor sans précédent sous le gouvernement de Marguerite75, on Si du moins l’on écarte le « mandement » du champ épistolaire. Dès les années 1260, cette typologie aux confins formels de la lettre et de l’acte a été sujette à un enregistrement spécifique – et massif – dans l’entourage du comte Alphonse de Poitiers († 1271), frère du roi Louis IX investi de vastes provinces méridionales administrées depuis Paris: Auguste Molinier, Correspondance administrative d’Alfonse de Poitiers 1–2 (Collection de documents inédits sur l’histoire de France), Paris 1894–1900. Voir Gaël Chenard, L’administration d’Alphonse de Poitiers (1241–1271) (Bibliothèque d’histoire médiévale  18), Paris 2017, p. 453–459. 74 Pour un aperçu global de ces archives, voir Robert-Henri Bautier/Jeannine Sornay, Les sources de l’histoire économique et sociale du Moyen Âge 2: Les États de la maison de Bourgogne  1: Archives des principautés territoriales  2: Les principautés du Nord, Paris 1984, p. 15–234. 75 Jean-François Nieus, Les archives des comtes de Flandre jusqu’au milieu du XIIIe siècle: chronique d’une naissance difficile, in: Les archives princières, XIe–XVe siècles, éd. Xavier Hélary/Jean-François Nieus/Alain Provost/Marc Suttor, Arras 2016, p. 43– 65. 73

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voit déjà se constituer des collections annexes de chartes, comme celle des quittances engrangées au quotidien par le receveur général des finances76. Les comptabilités, très précocement attestées en Flandre, sont désormais conservées de façon plus systématique et durable, sous la houlette du grand argentier Jean Makiel qui tient même un « carnet de bord » personnel au début des années 127077. Au milieu des années 1260, de vastes enquêtes sont lancées pour cadastrer les ressources princières dans les comtés réunis de Hainaut et de Namur78. On se soucie par ailleurs de garder une trace de la documentation « sortante ». Depuis le milieu du siècle, des lots de minutes d’actes comtaux étaient sporadiquement archivés. Dans les années 1260–1270, à l’initiative de la cellule financière qui gère le « nouveau domaine », un cap déterminant est franchi avec la mise en chantier des premiers registres de chancellerie79. Très sélectif, cet enregistrement des actes comtaux n’en sera pas moins pratiqué avec régularité dans la longue durée. La présence dans le premier registre de quelques formules (salutationes) aidant à la rédaction de lettres pour le roi de Sicile et pour la Curie romaine souligne, si besoin était, que l’enregistrement partiel des chartes et la mise en formulaire de lettres choisies participent d’un même esprit80. Mais les collections A et B procèdent aussi de l’enthousiasme grandissant que l’ars dictaminis et son versant pragmatique matérialisé par les summae dictaminis suscitent dans l’Occident latin au second XIIIe siècle81. Aux yeux des historiens, les énormes sommes nées en Italie du rassemble Lille, Arch. dép. Nord, B 4034−4065. Voir Paul Bertrand, Les écritures ordinaires. Sociologie d’un temps de révolution documentaire (entre royaume de France et Empire, 1250–1350) (Histoire ancienne et médiévale 138), Paris 2015, p. 71–72, 140–149, 236–242 et 335–352. 77 Buntinx, Het memoriaal (v. n. 41); Stuckens, Les hommes de l’écrit (v. n. 21) p. 255– 299. 78 Léopold  Devillers, Cartulaire des rentes et cens dus au comte de Hainaut (1265– 1286), édité d’après le manuscrit original 1–2 (Publications de la Société des bibliophiles belges  23), Mons 1873–1875; Dieudonné Brouwers, L’administration et les finances du comté de Namur du XIIIe au XVe siècle. Sources, I: Cens et rentes du comté de Namur au XIIIe siècle 1 (Documents inédits relatifs à l’histoire de la province de Namur), Namur 1910. 79 Aurélie Stuckens, À l’origine de l’enregistrement dans les principautés des anciens Pays-Bas. Le recueil de Marguerite de Constantinople, comtesse de Flandre et de Hainaut (1260–1276/1278), in: L’art médiéval du registre. Chancelleries royales et princières, éd. Olivier Guyotjeannin (Études et rencontres de l’École des chartes 51), Paris 2018, p. 297–340. 80 Lille, Arch. dép. Nord, B 1561, f 134 v°. Voir Stuckens, Les hommes de l’écrit (v. n. 21) p. 180–182. 81 Benoît Grévin, Les mystères rhétoriques de l’État médiéval. L’écriture du pouvoir en Europe occidentale (XIIIe–XVe siècle), in: Annales 63 (2008) p. 271–300; Id., Les frontières du dictamen. Structuration et dynamiques d’un espace textuel médiéval (XIIIe–XVe s.), in: 76

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ment des matériaux d’exception produits au sein des grandes chancelleries jusqu’au milieu du siècle  – celles des Hohenstaufen et des papes  – incarnent à la fois un aboutissement et l’aube d’une expansion européenne. Elles ont été mises en forme dans le milieu pontifical vers les années 1260, et peut-être tout spécialement, selon leurs spécialistes actuels, lors de la longue vacance de 1268–1271. Les collections attachées aux noms de Pierre de la Vigne, Thomas de Capoue, Richard de Pofi et Marinus d’Eboli seraient dans ce cas82. Une épaisse compilation des lettres de Clément IV, probablement tirée d’un registre perdu, appartient aussi à cette période d’intenses efforts de systématisation du « style curial »83. Les procureurs flamands envoyés à la Curie pendant la vacance de 1268–1271 et les premières années du pontificat de Grégoire X ont inévitablement baigné dans cette atmosphère. Nos collections A et B, humbles témoins de leur intérêt pour le dictamen, partagent d’ailleurs avec les méga-collections transalpines cet éclectisme qui ne cesse de surprendre les chercheurs : la correspondance politique la plus élevée s’y mêle à des lettres d’administration courante et des missives plus personnelles (ainsi du reste que des chartes84), Interfaces. A Journal of Medieval European Literatures  1 (2015) p.  142–169 (en ligne: https://riviste.unimi.it/interfaces/article/view/4918/5060). 82 Voir en particulier Fulvio Delle Donne, Una « costellazione » di epistolari del XIII secolo: Tommaso di Capua, Pier della Vigna, Nicola da Rocca, in: Filologia mediolatina 11 (2004) p. 143–159; Benoît Grévin, Rhétorique du pouvoir médiéval. Les Lettres de Pierre de la Vigne et la formation du langage politique européen (XIIIe–XVe siècle) (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 339), Rome 2008; Id., Costellazioni di epistolari e reti di dictatores: la diffusione dello stilus altus « siciliano » nell’Europa del duecento (1266– 1290), in: Dall’ars dictaminis al preumanismo ? Per un profilo letterario del secolo XIII, éd. Fulvio Delle Donne/Francesco Santi (mediEVI 2), Florence 2013, p. 101–115; Matthias Thumser, Les grandes collections de lettres de la curie pontificale au XIIIe siècle. Naissance, structure, édition, in: Le dictamen dans tous ses états. Perspectives de recherche sur la ­théorie et la pratique de l’ars dictaminis (XIe–XVe siècles), éd. Benoît Grévin/Anne-Marie Turcan-Verkerk (Bibliothèque d’histoire culturelle du Moyen Âge 16), Turnhout 2015, p. 209–241. 83 Tanja Broser, Der päpstliche Briefstil im 13. Jahrhundert. Eine stilistische Analyse der Epistole et dictamina Clementis pape quarti (AfD Beihefte 17), Cologne 2018. 84 La démarcation entre formulaires de lettres (summae dictaminis) et formulaires d’actes (formulaires « de chancellerie ») est moins franche que le laissent croire des historiographies totalement divergentes, comme s’est attaché à le montrer Benoît Grévin; voir en particulier Benoît Grévin, De la collection épistolaire au formulaire de chancellerie (XIIIe–XVe siècle): enquêtes fonctionnalistes, transitions typologiques et fractures disciplinaires, in: Les regroupements textuels au Moyen Âge. Exploitation, fonctionnalités et logiques de rassemblement entre collection manuscrite et archive (Cahiers électroniques d’histoire textuelle du Laboratoire de Médiévistique Occidentale de Paris 1), Paris 2008, en ligne: https://lamop. univ-paris1.fr/menu-haut/publications-et-ressources/publications-du-lamop/cahiers-elec-

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avec le caractère auto-référentiel déjà évoqué et les « morceaux obligés » que sont par exemple les lettres de condoléances85. La différence est dans la taille : quelques dizaines de lettres contre des centaines ou des milliers. Mais à cet égard, il importe de souligner qu’autour des grandes collections valorisées dans l’historiographie pour leurs qualités rhétoriques, gravitent diverses collections plus limitées, plus pragmatiques, et donc plus directement comparables aux recueils flamands. Toujours dans le milieu pontifical, se signalent entre autres les formulaires spécialisés produits au sein des offices de l’Audientia litterarum contradictarum et de la Pénitencerie à partir du second quart du XIIIe siècle86, ou encore le petit bouquet d’une quarantaine de lettres constitué par un abbreviator de la chancellerie en marge du conclave de Viterbe en 1270–127287. C’est sans doute dans ces outils de praticiens, qui ont pu exister en grand nombre, que gît la véritable inspiration italienne des clercs de la comtesse de Flandre. Par ailleurs, des données encore éparses, qu’il faudrait confronter de façon plus systématique, indiquent que le goût des collections-formulaires de lettres avait déjà largement franchi les Alpes à l’époque des collections A et B. La France, en particulier le pays de Loire, était un foyer ancien d’enseignement de l’ars dictaminis, qui avait pris une orientation nettement praticienne au tournant des XIIe et XIIIe siècles, et donné naissance à « une série de petits formulaires composites » dans les décennies sui-

troniques-dhistoire-textuelle-du-lamop-cehtl/cehtl-1-2008/. Pour l’état de l’art sur les seconds, voir Les formulaires: compilation et circulation des modèles d’actes dans l’Europe médiévale et moderne. XIIIe  congrès de la Commission internationale de diplomatique (Paris, 3–4 septembre 2012), éd. Olivier Guyotjeannin/Laurent Morelle/Silio P. Scalfati/Marie Bláhová, Prague 2018. 85 Fulvio Delle Donne, Le consolationes del IV libro dell’epistolario di Pier della Vigna, in: Vichiana 3e série 4 (1993) p. 268–290. 86 Audientia: Peter Herde, Ein Formelbuch Gerhards von Parma mit Urkunden des ­Auditor litterarum contradictarum aus dem Jahre 1277, in: AfD 13 (1967) p. 225–312; Id., Audientia litterarum contradictarum. Untersuchungen über die päpstlichen Justizbriefe und die päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit vom 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts 1 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 31), Tübingen 1970, p. 33–42. – Pénitencerie: Arnaud Fossier, L’exemple ou la norme. De l’art d’administrer par formulaire (XIIe–XIVe siècles), in: Pouvoir des formes, écriture des normes, éd. Laurence Giavarini/ Frédéric Martin, Dijon 2017, p. 21–40; Id., Le bureau des âmes. Écritures et pratiques administratives de la Pénitencerie apostolique (XIIIe–XIVe siècle) (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 378), Rome 2018, en particulier les chapitres 3 et 4. 87 Jean Porcher, Lettres émanant de la cour pontificale à l’époque du conclave de Viterbe (1270–1272), in: Mélanges de l’École française de Rome 40 (1923) p. 123–134.

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vantes (dont certains manuscrits prendront le chemin de la Flandre)88. Dans un registre très différent, un recueil d’une vingtaine de lettres relatives à la huitième croisade (transmises par un formulaire du XIVe siècle, sans avoir été elles-mêmes réduites en formules), sans doute constitué peu après 1271, n’est pas sans rappeler nos collections : fait surtout de lettres des rois Louis  IX et Philippe  III, ainsi que de leur secrétaire Pierre de Condé, il déroule un aperçu saisissant de l’expédition et de ses à-côtés89. La documentation anglaise, quant à elle, montre une pratique du formulaire de lettres solidement ancrée dans différents milieux insulaires dès la première moitié du XIIIe siècle, si pas antérieurement. Des juges délégués de la papauté, des étudiants d’Oxford, des chefs de maisons religieuses ont laissé divers recueils liés à leur apprentissage ou à leurs activités particulières, qui résultent moins d’une influence des préceptes méridionaux de l’ars dictaminis que d’une forte tradition épistolaire et d’une culture administrative extrêmement avancée90. Dès les années 1220, pour prendre ce seul exemple, l’abbé du prieuré augustinien de Bristol avait constitué une collection-formulaire en rouleau de 46 lettres essentiellement de son cru91. Vu l’étroitesse des relations entre l’Angleterre et la Flandre voisine, il est bien possible que les administrateurs flamands aient également subi l’influence de cet autre grand foyer de l’art du formulaire dans l’Europe du XIIIe siècle. Les summae dictaminis de grande taille se multiplient à la fin du siècle, y compris en France où nous les rencontrons désormais à la chancellerie 88 Voir surtout les travaux de Charles Vulliez, L’apprentissage de la rédaction des documents diplomatiques à travers l’ars dictaminis français (et spécialement ligérien) du XIIe siècle, in: Cancelleria e cultura nel Medio Evo. Communicazioni presentate nelle giornate di studio della Commissione, Stoccarda, 29–30 agosto 1985. XVI congresso internazionale di scienze storiche, éd. Germano Gualdo, Rome 1990, p. 76–95; Id., Un témoin de l’ars dictaminis français du XIIIe siècle, le manuscrit Additional 18382 de la British Library, in: Bulletin de la Société nationale des antiquaires de France (1992, pour 1990), p. 218–231; Id., Un formulaire d’officialité orléanais inconnu du début du XIIIe siècle, in: Bulletin de la ­Société nationale des antiquaires de France (2006, pour 2001) p. 82–88 (citation p. 82). Les summae issues du milieu ligérien comprendraient beaucoup de lettres et actes fictifs, composés pour les besoins de la cause; on en discute encore. 89 Voir à présent Hélary, L’« épistolaire politique » (v. n. 7) p. 199–213. 90 Une vue d’ensemble manque encore. Voir les données réunies par Christopher R. Cheney, English Bishop’s Chanceries (Publications of the Faculty of Arts of the University of Manchester 3), Manchester 1950, p. 119–130; Jane Sayers, Papal Judges Delegate in the Province of Canterbury 1198–1254. A Study in Ecclesiastical Jurisdiction and Administration, Oxford 1971, p. 45–59; Lost Letters of Medieval Life. English Society, 1200–1250, éd. et trad. Martha Carlin/David Crouch (The Middle Ages Series), Philadelphia 2013, p. 3–9. 91 Carlin/Crouch, Lost letters (v. n. 90) p. 4–5.

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royale92, dans certains grands monastères comme Prémontré ou Le Bec93, et probablement ailleurs encore. La Flandre n’est pas en reste. En milieu ecclésiastique, outre le Codex Dunensis, ce gros formulaire cistercien qui a recueilli la collection A, il y a lieu de mentionner un formulaire de lettres (fictives ?) compilé à Gand, peut-être à l’abbaye Saint-Pierre, après 128994. Il faut aussi, et surtout, ajouter que les collections A et B ont eu une postérité au sein même de la bureaucratie princière. Vers 1290, Pierre de Béthune, prévôt du chapitre Saint-Barthélemy de Béthune en Artois, haut fonctionnaire comtal (sorte de chancelier de facto) et homme de confiance de la famille de Dampierre95, arrivé au soir d’une longue et riche carrière, a lui-même compilé un formulaire de 130 lettres et actes de diverses natures, tous liés à ses propres activités dans les années 1280, qu’il s’agît du service de Gui de Dampierre et de ses enfants, des affaires béthunoises ou de ses intérêts personnels96. Le manuscrit qui renferme son formulaire  – sans doute en partie autographe – contient aussi un petit traité d’accentuation latine qui témoigne des enjeux stylistiques de l’entreprise, bien réels en dépit du caractère pragmatique des documents réunis. On ne s’en étonnera pas. Pierre de Béthune, à l’instar de Gérard de Vertain et ses collègues, avait été envoyé comme procureur à la Curie romaine à l’aube des années 1270, et y était peut-être retourné par la suite97. Il a d’ailleurs accordé une place notable à la correspondance avec le pape, les cardinaux et les notaires

92 Charles-Victor Langlois, Formulaires de lettres du XIIe, XIIIe et du XIVe siècle. VI: Les plus anciens formulaires de la chancellerie de France, in: Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque nationale et des autres bibliothèques  35 (1897) p.  793–830 (summa perdue du clerc royal Jean de Caux, vers 1286, dont on conserve la table des matières); Hans-Günter Schmidt, Administrative Korrespondenz der französischen Könige um 1300: Edition des « Formelbuches » BNF ms. lat. 4763. Verwaltung, Gerichtsbarkeit, Kanzlei, Göttingen 1997. 93 Charles-Victor Langlois, Formulaires de lettres du XIIe, du XIIIe et du XIVe siècle. II: Notice et extraits du ms. n° 8 de la Bibliothèque municipale de Soissons, in: Notices et extraits des manuscrits de la Bibliothèque nationale 34 (1891) p. 305–322; Henri Omont, Anonyme, auteur de formulaire de l’abbaye du Bec, in: Histoire littéraire de la France 36 (1927) p. 100–109. 94 Napoléon De Pauw, La vie intime en Flandre au Moyen Âge d’après des documents inédits, in: Bulletin de la Commission royale d’histoire 82 (1913) p. 1–96, aux p. 1–6 (description du manuscrit) et 20–62 (édition d’un choix de lettres). 95 Sa carrière a été reconstituée par Stuckens, Les hommes de l’écrit (v. n. 21) p. 165–186. 96 Lille, Bibliothèque municipale, Fonds Godefroy, ms. 20. Ce formulaire est en cours d’édition par les membres du centre de recherches Pratiques Médiévales de l’Écrit (PraME) de l’Université de Namur. 97 Stuckens, Les hommes de l’écrit (v. n. 21) p. 177–179.

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pontificaux dans sa compilation. Son regard restait braqué vers le milieu curial romain et les idéaux d’excellence formelle que celui-ci exaltait. Le formulaire de Pierre de Béthune semble avoir été conçu tout à la fois comme un aide-mémoire personnel, un instrument de transmission du savoir vers la nouvelle génération et un monument à la mémoire d’une brillante carrière au service des puissants de ce monde. Les collections A et B, moins ambitieuses, plus immédiates, semblent surtout avoir été des outils de travail individuels, même si leurs auteurs savaient fort bien qu’elles fixaient le souvenir de leur rôle de l’ombre dans la grande Histoire du début des années 1270.

4. Remarques éditoriales L’édition des collections A et B proposée ci-après suit les conventions habituelles en matière de publication de textes diplomatiques. On relèvera simplement que les résolutions d’abréviations ne sont signalées par des parenthèses qu’en cas d’ambiguïté ; que les erreurs de copie manifestes, assez fréquentes dans la collection B, ont été corrigées dans le texte entre crochets droits ; que les interventions directes des formularistes (substitution de talis, N. ou etc. aux données nominatives et aux portions de texte supprimées, annonce de formulations alternatives, etc.) sont reproduites en italiques. Pour les lettres communes aux deux collections (A4–A8/B8–B12), c’est le manuscrit de la collection A qui a servi de base, dans la mesure où il offre un meilleur état des textes. Dans le cas de la lettre B22, dont on conserve aussi deux expéditions originales, c’est le texte de la collection B – reflet d’une version antérieure du document – qui a été édité à titre principal, les variantes des deux originaux étant rejetées dans l’apparat. Des regestes circonstanciés sont proposés afin de faciliter un tant soit peu l’accès à la substance des documents latins. Toutes les données reconstituées (y compris celles émanant des rubriques) figurent dans ces regestes entre crochets droits. Chaque fois que nécessaire, un commentaire justifie la datation proposée et fournit des éléments de contextualisation. En matière de chronologie, il est à noter que l’arc « [1270–1273 ?] » a été attribué par défaut aux lettres – peu nombreuses – qui n’offrent pas de repères temporels plus précis. Les noms propres sont identifiés dans l’index qui suit l’édition.

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Collection A (Ms. Bruges, Openbare Bibliotheek, 418 [Codex Dunensis], fos 369 r°–374 r°)

A1 1273, 6 mars (n.st.). Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut, demande aux abbés et prieurs de toutes les communautés religieuses de ses terres de prier pour le souverain pontife G[régoire X], qui a considéré ses affaires avec beaucoup de bienveillance et qui sollicite à présent les prières de ses sujets afin de l’aider dans l’exercice de ses lourdes responsabilités. Elle leur demande de l’informer par lettres des mesures qu’ils auront prises. Collection A, f° 369 r° (n° DCLII). Pas de rubrique. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 361–362, n° 236. Bien que cette première lettre de la collection A – du moins dans son état actuel – soit suivie d’une missive félicitant le pape Grégoire X de son avènement au mois de mars 1272 (lettre A2), il n’y a pas de lieu de la rattacher elle aussi à l’amorce du pontificat (ce qui supposerait que, par exception, elle soit datée selon un style d’hiver qui la ferait remonter au 21 mars 1272). Elle ne célèbre pas l’arrivée du nouveau pape, mais bien les grâces que celui-ci a déjà accordées à la comtesse Marguerite. Et de fait, Grégoire X a multiplié les faveurs envers la famille de Dampierre durant la première année de son pontificat (voir la lettre A4 et son commentaire).

Religiosis viris sibi in Christo karissimis universis abbatibus, prioribus et eorum conventibus terre sue, ac omnibus aliis ad quos presentes littere pervenerint, Margareta, Flandrie et Haynonie comitissa, salutem et sincere dilectionis affectum. Licet secundum preceptum dominicum quilibet christianus omni devotione qua convenit sanctissimo patri nostro et domino G[regorio], divina providentia sacrosancte Romane et universalis Ecclesie summo pontifici, obedire teneatur et debeat utpote tanquam illi qui Ihesu Christi generalis vicarius est in terris, nos tanto peramplius ei debemus et volumus complacere(a) quanto sua sanctissima bonitas in nostris et nostrorum negotiis specialius gratiis et gratis favoribus nos respexit. Igitur, cum ipse pater noster et dominus, ad devotionem fidelium terre

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nostre et alibi aliorum fidedignorum qui piis sunt conversationibus et ­familiaritatibus nobis iuncti respiciens, speret per ipsorum orationes assiduas coram sibi commissarum sollitudinum supportare salubrius ac levius, et quas orationes idem dominus noster nostra diligenti instantia vult requiri, cupientes in hoc eidem gratum gratitudinis exhibere servitium, caritatem vestram attentis in Domino precibus requirimus et rogamus omni affectu quo possumus quatinus, considerata ipsius summi pontificis sancta et laudabili voluntate, quam ad vestras orationes gerere se cognoscit, offeratis et offeri a vestris subditis faciatis preces sedulas Ihesu Christo, ut ipse sue virtutis magnitudine concedat dicto sanctissimo patri nostro sic regere Ecclesiam sanctam suam ac populum universum catholicum et in cura sollicitudinum sibi incumbentium tam prospere suos actus dirigere quod cedat ad laudem et honorem Altissimi ac exaltationem nominis christiani, ipseque post presentis vite miseriam et laborem requiem felicitatis perpetue consequi mereatur. Ut etiam dictus pater noster sanctissimus in vestris piis orationibus et pietatis operibus specialius commendetur, a vobis petimus pro munere speciali ut omnibus vestrum et singulis iuxta statum cuiuslibet onus salutare ac conveniens missarum psalmorum cum aliis piis et devotis orationibus pro ipso et sibi commissis sollicitudinibus specia­ liter […](b). Item, quia pro firmo speramus et credimus apud vos preces nostras feliciter exaudiri, vos rogamus ut quod de premissis feceritis nobis per vestras patentes litteras remandare curetis. Datum anno Domini M CC LXX secundo, die lune post Reminiscere. (a) Précédé de obedire, biffé. – (b) Blanc d’une douzaine de lettres. Il manque un verbe.

A2 [1272, mars–avril]. Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut, fait savoir au pape [Grégoire X] qu’elle se réjouit de son avènement et se met à son entière disposition. Elle lui demande de prêter attention aux affaires que lui exposeront ses procureurs. Collection A, f° 369 r°–v° (n° DCLI[II]). Rubrique (encre noire) : Domina comitissa summo pontifici. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 363, n° 237.

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Tebaldo Visconti, alors archidiacre de Hainaut dans le diocèse de Liège, a accepté la papauté au mois de février 1272 (au terme d’un long suspense  : voir la lettre B15) et a été couronné sous le nom de Grégoire X le 27 mars suivant. Les archives comtales renferment une lettre datée du 29 mars dans laquelle le nouveau pape annonce son avènement à Gui de Dampierre, qu’il remercie de son soutien et invite à perfectionner la moralité de ses sujets (Gand, Rijksarchief, OGV, Fonds de Saint-Genois, n° 160).

Sanctissimo patri ac domino . ., divina providentia sancrosancte Romane ac universalis Ecclesie summo pontifici, eius devota filia Margareta, Flandrie et Haynonie comitissa, devotissima pedum oscula bonorum. Auditis vestre sancte promotionis(a) rumoribus qui toti populo christiano cedunt ad desideratam leticiam, et quibus rumoribus me audivisse non memini letiores, ea devotione qua potui gratias obtuli Ihesu Christo qui, vestram sanctam conversationem respiciens et bonitatem conspicuam, sue Ecclesie pastoris solatio penitus desperate(b) personam vestram dignatus est preficere et sue virtutis magnitudine ad summe dignitatis apicem sublimare. Et si vestris predecessoribus Romanis pontificibus placere studui iuxta posse, sanctitati vestre cum omni reverentia et devotione debita cupio peramplius complacere, me et mea ad pedes vestre sanctitatis offerens, et ad vestrum beneplacitum ac preceptum. Ad hec, si placet, negotia que vobis exponent procuratores mei pro me et pro meis, habere dignemini commendata. Diu et prospere conservet vos Dominus Ecclesie sancte sue. (a) Au départ promissionis, -missionis (premier mot du f° 369 v°) étant biffé et corrigé en -motionis dans l’interligne, d’une encre plus claire. – (b) Précédé de desolate, biffé.

A3 [1272, mars–1273]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], demande au pape [Grégoire X] de prêter une attention bienveillante aux requêtes de Guillaume de Licques, chanoine de Thérouanne, son parent, qui va se rendre à la cour pontificale. Collection A, f° 369 v° (n° DCLIIII). Rubrique (encre noire) : Eidem summo pontifici.

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Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 363–364, n° 238. Le pape auquel s’adresse la comtesse est ici encore Grégoire X (dont le pontificat a débuté au mois de mars 1272 : voir la lettre A2), comme l’indique la rubrique. Le terminus ad quem est celui de la compilation de la collection A. La lettre A11, qui plaide la cause de Guillaume de Licques auprès d’un cardinal, révèle que celui-ci espérait devenir trésorier du chapitre cathédral de Thérouanne. Espoir déçu, car la charge reviendra au futur notaire pontifical et conseiller de Charles d’Anjou Gui de Collemezzo : Nüske, Untersuchungen (v. n. 65) p. 108–109 ; Pascal Montaubin, « Avec de l’Italie qui descendrait l’Escault ». Guido da Collemezzo, évêque de Cambrai (1296–1306), in: Liber largitorius. Études d’histoire médiévale offertes à Pierre Toubert par ses élèves, éd. Dominique Barthélemy/Jean-Marie Martin (Hautes études médiévales et modernes 84), Genève 2003, p. 477–502, à la p. 482.

Cum Willelmus de Liskes, canonicus Morinensis, qui de meis progenitoribus traxit originem et suis servitiis et gratiosis meritis apud me gratum se reddidit et acceptum, vadat ad vestre sanctitatis curiam pro quibusdam suis negotiis que apud sanctam paternitatem vestram requirunt gratiam et favorem, sanctitati vestre, pater sanctissime, humiliter supplico et devote quatinus in suis iustis petitionibus et honestis vos eidem amore Dei reddere dignemini gratiosum, scituri quod, prout communiter dicitur et creditur, ipse est ille inter canonicos Morinenses qui melius in ecclesia Morinensi et decentius obtinet locum suum. A4 = B8 1272, [1–20] septembre. M[arguerite], comtesse de Flandre et de Hainaut, remercie le pape [Grégoire X] d’avoir accordé des dispenses à son petit-fils R[obert] de Flandre, maintenant comte de Nevers, et à sa petite-fille M[arguerite], demoiselle de Flandre, ainsi que d’avoir attribué la prévôté de l’église de Lille à son petit-fils Jean, prévôt de Bruges et chancelier de Flandre. Elle le prie de prêter foi à ce que lui dira son chapelain G[érard de Vertain] au sujet de ses affaires. Collection A, f° 369 v° (n° DCLV) (=  A). Rubrique (encre rouge) : Littera summo pontifici G. super regratiatione gratiarum impensarum domino R., domicelle Flandrie et preposito Brugensi. Collection B, f° 89 r°–v° (= B). Même rubrique (avec Gregorio au lieu de G.).

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Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 364, n° 239, d’après A. Le «  chapelain G.  » est Gérard de Vertain, futur prévôt de Cassel (voir les lettres A6/B10 et B2-B6, ainsi que la présentation de ce personnage-clé supra, point 3.1). Le 23 septembre 1272, Gérard a adressé à un autre clerc comtal, le chef comptable Jean Makiel, une lettre dans laquelle il fait état de son arrivée à la Curie trois jours plus tôt (voir supra, n. 42). Les archives comtales renferment encore trois bulles de Grégoire X qui témoignent des faveurs évoquées dans la présente lettre : une première du 8 avril 1272, délivrant Marguerite de Flandre de sa promesse de mariage avec le fils du comte de Saint-Pol ; une deuxième du 11  avril, autorisant la même Marguerite à épouser un parent au quatrième degré ; et enfin une du 11 juillet, attribuant la prévôté de Lille à Jean de Flandre (Gand, Rijksarchief, OGV, Fonds de Saint-Genois, nos  162–163 et 167). Une autre bulle, postérieure à la lettre, ratifie le mariage de Robert avec Yolande de Nevers (ibid. n° 173, du 11 janvier 1273).

Sanctissimo patri etc., M[argareta], Flandrie ac(a) Haynonie etc. Ex continuatis vestre serenitatis primo R[oberto] de Flandria, nepoti nostro karissimo, nunc comiti Nivernensi, deinde karissime nepti nostre M[argarete], Flandrie domicelle, super petitis a vobis dispensationibus, necnon et super gratia in Insulensi ecclesia Iohanni, nepoti nostro, Brugensi preposito et Flandrie(b) cancellario, eis michique in eorum(c) personis a vestre puritatis bonitate exhibitis, perpendere possum et debeo quod erga me et meos voluntatem geritis gratiosam, super quo nequaquam grates et gratias vestre reddere sufficio(d) sanctitati, sed ad vestrarum habundantiam gratiarum respiciens me et id quod possum, licet modicum, ac quicquid habeo offero ad mandata vestre(e) sanctissime voluntatis, parata ad omnia iuxta posse in quibus vestris desideriis crederem complacere. Super meis et meorum negotiis, si placet, credere dignemini domino G., capellano meo, prout idem capellanus requisierit vestre gratiam sanctitatis(f). Datum mense septembri, anno LXXII°(g). (a) et B. – (b) domicelle… Flandrie, omis B. – (c) in eorum] meorum B. – (d) reddere sufficio] sufficio reddere B. – (e) Précédé de vestra (biffé) A. – (f) Précédé de sanctitatis (biffé) A. – (g) LXX° II° B.

A5 = B9 [1272–1273 ?]. Marguerite, [comtesse de Flandre et de Hainaut], notifie qu’elle a octroyé à maître Ysembard [Pecorara de Plaisance], notaire du pape, en récompense

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des nombreux services qu’il lui a rendus auprès du Siège apostolique, une rente de 100 lb. sur ses revenus de telle nature, payable chaque année à tel terme, et ordonne au receveur de ces revenus d’effectuer ce paiement annuel. Collection A, f° 370 r° (n° DCLVI) (= A). Rubrique (encre rouge): Littera pro pensione conferenda. Collection B, f° 89 v° (= B). Même rubrique. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 365, n° 240, d’après A. Maître Ysembard Pecorara de Plaisance, notaire pontifical depuis les années 1250, semble avoir été particulièrement actif sous Grégoire X (voir Nüske, Untersuchungen [v. n. 65] p. 132–133). Expérimenté et bien placé dans le milieu curial, il a sans doute été un intermédiaire de choix pour la comtesse Marguerite durant les deux premières années du pontificat de Grégoire  X (intronisé le 27 mars 1272), si cruciales pour ses affaires. Tout porte à croire que la comtesse lui a accordé cette grosse pension de 100 lb. durant cette période d’intenses tractations avec la Curie, pour le récompenser de ses premiers services et l’encourager à poursuivre ses efforts.

Nos Margareta etc., quod nos, venerabilis viri karissimi nostri in Christo magistri Ysembardi(a), domini pape notarii, considerantes discretionem providam et industriam circunsceptam ac sue gratiose merita probitatis, quibus nobis et nostris apud sedem apostolicam semper studuit complacere(b), prefato magistro Y[sembardo] annuam pensionem C  librarum(c) quamdiu vixerit duximus concedendam, ipsi magistro Y[sembardo] aut eius certo mandato annis singulis tali termino persolvendam, de qua quidem pensione ipsi Y[sembardo] assignamentum facimus ad proventus talium iurium nostrorum, mandantes tenore presentium receptori iurium horum(d) quatinus dictas C libras annis singulis ad predictum terminum ipsi Y[sembardo] quamdiu(e) vixerit deliberet aut eius certo nuntio, absque expectatione alterius mandati(f). (a) Yzembardi B. – (b) industriam… complacere] complacens B. – (c) Tur(oniensium), ajouté B. – (d) h(orum ?) A, huius B. – (e) quad (sic) A. – (f) pers(olvendas ?), ajouté B.

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A6 = B10 1273, 3 juin. Marguerite, [comtesse de Flandre et de Hainaut], et son fils Gui, comte de Flandre et marquis de Namur, remercient le pape G[régoire X] de toutes ses bontés, et en particulier d’avoir attribué la prévôté de l’église de Cassel à leur chapelain G[érard] de Vertain, qui saura redresser cette église. Ils lui demandent de prêter foi à ce que lui dira leur clerc et procureur Jean de Villemareuil à propos d’une affaire délicate. Gui déclare se contenter du sceau apposé par sa mère. Collection A, f° 370 r° (n° DCLVII) (= A). Pas de rubrique. Collection B, f° 89 v° (= B). Rubrique : Littera regratiationis domino pape super negocio Casletensi. Éd. Kervyn d’après A.

de

Lettenhove, Codex Dunensis (v.  n. 1) p. 365–366, n°  241,

L’affaire délicate ici évoquée doit être la candidature de Gui de Dampierre à l’élection impériale, que les clercs Gérard de Cassel et Jean de Villemareuil furent chargés de soumettre au pape (voir en particulier les lettres B2 et B6). L’intervention de Gui dans la missive s’explique de la sorte.

Sanctissimo patri etc.(a) ac domino G[regorio], divina etc., Margareta, etc., et Guido eius filius, comes etc.(b). Super plerisque gratiis et honoribus quibus hoc anno nos et nostros vestra sancta benignitas voluit prevenire et quos adhuc in personas nostrorum familiantium(c) continuare non cessat, utpote specialiter in promotione dilecti capellani nostri domini G[erardi](d) de Vertaign in ecclesia Casletensi, per cuius industriam ipsam ecclesiam per suorum rectorum insolentiam magnis temporibus desolatam speramus reformari in statum debitum et reduci, grates et gratias non quas debemus, sed quas possumus, vestre bonitati sanctissime referimus, pater care, nos totaliter et quod possumus ac quicquid habemus offerentes ad mandatum vestre sanctissime(e) voluntatis. Verum quia magnum et arduum nobis ad presens incumbit negotium, quod verbis potius affectamus quam litteris explicari(f) sanctitati vestre, cum omni devotione qua debemus et possumus supplicamus quatinus credere dignemini Iohanni de Vilemaroi, nostro procuratori et clerico speciali, super eo quod de dicto negotio vestre pater-

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nitati sanctissime ex parte nostra duxerit referendum, facientes si placet de ipso negotio prout nostro honori et commodo videritis expedire. Ego Guido, comes Flandrie et marchio Namucensis predictus, sigillo carissime domine matris nostre predicte in hac parte sum contentus. Bene et diu Dominus(g) vos conservet Ecclesie Sancte sue. Datum sabbato post Penthecosten, anno LXX°(h) tertio. (a) etc., omis B. – (b) comes etc., omis. B. – (c) familiarium B. – (d) Gerardi B. – (e) serenissime B. En A, renvoi vers une note marginale (de la main principale) : vel seren[issime] (rogné). – (f) explicamus B. – (g) Omis B. – (h) septuagesimo B.

A7 = A24 = B11 [1272, juillet–1273]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], présente ses condoléances à [Guillaume d’Haverskerque, trésorier de Lille et prévôt d’Aire], suite au décès de son frère Fastré. Elle l’incite à se relever de ses peines et à prier le Seigneur pour le repos du défunt. Collection A, fos 370 r°–v° (n° DCLVI[II]) et 373 v°–374 r° (n° DCLXXVI) (= A). Pas de rubriques. Collection B, fos 89 v°–90 r° (= B). Rubrique : Littera consolationis super morte alicuius. Domina scribit thesaurario Insulensi et tunc preposito Ariensi super morte fratris sui. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 366–367, n° 242, d’après A (première copie). La collection A comporte deux copies rigoureusement identiques de la présente lettre. La seconde, qui clôt la collection (A24), est l’œuvre d’une main qui a ajouté deux lettres concernant Guillaume d’Haverskerque (A23 et A24). Fastré d’Haverskerque, seigneur de Calonne, est mort entre juillet 1272 et janvier 1274 : Warlop, De Vlaamse adel 2/1 (v. n. 49) p. 281, n° 106/14 ; Stuckens, Les hommes de l’écrit (v. n. 21) p. 98. Concernant son frère Guillaume, voir supra, point 3.1, ainsi que la lettre A23.

Licet Fastredus(a), frater vester carissimus(b), consanguineus noster, laudabiliter esset compositus multiplici genere gratiarum et ob id in eius amis-

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sione vobis adest et adesse debet doloris materia grandior et meroris, vos attente rogantes eo affectu quo possumus invitamus quatinus vires viriles(c) viriliter assumentes, doloribus luctuosis quos cum cordis amaritudine concepistis depositis(d), voluntatem sustineatis Domini patienter. Nec est meroribus immorandum qui vestrum corpus affligunt et animam, nec anime vestri fratris(e) proficiunt(f) ad salutem. Nil aliud etiam superesse videmus quam quod recurratis ad illius solatium qui est merentium(g) consolator, ipsum orationibus interpellando fidelium ut anime vestri fratris(h) parcat misericorditer in peccatis et eidem concedat(i) requiem sempiternam. (a) Festredus B. – (b) karissimus B. – (c) Omis B. – (d) deponitis B. – (e) vestri fratris] fratris vestri B. – (f) Omis B. – (g) qui est merentium, omis B. – (h) vestri fratris] fratris vestri B. – (i) Fin de B.

A8 = B12 1273, 12 mars (n.st.). [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut, et son fils Gui, comte de Flandre et marquis de Namur], s’engagent à valider et à observer les accords qui seraient conclus par tels et tels, leurs émissaires dans l’Empire, ou par trois de ceux-ci au moins. Collection A, f° 370 v° (n° DCLIX) (= A). Rubrique (encre rouge) : Littera super obligatione facienda ex parte domine et comitis pro negotio regni Allemanie. Collection B, f° 90 r° (= B). Même rubrique (avec Allemannie regni au lieu de regni Allemanie). Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 367, n° 243, d’après A. L’ambassade dont il est ici question était chargée de discuter avec les princes électeurs rhénans d’une possible candidature de Gui de Dampierre à l’élection impériale. Elle fut initialement conduite par l’évêque de Cambrai (et chancelier du défunt roi des Romains Richard de Cornouailles) Nicolas de Fontaine, qui mourut en chemin le 2 mars 1273. Voir surtout la lettre B6.

Cum nos tales et tales nostros nuntios speciales mittamus ad partes Allemannie pro magnis et arduis negotiis utilitatem et honorem nostrum

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tangentibus, recognoscimus tenore presentium quod nos omnes et singulas conventiones et obligationes quas ipsi, vel ex ipsis tres, nomine nostro occasione predictorum negotiorum cum quibuscumque personis inierint(a) ratas(b) ex tunc habemus, et gratas habebimus et(c) habere promittimus in futurum, et faciemus easdem secundum continentiam litterarum dictorum nuntiorum nostrorum, vel trium ex ipsis, quas super premissis quibuscum­ que personis vel persone ab ipsis nomine nostro exhiberi vel deliberari contigerit firmiter et inviolabiliter observari. Et ad eas a nobis firmiter observandas nos et bona nostra specialiter obligamus. Datum anno LXX II(d), dominica qua cantatur Oculi. (a) inierit B. – (b) Omis B. – (c) gratas habebimus et, omis B. – (d) LXX II] Domini septuagesimo secundo B.

A9 [1273]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], vante au pape [Grégoire X] les mérites de l’abbé de Clairvaux, qui va lui rendre visite, et le prie d’accéder aux requêtes de celui-ci. Collection A, f° 370 v° (n° DCLX). Rubrique (encre rouge) : Comitissa summo pontifici. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 367–368, n° 244. L’abbé de Clairvaux doit être Bovon (1273–1280), auparavant abbé de Trois-Fontaines, qui a succédé à Philippe Ier (1262–1273) : Henri  d’Arbois de ­Jubainville, Études sur l’état intérieur des abbayes cisterciennes et principalement de Clairvaux, aux XIIe et XIIIe siècles, Paris 1858, p. 182.

Cum vir venerabilis et religiosus abbas Clarevallensis vestre sanctitatis limina personaliter visitare proponat, qui apud me et apud omnes noticiam ipsius habentes suis gratiosis meritis se gratum reddidit et acceptum, sanctitati vestre, pater sanctissime, supplico humiliter ac devote quatinus ipsius personam cum suis negotiis recommendatam habere volentes, ipsum dignemini in suis iustis et honestis petitionibus exaudire.

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A10 [1272, mars–1273]. [Pierre de Noyon, évêque d’Arras], appuie auprès du pape [Grégoire X] la candidature du noble J[ean], prévôt de Bruges et chancelier de Flandre, fils de Gui, comte de Flandre et marquis de Namur, à la prévôté de Saint-Amé de Douai, une église qui a beaucoup souffert et dont J[ean] serait tout indiqué pour défendre les intérêts. Collection A, fos 370 v°–371 r° (n° DCLXI). Rubrique (encre rouge) : Eidem Petrus, divina gratia Atrebatensis episcopus. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 368, n° 245. Le terminus a quo est l’avènement du pape Grégoire X (couronné le 27 mars 1272, après plusieurs années de vacance du Siège apostolique). Le terminus ad quem est celui de la collection A. Jean de Flandre n’a pas obtenu la prévôté de Saint-Amé : au milieu des années 1270, c’est Guillaume de Faronville, par ailleurs vice-chancelier de Charles d’Anjou, qui la détient (Jean Guiraud et Léon Cadier, Les registres de Grégoire X (1272–1276) et de Jean XXI (1276–1277) [Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome, série 2. Registres des papes du XIIIe siècle 12], Paris 1960, p. 177, n° 444 ; Paul Durrieu, Les archives angevines de Naples. Étude sur les registres du roi Charles Ier (1265–1285) [Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 46], Paris 1886, p. 235).

Ecclesiam Sancti Amati Duacensis, Atrebatensis dyocesis, que hactenus molestationum et pressurarum varietatibus conculcata et inter graves iniuriarum turbines et incursus diu sine debito gubernationis remige fluctuavit, nuper vacante preposito, vir potens et nobilis I[ohannes], Brugensis prepositus et Flandrie cancellarius, natus illustris viri Guidonis, comitis Flandrie et marchionis Namucensis, a cuius progenitoribus eadem ecclesia amplis est fundata possessionibus et ditata cum iurium multitudine et etiam libertate, pensata ipsius ecclesie utilitate, est, ut intelleximus, in prepositum dicte ecclesie canonice postulatus. Quapropter, cum idem prepositus, inter ceteros illarum partium virtute et nobilitate prepollens, ad relevandos casus ipsius ecclesie et pressuras, ad resistendum infestatorum incursibus et procellis, ad eiusdem ecclesie libertates et iura tenenda et ad conservandum ipsam ecclesiam et personas eiusdem in statu prospero et transquillo(a) magis ydoneus dinoscatur, sanctitati vestre supplico humiliter et devote quatinus nunc ipsam ecclesiam paterno respicientes affectu,

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ipsum eidem ecclesie in prepositum concedere dignemini postulatum. Spero siquidem quod non solum dicte ecclesie, verum etiam toti patrie ac personis indigenis prefatus prepositus esse debeat multipliciter fructuosus. (a) Sic, pour tranquillo.

A11 [1272, mars–1273]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], demande [à un cardinal] d’appuyer auprès du souverain pontife la requête de son parent et méritant serviteur Guillaume [de Licques], chanoine de Thérouanne, qui souhaite obtenir la trésorerie de Thérouanne et va se rendre à la Curie romaine. Collection A, f° 371 r° (n° DCLXII). Rubrique (encre rouge) : Domina scribit cardinali. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 369, n° 246. Cette missive a dû être expédiée en même temps que la lettre A3, qui est la supplique adressée au pape Grégoire X sur le même sujet.

De bonitate vestra talem gerimus fiduciam quod, dum pro dilectis nostris vobis preces nostras dirigimus, eas favorabiliter admittatis, presertim pro illis quos sue probitatis merita recommendant. Cum igitur Willelmus, canonicus Morinensis, noster dilectus consanguineus, suis gratis servitiis et meritis nostram benivolentiam acquisierit et favorem, qui pro quibusdam suis negotiis vadit ad Romanam curiam, que vestram opem desiderant et favorem, et specialiter super obtinenda gratia apud summum pontificem de thesauraria Morinensi que vacat ad presens, paternitatem vestram attente requirimus et rogamus quatinus ad id velitis apponere opem et operam efficacem, ut in dicta thesauraria apud summum pontificem suum desiderium feliciter assequatur.

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A12 [1270–1273 ?]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], fait savoir [au doyen et au chapitre cathédral de Thérouanne] qu’elle est intervenue dans le conflit opposant Marie d’Ypres au chevalier Guillaume [III] de Heule pour la bonne raison que le mariage que Marie devait contracter avec Henri de Thourout était susceptible d’apaiser les tensions entre les grandes familles de la ville d’Ypres, et non parce qu’elle aurait, comme on le prétend, accepté de l’argent pour s’opposer à Guillaume. Elle les met en garde contre les mensonges de Guillaume et les presse de régler correctement cette affaire qui lui tient beaucoup à cœur. Collection A, f° 371 r°–v° (n° DCLXIII). Rubrique (encre rouge) : Decano et capitulo Morinensi. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 369–370, n° 247. Le litige entre Marie d’Ypres et Guillaume de Heule n’est pas documenté par ailleurs. On sait seulement que des conflits récurrents entre les grandes familles bourgeoises d’Ypres atteignirent un seuil critique en 1262, lorsque Marguerite le Meyde assassina son mari Michel de Thourout à l’instigation de sa parenté. Henri de Thourout, le promis de Marie, étant un parent de ce Michel, le projet de mariage s’inscrivait peut-être dans une stratégie d’apaisement des tensions entre les Thourout et le clan de l’épouse meurtrière. Voir Feys/Nélis, Les cartulaires 1 (v. n. 51) p. 77–80. Les raisons de l’opposition de Guillaume III, seigneur de Heule et Heestert (attesté entre 1262 et 1300 : Warlop, De Vlaamse adel 2/1 [v. n. 49] p. 293, n° 111/9), nous échappent.

Quoniam error cui non resistitur comprobatur et veritas que minime defensatur opprimitur, idcirco, ut quorumdam erroribus perversorum et mendaciis obviemus, honorem nostri nominis ut dicitur opprimentibus, et ut ad plenum veritas patefiat, vobis dirigimus presens scriptum, discretionem vestram scire volentes quod de causa que vertitur inter Mariam de Ypra et Guillelmum de Heule, militem, nos intromisimus et nostros intromitti fecimus pro eo quod(a) matrimonium quod fieri debebat inter ipsam Mariam et Henricum de Trehout ad instantiam patris ipsius Marie et amicorum hinc inde communium per nos extitit pertractatum, cuius effectus, si, ut sperabatur, fuisset et ut esse debuit subsequtus(b), inter oppidanos nostros Yprenses ipsius oppidi maiores, potentiores ac etiam ditiores in-

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testinis odiis et guerris miserabiliter in periculum animarum et corporum discordantes ad invicem, et in[ter](c) quos nostras interest spargere semen pacis, perpetuam pacem et concordiam g[e]nerasset(d) ; nec licet vobis, ut fertur, datum est intelligi, nobis datis vel dandis muneribus, contra dictum militem mote sumus, cum personam nostram et etatem non deceat quod apud nos munera sibi locum vendicent in cuiusquam iniuriam seu gravamen. Est et aliud in isto negotio quod nos movet, quia non solum credimus, immo scimus quod ipsi militi nulla suffragatur veritas in hac parte, quamvis per falsa testimonia et fas et nefas nitatur dolose ipsius negotii pervertere veritatem. Unde, vos attente rogamus quatinus Deum habentes pre oculis, in isto negotio taliter vos geratis quod sine iuris et rationis offensa ipsa causa fine debito terminetur, que quidem propter causas superius annotatas est et esse debet mirabiliter nobis cordi. Ad hec credentes etc. (a)  Précédé de quod, biffé.  – (b)  Sic, pour subsecutus.  – (c)  in ms., lire inter.  – (d) gnerasset ms., lire generasset.

A13 [1270–1273 ?]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], demande à [Nicolas de Fontaine ou Enguerran de Créquy, évêque de Cambrai] d’accorder, comme beaucoup le souhaitent, une promotion à untel, qui est suffisamment lettré et capable de chanter l’office divin. Collection A, f°  371 v°  (n°  DCLXIIII). Rubrique (encre rouge)  : Episcopo Cameracensi. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 370–371, n° 248. L’évêque de Cambrai est soit Nicolas III de Fontaine (1248–1273), soit Enguerran II de Créquy (1273–1285). Il s’agit sans doute du premier, dont la correspondance avec la comtesse Marguerite est bien représentée dans la collection A.

Pro dilecto nostro N., in sufficienti litteratura ac ecclesiastico et divino officio cantando, etiam et legendo, multum ut intelleximus gratioso, vestra rogabatur veneranda paternitas, vel iam extitit requisita, ut credimus,

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super ipsius promotione que vestram gratiam desiderat(a) et favorem. Nosque, a nostris rogate fidelibus, sinceritatem vestram attentis precibus requirimus et rogamus quatinus idem N. id quod de vestre bonitatis gratia digne assequi desiderat, multiplicatis intercessoribus, apud vos efficaciter consequatur, tantum, si placet, inde facientes quod nostra intercessio cum aliis pro ipso intercessoribus sibi fiat peramplius gratiosa. Valeat etc. (a) desiderant ms., lire desiderat.

A14 [1270–1273 ?]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], demande à [un abbé], qui a déjà accueilli favorablement ses requêtes précédentes, de bien vouloir permettre à untel, dont elle estime beaucoup le père, de finir ses jours dans son monastère en tant que moine. Collection A, f° 371 v° (n° DCLXV). Rubrique (encre rouge) : Abbati et conventui pro monacho recipiendo. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 371, n° 249.

Licet preces nostras quas alias pro N.(a) vobis porreximus favorabiliter exaudistis, affectus tamen quem circa quasdam personas et favor quem erga monasterium vestrum gerimus nos inducunt ut causis supervenientibus pluries vos rogemus. Cum igitur talis et sui amici pie desiderent ut in vestro monasterio finiat dies suos et sub regulam habitu suo serviat Creatori, caritatem vestram requirimus et rogamus ut eidem, cuius patrem suis exigentibus meritis animi puritate diligimus(a), prebenda monialis conferatur dum ad id facultas se obtulerit, pietatis intuitu, nostris precibus et amore. Hec petimus ex speciali fiducia quam ad vestram gerimus bonitatem, unde placeat vobis quod preces nostre felicem s[or]tiantur(b) effectum. (a) Lettre écrite à l’encre rouge. – (b) Mot suscrit. – (c) scitiantur ms., lire sortiantur.

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A15 [1272, mars–1273]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], notifie qu’elle a autorisé ses envoyés à la Curie romaine à emprunter 100 lb. tournois, et s’engage à rembourser les créanciers. Collection A, f°  371 v°  (n°  DCLXVI). Rubrique (encre rouge)  : Littera de contrahendo mutuo. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 371–372, n° 250. La comtesse Marguerite ne semble pas avoir mandaté de procureurs à la Curie romaine avant la fin de la grande vacance de 1268–1271, puisqu’elle dut écrire au cardinal Guillaume de Bray pour avoir des nouvelles de l’élection de Tebaldo Visconti, alias Grégoire X (voir la lettre B15). En revanche, dès l’instant où ce dernier fut installé, au mois de mars 1272, les clercs flamands ont commencé à converger vers la Curie (voir en particulier les lettres A2-A4). Une deuxième vague a suivi vers le mois de juin 1273 (voir les lettres A6/B10 et B2-B4).

Cum nos tales pro quibusdam nostris negotiis ad curiam Romanam destinaverimus, scire volumus universos quod ipsis aut duobus ex ipsis aut alteri eorum liberam dedimus potestatem recipiendi mutuo nomine nostro C libras Turonensium, tenore presentium promittentes quod pecuniam concessam mutuo usque ad summam predictam eiusdem pecunie creditori seu creditoribus presentes litteras cum suis litteris et instrumento publico inde relinquentibus facto(a) c[um] omni(b) integritate reddemus secundum conventiones habitas inter ipsos. Datum etc. (a) Suivi d’un m biffé. – (b) coˉi ms., lire cum omni.

A16 [1270, juillet–1271, janvier ; 1273]. Marguerite, [comtesse de Flandre et de Hainaut], demande aux princes, nobles et officiers des autres terres d’accorder un sauf-conduit à son messager untel, porteur des présentes, qui se rend outre-mer auprès de son fils G[ui] (ou à la Curie romaine, ou ailleurs), et s’engage à faire preuve de réciprocité sur ses terres.

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Collection A, f° 372 r° (n° DCLXVII). Rubrique (encre rouge) : Littera conductus. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 372, n° 251 (éd. partielle, jusqu’à amore nostri prebere velitis). L’acte qui a servi de modèle principal concerne un messager envoyé au comte Gui durant l’expédition de Tunis, plus particulièrement entre juillet 1270 et janvier 1271 si l’on s’en tient à la période passée par le prince in transmarinis (Stuckens, Itinérances [v. n. 27] p. 40–48). Mais l’ajout de formules alternatives date quant à lui de 1273.

Universis principibus, baronibus, nobilibus, militibus, iusticiariis et potestatibus ad quos presentes littere pervenerint, Margareta, etc. Cum nos talem, nuntium nostrum, latorem presentium, ad karissimum filium nostrum G[uidonem], etc., in transmarinis agentem partibus (vel ad Romanam curiam, vel alibi) transmittimus, dilectionem vestram requirimus et rogamus quatinus singuli vestrum eidem, cum super hoc vos requisierit, securum conductum eundi et redeundi et morandi per terram vestram amore nostri prebere velitis (et si fuerint plures scribatur sic(a) : quatinus ipsis cum rebus et familia per terras et districtus vestros securum prebeatis conductum, non sustinentes quod ipsis in personis, familia aut rebus a­ liqua incuria seu violentia inferatur), tantum inde facientes quod vobis et vestris in terra nostra, si casus occurrerit, teneamur ad vicissitudinem repensivam, presentibus post hoc tempus minime valituris. Datum etc. (a) et si… sic, écrit à l’encre rouge.

A17 [1270, après le 12 avril ?]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], demande [à un prince laïque ?], auquel elle envoie untel, de lui écrire pour lui donner des nouvelles de lui-même et de la Terre sainte. Collection A, f° 372 r° (n° DCLXIX). Rubrique (encre rouge) : Ut status sciatur. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 372–373, n° 252.

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La formule de déférence vestra excellentia tend à indiquer que l’interlocuteur de la comtesse est un prince laïque. La lettre est fort probablement, comme la précédente, contemporaine de l’expédition de Tunis, pour laquelle Gui de Dampierre s’est mis en route le 12 avril 1270 (voir la lettre B16).

De statu vestre excellentie, quem Dominus sua gratia prosperum et iocundum faciat, audire bonos rumores toto desiderio affectantes, ad vestram sinceritatem talem mittimus, vos rogantes attente quatinus de statu vestro et Terre sancte rumoribus, utinam per Dei gratiam prosperis, nos velitis vestris litteris certiores reddere, quotiens vobis facultas affuerit nuntiorum, remandantes nobis si qua vobis apud nos placeant, nosque parate erimus ea pro viribus effectui mancipare.

A18 [1269, après le 27 août]. [Untel] annonce [à Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut ?] la reddition de la ville rebelle de Lucera et des Sarrasins qui la peuplent, après un siège victorieux par l’armée du roi [de Sicile Charles d’Anjou]. Les vaincus ont livré Conradin, fils du roi [des Romains] Conrad [IV], qu’ils tenaient pour leur seigneur, sa mère, le frère hospitalier Ramifred et d’autres traîtres chrétiens, qui risquent le châtiment ultime. En Sicile, les traîtres d’Agrigente qui se livraient au pillage jusque dans la région de Palerme ont été défaits par les Provençaux installés à Castronovo. Collection A, f° 372 r°-v° (n° DCLXX). Pas de rubrique. Éd. Kervyn de Lettenhove, Notice (v. n. 1) p. 16–17; Chronicon Placentinum et Chronicon de rebus in Italia gestis, éd. Jean L. A. Huillard-Bréholles, Paris 1856, p. 299 (d’après Kervyn de Lettenhove); Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1), p. 373–374, n° 253. Lucera était une colonie de déportés musulmans fondée par l’empereur Frédéric II dans les Pouilles. Elle s’est rebellée contre Charles d’Anjou, qui l’a assiégée à partir de mai 1268. La famine a poussé ses habitants à se rendre un an plus tard, le 27 août 1269 exactement, et à livrer leur chef Conradin, fils naturel du roi des Romains Conrad IV, aussitôt condamné à mort (Joachim Göbbels, Der Krieg Karls I. von Anjou gegen die Sarazenen von Lucera in den Jahren 1268 und 1269, in: Forschungen zur Reichs-, Papst- und Landesgeschichte. Peter

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Herde zum 65. Geburtstag von Freunden, Schülern und Kollegen dargebracht 1, éd. Karl Borchardt/Enno Bünz, Stuttgart 1998, p. 361–401 ; Taylor, Muslims [v. n. 28], p. 145–148). La présente lettre a été attribuée par J. Kervyn de Lettenhove à Robert de Béthune, qui évoluait alors dans l’entourage de Charles d’Anjou (Jean Dunbabin, The French in the Kingdom of Sicily, 1266–1305, Cambridge 2011, p.  121–122), mais elle peut tout aussi bien émaner d’un autre correspondant de la comtesse Marguerite en Italie. Il n’est pas absolument certain, du reste, que cette dernière en soit la destinataire, même si sa présence dans la collection A le suggère fortement.

Significamus vobis ad gaudium quod, cum civitas Liceriensis, innumeroso Sarracenorum plena populo et situ fortissima, iam diu quasi in medio regni Christianorum contagium contra maiestatem regiam rebellasset, coacta tamen et arcta(a) obsidione regalis exercitus qui ipsos Sarracenos die qua­ libet in ore gladii tr[u]cidabat(b), fameque intollerabili lacessita, ictibus et duris insultibus sepissime fatigata, postquam ultra contra Deum regis­ ­furorem se tenere non valeret, nec etiam effugere manus suas, omnes Sarraceni civitatis predicte, terre prostrati, cum corrigiis ad collum, a maiestate regia tantummodo vitam ex sola ipsius misericordia implorantes, tali die se pro servis supposuerunt dicti domini regis omnino voluntati, tradendo ei Conradinum, qui regis Conradi filium se asserit, quem sibi dominum reputarant, una cum ipsius Conradi matre, fratrem Ramifredum, Hospitalorum obstinacem illorum rectorem ac cecitatis ducem, necnon et omnes alios proditores et omnes falsos christianos cum ipsis existentes, ultimo, ut creditur, supplicio pro dicti domini regis arbitrio feriendos. Preterea de novis Sycilie vobis intimare volumus quod, cum proditores existentes in Agrigento, castro fortissimo, usque in territorio Panno[rm]i(c) more predonum discurre[re]nt(d), quidam Provinciales existentes in Castro Novo, hoc scientes, congregatis multis archeriis terre, illis proditoribus obviam occurrerunt, et in ipsos dum transitum facerent viriliter irruerunt, et ipsos in fugam penitus converterunt, ita quod tam captivi quam mortui ex ipsis excedunt numerum ducentorum. Ob cuius obtentu[m](e) victorie, multum ibi attenuati sunt proditores et rebelles, sed ex(f) ipsa captione ­Liceriensi omnimodo confundentur, dante Deo. (a) Précédé de act, biffé. – (b) t(ra)cidabat ms. (avec un a suscrit), lire trucidabat. – (c) Pannoni ms., lire Pannormi. – (d) discurrentes ms., lire discurrerent. – (e) obtentu ms., lire obtentum. – (f) Précédé de ip, biffé.

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A19 [1270, novembre–1271, mai]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], informe [Jean de Barastre, abbé du Mont-Saint-Éloi], que son fils Gui et les enfants de celui-ci sont revenus sains et saufs. Elle lui demande de prier pour elle et pour les affaires de sa terre. Collection A, f° 372 v° (n° DCLXXI). Rubrique (encre rouge) : Comitissa abbati de Monte Sancti Eligii. Éd. Kervyn de Lettenhove, Notice (v. n. 1) p. 17–18 ; Id., Codex Dunensis (v. n. 1) p. 374, n° 254. La comtesse fait allusion au retour de l’expédition de Tunis, à laquelle Gui de Dampierre avait participé avec ses fils Robert et Guillaume (voir la lettre B7). Les princes flamands ont quitté les côtes africaines dès le mois de novembre 1270, mais leur voyage de retour s’est prolongé jusqu’en mai 1271 (Stuckens, Itinérances [v. n. 27] p. 44–48).

Quia sepius vero experimento dedicimus quod pacem et transquillitatem(a) nostre mentis et corporis, necnon et omnia que ad nostrum commodum et honorem cederent ac deberent cedere, diligitis animi puritate, sinceritatem vestram scire volumus quod, annuente Domino, nobis satis arridet pax et mentis transquillitas(b) cum sanitatis corporee comitiva. Gaudemus admodum de nostro filio comite Flandrie et eius liberis, qui periculis et discriminibus variis et diversis in quibus de tot et tantis periculis fuerant constituti, sani et incolumes, propitiante Altissimo, ad propria sunt reversi, que quidem, ut vobis placeant, tenore presentium intimamus. Ceterum, [quia](c) vestra et aliorum religiosorum virorum omnium suffragia in nostris necessitatibus nobis sepius novimus profuisse, caritatem vestram attentis in Domino precibus requirimus et rogamus quatinus pro nobis specialiter et terre nostre negotiis orare velitis et orari sollicite faciatis. (a) Sic ms., pour tranquillitatem. – (b) Sic ms., pour tranquillitas. – (c) Mot omis.

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A20 [1270–1273 ?]. [Nicolas de Fontaine ou Enguerran de Créquy, évêque de Cambrai], répond à [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut] qu’il n’a pas interdit à tels [religieux] d’entendre la confession des béguines pour leur nuire, mais bien pour mettre fin à des agissements abominables qu’il n’ose exposer par écrit. Il lui demande donc d’accepter les mesures qui ont été prises. Collection A, fos 372 v°–373 r° (n° DCLXXII). Rubrique (encre rouge) : Cameracensis episcopus rescribit ad dominam comitissam. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 375, n° 255. L’évêque est soit Nicolas III de Fontaine (1248–1273), soit Enguerran II de Créquy (1273–1285). Le ton assuré de l’auteur face aux remontrances de la comtesse fait plutôt songer à Nicolas de Fontaine, dont la correspondance avec cette dernière est par ailleurs bien représentée dans la collection A.

Intellectui vestro presentatum esse scribitis quod causa offensionis talibus confessiones beghinarum mandavimus interdici, concludendo quod alia via offensam nostram, si causa subfuerit, ostendamus. Ad quod vobis taliter respondemus quod non decet credere prelatum contra subditos excitari debere zelo incongruo ad offensam, et nepharium c[e]nseremus(a) si offensa nostri redundaret in personarum innocentum lesionem ; talia enim vel consimilia non decet prelatum presentem ecclesie cathedrali […](b), que detestabilia essent in homine scelerato. Et ut dominationi vestre res aliter patefiat quam dicatur, vobis significamus quod quarumdam personarum loci predicti enormes et abhominabiles actus ad interdicendum confessiones huiusmodi nos necessario excitarunt, non zelo mali agendi, sed potius evitandi  ; quos actus, licet pudeamus scribere, vobis quamprimum poterimus vocetenus exprimemus. Unde vestram dominationem requirimus et rogamus quatinus cum serenitate et pace animi tollerare velitis ea que secundum Deum de premissis acta sunt et de proborum consilio, quousque vobiscum locuturi causam vobis exposuerimus, que non ad offensam id agendo vos excitat, immo verius ad amorem. (a) conseremus ms., lire censeremus. – (b) Un infinitif manque.

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A21 [Vers 1272]. [Nicolas de Fontaine, évêque de Cambrai], informe [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], que, lors d’une visite pastorale à l’abbaye de Saint-Ghislain, il a découvert celle-ci en bon état spirituel, mais dans une situation financière déplorable. Comme les moines espèrent son aide, il lui demande de les dispenser du droit de gîte (hospitalitas) et d’imposer un report à leurs créanciers, pour leur donner le temps de vendre certains biens. Collection A, f° 373 r° (n° DCLXXIII). Pas de rubrique. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 375–376, n° 256. La tradition historiographique de l’abbaye de Saint-Ghislain présente l’abbatiat de Guillaume (1268–1271) comme une période de mauvaise gestion, suivie d’un redressement rapide sous l’abbé Pierre de Quaregnon (1271–1281), soutenu par le souverain germanique et son chancelier, l’évêque de Cambrai Nicolas de Fontaine, qui a lui-même cédé des biens à Saint-Ghislain au mois d’octobre 1272 : voir Ursmer Berlière, Abbaye de Saint-Ghislain, in: Monasticon Belge  1, Maredsous 1891–1897, p. 244–270, aux p. 258–259, qui s’appuie essentiellement sur Pierre  Baudry/Augustin  Durot, Annales de l’ancienne abbaye de Saint-Ghislain en Celle, éd. Frédéric de Reiffenberg (Monuments pour servir à l’histoire des provinces de Namur, de Hainaut et de Luxembourg 8), Bruxelles 1848, p. 448–457. Comme l’indique Berlière (p. 259, n. 1), c’est l’évêque de Cambrai, à qui incombaient les visites pastorales, qui a rédigé la présente lettre.

Casum infortunii et desolationem incongruam ecclesie Sancti Gisleni in Cella paterne pietatis affectu dolere compellimur, et, ut eidem vestre dominationis benignitas condescendat, vobis describere volumus statum eius. Cum enim nuper ad eandem ecclesiam causa visitationis, sicut nostra interest, venissemus, eandem, licet in spiritualibus commendabilem, in temporalibus tamen omni prosperitate nudam, alienatam redditibus, usurarum ac debitorum voragine circumventam invenimus ; et si unquam res perverse se habuit, nunc error novissimus priore deterior comprobatur. Verum abbas et conventus dicte ecclesie, sub potenti manu Altissimi fiduciam obtinentes, sperant quod eo prestante per vestra et proborum suf­ fragia, non absque eorum gravamine et substractione victuum temporalium, debeant relevari. Unde dominationis vestre gratiam prece quanta possumus exoramus quatinus, eidem ecclesie et personis animo pietatis

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habundatia(a) bonis semper condescendere consueto miserabiliter inserentes(b), placeat vobis quod, sub umbra protectionis vestre latentes, ad hospitalitatem, cum unde non habeant, ex speciali vestra inhibitione minime teneantur, quodque a suis creditoribus vestra intercessione media[nte](c) saltem usque ad talem terminum respectus ipsis valeat indulgeri, pro certissimo attendentes quod interim per aliquorum bonorum suorum venditionem se finaliter liberare proponunt ab omni onere debitorum. (a) Sic ms., pour habundanter ? – (b) Sic ms., pour miserentes ? Ce passage semble corrompu. – (c) media ms., lire mediante.

A22 [1272–1273]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], fait savoir [au chapitre général de l’ordre cistercien] que, ne voulant pas favoriser certaines églises au détriment d’autres, elle a décidé de révoquer ses lettres autorisant les moniales d’Axel à déménager sur ses terres. Le lieu où celles-ci comptaient s’installer est trop proche des abbayes de la Byloque et du Nieuwenbos près de Gand, qui auraient pâti de cette proximité. Collection A, f° 373 r° (n° DCLXXIIII). Pas de rubrique. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 376–377, n° 257. En 1269, les moniales cisterciennes de Ter Hagen à Axel (Zélande) ont reçu d’une bourgeoise de Gand un domaine à Merelbeke, au sud de Gand, vers lequel elles ont rapidement déménagé. Mais en 1272, suite aux protestations de l’abbesse de la Byloque, le chapitre général de Cîteaux a ordonné aux religieuses de regagner leur maison d’origine. Il a réitéré cette injonction en 1273. Voir Lucienne Cnockaert, De Cisterciënserinnenabdij Ter Hagen : de translatie naar Merelbeke en de terugkeer naar Axel, in: Cîteaux in de Nederlanden 11 (1960) p. 27–38; Michel Nuyttens, Abbaye de Ter Hagen à Axel, Merelbeke et Gand, in : Monasticon belge 7/3, Liège 1980, p. 461–472, à la p. 466.

Licet ecclesias terre nostre, et specialiter vestre professionis, animi puritate diligimus et quantum cum Deo possumus confovemus, non tamen a Deo favore prosequi earum quasdam intendimus ut ob id aliis gravamen seu lesio generetur. Cum igitur moniales de Axiele, vestri ordinis, litteras nos-

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tri consensus obtinuerunt ut de loco ubi hactenus extiterunt(a) et se transferre possint et valeant sub nostro districtu ad alium locum eis magis utilem et securum, nosque, postmodum intellexerimus quod, si dicta translatio procederet cum effectu, monialibus de Bilocha et etiam de Boscho iuxta Gandavum esset incommodum et gravamen, indecentiam ac lesionem non modicam allatura, prout premissa ex situ ipsius loci ipsis monialibus propinqui nimirum et vicini seu etiam contigui perpendi possint clarius et ostendi, dictas litteras nostri consensus duximus revocandas, de Axele monialibus inhibendo ne in translatione […](b). (a)  extit(er)runt ms., lire extiterunt. – (b)  Le texte se termine abruptement à la fin du f° 373 r°. Un nouveau scripteur a pris le relais au f° 373 v° sans terminer la copie.

A23 [1270, août–1273, avril]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], remercie [un dignitaire ecclésiastique] d’avoir admis son parent et clerc maître Guillaume d’Haverskerque, trésorier de Lille, dans son entourage (societate et familia), et lui demande de bien vouloir attribuer à celui-ci un des bénéfices dont il dispose. Elle lui envoie un messager de rang modeste pour qu’une éventuelle fin de non-recevoir soit plus tolérable pour elle. Collection A, f° 373 v° (n° DCLXXV). Pas de rubrique. Éd. Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis (v. n. 1) p. 377–378, n° 258. Le destinataire, un ecclésiastique de haut rang d’après les diverses formules de déférence utilisées, n’est pas plus précisément identifiable. Guillaume d’Haverskerque, qui était trésorier du chapitre d’Aire-sur-la-Lys depuis les années 1250, est aussi devenu trésorier de Saint-Pierre de Lille entre août 1270 et février 1271 (ce qui donne un terminus post quem), avant d’être promu prévôt d’Aire entre juillet 1272 et avril 1273 (voir Berger, Dignitaires [v. n. 50] 21, p. 602–603, et 22, p. 46). Cette dernière promotion est peut-être celle réclamée dans la présente lettre (elle constitue en tout cas un terminus ante quem, le titre de prévôt d’Aire n’étant pas mentionné). Les lettres A23 et A24 (= A7/B11), qui concernent toutes deux Guillaume d’Haverskerque, ont été ajoutées à la collection A par une autre main.

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Vestra sinceritas, pater care, alias, ut meminimus, nos rogavit ut ad id apponeremus opem et operam quod carissimus consanguineus noster ac fidelis clericus magister W[illelmus] de Haveskerke, Insulensis thesaurarius, de vestra societate et familia vellet esse. Quapropter, considerantes quod ipse, per discretionem providam et industriam circumspectam a Domino sibi traditam, in omnibus que vestrum honorem et commodum possent respicere obtinere vobiscum possit et debeat laudabiliter et egregie locum suum, ipsum altera die ad vestram presentiam duximus transmittendum, quem vestri gratia curiali modo et amicabili pertr[a]ctantes(a) in vestrum familiarem et socium, ea honestate qua decuit, assumpsistis, super quo vobis referimus multas grates. Verum quia credimus firmiter et speramus quod eius servitium gratum non modicum vobis esse debeat et acceptum, vestri honori congrueret si prefatum thesaurarium vestre bonitatis gratia preveniret honoribus, maxime cum ad id in vestris beneficiis suam personam decentibus, et que iam, ut fertur, habetis pre manibus, vobis arrideat oportunitas ac offerat se facultas. Hinc est quod vestram dominationem attentis in Domino precibus requirimus et rogamus quatinus ad presens in vestris benificiis, ipsius thesaurarii pro(b) favore gerentes memoriam, ei decenter providere dignemini propter Deum, scituri quod quicquid dicti thesaurarii gratie feceritis, [u]t(c) honoris nobis factum speciali munere reputamus. Nec miremini si vobis in isto negotio vobis nuntium mittimus tam pusillum, eo quod hoc scienter facimus et ex causa. Si enim contingeret, quod absit, preces [no]stras(d) cum magna instantia vobis factas effectum debitum non sortiri, tolerabilius nobis esset pati(e) repulsam seu confusionis materiam sub missione tam modici nuntii quam maioris. Remandet nobis, si placet, vestra paternitas in premissis vestre beneplacitum voluntatis. Bene et diu, etc. (a) pertrectantes ms., lire pertractantes. – (b) Sic ms., pour pio ? – (c) et ms., lire ut. – (d) vestras ms., lire nostras. – (e) paci ms., lire pati.

A24 = A7 = B11 Voir A7.

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Collection B (Ms. Maynooth, Russell Library, 4 RB47, fos 88 r°–92 v°)

B1 [1270–1273 ?], mi-février. Fragment de lettre concernant un projet de mariage. Collection B, f° 88 r°. Rubrique perdue. Il est possible que cette lettre fragmentaire se rapporte à la même affaire que la lettre A12, relative à un projet de mariage entre Marie d’Ypres et Henri de Thourout, bourgeois d’Ypres, encouragé par la comtesse Marguerite mais contrarié par le seigneur de Heule. La formule de déférence vestra magnificentia suggère qu’elle était adressée à une autorité princière – peut-être la comtesse Marguerite.

[…](a) diebus intermediis nuptias celebrare. Nos vero, certificatione super premissis a vobis habita et recepta, tunc petitioni vestre poterimus convenienter et certius respondere. Valeat vestra magnificentia et crescat honor vester per tempora longiora. Datum apud castrum predictum, dominica post eiusdem Purificationis octabas. (a) Le début du texte était copié sur le folio précédent, qui est perdu.

B2 [1273], 16 juillet. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], remercie le pape [Grégoire X] de son action en sa faveur, dont lui a rendu compte son chapelain G[érard de Vertain], maintenant prévôt de Cassel ; elle le prie de prêter foi à ce que lui dira ce dernier au sujet de l’élection impériale, sujet d’importance pour son fils G[ui], comte de Flandre et marquis de Namur. Elle demande que le prévôt G[érard] puisse déroger à son obligation de résidence à Cassel.

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Collection B, f° 88 r°. Rubrique : Littera summo pontifici super negocio Allemannie. Le millésime ne fait aucun doute. La promotion de Gérard de Vertain à la prévôté de Cassel, encore récente au moment où se rédige la présente lettre (nunc vestri gratia prepositum Casletensem), remontait au printemps 1273 (voir la lettre A6/B10). Les manœuvres diplomatiques visant à positionner Gui de Dampierre dans la course au trône germanique avaient quant à elles démarré au mois de mars (voir en particulier la lettre A8/B12).

Sanctissimo patri. Super hiis que vestra sancta benignitas per dominum G[erardum], capellanum meum, nunc vestri gratia prepositum Casletensem, michi verbotenus voluit explicare, que quidem per eundem michi diligenter exposita exstitere melle meis faucibus dulciora, necnon super plerisque gratiis et honoribus quibus hoc anno me et meos dignata est liberaliter prevenire, grates et gratas non quas debeo sed quas possum bonitati vestre sanctissime refero, Pater care, offerens me totaliter et quod possum ac quicquid habeo ad mandatum vestre serenissime voluntatis. Verum quia super magnum et arduum negocium quod electionem regis Allemannie et sacrum tangit Imperium vestre sancte paternitatis prudenciam consulere me compellit necessitas, quod verbis potius quam litteris desidero ad vestre puritatis noticiam introduci, sanctitati vestre supplico humiliter et devote quatinus prefato preposito, de quo fidem suis exigentibus meritis gero et gerere debeo, pleniorem credere dignemini super hiis que de dicto [negocio](a) paternitati vestre duxerit referenda. Itaque in hiis que honori meo et filii mei karissimi G[uidonis], Flandrie comitis et marchionis Namucensis, videritis expedire apud vestram benignitatis [benivole]nciam(b), que michi deesse nullatenus consuevit invenire, debeam plenam gratiam et favorem. Datum dominica post divisionem apostolorum. Additio. Vobis eciam placeat, pater bone, quod non obstante residentiam ad quam idem prepositus tenetur in ecclesia Casletensi, meis et filii mei possit vacare negociis, cum eius presencia dicte ecclesie possit multipliciter fructuosa et nobis admodum oportuna. (a) Mot omis. – (b) Mot en partie effacé par l’usure.

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B3 [1273, vers le 16 juillet]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], demande [à un cardinal] de prêter foi à ce que lui dira G[érard de Vertain], prévôt de Cassel, au sujet d’une affaire délicate. Collection B, f° 88 r°. Rubrique : Super eodem cardinalibus. Pour la chronologie, voir la lettre précédente. L’affaire délicate soumise au cardinal est la candidature de Gui de Dampierre à l’élection impériale (voir aussi les lettres B4 et B6).

Cum nos dilectum capellanum nostrum dominum G[erardum], prepositum Casletensem, ad sedem apostolicam pro quodam arduo aliisque negociis que verbis potius quam litteris vobis desideramus explicari, et in quibus ipsius sedis gratiam et vestram benivolenciam nobis cognovimus oportunam, paternitatem vestram reverendam attentis precibus requirimus et rogamus quatinus eidem preposito credere velitis super hiis que de dicto negocio vobis ex parte nostra duxerit referenda. Itaque in hiis que honori nostro expedire noveritis vestrum favorem et auxilium nobis senciamus adesse, quod nobis numquam deesse consuevit.

B4 [1273, vers le 16 juillet]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], demande [au cardinal Simon de Brion] de prêter foi à ce que lui dira le porteur au sujet de l’élection impériale. Collection B, f° 88 r°. Rubrique : Super eodem specialius domino Symoni cardinali. Voir la lettre précédente.

Quod nostre et nostrorum honorem animi puritate diligitis, frequenter agnovimus per effectum et adhuc omni die in nostrorum negociorum pro-

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motionibus perpendimus evidenter, in quibus nos semper invenimus promptum et fidelissimum promotorem, super quo vestre sincer[itati](a) vestre(b) grates referimus quantas possumus ampliores. Et quia vestram indust[riam](a) circumspectam et discretionem providam pre aliis in curia invenisse nobis meminimus graciosam, novis supervenientibus, ad vos recurrimus dum oportet, mittentes ad vestram presenciam talem, parternitatem vestram rogantes quatinus specialiter super negocio regni Allemannie et quibusdam aliis nostris negociis que potius verbis quam litteris explicari cupimus, eidem indubitanter credere velitis et de eis nobis bona fide prout honori nostro et nostrorum vestra circumspectio noverit expedire. Diu et prospere vigeat vester status. (a) Lettres effacées par l’usure. – (b) Sic ms. : vestre répété.

B5 [1272, fin décembre ?]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], prie [Gérard de Vertain, prévôt de Cassel], d’accepter en cadeau le vase et la couverture ouvragée qu’elle lui envoie (extrait d’une « lettre annuelle »). Collection B, f° 88 r°–v°. Rubrique : Eidem domino G[erardo] in ipsa littera annua. Les présents reçus par Gérard de Vertain, accompagnés de cette littera annua, sont probablement ses « étrennes » de Nouvel An. Cette pratique, rarement attestée au Moyen Âge central, est mieux connue dans les cours royales et princières de la fin du Moyen Âge : Jan Hirschbiegel, Étrennes. Untersuchungen zum höfischen Geschenkverkehr im spätmittelalterlichen Frankreich der Zeit König Karls VI. (1380–1422) (Pariser historische Forschungen, 60), Munich 2003. On peut penser que cette lettre est à peu près contemporaine de celles qui l’encadrent dans la collection B, relatives à la candidature de Gui de Dampierre à l’élection impériale et mettant aussi le prévôt Gérard en vedette.

Ut etiam nostris desideriis per vos immodic[e](a) satisfiat, omni affectu quo possumus vestri requirimus animi puritatem ut quoddam munus exiguum, videlicet unum cifum et quandam pauperem culcitatem puctam que vobis mittimus et diu est destinavimus transmittenda, omni excusatione cessante

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in signum specialis amoris et memoriam perpetue dilectionis velitis recipere, et recepta etiam retinere. (a) immodico ms., lire immodice.

B6 [1273, juin–juillet. – Nieppe]. Marguerite, [comtesse de Flandre et de Hainaut], fait savoir à Ch[arles d’Anjou], roi de Sicile, que, suivant son conseil, elle a envoyé une ambassade conduite par le défunt N[icolas de Fontaine], évêque de Cambrai, aux princes électeurs de l’Empire. Ses émissaires ont rencontré les archevêques de Mayence et de Trèves, ainsi que le duc de Bavière, comte palatin du Rhin, qui se sont dits prêts à élire son fils G[ui], comte de Flandre et­ marquis de Namur, et à s’efforcer de convaincre les autres électeurs d’en faire autant. Elle vient de recevoir les lettres de Ch[arles] et de Jean de Ville­mareuil, leur clerc commun, suggérant entre autres que son fils G[ui] poursuive lui-même les tractations sans délai. Elle pense cependant qu’il faut d’abord s’enquérir de l’état d’esprit du pape, sans le soutien ­duquel la ­candidature de G[ui] est vouée à l’échec. Cela fait, elle enverra à Ch[arles] ses procureurs G[érard], prévôt de Cassel, et Jean de Ville­mareuil, ou l’un d’eux, pour l’informer de l’issue de la démarche et solliciter ses conseils. Collection B, f° 88 v°. Rubrique : Super eodem negocio regi Sycilie. La présente lettre est postérieure au décès de l’évêque de Cambrai Nicolas de Fontaine, survenu, comme l’indiquait son épitaphe, le 2 mars 1273 à Andernach près de Bonn (André Le Glay, Cameracum christianum, ou histoire ecclésiastique du diocèse de Cambrai, Lille 1849, p. 45, n. 1 ; il faut convertir la date en nouveau style), alors que le prélat se portait à la rencontre des princes électeurs rhénans. Elle date très probablement du mois de juin ou juillet, lorsque la ­comtesse Marguerite entreprit, comme elle l’annonce ici à Charles d’Anjou, de sonder le pape sur la question d’une possible candidature de son fils Gui (voir les lettres A6/B10 et B2, qui sont des commissions remises à cet effet aux procureurs Jean de Villemareuil et Gérard de Vertain, l’une le 3 juin, l’autre le 16 juillet). Le 24 juin, Jean de Villemareuil se trouvait auprès de Charles d’Anjou à Florence, peut-être venu faire rapport de ses premières démarches à la Curie (voir supra, n. 62).

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Excellentissimo domino suo consanguineo karissimo K[arolo], Dei gratia regi Sycilie, ducatus Apulie et principatus Capue, alme Urbis senatori, Andegavie, Provincie et Forcalquerii comiti, Romani Imperii in Thuscia per sanctam Ecclesiam vicario generali, Margareta etc. Quoniam consideratione provida hoc anno vestre placuerat regie maiestati, que semper dilexit et diligit, ut speramus, nostrum et nostrorum commodum et honorem, aliqua nobis intimare super promotione karissimi filii nostri G[uidonis], comitis Flandrie et marchionis Namucensis, vestri consanguinei, ad promotionem regni Allemannie et sacri Imperii dignitatem, intellecta bona voluntate quam ad ipsius filii nostri honorem gerere vos perpendimus, super qua grates vobis referimus quantum possumus ampliores, statim reverendum patrem bone memorie [N(icholaum)](a), Cameracensem episcopum, cum quibusdam aliis sollempnibus nunciis ad partes Allemannie duximus transmittendum, ad explorandum propositum Allemannie principum ad quos electio ipsius regni dicitur pertinere. Qui, tractatu habito cum eisdem apud quosdam eorum, videlicet reverendos patres Muguntiensem et Treverensem archiepiscopos ac virum magnificum ducem Bavarie, Reni comitem palatinum, pro nostro filio plenum favorem et gratiam adinvenit prefatis tribus principibus, nobis et filio nostro remandantibus ipsos paratos fore nostrum filium eligere et ad id iuxta posse alios quos possent inducere electores. Cum vero nostri clerici essent in confectione presentium, accedens ad nos quidam nuncius in domo nostra de Niepa, nobis vestras presentavit litteras cum litteris Iohannis de Vilemaroi, vestri et nostri clerici, quedam specialia nobis de memorato negocio relativas. In quibus vestris litteris inter cetera sunt contenta quod, considerato et inspecto tenore litterarum quas dictus Iohannes per dictum nuncium nobis misit, [no]ster(b) filius sine dilatione efficaciter et ex animo dictum assumeret negocium, ne negligentia, desidia sive mora ipsum negocium deficere contingeret seu perire. Verum, cum non deceret nec etiam tutum esset quod idem noster filius tantum assumeret negocium, nisi sciret qualem summus pontifex in hoc ei gereret voluntatem, sine cuius subsidio ipsius negocii prosecutio [no]stro(c) filio esset multum difficilis et eciam ultra vires, quibus cum debita diligencia exploratis, ipsi nostri nuncii vestre regie maiestati significabunt vel referent id quod apud summum pontificem invenerint seu perpenderint de premissis. Que postquam vestre dominationi significata fuerint vel relata, magnitudinis vestre potenciam rogare vellemus et rogavimus omni affectu quo possumus ampliori quatinus quantum in premissis et premissa tangentibus dignetur consulere prout honori filii nostri atque notro, quem inclite circumspectionem vestre

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confidenter committimus, noverit expedire, credentes eciam, si placet, dilectis procuratoribus nostris domino G[erardo], preposito Casletensi, et Iohanni de Vilemaroi, vel eorum alteri, super hiis que vestre dominationi magnifice de prefato negocio ex parte nostra duxerint referenda. (a) S. ms., lire N. (voir la note). – (b) vester ms., lire noster. – (c) vestro ms., lire nostro.

B7 1270, 27 octobre. Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut, demande à tous les établissements religieux de Flandre et du Hainaut de célébrer des messes pour l’âme du défunt roi de France Louis [IX], grand défenseur de la foi, auquel elle était spécialement attachée, et de son fils Jean, comte de Nevers, lui aussi mort au service du Christ. Elle leur demande en outre de prier pour elle, pour son fils Gui, comte de Flandre et marquis de Namur, et pour les fils de celui-ci, Robert et Guillaume, qui se battent pour la libération de la Terre sainte. Elle les invite à lui faire savoir par lettres ce qu’ils auront prévu. Collection B, fos 88 v°–89 r°. Rubrique : Littera pro orationibus impetranda pro rege Ludovico defuncto. Le prince Jean et le roi Louis IX sont morts l’un le 3 août 1270, l’autre le 25 août, emportés par l’épidémie qui ravageait leur armée bloquée devant Tunis. Gui de Dampierre et ses fils Robert et Guillaume, qui participaient également à l’expédition, quitteront pour leur part les côtes africaines au début du mois de novembre (Stuckens, Itinérances [v. n. 27] p. 44–45). L’inquiétude de la comtesse Marguerite concernant le sort de son fils et ses petits-fils se manifeste aussi dans les lettres A17 et A19. Le style de la présente missive est à comparer à celui de la circulaire par laquelle, l’année précédente, Marguerite avait annoncé le décès de Blanche d’Anjou, épouse de son petit-fils Robert (Kervyn de Lettenhove, Codex Dunensis [v. n. 1] p. 4, n° 3).

Margareta, Flandrie et Hayonnie comitissa, venerabilibus et religiosis viris in Christo sibi karissimis, universis abbatibus, abbatissis, prepositis, decanis, capellanis, prioribus ordinis fratrum predicatorum et gardianis fratrum minorum eorumque conventibus per Flandriam et Hayonniam

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constitutis, ac universis ecclesiarum prelatis et rectoribus ad quos presentes littere pervenerint, salutem et sincere dilectionis affectum. Inter mundi principes est ille princeps de medio iam sublatus, rex Francorum videlicet gloriosus et inclitus recordationis felicissime Ludovicus, qui in diebus suis Domino placuit utpote in cunctis operibus inventus iustissimus orthodoxeque fidei christianissimus sustentator. Et ecce tanti mortem principis ! Tanto maiori cordis amaritudine plangere debet quilibet christianus quanto in ipso principem egregium inter christianos christianissimum omni virtute et bonitate conspicuum universus cetus fidelium dinoscitur amisisse. Et licet ex obitu ipsius domini regis, cui iuncte eramus naturali federe, et qui inter alios principes regni sui dum viveret specialiter nos dilexit, grandis turbationis materia eciam et meroris nos invasit, nichil tamen aliud superesse videmus nisi quod recurramus ad illius solacium qui cons[ola]tor(a) est merencium, orationesque fidelium pro ipsius anima requiramus. Igitur, caritatem vestram attentis in Domino precibus [requirimus](b) et rogamus quatinus amore Dei et nostri, ipsius domini regis animam recommendatam habere volentes, pro eo in vestris ecclesiis sollempne servicium et Deo laudabile in vigiliis et missarum celebrationibus cum omni veneratione et devotione qua convenit fieri faciatis ; preter hec, si placet, singulis vestris sacerdotibus iniungentes ut eorum quibus in vestris ecclesiis unam privatam missam pro ipso celebrent de defunctis ; hec taliter facientes ut, cum retributione divina, ob id teneamur vobis et vestris ecclesiis ad grates et gratias speciales. Licet tamen firmiter credimus et speramus quod ipsius felix anima de laboris transivit ad requiem et vivat cum gaudio in sui presencia creatoris, insuper a vobis pro munere petimus speciali quod specialis fiat recommendatio in prefato servicio vigiliis et missarum celebrationibus sollempnibus et privatis pro nobili viro domino Iohanne, comite Nivernensi, domini regis predicti filio, quondam nostro consanguineo karissimo, iam defuncto similiter in servicio Ihesu Christi. Et si, de karitate vestra confise, preces nostras vobis direxerimus pro defunctis, vestrarum tamen orationum suffragia pro viventibus noluimus pretermitti, nostra repetendo precamina vos rogantes ut pro nobis, que negociorum terre nostre multiplici pondere premimur, necnon pro karissimo filio nostro Guidone, comite Flandrie et marchione Namucensi, Roberto et Guillelmo suis liberis, cum eorum comitiva pro fide catholica et expugnatione inimicorum fidei militantibus, offeratis Altissimo et offeri preces sedulas faciatis, ut ipse sue virtutis magnitudine in negociis terre nostre nobis incumbentibus prospere et ad suum beneplacitum dirigat actus nostros, ipsumque filium nostrum, suos liberos et eorum comitivam

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ac totum exercitum christianum taliter militare concedat ad liberationem Terre sancte de manibus inimicorum catholice fidei, quod cedat ad honorem, laudem et gloriam crucifixi et exaltationem nominis christiani. Et quia pro firmo credimus apud vos preces nostras feliciter exaudiri, vos rogamus ut quod de premissis feceritis nobis vestris litteris patentibus remandare curetis. Datum anno Domini M CC LXX°, in vigilia beatorum Symonis et Iude apostolorum. (a)  consatorum ms., lire consolator (cf. Job 29, 25  : merentium consolator).  – (b) Mot omis.

B8–B12 = A4–A8 Voir A4 à A8.

B13 [1273, après le 27 février]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], demande à [Henri de Gueldre, évêque de Liège], de désigner dans son diocèse un nouveau confesseur pour la recluse Élisabeth [de Spalbeek], privée de soutien spirituel suite au décès de [Guillaume de Ryckel], abbé [de Saint-Trond]. Elle suggère de lui fournir des lettres patentes pour éviter toute contestation. Collection B, f° 90 r°. Rubrique : Littera pro confessore impetranda. Retirée dans le village de Spalbeek, non loin de l’abbaye cistercienne d’Herkenrode, dans le comté de Looz, la mystique Élisabeth († après 1278) était la protégée de son parent Guillaume de Ryckel, abbé du monastère de Saint-Trond († 27 février 1273, et non 1272 comme on le pensait jusqu’à présent faute d’avoir converti la date de son épitaphe transcrite dans les Gesta abbatum Trudonensium : communication de Walter Simons, que nous remercions). Le patronage princier de la comtesse Marguerite – qui n’avait pourtant pas autorité sur Looz – n’est pas attesté en dehors de la présente lettre. Voir Jesse Njus, The Politics of Mysticism. Elisabeth of Spalbeek in Context, in: Church History  77 (2008) p. 285–317 ; Sean Field/Walter Simons, A Prophecy fulfilled ? An annotated Translation of the Sources on the Death of Crown Prince Louis of France (1276)

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and the Interrogations of Elizabeth of Spalbeek (1276–78), in: The medieval Low Countries 5 (2018) p. 35–91.

Pro Elizabet tali inclusa, ad Domini voluntatem infirmitates, tribulationes et miserias sustinente quamplures, et que iam per mortem talis abbatis est omni paterno suffragio et solatio in spiritualibus destituta, paternitatem vestram reverendam in Domino precibus etc., quatinus amore Dei et nostri eidem velit concedere personam ydoneam quam in vestro episcopatu duxerit eligendam, cuius providentia et p[i]o(a) consilio in spiritualibus et forum penitenciale tangentibus regi possit ; et que persona, dum oportunum fuerit, eidem exhibeat et ministret ecclesiastica sacramenta ; ei, si placet, concedi vestras patentes litteras facientes, ne per curatum loci in quo manet super premissis inquietari possit seu eciam in aliquo reprehendi. (a) pro ms., lire pio.

B14 [1271, 29 juillet−15 août]. Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut, reproche à Ph[ilippe III], roi de France, le ton inhabituellement dur de la lettre qu’il lui a adressée au sujet de la grosse monnaie. Elle estime avoir respecté l’accord qu’ils ont conclu à Paris en interrompant la frappe de cette monnaie, qui n’a du reste jamais été mise en circulation, comme a pu le constater l’envoyé du bailli de Vermandois. Son fils Gui, qu’elle enverra au couronnement, lui confirmera que ces reproches ne sont pas fondés. Elle voudrait que le bailli de Vermandois cesse de l’importuner et lui restitue ce qui lui appartient. Collection B, f° 90 r°–v°. Pas de rubrique. La comtesse répond ici à une lettre reçue de Philippe III le 29 juillet. L’imminence du couronnement royal (instanti die coronationis vestre), auquel Marguerie annonce qu’elle enverra son fils Gui, permet de situer la rédaction peu avant le 15 août 1271. Les numismates pensent que Marguerite de Constantinople a créé la première grosse monnaie flamande, valant deux tiers de gros tournois ou deux esterlins, en 1269, date d’un acte comtal accordant les monnaies d’Alost et de Valenciennes à Clais le Doyen, bourgeois de Bruges : voir en dernier lieu Sergio Boffa, L’introduction de la grosse monnaie et la transformation des administrations monétaires dans les principautés des Pays-Bas du sud à la fin du XIIIe et

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au début du XIVe siècle, in: Revue belge de numismatique 151 (2005) p. 97–118, aux p. 99, 102 et 104.

Excellentissimo domino suo Ph[ilippo], Dei gratia Francorum regi magnifico, fidelis eius et consanguinea Margareta, Flandrie et Haynonie comitissa, salutem et cum promptitudine serviendi paratam ad eius beneplacita voluntatem. Litteras vestre dominationis in octava Magdalene rec[e]pi(a) cum ea veneratione qua decuit, reverenter, super negocio grosse monete duriciam – salva vestra per omnia maiestate – ut michi visum est nimiam continentes, cum non fuerit consuetum retroactis temporibus ex parte vestre curie in tanta duricia michi scribi, que tam tenere, tam fideliter, tam ferventer felicissime memorie dominum meum, excellentem dominum patrem vestrum, animi puritate dilexi, et etiam que vobis semper placere iuxta posse desidero et studebo. Serenitati vestre displicuisse non credidi, nec quod fecisse per quod erga me moveri in aliquo debetis de grossa vero moneta, cuius occasione movemini, ut timeo, propter sinistram suggestionem forsitan aliquorum. Post meum recessum de Parisius sic me gessi quod de eadem vobis satisfecisse credebam. Dicta enim moneta amplius non caditur ; de ipsa cudenda cessare feci, et facio amotis universis operariis cum suis omnibus instrumentis. Ipsa enim cursum numquam et nusquam habuit, nec ad currendum proclamata exstitit, nec exposita(b) cursualis. Nec contra ea que michi super dicta moneta Parisius dixeratis credo de mea consciencia aliquid factum esse quod vobis displacere deberet. Et, ut nuncio ex parte ballivi Viromandie pro dicto negocio michi misso constaret plenius quod in fabrica monete non proceditur supradicte, et quod ipsa cursum non habeat, […](c). Nec eciam receptores in ipsius nuncii presencia defendi feci, licet numquam cucurrerit neque currat. Ceterum, ad vestram maiestatem regiam in instanti die coronationis vestre missura sum karissimum filium meum Guidonem, etc., qui supra dicta moneta et ipsam tangentibus intentionem mentis mee seu propositum taliter vobis deteget, et exponet quod de hiis que contra me suggesta sunt, Domino concedente, me habere debebitis excusatam. Et quia vester ballivus Viromandie de mandato vestro, ut credo, occasione dicte monete me et meos dampnificat et molestat, supplico ut eidem in mandatis dare dignemini quod me et meos in pace dimittat, et quod de meis tenet restituat atque reddat. De quo autem ballivo multum conqueror, eo quod per ipsum parum michi parcitur, si fas esset dicere, nec defertur. (a) recipi ms., lire recepi. – (b) Au départ opposita, corrigé en exposita par ajout de ex dans l’interligne et exponctuation de op. – (c) La proposition principale manque.

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B15 [1271, 1er septembre–1272, 10 février]. Guillaume [de Bray], cardinal-prêtre de Saint-Marc, informe M[arguerite], comtesse de Flandre et de Hainaut, qu’il se porte bien, et lui fait part de l’incertitude dans laquelle se trouve la Curie suite à l’élection de [Tebaldo Visconti], qui séjourne outre-mer ; on ne sait s’il est vivant et s’il va accepter sa désignation. Collection B, f° 90 v°. Rubrique : Littera ut sciatur status et rumorum intimatio super creatione summi pontifici. Tebaldo Visconti, archidiacre de Hainaut, a été élu par les cardinaux réunis à Viterbe le 1er septembre 1271. Il était alors en Terre sainte, où il resta encore un moment. Il ne débarqua à Brindisi que le 1er janvier 1272, pour finalement faire son entrée à Viterbe le 10 février. Voir Ludovico Gatto, Gregorio X, papa, in: Dizionario biografico degli Italiani 59, Rome 2002, consultable en ligne : http:// www.treccani.it/enciclopedia/papa-gregorio-x_(Dizionario-Biografico).

Magnifice ac potenti domine nobis in Christo karissime M[argarete], Flandrie et Haynonie comitisse, Guillelmus, miseratione divina tituli Sancti Marchi sacrosancte Ecclesie presbiter cardinalis, salutem et cum sincero affectu paratam ad eius beneplacita voluntatem. Quia pro certo cognovimus dominationem vestram de nostra prosp[er]itate(a) gaudere et de nostris successoribus gratulari, vobis per presentes litteras duximus intimandum quod, per Dei gratiam, nos in confectione presentium plena gaudebamus corporis sospitate, in votis gerentes hoc ipsum de vobis et vestris frequenter intelligere et audire, parati siquidem in omnibus et per omnia nobis possibilia vestre magnificentie complacere. De statu vero curie non aliter vos possumus reddere certiores quam ipsius curie incertitudinem declarando, cum tali die dominus talis fuerit in papam electus, de quo numdum habet aliqua certitudo si mortuus fuerit vel vivus, cum tunc temporis ageret in partibus transmarinis. Et si forsan vixerit, ignoratur utrum electioni de se facte debeat consentire vel eciam dissentire ; ut de maris periculis que narrant qui mare navigant taceamus. Et licet pluries insonuerint rumores in curia quod in vicino esset eius adventus, tamen usque ad hodiernum diem non est inventum ipsis rumoribus veritatem subesse. Expectat ergo curia. Cum aliam minime habeamus, vobis significare curamus. Vestra siquidem et vestrorum negocia libenter amplectimur

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et cum magno desiderio ubi se offert possibilitas promovemus, quod semper facere proponimus et faciemus, Domino concedente. (a) prospitate ms., lire prosperitate.

B16 [1270, après le 12 avril]. Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut, demande aux religieux de l’ordre des trinitaires qui vont se réunir en chapitre général à Cerfroid de célébrer des messes et de prier pour l’âme de sa sœur et de ses fils et filles défunts, ainsi que pour ses enfants et petits-enfants survivants, dont son fils Gui, comte de Flandre, et les fils de celui-ci Robert et Guillaume, qui viennent de partir au secours de la Terre sainte. Collection B, fos 90 v°–91 r°. Rubrique : Littera pro orationibus procurandis. Gui de Dampierre a pris le chemin de la huitième croisade le 12  avril 1270 (Stuckens, Itinérances [v. n. 27] p. 40). Son fils aîné Robert, qui guerroyait en Italie aux côtés de Charles d’Anjou, a rejoint les croisés devant Tunis.

Margareta, Flandrie et Haynonie comitissa, religiosis viris sibi in Christo karissimis ministro ceterisque ministris et fratribus ac diffinitoribus generalis capituli ordinis sancte Trinitatis apud Cervum Frigidum in proximo celebrandi, salutem. Inter huius mundi tribulationes varias constitute, dum Dominus nobis interdum concedit gratiam respirandi, superesse nil aliud arbitramur quam ut ad sanctarum orationum suffragia recurramus, in quibus eo confidencius figimus anchoram nostre spei quo ea sepius in nostris arduis necessitatibus vero experimento didicimus profuisse. Igitur, carorum nostrorum animas, domine videlicet et sororis nostre I[ohanne], quondam Flandrie et Haynonie comitisse, filiorumque nostrorum Guillelmi, quondam comitis Flandrie, I[ohannis] de Avesnis et Iohannis, domini de Dampetra, Iohanne, olim comitisse Barrensis, ceterumque amicorum et familiarum nostrorum, nosque ac karissimum filium nostrum G[uidonem], comitem Flandrie, R[obertum] et Guillelmum, eius filios crucesignatos et iam recedentes in subsidium Terre sancte, Robertum de Flandria, ipsius filii nostri primogeniti, nunc negociis sancte matris Ecclesie in partibus Sycilie insistentem, B[alduinum] de Avesnis, filium nos-

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trum, sororem Mariam, monialem de Felines, nostram filiam predilectam, ceterosque amicos et familiares nostros superstites, vestris sanctis orationibus recommendantes, attentissimus in Domino vos rogamus quatinus pro nobis et prenominatis vivis et defunctis offeratis Altissimo viculum labiorum, ut Dominus defunctorum delictis ignoscat ac nos, filios, filiam ac nepotes nostros predictos, ceterosque amicos et familiares nostros concedat per huius vite miseriam taliter ducere dies nostros quod in die futuri examinis de benefactorum numero effici mereamur, fratribus vestris sacerdotibus ob hoc missarum, dyaconis, subdiaconis, accolitis et aliis in minoribus ordinibus constitutis ac conversis psalmorum et orationum iugum suave prout expedire viderit vestra caritas liberaliter imponentes, tantum super premissis etc. B17 [1270–1275 ?]. Jean, fils du comte de Flandre, prévôt de Bruges et chancelier de Flandre, donne procuration à Pierre de Wede, bourgeois de Bruges, pour percevoir les revenus de la prévôté et de la chancellerie, ainsi que pour nommer et démettre les officiers attachés à ces deux offices. Il ordonne à tous ses vassaux et agents d’obéir à Pierre. Collection B, f° 91 r°. Rubrique : Littera super constitutione ballivi et receptoris. Les lettres B17 à B21 ne peuvent être datées de façon fine. Nous ouvrons légèrement le terminus ad quem, dans la mesure où elles pourraient constituer des additions à la collection primitive, à l’instar des deux derniers documents (B22 et B23) qui datent respectivement de 1275 et 1276.

Iohannes, filius comitis Flandrie, prepositus Brugensis et cancellarius Flandrie, universis etc. Noveritis quod nos dilectus nostrum Petrum de Weda, oppidanum Brugensem, presentium ostensorem, ponuimus loco nostri ad petendum et recipiendum nomine nostro redditus et proventus prepositure nostre Brugensis et cancellarie nostre Flandrie, ad instituendum et amovendum ballivos et servientes nostros in dictis prepositura et cancellaria, et ad faciendum omnia que nos faceremus seu facere possemus si presentes essemus, nobis tamen beneficiorum nostrorum collatione reservata, mandantes universis hominibus nostris feodatis, scabinis, ratioci-

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natoribus et communitatibus dictarum prepositure et cancellarie quatinus pro dicto P[etro] de omnibus que ipsis dixerit seu preceperit ex parte nostra tantum faciant quantum pro nobis facerent si presentes essemus, salva hereditate nostra, et hoc usque ad nostram voluntatem.

B18 [1270–1275 ?]. Marguerite, [comtesse de Flandre et de Hainaut], autorise untel à prélever 10 bonniers de terre sur les 28 qu’il tient en fief dans telle paroisse de Béa­ trice [de Brabant, dame de Courtrai], veuve de son fils Guillaume [III de Dampierre], pour en doter une chapellenie en un certain lieu. Elle libère ces 10 bonniers de tout service féodal. Collection B, f° 91 r°. Rubrique : Exemptio et immunitas super feodo. Pour la chronologie, voir la lettre précédente.

Nos Margareta, qui nos nostrum prebemus assensum ad id quod talis N. ex viginti et octo bonariis terre parum plus vel minus iacentibus in tali parrochia, que bonaria tenet in feodum a karissima filia nostra Beatrice, quondam uxore karissimi filii nostri Guillelmi, comitis Flandrie, concedere valeat in elemosinam decem bonaria dicte terre parum plus vel minus ad opus cuiusdam capellanie in loco certo in quo ipsi W[illelmo] impliciunt(a) instituende. Nos dicta X bonaria terre ad opus dicte capellanie tanquam terre domina superior quita[m]us(b) et eximimus ab omni onere et servicio feodali, volentes quod perpetuo cedant et cedere debeant libera et absoluta capellanie memorate, presentium testimonio litterarum. Datum etc. (a) Sic ms. – (b) quitantus ms., lire quitamus.

B19 [1272, mars–1275 ?]. Formule [pour une lettre adressée au pape].

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Collection B, f° 91 r°–v°. Rubrique : Arenga. Le terminus a quo est l’avènement du pape Grégoire X (couronné le 27 mars 1272, après plusieurs années de vacance du Siège apostolique). Pour le terminus ad quem, voir la lettre B17.

Confisa de vestre sanctitatis mansuetudine, confidenter ad vestram recurro presidium quociens opprimi me contingit. Igitur vos scire desidero.

B20 [1270–1275 ? Peut-être 1272–1274]. Untel fait savoir qu’il donne pleins pouvoirs à son ami untel, porteur des présentes, pour renoncer en son nom à la prébende qu’il détenait en l’église Notre-Dame de Messines. Collection B, f° 91 v°. Rubrique : Littera super resignatione beneficii. Pour la chronologie, voir la lettre B17. Il s’agit de la seule lettre des collections A et B sans relation directe avec la comtesse Marguerite ou sa progéniture. Son auteur se cache peut-être parmi les clercs comtaux liés à la création de ces collections. L’un d’eux au moins était en relations étroites avec l’abbaye de Messines : Guillaume d’Haverskerque. En effet, peu après avoir été promu trésorier de Saint-Pierre de Lille et prévôt de Saint-Pierre d’Aire (voir le commentaire de la lettre A23), Guillaume a constitué en faveur des religieuses de Messines une rente affectée à leur ration quotidienne de vin (Diegerick, Inventaire Messines [v. n. 53] p. 74, n° 131 : acte de l’archevêque de Reims, 6 décembre 1274). Une largesse consentie après avoir renoncé à son canonicat local ?

Ego talis notum facio universis quod ego dilecto amico meo tali, presentium exhibitori, do et concedo plenariam et liberam potestatem resignandi meo nomine prebendam quam habeo et habere dinoscor in ecclesia beate Marie Messinensis et quicquid iuris mihi competit in eadem, ac faciendi omnia nomine meo ad predictam resignationem pertinencia, ratum habiturus et firmum quicquid per predictum N. super resignatione dicte prebende mee et ad eandem resignationem pertinentibus factum fuerit sive dictum, promittens tenore presentium quod contra premissa per me vel per alium non veniam in futurum, re integra vel non integra existente. In cuius rei testimonium, presentibus litteris duxi meum sigillum apponendum. Datum etc.

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B21 [1270–1275 ?]. [Nicolas de Fontaine ou Enguerran de Créquy, évêque de Cambrai], explique à [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], qu’Hugues et Adam, deux frères qui, au prétexte de se défendre, ont commis une agression mortelle dans la seigneurie épiscopale, doivent de ce fait être jugés en sa cour par ses hommes. Cependant, des sujets de [la comtesse] habitant à tel endroit l’entendent autrement et cherchent à attaquer ces deux frères pour les mutiler ou les exécuter. Il lui demande donc comment elle agirait en pareille circonstance pour ses propres gens. Collection B, f° 91 v°. Rubrique : Cameracensis episcopus scribit domine comitisse. Pour la chronologie, voir la lettre B17.

Noverit vestra dominatio in terra nostra sub nostro dominio accidisse quod, cum quidam W. et M. Hugonem et Adam, fratres, invasissent, nescimus quo spiritu suadente, ipsi fratres, ut asserunt sub tuitione corporum propriorum, alterum invadentium relinquerunt mortuum et alium vulneratum. Super [hoc](a) dicti fratres, ut nostri subditi, et ratione delicti sub meo dominio perpetrati, in curia nostra per nostros homines secundum legem patrie deducuntur. Nichilominus, quidam vestro dominio subditi in terra tali commorantes, deductione huius non contenti, dictos fratres pro facto huius molestare nituntur, insidiantes eisdem ut ipsos possint interficere vel mutilationem facere capitis aut membrorum, sicut ex parte dictorum fratrum nobis est graviter conquerendo monstratum. Quare dominationem vestram requirimus quatinus in hoc tale consilium apponatis quale pro vestris hominibus velletis apponi in casu consimili seu maiori. Val(eat) etc. (a) Mot omis.

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B22 1275, vers le 11 novembre (sic). La commune et les nouveaux échevins de la ville de Gand font savoir à Ph[ilippe III], roi de France, que les anciens échevins ne s’opposent à eux que par crainte de devoir rendre compte de leurs malversations. M[arguerite], comtesse de Flandre et de Hainaut, et ses conseillers, entendant les plaintes de la commune, ont accepté que les échevins à vie soient remplacés par des échevins annuels, responsables de leur administration ; ils ont donc instauré de nouveaux échevins, conseillers et recteurs (rectores), dont le mode de désignation et de reddition des comptes a aussi été fixé. La commune et les nouveaux échevins demandent au roi d’approuver cette réforme d’utilité publique et de ne pas écouter ceux qui s’y opposent, mais de prêter foi à ce que lui diront tels bourgeois en leur nom. Ne disposant pas des sceaux de la ville, confisqués par les anciens échevins, ils ont prié tels nobles hommes de sceller les présentes. Collection B, fos 91 v°–92 r°. Rubrique : Littera continens factum Gandensem. Originaux : Lille, Archives départementales du Nord, B 1336, nos 1882 et 1883. Le n° 1882 est daté du 31 octobre 1275 et porte les sceaux de la commune de Gand et de l’évêque de Tournai (= Or. 1), tandis que le n° 1883 est daté du 7 novembre et scellé par la commune et les abbés de Saint-Pierre et Saint-Bavon (= Or. 2). Éd. Leopold A. Warnkönig, Documents inédits relatifs à l’histoire des TrenteNeuf de Gand, in: Messager des sciences et des arts de la Belgique  1 (1833) p. 103–160, aux p. 157–160 (p. 55–57 du tirage à part), d’après Or. 2 ; Id., Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis zum Jahr 1305 2/1, Tübingen 1836, Urkundenbuch, p. 68–69, n° XXXVII, d’après Or. 2. Le gouvernement oligarchique des « XXXIX » de Gand (treize échevins, treize conseillers et autant de «  vacanciers  » qui passaient d’une fonction à l’autre chaque année), qui fonctionnait depuis 1228, fut suspendu entre 1275 et 1280, pour disparaître définitivement en 1301. Déposés par la comtesse Marguerite en 1275 sous la pression du commun, les XXXIX protestèrent auprès du roi de France, qui leur donna raison au terme d’une procédure instruite par le Parlement de Paris. Les circonstances de l’instauration du gouvernement temporaire, sans doute formé d’une faction de patriciens plus favorable aux classes populaires, sont surtout connues par une pétition adressée à la comtesse et par la présente lettre au roi. Voir Hans Van Werveke, De Gentsche stadsfinanciën in de Middeleeuwen (Académie royale de Belgique. Mémoires de la Classe des lettres

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et des sciences morales et politiques 34), Bruxelles 1934, p. 44–48 et 297–300 ; Frans Blockmans, Het Gentsche stadtspatriciaat tot omstreeks 1302 (Rijksuniversiteit te Gent. Werken uitgegeven door de Faculteit van de Wijsbegeerte en Letteren 85), Anvers-’s Gravenhage 1938, surtout p. 329–361 ; et plus récemment Walter Prevenier, Conscience et perception de la condition sociale chez les gens du commun dans les anciens Pays-Bas des XIIIe et XIVe siècles, in: Le petit peuple dans l’Occident médiéval. Terminologies, perceptions, réalités, éd. Pierre Boglioni/Robert Delort/Claude Gauvard (Histoire ancienne et médiévale 71), Paris 2002, p. 175–189, aux p. 178–179, ainsi que Jan Dumolyn, Les « plaintes » des villes flamandes à la fin du XIIIe siècle et les discours et pratiques politiques de la commune, in: Le Moyen Âge 121 (2015) p. 383–407, aux p. 397– 398. Nous constatons qu’il existe trois versions successives de la lettre au roi, qui semblent témoigner d’une hésitation des Gantois sur la marche à suivre. Elles divergent sur la question de l’envoi d’une délégation de bourgeois au souverain, ainsi que sur le scellement du document. L’état transmis par la collection B est antérieur aux deux expéditions originales conservées à Lille, contrairement à ce que laisse entendre la date qu’il affiche (« vers la Saint-Martin d’hiver », c’est-àdire autour du 11 novembre ; il doit s’agir d’une chronologie reconstituée après coup). Cette rédaction initiale mentionne l’envoi de la délégation et annonce les sceaux de plusieurs « nobles hommes », utilisés à défaut de celui de la commune qui a été confisqué par les anciens échevins. Le premier original (Or. 1), daté du 31 octobre, signale encore la délégation, dont il donne la composition, mais annonce le sceau de la commune et de l’évêque de Tournai (voir la note x). Le second original (Or. 2), daté lui du 7 novembre, fait l’impasse sur la délégation – suggérant que l’idée a été abandonnée – et porte quant à lui les sceaux de la commune et des abbés de Saint-Pierre et Saint-Bavon (voir la note u). Le sceau utilisé par les nouveaux échevins provient manifestement d’une matrice gravée pour la circonstance, qui sortira d’usage dès l’année suivante (voir Jesse D. Hurl­ but, The Mystic Lamb of Ghent : aldermen’s seal, altarpiece, and tableau vivant, in: Medieval coins and seals. Constructing identity, signifying power, éd. Susan Solway, Turnhout 2015, p. 377–396, aux p. 389 et 392, fig. 1, 4 et 5 ; Lieve De Mey/Thérèse de Hemptinne, Répertoire des sceaux des villes de Flandre au Moyen Âge (1200–1500), nos 120–125, à paraître). L’un et l’autre originaux ont été écrits par une main qui se rattache à la chancellerie de la comtesse Marguerite. Comme ils ont abouti dans les archives comtales, on est en droit de se demander si la missive a jamais été envoyée au roi de France. Texte de la collection B, avec les variantes des originaux Or. 1 et Or. 2.

Excellentissimo suo domino(a) Ph[ilippo], Dei gratia Francorum regi illustrissimo, ville Gandensis communitas et scabini(b), salutem et prosperum regie dignitatis augmentum. Nostrum et ville nostre(c) Gandensis statum miserabilem enarrare litteris longum esset et aliquibus forsitan tediosum. Sane, quia quidam de comburgensibus nostris dudum in villa nostra(d) ge-

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rentes officium scabinatus, officio sibi tradito multipliciter sunt abusi, et propter hoc ab eodem officio sunt providenter(e) amoti, non solum de suis confusionibus erubescunt, verum eciam(f) non inmerito pertimescunt ne ab eis amministrationis sue ratio requiratur et eorum opera patefiant. Quam quidem redditionem rationis a novem annis citra non audivimus factam esse ; licet dicatur communiter per ipsos villam nostram(g) intolerabilibus debitis et diversis creditoribus obligatam. Propter quod, ne perveniatur ad illud, pro viribus procurare nituntur ut quod ad clamorem et petitionem nostram et pro utilitate communi provide factum est circa ordinationem status nostri impediatur multipliciter et turbetur. Que omnia sciret utinam regalis providentia(h), ut scit Deus ! Sciat igitur regia celsitudo et clementer attendat quod nobilis domina nostra M[argareta], Flandrie et Haynonie comitissa, sepe et sepius ex parte nostra requisita ut ad reformationem nostri(i) status consilium apponeret et iuvamen, ad preces(j) nostras nuper personaliter accedens, requisita veniens et rogata in loco quodam spacioso una cum consiliariis suis, magnatibus et peritis, communiam nostram in quasi innumerabili multitudine congregatam vidit, et clamores eorum horribiles audivit et eorum supplicationes miserabiles intellexit, una voce clamantium villam ipsorum(k) esse desertam et ipsos de ea penitus exituros, nisi status et conditio scabinatus mutaretur per eam ; utpote, qui nec in quiete in ea venire poterant, nec in tuto, sed quasi servi suberant et opprimebantur cotidie per scabinos, e[o](l) quidem avidius et audacius quod confidebant scabini ab officio scabinatus se non posse, quicquid agerent, amoveri. Fuit itaque nostra supplicatio generalis et finalis, ut prefata domina nostra super hoc nobis taliter provideret ut a modo non perpetuos sed annuos haberemus scabinos, qui de suis amministrationibus legittimam redderent rationem ; antiquis scabinis, miserarum nostrarum auctoribus, amotis(m) ab officio scabinatus. Dicta siquidem domina, nobis et statui nostro miserabili pie compatiens, supplicationibus nostris condescendit, et antiquorum scabinorum culpas videns esse notorias et intolerabiles et enormes, nichil eciam proprii commodi seu iuris novi sibi in hoc accrescens(n) vel reservans, habita deliberatione super hoc diligenti, de magnatum et prudentium consilio et de voluntate nostra antiquos scabinos amovens, et, ne sine lege persisteret tantus locus, novos fecit et instituit ibidem scabinos, consiliarios et rectores de melioribus et sufficientioribus ville nostre(o), et certam formam nobis dedit et modum secundum quam(p) annis singulis novos facere debeamus scabinos, consiliarios et rectores, certam iuramenti formam prestituros(q) et sue amministrationis rationem ante suum exitum reddituros. Que omnia publice profitemur ad nostram peti-

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tionem(r) et ad utilitatem publicam rationabiliter et legitime facta esse. Inde est quod nos omni humilitate et devotione qua possumus regalem clemenciam requirimus humiliter et rogamus ut [quod] ci[r]ca(s) statum nostrum et ville nostre(t) tam competenter extitit ordinatum, sibi placeat et non paciatur offendi, et voces eorum non audiat qui publicam utilitatem nostram non attendunt, sed suis malignitatibus velamina procurantes, eorum oculos offuscare nituntur qui volunt iustitiam et equitatem secuntur(u). De reliquis autem ad presens negocium pertinentibus et processum, si placeat(v) ut plenius enarrentur, talibus(w) comburgensibus nostris, presentium exhibitoribus, qui hiis agendis interfuerunt et ea cum aliis fieri procurarunt, vice nostra fidem adhibere dignemini, si vestre placeat maiestati(x). Quia sigilla nostre civitatis non habemus, sed adhuc ea contra nostram detinent voluntatem quidem de scabinis ut supra dictum est amotis, non sine gravi et enormi periculo de motivis contrahendis et aliis obligationibus faciendis in quibus possemus intolerabiliter esse lesi, ut presenti scripto fides adhiberi debeat(y) in hac parte, nobiles viros tales, qui omnibus interfuere premissis, requisivimus unanimiter et instanter ut in testimonium horum que superius sunt contenta sigilla sua apponerent huic scripto. Quod et fecerunt per sui gratiam, nostrarum precum instancia requisiti. Nos igitur, tales et tales superius nominati, ad requisitionem communitatis et scabinorum Gandensium predictorum instantius nobis factam, in testimonium quod interfuerimus omnibus supradictis sigilla nostra huic scripto presenti duximus apponenda. Quod regie maiestati, quam Dominus semper in prosperitate conservet continua, volumus esse notum. Datum anno Domini M CC septuagesimo quinto, circa festum beati Martini hyemalis. (a) suo domino] domino suo Or. 1-2. – (b) et scabini, omis Or. 1-2. – (c) Omis Or. 1-2. – (d) Gandensi Or. 1-2. – (e) prudenter Or. 1. – (f) verum eciam] verumtamen Or. 1.  – (g)  Gandensem Or. 1-2.  – (h)  prudentia Or. 1.  – (i)  Mot répété ms.  – (j) partes Or. 1-2. – (k) predictam Or. 1-2. – (l) et ms., eo Or. 1-2. – (m) Suivi de primitus, Or. 1-2. – (n) retinens Or. 1-2. – (o) predicte Or. 1-2. – (p) quem Or. 1-2. – (q) prestaturos Or. 2. – (r) nostram petitionem] petitionem nostram Or. 1-2. – (s) quod circa] cica ms. – (t) predicte Or. 1-2. – (u) À partir d’ici, Or. 2 diverge : Et quia omnia suprascripta sunt longe lateque adeo notoria et etiam manifesta, que aliquem sane mentis et etatis prefata in Gandensi vicinia commorantem possint aliquatenus non latere, requisivimus attente rogando religiosos viros Sancti Petri et Sancti Bavonis Gandensis abbates ut presenti scripto una cum sigillo nostro sua sigilla apponerent in testimonium premissorum. Et nos, Sanctorum Petri et Bavonis Gandensis abbates predicti, ad supplicationem et instantiam predicte communitatis sigilla nostra una cum sigillo ipsius communitatis apposuimus huic scripto. Datum anno Domini millesimo ducentesimo septuagesimo quinto, die

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Iovis ante festum beati Martini hyemalis. – (v) si placeat, omis Or. 1. – (w) Guillelmo dicto de Curia et Petro dicto de Curia necnon Hugoni dicto de Vico Fullonum Or. 1. – (x) À partir d’ici, Or. 1 diverge : Ut autem presenti scripto nostra fides plenior habeatur, unanimiter ac humili precum instantia requisivimus reverendum patrem Ph[ilippum], Dei gratia Tornacensem episcopum nostrum dyocesanum, qui premissis interfuit, ut sigillum suum apponeret huic scripto sigillo nostro sigillato in testimonium premissorum. Et nos Ph[ilippus], miseratione divina Tornacensis ecclesie minister humilis, in testimonium quod premissis interfuimus, ad supplicationem et instantiam prefate communitatis sigillum nostrum una cum sigillo ipsius communitatis presentibus litteris duximus apponendum. Datum anno Domini millesimo ducentesimo septuagesimo quinto, in vigilia Omnium Sanctorum.  – (y) Mot répété ms.

B23 [1276, après le 21 janvier]. [Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut], fait savoir au pape Innocent [V] que l’annonce de son élection l’a remplie de joie, et l’assure de son complet dévouement. Collection B, f° 92 v°. Rubrique : Littera directa domino Innocentio summo pontifici super eius creatione. Le dominicain Pierre de Tarentaise, élu pape le 21 janvier 1276, est mort cinq mois plus tard, le 22 juin. Le texte de cette lettre est fortement inspiré des félicitations adressées à Grégoire X quatre ans plus tôt (lettre A2).

Sanctissimo patri ac domino Innocentio, divina providencia sancrosancte etc. Auditis vestre sancte creationis rumoribus, qui cunctis fidelium mentibus ad desideratam cedunt et cedere debent leticiam, et quibus rumoribus me audivisse non memini letiores, ea devotione qua scivi et potui gratias optuli omnium Largitori qui, dum vult exaltans humilem, personam vestram dignatus est preficere Ecclesie sancte sue et ad summe dignitatis apicem sue virtutis magnititudine sublimare. Et si ad sanctissimos patres vestros predecessores, Romanos pontifices, me gerere studui prout detur in debite devotionis obsequio reve[re]nter(a), multo magis per familiare[m](b) et gratiosam noticiam, quia dum essetis in minori constitutus officio fueram de vestre bonitatis gratia vobis iuncta, vestris sanctis desideriis teneor in omni devotionis genere specialius et per amplius complacere, ac me tota

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mente dirigere ad exequenda vestre sinceritatis beneplacita iuxta posse. Dignetur igitur vestre sanctitas maiestatis de me, vestra devota filia, vestre prosperitatis et salutis puritate cordis intimi zelatione confidenter confidere, mihique vestris beneplacitis per omnia pariture percipere quicquid placet. Duret et vigeat in Ecclesia sancta Dei vestra sancta paternitas per tempora longiora. (a) reventer ms., lire reverenter. – (b) familiare ms., lire familiarem.

Index nominum Ont été indexées à la fois les lettres et les notes qui les accompagnent. Abréviations utilisées : All. = Allemagne ; arr. = arrondissement ; Belg. = Belgique ; cant. = canton ; ch.-l. = chef-lieu ; Fr. = France ; prov. = province. Adam, frère d’Hugues, sujet de l’évêque de Cambrai, B21. Agrigente (Agrigento), Agrigentum, Italie, ch.-l. prov., A18. Aire[-sur-la-Lys], Ariensis, Fr., Pas-de-Calais, Saint-Omer, ch.-l. cant. – chapitre Saint-Pierre –  prévôt, v. Guillaume d’Haverskerque. – trésorier, v. Guillaume d’Haverskerque. Allemagne, Allemannia, v. Empire germanique. Alost (Aalst), Belg., FlandreOrientale, ch.-l. arr.  ; atelier monétaire, B14. Anjou, Andegavia, Fr.  ; comté, B6. Apulia, v. Pouilles. Ariensis, v. Aire[-sur-la-Lys].

Arras, Atrebatensis, Fr., ch.-l. dép. – diocèse, A10. – évêque, v. Pierre [de Noyon]. Avesnes[-sur-Helpe], Avesnae, Fr., Nord, ch.-l. arr.  ; v. Baudouin (fils de la comtesse Marguerite), Jean (comte héritier de Hainaut, fils de la comtesse Marguerite). Axel, Axele, Axiele, Pays-Bas, Zélande, Terneuzen ; abbaye, v. Ter Hagen. Bar[-le-Duc], B arrensis , Fr., Meuse, ch.-l. arr. ; comtesse, v. Jeanne (fille de la comtesse Marguerite). Baudouin d’Avesnes, fils de la comtesse Marguerite, B16. Bavière (Bayern), Bavaria, All.  ; duc, v. Louis II.

Vestiges épistolaires de Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut

Béatrice, Beatrix, [de Brabant], dame de Courtrai, veuve de Guillaume [de Dampierre], comte de Flandre, B18. Bilocha, v. Byloque. Blanche d’Anjou, fille du roi Charles Ier, première épouse de Robert de Flandre, B7. Boschus, v. Nieuwenbos. Bovon, abbé de Clairvaux, A9. Bruges, Brugensis, Belg., Flandre-Occidentale, ch.-l. arr. – bourgeois, v. Clais le Doyen, Pierre de Wede (receveur de Jean de Flandre). – chapitre Saint-Donatien, v. Saint-Donatien. Byloque (la), Bilocha, abbaye à Gand, A22. Calonne-sur-la-Lys, Fr., Pas-deCalais, Béthune, Lillers  ; seigneur, v. Fastré d’Haversker­ que. Cambrai, C ameracensis , Fr., Nord, ch.-l. arr. – curia épiscopale, B21. –  é vêques, v. Enguerran de Créquy, Nicolas [de Fontaine]. Capoue (Capua), Capua, Italie, prov. Caserte  ; principauté, B6. Cassel, Casletensis, Fr., Nord, Dunkerque, Bailleul –  chapitre Saint-Pierre, A6/ B10, B2. – prévôt, v. Gérard de Vertain (chapelain de la comtesse Marguerite).

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Castronovo [di Sicilia], Castrum Novum, Italie, prov. Palerme, A18. Cerfroid, Cervus Frigidus, Fr., Aisne, Château-Thierry, Villers-Cotterêts ; couvent des trinitaires, B16. Charles, Karolus, Ier d’Anjou, roi de Sicile, A18, B6. Cîteaux, Fr., Côte-d’Or, Beaune, Nuits-Saint-Georges, Saint-Nicolas-lès-Cîteaux – abbaye Notre-Dame – chapitre général de l’ordre, A22. Clairvaux, Clarevallensis, Fr., Aube, arr. et cant. Bar-surAube, Ville-sous-la-Ferté – abbaye Notre-Dame – abbé, v. Bovon. Clais le Doyen, bourgeois de Bruges, B14. Conrad IV, Conradus, roi des Romains, A18. Conradin, Conradinus, fils naturel du roi des Romains Conrad IV, A18. Courtrai (Kortrijk), Belg., Flandre-Occidentale, ch.-l. arr.; dame, v. Béatrice [de Brabant] (veuve de Guillaume [de Dampierre], comte de Flandre). Curia, v. Guillaume (bourgeois de Gand), Pierre (bourgeois de Gand). Curie romaine, Curia Romana, v. Papauté. Dampierre, Dampetra, Fr., Aube, Troyes, Arcis-sur-Aube  ; seigneur, v. Jean.

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Douai, Duacensis, Fr., Nord, ch.l. arr.  ; chapitre Saint-Amé, v. Saint-Amé. Doyen (le), v. Clais. Élisabeth, Elizabet, recluse à Spalbeek, B13. Empire germanique, A8/B12, B2, B4. –  c hancelier, v. Nicolas [de Fontaine] (évêque de Cambrai). – princes électeurs, A8/B12, B6  ; v. Henri de Finstingen (archevêque de Trèves), Werner d’Eppstein (archevêque de Mayence), Louis II (duc de Bavière, comte palatin du Rhin). –  r oi des Romains, B2  ; v. Conrad IV, Richard de Cornouailles. Enguerran de Créquy, évêque de Cambrai, A13, A20, B21. Fastré, Fastredus, d’Haverskerque, seigneur de Calonne-sur-laLys, A7/A24/B11. Felines, v. Flines[-lez-Râches]. Flandre, Flandria, Belg. et Fr. – comté – ateliers monétaires, B14. –  c hancelier, v. Jean de Flandre (prévôt de Bruges, fils de Gui de Dampierre). – chancellerie, B17. –  chapelain, v. Gérard de Vertain (prévôt de Cassel). – clercs, v. Guillaume d’Haverskerque (trésorier puis prévôt d’Aire, trésorier de

Lille), Jean de Villemareuil (clerc de Charles Ier d’Anjou). –  comtes et comtesses, v. Gui [de Dampierre], Guillaume [de Dampierre], Jeanne, Marguerite. – conseillers, B22. –  famille comtale, v. Guillaume de Flandre (fils de Gui de Dampierre), Jean de Flandre (prévôt de Bruges et chancelier de Flandre, fils de Gui de Dampierre), Jean (seigneur de Dampierre, fils de la comtesse Marguerite), Jeanne (comtesse de Bar, fille de la comtesse Marguerite), Marguerite (fille de Gui de Dampierre), Robert de Flandre (comte de Nevers, fils de Gui de Dampierre), Marie (moniale à Flines, fille de la comtesse Marguerite). – grosse monnaie, B14. –  maisons religieuses, A1, B7. Flines[-lez-Râches], Felines, Fr., Nord, Douai, Orchies – abbaye Notre-Dame – moniale, v. Marie (fille de la comtesse Marguerite). Forcalquier, F orcalquerium , Fr. ; comté, B6. France  ; rois, v. Louis IX, Philippe III Gand (Gent), Gandavum, Gandensis, Belg., Flandre-Orientale, ch.-l. arr., A22, B22

Vestiges épistolaires de Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut



– abbaye de la Byloque, v. Byloque. –  abbaye Saint-Bavon, v. Saint-Bavon. –  abbaye Saint-Pierre, v. Saint-Pierre. –  bourgeois, B22  ; v. Guillaume de Curia, Hugues de Vico Fullonum, Pierre de Curia. – commune, B22. – conseillers, B22. – échevins, B22. – recteurs, B22. – sceau, B22. Gérard, Gerardus, de Vertain, chapelain de la comtesse Marguerite, prévôt de Cassel, A4/B8, A6/B10, B2-B3, B5-B6. Grégoire, Gregorius, X, pape, A1A3, A4/B8, A5/B9, A6/B10, A9-A11, B2, B15, B19 ; v. Tebaldo Visconti (archidiacre de Hainaut). Gui, Guido – de Collemezzo, trésorier du chapitre cathédral de Thérouanne, conseiller de Charles Ier d’Anjou, A3. – [de Dampierre], comte de Flandre, marquis de Namur, A2, A6/B10, A8/B12, A10, A16, A19, B2-B3, B6-B7, B14, B16. Guillaume, Guillelmus, Willelmus – [de Bray], cardinal-prêtre de Saint-Marc, A15, B15. –  d e Curia, bourgeois de Gand, B22.



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– [de Dampierre], comte de Flandre, fils de la comtesse Marguerite, B16, B18. –  de Flandre, fils du comte Gui de Dampierre, A19, B7, B16. – de Faronville, vice-chancelier de Charles Ier d’Anjou, prévôt de Saint-Amé de Douai, A10. – d’Haverskerque (maître), trésorier puis prévôt d’Aire, trésorier de Lille, clerc de la comtesse Marguerite, A7/ A24/B11, A23, B20. –  d e Licques, chanoine de Thérouanne, A3, A11. – de Ryckel, abbé de SaintTrond, B13. – abbé de Saint-Ghislain, A21. – seigneur de Heule et Heestert, A12. Hainaut, Haynonia, Hayonnia, Belg. et Fr. – comté – comtes et comtesses, v. Jean d’Avesnes, Jeanne, Marguerite. – maisons religieuses, A1, B7. Haverskerque, Haveskerke, Fr., Nord, Dunkerque, Hazebrouck ; v. Fastré (seigneur de Calonnesur-la-Lys), Guillaume (tré­ sorier puis prévôt d’Aire, trésorier de Lille, clerc de la comtesse Marguerite). Haynonia, Hayonnia, v. Hainaut. Heestert, Belg., Flandre-Occidentale, Courtrai, Zwevegem ;

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seigneur, v. Guillaume (seigneur de Heule). Henri, Henricus – de Finstingen, archevêque de Trèves, B6. – de Gueldre, évêque de Liège, B13. –  d e Thourout, bourgeois d’Ypres, A12, B1. Heule, Belg., Flandre-Occidentale, prov. et arr. Courtrai ; seigneur, v. Guillaume. Heusden-Zolder, Belg., Limbourg, Hasselt  ; abbaye de Nieuwenbos, v. Nieuwenbos. Hugues, Hugo –  de Vico Fullonum, bourgeois de Gand, B22. –  f rère d’Adam, sujet de l’évêque de Cambrai, B21. Innocent, Innocentius, V, pape, B23. Insulensis, v. Lille. Iohanna, v. Jeanne. Iohannes, v. Jean. Isembard, v. Ysembard. Jean, Iohannes – d’Avesnes, comte héritier de Hainaut, fils de la comtesse Marguerite, B16. – de Barastre, abbé du MontSaint-Éloi, A19. – de Flandre, prévôt de Bruges et de Lille, chancelier de Flandre, A4/B8, A10, B17. –  d e Villemareuil (maître), clerc de la comtesse Marguerite et du roi Charles Ier d’Anjou, A6/B10, B6.



– comte de Nevers, fils du roi de France, B7. –  seigneur de Dampierre, fils de la comtesse Marguerite, B16. Jeanne, Iohanna – comtesse de Bar, fille de la comtesse Marguerite, B16. –  comtesse de Flandre-Hainaut, B16. Karolus, v. Charles. Liceriensis, v. Lucera. Licques, Liskes, Fr., Pas-de-Calais, Calais, Calais-2 ; v. Guillaume (chanoine de Thérouanne). Liège, Belg., ch.-l. prov. – archidiacre de Hainaut, v. Tebaldo Visconti. – évêque, v. Henri de Gueldre. Lille, Insulensis, Fr., Nord, ch.-l. dép. – chapitre Saint-Pierre – prévôt, v. Jean de Flandre. – trésorier  ; v. Guillaume d’Haverskerque. Liskes, v. Licques. Louis, Ludovicus – II, duc de Bavière, comte palatin du Rhin, B6. – IX, roi de France, B7. Lucera, Liceriensis, Italie, prov. Foggia, A18. Ludovicus, v. Louis. Marguerite, Margareta – de Flandre, fille de Gui de Dampierre, A4/B8. – le Meyde, bourgeoise d’Ypres, A12. –  comtesse de Flandre-Hainaut, A1-A3, A4/B8-A8/B12, A9,

Vestiges épistolaires de Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut

A11-A23, B1-B7, B13-B16, B18-B19, B21-B23. Marie, Maria – d’Ypres, bourgeoise d’Ypres, A12, B1. – moniale à Flines, fille de la comtesse Marguerite, B16. Mayence (Mainz), Muguntiensis, All., Rhénanie-Palatinat, ch.-l. arr.  ; archevêque, v. Werner d’Eppstein. Merelbeke, Belg., Flandre-Orientale, Gand, A22. Messines (Mesen), Messinensis, Belg., Fandre-Occidentale, Ypres – abbaye Notre-Dame – chanoine, v. [N.]. – moniales, B20. Meyde (le), v. Marguerite (bourgeoise d’Ypres). Michel de Thourout, bourgeois d’Ypres, A12. Mont-Saint-Éloi, Mons Sancti Eligii, Fr., Pas-de-Calais, Arras, Arras-Nord – abbaye Saint-Vindicien – abbé, v. Jean de Barastre. Morinensis, v. Thérouanne. Muguntiensis, v. Mayence. [N.], N., talis, tales – abbé, A14. –  ami de [N.] (chanoine de l’abbaye de Messines), B20. – cardinal, A11, B3. –  c hanoine de l’abbaye de Messines, B20. –  dignitaire ecclésiastique, A23. – ecclésiastique, A13.



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–  émissaires de la comtesse Marguerite au Saint-Siège, A15. –  émissaires de la comtesse Marguerite auprès des princes électeurs, A8/B12. – laïque, A14. – mère de Conradin (fils naturel de Conrad IV), A18. –  m essager de la comtesse Marguerite, A17. – prince laïque, A17. – religieux, A20. – vassal de la comtesse Marguerite, B18. Namur, Namucensis, Belg., ch.-l. prov.  ; comte (ou marquis), v. Gui [de Dampierre]. Nevers, Nivernensis, Fr., Nièvre, ch.-l. arr. ; comtes ; v. Jean (fils du roi de France), Robert de Flandre (fils de Gui de Dampierre). Nicolas [de Fontaine], évêque de Cambrai, chancelier du roi des Romains, A8/B12, A13, A20A21, B6, B21. Nieppe, Niepa, Fr., Nord, Dunkerque, Bailleul, B6. Nieuwenbos, Boschus, abbaye à Heusden-Zolder, A22. Nivernensis, v. Nevers. Palerme (Palermo), Pannormus, Italie, ch.-l. prov., A18. Papauté, A3, A5/B9, A15-A16, B3, B15 –  cardinaux, v. Guillaume [de Bray], [N.], Simon [de Brion]. – notaire, v. Ysembard [Pecorara de Plaisance].

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Jean-François Nieus/Aurélie Stuckens

– papes, v. Grégoire X, Innocent V. Paris, Parisius, Fr., B14. Pecorara, v. Ysembard [de Plaisance], notaire du pape. Philippe, Philippus – évêque de Tournai, B22. – III, roi de France, B14, B22. Pierre, Petrus –  d e Curia, bourgeois de Gand, B22. – [de Noyon], évêque d’Arras, A10. –  d e Quaregnon, abbé de Saint-Ghislain, A21. – de Tarentaise, provincial des dominicains (futur pape Innocent V), B23. – de Wede, bourgeois de Bruges, receveur de Jean de Flandre, B17. Pouilles, Apulia, Italie ; duché, B6. Provence, Provincia, Fr. – comté, B6. – Provençaux, Provinciales, A18. Ramifred, Ramifredus, frère hospitalier, A18. Rhin, Renus, All. ; comte palatin, v. Louis II (duc de Bavière). Richard de Cornouailles, roi des Romains, A8/B12, A21. Robert, Robertus, de Flandre, comte de Nevers, fils du comte Gui de Dampierre, A4/B8, A19, B7, B16. Rome, Italie – Curie romaine, v. Papauté. – église Saint-Marc, B15.

– sénateur, B6. Saint-Amé, Sanctus Amatus, chapitre séculier à Douai ; prévôt, A10  ; v. Guillaume de Faronville (vice-chancelier de Charles Ier d’Anjou). Saint-Bavon, abbaye à Gand  ; abbé, B22. Saint-Donatien, chapitre séculier à Bruges – prévôt, v. Jean de Flandre.  – prévôté, B17. Saint-Ghislain, Sanctus Gislenus in Cella, Belg., Hainaut, Mons – abbaye, A21. – abbés, v. Guillaume, Pierre de Quaregnon. Saint-Pierre, abbaye à Gand  ; abbé, B22. Saint-Siège, Sedes apostolica, v. Papauté. Saint-Trond (Sint-Truiden), Belg., Limbourg, Hasselt – abbaye – abbé, v. Guillaume de Ryckel. Sanctus Amatus, v. Saint-Amé. Sanctus Gislenus in Cella, v. Saint-Ghislain. Sanctus Marchus, v. Rome (église Saint-Marc). Sarrasins, Sarraceni, A18. Sedes apostolica, v. Saint-Siège. Sicile, Sycilia, Italie, A18, B16. – royaume –  c lerc, v. Jean de Villemareuil (clerc de la comtesse Marguerite).

Vestiges épistolaires de Marguerite, comtesse de Flandre et de Hainaut

– conseiller, v. Gui de Collemezzo (trésorier du chapitre cathédral de Thérouanne). –  famille royale, v. Blanche d’Anjou (fille du roi Charles Ier). – roi, v. Charles Ier d’Anjou. – vice-chancelier, v. Guillaume de Faronville (prévôt de Saint-Amé de Douai). Simon, Symo [de Brion], cardinal, B4. Spalbeek, Belg., Limbourg, arr. et comm. Hasselt  ; v. Élisabeth (recluse). Sycilia, v. Sicile. Symo, v. Simon. Tebaldo Visconti, archidiacre de Hainaut (futur pape Grégoire  X), A2, A15, B15  ; v. Grégoire  X (pape). Ter Hagen, abbaye à Axel, A22. Terre sainte, Terra sancta, B7, B15-B16. Thérouanne, Fr., Pas-de-Calais, Saint-Omer, Fruges – chapitre cathédral, A3, A12 – chanoine, v. Guillaume de Licques. – doyen, A12. – trésorerie, A11. – trésorier, A3  ; v. Gui de Collemezzo (conseiller du roi Charles Ier d’Anjou). Thourout, Trehout, Belg., Flandre-Occidentale, Bruges  ; v. Henri, Michel.

237

Toscane (Toscana), Thuscia, Italie ; vicaire général de l’Empire, B6. Tournai, Belg., prov. Hainaut, ch.-l. arr. ; évêque, v. Philippe. Trehout, v. Thourout. Trèves (Trier), Treverensis, All., Rhénanie-Palatinat, ch.-l. arr. ; archevêque, v. Henri de Finstingen. Trinitaires (ordre des), chapitre général, B16. Tunis, Tunisie, A16-A17, A19, B7, B16. Valenciennes, Fr., Nord, ch.-l. arr. ; atelier monétaire, B14. Vermandois, Viromandia, Fr.  ; bailli, B14. Vertain, V ertaign , Fr., Nord, Cambrai, Caudry  ; v. Gérard (chapelain de la comtesse Marguerite, prévôt de Cassel). Vicus Fullonum, v. Hugues (bourgeois de Gand). Villemareuil, Vilemaroi, Fr., Seineet-Marne, ch.-l. arr.  ; v. Jean, clerc de la comtesse Marguerite et du roi Charles Ier d’Anjou. Viromandia, v. Vermandois. Visconti, v. Tebaldo. Viterbe (Viterbo), Italie, ch.-l. prov., B15. Wede, Weda, Belg., Flandre, loc. incertaine ; v. Pierre (bourgeois de Bruges, receveur de Jean de Flandre). Werner d’Eppstein, archevêque de Mayence, B6. Willelmus, v. Guillaume.

238

Jean-François Nieus/Aurélie Stuckens

Ypres (Ieper), Ypra, Belg., Flandre-Occidentale, ch.-l. arr., A12. –  bourgeois, v. Henri de Thourout, Marguerite le Meyde,

Michel de Thourout, Marie d’Ypres. Ysembard, Ysembardus, Yzembardus, [Pecorara de Plaisance] (maître), notaire du pape, A5/B9.

Abstract Epistolary remains from Margaret, countess of Flanders and Hainault. Two formulary collections from the early 1270s This article provides a study and edition of two letter formularies of Margaret of Constantinople, countess of Flanders and Hainault (1244–1278). They are transmitted in two manuscripts, near-contemporary to the copied letters, collections “A” (MS from Bruges) and “B” (MS from Maynooth), which partly overlap while being both fragmentary. They contain a total of 41 letters which originate from the same epistolary pool, and are abridged and anonymized to varying degrees. These are real letters sent by Countess Margaret between 1270 and 1273 (1276 for some additions), and relating to international affairs (Eighth Crusade, relations with the papacy, imperial election, etc.) as well as to the domestic administration of Flanders. The main initiator of both compilations seems to be the comital clerk and provost of St. Peter’s chapter in Cassel Gerard of Vertain († after 1298), who accompanied Count Guy of Dampierre on the Tunis expedition and carried out several embassies in Italy and in the Empire in 1272 and 1273. The idea of compiling these very rare princely formularies was probably inspired by the Flemish administrators’ frequent stays in the Roman Curia, where the major summae dictaminis, which were about to spread across European chanceries, were then taking shape. In any case, collections A and B paved the way for the compilation of a more ambitious formulary by another clerk of the Dampierre family around 1290.

Das Phänomen Herrscherkanzlei im mittelalterlichen Serbien von ŽARKO VUJOŠEVIĆ Zum Begriff „(Herrscher)kanzlei“ In Übereinstimmung mit neueren Tendenzen der europäischen Diplomatik, klassische Vorstellungen zu prüfen sowie den Entstehungsprozess früh- und hochmittelalterlicher Urkunden neu zu bewerten, bewegt sich auch die ­serbische Forschung in Richtung dieser Ansätze. Dies zeigt sich etwa, ­vereinfacht dargestellt, am Wandel der Schlüsselbegriffe von „Herrscher-“ oder sogar „Staatskanzlei“ (Stanoje Stanojević 1933) über „Kanzleiwesen“ (Ljubomir Maksimović 1999) hin zu „Phänomen Herrscherkanzlei“ (Žarko Vujošević/Nebojša Porčić/Dragić M. Živojinović 2014). Letzteres wird hier als passende Bezeichnung für die Rahmung von Beurkundungsverfahren der serbischen mittelalterlichen Herrscher angenommen1. 1 Stanoje Stanojević, Studije o srpskoj diplomatici 18 („Kancelarije”), in: Glas Srpske kraljevske akademije 156 (1933) S. 41–59 (die Titel der in der Regel kyrillisch verfassten serbischen Veröffentlichungen werden hier in lateinischer Transliteration wiedergegeben, ggf. mit ihren Übersetzungen in fremdsprachlichen Abstracts bzw. Zusammenfassungen); Ljubomir Maksimović, Das Kanzleiwesen der serbischen Herrscher, in: Kanzleiwesen und Kanzleisprache im östlichen Europa, hg. von Christian Hannick (AfD Beiheft 6), Weimar/ Köln/Wien 1999, S. 25–54; Žarko Vujošević/Nebojša Porčić/Dragić M. Živojinović, Das serbische Kanzleiwesen. Die Herausforderung der digitalen Diplomatik, in: Digital diplomatics. The Computer as a Tool for the Diplomatist?, hg. von Antonella Ambrosio/Sébastien Barret/Georg Vogeler (AfD Beiheft 14), Wien/Köln/Weimar 2014, S. 133–147. Vgl. Žarko Vujošević, Über den Status einiger Urkunden des serbischen Kaisers Stefan Uroš (1355–71). Ein Beitrag zur Kanzleiforschung, in: Initial. A Review of Medieval Studies 4 (2016) S. 109–124, sowie Nebojša Porčić, The Dubrovnik Corpus of Serbian Imperial Documents as a Source for Chancery Research, in: Initial. A Review of Medieval Studies 6 (2018) S. 73–99. Der vorliegende Aufsatz beruht im Wesentlichen auf den Ergebnissen der diplomatischen Studie, die 2016 als Dissertation an der Philosophischen Fakultät Belgrad verteidigt wurde: Žarko Vujošević, Srpska vladarska kancelarija u srednjem veku. Studija iz uporedne diplomatike (englisches Abstract: The Serbian Royal Chancery in the Middle Ages. A Study in Comparative Diplomatics).

240

Žarko Vujošević

Zunächst stellt sich die Frage, ob der Begriff „Kanzlei“ im Bewusstsein der Zeitgenossen überhaupt existiert hat, und falls ja, welche Bedeutung sie ihm beimaßen. Die Quellenanalyse, die im Verlauf jahrzehntelanger Forschungsarbeit zu diesem Thema durchgeführt worden ist, hat gezeigt, dass in West- und Mitteleuropa bis zum 12.  Jahrhundert lediglich der „Kanzler“ (Kanzleivorsteher, cancellarius) identifizierbar ist, entweder als nomineller oder als tatsächlicher Träger der diplomatischen Produktion am Herrscherhof. Der Begriff cancellaria, der ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts begegnet, bezeichnet zunächst eigentlich nur die Funktion oder den Tätigkeitsbereich eines bestimmten Hofbeamten, um sich erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts im Königreich Sizilien unter der Herrschaft Friedrichs II. zur Institution im Rahmen des Staatsapparats zu entwickeln2. Andererseits kommen nahezu während des gesamten Mittelalters weder dieser Begriff noch vergleichbare Termini in Serbien (und auch in Byzanz) in den Quellen vor. Nahezu, weil er im serbischsprachigen Material erst in einem Dokument des Herrschers von Zeta, Ivan Crnojević, datiert zu 1482 zu finden ist (in der gebrochenen Form als канцалерија). Allerdings ist damit dort weder eine Institution, noch das Personal bzw. dessen Aufgabenbereich gemeint, sondern der Ort, an dem die Urkunden aufbewahrt werden3. Aufgrund dieses Sachstands ist es angebracht, die methodische Anregung der westeuropäischen Wissenschaft zu übernehmen, die bereits in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts formuliert wurde, jedoch 2 Peter Csendes, Kanzlei, Kanzler, I. Definition, in: LexMA 5 (1991) Sp. 910 und Theo Kölzer, Kanzlei, Kanzler, II.  Italien, ebd., Sp.  912–914; vgl. auch Hans-Walter Klewitz, Cancellaria. Ein Beitrag zur Geschichte des geistlichen Hofdienstes, in: DA 1 (1937) S. 44–79. 3 Es handelt sich um die wohl gefälschte Urkunde des Herrn von Zeta (etwa das heutige Montenegro als Teil- oder Nachfolgestaat des inzwischen vom Osmanischen Reich eroberten Serbien) u. a. an das Kloster Vranjina am Skutarisee: Božidar Šekularac, Dukljanskozetske povelje (französische Zusammenfassung: Les chartes de Duklja et Zeta), Titograd (Podgorica) 1987, S. 195. Der Begriff „Kanzler“ kommt in den zuverlässigen Quellen schon etwas früher vor, nämlich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, auch bei den Fürsten von Zeta bzw. in ihren in ­altitalienischen Übersetzungen überlieferten Dokumenten (canzelier). Der Titel ist mit ­Sicherheit mit dem serbischen дијак (Diak – hier im Sinne „Schreiber“) gleichzusetzen: Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 11–12. In Byzanz gibt es verschiedene Begriffe auch nur für Kanzleivorsteher (vom spätantiken quaestor sacri palatii/ κοιαίστωρ bis zum spätmittelalterlichen „großen Logothet“/μέγας λογοθέτης) bzw. für die ihnen unterstellten Schreiber (von notarii/ύπογραφεῖς zu den γραμματικοί): Franz Dölger/ Johannes Karayannopulos, Byzantinische Urkundenlehre, I: Die Kaiserurkunden (Handbuch der Altertumswissenschaften, 12. Abt., Teil 3, I/1), München 1968, S. 57–67 und Nicolas Oikonomidès, La chancellerie impériale de Byzance du 13e au 15e siècle, in: Revue des études byzantines 43 (1985) S. 168–195, hier S. 168–173.

Das Phänomen Herrscherkanzlei im mittelalterlichen Serbien

241

bis heute in der serbischen (und byzantinischen) Diplomatik äußerst selten angewandt wird: Der Ausdruck „Kanzlei“ ist als Übereinkunftsbezeichnung zu gebrauchen, da es sich um eine wissenschaftliche Konstruktion handelt  – aufgrund einer fehlenden präzisen Terminologie in den zeitgenössischen Quellen bis hin zum Spätmittelalter, und auch dann nicht überall in Europa4. Demzufolge kann das Phänomen der Urkundenproduktion, die unter bestimmten Bedingungen in einem bestimmten Raum stattfindet, nur mit verschiedenen behelfsmäßigen Bezeichnungen versehen werden, so etwa durch die handliche (und ins Serbische kaum übersetzbare) Wortschöpfung „Beurkundungsstelle“. Wie immer man dieses mehr oder weniger institutionelle Gebilde benennen will, lassen sich drei grundlegende Entwicklungsstadien erkennen: 1. gelegenheitsbedingte Abfassung von Urkunden; 2. das Wirken eines informellen Schreiberdienstes am Hof; 3. die Arbeit einer organisierten Herrscherkanzlei. Es folgt hier ein Versuch, die Entwicklung für Serbiens „Urkundenzeitalter“ vom Ende des 12. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts nachzuvollziehen.

Methodisches: Vergleichende Analyse Die gesellschaftlich-politischen Besonderheiten einzelner Regionen zu verschiedenen Zeiten empfehlen eine äußerst differenzierte Betrachtung der Merkmale der drei genannten Entwicklungsphasen der diploma­tischen Produktion. Daher ist die Wahl entsprechender Vergleichsmodelle bei der Erforschung des Phänomens Herrscherkanzlei in Serbien eine ­besondere Herausforderung, zumal die einheimischen Quellen nicht allzu umfangreich ausfallen. Hier werden die Modelle herangezogen, die für die Kanzlei der fränkischen bzw. römisch-deutschen Herrscher im Früh- und Hochmittelalter und für die byzantinische Herrscherkanzlei des 13.– 15. Jahrhunderts entwickelt wurden. Der Vergleich mit dem ersten Modell liegt darin begründet, dass sich die dokumentarische Produktion in Serbien, zwar mit deutlichem zeitlichen Abstand, unter Bedingungen entwi Zum konsequenten Gebrauch des Begriffs „Kanzlei“ in der serbischen und byzantinischen Diplomatik siehe u. a. Vujošević/Porčić/Zivojnović, Kanzleiwesen (wie Anm. 1) S. 135 f., Dölger/Karayannopulos, Urkundenlehre I (wie Anm. 3) S. 57; Günter Prinzing, Kanzlei, Kanzler, Byzantinisches Reich, in: LexMA 5 (1991) Sp. 926–928 und John Haldon, Structures and Administration, in: The Oxford Handbook of Byzantine Studies, hg. von Elizabeth Jeffreys/John Haldon/Robin Cormack, New York 2008, S. 539–553, hier S. 544–546. 4

242

Žarko Vujošević

ckelte, die – grob gesagt – den entsprechenden Phasen des „Urkundenzeitalters“ im Frankenreich und später in Deutschland ähnelten, aber auch darin, dass das diplomatische Erbe der fränkisch-deutschen Herrscher editorisch und forschungsmäßig sehr gut bearbeitet ist5. Das zeitgleiche byzantinische Modell wird nicht nur wegen des überall im mittelalterlichen Serbien greifbaren byzantinischen Einflusses in Betracht gezogen, sondern auch, weil das Hauptprodukt der Kanzlei in Konstantinopel, das Chrysobull, erst im genannten Zeitraum als funktionales Äquivalent zur Urkunde der westeuropäischen und serbischen Herrscher analysiert ­werden kann6. Bei der Analyse des serbischen dokumentarischen Materials haben wir festgestellt, dass das klassische Kanzlei-Konzept Theodor Sickels für dieses eher ungeeignet ist7. Statt dessen scheint das Phänomen der serbischen Herrscherkanzlei dem von Wolfgang Huschner entwickelten Modell des Verständnisses der dokumentarischen Praxis der deutschen (ostfränkischen) Herrscher im 10. und 11.  Jahrhundert am ähnlichsten zu sein 8. Zum Thema Übergang vom „Akten-“ zum „Urkundenzeitalter“ allgemein und insbesondere im Frankenreich siehe Peter Classen, Kaiserreskript und Königsurkunde. Diplomatische Studien zum römisch-germanischen Kontinuitätsproblem, in: AfD 1 (1955) S. 1–87 (I. Teil) und AfD 2 (1956) S. 1–115 (II. Teil) sowie: Die Urkunden der Merowinger, nach Vorarbeiten von Carlrichard Brühl ed. Theo Kölzer (MGH Diplomata regum Francorum e stirpe Merovingica), Hannover 2001, hier 1, S. XXIII. Vgl. auch Theo Kölzer, Kulturbruch oder Kulturkontinuität? Europa zwischen Antike und Mittelalter. Die Pirenne-These nach 60  Jahren, in: Das Mittelmeer. Die Wiege der europäischen Kultur, hg. von Klaus Rosen, Bonn 1998, S.  208–227. Zum Anfang des „Urkundenzeitalters“ in Serbien Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 26–28; vgl. Djordje Bubalo, Pragmatic Literacy in Medieval Serbia (Utrecht Studies in Medieval Literacy 29), Turnhout 2014, S. 87–103. 6 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass keine vor 1025 datierte byzantinische kaiserliche Urkunden im Original überliefert sind, die womöglich wegen funktionierender administrativer Strukturen im noch andauernden „Aktenzeitalter“ keine Bedeutung als einmaliger Rechtsbeweis wie Urkunden anderswo hatten. Zudem liegen diese erst ab dem 13. Jahrhundert kontinuierlich vor; vgl. Andreas E. Müller, Imperial Chrysobulls, in: The Oxford Handbook of Byzantine Studies (wie Anm. 4) S. 129–135, hier S. 129; vgl. Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches I/2: Regesten von 867–1025, bearb. von Franz Dölger/Andreas E. Müller, München/Berlin 22003. 7 Siehe etwa die Einleitungen zu: Die Urkunden Konrad  I., Heinrich I., Otto  I., ed. Theodor Sickel (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 1), Hannover 1879– 1884; Die Urkunden Ottos des II. (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 2/1), ed. Ders, Hannover 1888; Die Urkunden Ottos des III. (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 2/2), ed. Ders, Hannover 1893. 8 Siehe Wolfgang Huschner, Transalpine Kommunikation im Mittelalter. Diplomatische, kulturelle und politische Wechselwirkungen zwischen Italien und dem nordalpinen Reich (9.–11. Jahrhundert) (MGH Schriften 52), Hannover 2003, und weiterhin u. a. Ders., Über die politische Bedeutung der Kanzler für Italien in spätottonisch-frühsalischer Zeit 5

Das Phänomen Herrscherkanzlei im mittelalterlichen Serbien

243

Huschner zufolge sollte die Kanzlei nicht als höfische oder staatliche Einrichtung verstanden werden, sondern als wechselhafte personelle Konstellation. An der Abfassung und Herstellung von Urkunden haben nicht zahlreiche Beamte mitgewirkt, wie sich das Sickel vorstellte, sondern meist eine einzelne Person aus dem Umfeld des Herrschers oder auch Vertreter des Empfängers. Diese Personen waren im Regelfall Kleriker; falls es sich um repräsentative Urkunden für wichtige Empfänger handelte, war dies jemand aus den Reihen des hohen Klerus. Die Empfängerausfertigungen machen die Mehrheit in der Urkundenproduktion aus und erfordern eine umsichtige Interpretation der vielschichtigen politischen und konzeptionellen Botschaften der Dokumente – aus Sicht des Ausstellers und seines Umfelds sowie aus Sicht des Empfängers. Andererseits weist die Urkundenproduktion in Byzanz Besonderheiten auf, die sie als eigenes Phänomen ausweisen. Der Schreiberdienst hatte seinen festen Sitz am Hof in Konstantinopel, wo er auch die Register der ausgestellten Urkunden führte. Die Mitwirkung der Destinatäre bei der Ausfertigung der Schriftstücke ist nicht belegt, sodass die Genese der ­Urkunden in Byzanz immer noch als „zentralistisch“ betrachtet wird. In Serbien wurde das byzantinische Modell eine Zeitlang sogar direkt nachgeahmt. Davon zeugt vor allem das Aufkommen der zum Hofadel gehörigen Logotheten, die für die Kontrolle des Dokumentenverkehrs, insbesondere mit auswärtigen Mächten zuständig waren. Die byzantinischen Tradi­tionen wurden auch hinsichtlich formeller Merkmale der Dokumente schon seit dem 13. Jahrhundert allmählich übernommen (rote Tinte, ­Logos-Formel), während die für griechische Empfänger ausgestellten Stücke in der Zeit, als ihre Gebiete sich unter der Herrschaft des Serbischen Reichs befanden, vollständig nach byzantinischen Vorbildern verfasst und ausgestattet wurden9. Daher kam auch die Frage auf, ob die serbische „Kanzlei“, zumindest in einer der Entwicklungsphasen, tatsächlich „byzantinisch“ strukturiert war, oder diese Nachahmung rein formell war. Im Folgenden soll das serbische Urkundenmaterial nach Maßgabe der beiden skizzierten Modelle in den Blick genommen werden, um nähere Aufschlüsse zum Phänomen Herrscherkanzlei zu erhalten. (1009–1057), in: AfD 41 (1995) S. 31–47; Ders., Die ottonische Kanzlei in neuem Licht, in: AfD 52 (2006) S. 353–370. 9 Zum byzantinischen Modell siehe Anm. 3 und 4 oben, zu den Nachahmungen byzantinischer Vorbilder in Serbien zusammenfassend Vujošević/Porčić/Živojinović, Kanzleiwesen (wie Anm. 3) S. 136, 141. – Als Beispiel für eine serbischsprachige und eine griechischsprachige Urkunde serbischer Kaiser vgl. Abb. 3 und 4.

244

Žarko Vujošević

Überlieferungslage Das Material wurde auf die Dokumente jener Herrscher beschränkt, die als zentrale Träger der serbischen „Staatshoheit“ während des gesamten Mittelalters angesehen werden können: Die Herrscher aus den Dynastien Nemanjić (um 1166–1371), Lazarević (um 1371–1427) und Branković (1427–1459)10. In einem derartig definierten Bestand haben wir im Zeitraum vom Ende des 12. Jahrhunderts bis 1457, zwei Jahre vor dem endgültigen Fall des serbischen Despotats unter die osmanische Herrschaft, insgesamt 325 erhaltene diplomatische Einheiten identifiziert (Tabelle 1)11. Was die Typologie betrifft, haben wir diese Einheiten allgemein in Urkunden und Briefe unterteilt, und zwar nach ihrem Betreff und nicht nach ihren formellen Merkmalen. Daher werden unter Urkunden all jene Schriftstücke verstanden, mit denen ein dauerhaftes Recht, ein Privileg oder eine Besitzung erteilt und/oder bestätigt wird, einschließlich der Verträge12. Zu den Briefen hingegen werden Dokumente gezählt, die sich auf Eine immer noch relevante deutschsprachige Übersicht der serbischen Geschichte im Mittelalter bietet Konstantin Jireček, Geschichte der Serben, 2 Bde., Gotha 1911–1918. Dazu u. a. Istorija srpskog naroda, 2 Bde, hg. von Sima Ćirković, Beograd 1981–1982 und Ders., La Serbie au Moyen Âge, Paris 1992. Zum breiteren Kontext der Geschichte Südosteuropas in der entsprechenden Epoche siehe John V. A. Fine, The Late Medieval Balkans. A Critical Survey from the Late Twelfth Century to the Ottoman Conquest, Ann Arbor (Michigan) 1994. 11 Das älteste Dokument ist die Urkunde bzw. das Friedensabkommen zwischen dem Großžupan Stefan Nemanja und der Küstenstadt Dubrovnik vom 27.  September 1186 (Nebojša Porčić, Dokumenti srpskih srednjovekovnih vladara u dubrovackim zbirkama. Doba Nemanjica [engl. Zusammenfassung: Documents of Serbian Medieval Rulers in Dubrovnik Collections: The Nemanjić Period], Beograd 2017, S. 129–131) und der jüngste Brief des Despoten Lazar Branković an Dubrovnik vom 22. Dezember 1457 (Ders., Dokumenti Lazara i Stefana Brankovića o podizanju poklada despota Đurđa [engl. Zusammenfassung: Documents of Lazar and Stefan Branković concerning the Withdrawal of the Deposit of Despot Đurađ], in: Initial. A Review of Medieval Studies 2 [2014] S. 215–239, hier S. 222– 223). Die vollständige Liste der 325 Stücke bei Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 83– 106. Zum Umfang und der Editionslage des gesamten „serbischen“ Korpus, das einschließlich der Dokumente lokaler Fürsten, kirchlicher Würdenträger und anderer Aussteller bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts ungefähr 600 Stück beträgt, siehe Vujošević/Porčić/ Živojinović, Kanzleiwesen (wie Anm. 1) S. 134–136. 12 Zu den Verträgen als diplomatische Gattung in den Beziehungen zu Dubrovnik: Nebojša Porčić/Žarko Vujošević, Treaties between Serbia and Dubrovnik (Ragusa). Reflections of Political Relations in Diplomatic Forms (12th – 15th Centuries), in: Quellen zur Geschichte der „internationalen“ Beziehungen zwischen politischen Zentren in Europa und der Mittelmeerwelt (ca. 800–1600). Briefe – Urkunden – Verträge. Beiträge des 15. Kongresses der Commission Internationale de diplomatique (Leipzig, 4.–6. Oktober 2018), hg. von Wolfgang Huschner/Sebastian Roebert (Italia Regia 7) – im Druck. 10

Das Phänomen Herrscherkanzlei im mittelalterlichen Serbien

245

die laufende Korrespondenz (Verwaltung, Nachrichten) beziehen. Es hat sich herausgestellt, dass die Urkunden mit etwa 70 % eine deutliche Mehrheit ausmachen, darunter überwiegend Schenkungsurkunden und Bestätigungen (65 % des gesamten Bestands), weshalb sie für den Forscher als wichtigstes Kanzleiprodukt und Hauptgegenstand der Analyse erscheinen. Dies bezieht sich vor allem auf die frühe Periode, zumal der Anteil der Briefe bis 1282 nur 11 % und bis 1371 gerade noch 26 % beträgt. Wenn die wachsende Zahl der aufbewahrten Briefe als Indiz für komplexere Verwaltungsaktivitäten angesehen werden sollte, und damit auch für das Bedürfnis nach einem höheren Organisationsgrad von Kanzleitätigkeiten, so gilt dies erst für die Mitte des 14. Jahrhunderts und insbesondere für die Zeit von Lazars Erben im 15. Jahrhundert, als beide Dokumenten-Grundtypen in gleicher Zahl erhalten geblieben sind. Tabelle 1: Anzahl der erhaltenen Urkunden und Briefe einzelner Herrscher. Herrscher

Anzahl der erhaltenen Dokumente

Jahresdurchschnitt

Urkunden

Briefe

insg.

Urkunden

insg.

Stefan Nemanja (um 1166–96)

 4

 0

  4

0,15

0,15

Stefan Nemanjić (1196–1227)

 6

 2

  8

0,20

0,25

Radoslav (1227–33/34)

 2

 0

  2

0,35

0,35

Vladislav I. (1233/34–42/43)

 6

 1

  7

0,65

0,75

Uroš I. (1242/43–1276)

 7

 1

  8

0,20

0,25

Dragutin (1276–82)

 3

 0

  3

0,50

0,5013

Milutin (1282–1321)

22

 7

 29

0,55

0,75

Stefan „Dečanski“ (1321–31)

13

10

 23

1,30

2,30

Stefan Dušan (1331–55)

84

30

114

3,50

4,75

Uroš (Kaiser) (1355–71)

19

 1

 20

1,20

1,25

Wenn dazu auch der Zeitraum von 1282 bis 1316 einberechnet wird, als Dragutin seine Königsherrschaft nur in den nördlichen Gebieten ausübte, sind insgesamt fünf seiner Urkunden überliefert, was einem Jahresdurchschnitt von nur 0,10 entspricht. 13

246 Herrscher

Žarko Vujošević Anzahl der erhaltenen Dokumente

Jahresdurchschnitt

Urkunden

Briefe

insg.

Urkunden

insg.

Lazar (um 1375–89)

10

 1

11

0,70

0,8014

Stefan Lazarević (1389–1427)

19

30

49

0,50

1,3015

[Stefan Lazarević allein, 1402–27]

13

22

35

0,50

1,40

Đurađ Branković (1427–56)

21

12

33

0,70

1,15

Lazar Branković (1456–58)16

 3

 1

 4

1,50

2,00

Die Analyse der Authentizität der überlieferten Dokumente führt einen Umstand vor Augen, der bestimmte Folgen hinsichtlich der Forschungsmethode hat. Da nämlich eine das ganze diplomatische Material umfassende editorische und kritische Bearbeitung in Serbien bisher ausgeblieben ist, konnten auch keine allgemeinen Unterscheidungskriterien zwischen Originalen und verschiedenen Arten der sekundären Überlieferung festgelegt werden17. Dementsprechend kann der diplomatische Status einer relativ großen Anzahl von Stücken, und damit auch ihres Quellenwertes, (noch) nicht zuverlässig festgestellt werden. Daher richtet sich unsere ­Untersuchung vor allem auf die inneren Merkmale der Urkunden, in der Erwartung, dass aus ihnen, selbst wenn einzelne Dokumente in einer verunechteten bzw. „frisierten“ Form überliefert sind, noch relevante Befunde erhoben werden können. So werden unsere zum Teil deduktiven und auf der Vergleichsmethode beruhenden Ergebnisse ständig durch neue Edi­tionsprojekte überprüft, beeinflussen diese aber auch selbst, Weil der Anfang der Herrschaft Lazars nicht klar zu datieren ist, gilt hier das Jahr 1375 als Beginn seiner diplomatischen Tätigkeit, mit der ersten bekannten Urkunde von 1375/76 (für das Athos-Kloster Groß-Lavra: Aleksandar Mladenović, Povelje kneza Lazara, Beograd 2003, S. 18–20). 15 Einberechnet sind auch alle zwischen 1389 und 1402 gemeinsam mit seiner Mutter Milica (Nonne Eugenia) und seinem Bruder Vuk ausgestellten Dokumente. 16 Die Zahl von 325 Stück wird durch weitere, in der Tabelle nicht berücksichtigte, 10 Urkunden und Briefe vervollständigt: fünf der Königin Jelena (Hélène „d’Anjou“), drei des Königs Dragutin und seines Sohnes Vladislav II. in den nördlichen Gebieten und zwei von König Vukašin, dem Mitregenten des Kaisers Uroš. 17 Zur Editionslage sowie fehlenden oder unklaren Echtheitskriterien in der serbischen Diplomatik vgl. Vujošević/Porčić/Živojinović, Kanzleiwesen (wie Anm. 1) S. 134–136 und Vujošević, Status (wie Anm. 1) S. 110–112. 14

Das Phänomen Herrscherkanzlei im mittelalterlichen Serbien

247

indem sie eine Relativierung der klassischen Vorstellungen von der Ordnung staatlicher Strukturen bewirken und den Quellenfundus in einen Kontext einzubetten versuchen, der realistischer erscheint18. Was die Klassifizierung der Dokumente auf Grundlage ihres diplomatischen Status betrifft, haben wir sie im Einklang mit den Ergebnissen der bislang erschienenen Einzelstudien in Originale und sekundär überlieferte Dokumente eingeteilt, wobei sämtliche Dokumente außer den durch die Forschung bestätigten historischen Fälschungen berücksichtigt wurden. Der Anteil der Originale am gesamten Bestand beträgt demnach etwa 55 %, wobei dieser möglicherweise höher sein könnte, da einige Stücke aufgrund der überkommenen Annahme eines verfestigten Kanzleibrauchs und der daraus hervorgehenden Muster zu Spuria erklärt wurden19. Die überwiegende Mehrheit der Originale wurde und wird auch heute in den Schatzkammern und Archiven der Empfänger aufgehoben, die ihre Rechte auf der dauerhaften Beweiskraft der erhaltenen Dokumente begründeten. Ein Original wird also in der Regel nur vom Empfänger als Einzelexemplar aufbewahrt. Die Ausstellung von zwei oder mehreren Exemplaren ist nur in jenen (seltenen) Fällen bezeugt, in denen es mehrere Empfänger gab – wie bei der Urkunde von Kaiser20 Uroš an das Athos-Kloster Hilandar und Župan Vukoslav vom 15. Oktober 136021. Das gilt ebenso für Verträge, bei denen erwartet wird, dass das Zeugnis über festgelegte Rechte und Pflichten von beiden Seiten aufbewahrt wurde22. Dennoch gibt es ­lediglich zwei zuverlässige Zeugnisse über die Aufbewahrung eines der Originale beim Aussteller. Diese beziehen sich auf die Bestätigungen der Das hier dargestellte Modell wird in aktuellen Editionsprojekten als methodische Grundlage mehr oder weniger übernommen. Vgl. z. B. Porčić, Dokumenti (wie Anm. 11) und die digitale Work-in-Progress-Edition „Diplomatarium Serbicum Digitale“ als ein Projekt an der Serbischen Akademie der Wissenschaften und Künste; vgl. Žarko Vujošević, Old Wine into New Skins. The Charters Database Diplomatarium Serbicum Digitale, in: Power in Landscape. Geographic and Digital Approaches on Historical Research, hg. von Mihailo St. Popović/Veronika Polloczek/Bernhard Koschicek/Stefan Eichert, Leipzig 2019, S. 215–225. 19 Es könnte ungefähr bis zu 30 solcher Stücke geben; vgl. Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 120–127. Einige Beispiele werden in Ders., Status (wie Anm. 1) S. 109–124 untersucht. 20 Obwohl im Deutschen in diesen Fällen durchaus auch der Begriff des Zaren gebräuchlich ist, wird in diesem Text konsequent von Kaiser bzw. Kaisertum oder Kaiserreich gesprochen, weil dies dem Selbstverständnis der mittelalterlichen serbischen Herrscher am nächsten kommt, die sich dabei insbesondere auf Byzanz bezogen. 21 Vujošević, Status (wie Anm. 1) S. 116–117. 22 Beispiele für beide Fälle bei Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 130–131. 18

248

Žarko Vujošević

allgemeinen Privilegien an Dubrovnik von Kaiser Dušan (20. September 1349) und Vukašin, dem königlichen Mitregenten von Uroš, dem Sohn Dušans (5. April 1370)23. Dies mag bedeuten, dass die serbischen Aussteller, außer in seltenen und spezifischen Fällen, ein zweites Exemplar der ausgestellten Urkunden weder erstellt noch aufbewahrt haben. Die Analyse der Merkmale und Aufbewahrungsorte abschriftlicher Überlieferungen (einfache Kopien, Registerbücher, Chartulare u. a.) ergab für Serbien keine Fälle, in denen Urkunden oder Briefe in ein Kanzleibzw. Ausstellerregister eingetragen wurden. Angesichts der Tatsache, dass die westeuropäischen Herrscher erst in einer Zeit ausgesprochen umfangreicher dokumentarischer Produktion mit der Registerführung begonnen haben, kann man davon ausgehen, dass die serbischen Aussteller, die diesen Umfang bei Weitem nicht erreicht haben (wovon später noch die Rede sein wird), keine Auslaufregister haben anlegen lassen24. Über eine regelmäßige und geordnete Archivierung der Schriftstücke am Hof gibt es ebenfalls keine Angaben, sodass anzunehmen ist, dass in der reisenden Schatzkammer des Herrschers lediglich Exemplare der wichtigsten Dokumente aufbewahrt wurden, etwa Zeugnisse über die Verpflichtungen eines bestimmten Empfängers gegenüber dem Aussteller. Eine weitere für das Phänomen Kanzlei relevante Erkenntnis bezieht sich auf einfache Kopien in Form von authentischen Abschriften und Überarbeitungen (verunechtete Kopien). Die Analyse des verfügbaren Bestands zeigt, dass solche Exemplare ausschließlich bei den Empfängern aufbewahrt wurden, wobei sich mehr als 80 % dieser Dokumente im ­Besitz der beschenkten Klöster befand oder immer noch befindet. Diese Exemplare wurden von den Empfängern auch verfasst. Im Gegensatz zu systematisch eingerichteten Kanzleien, die eine mehr oder weniger regelmäßige Registerführung über den Dokumentenverkehr betrieben, wie in Dubrovnik oder in Venedig, wurden in den Klöstern Abschriften und überarbeitete bzw. verunechtete Kopien mit dem Ziel erstellt, diese als Be 23 Porčić, Dokumenti (wie Anm. 11) S. 249–253 (Edition und Kommentar der Urkunde von Dušan); Franz Miklosich, Monumenta serbica spectantia historiam Serbiae, Bosnae, Ragusii, Wien 1858, S. 179–181 (Edition der Urkunde von Vukašin). 24 Zu den Anfängen der Registerführung bei den Ausstellern in Frankreich und England siehe Jean Dufour, Peut-on parler d’une organisation de la chancellerie de Philippe Auguste?, in: AfD 41 (1995) S. 249–261, hier S. 250, 255–256 bzw. Jane E. Sayers, The English Royal Chancery. Structure and productions, in: Diplomatique royale du Moyen Âge XIIIe– XIVe siècles, hg. von José Marques, Porto 1996, S. 77–115, hier S. 78–80. Zum Fehlen von Registern in Serbien siehe auch Vujošević/Porčić/Živojinović, Kanzleiwesen (wie Anm. 1) S. 137 mit Anm. 8.

Das Phänomen Herrscherkanzlei im mittelalterlichen Serbien

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weismittel zu nutzen. So entstanden authentische Abschriften mit tatsächlicher Gültigkeit eines Originals, wie z. B. die Urkunde von Stefan Nemanjić für das Kloster auf der Insel Meleda (Mljet) mit späterer Bestätigung des Königs Milutin25. Das gilt aber ebenso für Interpolationen und Kompilationen, die als Originale präsentiert wurden. Als Beispiele dafür stehen die Urkunde Milutins für die Mönchszelle von Karyes von 1317/18 oder die vier erhaltenen Exemplare der „großen“ Urkunde desselben Königs für das Kloster Hilandar, ursprünglich wohl aus den Jahren 1303–0426. Solche Fälle legen nahe, dass Originale nicht ausschließlich als Kanzleiprodukte anzusehen sind, bzw. dass ein Original, im Sinne zeitgenössischer Rechtskraft, nicht nur ein aus dem Schreiberdienst des Herrschers hervorgegangenes Dokument sein muss27. Berücksichtigt man noch die Mitwirkung der Empfänger bei der Herstellung von „diplomatischen“ Originalen, wird die Rolle der Herrscherkanzlei als Träger der Urkundenproduktion zusätzlich relativiert.

25 Das zwischen 1217 und 1227 von Stefan Nemanjić ausgestellte Original wurde während Milutins Regierung (1282–1321) abgeschrieben und mit einer Bestätigung des aktuellen Herrschers versehen. Die neue Bestätigungsurkunde blieb als rechtsgültig erhalten, die ursprüngliche verlor an Bedeutung und verschwand. Für die Edition mit Kommentar siehe Porčić, Dokumenti (wie Anm. 11) S. 35–137, 190–192. Ein weiteres Beispiel bietet die Urkunde des Königs Vladislav an das Marienkloster von Bistrica (1234/43) mit der Bestätigung des Königs Uroš I (1243/76); vgl. Abb. 1 im Anhang. 26 Editionen mit Kommentar: Dragić Živojinović, Interpolisana hrisovulja kralja Milutina za Karejsku keliju Svetog Save Jerusalimskog (frz. Abstract: Chrysobulle interpolé du roi Milutin pour la cellule de Saint-Sabbas de Jérusalem à Karyès), in: Stari srpski arhiv 5 (2006) S. 11–41 (Karyes); Zbornik srednjovekovnih ćiriličkih povelja i pisama Srbije, Bosne i Dubrovnika I (1186–1321), hg. von Vladimir Mošin/Sima Ćirković/Dušan Sindik, Beograd 2011, S. 366–389 (Hilandar). Eine Rekonstruktion der „großen“ Urkunde Milutins für Hilandar und ihrer erhaltenen Exemplare bieten Mirjana Živojinović/Viktor Savić, Zbirne hrisovulje kraljeva Uroša II Milutina i Stefana Dušana manastiru Hilandaru (engl. Zusammenfassung: Composed chrysoboulloi of kings Uroš II Milutin and Stefan Dušan to the Hilandar monastery), in: Zbornik radova Vizantološkog instituta 54 (2017) S. 214–250, hier S. 224–241. 27 In einem solchen Erklärungskontext werden in der neueren Forschung auch weitere Beispiele gesehen: Nebojša Porčić, Stariji prepis velike povelje cara Dušana Dubrovniku (engl. Zusammenfassung: The Older Copy of Emperor Dušan’s Great Charter to Dubrovnik), in: Initial. A Review of Medieval Studies 4 (2016) S. 167–185; Žarko Vujošević, Vranjina i Sv. arhanđeli u Jerusalimu – još jedan osvrt na tradiciju darovne povelje cara Stefana Dušana (engl. Zusammenfassung: Vranjina and the Holy Archangels Monastery in Jerusalem – Another Look at the Tradition of Emperor Stefan Dušan’s Donation Charter), in: Istorijski časopis 66 (2017) S. 237–255.

250

Žarko Vujošević

Auswirkungen und Geltungsbereich der diplomatischen Produktion Der chronologische und räumliche Befund des verfügbaren Materials stellt klar, dass die diplomatische Produktion fast ausschließlich vom Ausmaß der politischen Aktivität des Herrschers, seinen Aufenthaltsorten und seinem Interesse für bestimmte Regionen und Empfänger abhing. Am stärksten entwickelt war sie in der Zeit der Könige Milutin, Stefan Dečanski und insbesondere Stefan Dušan (Kaiser ab 1346), dem die Autorschaft mehr als eines Drittels des Gesamtbestands zugeschrieben wird (siehe Tabelle 1). Die Anzahl der ausgestellten Dokumente steigt zumeist gleichmäßig an, außer im Falle von König Uroš I. und seinem Namensvetter mit Kaiser­ titel. Während man in Bezug auf den ersten über einen „Überlieferungszufall“ sprechen kann, ist der Produktionsrückgang unter Kaiser Uroš im Vergleich zu den Vorgängern durch die Schwächung seiner politischen Position bedingt, weshalb er auch für die traditionell wichtigsten Partner, nämlich den Stadtstaat Dubrovnik und das Kloster Hilandar, an Bedeutung verlor. Dasselbe gilt auch für die Jahre nach seinem Tod bis zur Festigung der Position des Fürsten Lazar in den zentralen serbischen Gebieten. Die genannten Empfänger richteten sich aber im Zeitraum von 1366 bis 1375/76, in dem keine Urkunden von Uroš und Lazar überliefert sind, an andere Aussteller, die tatsächlich in der Lage waren, sie zu begünstigen bzw. ihre Rechte zu bestätigen. So erhielten damals Dubrovnik elf und die Athos-Klöster 14 Diplome von verschiedenen Regionalfürsten28. Außer Dubrovnik und den Athos-Klöstern wurden Urkunden serbischer Herrscher, wenn auch in weitaus geringerer Zahl, meist und über einen längeren Zeitraum hinweg Empfängern im Ibar- und Lim-Tal sowie an der adriatischen Küste zuteil (Tabelle 2a/b). In den übrigen Gebieten spielte sich die diplomatische Aktivität in kurzen Zeitintervallen ab, meist die Eroberungszüge des Königs und danach Kaisers Dušan flankierend (Karten 1, 1a und 2). So gibt es Urkunden beispielsweise für Empfänger aus Mittel- und Westmazedonien kontinuierlich nur zwischen 1334 und 1346/47 (davor nur eine in 1299/1300). Bezeichnend ist auch, dass für die Gebiete nördlich und östlich der Linie Westmorava – Ibar keine einzige In der Sammlung „Serbian Royal Documents at the State Archives in Dubrovnik (1186–1479)” (https://www.monasterium.net/mom/SerbianRoyalDocumentsDubrovnik/ collection; zuletzt eingesehen Nov. 2019) sind auch die „Fürstenurkunden“ aus dem genannten Zeitraum zu finden. Die Angaben zu den 14  Urkunden für die Athos-Klöster nach Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 140–141 mit Anm. 296. 28

Das Phänomen Herrscherkanzlei im mittelalterlichen Serbien

251

Urkunde vor dem Jahr 1380 erhalten geblieben ist. Dies mag bedeuten, dass diese Region, wenngleich seit etwa hundert Jahren unter Hoheit der serbischen Herrscher, bis zur Zeit des Fürsten Lazar nur von marginalem Interesse für die Zentralmacht war, sowie dass sich der Dokumentenverkehr hier verhältnismäßig spät zu entwickeln begann. Andererseits zeigt sich die steigende diplomatische Produktion unter Stefan Lazarević und Đurađ Branković in vielerlei Hinsicht durch ihre Korrespondenz mit Empfängern in Ungarn bedingt, gerade weil sie zu diesem Land besondere politische und wirtschaftliche Beziehungen unterhielten29. Tabelle 2a: Regionale Verteilung der Urkundenempfänger unter Hoheit der serbischen Herrscher. Anzahl der Urkunden

Zeitraum

Ibar- und Limtal

Region

15

1183/90–134630

Adriatisches Küstenland

17

1217/27–135531

Kosovo und Metohija

 7

1321–47

Mittel- und Westmazedonien

 6

1334–46/4732

Strimongebiet

 5

1345–52

Thessalien

 2

1348

Moravagebiet

 2

um 1380

Als Vasallen des ungarischen Königs erhielten die beiden serbischen Monarchen Besitzungen in Ungarn. Für die damit in Verbindung stehende Urkundenproduktion siehe die Sammlung „Serbian Charters in Archives of Hungary (1411–1481)“ (https://www.monasterium.net/mom/RSChartersHun/collection?block=1; zuletzt eingesehen Nov. 2019). 30 Nach längerer Zeit gibt es für dieses Gebiet eine weitere Urkunde erst 1414/15(?): Andrija Veselinović, Povelja despota Stefana Lazarevića manastiru Mileševi (frz. Abstract: Charte du despote Stefan Lazarević en faveur du monastère de Mileševa), in: Stari srpski arhiv 2 (2003) S. 193–202. 31 Viel später wurden zwei Urkunden des Despoten Đurađ für die Stadt Budva ausgestellt (April 1441): Šime Ljubić, Listine o odnošajih izmedju južnoga Slavenstva i Mletačke republike 9 (Monumenta spectantia historiam Slavorum meridionalium 21), Zagreb 1890, S. 157 und Ders., Rukoviet jugoslavenskih listina, in: Starine Jugoslavenske akademije znanosti i umjetnosti 10 (1878) S. 1–41, hier S. 6. 32 Davor ist nur eine Urkunde überliefert, nämlich diejenige von König Milutin an das Kloster St. Georg bei Skopje von 1299/1300: Zbornik I (wie Anm. 26) S. 316–329. Wenn hier auch benachbarte Gebiete hinzugerechnet werden, wo sich die Kirchen in Orehovo und Arhiljevica befinden, erhöht sich die Zahl auf insgesamt acht Urkunden im Zeitraum von 1330 bis 1354/55. Für die Urkunden siehe Siniša Mišić, Povelja kralja Stefana Uroša III Dečanskog manastiru Svetog Nikole Mračkog u Orehovu (frz. Abstract: Charte du roi Stefan Uroš III Dečanski en faveur du monastère Saint-Nicolas Mrački in Orehovo), in: Stari srpski arhiv 1 (2002) S. 55–68 und Žarko Vujošević, Arhiljevička hrisovulja cara Stefana Dušana (engl. Zusammenfassung: The Arhiljevica chrysobull of emperor Stephen Dušan), in: Initial. A Review of Medieval Studies 1 (2013) S. 241–254. 29

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Žarko Vujošević

Tabelle 2b: Ausländische Empfänger33. Empfänger/Korrespondent

Anzahl der Urkunden und Briefe

Zeitraum

Dubrovnik

109

1186–1457

Spalato (Split)

  2

1190/94–1237

Hilandar

 43

1198/99–1411

Rom (Papst)

  2

1199–1220

Venedig

  7

1330–1435

Andere Athos-Klöster

 35

1345–145234

Kloster St. Michael in Jerusalem

  1

1350

Klöster in der Wallachei

  1

1405/06

Ungarische Städte

  6

1417–33

Hinsichtlich der Empfänger zeigt das erhaltene Material ein erwartbares Ergebnis: Die überwiegende Mehrzahl der Urkunden wurde für Klöster und Kirchen ausgestellt (127), während Dubrovnik insgesamt 109 Dokumente (46 Urkunden und 63 Briefe) erhielt. Dank der Tatsache, dass insbesondere die Athos-Klöster und Dubrovnik die zuverlässigsten Hüter der Schriftbestände waren, findet sich in ihnen auch manches für andere Empfänger bestimmte und dorthin über Umwege gelangte Stück. Es handelt sich dabei um Urkunden für geistliche oder weltliche Einzelpersonen, deren Privatarchive die Turbulenzen der ereignisreichen Jahrhunderte nicht hatten überstehen können. Tabelle 3: Verteilung nach Empfängergruppen. Urkunden Klöster und Kirchen

Briefe 127 Dubrovnik (und seine Bürger)

Städte 62 Beamte und Untertanen Laien

22 Ausländische Würdenträger

Bistümer 8 Ungarische Städte

63 16 13 5

Geistliche 5

Die Athos-Klöster werden hier berücksichtigt, auch in dem Zeitraum 1345–71, als die serbische Oberhoheit in dem Gebiet galt. 34 Ohne die Urkunde des Königs Milutin für die Mönchszelle von Karyes von 1317/18 (Anm. 26). 33

Das Phänomen Herrscherkanzlei im mittelalterlichen Serbien

253

Angesichts der schlechten Überlieferungsbedingungen ist davon auszugehen, dass heute lediglich ein Bruchteil der ursprünglichen Produktion erhalten ist. Selbstverständlich wäre dann die Einschätzung des Anteils der überlieferten Stücke an dem gesamten Urkundenausstoß von großem Interesse, insbesondere wenn es darum geht, eine klarere Vorstellung von den Kanzleiaktivitäten und ihrer Organisation zu gewinnen. In Ermangelung eines zuverlässigen Anhaltspunktes ist das aber bestenfalls nur in sehr eingeschränktem Maß möglich35. Stellt man aber die fragmentarische Überlieferung des serbischen Bestands den ebenfalls geringfügig erhaltenen Dokumenten im Vergleichsmaterial gegenüber, ist eine ausgesprochen große Diskrepanz bemerkbar36. Sogar im Falle weitaus besserer Überlieferungsbedingungen in anderen Gebieten, müsste diese zumindest teilweise einen wesentlichen Unterschied im Produktionsumfang widerspiegeln. Das lässt auch Rückschlüsse auf das Phänomen Kanzlei zu. Wenn nämlich in der Zeit Friedrichs I. mit einem Bestand von mehr als 1000 überlieferten Urkunden lediglich die Anfänge einer organisierten Kanzlei erkennbar sind, ist wenig wahrscheinlich, dass die weitaus geringere Urkundenpro Zumindest in der Korrespondenz mit Dubrovnik und den Athos-Klöstern, die eine kontinuierliche Überlieferung besitzen, sind keine wesentlichen Lücken anzunehmen. Davon zeugen auch die für sie ausgestellten und oben erwähnten „Fürstenurkunden“, die die fehlenden Herrscherdokumente zwischen 1366 und 1375/76 sozusagen ersetzten. Bemerkenswert ist aber, dass es unter allen anderen Klöstern nur drei gibt, für die jeweils drei oder mehr Urkunden bekannt sind: Vranjina am Skutarisee (acht Stücke, heute im Nationalmuseum zu Cetinje), Dečani in Metohija (alle vier bekannten Stücke nach Belgrad gelangt, eines inzwischen verschollen) und Žiča im niederen Ibartal (zwei Urkunden an der Innenwand des Eingangsturms eingeschrieben, die dritte ebd. nur in Fragmenten sichtbar); vgl. dazu Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1), S. 145 und Vujošević/Porčić/Živojinović, Kanzleiwesen (wie Anm. 1) S. 134–135 mit Karte. Nimmt man die zahlreichen Herrscherstiftungen und Bistümer (für die es heute nur noch acht Urkunden gibt) hinzu, die etwa anhand des Beispiels von Vranjina wenigstens eine Urkunde des jeweiligen Herrschers erwarten konnten, muss man auch für die unter allen Empfängergruppen dominierenden geistlichen Empfänger mit beträchtlichen Verlusten rechnen. 36 Einige Beispiele nach Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 141–142 (vgl. Ders., Status [wie Anm. 1] S. 111 mit Anm. 4): Der Jahresdurchschnitt von 0,2 Dokumenten unter Stefan Nemanjić im Vergleich zu 6,25 Dokumenten des ungarischen Königs Emmerich (zwischen 1196 und 1204) und 22 des römisch-deutschen Kaisers Friedrich II. (zwischen 1198 und 1217); oder die insgesamt 29 Urkunden von Lazar und Stefan Lazarević stehen ca. 4500 Urkunden der Wettiner zwischen 1381 und 1427 gegenüber, die mit der Landgrafschaft Thüringen und der Markgrafschaft Meißen ein ungefähr gleich großes Territorium wie das damalige Serbien verwalteten; vgl. Karlheinz Blaschke, Urkundenwesen und Kanzlei der Wettiner bis 1485, in: Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter. Referate zum VI. Internationalen Kongreß für Diplomatik, München 1983 (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung 35), München 1984, S. 193–202, hier S. 198. 35

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Žarko Vujošević

duktion in Serbien das Ergebnis eines Systems auf derselben oder gar einer höheren Entwicklungsstufe war37.

Ausstellungsorte und Personal Bei der Erforschung des formellen Rahmens einer Beurkundungsstelle gilt die Aufmerksamkeit zunächst ihrem Standort, bzw. den Orten, an denen die Dokumente verfasst und ausgestellt wurden. Aufgrund der Angaben in den Schriftstücken selbst ist festzustellen, dass sich die diplomatische Tätigkeit der serbischen Herrscher unter Bedingungen abspielte, die mit den genannten west- und mitteleuropäischen Modellen vergleichbar sind. Die Urkunden und Briefe entstanden meist in zeitweiligen und vorläu­ figen Residenzen (55 %), weiterhin an den „Durchreisestationen“ des Ausstellers (35 %) und schließlich auf Versammlungen (10 %)38. Der Herrscher wurde in der Regel vom gesamten Hofstaat begleitet, bestehend aus den bedeutendsten kirchlichen und politischen Persönlichkeiten, die zugleich an der diplomatischen Produktion beteiligt waren. Die grundlegende Schlussfolgerung lautet, dass die „Kanzlei“ während des gesamten serbischen „Urkundenzeitalters“ mit der Person des Monarchen untrennbar verbunden war. Die Urkunden wurden nur in seiner Gegenwart ausgestellt – zu der Zeit und an dem Ort, wo dies gerade praktisch durchführbar war (vgl. Karte 2). Dabei blieb ein Teil des Rechtsverkehrs an mündliche Anweisungen und Absprachen gebunden, die schriftlich in den entsprechenden Bedingungen erst auf Initiative des Empfängers fixiert wurden. Unter vielen Beispielen, deren narrative Elemente einen zeitlichen Abstand zwischen actio und conscriptio vermuten lassen, seien hier eine Besitzbestätigung des Königs Stefan Dečanski an Hilandar (5. September 1327), die Urkunde von Kaiser Dušan für den Adeligen Ivanko Probištitović (28. Mai 1350) sowie diejenige der Fürstin Milica-Evgenija, der Mutter von Stefan Lazarević, für das Athos-Kloster Groß-Lavra

Heinrich Appelt, Die Reichskanzlei Barbarossas. Ein terminologisches Problem?, in: Römische Historische Mitteilungen 28 (1986) S. 141–150 sowie: Die Urkunden Friedrichs I., 5: Einleitung, Verzeichnisse, bearb. von Heinrich Appelt unter Mitwirkung von ReinerMaria Herkenrath und Brigitte Meduna (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 10/5), Hannover 1990, S. 12. 38 Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 188.

37

Das Phänomen Herrscherkanzlei im mittelalterlichen Serbien

255

(1.  August 1398) genannt39. Die serbische „Wanderkanzlei“ wurde erst durch den Zwang politischer Gegebenheiten sesshaft, etwa in den letzten zehn Jahren des räumlich verkleinerten Despotats (ab 1445), als von 18 Dokumenten mit bekanntem Ausstellungsort 16 in der Residenzstadt Smederevo ausgefertigt wurden40. Was das Kanzleipersonal betrifft, stützt sich die Analyse zunächst auf die in den Dokumenten gemachten Angaben. Laut diesen können die Hauptakteure der diplomatischen Produktion in drei Gruppen eingeteilt werden: Diaken, Logotheten und andere41. Für die Diaken wird immer erwähnt, dass sie „schreiben“, während die Logotheten manchmal „schreiben“, manchmal aber die Schriftstücke „in Auftrag geben“, was meist mit dem Ausdruck преручи und seltener mit den Termini наручи und рече (= dt.: in Auftrag geben, sagen) bezeichnet wird. Ähnlich wie bei den Logotheten treten die „anderen“ Akteure ohne spezifische Amtsbezeichnung sowohl als Schreiber auf wie als Personen, die den Schreibauftrag erteilen. Interessanterweise werden in keinem Dokument zwei oder mehrere Handelnde namentlich oder mit ihrem Titel erwähnt, sodass eine mögliche hierarchische Ordnung lediglich indirekt aus Äußerungen wie НН преручи писати („NN gab in Auftrag zum Schreiben“) ableitbar ist. Die Mitwirkung des Herrschers wird oft ganz allgemein als Autorschaft bezeichnet (z. B. пише царство ми  – „mein Kaisertum schreibt“), jedoch geht aus zahlreichen Beispielen klar hervor, dass seine Rolle meist auf die Unterfertigung beschränkt war, eine Praxis, die in Byzanz und teilweise im Westen ebenfalls bezeugt ist42. 39 Editionen mit Kommentar: Siniša Mišić, Hrisovulja kralja Stefana Uroša III Hilandaru o sporu oko međa Kruševske metohije (frz. Abstract: Chrysobull du roi Stefan Uroš III au sujet d’un litige portant sur les limites du métoque de Kruševo), in: Stari srpski arhiv 3 (2004) S. 3–17; Vladimir Aleksić, Povelja cara Stefana Dušana vlasteličiću Ivanku Probištitoviću (frz. Abstract: Charte de l’empereur Stefan Dušan au Ivanko Probištitović), in: Stari srpski arhiv 8 (2009) S. 69–80; Aleksandar Mladenović, Povelje i pisma despota Stefana, Beograd 2007, S. 230. Im ersten Fall wird die Bestätigung nach einem Gerichtsverfahren sowie der Grenzenfestlegung und einer erneuten Intervention des Hilandar-Abtes Gervasius ausgestellt. Der zweite und der dritte Fall bezeugen mündliche Versprechungen der Aussteller, die jeweils ungefähr ein Jahr später schriftlich fixiert wurden, nachdem sie der Empfänger selbst (1350) bzw. seine Gesandten (1398) daran erinnert hatten (ausführlicher zu den Umständen: Vujošević, Kancelarija [wie Anm. 1] S. 188–189). 40 Ebd., S. 173–174, S. 186–188. 41 Zu Diak als Bezeichnung für den westeuropäischen cancellarius siehe Anm. 3 oben. 42 Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 190–192. Zur Herrscherunterfertigung in Byzanz siehe die Literatur in den Anm. 3 und 4 oben; für Frankenreich und Deutschland vgl. u. a. Waldemar Schlögl, Die Unterfertigung deutscher Könige von der Karolingerzeit bis

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Die entsprechenden Belege sind verhältnismäßig spärlich und ermöglichen lediglich eine teilweise und zeitlich begrenzte Rekonstruktion der Zusammensetzung des Personals im Schreibdienst der serbischen Herrscher. So gibt es nur in zwei Perioden gesicherte Erwähnungen von Diaken: 1299/1300–1323 (drei) und 1398–1405 (fünf). Der allgemeine Kontext, in dem diese erscheinen, lässt den Eindruck aufkommen, dass sie nicht zur Adelsschicht gehörten, während ihre Namen (Dabiša, Petric, Drtac, Ratko, Totorc, Tubica, zwei weitere bleiben anonym) von ihrem Laienstatus zeugen. Zudem steht nicht fest, ob sie alle im Dienste des Herrschers standen, was nur für zwei von ihnen bestätigt ist, oder mancher vielleicht auch zum Empfänger gehörte. Zu vermuten ist also, dass Diaken als Sachverständige niedrigerer Gesellschaftsschicht beauftragt wurden, für ihre Herren gelegentlich Dokumente zu schreiben, wobei das Vermerken ihrer Namen eher eine Ausnahme als die Regel war43. Die bedeutendsten Akteure der diplomatischen Produktion waren die Logotheten, deren Auftreten mit dem Zeitraum übereinstimmt, in dem der serbische Staat seinen politischen Aufstieg erlebte, einhergehend mit dem immer komplexeren Hofapparat, meist byzantinischen Vorbildern folgend. In den Dokumenten der Nemanjić-Dynastie kommen die Namen von acht Logotheten vor, die die Schriftstücke „schreiben“ oder „in Auftrag geben“, und zwar im Zeitraum zwischen 1325 und 1365 (Tabelle 4). Die eingeschränkten Möglichkeiten einer vergleichenden Analyse der inneren und vor allem der äußeren Merkmale des Materials, mithilfe derer ihre tatsächliche Rolle bei der Verfassung von Urkunden festgestellt ­werden könnte, lassen bislang vermuten, dass diese, vergleichbar mit den Logotheten in Byzanz, den Dokumentenverkehr kontrolliert haben, indem sie die Schriftstücke in Auftrag gaben, die erstellten Urkunden rekognoszierten und diese derart aufbereitet dem Herrscher zur Unterfertigung vorlegten. Eine solche Vorgehensweise, einschließlich Beglaubigung, kann zwar nur in einem Fall klar nachgewiesen werden (преручи, потписа и запечати – „gab in Auftrag, unterschrieb und besiegelte“); allerdings handelt es sich dabei um Cocan (1333–34), der hier gerade ohne Logotheten-Titel erwähnt wird44. Im Gesetzbuch von Kaiser Dušan (1349, Erweizum Interregnum durch Kreuz und Unterschrift. Beiträge zur Geschichte und Technik der Unterfertigung im Mittelalter (Münchener Historische Studien, Abt. Historische Hilfswissenschaften 16), Kallmünz 1978. 43 Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 192–196. 44 Cocan erscheint zunächst in einem Brief König Dušans an Dubrovnik (Mitte 1333), der in einer glaubwürdigen altitalienischen Übersetzung im Dubrovniker Kopialbuch erhalten

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terung 1354) wird in den Bestimmungen über die Logotheten- und Diaken-Tarife ein hierarchisch organisierter Schreibdienst angedeutet, was sich durch die Beurkundungsvermerke nur stellenweise bestätigen lässt („der Logothet NN gab das Schreiben in Auftrag“)45. Zudem gibt es vor und nach der „Logothetenzeit“ Mitte des 14. Jahrhunderts keine Angaben über eine mehrstufige Hierarchie mit Aufteilung der Zuständigkeiten. Die in den Jahren vor Dušans Kaiserkrönung (1346) begonnene kontinuierliche Folge von Logotheten dauert fast ununterbrochen in den folgenden zwei Jahrzehnten an und zwar bis zu der Zeit, in der, zumindest dem verfügbaren Material zufolge, die diplomatische Aktivität des Kaisers Uroš endet. Bemerkenswert ist auch der veränderte Dokumententyp, für den die Logotheten zuständig sind. Vor dem Auftreten des Logotheten Hrs/Hris herrschen Briefe/Schuldbegleichungen vor, während nach 1343 fast ausschließlich Urkunden (Diplome, Privilegien) von ihnen verantwortet werden. Diese Befunde weisen auf die Tendenz einer gewissen „Zentralisierung“ der diplomatischen Produktion während Dušans und teilweise Uroš‘ Herrschaftszeit hin. Als Anzeichen eines immer komplexer werdenden Hofapparats mit entsprechenden Folgen in der dokumentarischen Praxis mag die mögliche Überlappung der Pflichten des Logotheten Đurađ und des 1354–55 (?) in den Quellen erwähnten „Großlogotheten“ Gojko gelten. Doch die Frage bleibt wegen der ungeklärten Überlieferung sowie der umstrittenen Datierung beider Urkunden, in denen Gojko erscheint, ungelöst46. Bekanntlich ist (Sosan „comete“ – ein Begriff, der dem serbischen преручи entspricht): Porčić, Dokumenti (wie Anm. 11) S. 214–216. Ein Jahr später, am 19. Mai 1334, bereitet er in Gefolgschaft seines Herrn in Dobrušta bei Prizren die Urkunde für den gleichen Empfänger wie oben im Text angeführt vor (ebd., S. 218–220). Die Tätigkeit von Cocan ist möglicherweise auch bei der Herrscherunterschrift der undatierten Urkunde König Dušans für Dubrovniker Händler zu erkennen (Edition mit Kommentar ebd., S. 205–207): Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 198. Die hoch aufgelösten Abbildungen beider Dokumente sind in der entsprechenden Sammlung auf www.monasterium.net (wie Anm. 28) zu sehen: https://www.monasterium.net/mom/SerbianRoyalDocumentsDubrovnik/133112xx_cca_–_Dušan/charter (dort mit dem Datum Dezember 1331) und https://www.monasterium.net/mom/SerbianRoyalDocumentsDubrovnik/13340519_–_Dušan/charter. 45 Dušanov zakonik, hg. von Đorđe Bubalo, Beograd 2010, S. 102 („Paragraph“ 134 – Übersetzung); S. 199 (Kommentar des Herausgebers). 46 Gojko kommt zunächst als Logothet in der Kaiserurkunde für die Kirche in Arhiljevica (datiert vom 10. August 1354) vor: Vujošević, Arhiljevička hrisovulja (wie Anm. 32) S. 247, S. 250–252 (zum Datierungsproblem). In einem Papstbrief vom 24. Dezember 1354 (siehe bei Sima Ćirković, Hilandarski iguman Jovan. Problem akata srpske carske kancelarije [engl. Zusammenfassung: The Hegoumenos of Hilandar Jovan. A Problem of the Act of the Serbian Chancery], in: Osam vekova Hilandara, hg. von Vojislav Korać, Beograd 2000,

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Žarko Vujošević

sind die Logotheten im Dienste der Nemanjić-Dynastie auch anderen Pflichten nachgegangen, wie diplomatischen Missionen (Hrs/Hris, Dragoslav, Dejan) oder der Durchführung von urkundlich fixierter Beschlüsse (Đurađ und Bratoslav in der Rolle von милосник – im Sinne etwa „Vollzieher des Herrschers Gnade“)47. Die Aktivität dieser Würdenträger in mehreren „Ressorts“ wird, wenngleich lediglich teilweise, ebenfalls durch das Gesetzbuch Dušans bestätigt, in dem ihre Mitwirkung an der Abfassung von Urkunden erst nach dem Recht der „Verwaltung der Kirchen“ erwähnt wird48. Daher kann man sie nur bedingt als Kanzleivorsteher bezeichnen. Tabelle 4: Liste der Logotheten als Akteure der diplomatischen Produktion. Name

Zeitraum

Urkunden

Briefe/Schuld­ begleichungen

Rajko

1325–27

2

2

Cocan (?)

1333–34

1

1

1340

0

1

1343–45

4

0

Đurađ

1349(?)–55

7

1

Gojko

1354–55(?)

1

0

Dragoslav

1356–60

5

0

Dejan

1362–65

2

0

1370

1

0

1381

1

0

1456–57

2

0

Pribac Hrs/Hris

Bratoslav Novak Stepan Ratković

S. 59–70, hier S. 69) sowie in der Urkunde an Hilandar, die mit dem Datum 25. März 1358 die Unterschrift Kaiser Dušans (!) trägt, wird er „Großlogothet“ genannt, wobei er im zweiten Dokument als милосник („Vollzieher“ – siehe dazu die nächste Anmerkung) neben dem die Urkunde „festlegenden“ Logotheten Đurađ erwähnt wird: Siniša Mišić, Hrisovulja cara Stefana Dušana o poklanjanju crkve Svetog Nikole u Psači manastiru Hilandaru (frz. Abstract: Chrysobulle de l’empereur Stafan Dušan sur la donation de l’église Saint-Nicolas à Psača au monastère de Chilandar), in: Stari srpski arhiv 4 (2005) S. 135–149, hier S. 139. 47 Ausführlicher über Logotheten in der serbischen Diplomatik: Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 196–209 mit einem Versuch der Schrift- und Diktatanalyse der Urkunden unter „Zuständigkeit“ von Logothet Đurađ (S. 199–201), die seine Rolle nur als Auftraggeber und/oder Rekognoszent (nicht also Schreiber und Diktator) bestätigen konnte. Über die Bedeutung und Aufgaben von милосник: Miloš Blagojević, Državna uprava u srpskim srednjovekovnim zemljama (engl. Zusammenfassung: Administration in Serbian Medieval Lands), Beograd 22001, S. 99–157. 48 Dušanov zakonik (wie Anm. 45), S. 80 („Paragraph“ 25 – Übersetzung), S. 158 (Kommentar des Herausgebers).

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In der Zeit nach der Nemanjić-Dynastie werden als Akteure der Urkundenproduktion nur noch drei Logotheten erwähnt: Einer unter Vukašin, einer unter Lazar und der dritte erst in der Zeit der Despoten Đurađ und Lazar Branković (siehe Tabelle 4). Weitaus zahlreicher erwähnt werden sie zu dieser Zeit als „Vollzieher“ (милосник), und zwar stets in den Urkunden für die Küstenstädte, vier für Dubrovnik und zwei für Budva49. Die Kontinuität der Ausübung verschiedener wichtiger Aufgaben in unmittelbarer Nähe des Herrschers zeigt, dass die Logotheten hochrangige Hofbeamte waren und blieben, für die der schriftliche Rechtsverkehr nur eine von mehreren politischen, diplomatischen und repräsentativen Pflichten war. Der Kontext, in dem sie in den Quellen erwähnt werden, weist darauf hin, dass es sich in der Regel um Laien handelte, was wiederum dem byzantinischen Modell entspricht. Das vereinzelte Beispiel der Erwähnung des Erzbischofs Joanikije als einmaligem Logotheten, über dessen Mitwirkung an der Abfassung von Dokumenten übrigens keine unmittelbaren Angaben vorliegen, vermag diese Schlussfolgerung kaum zu relativieren50. Vielmehr wird dadurch die Bindung des Logothetenamtes an den Laienstand zusätzlich bestätigt. Denn eine amtliche Laufbahn in entgegengesetzter Richtung ist nicht belegt, zumal es keine Erkenntnisse von irgendeinem ein kirchliches Amt tragenden Logotheten gibt. Einhergehend mit der Doppelung der Zuständigkeiten der Logotheten am serbischen Hof verläuft auch die für das Mittelalter bezeichnende Doppelung der Strukturen. In der dokumentarischen Praxis spiegelt sich dies durch die Beteiligung auch von anderen Akteuren mit unterschiedlichen Titeln und Rängen wider. So wurde das Verfassen von insgesamt fünf Briefen/Schuldbegleichungen von den Cattarer Adeligen Bisti de Primutis und Nicola Bucchia in Auftrag gegeben, die für die Finanzen von Stefan Dečanski und Dušan zuständig waren51. Ihr Auftreten in dieser Rolle wäre Vujošević, Kancelarija (wie Anm.  1) S.  206–207; vgl. Blagojević, Uprava (wie Anm. 47) S. 138–139, 179–180, 229–230. 50 Die Nachricht von einem namentlich unbekannten Logotheten des Königs Dušan, der Anfang 1338 zum Erzbischof (und 1346 zum ersten Patriarchen) der Serbischen Kirche erhoben wurde, findet sich in einer der wichtigsten narrativen Quellen des serbischen Mittelalters – der Biographiensammlung der Herrscher und Kirchenoberhäupter, verfasst vom Erzbischof Danilo II. (1324–37) und seinem Schüler: Životi kraljeva i arhiepiskopa srpskih od arhiepiskopa Danila  II, hg. von Lazar Mirković/Nikola Radojčić, Beograd 1935, S. 288. 51 Zu Bisti de Primutis, wohl dem Verwalter des königlichen Fiskus zur Zeit von Stefan Dečanski: Blagojević, Uprava (wie Anm. 47) S. 104–108 und Marica Malović-Đukić, Biste de Primutis, kotorski vlastelin (XIV vek) [engl. Zusammenfassung: Biste de Primutis, a 49

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ein klarer Beweis der informellen Struktur der serbischen Kanzlei, gerade in der Zeit, als sie begann, eigene organisatorische Konturen anzunehmen. Neben diesem Pragmatismus bei den Kanzleigeschäften, indem die mit Steuerangelegenheiten zusammenhängenden Dokumente den Finanz­ beamten oblagen, gibt es auch ein Beispiel der Überlappung der Zuständigkeiten mit den Logotheten: Einige Monate nachdem Nicola Bucchia die Abfassung eines Bestätigungsbriefs zur Schuldbegleichung in Auftrag ­gegeben hat, wird ein typologisch ähnliches Dokument von dem Logothet Pribac „geschrieben“ (Anfang 1340)52. Dass die Aufträge für die Ausstellung von Dokumenten auch von anderen, sicherlich zur Adelsschicht gehörenden Personen aus dem Gefolge des Herrschers erteilt wurden, zeigen auch die Beispiele von Žarko (1350) sowie des Kaisars Vojihna (1357)53. Unmittelbare Zeugnisse über Geistliche als Mitwirkende bei der Abfassung von Dokumenten sind im serbischen Material überraschenderweise selten und stammen (fast) alle aus der Zeit vor der Errichtung des Kaisertums (1346). So werden Erzbischof Arsenije in der Urkunde des Königs Uroš an das Bistum von Hum (ausgestellt zwischen 1254 und 1263) und Abt Sava von Studenica in Milutins Urkunde an St.  Georg bei Skopje (1299/1300) nur allgemein erwähnt  – als Mitaussteller54. Als Petent in 14th century Kotor gentleman], in: Istorijski časopis 55 (2007) S. 73–82. Zu Nicola Bucchia, dessen Laufbahn zwischen 1333 und spätestens 1354 (vor Februar gestorben) vom Zöllner über die Position des comes camerarius bis zum Protovestiarios (ab 1345, als der byzantinische Titel für den „Finanzminister“ eingeführt wurde) führte: Dejan Ječmenica, Nikola Buća i Dubrovnik (engl. Zusammenfassung: Nikola Buća and Dubrovnik), in: Godišnjak Pomorskog muzeja u Kotoru 59/60, 1 (2011–2012) S. 329–349. Zu beiden Personen im Kontext der Urkundenproduktion vgl. Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 210–211. 52 Beide Schreiben galten Dubrovnik bzw. seinen Bürgern: Porčić, Dokumenti (wie Anm. 11) S. 220–222. 53 Der in der Urkunde vom 28. Mai 1350 titellose „Auftraggeber“ Žarko – vgl. Aleksić, Povelja (wie Anm. 39) S. 74, 78 – mag der aus den Quellen vom Ende 1356 und Anfang 1357 bekannte Verwalter von Zeta sein (vgl. Ćirković, Iguman [wie Anm. 46] S. 68; Porčić, Dokumenti [wie Anm. 11] S. 64). Im zweiten Fall ist in der Urkunde des Kaisers Uroš für die Kaisarin (nicht Kaiserin!) Irene (15. April 1357) als „Auftraggeber“ der hochrangige Hof­adelige Vojihna genannt, möglicherweise ein Verwandter des Kaisers Dušan und nach 1355 ein wichtiger Akteur im Gebiet von Serres: Dragutin Anastasijević, Srpski arhiv Lavre Atonske, in: Spomenik Srpske kraljevske akademije 56 (1922) S. 6–7 (Urkundenedition); Sima Ćirković, Oblast kesara Vojihne (engl. Zusammenfassung: The Territory of Caesar Vojihna), in: Zbornik radova Vizantološkog instituta  34 (1995) S.  175–184 (über ­Vojihna); siehe auch Žarko Vujošević, Hrisovulja cara Stefana Dušana Hilandaru o selu Potolinu (frz. Abstract: Chrysobulle de l’empereur Stefan Dušan à Chilandar relatif au ­village de Potolino), in: Stari srpski arhiv 5 (2006) S. 115–137. 54 Editionen: Zbornik I (wie Anm. 26) S. 227–231 bzw. S. 316–329.

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König Dušans Urkunde für das Marienkloster in Tetovo vom Sommer 1343 erscheint der dortige Abt Arsenije55. Doch der Beurkundungsvermerk („nach Erwähnung/Erinnerung des sündigen Mönchs Arsenije, dem Abt von Tetovo, schrieb Herr König Stefan mit seinem Sohn Uroš“) sowie der Urkundentext mit langen der Widmung der Klosterkirche passenden liturgischen Passagen lassen auch sein Diktat vermuten. Die Rolle des Metropoliten von Skopje Johannes bei der Ausstellung von drei Chrysobullen im Zuge der Reichsversammlung anlässlich der Kaiserkrönung Dušans in der genannten Stadt im April 1346 für die Athos-Klöster Xeropotamou, Esphigmenou und Vatopedi scheint noch ungeklärt zu sein, ob er nämlich als Rekognoszent oder als Petent agierte56. Die wohl unterschiedliche Schrift an den entsprechenden Stellen beider Original überlieferten Dokumente (für Xeropotamou und Esphigmenou) mag aber für die zweite Möglichkeit sprechen57. Ansonsten wäre dies der einzige namentliche Beurkundungsvermerk in den griechischsprachigen Urkunden serbischer Herrscher. Im ganzen Bestand sind lediglich zwei Urkunden zu finden, deren ­Beurkundungsvermerk vermutlich ein Standardverfahren beschreibt. In Milutins Bestätigung an die Familie Žaretić von 1316 ist nachzulesen, diese sei vom Mönch Antonije „niedergeschrieben und besiegelt“ worden58. Den zweiten Fall stellt Dušans Urkunde für Hilandar dar, in der es um eine Schenkung der Adeligen Radoslava an das Kloster geht (1337?, s. Abb.  2)59. Darin wurde vermerkt, das Stück sei am Herrscherhof in Edition und Kommentar: Marija Koprivica, Hrisovulja kralja Stefana Dušana Htetovskom manastiru (engl. Zusammenfassung: Chrysobull of king Stefan Dušan for Htetovo monastery), in: Stari srpski arhiv 13 (2014) S. 143–179, hier S. 153. 56 Über die Urkunden (samt Editionen- und Literaturangaben): Dragić M. Živojinović, Regesta grčkih povelja srpskih vladara, in: Miscellanea 27 (2006) S. 57–99, hier S. 72–73. Dem Namen des Metropoliten Johannes geht jeweils der Ausdruck Διά τοῡ voraus, über dessen Bedeutung in den byzantinischen Kaiserurkunden gegensätzliche Meinungen geäußert wurden: Dölger/Karayannopulos, Urkundenlehre I (wie Anm. 3) S. 37–38 und Johannes Karayannopulos, Zu den „διά-Vermerken“ der byzantinischen Kaiserurkunden, in: Documenti medievali greci e latini (Icontri di studio 1), hg. von Giuseppe De Gregorio/Otto Kresten, Spoleto 1998, S. 203–232 (Bedeutung: Intervent/Petent); Oikonomidès, Chancellerie (wie Anm. 3) S. 178 (Bedeutung: Rekognoszent). 57 Žarko Vujošević, On the Role of the Clergy in the Composition of Serbian Medieval Royal Charters, in: Initial. A Review of Medieval Studies 7 (2019) S. 73–82, hier S. 78–79. 58 Edition: Porčić, Dokumenti (wie Anm. 11) S. 186–187. 59 Edition: Smilja Marjanović-Dušanić/Tatjana Subotin-Golubović, Povelja kralja Stefana Dušana manastiru Hilandaru. Potvrda o poklonu Manastira Sv. Đorđa i sela Uložišta koji je Hilandaru priložila Milšina žena Radoslava (frz. Abstract: Charte du roi Stefan Dušan au monastère de Chilandar. Confirmation de la donation du monastère de Saint-Georges et 55

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Svrčin vom Hilandarer Abt Arsenije niedergeschrieben und vom König unterzeichnet worden. Durch die vergleichende Analyse des spärlich aufbewahrten, zeitgenössischen dokumentarischen Materials ist die Tätigkeit dieser beiden Geistlichen bei sonstigen ähnlichen Gelegenheiten nicht zu erkennen. Schließlich sind in weiteren Quellen noch zwei Geistliche als Verfasser von Urkunden bzw. als „Kanzler“ im Dienst der Herrscher bezeugt. Die serbische Version der Vereinbarung zur Eheschließung zwischen Vladislav, dem Sohn des Königs Stefan Dragutin (1276–82), und Francesca ­Morosini aus einer venezianischen Adelsfamilie wurde in Venedig am 24. August 1293 von Bratko geschrieben, der in der italienischen Übersetzung des Aktes als „Priester des Königs Stefan“ (Bratico, prete dil ditto signor re Stefano) genannt wird60. Das machte er wohl nach dem Diktat des Bischofs Vasilije, ebenfalls im Dienste des Königs, der zusammen mit einem Dubrovniker Gesandten als Aussteller bzw. Bürge der Vereinbarung in der ersten Person vorkommt. Im zweiten Fall wird in einem Brief des Papstes Clemens V. an Petrus archidiaconus Antibarensis von 1307 der Adressierte als cancellarius der serbischen Königin Jelena, der Gemahlin des damals schon verstorbenen Königs Uroš I., genannt61. Angesichts der Tatsache, dass die Schlüsselrolle des Klerus in den Kanzleigeschäften der mittel- und westeuropäischen Herrscher seit Karolingerzeit als bewiesen gilt, was teilweise auch für Byzanz zutrifft, stellt sich die Frage, ob dies auch in Serbien der Fall war. Allerdings bieten die serbischen Urkunden für eine gesicherte Schlussfolgerung in dieser Richtung nicht ausreichend unmittelbare Beweise. Doch die Analyse der Texte eröffnet die Möglichkeit, unter ihren Autoren nicht nur Kleriker niederen Ranges, sondern auch Angehörige der hohen Geistlichkeit zu entdecken oder zumindest zu vermuten. So können unter den Verfassern der serbischen Arengen, die in 80 % der Urkunden für kirchliche Empfänger enthalten sind, außer dem genannten Abt Arsenije auch die Erzbischöfe Sava I. (1219–33/34), Nikodim I. (1317–24) und Danilo II. (1324–37), die du village de Uložište, faite par la femme de Milša, Radoslava), in: Stari srpski arhiv 9 (2010) S. 63–73, hier S. 64–66. 60 Die ursprünglich auf Serbisch und Latein verfassten Originale sind verlorengegangen. Erhalten sind mehrere späte italienische Übersetzungen. Edition mit Kommentar: Nebojša Porčić/Neven Isailović, Dokumenti srednjovekovnih vladara Srbije i Bosne u venecijanskim zbirkama (engl. Zusammenfassung: Documents of Rulers of Medieval Serbia and Bosnia in Venetian Collections), Beograd 2019, S. 432–437. 61 Augustin Theiner, Vetera monumenta Slavorum meridionalium historiam illustrantia I, Roma 1863, S. 124–125.

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Patriarchen Sava IV. (1354–75) und Spiridon (1379–89) sowie Jakov, der Metropolit von Serres (Mitte des 14. Jahrhunderts), mit mehr oder weniger Sicherheit identifiziert werden 62. Gerade die Arengen mit ihrem in der Regel „quasiliturgischen“ Ton, begleitet durch zahlreiche (und oft der Widmung der beschenkten Kirche passende) Gebete und Bibelzitate, bestätigen die ausschlaggebende Rolle von Geistlichen bei der Entstehung der Urkunden. Bestimmend ist diese wohl bis zur Zeit von Stefan Lazarević und Đurađ Branković, in deren Diplomen die für die vorherige Epoche kennzeichnenden Belege über das gemeinsame Wirken der staatlichen und kirchlichen Führungsschicht in der diplomatischen Produktion nicht mehr zu finden sind. Demzufolge ist anzunehmen, dass die Kleriker aus dem Gefolge des Herrschers, ebenso wie jene aus dem beschenkten klösterlichen Umfeld, bis zum 15. Jahrhundert die wichtigsten Träger des „inneren“ Rechtsverkehrs waren, von dem fast ausschließlich Urkunden für kirchliche Empfänger erhalten geblieben sind.

Diplomatische Formeln und Urkundensprache(n) Die Erwähnung von Arengen führt uns weiter zu den für diese Untersuchung ausgewählten inneren Merkmalen der serbischen Herrscherurkunden: Neben den Proömien sind dies die Intitulationen und die Unterfertigungen. Die Erforschung der Arengen gibt auch eine Vorstellung von den Grundmodellen der Urkundenentstehung. In der Frühphase überwogen Empfängerausfertigungen sowie, bei wiederholten Bestätigungen und/ oder Schenkungen von Besitzungen und Privilegien an denselben Empfänger, Übernahmen des „nichtjuristischen“ Rahmens der Vorurkunden. Diese Modelle blieben bis zum Ende der serbischen mittelalterlichen Herrscherdiplomatik präsent. Doch lässt sich seit der Regierung von Stefan Dečanski, und mit größerer Sicherheit seit Dušan und Uroš eine gelegentliche Verwendung von sonst nicht erhaltenen Formularen vermuten. Dieses Phänomen, das auf eine bedeutendere Teilnahme des Herrschers und seines Gefolges bei der Verfassung von Dokumenten hindeutet, wird zu einem der Merkmale der diplomatischen Produktion von Stefan Lazarević und insbesondere von Đurađ Branković63. Über die serbischen Arengen und ihre Verfasser Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 252–267. 63 Ebd., S. 267. 62

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Die Vielfalt an diplomatischen Mustern als Hinweis auf die fehlenden festgefügten Kanzleibräuche ist besonders bemerkbar am Beispiel der Formeln der Intitulatio und der Unterfertigung, bei denen allerdings Formalisierung und Wiederholbarkeit zu erwarten wären. Die Mannigfaltigkeit ist besonders für die Frühphase kennzeichnend, zumal in 28 Urkunden, die bis 1282 ausgestellt wurden, 24 verschiedene Intitulationes zu erkennen sind, während in 23 Unterfertigungen nur eine Wiederholung vorkommt. Auch in der nächsten Phase gab es zahlreiche Variationen, sodass diese Vielfalt als Merkmal der dokumentarischen Praxis der serbischen Herrscher bis zum Ende des Mittelalters bestehen bleibt64. Sie weist auf einen breiteren Verfasserkreis der Urkundentexte hin sowie auf eine gewisse „schöpferische“ Freiheit, die diesen Akteuren bei ihrer Tätigkeit zugestanden wurde. Zieht man die bereits mehrmals herausgestellte Rolle der kirchlichen Empfänger und der Hofkleriker bei der diplomatischen Produktion in Betracht, zeigt gerade das Beispiel der großen Ausdrucksvielfalt der Intitulationes, dass die politisch-ideologischen Botschaften der Urkunden nicht nur aus der Sicht des Herrschers, d. h. des Ausstellers, zu deuten sind, sondern auch als eine Wahrnehmung, welche die ihn umgebende geistige Elite von ihm hatte oder zu vermitteln versuchte. Dennoch ist bei bestimmten Dokumentengruppen eine Standardisierung bemerkbar. So verfestigen sich die Formeln in der Kommunikation mit Dubrovnik, ebenso die in Briefen vorkommenden Ausdrucksweisen, während die Formalisierung in den griechischen Urkunden aus dem 14. Jahrhundert und den lateinischen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts offensichtlich ist. Doch auch die Mehrsprachigkeit des diplomatischen Erbes der serbischen Herrscher, mit den Besonderheiten der in lateinischer (12 % des Bestands) und in griechischer Sprache (9 %) ausgestellten Urkunden, weist eher auf die Fähigkeit der Aussteller, ihre Tätigkeit den aktuellen Bedürfnissen anzupassen, als auf vorhandene Kanzleistrukturen für die fremdsprachliche Korrespondenz hin65. In dem Sinne ist anhand der Analyse Ebd., S. 267–274. Ebd., S. 274–283; vgl. Vujošević/Porčić/Živojinović, Kanzleiwesen (wie Anm. 1) S. 142. Zur jahrzehntelangen Diskussion zwischen Dölger und Mošin zu diesem Thema siehe u. a.: Vladimir Mošin, Gab es unter den serbischen Herrschern des Mittelalters eine griechische Hofkanzlei, in: AUF 13 (1935) S. 183–197; Ders., Akti iz svetogorskih arhiva, in: Spomenik Srpske kraljevske akademije 91 (1939) S. 219–260; Franz Dölger, Byzantinische Diplomatik. 20 Aufsätze zum Urkundenwesen der Byzantiner, Ettal 1956, S. 75–101, 152–175, 302–324. 64 65

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dieses Materials zu schließen, dass die serbischen Herrscher bis zum 15. Jahrhundert keinen lateinischen Schreibdienst hatten. Entweder beauftragten sie nach Bedarf Schreiber, die imstande waren, Dokumente in dieser Sprache zu erstellen, oder dies wurde von den Empfängernotaren erledigt. Angesichts der recht spärlichen schriftlichen Kommunikation auf Latein auf hoher Ebene vor 1330, zumindest den verfügbaren Quellen zufolge, war ein solches Amt wohl auch nicht notwendig66. In den Zeiten, als die Korrespondenz immer umfangreicher wurde, wurden entsprechende Lösungen gefunden. So haben Stefan Dečanski und Dušan diese Aufgaben vermutlich ihren von der adriatischen Küste stammenden Höflingen anvertraut, nämlich den schon erwähnten Leitern der Hoffinanzen Bisti de Primutis und Nicola Bucchia67. Erst die Despoten Stefan Lazarević und Đurađ Branković hatten einen ständigen Kanzler – Nicola de Archilupis, ebenfalls aus Cattaro – wobei wahrscheinlich auch dieser anderen Tätigkeiten nachging und nur zeitweise mit der Abfassung von Urkunden beschäftigt war68. Was die griechischen Urkunden betrifft, die nur in einem kurzen Zeitraum während Dušans Herrschaft zwischen 1344 und 1355 ausgestellt wurden (insgesamt 28 Stück, dazu noch eine Urkunde von Kaiser Uroš aus dem Jahr 1361), neigen wir dazu, die Ergebnisse der Analyse von ­Vladimir Solovjev und Vladimir Mošin zu akzeptieren, in der vor allem aufgrund sprachlicher und orthographischer Merkmale gefolgert wird, es

Es sind insgesamt 38 auf Latein verfasste Urkunden und Briefe der serbischen Herrscher bekannt, von denen 33 nach 1330 ausgestellt wurden; vgl. Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 276. Vgl. z. B. den Brief des Despoten Stefan Lazarević an die Bürger von Nagybánya/Rivulus Dominarum (1417), Abb. 5. 67 Siehe S. 259 f. mit Anm. 51 oben. 68 Der Cattarer Notarius Nicola de Archilupis verfasste und besiegelte das Friedensabkommen mit Venedig von 12. August 1423 (im Namen von Stefan Lazarević) und beglaubigte das von einem venezianischen Notar geschriebene Friedensabkommen ebenfalls mit Venedig vom 14. August 1435 (im Namen von Đurađ Branković): Porčić/Isailović, Dokumenti (wie Anm. 60) S. 308–320 bzw. 377–389. In beiden Dokumenten, erhalten in authentischen Abschriften, nennt er sich imperiali auctoritate iudex ordinarius et publicus notarius, im ersten zudem despoti Stefani Rassie et... domini Georgii scriba und im zweiten wird er von seinem Kollegen als Nicolao, cancellario... domini despoti angeführt. Zu seinen weiteren Erwähnungen (u. a. Nixa cancellarius und cancellarius et orator illustris domini despoti Rassie) vgl. Konstantin Jireček, Die mittelalterliche Kanzlei der Ragusaner, in: Archiv für slavische Philologie 26 (1904) S. 161–214, hier S. 164–165. Es wird vermutet, dass er trotz ständiger Beziehungen zum Küstenland auch am Hof des Đurađ Branković in Smederevo weilte und in Serbien 1444 starb: Đorđe Bubalo, in: Srpski biografski rečnik 7, hg. von Branko Bešlin, Novi Sad 2018, S. 358. 66

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handelte sich in der Regel um Empfängerausfertigungen69. Die dokumentarische Aktivität in den neueroberten griechischen Gebieten, in denen es auch sonst keinerlei bedeutende Veränderungen in der Lokalverwaltung und den Gebräuchen gab, konnte ähnlich wie jene im normannischen Königreich Sizilien bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts organisiert werden, wo die Herrscher bei der Ausstellung von Urkunden in den Sprachen der Einheimischen auf Empfänger sowie lokale Beamte in Gebieten mit griechischer und arabischer Bevölkerung angewiesen waren70.

Schluss Wenn wir abschließend versuchen, das Phänomen der serbischen Herrscherkanzlei im Mittelalter zu definieren, scheint es bei dem derzeitigen Stand der Forschung angemessen, diese als flexiblen Schreibdienst zu bezeichnen, der zweimal auf dem Weg war, sich in Richtung einer Institution zu entwickeln71. Zunächst wurde diese Entwicklung durch die politische Krise nach dem Zerfall des Serbischen Kaiserreichs 1371 gebremst. Später wurde sie durch den Fall des serbischen Despotats 1459 abgebrochen, der auch das Ende der Staatlichkeit Serbiens im Mittelalter bedeutete. Dabei entwickelte sich die Herrscherkanzlei in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts von der Phase der Gelegenheitsbeurkundung zu einem höheren Organisationsgrad, als das ursprünglich dem west- und mitteleuropäischen Modell entsprechende Gebilde gewisse byzantinische Merkmale Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 280–283. Die ausführliche Analyse findet sich in der einleitenden Studie zur Edition aller griechischsprachigen Urkunden der serbischen Herrscher: Aleksandar Solovjev/Vladimir Mošin, Grčke povelje srpskih vladara (Diplomata graeca regum et imperatorum Serviae), Beograd 1936, S. XCVIII–CV (die einleitende Studie auf Serbisch, die diplomatische Beschreibung und der Kommentar parallel SerbischFranzösisch). Diese Auffassung versuchte Dölger allerdings zu widerlegen: Franz Dölger, Empfängerausstellung in der byzantinischen Kaiserkanzlei? Methodisches zur Erforschung der griechischen Urkunden des Mittelalters, in: AUF 15 (1938) S. 393–414. 70 Zur mehrsprachigen diplomatischen Produktion und „Herrscherkanzlei“ im Königreich Sizilien siehe u. a. Horst Enzensberger, Beiträge zum Kanzlei- und Urkundenwesen der normannischen Herrscher Unteritaliens und Siziliens (Münchener Historische Studien, Abt. Geschichtliche Hilfswissenschaften 9), Kallmünz 1971, und Julia Becker, Die griechischen und lateinischen Urkunden Graf Rogers I. von Sizilien, in: QFIAB 84 (2004) S. 1–37 (bes. 4–13). 71 Die Bezeichnung „flexibler Schreibdienst” wird von Sebastian Gleixner, Sprachrohr kaiserlichen Willens. Die Kanzlei Kaiser Friedrichs II (1226–1236) (AfD Beiheft 11), Köln 2006, S. 543 übernommen. 69

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übernahm. Auch in dieser Zeit war sie weder professionell noch hierarchisch strukturiert, sondern handelte vor allem pragmatisch. Ihre Träger waren Akteure von unterschiedlichem Status und Rang am Herrscherhof, aber in bedeutendem Umfang, bei einigen Dokumententypen wohl überwiegend, auch Empfänger. Gerade dieser Pluralismus in der dokumentarischen Praxis erklärt die vorherrschende Vielfalt der diplomatischen Formen und Inhalte, deren Reichtum an textlichen und visuellen Botschaften einen getreuen Spiegel der vorbürokratischen mittelalterlichen Gesellschaft darstellt, wie anderswo in Europa, so auch in Serbien.

Abstract The aim of this paper has been to gain an insight into the nature of medieval Serbian royal documents and the circumstances of their creation as well as to propose a reconstruction of the organisation and modus operandi of the scribal service that produced them. Due to specific historical and scholarly factors, the results are based primarily on an analysis of the internal features of the documents and on a comparison with selected “chancery models” from Western Europe and Byzantium. The analysis concerns the area of medieval Serbia in the period when the surviving material was created (late 12th – mid-15th c.). For this period of time, 325 relevant documents (charters als well as letters) were identified. The term “chancery” is used purely in accordance with convention, not only because it finds no support in the sources, but also due to results of the research: these require an understanding of the phenomenon of the Serbian royal chancery as a pre-bureaucratic structure, in which improvisation and ad hoc solutions in drawing up and issuing documents were much more the rule than the exception. A marked preponderance of charters over letters reveals the importance of the former as unique and permanent proofs of ownership or of a granted right. Analysis of the originals (about 55 % of the material) and secondary tradition shows both that the issuers made neither copies nor registers of the documents, and that a considerable share of diplomatic production lied on recipients. According to its effects and scope, the documentary practice was not operated by an organisational unit of the state apparatus, but depended mostly on the ruler’s active political involvement in a given area and on various given factors. In terms of its output, the Serbian “chancery” lagged far behind the contemporary, or even much

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older, European comparative models. Being inseparable from the person of the ruler, the “chancery” also acted partly by means of oral orders and agreements. Its formal framework, such as places of issuing and creators of documents, as well as their selected internal features (proems, intitulationes, signatures) also give an accurate representation of the diversity of form and content. Members of the ruler’s entourage of different ranks and responsibilities (scribes, logothetes, protovestiarioi, noblemen, clerics) have been identified as having been involved in the production of diploma. They operated as needed and depending on the nature of a given legal transaction and the individual recipients. Indeed it is not until the mid14th c. that the first traces of an organised structure headed by a logothete becomes discernible. This logothete, as “first minister”, was responsible for relations with major domestic and foreign powers. Yet, not even then did this flexible writing office deem it necessary to standardise its own “products”, but continued to use a more pragmatic approach. This is especially noticeable in the Greek and Latin documents, which were drafted entirely in conformity with the Byzantine and Western patterns respectively. In the period of political crisis before the Ottoman conquest, there was no time left for the royal chancery to develop into an institution comparable to contemporary models existing elsewhere in Europe.

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Abb. 1: Urkunde des Königs Vladislav an das Marienkloster von Bistrica (1234–43) mit der Bestätigung des Königs Uroš I. (1243–76).

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Abb. 2: Urkunde des Königs Stefan Dušan an das Kloster Hilandar (Svrčin, 1337?).

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Abb. 3: Urkunde des Kaisers Uroš an Dubrovnik zur Abtretung des Grenzgebiets (Ribnik bei Prizren, 25. April 1357).

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Abb. 4: Urkunde des Kaisers Stefan Dušan an das Kloster Xenofontos (Serres oder Umgebung, Juni 1352).

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Abb. 5: Brief des Despoten Stefan Lazarević an die Bürger von Nagybánya/ Rivulus Dominarum (Belgrad, 28. Oktober 1417).

Karte 1: Empfänger von überlieferten Urkunden und Briefen der Herrscher Serbiens (Dynastien Nemanjić, Lazarević und Branković).

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Karte 1a: Urkundenempfänger vom Athos.

Empfängereinträge: fett – nur Urkunden; kursiv – nur Briefe; normal – beides. Anzahl der Dokumente: Bei höher als 1 eingetragen. Jahresangaben: Bei mehr als 2 Dokumente als Zeitspanne eingetragen. Die einzelnen Empfänger vom Athos werden im Ausschnitt (Karte 1a) dargestellt.

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Karte 2: Ausstellungsorte der überlieferten Dokumente von Stefan Dušan (1331–1355). Anzahl der Dokumente: bei höher als 1 eingetragen. Jahresangaben: bei mehr als 2 Dokumente als Zeitspanne eingetragen

Karten Die Einträge in den Karten beruhen auf den Ergebnissen von Vujošević, Kancelarija (wie Anm. 1) S. 75–190, die in einigen Fällen noch ergänzt werden konnten. Da diese sich auf die brüchig überlieferten Quellen stützen, erheben sie keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Die Karten wurden von Andrej Milosavljević (Belgrad) fertiggestellt, dem ein besonderer Dank des Autors gilt.

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Abbildungsnachweise Abb. 1: Kloster Hilandar, Хил. 2 (A 2/1); Aufnahme: Archiv von Serbien, Mikrofilm Abb. 2: Kloster Hilandar, Хил. 14 (A 3/5); Aufnahme: Archiv von Serbien, Mikrofilm Abb. 3: Staatsarchiv Dubrovnik, Diplomata et acta, Wiener Signatur 1012; Aufnahme: eigenes Lichtbild Abb. 4: Kloster Xenofontos, Nr. 44; Aufnahme: Archives de l’Athos XV. Actes de Xénophon, éd. D. Papachryssantou, Paris 1986, Nr. 29 Abb. 5: Budapest, Ungarisches Nationalarchiv, DL 53966; Aufnahme: Ungarisches Nationalarchiv, DL 53966 Für weitere Abbildungen der serbischen Herrscherurkunden vgl. die folgenden Sammlungen auf www.monasterium.net: Cetinje: Die Urkunden der Herrscher von Serbien und Zeta in den Sammlungen von Cetinje (1212?–1495), Serbian Charters in Archives of Hungary (1411–1481), Serbian Medieval Documents in the State Archives of Venice, Serbian Royal Documents at the State Archives in Dubrovnik (1186–1479), Serbische Herrscherurkunden (1306–1388), jeweils mit Beschreibungen/Kommentaren, Literatur- und Editionenhinweisen und ggf. Transkriptionen (Nebojša Porčić und Žarko Vujošević). Dazu aus der Sammlung Illuminierte ­Urkunden https://www.monasterium.net/mom/IlluminierteUrkunden/ 1254-1263_Hilandar/charter (mit Hinweisen auf weitere Beispiele) und https://www.monasterium.net/mom/IlluminierteUrkunden/1429-09-11_ Esfigmenou/charter (Martin Roland und Andreas Zajic).

Sul contributo di Benjamin Hederich allo sviluppo delle scienze storico-documentarie von LORENZO BENEDETTI

Le scienze storico-documentarie, discipline costituitesi nella Germania del Settecento in una specifica categoria con il nome di Historische Hilfswissenschaften e più comunemente conosciute e citate in ambiente francese e italiano attraverso la sorpassata denominazione di ‘sciences auxiliaires de l’histoire’1 e ‘scienze ausiliarie della storia’, pur avendo de facto contribuito e continuando in maniera determinante a favorire il progresso della conoscenza storica, occupano un ruolo ancora in parte marginale, specie proprio nel mondo universitario italiano, quali oggetto di studio e di insegnamento a livello accademico: non di rado faticano infatti a vedersi riconosciuto un definitivo statuto di scienze optimo iure2, benché dotate di specifici metodologie e campi d’indagine che rientrano appieno nel moderno concetto di ricerca scientifica. Esse devono in realtà essere trattate come scienze in sé in quanto, oltre a possedere i succitati requisiti, forniscono elementi indispensabili nello studio sempre più specialistico delle diverse epoche che scandiscono il tempo intercorso fra la Preistoria e l’Età contemporanea; generalmente definite come materie «volte […] al recupero ed all’interpretazione della documen Da segnalare il progresso verso il termine ‘sciences fondamentales’, che è innanzitutto un’evoluzione di concetto, e le relative importanti riflessioni ben espresse da Werner Paravicini, De la science auxiliaire à la science fondamentale, in: L’Histoire en mutation. L’École nationale des Chartes aujourd’hui et demain, a cura di Jean-Michel Leniaud/Michel Zink, Paris 2016, p. 21–39. 2 Ciò riguarda soprattutto discipline quali la genealogia, l’araldica o la vessillologia, sovente ancora viste nel sistema italiano come passatempi ascientifici, e la categoria delle scienze storico-documentarie in sé quale materia di insegnamento. Paleografia, diplomatica e archivistica, con alle spalle un’illustre traditione, risentono però della carenza di insegnamento. 1

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tazione storica»3, e dunque al reperimento, studio, critica e lettura delle fonti del passato4, indipendentemente dalla loro natura e datazione5, ques­to insieme di discipline fondamentali ebbe a svilupparsi nella sua unità teleologica e formale a partire dalla seconda metà del XVIII secolo, allorché trovò nel lavoro della Scuola storica di Gottinga, e particolarmente di Gatterer, una sicura definizione e la conseguente elaborazione di un canone rimasto a tutt’oggi pressoché invariato nella sua sostanza6, certo oggetto di dibattito circa la composizione specifica, ma ben delimitato per ciò che attiene alle linee generali di concetto. La Germania vanta sicuramente il primato nello sviluppo e la maggior attenzione verso le scienze storico-documentarie, fermo restando i precursori Bollandisti e Maurini: nel clima secentesco di rinnovamento degli Giancarlo Susini, Esistono le scienze storico-ausiliarie?, in: Le scienze storico-ausiliarie nel contesto della cultura attuale, a cura di Carlo Guido Mor/Adelson Patron/Giuseppe Plessi/Giancarlo Susini, Bologna 1978, p. 17–24: 20. 4 Specificano e completano tale definizione, fra gli altri, gli studi di Robert Delort, In­ troduction aux sciences auxiliaires de l’histoire, Paris 1969, p. 10, che vede queste discipline come «sciences entièrement autonomes, travaillant avec des méthodes qui leur sont propres […] et des matériaux de type particulier; […] elles ont toutes une dimension historique fondamentale» e di Stefan Jordan, Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft, Paderborn 32016, p. 35, per il quale «als Historische Hilfswissenschaften […] bezeichnet man bestimmte wissenschaftliche Disziplinen, wie etwa die Wappen- und Münzkunde, deren Vorgehensweisen und Ergebnisse von der Geschichtswissenschaft und anderen historisch verfahrenden Fächern zur Bearbeitung geschichtlichen Materials für den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess benötigt werden». Stefan Jordan ne sottolinea pure il limitato insegnamento in ambito universitario come singole materie, problema che già evidenziava a suo tempo Karl Pivec, Die Stellung der Hilfswissenschaften in der Geschichtswissenschaft, in: MÖIG 54 (1941) p. 3–15: 3. Per approfondire la categoria in generale, si vedano Heinrich von Fichtenau, Die Historischen Hilfswissenschaften und ihre Bedeutung für die Mediävistik, in: Methoden der Geschichtswissenschaft und der Archäologie, München/Wien 1974, p. 115–143: 115–125; Reinhard Härtel, Sind die Historischen Hilfswissenschaften noch zeitgemäß?, in: Mediävistik im 21. Jahrhundert. Stand und Perspektiven der internationalen und interdisziplinären Mittelalterforschung, a cura di Hans-Werner Goetz/Jörg Jarnut, München 2003, p.  379–389: 380–381; Christian Rohr, Historische Hilfswissenschaften. Eine Einführung, Wien/Köln/Weimar 2015, p.  9–14; Lorenzo Benedetti, L’archeologia come scienza ausiliaria della Storia. Verso l’elaborazione di un nuovo canone, in: «Tuitio Fidei et Obsequium Pauperum». Studi in onore di Fra’ Giovanni Scarabelli per i cinquant’anni di sacerdozio, a cura di Lorenzo Benedetti/Bianca Maria Cecchini/Marco Gemignani/Tommaso Maria Rossi, Viareggio 2019, p.  357–370, ove ampia bibliografia; sulla delimitazione del loro numero nel secolo scorso e in passato si rimanda al fondamentale Ahasver von Brandt, Werkzeug des Historikers, Stuttgart 182012, p. 14–18. 5 Eckart Henning, Auxilia Historica. Beiträge zu den Historischen Hilfswissenschaften und ihren Wechselbeziehungen, Köln/Weimar/Wien 32015, p. 40–41, pietra miliare negli studi in materia. 6 Brandt, Werkzeug (come nota 4) p. 11–18. 3

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orizzonti di studio, aveva naturalmente preso vita anche attorno alle università tedesche quell’intenso fervore culturale che portò a ripensare, fra gli altri, il concetto di ‘studio della storia’ alla luce di un approccio sempre più critico ed empirico, sulla scorta delle acquisizioni filosofico-scien­ tifiche dei decenni precedenti. Questo atteggiamento ebbe a tradursi soprattutto in una nuova visione della pratica storica, posizione che giunse a rivalutare la critica delle fonti e a precisare l’oggetto di indagine della storia stessa7, interpretata all’interno della sfera dell’immanente. Comune a tutta l’Europa centro-settentrionale, fu tra i sopraddetti monaci e nei territori del Sacro Romano Impero che questo nuovo spirito dette impulso alla formazione e allo sviluppo delle scienze storico-documentarie e alla definizione della categoria in esame, pur con certi limiti dell’approccio antiquario-erudito che già Topolski in parte riconosce alla Scuola di Gottinga8, all’interno della quale venne approntata un’inedita sistematica di queste discipline9. Proprio in tale clima culturale fiorito fra i confini tedeschi nel XVIII secolo vanno a collocarsi la figura e l’opera di Benjamin Hederich, erudito e docente che rivolse le proprie cure scientifiche alla sistemazione di una summa universale del sapere. Nato nel 1675 a Geithain, in Sassonia, da una famiglia benestante, frequentò il prestigioso Gymnasium St. Augustin a Grimma10, dove fu ammesso nell’estate del 1690, e successivamente completò la propria formazione nelle università di Lipsia e di Wittenberg11, ateneo in cui conseguì il titolo con la dissertazione De imitatione pindarica commentatio, opera in seguito divulgata e data alle stampe (1702). Dopo aver svolto l’attività di insegnante privato, nel 1702 fu chiamato come docente di lettere classiche alla scuola conventuale St. Johannes der Täufer auf dem Berge, nei pressi di Magdeburgo, e nel 1705 ottenne l’incarico di Jerzy Topolski, Methodology of History, Dordrecht/Boston 1976, p. 84, il quale si concentra diffusamente sulle riflessioni storiche critica e genetico-erudita. 8 Ivi, p. 87. 9 Gabriella Valera, Scienza dello Stato e metodo storiografico nella Scuola storica di Gottinga, Napoli 1980, p. XIII. L’opera, di cui si segnala la pregevole Introduzione, ha il merito di ripercorrere nella sua interezza il pensiero di un’epoca con qualche attenzione alla genesi specifica delle scienze documentarie. 10 Heinrich Julius Kämmel, voce Hederich, Benjamin, in: ADB 11 (1880) p. 221–222: 221, che presenta una succinta biografia del letterato e un catalogo generale delle opere da lui composte. 11 Wolfgang Riedel, voce Hederich, Benjamin, in: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes2 5 (2009) p. 122, ove bibliografia delle biografie più antiche. 7

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rettore della scuola di Großenhain12, località nei dintorni di Meißen, ove rimase per il resto della propria vita e in cui si spense nel 1748. La produzione di Hederich fu molto vasta e riscosse già tra i contemporanei una notevole attenzione: fra le sue opere maggiori, godettero di buona diffusione e notevole apprezzamento il Lexicon Manuale Latino-Germanicum, imponente vocabolario latino-tedesco13 e il Lexicon Manuale Graecum, lemmario greco-latino14, l’Antiquitäten-Lexicon15, caposaldo degli studi classico-eruditi per il secolo a venire16 e suo capolavoro unitamente al grande compendio di mitologia classica che lo rese celebre in Europa17. Secondo il dominante spirito enciclopedico, Hederich ebbe modo di occuparsi di tutti i campi della conoscenza, concependo il proprio lavoro di sistemazione del sapere universale, come ha ben notato Franz Hausmann, secondo un ordine che conduce dal basilare al complesso e dal particolare al sistematico18: questo modo di procedere lo portò pertanto a dedicarsi innanzitutto in maniera introduttiva e descrittiva ai macro-settori della storia, della matematica e della filologia attraverso l’analisi delle singole discipline riunite sotto questi ambiti culturali, poi alla redazione di dizionari tecnici e più complessi manuali (letteratura, mitologia, matematica, 12 Kämmel, Hederich (come nota 10) p. 221; Riedel, Hederich (come nota 11) p. 122; egli stesso si qualificherà sempre, nel frontespizio delle proprie opere, come Rector Scholae Haynae, antico nome della città sassone. 13 Benjamin Hederich, Lexicon Manuale Latino-Germanicum, omnium sui generis ­Lexicorum longe locupletissimum, adeoque ad intelligendos, cum veteres, tum medii atque recentioris aevi scriptores, Lipsiae 1739. 14 Id., Lexicon Manuale Graecum, omnibus sui generis lexicis, quae quidem exstant, longe locupletius, eaque ratione in tres partes, videlicet Hermeneuticam, Analyticam & Syntheticam divisum, Lipsiae 1722. 15 Id., Gründliches Antiquitäten-Lexicon, worinne die merckwürdigsten Alterthümer der Jüden, Griechen, Römer, Deutschen und ersten Christen zulänglich beschrieben, und mit ihren Auctoribus bewiesen werden, Leipzig 1743. 16 Arnd Beise, voce Hederich, Benjamin, in: The Bloomsbury Dictionary of EighteenthCentury German Philosophers, a cura di Heiner F. Klemme/Manfred Kühn, London 2016, p. 306–307. 17 Benjamin Hederich, Gründliches Lexicon mythologicum, Worinne so wohl die fabelhafte, als wahrscheinliche und eigentliche Historie derer alten und bekannten Römischen, Griechischen und Egyptischen Götter und Göttinnen wie auch Helden und Heldinnen, seltsamen Wunder-Thiere, merckwürdigen Flüsse, Brunnen, Berge und dergleichen zur Mythologie, oder so genannten Historia Poëtica gehörigen Dinge, Leipzig 1724, il quale venne utilizzato come strumento di consultazione anche da Goethe e von Kleist. 18 Franz Josef Hausmann, Altsprachliche Lexikographie im Zeitalter des Barock. Die Wörterbücher des Benjamin Hederich (1675–1748), in: Benjamin Hederichs lateinisch-deutsche, deutsch-lateinische und griechisch-lateinische, lateinisch-griechische Wörterbücher, Erlangen 1988, p. 1–40: 9–11.

Sul contributo di Benjamin Hederich

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lingue classiche), attingendo nella stesura da più scienze specifiche e attinenti, con lo scopo finale di generare, a partire da questi trattati, compendi enciclopedici. L’opera con cui scelse di avviare il monumentale progetto redazionale, progressivamente concepito, fu l’Anleitung zu den fürnehmsten Historischen Wissenschaften, volume didascalico mediante il quale l’autore si propose in 424 pagine con indice e presentazione lo scopo pratico di giovare alla formazione dei propri lettori19, qualunque fossero il loro livello culturale e la loro posizione sociale; per realizzare quest’ambizioso intento, egli fece dell’Anleitung uno schematico manuale di studio e consultazione di dati raccolti e analizzati attraverso un metodo di indagine basato sulla correttezza delle informazioni e sulla loro oggettiva pertinenza20. Il testo in questione vide dunque la luce a partire da un proposito didattico e con l’obiettivo inventariale di riunire l’insieme del sapere ‘storico’ più rilevante all’interno di un unico supporto nozionistico-compilativo: perfettamente inserito nel filone erudito-antiquario coevo, il testo venne indicato dall’autore stesso come un utile strumento adatto «so fern solche einem politen Menschen, insonderheit aber denen, so die Studia zu prosequiren gedencken, nützlich und nöthig»21, necessario e sufficiente perché l’uomo medio possa soddisfare una cultura di base. Prima di indagare quale valore possieda per Hederich la connotazione di historisch applicata al novero delle discipline che andò trattando, è utile soffermarsi sulla tradizione a stampa del libro per fornire in maniera definitiva la cronologia delle edizioni e chiarire così la vicenda editoriale del volume, in più studi accennata, ma mai acclarata22. L’Anleitung fu edito per Presentazione a Benjamin Hederich, Anleitung zu den fürnehmsten historischen Wissenschaften, Berlin/Zerbst 1709, p. 4–5, edito dai tipografi Johann Wilhelm Meyer e Gottfried Zimmermann. L’ultima edizione curata dall’autore consterà di 512 pagine: nelle cita­ zioni dal testo, si è scelto di utilizzare questa stampa (1742), ove non diversamente indicato, in quanto essa rappresenta l’ultima volontà autoriale, nonostante non sussistano mutamenti sostanziali di pensiero fra la prima e questa edizione finale. 20 Id., Vorrede, in: Id., Anleitung zu den fürnehmsten Historischen Wissenschaften, Wittenberg 21711. 21 Frontespizio a Hederich, Anleitung (come nota 19): l’esergo mette in luce da subito l’obiettivo pratico del testo. 22 Gli studi che prendono in esame l’Anleitung propongono in effetti datazioni diverse circa la prima edizione e alcune delle successive: ad esempio Brandt, Werkzeug (come nota 4) p. 11, data la prima edizione 1711, come pure Eckart Henning, Die Historischen Hilfswissenschaften in Berlin, in: Geschichtswissenschaft in Berlin im 19. und 20. Jahrhundert: Persönlichkeiten und Institutionen, a cura di Reimer Hansen/Wolfgang Ribbe, Berlin/New York 2012, p. 365–408: 365, ora anche in Id., Auxilia Historica (come nota 5) p. 56–93; Jor 19

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la prima volta nel 1709: una editio princeps oggi piuttosto rara, ma che è stata digitalizzata23 e la cui esistenza ci viene comprovata dall’autore allorché afferma, nella prefazione alla seconda stampa: Nachdem die erste Auflage gegenwärtiger Anleitung ihren glücklichen und ziemlich geschwinden Abgang gefunden, tritt nunmehr hiermit die andere an das Licht.24

Nel frontespizio della seconda edizione, poi, egli appone la dicitura «Andere und verbesserte Auflage»25, a testimonianza del fatto che circolasse già una stampa precedente: lo stesso Hederich, all’interno del testo, ci informa di come essa fosse stata pubblicata nel mese di marzo26; inoltre altrove, elencando le proprie opere, cita quale luogo di stampa della prima edizione «Wittenberg & Zerbst»27 – nonostante la princeps rechi sul frontespizio la corretta dicitura «Berlin und Zerbst, bei Johann Wilhelm Meyern, und Gottfried Zimmermannen»28. Queste incontrovertibili evidenze, unitamente all’esistenza fisica degli esemplari in esame, ci portano a dirimere la questione collocando al 1711 la seconda edizione, pubblicata a Wittenberg per effetto del successo della prima29 – risalente al 1709 –, che fu mi­ gliorata e corretta ma rimase sostanzialmente invariata nei contenuti30. dan, Theorien (come nota 4) p.  35; Anett Lütteken, Aufklärung und Historismus, in: Handbuch Archiv, a cura di Marcel Lepper/Ulrich Raulff, Stuttgart 2016, p. 45–56: 51, 55; Peter N. Miller, History and Its Objects: Antiquarianism and Material Culture since 1500, Ithaca 2017, p. 107, solo per citare alcuni dei più recenti, ottimi studi; anche coloro che datano correttamente la prima e le successive emissioni, come Horst Walter Blanke, Historiographiegeschichte als Historik, III, Stuttgart-Bad Cannstatt 1991, p. 762 o Jörn Rüsen, Studies in Metahistory, Pretoria 1993, p. 119, non si soffermano sulla questione, come ci si appresta a fare infra. 23 L’esemplare, così come le successive edizioni del testo, sono consultabili, fra gli altri, sul sito www.digitale-sammlungen.de, digitalizzati dal Münchener DigitalisierungsZentrum (MDZ). 24 «Dopo che la prima edizione della presente guida ha ricevuto il vostro fortunato e piuttosto rapido consenso, ne viene ora alla luce un’altra», Hederich, Anleitung (come nota 20), traduzione mia. 25 Frontespizio a ivi. 26 Ivi, p. 307. 27 Id., Vorrede, in: Id., Anleitung zu den fürnehmsten Historischen Wissenschaften, ­Berlin 51733, stampata da Christoph Gottlieb Nicolai. 28 Come nota 21. Frontespizio a Hederich, Anleitung (come nota 19). 29 Vedi supra. 30 «Es ist aber solche von der vorigen eben in nichts unterschieden, als dass man erstlich die mit eingeschlichenen Fehler, so viel möglich gewesen, weggethan, und so dann, nebst einigen Kleinigkeiten, auch sonst geändert hat, was der itzige Zustand der Dinge gegen den damahligen erfordert», Premessa a Id., Anleitung (come nota 20).

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A questa seconda fecero poi seguito quattro nuove edizioni, rispettivamente nel 171731, nel 172532, nel 173333 e nel 174234, ultima stampa curata da Hederich prima della propria morte. L’opera al centro del presente studio fu concepita, come già affermato, nei termini di un’introduzione generale alle principali scienze storiche: forte di un tale proposito, Hederich elencò in questo gruppo di Historische Wissenschaften geografia, cronologia (tecnica e storica), genealogia, araldica, historia universali, notitia auctorum, ovvero biografie e opere degli autori classici, römischen Antiquitäten35 e mitologia36. Analizzando le singole sezioni tematiche nel dettaglio, l’autore si risolse in primis a dedicare ampio spazio alla descrizione perlopiù politica dell’orbe37, e in particolare tratteggiò con dovizia di particolari i territori europei che meglio doveva conoscere, lasciando solo poche pagine alla trattazione di Asia (9),

Id., Anleitung zu den fürnehmsten Historischen Wissenschaften, Wittenberg 31717, stampata presso Gottfried Zimmermann. 32 Id., Anleitung zu den fürnehmsten Historischen Wissenschaften, Wittenberg 41725, edita presso gli eredi di Zimmermann. Bisogna sottolineare il fatto che, nell’elencare le proprie opere, l’autore indichi due volte (nelle prefazioni alle edizioni 1733 e 1742) la quarta edizione datata 1723: non solo non ci è stato possibile rinvenirne copia, ma l’edizione 1725 è corredata da una presentazione del settembre 1724. 33 Id., Anleitung (come nota 27). 34 Id., Anleitung zu den fürnehmsten Historischen Wissenschaften, Berlin 61742, presso il Nicolai. 35 «Die Römischen Antiquitäten sind eine Historische Wissenschaft von den Gebäuden, Ämtern, Kleidungen […] der alten Römer», ivi, p. 394: è interessante notare come Hederich, pur realizzando soltanto una compilazione di notizie erudite intorno alla storia romana – da lui considerata la più utile e importante, cfr. Prefazione a Id., Fasti consulares romani, Wittenberg 1713, p. 2 – avesse aperto anche a quella che diverrà l’archeologia in senso moderno, e l’avesse de facto inserita fra le scienze storiche, disciplina che verrà poi esclusa dal canone della Scuola di Gottinga enunciato dallo stesso Gatterer in Vorrede, in: Allgemeine Historische Bibliothek, I, a cura di Johann Christoph Gatterer, Halle 1767, p. 2. 36 Alle succitate otto discipline Hederich aggiunse una nona sezione, non a conclusione del volume ma successiva alla notitia auctorum, contenente una basilare «Schulbibliothec» (sic!), ovverosia una raccolta dei testi fondamentali cui fare riferimento per approfondire le sezioni trattate e altri argomenti, una sorta di biblioteca minima essenziale: tale operazione va a conferma dell’intento propriamente didattico con cui venne concepita l’opera. 37 Dunque anche geografia fisica e soprattutto politica, non solo storica; il concetto modernamente inteso sarà istituzionalizzato a partire dal XIX secolo. In ambito tedesco, tale disciplina rappresenta uno degli architravi delle scienze storico-documentarie, cfr. Brandt, Werkzeug (come nota 4) p. 22–29. 31

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Africa (11) e America (4)38 per terminare con «die unbekannte Länder»39, terre le quali nessuno mai vide «nur von ferne», se non da lontano. Questo approccio descrittivo dimostra nei fatti il criterio metodologico di ricerca adottato da Hederich, pur con i propri limiti di prospettiva, il quale si spese nel discettare del continente a lui più familiare per poi tralasciare invece i luoghi ignoti e non soggetti a osservazione diretta: tale prassi è comprovata dalla reiterata distinzione che lo studioso opera all’interno del testo fra Historie e Fabeln, opposizione volta a screditare le seconde a vantaggio di una conoscenza oggettiva40. Anche allorché si dedicherà alla mitologia, l’autore ne metterà immediatamente in risalto l’aspetto favolistico e poetico41: sottolineare il carattere scientifico delle discipline trattate si configura come un aspetto prioritario nell’universo culturale dello studioso, il quale pone la propria opera sotto il segno dell’accuratezza metodologica sin dalla prefazione, per sviluppare e ribadire tale concetto pagina dopo pagina. Scorrendo l’elenco dei capitoli, è di notevole interesse notare la presenza della disciplina denominata historia universali, cronografia di eventi storici assimilabile nell’impianto alla world chronicle (storia universale) e all’ epoca diffusamente studiata: guardando al contenuto del capitolo in questione, ci si accorge agevolmente di come essa altro non sia che l’esposizione diacronica delle personalità e dei fatti più importanti della storia scanditi per secolo, che Hederich racconta secondo il consueto stile compilatorio ed eurocentrico, senza distinguere nettamente la storia secolare da quella veterotestamentaria. Una tale precisazione inserisce l’elenco di Wissenschaften in una prospettiva inedita: in quale modo Hederich intende l’aggettivo historisch, storico, associato a queste scienze? Esse sono Teilen, parti della categoria

Non si registrano variazioni di concetto, al di là di correzioni migliorative e integra­ zioni completive, fino all’ultima edizione del 1742 la quale, eccettuate le carte geografiche che furono aggiunte a partire dalla quinta edizione, resta sostanzialmente invariata anche nelle proporzioni di spazio dedicate ai quattro continenti. 39 Hederich, Anleitung (come nota 34) p. 80. 40 Dal suo testo spariscono infatti tutti i luoghi mitici di Asia e Africa, ed egli si limita a passare sotto silenzio l’incognito; tuttavia, tale dicotomia non verrà applicata anche per distinguere chiaramente fra storia biblica e secolare, un processo che vedrà sistematica attuazione solo nell’Ottocento, cfr. Topolski, Methodology (come nota 7) p. 87. 41 Hederich, Anleitung (come nota 34) p. 480. 38

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delle discipline a base storica e tradizionalmente associate a questo ambito, o costituiscono sezioni subordinate a una macro-disciplina ‘storia’42? Nell’Anleitung, ciascuna scienza trattata viene considerata come entità autonoma, e fra queste viene inclusa la storia stessa (Historie), definita secondo celebri espressioni mutuate da Cicerone, Polibio, Senofonte, Dionigi di Alicarnasso e considerata al pari delle altre sette discipline; a riprova di tale concezione, Hederich specifica chiaramente che la storia non può essere ben appresa se non in concomitanza con la geografia, la cronologia e la genealogia, in una lungimirante concezione olistica di interdisciplinarietà fra materie distinte43. In effetti, egli non opera una precisa ripartizione fra le diverse accezioni di Historie e Geschichte – nonostante distingua Historie da Historica, senza però generare mai contrapposizioni sistematiche e cadendo in un’ambivalenza molto diffusa44, come dimostra l’uso ancipite dei vari sostantivi –, e tuttavia instaura implicitamente una dicotomia fra la storia in quanto successione cronografica di eventi ordinati e la storia come dominio di studio: Die Historiam universalem […], daß sie ein Lernender so wohl ohne besondere Mühe soll begreiffen, als doch auch eine Känntniß und Folge der fürnehmsten Begebenheiten in der Welt hinter einander daher haben können. Zwar ist dieses der eigentliche und Haupt-Nutzen der Historie nicht.45

È solo a partire dalla seconda metà del Settecento che nascerà infatti la categoria delle scienze storico-documentarie come ausiliarie della storia, in quanto precedentemente esse servivano quali strumenti pratici perlopiù agli ambiti del diritto e della politica, cfr. Brandt, Werkzeug (come nota 4) p.  11–12; Walter Koch, L’évolution des sciences auxiliaires de l’histoire en Allemagne au cours du XIXe siècle, in: Archivi e storia nell’Europa del XIX secolo. Alle radici dell’identità culturale europea. Atti del Convegno internazionale di studi (Firenze, 4–7 dicembre 2002), II, a cura di Irene Cotta/Rosalia Manno Tolu, Roma 2006, p. 837–851: 838. 43 «[Historie] kann ohne die Geographie, Chronologie, und Genealogie, nicht wohl erlernet werden», Hederich, Anleitung (come nota 34) p. 255; tale tesi è testimoniata immutata in tutte le precedenti edizioni. Ciò inoltre si pone in continuità con un’idea di studio della storia su tre coordinate: il tempo, lo spazio e l’uomo considerato nei propri raggruppamenti e unioni; tanta storiografia di ambito tedesco ha ripreso questa tripartizione e l’ha fatta propria anche per quanto attiene alle Historische Hilfswissenschaften, come spiega Brandt, Werkzeug (come nota 4) p. 22–46. 44 Cfr. Henri-Irénée Marrou, La conoscenza storica, Bologna 1969, p. 34–35. 45 Benjamin Hederich, Vorrede, in: Id., Anleitung (come nota 34). 42

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scopo che viene precisato successivamente come l’insegnamento «wie man von einer Sache recht urtheilen, wohl reden, und vor sich im Thun und Lassen recht leben soll»46. Si è posti così davanti a una disciplina che è mero apprendimento dei fatti, resoconto degli accadimenti lontano da ogni moderno sforzo interpretativo, distinta de facto dalla categoria astratta della ‘ricostruzione del passato’, la conoscenza storica, e parte integrante, al pari di altre discipline, nel favorire un corretto studio della realtà storica – per riprendere i felici termini proposti dal Marrou –: Hederich tende dunque a sdoppiare in un certo senso i concetti sopra indicati e a considerare la storia ‘elencazione dei fatti’, «wahrhafte Erzehlung geschehener Dinge»47, come una sorta di primus inter pares, ma senza conferirvi alcuna posizione di predominio rispetto alle altre materie descritte. In virtù di tale concezione, che si evince dal complesso dell’opera, le suddette otto discipline non devono perciò essere intese come sottosezioni della storia quale disciplina operativa, ma costituiscono piuttosto un insieme di scienze indipendenti a base storica convenzionalmente legate a tale categoria di studio48: questa visione è confermata anche dalle altre due opere cui il rettore di Großenhain dedicò le proprie attenzioni nella prima fase della sua monumentale ricerca. L’Anleitung zu den fürnehmsten Historischen Wissenschaften fu infatti pubblicata in una sorta di trittico con le analoghe Anleitung zu den fürnehmsten Mathematischen Wissenschaften (1a ed. 1710), che riunisce aritmetica, geometria, architettura militare e civile, astronomia e gnomica49 con le relative branche, e Anleitung zu den fürnehmsten Philologischen Wissenschaften (1a ed. 1713) su grammatica, retorica e poetica50: il primo compendio considera le scienze trattate come parti del macro-settore Mathesis di cartesiana ascendenza, mentre il secondo analizza le singole tre sezioni come inserite nel macro-contenitore Id., Anleitung (come nota 34) p. 255, richiamando la celebre sentenza di Cicerone (De Oratore, II, 9, 36), che egli stesso cita a p. 254 in questi termini: «[Historie] wird mit Recht vom Cicerone testis temporum, nuntia vetustatis, vita memoriae, lux veritatis, und vitae magistra». 47 Ivi, p. 254. 48 La definizione di scienze ausiliarie formulata da Delort, Introduction (come nota 4) p. 10, ben calza a render conto di quest’idea, nonostante lo studioso non prenda in conside­ razione Benjamin Hederich nel proprio saggio: «elles ont toutes une dimension historique fondamentale, elles débouchent toutes sur l’histoire qu’elles contribuent à construire et en qui elles trouvent le but principal de leur existence». 49 L’opera fu riedita nel 1714, 1719, 1728, 1737, 1744, 1746, 1754 e 1772. 50 Successivamente ripubblicata nel 1746. 46

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Philologie, la quale non costituisce propriamente, al pari della precedente, una materia applicabile in sé quanto piuttosto un collettore di determinate discipline51. Lo stesso accade, in maniera meno evidente, per le discipline storiche: esse non sono tali in quanto ontologicamente legittimate da una disciplina ‘storia’, bensì la conoscenza storica descrittiva è una di esse e nel loro insieme vanno a porsi sotto il dominio della Histoire quale concezione astratta recante il significato di ‘sapere a base storica’ – diremmo appunto, richiamando Henry Corbin, ‘con la S maiuscola’. Ciò a dimostrazione ulteriore del pensiero che dimora alla base della classificazione operata da Hederich: le Historische Wissenschaften – si badi al fatto che l’autore non definisce esplicitamente il rapporto che intercorre fra la Storia e le otto discipline – sono trattate singolarmente come materie autonome, per nulla subordinate alla storia tout court52, dotate di statuto e ambiti propri che, ciascuna con il proprio specifico apporto, concorrono quali ausili utili a uno studio completo del passato53. La prima opera in ambito tedesco che espliciterà il concetto di ausiliarietà circa un insieme di facta, oggetto di diverse materie, rispetto alla storia sarà il monumentale Auxilia Historica di Anselm Desing54: il meritevole contributo dato da Hederich allo sviluppo delle scienze storico-documentarie sta invece nell’aver connotato le otto discipline successivamente canonizzate come dotate di una pur perfettibile metodologia scientifica e nell’averle raggruppate contemporaneamente, per primo in ambito tedesco, come attinenti la sfera della conoscenza storica55. Nel far ciò tuttavia egli non le indicò con il termine di Hilfswissenschaften56, ovvero non creò la categoria di studio vera e propria, né sottolineò il carattere ancillare delle discipline stesse – un ancillarismo, si badi, strumentale e non logico, oggi anch’esso superato –, progresso che sarà opera della Scuola di Got Accenna agli studi di Hederich circa la filologia Miller, History (come nota 22) p. 72–

51

73. Benjamin Hederich anticipa così un concetto basilare circa l’autonomia logica delle discipline, ben sottolineata da Henning, Auxilia Historica (come nota 5) p. 39–40. 53 Cfr. nota 43. 54 Anselm Desing, Auxilia Historica, oder historischer Behülff, und bequemer Unterricht von denen darzu erforderlichen Wissenschafften, 4 voll., Stadt am Hof 1741. 55 Cfr. Johannes Burkardt, Die Historische Hilfswissenschaften in Marburg (elementa diplomatica 7), Marburg 1997, p. 16. 56 A riprova di ciò, il termine «in dem ersten wissenschaftlichen Wörterbuch unserer Sprache, J. H. Adelungs “Versuch eines vollständigen, grammatisch-kritischen Wörter­ buches” (1744 ff.) ist […] noch nicht verzeichnet», Brandt, Werkzeug (come nota 4) p. 11. 52

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Lorenzo Benedetti

tinga57, la quale ne sposterà l’ambito d’azione dallo studio pratico, contingente e generalistico «im Rahmen der Formulierung der historischen Quellenkritik als historischer Methode zur genuin geschichtswissenschaftlichen Angelegenheit»58. Il discrimine per cui non è possibile far risalire a Benjamin Hederich la paternità del concetto di Historische Hilfswissenschaften (scienze storicodocumentarie) è dato dal fatto che egli non scrisse l’Anleitung con questo intento e non dimostra affatto di riconoscerle come tali; siamo infatti noi a ravvisare retrospettivamente nell’opera il primo canone di discipline connotate come storico-ausiliare, non nel senso stretto di ‘al servizio’ della storia ma legate, per tradizione continuativa o per fondamenti specifici, all’ambito del sapere storico (Geschichtswissenschaft). In Hederich, l’aggettivo historisch appare in definitiva come una connotazione di ambito d’applicazione delle scienze in questione, da cui è esclusa ogni idea di subordinazione rispetto alla storiografia intesa come materia pratica: ne risulta dunque un canone di discipline autonome impiegate in studi di carattere storico. Uomo del suo tempo, Hederich concepisce, in analogia con le scienze matematiche e filologiche, una comune base e un naturale approdo di queste materie nella Storia, orizzonte che le riunisce preservando le relative specificità59. Le discipline involontariamente canonizzate nell’Anleitung lo fecero apparire, agli occhi dei posteri, come un precursore nell’elaborazione concettuale della categoria delle scienze storico-documentarie: non a caso furono Christoph Schmidt Phiseldeck60 (1740−1801) e Johann Joachim Eschenburg61 (1743−1820), entrambi formatisi all’Università di Gottinga negli anni dello sviluppo della locale scuola storica, a dare alle stampe una nuova edizione integrata e corretta

57 Johann Christoph Gatterer, Einleitung, in: Handbuch der Universalhistorie nach ihrem gesamten Umfange, I, Göttingen 1765, p. 7–8; Vorrede (come nota 35) p. 2; cfr. anche Id., Von der Evidenz in der Geschichtskunde, in: Die Allgemeine Welthistorie die in England durch eine Gesellschaft von Gelehrten ausgefertiget worden, I, a cura di Friedrich Eberhard Boysen, Halle 1767, p. 1–38. 58 Jordan, Theorien (come nota 4) p. 36; Brandt, Werkzeug (come nota 4) p. 12. 59 Vedi nota 48. 60 Sulla figura di Phiseldeck si rinvia a Paul Zimmermann, voce Schmidt, Christoph, gen. Phiseldeck, in: ADB 32 (1891) p. 19–20. 61 Fritz Meyen, Johann Joachim Eschenburg. 1743–1820. Professor am Collegium Carolinum zu Braunschweig. Kurzer Abriß seines Lebens und Schaffens nebst Bibliographie, Braunschweig 1957; Johann Joachim Eschenburg und die Künste und Wissenschaften zwischen Aufklärung und Romantik. Netzwerke und Kulturen des Wissens, a cura di CordFriedrich Berghahn/Till Kinzel, Heidelberg 2013.

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dell’opera di Hederich in due volumi tra il 1782 e il 178362. Phiseldeck, che si occupò del primo tomo, variò il canone originario secondo le nuove acquisizioni di Gatterer e del suo circolo63 trattando di cronologia, geografia, genealogia, araldica, numismatica, diplomatica64 e historia universali; Eschenburg si dedicò invece a quelle sezioni che non sarebbero pressoché più rientrate nella categoria delle Historische Hilfswissenschaften, consegnando ai torchi un’opera rielaborata e ben distante dall’originale65, in seguito più volte ristampata.

Appendice Tavola riassuntiva delle edizioni settecentesche dell’ Anleitung zu den fürnehmsten Historischen Wissenschaften. Data di edizione

Luogo di stampa

Note

1709

Berlin und Zerbst

Editio princeps

1711

Wittenberg

1717

Wittenberg

1725

Wittenberg

1733

Berlin

1742

Berlin

Ultima edizione a cura dell’autore

1760

Berlin

Edizione a cura di Wilhelm Ehrenfried ­Neugebauer

1782−1783

Berlin und Stettin

Edizione curata da Schmidt-Phiseldeck ed Eschenburg

Benjamin Hederich, Anleitung zu den vornehmsten historischen Wissenschaften, I, a cura di Christoph Schmidt, Berlin/Stettin 1782, e Hederich, Anleitung zu den vornehmsten historischen Wissenschaften, II, a cura di Johann Joachim Eschenburg, Berlin/Stettin 1783. Questa fu l’ottava edizione del testo e la seconda stampa successiva alla morte dell’autore, nonché l’unica in due volumi: la precedente era uscita nel 1760 a cura di Wilhelm Ehrenfried Neugebauer con dedica a Johann Friedrich Burg, teologo e docente evangelico (7a edizione), Hederich, Anleitung zu den vornehmsten historischen Wissenschaften, Berlin 1760. 63 Cfr. Allgemeine Historische Bibliothek, I (come nota 35). 64 Sin dall’epoca del Mabillon la disciplina comprendeva in sé le attuali paleografia e sfragistica, pur già in autonomo sviluppo. 65 Tra il 1782 e il 1784, le Anleitung di Hederich furono anche prese come punto di partenza per i tre volumi della Encyklopädie, oder zusammenhängender Vortrag der gemeinnützigsten Kenntnisse, a cura di Georg Simon Klügel, Berlin/Stettin 1782–1784, un compendio molto lontano dall’originale, che non può considerarsi una riedizione. 62

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Lorenzo Benedetti

Abstract This article aims at establishing the real contribution polyhistor Benjamin Hederich (1675–1748) made to the genesis and evolution of the so-called auxiliary sciences of history, at a time when these subjects were being developed and defined. By analyzing the contents of his Anleitung zu den fürnehmsten Historischen Wissenschaften in relation to the rest of his works, we are able to understand his conception of what were to become the auxiliary sciences of history, his achievements in elaborating this category of scientific subjects and what separates his notion of what constitutes the auxiliary sciences from the modern one. The present paper also gives an unprecedented chronology of the history of the text and casts light on various aspects of Hederich’s methodology and fields of study.

Stand und Perspektiven der Historischen Grundwissenschaften 2

Beiträge zur Tagung an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 16./17. Februar 2018

Vorbemerkung von IRMGARD FEES

Nach einer Krisenphase der Historischen Grundwissenschaften an den Universitäten Deutschlands, die durch die Abschaffung zahlreicher Lehrstühle oder ihrer Herabstufung gekennzeichnet war, begann in den letzten Jahren wieder das Bewusstsein dafür zu wachsen, dass die durch das Fach vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten für alle historischen Disziplinen und mehrere Nachbarfächer unverzichtbar sind. Die Tagung „Stand und Perspektiven der Historischen Grundwissenschaften“, die im Februar 2018 an der Ludwig-Maximilians-Universität München stattfand1, sollte aufbauend auf neuen Kommunikationsstrukturen und gefestigtem Selbstbewusstsein des Faches sich wieder verstärkt fachlichen Inhalten zuwenden und die Forschungsergebnisse der letzten Jahre sichtbar machen. Ziel war es, die breite Palette der einzelnen Disziplinen der Historischen Grundwissenschaften durch exponierte Vertreter des Faches behandeln zu lassen; jeder Referent sollte für sein Fach einen Rückblick auf die Entwicklungen des letzten Jahrzehnts mit einem Blick in die Zukunft verbinden und die Fragenkomplexe benennen, die künftig verstärkt der Behandlung bedürfen, sowie die Aufgaben skizzieren, denen sich die Wissenschaftler dabei zu stellen haben. Die Mehrzahl der auf der Tagung gehaltenen Vorträge konnte in Band 65 (2019) des Archivs für Diplomatik publiziert werden, so Aufsätze zu den Themen Paläographie2, Epigraphik

Die Tagung wurde von Fritz-Thyssen-Stiftung gefördert, der auch an dieser Stelle dafür herzlich zu danken ist. 2 Martin Wagendorfer, Lateinische Paläographie, in: AfD 65 (2019) S. 203–236. 1

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Irmgard Fees

des Mittelalters und der Neuzeit3, Sphragistik4, Heraldik5, Numismatik und Geldgeschichte6 sowie Chronologie7, ergänzt durch Beiträge zur aktuellen Lage des Faches8, zum Zusammenhang zwischen den Historischen Grundwissenschaften und den Digital Humanities9 und schließlich zu den Forschungsprojekten und den beruflichen Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses10. In diesem Band folgen nun die Schriftfassungen weiterer Vorträge, die auf der Tagung gehalten wurden, nämlich der Beitrag von Jochen Johrendt zur Papstdiplomatik, konkret zu Papsturkunden und Papstbriefen von den Anfängen bis ins 13. Jahrhundert, sowie von Wolfgang Huschner zur Diplomatik der Kaiser- und Königsurkunden im frühen und hohen Mittelalter. Als willkommene und notwendige Ergänzung zu den in München gehaltenen Vorträgen legt Thomas Wozniak einen Beitrag zu Genealogie und Genetik vor.

Franz-Albrecht Bornschlegel, Die Epigraphik des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, in: ebd., S. 237–266. 4 Andrea Stieldorf, Siegel haben eine Zukunft!, in: ebd., S. 267–286. 5 Torsten Hiltmann, Zwischen Grundwissenschaft, Kulturgeschichte und digitalen Methoden. Zum aktuellen Stand der Heraldik, in: ebd., S. 287–319. 6 Hubert Emmerig, Numismatik und Geldgeschichte, in: ebd., S. 321–338. 7 Thomas Wozniak, Zum Stand der Chronologie in den Geschichtswissenschaften, in: ebd., S. 339–359. 8 Claudia Märtl, Zur aktuellen Lage der historischen Grundwissenschaften, in: ebd., S. 187–201. 9 Georg Vogeler, Historische Grundwissenschaften und Digital Humanities, in: ebd., S. 361–385. 10 Julian Schulz/Magdalena Weileder, Forschungsprojekte und Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses in den Historischen Grundwissenschaften, in: ebd., S. 387– 407. 3

Zum Stand der Genealogie und Genetik in den Geschichtswissenschaften von THOMAS WOZNIAK

Es ist kein geringer Anspruch, den Ahasver von Brandt in seinem „Werkzeug des Historikers“ für die Genealogie erhob: Neben die Historische Geographie und die Chronologie als den Historischen Hilfswissenschaften des Raumes und der Zeit stellte er die Genealogie als die Wissenschaft, die sich mit der dritten „Voraussetzung historischen Geschehens“ befasse, mit den Menschen in ihren „biologischen Zusammenhängen und verwandtschaftlichen Zusammenhängen“1. Ähnlich grundlegende Bedeutung misst Eckart Henning der Genealogie bei, wenn er sie als einzige Hilfswissenschaft charakterisiert, die sich „mit dem Menschen selbst“ befasse, dabei aber eine Beschränktheit aufweise: So widme sich das Fach dem Menschen „vor allem als Glied einer Geschlechterkette“, und dies sei insofern erweiterungsbedürftig, als der Einzelne neben familiären und biologischen Beziehungen auch Teil eines ständischen und sozialen Netzwerks sei2. Die Zuordnung der Genealogie zu den Historischen Hilfs-, Grund-, Spezial- oder Basiswissenschaften ist historisch bedingt3, lässt sich aber auch damit begründen, dass genealogische Forschung oft Kenntnisse an-

Ahasver von Brandt, Werkzeug des Historikers, Stuttgart 141996, S. 39. Eckart Henning, Sozialgenealogie und Historische Demographie, Prosopographie und Biographieforschung. Zur Diskussion der Begriffe, in: Ders., Auxilia Historica. Beiträge zu den Historischen Hilfswissenschaften und ihren Wechselbeziehungen, Köln u. a. 32015, S. 274–285, hier S. 274. 3 Dazu zählten der Nachweis dynastischer Erbansprüche, der „Ebenbürtigkeit“ eines Ehepartners, der Ehehindernisse wegen zu naher Verwandtschaft, des Nachweises adeliger Abstammung für dem Adel vorbehaltene Positionen; vgl. Kilian Heck, Genealogie, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe, hg. von Werner Paravicini (Residenzenforschung 15/2), Ostfildern 2005, S. 265–268. 1

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Thomas Wozniak

derer grundwissenschaftlicher Disziplinen voraussetzt und dass genealogische Publikationen oft als Hilfsmittel zur Identifikation historischer Personen dienen. Dennoch spielt die Genealogie in der universitären Forschung und Lehre nur eine geringe Rolle4. In den jüngsten deutschsprachigen Einführungen in die Historischen Hilfswissenschaften wird sie nur knapp abgehandelt5. Dies liegt zum einen daran, dass sich die Genealogie in der Vergangenheit anfällig für rassistische, völkische und eugenische Ideen gezeigt hat, während die notwendige Distanzierung von solchen Ideen bis heute allzu häufig unterblieb. Es scheint daher unerlässlich, zunächst in einem Abschnitt kurz die Geschichte des Faches zu beleuchten (1.), auch wenn dies derzeit aufgrund fehlender Vorarbeiten nur schlaglichtartig möglich ist. Zum anderen ist der schwierige Stand der Genealogie an deutschen Universitäten wohl auch darauf zurückzuführen, dass sie schwer greifbar scheint: So steht die Disziplin in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zwischen (2.) einer unüberschaubaren Fülle von analogen und digitalen Publikationen genealogischer Datensammlungen, die vor allem abseits der universitären Forschung, zum Teil von kommerziellen Anbietern betrieben werden, und vor allem klassische Zielsetzungen verwenden, (3.) einer methodisch rückständigen „Abstammungskunde“ mit einem unklar definierten Verwandtschaftsbegriff und einer allein die rechtliche Verwandtschaft historischer Personen abbildenden, scheinbar „traditionellen/ klassischen“ Genealogie, (4.) einer Personengeschichtsforschung, die ­verschiedene Dimensionen von sozialen Beziehungen berücksichtigt und dadurch gemeinsam mit der Prosopographie6 der Netzwerkforschung7 Im Sommersemester 2018 beschäftigten sich von 223 hilfswissenschaftlichen Veranstaltungen an 52 deutschsprachigen Universitäten 4 Übungen (1,8 %) mit Genealogie; vgl. Thomas Wozniak, Virtuelles Vorlesungsverzeichnis Historische Hilfswissenschaften im Sommersemester 2018, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 18.4.2018, online: https://mittelalter.hypotheses.org/12358 (09.06.2018). 5 Christian Rohr, Historische Hilfswissenschaften. Eine Einführung, Wien u. a. 2015, S. 254–256; Hiram Kümper, Materialwissenschaft Mediävistik. Eine Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften, Paderborn 2014, S. 279–294. 6 Prosopographie (griech. πρόσωπον prósopon „Gesicht“, γράφειν gráphein „(be-)schreiben“) bezeichnet die systematische Erforschung eines ausgewählten Personenkreises. 7 Robert Gramsch, Das Reich als Netzwerk der Fürsten. Politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrichs (VII.) 1225–1235 (Mittelalter-Forschungen 40), Ostfildern 2013; Ders., Zerstörte oder verblasste Muster? Anwendungsfelder mediä­vistischer Netzwerkforschung und das Quellenproblem, in: Handbuch Historische Netzwerkforschung, hg. von M. Düring/U. Eumann (Schriften des Kulturwissenschaft­ lichen Institut Essen zur Methodenforschung 1), Berlin u. a. 2016, S. 85–99. 4

Zum Stand der Genealogie und Genetik in den Geschichtswissenschaften

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z­ uzurechnen ist, sowie (5.) der (Paläo-)Genetik, der mit DNA-Analysen als zuverlässig geltende naturwissenschaftliche Methoden zur Verfügung stehen, um biologische Verwandtschaft festzustellen, und die damit etwas leisten kann, wozu die Genealogie trotz ihres zwischenzeitlich erhobenen Anspruchs nie wirklich in der Lage war. Ein kurzer Blick (6.) auf Forschungsdesiderate und den künftigen Forschungsbedarf schließt den ­Beitrag ab.

1. Geschichte der Genealogie als Wissenschaft Eine umfassende Geschichte der Genealogie als Wissenschaft wurde noch nicht geschrieben, sodass sie hier nur ausschnitthaft und punktuell skizziert werden kann8. Als Begründer der wissenschaftlichen Genealogie im deutschsprachigen Raum gilt Johann Christoph Gatterer (1727–1799)9, der sie selbst nicht als eigenständige Wissenschaft ansah, sondern als „Theil der Geschichte selbst“, mit der sie „Materie und Form“ gemein habe. Sie sei indes wegen ihrer besonderen Nützlichkeit, eines hohen Arbeitsbedarfs und ihres Umfangs gesondert zu behandeln. In seinem erstmals 1788 gedruckten „Abriß der Genealogie“10 – der für spätere Autoren in vielerlei Hinsicht vorbildhaft war – stellte Gatterer die wichtigsten genealogischen Quellengattungen vor und gab zahlreiche, anschauliche Fallbeispiele bei, wie man von einer genealogischen Information zu einer genealogischen Präsentationsform kommt. Diese Erläuterungen erscheinen methodisch auch zweieinhalb Jahrhunderte später immer noch lehrreich. Die Rolle, welche die Genealogie zu Gatterers Zeiten innerhalb der Geschichtsforschung spielte, war jedoch eine ungleich größere als heute: Gatterer selbst hatte sich 1755 durch ein Buch über die Geschichte der Familie der Holzschuher von Harrlach, einer der ältesten Nürnberger Patrizierfamilien11, in der Fachwelt bekannt gemacht. Da solche Familiengeschichten im 18. Jahrhundert in Mode waren, boten zahlungskräftige Auftraggeber, Für zahlreiche kritische wie konstruktive Hinweise zur Geschichte der Genealogie danke ich Magdalena Weileder. 9 Lothar Graf zu Dohna, Art. Gatterer, Johann Christoph, in: NDB 6 (1964) S. 89–91. 10 Johann Christoph Gatterer, Abriß der Genealogie, Göttingen 1788. 11 Johann Christoph Gatterer, Historia Genealogica Dominorum Holzschuherorum Ab Aspach Et Harlach In Thalheim Cet. Patriciae Gentis Tum Apud Norimbergenses Tum In Exteris Etiam Regionibus Toga Sagoque Illustris Ex Incorruptis Rerum Gestarum Monimentis Conquisita, Nürnberg 1755. 8

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die sich mit auch optisch ansprechend ausgestatteten Büchern ihrer eigenen Vorfahren rühmen wollten, Historikern die Möglichkeit zur Anwendung ihrer Fähigkeiten wie zur Weiterentwicklung ihrer Methoden. Hinzu kamen die bis in die Neuzeit hinein wichtige Bedeutung der persönlichen Abstammung für den Erwerb bestimmter Ämter und Positionen12, aber auch distinktive Funktionen. Aufgrund letzterer hat die Genealogie zwei große Entwicklungssprünge gemacht: Im ausgehenden Spätmittelalter und der frühen Neuzeit versuchten sich Adelige vom städtischen Patriziat unterscheidbar zu machen und nutzten dafür Genealogien. Auf der anderen Seite reagierte das Bürgertum auf solche Tendenzen, indem es sich durch Verweis auf besondere Begabungen oder nationale Herkunft (bspw. Deutschtum) abgrenzte. Dass vermehrt nicht-adelige Gruppen danach strebten, genealogische Daten zu sammeln, drückt sich nicht zuletzt in der Gründung heraldischer Vereine aus, wie dem 1869 gegründeten „Herold, Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wissenschaften zu Berlin“ oder der 1870 ins Leben gerufenen „Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft Adler“. Für die Folgezeit ist eine zunehmende biologische Ausdeutung des Verwandtschaftsbegriffs zu beobachten, der bei Gatterer relativ selten erschien, häufiger ist bei ihm von „Stamm“ und verschiedenen Ableitungen die Rede. Ohne dass es ausdrücklich zur Sprache kommt, wird durch das völlige Verschweigen unehelicher Nachkommenschaft oder unsicherer Vaterschaft deutlich, dass Gatterers Genealogie allein der rechtlichen Verwandtschaft nachging, „rechtspraktisch bestimmt“13 war und das rein biologische Moment eine untergeordnete Rolle spielte. Frauen waren für ihn nur von Interesse, wenn sie Erbrechte besaßen14. Bei Gatterer ist die Genealogie ausgerichtet auf Herrschaft und die Vererbung von Besitz und Rechten, die Stammtafeln dienen der Strukturierung von Geschichte15, sie belegen aber nichts. Gatterer wies in seiner „synchronistischen Übersicht der ganzen Historie“ der Entstehung von Nationen und Völkern eine zentrale Stelle zu. Dennoch ist sein Geschichtsverständnis frei von den späteren völkisch-biologistischen Ansätzen. Auch versuchte Gatterer Vgl. Karl-Heinz Spiess, Dynastische Identitäten durch Genealogie, in: Geschichts­ entwürfe und Identitätsbildung am Übergang zur Neuzeit. 2: Soziale Gruppen und Iden­ titätspraktiken, hg. von Ludger Grenzmann  u. a. (Abhandlungen Göttingen, NF 41/2), Berlin u. a. 2018, S. 3–26. 13 Vgl. Martin Gierl, Geschichte als präzisierte Wissenschaft. Johann Christoph Gatterer und die Historiographie des 18. Jahrhunderts im ganzen Umfang (Fundamenta Historica. Texte und Forschungen 4), Bad Cannstatt 2012, S. 107. 14 Gierl, Geschichte als präzisierte Wissenschaft (wie Anm. 12) S. 102. 15 Gierl, Geschichte als präzisierte Wissenschaft (wie Anm. 12) S. 103. 12

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nicht, Geschichte anhand von Genealogie zu erklären. Klimageographische Bedingungen (Gatterer selbst zeichnete täglich Wetterdaten auf!)16 erschienen ihm deutlich wichtiger für den Verlauf der Geschichte als das „Blut“ des jeweiligen Herrschers. Um 1800 jedoch erfolgte ein Umbruch im Verständnis der Begriffe „Erbe“ und „Vererbung“17, der auch für die Genealogie folgenreich war. Mit der neuen biologischen Bedeutung des zuvor rechtlich gedachten Konzepts kam es zu einer „Familialisierung“. Familie wurde nun nicht mehr gedacht als „der Haushalt (oikos) wie in der vormodernen politischen Theorie“, sondern als eine „natürliche“ Kernfamilie, die gar den „Ursprung der Zivilgesellschaft“18 bilden würde: „Die Gesellschaft wurde in den Gesetzen der biologischen Reproduktion verankert.“19 Die Fokussierung auf die biologische Verwandtschaft und ihre unrechtmäßige Gleichsetzung mit der rechtlichen scheint mit Ottokar Lorenz (1832–1904)20, der zeitgenössische Strömungen aufnahm, verstärkt eingesetzt zu haben21. Seine Theorie, wonach jede Geschichte zuallererst Geschlechtsgeschichte sei, verbunden mit völkischen Ausprägungen, blieb zwar nicht unwidersprochen, prägte Teile nachkommender Forschergenerationen jedoch deutlich. In Formulierungen wie „Aussterben im Mannesstamm“ zeigt sich die Umdeutung des Zufalls, dass es in einer Generation einmal nur weibliche Nachkommen geben kann, als Merkmal eines genealogischen, biologisch-determinierten Verfalls eines Geschlechts. Die Indienstnahme der Genealogie durch die Nationalsozialisten im 20. Jahrhundert war die logische Konsequenz der bei Lorenz implizierten Vorstellungen. Hier zeigt sich ein Desiderat, denn insgesamt gibt es noch zu we Vgl. Martin Gierl, Johann Christoph Gatterer und die Grenzen historiographischer Wissenschaftlichkeit im 18. Jahrhundert, in: Was als wissenschaftlich gelten darf. Praktiken der Grenzziehung in Gelehrtenmilieus der Vormoderne, hg. von Martin Mulsow/Frank Rexroth (Campus Historische Forschungen 70), Frankfurt a. M./New York 2014, S. 387– 408, hier S. 400. 17 Vgl. Stefan Willer/Sigrid Weigel/Bernhard Jussen, Erbe, Erbschaft, Vererbung. Eine aktuelle Problemlage und ihr historischer Index, in: Erbe. Übertragungskonzepte zwischen Natur und Kultur, hg. von Dens. (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2052), Berlin 2013, S. 7–36. 18 Vgl. die „genealogische Einheit“ bei Otto Forst de Battaglia, Wissenschaftliche Genealogie. Eine Einführung in ihre wichtigen Grundprobleme, Bern 1948, S. 14. 19 Willer/Weigel/Jussen, Erbe (wie Anm. 17) S. 24 f. 20 Silvia Backs, Art. Lorenz, Ottokar, in: NDB 15 (1987) S. 170–172. 21 Ottokar Lorenz, Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie. Stammbaum und Ahnentafel in ihrer geschichtlichen, sociologischen, und naturwissenschaftlichen Bedeutung, Berlin 1898. 16

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nige Vorarbeiten und Spezialuntersuchungen der Zeit von 1900 bis zur NS-Zeit22. Otto von Dungern (1875–1967) ging in der Ausprägung seiner Thesen noch weiter23. Er wollte den Adel nicht nur als sozial, sondern auch als biologisch überlegene Klasse verstanden wissen24. Schließlich wurde diese „Reinheit“ des Adels von Wilhelm Karl von Isenburg (1903–1956), Mitarbeiter der „Reichsstelle für Sippenforschung“, zur „Rassereinheit“ des (deutschen) Volkes erweitert25. Eine detaillierte Erforschung dieser Entwicklungen steht noch aus. Eine „Futurisierung“ der Genealogie erfolgte schließlich im Zusammenhang mit dem Geniekult des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts26. Das in der Nachkriegszeit von Otto Forst de Battaglia (1889–1965) publizierte einführende Standardwerk der Genealogie27 steht noch fest in der Tradition von Ottokar Lorenz28. Forst de Battaglia ging davon aus, dass Abweichungen zwischen rechtlicher und biologischer Verwandtschaft vernachlässigbar seien. Mit der Verwendung von „Kraftlinien“ driftet sein Werk teilweise in den fragwürdigen Randbereich esoterischer Konzepte und zweifelhafter Bewertungen wie positiver und negativer Inzucht29. Diese kurzen Bemerkungen zeigen, wie notwendig ein methodisch reflektierter Neuanfang der Genealogie im deutschsprachigen Raum nach 1945 gewesen wäre, zu dem es freilich nie kam. Der schlechte Ruf, den die Genealo Martin Zwilling, Mutterstämme. Die Biologisierung des genealogischen Denkens und die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft von 1900 bis zur NS-Zeit, in: Mütterliche Macht und väterliche Autorität. Elternbilder im deutschen Diskurs, hg. von José Brunner (Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 36), Göttingen 2008, S. 29–47. 23 Fritz Fellner/Doris A. Corradini, Österreichische Geschichtswissenschaft im 20.  Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs 99), Wien u. a. 2006, S. 101 f. 24 Zwilling, Mutterstämme (wie Anm. 22) S. 34. 25 Eric Ehrenreich, The Nazi Ancestral Proof. Genealogy, Racial Science, and the Final Solution, Bloomington u. a. 2007. 26 Thomas Macho, Stammbäume, Freiheitsbäume und Geniereligion. Anmerkungen zur Geschichte genealogischer Systeme, in: Genealogie und Genetik. Schnittstellen zwischen Biologie und Kulturgeschichte, hg. von Sigrid Weigel, Berlin 2002, S. 15–43. 27 Forst de Battaglia, Genealogie (wie Anm. 18). 28 Forst de Battaglia, Genealogie (wie Anm.  18) S.  11: „Wir werden die Rolle des Abstammungsfaktors in der Geschichte zu würdigen haben. Wir werden sehen, inwieweit Völker, Geschlechter und grosse Männer in ihrer geschichtlichen Bedeutung und in ihrer Eigenart durch das Ahnenerbe bedingt waren.“ 29 Positiv sei Inzucht, wenn „gute“ Erbanlagen zur Entstehung von „Genies“ führten, negativ, wenn sie „biologisch, sittlich oder leiblich schlecht sind“, wofür er die Veranlagung zu Lungenerkrankungen oder Homosexualität nennt; vgl. Forst de Battaglia, Genealogie (wie Anm. 18) S. 170 f. 22

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gie erworben hatte, wurde zwar beklagt, zugleich hielten es aber nur wenige Autoren für erforderlich, sich von rassistischen, völkischen und eugenischen Ansätzen und deren Vertretern ausdrücklich zu distanzieren. Dass Personen wie Wilhelm Karl von Isenburg, die 1945 ihres Amtes enthoben wurden, schon 1946 im Bereich „Historische Genealogie“ wieder eingesetzt wurden, verdeutlicht die Probleme dieser Entwicklung30. Hinzu kommt, dass eine detaillierte Aufarbeitung der Autoren und ihrer jeweiligen Argumentationsmuster noch aussteht. Nur wenige haben bisher, wie Jörg Füchtner oder Simon Teuscher, die Distanzierung so offen formuliert, wie es in der Sache angemessen erscheint31. Zwar wurde, wie in den folgenden Abschnitten deutlich wird, in den letzten Jahren die inhaltliche Ausrichtung der Genealogie wie ihr methodisches Instrumentarium erweitert, die skizzierten Probleme verdeutlichen aber den Bedarf an weiteren Reflexionen um eine in ihren Ansichten wirklich freie und unvorbelastete Genealogie zu etablieren.

2. Genealogische Datensammlungen Durch das breite Interesse an Familienforschung gibt es einen stetig wachsenden Markt für genealogische Datensammlungen: Zum Teil sind diese methodisch auf hohem wissenschaftlichem Niveau erarbeitet, verfolgen aber einen Selbstzweck; zum Teil integrieren sie historische Personengruppenforschung, die auch für sich genommen wissenschaftliche Relevanz hat. Neben die analogen Forschungsmittel in Form von gedruckten Aufsätzen und Büchern treten seit Mitte der 1990er Jahre immer mehr digitale Formate. 2.1. Analoge Forschungsmittel Der Opac der Regesta Imperii, das führende bibliographische Instrument zur Recherche mediävistischer Forschungsliteratur bezüglich des Mittelalters, zeigt aktuell über 5400 Titel mit dem Titel-Bestandteil „Genealogie“. 30 Hans-Christian Harten/Uwe Neirich/Matthias Schwerendt, Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs. Bio-bibliographisches Handbuch (Edition Bildung und Wissenschaft 10), Berlin 2006, S. 407. 31 Jörg Füchtner, Die Genealogie in der DDR, in: Genealogie 47 (1998) S. 193–202; Urs Hafner, „Im Mittelalter wollte man Verwandtschaft vermeiden“. Der Historiker Simon Teuscher über die Ungleichheiten, die der Stammbaum schafft, in: Neue Zürcher Zeitung vom 03.09.2012.

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Im Bewusstsein, dass es keinen zusammenfassenden Literaturbericht über die genealogische Literatur der letzten hundert Jahre gibt, konzentriert sich die folgende Übersicht weitgehend auf die Zeit nach dem Jahr 2000. Die umfassendste Zusammenfassung der Unterschiede zwischen der deutschsprachigen zur internationalen Forschung lieferte Bernhard Jussen32. Während die deutschsprachigen Einführungen in die Genealogie nicht allzu zahlreich sind, gibt es doch eine ganze Reihe von Wissenschaftlern, die sich zu genealogischen Aspekten oder Detailproblemen geäußert haben: Bernhard Jussen33, Kilian Heck34 und Hermann Metzke35 sowie zum Verhältnis zwischen Genealogie und Genetik besonders Jörg Feuchter36. Ein Sammelband präsentiert die Ergebnisse einer Tagung zur 32 Bernhard Jussen, Perspektiven der Verwandtschaftsforschung zwanzig Jahre nach Jack Goodys „Entwicklung von Ehe und Familie in Europa“, in: Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters, hg. von Karl-Heinz Spiess (Vorträge und Forschungen 71), Ostfildern 2009, S. 275–324. 33 Willer/Weigel/Jussen, Erbe, Erbschaft, Vererbung (wie Anm. 17); Bernhard Jussen, Erbe und Verwandtschaft. Kulturen der Übertragung im Mittelalter, in: Willer/Weigel/Jussen (Hgg.), Erbe (wie Anm. 17) S. 37–64; Ders., Verwandtschaftliche Ordnungen, in: Enzyklopädie des Mittelalters, hg. von Gert Melville/Martial Staub, Darmstadt 2008, S. 163–171; Ders., Künstliche und natürliche Verwandte? Biologismen in den kulturwissenschaftlichen Konzepten von Verwandtschaft, in: Das Individuum und die Seinen, hg. von Juri L. Besmertny/Otto Gerhard Oexle (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 163) Göttingen 2001, S. 39–58; Ders., Verwandtschaft, in: LexMA 8 (1997) Sp. 1596–1599. 34 Kilian Heck, Ahnentafel und Stammbaum. Zwei genealogische Modelle und ihre mnemotechnische Aufrüstung bei frühneuzeitlichen Dynastien, in: Seelenmaschinen. Gattungstraditionen, Funktionen und Leistungsgrenzen der Mnemotechniken vom späten Mittelalter bis zum Beginn der Moderne, hg. von Jörg Jochen Berns/Wolfgang Neuber (Frühneuzeit-Studien, NF 2), Wien u. a. 2000; Genealogie als Denkform in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Kilian Heck/Bernhard Jahn, Tübingen 2000; Kilian Heck, Genealogie als Monument und Argument. Der Beitrag dynastischer Wappen zur politischen Raumbildung der Neuzeit (Kunstwissenschaftliche Studien 98), München u. a. 2002; Ders., Die Ahnen formen den Raum. Genealogische Dispositive in der Architektur im 15. Jahrhundert, in: Diagrammatik der Architektur, hg. von Dietrich Boschung/Julian Jachmann (Morphomata 6), München 2013, S. 286–306. 35 Hermann Metzke, Genealogie. Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft, in: Genealogie 51 (2002), S. 193–208; Ders., Genealogie als Beitrag zur Erinnerungskultur, in: Biographie, Genealogie und Archive gemeinsam im digitalen Zeitalter, hg. von Bettina Joergens, Insingen 2009, S. 173–186; Ders., Gedanken zur Genealogie. Ausgewählte Publikationen und Vorträge 1982–2010 (Schriftenreihe der Stiftung Stoye 55), Marburg 2012. 36 Jörg Feuchter, Über die Herausforderung der Geschichtswissenschaft durch die Genetik. Zwölf Thesen zur „Genetic History“, in: https://mittelalter.hypotheses.org/7629; Ders./Stefanie Samida, Why Archaeologists, Historians and Geneticists Should Work Together – and How, in: Medieval Worlds 4: The Genetic Challenge to Medieval History and Archaeology (2016), S. 5–21 (doi:10.1553/medievalworlds_no4_2016s5); Jörg Feuchter, Für einen kritischen Dialog zwischen Geschichtswissenschaft und genetic history, in: NTM Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin 26/3 (2018) S. 34–40

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„Ahnenprobe“37, und auch zur „Ahnengalerie“ liegen aktuelle Betrachtungen vor38. Im Vergleich mit der englischsprachigen39 und besonders der französischen genealogischen Forschung wird aber schnell klar, dass die deutschsprachige Genealogie bezüglich ihrer Methoden, ihrer Methodenreflexion und ihrer Fragestellungen im Hintertreffen ist. So hat die deutsche Forschung – um nur ein Beispiel zu nennen – an der breiten Diskussion um „The development of the family and marriage in Europe“, die Jack Goodys 1983 publiziert hatte40, nicht nur nicht teilgenommen, sondern diese „in ihrer selbst gewählten Isolation“41 fast nicht wahrgenommen. Im Vergleich zur im deutschsprachigen Raum praktizierten genealogischen Forschung ist jene in Frankreich methodisch bezüglich der Akzeptanz der Diversität von Vorfahren deutlich weiter entwickelt, was wohl am historisch weniger vorbelasteten Umgang mit dieser Fachdisziplin liegt. Dies verdeutlichen die zahlreichen einschlägigen Einführungen aus dem französischen Sprachraum42. In Frankreich wurde 1989 der Verlag „Archives & Culture“43 gegründet, der in vier Reihen zahlreiche Einführungen44 zur Genealogie herausgibt. (doi:10.1007/s00048-018-0196-9); Ders./Elsbeth Bösl, Genetic History  – Eine Heraus­ forderung für die Geschichtswissenschaften, in: Neue Politische Literatur 64/2 (2019) S. 237–268; Jörg Feuchter, Mittelalterliche Migrationen als Gegenstand der ‚Genetic History‘, in: Vom Wandern der Völker. Migrationserzählungen in den Altertumswissenschaften, hg. von Felix Wiedemann u. a. (Studies of the Ancient World 41), Berlin 2017, S. 347–370. 37 Die Ahnenprobe in der Vormoderne, hg. von Elizabeth Harding/Michael Hecht (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliches Wertesystem 37), Münster 2011. 38 Kilian Heck, Ahnengalerie, in: Paravicini (Hg.), Höfe und Residenzen (wie Anm. 3) S. 271–273. 39 George Redmonds/Turi King/David Hey, Surnames, DNA, and Family History, Oxford 2011. 40 Jack Goody, The Development of the Family and Marriage in Europe, Cambridge u. a. 1983 (deutsch: Jack Goody, Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, Berlin 1986). 41 Vgl. Jussen, Perspektiven (wie Anm. 33) S. 275. 42 Henri Medori, Le livre généalogique sept générations, Paris 1997; Valérie Gautier, ABC de la généalogie, Paris 2008; Jean-Louis Beaucarnot, La généalogie facile, Alleur 2002; Hendrik-Leo Derous, Genealogie, Puurs 2009; Marie-Odile Mergnac/Yves Buffetaut/Philippe de Montjouvent, La généalogie pour tous. La bonne méthode pour débuter et construire son arbre, Paris 2013; Caroline Nogueras/Gilles Pascal Coutot-Roehrig, Chasseurs d’héritiers. Histoires vraies de généalogistes, Paris 2018. 43 Die Reihen: a) Allgemeine Genealogie, b) Geschichte des täglichen Lebens, c) Onomastik als Wissenschaft der Familien-, Vor- und Ortsnamen, d) biographische Lexika; vgl. https://www.archivesetculture.org/(11.09.2019). 44 Jean Delorme, Guide de recherche généalogique en Europe, Paris 2017; Gwen Guidou, Raconter son histoire familiale, Paris 2015.

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Während sich deutschsprachige Einführungen in die Genealogie teilweise noch an irrigen Konstrukten vermeintlich homogener Volksgruppen abarbeiten, gehen französische Einführungen auf die zahlreichen diversen Untergruppen ein, die jeder genealogischen Analyse systembedingt zugrunde liegen und jeweils ganz eigene methodische Überlegungen notwendig machen. Unterteilt nach verschiedenen Gruppen findet man Hilfestellungen zur Quellenrecherche und –interpretation: religiöse Gruppen, wie jüdische, hugenottische oder protestantische Vorfahren45, Sprachgruppen wie ungarische46, korsische47, bretonische48, italienische49, spanische50, schweizerische51, belgische52, niederländische53, überseeische54, kanadische55 oder im weitesten Sinne fremde Vorfahren56, bis zu den speziellen Problemen größerer Herkunftsräume (Nordafrika, indischer Ozean)57. Auch die Besonderheiten der genealogischen Forschung innerhalb ausgewählter Regionen Frankreichs werden in der eigens zu diesem Zweck herausgegeben Reihe „Collection Guide des régions“ einzeln dargestellt: allgemein Paris und speziell die Île de France, Elsass, Aquitanien, HauteNormandie, Basse-Normandie, Provence-Alpes Côte d‘Azur, Limousin, Lorraine, Pays de la Loire, Anjou und Poitou-Charentes-Vendée sowie Nizza58. Der methodische Zugriff geht aber auch auf spezielle Probleme Laurence Abensur-Hazan, Retrouver un ancêtre juif, Paris 2019; Jean-Thierry Du Pasquier, Généalogies huguenotes, Paris 1985; George Elmore Reaman, The Trail of the Huguenots in Europe, the United States, South Africa and Canada, Baltimore 1966; Francis Christian, Retrouver ses ancêtres protestants, Paris 2005. 46 József Berkes u. a., Retrouver ses ancêtres hongrois, Paris 2016. 47 Michel Vergé-Franceschi u. a., Retrouver ses ancêtres corses, Paris 2015. 48 Yann Guillerm, Jean-François Pellan, Retrouver ses ancêtres Bretons, Paris 2016. 49 Nathalie Vedovotto, Retrouver ses ancêtres italiens, Paris 2018. 50 Valérie Franco-Courtillet u. a., Retrouver ses ancêtres espagnols, Paris 2015. 51 Denis Dubich/David Korehnke, Seine Schweizer Vorfahren wiederfinden, Paris 2015. 52 Christophe Drugy, Retrouver ses ancêtres belges, Paris 2012. 53 Rob Van Drie/Jeanne-Marie Morin, Rechercher ses ancêtres aux Pays-Bas, Paris 2013. 54 Christian Duic, Retrouver un ancêtre marin, Paris 2015. 55 Marcel Fournier, Retrouver des cousins canadiens. Un rameau de la France en Amérique, Paris 2013. 56 Myriam Provence, Rechercher ses ancêtres étrangers, Paris 2008. 57 Michel Pagop Leumalien, Guide de généalogique en Afrique Noire, Paris 2016; Frédéric Deleuze, Retrouver sa famille dans les territoires de l’océan Indien, Paris 2016. 58 Laurence Abensur-Hazan, Rechercher ses ancêtres à Paris, Paris 2011; Jean Delorme, Guide de recherche généalogique [im Folgenden „G.d.r.g“] en Ile de France, Paris 2005; Michel Hoffmann, G.d.r.g. en Alsace, Paris 42006; Jean Delorme, G.d.r.g. en Aquitaine, Paris 22005; Ders., G.d.r.g. en Haute-Normandie, Paris 32006; Ders., G.d.r.g. en Basse-Normandie, Paris 32006; Ders., G.d.r.g. en Provence-Alpes Côte d’Azur, Paris 22006; Ders., G. d. r. g. en Provence-Alpes Côte d’Azur, Paris 22006; Ders., G.d.r.g. en Limousin. Paris 45

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der Recherche und Interpretation von Quellen zu weiteren ausgewählten Gruppen ein, wie die Freimaurer59, Messebesucher, Bootsführer und andere Vorfahren mit Migrationshintergrund60, aber auch Revolutionäre61, revolutionäre und kaiserliche Soldaten62 sowie Soldaten des Ersten Weltkriegs63. Weiterhin stehen die Institutionen der Überlieferung genealogischen Materials im Fokus, wie Notare64, juristische Archive65 und Wirtschaftsarchive66. Es geht sogar bis hin zu „mürrischen Vorfahren“67. Auch im englischsprachigen Raum wurden einige Einführungen vorgelegt68, auch diese betreffen Räume, wie England69, Schottland und Irland70, Malta71 oder Amerika72, weiterhin familiäre Strukturen73 oder ausgewählte Gruppen74,

2005; Ders., G. d. r. g. en Lorraine, Paris 2005.; Ders., G. d. r. g. en Pays de la Loire, Paris 2006; Isabelle Soulard, Guide pratique de généalogie: en Anjou et Poitou-Charentes-Vendée, Paris 2005; Gilles Prévost, G.d.r.g. dans l’ancien comté de Nice, Paris 2004. 59 Irène Mainguy, Retrouver un ancêtre franc-maçon, Paris 2017. 60 Marie-Odile Mergnac, Retrouver forains, bateliers et autres ancêtres migrants, Paris 2017. 61 Marie-Odile Mergnac, Découvrir ses ancêtres sous la Révolution, Paris 2012. 62 Jérôme Malhache, Retrouver un ancêtre soldat de la Révolution ou de l’Empire, Paris 2 2016. 63 Yves Buffetaut, Votre ancêtre dans la Grande Guerre. Guide généalogique et historique, Paris 2010. 64 Marie-Odile Mergnac, Archives de notaires et généalogie. Les basiques de la généalogie, Paris 2015. 65 Véronique Tison-Le Guernigou, Explorer les archives judiciaires. XIXe–XXe siècles, Paris 2012. 66 Marie-Odile Mergnac, Explorer les archives du commerce. Pour vos ancêtres entrepreneurs, commerçants, artisans, colporteurs, Paris 2012. 67 Jérôme Malhache, Retrouver son ancêtre grognard, Paris 2012. 68 Brenda Dougall Merriman, Genealogical Standards of Evidence. A Guide for Family Historians, Toronto 22010; George G. Morgan, How to Do Everything. Genealogy, New York 22009; Jack Simpson, Basics of Genealogy Reference. A Librarian’s Guide, Westport 2008. 69 Mark D. Herber, Ancestral trails. The complete guide to British genealogy and family history, Stroud 2004. 70 Bruce Durie, Scottish Genealogy, Stroud 2009; John Grenham, Tracing Your Irish Ancestors, Baltimore 32006; James G. Ryan, Irish Records. Sources for Family and Local History, Salt Lake City 1997. 71 Charles A. Gauci, The Genealogy and Heraldry of the Noble Families of Malta, 2 Bde., Valletta 1981–1992. 72 François Weil, Family Trees. A History of Genealogy in America, Cambridge 2013. 73 Brenda Dougall Merriman, Genealogical Standards of Evidence. A Guide for Family Historians, Toronto 22010. 74 Alison Weir, Britain’s Royal Families. The Complete Genealogy, London 1989.

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aber auch historische Epochen wie das Mittelalter75 oder der Erste Weltkrieg76. Demgegenüber bieten im deutschsprachigen Raum vor allem populäre Einführungen in die Genealogie überwiegend praktische Anleitungen für die Recherche77. Auffallend viele stammen aus dem Jahr 199478, was vielleicht mit der Öffnung der Archive in Ostdeutschland zu tun hat. Daneben liegen eine ganze Reihe von Grundlagenwerken vor, die eine Zusammenfassung der genealogischen Ergebnisse bieten. Zuerst ist dabei die zwischen 1980 und 2013 von Detlev Schwennicke herausgegebene Neue Folge der „Europäischen Stammtafeln“ zu nennen, die mit ihren 29 Bänden ein Grundlagenwerkzeug bildet, das trotz gelegentlich geäußerter methodischer Kritik insbesondere in Bezug auf die Quellenbelege79 und den Entstehungszusammenhang80 ein wichtiges Hilfsmittel für die Identifizierung historischer Personen darstellt81. Weiterhin zu nennen ist das große Opus mit dem Titel „Tafelwerk“ aus der Feder von Eduard Hlawitschka zu den Ahnen hochmittelalterlicher deutscher Könige, Kaiser und ihren Gemahlinnen in drei Bänden, welches die Zeit von 911 bis 1250 abdeckt 82. M. L. Bierbrier, New Developments in Medieval Genealogy, in: The Genealogists’ magazine 31 (2015) S.  357 f.; Paul Chambers, Medieval Genealogy. How to Find your ­Medieval Ancestors, Stroud 2005; Gabrielle M. Spiegel, Genealogy. Form and Function in Medieval Historical Narrative, in: History and Theory 22/1 (1983) S. 43–53. 76 Ute Baur-Timmerbrink, Wir Besatzungskinder. Töchter und Söhne alliierter Soldaten erzählen, Berlin 2015; Sarah Paterson, Tracing Your Prisoner of War Ancestors. The First World War, Barnsley 2012. 77 Einführungen seit 2000: Helmut Ivo, Familienforschung leicht gemacht. Anleitungen, Methoden, Tipps, München 2006; Biographie, Genealogie und Archive gemeinsam im digitalen Zeitalter, hg. von Bettina Joergens, Insingen 2009; Jüdische Genealogie im Archiv, in der Forschung und digital. Quellenkunde und Erinnerung, hg. von Ders. (Veröffentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 41), Essen 2011; Viktoria Urmersbach/Alexander Schug, Achtung Ahnen, ich komme. Praxisbuch moderne Familienforschung, Berlin 2011; Thomas Wieke, Ahnenforschung. So erkunden Sie Ihre Familiengeschichte, Berlin 2013. 78 Agathe Franziska Kaiser/Erich Dieter Linder, Familiengeschichte und Wappenkunde. Ein Wegweiser zur Genealogie und Heraldik, Augsburg 1994; Eike Pies, Abenteuer Ahnenforschung. Das praktische Handbuch für Einsteiger und Profis, Solingen 1994; Christina Zacker, Anleitung zur Ahnenforschung. Familienchronik und Familienwappen, Augsburg 1994. 79 Vgl. die Rezensionen von Eduard Hlawitschka, in: DA 57 (2001) S. 713 f. 80 Das Großprojekt geht auf Wilhelm von Isenburg zurück, der noch 1980 auf dem Titelblatt genannt wurde. 81 Detlev Schwennicke, Europäische Stammtafeln NF, 26 Bde., Marburg/Frankfurt a. M. 1980–2009. 82 Eduard Hlawitschka, Die Ahnen der hochmittelalterlichen deutschen Könige, Kaiser und ihrer Gemahlinnen. Ein kommentiertes Tafelwerk, Bd. 1: 911–1137, Hannover 2006, Bd. 2: 1138–1197, Hannover 2009, Bd. 3: 1198–1250, Hannover 2013. 75

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Dieses Werk hat in Detailfragen Diskussionen ausgelöst, die hier aber nicht nachgezeichnet werden83. Ähnliche Werke existieren zu anderen Herrscherhäusern wie der britischen Königsfamilie oder dem spanischen Königshaus84. Eines der zentralen Handbücher zum Selbstverständnis des deutschsprachigen Adels85 ist der 1763 erstmals erschienene Gothaische Hofkalender, der jüngste unter den Hofkalendern86. Besonders zahlreich sind die genealogischen Zeitschriften, die der 1910 in Leipzig gegründete Degener-Genealogieverlag herausgibt87, der das große Interesse breiter Bevölkerungsteile bedient. Das familienkundliche Interesse nahm mit der verstärkten Nutzung des Internets als Rechercheinstrument in den letzten Jahren noch einmal zu. Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmungen, die Interessen der zahlreichen familienkundlichen Forscherinnen und Forscher zu bündeln, um daraus Synergieeffekte zu kreieren, wie die „Zentralstelle für Personen- und Familiengeschichte“. Die zahlreichen Vereine und Verbände haben sich in der „Deutschen Arbeitsgemeinschaft genealogischer Verbände“ organisiert88. Ausdrücklich der Publikation familiengeschichtlich nutzbaren Materials gewidmet ist die Stiftung Stoye89, die bisher über 70 Bände, vor allem mitteldeutsche Quellen, herausgebracht hat.

Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, hg. von Armin Wolf, Frankfurt  a. M. 2002; Eduard Hlawitschka, Konradiner-Genealogie, unstatthafte Verwandtenehen und spätottonisch-frühsalische Thronbesetzungspraxis. Ein Rückblick auf 25 Jahre Forschungsdisput (MGH Studien und Texte 32), Hannover 2003; Armin Wolf, Ahnen deutscher Könige und Königinnen. Alternativen zu dem Werk von Eduard Hlawitschka, in: Herold-Jahrbuch NF 15 (2010) S. 77–198. 84 Weir, Britain’s Royal Families (wie Anm. 74); Vicente Salas Merino, La Genealogía de Los Reyes de España, Madrid 32015. 85 Vertreter einer sich selbst als „adelig“ wahrnehmenden Schicht, die in der Bundesrepublik derzeit etwa ein Prozent ausmachen, organisieren sich seit 1961 einem eingetragenen Verein mit Sitz in Marburg, dem „Deutschen Adelsarchiv“. 86 Werner Paravicini, Handbuch zur Selbstvergewisserung des Adels, in: FAZ (19.09.2015): „Frankreich hatte schon 1679 seinen ‚Almanach royal‘, Großbritannien seit 1730 seinen ‚Royal calendar‘. In Wien war es im Jahre 1698 so weit, Preußen, das neue Königreich, folgte 1704, vor dem Erzbistum Salzburg 1724 und dem Kurfürstentum Sachsen 1738.“ 87 Vgl. https://www.degener-verlag.de/genealogische-zeitschriften/index.php (09.01.2020): Genealogie (früher: Familie und Volk), Genealogie und Heraldik, Ostdeutsche Familienkunde, Familie und Geschichte, Familienkundliche Nachrichten, Mitteldeutsche Familienkunde, Norddeutsche Familienkunde, Archiv für Sippenforschung, Archiv für Familiengeschichtsforschung, Westdeutsche Familienkunde, Hessische Familienkunde und Hessische Ahnenlisten. 88 Vgl. http://www.dagv.org/(09.01.2020). 89 Vgl. https://stiftung-stoye.org/(12.12.2019). 83

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2.2. Digitale Verfahren und quantitative Hilfsmittel Wie in kaum einem anderen Bereich der Historischen Hilfs-/Grundwissenschaften haben die Möglichkeiten der Digitalisierung in den letzten Jahrzehnten auf die Erschließung und Darstellung genealogischen Materials Einfluss genommen90. Das persönliche Interesse an den eigenen Vorfahren lässt sich sehr gut bedienen und so verwundert es nicht, dass sich auf diesem Feld zahlreiche Anbieter professioneller Dienste finden. Detaillierte Einzeluntersuchungen zur Familiengeschichte sind so umsatzstark, dass kommerzielle Dienstleister in den letzten Jahren verstärkt in die Archive drängen, um sich für längere Zeiträume einen Exklusivzugriff auf Archivalien zu sichern. Die Zahl digitaler Angebote, die kostenpflichtig über die eigene Herkunft informieren und oft mit Angeboten zur DNA-Analyse gekoppelt sind, hat sich in den letzten Jahren stark erhöht. Der Wert der Ergebnisse – (vorläufige) Einschätzung der ethnischen Abstammung der Probanden91  – wird teilweise infrage gestellt, sodass der Mehrwert wohl vor allem auf Seiten der Anbieter liegt, die nicht nur finanziell, sondern durch die Gewinnung hochsensibler, da unveränderlicher personenbezogener Daten profitieren92. Die Preise für solche Dienstleistungen variieren nur leicht. Bekannte (kostenpflichtige) Anbieter sind Ancestry (seit 1990)93, MyHeritage (seit 2003)94 oder FindMyPast (seit 2003)95. Im Bereich der genetischen Genealogie kommen hinzu: DeCode Genetics (seit 1996)96, 23andME (seit 2006)97 oder GEDmatch (seit 2010)98. Der Aufbau solcher genealogischer wie genetischer Datenbanken durch Privatfirmen birgt die Gefahr des Missbrauchs. Auch staatliche Stellen Peter Christian, The Genealogist‘s Internet, London 52012; Karl Schmid, Zum Einsatz der EDV in der mittelalterlichen Personenforschung, in: FmSt 22 (1988) S.  53–69; Armin E. Hepp, Möglichkeiten und Grenzen der quantitativen Genealogie, in: Genealogisches Jahrbuch 14 (1974) S. 5–16. 91 Vgl. Liam Mannix/Alexandra Gauci im Syndey Morning Herald (29.04.2019): https:// www.smh.com.au/national/time-to-get-that-viking-tattoo-removed-ancestry-updates-dnaresults-20190426-p51hmh.html (27.01.2020). 92 Die handelsüblichen Kosten für derartige Laboruntersuchungen stehen in keinem Verhältnis zum Verkaufspreis der DNA-Kits. Da dieser viel zu niedrig ist, um wirtschaftlich zu sein, ist zu vermuten, dass die in den Analysen gewonnenen Daten eine Zweitverwertung erfahren. 93 Vgl. http://www.ancestry.de/. 94 Vgl. http://www.myheritage.de/. 95 Vgl. https://www.findmypast.com. 96 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/DeCODE_Genetics. 97 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/23andMe. 98 Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/GEDmatch. 90

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a­ utoritärer Regime sollen sich u. a. DNA-Tests bedienen, um oppositionelle oder als oppositionell angesehene Bevölkerungsgruppen zu überwachen99. Daneben gibt es Initiativen zu Datenbanken, die ihre Leistungen anders finanzieren, wie das Portal für Genealogie100, Parishrecords101 und die Internetpräsenz des „Vereins für Computergenealogie e.V.“102. Was alle diese Anbieter verbindet, ist die Fokussierung auf die biologische Verwandtschaft. Der mit weitem Abstand größte Anbieter genealogischer Informationen ist die Website der „Church of Jesus Christ of Latter-day Saints“, in Deutschland bekannt als „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“ oder Mormonen. Auch ohne Mitglied dieser Glaubensgemeinschaft zu sein, lässt sich das Angebot nach einer kostenfreien Anmeldung nutzen103  – die allerdings mit der Einräumung erheblicher Datennutzungsrechte (zu Zwecken der Missionierung) einhergeht104. Die seit den 1930erJahren weltweit in Archiven mikroverfilmten Quellen lagern in einem Stollen eines Salzbergwerks in der Nähe von Salt Lake City in Utah. Etwa vier Milliarden Einheiten (weniger als ein Prozent des Gesamtmaterials) wurden bisher digitalisiert. Vor allem auf Betreiben der Mormonen wurde seit 1985 die Strukturierung der genealogischen Datensätze durch Vereinheitlichung vorangetrieben, was sich in der Entwicklung des Datenformates GEDCOM (engl. GEnealogical Data COMmunication) ausdrückt. Seitdem die Daten ein weitgehend kompatibles Format erreicht haben, stellte die mormonische Gemeinschaft die weitere Entwicklung ein und konzentriert sich seither überwiegend auf die Erschließung. Etwa 150.000 Freiwillige transkribieren die handgeschriebenen Quellen und bereiten sie so für das Internet auf. Das unterschiedliche Kenntnisniveau der Bearbeiter führt zu nicht wenigen Lesefehlern. Die Datenbank regelmäßig zu durchsuchen kann trotzdem immer wieder neue Funde bringen. Die Betonung der Abstammung bei den Mormonen knüpft an alttestamentarische Genealogien an. Die mormonische Praxis der nachträglichen Taufe verstorbener Vorfahren, unabhängig von deren zu Lebzeiten praktiziertem Glauben, Sonja Peteranderl, Ein Volk wird gehackt. Chinas Überwachung der Uiguren, in: Spiegel-Online vom 02.09.2019, online: https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/china-wiedie-muslimische-minderheit-der-uiguren-ueberwacht-wird-a-1284783.html (27.01.2020). 100 Vgl. https://geneall.net/de/. 101 Vgl. https://www.parishrecord.org.uk/. 102 Vgl. http://www.genealogienetz.de. 103 Vgl. http://www.familysearch.org (27.01.2020). 104 Vgl. https://www.familysearch.org/wiki/de/FamilySearch_Wiki:Datenschutz (27.01.2020). 99

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wird von Angehörigen verschiedener Religionsgemeinschaften als aggressiver Akt postmortaler Missionierung empfunden. Die realen Folgen solcher „Totentaufen“ sind aber im Vergleich zu anderen Formen des Missbrauchs genealogischer Daten als gering einzuschätzen. Aufgrund der finanziellen Situation der Latter-day Saints kann ein Handel mit den akquirierten Personendaten auch künftig wohl eher ausgeschlossen werden. Große Schritte wurden bei der Weiterentwicklung der Darstellungsformen der Stammtafeln gemacht und auch die computergestützte Strukturierung genealogischer Informationen schreitet weiter fort. So liegt das seit 1984 existierende Programm „GENprofi“ mittlerweile in Version 4.0 vor105. Die umfangreichste Sammlung genealogischer Links hat seit 1996 Cyndi Ingle erstellt, die mehr als 330.000 Weblinks (Stand Dezember 2019) zusammengetragen hat106. 2.3. Klassische Funktionen der Genealogie Die traditionellen Überblicksdarstellungen von Verwandtschaftsverhältnissen durch die Genealogie sind solche von Rechtsbeziehungen wie im Arbor consanguinitatis107. Die beiden klassischen Formen umfassen die Stamm- oder besser Ahnentafel108 (nicht „Stammbaum“109) zur Darstellung der Vorfahrenschaft (Aszendenz) und die Nachfahrentafel zur Präsentation der Nachfahrenschaft (Deszendenz)110. Wie sich die Darstellungsarten im Laufe der Zeit entwickelt haben, ab wann und warum sie Vgl. https://sites.google.com/a/kt-gmbh.com/gp/genprofi/genprofi4/gp4_download (27.01.2020). 106 Vgl. http://www.cyndislist.com (27.01.2020). 107 Corpus Iuris Canonici, hg. von Emil Ludwig Richter, Leipzig 1879, Sp. 1426 f., onlin e : h t t p s : / / g e sch i ch te.d i gi tal e- samml u n gen .de/decretum-gratiani/seite/ bsb00009126_00765 (21.01.2020). 108 Kilian Heck, Ahnentafel und Stammbaum (wie Anm. 34), S. 563–584. 109 Brandt, Werkzeug (wie Anm. 1) S. 40: „Der volkstümlich übliche Begriff des ‚Stammbaums‘ dürfte in recht verstandener Analogie zu dem verwendeten pflanzlichen Bild nur für die Nachfahrentafel verwandt werden, erscheint aber häufig auch im Sinne der Ahnentafel. Im wissenschaftlichen Gebrauch sollte man ihn ganz vermeiden.“ 110 Bei der Nachfahrenschaft erhält jede Person zwei Zahlen; die römische zeigt den Verwandtschaftsgrad nach kanonischer Zählung, die arabische Ziffer die Verwandtschaft nach römischer Zählung. Nach der antiken römischen Zählung, der Justinian im Corpus Iuris Civilis ein eigenes Kapitel widmete, werden alle zwischen zwei Personen liegenden Zeugungen gezählt. Die kanonische Zählweise rechnet dagegen die Generationen zu den gemeinsamen Stammeltern zwischen zwei Personen. Beide Systeme standen eine Zeit lang nebeneinander. Im kanonischen Recht galt seit dem IV. Laterankonzil der vierte Grad kanonischer Zählung als Ehehindernis. 105

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beispielsweise auf agnatische Abfolgen verengt wurden, bedarf noch spezieller Untersuchungen. Auf andere Darstellungsformen wie die genealogischen Nachweise in Turnier-, Bruderschafts- und Wappenbüchern wird hier nicht näher eingegangen, da sie von verwandten Disziplinen wie der Heraldik bearbeitet werden. So einfach die Darstellungsform der Ahnentafel auf den ersten Blick scheint, so kompliziert wird diese im Zusammenhang mit dem „Implex“ genannten Phänomen des Ahnenschwundes/-verlustes. Bei der Annahme einer Generationenfolge von 20–30 Jahren kommen auf eine/n Proband/in der 1. Generation zwei Elternteile, in der 2. Generation vier Großeltern, in der 3. Generation acht Urgroßeltern usw. Von heute an zurückgerechnet hätte ein Proband in der 21. Generation vor heute (um 1300) rechnerisch 1.048.576 oder in der 36. Generation (um 800) über 34 Milliarden Vorfahren. Diese Zahl liegt deutlich jenseits der Menschenzahl, die bisher gleichzeitig auf der Erde gewohnt haben. Die tatsächliche Zahl der Vorfahren ist selbstverständlich deutlich geringer. Die Lösung für dieses Problem liegt darin, dass entferntere Verwandte miteinander Kinder haben und dadurch Vorfahren an mehreren Stellen der Ahnentafel auftauchen. So teilt sich ein verheiratetes Paar aus Cousin und Cousine ein Großelternpaar, welches entsprechend mit allen weiteren Vorfahren an zwei Positionen in der Ahnenliste vorkäme111. Dabei bezeichnet der Implex oder Ahnenverlust den Unterschied zwischen der rein rechnerischen Vorfahrenzahl und der tatsächlichen Anzahl112. Die innerhalb der christlichen Welt bekanntesten Genealogien finden sich im Buch Genesis113 und im Matthäus-Evangelium114. Die wichtigste Wolf-Herbert Deus, Zwei Beispiele von Ahnenschwund, in: Familie und Volk 4 (1955) S. 105f.; Arndt Richter, Über Ahnengemeinschaften und Implex („Ahnenschwund“). Ein Streiflicht auf das Nürnberger Patriziat in der großen, noch unveröffentlichten Ahnentafel der Kinder von Prof. Dr. Siegfried Rösch, 1899–1984, in: Genealogie 60 (2011) S. 637–656. 112 Hermann Athen, Theoretische Genealogie, in: Genealogica & Heraldica, hg. von Sven Tito Achen, Kopenhagen 1982, S. 421–432. Pierre Cazes/Marie-Hélène Cazes, Comment mesurer la profondeur généalogique d’une ascendance?, in: Population 51 (1996), S. 117–140. 113 Thomas Hieke, Genealogien der Genesis. Freiburg i. Br. u. a. 2003; Ders., Die Völkertafel von Genesis 10 als genealogische Raumordnung. Form, Funktion, Geographie, in: Genealogie und Migrationsmythen im antiken Mittelmeerraum und auf der Arabischen Halbinsel, hg. von Almuth-Barbara Renger/Isabel Toral-Niehoff (Berlin Studies of the Ancient World 29), Berlin 2014, S.  23–40; zu biblischen Genealogien auch Ohad Parnes u. a., Das Konzept der Generation. Eine Wissenschafts- und Kulturgeschichte (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1855), Frankfurt a. M. 2008, S. 42–46. 114 In Mt 1,1−17 werden von „Abraham bis David vierzehn Generationen, von David bis zur Babylonischen Gefangenschaft vierzehn Generationen und von der Babylonischen Gefangenschaft bis zu Christus vierzehn Generationen“ aufgezählt. 111

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Grundlage für die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen genealogischen Konstrukte des Adels bilden die erfundenen Anbindungen an die antiken Genealogien (in Homers „Illias“ und „Odyssee“). Solche instrumentalisierten Familienabfolgen, aber auch ihre Rezeption in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen „genealogischen Phantasien“115 und Ahnengalerien116 als Mittel der Distinktion und Legitimation117 sind bis in die jüngste Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen118. Weitere Formen genealogischer Tafeln sind die Regententafel, welche die regierenden Mitglieder eines Herrscherhauses angeben, oder das Deszentorium als Unterart der Ahnenprobe, welches die Abstammung eines Menschen von einem seiner Vorfahren zeigt. Letzte Reminiszenz, bei der eine „Ahnenprobe“ noch heute zum Erhalt von Exklusivrechten verwendet wird, ist das 1923 in Schloss Ehreshoven (Rheinland) eingerichtete Damenstift für „bedürftige, ledige, katholische, adlige Fräuleins“119. Die Zulassungsvoraussetzung ist hier eine Auflistung im „Gotha“120.

3. Grenzen und Chancen einer „Abstammungskunde“ Neben den gerade erwähnten praktischen Aspekten hat die wissenschaftliche Personenforschung seit Gerd Tellenbachs Arbeiten121 in den 1950erJahren eine stärkere Beachtung und methodische Entwicklung erfahren122, Diesen treffenden Begriff hat eingeführt: Horst Brunner, Genealogische Phantasien. Konrads von Würzburg ‚Schwanritter‘ und ‚Engelhard‘, in: Literarisches Leben. Studien zur deutschen Literatur, hg. von Dems. (Philologische Studien und Quellen 266), Berlin 2018, S. 216–244. 116 Heck, Ahnengalerie (wie Anm. 34). 117 Kilian Heck, Das Fundament der Machtbehauptung. Die Ahnentafel als genealogische Grundstruktur der Neuzeit, in: Weigel  (Hg.), Genealogie und Genetik (wie Anm.  26) S. 45–56 und weitere Publikationen von Kilian Heck (wie Anm. 34). 118 Andrew E. Steinmann, A Reply to Jeremy Sexton Regarding the Genealogies in ­Genesis, in: Journal of the Evangelical Theological Society 61/1 (2018) S. 27–37. 119 Vgl. https://www.stift-ehreshoven.de/index.php/stift-ehreshoven.html (28.01.2020). 120 Gothaisches Genealogisches Handbuch. Fürstliche Häuser, Bd. 1, bearb. von Gottfried Graf Fink von Finkenstein und Christoph Franke, Marburg 2015. 121 Gerd Tellenbach, Zur Bedeutung der Personenforschung, Freiburg i. Br. 1957. 122 Jürgen Petersohn, Personenforschung im Spätmittelalter. Zur Forschungsgeschichte und Methode, in: ZHF 2 (1975) S. 1–6; Peter Moraw, Personenforschung und deutsches Königtum, in: ZHF 2 (1975) S. 7–18; Karl Ferdinand Werner, Personenforschung: Aufgabe und Möglichkeiten, in: Mittelalterforschung (Forschung und Information 29), Berlin 1981, S. 84–92. 115

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beispielsweise hinsichtlich der Bildgenealogien123. Zwar wird die vom Tellenbach-Schüler Karl Schmid angeregte Entwicklung „von der frühmittelalterlichen offenen Sippe ohne genealogisches Tiefenbewusstsein zum hochmittelalterlichen Agnatenverband“124 in jüngster Zeit bestritten125, aber alternative Deutungen stehen noch aus. Obwohl in der Forschung seit einigen Jahrzehnten darauf hingewiesen wird, dass „Verwandtschaft“ keine eindeutige oder natürliche Kategorie ist, sondern ein soziales Konstrukt mit verschiedenen Dimensionen (biologisch  – genetisch  – rechtlich – sozial – geistig – akademisch – etc.), wird der Gegenstand der Genealogie weiterhin meist unreflektiert mit Begriffen wie „Abstammung“ bezeichnet. Erkenntnisse aus der Ethnologie126, der Demographie, aber auch der Genetik zeigen, dass die unreflektierte Gleichsetzung von biologischer und rechtlicher Verwandtschaft methodisch unzulässig ist127. Die traditionelle, historisch ausgerichtete Genealogie hat freilich gar nicht die Mittel, um biologische Verwandtschaft zweifelsfrei festzustellen, und selbst wenn man sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ermittelt hat, bleibt die Frage nach der Aussagekraft dieser Erkenntnis. Dafür seien einige Beispiele näher dargestellt.

Karl Schmid, Ein verlorenes Stemma Regum Franciae. Zugleich ein Beitrag zur Entstehung und Funktion karolingischer (Bild-)Genealogien in salisch-staufischer Zeit, in: FmSt 28 (1994) S. 196–225. 124 Karl Schmid, Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Dynastie beim mittelalterlichen Adel. Vorfragen zum Thema „Adel und Herrschaft im Mittelalter“, in: ZGORh 105/NF 66 (1957) S. 1–62. 125 Jussen, Perspektiven (wie Anm. 32) S. 302. 126 Eine größere Bedeutung als für die Geschichtswissenschaft hat die „Genealogie“ innerhalb der Ethnologie; vgl. Thomas Bargatzky, Ethnologie. Eine Einführung in die Wissenschaft von urproduktiven Gesellschaften, Hamburg 1997, S. 96–126. 127 Während die geschichtswissenschaftlich betriebene Genealogie oft von einer christlich geprägten monogamen Familienstruktur ausgeht, in der die Kleinfamilie aus Mutter-VaterKinder als „natürliche“ Grundeinheit betrachtet wird, zeigen die Ergebnisse ethnologischer Untersuchungen durchaus andere Möglichkeiten des Familienaufbaus: beispielsweise matrilineare Familien. In diesen ist die biologische Vaterschaft kaum relevant, da die Aufzucht der Kinder durch die Mitglieder der Familie der Mutter vorgenommen wird. So sorgen etwa die Brüder und Cousins für die Kinder, ohne deren Vater zu sein. Die Verwandtschaft wird in diesen Fällen einzig über die Frauen definiert. Die Ethnologie hat eine ganze Reihe solcher Systeme identifiziert und systematisiert. Für die christlich überprägten Bereiche Europas sind die patriarchal orientierten römischen Familiensysteme übernommen worden, weshalb sie im Folgenden betrachtet werden müssen, in größerem zeitlichen Rahmen sind sie aber nur eine von mehreren möglichen und praktizierten Formen familiären Zusammenlebens. 123

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3.1. Findelkinder Bei der Betrachtung von Findelkindern werden Ergebnisse der Demographie128 in die genealogische Forschung integriert. Unter einem Findelkind wird ein von seinen Eltern ausgesetztes Kind verstanden, das durch eine oder mehrere mutmaßlich nicht verwandte Personen aufgenommen und erzogen wird129. Die gängige Annahme, dass solche Fälle absolute Ausnahmen darstellen, ist für bestimmte historische Epochen kaum zu halten130, wie Zahlen aus München, Passau131, Annaberg, Leipzig132 und Bern zeigen133. Besonders aussagekräftig in Bezug auf ihren Einfluss auf die Genealogie sind die Zahlen aus Paris im 18. und 19. Jahrhundert. In Paris wurden in dieser Zeit jährlich über 8.000 Kinder ausgesetzt, was fast der Hälfte aller Geburten in der Stadt entspricht, in ganz Frankreich 35.000134. Diese Kinder wurden größtenteils gefunden, versorgt, heirateten später, pflanzten sich fort und gingen so in Ahnentafeln ein. An diesen Stellen öffnen sich aber gewaltige Lücken in der genealogischen Überlieferung135, 128 Demographie (griech. δῆμος démos, „Volk“ und γράφειν gráphein „(be-)schreiben“) ist eine Disziplin, welche die Entwicklung der Bevölkerung (Fertilität, Migration, Mortalität) in ihrer zeitlichen und räumlichen Dimension auf Basis absoluter Bevölkerungszahlen betrachtet. 129 Gisela Drossbach, Findelkinder zwischen Recht und Institution, in: Grundlagen des Rechts. Festschrift für Peter Landau zum 65. Geburtstag, hg. von Richard Henry Helmholz u. a. (Rechts- und staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft, NF 91), Paderborn u. a. 2000, S. 439–451; Markus Meumann, Art. Findelkind, in: HRG2 1 (2008) Sp. 1579–1581. 130 Markus Meumann, Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord in der Frühen Neuzeit. Unversorgte Kinder in der frühneuzeitlichen Gesellschaft (Ancien Régime, Aufklärung und Revolution 29), München 1995; Volker Hunecke, Findelkinder und Findelhäuser in der Renaissance, in: QFIAB 72 (1992) S. 123–153. 131 Gabriele Pfeifer, Auswertung von Taufmatrikeln in München und Passau in der Zeit von 1600 bis 1820, unter besonderer Berücksichtigung der Münchner Findelkinder, München 2015. 132 Bernd Rüdiger, Findelkinder in der Frühen Neuzeit. Unter besonderer Berücksichtigung des Annaberger und des Leipziger Raums (Quellen zur Orts- und Familiengeschichte des Erzgebirges 60), Annaberg-Buchholz 2014. 133 Gerrendina Gerber-Visser, „Dan mein muter wot nicht muter sein, und der vatter nicht vatter“. Findelkinder in Bern im 18. Jahrhundert (Berner Forschungen zur Regionalgeschichte 3), Nordhausen 2005. 134 P. Schneider, Ueber die Errichtung von Krankenhäusern in den Amtsstädten zur Aufnahme, Verpflegung und Heilung sämmtlicher armer Kranken des Amtsbezirks, in: Annalen der Staatsarzneikunde 3/1 (1838) S. 16–121, hier S. 72 f. 135 Gábor Tolnai, Egy erdélyi gróf a felvilágosult Európában (Teleki József utazásai 1759– 1761). Sajtó alá rendezte, a bevezető tanulmányt, és a mutatót a magyarázó jegyzetekkel írta Tolnai Gábor. A kéziratban lévő útinaplónak a sajtó alá rendezoő készítette betűhű másolatát

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auf die jeder genealogische oder familienkundliche Forscher irgendwann stößt und wo die Vorfahren auch mit einem erhöhten Aufwand nicht ermittelt werden können. Insofern sind ausgesetzte Findelkinder, aber auch fehlende Angaben zur Vaterschaft bei nicht ehelich geborenen Kindern neben einer schlechten Überlieferungslage methodisch aufschlussreich für den Einfluss demographischer Beobachtungen innerhalb der Genealogie. 3.2. Unsichere Vaterschaft Die genealogischen Tafeln der vergangenen Jahrhunderte haben sich zu Unrecht und zu stark auf sehr unsichere Verwandtschaftsverhältnisse über die männliche Seite gestützt. Dies wird nicht zuletzt an dem Problembegriff „Mannesstamm“ deutlich, der die konstruierten Verhältnisse deutlich macht. Dabei werden die Verwandtschaftsverhältnisse über die Namenslinie des Vaters oder eines „Hauses“ bzw. „Geschlechts“ rekonstruiert. Das dahinterstehende Modell geht davon aus, dass der Name des biologischen Vaters weitgehend unverändert an den/die Sohn/Söhne weitergegeben wird136. Dabei werden zwei entscheidende Punkte übersehen. Zum einen muss rechtliche Vaterschaft nicht mit biologischer Vaterschaft einher­gehen. Zum anderen ist die Reduktion auf den Vaternamen als Familiennamen erst eine spätmittelalterliche Entwicklung137. Es gibt eine große Zahl demographischer Bedingungen, die ein Festhalten an einer agnatischen Blutsverwandtschaft obsolet machen. Nicht zuletzt viele adelige Familien mussten im Laufe ihres Bestehens irgendwann einmal aufgrund dynastischer Zufälle die agnatische Familienabfolge aufgeben. Während zu solchen dynastischen Krisen einige Detailstudien vorliegen138, bestehen bezüglich der unmai helyesírásra átdolgozta Végh Ferenc, Budapest 1987, S.  186: „Zum Besuch des Hôpital Général von Paris stellt er fest: Es ist dies eine sehr schöne Einrichtung, in der ungefähr 8000 Frauen und Mädchen leben, 6000 oder mehr davon sind Findelkinder.“ Ders, Die Reisen József Telekis (1759–1761), in: Acta Litteraria. Academiae Scientiarum Hungaricae 7 (1965) S. 55–102. 136 Diese Weitergabe von Namen der Väter und Vorväter ist in islamischen und afrikanischen Gesellschaften noch stärker ausgeprägt. Beispielsweise bei Ibn al-Athir (1160–1223) dessen Name lautet: Alıˉ ibn Muhammad ibn ʿAbd al-Karıˉm ibn ʿAbd al-Waˉ hid, Abuˉ ­l-Hasan al-Dschazarıˉ asch-Schaibaˉnıˉ. 137 Namensformen wie „Fitz Gerard“ etc. zeigen nur eine Sohnschaft (filius) über den Vornamen des Vaters an. Vgl. mit zahlreichen Beispielen Mark Antony Lower, English Surnames. Essays on Family Nomenclature. Historical, Etymological and Humorous, London 1842. 138 Ellen Widder, Margarete „Maultasch“. Zu Spielräumen von Frauen im Rahmen dynastischer Krisen des Spätmittelalters, in: Margarete „Maultasch“. Zur Lebenswelt einer Landesfürstin und anderer Tiroler Frauen des Mittelalters, hg. von Julia Hörmann-Thurn und

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sicheren Vaterschaft noch zahlreiche Forschungsdesiderate: Eine Frau, die den biologischen Vater ihres Kindes nicht heiraten kann139, gibt ihren Familiennamen auch an den Sohn weiter, und so wird die scheinbar sichere agnatische Linie methodisch nicht mehr fassbar. Im 15. Jahrhundert werden solche Kinder mit einem Geburtsmakel in den Supplikenregistern der Pönitentiarie sichtbar, wenn sie z. B. Pfründen erwerben wollen140. Schwieriger wird es, wenn eine Frau später heiratet und ihr neuer Mann das Kind (undokumentiert) annimmt/adoptiert. Auch gibt es Dispense für Frauen, die mit zwei Männern verheiratet waren141. Die vermeintlich sichere agnatische Linie wird in den Fällen klar verfälscht, was aber, je nach Quellensituation, oft kaum zu erkennen ist. Wurden solche demographischen Beobachtungen früher als Ausnahmen abgetan, zeigt sich, dass derlei Fälle weit häufiger vorkommen als angenommen. Un- und außereheliche Kindszeugungen sowie Adoptionen tauchen oft selbst in Kirchenbüchern nicht auf. Inwieweit die aus zahlreichen anderen Quellengattungen bekannten Autorenintentionen auch auf so spröde Quellen wie Kirchenregister ihren Einfluss nehmen, wird bisher kaum reflektiert.

Taxis (Schlern-Schriften 339), Innsbruck 2007, S. 51–79; Dies./Christian Heinemeyer, Gefährdete Dynastien und bedrohte Ordnungen. Einführung, in: Geboren, um zu herrschen? Gefährdete Dynastien in historisch-interdisziplinärer Perspektive, hg. v. Dens./Iris Holzwart-Schäfer (Bedrohte Ordnungen 10), Tübingen 2018, S. 1–22. 139 Arnold Esch bezeichnet solche Fälle als „kleine Schicksale“ von Menschen, die sonst keine Chance hatten, überliefert zu werden. Die Beispiele sind sehr zahlreich: Kinder von Kriegsgefangenen in Kriegen, Kinder aus Vergewaltigungen weiblichen Personals auf Gutshöfen, Kinder von Plantagenbesitzern mit weiblichen Sklaven, Kinder von Geistlichen/Missionaren mit weiblichen Schutzbefohlenen etc.; vgl. Arnold Esch, Wahre Geschichten aus dem Mittelalter. Kleine Schicksale selbst erzählt in Schreiben an den Papst, München 2012; Ders., Die Lebenswelt des europäischen Spätmittelalters. Kleine Schicksale selbst erzählt in Schreiben an den Papst, München 2014. 140 Ludwig Schmugge, Kirche, Kinder, Karrieren. Päpstliche Dispense von der unehelichen Geburt im Spätmittelalter, Zürich 1995; Ders./Patrick Hersperger/Béatrice Wiggenhauser, Die Supplikenregister der päpstlichen Pönitentiarie aus der Zeit Pius’ II. (1458– 1464) (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 84), Tübingen 1996. 141 Repertorium Poenitentiariae Germanicum II, Nr.  943, online: http://rg-online.dhiroma.it/RPG/2/943 (31.01.2020); vgl. Ludwig Schmugge, Ehen vor Gericht. Paare der Renaissance vor dem Papst, Berlin 2008, S. 167 f.; Christiane Schuchard, Ein neues Regestenwerk aus dem Vatikanischen Archiv. Das Repertorium Poenitentiariae Germanicum, in: BDLG 133 (1997) S. 23–36.

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Hinzu kommen andere Beobachtungen, die in den letzten Jahren aufgrund von Detailstudien zur Ansippung gemacht werden konnten142. Diese beruht auf der Idee, die eigene Familie möglichst oft durch fiktive Genealogien143 auf einen vermeintlich großen Ahnen – wie Karl den ­Großen144 – zurückzuführen145. Beispielsweise ist das Geschlecht der Morit-Greifensteiner, das in den Quellen im 13. Jahrhundert über drei Generationen verfolgt werden kann, in männlicher Linie ausgestorben. Sämtliche späteren Nennungen beziehen sich dann auf deren Verwalter. Diese übernahmen den Namen nach einer Generation, obwohl sie nur die Besitztümer der ausgestorbenen Familie verwalteten146. Aufgrund solcher Ansippungen und der unsicheren biologisch-genetischen Vaterschaft können mit Hilfe der agnatischen Linie nur die rechtlichen Verwandtschaftsverhältnisse dargestellt werden. Einzelschicksale im historischen Kontext zu erforschen ist methodisch durchaus anspruchsvoll: Während und nach den zwei großen Weltkriegen im 20. Jahrhundert wurden in Mitteleuropa hunderttausende Menschen geboren, deren Väter alliierte Soldaten waren. Diese „Besatzungskinder“ haben ihren biologischen Vater aus den USA, Großbritannien, Frankreich oder der ehemaligen Sowjetunion oft nie kennengelernt. Familiär und gesellschaftlich teilweise ausgegrenzt, sind diese Nachkommen lange Zeit ihrer eigenen Herkunft bewusst nicht weiter nachgegangen147. Diese Problematik betrifft auch zahlreiche Konflikte vergangener Epochen (Dreißigjähriger Krieg, napoleonische Kriege etc.). Anders sieht es hingegen mit der kognatischen Blutsverwandtschaft aus. Reinhard Wenskus, Zum Problem der Ansippung, in: Festgabe für Otto Höfler zum 75. Geburtstag, hg. von Helmut Birkhan, Wien u. a. 1976, S. 645–660. 143 Alphons Lhotsky, Apis Colonna. Fabeln und Theorien über die Abkunft der Habsburger, in: MIÖG 55 (1944) S. 171–246. 144 Joachim H. Schleifring u. a., Autopsing History. The Mummy of Charlemagne (c. 747–814 AD), Father of Europe, in: Economics and Human Biology 32 (2019) S. 11–17 (doi: 10.1016/j.ehb.2018.11.002). 145 Vgl. Gerd Althoff, Genealogische und andere Fiktionen in mittelalterlicher Historiographie, in: Fälschungen im Mittelalter 1 (MGH Schriften 33/1), Hannover 1988, S. 417–441; Gründungsmythen, Genealogien, Memorialzeichen. Beiträge zur institutionellen Konstruktion von Kontinuität, hg. von Gert Melville/Karl-Siegbert Rehberg, Köln u. a. 2004; Idoneität – Genealogie – Legitimation. Begründung und Akzeptanz von dynastischer Herrschaft im Mittelalter, hg. von Cristina Andenna/Gert Melville (Norm und Struktur 43), Köln 2015. 146 Vgl. Armin Torggler, Die Greifensteiner. Tiroler Adelsgeschichte im Hoch‐ und Spätmittelalter (Diss. Stuttgart 2017, im Druck). 147 Baur-Timmerbrink, Besatzungskinder (wie Anm.  76); Paterson, Tracing (wie Anm. 76). 142

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3.3. Kognatische Blutverwandtschaft – die (meistens) gesicherte weibliche Linie Während für biologisch-genetische Vaterschaft die klassischen genealogischen Methoden nur Anhaltspunkte liefern, in der Regel aber keine Beweise erbringen können, ist die Mutterschaft oft mit höherer Wahrscheinlichkeit auch ohne Gentest festzustellen. Berücksichtigt man den gesellschaftlichen Druck, der auf kinderlosen Ehepaaren lasten konnte, lässt sich aber auch hier nicht zur Gänze ausschließen, dass rechtliche und biologische Mutterschaft gelegentlich divergierten. Trotzdem sind die ­kognatischen Linien in jeder Hinsicht deutlich belastbarer, womit die „Mütter“ die eigentlichen Pfeiler aller familiären Statistiken bilden. Das drückt sich beispielsweise in der Zugehörigkeit zum Judentum aus, die über die Mutter vermittelt wird. Bei aktuellen Forschungen werden konsequenterweise auch die kognatischen Linien einbezogen148. Dabei scheinen in den genealogischen Tafeln die kognatischen Linien gleichberechtigt auf, was einen deutlichen Mehrwert bietet. Bis auf die Fälle ausgesetzter und von anderen Müttern angenommener Kinder sind die weiblichen Linien deutlich belastbarer, denn die Mutterschaft ist durch die in der Regel sichtbare Schwangerschaft gesichert, wie es schon das römische Recht ausdrückte: mater semper certa est. Allerdings muss eingeschränkt werden, dass historische Quellen nur selten über Schwangerschaften berichten und wenn dann oft anhand von Beispielen, wonach Mütter öffentlich entbunden hätten149. Das bedeutet aber wohl auch, dass im Heimlichen manchmal Kinder nicht von jener Frau geboren wurde, die dann die rechtliche Mutterschaft erhielt. Eine weitere in Bezug auf die neuen Forschungsperspektiven wichtige Eigenschaft ist die Weitergabe der mitochondralen DNA von der Mutter an die Nachkommen, auf die noch einzugehen ist.

148 Tiziana Lazzari, Le donne nell‘alto Medioevo, Mailand 2010; Edoardo Manarini, I due volti del potere. Una parentela atipica di ufficiali e signori nel regno italico (Studi storici 12), Mailand 2016. 149 Prominentestes Beispiel dafür ist das historiografische Konstrukt, mit dem auf antistaufische Gerüchte reagiert werden sollte, nach denen Friedrich II. ein untergeschobenes Kind gewesen sei. Dafür verlegten die Historiografen die Geburt Friedrichs in den öffentlichen Raum; seine 40-jährige Mutter Konstanze soll nach neun Jahren kinderloser Ehe am zweiten Weihnachtsfeiertag 1194 in einem Zelt auf dem Marktplatz von Jesi unter den Augen verheirateter Frauen das Kind geboren haben; vgl. die ausführliche Übersicht bei Wolfgang Stürner, Friedrich II. 1194 – 1250. Darmstadt 32009, S. 44 f.

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3.4. Problembereich: Illegitimität Der Begriff „illegitim“, der im kanonischen Recht einen Geburtsmakel (defectus natalium) bezeichnet150, wurde von der älteren Forschung151 oft für nicht ehelich geborene Kinder verwendet152, ohne dass darüber reflektiert wurde, dass es sich dabei auch um eine „parteiische“ Begrifflichkeit handelt. Die Betroffenen waren formal von vielen gesellschaftlich relevanten Rechten ausgeschlossen, besaßen kein oder nur ein gemindertes Erbrecht, keine Pfründe, keine Rittergesellschaft, keine Ratsfähigkeit etc. Der große Forschungsbedarf auf diesem Gebiet wurde immer wieder thematisiert153. Zu ergänzen ist, dass es in schriftlichen Quellen oft um die Verunglimpfung der Nachkommen meist politischer Gegner ging, denen auf anderer Ebene kaum beizukommen war, wie etwa dem Kaiser. Im Fall von Enzo, dem unehelichen Sohn Kaiser Friedrichs II. mit einer süddeutschen Frau namens Adelheid, wurde die Bezeichnung „illegitim“ besonders in den Chroniken der Friedrich feindlich gesinnten italienischen Kommunen verwendet. Die quellenmäßige Bezeichnung Enzos als „illegitim“ erscheint dabei rechtlich korrekt; es ist allerdings keine Verwendung durch Friedrich II. selbst bezeugt. Für ihn war Enzo ein aus einer nicht-ehelichen Verbindung hervorgegangener Sohn, den er später anerkannte und als Generallegat Italiens in höhere Ämter einsetzte154. Der rechtliche Begriff „illegitim“ wurde von den italienischen Kommunen als Vorwurf gegen das staufische Herrscherhaus verwendet, lange nachdem der Kaiser seinen unehelichen Sohn anerkannt hatte. Der Begriff wurde von der frü Vgl. Ludwig Schmugge, Kirche, Kinder, Karrieren (wie Anm. 140); Francis Rapp, Klerus und Illegitimität in der Diözese Straßburg (1449–1523), in: Illegitimität im Spätmittelalter, hg. von Ludwig Schmugge/Béatrice Wiggenhauser, München 1994, S. 227–237; Georg Wieland, Römische Dispense „de defectu natalium“ für Antragsteller aus der Diözese Konstanz (1449−1533). Fallstudie an dispensierten Klerikern aus dem Bistum Konstanz, in: ebd., S. 293–299. 151 Vgl. Illegitimität im Spätmittelalter, hg. von Ludwig Schmugge unter Mitarbeit von Béatrice Wiggenhauser (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 29), München 1994. 152 Horst Hermann, Die Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht (Kanonistische Studien und Texte 26), Amsterdam 1971. 153 Ellen Widder, Skandalgeschichten oder Forschungsdesiderate? Illegitime Verbindungen im Spätmittelalter aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive, in: „... wir wollen der Liebe Raum geben“. Konkubinate geistlicher und weltlicher Fürsten um 1500, hg. v. Andreas Tacke (Schriftenreihe der Stiftung Moritzburg 3), Göttingen 2006, S. 38–92. 154 Vgl. den im Druck befindlichen Bd. 38 „Enzo – König von Sardinien (um 1220–1272)“ der Reihe „Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst“, hg. von Knut Görich, Göppingen 2020. 150

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heren Forschung allzu oft unreflektiert für nicht-ehelich geborene Kinder verwendet, womit sie die zeitgenössische Propaganda fortschrieb. Mehr noch, selbst die in einer nicht-ehelichen Beziehungen zu einem Herrscher stehende Frau wurde mit dem Wort „illegitim“ stigmatisiert155. Als Beispiel sei die „illegitime Slawin“ genannt, mit der Otto I. im Jahr 929 Wilhelm zeugte, den späteren Erzbischof von Mainz156. Eine Kategorisierung von Frauen anhand solcher Adjektive ist völlig irreführend, korrekt wäre in dem Fall „unehel., slaw. NN“. Vergewaltigung innerhalb der Ehe, wie sie beispielsweise Thietmar von Merseburg von König Heinrich I. und seiner Frau Mathilde, aber auch von anderen Paaren berichtet, zeichnet ein deutlich anderes, vermutlich realistischeres Bild157. Die Titulierung als „illegitim“ sollte durch deskriptive und weniger wertende Bezeichnungen ersetzt werden, wie „eheliche“/„uneheliche“ Kinder, „anerkannt“/„nicht anerkannt“ etc. Ein anderes Ergebnis anachronistischer Deutungsweisen ist das mittlerweile dekonstruierte Konzept der „Friedelehe“. 3.5. Die gelehrte „Friedelehe“ Die anachronistische Rückprojektion gegenwärtiger Normen und Moralvorstellungen auf frühere Verhältnisse ist immer problematisch. Die ­Einführung des Konzeptes der „Friedelehe“ geht auf Herbert Meyer ­zurück, der vor allem anhand isländischer Quellen, die er auf die Ver­ hältnisse des europäischen Kontinents übertrug, einen Anschluss an die antik-römische Konsensehe suchte158. Die „Friedelehe“ hat sich aber mittlerweile als gelehrte Phantomkonstruktion herausgestellt159. Die Poly­

Gisela Drossbach, Concordia nutrit amorem. Konrad von Megenberg und die Ehe (unter Berücksichtigung des ‚Tractatus de aboribus consanguinitatis et affinitatis et spiritualis et legalis cognationis‘), in: Konrad von Megenberg (1309–1374) ein spätmittelalterlicher ‚Enzyklopädist‘ im europäischen Kontext, hg. von Edith Feistner (Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 18), Wiesbaden 2011, S. 345–356. 156 Widukind von Korvei, Sachsengeschichte, ed. Hans-Eberhard Lohmann/Paul Hirsch (MGH SS rer. Germ. [60]), Hannover 1935, lib. 3, c. 74, S. 150; Thietmar von Merseburg, Chronik, ed. Robert Holtzmann (MGH SS rer. Germ. N.S. 9), Berlin 21955, hier lib. 2, c. 35, S. 82: de matre quamvis captiva et Sclavonica tamen nobili. 157 Thietmar von Merseburg, Chronik (wie Anm. 156), lib. 1, c. 24 f., S. 30/32. 158 Herbert Meyer, Friedelehe und Mutterrecht, in: ZRG 60 GA 47 (1927) S. 198–286. 159 Else Ebel, Die sog. ‚Friedelehe‘ im Island der Saga- und Freistaatszeit (870–1264), in: Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft. Festschrift zum 65. Geburtstag von Paul Mikat, hg. von Dieter Schwab, Berlin 1989, S. 245–258; Else Ebel, Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen. Philologische Studien zur sogenannten „Frie 155

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gamie160 bei Herrschern entsprach oft genau dem Gegenteil späterer Normvorstellungen. In den Quellen kann ein auf die Mehrung des Nachwuchses zielendes Verhalten einzelner Adeliger beobachtet werden, die ihre Männlichkeit nicht auf die Ehefrau konzentrierten. Ein (viel diskutierter)161 Brief von Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg zeigt einen sehr freizügigen Umgang mit allen Frauen in seiner Umgebung162, der sich nach heutigen Maßstäben an Derbheit kaum überbieten lässt, aber damals vermutlich anders empfunden wurde. Die mit verschiedenen Frauen gezeugten Kinder haben wiederum einen unmittelbaren Einfluss auf genealogische Abfolgen. Solche Beispiele verdeutlichen vor allem, dass heutige Maßstäbe und moderne Vorstellungen zu Familienund Sexualmoral nicht auf vergangene Zeiten übertragen werden dürfen. Ähnliches gilt für Bastarde und Konkubinen163.

4. Ausweitung der Genealogie: Netzwerkforschung Die Genealogie bildet nur einen begrenzten und vergleichsweise kleinen Ausschnitt innerhalb des Spektrums der Netzwerkforschung und -analyse ab. So führt die Suche nach dem Thronfolger nicht nur über „Blutsverwandtschaft“, sondern auch über die Nähe zum gerade verstorbenen delehe“, Berlin 1993; Andrea Esmyol, Geliebte oder Ehefrau? Konkubinen im frühen Mittelalter (Archiv für Kulturgeschichte. Beiheft 52), Köln u. a. 2002. 160 Martina Hartmann, Zwischen Polygamie und Heiligkeit. Merowingische Königinnen, in: Königinnen der Merowinger. Adelsgräber aus den Kirchen von Köln, Saint-Denis, Chelles und Frankfurt, hg. von Egon Wamers/Patrick Périn, Regensburg 2012, S. 19–36; Dies., Concubina vel regina? Zu einigen Ehefrauen und Konkubinen der karolingischen Könige, in: DA 63 (2007) S. 545–568; Rudolf Weigand, Art. Polygamie. I. Westlicher Bereich, in: LexMA 7 (1995) Sp. 74 f.; Konrad Dilger, Art. Polygamie. II. Islamischer Bereich, in: LexMA 7 (1995) Sp. 75; Paul Mikat, Die Polygamiefrage in der frühen Neuzeit (RheinischWestfälische Akademie der Wissenschaften, Vorträge G 294), Opladen 1988. 161 Cordula Nolte, Verbalerotische Kommunikation, gut schwenck oder: Worüber lachte man bei Hofe? Einige Thesen zum Briefwechsel des Kurfürstenpaares Albrecht und Anna von Brandenburg-Ansbach 1474/75, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Jan Hirschbiegel/Werner Paravicini (Residenzenforschung 11) Sigmaringen 2000, S. 449–471. 162 In Liebe und Zorn. Briefe aus dem Mittelalter, hg. von Klaus Arnold, Ostfildern 2003, S. 135. 163 Andrea Esmyol, Geliebte oder Ehefrau? (wie Anm. 152); Ellen Widder, Konkubinen und Bastarde. Günstlinge oder Außenseiter an Höfen des Spätmittelalters?, in: Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert, hg. von Jan Hirschbiegel/Werner Paravicini (Residenzenforschung 17), Ostfildern 2004, S. 417–480.

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Herrscher164. Diese Herrschernähe betrifft die „Sippe“ des Herrschers im weiteren Sinn, die nach derzeitigem Stand165 bei mittelalterlichen europäischen Herrschern aus abgestuften, aber miteinander verbundenen Gruppen besteht. Dabei wird die biologische Verwandtschaft erweitert durch Wahlverwandtschaft (Eheversprechen, Verlobung, Hochzeit), besonders die Verheiratung der Nachfahren, die im Mittelalter ein probates politisches Instrument war, um Konflikte zu lösen und langfristige Friedenslösungen zu etablieren166. In der modernen Zeit kann dieses Mittel, das auch zur Verbreitung von Kultur und zur Kommunikation beitrug167, in Europa nicht mehr eingesetzt werden. Über die Erweiterung der Familie durch Heirat hinaus gingen die verschiedenen Formen der rechtlichen Verwandtschaft durch Adoption und geistlichen Verwandtschaft durch Patenschaft (cognatio spiritualis)168. Sie bildeten eine Art „künstlicher“ Verwandtschaft, um Allianzen und soziale Beziehungen zu pflegen169. Eine weitere Art, den Kreis der Familie zu erweitern, bildeten besonders im Früh- und Hochmittelalter die als amicitiae bezeichneten Freund-

164 Jean-Marie Moeglin, Dynastisches Bewußtsein und Geschichtsschreibung. Zum Selbstverständnis der Wittelsbacher, Habsburger und Hohenzollern im Spätmittelalter (Schriften des Historischen Kollegs. Vorträge 34), München 1993. 165 Werner Hechberger, Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter (Mittelalter-Forschungen 17), Ostfildern 2005, S. 306–328; Gerd Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, Darmstadt 1990; Hans K. Schulze, Reichsaristokratie, Stammesadel und fränkische Freiheit, in: HZ 227 (1978) S. 353–373, hier S. 361 f. 166 Frederieke M. Schnack, Die Heiratspolitik der Welfen von 1235 bis zum Ausgang des Mittelalters (Kieler Werkstücke, Reihe A: Beiträge zur schleswig-holsteinischen und skandinavischen Geschichte 43), Frankfurt a. M. 2016; vgl. auch die Rezension von Alexander Maul in: H-Soz-Kult, 24.10.2018, . 167 Karl-Heinz Spiess, Europa heiratet. Kommunikation und Kulturtransfer im Kontext europäischer Königsheiraten des Spätmittelalters, in: Europa im späten Mittelalter. Politik, Gesellschaft, Kultur, hg. von Rainer Christoph Schwinges u. a. (HZ Beiheft, NF 40), München 2006, S. 435–464; Hermann Weber: Die Bedeutung der Dynastien für die europäische Geschichte der frühen Neuzeit, in: ZBLG 44 (1981), S. 5–32. 168 Bernhard Jussen, Patenschaft und Adoption im frühen Mittelalter. Künstliche Verwandtschaft als soziale Praxis (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 98), Göttingen 1991. 169 Guido Alfani, Geistige Allianzen. Patenschaft als Instrument sozialer Beziehung in Italien und Europa (15. bis 20. Jahrhundert), in: Politiken der Verwandtschaft. Beziehungsnetze, Geschlecht und Recht, hg. von Margareth Lanzinger/Edith Sauer, Göttingen 2007, S. 25–54; Christof Rolker, Patenschaft und Namengebung im späten Mittelalter, in: Konkurrierende Zugehörigkeit(en). Praktiken der Namengebung im europäischen Vergleich, hg. von Dems./Gabriela Signori (Spätmittelalterstudien 2), Konstanz 2011, S. 17–38.

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schaftsbündnisse170. Im Rahmen der in den letzten Jahren verstärkt einsetzenden Netzwerkforschung geht es um weitere Netzwerke, in die Menschen eingebunden waren. Dazu gehören auch akademische Netzwerke171, denn deren Bedeutung für und Einfluss auf eine Person kann wichtiger sein, als die genealogische Feststellung, wer etwa deren Großvater war.

5. Chancen der Integration genetischer Ergebnisse Ein rein genealogischer Fokus auf die biologische Verwandtschaft ist in mehrerlei Hinsicht hochproblematisch. So sind, wie oben angedeutet, die methodischen Grenzen der Familienforschung172 selbst bei unzweifelhafter biologischer Verwandtschaft eng gesteckt. Die Genetik173 als Teildisziplin der Biologie hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten mit einer unglaublichen Geschwindigkeit entwickelt und bietet heute zahlreiche Erkenntnismöglichkeiten bei der Auswertung von DNA und aDNA (ancient DNA)174. Für Teilbereiche der Geschichtswissenschaft, wie die Epidemiegeschichte, die Demographie oder die Migra­tionsgeschichte175 170 De amicitia. Friendship and Social Networks in Antiquity and the Middle Ages, hg. von Katarina Mustakallio/Christian Krötzl (Acta Instituti Romani Finlandiae 36) Rom 2009; Amicitia. Friendship in Medieval Culture, hg. von Almut Suerbaum/Annette Volfing (= Oxford German Studies 36,2 [2007]), Leeds 2007; Verena Epp, Amicitia. Zur Geschichte personaler, sozialer, politischer und geistlicher Beziehungen im frühen Mittelalter (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 44), Stuttgart 1999; Gerd Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue (wie Anm. 165). 171 Vgl. Repertorium Academicum Germanicum, online: https://rag-online.org/ (27.01.2020). 172 Michael Mitterauer, Geschichte der Familie. Mittelalter, in: Geschichte der Familie, hg. von Andreas Gestrich/Jens-Uwe Krause/Michael Mitterauer, Stuttgart 2003, S. 160– 363; Ders., Die Terminologie der Verwandtschaft. Zu mittelalterlichen Grundlagen von Wandel und Beharrung im europäischen Vergleich, in: Historische Verwandtschaftsforschung, hg. von Dems., Wien u. a. 2013, S. 51–83; Die Familie als sozialer und historischer Verband. Untersuchungen zum Spätmittelalter und zur frühen Neuzeit, hg. von Peter-­ Johannes Schuler, Sigmaringen 1987. 173 Terry A. Brown, Gentechnologie für Einsteiger, München 52006. 174 Joachim Burger, Palaeogenetik, in: Einführung in die Archäometrie, hg. von Günther Wagner, Berlin/Heidelberg 2007, S. 279–298. 175 Marc Haber u. a., A Transient Pulse of Genetic Admixture from the Crusaders in the Near East Identified from Ancient Genome Sequences, in: American Journal of Human Genetics 104/5 (2019) S. 977–984. (doi:10.1016/j.ajhg.2019.03.015); Stephan Schiffels, Investigating Anglo-Saxon migration history with ancient and modern DNA, in: Migration und Integration von der Urgeschichte bis zum Mittelalter, hg. von Harald Meller u. a., Halle 2017, S. 255–266.

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wurden diese Vorteile bereits entdeckt176. Auch für die Familienforschung steigt ihre Bedeutung aufgrund sinkender Preise der Probenanalyse in den letzten Jahren kontinuierlich an. Alle Lebewesen verwenden zur Weitergabe der Erbinformationen Desoxyribonukleinsäure (gekürzt: DNA). Diese ist in allen Zellen enthalten. Es müssen dabei zwei Arten unterschieden werden: die Chromosomen und die mitochondrale DNA (mtDNA). Die Mitochondrien, die „Kraftwerke“ der Zelle, enthalten eine eigene DNA, die ausschließlich matrilinear weitergegeben wird177. Dagegen wird das Y-Chromosom nur patrilinear weitergegeben. Das X-Chromosom wird von beiden Seiten vererbt. Die mtDNA ist deutlich kürzer als der reguläre menschliche Chromosomensatz und kommt innerhalb der Zelle häufiger vor, weshalb die Chancen, mtDNA im archäologischen Befund auszumachen und als Quelle nutzen zu können, höher sind. Die aDNA erhält sich vor allem in intakten Knochen und Zähnen, eine große Gefahr stellen jedoch rezente Verunreinigungen dar. Bereits seit Längerem wird die Bedeutung der Genetik für die Geschichtswissenschaft reflektiert178. Die Forschungsentwicklung auf diesem Gebiet steht noch am Anfang und könnte künftig auf klassische genealogische Fragestellungen unerwartet genaue Antworten geben. Um das zu verdeutlichen, werden hier einige Beispiele vorgestellt, die in den letzten Jahren die Genealogie um neue Erkenntnisse bereichert haben: 1) die DNA-Typisierung der Romanows, 2) die Folgen der Verengung der genetischen Auswahl der Habsburger sowie 3) der genetische Nachweis zur Identifizierung der Gebeine des englischen Königs Richard III. Dass dabei nicht alle historischen Überreste automatisch zu erfolgreichen Identifizierungen führen müssen, zeigt der Fall von Königin Edgitha, der ersten Ehefrau Ottos I., die überraschend im Januar 946 starb und in den Vorgängerbauten des Magdeburger Domes bestattet wurde. Ihre sterblichen Überreste, die im Laufe der Jahrhunderte mehrfach umgebettet wurden, fand man 2010 in ihrem (vermeintlichen) Kenotaph. Trotz einer vorbildlich ausgeführten, zeitlich und finanziell aufwendigen, interdisziplinären und internationalen Untersuchung gelang es nicht, paläogenetische Proben zu

176 Weigel (Hg.), Genealogie und Genetik (wie Anm. 26); Monica Helen Green, Genetics as a Historicist Discipline. A New Player in Disease History, in: Perspectives in History (2014) S. 30 f.; Elina Salmela, The (Im)Possibilities of Genetics for Studies of Population History, in: Fibula, fabula, fact. The Viking Age in Finland, hg. von Joonas Ahola/Clive Tolley (Studia Fennica. Historica 18), Helsinki 2014, S. 347–360. 177 Brown, Gentechnologie (wie Anm. 173) S. 386. 178 Vgl. die Aufsätze von Jörg Feuchter (wie Anm. 36).

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extrahieren179. Demgegenüber zeigen die folgenden Beispiele erfolgreiche Anwendungen der Paläogenetik in historischen Epochen. 5.1. Beispiel 1: die Romanows Nachdem Zar Nikolaus I. (1868–1918) im Laufe der russischen Revolution abgedankt hatte, wurden er, seine Frau Zarin Alexandra und die fünf Kinder inhaftiert und am 17.  Juli 1918 zusammen mit ihrem Arzt und mehreren Dienern ermordet. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden die sterblichen Überreste 1991 exhumiert, ohne dass klar war, welche Knochen von den Romanows und welche von Arzt oder Dienern stammten. Anhand der aus den verschiedenen Knochen isolierten DNA konnten die Eltern und die Kinder eindeutig identifiziert werden. Dafür wurde mtDNA von lebenden Verwandten der Zarenfamilie mit den Proben verglichen. Die Analysen zeigten, dass es sich tatsächlich um die Knochen der Zarenfamilie handelte. Vermeintliche Töchter des Zaren, die 1917 in den Westen entkommen sein wollten, konnten mit den Untersuchungen ebenfalls ausgeschlossen werden180. 5.2. Beispiel 2: die Habsburger Über das Herrscherhaus der Habsburger sind viele Darstellungen vorgelegt worden181. Dabei wurden auch immer wieder ihre genealogischen Grundlagen erforscht. Aus einem wenig bedeutenden Geschlecht aus dem schweizerischen Aargau stiegen sie zur über Jahrhunderte regierenden Königs- und Kaiserfamilie auf182. Im Zuge ihrer wechselhaften Geschichte kam es im 16. Jahrhundert zur Ausbildung zweier großer Familienzweige, einem in Österreich, einem anderen in Spanien. Dabei legten die Herrscher über lange Zeit Wert auf eine agnatische Herrschaftsnachfolge. Im Zuge ihrer Familienpolitik, in der die Verheiratung von (minderjährigen) Familienmitgliedern als politisch-dynastisches Mittel eingesetzt wurde, kam es zu einer über Jahrhunderte betriebenen Eingrenzung des biologischen Genpools. Diese als „dynastische Endogamie“ bezeichnete Entwicklung beruht auf einem Konzept von Heirats- und Partnerschaftsmustern, die in Königin Editha und ihre Grablegen in Magdeburg, hg. von Harald Meller u. a., Halle 2012. Brown, Gentechnologie (wie Anm. 173), S. 384–386. 181 Stephan Sander-Faes, Europas habsburgisches Jahrhundert, 1450–1550, Darmstadt 2018. 182 König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter, hg. von Bernd Schneidmüller, Darmstadt 2019. 179

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nerhalb von ein- und derselben Gruppe praktiziert wurden. Diese Selbstbeschränkung auf eine reduzierte Personengruppe führt zu sehr engen Verwandtschaftsgraden und Inzest183, in deren Folge sich ererbte genetische Probleme häufen, „wie etwa verminderte kognitive Kapazitäten, körperliche Gebrechen (Impotenz) beziehungsweise Missbildungen wie die berüchtigte Habsburger Unterlippe.“184 Diese Entwicklung ist in den vergangenen zehn Jahren von spanischen Forschern intensiv aus genealogischer Sicht und aus paläogenetischer Perspektive untersucht worden. Dafür wurden genealogische Informationen zu etwa 6000 Familienmitgliedern aus dem Umfeld der Habsburger systematisiert und ausgewertet185. Lange bekannt ist, dass die agnatische Linie der spanischen Habsburger bereits 1700 mit Karl II. ausstarb186 und mit dem Tod Karls VI. 1740 auch das österreichische Haus Habsburg in männlicher Linie endete. Als Realpolitiker verzichteten die Habsburger ab dieser Zeit auf die über Jahrhunderte praktizierte Erbfolge und ließen die kognatische Fortführung mit Hilfe der „Pragmatische[n] Sanktion“ – konkret über Maria Theresia – zu. Als aktuelle und durchaus nachvollziehbare These schlugen die spanischen Forscher vor, in den Auswirkungen des viel zu kleinen Genpools die Gründe für das Aussterben der Familie zu suchen187. Tatsächlich konnten sie nachweisen, dass zwischen den Geburten von Philipp II. (1527–1598) und Karl II. (1661–1700) von den 34 in der königlichen Familie geborenen Kindern 29,4 Prozent (10) starben, bevor sie das erste Lebensjahr erreich Karl Ubl, Inzestverbot und Gesetzgebung. Die Konstruktion eines Verbrechens (300– 1100) (Millennium-Studien 20), Berlin u. a. 2008; Ders., Doppelmoral im karolingischen Kirchenrecht? Ehe und Inzest bei Regino von Prüm, in: Recht und Gericht in Kirche und Welt um 900, hg. von Wilfried Hartmann (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 69), München 2007, S. 91–124; Historische Inzestdiskurse. Interdisziplinäre Zugänge, hg. von Jutta Eming u. a., Königstein 2003; Josef Heinzelmann, Verwandtschaft, Inzestverbote und Arbores consanguinitatis, in: Archiv für Familiengeschichtsforschung 6 (2002) S. 2–18; Hans Peter Stamp, Stellungnahme zu „Verwandtschaft, Inzestverbote und Arbores consanguinitatis“, in: ebd., S. 211; Ingrid Bennewitz, Frühe Versuche über alleinerziehende Mütter, abwesende Väter und inzestuöse Familienstrukturen. Zur Konstruktion von Familie und Geschlecht in der deutschen Literatur des Mittelalters, in: Jahrbuch für internationale Germanistik 33/1 (2001) S. 8–18. 184 Sander-Faes, Europas habsburgisches Jahrhundert (wie Anm. 181), S. 29. 185 Francisco C. Ceballos/Gonzalo Alvarez, Royal Inbreeding and the Extinction of Lineages of the Habsburg Dynasty, in: Human Heredity 80/2 (2015) S.  51–61 (doi:10.1159/000440765). 186 Román Vilas u. a., Is the “Habsburg jaw” related to inbreeding?, in: Annals of Human Biology 46/7−8 (2019) S. 1–9 (doi:10.1080/03014460.2019.1687752). 187 Gonzalo Alvarez u. a., The Role of Inbreeding in the Extinction of a European Royal Dynasty, in: PLoS One. 2009; 4/4 (2009), S. e5174 [!] (doi: 0.1371/journal.pone.0005174). 183

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ten, und weitere 50 Prozent (17), bevor sie zehn Jahre alt geworden waren. Die Kindersterblichkeit in der Familie lag damit bei 80 Prozent. Demgegenüber wurde in derselben Epoche anhand von Sterberegistern in spanischen Dörfern, die ein weites Spektrum der Bevölkerung mit einem sehr großen Genpool darstellen, eine Kindersterblichkeit von lediglich 20 Prozent festgestellt188. Die vier Mal höhere Kindersterblichkeit innerhalb der habsburgischen Familie lässt sich mit der Verengung der genetischen Vielfalt begründen, die ein Auftreten von Erbkrankheiten begünstigte. Auch die Deformierung der Ober- und Unterkiefer, unter denen viele Habsburger zu leiden hatten, lässt sich auf die genetischen Dispositionen zurückführen189. Die durch die bei der Partnerwahl vorgenommene Verengung auf bestimmte Personengruppen zielte auf eine vermeintliche „Adelsreinheit“ des Geschlechtes, bewirkt auf lange Sicht eine Verengung der genetischen Möglichkeiten und führte letztendlich zum teilweisen Aussterben der ­Familie190. Ganz andere Möglichkeiten, paläogenetische Erkenntnisse zu nutzen, bot der Fall von King Richard III. von England. 5.3. Beispiel 3: King Richard III. († 1485) Das populäre Bild des englischen Königs Richard III. (1452–1485) ist heutzutage in starkem Maße von der Darstellung Shakespeares geprägt. Er war der letzte englische König, der auf dem Schlachtfeld den Tod fand. Lange ist über den Verbleib seiner Gebeine spekuliert worden. Bei einer gezielten Grabung in Leicester im September 2012 waren sich die beauftragen Forscher sicher, Teile des dortigen Klosters und der Kirche zu entdecken. Sie gingen aber nicht davon aus, das Grab Richards zu finden. Bereits am ersten Grabungstag wurde auf einer asphaltierten und als Parkplatz markierten Fläche ein mittelalterliches Grab angeschnitten, in dem ein Skelett mit verkrümmten Rückenknochen gefunden wurde. Richard litt unter einer Krankheit, die auf eine solche Rückenhaltung hinwies191. Das Skelett wurde gesichert und es gelang, aus den erhaltenen Zähnen aDNA zu isolieren192. Bartolomé Bennassar, La España de los Austrias (1516–1700), Barcelona 2000, S. 238. Vgl. Vilas u. a., “Habsburg jaw” (wie Anm. 186). 190 Gonzalo Alvarez/Francisco C. Ceballos, Royal dynasties as human inbreeding laboratories. The Habsburgs, in: Heredity 111/2 (2013) S. 114–121 (doi: 10.1038/hdy.2013.25). 191 Angela Lamb u. a., Multi-isotope Analysis Demonstrates Significant Lifestyle Changes in King Richard III, in: Medieval Archaeology. Critical Concepts in Archaeology 3 (2017) S. 238–253. 192 Maev Kennedy/Lin Foxhall, The Bones of a King. Richard III Rediscovered, Chichester u. a. 2015. 188 189

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Über genealogische Tafeln wurden zwei heute noch lebende Nachkommen Richards identifiziert193. In einem offenen und in einem Blindversuch wurde deren mtDNA mit jener der unter dem Parkplatz entdeckten Person verglichen194. Als außergewöhnlicher Glücksfall ergaben die DNAAnalysen im Februar 2013 eine zweifelsfreie Identifizierung der gefundenen Überreste als jene Richards III.195, da alle Proben übereinstimmten196.

6. Forschungsdesiderate und Ausblick Die Genealogie und die Genetik fragen grundlegend nach dem Erkenntniswert einer Verwandtschaft zwischen zwei oder mehreren Individuen. Viele genealogische Begriffe sind aber bisher nur unzureichend definiert, weil sie in ihren diachronen Dimensionen noch zu wenig erforscht wurden. Gab es biologische Vorstellungen von „Vererbung“ in der sogenannten Vormoderne überhaupt schon? Solche Fragestellungen werden unmittelbar durch die Quellen angeregt, etwa wenn danach gefragt wird, ob bzw. warum das Eheverbot im Mittelalter auch zwischen nur durch Adoption verwandten Geschwistern galt. Eine synchrone wie diachrone Detailuntersuchung der zeitlichen und räumlichen Entwicklung sowie der Wirksamkeit genealogischer Begriffe ist eines der größten Desiderate. Ergänzend dazu müssten künftig auch die Rahmenbedingungen stärker in den Blick genommen werden, welche die Fortpflanzung und Fertilität be­ fördern oder hemmen197. Die historische Erforschung der von anderen Disziplinen beobachteten pränatalen Beeinflussung der Gesundheit und Sterblichkeit von Kindern und Müttern durch Stressfaktoren198 (Hunger- oder

193 John Ashdown-Hill, Medieval DNA in Action. Richard III and the Family of Anne Spooner, in: The Genealogists‘ magazine 31 (2013) S. 91–97. 194 John Ashdown-Hill, The Last Days of Richard III and the Fate of his DNA, Stroud 2013; Ders., Richard III’s DNA. Tracing the Lost King’s Living Relative, in: Current Archaeology 296 (2014) S. 52–54. 195 Michael W. Pitts, Digging for Richard III. How Archaeology Found the King, London 2014. 196 William Mark Ormrod, The DNA of Richard III. False Paternity and the Royal Succession in Later Medieval England, in: Nottingham Medieval Studies 60 (2016) S. 187–226. 197 Britta-Juliane Kruse, „Frauengeheimnisse“. Sexualität, Schwangerschaft und Geburt im Mittelalter, Berlin 1997. 198 M. A. Hanson/P. D. Gluckman, Early Developmental Conditioning of Later Health and Disease. Physiology or pathophysiology?, in: Physiological Reviews 94 (2014) S. 1027– 1076 (doi: 10.1152/physrev.00029.2013).

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Flutkatastrophen199, Epidemien etc.) stellt ebenfalls ein Forschungsdesiderat dar, wozu die Genealogie einen Teil der grundlegenden Daten bereitstellen kann. Auch die nähere Untersuchung von Faktoren, welche die Genealogien beeinflussen und aus anderen Disziplinen wie der Demographie oder der Ethnologie bekannt sind, können wichtige Ergänzungen bringen: Dazu gehören nicht-eheliche Zeugungen (Vergewaltigung, stigmatisierte Zeugungen, untergeschobene „Kuckuckskinder“), aber auch Aussetzung von Säuglingen als Findelkinder. Solche, in der Vergangenheit allzu oft als Einzelfälle abgetane Abstammungsverhältnisse treten statistisch in hohen Prozentsätzen auf und beeinflussen die demographischen wie auch die genealogischen Daten. Einerseits wird genealogische Forschung im deutschsprachigen Raum allzu oft mit Familienkunde gleichgesetzt, obwohl letztere nur einen kleinen Bereich der Genealogie darstellt; andererseits gibt es viele vorbildliche genealogische Projekte, die ganze Bevölkerungsgruppen, beispielsweise die unter Katharina der Großen nach Galizien ausgewanderte deutschsprachige Bevölkerung, in ihren familiären Strukturen vollständig nachzeichnen200. Wichtige Forschungsziele der Zukunft wäre eine Darstellung der Entwicklung der Genealogie im deutschsprachigen Raum hinsichtlich ihrer zweifelhaften Standpunkte im 19. und 20. Jahrhundert. Aufgrund der in vielen Bereichen fehlenden Vorarbeiten konnten die hier angestellten Betrachtungen nur eine erste Skizze sein,201 die zur weiteren Auseinandersetzung mit der Genealogie als wissenschaftlicher Methode anregen soll. Die bisherigen Ansätze, nach dem konstruktiven Charakter mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Genealogien zu fragen, bieten noch zahlreiche weitere Möglichkeiten.202 Besonders innovativ erscheinen Forschungsansätze zur Genealogie, bei denen nicht die Gewinnung genealogischer Daten im Vordergrund steht, sondern die sich mit der Metaebene beschäftigen und fragen: Wie, wann und warum die reale oder fiktive Verwandtschaft mit einer bestimmten Person X für die Person Y von Bedeutung war? Kelsey N. Dancause u. a., Prenatal Stress due to a Natural Disaster Predicts Adiposity in Childhood: The Iowa Flood Study, in: Journal of Obesity (2015) S.  1–10 (doi: 10.1155/2015/570541). 200 Ortsfamilienbuch Brigidau/Galizien (1783–1895), nach Unterlagen der Genealogischen Forschungsstelle der Galiziendeutschen, Stand: 17.10.2006, hg. vom Hilfskomitee der Galiziendeutschen, erstellt mit Hilfe von GENprofi 4.0, Stuttgart 2006 (2601 Seiten als pdf). 201 Für zahlreiche kritische wie konstruktive Hinweise danke ich Clemens Kech, Alexander Maul sowie Anja Thaller. 202 Asami Kobayashi, Karl IV. und die fiktive Genealogie der Luxemburger, in: Königswege. Festschrift für Hans K. Schulze zum 80. Geburtstag und 50. Promotionsjubiläum, hg. von Thomas Wozniak/Sebastian Müller/Andreas Meyer, Leipzig 2014, S. 185–200. 199

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Die Einbindung paläogenetischer Untersuchungsergebnisse, die Rückschlüsse auf die tatsächlichen Verhältnisse biologisch-rechtlicher Verwandtschaft, auf zeitgenössische Vorstellungen203 von Familie, Sexualität, Mobilität, Migration und vieles mehr ermöglichen macht das genealogische Material dann für Bereiche wie die Sozial- oder die Kulturgeschichte relevant. Die Einbettung der Genealogie in kulturgeschichtliche Forschungskonzepte bietet in dem Kontext große Chancen. Zudem würde eine noch stärkere Kontextualisierung im Rahmen der Netzwerktheorie auch methodisch neue Herangehensweise öffnen.

Abstract Current German introductions to the historical auxiliary sciences give the impression that genealogy is of limited importance, relevant only for establishing sequences of private family history, and that, from a scientific point of view, genealogy should be regarded as a limited part of network research. The history of the abuse of genealogy at the end of the 19th and in the first half of the 20th century has not yet been investigated. It is therefore difficult nowadays to find introductions to genealogy in German-speaking research that meet current, modern requirements. The chronological dimensions of the evolution of the majority of genealogical definitions have not yet been clarified. As a result, the overall discipline in Germany lacks the historical dimension. On the other hand, genetics provides many new possibilities for scientific analysis, which can be profitably used to expand the field of genealogy. Three examples are used to illustrate the possibilities of genetics for advancement in historical science: firstly, the identification of the remains of the Tsarist family of the Romanovs murdered during the Revolution; secondly, the problems of the Habsburg family, who for centuries restricted members of the family to a very narrow range of marital partners, leading to an increase in many genetic diseases; thirdly, the identification of the remains of King Richard III, which were discovered in Leicester in 2012. He was the last English king to die on the battlefield. Overall, it is clear that although there are many detailed studies on genealogy, there are still many desiderata awaiting research. 203 Vgl. Karl-Heinz Spiess, Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts, Stuttgart ²2015.

Papsturkunden und Papstbriefe bis zu Bonifaz VIII. von JOCHEN JOHRENDT

„Papsturkunden ohne Ende“ – dieser Seufzer Paul Fridolin Kehrs wird vermutlich seit 1905 von einem Sekretär der Pius-Stiftung zum anderen weitergegeben1. 1996 verband Rudolf Hiestand diesen Hilferuf der Papsturkundenforschung noch mit Matthäus 9,37: „Herr, die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind wenige“2. So sei heute eine weitere Stelle aus dem Matthäusevangelium hinzugefügt: „Wer bis an das Ende beharrt ...“3. Doch das Ende der Papsturkundenforschung ist  – deo gratias  – aktuell nicht in Sicht, was zeigt, wie viel noch zu tun ist. Das Material ist so gewaltig, dass auch dieser Beitrag keine systematische Bestandsaufnahme der internationalen Forschung liefern kann, sondern lediglich einige Hinweise zum Stand der deutschsprachigen Papsturkundenforschung für das frühe und hohe Mittelalter (bis zu Bonifaz VIII.) bietet4. Diese wird zunächst in ihrer institutionellen Ausformung charakterisiert, anschließend werden neue Forschungsparadigmen skizziert, um schließlich neue Impulse bei der Erforschung der äußeren und inneren Merkmale der Papsturkunden und -briefe zu thematisieren. Dabei sind Papstbriefe und Papsturkunden nicht Paul Fridolin Kehr, Nachträge zu den Papsturkunden in Italien I, in: Nachrichten von der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, phil.-hist. Kl., Göttingen 1905, S. 321–380, hier S. 321; Wiederabdruck in: Paul Fridolin Ders., Papsturkunden in Italien. Reiseberichte zur Italia Pontificia, 6 Bde. (Acta Romanorum Pontificum 1–6), Città del Vaticano 1977, Bd. 5, S. 1–60, hier S. 1. 2 Rudolf Hiestand, 100 Jahre Papsturkundenwerk, in: Hundert Jahre Papsturkundenforschung. Bilanz  – Methoden  – Perspektiven, hg. von Rudolf Dems. (Abh. Göttingen, 3. Folge 261), Göttingen 2003, S. 11–46, hier S. 44. 3 Mtth. 10,22. 4 Gerade die stark international ausgerichtete Erforschung des Papsttums und seiner Urkunden und Briefe steht diesem Unterfangen inhaltlich zwar entgegen, doch sei es aufgrund des begrenzten Umfangs dieses Beitrags dennoch unternommen. 1

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immer voneinander zu trennen, wie bereits die Gattungsbezeichnung der Litterae deutlich macht. In der frühen Zeit ist die Differenzierung zwischen Briefen und Urkunden nach bisheriger Forschungsmeinung schwierig und auch im 13.  Jahrhundert vergibt sich die Forschung Erkenntnismöglichkeiten bei einer zu starken Konzentration allein auf die Papst­ urkunden5. Ob sich neuere Versuche, für die Papstbriefe und Papst­ urkunden im 9. Jahrhundert stärker zu differenzieren, durchsetzen werden, ist aktuell noch nicht abzusehen. In ihrer 2018 erschienene Dissertation untersuchte Veronika Unger die Überlieferung, Formalia (für Protokoll und Eschatokoll) und Aufbewahrung im päpstlichen Archiv für Papsturkunden und Papstbriefe während des 9. Jahrhundert getrennt für Privilegien und Briefe, da „die überwältigende Mehrzahl an Privilegien eben eindeutig als solche zu klassifizieren ist“.6 Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Auffassung auch für das 10. und frühe 11. Jahrhundert durchsetzt, oder ob der formulierte Kriterienkatalog und die daraus abgeleiteten Ergebnisse zu stark auf die spezifische Schriftlichkeit des 9.  Jahrhunderts ausgerichtet sind. In jedem Fall ist eine Belebung der scheinbar abgeschlossenen Diskussion durch die Dissertation von Veronika Unger zu begrüßen. * Dass die Trennung von Urkunde und Brief für das frühe Mittelalter schwer zu leisten sei, bemerkte schon Thomas Frenz, Papsturkunden des Mittelalters und der Neuzeit (Historische Grundwissenschaften in Einzeldarstellungen 2), Stuttgart 22000, S. 15 f. Strikt gegen eine Trennung der beiden Gattungen sprach sich für das frühe Mittelalter zuletzt in seiner eindrucksvollen Studie Achim Thomas Hack, Codex Carolinus. Päpstliche Epistolographie im 8. Jahrhundert, 2 Bde. (Päpste und Papsttum 35), Stuttgart 2006/2007, S. 32 aus. Für das 13. Jahrhundert warnte zuletzt Tanja Broser, Der päpstliche Briefstil im 13. Jahrhundert. Eine stilistische Analyse der Epistole et dictamina Clementis pape quarti (AfD Beihefte 17), Köln u. a. 2018, S. 11, davor, die Erkenntnispotenziale der Papstbriefe durch eine Fokussierung auf die Papsturkunden ungenutzt zu lassen. 6 Veronika Unger, Päpstliche Schriftlichkeit im 9. Jahrhundert. Archiv, Register, Kanzlei (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, RI 54), Wien u. a. 2018, S. 8. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang jedoch die Feststellung, dass die Registratoren des Briefregisters Johannes’ VIII. auch Privilegien in das Register aufnahmen. Dies sei, ebd. S. 286, so zu erklären: „Sie stehen wohl auch deshalb im Register, weil sie von den Registratoren nicht als Privilegien erkannt werden konnten.“ Zumindest für die Registratoren im päpstlichen Umfeld war die Unterscheidung von Brief und Privileg nach dieser Aussage offenbar nicht immer klar. Die Unterscheidung von Brief und Urkunde vor allem mit Blick auf die Rezeption noch etwas stärker zuspitzend Klaus Herbers, Papstbriefe und Papsturkunden. Abgrenzungen und Überschneidungen im frühen Mittelalter, in: Die Urkunde. Text – Bild – Objekt, hg. von Andrea Stieldorf (Das Mittelalter. Beihefte 12), Berlin 2019, S. 125−139, vorrangig in Rückgriff auf die dort in Anm. 5 genannte Dissertation von Veronika Unger. 5

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Obgleich sich die folgenden Ausführungen auf im Original überlieferte Papsturkunden und Papstbriefe konzentrieren und die kopiale Überlieferung sowie die Register der Päpste unberücksichtigt lassen, so klingt der Kehrsche Ostinato weiter, der manchen Göttinger Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in schweren Stunden wie ein Tinnitus erscheinen mag, auch wenn in den letzten 15 Jahren erhebliche Fortschritte bei der Erfassung der ca. 30.000 Papsturkunden bis 1198 zu verzeichnen sind7. Die Dimensionen der mit Innozenz III. einsetzenden Epoche können wir im Grunde nur vermuten, zumal sich die weitere Grundlagenforschung für das Papsttum und seine Urkunden abgesehen von Einzelstudien vor allem auf die Register konzentriert hat8. Dabei sind Kontinuitäten meist zu kurz gekommen und Brüche bisweilen zu stark betont worden, obwohl Fallstudien zeigen, dass die Anzahl der überlieferten Privilegien über die scheinbar alles verändernde Registerklippe von 1198 teilweise konstant blieb9. Die Konzentration auf die Register ist zudem durch die nur spärliche Aufarbeitung der nach 1198 überlieferten Originale bedingt. Der 1953 von

Ein Überblick des Bearbeitungsstandes findet sich auf den Internetseiten der Pius-Stiftung für Papsturkundenforschung unter: https://adw-goe.de/forschung/forschungsprojekte-akademienprogramm/papsturkunden-des-fruehen-und-hohen-mittelalters/pius-stiftung-fuer-papsturkundenforschung/veroeffentlichungen/(zuletzt eingesehen 27.03.2020). 8 Der Ausgangspunkt der kritischen Aufbereitung der Papstregister war die Edition der Register Papst Innozenz’ III.; vgl. dazu die knappe Skizze des Vorhabens durch Leo Santifaller, Studien und Vorarbeiten. Edition der Register Papst Innozenz’ III., in: MIÖG 65 (1957) S. 237–241, sowie die weiteren Beiträge zu diesem Projekt im selben Band, unter denen aufgrund der methodischen Grundlegung vor allem hervorzuheben ist: Othmar Hageneder, Studien und Vorarbeiten zur Edition der Register Papst Innozenz’ III. 2. Die äußeren Merkmale der Originalregister Innozenz’ III., in: ebd. S. 296–339, sowie die weiteren wichtigen Studien dieses Autors zur Registeredition: Ders., Quellenkritisches zu den Originalregistern Innozenz’ III., in: MIÖG 68 (1960) S. 128–139; Ders., Die päpstlichen Register des 13. und 14. Jahrhunderts, in: Annali della Scuola Speciale per Archivisti 12 (1972) S. 45– 76, sowie mit Blick auf das durch die historisch-kritische Edition der Register zu Leistende im Gegensatz zu klassisch philologischen Vorstellungen Ders., Über die Kunst des Edierens. Überlegungen zu Otto Kresten „Vom Nutzen und Nachteil des Lateins für die Mediävistik“ am Beispiel von Innocenz III. Br. V 121 (122), VI 102, in: MIÖG 116 (2008) S. 1–9. Zu den Registern des 13. Jahrhunderts vgl. zuletzt Werner Maleczek, Les registre pontificaux du XIIIe siècle, in: L’art médiéval du registre. Chancelleries royales et princières, hg. von Olivier Guyotjeannin (Études et rencontres de l’École des Chartes 51), Paris 2018, S. 37–54, dort auch die weitere Literatur. 9 Vgl. dazu beispielsweise Jochen Johrendt, Sizilien und Kalabrien. Binnendifferenzierung im Regno?, in: Rom und die Regionen. Studien zur Homogenisierung der lateinischen Kirche im Hochmittelalter, hg. von Jochen Johrendt/Harald Müller (Abh. Göttingen, NF 19), Berlin/Boston 2012, S. 281–329, hier S. 283–287. 7

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Franco Bartoloni angestoßene Censimento Bartoloni10, das Verzeichnis der im Original überlieferten Urkunden von Innozenz III. bis zur Wahl Martins V., also von 1198 bis 1417, ist ein rudimentärer Torso11. Hier ist die aktuelle Lage – wohl aufgrund einer nicht ausreichend zusammenführenden und planenden Institution für das Projekt – völlig unübersichtlich und letztlich von Einzelinitiativen getragen12. * Auf den ersten Blick könnte man sich fragen, was das Kehrsche Regestenwerk mit Stand und Perspektiven der Historischen Grundwissenschaften zu tun hat, da es nicht genuin um eine hilfswissenschaftliche Erforschung der Papsturkunden geht, sondern um deren Aufarbeitung in Regestenform – um eine Quellenkunde. Eben diese Zielperspektive bestimmt bis heute die vor allem institutionell getragene Ausrichtung der deutschen Papsttumsforschung. Überspitzt wird man sagen können, dass das natürliche Ziel für eine Kaiser- und Königsurkunde in der deutschsprachigen Forschungslandschaft eine angemessene Edition im Rahmen der Monumenta Germaniae Historica ist. Dort bemüht man sich im Rahmen der traditionellen Vorgaben um eine angemessene Überführung der Überliefe Franco Bartoloni, Per un censimento dei documenti pontifici da Innocenzo  III a Martino  V (escluso). Relazione, discussione e voto finale al Convegno internazionale di studi per le fonti del medioevo europeo (Roma, 14–18 aprile 1953), Roma 1955, S. 3–21; Wiederabdr. in: Franco Bartoloni, Scritti, hg. von Vittorio De Donato/Alessandro Pratesi, Spoleto 1995, S. 391–424 mit zahlreichen Abbildungen und der beispielhaften Umsetzung in das Erfassungsschema. Der geplante Index actorum Romanorum pontificum ab Innocento III ad Martinum V electum sollte – so der Plan – wie das Kehrsche Regestenwerk alle Regionen erfassen. 11 Vgl. die Zusammenstellung der entsprechenden Arbeiten bei Tom Graber, Die Papsturkunden des Hauptstaatsarchivs Dresden, Bd. 1: Originale Überlieferung, Teil 1: 1104– 1303 (Codex diplomaticus Saxoniae III/1), Hannover 2009. Zum Censimento Bartoloni und seiner Wirkung jetzt auch Asami Kobayashi, Papsturkunden in Lucca (1227–1276). Überlieferung – Analyse – Edition (AfD Beihefte 15), Köln u. a. 2017, S. 26–34. 12 Das gilt auch für die Zugänglichkeit des bisher erarbeiteten Materials wie etwa die bisher unveröffentlichten beiden Tesi di Laurea, die jedoch in der Bibliothek der Università degli Studi di Roma „La Sapienza“ einzusehen sind: Franca Modena, Atti e documenti pontifici dal IX al XIII secolo (presso l’Archivio di Stato di Parma), Roma (1952–1953); Luciana Selva, Documenti pontifici anteriori al 1417 nell’Archivio del monastero di S. Francesco di Bologna, Roma (1953–1954). Daneben existieren Einzelbände mit einem anderen Betrachtungszeitraum wie etwa Giacomo Zarotti, I documenti pontifici dell’Archivio capitolare di Parma (1141–1417), Mailand 1960; oder Wolfgang Hilger, Verzeichnis der Originale spätmittelalterlicher Papsturkunden in Österreich 1198–1304. Ein Beitrag zum Index Actorum Romanorum Pontificum ab Innocentio III ad Martinum V electum (Fontes rerum Austriacarum 2/83), Wien 1991. 10

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rung in eine Edition, die stets gleichermaßen eine Verlustgeschichte ist. Doch auch wenn das Original nicht in allen seinen Dimensionen in die Edition übersetzt werden kann, so werden doch zumindest Teilaspekte berücksichtigt – auch in Hinblick auf die Materialität. Zudem werden den Editionen in der Regel weiterführende oder vorausgehende diplomatische Untersuchungen beigefügt, die das editorische Handeln verständlicher machen, die Materiallage eingehend beleuchten oder insbesondere auf Fälschungsproblematiken intensiver eingehen  – umfangreicher ist dies in Vorbemerkungen zu den Stücken oder gar dem Begleitkommentar eines Regests möglich13. Eine derart intensive Publikationstätigkeit zu hilfswissenschaftlichen Fragen mit Bezug auf Papsturkunden gibt es leider nicht. Denn das natürliche Ziel einer Papsturkunde bildet aus der Perspektive der deutschen Geschichtswissenschaft  – anders als bei den Königsdiplomen – nicht die Edition, sondern das Regest. Die erschließende Aufarbeitung der Quelle orientiert sich damit weniger am materiellen Gegenstand in allen seinen Dimensionen, als vielmehr am abstrakten Text, ja am Rechtsinhalt des jeweiligen Stückes. Während man sich im einen Fall darum bemüht, auch im Ausgabeformat möglichst viel Materialität durchscheinen zu lassen, so bieten die Regestenwerke eine Konzentration auf den textlichen, vor allem rechtlichen Inhalt der Stücke, deren Masse einer den Königsdiplomen vergleichbaren Aufarbeitung im Weg steht. Es sei in Erinnerung gerufen, Vgl. dazu etwa mit Blick auf die Edition der im Rahmen der Diplomataausgaben der Monumenta Germaniae Historica erschienen Königsurkunden der Merowinger, Ludwigs des Frommen und Heinrich V. für die durch Theo Kölzer besorgte Edition der Merowingerdiplome Theo Kölzer, Merowingerstudien, 2 Bde. (MGH Studien und Texte 21 u. 26), Hannover 1998/1999; für die ebenfalls von Theo Kölzer vollendete Edition der Urkunden Ludwigs des Frommen ist neben einer Fülle von weiteren Einzelbeiträgen Kölzers etwa Theo Kölzer, Ludwigs des Frommen „Gründungsurkunde“ für das Erzbistum Hamburg, in: AfD 60 (2014) S. 33–66 heranzuziehen, sowie der stellvertretend genannte Sammelband: Zwischen Tradition und Innovation. Die Urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen (814–840). Referate des Kolloquiums der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste am 19. April 2013 in Bonn, hg. von Theo Kölzer (Abh. Düsseldorf 128), Paderborn 2014; zudem ist auf eine ganze Reihe von Studien nicht zuletzt auch seiner Schülerinnen und Schüler zu verweisen: So die online auf den Servern der Universität Bonn veröffentlichte Dissertation von Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis unter Kaiser Ludwig dem Frommen (814–849), Bonn 2013, sowie Sarah Patt, Studien zu den “Formulae imperiales”. Urkundenkonzeption und Formulargebrauch in der Kanzlei Kaiser Ludwigs des Frommen (814–840) (MGH Studien und Texte 59), Wiesbaden 2016 und Susanne Zwierlein, Studien zu den Arengen in den Urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen (814–840) (MGH Studien und Texte 60), Wiesbaden 2016. Für die im Druck noch nicht erschienen Ausgabe der Urkunden Kaiser Heinrichs V. vgl. Matthias Thiel, Studien zu den Urkunden Heinrichs V., hg. von Martina Hartmann (MGH Studien und Texte 63), Wiesbaden 2017.

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dass die Ausgabe der Diplome Friedrich Barbarossas 1031 Urkunden zählt und inklusive der Deperdita und Fälschungen 1248, wobei noch 19 Briefe hinzutreten, so dass für die Zeit von 1152 bis 1189 immerhin 1176 Stücke vorliegen. Doch allein für den Pontifikat Alexanders III. (1159–1181) zählt die zweite Auflage des Jaffé nicht weniger als 3.840 Nummern, die bei weitem nicht alles abdecken. Um die Dimensionen des Materials noch besser einschätzen zu können, sei auf Lucius III. verwiesen, für dessen etwas mehr als vierjährigen Pontifikat Jaffé lediglich 968 Nummern ausweist, die Bände der Papstregesten im Rahmen der Regesta Imperii hingegen 2466 Nummern, mithin mehr als zweieinhalbmal so viele Stücke14.Vor diesem Hintergrund dürften den 1176 Königsdiplomen der Barbarossa-Zeit wohl zehnmal so viele Papsturkunden gegenüberstehen. Diese Masse macht es angesichts der begrenzten Mittel unmöglich, Papsturkunden in vergleichbarer Art editorisch aufzuarbeiten. Allein die Anzahl der original erhaltenen Papsturkunden des 12. Jahrhunderts ist auf 20.000 Stücke geschätzt worden15. Dieses gewaltige Forschungsfeld wird bis heute durch traditionsreiche Institutionen geprägt, namentlich durch die Pius-Stiftung sowie seit 2007 das von der Göttinger Akademie getragene Projekt „Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters“. Im Mittelpunkt steht dabei nach wie vor das, was Kehr eine „urkundliche Quellenkunde“ sowie einen „Notbehelf“ nannte, nachdem er einsehen musste, dass sich doch nicht alle Papsturkunden bis zu Inno Vgl. die Zahl von 2431 Nummern im Vorwort zu Papstregesten 1124–1198, Teil 4, Lieferung 2: 1184–1185, bearb. von Katrin Baaken/Ulrich Schmidt (RI IV,4,4,2), Köln u. a. 2006, S. VIII. Hinzu treten noch elf Nachträge in Papstregesten 1124–1198, Teil 4, Lieferung 3: 1185–1187. Urban  III. und Gregor  VIII., bearb. von Ulrich Schmidt (RI IV,4,4,3), Köln u. a. 2012, S. 803–821, sowie vier Nachträge in Papstregesten 1124–1198, Teil 4, Lieferung 4: 1187–1191. Clemens III., bearb. von Ulrich Schmidt (RI IV,4,4,4), Köln u. a. 2014, S. 685–693, sowie 29 Nummern als Nachträge bei Papstregesten 1124–1198, Teil 4, Lieferung 5: 1191–1195. Cölestin III., bearb. von Ulrich Schmidt, Köln u. a. 2018 (RI IV,4,4,5), S. 757– 770. Dadurch ergibt sich die aktuelle (2018) Anzahl von 2446 Nummern. Vgl. ebd. S. VIII. 15 Vgl. Frank Michael Bischoff, Urkundenformate im Mittelalter. Größe, Format und Proportionen von Papsturkunden in Zeiten expandierender Schriftlichkeit (11.–13. Jahrhundert) (elementa diplomatica 5), Marburg a. d. L. 1996, S. 15; Rudolf Hiestand, Die Leistungsfähigkeit der päpstlichen Kanzlei im 12. Jahrhundert mit einem Blick auf den lateinischen Osten, in: Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen. Studien zu ihrer formalen und rechtlichen Kohärenz vom 11. bis 15. Jahrhundert, hg. von Peter Herde/Hermann Jakobs (AfD Beihefte 7), Köln u. a. 1999, S. 1–26, hier S. 4; ergänzend dazu vor allem mit Blick auf die Empfängerregionen Stefan Hirschmann, Die päpstliche Kanzlei und ihre Urkundenproduktion (1141–1159) (Europäische Hochschulschriften III/913), Frankfurt a. M. u. a. 2001, S. 200 mit dem Balkendiagramm (Abb. 22); Przemysław Nowak, Die Urkundenproduktion der päpstlichen Kanzlei 1181–1187, in: AfD 49 (2003) S. 91–122, hier S. 110 mit dem Balkendiagramm (Abb. 5). 14

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zenz III. in zehn Jahren edieren lassen, was sein ursprünglicher Plan war16. Kehr prägt bis heute: Betrachtet man die Zeit vor Innozenz III., so wird diese allgemeine Feststellung noch deutlicher. Abgesehen von den Registern Gregors I., Johannes VIII. und Gregors VII.17 hat sich die Forschung der letzten 100 Jahre fast nicht mehr um eine systematische Edition von Papsturkunden bemüht. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Edition der Papsturkunden für die 150 Jahre vor Sutri durch Harald Zimmermann ein umso größeres Gewicht18. Dem Seufzer „Papsturkunden ohne Ende“ wird man aus der Perspektive der Hilfswissenschaften wohl ein „Regesten ohne Ende“ hinzufügen können. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Alle Papsttums­ forscherinnen und Papsttumsforscher sind für die Regestenbände dankbar, zumal das Unternehmen in den letzten Jahren äußerst produktiv war, so dass nicht nur etliche Pontificienbände vorgelegt wurden, sondern auch der publizierte Jaffé 3 inzwischen (Stand 2020) bis zu Alexander II. (1061–1073) reicht19. Die Anzahl der Bände ist beachtlich, auch wenn nicht zu übersehen ist, dass etwa die von Hermann Jakobs verantworteten Ponti­ficienbände20 eine ganz andere Durchdringungstiefe bieten als die aktuellen Bände, was schlicht durch die zur Verfügung stehende Arbeitszeit bedingt ist. Vgl. zur Entwicklung des Unternehmens Hiestand, 100 Jahre (wie Anm. 2) bes. S. 29–31. Vgl. dazu zuletzt Rudolf Schieffer, Die päpstlichen Register vor 1198, in: Das Papsttum und das vielgestaltige Italien. Hundert Jahre Italia Pontificia, hg. von Klaus Herbers/ Jochen Johrendt (Abh. Göttingen, NF 5), Berlin/New York 2009, S. 261–273. 18 Papsturkunden 896–1046, hg. von Harald Zimmermann, 3 Bde. (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. Denkschriften 174, 177, 198), Wien 21988/1989. 19 Vgl. den jüngst erschienenen vierten Band: Philipp Jaffé, Regesta Pontificum Romanorum 4: Ab a. MXXIV usque ad a. MLXXIII, hg. von Klaus Herbers, bearb. von Judith Werner, Göttingen 2020. Zur Kritik an den neuen Bänden vgl. die Rezensionen zum 3.  Band von 2017, Rolf Grosse, in: Francia 2017/4 (https://doi.org/10.11588/ frrec.2017.4.43418) oder von Beate Schilling, in: DA 74 (2018) S. 754–756. 20 Vgl. den exzellenten Band Germ. Pont. V/2: Provincia Maguntinensis. Pars VI: Dioceses Hildesheimensis et Halberstadensis, Appendix Saxonia, bearb. von Hermann Jakobs, Göttingen 2005, der nicht nur von Auseinandersetzungen mit dem Werk von Morgens Rathsack, Die Fuldaer Fälschungen. Eine rechtshistorische Analyse der päpstlichen Privilegien des Klosters Fulda von 751 bis ca. 1158, 2 Bde. (Päpste und Papsttum 24), Stuttgart 1989 – wie beispielsweise in der umfangreichen Reaktion von Hermann Jakobs, Zu den Fuldaer Papsturkunden des Frühmittelalters, in: BDLG 128 (1992) S. 31–84 – begleitet war, sondern zudem von einem Band in den Vorarbeiten zur Germania Pontificia: Hermann Jakobs/Wolfgang Petke, Papsturkundenforschung und Historie. Aus der Germania Pontificia Halberstadt und Lüttich (Studien und Vorarbeiten zur Germania Pontificia 9), Köln u. a. 2008, sowie begleitenden Aufsätzen wie etwa Hermann Jakobs, Die Rombeziehungen im nord- und mitteldeutschen Material der Mainzer Kirchenprovinz, in: Hiestand (Hg.), Hundert Jahre (wie Anm. 2) S. 59–73. 16 17

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Cum grano salis wird man sagen können, dass das Kehrsche Unternehmen unbeirrt am Kurs festhält – in positiver wie negativer Perspektive. Das kann um der Einheitlichkeit willen und der Vergleichbarkeit der Ergebnisse vom ersten Band, der 1906 publiziert wurde und im Rahmen der Italia Pontificia Rom abdeckte, bis zu den aktuellen Bänden in gewisser Weise nicht anders sein. Das ist auch gut so, doch es führt andererseits dazu, dass neuere Ansätze auf dem Deck dieses Flaggschiffs nur bedingt Spuren hinterlassen. Das gilt umso mehr, als die Reihe der Studien und Vorarbeiten im Rahmen der Pontificienbände sich für die Germania stärker in Nacharbeiten verwandelt haben und sich im Rahmen der anderen Pontificien fast nicht mehr als hilfswissenschaftliche Vorarbeiten zu den Regestenbänden verstehen, sondern im Sinne einer Öffnung allgemeinhistorische Fragestellungen in den Fokus rücken21: Das Großunternehmen konzentriert sich auf das Endprodukt, die Diskussion des Weges dorthin, angereichert um hilfswissenschaftliche Grundsatzausführungen  – dem Procedere bei den Diplomatabänden vergleichbar – muss demgemäß zurückstecken22. *

In der Reihe der Vorarbeiten für die Germania Pontificia erschien zuletzt ohne einen direkten Bezug zu einem Pontificienband der gelungene Band von Stefan Petersen, Prämonstratensische Wege nach Rom. Die Papsturkunden der fränkischen und schwäbischen Stifte bis 1378 (Studien und Vorarbeiten zur Germania Pontificia 10), Köln u. a. 2015. Im Rahmen der Gallia erschien zuletzt: Schismes, dissidences, oppositions. La France et le Saint-Siège avant Boniface VIII [actes de la 6e Table Ronde sur la Gallia Pontificia, 29 mai 2009], hg. von Bernard Barbiche/Rolf Grosse (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia 7), Paris 2012. Der vorherige Band (2009) war dem Zusammenhang von Beurkundungspraxis und päpstlichen Reisen als Oberthema gewidmet. Die letzte monographische Einzelstudie zur Gallia in dieser Reihe war die Dissertation von Harald Müller, Päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie (12. und frühes 13. Jahrhundert), Teil 1: Untersuchung, Teil 2: Regesten und Edition (Studien und Dokumente zur Gallia Pontificia 4), Bonn 1997. Für den Oriens Pontificius legte Rudolf Hiestand in den Jahren 1972 bis 1985 drei Bände als Vorarbeiten vor. Für die weiteren Pontificien liegen keine Studien und Vorarbeiten vor. Zum Verhältnis der „Vorarbeiten“ mit dezidiert hilfswissenschaftlicher Ausrichtung und den Pontificienbänden vgl. bereits Hiestand, 100 Jahre (wie Anm. 2) S. 23 f. 22 Zum Wechselspiel von Konzentration auf den rechtlichen Inhalt und einer ausführlichen Berücksichtigung der äußeren Merkmale in einem Durchgang vom 17. Jahrhundert bis heute vgl. Francesco Roberg, Die Wiedergabe der äußeren Merkmale von Papsturkunden in Regestenwerken und Editionen, in: Papsturkunden des frühen und hohen Mittelalters. Äußere Merkmale, Konservierung, Restaurierung, hg. von Irmgard Fees/Andreas Hedwig/ Francesco Roberg, Leipzig 2011, S. 117–138, vor allem mit Blick auf das Jaffésche Regestenwerk und die Specimina Julius von Pflugk-Harttungs sowie dessen Acta inedita. 21

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Es ist daher kein Zufall, dass neue Impulse spezifisch für die Erforschung der Papsturkunden – jenseits der nicht allein auf diese Urkundengattung beschränkten fundamentalen Impulse von Peter Rück, die bei den weiteren Ausführungen immer mitgedacht werden müssen23 – ihren Ausgang nicht von der äußeren Erscheinungsform der Papsturkunden nahmen, sondern von den inneren Merkmalen der Papsturkunden ihre konkrete Formulierung fanden. Neue Forschungsperspektive eröffnete dabei die 1995 erschienene Habilitationsschrift von Hans-Henning Kortüm zur päpstlichen Urkundensprache im frühen Mittelalter24, die auf der Edition Harald Zimmermanns aufbauend den Zeitraum der 150 Jahre vor der Synode von Sutri untersuchte. Kortüm gelang es, auf der sprachlichen Ebene einen erheblichen Einfluss der Empfänger auf die ausgestellten Papsturkunden nachzuweisen, ohne die äußeren Merkmale der Urkunden eingehend zu diskutieren. Diese grundlegende Arbeit hat die Papsturkunden nicht mehr als das Ergebnis freien päpstlichen Wollens erscheinen lassen, sondern als Produkt eines sehr konkreten Aushandlungsprozesses. Grob skizziert können wir uns den Ausstellungsvorgang seit Kortüm in etwa so vorstellen: Die zukünftigen Empfänger erschienen in Rom mit einem Konzept, das dort eventuell leicht redigiert und in jedem Fall mit einem Einleitungs- und Schlussteil durch die Schreiber der Päpste ergänzt wurde. Im Magdeburger Liber privilegiorum sancti Mauricii sind sogar Konzept und Urkunde überliefert, sodass wir an diesem einzigartigen Überlieferungszufall beide Versionen fassen können25. Die Arbeit Kortüms differenzierte zwischen Originalen und kopialer Überlieferung, ein auch für Kanzleistudien übliches Verfahren, um kanzleigemäße Stücke von anderen zu sondern. Er konzentrierte sich aber allein auf die Formulierungen der Urkunden. Dieser Befund einer empfängergesteuerten Urkundenproduktion, in der die konkrete Urkunde als ein in Rom bewilligter Empfängerwunsch interpretiert werden kann, erhielt durch eine 2004 erschienene

Aus der Fülle seiner anregenden und bis heute prägenden Studien sei für die Papsturkunden insbesondere verwiesen auf Peter Rück, Die hochmittelalterliche Papsturkunde als Medium zeitgenössischer Ästhetik, in: Arbeiten aus dem Marburger Hilfswissenschaftlichen Institut, hg. von Erika Eisenlohr/Peter Worm (elementa diplomatica 8), Marburg 2000, S. 3–29. 24 Hans-Henning Kortüm, Zur päpstlichen Urkundensprache im frühen Mittelalter. Die päpstlichen Privilegien 896–1046 (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 17), Sigmaringen 1995. 25 Vgl. Jochen Johrendt, Das Magdeburger Primatsprivileg aus dem Jahr 968. Zur Echtheitsfrage von JL † 3729 und † 3730, in: AfD 47/48 (2001/02) S. 1–7. 23

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Münchener Dissertation zu den Rechtsinhalten der Papsturkunden eine Ergänzung26. Dieser hilfswissenschaftliche Impuls erwies sich auch für die allgemeine Forschung zum Papsttum als weiterführend. Der für die Papsturkunden und Papstbriefe für die Epoche vor 1046 erarbeitete Befund wurde auf die Untersuchung päpstlicher Kommunikation und Handlungen in der Zeit vom Reformpapsttum bis zu Innozenz  III. übertragen und sowohl für einzelne Instrumente als auch einzelne Regionen der lateinischen Christenheit fruchtbar gemacht. Den Papsturkunden und Papstbriefen als Kommunikationszeugnissen kam dabei immer eine zentrale Stellung zu27. Dieser Ansatz wurde in der Folge breit rezipiert und kann als Standard für die Untersuchung des Papsttums und seiner Interaktion mit anderen gelten28. Er ist ein gutes Beispiel dafür, wie allgemeinhistorische und hilfswissenschaftliche Fragestellungen miteinander verknüpft sein sollen, um die Erkenntnispotenziale in beiden Bereichen auszuschöpfen. Welche Möglichkeiten die Verknüpfung beider Bereiche birgt, demonstrierte auch die 2017 erschienene und in Marburg von dem im Februar 2017 verstorbenen Andreas Meyer betreute Dissertation von Asami Kobayashi29. Am Beispiel Luccas, mithin aus der Empfängerperspektive, geht sie für die Jahre 26 Jochen Johrendt, Papsttum und Landeskirchen im Spiegel der päpstlichen Urkunden (896–1046) (MGH Studien und Texte 33), Hannover 2004. 27 Vgl. dazu die beiden aus einem von Jochen Johrendt und Harald Müller initiierten DFG-Netzwerk hervorgegangenen Bände: Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III., hg. von Jochen Johrendt/Harald Müller (Neue Abh. Göttingen 2), Berlin/New York 2008; Rom und die Regionen. Studien zur Homogenisierung der lateinischen Kirche im Hochmittelalter, hg. von Jochen Johrendt/Harald Müller (Abh. Göttingen, NF 19), Berlin/Boston 2012. Einen breiteren chronologischen Zuschnitt und eine deutlich geringere Berücksichtigung der Papsturkunden und Papstbriefe bietet der Ansatz des Sammelbandes: Zentrum und Netzwerk. Kirchliche Kommunikationen und Raumstrukturen im Mittelalter, hg. von Gisela Drossbach/Hans-Joachim Schmidt (Scrinium Friburgense 22), Berlin/New York 2008. 28 Vgl. in Folge beispielsweise: Erinnerung – Niederschrift – Nutzung. Das Papsttum und die Schriftlichkeit im mittelalterlichen Westeuropa, hg. von Klaus Herbers/Ingo Fleisch (Abh. Göttingen, NF 11), Berlin 2011; Das begrenzte Papsttum. Spielräume päpstlichen Handelns. Legaten, delegierte Richter, Grenzen, hg. von Klaus Herbers/Frank Engel/ Fernando López Alsina (Abh. Göttingen, NF 25), Berlin u. a. 2013; Lotharingien und das Papsttum im Früh- und Hochmittelalter. Wechselwirkungen im Grenzraum zwischen Germania und Gallia, hg. von Klaus Herbers/Harald Müller (Abh. Göttingen, NF 45), Berlin u. a. 2017. 29 Kobayashi, Papsturkunden (wie Anm. 11); vgl. den Nachruf auf Andreas Meyer von Theo Kölzer in: AfD 63 (2018) S. XI–XXIV.

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1227 bis 1276 vor allem der Leistungsfähigkeit der Kanzlei sowie dem ­Geschäftsgang und den Kanzleivermerken nach. Ihr ist es damit gelungen, für die von ihr untersuchte Epoche die Bedeutung der Petenten hervorzuheben, ihren Einfluss auf die Formung der Urkunden, ja sogar deren Überlieferung jenseits der Empfängerarchive, da sie herausarbeiten konnte, dass die Initiative der Petenten nicht nur für die Ausstellung der Urkunden, sondern ebenso für die Eintragung in die päpstlichen Register entscheidend war30. Die starke Formung durch die Petenten wird nach Kobayashi nicht zuletzt dadurch deutlich, „dass die päpstliche Kanzlei nicht in der Lage war, den Überblick über die von ihr ausgestellten Urkunden zu behalten“31. Dezidiert hilfswissenschaftliche Untersuchungsmethoden ermöglichten somit Aussagen zu Fähigkeiten des Papsttums, die weit über das engere Feld der Papsturkundenforschung hinausgehen, indem der ­Bezugsrahmen des Untersuchungsgegenstandes, sein Sitz im Leben, mitgedacht wurde. Das ist per se nicht neu, doch muss mehr denn je betont werden, dass die lebendige Verbindung hilfswissenschaftlicher und all­gemeinhistorischer Fragestellungen unabdingbar ist, wenn sich die Hilfswissenschaften nicht selbst ausgrenzen wollen. Die Fruchtbarkeit der Verbindung von einer strikt hilfswissenschaft­ lichen Untersuchung bestimmter Brief- und Urkundenformen mit inhaltlichen Überlegungen zum Empfängerkreis verdeutlichen beispielsweise zwei Studien zu den Litterae clausae, den an der Seite verschlossenen päpstlichen Litterae, die sogar in ihrem Inneren Zettel verwahrten und durch die Verschlussart eine besondere Vertraulichkeit zwischen Aussteller und Empfänger herstellten, die bisweilen wichtiger sein konnte als die Geheimhaltung des Inhaltes32. In diesem Zusammenhang plädierte Christoph Egger dafür, die Urkunde auch jenseits diplomatischer Betrachtungsweisen zu untersuchen, da erst dann die vollen Dimensionen der päpstlichen Schreiben erfasst werden könnten. Das betrifft nicht nur die materielle Dimension oder den konkreten Einsatz von Papsturkunden und Papstbriefen, sondern ebenso die Vorstellungen von diesen jenseits der „Magie der Urkunde“ durch ihr konkretes Erscheinungsbild, das die Kobayashi, Papsturkunden (wie Anm. 11) zusammenfassend S. 262 f. Ebd. S. 263. 32 Christoph Egger, ‚Littera patens, littera clausa, cedula interclusa’. Beobachtungen zu Formen urkundlicher Mitteilungen im 12. und 13.  Jahrhundert, in: Wege zur Urkunde, Wege der Urkunde, Wege der Forschung. Beiträge zur europäischen Diplomatik des Mittelalters, hg. von Karel Hruza/Paul Herold (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, RI 24), Köln 2005, S. 41–64, bes. S. 54 f. 30 31

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Schriftstücke aus Rom in die Nähe von Reliquien bringen, sie zu einem Stück Heiligkeit machen konnte, das die Empfänger begehrten33. Doch hier kommt die Forschung rasch an ihre Grenzen  – und bleibt auf die Sichtung des kompletten Materials angewiesen, das methodisch sauber aufbereitet wird, wie dies 2015 durch Werner Maleczek in einem gewohnt souveränen Beitrag zu den 234 bekannten Litterae clausae bis zu Bonifaz VIII. erfolgte34. Derartige Studien bieten sowohl kulturwissenschaftlichen Fragestellungen als auch der systematischen hilfswissenschaftlichen Erforschung bestimmter Gattungen von Papsturkunden und -briefen eine deutlich breitere Basis. Die Alternative besteht in der Untersuchung von Fallbeispielen. Auch die kopiale Überlieferung bietet hier aufschlussreiche Aussagen, wie beispielsweise eine Untersuchung französischer Chartulare verdeutlichte35. Harald Müller untersuchte die Anordnung der Papsturkunden innerhalb der Chartulare über eine bestimmte Zeit hinweg und konnte damit die deutlich gesteigerte Wertschätzung der Papsturkunden und -briefe im Laufe des 12. Jahrhunderts herausarbeiten. Die konkrete Urkunde wurde so in das weitere urkundliche Material der Region eingeordnet und so der lebendige Austausch der Papsturkunden und -briefe mit ihrer Umwelt über den Zeitpunkt der Ausstellung hinaus betrachtet. ­Beispielhaft wurde auf diese Weise die Weiternutzung der konkreten ­Stücke mitverfolgt, diese in ihrem konkreten Umfeld verortet und so die Perspektive der Empfänger und der Aussteller zusammengebracht. Erneut sind es dezidiert hilfswissenschaftliche Herangehensweisen, die allgemeinhistorische Aussagen zulassen und den Wandel der Institution des Papsttums und seiner Wahrnehmung analysierbar machen. Derartige Untersuchungen bieten neue Einblicke – und im Grunde sind sie schon immer ein Teil guter hilfswissenschaftlicher Analyse gewesen. 33 Vgl. dazu Johrendt, Papsttum (wie Anm.  26) S.  25–36; zustimmend Ernst-Dieter Hehl, Zwischen Ansehen und Bedrängnis. Das Papsttum im zehnten Jahrhundert, in: Die Faszination der Papstgeschichte. Neue Zugänge zum frühen und hohen Mittelalter, hg. von Wilfried Hartmann/Klaus Herbers (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, RI 28), Köln u. a. 2008, S. 81–95, hier S. 83. 34 Werner Maleczek, „Litterae clausae“ der Päpste vom 12. bis zum frühen 14. Jahrhundert, in: Kuriale Briefkultur im späteren Mittelalter. Gestaltung – Überlieferung – Rezeption, hg. von Tanja Broser/Andreas Fischer/Matthias Thumser (Forschungen zur Kaiserund Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, RI 37), Köln  u. a. 2015, S. 55–128, mit einem sehr guten Katalog der Litterae clausae in Regestenform. 35 Harald Müller, Überlieferungsformen franko-römischer Kontakte. Zur Position der Papsturkunden in französischen Chartularen, in: Herbers/Fleisch  (Hgg.), Erinnerung (wie Anm. 27) S. 195–218.

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Denn wie sollte das discrimen veri ac falsi einer verdächtigen Papsturkunde durchgeführt werden, ohne den Hintergrund der ausstellenden und empfangenden Institution in rechtlicher, wirtschaftlicher und religiöser Weise zu untersuchen sowie deren soziale Praktiken zu berücksichtigen? Bei der Masse der Papsturkunden sind dies  – jenseits der Pontificienbände – stets nur kleine Inseln im Meer der aufzuarbeitenden Überlieferung, doch gibt es nach wie vor eine erfreuliche Anzahl von Studien, die einzelne Stücke aufarbeiten, ihre Echtheit hinterfragen und sie edieren, mit anderen Worten Studien, die das Material erschließen und allgemein zugänglich machen36. * Einen dezidierten Anstoß, die äußeren Merkmale der Papsturkunden näher in den Fokus zu nehmen, bot eine Marburger Tagung aus dem Jahr 200837. Sie rüttelte an scheinbaren Gewissheiten und offenbarte, dass das vermeintlich „abgeforschte“ Feld der Papsturkunden und -briefe in etlichen Bereichen einer Neuvermessung bedarf. So wurde bis dahin ange Völlig willkürlich seien aus der erfreulichen Fülle an derartigen Arbeiten der letzten Jahre in chronologischer Reihenfolge jenseits der Pontificienbände als Beispiele für Untersuchungen zur Echtheit von Papsturkunden und Papstbriefen genannt: Stefan Petersen, Kardinalsunterschriften als Fälschungsindiz. Das Privileg Eugens III. für das Stift Rot an der Rot (JL † 9618) und seine Vorlagen, in: AfD 64 (2018) S. 61–112; Peter Herde, Authentische Urkunde oder Stilübung? Papsturkunden in der Briefsammlung des Richard von Pofi, in: Broser/Fischer/Thumser (Hgg.), Kuriale Briefkultur (wie Anm. 34) S. 179–200; Jochen Johrendt, Die Anfänge des Kapitels von St. Peter im Vatikan? Zu den Urkunden Leos IX. für die Basilikalklöster der Peterskirche (1053), in: DA  65 (2009) S.  83–110; Ders., Ein ­bisher unbekannter Kardinal in einem neu entdeckten feierlichen Privileg Innocenz’ III.? Gregorius/Rogerius tituli sancte Anastasie presbiter cardinalis, in: Römische Historische Mitteilungen 48 (2006) S. 157–170. Als Beispiele der Aufarbeitung des Materials seien stellvertretend für etliche andere Arbeiten genannt: Alberto Spataro, Ein unbekannter Brief Innocenz’ III. betreffend den deutschen Thronstreit und die Entstehung des Liber consuetudinum Mediolani von 1216, in: MIÖG 127 (2019) S. 407–418; Daniel Berger u. a., Zwei originale Papsturkunden des 13. Jahrhunderts für Braunschweig und Halberstadt aus dem Diplomatischen Apparat der Universität Göttingen, in: Göttinger Jahrbuch 63 (2015) S. 5–12; Rudolf Hiestand, Erhaltene und verlorene Papsturkunden für die Diözese Troyes nach einem nachgelassenen Manuskript von Johannes Ramackers, in: Von Outremer bis Flandern. Miscellanea zur Gallia Pontificia und zur Diplomatik, hg. von Klaus Herbers/Waldemar Könighaus (Abh. Göttingen, NF 26), Berlin u. a. 2013, S. 57–100; Gerhard Sailler, Papst­ urkunden in Portugal von 1198 bis 1304. Ein Beitrag zum Censimento, in: Herbers/Engel/ López Alsina (Hgg.), Das begrenzte Papsttum (wie Anm. 28) S. 83–104; Jochen Johrendt, Römische Pilgerzeichen und das Kapitel von St. Peter im Vatikan. Eine übersehene Urkunde Gregors IX., in: QFIAB 89 (2009) S. 385–399. 37 Fees/Hedwig/Roberg (Hgg.), Papsturkunden (wie Anm. 22). 36

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nommen, dass nach dem Ende des Reformpapsttums die Urkundengestaltung zu einer festen Form gefunden habe. Doch die Arbeit von Andrea Birnstiel und Diana Schweitzer zu den Litterae verdeutlichte, wie stark sich die äußeren Merkmale dieser Urkunden-/Briefform auch im Laufe des 12. Jahrhunderts noch veränderte38. Ihre Studie gesellte sich zu den Untersuchungen arrivierter Forscher. So analysierte Mark Mersiowsky die graphische Welt der Papsturkunden in der Karolingerzeit39, Karl Augustin Frech die Gestaltung des Papstnamens in der Intitulatio der unter Leo IX. ausgestellten Stücke40, Otfried Krafft das monogrammatische Bene Valete41 und Joachim Dahlhaus die Rota und Unterschriften auf den Papsturkunden für die Zeit von 1055 bis 109942. Damit bündelte der Band auf der einen Seite von den Autoren seit langen Jahren betriebene Forschungen, die hier nochmals zugespitzt und akzentuiert wurden, sowie neuere Forschungsansätze. Er wurde auf seine Weise zum Anstoßgeber für weitere Forschungen, etwa zu den Litterae, die in einer Münchener Dissertation mündeten43. Doch so anregend die ursprünglichen Impulse waren, so unzureichend ist diese monographische Studie zu den Litterae von der papstgeschichtlichen Wende bis zu Alexander III. (1159–1181), da etliche Aussagen ohne jede Vgl. Andrea Birnstiel/Diana Schweitzer, Nicht nur Seide oder Hanf! Die Entwicklung der äußeren Merkmale der Gattung Litterae im 12. Jahrhundert, in: Fees/Hedwig/ Roberg (Hgg.), Papsturkunden (wie Anm. 22) S. 305–334, die vergleichend die elongierten Buchstaben, die Gestaltung des Papstnamens sowie ct- und st-Ligaturen untersuchten, die der Forschung als klare Unterscheidungsmerkmale der Formen Litterae cum serico sowie Litterae cum filo canapis galten. Zu den Litterae siehe auch unten bei Anm. 43. 39 Mark Mersiowsky, Papstprivilegien in der graphischen Welt karolingerzeitlicher Originalurkunden, in: Fees/Hedwig/Roberg (Hgg.), Papsturkunden (wie Anm. 22) S. 139– 173, der vor allem die große Kontinuität der Gestaltung herausarbeitet und mit dem sich wandelnden Umfeld unterschiedlicher Empfängerlandschaften kontrastiert. 40 Karl Augustin Frech, Die Gestaltung des Papstnamens in der Intitulatio der Urkunden Leos IX., in: Fees/Hedwig/Roberg (Hgg.), Papsturkunden (wie Anm. 22) S. 175–208. 41 Otfried Krafft, Der monogrammatische Schlußgruß (Bene Valete). Über methodische Probleme, historisch-diplomatische Erkenntnisse zu gewinnen, in: Fees/Hedwig/Roberg (Hgg.), Papsturkunden (wie Anm. 22) S. 209–247. 42 Joachim Dahlhaus, Rota oder Unterschrift. Zur Unterfertigung päpstlicher Urkunden durch ihre Aussteller in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, in: Fees/Hedwig/Roberg (Hgg.), Papsturkunden (wie Anm. 22) S. 249–303, anhand eines Korpus von insgesamt 203 Urkunden (197 Originalurkunden sowie ergänzend noch unvollendete Originale und Pseudooriginale), unter denen quantitativ die Urkunden für Alexander II. mit 62 Stücken und Urban II. mit 86 Stücken besonders herausragen. Die Liste findet sich ebd., S. 291–303. 43 Benedikt Hotz, Litterae apostolicae. Untersuchungen zu päpstlichen Briefen und einfachen Privilegien im 11. und 12. Jahrhundert (Münchner Beiträge zur Geschichtswissenschaft 9), München 2018. 38

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Form von Nachweis getroffen wurden und damit nicht nachvollzogen oder überprüft werden können. Vor allem der sich gerade in den letzten Jahren als so fruchtbar erwiesene Bezug zur Papstgeschichtsforschung und damit eine umsichtige Einbettung des Untersuchungsgegenstandes fehlt in dieser Dissertation völlig. Im Grunde muss dieses Feld daher nochmals bearbeitet werden, um eine wissenschaftlich solide Basis für die Litterae herzustellen. Eine in etwa zeitgleich von Benjamin Schönfeld angefertigte und ebenfalls 2018 erschienene Dissertation zu den Urkunden der Gegenpäpste zeigt hingegen, dass die neueren Impulse zur Erforschung der äußeren Merkmale gewinnbringend mit papsthistorischen Forschungsfragen verbunden werden können44. Die Arbeit griff aktuelle Forschungen zu den Gegenpäpsten auf und wandte sie auf genuin hilfswissenschaftliche Fragestellungen an45. Dies liegt bei einer Untersuchung der Papsturkunden im 11. und 12. Jahrhundert umso näher, als naturgemäß beide gewählten Kandidaten davon überzeugt waren, dass sie der rechtmäßige Papst seien. Die Frage, wer sich im Ringen der beiden Protagonisten durchsetzte, war nicht immer eine Frage der Rechtmäßigkeit, sondern eine Mischung aus Durchsetzungsfähigkeit in urbs sowie seit Innozenz II. vor allem im orbis sowie auch des Zufalls. Gegenpapst wurde man erst dadurch, dass man seinem Gegner unterlag. Der Ausgang des Ringens war nicht immer klar – und dementsprechend ist es nur konsequent, die Urkunden der erst retrospektiv zu Gegenpäpsten gewordenen Inhaber der Kathedra Petri in die Analyse der Papsturkunden zu integrieren. Setzen die beiden Münchener Dissertationen mit der papstgeschichtlichen Wende von 1046 ein, so umspielt die 2017 erschienene Erlanger Dissertation von Judith Werner diese Epochengrenze bewusst46. Auch dieser Arbeit liegt die Verbindung von aktuellen Fragen zur Papstgeschichte und eine dezidiert diplomatische Herangehensweise zugrunde. Gegenstand sind die äußeren Merkmale der Originale, namentlich „Material und Flä 44 Benjamin Schönfeld, Die Urkunden der Gegenpäpste. Zur Normierung der römischen Kanzleigewohnheiten im 11. und beginnenden 12. Jahrhundert (Papsttum im mittelalterlichen Europa 7), Köln u. a. 2018. 45 Vgl. zu den neuen Impulsen für die Erforschung der Gegenpäpste vor allem den stark forschungsorientierten Sammelband: Gegenpäpste. Ein unerwünschtes mittelalterliches Phänomen, hg. von Harald Müller/Brigitte Hotz (Papsttum im mittelalterlichen Europa 1), Wien u. a. 2012,3 sowie die Überblicksdarstellung von Christiane Laudage, Kampf um den Stuhl Petri. Die Geschichte der Gegenpäpste, Freiburg i. Br. u. a. 2012. 46 Judith Werner, Papsturkunden vom 9. bis ins 11. Jahrhundert. Untersuchungen zum Empfängereinfluss auf die äußere Urkundengestalt (Abh. Göttingen NF 43), Berlin 2017.

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che“, „Schrift“ und „graphische Symbole“. Die Studie baut auf das bereits mehrfach untersuchte Material der Zimmermannschen Edition auf, greift jedoch in beide Richtungen darüber hinaus, beginnend mit dem Jahr 819 und der ersten im Original überlieferten Papsturkunde, ausgestellt unter Paschalis  I. (817–824), und endend mit dem Pontifikat Gregors  VII. (1073–1085). Dem sprachlichen und inhaltlichen Empfängereinfluss wird durch diese Arbeit nun eine Untersuchung zum Empfängereinfluss auf die äußere Gestalt von Papsturkunden zur Seite gestellt. Angesichts der Fülle an Literatur zu den Reformpäpsten und ihrem Gestaltungswillen ist es zwar erstaunlich, dass wir so lange auf diese Arbeit warten mussten, auf der anderen Seite ist sie ein gutes Beispiel dafür, wie traditionelle hilfswissenschaftliche Methoden und moderne Fragestellungen gewinnbringend miteinander verbunden werden können47. Neben diesen die Papsturkunde als Ganzes untersuchenden Studien ist auf eine Fülle von Beiträgen zu einzelnen äußeren Merkmalen zu verweisen. Als ein beliebtes Evergreen, das ebenso die Kunstgeschichte interessierte, erweisen sich hier die Bleibullen, vorrangig für den Zeitraum von der Papstgeschichtlichen Wende bis zu Paschalis II. (1099–1118). In den letzten 25  Jahren widmeten sich nicht weniger als acht Studien diesem Thema48, wobei lediglich die Arbeit von Otfried Krafft über den Pontifi Vgl. dazu auch die Rezension von Benoît-Michel Tock, in: Francia-Recensio, 2018/2 (https://doi.org/10.11588/frrec.2018.2.48333), der sich kritisch zur Frage der Repräsentativität der Ergebnisse aufgrund der regional sehr unterschiedlichen Überlieferung äußert. Ohne derartige Einwände hingegen die Rezension von Hans-Henning Kortüm, in: HZ 308 (2019) S. 787 f. sowie Benedict Wiedemann, in: EHR 134 (2019) S. 949–951. 48 Ingo Herklotz, Zur Ikonographie der Papstsiegel im 11. und 12. Jahrhundert, in: Für irdischen Ruhm und himmlischen Lohn. Stifter und Auftraggeber in der mittelalterlichen Kunst, hg. von Hans-Rudolf Meier/Carola Jäggi/Philippe Büttner, Berlin 1995, S. 116– 130; Ders., Bildpropaganda und monumentale Selbstdarstellung des Papsttums, in: Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, hg. von Ernst-Dieter Hehl/Ingrid Heike Ringel/Hubertus Seibert (Mittelalter-Forschungen 6), Stuttgart 2002, S. 273–292; Jörg Bölling, Die zwei Körper des Apostelfürsten. Der heilige Petrus im Rom des Reformpapsttums, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 106 (2011) S.  155–192, hier S.  177–183; Manfred Groten, Die gesichtslose Macht. Die Papstbullen des 11. Jahrhunderts als Amtszeichen, in: Päpstliche Herrschaft im Mittelalter. Funktionsweisen – Strategien – Darstellungsformen, hg. von Stefan Weinfurter (Mittelalter-Forschungen 38), Ostfildern 2012, S. 199–220; Irmgard Fees, Rota und Siegel der Päpste in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, in: Zwischen Rom und Santiago. Festschrift Klaus Herbers zum 65. Geburtstag, hg. von Claudia Alraum u. a., Bochum 2016, S. 285– 298; Dies., Zur Bedeutung des Siegels an den frühen Papsturkunden, in: Urkunden und ihre Erforschung. Zum Gedenken an Heinrich Appelt, hg. von Werner Maleczek (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 62), Wien 2014, S. 53–69; 47

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kat Paschalis’ II. hinausgreift und den Zeitraum von 1100 bis 1530 zum eigentlichen Gegenstand hat49. Er widerlegte die gängige Forschungsmeinung, dass die Bleibullen nach Paschalis II. praktisch unverändert blieben, und verdeutlichte, dass sie sich vorrangig seit dem 13. Jahrhundert nochmals änderten, wenn auch nicht mehr in den grundlegenden Formen wie noch vor Paschalis  II. Die anderen Studien konzentrierten sich auf die Epoche von 1046 bis 1100. Sie versuchten, die rasch wechselnde Form der Bleibullen zu erklären und mit deren Hilfe einem Selbstverständnis der frühen Reformpäpste näher zu kommen. Unklar blieb dabei jedoch immer wieder, wie eine Bleibulle als Beweismittel dienen konnte, wenn sie nach jedem Pontifikat ihr Aussehen änderte, aber dennoch als echte Bleibulle erkannt werden sollte – eine Fragestellung, die sich auch nach der Arbeit von Judith Werner nochmals anders stellt. Das Problem versuchte Irmgard Fees dadurch zu lösen, dass sie die Bleibullen bis zu Paschalis  II. nicht mehr als ein Beweismittel einstufte, sondern als ein Verschlussmittel. Erst am Ausgang des 11. Jahrhunderts sei die von Leo IX. begonnene Umwandlung von einem Verschlussmittel zu einem Beglaubigungsmittel vollendet gewesen50. Man wird sehen, ob sich dieser Deutungsvorschlag durchsetzen kann. Weniger Aufmerksamkeit als den Bleibullen der Päpste galt den graphischen Symbolen und einer chronologischen Untersuchung besonderer Auszeichnungen von Urkundenteilen. Die Fruchtbarkeit des Ansatzes für die Rota hatte Joachim Dahlhaus bereits 1989 in einem Beitrag verdeutlicht und später ausgebaut51. Thomas Frenz bot 1996 einen Überblick über die graphischen Symbole52, doch seit gut zehn Jahren treibt deren Erforschung Jochen Johrendt, Papstgeschichtliche Wende und produktive Zerstörung. Päpstliche Briefe im Zeitalter des Investiturstreits, in: Brief und Kommunikation im Wandel. Formen, Autoren und Kontexte in den Debatten des Investiturstreits, hg. v. Florian Hartmann (Papsttum im mittelalterlichen Europa 5), Köln u. a. 2016, S. 103–128, bes. S. 110–116. 49 Otfried Krafft, Die päpstlichen Siegel des Hoch- und Spätmittelalters zwischen Beharrung und Wandel. Innovationen, Modifikationen, Fälschungen, in: AfD 64 (2018) S. 217– 258. 50 So Fees, Bedeutung (wie Anm. 48). 51 Joachim Dahlhaus, Aufkommen und Bedeutung der Rota in den Urkunden des Papstes Leo IX., in: AHP 27 (1989) S. 7–84, mit acht Tafeln; sowie Ders., Aufkommen und Bedeutung der Rota in der Papsturkunde, in: Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden. Beiträge zur diplomatischen Semiotik, hg. von Peter Rück (Historische Hilfswissenschaften 3), Sigmaringen 1996, S. 407–424; und vor wenigen Jahren Ders., Rota (wie Anm. 42). 52 Thomas Frenz, Graphische Symbole in päpstlichen Urkunden (mit Ausnahme der Rota), in: Rück (Hg.), Graphische Symbole (wie Anm. 51) S. 399–406.

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vor allem Otfried Krafft maßgeblich voran. Er widmete dem monogrammatischen Bene Valete für die Zeit von 1046 bis zum ausgehenden 12. Jahrhundert eine leider immer noch zu wenig rezipierte Monographie, die nicht allein auf die Grußformel der Päpste und Gegenpäpste eingeht, sondern vergleichend auf diejenige ausgewählter Bischöfe und Erzbischöfe53. Der Abbildungsteil bietet nicht weniger als 768 Abbildungen, anhand derer die Befunde auch jenseits ihrer Einbettung in den konkreten Analyseabschnitt nachzuvollziehen sind. Es ist die erste Arbeit seit der 1901 erschienenen Monographie von Julius von Pflugk-Harttung54, die die Monogramme systematisch untersucht und klassifiziert. Krafft hat mit seiner Arbeit ohne Frage ein bisher unzureichend rezipiertes Standardwerk geschaffen. Wenig später widmete er sich zudem den Illustrationen der Papsturkunden vorrangig für den Zeitraum von 1425 bis 1523 anhand von acht Beispielen55 und legte eine weitere Studie zu den verzierten Initialen der Papsturkunden vor, mit einem Schwerpunkt auf dem 12. Jahrhundert seit Innozenz II. und einem knappen Ausblick auf das restliche Mittelalter56. Die Frage, wer diese Briefe und Urkunden schrieb, stand auch im Zentrum der jüngeren Forschung. Nach den grundlegenden Studien von Santifaller aus dem Jahr 1940 zum „Kanzleipersonal“ bis zum Jahre 109957 sowie der 1974/1975 im Archiv für Diplomatik in zwei Teilen veröffentlichten Frankfurter Dissertation von Gerd Friedrich Nüske zum Personal der päpstlichen Kanzlei in der zweiten Hälfte des 13.  Jahrhunderts58, wandte sich die Forschung in den letzten zehn Jahren der Frage nach den an der Ausfertigung der Papsturkunden und -briefe beteiligten Personen wieder stärker zu. So konnte Thorsten Schlauwitz im Zuge des Projektes Otfried Krafft, Bene Valete. Entwicklung und Typologie des Monogramms in Urkunden der Päpste und anderer Aussteller seit 1049, Leipzig 2010. 54 Julius von Pflugk-Harttung, Die Bullen der Päpste bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, Gotha 1901. 55 Otfried Krafft, Illustrationen in Papsturkunden des ausgehenden Mittelalters, in: DA 67 (2011) S. 51–98. 56 Otfried Krafft, Das Aufkommen verzierter Initialen in den Papsturkunden des hohen Mittelalters, in: Illuminierte Urkunden. Beiträge aus Diplomatik, Kunstgeschichte und Digital Humanities, hg. von Gabriele Bartz/Markus Gneiss (AfD Beihefte 16), Köln 2018, S. 125–152. 57 Leo Santifaller, Saggio di un elenco dei funzionari, impiegati e scrittori della Cancelleria Pontificia dall’inizio all’anno 1099, 2 Bde. (Bulletino dell’Istituto Storico Italiano per il Medio Evo 56, 1–2), Rom 1940. 58 Gerd Friedrich Nüske, Untersuchungen über das Personal der päpstlichen Kanzlei 1254–1304, Erster Teil in: AfD 20 (1974) S. 39–240; Zweiter Teil in: AfD 21 (1975) S. 249– 431. 53

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„Schrift und Zeichen. Computergestützte Analyse hochmittelalterlicher Papsturkunden. Ein Schlüssel zur Kulturgeschichte Europas“ im Jahr 2017 ein „Verzeichnis der Schreiber an der päpstlichen Kurie im 12. Jahrhundert (1099–1198)“ als PDF vorlegen59. Auch für die Zeit Innozenz’ III. sind aktuell Bemühungen von Christoph Egger zu fassen, die Schreiber der Urkunden zu identifizieren60. Doch nicht nur das Personal der Kanzlei war an der Ausfertigung beteiligt, sondern im Falle der feierlichen Privilegien ebenso Kardinäle, deren Unterschriften Werner Maleczek – neben seinen zahlreichen Studien zur kardinalizischen Schriftlichkeit61 – einige Arbeiten widmete62. Damit ist die Forschung einen großen Schritt vorangekommen in ihrem Bemühen, eine Geschichte der päpstlichen Kanzlei zu schreiben, in die neben der Skizzierung des Ausfertigungsprozesses noch Studien zum Kanzleiformular zu integrieren wären63. * Die Untersuchungen vorrangig zu den äußeren Merkmalen der Papsturkunden und Papstbriefe begleitete erfreulicherweise zeitgleich – jedoch (bis heute fast) ohne konkrete Verbindung – ein neuer Schub bei der Analyse der inneren Merkmale und der kulturellen Einbettung der päpstlichen Aktuell einzusehen über die Seite www.papsturkunden.de, sofern man sich auf dieser Seite anmeldet (zuletzt eingesehen am 7.4.2020). Zum Projekt Schrift und Zeichen siehe unten bei Anm. 78. 60 Christoph Egger, Die Schreiber der päpstlichen Kanzlei unter Papst Innocenz III. Versuch eines ersten Überblicks, in: AfD 64 (2018) S. 113–160. 61 Aus der Fülle der Publikationen zum Kardinalat und kardinalizischer Schriftlichkeit sei hier auf die beiden jüngsten Untersuchungen der Kardinalssiegel verwiesen: Werner Maleczek, Kardinalssiegel als Medium der Selbstdarstellung im 12. und 13.  Jahrhundert, in: Papstgeschichte im digitalen Zeitalter. Neue Zugangsweisen zu einer Kulturgeschichte ­Europas, hg. von Klaus Herbers/Viktoria Trenkle (AKG Beihefte 85), Köln u. a. 2018, S. 149–170; Ders., Kardinalssiegel und andere Abbildungen von Kardinälen während des 13. Jahrhunderts, in: Die Kardinäle des Mittelalters und der frühen Renaissance, hg. von Jürgen Dendorfer/Ralf Lützelschwab (Millennio medievale. Strumenti e studi 95 = NS 33), Firenze 2013, S. 229–264. 62 Zu den Kardinalsunterschriften vgl. Werner Maleczek, Unbekannte und wenig bekannte Privilegien Papst Innocenz’  III. (1198–1216) mit Kardinalsunterschriften, in: MIÖG 122 (2014) S. 107–111, sowie Ders., Die eigenhändigen Unterschriften der Kardinäle. Ein Spiegelbild ihrer Persönlichkeit? Mit einem Überblick über eigenhändige Unterschriften auf Urkunden vom Frühmittelalter bis ins 13. Jahrhundert, in: Weinfurter (Hg.), Päpstliche Herrschaft (wie Anm. 48) S. 239–300. 63 Einen sehr guten Überblick über die aktuelle Forschung zur päpstlichen Kanzlei bietet Andreas Meyer, Die päpstliche Kanzlei im Mittelalter. Ein Versuch, in: AfD 61 (2015) S. 291–342. Einen weiteren Aspekt beleuchtet Christoph Egger, Vertraulichkeit und Geheimhaltung in der hochmittelalterlichen päpstlichen Kanzlei, in: AfD 63 (2017) S. 263–271. 59

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Schreiben. Den Reigen eröffnete die 2007/2008 erschienene und in jeder Hinsicht gewichtige Studie von Achim Thomas Hack64. Er untersuchte akribisch Sprache und Stil der 99 Briefe des Codex Carolinus, formelhafte Elemente des Kontextes ebenso wie die unterschiedlichen Formen der Anrede, kontextualisierte diese und erstellte damit nicht weniger als eine Brieflehre des 9. Jahrhunderts, in deren Zentrum die päpstlichen Schreiben stehen. Die Auswirkungen der nichtpäpstlichen Briefkultur auf die Formulierung der Schreiben war vor allem für das 13. Jahrhundert ein einschlägiger Untersuchungsgegenstand, ausgehend durch Forschungen von Matthias Thumser, Benoît Grévin und Florian Hartmann. Letzterer beschäftigte sich in seiner Habilitationsschrift mit der ars dictaminis in den italienischen Stadtkommunen des Hochmittelalters65 und hat bereits zuvor nach dem Einfluss Alberichs von Montecassino auf die päpstliche Rhetorik und damit auf den päpstlichen Briefstil gefragt66. Benoît Grévin untersuchte in einer beeindruckenden und 2008 erschienenen Arbeit zu Petrus de Vinea die Wirkkraft seiner Briefe für eine Sprache des Politischen in den europäischen Kanzleien67. Beide Autoren gaben 2019 ein Handbuch der mittelalterlichen Briefstillehre heraus, in dem unter mehreren Aspekten auch der Briefstil der päpstlichen Kurie untersucht wurde68. Welche Erkenntnismöglichkeiten eine stärkere Berücksichtigung der Epistologie für die Analyse der Papstbriefe birgt, hatte wiederum Matthias Thumser deutlich gemacht, der sich seit 1995 in Publikationen mit päpstlichen Briefsammlungen beschäftigt69. Ein 2015 veröffentlichtes Kolloquium diente dabei als eine Zwischenbilanz auf diesem Feld, auf dem nicht nur

Hack, Codex Carolinus (wie Anm. 5); vgl. dazu Claudia Zey, Rezension von: Achim Thomas Hack: Codex Carolinus. Päpstliche Epistolographie im 8. Jahrhundert, Stuttgart 2006, in: sehepunkte 8 (2008), Nr.  10 [15.10.2008], URL: http://www.sehepunkte. de/2008/10/12696.html, die das Gewicht der beiden Bände mit 2.600 Gramm angibt. 65 Florian Hartmann, Ars dictaminis. Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts (Mittelalter–Forschungen 44), Ostfildern 2013. 66 Florian Hartmann, Das Enchiridion de Prosis et Rithmis Alberichs von Montecassino und die Flores Rhetorici, in: QFIAB 89 (2009) S. 1–30. 67 Benoît Grévin, Rhétorique du pouvoir médiéval. Les «Lettres» de Pierre de la Vigne et la formation du langage politique européen (XIIIe–XVe siècle) (Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome 339), Roma 2008. 68 Ars dictaminis. Handbuch der mittelalterlichen Briefstillehre, hg. von Florian Hartmann/Benoît Grévin (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 65), Stuttgart 2019. 69 Die erste Veröffentlichung dazu war Matthias Thumser, Zur Überlieferungsgeschichte der Briefe Papst Clemens’ IV. (1265–1268), in: DA 51 (1995) S. 115–168. 64

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editorisch für das 13. Jahrhundert noch etliche Arbeit zu leisten ist70. Eine konkrete Anwendung epistologischer Vorgehensweisen auf Papstbriefe lieferte die 2018 erschienene und von Matthias Thumser betreute Dissertation von Tanja Broser zum päpstlichen Briefstil im 13. Jahrhundert, die nicht allein die Briefe in ihrer konkreten Überlieferung untersuchte, sondern ebenso die Kommunikationssituation sowie das Zusammenspiel von Mündlichkeit und Schriftlichkeit sowie die zur Überbringung der Briefe eingesetzten Boten71. Damit behandelt Tanja Broser neben den sprachlichen Eigenheiten der Papstbriefe auch deren kulturelle Einbettung in ihre Zeit und löst sie so aus der vorherrschenden Perspektive der Papsturkundenforschung, die vorrangig das politische Handeln einer Institution ­analysierte und dabei in der Regel auf diesem Feld kaum vergleichend vorging. Es ist zu hoffen, dass derartige Anregungen ebenso für andere Epochen aufgegriffen werden, idealerweise in einer auch andere Institutionen vergleichenden Herangehensweise72. Doch stärker philologisch ausgerichtete Untersuchungen bleiben ebenfalls für die früheren Epochen ein Desiderat, wobei hier stilometrische Untersuchungsverfahren ohne Frage unterstützend wirken könnten. Das gilt auch für Klassiker der deutschen Papsturkundenforschung. So ist etwa der starke Einfluss Montecassinos auf die Formulierung der päpstlichen Schreiben in der zweiten Hälfte des 11.  Jahrhunderts bekannt, doch bisher noch nie eingehend untersucht worden. Hans-Walter Klewitz bemerkte dazu 1938, dass „der Stand der Forschung über das Urkunden- und Registerwesen des Reformpapsttums“ es unmöglich macht, den Einfluss Montecassinos genauer zu untersuchen73. Mithilfe der neuen Methoden der Digital Humanities und insbesondere der Stilometrie wäre dieses Material sicherlich einfacher zu bewältigen als bei einem klassischen Stilvergleich, der sich auf hunderte von Stücken beziehen müsste. Es wäre in jedem Fall ein lohnendes Unternehmen, das den Einfluss dieses bedeutenden Klosters, das in der zweiten Hälfte des 11.  Jahrhunderts mit Stephan IX. und Viktor III. immerhin zwei Päpste aus den Reihen seiner Äbte hervorbrachte, in den Briefen der Päpste genauer fassen zu können.

Broser/Fischer/Thumser (Hgg.), Kuriale Briefkultur (wie Anm. 34). Broser, Briefstil (wie Anm. 5) bes. S. 266–365. 72 Vgl. dazu beispielsweise für den Investiturstreit: Hartmann (Hg.), Brief und Kommunikation (wie Anm. 48). 73 Hans-Walter Klewitz, Montecassino in Rom, in: QFIAB 28 (1937/38) S. 36–47, hier S. 45. 70 71

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Um eine kulturelle Einbettung päpstlicher Schreiben bemühten sich zudem einzelne Beiträge eines 2018 erschienenen Sammelbandes74. Dabei untersuchten beispielsweise Sabine Panzram die Kommunikationsbedingungen und Wirkungen von päpstlichen Briefen vor Ort zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert und Veronika Unger insbesondere die Boten, durch die Briefe vom und an den Papst in den Pontifikaten von Nikolaus I. (858– 867) bis zu Johannes VIII. (872–882) überbracht wurden75. Die Studien untersuchten damit außerdem die Faktoren, die jenseits der konkreten ­Petentin/des konkreten Petenten für die Erwirkung von Urkunden wichtig waren. Auch Daniel Berger analysierte in einer Studie die „Praxis des Urkundenerwerbs“ im 12.  Jahrhundert76. Stefan Petersen hat in seiner ­Habilitationsschrift für die Prämonstratenser sowie Étienne Doublier in seiner Dissertation für die Ablassurkunden der Bettelorden die herausragende Rolle der Orden und ihrer Kommunikationsfähigkeiten für die Urkundenausstellung herausgearbeitet77. Eine systematische Unter­suchung des Einflusses auf die Formulierung der Papstbriefe und -urkunden durch Petenten mit derartigen Fähigkeiten wie dem Kloster Montecassino oder in späterer Zeit der Orden steht dabei noch aus. Dasselbe gilt für die Frage nach dem maßgeblichen Einfluss herausragender Briefautoren auf die päpstlichen Urkunden und Briefe: Wie viel Bernhard von Clairvaux steckt beispielsweise in den päpstlichen Schreiben aus der Mitte des 12. Jahrhunderts? * Die vor allem außerhalb Deutschlands weit vorangeschrittene Digitalisierung von Papsturkunden aus Archivbeständen ermöglicht nun vergleichende Arbeiten, die zuvor nur mit größter Mühe umsetzbar waren. Auch Frühmittelalterliche Briefe. Übermittlung und Überlieferung (4.–11. Jahrhundert), hg. von Thomas Deswarte/Klaus Herbers/Cornelia Scherer (AKG Beiheft 84), Köln u. a. 2018. 75 Sabine Panzram, Boten im Dienste Roms. Dekretalen, „gleichsam wie von Flügeln getragen“?, in: Deswarte/Herbers/Scherer  (Hgg.), Frühmittelalterliche Briefe (wie Anm. 74) S. 19–34; Veronika Unger, Boten und ihre Briefe. Ordnungskategorien in Archiven und Briefsammlungen, in: ebd. S. 155–168. 76 Daniel Berger, Das (verfälschte) Privileg Alexanders III. für Bischof Raimund II. von Palencia. Zugleich ein Beitrag zur Praxis des Urkundenerwerbs im 12. Jahrhundert, in: AfD 63 (2017) S. 71–113. 77 Petersen, Prämonstratensische Wege (wie Anm.  21); Étienne Doublier, Ablass, Papsttum und Bettelorden im 13. Jahrhundert (Papsttum im mittelalterlichen Europa 6), Köln 2017. 74

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in Hinblick auf die Schrifterkennung boten sich die Papsturkunden als idealer Gegenstand an. Das 2015 abgeschlossene BMBF-Projekt „Schrift und Zeichen. Computergestützte Analyse hochmittelalterlicher Papst­ urkunden. Ein Schlüssel zur Kulturgeschichte Europas“78 bemühte sich deshalb auszuloten, welche Möglichkeiten die Digital Humanities durch die automatische Schrifterkennung der Papsturkundenforschung an die Hand geben. Gerade die Papsturkunden ab dem ausgehenden 11. Jahrhundert mit ihrer normierten Schreibweise, die paläographisch für das menschliche Auge kein Problem darstellen, schienen sich hier besonders anzubieten, um beispielsweise aus der Diplomatik der Königsurkunden aufgeworfene Fragen nach Eigenhändigkeit computergestützt analysieren zu können. Waren die Ergebnisse in mancher Hinsicht ernüchternd, so wird man nicht von der Hand weisen können, dass dadurch ein neuer Impuls entstand, der dazu führte, dass in den Historischen Hilfswissenschaften nicht mehr nur über Papsturkunden geforscht wurde, sondern an ihnen. Dabei erwies sich die computergesteuerte Schrifterkennung als noch nicht so weit fortgeschritten, dass die entsprechenden Algorithmen das erkennende Auge der Forscherin und des Forschers ersetzen, doch können sie – so zumindest auf dem aktuellen Stand und ungeachtet der Entwicklungen in den kommenden Jahrzehnten – das Auge schulen und Kontrollen erlauben. Sie erweisen sich damit nicht als Ersatz, sondern als Hilfsmittel der klassischen Paläographie. Auch in Deutschland sollten diese Hilfsmittel benutzerfreundlicher gestaltet werden, so wie es etwa für die schottischen Urkunden zwischen 1100 und 1250 in dem schottischen Portal Models of Authority der Fall ist79. Letzteres erlaubt den Benutzerinnen und Benutzern etwa durch eine bewusste Auswahl an Schreibweisen einzelner Buchstaben in etlichen Schriftstücken, die nebeneinandergestellt und verglichen werden können, eine sehr materialnahe Auswertung. Generell haben sich die digitalen Tools als Werkzeuge erwiesen, die Forscherinnen und Forschern nicht die Arbeit abnehmen, doch ihnen eine vereinfachte Auswertung des Materials vor allem aufgrund des gezielten Vergleichs ermöglichen. Eine Zwischenbilanz erschien in digitaler Form

Die ursprüngliche Seite https://www5.cs.fau.de/de/papsturkunden-des-hohen-mittelalters/startseite/ist nicht mehr aktiv (zuletzt eingesehen am 7.4.2020). Vgl. dazu auch den Sammelband: Herbers/Trenkle  (Hgg.), Papstgeschichte im digitalen Zeitalter (wie Anm. 61). 79 https://www.modelsofauthority.ac.uk 78

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auf den Internetseiten der Göttinger Akademie der Wissenschaften80. Zu welchen Ufern uns die neuen Möglichkeiten bringen werden, ist noch nicht absehbar. Sie verändern nicht nur das klassische Analyseinstrumentarium, das sie nicht überflüssig machen, sondern ergänzen dieses 81. Ebenso ­werden sich aber auch die Präsentationsformen für Forschungen zu den Papsturkunden und Papstbriefen ändern müssen, wie dies bereits 2013 Rolf Große forderte82. Für die Erfassung und Analyse der in den Archiven ganz Europas verstreuten Papsturkunden und Papstbriefe bieten sich neue Möglichkeiten, die Vergleiche einfacher zu machen und Untersuchungen so auf eine deutlich breitere Basis zu stellen. * Eine derart offene Gestaltung würde auf die Dauer die Isolation der Forschung zu den Papsturkunden und Papstbriefen aus der allgemeinen Diplomatik beenden und die Möglichkeit bieten, auch bei der Aufarbeitung des Materials konsequenter als bisher die Perspektive der Empfänger einzunehmen, indem die päpstlichen Schreiben nicht mehr aus dem Gesamtbestand selektiert und dann losgelöst behandelt werden, sondern der Gesamtbestand der Überlieferung stets zusammen betrachtet wird. Welche Mühen ein derartiges Unterfangen bereitet, ist klar, wenn man an die eingangs dargelegten Zahlen allein zu den Papsturkunden denkt. Die zu bearbeitenden Stücke würden sich vervielfachen, und diese Aufarbeitung könnte nicht systematisch erfolgen, sondern lediglich in Einzelfällen. Das Ergebnis wäre ein zumal von der deutschen Forschung nicht gerne gese Papsturkundenforschung zwischen internationaler Vernetzung und Digitalisierung. Neue Zugangsweisen zur europäischen Schriftgeschichte, hg. von Irmgard Fees/Benedikt Hotz/Benjamin Schönfeld, Göttingen 2015, einzusehen auf den Seiten der Göttinger Akademie der Wissenschaften res doctae unter: https://rep.adw-goe.de/handle/11858/00001S-0000-0023-9A13-A 81 Vgl. dazu Benedikt Hotz/Benjamin Schönfeld, Schriftentwicklung an der päpstlichen Kurie  – durch computergestützte Verfahren zu neuen Erkenntnissen der kurialen Schriftgeschichte?, in: Herbers/Trenkle (Hgg.), Papstgeschichte im digitalen Zeitalter (wie Anm. 61), S. 55–68; ebenso Thorsten Schlauwitz, Das päpstliche Kanzleiwesen im 12. Jahrhundert. Automatische Schreiberidentifizierung in der praktischen Anwendung, in: ebd. S. 69–94. 82 Rolf Grosse, „Gallia Pontificia online“. Eine digitale Plattform für die Edition der Papsturkunden?, in: Francia 40 (2013) S. 265–273, der von drei Säulen ausgeht, die das Projekt bieten müsste, neben der Erfassung der Texte ein hilfswissenschaftlicher Apparat sowie das Regest. Diese Säulen ließen sich sicherlich ohne weiteres auch erweitern, etwa um Abbildungen oder prosopographische Studien. In gewisser Weise würde so die Forderung Kehrs nach einem „Notbehelf“ in Form einer Quellenkunde zeitgemäß umgesetzt. 80

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hener Flickenteppich, auf dem einzelne Institutionen sehr gut, andere sehr schlecht aufbereitet sind. Die Aufarbeitung wäre äußerst heterogen, da dies ein europäisches Projekt sein müsste, in das die unterschiedlichen ­europäischen Traditionen einfließen. Doch das ist ferne Zukunftsmusik. Gleichwohl ist es erstaunlich, was derart operierende Portale wie monasterium.net leisten können. Davon unabhängig haben die letzten Jahre gezeigt, dass auch bei der hilfswissenschaftlichen Erforschung der Papsturkunden und Papstbriefe ein vergleichender Blick auf die Urkunden und Briefe anderer Aussteller weiterführen kann, doch noch weisen die Forschungen zur Königs­ urkunde und zur Papsturkunde zu wenig Berührungspunkte auf. Das gilt etwa auch für die Frage nach der Kanzlei: Die gewandelte Einschätzung zu den Formulae imperiales oder dem Liber Diurnus als private Arbeiten ist offensichtlich, doch werden beide Stränge selten verknüpft. Die Empfänger waren mit beidem konfrontiert, wir sollten keine Scheu haben, uns in den beiden Bereichen stärker auszutauschen. Zudem ist auch ein kontinuierlicher Blick über die Schwelle von 1198 hinweg notwendig, der in der englischen Forschung bisweilen besser gelingt als in der deutschen. Das Feld der Forschung ist riesig – es harrt einer weitergehenden Bearbeitung durch neue Impulse. Aus diesem Blickwinkel bekommt der Stoßseufzer Paul Fridolin Kehrs geradezu etwas Tröstliches: „Papsturkunden ohne Ende“ – das bedeutet für die nächsten Generationen von Papsttumsforscherinnen und Papsttumsforschern keinen Schrecken, sondern eine schöne Perspektive.

Abstract The paper reviews research approaches to papal charters and letters from the early middle ages up to the pontificate of Boniface VIII recently achieved by German scholars. The studies are influenced by institutional traditions particularly facing the enormous quantity of charters estimated up to 30,000 pieces from the very beginning to 1198. Not until this year we are in the position to consult papal registers. By then we depend on documents bequeathed in the archives of the recipients. The Göttinger Papst­ urkundenwerk and the Pius-Stiftung are the central institutions to register all papal charters before 1198 in the Regesta Pontificum Romanorum organized by dioceses which means by recipients. Their research, especially in the last years, was exceedingly productive, but a lot is still to do. How-

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ever, the volumes do not provide any edition of pieces. Calendars (German: “Regesten”) are a very German way to deal with sources. Papal charters generally find their destination in a calendar – royal and other charters in editions, accompanied by studies of the chancery, formulations etc. And by this there is less research done on papal documents than on royal diplomas. Regardless of this baseline there have been many initiatives for a new look on papal documents in the last few years, focussing on language in papal documents, its juridical content, and at last the material of the period before the synod of Sutri to show the enormous influence of the recipients on these documents. But the following period up to Boniface VIII is covered, too, underlining new aspects in the analysis of the material, its measure, space and writing, different forms of papal letters and even of the persons writing them, and new stimuli for an epistology of papal letters – and last but not least the methods of the digital humanities, used for their analysis.

Stand und Perspektiven der Historischen Grundwissenschaften Kaiser- und Königsurkunden von WOLFGANG HUSCHNER

Das Thema wird auf der Grundlage folgender Schwerpunkte behandelt: neue Editionen, äußere Merkmale, Aussteller- und Empfängeranteile bei der Urkundenentstehung, Bedeutung der Königs- und Kaiserurkunden zur Ausstellungszeit, Relevanz der Dokumente für spätere Generationen. Bezüglich der „Perspektiven“ soll es besonders um weitere dringende Grundlagenforschungen sowie um interregionale, europaweite und interkontinentale Urkundenvergleiche gehen1.

Neue MGH-Editionen (seit 2000) Die 2016 erschienene Edition der Urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen (814–840) schloss die letzte Lücke in der MGH-Diplomata-Reihe von der Merowingerzeit bis zum Ende des 11. Jahrhunderts. Eine Bonner Forschergruppe unter der Leitung von Theo Kölzer, die vor allem über die Nordrhein-Westfälsche Akademie der Wissenschaften durch das Akademienprogramm gefördert wurde, vollbrachte diese lang erwartete Edition2. Sie Für den Druck bearbeitete und ergänzte Fassung meines Vortrags auf der Tagung „Stand und Perspektiven der Historischen Grundwissenschaften“ an der Ludwig-MaximiliansUniversität München (16./17. Februar 2018), veranstaltet von Irmgard Fees, Professorin für Historische Grundwissenschaften und Historische Medienkunde dieser Universität. 2 Die Urkunden Ludwigs des Frommen, ed. Theo Kölzer unter Mitwirkung von Jens Peter Clausen/Daniel Eichler/Britta Mischke/Sarah Patt/Susanne Zwierlein u. a., 2 Teile und ein Registerband (MGH Urkunden der Karolinger 2), Wiesbaden 2016. Im Vorwort (S. XIV) führt Theo Kölzer über das Quintett auf dem Haupttitelblatt hinaus alle Mitglieder der Forschergruppe namentlich auf, die mittel- oder längerfristig an dem Projekt mitwirkten. 1

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enthält 418 Urkunden, 231 Deperdita, 21 Briefe, 52 „Formulae imperiales“ und sechs moderne Fälschungen3. Diplomatische Untersuchungsergebnisse mehrerer Mitglieder der Forschergruppe wurden in einem Sammelband publiziert4. In Verbindung mit den Arbeiten an der Edition entstanden mehrere Dissertationen mit diplomatischer bzw. grundwissenschaftlicher Ausrichtung5. Für eine geschlossene MGH-Diplomata-Reihe des 12.  Jahrhunderts fehlt jeweils am Beginn und am Ende des Säkulums noch eine Urkunden­ edition. Stefan Petersen (MGH, München) übernahm unlängst die Aufgabe, die Urkunden Heinrichs V. (1105/6–1125) und der Königin Mathilde, die aus dem Nachlass von Matthias Thiel herausgegeben werden, für den Druck vorzubereiten. Seit 2010 existiert eine digitale Vorab-Edition, die den Nutzern über die Homepage der MGH zur Verfügung gestellt wird. Sie enthält die Nummern, Datierungen, Kopfregesten und Texte von 347 Urkunden sowie eine Konkordanz-Tabelle zu den Stumpf-Regesten und ein Abkürzungsverzeichnis. Die Urkunden Heinrichs VI. (1190– 1198) befinden sich noch in Bearbeitung; auch hier existiert eine über das Internetportal der MGH zugängliche Vorab-Edition. Die Edition der Urkunden der Kaiserin Konstanze liegt seit 1990 vor6. Die 2014 publizierte Edition der Urkunden König Philipps von Schwaben (1198–1208) verbindet derzeit das 12. mit dem 13. Jahrhundert7. Sie umfasst 145 Diplome, 32 Deperdita, acht mittelalterliche Spuria, sieben 3 Theo Kölzer, Einleitung, in: Urkunden Ludwigs des Frommen (wie Anm. 2), Teil 1, S. XX. 4 Zwischen Tradition und Innovation. Die Urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen (814– 840). Referate des Kolloquiums der Nordrhein-Westfälschen Akademie der Wissenschaften und der Künste am 19. April 2013 in Bonn, hg. von Theo Kölzer (Abhandlungen der Nordrhein-Westfälschen Akademie der Wissenschaften und der Künste 128), Paderborn 2014. 5 Daniel Eichler, Fränkische Reichsversammlungen unter Ludwig dem Frommen (MGH Studien und Texte 45), Hannover 2007; Britta Mischke, Kapitularienrecht und Urkundenpraxis unter Ludwig dem Frommen (814–840) (Diss. Phil.), Bonn 2013 (http://hss. ulb.uni-bonn.de/2013/3157/3157.htm); Sarah Patt, Studien zu den ,Formulae imperiales‘. Urkundenkonzeption und Formulargebrauch in der Kanzlei Kaiser Ludwigs des Frommen (814–840) (MGH Studien und Texte 59), Wiesbaden 2016; Susanne Zwierlein, Studien zu den Arengen in den Urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen (MGH Studien und Texte 60), Wiesbaden 2016. 6 Die Urkunden der Kaiserin Konstanze, ed. Theo Kölzer (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 11/3), Hannover 1990. 7 Die Urkunden Philipps von Schwaben, ed. Andrea Rzihacek/Renate Spreitzer unter Mitwirkung von Brigitte Merta/Christine Ottoner-Diesenberg und unter Verwendung von Vorarbeiten von Paul Zinsmaier (†) und Rainer Maria Herkenrath (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 12), Wiesbaden 2014.

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Briefe, die an den Papst adressiert sind, ein verlorenes Schreiben an den Markgrafen von Montferrat sowie vier Musterbriefe und -urkunden unter dem Namen Philipps und zwei Urkunden anderer Aussteller, die auch das Siegel Philipps aufweisen; insgesamt sind es 199 Dokumente. Fast zwei Drittel der Königsurkunden (97) sind als Originale überliefert. Die Edition enthält zudem vierzehn Urkunden, die Philipp während seiner kurzen Regierungszeiten als Herzog von Tuszien (April 1195 bis August 1196) sowie als Herzog von Schwaben (August 1196 bis März 1198) als Aussteller nennen; dazu kommt noch eine Urkunde der Königin Maria/ Irene, die aus dem römisch-byzantinischen Imperium stammte8. In Verbindung mit der Vorbereitung der Edition fand in Wien eine internationale Tagung statt, deren Beiträge 2010 publiziert wurden9. Die Herausgabe der Urkunden Ottos IV. (1198–1218) wird für die MGH ebenfalls durch Andrea Rzihacek und Renate Spreitzer (Wien) vorbereitet. Erfreulich voran schreiten die Editionen der Urkunden König/Kaiser Friedrichs II. Eine Projektgruppe unter der Leitung von Walter Koch (†)10, die seit 1990 unter der Obhut der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch das Akademienprogramm gefördert wird, hat sich der Bewältigung dieser Mammutaufgabe verschrieben. Es sind ca. 2600 Dokumente zu bearbeiten, mehr als doppelt so viele, wie in der abgeschlossenen Wiener Edition der Diplome Friedrichs I. (1152–1190) enthalten sind. Etwa ein Drittel der tradierten Urkunden Friedrichs II. sind als Originale erhalten. Inzwischen liegen fünf Editionsteile vor, die in der MGH-DiplomataReihe publiziert wurden. Sie betreffen die Regierungszeit des Staufers von 1198 bis 1226 und umfassen etwas weniger als die Hälfte des gesamten überlieferten Materials. Der vierte und der fünfte Band wurden 2010 und 2017 veröffentlicht11. Von den Publikationen, die in Verbindung mit dem 8 Andrea Rzihacek/Renate Spreitzer, Einleitung, in: Urkunden Philipps von Schwaben (wie Anm. 7) S. XIV–XXIV, XXXII f. 9 Philipp von Schwaben. Beiträge der internationalen Tagung anlässlich seines 800. Todestages Wien, 29. bis 30. Mai 2008, hg. von Andrea Rzihacek/Renate Spreitzer (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse, Denkschriften 399/Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 19), Wien 2010. 10 Zur Projektgruppe gehören derzeit Dr. Christian Friedl, Dr. des. Katharina Gutermuth, Dr. Klaus Höflinger, Maximilian Lang M.A. und Dr. Joachim Spiegel. 11 Die Urkunden Friedrichs II. 1220 – 1222, Texte, Register, 2 Bde., ed. Walter Koch unter Mitwirkung von Klaus Höflinger/Joachim Spiegel/Christian Friedl (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 14/4/1–2), Wiesbaden 2014; Die Urkunden Friedrichs II. 1222–1226, Texte, Register, 2 Bde., ed. Walter Koch unter Mitwirkung von Klaus Höflinger/Joachim Spiegel/Christian Friedl/Katharina Gutermuth (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 14/5/1−2), Wiesbaden 2017.

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Editionsvorhaben durch Projektmitarbeiter erfolgten, sei hier das Buch von Christian Friedl genannt12. Mark Mersiowsky bereitet derzeit die Edition der ca. 550 Diplome König Heinrichs (VII.) für die MGH vor, die sich auf fast 170 Überlieferungsorte verteilen13. Im Kontext der Bearbeitung der Urkunden Heinrichs (VII.) entstand eine diplomatisch und historisch ausgerichtete Dissertation, die inzwischen abgeschlossen ist14. Christian Friedl veröffentlichte 2013 die Edition der Urkunden Manfreds von Sizilien, eines anderen staufischen Kaisersohnes. Sie umfasst 168 Dokumente (Urkunden und Briefe, Manifeste), 131 Deperdita und sechs neuzeitliche Spuria15. Die Edition der Urkunden Heinrich Raspes und Wilhelms von Holland wurde 2006 abgeschlossen16. Ergänzungen zu den Urkunden Heinrich Raspes sind in der entsprechenden Edition der Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen enthalten17. Die Urkunden, die Alfons von Kastilien zwischen 1255 und 1281 als Römischer König ausstellen ließ, wurden 2016 in der MGH-Diplomata-Reihe publiziert18. Hans Eberhard Mayer legte 2010 die MGH-­ Edition der Urkunden der lateinischen Könige von Jerusalem vor, in der Jean Richard die altfranzösischen Texte bearbeitete. Die Hauptreihe enthält 836 Nummern mit Dokumenten, die von 1099 bis 1291 reichen. Dazu Christian Friedl, Studien zur Beamtenschaft Kaiser Friedrichs II. im Königreich Sizilien (1220–1250) (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse, Denkschriften 337), Wien 2005. 13 Für die freundliche Mitteilung danke ich Prof. Dr. Mark Mersiowsky (Universität Stuttgart). 14 Jennifer Engelhardt, Heinrich (VII.) und seine Empfänger. Die Herrschaftspraxis Heinrichs (VII.) im Spiegel seiner Urkunden (Diss. phil.), Stuttgart 2020. 15 Die Urkunden Manfreds, ed. Christian Friedl unter Verwendung von Vorarbeiten von Markus Brantl (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 17), Wiesbaden 2013, S. XIII f. 16 Die Urkunden Heinrich Raspes und Wilhelms von Holland, ed. Dieter Hägermann/ Jaap G. Kruisheer unter Mitwirkung von Alfred Gawlik (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 18), Hannover 1989–2006. 17 Die Ausgabe der Diplome Heinrich Raspes von Dieter Hägermann beschränkt sich entsprechend den Auswahlprinzipien der MGH auf die im Namen Heinrich Raspes ausgefertigten Königsurkunden. Im Einzelnen handelt es sich um 16 Diplome und 15 Deperdita, zu denen noch zwei neuzeitliche Fälschungen und zwei Urkunden der Königin Beatrix hinzuzurechnen sind. Die von Heinrich Raspe als König empfangenen Urkunden und Briefe wurden in den MGH nicht berücksichtigt. Diese Dokumente sind in folgendem Editionsband enthalten: Die Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen, Bd. 4: 1235–1247, ed. Tom Graber/Mathias Kälble (Codex diplomaticus Saxoniae. Erster Hauptteil. Abteilung A, Bd. 4 = CDS I A 4), Peine 2014. 18 Die Urkunden Alfons‘ von Kastilien, ed. Ingo Schwab unter Mitwirkung von Alfred Gawlik (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 19/1), Wiesbaden 2016. 12

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kommen Krönungseide (4 Nummern), moderne Fälschungen (15) sowie königsgleiche urkundliche Interventionen europäischer Herrscher im Königreich Jerusalem (15)19. In Verbindung mit der Edition erschien 2014 ein Buch über die Siegel der lateinischen Könige von Jerusalem20. Die neue kritische Edition der Urkunden Ludwigs des Frommen regte schnell neue bzw. weiterführende historische Diskussionen und Forschungen an. So führte der festgestellte hohe Anteil an gefälschten Urkunden Ludwigs des Frommen, der sich etwa auf ein Drittel beläuft21, u. a. zu Modifikationen und Revisionen älterer historischer Lehrmeinungen über die Entstehung sächsischer Bistümer und die Etablierung kirchenorganisatorischer Strukturen. Einige veränderte historische Interpretationen bezüglich der sächsischen Bistümer, die aus dem neuen diplomatischen Forschungsstand resultieren, hat der Editor selbst vorgestellt22. Andere Autoren reagierten ebenfalls darauf23, weitere Beiträge zu diesem Thema dürften folgen. Die in den vergangenen zwei Jahrzehnten publizierten MGH-Ausgaben initiierten, prägten oder beeinflussten – wie zu erwarten – neue historische Untersuchungen, die hier nicht alle aufgeführt werden können. Drei Beispiele seien genannt: Die Edition von Hans Eberhard Mayer bildete eine wichtige Quellenbasis für die Monographie von Eric Böhme über die Außenbeziehungen des Königreiches Jerusalem24, die Ausgabe der Urkunden König Manfreds war für die Dissertation von

Die Urkunden der lateinischen Könige von Jerusalem, ed. Hans Eberhard Mayer, altfranzösische Texte erstellt von Jean Richard (MGH Diplomata regum latinorum Hierosolymitanorum), 4 Teile, Hannover 2010. 20 Hans Eberhard Mayer/Claudia Sode, Die Siegel der lateinischen Könige von Jerusalem (MGH Schriften 66), Wiesbaden 2014. 21 Theo Kölzer, Einleitung, in: Urkunden Ludwigs des Frommen (wie Anm. 2), Teil 1, S. XXI. 22 Theo Kölzer, Die Urkunden Ludwigs des Frommen für Halberstadt (BM2 535) und Visbek (BM2 702) und ein folgenschweres Mißverständnis, in: AfD 58 (2012) S. 103–123; Ders., Zum angeblichen Immunitätsprivileg Ludwigs des Frommen für das Bistum Hildesheim, in: AfD 59 (2013) S. 11–24; Ders., Ludwigs des Frommen „Gründungsurkunde“ für das Erzbistum Hamburg (BM2 928), in: AfD 60 (2014) S. 35–68; Ders., Die Anfänge der sächsischen Diözesen in der Karolingerzeit, in: AfD 61 (2015) S. 11–37. 23 Thomas Vogtherr, Visbek, Münster, Halberstadt. Neue Überlegungen zu Mission und Kirchenorganisation im karolingischen Sachsen, in: AfD 58 (2012) S. 125–145; Wilfried Hartmann, Neues zur Entstehung der sächsischen Bistümer, in: AfD 63 (2017) S. 27–46. 24 Eric Böhme, Die Außenbeziehungen des Königreiches Jerusalem im 12. Jahrhundert. Kontinuität und Wandel im Herrscherwechsel zwischen König Amalrich und Balduin IV. (Europa im Mittelalter 33), Berlin/Boston 2019. 19

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Marie Ulrike Jaros besonders relevant25, die MGH-Edition der Urkunden Wilhelms von Holland stellte die wichtigste Quellengrundlage für die Habilitationsschrift von Ingrid Würth26 dar.

Äußere Merkmale der Herrscherurkunden Im Unterschied zu der Verfahrensweise, die Theodor Sickel und Harry Bresslau in den von ihnen herausgegebenen Diplomata-Bänden anwandten, beschrieb Paul Kehr in der Einleitung zur Edition der Urkunden Heinrichs III. die Schriftmerkmale jedes Schreibers, den er der ,Kanzlei‘ zuordnete, relativ ausführlich. Diese Neuerung gegenüber den bis dahin vorliegenden Diplomata-Bänden begründete er wie folgt: „Sickel wie Bresslau haben sich damit begnügt, bei der Darstellung der Geschichte der Kanzlei die verschiedenen Diktatoren und Schreiber namhaft zu machen, ihr Verhältnis zueinander kurz zu bezeichnen und hier und da, freilich immer nur sehr summarisch, das besonders Charakteristische hervorzuheben. Dem Benutzer bleibt es so überlassen, die Schriftbestimmungen an den Facsimiles, soweit solche vorhanden oder zugänglich sind, nachzuprüfen und aus deren Studium sich eine Vorstellung von der Art der einzelnen Schreiber zu machen.“ Das hielt Paul Kehr wissenschaftlich nicht für vertretbar, weil die Auswahlkriterien des Tafelwerks „Kaiserurkunden in Abbildungen“ seiner Ansicht nach ein solches Studium nicht in dem erforderlichen Maße gewährleisteten. Er dachte deshalb an eine ergänzende Lieferung, um diesen Mangel zu beheben27. Marie Ulrike Jaros, Die Grafen und Gräfinnen Manfreds von Sizilien. Funktion und Fluktuation einer Adelsgruppe (1198–1312). Die Arbeit wird derzeit zum Druck vorbereitet und in der Reihe „Italia Regia. Fonti e ricerche per la storia medievale“ erscheinen. 26 Ingrid Würth, Regnum statt Interregnum. König Wilhelm (1247–1256). Habilitationsschrift, Halle/Saale 2019. 27 Paul Kehr, Vorrede zu den DD H. III., S. XX. mit Anm. 2: „Diese große Facsimilesammlung ist gewiß ein Werk, auf das stolz zu sein wir alle Veranlassung haben. Aber es fehlt ihm doch der für unsere Disziplin nötige vollständige Unterbau, da es zu einer Zeit unternommen wurde, als man das ganze Material noch entfernt nicht übersah. So wählte man die Urkunden aus teils nach dem Zustande ihrer Erhaltung oder ihrer Erreichbarkeit oder weil sie für gewisse diplomatische Fragen besonders lehrreich erschienen, während die Sammlung doch eigentlich die Geschichte der Urkundenschrift der kaiserlichen Kanzlei in ihren verschiedenen Entwicklungsphasen und nach ihren Hauptvertretern hätte darbieten sollen. Die Lücken sind zuweilen ärgerlich. Aber mit einem Ergänzungsheft zu den elf Lieferungen könnte man diese jetzt leicht ausfüllen und so ein wahrhaft vollkommenes Hilfsmittel schaffen.“ 25

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Die Arbeiten von Peter Rück und seinem Marburger Kreis28 trugen maßgeblich dazu bei, dass man den äußeren Merkmalen der Herrscherurkunden heute deutlich mehr Aufmerksamkeit schenkt als in der früheren Forschung. Peter Rück betonte die spezifische graphische und symbolische Gestaltung sowie die besondere Größe der Dokumente, die zum Verlesen und Zeigen in einer repräsentativen Öffentlichkeit bestimmt waren. In dieser Hinsicht fungierten Diplome gewissermaßen als „audiovisuelle“ Medien des Mittelalters. Die Herrscherurkunden mit ihren besonderen äußeren Erscheinungsbildern besaßen nach seiner Auffassung im Frühund Hochmittelalter eine erhebliche Relevanz bei der Kommunikation der Könige bzw. Kaiser mit geistlichen und weltlichen Großen des Herrschaftsverbandes. Der im Eingangsprotokoll mit Namen und Titulatur genannte Herrscher wandte sich im Text, der für eine mündliche Rede konzipiert war29, an seine Getreuen und informierte in lateinischer Sprache über das Ergebnis der Verhandlungen und die daran beteiligten Personen. Die großen Pergamentstücke mit ihren speziellen Schriftbildern sowie mit den Monogrammen und Siegeln kennzeichneten die Königsund Kaiserurkunden markant visuell30. Sowohl die stärkere Gewichtung der äußeren Merkmale durch die Forscherinnen und Forscher um Peter Rück als auch der Wunsch vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, zusammen mit den kritisch edierten Texten ebenso die Erscheinungsbilder jener Urkunden zu kennen, die den Editionen zugrunde lagen, führte in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einer umfangreicheren Verfügbarkeit von Abbildungen. Irmgard Fees publizierte 1994 ein Abbildungsverzeichnis original überlieferter Herrscherurkunden aus dem frühen und hohen Mittelalter und eröffnete damit die Marburger Reihe „ele Peter Worm, Ein neues Bild von der Urkunde. Peter Rück und seine Schüler, in: AfD 52 (2006) S. 335–352. 29 Peter Koch, Urkunde, Brief und Öffentliche Rede. Eine diskurstraditionelle Filiation im ‚Medienwechsel‘, in: Das Mittelalter 3,1 (1998) S. 13–44. 30 Peter Rück, Die Urkunde als Kunstwerk, in: Kaiserin Theophanu. Begegnung des Ostens und Westens um die Wende des ersten Jahrtausends, hg. von Anton von Euw/Peter Schreiner, 2 Bde., Köln 1991, Bd. 2, S. 311–333; Graphische Symbole in mittelalterlichen Urkunden. Beiträge zur diplomatischen Semiotik, hg. von Peter Rück (Historische Hilfswissenschaften 3), Sigmaringen 1996; Ders., Bildberichte vom König. Kanzlerzeichen, königliche Monogramme und das Signet der salischen Dynastie (elementa diplomatica 4), Marburg 1996. Die Erforschung äußerer Merkmale wird inzwischen auch international stärker betrieben. Vgl. u. a. Ildar H. Garipzanov, Graphic Signs of Authoritiy in Late Antiquity and the Early Middle Ages, 300–900, Oxford 2018; ERC-Projekt „NOTAE. An evidence-based reconstruction of another written world in pragmatic literacy from Late Antiquity to early medieval Europe“, geleitet von Prof. Dr. Antonella Ghignoli, Universität Rom, Sapienza. 28

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menta diplomatica“31. Inzwischen ist daraus ein Verzeichnis europäischer Königs- und Kaiserurkunden geworden. Geographisch sind bisher Frankreich, Italien sowie Nord- und Osteuropa dazu gekommen. Darin werden natürlich auch Abbildungen aus den großen Tafelwerken bzw. Reihen wie dem „Archivio paleografico Italiano“, den „Chartae Latinae Antiquiores“, „Diplomata Karolinorum“32, „Kaiserurkunden in Abbildungen“33 sowie aus dem Marburger „Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden bis 1250“ aufgenommen. Für die Sammlung ausgewertet wurden u. a. auch Ausstellungskataloge, die teilweise relativ viele Abbildungen enthalten. Besonders hilfreich ist aber die Verzeichnung einzelner Urkundenabbildungen, die nicht selten an entlegener Stelle publiziert wurden34. Bis den Nutzern eines Tages alle Abbildungen jener überlieferten Dokumente, die als Basis für kritische Editionen dienten, in digitaler Form zugänglich sein werden, dürfte dieses Verzeichnis die diplomatische Forschung über Königs- und Kaiserurkunden weiter unterstützen. In den bisher erschienen MGH-Editionen, die Herrscherurkunden des 13. Jahrhunderts enthalten, finden sich in jedem Band Abbildungen ausgewählter Dokumente sowie von Siegeln. Sie vermitteln den Nutzern einen Eindruck von den äußeren Merkmalen und den Erscheinungsbildern der edierten Dokumente und ermöglichen es, die Ausführungen über die äußeren Merkmale in den Einleitungen besser nachzuvollziehen35. Die äußeren Merkmale dienen den Editoren überdies als ein wichtiges Kriterium für die Unterscheidung zwischen einfachen und gehobenen Ausfertigungen sowie feierlichen Privilegien36. Walter Koch, bis zu seinem Tod am 27. Dezember 2019 Leiter des Projekts für die Herausgabe der Urkunden Irmgard Fees, Abbildungsverzeichnis der original überlieferten fränkischen und deutschen Königs- und Kaiserurkunden von den Merowingern bis zu Heinrich VI. (elementa diplomatica 1), Marburg 1994. 32 Ferdinand Lot/Philippe Lauer, Diplomata Karolinorum. Recueil de reproductions en fac-similé des actes originaux des souverains carolingiens conservés dans les archives et bibliothèques de France; Albert Bruckner, Diplomata Karolinorum. Faksimile-Ausgabe der in der Schweiz liegenden originalen Karolingerdiplome, 4 Bde., Basel 1969–1972. 33 Kaiserurkunden in Abbildungen, Textband, Tafelband (11 Lieferungen), hg. von Heinrich von Sybel/Theodor E. Sickel, Berlin 1880–1891. 34 Das digitale Abbildungsverzeichnis der europäischen Königs-und Kaiserurkunden ist u. a. über die Homepage der Professur für Historische Grundwissenschaften und historische Medienkunde am Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität München zu erreichen. 35 Vgl. z. B. Urkunden Philipps von Schwaben (wie Anm. 7) nach S. LXXII, Abb. 1–17; Urkunden Manfreds (wie Anm. 15) nach S. XVI, Tafeln 1–8. 36 Urkunden Philipps von Schwaben (wie Anm. 7) S. XXVI–XXVIII. 31

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Kaiser Friedrichs II. an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, und Christian Friedl, Projektmitarbeiter und Herausgeber der Urkunden König Manfreds, sorgten dafür, dass der Umfang existierender Abbildungen staufischer Originalurkunden quantitativ und qualitativ erweitert wurde. Sie publizierten einen Tafelband, der eine Abbildungsauswahl staufischer Originalurkunden enthält, die von der Regierungszeit Konrads III. (1138–1152) bis zum Ende der staufischen Herrschaft nach dem Tod Konradins (1268) reicht. Dieser staufische Tafelband erschien in der Reihe „Digitale Urkundenbilder aus dem Marburger Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden“37. Die beiden Herausgeber, Irmgard Fees und Francesco Roberg, waren dafür bereit, das bisherige Konzept ihrer Reihe, das ausschließlich Publikationen aus der Sammlung des Marburger Lichtbildarchivs vorsah, zu erweitern und auch Urkundenabbildungen anderer Provenienz aufzunehmen. Das ermöglichte eine Auswahl originaler staufischer Urkunden für Empfänger in Sachsen im Norden bis Monreale und Palermo im Süden sowie von Magdeburg im Nordosten bis Trier und Zürich im Südwesten38. Aufgrund dieser geographischen und inhaltlichen Ausrichtung des Tafelbandes wurde auch eine identische italienischsprachige Ausgabe veröffentlicht39. Walter Koch bestimmte die systematische Vorstellung der Typen und Entwicklungen der Urkundenbilder im Laufe der staufischen Zeit als hauptsächliches Ziel dieses Tafelbandes40. Theo Kölzer bereitete im Kontext der bevorstehenden Publikation der Edition einen Tafelband für Ludwig den Frommen in der bereits genannten Reihe „Digitale Urkundenbilder“ vor41. Verweise auf entsprechende Abbildungen konnten so rechtzeitig vor der Drucklegung in die MGHEdition integriert werden. Unter Berücksichtigung der schon existierenden Tafelwerke, die Abbildungen von Urkunden Ludwigs bieten, welche Kaiser- und Königsurkunden der Staufer (1138–1268), hg. von Walter Koch/Christian Friedl (Digitale Urkundenbilder aus dem Marburger Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden 4), Leipzig 2010. 38 Irmgard Fees/Francesco Roberg, Vorwort zur Reihe, in: Kaiser- und Königsurkunden der Staufer (wie Anm. 37) S. I, VII. 39 Diplomi imperiali e reali degli Svevi (1138–1268), a cura di Walter Koch/Christian Friedl (Digitale Urkundenbilder aus dem Marburger Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden 4), Leipzig 2011. Die Übersetzung der Regesten besorgten Francesco Roberg und Andrea Antonio Verardi (Rom). 40 Walter Koch, Die Urkunden der Staufer (1138–1268), in: Kaiser- und Königsurkunden der Staufer (wie Anm. 37) S. II. 41 Kaiser Ludwig der Fromme (814–840), hg. von Irmgard Fees/Theo Kölzer/Francesco Roberg (Digitale Urkundenbilder aus dem Marburger Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden 5), Leipzig 2019. 37

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in Archiven Frankreichs, Italiens und der Schweiz aufbewahrt werden, wählte man für den neuen Tafelband schwerpunktmäßig Aufnahmen solcher Dokumente aus, die in deutschen Archiven lagern. Zudem wurden Urkunden aufgenommen, die in den anderen großen Serien bzw. Tafelwerken bisher fehlen, darunter auch Spuria. Die Auswahl der mehr als 50 Abbildungen soll möglichst das Spektrum der äußeren Merkmale widerspiegeln, u. a. Format und Layout, graphische Zeichen, Siegel sowie die Charakteristika einzelner Urkundenschreiber42. Durch das Tafelwerk sind fortan kombinierte inhaltliche und graphische Analysen der Urkunden Ludwigs des Frommen möglich. Außerdem lassen sich die Bestimmungen der Schreiberhände durch die Editoren und die Ausführungen über die äußeren Merkmale der Urkunden Ludwigs des Frommen in der Einleitung nachvollziehen. Trotz fortschreitender Digitalisierung mittelalterlicher Urkunden bleiben Tafelwerke mit solch hochwertigen Abbildungen relevant für die di­ plomatische Forschung und die akademische Lehre. Die Arbeit an einer kritischen Edition und die parallele Vorbereitung eines passenden Tafelwerks sind äußerst nutzerorientiert und können zudem als Vorstufe für eine spätere parallele digitale Präsentation der Editionstexte und der dazu gehörigen Urkundenabbildungen dienen. Im Rahmen des Akademienprogramms erscheint es aus verschiedenen Gründen nach wie vor sinnvoll, Editionen bzw. Ergebnisse der Grundlagenforschungen sowohl analog als auch digital zu publizieren. Das dürfte zumindest so lange wichtig bleiben, bis die angestrebte Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) existiert, funktioniert und die dauerhafte Sicherung und Verfügbarkeit der Daten aus Grundlagenforschungsprojekten garantiert.

Aussteller- und Empfängeranteile bei der Urkundenentstehung In der jüngeren Forschung beurteilt man eine Herrscherurkunde als Ergebnis eines Kommunikationsprozesses zwischen der Empfänger- und der Ausstellerseite, in den häufig noch Vermittler eingeschaltet waren. Solche Beurkundungsverhandlungen waren Bestandteil der periodischen Kommunikation zwischen Großen und Herrschern, die für die politische Organisa 42 Theo Kölzer, Zum vorliegenden Band, in: Kaiser Ludwig der Fromme (wie Anm. 41) S. I.

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tion der Königs- und Kaiserreiche erforderlich waren. Die ausgestellten Diplome dokumentierten die zuvor mündlich getroffenen Vereinbarungen im Ergebnis der Beurkundungsverhandlungen und besaßen damit einen vertragsähnlichen Charakter. Herrscherurkunden waren kein serielles Verwaltungsschriftgut, sondern entstanden als „Einzelanfertigungen“. Sie waren bis zum 11. Jahrhundert in der Regel für Mitglieder der geistlichen und weltlichen adligen Führungsgruppen bestimmt, seit dem 12. Jahrhundert kamen vermehrt städtische Organe oder Repräsentanten dazu43. Neue Herrscherurkunden entstanden vorwiegend auf Initiative der Destinatäre, die deren Rechtsinhalt meistens auch bestimmten oder mitbestimmten. In die Urkunden flossen häufig Rechtsinhalte ein, die in früher ausgestellten Dokumenten festgehalten und in den Empfängerarchiven aufbewahrt worden waren44. Kooperation und Verhandlung zwischen der Empfänger- und der Ausstellerseite bezüglich der Rechtsinhalte neuer Urkunden sind in der diplomatischen Forschung weitgehend unstrittig. Natürlich können die Initiative zur Urkundenausstellung und die vorrangige Bestimmung des Rechtsinhalts auch durch die Herrscher erfolgen, z. B. bei einer Schenkung als Belohnung für geleistete Unterstützung oder bei Mandaten; der umgekehrte Fall ist im Spiegel der Überlieferung aber eindeutig dominierend. Kontrovers diskutiert wird in der Forschung seit langem, inwieweit die Empfängerpartei direkt an der inhaltlichen und graphischen Anfertigung neuer Herrscherurkunden mitwirkte, in denen die mündlich erzielten Verhandlungsresultate verschriftlicht werden sollten. Die Diplomatiker um Theodor Sickel, die im 19. Jahrhundert ottonische Diplome für die MGH kritisch edierten, entwickelten aus ihrer zeitgenössischen Perspektive das 43 Wolfgang Huschner, Einleitung, in: Originale – Fälschungen – Kopien. Kaiser- und Königsurkunden für Empfänger in „Deutschland“ und „Italien“ (9.–11. Jahrhundert) und ihre Nachwirkungen im Hoch- und Spätmittelalter (bis ca. 1500). Originali – falsi – copie. Documenti imperiali e regi per destinatari tedeschi e italiani (Secc. IX–XI) e i loro effetti nel Medioevo e nella prima età moderna (fino al 1500 circa), hg. von Nicolangelo D’Acunto/ Wolfgang Huschner/Sebastian Roebert (Italia Regia. Fonti e ricerche per la storia medievale 3), Leipzig/Karlsruhe 2017, S. 8 f. 44 Die Urkunden Friedrichs I., 5. Teil: Einleitung, Verzeichnisse, hg. v. Heinrich Appelt unter Mitwirkung von Rainer Maria Herkenrath/Brigitte Meduna (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 10/5), Hannover 1990, S. 75: „Da die Diplome im Normalfalle auf Wunsch oder im Interesse des Empfängers ausgestellt wurden, hatte dieser die Möglichkeit, die Formulierung ihres Inhaltes durch Vorlage älterer Privilegien, die auch als Vorurkunden herangezogen werden konnten, oder durch Listen seiner Besitzungen beziehungsweise durch Aufstellungen über Rechtstitel und Ansprüche zu beeinflussen. Er konnte vielleicht sogar ein Konzept oder einen Entwurf einreichen. Eine derartige Beteiligung des Empfängers an der Entstehung der Urkunde ist also etwas Naturgegebenes.“

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Modell einer arbeitsteilig und hierarchisch (drei- oder vierstufig) organisierten ,Kanzlei‘ am Königs- bzw. Kaiserhof. Auf Anweisung der Kanzler hätten darin „Kanzleibeamte“, Diktatoren und Schreiber niederer sozialer Herkunft, permanent Herrscherurkunden verfasst und geschrieben. Di­ plome, die vollständig oder partiell von Personen hergestellt worden waren, welche die MGH-Editoren als Kanzleimitglieder einstuften, galten als ‚vollgültige‘ Originale. Demgegenüber wiesen sie Urkunden, die von Empfänger- oder Gelegenheitsschreibern stammten, eine reduzierte Autorität und Gültigkeit zu. Das maßgebliche Kriterium (Mitwirkung an Urkunden für mindestens zwei Empfänger = „Kanzleinotar“) für die Unterscheidung zwischen „Kanzleinotaren“ einerseits, die man durch die Vergabe von kanzlerbezogenen Siglen kennzeichnete, sowie Empfängerund Gelegenheitsschreibern andererseits, die keine Siglen erhielten, führte zur Annahme von relativ vielen gleichzeitig tätigen „Kanzleinotaren“ an den Herrscherhöfen. Der Anteil von Empfängerschreibern an der direkten inhaltlichen und graphischen Diplomherstellung blieb durch das Hauptkriterium Bresslaus und Sickels immer relativ klein. Die diplomatische Beurteilung der einzelnen Originale beruhte vor allem auf der Beantwortung der Frage, ob sie in der ‚Kanzlei‘ am Herrscherhof entstanden bzw. ‚kanzleigemäß‘ waren oder nicht45. Bis zum Abschluss der Edition der Urkunden Heinrichs  III. (1039– 1056) folgte auch Paul Kehr dem Kanzlei-Modell, das Sickel und Bresslau für ihre Editionen ottonischer und frühsalischer Urkunden verwendeten. Im Zuge der Arbeiten an den MGH-Editionen der Diplome ostfränkischer Karolinger distanzierte sich Kehr in den 1930er Jahren dann immer weiter von dem Modell eines quasi modernen Kanzlei-Büros mit arbeitsteiliger und hierarchischer Organisation, die Sickel auf die früh- und hochmittelalterlichen Herrscherhöfe projiziert hatte46. Außerdem relativierte Kehr nach der Untersuchung des italienischen Materials die ausstel 45 Wolfgang Huschner, Transalpine Kommunikation im Mittelalter. Diplomatische, kulturelle und politische Wechselwirkungen zwischen Italien und dem nordalpinen Reich (9.– 11. Jahrhundert) (MGH Schriften 52/I–III), Hannover 2003, hier Teil I, S. 63–94. 46 Paul Kehr, Die Kanzleien Karlmanns und Ludwigs des Jüngeren (Abh. der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse 1933/1), Berlin 1933, S. 8: „Überhaupt waren die normalen Kanzleigeschäfte damals keineswegs derart, daß zu ihrer Erledigung ein eigenes großes Büro erforderlich gewesen wäre; selbst wenn wir doppelt so viel Urkunden, als erhalten sind, annähmen, so würde zu deren Bewältigung für eine wirkliche Kanzlei gar nicht Beschäftigung genug gewesen sein. Ich hege deshalb Bedenken, von einer ‚Kanzlei‘ als einer eigenen Behörde zu reden; man wird vielmehr sich diese Dinge gar nicht primitiv genug vorstellen dürfen. In der Regel wird die Anwesenheit von ein paar in den

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lerfixierte Sicht Sickels auf die Diplome, indem er Urkunden, die partiell oder vollständig von der Empfängerseite angefertigt worden waren, den gleichen Stellenwert zuerkannte wie jenen, die von Hofschreibern stammten47. Die Kooperation von Hof- und Empfängerschreibern bei der inhaltlichen und graphischen Herstellung von Diplomen sowie die alleinige Anfertigung der Dokumente durch die Empfängerseite beurteilte Kehr als ein akzeptiertes und damit übliches zeitgenössisches Verfahren48. Allerdings vermochte er sich nicht vollständig, sondern nur partiell von dem bürokratischen Kanzleimodell Sickels zu lösen. Für Kehr blieb in seiner Vorstellung und der daraus resultierenden Diktion eine hierarchisch eingerichtete (vormoderne) ‚Kanzlei‘ an den früh- und hochmittelalterlichen Herrscherhöfen existent. So begründete er den hohen Anteil der italienischen Empfänger an der Herstellung von Diplomen Karls III. durch fachliche Überforderung der aus Schwaben stammenden ‚Kanzleischreiber‘ sowie mit dem in der älteren diplomatischen Forschung häufig verwendeten Argument der ‚Überlastung‘ des ‚Kanzleipersonals‘, wenn es galt, die festgestellte Mitwirkung von Empfänger- oder Gelegenheitsschreibern an der Diplomanfertigung zu erklären49. Obwohl Hans Werner Klewitz Kanzleigeschäften erfahrenen Geistlichen im Gefolge des Königs zur Erledigung der laufenden Geschäfte ausgereicht haben“. 47 Paul Kehr, Die Kanzlei Karls III. (Abh. der Preussischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse 1936/8), Berlin 1936, S. 36: „sie überließen zumeist den italienischen Petenten die Herstellung der Urkunden, entweder indem sie die von diesen vorgelegten Konzepte annahmen und sie dann bloß ins reine schrieben, oder indem sie die Originalausfertigungen von den Petenten ganz oder zum Teil mundieren ließen und das Eschatokoll oder Teile desselben selbst hinzufügten […], oder sie begnügten sich, die Urkunden, so wie sie ihnen vorgelegt wurden, anzunehmen, zur Vollziehung vorzulegen und zur Besiegelung zu bringen.“ 48 Kehr, Kanzlei Karls III. (wie Anm. 47) S. 36: „die großen Bischöfe des Kaisers in Italien [...] verfügten wohl auch selbst über Konzipienten und Schreiber, um das Urkundengeschäft selber besorgen zu können. Und in dem Maße, wie dies geschah, tritt zur Kaiser­ diplomatik in gewissem Sinne ergänzend eine Diplomatik der oberitalienischen Bischofskanzleien“; S. 49: „Für die diplomatische Kritik sind diese Beobachtungen umso wichtiger, als sie uns nötigen, die von unseren bewährten Vorgängern überkommenden Lehrsätze über Originalität und Echtheit zu revidieren. Von der berühmten These von der ,bekannten Hand‘, die einst zur Anerkennung der Originalität gefordert wurde, kann schon lange keine Rede mehr sein […]. Und ebenso läßt uns das Postulat der ,Kanzleimäßigkeit‘ jetzt immer öfter im Stich.“ 49 Kehr, Kanzlei Karls III. (wie Anm. 47) S. 36: „für Liutwards schwäbische Kanzleiräte Hernust und Inquirinus und deren Schreiber war das gewiß eine neue Welt. Nicht nur in Bezug auf die von dem deutschen Urkundentypus abweichende Fassung der italienischen Diplome mit ihren sehr viel komplizierteren und entwickelteren Rechtsverhältnissen […], sondern auch wegen der unvermeidlichen Zunahme der Kanzleigeschäfte.“.

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schon 1937 in Erinnerung gerufen hatte, dass ‚Kanzlei‘ für das Früh- und Hochmittelalter keinen Quellen-, sondern einen wissenschaftlichen Verabredungsbegriff darstellt, blieb die Sickelsche Tradition im 20. Jahrhundert dominierend bzw. virulent. In der neuesten Forschung erklären Editoren und Forscher ihren Lesern in der Regel, was sie konkret unter ‚Kanzlei‘ verstehen, und verwenden den Begriff damit transparent. Im Unterschied zu den großen ‚Kanzleien‘ an den Herrscherhöfen, von denen Bresslau und Sickel ausgingen, können sie im Ergebnis eindringlicher diplo­matischer Untersuchungen heute auch sehr klein sein50. Wichtiger als die Diskussion um den Inhalt des Kanzleibegriffs ist die konkrete Bestimmung der Aussteller- und der Empfängeranteile bei der inhaltlichen und graphischen Anfertigung der Herrscherurkunden. Da diese Dokumente die jeweils aktuellen Beziehungen eines fürstlichen oder städtischen Empfängers zum König und damit den Herrschaftsverband betreffen, ist es relevant zu erfahren, ob sich die Mitwirkung von Empfängerschreibern nur auf den Kontext mit dem Rechtsinhalt und der Aufführung jener Personen beschränkte, welche an den Verhandlungen im Vorfeld der Beurkundung beteiligt waren, oder ob sie auch die Darstellung des Königs bzw. Kaisers oder der Herrscherin in den Protokollteilen übernahmen. So waren es zwischen Christi Himmelfahrt 996 und Ostern 997 nur ein Empfänger-, ein Gelegenheits- und ein Hofschreiber aus Italien, die Otto III. nach dessen Kaiserkrönung am 21. Mai 996 die RömerTitulatur in den Diplomprotokollen beilegten. Die Umschrift des kaiserlichen Siegels, die man eindeutig als Selbstaussage des Ausstellers betrachten kann, wies den Römer-Titel auf. Aber alle anderen Hof-, Empfänger- und Gelegenheitsschreiber nord- und südalpiner Provenienz vermieden diese konfliktträchtige Titulatur zunächst51. Zwischen den beiden möglichen Extremen einer vollständigen inhaltlichen und graphischen Anfertigung durch Hofschreiber sowie einer alleinigen Herstellung durch Empfängerschreiber – bis auf die Besiegelung, die allerdings auch auf einem Blankett erfolgen konnte – existierten mehrere Varianten wechselseitiger Kooperation bei der Entstehung der Herrscherurkunden. Die möglichst präzise Bestimmung der Aussteller- und der Empfänger­ anteile bei der Entstehung neuer Herrscherurkunden ist eine der Haupt Hans Eberhard Mayer, Einleitung, in: Urkunden der lateinischen Könige von Jerusalem (wie Anm. 19), Teil 1, S. 16: „Die Kanzlei kann man sich gar nicht klein genug vorstellen, zumal anfänglich die Kanzler selbst diktierten. Der übliche Personalbestand seit 1155 waren ein Kanzler und ein Notar, gelegentlich noch vermehrt um einen Kanzleischreiber.“ 51 Huschner, Transalpine Kommunikation (wie Anm. 45), Teil 1, S. 333–341. 50

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aufgaben, die sich die Italia Regia-Forschergruppe gestellt hat52. Konzep­ tionell verbindet sie die nördlich der Alpen dominierende Aussteller- mit der in Italien vorherrschenden Empfängerperspektive bei der Erforschung früh- und hochmittelalterlicher Urkunden möglichst produktiv miteinander. Für eine differenzierte diplomatische und historische Beurteilung der Herrscherurkunden werden beide Perspektiven benötigt. Nördlich der Alpen ist die der Destinatäre und südlich der Alpen jene der Aussteller stärker zu berücksichtigen und zu gewichten als bisher. Aufgrund unterschiedlicher diplomatischer Forschungstraditionen beurteilt man die Herrscherurkunden in Italien besonders von der Empfängerseite her. Die dort üblichen Fondseditionen bilden das erwünschte Gegenstück zu den ausstellerdominierten MGH-Ausgaben nördlich der Alpen. Sie zeigen die Herrscherurkunden im Kontext der Empfängerüberlieferung53. Die empfängerbezogenen Regesten (Regesta Chartarum) können als Leitfaden für Recherchen in den Archiven der Destinatäre dienen. Dies ermöglicht neue Erkenntnisse bezüglich der inhaltlichen und der graphischen Genese neuer Herrscherurkunden. So war nach einer systematischen Durchforstung der Archive jener Empfänger in der Toskana bzw. in Tuszien, die im 11. Jahrhundert Diplome Konrads II. erhielten, zu konstatieren, dass auch bischöf Die Gruppe entstand im Jahre 2000 auf Initiative von François Bougard in Rom, der seinerzeit an der École Française de Rome zuständig für die mittelalterliche Geschichte war. Zu den Gründungsmitgliedern zählten Antonella Ghignoli, damals Pisa/Florenz, heute Universität Rom I „La Sapienza“, und Wolfgang Huschner, 2000/2001 Gastdozent am Deutschen Historischen Institut in Rom. Zur Forschergruppe gehören ein fester und ein wechselnder Kreis aus deutschen, französischen und italienischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das ursprünglich favorisierte Vorhaben, Urkundenabbildungen und -texte digital parallel zu präsentieren, ließ sich aus rechtlichen Gründen vorerst nicht in der erforderlichen Weise realisieren. Deshalb werden die Forschungsergebnisse in Verbindung mit den relevanten Abbildungen in der Publikationsreihe „Italia Regia. Fonti e ricerche per la storia medievale“ veröffentlicht. 53 Vgl. u. a. Carte della Badia di Settimo e della Badia di Buonsollazzo nell’Archivio di Stato di Firenze (998–1200), ed. Antonella Ghignoli/Anna Rosa Ferrucci (Memoria scriptuarum. Testi 2), Florenz 2004; Carte dell’Archivio Arcivescovile di Pisa. Fondo arcivescovile 1 (720–1100), ed. Antonella Ghignoli (Biblioteca del Bollettino storico Pisano 11, I), Pisa 2006; Carte dell’Archivio Arcivescovile di Pisa. Fondo arcivescovile 2 (1101–1150), 3 (1151–1200), ed. Silio P.P. Scalfati (Biblioteca del Bollettino storico Pisano 11, II, III), Pisa 2006; Carte del monasterio di S. Abbondio di Como. Dalla Fondazione all’anno 1200, ed. Liliana Martinelli Perelli (Documenti di storia lomabarda, secoli X–XV), Mailand 2009; Le carte dell’Archivio di Santa Maria di Pomposa, ed. Corinna Mezzetti (Fonti per la storia dell’Italia medievale. Regesta Chartarum 62), Rom 2016. Corinna Mezzetti edierte das D O. III. 416 vom 22. November 1001 für die erzbischöfliche Kirche von Ravenna auf der Basis des Originals (Nr. 52); für die MGH-Ausgabe der Diplome Ottos III. hatte eine Abschrift von 1495 als Editionsgrundlage gedient. 52

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liche und gräfliche Urkunden, Placita, Urkunden geistlicher und weltlicher Stifter sowie Fälschungen als Vorurkunden für die inhaltliche und oft auch graphische Gestaltung neuer Diplome dienten. Die graphische Herstellung neuer Dokumente für bischöfliche Kirchen oder Domkapitel erfolgte häufig partiell oder vollständig durch Schreiber der Empfängerseite oder Gelegenheitsschreiber. Sie präsentierten den Herrscher auch im Eingangs- und im Schlussprotokoll mit Epitheta und Titulaturen, beteiligten sich an der Einführung der Bezeichnung Romanum imperium, wählten passende Arengen, stellten die an der Beurkundung beteiligten Großen in den Narrationes angemessen vor. Hofschreiber mundierten vorab oder nachträglich ganz oder teilweise die Eschatokolle. Das kooperative Verfahren bei der graphischen Herstellung der Diplome Konrads II. entsprach den vorausgegangenen mündlichen Vereinbarungen, an denen auch Vermittler mitwirken konnten. Die Empfänger- und Gelegenheitsschreiber frühsalischer Diplome für Destinatäre in der Toskana verfügten graphisch und sprachlich in der Regel über die gleichen Fähigkeiten und Kenntnisse, um Herrscherurkunden anzufertigen, wie die Hofschreiber. Ebenso wie in der zweiten Hälfte des 9.  Jahrhunderts (Paul Kehr), war auch in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts die partielle oder vollständige graphische Anfertigung von Herrscherurkunden durch Empfänger- oder Gelegenheitsschreiber für die Zeitgenossen ein übliches und damit akzeptiertes Verfahren. Die genaue Prüfung der beteiligten Hände und die Analyse der Schreiberitinerare führten u. a. dazu, dass einige Urkundenverfasser und -schreiber, die Harry Bresslau durch eine Sigle ausgezeichnet und damit in den Status der ‚Kanzleinotare‘ erhoben hatte, in die Gruppe der Empfänger- oder Gelegenheitsnotare zu transferieren und damit die Siglen zu streichen waren54. Die Archivstudien durch Projektmitglieder führten auch zur Entdeckung unbekannter, vergessener oder verschollener Originale, zu ­Ergänzungen oder Korrekturen bei der bisherigen Beurteilung originaler Diplome55 sowie zur Interpretation abschriftlich überlieferter Kaiserur Wolfgang Huschner, Empfänger – Vermittler – Schreiber. Die inhaltliche und graphische Entstehung der Diplome Konrads II. (1024–1039) für Destinatäre in der Toskana, in: Europäische Herrscher und die Toskana im Spiegel der urkundlichen Überlieferung. I sovrani europei e la Toscana nel riflesso della traduzione documentaria (800–1100), hg. von Antonella Ghignoli/Wolfgang Huschner/Marie Ulrike Jaros (Italia Regia. Fonti e ricerche per la storia medievale 1), Leipzig 2016, S. 119–134, bes. S. 132–134. 55 Antonella Ghignoli, Italia Regia – Etruria – Lucca. Un nuovo diploma per l´abbazia di S.  Salvatore a Sesto. D O. I. 270, in: Ghignoli/Huschner/Jaros  (Hgg.), Europäische Herrscher (wie Anm. 54) S. 59–76. 54

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kunden aus lokaler und regionaler Perspektive56. Neue Editionen wurden regelmäßig mit gut lesbaren Abbildungen der betreffenden Dokumente kombiniert57. Vom italienischen Material aus ergeben sich dann auch Fragen bezüglich der Entstehung neuer Diplome für nordalpine Empfänger und in weiteren europäischen Regionen. Ein anderes Aufgabenfeld der Italia Regia-Projektgruppe betrifft die Diskussion über den Bildungsgrad, die kirchliche Position und soziale Herkunft der Diplomschreiber, die seit karolingischer Zeit Geistliche waren. Empfänger-, Gelegenheits- oder Hofschreiber, welche die kaiser­ lichen oder königlichen Aussteller durch entsprechende Titulaturen in den Protokollen verbal und graphisch (Monogramme) darstellten, die an den Verhandlungen beteiligten hochrangigen Vermittler und Empfänger an­ gemessen verbal und manchmal auch graphisch präsentierten sowie die mündlich und häufig volkssprachlich getroffenen Vereinbarungen in eine lateinische Version überführten, können kaum Personen „niederer“ sozialer Herkunft gewesen sein, wie die diplomatische Forschung lange ­annahm. Bezüglich der ottonisch-frühsalischen Zeit wurde aufgrund ­diplomatischer und historischer Argumente die These formuliert, wonach häufig amtierende und künftige Bischöfe bzw. Domherren als Diplomschreiber fungierten, die – ebenso wie die Empfänger und Vermittler – aus adligen Familien stammten. Sie wirkten damit an der Kommunika-tion zwischen den Großen und den Herrschern an einer sehr wichtigen Stelle mit: an jener der Verschriftlichung der mündlich getroffenen Vereinbarungen. Über vorgeschlagene Identifizierungen bestimmter Personen mit Di­ plomschreibern kann man sicher diskutieren. Nicht zu bestreiten ist aber, dass viele amtierende und künftige Bischöfe, darunter Kanzler und Erzkanzler, die diplomatische Minuskel fließend beherrschten, wie original tradierte Subskriptionen beweisen58. Anders als die älteren Diplomatiker

56 Andrea Antonio Verardi, I nobili di Ripafratta e tre diplomi di Ottone III. Diplomi imperiali e strategie di legittimazione nobiliare nel tardo medioevo, in: Ghignoli/Huschner/Jaros (Hgg.), Europäische Herrscher (wie Anm. 54) S. 87–112; S. 111 f.: neue Edition des D O. III. 382, S. 93 f.: Abb. des D O. III. 382. 57 Antonella Ghignoli, Sebastian Roebert und Karina Viehmann edierten die originalen D  Kar.  52, D  Wido  1, D  O.  II.  277 und D  Ko.  II.  78, in: Ghignoli/Huschner/ Jaros (Hgg.), Europäische Herrscher (wie Anm. 54) S. 223–249 mit beigefügten Tafeln. 58 Vgl. z. B. Huschner, Transalpine Kommunikation (wie Anm. 45), Teil III, Abb. 4a, 20a, 20b; 21; 22; 23, 24d, 27, 90, 100; Secoli XI e XII. L’invenzione della memoria. Atti del Seminario internazionale, Montepulciano, 27–29 Aprile 2006, hg. von Simone Allegria/ Francesca Cenni (Medieval Writing 1), Montepulciano 2006, S.  190, Abb.  13; S.  191,

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meinten59, waren Kanzler und Erzkanzler sowie andere ranghohe Geist­ liche durchaus in der Lage und gewillt, solche exklusiven Dokumente, welche die Beziehungen zwischen den Herrschern und Angehörigen der sozialen Führungsgruppen betrafen, persönlich zu verfassen und zu ­schreiben, darunter auch für sich selbst bzw. ihre Kirche60. Auf dieser sozialen und intellektuellen Ebene ist weiter zu suchen, wenn es darum geht, die bisher meist namenlosen Schreiber ottonischer und salischer Diplome zu identifizieren. Mit Hilfe von Analysen der geographischen Relationen zwischen den Ausstellungsorten und den Empfängersitzen der Diplome, an deren Anfertigung die einzelnen Geistlichen beteiligt waren, lassen sich für die ottonisch-frühsalische Zeit überregionale und regionale Hofschreiber sowie regionale und lokale Empfängerschreiber unterscheiden. Dazu kommen ‚Gelegenheitsschreiber’, die nur sporadisch und in großen zeitlichen Abständen in der Überlieferung auftauchen und sich den genannten vier Gruppen deshalb nicht zuordnen lassen61. Diese Methode funktioniert aber nur, wenn die Hände, die an jeder einzelnen Urkunde beteiligt waren, differenziert bestimmt worden sind. Das ist bei Diplomen für Destinatäre in Italien mehrfach oder sogar häufig nicht der Fall.

Bedeutung der Herrscherurkunden zur Ausstellungszeit Über das gegenwartsbezogene Bedeutungsspektrum von Herrscherurkunden – also zu Lebzeiten von Aussteller, Empfänger und Vermittler – ist in Abb. 14, S. 202, Abb. 26; S. 210, Abb. 37; S. 213, Abb. 45; S. 215, Abb. 47; S. 217, Abb. 49; S. 221–225, Abb. 53–57. 59 Theodor Sickel, Beiträge zur Diplomatik. Acht Teile in einem Band, Hildesheim/New York 1975, Teil VIII, S. 716: „dass gerade dem Chef der Kanzlei nicht allein die Fertigkeit zu schreiben abgegangen, sondern auch die Vertrautheit mit den herkömmlichen Formeln“; S. 721: „Um dem Amte in der Weise vorzustehen, wie es Salomon und Poppo gethan hatten, bedurfte es keiner besonderen Vorkenntnisse und Fertigkeiten“; Paul Kehr, Die Urkunden Otto III., Innsbruck 1890, S. 21: „wurden im 9. und in späteren Jahrhunderten Männer an die Spitze der Kanzlei gestellt, welche ihr vorher nicht angehört hatten und schwerlich die Formalien des Kanzleidienstes beherrschten“. 60 Huschner, Transalpine Kommunikation (wie Anm. 45), Teil I, S. 101–112; Ders., Die Originaldiplome Heinrichs III. für San Pietro in Ciel d’oro di Pavia, St. Peter in Naumburg und ihre Nachwirkungen, in: Sit liber gratus, quem servulus est operatus. Studi in onore di Alessandro Pratesi per il suo 90º compleanno, hg. von Paolo Cherubini/Giovanna Nicolaj (Littera antiqua 19), 2 Bde., Città del Vaticano 2012, Bd. 1, S. 259–271, hier S. 265–268; Antonella Ghignoli, Uberto, vescovo di Parma, e la sua scrittura, in: AfD 61 (2015) S. 55–89. 61 Huschner, Transalpine Kommunikation (wie Anm. 45), Teil I, S. 48–62.

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der älteren und jüngeren Forschung am meisten geforscht und diskutiert worden. Der im Eingangsprotokoll mit Namen und Titulatur genannte Herrscher wandte sich im Text an seine Getreuen und informierte in lateinischer Sprache über die an der Beratung beteiligen Personen sowie über deren Ergebnis. Die unterschiedlichen Interpretationen der Herrscherurkunden in der jüngeren diplomatischen und historischen Forschung, vor allem bezüglich der Relationen zwischen ihrem Rechtsinhalt und ihrer ­Bedeutung für die Kommunikation des Herrschers mit den regionalen Großen werden nach wie vor diskutiert. Andrea Stieldorf zog 2009 eine Zwischenbilanz. Danach bilde der dokumentierte Rechtsinhalt den inhaltlichen Kern der Dokumente, die auch kommunikativen Zwecken dienen sollten, aber nachgeordnet blieben62. Ausgehend von den drei Stadien der Existenz von Herrscherurkunden (Entstehung, gegenwartsbezogene Relevanz, ­Bedeutung für spätere Generationen)63 waren kommunikative ­Aspekte vor allem im Rahmen des gegenwartsbezogenen Bedeutungsspektrums der D ­ iplome zu erwarten. Deshalb wurde diese Problematik – zusammen mit vielen anderen Kriterien – im Rahmen einer vergleichend angelegten ­Tagung über Herrscherurkunden für Empfänger in Lotharingien, Oberitalien und Sachsen ebenfalls diskutiert. Um dem aktuellen Bedeutungsspektrum der Diplome nachzuspüren, darunter auch der politischen Kommunikation, wurde deren Entstehung in unterschiedlichen politischen Konstellationen der Herrschaftsverbände bzw. in verschiedenen Situa­ tionen auf der Aussteller- und der Empfängerseite analysiert. Außer der „normalen“ Funktionsweise eines Herrschaftsverbands zählen dazu Beurkundungsverhandlungen und Diplomausstellungen unmittelbar nach Herrscherwechseln, nach Kaiserkrönungen, nach Führungswechseln auf der Empfängerseite sowie in Perioden gefährdeter oder konkurrierender Königs- und Fürstenherrschaft, bei denen kommunikative Aspekte mehr oder weniger eine Rolle spielen könnten. Hauptsächlich ging es aber um die Anlässe, das konkrete Procedere und die Stufen bei der Entstehung neuer Urkunden (u. a. um die Initiatoren, die beteiligten Personen und die verwendeten Vorurkunden) für Empfänger in den drei ausgewählten Regionen sowie um den Vergleich zwischen ihnen. Dabei achteten die Beiträger auch auf Wechselwirkungen mit päpstlichen, bischöflichen, herzoglichen, markgräflichen und gräflichen Urkunden. Entsprechend der methodischen Andrea Stieldorf, Die Magie der Urkunden, in: AfD 55 (2009) S. 1–32. Michael Thomas Clanchy, From Memory to Written Record. England 1066–1307, Malden/Oxford 32012.

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Ausrichtung der Reihe, galt den Perspektiven der Empfänger und der Vermittler dabei die besondere Aufmerksamkeit64. Irmgard Fees und Philipp Depreux haben einen anderen Aspekt des gegenwartsbezogenen Bedeutungsspektrums der Herrscherurkunden und deren Nachwirkung in den Vordergrund gerückt, der bisher vernachlässigt worden war: die Tauschurkunden. Sie wählten dieses Thema zum Gegenstand einer vielbeachteten Tagung und Publikation. Untersucht wurden Tauschvereinbarungen in Gebieten des karolingischen Imperiums und seiner Nachfolgereiche. Im Mittelpunkt standen Gründe und Rahmenbedingungen des Tausches und seine sozialen Implikationen sowie die Abgrenzung solcher Akte zu anderen Transaktionen, wie beispielsweise Kauf oder Prekarie. Zudem ging es um die damit einhergehenden Rechtshandlungen und die urkundliche Dokumentation des Tauschaktes (u. a. Formular und Terminologie). Schließlich wird auch der Niederschlag des Rechtsaktes in den Urkunden untersucht, etwa Wortwahl und Terminologie sowie das Formular der Tauschurkunde und seine Besonderheiten65. Bezüglich der Herrscher als Tauschpartner, vor allem aber als Autoritätsspender für die Beurkundung von Tauschgeschäften zwischen geistlichen und weltlichen Großen, sind weitere Untersuchungen sowie Vergleiche im europäischen Rahmen noch zu leisten.

Relevanz der Herrscherurkunden für spätere Generationen Eine wichtige diplomatische und historische Frage lautet, welche Relevanz karolingische, ottonische und salische Herrscherurkunden für spätere Generationen besaßen. Um sie zu beantworten, müssen die Archive der Empfänger auch unter diesem Aspekt untersucht werden. In der älteren Forschung begnügte man sich in der Regel mit der Edition und Interpretation der Originale; Abschriften waren nur dann wichtig, wenn die Herrscherurkunden für Empfänger in Lotharingien, Oberitalien und Sachsen (9.–12. Jahrhundert). I diplomi dei sovrani per i destinatari in Lotharingia, Italia settentrionale e Sassonia (secoli IX–XII), hg. von Wolfgang Huschner/Theo Kölzer/Marie Ulrike Jaros (Italia Regia. Fonti e ricerche per la storia medievale 2), Leipzig 2020. Stefano Manganaro, Stabilitas regni. Percezione del tempo e durata dell’azione politica nell’età degli Ottoni (936–1024), Bologna 2018, untersuchte systematisch die Stabilitas regni-Formel in den ottonischen Herrscherurkunden und interpretierte sie auch in Verbindung mit den historisch-politischen Konstellationen zur jeweiligen Ausstellungszeit. 65 Tauschgeschäft und Tauschurkunde vom 8. bis zum 12. Jahrhundert. L’acte d’échange du VIIIe au XIIe siècle, hg. von Irmgard Fees/Philipp Depreux (AfD Beiheft 13), Köln/ Weimar/Wien 2013. 64

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Originale verloren waren. Die Relationen zwischen überlieferten Originalen und Kopialbüchern waren in verschiedenen europäischen Ländern schon ein Thema von Untersuchungen und Tagungen. Trotzdem erfordert die Bearbeitung des Themas „Nachwirkungen von Herrscherurkunden“ unter vielen verschiedenen Gesichtspunkten noch einen großen Forschungsaufwand. Bis in das 18. Jahrhundert schrieb man früh- und hochmittelalterliche Herrscherurkunden aus unterschiedlichen Gründen und in verschiedenen Formen immer wieder ab. Eine deutsch-italienische Fachtagung, die 2015 stattfand und deren Erträge 2017 publiziert wurden, beschäftigte sich mit dem Thema „Nachwirkungen“. Eine der zentralen Fragen lautete, welche Originale spätere Generationen für welche Zwecke und in welchen Formen kopieren ließen. Zudem war von Interesse, welche Veränderungen der inneren und äußeren Merkmale zwischen Originalen und Abschriften zu konstatieren sind. Die Tagung beschränkte sich auf zwei Hauptgruppen der kopialen Überlieferung: auf die verschiedenen Formen beglaubigter Abschriften (u. a. Gerichtsurkunde, Notariatsinstrument, Transsumpt, Vidimus) sowie auf die Anfertigung und Anlage von Kopialbüchern66. Für beide Gruppen war zu prüfen, inwieweit und weshalb auch gefälschte Urkunden für Abschriften herangezogen wurden. Bezüglich der Falsifikate war u. a. danach zu fragen, ob es sich um die Fälschung einzelner Diplome oder ganzer Serien auf die Namen verschiedener Herrscher handelt, die dann ihrerseits lange nachwirkten67. Im Hinblick auf Italien sind die Verbindungen und Wechselwirkungen zwischen Gerichts- und Herrscherurkunden besonders relevant68. Ein Hauptergebnis der Tagung bestand darin, dass man die meisten äußeren Merkmale der Originale bei den spätmittelalterlichen Abschriften wegließ; in der Regel übernahmen die Kopisten lediglich das Monogramm aus ihrer Vorlage. D’Acunto/Huschner/Roebert (Hgg.), Originale (wie Anm. 43). Theo Kölzer, Cui bono? Beobachtungen zur Wirksamkeit von Urkundenfälschungen, in: D’Acunto/Huschner/Roebert (Hgg.), Originale (wie Anm. 43) S. 15–30; Gianmarco Cossandi, La traduzione copiale e i falsi per Santa Giulia di Bresca, in: ebd., S. 153–173; Thomas Vogtherr, Die Fälschungen der Osnabrücker Herrscherurkunden. Anlass, Wirkung und weitere Verwendung im Mittelalter, in: ebd., S. 217–228; Mathias Kälble, Original und Fälschung. Transsumpte ottonischer Herrscherurkunden für das Bistum Meißen, in: ebd., S. 263–292; Francesco Roberg, Original, Abschrift und Fälschung in Hersfeld. Versuch einer Synthese anhand der Herrscherurkunden, in: ebd., S. 293–299. 68 François Bougard, Diplômes et notices de plaid: dialogue et convergence, in: Ghi­ gnoli/Huschner/Jaros (Hgg.), Europäische Herrscher (wie Anm. 54) S. 15–22; Ders., Les actes souverains dans les notices de plaids italiennes. Originaux, copies, faux, in: D’Acunto/Huschner/Roebert (Hgg.), Originale (wie Anm. 43) S. 33–38. 66 67

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Für sie war offensichtlich nur der Rechtsinhalt der Dokumente relevant. Natürlich waren nicht alle Herrscherurkunden für spätere Generationen interessant oder wichtig. Ein markantes Beispiel für eine kurze gegenwartsbezogene Relevanz, die keine Nachwirkung entfaltete, ist das einzige überlieferte Diplom König Rudolfs von Rheinfelden. Die Urkunde Rudolfs datierte man auf den Ostermontag (25.  März) 1079 und hob den Ausstellungsort Quedlinburg hervor, um an die ottonische Tradition anzuschließen. Das Diplom dokumentiert die Schenkung eines Dorfes an die bischöfliche Kirche in Meißen. Sie erfolgte auf Bitte und Fürsprache Markgraf Ekberts II. von Meißen und sollte zur Sicherung seines Seelenheils sowie seines Vaters dienen. Meißener Domgeistliche des 12. Jahrhunderts mochten das Diplom des kurzzeitigen Königs Rudolf offenbar nicht dafür verwenden, um den rechtmäßigen Besitz des geschenkten Dorfes zu legitimieren. Deshalb fertigte man in Meißen eine gefälschte Schenkungsurkunde an, die König Heinrich IV. als Aussteller nennt, und datierte sie auf 1074 mit dem Ausstellungsort Regensburg69.

Perspektiven Grundlagenforschungen Aus der Perspektive Deutschlands ist die Fortsetzung der Editionen im Rahmen der Monumenta Germaniae Historica ein zentrales Anliegen. Dabei sollten künftig Text- und Bild-Editionen angestrebt werden. Das könnten analoge Textausgaben und Tafelwerke, analoge Textausgaben und digitale Urkundenbilder sowie künftig, nach der Etablierung von NFDI, digitale Bild- und Text-Editionen sein. In Italien sollten die Fonds-Editionen weitergehen und durch analoge oder digitale Bereitstellung von Abbildungen flankiert werden. In mehreren Staatsarchiven, darunter in Florenz mit umfangreichen Beständen, stehen digitalisierte Dokumente aus den Urkundenfonds für die Online-Nutzung zur Verfügung. Mehrere international und thematisch ausgerichtete Unternehmen stellen der Forschung auch digitalisierte Urkunden aus Italien zur Verfügung. Aufgrund der enormen Quantität der überlieferten Dokumente und der Vielzahl der Aufbewahrungsorte auf der Wolfgang Huschner, Hoch- und spätmittelalterliche Fälschungen und Kopien ottonischer und salischer Diplome für Empfänger in Merseburg, Meißen und Naumburg, in: D’Acunto/Huschner/Roebert (Hgg.), Originale (wie Anm. 43) S. 117–140, hier S. 134– 139.

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Apenninenhalbinsel dürfte die projektbezogene Abbildungsauswahl und -präsentation noch einige Zeit der bevorzugte Weg bleiben. Die konkrete inhaltliche paläographische Bestimmung der Ausstellerund der Empfängeranteile sowie potentiell auch jene der Vermittler bei der inhaltlichen und graphischen Entstehung neuer Herrscherurkunden muss weiter betrieben werden, um die spezifischen Dokumente, die in der Regel die Beziehungen zwischen Angehörigen der sozialen Führungsgruppen und den Herrschern betreffen, historisch adäquat interpretieren zu können. Dafür bildet die exakte und differenzierte Bestimmung der Schreiberhände in den überlieferten Originalurkunden die wichtigste Vor­ aussetzung. Theo Kölzer und seine Forschergruppe stellten bei 92 untersuchten Originalen Ludwigs des Frommen 62 verschiedene Hände fest. In 52 von ihnen kommt eine Hand vor, die auch noch in anderen Urkunden nachzuweisen ist. 40 Originale stammen von Personen, die nur dieses eine Mal eine Herrscherurkunde schrieben. Nach diesem Befund waren in der Regierungszeit Ludwigs des Frommen viele Personen in der Lage, Urkunden zu verfassen und zu schreiben, die dann am Herrscherhof akzeptiert wurden. Darunter befanden sich auch Empfängerschreiber, deren Kreis sich vielleicht noch etwas konkretisieren lässt70. Das entspricht etwa den Untersuchungsresultaten, die Paul Kehr für jene Urkunden Karls III. erzielte, die für italienische und westfränkische Empfänger bestimmt waren. Am Hof Ludwigs des Frommen sorgten die Rekognoszenten mit der eigenhändig eingetragenen Rekognitionszeile sowie durch die Besiegelung, die entweder durch sie oder die Kanzler erfolgte, für die ordnungsgemäße Ausfertigung der Herrscherurkunden. Die Vereinheitlichung des Erscheinungsbildes der kaiserlichen Dokumente erreichte einen hohen Grad, an dem sich auch Empfängerschreiber orientierten71. Die Mitwirkung des Kaisers an der Urkundenausfertigung beschränkte sich auf den Vollzie Theo Kölzer, Einleitung, in: Die Urkunden Ludwigs des Frommen (wie Anm. 2), Teil 1, S. XXXV f.; Ders., Zum vorliegenden Band, in: Fees/Kölzer/Roberg (Hgg.), Kaiser Ludwig der Fromme (wie Anm. 41) S. III: „In der Erweiterung des Personals fassen wir demnach konkrete Ergebnisse der ,karolingischen Renaissance‘. Das spiegelt sich auch in den Empfängerausfertigungen, die für die Klöster St-Denis und St-Martin in Tours typisch, überdies aber in rund zwei Dutzend weiterer Fälle, auch für rechtsrheinische Empfänger, zu vermuten sind.“ 71 Kölzer, Einleitung, in: Urkunden Ludwigs des Frommen (wie Anm.  2), Teil  1, S. XXXVI: „Im Erscheinungsbild erreichen die Urkunden Ludwigs eine bis dahin nicht bekannte Einheitlichkeit. Und all das gilt auch für die Empfängerausfertigungen aus St-Denis (...) oder – wegen des Diktats – aus St-Martin in Tours, aber etwa auch für das von keinem geringeren als Einhard diktierte D 132 (…)“. 70

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hungsstrich im Monogramm72. Das für Ludwig den Frommen praktizierte Untersuchungsverfahren, bei dem die Ergebnisse intersubjektiv nachvollziehbar zur Verfügung gestellt werden, dürfte künftig als Vorbild für solche Grundlagenforschungen dienen. Durch das Opus magnum von Mark Mersiowsky liegt für die Karolingerzeit ein Werk vor, das den diplomatischen und historischen Forschungsstand auf vielen verschiedenen Feldern problemorientiert darstellt und deutlich vorantreibt. Das betrifft u. a. die Erscheinungsbilder bzw. die äußeren Merkmale karolingischer Originalurkunden und deren Variationen und Wandlungen, die Initiative und Petition bei den Beurkundungen, die Relevanz der Vorurkunden, Veränderungen bei den Verfahren der inhaltlichen und graphischen Entstehung der Urkunden, die Beteiligung der Herrscher an den Beurkundungen (eigenhändige Vollziehung), Kopien und Nachzeichnungen73. Die beiden Bände bilden derzeit den Ausgangspunkt bzw. das Referenzwerk für weitere Diskussionen bezüglich der Karolingerzeit sowie für Vergleiche mit den Verhältnissen späterer Epochen. Die Leser, die sich für die Resultate Mersiowskys bei der kombinierten inhaltlichen und graphischen Analyse karolingischer Originalurkunden interessieren, warten aber noch auf einen Abbildungsband. Dessen Auswahlprinzip könnte sich vielleicht an jenem orientieren, welches Walter Koch für das Tafelwerk mit den Abbildungen staufischer Originalurkunden verwendet hat74. Für die ottonisch-frühsalische Zeit müssen die Urkunden für Empfänger in Italien (951 bis 1056) nochmals mit modernen Mitteln und nach heutigen Maßstäben untersucht werden, um die diplomatische Ausgangsbasis für ihre Interpretationen zu verbessern. Das soll im Rahmen der ­Italia Regia-Forschungen im Kontext der Sichtung der Empfängerüber­ lieferung geschehen. Die Beschaffung von Abbildungen aller Urkunden, die für die MGH-Editionen relevant sind, gehört dazu. Hinsichtlich der Bedeutung der Diplome für spätere Generationen sollten die Relationen zwischen Originalen und Abschriften sowie die Auswahlprinzipien von Kopialbüchern an ausgewählten Beispielen weiter untersucht werden. Den Fragen, wie sich Originale und imitierende Kopien konkret voneinander unterscheiden und zu welchen Zwecken sie angefertigt wurden, ist

Kölzer, Zum vorliegenden Band, in: Fees/Kölzer/Roberg (Hgg.), Kaiser Ludwig der Fromme (wie Anm. 41) S. IV. 73 Mark Mersiowsky, Die Urkunde in der Karolingerzeit. Originale, Urkundenpraxis und politische Kommunikation, 2 Teile (MGH Schriften 60/1–2), Wiesbaden 2015. 74 Koch, Urkunden der Staufer (wie Anm. 40). 72

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ebenfalls weiter nachzugehen75. Die wechselseitigen Einflüsse zwischen Inschriften und Urkunden sollten weiterverfolgt werden76. Urkunden der Königinnen und Kaiserinnen Hinsichtlich der westlichen Kaiserinnen sind in den letzten zwei Jahrzehnten viele Dokumente erneut untersucht und interpretiert worden. Zu den karolingischen Herrscherinnen hat sich jüngst Mark Mersiowsky geäußert77. Deshalb soll zuerst auf die beiden tradierten Urkunden der Kaiserin Theophanu († 991) eingegangen werden, die wegen der darin enthaltenen Titulaturen immer wieder zu Diskussionen über Position und Intention der Herrscherin in der historischen Forschung führen78. Giulia Barone (Rom) schlug vor einigen Jahren dafür eine neue diplomatische Interpretation vor. Theophanu verbrachte – ohne ihren Sohn Otto III. – Weihnachten 989 in Rom und Ostern 990 in Ravenna. In beiden traditionellen Kaiserstädten ließ sie in ihrem Namen Urkunden ausstellen, die leider nur abschriftlich überliefert sind. Im ersten Diplom aus Rom bestätigte die Kaiserin dem Kloster San Vincenzo al Volturno auf der Basis kaiserlicher Vorurkunden Ottos I. und Ottos II. den Besitz einer Kirche (S. Maria). Im Eingangsprotokoll präsentierte man die Ausstellerin als Theophanu divina gratia imperatrix augusta. In der Datierung verwies man dann auf die Regierungsjahre Ottos III. als König. In den Publikationen über diese Herrscherin römisch-byzantinischer Provenienz spielt aber besonders die zweite Kaiser­urkunde aus Ravenna immer wieder eine große Rolle79. Darin soll Theophanu im Eingangsprotokoll nicht mit einer weiblichen, sondern Wolfgang Huschner, Originale, imitierende Kopien, Fälschungen. Die Nutzung und Sicherung mittelalterlicher Herrscherurkunden durch geistliche Empfänger Italiens (10.– 12. Jahrhundert), in: Die Urkunde. Text – Bild – Objekt, hg. von Andrea Stieldorf (Das Mittelalter. Beiheft 12), Berlin/Boston 2019, S. 363–381. 76 Franz-Albrecht Bornschlegel, Urkundeninschriften und Urkunden imitierende Inschriften, in: Stieldorf (Hg.), Urkunde (wie Anm. 75) S. 331–361. 77 Mersiowsky, Urkunde (wie Anm. 73), Teil 1, S. 231–234. 78 Amalie Fössel, Die Königin im mittelalterlichen Reich. Herrschaftsübung, Herrschaftsrechte, Handlungsspielräume (Mittelalter-Forschungen 4), Stuttgart 2000, S. 54–56. 79 Franz-Reiner Erkens, Die Frau als Herrscherin in ottonisch-frühsalischer Zeit, in: von Euw/Schreiner (Hgg.), Kaiserin Theophanu (wie Anm. 30) Bd. 2, S. 245–259, hier S. 256; Karl Leyser, Theophanu divina gratia imperatrix augusta. Western and Eastern Emperorship in the Later Tenth Century, in: The empress Theophano. Byzantium and the West at the Turn of the First Millenium, hg. von Adelbert Davids, Cambridge 1995, S. 1–27, hier S. 26; Fössel, Königin (wie Anm. 78) S. 54–56; Heike Hawicks, Theophanu, in: Die Kaiserinnen des Mittelalters, hg. von Amalie Fössel, Regensburg 2011, S. 60–77, hier S. 70. 75

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vollständig mit einer maskulinen Form ihres Namens und einer entsprechenden Kaisertitulatur präsentiert worden sein: Theophanius gratia divina imperator augustus80. Diese Interpretation hält nach der Auffassung Giulia Barones einer quellenkritischen Prüfung aber nicht stand. Jener Geistliche namens Gregor von Catino, der die originale Urkunde Theophanus um 1100 in Farfa abschrieb, habe sich nicht vorstellen können, dass eine Kaiserin als Ausstellerin eines Diploms fungierte. In der Datierung habe Gregor Theophanii statt Theophanu gelesen. Für ihn sei deshalb ein Kaiser namens Theophanius der Urkundenaussteller gewesen, den er in seinem Kopialbuch auch bildlich mit Bart darstellte. Der hundert Jahre später agierende Kopist habe aus der Kaiserin einen imperator und aus Theophanu Theophanius gemacht81. Ein solcher Irrtum konnte dem Kopisten durchaus passieren82. Hinsichtlich der westlichen Kaiserinnen kommt man diplomatisch wahrscheinlich nur noch wenig weiter, weshalb die Verlagerung der Forschungen auf Königinnen verschiedener europäischer Länder ein gang­ barer Weg sein dürfte. Außerdem müssen die römisch-byzantinischen Kaiserinnen noch deutlich stärker in die Diskussion einbezogen werden; Imperatorinnen existierten nicht nur im lateinischen Westen, sondern jahrhundertelang auch im griechischen Osten. Wenngleich jüngere Forschungen die Regierungsbeteiligung von Herrscherinnen in verschiedenen europäischen Reichen betonen, so stehen systematische und vergleichende Untersuchungen zur reginalen83 Diplomatik in Europa noch aus. Das DD Theoph. 1, 2, in: Die Urkunden Otto des III., ed. Theodor Sickel (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 2/2), Hannover 1893, S. 876 f. 81 Giulia Barone, Theophanius imperator augustus? Postille sul documento dell’imperatrice Theophanu per Farfa (1° aprile 990), in: Ricerca come incontro. Archeologi, paleografi e storici per Paolo Delogu, hg. von Ders./Anna Esposito/Carla Frova (Sapienza – Università di Roma. Studi del Dipartimento di Storia, Culture, Religioni 10), Rom 2013, S. 125– 141, bes. S. 136–138. 82 In beiden Diplomen Theophanus ließ man im Schlussprotokoll wegen der Urkundenart die Signumzeile mit dem Namen und dem Titel der Ausstellerin und dem Monogramm weg. Im Eingangsprotokoll des D Theoph. 2 stand wie im D Theoph. 1 wohl imperatrix augusta, und zwar abgekürzt. Den Abschluss des Namens der Theophanu, die Buchstaben n und u in verlängerter Schrift, hat Gregor von Catino offenbar als Nexus litterarum betrachtet. Er gibt die Endung des Namens im Registrum Farfense als Verschränkung von u und s wieder. Die Maskulinisierung ihres Namens und wohl auch der kaiserlichen Titulatur in der Urkunde Nr. 2 dürfte demnach auf den Kopisten Gregor von Catino zurückzuführen sein. 83 Der Neologismus „reginal“ als äquivalent für „königlich“ (analog zum englischen „queenly“) wurde von Nikolas Jaspert im Anschluss an katalanische bzw. spanische Forschungen vorgeschlagen. Nikolas Jaspert, Indirekte und direkte Macht iberischer Königin 80

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wäre aber erforderlich, um über eine Zu- oder Abnahme des Einflusses der Herrscherin entscheiden zu können. Solche diplomatisch und historisch angelegten Untersuchungen könnten einen quellenfundierten Blick auf das zeitgenössische Wirken der Herrscherinnen werfen, das häufig durch einen (negativen) Nachruhm überdeckt wird84. Eine Beteiligung von Herrscherinnen an der Urkundenausstellung lässt sich in der Regel auf drei Ebenen feststellen. Erstens traten sie als Intervenientinnen bzw. Vermittlerinnen auf, was man als die „traditionelle“ Form der Mitsprache und daher als wichtigen Indikator für die Bewertung des Einflusses der Königinnen betrachtet. Zweitens agierten sie als Zeuginnen bzw. als beglaubigende Instanz, und drittens konnten sie Urkunden selbst oder gemeinsam mit ihren Gemahlen ausstellen85. Die erste Ebene ist bisher am besten erforscht. Im fränkischen Reich bzw. in dessen westlichem und östlichem Nachfolgereich stellt die Petition bzw. Intervention bis zum hohen Mittelalter den häufigsten Beleg für die Aktivität von Herrscherinnen dar (ohne jedoch unter dieser Form der Regierungsbeteiligung das einzige Handlungsfeld zu subsumieren)86. Für die kapetingische Monarchie galten die Interventionen lange Zeit als entscheidendes Kriterium für die Beurteilung der Stellung der Herrsche­rinnen. Dieses Paradigma verortete den Höhepunkt des Einflusses der Königinnen im 12. Jahrhundert und postulierte für die anschließenden Jahrhunderte dessen Rückgang87. Eine solche Perspektive berücksichtigt aber nicht die Veränderungen im Zuge der beginnenden Verfestigung administrativer Strukturen und die damit verbundenen Modifikationen in der Beurkundungspraxis88. Zudem fungierten Herrscherinnen als Zeuginnen in den Urnen im Mittelalter. »Reginale« Herrschaft, Verwaltung und Frömmigkeit, in: Mächtige Frauen? Königinnen und Fürstinnen im europäischen Mittelalter (11.–14. Jahrhundert), hg. von Claudia Zey unter Mitarbeit von Sophie Caflisch/Philippe Goridis (Vorträge und Forschungen 81), Ostfildern 2015, S. 73–130, hier S. 89. 84 Vgl. etwa Nicholas Vincent, Patronage, Politics and Piety in the Charters of Eleanor of Aquitaine, in: Plantagenêts et Capétiens. Confrontations et héritages, hg. von Martin Aurell/Noël-Yves Tonnerre (Histoire de famille. La parenté au Moyen Âge 4), S. 17–60, bes. S. 17. 85 Für Literaturhinweise bezüglich der Erforschung von Urkunden der Herrscherinnen danke ich Dr. Sebastian Roebert (Leipzig). 86 Fössel, Königin (wie Anm. 78) S. 123–150. 87 Marion Facinger, A Study of Medieval Queenship. Capetian France, 987–1237, in: Studies in Medieval and Renaissance History 5 (1968) S. 3–47. 88 Miriam Shadis, Blanche of Castile and Facinger’s “Medieval Queenship”. Reassessing the Argument, in: Capetian Women, hg. von Kathleen Nolan, New York 2003, S. 137–161, bes. S. 147 f.

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kunden ihrer Ehemänner und anderer Aussteller. Im westlichen Römischen Reich stellte diese Form der urkundlichen Beteiligung eine Ausnahme dar89. Demgegenüber bildete die Nennung von Herrscherinnen in den angelsächsischen und anglonormannischen Urkunden eine wichtige Grundlage für die Bestimmung ihrer Positionen im Herrschaftsverband90. Von besonderem Interesse sind die von Herrscherinnen selbst ausgestellten Urkunden. Adelheid, die Gemahlin Ottos I., gründete das Kloster San Salvatore zu Pavia; in Verbindung damit entstanden drei Urkunden Adelheids, über deren diplomatische Beurteilung schon lange diskutiert wird. Bei ihnen handele es sich der Form nach nicht um übliche Herrscherurkunden, sondern um „private“ Stiftungsurkunden91. Sie gehören zu einem Dossier echter und gefälschter Urkunden, welche die Geschichte des cluniazensisch geprägten Klosters über Otto II. bis in die Regierungszeit Ottos I. zurückverlängern sollte. Zudem intendierte man damit, die kaiserliche Gründerin Adelheid in den Vordergrund zu rücken, die eng mit den Cluniazensern verbunden war92. Die oben genannten beiden tradierten Dokumente Theophanus sind dagegen echte kaiserliche Schutzurkunden, wie sie in Italien üblich waren. Von der Königin Kunigunde sind vier Dokumente erhalten, davon zwei als originale Chirographen93. Kaiserin Agnes schenkte 1059 auf förmliche Intervention Heinrichs IV. der Kirche der hl. Maria Magdalena zu Verdun fünf Hufen im Moselgau (aus eigenem Besitz) für das Seelenheil Kaiser Heinrichs  III., was durch eine original tradierte kaiserliche Urkunde dokumentiert wurde94. Von Richenza, der Gemahlin Lothars III., haben sich insgesamt vier Gerichtsur Fössel, Königin (wie Anm. 78) S. 123 f. Im Gegensatz zu anderen, regelmäßig auftretenden Zeugen(gruppen) stellte die Herrscherin einen „irregular witness“ neben anderen dar. Pauline Stafford, Queen Emma and Queen Edith. Queenship and Women’s Power in Eleventh-Century England, Oxford 1997, S. 193–206; Elisabeth van Houts, Queens in the Anglo-Norman/Angevin realm 1066–1216, in: Zey (Hg.), Mächtige Frauen? (wie Anm. 83) S. 199–224, hier S. 200. 91 Alessandro Colombo, I diplomi ottoniani e adelaidini e la fondazione del monastero di S. Salvatore di Pavia, in: Miscellanea Pavese (Biblioteca della Società storica subalpina 130), Turin 1932, S. 3–39, die Stiftungen Adelheids zugunsten von S. Salvatore sind die Nrn. II–IV, S. 24–36. 92 Michele Ansani, Caritas negocia e fabbriche di falsi. Strategie, imposture, dispute documentarie a Pavia fra XI e XII secolo (Istituto Storico Italiano per il Medio Evo. Nuovi studi storici 90), Rom 2011, S. 220–267. 93 Die Urkunden Heinrichs II. und Arduins, ed. Harry Bresslau (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 3), Hannover 1900–1903, S. 693–697. 94 Die Urkunden Heinrichs IV., ed. Dietrich von Gladiss/Alfred Gawlik (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 6), Hannover 1941–1978, Teil 2, S. 670 f. 89 90

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kunden erhalten95. Auch die Witwe Kaiser Heinrichs V., Matilde, stellte zwischen 1117 und 1125 insgesamt sechs Urkunden aus96. Nach ihrer Rückkehr nach England fungierte sie als Ausstellerin weiterer Urkunden; insgesamt sind knapp 100 Stücke überliefert97. Für das 12.  Jahrhundert existiert bezüglich der Herrscherinnen eine dichtere Urkundenüberlieferung. Das betrifft u. a. England, WestfrankenFrankreich und Kastilien. Urraca von Kastilien und Eleonore von Aquitanien dürften vermutlich die Ausstellerinnen mit der größten Anzahl an Belegen sein98. Im Königreich Sizilien urkundete Kaiserin Konstanze, wobei sie nach dem Tod ihres Gemahls Heinrich VI. als Herrscherin nach eigenem Recht agierte99. Für das spätere Mittelalter ist der Erschließungsstand noch nicht weit fortgeschritten, so dass im Zuge weiterer Recherchen mit signifikanten Neufunden zu rechnen ist100. Vor allem die Iberische Halbinsel und hier in besonderem Maße die Krone Aragón hält in dieser Hinsicht wohl noch manche Überraschung bereit. Die Fallstudie von Sebastian Roebert über die Herrschaft Eleonores von Sizilien, der Königin von Aragón und Gemahlin König Peters IV., führt in ganz neue 95 Die Urkunden Lothars III. und der Kaiserin Richenza, ed. Emil von Ottenthal/Hans Hirsch (MGH Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 8), Berlin 1927, S. 227–234. 96 Vorabedition der Urkunden finden sich unter den URL: bis http://www.mgh.de/ddhv/dhv_math_6.htm (zuletzt eingesehen am 24.6.2020). 97 Marjorie Chibnall, The Charters of the Empress Matilda, in: Law and Government in Medieval England and Normandy. Essays in Honour of Sir James Holt, hg. von George Garnett/John Hudson, Cambridge 1994, S. 276–298. 98 Die Urkunden Urracas von Kastilien wurden bereits ediert. Diplomatario de la Reina Urraca de Castilla y Léon, hg. v. Cristina Monterde Albiac (Textos medievales 92), Zaragoza 1996. Die Edition umfasst insgesamt 222 Urkunden, von denen 192 durch die Herrscherin ausgestellt wurden, während sie in den übrigen 30 Stück Geschäfte Dritter bekräftigte. Demgegenüber sind von Eleonore von Aquitanien 159 Urkunden überliefert, deren Edition durch Nicholas Vincent vorbereitet wird. Eine Übersicht über die Urkunden findet sich in Vincent, Patronage (wie Anm. 84) S. 56–60. Zu den Urkunden von Eleonore von Aquitanien vgl. außerdem die Beiträge von Marie Hivergneaux, Aliénor d’Aquitaine. Le pouvoir d’une femme à la lumière de ses chartes (1152–1204), in: La cour Plantagenêt (1154– 1204). Actes du Colloque tenu à Thouars du 30 avril au 2 mai 1999, hg. v. Martin Aurell (Civilisation médiévale 8), Poitiers 2000, S. 63–87 und Dies., Autour d’Aliénor d’Aquitaine. Entourage et pouvoir au prisme des chartes, in: Aurell/Tonnerre (Hgg.), Plantagenêts et Capétiens (wie Anm. 84) S. 61–73. 99 Erhalten haben sich insgesamt 66 Urkunden, zu denen noch 71 verlorene Urkunden zu zählen sind. Kölzer, Urkunden der Kaiserin Konstanze (wie Anm. 6). 100 Beatrix, die Gemahlin Heinrich Raspes, stellte als ehemalige römische Königin zwei Urkunden aus, mit denen sie den Empfängern Besitzungen restituierte bzw. übertrug: Die Urkunden Heinrich Raspes und Wilhelms von Holland (wie Anm. 16) S. 23 f.

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Dimensionen. Im Rahmen einer kooperativen Monarchie von König und Königin verfügte Eleonore beispielsweise über eine eigene, wirkliche Kanzlei101. Während früheren Herrscherinnen vermutlich kein separates Personal für Beurkundungen zur Verfügung stand, scheint dies im späteren Mittelalter häufiger vorgekommen zu sein. Zudem müsste die Frage nach der Beteiligung bzw. Einbindung der Herrscherinnen in neu entstehende administrative Strukturen weiterverfolgt werden. So ordnete Sancia von Mallorca gemeinsam mit ihrem Gemahl das königliche Archiv neu102. Europaweite und interkontinentale Vergleiche Bis zum 12. Jahrhundert orientierte man sich im Westen in vieler Hinsicht am römisch-byzantinischen Kaiserhof in Konstantinopel. Aufgrund der kargen Überlieferung römisch-byzantinischer Kaiserurkunden und Auslandsschreiben fällt es schwer, Adaptionen, Einflüsse oder Imitationen im Westen festzustellen. Mark Mersiowsky hat das Thema für die karolingischen Urkunden behandelt. In feierlichen Privilegien Karls des Kahlen, der sich auch nach römisch-byzantinischem Vorbild gekleidet haben soll, wurden teilweise rot gefärbte legimus-Vermerke verwendet103, die in Konstantinopel durch die Kanzleivorsteher eingezeichnet wurden. Falls die große ostkaiserliche Privilegienurkunde, in der das Eingangsprotokoll mit Invocatio und Intitulatio in ausgeprägter verlängerter Schrift ausgeführt wurde, schon im 9. so ausgesehen hätte wie im 11. Jahrhundert 104, was mangels Überlieferung freilich nicht zu belegen ist, wäre ein Ost-WestTransfer der Elongata zu erwägen. Nach der Wiedererrichtung eines westlichen Kaisertums durch Otto I. 962 mussten sich die Theoretiker an seinem Hof überlegen, wie der neue Sebastian Roebert, Die Herrscherin im Zentrum der Macht. Reginale Herrschaft in der Krone Aragón am Beispiel Eleonores von Sizilien (1349–1375) (Europa im Mittelalter 34), Berlin 2020; Ders., The Nominations of Elionor of Sicily as Queen-Lieutenant in the Crown of Aragon. Edition and Commentary, in: Medieval Studies 80 (2018) S. 179–229. 102 Cristina Andenna, Consorti, collaboratrici e vicarie. Il ruolo delle regine nelle questioni amministrative e politiche del Regno, in: Les officiers et la chose publique dans les territoires angevins (XIIIE–XVe siècle). Vers une culture politique?, hg. von Thierry Pécout (Collection de l’École française de Rome 518), Rom 2020, URL: . 103 Mersiowsky, Urkunde (wie Anm. 73), Teil 1, S. 146 f., 242–250. 104 Andreas E. Müller, Die sichtbare Macht. Visuelle Signale im Rahmen der kaiserlichen Privilegienurkunde in Byzanz, in: Stieldorf (Hg.), Urkunde (wie Anm. 75) S. 183–198, hier S. 187 f. 101

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Imperator im euromediterranen Kommunikationsraum präsentiert werden sollte. Die Adaption des Haupt- und Mitkaisertums nach der Kaiserkrönung Ottos II. 967 ist seit langem bekannt. Sie erfolgte in verschiedenen Formen, u. a. durch die wechselseitige Bezeichnung als coimperator sowie durch die Bezeichnung Ottos II. als iunior. Weitgehend unberücksichtigt blieb bisher, dass man seit 963 auch die römisch-byzantinische Magnus/Megas-Titulatur für Otto I. verwendete. Die Zeitgenossen intendierten nach dem Vorbild Konstantinopels „großer Kaiser“ Otto. Die Magnus-Titulatur wurde ab 968 auch für Otto II. verwendet. Auf diese Weise rückten Schreiber ottonischer Urkunden die neuen westlichen Kaiser auf theoretischer Ebene dicht an den Basileus in Konstantinopel heran; nur den Römer-Titel ließen sie weg. Kaiser Nikephoros Phokas hatte für Schreiben westlicher Provenienz, die an ihn adressiert waren, dezidiert eine korrekte Anrede eingefordert: magnus imperator Romanorum augustus105. Die römisch-byzantinische Megas-Titulatur wurde übrigens in mehreren Ländern, darunter auch in der Kiever Rus’, verankert. Die Bezeichnung „großer Fürst“ etablierte sich in der Kiever Rus‘ und diente künftig als Kennzeichnung eines hegemonialen Fürsten oder eines primus inter pares im Verband der russischen Großen106. Nach interregionalen Vergleichen könnten kriterienbasierte Untersuchungen zwischen Herrscherurkunden aus mehreren oder vielen europäischen Ländern eine nächste Stufe internationaler diplomatischer Forschungen markieren. Urkundenvergleiche zwischen europäischen und außereuropäischen Kulturen können ebenfalls weiterführend sein, wie die Tagung von Mark Mersiowsky und Ellen Widder mit japanischen Forschern 2015 in Tübingen gezeigt hat107. Andrea Stieldorf organisierte 2017 eine Tagung, bei der nicht nur über einen europaweiten108, sondern auch Wolfgang Huschner, La proiezione dell’Impero occidentale verso l’Impero orientale (secoli X–XI), in: Spazio e mobiltà nella ‘societas christiana’. Spazio, identità, alterità (secoli X–XIII), hg. v. Giancarlo Andenna/Nicolangelo D’Acunto/Elisabetta Filippini (Le Settimane internazionali della Mendola. Nuova Serie 5), Mailand 2017, S. 211–222, hier S. 213– 220. 106 Sergej Kaštanov, Issledovanija po istorii knjažeskich kanceljarii srednevekovoj Rusi, Moskau 2014, S. 43–57. 107 Rituale, Symbole und Willensbildung. Funktionen und Herrschaftspraxis im Spiegel mittelalterlichen Schriftwesens. Kulturhistorische Vergleiche zwischen Europa und Japan. Internationale Tagung, Tübingen 16./17.  März 2015, mit anschließendem Workshop in Karlsruhe und St. Gallen (CH), 18./19. März 2015. 108 Eveline Brugger, Jüdisches Urkundenwesen und christliche Obrigkeiten im spätmittelalterlichen Österreich, in: Stieldorf (Hg.), Urkunde (wie Anm. 75) S. 19–40; Alheydis Plassmann, Datamining in Urkunden, in: ebd., S.  41–97; Martin Roland, Illuminierte 105

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über einen interkontinentalen Vergleich diskutiert wurde109. Im Oktober 2018 fand in Leipzig der 15. Internationale Kongress der Commission Internationale de Diplomatique statt. Dort befassten sich mehr als dreißig Kolleginnen und Kollegen aus 16 europäischen Ländern aus diplomatischer und historischer Perspektive mit der Entstehung und Nachwirkung von ,internationalen‘ Verträgen zwischen 800 und 1600110. Solche themenorientierten Quellenuntersuchungen lassen den Wert diplomatischer Forschungen für die historische Erkenntnis und Interpretation deutlich hervortreten und sollten deshalb häufiger stattfinden.

Abstract The presentation of the current state of research concerning royal and imperial charters of the Early and High Medieval Period proceeded on the basis of five main points: new editions, external features, influence of issuers and recipients on the production of the charters, spectrum of importance of these charters at the time of their issuing, relevance of the documents for later generations. Concerning the perspectives of further research, some topics for future fundamental research as well as the comparison of charters in interregional, European and intercontinental contexts were suggested.

­Urkunden. Bildmedium und Performanz, in: ebd., S. 259–327; Müller, Sichtbare Macht (wie Anm. 104). 109 Peter Schwieger, Das Erscheinungsbild tibetischsprachiger Herrscherurkunden. Strategien zur Erzeugung von Feierlichkeit, in: Stieldorf  (Hg.), Urkunde (wie Anm.  75) S. 163–181. 110 Quellen zur Geschichte der „internationalen“ Beziehungen zwischen politischen ­Zentren in Europa und der Mittelmeerwelt (ca. 800–1600). Briefe – Urkunden – Verträge. Beiträge des 15. Kongresses der Commission Internationale de diplomatique (Leipzig, 4.–6. Oktober 2018). Fonti per la storia delle relazioni “internazionali” tra i centri politici in Europa e il Mediterraneo (800–1600 ca.). Lettere – Diplomi – Contratti. Atti del XV Congresso della Commission Internationale de diplomatique (Leipzig. 4–6 ottobre 2018), hg. von Wolfgang Huschner/Sebastian Roebert, im Druck.

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