Architekturpolitik in Finnland: Wie Baukulturelle Bildung gelingen kann 9783868599374, 9783868596175

Finland is the undisputed pioneer in architectural education. In 1998, it was one of the first countries in Europe to de

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German Pages 192 Year 2020

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Baukultur in Finnland und Deutschland
Die finnische Architekturpolitik – ein Lernprozess
Architektur als Bürgerbildung
Architektur im finnischen Bildungssystem
Institutionen der Architecture Education
Architekturpolitische Programme als Förderer der Architecture Education für Kinder und Jugendliche in Finnland
Schlussbetrachtung
Empfehlungen
Literaturverzeichnis
Bildnachweise
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Architekturpolitik in Finnland: Wie Baukulturelle Bildung gelingen kann
 9783868599374, 9783868596175

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Architekturpolitik in Finnland Wie Baukulturelle Bildung gelingen kann

Turit Fröbe Architekturpolitik in Finnland Wie Baukulturelle Bildung gelingen kann

7

Einleitung

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Baukultur in Finnland und Deutschland Strukturelle und historische Voraussetzungen Baukultureller Anspruch in Finnland und Deutschland – ein subjektiver Eindruck

100 Architecture Education im regulären Schulsystem 112 Architecture Education in der Basic Education in the Arts 121 Fazit: Baukultur ins Bildungssystem!

129 Institutionen der Architecture Education 43 Die finnische Architekturpolitik – Architecture Education an ein Lernprozess den Universitäten 48 Besonderheiten der 136 ARKKI, Lastu und Co. finnischen Architekturpolitik 143 Jüngere Tendenzen der von 1998 finnischen Architecture 54 Lokale und regionale Education 153 Fazit: Baukulturelle Aus-, Architekturpolitiken 62 APOLI2020 Fort- und Weiterbildung 67 Fazit: Architekturpolitische 161 Architekturpolitische Prozesse Programme als Förderer der Architecture Education 73 Architektur als für Kinder und Jugendliche Bürgerbildung 76 Archinfo Finland in Finnland 83 Architekturwettbewerbe Gastbeitrag Jaana Räsänen als Bürgerbildung 93 Fazit: Baukulturelle 171 Schlussbetrachtung 177 Empfehlungen Bürgerbildung 99 Architektur im finnischen Bildungssystem

185 Literaturverzeichnis 191 Bildnachweise

Ich danke meinen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern, die mich mit Informationen, Einblicken und Materialien versorgt haben, ganz herzlich für ihre Unterstützung! Ohne Ihre Hilfe hätte diese Publikation nicht entstehen können!

Einleitung

Seit Jahren gilt Finnland als Vorreiter für alles, was mit Baukulturpolitik und dem Themenkomplex Baukulturelle Bildung zu tun hat. Als eines der ersten Länder Europas hat sich Finnland 1998 eine offizielle Architekturpolitik gegeben, die bis heute international rezipiert wird und nicht nur ins Schwedische und Englische, sondern auch ins Französische, Spanische, Deutsche und später ins Arabische übersetzt wurde.1 Einen prominenten Part innerhalb des Programms nahm die „architecture education“ ein mit dem Ziel, die Allgemeinbildung bzw. das öffentliche Bewusstsein für Architektur zu verbessern, weshalb ab 2001 in Finnland zeitweise dazu übergegangen wurde, im Englischen den Terminus „civic education in architecture“2 zu verwenden. Die Civic Education in Architecture wurde notwendig, da 1995 das Recht auf eine angemessen gestaltete und gesunde Umgebung im Grundrechtekatalog der finnischen Verfassung verankert worden war und sich an das Recht auch Bürgerpflichten knüpften.3 Per Verfassung wurden die Bürgerinnen und Bürger dazu verpflichtet, Sorge für das kulturelle Erbe zu tragen und an Entscheidungsprozessen, die das eigene Lebensumfeld betreffen, teilzuhaben.4 Um sie in die Lage zu versetzen, diese Pflichten einlösen zu können, war es notwendig, baukulturelles Wissen bzw. eine baukulturelle Allgemeinbildung in die Gesellschaft zu bringen. Mit der 1998 deklarierten Architekturpolitik wurde die Baukulturelle Bildung zur lebenslangen zivilen Lernaufgabe deklariert. 7

Zu den erklärten Zielen gehört, die Architecture Education sowohl systematischer im Schulsystem als auch in den Curricula der Lehramtsstudiengänge zu verankern. Außerdem wurde verabredet, sie in die Erwachsenenbildung zu integrieren und Politikerinnen und Politiker und Entscheidungstragende in den Städten und Kommunen zu schulen.5 Die Erfolgsmeldungen aus Finnland ließen in den Folgejahren nicht lange auf sich warten. Medien- und Baukulturberichten war zu entnehmen, dass die Architecture Education bereits 2003 in die nationalen Kern-Lehrpläne aufgenommen worden und damit fester Lehrplanbestandteil geworden sei.6 Anderen Quellen zufolge war die Architecture Education bereits seit 1993 obligatorischer Bestandteil des Fachs Kunst.7 Es wurde von Schulen mit architektonischem Schwerpunkt berichtet8 und von Architekturschulen für Kinder und Jugendliche, wie der ARKKI School of Architecture for Children and Youth in Helsinki oder der Lastu School of Architecture and Environmental Culture in Lapinlahti, in denen seit 1993 Vier- bis Neunzehnjährige in fortlaufenden Kursen unterrichtet werden und dabei auf sagenhafte 1800 Unterrichtsstunden in Architektur kommen können, sofern sie die Kurse vom frühen Kindesalter bis zum Abitur fortlaufend belegen.9 Gekoppelt an die herausragenden Ergebnisse, die Finnland in den PISA-Studien, die ab 2000 durchgeführt wurden, erzielte und dem Land eine herausragende Qualität seines Schulsystems attestierten,10 schien plötzlich alles möglich zu sein – zumal Finnland auch bekannt war für seinen traditionell außerordentlich hohen Anteil an Kunstunterricht im Schulsystem.11 Als im Rahmen des Konvents der Baukultur 2018 in Potsdam, das von der Bundesstiftung Baukultur organisiert wurde, bekannt wurde, dass die Bundesregierung Deutschland plant, anlässlich des EU-Ratsvorsitzes in der zweiten 8

Einleitung

Jahreshälfte 2020 Baukulturelle Leitlinien des Bundes zu verabschieden, fiel die Entscheidung, aus aktuellem Anlass an der Universität der Künste Berlin eine Feldstudie in Finnland durchzuführen. Im Fokus steht die Frage, wie erfolgreich die Architekturpolitik von 1998 tatsächlich war und was Deutschland gegebenenfalls von den finnischen Erfahrungen für die eigenen anstehenden Prozesse lernen kann. Ist es gelungen, das allgemeine baukulturelle Bewusstsein in der Gesellschaft zu verbessern? Ist es gelungen, die Architecture Education systematisch im Schul- bzw. Bildungssystem zu verankern? Was wird unterrichtet und wie werden angehende Lehrkräfte im Rahmen ihres Studiums darauf vorbereitet, Baukultur zu vermitteln? Ist es gelungen, die Architecture Education in die Lehramts-Curricula an den Universitäten zu integrieren und angehende Lehrkräfte bereits während des Studiums an Architektur und Städtebau heranzuführen? Wie sind Fort- und Weiterbildungsprogramme organisiert und aufgebaut worden und welche Lehrmaterialien gibt es? Über allem stand die Frage, ob es für Deutschland überhaupt möglich ist, von einem Land wie Finnland, das strukturell und historisch andere Ausgangsbedingungen hat, zu lernen und Erfahrungen zu übertragen. Im Rahmen der Feldstudie wurden während eines achttägigen Aufenthaltes in Helsinki Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlichster Professionen geführt, die später durch Skype-, Telefon- oder E-MailInterviews ergänzt wurden, um auch Perspektiven außerhalb des Metropolraums Helsinki einzubeziehen. Es konnte auf diese Weise – darauf sei schon an dieser Stelle hingewiesen – eine Reihe von Missverständnissen, die sich um das finnische Bildungssystem und die Rolle der Architecture Education ranken, identifiziert und aufgeklärt werden, was jedoch an der Gesamteinschätzung, dass Finnland bis heute Einleitung

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als unangefochtener Pionier im Bereich der Baukulturellen Bildung zu gelten hat, nichts ändert. Die sicherlich größte Überraschung, die im Rahmen der Studie zutage kam, war die freudige Nachricht, mit der die Autorin unmittelbar nach ihrer Ankunft in Helsinki am 6. Mai 2019 von Hanna Harris, der Direktorin von Archinfo Finland, begrüßt wurde: „Finnland bekommt eine neue Architekturpolitik! Die Pressemitteilung geht heute noch raus!“ Bereits in der kommenden Woche werde die offizielle Arbeit aufgenommen und im Herbst 2020 solle APOLI2020 abgeschlossen werden, hieß es weiter.12 Diese Ankündigung eröffnete unversehens neue Perspektiven und Fragestellungen. Warum braucht Finnland, das berühmt ist für seine Architekturpolitik, eine Revision derselben? Welche Inhalte und Themen werden relevant für den neuen Prozess? Wie ist er organisiert? Wer wird beteiligt sein? Gleichzeitig warf die Ankündigung Zweifel auf. Ist es überhaupt sinnvoll, von einem 20 Jahre alten Prozess lernen zu wollen – zu einem Zeitpunkt, an dem die Finninen und Finnen sich einer Neuauflage der Architekturpolitik zuwenden und die bisherige als „zu alt, um noch implementiert werden zu können“ und „nicht mehr aktuell angesichts vieler gesellschaftlicher Veränderungen“ 13 charakterisieren? Im Folgenden wird zunächst ein Blick auf die unterschiedlichen historischen und strukturellen Voraussetzungen der beiden Länder gerichtet und versucht, eine subjektive Einschätzung der baukulturellen Situation beider Länder vorzunehmen. Im 2. und zum Teil im 3. Kapitel werden die Architekturpolitik von 1998 und ihr zwei- bzw. dreiphasiger Implementierungsprozess vorgestellt und bewertet und es erfolgt ein Einblick in die aktuellen APOLI2020-Prozesse. Dazu wurden Gespräche mit Hanna Harris, der amtierenden 10

Einleitung

Direktorin von Archinfo Finland, und Petra Havu vom Ministry of Education and Culture, Department for Art and Cultural Policy, geführt, die beide eine leitende Position im Zuge der Entwicklung der neuen Architekturpolitik einnehmen. Von besonderer Bedeutung waren die Gespräche und umfangreichen Korrespondenzen mit Tiina Valpola, der Gründungsdirektorin im Ruhestand von Archinfo Finland, die in ihrer Position als Special Advisor for Architecture im National Council for Architecture von 2004 bis 2012 maßgeblich für die Implementierung der Architekturpolitik von 1998 verantwortlich war und nebenbei Archinfo Finland aufbaute, das mit Fug und Recht als größter Erfolg der finnischen Architekturpolitik gelten kann. Im 3. Kapitel, in dem es um die Frage geht, inwieweit die architektonische Allgemeinbildung in der finnischen Gesellschaft verbessert werden konnte und mit welchen Maßnahmen und Strategien gearbeitet wurde, wird zunächst die Institution Archinfo Finland vorgestellt und gezeigt, wie beispielsweise das finnische Wettbewerbssystem genutzt wird, um das architektonische Bewusstsein in der Gesellschaft zu verbessern. Darüber gab Mari Koskinen, Wettbewerbsspezialistin in der Finnish Association of Architects SAFA, Auskunft. Im Zentrum des 4. Kapitels steht die Frage nach der Implementierung der Architecture Education im Schul- und Bildungssystem. Es sind Gespräche geführt worden mit Mikko Hartikainen von der Finnish National Agency for Education, mit Dr. Riikka Mäkikoskela, Geschäftsführende Direktorin der Finnish Association of Art Schools for Children and Young People, und Henna Haavisto, Lehrerin an der Aurinkolahti Primary School in Vuosaari. Bereits in diesem Kapitel, insbesondere aber im drauffolgenden kommt eine Reihe von Protagonistinnen und Protagonisten der finnischen Einleitung

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Architecture Education zu Wort: wie Pihla Meskanen, Gründerin der ARKKI School of Architecture for Children and Youth in Helsinki, ihre neu berufene Direktorin Jaana Räsänen, die bis April 2019 als Spezialistin für Architecture Education bei Archinfo Finland tätig war, Mervi Eskelinen, Gründerin der Lastu-School of Architecture and Environmental Culture in Lapinlathi, Ilpo Vurorela vom Jyväskylä Adult Education Centre sowie Else Luotinen und Ruud Ronni von der neu gegründeten Architekturschule Tiili in Tampere. Im letzten Kapitel stehen schließlich die Institutionen und Akteurinnen und Akteure der Architecture Education im Mittelpunkt, von denen einige bereits genannt wurden. Zusätzlich wird die Rolle der Universitäten in Bezug auf die Architecture Education betrachtet, wobei Professor Martti Raevaara, Leiter des Master-Programms Art Education und stellvertretender Leiter der Fakultät Kunst an der Aalto University School of Arts, Design and Architecture dankenswerterweise einen Einblick darüber vermittelte, wie angehende Lehrkräfte im Studium darauf vorbereitet werden, Kindern und Jugendlichen Architektur und Städtebau zu vermitteln. Zuletzt wird die Vermittlungsarbeit an den beiden großen finnischen Architekturmuseen vorgestellt. Arja-Liisa Kaasinen, Leiterin der Abteilung Zusammenarbeit und Engagement, gab Auskunft darüber, wie die Vermittlung im Museum of Finnish Architecture organisiert ist, und Lotta Leskelä, Kuratorin für Bildung im Alvar Aalto Museum in Jyväskylä, berichtete über neue Strategien in ihrem Haus. In einem Gastbeitrag beschreibt Jaana Räsänen, inwieweit die lokalen und regionalen Architekturpolitiken, die infolge des nationalen architekturpolitischen Programms 1998 entstanden, zu Förderern der Architecture Education geworden sind. 12

Einleitung

Die Kapitel 2–5 sind so organisiert, dass am Ende jeweils in einem kurzen Fazit der Bezug zur Situation in Deutschland hergestellt wird. Am Ende der Publikation werden konkrete Empfehlungen ausgesprochen für den Entwicklungsprozess der Baukulturellen Leitlinien des Bundes. Hingewiesen sei an dieser Stelle darauf, dass in den vergangenen 20 Jahren eine Reihe von finnischen Institutionen und Behörden ihren Namen geändert haben, was zu Verwirrung führen kann. + Das Ministry of Education wurde 2010 mit dem Kultusministerium zu einem Doppelministerium umgebaut, zum Ministry of Education and Culture, + aus dem National Board of Education wurde die Finnish National Agency for Education, + das Arts Council of Finland heißt seit 2013 Arts Promotion Centre Finland, + und aus dem National Council for Architecture wurde das National Council for Architecture and Design. Im nachfolgenden Text wird nach Möglichkeit die Form gewählt, die zeitlich entsprechend passt, und gegebenenfalls mit einem Hinweis versehen. Zudem hat die Autorin der vorliegenden Studie entschieden, die unterschiedlichen Bezeichnungen, die in beiden Ländern üblich sind, aufzunehmen. So wird im finnischen Kontext von der „Architecture Education“ und „Architekturpolitik“ und im deutschen Kontext von „Baukultureller Bildung“ und „Baukulturpolitik“ die Rede sein.

Einleitung

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1

Vgl.: http://archinfo.fi/2014/01/ valtioneuvoston-arkkitehtuuripoliittinen-ohjelma-1998/ (letzter Zugriff 15.08.2019) 2 Vgl.: Korpelainen/Yanar 2001 3 Vgl.: Grundgesetz Finnland, 11. Juni 1999, in Helsinki, Kapitel 1 – Grundlagen der Staatsordnung § 20 – Verantwortung für die Umwelt: Die Verantwortung für die Natur und ihre Vielfalt, die Umwelt und das kulturelle Erbe wird von allen getragen. Die öffentliche Gewalt hat danach zu streben, für jeden das Recht auf eine gesunde Umwelt und die Möglichkeit, seine Lebensumgebung betreffende Beschlußfassung zu beeinflussen, zu sichern.“ https://www.finlex. fi/fi/laki/kaannokset/1999/ de19990731.pdf (letzter Zugriff 19.01.2020) 4 Vgl.: Architekturpolitik 1999, S. 6, S. 15

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Einleitung

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Vgl.: Architekturpolitik 1999, S. 15ff. Vgl.: Feller 2005, S. 50 Vgl.: Kaitaikko 2006, S. 39 Vgl.: Kataikko 2006, S. 37 Vgl.: Kataikko 2006, S. 37ff., oder vgl.: Feller 2009, S. 51 Vgl.: https://www.pisa.tum.de/ fileadmin/w00bgi/www/ Berichtsbaende_und_ Zusammenfassungungen/ Zusammenfassung_PISA_2000 (letzter Zugriff 10.01.2020) Vgl.: Busnach 2017 Hanna Harris im persönlichen Gespräch am 6. Mai 2019 in Helsinki, und vgl.: https://minedu. fi/artikkeli/-/asset_publisher/ tyoryhma-laatimaanarkkitehtuuripoliittista-ohjelmaa (letzter Zugriff 10.01.2020) Petra Havu im persönlichen Gespräch am 6. Mai 2019 in Helsinki

Baukultur in Finnland und Deutschland

Strukturelle und historische Voraussetzungen Ist es überhaupt möglich, Finnland und Deutschland hinsichtlich ihres Verhältnisses zur Baukultur miteinander zu vergleichen bzw. Empfehlungen aus dem einen Land für das andere abzuleiten? Oder sind die Ausgangsbedingungen am Ende so unterschiedlich, dass es in Deutschland auf lange Sicht und mit großem Aufwand bestenfalls gelingen könnte, einen Status quo zu erreichen, den Finnland schon vor der Erstellung seiner Architekturpolitik im Jahr 1998 hatte? Ohne Zweifel könnten die strukturellen und historischen Ausgangsbedingungen unterschiedlicher kaum sein. Dem kleinen, nur 5,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner starken, zentral regierten finnischen Staat steht mit Deutschland ein komplexes föderales System gegenüber, welches den Bundesländern Kulturhoheit garantiert, die unter anderem den Bildungsbereich betrifft. Auch historisch gehen die Grundbedingungen auseinander. 17

Finnland hat eine starke Affinität zur Architektur, da diese eng mit dem Nation-Building-Prozess des jungen Staates verknüpft ist, der erst 1917 seine Unabhängigkeit deklarierte. Insbesondere den beiden Protagonisten Eliel Saarinen (1873–1950) und Alvar Aalto (1898–1976) ist es zu verdanken, dass sich Finnland traditionell als Architektur- und Designnation versteht. Beide Architekten erlangten internationalen Weltruhm und machten die finnische Baukunst zu einem Topos – wobei mindestens genauso wichtig die Wirkung im eigenen Land war: Mithilfe ihrer entscheidenden Beiträge zur Entwicklung einer nationalen Architektur haben beide Architekten, insbesondere Aalto, maßgeblich zur Formulierung einer finnischen Identität beigetragen. Eine finnisch-nationale Bewegung entwickelte sich, wie Seppo Zetterberg darstellt, erst ab 1809, als Finnland, das seit der Mitte des 13. Jahrhunderts unter schwedischer Herrschaft stand, zum Spielball politischer Territorialkämpfe wurde und im Russisch-Schwedischen Krieg von Russland erobert wurde. Unter russischer Regentschaft erhielt Finnland den Status eines autonomen Großfürstentums, der den Finnen im Verlauf der folgenden 100 Jahre ermöglichte, einen eigenen Staatsapparat mit eigenem Senat, eigener Rechtsprechung, Beamtenapparat, Währung, Landessprache und schließlich sogar mit eigener Armee im russischen Reich zu errichten. Nachdem Russland den finnischen Separatismus Anfang des 20. Jahrhunderts in zwei sogenannten Unterdrückungsphasen versuchte einzudämmen, nutze Finnland schließlich die Wirren der Russischen Revolution 1917, um seine Unabhängigkeit zu deklarieren.1 Bereits 1812 war die Hauptstadt von Turku nach Helsinki verlegt und unter dem deutschen Architekten Carl Ludwig Engel zu einem klassizistischen Zentrum ausgebaut worden, was dem finnischen Großfürstentum zu 18

Baukultur in Finnland und Deutschland

neuem Selbstbewusstsein verhalf. Ab 1890 setzte laut Ritva Wäre in der Architektur die Suche nach einem eigenständigen finnischen Stil ein, der sich schließlich insbesondere in den Werken Saarinens und Aaltos manifestierte. Saarinen verknüpfte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die für Finnland traditionelle Holzarchitektur mit Elementen des Jugendstils und des Historismus und kreierte die sogenannte finnische Nationalromantik. Zu seinen Schlüsselwerken in Helsinki zählen das Nationalmuseum (1905–1912), das er zusammen mit Herman Gesellius und Armas Lindgren entwarf, und der Hauptbahnhof (1904–1919), der mit den beiden monumentalen lampentragenden Statuen-Paaren Emil Wikströms zu einem der bedeutendsten Wahrzeichen Helsinkis wurde.2 (Abb. 1) Mit seinem Wettbewerbsbeitrag für den Tribune Tower in Chicago erlangte Saarinen Ende der 1920er Jahre, ähnlich wie Alvar Aalto, der als Vater des sogenannten skandinavischen Designs gilt, Weltruhm. Aalto, der in Finnland als Nationalheld verehrt wird, wandte sich nach einer kurzen funktionalistischen Phase Mitte der 1930er Jahre einer Art „Naturalisierung“ des Neuen Bauens zu, indem er einheimische Materialien und Bautraditionen sowie eine organische Formensprache mit der des Neuen Bauens zu verschränken begann.3 Seine „lokale Variation internationaler Architektur“ wurde laut Asko Salokorpi „als ebenso national aufgefasst wie die nationalromantische Architektur Saarinens“.4 Beide Architekten trugen so maßgeblich zur Formulierung einer finnischen Identität und eines finnischen Selbstbewusstseins bei. Arja-Liisa Kaasinen vom Museum of Finnish Architecture sagte im Gespräch, man könne mit Fug und Recht behaupten, die Nation sei von Architekten erbaut worden. Entsprechend gut sei das Interesse an Architektur und Architekturgeschichte auch heute noch in der Gesellschaft verankert.5 Dass in Finnland das Baukultur in Finnland und Deutschland

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Abb. 1

Bewusstsein für Architektur ausgeprägt ist, ist laut Riikka Mäkikoskela auch darauf zurückzuführen, dass „die Finnen traditionell ihre Häuser mit der eigenen Hand gebaut haben. Sie sind mit Architektur, dem Bauen, dem Handwerk vertraut. Wenn du heiratest und eine Familie gründest, musst du in Finnland ein Haus für deine Familie bauen“.6 Ganz anders sind die gesellschaftlichen Ausgangsbedingungen für Architektur in Deutschland. Zwar wird den Deutschen regelmäßig ein grundsätzliches Interesse an Baukultur attestiert, was mit den leidenschaftlich geführten Debatten in der Presse belegt wird. Diese beziehen sich jedoch in der Regel auf herausragende Spektakel-Architekturen, Rekonstruktionen oder Bauskandale. Tendenziell herrscht in der Gesellschaft ein „eingeschränkter Begriff von Architektur“ vor, der dazu führt, dass „die Bauten des täglichen Gebrauchs gar nicht unter architektonischen Gesichtspunkten wahrgenommen werden“7. Entsprechend werden Architektur und Städtebau von der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger als Spezial-Disziplinen betrachtet, die nichts oder wenig mit der eigenen Lebenswirklichkeit zu tun haben. Dass die Deutschen ein relativ distanziertes Verhältnis zu ihrer Baukultur haben, dürfte unter anderem historisch bedingt sein. Das Thema Baukultur ist in weiten Teilen des Landes an eine Verlusterfahrung gekoppelt. Viele Städte haben während des Zweiten Weltkriegs weite Teile ihrer Altbausubstanz verloren und wurden in aller Eile, einem mehr oder weniger modernen Leitbild folgend, wieder aufgebaut. Wie präsent dieses Trauma des Verlustes auch heute noch ist, lassen die nicht abreißen wollenden Rekonstruktionsdebatten, die landauf, landab geführt werden, erahnen. Vielerorts wurde das Paradigma des Besser-nicht-sogenau-Hinsehens bereits im Wiederaufbau in die Stadtgestalt eingeschrieben, indem lediglich die stadtbildprägenden Baukultur in Finnland und Deutschland

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Schlüsselbauten rekonstruiert wurden und alles dazwischen mit relativ neutraler Gebrauchsarchitektur aufgefüllt wurde. Hinzu kommt, dass auch politisch in Deutschland sowohl in der Nachkriegs- als auch in der Nachwendezeit tendenziell auf eine Architektur der Zurückhaltung gesetzt wurde – aus Furcht davor, ein falsches Selbstbewusstsein zu signalisieren, wie Peter Conradi es formuliert. 8 Es liegt daher der Verdacht nahe, dass aus diesen Gründen die Auseinandersetzung mit Baukultur im Sinne einer bürgerlichen Allgemeinbildung in Deutschland lange Zeit nicht unbedingt forciert und gefördert wurde. Ferner erscheint die Architektur- und Stadtgeschichte in Deutschland ungleich komplexer und weniger zugänglich als in Finnland, was sicherlich auch dazu beiträgt, dass Baukultur gemeinhin als Spezialdisziplin gewertet wird. Während die finnische Architekturgeschichte im Wesentlichen eine Geschichte der Moderne ist, was nicht nur auf die späte Unabhängigkeit der Nation zurückzuführen ist, sondern auch auf die historisch vorherrschende Holzbauweise, die nur eine verhältnismäßig kurze Lebensdauer hat, ist es in Deutschland insbesondere die Moderne, die einen schweren Stand hat und vom Großteil der Bürgerinnen und Bürger am liebsten ungeschehen gemacht würde. Schätzungen des National Board of Antiquity zufolge sind nur 20 Prozent des finnischen Gebäudebestands vor 1955 gebaut worden,9 wobei nur ein kleiner Prozentsatz davon tatsächlich auf die Architektur aus schwedischer Zeit zurückgehen dürfte, der zum größten Teil aus steinernen Zeugnissen wie Burgen, Festungen oder Kirchen besteht. In Deutschland hingegen blicken die meisten Städte – je nachdem, ob sie aus römischen Kolonien oder mittelalterlichen Gründungen hervorgegangen sind – auf 2000 bzw. 900 Jahre Stadt- und Architekturgeschichte zurück, die zudem von einem unüberschaubaren regionalen Reichtum geprägt wird. Das erklärt 22

Baukultur in Finnland und Deutschland

möglicherweise, warum die deutsche Baukultur sicherlich auch schwieriger zugänglich ist als die finnische. Aber erklärt es auch, warum die Verbesserung des allgemeinen architektonischen Bewusstseins in Deutschland bislang kaum gefördert oder gefordert wird? Die Vorrausetzungen dafür, in Deutschland das öffentliche architektonische Bewusstsein zu verbessern, sind inzwischen gut. Deutschland blickt ähnlich wie Finnland auf eine knapp 20-jährige nationale Baukulturpolitik zurück, die in den vergangenen Jahren zu einer bemerkenswerten Institutionalisierung führte. Es sind nicht nur auf Bundes- und Landesebene, sondern auch in vielen Städten und Kommunen Stiftungen, Netzwerke und Initiativen gegründet worden, die der Baukultur auf politischer Ebene Sichtbarkeit verliehen haben. Dass es trotzdem bislang kaum gelungen ist, die Baukultur besser im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern, hat unterschiedlichste Gründe. So gelingt es derzeit noch zu selten, neue Zielgruppen anzusprechen, da es zu wenig niedrigschwellige Angebote gibt, mit denen die Bürgerinnen und Bürger an Architektur herangeführt werden können.10 Hinzu kommt, dass die Baukulturinstitutionen häufig noch von einem recht eng gefassten, normativen Baukultur-Begriff ausgehen und in der Regel das „gute Bauen“, das „gute Gestalten“ oder das „bedeutende Denkmal“ ins Zentrum stellen, wodurch unnötige Hürden eingezogen werden, weil immer Wissen vorausgesetzt wird. In erster Linie ist es jedoch darauf zurückzuführen, dass anders als in Finnland, wo die baukulturelle Bürgerbildung im Zentrum der Architekturpolitik stand, in Deutschland zu keinem Zeitpunkt ein entsprechendes Ziel oder gar ein Bedarf formuliert wurde. Das Thema Baukulturelle Bildung wurde erst spät auf die politische Agenda gehoben. Erst im Dezember 2017 wurde unter der Schirmherrschaft des Fördervereins Baukultur in Finnland und Deutschland

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der Bundesstiftung Baukultur ein Netzwerk Baukulturelle Bildung gegründet11 und erst seit März 2019 hat die Bundesstiftung Baukultur eine Projekt-Mitarbeiterin für diesen Bereich. Zudem ist es bisher nicht gelungen, die Baukulturelle Bildung systematisch in das Bildungssystem zu integrieren, obwohl die Voraussetzungen dafür in Deutschland durchaus gut wären. Die Architektur hat bereits flächendeckend in allen Schulstufen Eingang in die Rahmenlehrpläne für das Fach Kunst gefunden. Da jedoch bislang versäumt wurde, die Baukulturelle Bildung in den Lehramtsstudiengängen an den Universitäten zu verankern, ist es gegenwärtig vom individuellen Interesse der Lehrkräfte abhängig, ob Kinder und Jugendliche im Laufe ihrer Schulzeit mit Architektur und Baukultur in Berührung kommen. Wenn Vermittlung im schulischen Kontext stattfindet, wird sie in der Regel mehr oder weniger ehrenamtlich im Rahmen von Nachmittags-AGs und Projektwochen von externen Expertinnen und Experten der Architektenkammern oder der Denkmalämter und -vereine durchgeführt, wobei insbesondere das Programm „Architektur macht Schule“, das die Architektenkammern der Länder inzwischen nahezu flächendeckend anbieten, zu nennen ist. Da die wenigsten Vermittlerinnen und Vermittler pädagogisch geschult sind, gelten jedoch nicht alle Konzepte als erfolgreich. Auffällig ist, dass die meisten Projekte vom Basteln, Bauen und Konstruieren ausgehen und nur selten mit baukulturellen Inhalten und Lernzielen verbunden werden.12 Bemerkenswert ist, dass sich in Deutschland die weiter gefassten Begriffe „Baukulturpolitik“ und „Baukulturelle Bildung“ etabliert haben, während der Fokus noch vergleichsweise eng ausgerichtet ist. Umgekehrt – darauf sei an dieser Stelle bereits hingewiesen – werden in Finnland die viel enger gefassten Bezeichnungen „Architekturpolitik“ 24

Baukultur in Finnland und Deutschland

und „Architecture Education“ verwendet, während der inhaltliche Fokus viel weiter gefasst ist, als die Terminologie erahnen lässt. Insgesamt kann angenommen werden, dass die Voraussetzungen dafür, die Architektur in das öffentliche Bewusstsein zu bringen, in Finnland sicherlich etwas besser sind als in Deutschland. Dass sich die grundsätzlichen Haltungen jedoch nicht so erheblich voneinander unterscheiden, zeigen die Rankings, die entstehen, wenn in der Presse ein Leseraufruf gestartet wird, das hässlichste Gebäude der Stadt oder des Landes zu nominieren. Fast beruhigend erscheint es, dass dabei in Finnland genauso wie in Deutschland immer auch bedeutende Werke der Nachkriegsarchitekturgeschichte gelistet werden, die einen sicheren Platz in den Architekturführern innehaben. Darauf, dass in Finnland im Rahmen dieser Rankings mit großer Zuverlässigkeit auch ein Werk des Nationalhelden Alvar Aalto einen der Spitzenplätze belegt,13 haben Tiina Valpola und Arja-Liisa Kaasinen hingewiesen. Der sogenannte „Sokeripala“ (Zuckerwürfel; Abb. 2), wie die 1962 errichtete Enso-Gutzeit-Firmenzentrale genannt wird, steht neben der Russisch-Orthodoxen Kathedrale vis-àvis des Präsidentenpalastes und schließt visuell die Stirnseite des Kauppatori Marktplatzes am Helsinkier Südhafen ab. Sogar in dem ihm gewidmeten finnischen Wikipedia-Beitrag wird es als „Finnlands verhasstestes Gebäude“ vorgestellt.14 Das Bürohaus war, wie Gareth Griffiths 1997 in seiner Publikation The Polemical Aalto darstellt, nie unumstritten, was auch – aber nicht nur – darauf zurückzuführen ist, dass dafür eine der für den Stadtteil Katajanokka typischen sogenannten Burgen, das Norrmén-Haus aus dem Jahr 1907, abgerissen wurde.15 So kommt es, dass der Nationalheld Alvar Aalto, der für die Finninen und Finnen weit mehr ist als ein Stararchitekt, als Erbauer der Finlandia Hall (1971; Abb. 3) Baukultur in Finnland und Deutschland

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Abb. 2

Abb. 3

nicht nur das Wahrzeichen Helsinkis errichtete, sondern laut Meinung der Öffentlichkeit auch das unterste Ende der architektonischen Werteskala bedienen kann, was von einem recht unverkrampften Verhältnis der finnischen Bevölkerung zu ihrem Nationalhelden Aalto zeugt.

Baukultureller Anspruch in Finnland und Deutschland – ein subjektiver Eindruck Spätestens im Stadtbild zeigt sich unmissverständlich, dass Architektur und Baukultur in Finnland eine andere Rolle spielen und einen anderen Stellenwert haben als in Deutschland. Auch wenn sich eine Reihe von Gesprächspartnerinnen und -partnern bisweilen äußerst kritisch in Bezug auf die Qualität der finnischen Alltagsarchitektur äußerte, erscheint der allgemeine Standard im Vergleich zur Situation in Deutschland hoch. Nicht nur die öffentlichen Bauten, sondern auch die anonyme Alltagsarchitektur im Großraum Helsinki erscheint qualitativ hochwertiger und ambitionierter als in Deutschland – das betrifft sowohl die Zeit der Nachkriegsära als auch die Gegenwartsarchitektur. Natürlich finden sich auch im Stadtbild Helsinkis weniger gelungene oder banale Investorenarchitekturen, aber sie sind erheblich seltener als in Deutschland. Die Wahrscheinlichkeit, im urbanen Kontext auf gut gestaltete Details zu stoßen, wie zum Beispiel den Rettungsschwimmerturm am Strand von Aurinkolahti in Vuosaari (Abb. 4), ist ungleich höher als in Deutschland. Auffällig ist, dass die finnischen Architektinnen und Architekten konsequent einer modernen Handschrift verpflichtet sind und Historismen und Retroarchitekturen (Abb. 5), wie sie gegenwärtig in der deutschen Investorenarchitektur Hochkonjunktur haben, keine Rolle spielen.16 Baukultur in Finnland und Deutschland

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Abb. 4

Abb. 5

Noch frappierender ist der Unterschied in der Qualität der öffentlichen Bauten. Allein der Blick auf die jüngsten architektonischen Highlights Helsinkis – das Väre Building von Verstas, wie das 2018 eröffnete neue Hauptgebäude der Aalto University genannt wird, oder die spektakulären Transformationen oder Erweiterungsbauten von JKMM Architects – zeugen von einem innovativen Umgang mit Bestandsbauten und sogar architektonischen Ikonen. Nachdem sie 2016 Alvar Aaltos Bibliothek auf dem Otaniemi-Campus der Aalto University in Espoo um das Harald Herlin Learning Centre erweiterten und 2017 an der University of Helsinki einen Verwaltungsbau der Nachkriegszeit in die Think Corner transformierten, sorgten JKMM 2018 mit dem Kunstmuseum Amos Rex für Furore. Mit Amos Rex ist es dem jungen Büro gelungen, einem der bedeutendsten funktionalistischen Bauten Helsinkis, dem 1935/36 errichteten „Lasipalatsi“ (Glaspalast; Abb. 6), einen unterirdischen Erweiterungsbau zu geben. Mit seinen fünf kuppelartig geformten Dachkonstruktionen mit Lichtrüsseln tritt der Erweiterungsbau so in Erscheinung, dass nebenbei eine innerstädtische, zentral gelegene Brache, die eigentlich nicht bebaut werden konnte, nicht nur revitalisiert, sondern in einen der beliebtesten öffentlichen Räume Helsinkis verwandelt wurde, der zu unterschiedlichsten Nutzungen einlädt. (Abb. 7) Architekturen von hoher Qualität und Innovationskraft gibt es natürlich, wie das Beispiel der Elbphilharmonie in Hamburg von Herzog & de Meuron zeigt, in Deutschland auch, sie sind jedoch vergleichsweise selten zu finden. Gemeinsam ist den genannten Beispielen finnischer Gegenwartsarchitektur, dass sie öffentliche bzw. halb öffentliche Räume und Begegnungszonen schaffen, was aufgrund der klimatischen Bedingungen Finnlands mit den langen, kalten und vor allen Dingen dunklen Wintern wichtiger zu Baukultur in Finnland und Deutschland

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Abb. 6

Abb. 7

Abb. 8

Abb. 9

sein scheint als in der deutschen Baukultur. Zu einer radikalen Neudefinition dessen, was öffentlicher Raum sein kann, ist es mit der jüngsten Architektur-Ikone Helsinkis, der im Dezember 2018 eröffneten Zentralbibliothek Oodi von ALA Architects, gekommen. (Abb. 8) Dass der Neubau, der als eines der Schlüsselprojekte anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der finnische Unabhängigkeit geplant wurde,17 programmatischen Charakter hat, lässt schon seine Positionierung im Kulturviertel Helsinkis vis-à-vis des Parlamentes, in unmittelbarer Nähe zu Stephen Halls 1998 fertiggestelltem Kiasma Museum of Contemporary Art und Alvar Aaltos 1971 eröffneter Finlandia-Halle, dem Wahrzeichen Helsinkis, erahnen. Oodi ist nicht nur eine Ode, wie der Name übersetzt lautet, an das Buch und das Lesen, sondern, wie Tommi Laitio, Geschäftsführer des Ressorts Kultur und Freizeit der Stadt Helsinki im Rahmen der Eröffnungsfeier sagte, ,,auch ein Symbol für die Ziele, die wir als Gesellschaft haben.“ 18 Dass eine finnische Bibliothek durchaus dafür prädestiniert ist, eine solche Bedeutungsträgerin zu werden, verdeutlicht Beate Detlefs. Sie erläutert, warum Bibliotheken das Konzentrat der finnischen Werte – soziale Begegnung, das Teilen von Ressourcen und Gemeinschaftsgeist – verkörpern und stellt dar, dass das Bibliothekswesen konsequent in die nationalen Bildungs- und Kulturstrategien des Landes eingebunden ist und einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft hat, der sich auch in den staatlichen Fördersummen spiegelt, die in Finnland bei 54,55 Euro pro Kopf jährlich lagen – im Vergleich dazu lag die Summe in Deutschland bei 8,21 Euro.19 Tatsächlich setzt Oodi neue Maßstäbe und zeigt, was eine Bibliothek in der heutigen und zukünftigen Gesellschaft leisten kann. Das Konzept ist aus einem Partizipationsprozess hervorgegangen, in dessen Rahmen die Bürgerinnen und Bürger 2012 sowohl online als auch Baukultur in Finnland und Deutschland

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Abb. 10

in Workshops nach ihren „Träumen“ von einer Bibliothek der Zukunft gefragt wurden, die wichtiger Bestandteil des Planungsprozesses wurden.20 Die eigentliche Bibliothek, der Lesesaal mit 100.000 Büchern und großzügigen Lese-, Spiel- und Aufenthaltszonen, befindet sich im sogenannten „Bücherhimmel“ (Abb. 9),21 dem vollständig verglasten zweiten Obergeschoss. Sie gibt den Blick auf das Kulturzentrum Helsinkis frei und wird von einer sanft geschwungenen, bewegten Dachkonstruktion, die mit organisch geformten Oberlichten versehen wurde, abgeschlossen. Während sich im Erdgeschossbereich neben einem Café-Restaurant unter anderem ein Kino, ein Auditorium und der gesamte Servicebereich befinden, sind im ersten Obergeschoss, im geschlossenen Bauch des Gebäudes, die neuen, zukunftsweisenden Bibliotheksfunktionen untergebracht. Im sogenannten Maker-Space oder „urbanen Workshop“ wird den Nutzerinnen und Nutzern modernste Technik vom 36

Baukultur in Finnland und Deutschland

3D-Drucker über Plotter, Computer mit Bildbearbeitungsund Layout-Software bis zur computergesteuerten Strickmaschine und Nähmaschinen inklusive Bügelbrett – um nur einiges zu nennen – zur Verfügung gestellt, die sie mit dem regulären Bibliotheksausweis nutzen können. Es können Musikinstrumente und iPads ausgeliehen und Proberäume, Musikstudios, Game-Spaces und, gegen eine geringe Gebühr, auch Arbeitsräume für kleinere oder größere Teams gemietet werden. Darüber hinaus gibt es Aufenthaltszonen, die jedem offen stehen. In den Oodi-Grundsätzen, die auf einer Tafel im ersten Stock, aber auch auf der Webseite der Bibliothek festgehalten sind, heißt es unter dem Punkt „nondiscrimination“: „Jeder hat das Recht, in der Bibliothek zu sein. Untätiges Herumhängen ist erlaubt und sogar erwünscht.“ Und unter „Comfort and well-being“ heißt es schließlich: „Oodi ist unser gemeinsames Wohnzimmer. Jeder sollte das Wohlbefinden von anderen respektieren.“ 22 (Abb. 10) So gesehen ist Oodi nicht allein eine Ode an das Buch und das Lesen, sondern auch eine Ode an die Gemeinschaft, die Demokratie und den öffentlichen Raum – ein Modell, das für Deutschland zwar wünschenswert, gegenwärtig jedoch kaum denkbar erscheint. Während die Idee, eine Stadtbibliothek mit einem Maker-Lab zu verbinden, bereits an verschiedenen Orten in Europa und vereinzelt auch in Deutschland erprobt wird – zu den Pionierinnen gehörte die Stadtbibliothek in Köln, die 2013 ein Maker-Lab erhalten hat23 –, ist das Konzept des öffentlichen Raums oder „Wohnzimmers“, das Oodi eigen ist, kaum vorstellbar. Denn obwohl es in Zukunft wichtiger denn je wird, öffentliche Räume zu schaffen, die allen Teilhabe ermöglichen und nicht an Konsum gekoppelt sind, wird in Deutschland der öffentliche Raum nach wie vor systematisch seiner Aufenthaltsqualitäten beraubt, indem aus Angst vor Obdachlosen oder Baukultur in Finnland und Deutschland

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lärmenden Jugendlichen Sitzgelegenheiten auf Plätzen, in Parks oder Fußgängerzonen entweder entfernt oder so unbequem gemacht werden, dass ein etwas längeres Verweilen kaum möglich ist. Dass in Finnland ein solches Experiment wie Oodi möglich ist, ist auch der Tatsache geschuldet, dass in den vergangenen zehn Jahren die Straßenobdachlosigkeit infolge des 2008 aufgelegten Programms „Housing First“, das jedem Obdachlosen bedingungslos eine Wohnung zur Verfügung stellt, um ihm dabei zu helfen, seine übrigen Probleme in den Griff zu bekommen, fast vollständig zurückgegangen ist.24 Der architektonische Anspruch, die baukulturelle Haltung und das Selbstbewusstsein Finnlands in diesem Themenfeld offenbaren sich jedoch nirgendwo so deutlich wie in der Pressemitteilung des finnischen Ministry of Culture and Education vom 28. März 2019, in der angekündigt wird, dass Pläne für ein „world-class“ Architektur- und Designmuseum in Arbeit seien, in dem die bislang getrennten, in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander befindlichen Museen für Architektur und Design zu einem Neubau im Helsinkier Südhafen zusammengefasst werden sollen.25 Auf der Webseite des zukünftigen Architektur- und Designmuseums wird der nicht eben bescheidene Anspruch bestätigt, indem es heißt, „das attraktivste Museum der Welt“ werde entstehen. Ziel sei es, „Europas Museum des Jahres zu bauen, auf das die Finnen stolz sein können, und das Menschen aus der ganzen Welt anlockt“26. Dass es tatsächlich „world-class“ Architektur werden könnte, wenn die Finnen diese anstreben, ist dem Land angesichts seiner gegenwärtigen Stärke in der Architektur zuzutrauen. Wie anders hingegen die Situation und Haltung in Deutschland ist, zeigt sich nirgendwo so eindrücklich wie im Rahmen der Planung der Nationalen Bauakademie in Berlin, 38

Baukultur in Finnland und Deutschland

die ein Kompetenzzentrum für Architektur werden soll. Anders als in Helsinki wird in Berlin sehr wahrscheinlich kein Experiment gewagt werden, sondern vorsichtshalber auf eine altbewährte Ikone, nämlich Karl-Friedrich Schinkels zwischen 1832 und 1836 errichtete Bauakademie, gesetzt, die im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und 1962 von der DDR-Regierung abgerissen wurde. Ob tatsächlich eine Rekonstruktion oder eine mehr oder weniger freie Interpretation der verloren gegangenen Berliner Ikone entstehen wird, ist noch nicht entschieden. Sowohl der Haushaltsbeschluss des Bundestages, in dem 62 Millionen Euro bereitgestellt wurden, als auch der Programmwettbewerb, der im Mai 2018 entschieden wurde, liefen jedoch unter dem Titel „So viel Schinkel wie möglich!“27. (Abb. 11) Der vermutlich größte Unterschied zwischen den beiden Planungen in Helsinki und Berlin manifestiert sich in einem Satz am Ende der Pressemitteilung, die das Ministry of Education and Culture am 28. März 2019 herausgab. Darin heißt es, die Stadt Helsinki sei bereit, den Bau des neuen Museums zu fördern. „Dabei ist essenziell, dass die Stadt in weltklasse Inhalte und Erfahrungen investiert – nicht nur in Wände.“28 In Berlin hingegen wird im Fall der Nationalen Bauakademie wieder, wie es zuvor im Fall des unmittelbar benachbarten Humboldtforums, das im Herbst 2020 im rekonstruierten sogenannten Berliner Stadtschloss eröffnet werden soll, geschehen ist, in Wände investiert werden – lange bevor das inhaltliche Konzept der Bauakademie feststeht.

Baukultur in Finnland und Deutschland

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Abb. 11

1 2 3 4 5

Vgl. Zetterberg 2000 Vgl.: Meyer 2018, S. 30, S. 42ff. Vgl.: Curtis 1989, S. 228ff. Vgl.: Salokorpi 1970, S. 43, S. 39f. Arja-Liisa Kaasinen im persönlichen Gespräch am 9. Mai 2019 in Helsinki 6 Riikka Mäkikoskela im persönlichen Gespräch am 13. Mai 2019 in Helsinki 7 Rambow 2000, S. 62 8 Vgl.: Rauterberg 2000, und vgl.: Klotz 1984 9 Vgl.: https://web.archive.org/ web/20140201160859/http://www. nba.fi/en/cultural_environment/ built_heritage/built_welfare_ project/heritage_of_tomorrow (letzter Zugriff 11.01.2020) 10 Vgl.: Leitzken 2017a, 2017b, 2018, und vgl.: Fröbe 2014, 2018, und vgl.: Fröbe/Winderlich 2017 11 Vgl.: Bundesstiftung Baukultur 2018, S. 1 12 Zu den erfolgreichsten Projekten in dieser Hinsicht gehören die „Stadtentdecker“-Projekte der Brandenburgische Architektenkammer, die 2013 durchgeführt wurden 13 Vgl.: https://www.iltalehti.fi/ helsinki/a/200802267303055 ,,Welches ist das hässlichste Gebäude von Helsinki?‘‘, 26.02.2008 (letzter Zugriff 16.01.2020), und vgl.: https://www. iltalehti.fi/helsinki/a/20080311 7368145 und vgl.: https://www. uusisuomi.fi/uutiset/suomenrumin-talo-myytiin/f34dc29f-3b7638a5-8659-e56de9af9b3c „Das hässlichste Haus Finnlands wird verkauft“, 09.06.2008 (letzter Zugriff 16.01.2020) 14 Vgl.: https://fi.wikipedia.org/wiki/ Stora_Enson_p%C3%A4%C3%A4konttori (letzter Zugriff 16.01.2020) 15 Vgl.: Griffith 1997, S. 25ff. 16 Vgl.: Fröbe 2018, S. 158ff. 17 Vgl.: Infobroschüre zu Oodi, unpag. 18 https://www.csmonitor.com/World/

Europe/2019/0124/Welcometo-Oodi-Helsinki-s-new-living-room (letzter Zugriff 15.09.2019) 19 Vgl.: Detlefs 2019 20 Vgl.: Detlefs 2019 21 Infobroschüre zu Oodi, unpag. 22 https://www.helmet.fi/en-US/ Libraries_and_services/Helsinki_ Central_Library_Oodi/Oodis_Facilities/Principles_for_safer_space (177204) (letzter Zugriff 15.09.2019) 23 Vgl.: https://www.koeln.de/koeln/ makerspace_in_der_zentralbibliothek_eroeffnet_726305.html (letzter Zugriff 19.01.2020) 24 Vgl.: Interview mit Juha Kaakinen, dem Leiter der finnischen NGO Y-Foundation, in der ZEIT, 01.03.2018, https://www.zeit.de/ gesellschaft/zeitgeschehen/2018 -03/finnland-soziale-gerechtigkeitgrundwohnen-juha-kaakineninterview (letzter Zugriff 16.01.2020) 25 Vgl.: https://minedu.fi/en/article/-/ asset_publisher/helsinkiinsuunnitellaan-maailmanluokanarkkitehtuuri-ja-designmuseota (letzter Zugriff 16.01.2020) 26 https://www.uusimuseo.fi/en/ (letzter Zugriff 17.01.2020) 27 Vgl.: http://www.bbr.bund.de/ SiteGlobals/Functions/Hauptspalte/ DE/BBR/Buehne_Box/inhalt/ 180507_bauakademie_programmwettbewerb.html;jsessionid=21DEA26820B71D7E1047549C6F413A11. live21302 (letzter Zugriff 17.01.2020), und vgl.: https://www.tagesspiegel. de/kultur/wiederaufbau-derschinkelschen-bauakademiehistorische-rekonstruktion-oderblosses-konzept/23952528.html (letzter Zugriff 17.01.2020) 28 https://minedu.fi/en/article/-/ asset_publisher/helsinkiinsuunnitellaan-maailmanluokanarkkitehtuuri-ja-designmuseota (letzter Zugriff 17.01.2020)

Baukultur in Finnland und Deutschland

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Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

Das architekturpolitische Programm der finnischen Regierung vom 17. Dezember 1998 ist eine kleine, reich bebilderte Broschüre mit nur 28 Seiten, die – was wesentlich und auch neuartig war – durch die aktive Kooperation zweier Ministerien, des Ministry of Education (heute Ministry of Education and Culture) und des Ministry of the Environment, zustande gekommen ist. Angestoßen wurde der Prozess von den Architektenverbänden und Architekturinstitutionen, die schon in den 1980er Jahren begonnen hatten, ein architekturpolitisches Programm zu fordern.1 Ausgeführt wurde die Arbeit unter der Leitung des National Council for Architecture und des Ministry of Education mit aktiver Unterstützung der Finnish Association of Architects SAFA.2 Zwei Arbeitsgruppen, die vom Ministerium eingesetzt wurden, waren verantwortlich für die Erstellung der Inhalte: Von Februar 1996 bis Juni 1997 entwickelte die erste Kommission unter Leitung von Prof. Tore Tallqvist die Grundzüge des 43

architekturpolitischen Programms, das im nächsten Schritt einem weiten Expertenkreis zur Begutachtung und Kommentierung vorgelegt wurden. Die Ergebnisse wurden von der zweiten Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Pekka Laatio zwischen Januar und Juni 1998 eingearbeitet. Am 17. Dezember 1998 wurde die Architekturpolitik von der Regierung verabschiedet.3 Die illustrierte Fassung, die vom Ministry of Education und dem Arts Council of Finland finanziert und von SAFA gestaltet und herausgegeben wurde, erschien 1999 zunächst auf Finnisch und Schwedisch und noch im selben Jahr auf Englisch, Französisch und Deutsch. Inhaltlich handelt es sich im Wesentlichen um eine Selbsterklärung bzw. eine an die öffentliche Hand adressierte Ermunterung, in jeder Hinsicht Vorbildfunktion einzunehmen und bei der Errichtung staatlicher Gebäude eine hohe architektonische Qualität zu gewährleisten – in der Hoffnung, dass diese sich nachfolgend auch in der restlichen Gesellschaft spiegelt.4 Gleichzeitig zielt das Programm insbesondere darauf ab, „Voraussetzungen für die Verwirklichung der in der finnischen Verfassung verankerten Grundrechte auf eine gesunde Umwelt zu schaffen. Dafür benötigt man Wissen über Architektur und gebaute Umwelt sowie Möglichkeiten, auf sie Einfluss zu nehmen“, wie es im Vorwort der Architekturpolitik von Paavo Lipponen, dem damaligen Premierminister Finnlands heißt.5 In dem bemerkenswert allgemein gehaltenen Text werden einleitend die Ziele der Architekturpolitik formuliert und die gesellschaftlichen, kulturellen, aber auch wirtschaftlichen Werte der Architektur beschrieben. Sie schaffe die Rahmenbedingungen für das Leben der Menschen, sei aber auch in der Lage, nationale und lokale Identität zu erzeugen und die natürlichen Gegebenheiten zu einer Kulturlandschaft zu veredeln. Aufgrund ihrer langen Lebensdauer 44

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

entstünden bleibende Werte für das Volksvermögen, die im Laufe der Zeit zum Kulturerbe von morgen würden.6 Insgesamt besteht das Programm aus sieben kurzen Kapiteln, in welche die insgesamt 24 kommentierten Beschlüsse eingebettet sind. Einen besonders prominenten Part nimmt das Thema „Kultur und Ausbildung“ ein, was sich auch darin widerspiegelt, dass sich insgesamt zehn der 24 Beschlüsse in diesem Kapitel konzentrieren. Die ersten vier Beschlüsse (7–10) beziehen sich auf den Umgang mit dem architektonischen Erbe und dem Denkmalschutz. Bevor es um das Thema „Allgemeinbildung“ geht, schließt sich ein Unterkapitel an, in dem erklärt wird, die Rolle der Architektur als Bestandteil der Kunst und Kultur stärken zu wollen, da es sich bei der Architektur um eine zentrale und sinnlich wahrnehmbare Form von Kultur handele. „Unsere nationale Identität“, heißt es weiter, „hat ihren dauerhaften Ausdruck häufig in der Architektur gefunden. Durch Bauten haben wir die Vitalität und Einzigartigkeit unserer Kultur gezeigt […]. Darüber hinaus sind die international bekanntesten Beispiele unserer Kultur häufig Bauten.“7 Im daran anschließenden Absatz „Allgemeinbildung“ wird dargelegt, das Architekturverständnis müsse Teil der Allgemeinbildung mündiger Bürgerinnen und Bürger sein. Es wird kritisiert, dass der Architekturunterricht an den Schulen auch aufgrund eines Mangels an Lehrmaterialien unzureichend sei. Das Gesetz zur Basic Education in the Arts biete jedoch eine gute Grundlage, Architektur in verschiedenen Ausbildungsstufen einzurichten. Ferner wird verabredet, die Baukultur im Rahmen der Lehrerausbildung stärker zu betonen. „Der Schlüssel zum Architekturverständnis“, so heißt es weiter, „liegt vorrangig bei der Kunsterziehung sowie bei den umweltbezogenen Fächern, die die Belange der gebauten Umwelt einbeziehen. Die Kompetenzen des Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

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Bürgers, sich an den seine eigene unmittelbare Umgebung betreffenden Entscheidungsprozessen zu beteiligen, wird in großem Maße gefördert, wenn die Architektur ein Bestandteil der Lehrinhalte von Umweltstudien, Biologie, Geographie, Geschichte oder Politischen Wissenschaften wird.“ 8 In den nachfolgenden Beschlüssen heißt es:   „BESCHLUSS 12 Bei der Aufstellung der Lehrpläne wird das Zentralamt für Unterrichtswesen die Bedeutung der Architekturausbildung betonen. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit des Architekturverständnisses bei der Verflechtung der Schulausbildung mit dem kulturellen Leben beachtet.   BESCHLUSS 13 Das [Ministry of Education] prüft die Möglichkeiten, die Architekturausbildung im Rahmen der Erwachsenenbildung zu entwickeln, damit die Handlungsfähigkeit des Bürgers, auf seine Umgebung betreffende Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen, verbessert wird.   BESCHLUSS 14 Den Entscheidungsträgern, gewählten Vertretern und Repräsentanten der Kommunen werden Fortbildungsangebote im Bereich von Architektur und Umwelt gemacht.“ 9 Darüber hinaus wurde entschieden, die Ausbildungen im Bausektor zu verbessern und die Grundlagen der Architektur- und Baugeschichte in die berufliche Ausbildung auf allen Ebenen einzubeziehen (Beschluss 15). Außerdem 46

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

solle in der Ausbildung von Architektinnen und Architekten die Möglichkeit geschaffen werden, die Forschungstätigkeit durch experimentelles Planen und Bauen zu ergänzen (Beschluss 16) und die Architekturforschung zu verbessern (Beschluss 17).10 Die besondere wirtschaftliche Bedeutung des Bauens und die einschneidenden und dauerhaften Auswirkungen auf die Umwelt, die damit einhergehen, erforderten, dass der Verbraucherschutz verbessert werde, wie es im Kapitel „Architektur und Bauqualität“ heißt. Dazu werde eine „Qualitätssteigerung zusammen mit den Prinzipien nachhaltiger Entwicklung unter den Gesichtspunkten von Gesundheit, Funktionalität Ästhetik und klarer Verantwortlichkeit angestrebt“11. Erreicht werden solle das, indem unter anderem mehr Wettbewerbe durchgeführt werden, da diese zum einen Innovationen fördern, zum anderen eine Form der Weiterbildung seien und zudem auch jungen Architekten Chancen eröffneten. „Die große Auswahl an alternativen Lösungen, die ein Wettbewerb anbietet, erleichtert die öffentliche Debatte.“12 Um das öffentliche Bewusstsein für Architektur zu verbessern, sieht das Programm vor, Förderungen und Preise auszuloben, die Rolle des Museum of Finnish Architecture zu stärken, aber auch die Beteiligung an internationalen Ausstellungen, Publikationen oder Veranstaltungen zu fördern.13 Im letzten Teil, in dem es um die Umsetzung der architekturpolitischen Ziele geht, wird deutlich, dass für die beteiligten Akteurinnen und Akteure die ausformulierte Architekturpolitik keineswegs das Endziel ist, sondern erst als der Beginn der eigentlichen Arbeit betrachtet wird.14

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

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Besonderheiten der finnischen Architekturpolitik von 1998 Entscheidend zum Erfolg der finnischen Architekturpolitik dürfte beigetragen haben, dass sie von konkreten Maßnahmen flankiert wurde, die dafür sorgten, dass es nicht bei einem Dokument bzw. einer bloßen Absichtserklärung geblieben ist. So erhielt die Arbeit am Programm der nationalen Architekturpolitik zusätzlichen Auftrieb durch den gleichzeitigen Erneuerungsprozess des „Land Use and Building Acts“. Das Gesetz trat Anfang 2000 in Kraft und schuf die Grundlage sowohl für eine bessere Mitbestimmung in Planungsprozessen als auch in Bezug auf den Erhalt von gebautem Kulturerbe.15 Im Juni 2001 folgte die National Strategy for Built Heritage, was Paavo Lipponen als eine der bedeutendsten Folgen des architekturpolitischen Programms von 1998 wertete.16 Interessant ist, dass nicht nur flankierende Maßnahmen die Architekturpolitik begleitet haben, sondern dass sie selbst als flankierende Maßnahme konzipiert und kommuniziert wurde. Bereits 1995 war im Zuge der Grundrechtsreform das Recht auf ein gesundes Lebensumfeld, an das sich auch Bürgerpflichten koppeln, in den finnischen Grundrechtekatalog integriert und 1999 in der neuen finnischen Verfassung verankert worden.17 Diese Einbettung und Verzahnung mit anderen Programmen und Gesetzgebungsverfahren auf unterschiedlichen Ebenen hat sicherlich wesentlich dazu beigetragen, dass die finnische Architekturpolitik nicht allein auf dem Papier Bestand hatte, sondern vieles erfolgreich umgesetzt werden konnte, wie noch darzustellen sein wird. Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass innerhalb des architekturpolitischen Programms ein Balanceakt zwischen maximaler Offenheit einerseits und präziser Konkretisierung 48

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

andererseits geschaffen wurde. Der Text ist so allgemein und grundsätzlich formuliert, dass er in jeder Hinsicht auf breite Zustimmung stoßen dürfte. Darin wird, wie Tiina Valpola, Gründungsdirektorin des Architecture Information Centre Finland (Archinfo Finland), im Gespräch vermutete, auch die Begründung zu finden sein, warum die Architekturpolitik von 1998 international diese große Beachtung erfuhr: „Den Text kann im Prinzip jeder unterschreiben. Er ist immer noch gut, auch wenn aus heutiger Sicht natürlich einiges fehlt.“18 So werden in dem kurzen, prägnanten Text die gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Werte der Architektur beschrieben und wird die Bedeutung, welche die gebaute Umwelt für jeden Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft als übergeordnete Kulturleistung hat, dargelegt. Dass diese Aussagen nicht nur in Finnland, sondern überall Gültigkeit besitzen, zeigt sich auch darin, dass die Architekturpolitik im Jahr 2007 überraschend ins Arabische übersetzt wurde.19 (Abb. 12) Gleichzeitig ist das Dokument insofern konkret, als es sich im Prinzip um eine Selbstverpflichtung der öffentlichen Organe handelt, im Rahmen der Gestaltung aller Bauten vorbildlich zu agieren, wann immer möglich Wettbewerbe zu initiieren und ein Höchstmaß an Innovation und Qualität zu ermöglichen. Das ist ein durchaus naheliegender Ansatz, da an dieser Stelle die Optionen, kontrollierend einzugreifen, tatsächlich gegeben sind. Dem offen formulierten allgemeinen Text stehen die 24 Beschlüsse gegenüber, von denen zwei Drittel so konkret sind, dass sie sogar Adressatinnen oder Adressaten nennen, die für die Prüfung oder Umsetzung verantwortlich sind. Manchmal ist nur lapidar von den „staatlichen Auftraggebern“ oder den „staatlichen Büros“ die Rede. In den meisten Fällen aber werden die Verantwortlichen – das Ministry of Education, das National Board of Education, das Ministry of Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

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the Environment, das National Board of Antiquities, das Museum of Finnish Architecture oder die Academy of Finland als direkte Verantwortliche – genannt. Möglicherweise hat diese Konkretisierung dazu geführt, dass weite Teile der in der Architekturpolitik formulierten Ziele erfolgreich implementiert werden konnten. Dieser Beobachtung steht einer Äußerung Tiina Valpolas gegenüber, die im Gespräch gegenteiliger Auffassung war. Sie bemängelte, die Architekturpolitik von 1998 sei nicht deutlich genug adressiert gewesen. Ihrer Einschätzung nach habe der Staat sich in erster Linie mit dem Dokument dazu ermutigt, selbst als Vorbild zu agieren. Das Problem sei gewesen, dass die Aufgaben und Verantwortlichkeiten für die Umsetzung und Ausführung der Maßnahmen nicht klar genug definiert wurden. Daher sei es nicht gelungen, alle relevanten Akteurinnen und Akteure der Baubranche zu erreichen.20 Auch Petra Havu teilte im Gespräch die Auffassung Valpolas und bezeichnete die Implementierung als Schwäche der 1. Policy: „Wir haben ein nettes Programm aufgelegt, aber die Implementierung ist nicht so gut gelaufen, wie man sich das gewünscht hat.“21 Laut Tiina Valpola ist der Umsetzungsprozess bis 2011 in zwei Wellen verlaufen. In der ersten Phase, die sie zwischen 1998 und 2003 ansetzt, sei die Implementierung zügig vorangekommen und habe nach einer kurzen Stagnationsphase ab 2004 wieder an Fahrt aufgenommen.22 Begleitet wurde der Prozess während der ersten Phase aktiv von der Association of Finnish Architects SAFA in enger Kooperation mit dem National Council for Architecture, mit dem Ziel, die Architekturpolitik überall im Land bekannt zu machen. Diese Öffentlichkeitsarbeit, die von Heini Korpelainen koordiniert wurde, brachte eine illustrierte Publikation des Programms und rund 50 Informationsveranstaltungen im ganzen Land hervor.23 Korpelainen war auch Geschäftsführerin 50

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

der Monitoring-Group, die 2002 den Follow-up Report (Valtioneuvoston arkkitehtuu-ripoliittisen ohjelman toteutumisen seuranta ja jatkotoimenpiteet) über die Implementierung der Architekturpolitik erstellte.24 Dieser Report wurde im Juni 1999 vom Ministry of Education and Culture in Auftrag gegeben und drei Jahre später, im Juni 2002, vorgelegt. Aus dem Bericht der 13-köpfigen Arbeitsgruppe geht hervor, dass die Umsetzung in den ersten drei Jahren als durchaus erfolgreich eingeschätzt wurde, wobei zu dem Zeitpunkt nur neun der insgesamt 24 Maßnahmen umgesetzt worden waren. Im Fall der nicht realisierten Maßnahmen seien in der Regel die Ansprechpartnerinnen und -partner entweder nicht korrekt oder nicht richtig identifiziert worden, wie aus der Zusammenfassung des Reports hervorgeht.25 Als Erfolg verbucht die Monitoring-Group, dass das Programm die Architektur auf die politische Agenda gehoben habe und ein Prozess mit vielen Verantwortlichen im ganzen Land in Gang gesetzt worden sei. Auch die Monitoring- und Evaluierungsphase habe unterschiedlichste Akteurinnen und Akteure in Interaktion gebracht, so dass ein wertvoller Lernprozess angestoßen worden sei.26 Insgesamt positiv bewertet wird die Umsetzung der architekturpolitischen Maßnahmen im Bereich „Kultur und Ausbildung“, wobei es jedoch auch Einschränkungen gibt. So sei die Maßnahme 11, in der vorgesehen war, die Stellung der Architektur innerhalb der Kunst und Kultur Finnlands zu verbessern, zwar insgesamt als erfolgreich bewertet worden – angeführt wird hier beispielsweise die Gründung der Alvar Aalto Acadamy –, die Autorinnen und Autoren weisen jedoch darauf hin, dass der Architekturetat des Ministry of Education and Culture in den vergangenen Jahren rückläufig gewesen sei.27 Auch die Maßnahme 12, also die Bemühung, die Architecture Education in den Schulcurricula zu verankern, sei vorangekommen Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

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und werde fortgesetzt. Es wird jedoch explizit darauf hingewiesen, dass nicht genügend Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte verfügbar seien.28 Dem Bericht ist außerdem zu entnehmen, dass die Maßnahmen 13 bis 15 nach Einschätzung der Arbeitsgruppe nicht vorangekommen sind: Es sei bislang nicht gelungen, die Architecture Education in die Erwachsenenbildung zu integrieren, Entscheidungsträgerinnen und -träger und gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen fortzubilden und die Grundlagen der Architektur- und Baugeschichte in der beruflichen Ausbildung zu stärken. Auch die Maßnahme 16, in der Architekturausbildung die Möglichkeit zu schaffen, die Forschungstätigkeit durch experimentelles Planen und Bauen zu ergänzen, erfordere weitere Maßnahmen.29 Da erst neun der insgesamt 24 Maßnahmen erfolgreich umgesetzt werden konnten, empfiehlt die Monitoring-Group, die architekturpolitische Arbeit fortzusetzen, und schlägt neun Folgemaßnahmen vor. Dazu gehört unter anderem, alle drei Jahre einen Bericht über die Fortschritte der Implementierung des architekturpolitischen Programms zu erstellen.30 Des Weiteren sprechen sich die Autorinnen und Autoren für die Einrichtung eines Information and Promotion Centres für die Architektur aus, zu dessen Kernaufgaben das Fördern der finnischen Architektur und Kultur, aber auch die Verbesserung des architektonischen Bewusstseins gehören solle (Forderung 6). Unter 7 und 8 werden explizit die Forderungen aus dem architekturpolitischen Programm von 1998 erneuert, die vorsehen, die Architecture Education in den Schulcurricula, in der Erwachsenenbildung und in der Schulung von Politikerinnen und Politikern sowie Entscheidungsträgerinnen und -trägern zu intensivieren.31 Einen Eindruck davon, wie gut die Architecture Education zu dem Zeitpunkt in Finnland bereits aufgestellt 52

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

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Abb. 12

war, vermittelt ein zweiter Report: Discovering Architektur. Civic Education in Architecture in Finland, der 2001 von der Finnish Association of Architects und dem Arts Council of Finland (heute Arts Promotion Centre) herausgegeben wurde und an anderer Stelle noch eingehender betrachtet werden soll. In dieser ersten Phase wurden laut Valpola zahlreiche Architecture Education-Projekte, die durch die Förderpolitik des Ministry of Education und des National Council for Architecture ermöglicht wurden, durchgeführt,32 so dass den Autorinnen und Autoren der Studie zu diesem frühen Zeitpunkt schon rund 200 Projekte überall in Finnland bekannt waren.33

Lokale und regionale Architekturpolitiken Zu den wichtigsten Erfolgen der finnischen Architekturpolitik von 1998 gehört ein Aspekt, der erst während der zweiten Implementierungswelle zum großen Thema wurde: Infolge der nationalen Architekturpolitik sind in zwölf Städten und fünf Regionen Finnlands auf freiwilliger Basis lokale architekturpolitische Programme entstanden, von denen einige heute bereits einer Revision unterzogen worden sind. Das ist insofern überraschend, als es in der nationalen Architekturpolitik keinerlei Hinweise oder Empfehlungen dahingehend gab, wie Tiina Valpola in einem Vortrag im November 2015 in Luxemburg betonte.34 Die ersten lokalen Programme entstanden bereits während der ersten Implementierungswelle: Schon im Jahr 2000 hatte sich die Provinz Ostfinnland ein maßgeschneidertes regionales Programm gegeben, und 2002 verabschiedeten die ersten Städte, Jyväskylä und Oulu, ihre lokale Architekturpolitik. Dass im Rahmen der zweiten Implementierungswelle zehn weitere Städte und vier Regionen 54

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

nachzogen, ist auf eine aktive Informationspolitik ausgehend vom Ministry of Education zurückzuführen. Nachdem es 2003 im Anschluss an den Follow-up Report zu einer Phase der Stagnation kam, wurde das Ministerium 2004 aktiv und hat die Verantwortung für die Weiterimplementierung und Förderung der architekturpolitischen Ziele an das National Council for Architecture (heute National Council for Architecture and Design) delegiert, das unter dem Vorsitz von Anna Brunow damals die Stelle eines Special Advisors for Architecture einrichtete, mit dem Ziel, unter anderem die nationale Architekturpolitik auf lokaler und regionaler Ebene zu bewerben.35 Diese Stelle besetzte 2004 bis 2012 bis zur Gründung des Architecture Information Centre Finland (Archinfo Finland) Tiina Valpola, die zu dem Zeitpunkt als aktives Mitglied der Architektenvereinigung SAFA bereits auf unterschiedlichen Ebenen in den Implementierungsprozess der nationalen Architekturpolitik involviert und überdies Vorstandsmitglied in drei der fünf Gründungsinstitutionen, SAFA, dem Museum of Finish Architecture und der Building Information Foundation, war.36 Unter Valpolas Leitung erhielt der Umsetzungsprozess zwischen 2004 und 2011 eine neue Dynamik: „Die Aktivitäten veränderten sich, wurden sichtbarer und der Fokus wurde radikal erweitert. Wir haben uns nicht mehr auf die Vorstellung des PolicyDokuments konzentriert, sondern haben begonnen, Aktivitäten auf der Graswurzelebene zu fördern und Entscheidungsträgerinnen und -träger, Akteurinnen und Akteure und Behörden im Umweltbereich, aber auch Bürgerinnen und Bürger sowie Schulkinder aufzuwecken.“ 37 Zwischen 2004 und 2011 wurde unter Valpola jährlich eine größere Veranstaltung durchgeführt, die sich an kommunale Akteurinnen und Akteure und Schlüsselpersonen aus dem Bereich der Baukultur richtete, aber auch internationale Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

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Gastrednerinnen und Gastredner im Programm hatte.38 Valpola zufolge war damals vielen Akteurinnen und Akteuren in den Kommunen das nationale architekturpolitische Programm bereits aus der dreijährigen Entwicklungszeit bekannt, da die Entwürfe in den verschiedenen Stadien zum Kommentieren auch in den Kommunen zirkulierten. Mithilfe der Informationsveranstaltungen und einem konkreten Beratungsangebot wurden im Rahmen der zweiten Implementierungswelle Städte, Gemeinden und Regionen dazu ermutigt, das Wissen, das im Rahmen der Entwicklung des nationalen Programms erworben wurde, auch auf lokaler und regionaler Ebene anzuwenden. Die neu geschaffene Stelle des Special Advisors for Architecture habe sich positiv auf die Weiterentwicklung ausgewirkt, da die Architekturpolitik auf diese Weise einen direkten Ansprechpartner – sozusagen eine Telefonnummer – bekommen habe.39 (Abb. 13) Interessant sind laut Jaana Räsänen die lokalen und regionalen Policies. Räsänen ist eine der Pionierinnen der Architecture Education für Kinder und Jugendliche, die lange als Expertin für Architecture Education für Archinfo Finland tätig war und heute als Direktorin von ARKKI arbeitet. Mit den lokalen und regionalen Policies habe die Botschaft der nationalen Politik, die sich eher an Politikerinnen und Politiker oder Entscheidungsträgerinnen und -träger richte, heruntergebrochen werden können auf die kommunale Ebene, die tatsächlich die Bürgerinnen und Bürger betreffe.40 Wie die nationale Architekturpolitik enthalten die regionalen oder lokalen architekturpolitischen Programme in der Regel Empfehlungen zur Verbesserung des öffentlichen architektonischen Bewusstseins, zum nachhaltigen Schutz des lokalen gebauten Erbes, aber auch zur Durchführung von Wettbewerben und zur Architecture Education von Kindern und Jugendlichen. Gemeinsam ist ihnen überdies, dass sie 56

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

das Potenzial haben, das regionale und lokale Selbstwertgefühl der Bürgerinnen und Bürger sowie der Politiker und Politikerinnen zu verbessern.41 Wie wirksam die lokalen Architekturpolitiken im Endeffekt sind, ist jedoch Valpola zufolge von Stadt zu Stadt unterschiedlich. So sei es einigen Kommunen gelungen, die lokale Architekturpolitik in andere Entwicklungsstrategien zu integrieren und sie als „kollaborative Lernplattform“ zu nutzen. In einigen Fällen – das müsse ehrlicherweise auch gesagt werden – sei es dagegen eher bei einer kulturellen Proklamation geblieben, als dass sie zu einem praktischen Katalysator geworden sei. Insgesamt könne festgehalten werden, dass der Prozess in der Regel immer wichtiger war als das Dokument selbst, da während der etwa zweijährigen Entwicklungsarbeit so viel über Architektur und Baukultur gesprochen und debattiert worden sei wie niemals sonst zuvor,42 ein Ergebnis, zu dem auch Petri Tuormala in seiner Studie über lokale und regionale architekturpolitische Programme in Finnland kommt.43 Dass die lokalen und regionalen architekturpolitischen Prozesse für die Kommunen durchaus nützlich waren, zeigt sich laut Valpola auch daran, dass einige Städte wie Vantaa (2015), Kuopio (2017), Oulu (2017) oder Jyväskylä (2019) bereits eine zweite Generation lokaler Architekturpolitiken auflegten, die Stadt Helsinki aktiv an einer Neuauflage arbeitet und Tampere eine solche diskutiert.44 Gemeinsam sei den Architekturpolitiken der zweiten Generation, dass sie noch individueller auf die Städte zugeschnitten, konkreter und interaktiver seien als die alten Programme. Das anhaltende Interesse an den architekturpolitischen Programmen erklärt Valpola damit, dass die neuen Forderungen nach Interaktion und Partizipation sowohl neue Akteurinnen und Akteure als auch eine gemeinsame Wissensbasis erforderlich machten. Aber auch der Wettbewerb mit anderen Kommunen sei Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

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LOCAL AND REGIONAL ARCHITEHTUURA

Municipal Programmes completed /accepted by the city council or board

JYVÄSKYLÄ 6/02

in preparation

ITÄ-SUOMI 11/00

pending

OULU 10/02 Regional Programmes completed in preparation pending

4. Arkipäivän arkkitehtuuripolitiikka: Nostetta paikkojen ja seutujen kehittämiseen Oulu 27.11.2009 5. Rakennetun ympäristön kulttuuri kehitysvoimana Savonlinna 21.9.2010 6. Does the built environment need new kind of quality catalysts? Helsinki 23.9.2010 7. Cities for People – yleisöluennot Turku 17.3.2011 8. Kaupunki rakentuu rannoiltaan – Kohtaavatko odotukset? Turku 29.9.2011

1998

Järjestäjänä valtion rakennustaidetoimikunta yhteistyössä OKM:n ja YM:n kanssa.

Abb. 13

2003

3. Kokonaisvaltaista ja kestävää! Paikkojen ja seutujen uudet haasteet Helsinki 24.9.2008

FIRST WAVE

2002 THE FOLLOW-UP REPORT International seminar

Celebrating the Everyday – Aspects of Architectural Policies Helsinki 19–21.10.2006

2001

2. Tulevaisuuskuvia, arjen työvälineitä vai sitovia toimintaohjeita – kohtauspaikka arkkitehtuuripoliittisia ohjelmia laativille kunnille ja alueille Helsinki 12.1.2006

2000

1. Moniääninen suunnittelu – Arkkitehtuuripoliittiset ohjelmat kuntien ja julkishallinnon työvälineenä Helsinki 3.12.2004

1999

Discussing Architectural Quality Helsinki 21.5.2002

The Government’s Architectural Policy approved by the Council of State on 17 December 1998

ARCHITECTURE POLICY SEMINARS

AL POLICY PROGRAMMES IN FINLAND

UUSI OHJELMA vireillä/harkinnassa 2007 ARCHITECTURE POLICY PROJECT ENDS

SR 12/06 VANTAA 1/06 HELSINKI 6/06, 9/07

2/09

VARSINAIS-SUOMI 06 HÄME 07 TURKU 2/2009 TAMPERE 08 KUOPIO 11/07 LPR 10/07

FINNISH CENTRE FOR ARCHITECTURE STARTS

UUSI OHJELMA  TEKEILLÄ 2006

ESPOO vireillä 2006 alkaen PIETASAARI tekeillä 2006 alkaen SEINÄJOKI vireillä 2006 alkaen VAASA vireillä/harkinnassa 2006 alkaen

SECOND WAVE

SATAKUNTA 07 – 2/13 TYRNÄVÄ vireillä 2007 alkaen LAHTI 10 LOHJA 6/09 KOTKA vireillä 09 NURMIJÄRVI 09 RAASEPORI vireillä 09 HAMINA vireillä 09 International seminar

KAAKKOIS-SUOMI 09

2013

2012

2011 7. Seminar 8. Seminar

2010

6. Seminar

4. Seminar 5. Seminar 2009

2008

3. Seminar

KIRKKONUMMI

2007

2006 2. Seminar

1. Seminar

INKOO vireillä 09

2005

SPECIAL ADVISOR for the National Council for Architecture

UUSIMAA 09

ein Grund und hinzu komme, dass Stadtentwicklung in den letzten beiden Jahrzehnten ungleich komplizierter geworden sei als früher, so dass ein strategisches Ziel-Rahmenwerk ein tatsächlicher Bedarf sei. Feststellbar sei zudem, dass auch das Baugewerbe zunehmend interessierter an politischer Zusammenarbeit sei, da sich gezeigt habe, dass die Klientinnen und Klienten qualitätsbewusster seien als früher.45 Mit der Gründung von Archinfo Finland im Jahr 2013, über das im folgenden Kapitel eingehend berichtet wird, wurde die Beratungstätigkeit in den Regionen und Kommunen fortgesetzt und auch die Idee der Revision der nationalen Architekturpolitik bekam neuen Auftrieb. Bereits in ihrer Funktion als Special Advisor for Architecture im National Council for Architecture stieß Tiina Valpola einen Erneuerungsprozess an. Aus der unveröffentlichten Präsentation eines im November 2011 auf der EFAP-Konferenz in Gdansk gehaltenen Vortrags Valpolas geht hervor, dass schon kurz nach der Herausgabe der nationalen Architekturpolitik von 1998 der Ruf nach einer Reformierung laut wurde und sich nahezu die ganze Dekade hielt.46 Den Anstoß dazu hat sicherlich der 2002 publizierte Follow-up Report gegeben, aus dem hervorging, dass nur in neun der 24 Bereiche etwas geschehen war.47 Aus dem Jahresreport 2008 an das Ministry of Education and Culture, den Tiina Valpola in Auszügen übersetzt zur Verfügung stellte, geht hervor, wie weit der Prozess bereits in dem Jahr gediehen war. Demnach tagte die informelle Apoli2Arbeitsgruppe, die sich aus insgesamt zwölf Vertreterinnen und Vertretern des Ministry of Education, des Ministry for the Environment, des National Council for Architecture und der Finnish Association of Architects SAFA zusammensetzte, im Jahr 2008 mehrfach und gewann 2009 die Abteilung Regional Development des Ministry of Economic Affairs and Employment als neuen Partner hinzu. 2010 bis 2011 wurden 60

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

drei Workshops, die vom Ministry of the Environment organisiert wurden, durchgeführt, wobei der letzte sogar an eine internationale Konferenz gekoppelt war.48 Trotz der guten Sichtbarkeit, welche die Apoli2-Arbeit auf administrativer Ebene erlangte, und trotz der aktiven Grundlagenarbeit der Arbeitsgruppe ist es laut Valpola nicht gelungen, der Reform der Architekturpolitik einen offiziellen Status zu verleihen, was zum Teil auf die umfangreichen organisatorischen Reformen in den Ministerien und die damit einhergehenden veränderten Stellenbeschreibungen zurückzuführen war.49 Über den „im Sand verlaufenen Apoli2-Prozess“ schreibt Tiina Valpola in einer E-Mail vom 21. Dezember 2019: „Rückwirkend betrachtet, wurde der Prozess durch große organisatorische Veränderungen in der obersten Leitung der Ministerien, insbesondere im Ministry of the Environment, behindert. Als schwierig hatte sich auch die Fluktuation der an der Arbeitsgruppe beteiligten Vertreterinnen und Vertreter der Ministerien und das Fehlen klarer Verantwortlichkeit erwiesen. Trotzdem setzten die Ministerien ihre Zusammenarbeit fort, zum Beispiel im Rahmen der Organisation nationaler Seminare zur Förderung der lokalen Architekturpolitik oder mit der Teilnahme an Veranstaltungen des ‚European Forum for Architectural Policies‘-Netzwerkes.“ 50 Auch nach dem Auslaufen dieses Prozesses bestand laut Valpola die eindeutige Zusage des Ministry of Education and Culture, einen Revisionsprozess der Architekturpolitik durchzuführen. „Es war ebenfalls ein Prozess, der einige Jahre dauerte, bis das Ministerium finanzielle Ressourcen bereitstellen konnte für die Arbeit“ 51, so dass die Arbeit an einer neuen Architekturpolitik erst 2016 unter Leitung der neuen geschäftsführenden Direktorin von Archinfo Finland, Hanna Harris, aufgenommen werden konnte. Nötig geworden ist eine Revision der Architekturpolitik, wie Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

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es auf der Webseite des Ministry of Education and Culture über den neu angestoßenen APOLI2020-Prozess heißt, aus folgendem Grund: „Während in den letzten Jahren das Programm auf der lokalen Ebene Fortschritte gemacht hat, ist das nationale Programm nie upgedatet worden.“52

APOLI2020 Im Mai 2019 wurde bekannt gegeben, dass geplant sei, die nationale Architekturpolitik einer Revision zu unterziehen und bis zum Herbst 2020 ein neues architekturpolitisches Programm, APOLI2020, zu entwickeln. Auf die Frage, warum es eines neuen Programmes bedürfe, antwortete Petra Havu, die als leitende Ministerialberaterin im Ministry of Education and Culture, Abteilung für Kunst und Kulturpolitik verantwortlich für den APOLI2020-Prozess ist: „Hier in Finnland haben wir das Problem, dass unsere Architekturpolitik 20 Jahre zurückliegt. Wir haben kein Netzwerk mehr […] 20 Jahre sind einfach eine lange Zeit. Die Gesellschaft hat sich verändert – nicht komplett, aber sie hat sich doch verändert – und wenn das Dokument so alt ist, verliert es seine Gültigkeit, weil sich die Bedingungen drum herum so stark verändert haben. Eine 20 Jahre alte Architekturpolitik ist zu alt, um noch implementiert werden zu können – denn es ist noch nicht alles implementiert worden! […] Wir haben auch eine neue Regierung, neue Minister – die wollen natürlich die Politik auch verändern. Hinzu kommt, dass auch andere Themen relevant sind als vor 20 Jahre – Themen, die nicht an Regierungen gekoppelt sind.“53 Havu berichtete, dass für den APOLI2020-Prozess ein komplett neues Netzwerk aufgebaut werden musste, da die Akteurinnen und Akteure, die vor 20 Jahren die Architekturpolitik entwickelten, 62

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

heute im Ruhestand seien oder woanders arbeiteten. „Wenn es kein Netzwerk gibt, und die Leute nicht daran gewöhnt sind miteinander zu kooperieren, ist es sehr schwierig, die richtigen Partnerinnen und Partner zu finden, um so eine Zusammenarbeit aufzubauen. Auch in Finnland ist jedes Ministerium unabhängig – aber wir haben jetzt eine gute Kooperation mit dem Ministry of Environment und haben nun die richtigen Ansprechpartnerinnen und -partner gefunden, mit denen wir sehr gut zusammenarbeiten. Aber am Anfang war es recht mühsam. Man muss verhandeln und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der unterschiedlichsten Ebenen treffen. Es braucht ein gemeinsames Verständnis. Das ist zeitaufwendig, da wir natürlich alle viel auf dem Tisch haben und nur in kleinen Schritten vorangekommen sind.“54 Die Webseite des Ministry of Education and Culture gibt Auskunft darüber, dass der neuen Arbeitsgruppe 21 ständige Mitglieder angehören, die ein breites Spektrum an Fachwissen in Bezug auf die gebaute Umwelt mitbringen.55 Zusätzlich sei geplant, in dem Prozess weitere Expertinnen und Experten zu konsultieren und Interessengruppen einzubeziehen. Der Prozess wird geschäftsführend von Archinfo Finland organsiert; als erste Vorsitzende der Arbeitsgruppe fungiert Riitta Kaivosoja, Generaldirektorin des Ministry of Education and Culture, die Stellvertreterposition teilen sich Petra Havu vom Ministry of Education and Culture und Harri Hakaste vom Ministry of the Environment.56 Hanna Harris, seit 2016 Direktorin von Archinfo Finland, das mit der Geschäftsführung betraut ist, berichtete im persönlichen Gespräch von den langwierigen Vorarbeiten, die im Vorfeld der eigentlichen Policy-Arbeit stattfanden. Den Auftakt für die Gespräche mit dem Ministry of Education and Culture, an dem Archinfo Finland andockte, bildete die Konferenz „More Architecture – Architecture as Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

63

a Resource for Nordic Culture“ im Oktober 2016 in Helsinki. Im Anschluss an die Konferenz wurde Archinfo Finland vom Ministerium mit einer Vorstudie beauftragt, in deren Rahmen etwa 25 Schlüsselpersonen befragt wurden, um herauszufinden, ob eine Architekturpolitik auch heute noch von Bedeutung ist und falls ja, welche Themen gegenwärtig von Bedeutung sind. Nachdem die Vorstudie 2017 publiziert war,57 wurden Harris zufolge zunächst Gespräche innerhalb des Ministeriums aufgenommen, die nach und nach auch auf das Umweltministerium ausgedehnt wurden. Gelernt habe sie dabei, dass es durchaus möglich sei, unterschiedliche Positionen zusammenzubringen, dass es jedoch Zeit brauche und nicht nebenbei erfolgen könne. Es folgten laut Harris ein Jahr lang diverse Round-Table-Diskussionen in den Ministerien, an denen immer zehn bis zwölf Personen beteiligt waren. Erst Ende April 2019 sei gemeinschaftlich entschieden worden, einen neuen Prozess zu starten. Als Themen, die in dem APOLI2020-Prozess Berücksichtigung finden sollen, nennt die Webseite des Ministry of Education and Culture folgende Stichworte: + „Nachhaltige Entwicklung und Ökobilanz + Gesundheit und Wohlbefinden + Gleichstellung, Antidiskriminierung und Inklusion + Digitalisierung, neue Technologien und innovatives Denken + Demografischer Wandel, Regionalentwicklung und Migration + Bedeutung, Wettbewerbsfähigkeit und Export finnischer Architektur + Kulturerbe und Kulturtourismus + Architekturkritik, -theorie und -forschung + Architecture Education und Fortbildung“58. 64

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

Zu den erklärten Zielen der APOLI2020 gehört laut Harris außerdem, der Entwicklung lokaler Architekturpolitiken noch mehr Unterstützung zukommen zu lassen und noch mehr lokale Akteurinnen und Akteure zu involvieren – das betreffe auch die Schulen, da die Schulpolitik lokal bestimmt werde.59 Dass auch im Rahmen der neuen nationalen Architekturpolitik der Architecture Education eine bedeutende Rolle zukommen wird, lässt bereits die 2017 erstellte Vorstudie Tulevaisuuden suomea Rakentamassa. Arkkitehtuuripolitiikan uudistamisen suuntaviivoja (Die Zukunft Finnlands gestalten. Leitlinien für die Reform der Architekturpolitik) erahnen, in der das Thema prominent behandelt wird. Es wird darin betont, wie wichtig es sei, dass Kindern und Jugendlichen in Kindergärten, Grundschulen und Gymnasien der Zugang zur Welt der Architektur ermöglicht werde. 60 Zu den neuen Herausforderung gehöre beispielsweise, dass die Integration der Architektur mit dem neuen Curriculum für die Gemeinschaftsschule, das 2016 in Kraft getreten ist, auf den ersten Blick schwieriger geworden sei, da der bis dahin obligatorische Architekturkurs, der in der Kassenstufe 1–7 im Rahmen des Kunstunterrichts vorgesehen war, gestrichen wurde. Dafür betone aber das neue Curriculum das fächerübergreifende phänomenorientierte Lernen, für das die Architektur als Querschnittsthema prädestiniert sei.61 Auch auf kommunaler Ebene sei Entwicklungsbedarf festgestellt worden, um den Zugang zur Architecture Education zu erleichtern. Auf dieser Ebene sei zwar in den vergangenen Jahren viel getan worden, aber längerfristiger Unterricht konzentriere sich hauptsächlich auf Universitätsstädte, in denen Architektinnen und Architekten oder Lehrkräfte ausgebildet werden. Architektur im Rahmen der Basic Education in the Arts werde nur in der Metropolregion, in Jyväskylä oder am Golf von Lappland angeboten. Überall sonst Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

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seien lediglich kurzeitige Projekte verfügbar.62 Darüber hinaus wird vor dem Hintergrund des aktuellen „Land Use und Building Acts“, das den Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf Mitbestimmung einräumt, die Forderung erneuert, die Architecture Education in die Erwachsenenbildung zu integrieren, aber auch Politiker und Politikerinnen sowie Entscheidungsträger und -trägerinnen zu schulen, wie es bereits 1998 gefordert wurde.63 Zu erwarten ist Mikko Hartikainen zufolge, der als Vertreter das Finnish National Agency of Education Teil der APOLI2020-Arbeitsgruppe ist, dass der Themenkomplex „Partizipation von Kindern und Jugendlichen an realen Planungsprozessen“ gestärkt wird.64 Zu den großen Neuerungen gehört gemäß Harris, dass erstmals auch die Bauindustrie im Rahmen eines solchen Prozesses mit am Tisch sitzt, was für die Qualitäts- und Nachhaltigkeitsdebatte wesentlich sei.65 Insgesamt vier Workshops sind vorgesehen, wobei der letzte im Frühjahr 2020 sich dem Thema „Architecture Education“ widme, wie Eeva Astala von Archinfo Finland berichtete.66 Zu den wichtigsten Zielen der neuen Architekturpolitik gehört laut Petra Havu die Fokussierung auf eine bessere Implementierung, was die Schwäche des ersten Policy gewesen sei. Aus dem Grund sei es so wichtig, alle relevanten Akteurinnen und Akteure und Organisationen von Anfang an in den Prozess zu involvieren und ein tragfähiges Netzwerk aufzubauen: „Es geht letztendlich nicht um das Dokument, sondern um den Prozess und die Leute. Es muss ein Netzwerk aufgebaut und erhalten werden. Die eigentliche Arbeit beginnt erst nach der Verabschiedung des Dokuments.“67

66

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

Fazit: Architekturpolitische Prozesse Wenn die Baukulturellen Leitlinien des Bundes nicht nur eine „kulturelle Proklamation“, sondern ein „Katalysator“ werden sollen, um es mit Tiina Valpolas Worten auszudrücken, kann Deutschland viel von den finnischen Erfahrungen im Entwickeln, Implementieren und Überarbeiten von architekturpolitischen Prozessen lernen. Das gegenwärtig laufende APOLI2020-Verfahren und sein gescheiterter Vorgänger Apoli2 lassen erahnen, wie schwierig und langwierig so ein Entstehungsprozess ist und welche enormen Kraftanstrengungen im Vorfeld erforderlich sind, bevor der eigentliche Gestaltungsprozess beginnen kann. Das Beispiel zeigt, dass die Ausgangsbedingungen für eine interministerielle Zusammenarbeit in Finnland vermutlich keineswegs besser gewesen sind als in Deutschland und überall sonst auf der Welt. Der Implementierungsprozess der Architekturpolitik 1998 veranschaulicht zum einen, dass eindeutige Verantwortungsbereiche definiert werden müssen, und dass zum anderen der Umsetzungsprozess nicht von allein erfolgt, sondern sorgfältig orchestriert werden muss, um erfolgreich sein zu können. Es bedarf Akteurinnen und Akteure nach dem Vorbild des finnischen Special Advisors for Architecture im National Council for Architecture, welche die architekturpolitischen Maßnahmen kommunizieren und als Ansprechpartnerinnen und -partner sowie Beraterinnen und Berater fungieren, wenn es darum geht, die einzelnen Aspekte Maßnahmen in den Bundesländern, Regionen und Kommunen weiterzuentwickeln, und nach Möglichkeit einer zentralen 67

Einrichtung vergleichbar mit Archinfo Finland anzuvertrauen, welche die Verantwortung für die Prozesse übernehmen kann und das Know-how bündelt. Die Voraussetzungen dafür sind in Deutschland gut, da bereits auf Bundes,- Landesund Kommunalebene ein weit verzweigtes Netzwerk von Baukulturvereinen, Netzwerken und Stiftungen, allen voran die Bundesstiftung Baukultur, existiert, an das entsprechend angedockt werden könnte. Zu den interessantesten Aspekten der finnischen Architekturpolitik gehört für Deutschland sicherlich das Thema der lokalen und regionalen Architekturpolitiken, die infolge des nationalen Programms auf freiwilliger Basis entstanden sind. Das ist für Deutschland insofern bemerkenswert, als das föderale System eine übergeordnete Baukulturstrategie des Bundes grundsätzlich infrage stellt. Von der nationalen finnischen Architekturpolitik aus dem Jahr 1998 kann Deutschland lernen, wie es gelingen kann, eine Bundesstrategie zu entwickeln, die so offen und allgemein formuliert ist, dass sie im nächsten Schritt in den Bundesländern und auch auf regionaler und kommunaler Ebene zur Aneignung einlädt. Die Baukulturellen Leitlinien des Bundes sollten daher von ähnlicher Einfachheit und Klarheit sein, wie jene, die 1998 in Finnland formuliert wurden. Sie sollten Grundsätze definieren, eine Haltung zur Baukultur formulieren und – was wichtig ist – die Rolle der Architektur als Kunst- und Kulturleistung stärken. Wie die Architekturpolitik 1998 sollten Baukulturelle Leitlinien des Bundes im ersten Schritt eine Selbsterklärung sein und dazu einladen, auf Ebene der Länder, Regionen und Kommunen angeeignet zu werden. 68

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Vgl.: Screenshots, die von Tiina Valpola von der heute nicht mehr existierenden Webseite www.apoli.fi/ etusivu zur Verfügung gestellt wurden. Die Inhalte verfasste Tiina Valpola während ihrer Tätigkeit als Special Advisor for Architecture im National Council for Architecture zwischen 2004 und 2012. Vgl. außerdem: Valpola 2011, S. 3 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 19. Dezember 2019 Vgl.: Architekturpolitik 1999, S. 2 (unpag.). Tallqvist und Laatio waren während ihre Arbeit jeweils Vorsitzende des National Council for Architecture Vgl.: Architekturpolitik 1999, S. 7ff. Architekturpolitik 1999, S. 3 Vgl.: Architekturpolitik 1999, S. 5ff. Architekturpolitik 1999, S. 15 Architekturpolitik 1999, S. 16 Architekturpolitik 1999, S. 16 Vgl. Architekturpolitik 1999, S. 17f. Architekturpolitik 1999, S. 19 Architekturpolitik 1999, S. 24 Vgl.: Architekturpolitik 1999, S. 24 Vgl.: Architekturpolitik 1999, S. 28 Vgl.: Valpola 2011, S. 9, und vgl.: https://www.ym.fi/en-US/ Land_use_and_building/Legislation_ and_instructions (letzter Zugriff 08.01.2020) Vgl.: Hautajärvim 2005, S. 20 Vgl.: http://www.finlex.fi/fi/laki/ kaannokset/1999/en19990731.pdf (letzter Zugriff 08.01.2020) Tiina Valpola im persönlichen Gespräch am 8. Mai 2019 in Helsinki Vgl.: Valpola 2011, S. 27, und vgl.: http://archinfo.fi/wp-content/ uploads/2014/02/ARABIC.pdf (letzter Zugriff 23.01.2020) Tiina Valpola im persönlichen Gespräch am 8. Mai 2019 in Helsinki Petra Havu im persönlichen Gespräch am 6. Mai 2019 in Helsinki Vgl.: Valpola 2011, S. 16 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 20. Dezember 2019

24 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 19. Dezember 2019; vgl.: Follow-up Report 2002 25 Vgl.: Monitoring-Group 2002, S. 2 26 Vgl.: Monitoring-Group 2002, S. 7 27 Vgl.: Monitoring-Group 2002, S. 14 28 Vgl.: Monitoring-Group 2002, S. 14 29 Vgl.: Monitoring-Group 2002, S. 15f. 30 Vgl.: Monitoring-Group 2002, S. 25 31 Vgl.: Monitoring-Group 2002, S. 27 32 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 19. Dezember 33 Vgl.: Korpelainen/Yanar 2001, S. 6 34 Vgl.: Valpola 2015, S. 8 35 Vgl.: Valpola 2011, S. 16 36 Tiina Valpola im Telefonat am 12. Januar 2020 37 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 20. Dezember 2019 38 Vgl.: Valpola 2015, S. 12f. 39 Vgl.: Valpola 2015, S. 12f. 40 Jaana Räsänen in einer E-Mail vom 14. Dezember 2019; vgl. dazu auch: Tuormala, 2017, S. 85ff. 41 Vgl.: Valpola 2015, S. 15 42 Vgl.: Valpola 2015, S. 16 43 Vgl.: Tuormala 2017, S. 93 44 Vgl.: Valpola 2015, S. 17, vgl. dazu auch: http://archinfo.fi/2014/01/ paikalliset-ohjelmat/ (letzter Zugriff 08.01.2020) 45 Vgl.: Valpola 2015, S. 18f. 46 Vgl.: Valpola 2011, S. 9 47 Vgl.: Valpola, Webseitentext aus dem Jahr 2009 „The stages of Finnish architectural policy since 1998“ auf apoli.fi/etusivu (nicht mehr online), und vgl.: Follow-up Report 2002 48 Vgl.: Valpola 2015, S. 8 49 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 21. Dezember 2019; vgl. dazu auch: Salmela 2017, S. 9 50 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 21. Dezember 2019 51 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 21. Dezember 2019 52 Vgl.: https://minedu.fi/en/apoli2020 (letzter Zugriff 10.01.2020) 53 Petra Havu im persönlichen Gespräch am 6. Mai 2019 in Helsinki

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

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54 Petra Havu im persönlichen Gespräch am 6. Mai 2019 in Helsinki 55 Vgl. unter „Henkilöt“: https:// minedu.fi/hanke?tunnus= OKM017:00/2019 (letzter Zugriff 08.01.2020) 56 Vgl.: https://minedu.fi/en/apoli2020 (letzter Zugriff 10.01.2020) 57 Vgl.: Salmela 2017 58 https://minedu.fi/en/apoli2020 (letzter Zugriff 10.01.2020) 59 Hanna Harris im persönlichen Gespräch am 6. Mai 2019 in Helsinki 60 Vgl.: Salmela 2017, S. 18

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Vgl.: Salmela 2017, S. 26 Vgl.: Salmela 2017, S. 26 Vgl.: Salmela 2017, S. 26 Hanna Harris, Petra Havu und Mikko Hartikainen in jeweils persönlichen Gesprächen am 6. und 7. Mai 2019 65 Hanna Harris im persönlichen Gespräch am 6. Mai 2019 und Mari Koskinen im persönlichen Gespräch am 7. Mai 2019 66 Eeva Astala in einer E-Mail vom 4. Dezember 2019 67 Petra Havu im persönlichen Gespräch am 6. Mai 2019 in Helsinki

Die finnische Architekturpolitik  – ein Lernprozess

Architektur als Bürgerbildung

Die Frage, ob die finnische Architekturpolitik von 1998 dazu hat beitragen können, das architektonische Bewusstsein in der Gesellschaft zu verändern, lässt sich kaum beantworten, da die Effekte schwer messbar sind. Das spiegelte sich auch in den Expertengesprächen, in denen die subjektiven Eindrücke bezüglich dieser Frage weit auseinandergingen. Arja-Liisa Kaasinen, Leiterin der Abteilung Zusammenarbeit und Engagement im Museum of Finnish Architecture in Helsinki, und Riikka Mäkikoskela, Geschäftsführende Direktorin der Finnish Association of Art Schools for Children and Young People attestierten der finnischen Gesellschaft ein hohes Bewusstsein für Architektur, wenn auch nicht deutlich wurde, ob dieses durch die Architekturpolitik verbessert wurde oder ohnehin schon gegeben ist. So sagte Mäkikoskela: „In England, sagen wir Finnen immer, kann man in einen Pub gehen und mit jedem über bildende Kunst sprechen – jeder kennt sich dort damit aus. In Finnland wäre das nicht möglich. Dafür ist hier die Architektur unsere Allgemeinbildung. Jeder 73

kennt sich aus mit Räumen, Plätzen, Gebäuden, Städten – mit unserer Umgebung.“1 Kaasinen bestätigte die Aussage und bekräftigte, dass die Idee „des Designs und der Qualität für jeden“ ein demokratischer Gedanke sei, der sich tief in der finnischen Philosophie verankert finde.2 Davon, dass sich das architekturpolitische Programm in den vergangenen 20 Jahren durchaus positiv ausgewirkt habe, zeigte sich Mikko Hartikainen von der Finnish National Agency of Education ebenso überzeugt wie Henna Haavisto, Kunstlehrerin an der Aurinkolahti Primary School in Vuosaari. Während Hartikainen das allgemeine Bewusstsein als definitiv verbessert beschrieb und das auf die veränderte Visual Arts Education zurückführte,3 antwortete Haavisto: „Architektur hat einen hohen Stellenwert. Jeder will Architekt werden. Es gibt ein hohes Bewusstsein auch dafür, dass wir unsere gebaute Umwelt beeinflussen und darüber mitentscheiden können. Die Schüler entwerfen zum Beispiel die Räume, in die sie nach Schulschluss gehen. Wir beziehen sie in diese Entscheidungen ein. Sie wissen, dass sie viel mitentscheiden können!“4 Und auch Mari Koskinen, Spezialistin für Wettbewerbe in der Finnish Association of Architects SAFA, äußerte sich eindeutig positiv: „Wenn Sie sich ansehen, wie viel die Zeitungen über Architektur berichten, dann muss ich sagen, dass sich das architektonische Bewusstsein definitiv verbessert hat. Jeder kann jetzt involviert sein. Das ist sicherlich ein Trend. […] Wir haben hier viele Graswurzelbewegungen, Gruppen, die sich leer stehender Gebäude annehmen oder Events organisieren in öffentlichen Räumen. Es hat sich verändert, wie die Leute die Stadt benutzen und auch wie die Stadt aussieht. Es interessiert die Leute.“5 Andere Befragte wie Petra Havu vom Ministry of Education and Culture äußerten sich kritischer: „Viele Menschen haben nicht verstanden, worum es geht, wenn ich von 74

Architektur als Bürgerbildung

Architekturpolitik gesprochen habe. Viele haben einen sehr engen Begriff von der Architektur“6 – ein Eindruck, den Ilpo Vuorela, Architekturlehrer für Kinder und Jugendliche am Jyväskylä Adult Education Centre, teilte. Es gebe gute Architekturbüros und hervorragende sogenannte hero architecture, aber die Alltagsarchitektur sei weit davon entfernt, als highquality architecture bezeichnet werden zu können. „Ich denke, dass beispielsweise nur etwa 10 Prozent der Einfamilienhäuser von Architektinnen und Architekten entworfen werden. Es gibt immer noch Leute, die glauben, dass die Architektenschaft ihre Häuser verunstalten würde. […] Aber es kann sein, dass Schulen und Lehrkräfte nach und nach ein besseres Bewusstsein für Architektur und Architecture Education entwickelt haben. Das ist natürlich toll, da das einen direkten Effekt auf die Kinder und ihre Entwicklung hat.“7 Am kritischsten äußerte sich Else Luotinen, Studierende im Master-Programm Architektur und Lehrerin an der neu gegründeten Architekturschule Tiili für Kinder und Jugendliche in Tampere. Sie hält das architektonische Bewusstsein der Gesellschaft für nicht gut ausgebildet: „Meiner Meinung nach kennen die Leute ihre Optionen nicht gut genug und begnügen sich mit dem, was sie bekommen, obwohl sie andere Lösungen für ihre Umgebung, in der sie leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen, fordern könnten.“ Die Landflucht in Finnland habe in den letzten Jahren zu einer Fülle von Gebäuden schlechter Qualität in den schnell wachsenden Städten geführt und zu einer Vernachlässigung wertvoller Altbauten auf dem Land. Daran werde sich so lange nichts ändern, bis sich das allgemeine Bewusstsein für Architektur verbessere und die Leute einen Paradigmenwechsel einforderten.8 Zielführender als die Frage, ob die Architekturpolitik dazu beigetragen hat, das allgemeine architektonische Bewusstsein in den vergangenen Jahren zu verbessern, ist die Architektur als Bürgerbildung

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Frage, wie und mithilfe welcher Methoden in den vergangenen 20 Jahren daran gearbeitet wurde, die Architektur zur Bürgerbildung zu machen. Bevor in den folgenden Kapiteln der Fokus auf die Implementierung der Architecture Education in das Bildungssystem gerichtet wird, sollen zuvor zwei Einzelaspekte näher betrachtet werden: die Einrichtung des 2013 gegründeten Architecture Information Centre (Archinfo Finland), das sich in besonderem Maße der architektonischen Bürgerbildung widmet, und das 2012 reformierte System für Architekturwettbewerbe.

Archinfo Finland Als größter Erfolg des architekturpolitischen Programms von 1998 kann zweifellos die Gründung des Architecture Information Centre Finland, heute Archinfo Finland, im Jahr 2013 bezeichnet werden, mit dem die dritte Implementierungswelle ihren Ausgang nahm. Archinfo Finland ist ein bemerkenswertes Lehrstück, das veranschaulicht, dass es keiner Großimmobilien und personalstarker Institutionen bedarf, um Architektur zu kommunizieren und das baukulturelle Bewusstsein in der Gesellschaft zu verbessern, sondern dass es möglich ist, mit wenig Personal große Wirkung zu erzielen, wenn es gelingt, die Ressourcen klug einzusetzen, Kooperationen aufzubauen und dafür zu sorgen, dass die Arbeit über Multiplikatorinnen und Multiplikatoren weitergetragen wird. Mit der Einrichtung von Archinfo Finland wurde eine der zentralen Forderungen der Architekturpolitik von 1998 erfüllt, die Architektur als Bestandteil von Kunst und Kultur den anderen Künsten gleichzustellen9 und ihr damit auch gleichberechtigten Zugang zu der Förderpolitik des Ministry 76

Architektur als Bürgerbildung

of Education and Culture zu gewähren.10 Archinfo Finland ist das jüngste von insgesamt acht Art Information Centres, die jeweils einer eigenen Kunstsparte – Literatur, Musik, Zirkus, Film, Tanz, Theater und zeitgenössischer Kunst – gewidmet sind.11 Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehört die Architekturkommunikation, die Verbesserung des architektonischen Bewusstseins in der Gesellschaft sowie die Förderung und Bewerbung der finnischen Architektur im In- und Ausland.12 Von Beginn an fungierte die Einrichtung auch als zentrale Anlaufstelle für den Bereich Architecture Education. So konzipiert Archinfo Finland für den schulischen und außerschulischen Bereich Projekte und Konzepte, wie später noch eingehender dargestellt wird, kommuniziert BestPractice-Beispiele und koordiniert das Netzwerk der Akteurinnen und Akteure.13 Darüber hinaus sammelt und veröffentlicht Archinfo Finland Architekturpolitiken und bietet Städte- und Gemeindevertreterinnen und -vertretern eine Netzwerkplattform und Informationsaustausch an und sieht sich als Initiatorin von Prozessen und Diskussionen.14 Wie die anderen Art Information Centres gehört Archinfo Finland zum Ministry of Education and Culture und erhält, wie Tiina Valpola, Gründungsdirektorin der Institution im Ruhestand, beschreibt, einen signifikanten Teil ihrer Finanzierung vom Ministerium. „Diese umfasst sowohl die Grundlagenarbeit als auch nationale und internationale Projekte, muss aber jedes Jahr neu beantragt werden.“15 Obwohl die Art Information Centres beim Ministerium angesiedelt sind, handelt es sich um vollkommen unabhängige Akteure, die alle in unterschiedlicher Weise an ihren eigenen Themen arbeiten. Laut Valpola bestätigte Petra Havu vom Ministry of Education and Culture, dass es zwar einmal jährlich ein Treffen mit den Art Information Centres gebe, dass das Ministerium diese jedoch nicht kontrolliere. Architektur als Bürgerbildung

77

Vergleichbar sei die Situation mit den Finnish Cultural and Academic Institutes, von denen es insgesamt 17 überall in der Welt gibt.16 Archinfo Finland ist eine kleine informelle Einrichtung, die keine eigenen Ausstellungsräume besitzt und aus nur vier permanenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht. Wann immer es möglich ist, werden laut Harris die Ressourcen so eingesetzt, dass Kooperationen mit anderen Organisationen entstehen. Für eine gute Vernetzung ist schon dadurch gesorgt, dass Archinfo Finland sich ein Büro mit der Finnisch Association of Architects SAFA und mit der Association of Finnish Architects Offices teilt und eine unmittelbare Beziehung zum Ministerium besteht. Bereits aus der Architekturpolitik von 1998 und dem 2001 erschienenen Bericht über den Stand der Civic Education in Architecture, Discovering Architecture, ging unmissverständlich hervor, dass eine zentrale Einrichtung, welche die Kommunikation bündelt, den Austausch der Akteurinnen und Akteure in den unterschiedlichsten Bereichen ermöglicht und als Beraterin, Ansprechpartnerin und Wissensplattform dient, in Finnland fehlte.17 Im 2002 publizierten Follow-up Report der Monitoring-Group über die Implementierung der architekturpolitischen Maßnahmen wurde schließlich erstmals ein Information and Promotion Centre für die Architektur gefordert,18 was von Paavo Lipponen, dem ehemaligen Premierminister, 2005 in einem schriftlichen Interview, das er der Zeitschrift Arkkitehti-lehti in seiner Funktion als Parlamentssprecher gab, aufgegriffen wurde. Er unterstrich seine Forderung mit dem Hinweis: „Sichtbarkeit wird [für die Architektur] sowohl in Finnland als auch außerhalb benötigt. Wir sind dazu verpflichtet, weil es in diesem Land bereits eine große Tradition gibt.“ 19 Auf die Frage, warum es danach noch so lange gedauert habe, 78

Architektur als Bürgerbildung

bis Archinfo Finland gegründet werden konnte, antwortete Tiina Valpola: „Weil schlichtweg niemand geglaubt hat, dass das möglich sein könnte!“20 Der sicherlich wichtigste Meilenstein auf dem Weg zur späteren Gründung von Archinfo Finland war 2004 die Einrichtung der Stelle des Special Advisors for Architecture im National Council for Architecture, die mit Tiina Valpola besetzt wurde. Mit ihrer Arbeit nahm Valpola bereits einen Großteil der inhaltlichen Arbeit von Archinfo Finland vorweg, wie aus einer unveröffentlichten Vortragspräsentation aus dem Jahr 2011 hervorgeht: Zu ihren Aufgaben gehörte damals nicht nur, wie bereits dargestellt, die Entwicklung lokaler und regionaler Architekturpolitiken zu fördern und das National Council for Architecture in architekturpolitischen Fragen zu beraten, sondern auch, neue Partnerinnen und Partner zu gewinnen, um die Gestaltung einer besseren Umwelt zu erreichen, die Kooperationsnetzwerke auf Regierungsebene und auf der Ebene der professionellen Akteurinnen und Akteure auszubauen und das internationale Netzwerk der Architekturpolitik auszudehnen.21 Über das zweijährige Gründungsprozedere gibt der Jahresbericht 2012, der dem Ministerium vorgelegt und von Valpola zur Verfügung gestellt wurde, Auskunft. Nachdem sich Anfang 2011 abzeichnete, dass die Gründung eines Architecture Information Centres möglich sein könnte, begannen auf Initiative des National Council for Architecture im Frühjahr 2011 die Vorverhandlungen mit dem Ministry of Education and Culture. Im März 2011 lud das Komitee die fünf Schlüsselorganisationen der Branche ein, die Finnish Association for Architects SAFA, die Association of Finnish Architects’ Offices, das Museum of Finnish Architecture, die Alvar Aalto Foundation und die Building Information Foundation (RTS), um über die Gründung eines Architecture Information Architektur als Bürgerbildung

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Centre zu verhandeln. Nachdem die Absichtserklärung zur Gründung des Vereins im April 2011 unterzeichnet worden war, erfolgte im Februar 2012 der Eintrag in das Vereinsregister. Bereits als sich 2011 abzeichnete, dass die Gründung eines Architecture Information Centres möglich sein könnte, stellte Valpola, die in ihrer Funktion als Special Advisor die praktische Vorbereitungsarbeit durchführte, Jaana Räsänen als Expertin für den Bereich Architecture Education ein. Räsänen, die ähnlich wie Valpola bis dahin eine Beratungstätigkeit auf regionaler Ebene ausübte – sie war als Regional Artist of Architecture Education in der Uusimaa Region tätig –, unterstützte Valpola in der zweijährigen Vorlaufphase bei der Gründung von Archinfo Finland und sorgte dafür, dass die Architecture Education von Beginn an eines der beiden zentralen Themen der Einrichtung wurde.22 Anfang 2013 konnte Archinfo Finland als jüngstes von insgesamt acht Art Information Centres offiziell seinen Betrieb aufnehmen. Zu den ersten Aktivitäten gehörte 2013 die Erstellung einer finnisch-englischen Webseite, in der sowohl eine Datenbank zur Architekturpolitik als auch eine zur Architecture Education aufging, die Valpola im Rahmen ihrer Tätigkeit als Architectural Advisor eingerichtet hatte.23 Da Archinfo Finland als neue Akteurin im Kultur- und Umweltbereich Sichtbarkeit brauchte, spielten Events und Veranstaltungen laut Valpola eine bedeutende Rolle. Sie wurden, was naheliegend war, in enger Kooperation mit den fünf Gründungsinstitutionen, insbesondere dem Museum of Finnish Architecture, der Alvar Aalto Foundation und SAFA, durchgeführt. Zu den wichtigsten Veranstaltungen, die unter ihrer Leitung stattfanden, gehörten Valpola zufolge die nationalen und internationalen Architekturpolitik-Seminare, die zusammen mit den Ministerien, Gemeinden und Regionen durchgeführt und häufig mit Aktivitäten im Bereich der Architecture 80

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Education kombiniert wurden.24 Wichtig für die internationale Positionierung der finnischen Architektur wurde die Beteiligung an der Architekturbiennale Venedig und die Erstellung des Architecture Navigator.25 Aber Archinfo Finland organisierte beispielsweise auch Presse-Touren für ausländische Journalistinnen und Journalisten in Kooperation mit dem Alvar Aalto Symposium in Jyväskylä oder publizierte einen Stadtplan von Helsinki mit den wichtigsten architektonischen Highlights. Die größte Sichtbarkeit unter ihrer Leitung erreichte Valpola zufolge ein viermonatiges Architektur-Park-Event auf der Esplanade in Helsinki im Jahr 2015, in dessen Rahmen zwei Holzkonstruktionen entstanden, die später in Venedig ausgestellt wurden. Die Aktion, zu der zahlreiche Aktivitäten für Kinder und Erwachsene gehörten, entwickelte sich zu einem veritablen Treffpunkt und erreichte um die 20.000 Besucherinnen und Besucher.26 Mit der Einrichtung von Archinfo Finnland hat das Land eine kleine, aber wirkmächtige Institution bekommen, mit der die Umsetzung der Architekturpolitik im Jahr 2013 in eine neue Phase eintrat, die auch für die Civic Education in Architecture, wie im Kapitel 5 dargestellt werden soll, von Bedeutung war und ist. So erstaunt es letztendlich kaum, dass Petra Havu vom Ministry of Education and Culture auf die Frage, warum der Bereich der Architecture Education im Rahmen der Architekturpolitik 1998 so erfolgreich habe umgesetzt werden können, unumwunden antwortete, es sei allein Tiina Valpola zu verdanken. Sie begründete ihre Aussage damit, dass sie bei allererster Gelegenheit bereits Anfang 2011 eine Architekturvermittlerin engagiert habe, um sie beim Aufbau von Archinfo Finland zu unterstützen. „Die Architecture Education wurde so erfolgreich umgesetzt, weil Tiina Valpola es zu ihrer Mission gemacht hat. Sie hat die gesamte Organisation des Architecture Information Centre Architektur als Bürgerbildung

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von null aufgebaut. Sie hatte das persönliche Engagement, so etwas auf die Beine zu stellen.“27 Tiina Valpola beantwortete die gleiche Frage anders. Ihrer Meinung nach konnte die Architekturpolitik von 1998 nur deshalb so erfolgreich umgesetzt werden, weil es ein persönliches Anliegen des damaligen Premierministers, Paavo Lipponen, gewesen sei. „Das Projekt hätte niemals die Regierungsebene erreicht, wenn wir nicht einen Premierminister gehabt hätten, der sich bestens mit Architektur auskannte und aktiv daran interessiert war, zu verfolgen, wie sich der Policy-Prozess entwickelt.“28 So unterschiedlich diese beiden Einschätzungen sind, veranschaulichen sie jedoch, dass letztendlich mehrere Komponenten zusammenkommen müssen, um eine erfolgreiche Architekturpolitik entwickeln und umsetzen zu können. Es braucht nicht nur engagierte Akteurinnen und Akteure, die sich des Themas annehmen, sondern auch ein politisches Klima, in dem solche Veränderungen möglich werden. Wie gut das politische Klima während der Zeit, in der die Architekturpolitik entwickelt und implementiert worden ist, tatsächlich in Finnland gewesen sein muss, wird anhand eines Artikels in der Zeitschrift Arkkitehti-lehti aus dem Jahr 2005 deutlich, in dem der ehemalige Premierminister Paavo Lipponen, der zu dem Zeitpunkt als Parlamentssprecher amtierte, zur Bedeutung der Architekturpolitik von 1998 befragt wurde und die Architektur zu seinen wichtigsten Hobbys zählte.29

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Architekturwettbewerbe als Bürgerbildung Zu den wichtigsten Akteurinnen und Akteuren, die in Finnland maßgeblich mit der Entwicklung der Architekturpolitik und deren Umsetzung betraut waren und sich in besonderem Maße der architektonischen Bürgerbildung und der Architecture Education für Kinder und Jugendliche verpflichtet haben, gehört die Finnish Association of Architects SAFA. Der Verband tritt nicht nur als Förderer unzähliger Vermittlungsprojekte in Erscheinung, sondern hat von Anfang an einen aktiven Part eingenommen. SAFA hat Tagungen und Fortbildungen organisiert, Unterrichtsmaterialien entwickelt und gefördert und bis zur Gründung von Archinfo Finland als Informationsschnittstelle in diesem Bereich fungiert. Bemerkenswert ist, dass SAFA auch in seiner Funktion als Chefaufseherin, Beraterin und Co-Arrangeurin von Architekturwettbewerben einen Beitrag dazu leistet, die architektonische Bürgerbildung in der Gesellschaft zu verbessern.30 In der finnischen Architekturpolitik von 1998 werden Architekturwettbewerbe als zentrales Instrument zur Förderung von Qualität und Innovation im Bauwesen charakterisiert. Darüber hinaus handele es sich um „eine Form von Weiterbildung und eine Möglichkeit, jungen Architekten Chancen zu eröffnen. Die große Anzahl an alternativen Lösungen […] erleichtert die öffentliche Debatte über die richtigen Optionen für die Umwelt.“31 Wie stolz SAFA auf die finnische Wettbewerbstradition ist, die sie seit über 100 Jahren begleitet,32 zeigt nicht zuletzt der Stadtplan Helsinki Built Through Competitions. How Architectural Competitions have shaped the City, den SAFA 2017 anlässlich ihres 125-jährigen Bestehens in Kooperation mit Archinfo Finland herausgegeben hat. Auf dem Plan werden 100 „architektonische Highlights“ Architektur als Bürgerbildung

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Abb. 14

der Stadt, die zwischen 1863 und 2017 als Ergebnis von Architekturwettbewerben entstanden sind, vorgestellt. (Abb. 14) Mari Koskinen, die als Wettbewerbsexpertin für SAFA tätig ist, wies im persönlichen Gespräch darauf hin, dass es heute schwierig wäre, so ein System neu zu etablieren. Das Prinzip funktioniere heute nur, weil sowohl die Klientel als auch die Planerinnen und Planer bereits daran gewöhnt seien. Heutzutage seien alle tendenziell kontrollorientierter. Die Developer wünschen laut Koskinen einen „weichen Prozess“ und ziehen es vor, mit Leuten zusammenarbeiten, die sie bereits kennen. In einem Wettbewerb habe man dagegen weniger Kontrolle – man wisse nicht, wer teilnehme und wer gewinne, sondern nur, dass man das bestmögliche Ergebnis bekommt. Wettbewerbe seien in Finnland auch aus dem Grunde hochgeschätzt, da „fast jeder große Name in der finnischen Architektur durch einen Wettbewerb seinen Durchbruch hatte. Und viele sind zu diesem Zeitpunkt noch sehr jung gewesen.“33 Zu den Besonderheiten des finnischen Wettbewerbswesens gehört, dass seit 2012 im Rahmen der meisten Verfahren die eingegangenen Beiträge im Internet der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dass Wettbewerbsbeiträge ausgestellt werden, ist keine Besonderheit, sondern beispielsweise auch in den Richtlinien für deutsche Planungswettbewerbe vorgesehen.34 In der Regel finden diese Präsentationen wie in Deutschland jedoch erst nach der Juryentscheidung statt. In Finnland aber werden die Beiträge der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, bevor die Expertenjury die Pläne zu Gesicht bekommt. Die teilnehmenden Architekturbüros erklären sich damit einverstanden, dass ihre Beiträge auf der Wettbewerbs-Webseite der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und das Feedback als Input für die Beurteilung genutzt wird.35 Über dieses außergewöhnliche Verfahren Architektur als Bürgerbildung

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und die Bedeutung des finnischen Wettbewerbswesens gab Mari Koskinen, Wettbewerbsspezialistin der SAFA, im persönlichen Gespräch Auskunft. „Als ich vor sieben Jahren bei SAFA begann, war es neu, dass alle Beträge im Internet dargestellt wurden. Natürlich hatten wir in der Vergangenheit schon die physischen Ausstellungen, aber sie online zu haben, war neu. Wir mussten darüber nachdenken, wie es gemacht wird und wie es den Beurteilungsprozess beeinflussen wird. Und dann wurde es schließlich zum Standard. Es variiert ein bisschen von Wettbewerb zu Wettbewerb, wie die Menschen interagieren können. Manchmal ist es nur ein Bild, das man sehen kann. Manchmal kann man es kommentieren, manchmal kann man es ‚liken‘ wie bei Facebook.“36 Direkten Einfluss auf den Entscheidungsprozess habe das Verfahren jedoch nicht, weshalb es laut Koskinen durchaus auch Kritik gibt: „Wir sammeln die Informationen nur und präsentieren sie der Jury. Die kann dann entscheiden, ob sie die Kommentare oder Ergebnisse in den Beurteilungsprozess einbeziehen will oder nicht.“37 Ihrer Einschätzung nach beeinflusst die Publikumsmeinung die Jury nur wenig. Es handele sich eher um eine Information für die Jury, die Auskunft darüber gibt, was die Leute denken: „Es ist keine professionelle Beurteilung – vielleicht mochten die Leute das Bild einfach, weil ein netter Sommertag dargestellt war. Die Jury nimmt die professionelle Beurteilung vor.“ Dass das auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, ist Koskinen bewusst: „Ich weiß, dass das widersprüchlich klingt. Auf der einen Seite lassen wir die Menschen ihre Kommentare abgeben, und dann ziehen wir sie im Beurteilungsprozess unter Umständen gar nicht in Betracht. Aber es ist die Tür geöffnet, um die Meinung der Öffentlichkeit zu hören.“ Am Ende ist es Koskinen zufolge notwendig, dass Expertinnen und Experten die Entscheidungen treffen, da nur sie beurteilen 86

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können, was räumlich, architektonisch und funktional passend ist und wie sich ein Projekt auf das Quartier auswirkt. Es sei durchaus möglich, dass die politischen Repräsentanttinnen und Repräsentanten in der Jury stärker beeinflusst sind von der öffentlichen Meinung, aber es werde natürlich anhand der Beurteilungskriterien entschieden. Auf die Frage, ob dieses Prozedere bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht für Unmut sorge und der Eindruck entstehe, ihre Meinung sei nur per forma eingeholt worden, entgegnete Koskinen, der Gesamteffekt sei positiv, auch wenn die öffentliche Diskussion die Juryentscheidung letztendlich nur minimal beeinflusse: „Die Bürgerinnen und Bürger haben eine Menge zu sagen in unseren Planungsprozessen. Es ist wichtig, dass sie eingeladen werden, Feedback zu geben. Das ist ein wichtiger Weg, um mit ihnen in Kommunikation zu treten, und es kann dazu beitragen, dass sie sich nach dem Prozess besser involviert fühlen. Es ist eine Art psychologisches Denken.“ Es gehört laut Koskinen zur finnischen Mentalität, dass Dinge transparent sein müssen. Dabei gehe es letztendlich nicht unbedingt darum, tatsächlich die Jury zu beeinflussen, sondern vielmehr darum, dass es die Pflicht der Organisatorinnen und Organisatoren ist, die Bürgerinnen und Bürger wissen zu lassen, was vor sich geht.38 Wie wichtig diese Teilhabe an Informationen ist, erläuterte Koskinen am Beispiel des „Europan 14“-Wettbewerbs im Jahr 2017, den Europan Finland in Kooperation mit dem City Planing Department of Helsinki durchgeführt hat.39 Vor der Wettbewerbsausschreibung wurden die Anwohnerinnen und Anwohner zu einer öffentlichen Veranstaltung eingeladen, um ihre Positionen, ihre Wünsche oder Befürchtungen einzubringen. Diese seien dann in der Ausschreibung aufgenommen worden, wobei es viele ablehnende Stimmen gegeben habe. In dem Projekt ging es um ein Stück Autobahn, Architektur als Bürgerbildung

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Abb. 15

das in eine normale Straße konvertiert werden sollte. Die Betroffenen gingen davon aus, dass es nicht funktionieren werde und Staus entstünden, und äußerten sich entsprechend ablehnend. Als nach dem Wettbewerb die Beiträge präsentiert wurden, kamen ungefähr 40 Anwohnerinnen und Anwohner, um sich die Ergebnisse anzusehen. Die Stimmung sei nun eine ganz andere gewesen, als sie sahen, wie es werden könnte. Sie sagten nicht mehr, dass es falsch sei und nicht ginge, sondern begannen in den Plänen zu denken. Sie fragten sich beispielsweise, ob genügend Winterlagerplätze für Boote vorhanden seien. Es war plötzlich so konkret. Zu dem Stimmungswandel sei es gekommen, „weil es die Bilder gab, und sie gesehen haben, dass eine Transformation tatsächlich möglich wäre. Und sie haben gesehen, dass ihre Sorgen ernst genommen wurden. Sie waren nun nicht mehr prinzipiell dagegen, sondern waren Teil des Prozesses. Und als schließlich die Ergebnisse veröffentlich wurden, haben sie sich wirklich über den Gewinner gefreut. Es war einer 88

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Abb. 16

der Beiträge, in denen Wald erhalten geblieben ist, was wichtig für die Anwohnerschaft war. […] Wir haben dabei gelernt, dass Menschen sehr gegen einen Planungsprozess sein können, wenn sie nicht involviert werden.“40 Wie viele Menschen sich tatsächlich die Wettbewerbsbeiträge im Internet ansehen, konnte Mari Koskinen nicht beziffern. Sie berichtete im Fall des zum Zeitpunkt des Gesprächs prominentesten laufenden Wettbewerbs, „The New National“, in dem es um den Erweiterungsbau des von Eliel Saarinen entworfenen Finnischen Nationalmuseums ging, von einer hohen Beteiligung. So gebe es aktive urbane Aktivistengruppen, die sehr engagiert seien im Bereich Städtebau und Stadtentwicklung. „Sie haben Social Media Channel, in denen sie alles diskutieren. Das ist trendy hier. Ich weiß, dass diese Leute bestimmte Beiträge in ihren Gruppen diskutieren und darstellen, welche Vor- oder Nachteile dieser oder jener Entwurf bringen würde. Aber es ist ihnen bewusst, dass alles, was sie diskutieren, unabhängig von dem Architektur als Bürgerbildung

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Abb. 17

Jury-Prozess ist.“ Feststellbar sei auf jeden Fall, dass die Architekturwettbewerbe ein Thema des öffentlichen Interesses seien und dass die öffentlichen Verfahren sicherlich dazu beitragen, das Bewusstsein für Architektur zu verbessern.41 Am Beispiel der Online-Präsentation des Wettbewerbs für die „New National“, die Koskinen im Gespräch als besonders gutes Beispiel bezeichnete, lässt sich nachvollziehen, wie so eine Wettbewerbspräsentation organisiert ist. Der Ausschreibungstext enthält präzise Angaben über das Systemlayout der zwei PDF-Poster, die eingereicht werden durften: Es war genau festgelegt, wo welche Abbildungen, Fotos, Texte oder Grundrisse platziert werden und welches Format sie jeweils erhalten sollten. Auf diese Weise wird eine maximale Vergleichbarkeit der Beiträge garantiert. Modelle sind weder für die erste noch für die zweite Wettbewerbsphase vorgesehen.42 Die Wettbewerbs-Webseite bestätigt die Beobachtungen Koskinens. Für die 184 Beiträge sind insgesamt 15.634 Publikumsstimmen abgegeben worden. (Abb. 15) Keiner der Publikums-Favoriten wie „Hypogeum“, „Kulma“ oder „Maija“, die zwischen 1045 und 882 Stimmen erhielten, gehört jedoch zu der Liste der Finalisten, welche die Jury für die zweite Wettbewerbsphase im ersten Durchgang auswählte. (Abb. 16) Diese befanden sich mit 93 bis 18 Punkten im mittleren bis unteren Feld des Publikumsrankings und vereinten insgesamt lediglich 303 Stimmen auf sich, was nicht einmal 2 Prozent der insgesamt 15.634 Stimmen ausmacht. Der inzwischen ermittelte 1. Platz „Atlas“, der von JKMM Architects eingereicht (Abb. 17) wurde – jenem Büro, das in den letzten Jahren mit Projekten wie Amos Rex, der Think Corner und dem Harald Herlin Learning Centre, die eingangs vorgestellt wurden, für Furore sorgte und zu den angesagtesten finnischen Büros gehört –, war im Publikumsvoting Architektur als Bürgerbildung

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nur auf 57 Stimmen gekommen. Immerhin hat der Publikumsfavorit „Hypogeum“ letztendlich zumindest eine „lobende Anerkennung“ erhalten. Bemerkenswert ist, dass weder das reformierte Wettbewerbssystem noch die Gründung von Archinfo Finland, das mit Fug und Recht als der größte Erfolg der finnischen Architekturpolitik betrachtet werden kann, in den Expertengesprächen explizit als Erfolg oder Folge der Architekturpolitik genannt wurden. Geschuldet ist das offenbar der Tatsache, dass der zeitliche Abstand von 14 bzw. 15 Jahren aus finnischer Sicht zu groß ist, um unmittelbare Zusammenhänge, die aus der Außenperspektive betrachtet evident erscheinen, erkennbar werden zu lassen.

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Fazit: Baukulturelle Bürgerbildung Deutschland könnte hinsichtlich der Frage, wie das allgemeine baukulturelle Bewusstsein in der Gesellschaft verbessert werden könnte, viel von Finnland lernen. Voraussetzung dafür wäre jedoch, zunächst einen Bedarf diesbezüglich zu formulieren, sprich das offizielle Eingeständnis, dass es in diesem Bereich Handlungs- und Nachholbedarf gibt. Bemerkenswert ist, dass Studien wie die jüngst von der Wüstenrot Stiftung herausgegebene, Bildungsorte und Lernwelten der Baukultur 43 oder die ebenfalls im November 2019 von der Bundesstiftung Baukultur veröffentlichte Bildungsplattform44 tendenziell den Eindruck vermitteln, die Baukulturelle Bildung in Deutschland sei gut aufgestellt und es gebe keinerlei Handlungsbedarf. Von Finnland kann Deutschland überdies lernen, dass es keine personalstarken großen Institutionen oder Ausstellungsflächen benötigt, um die Baukultur im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern. Die Gründung eines Architecture Information Centres, das dazu beiträgt, in der Öffentlichkeit die Position der Architektur und ihren Stellenwert in der Gesellschaft zu verbessern, wäre wünschenswert und könnte die Arbeit der Bundesstiftung Baukultur sinnvoll unterstützen. Das finnische Beispiel zeigt zum einen, dass eine solche Einrichtung keinen festen Standort in der analogen Welt braucht, sondern im Internet lokalisiert sein kann. Zum anderen macht es deutlich, dass es mit klugen Strategien, die darauf ausgelegt sind, bestehende Ressourcen zu nutzen und zu stärken, möglich ist, mit 93

wenig Personal viel zu erreichen. Sinnvoll erscheint auch die Konzentration auf die drei Arbeitsschwerpunkte Architekturkommunikation, Baukulturpolitik und Baukulturelle Bildung. Die finnische Wettbewerbspolitik, in der die Beiträge bereits im Vorfeld der Öffentlichkeit präsentiert werden und zur öffentlichen Diskussion einladen, bevor die ExpertenJury ihre Arbeit aufnimmt, wäre auch in Deutschland eine erfolgversprechende Methode, mit der das baukulturelle Bewusstsein und Interesse gefördert werden könnten. Was auf den ersten Blick als radikaler Schritt erscheint, erweist sich bei genauerer Betrachtung als wenig radikal und dennoch effizient. Die Skepsis der Fachwelt hinsichtlich der Frage, ob „normale Bürgerinnen und Bürger“ in den Auswahlprozess von Wettbewerbsverfahren einbezogen werden sollten oder müssten, fällt in Deutschland und Finnland vermutlich ähnlich aus. Das finnische Beispiel zeigt jedoch, dass es durchaus möglich ist, die Bürgerinnen und Bürger schon früh in den Entscheidungsprozess einzubeziehen und diesen transparent zu machen, ohne ihnen echte Entscheidungsbefugnis einzuräumen. Die Auswirkungen sind, wie das finnische Beispiel zeigt, dennoch positiv.

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Riikka Mäkikoskela im persönlichen Gespräch am 13. Mai 2019 in Helsinki Arja-Liisa Kaasinen im persönlichen Gespräch am 9. Mai 2019 in Helsinki Mikko Hartikainen im persönlichen Gespräch am 7. Mai 2019 in Helsinki Henna Haavisto im persönlichen Gespräch am 10. Mai 2019 in Helsinki Mari Koskinen im persönlichen Gespräch am 7. Mai 2019 in Helsinki Petra Havu im persönlichen Gespräch am 6. Mai 2019 in Helsinki Ilpo Vuorela in einer E-Mail vom 15. Juni 2019 Else Luotinen in einer E-Mail vom 3. Dezember 2019 Vgl.: Architekturpolitik 1999, S. 15 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 19. Dezember 2019 Vgl.: https://www.lastenkulttuuri.fi/ en/childrens-culture-finland/ art-information-centres/ (letzter Zugriff 03.01.2020) Hanna Harris im persönlichen Gespräch am 6. Mai 2019, und vgl.: http://archinfo.fi/en (letzter Zugriff 08.01.2020) Vgl.: http://archinfo.fi/en/ architecture-education/ (letzter Zugriff 03.01.2020) Vgl.: http://archinfo.fi/en/ architecture-policy/ (letzter Zugriff 03.01.2020) Tiina Valpola in einer E-Mail vom 15. Dezember 2019 Vgl.: http://instituutit.fi/en/info/ (letzter Zugriff 03.01.2020) Vgl.: Architekturpolitik 1999, S. 24f., und vgl.: Korpelainen/Yanar 2001,S. 40 Vgl.: Follow-up Report 2002, S. 27 Hautajärvim 2005, S. 20 Tiina Valpola in einem Telefonat am 15. Dezember 2019 Vgl.: Valpola 2011, S. 16 Jaana Räsänen in einer E-Mail vom 27. November 2019

23 Vgl.: Rechenschaftsbericht von Archinfo Finland 2013 (Arkkitehtuurin tiedotuskeskuksen / Arkkitehtuurikeskus ry:n vuoden 2013 toimintakertomus), S. 5f. 24 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 3. Januar 2020 25 vgl.: http://navi.finnisharchitecture.fi 26 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 3. Januar 2020, und vgl.: http:// archinfo.fi/en/2015/06/the-recreation-installation-transformsthe-esplanade-park-into-a-hotspotof-architecture-related-activities/ (letzter Zugriff 12.01.2020) 27 Petra Havu im persönlichen Gespräch am 6. Mai 2019 in Helsinki 28 Tiina Valpola im persönlichen Gespräch am 8. Mai 2019 in Helsinki. Paavo Lipponen war von 1995 bis 2003 Premierminister. 29 Vgl.: Hautajärvim 2005, S. 20f. 30 Vgl.: https://www.finnisharchitecture. fi/finnish-association-of-architectssafa/ und vgl.: https://www.safa.fi/ en/architectural-competitions-infinland/ (letzter Zugriff 03.01.2020) 31 Architekturpolitik 1999, S. 24 32 Vgl.: https://www.finnisharchitecture. fi/finnish-association-of-architectssafa/ und vgl.: https://www.safa.fi/ en/architectural-competitions-infinland/ (letzter Zugriff 03.01.2020) 33 Mari Koskinen im persönlichen Gespräch am 7. Mai 2019 in Helsinki, und vgl.: Nikula 2000, S. 88f. 34 Vgl.: Richtlinien für Planungswettbewerbe RPW 2013, S. 9, https://www.bak.de/w/files/ bak/03berufspraxis/hoai-vergabe/ rpw_2013.pdf (letzter Zugriff 03.01.2020) 35 Vgl.: Competition Program „New National“ 2018, S. 8 36 Mari Koskinen im persönlichen Gespräch am 7. Mai in Helsinki 37 Mari Koskinen im persönlichen Gespräch am 7. Mai in Helsinki

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38 Mari Koskinen im persönlichen Gespräch am 7. Mai in Helsinki 39 Vgl.: http://europan.fi/archive/ #modal=/site/suburbanboulevard/ (letzter Zugriff 03.01.2020) 40 Mari Koskinen im persönlichen Gespräch am 7. Mai in Helsinki

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41 Mari Koskinen im persönlichen Gespräch am 7. Mai in Helsinki 42 Vgl.: Competition Program „New National“ 2018, S.30 43 Vgl.: Wüstenrot Stiftung 2019 44 Vgl.: https://www.bundesstiftungbaukultur.de/netzwerk/bildung (letzter Zugriff 03.01.2020)

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Architektur im finnischen Bildungssystem

Die Erfolgsmeldungen, die wenige Jahre nach der Verabschiedung der Architekturpolitik von 1998 über die Implementierung der Architecture Education im Schul- bzw. Bildungssystem nach Deutschland drangen, waren, wie eingangs beschrieben, aufsehenerregend. Die Grundlage dafür bildete der Report Discovering Architecture. Civic Education in Architecture in Finland, den die Finnish Association of Architects SAFA 2001 publizierte, nachdem im Rahmen eines Nachmittagsseminars, das der Forschungsund Fortbildungsausschuss von SAFA im November 1999 zu dem Thema organisierte, deutlich geworden war, dass die Teilnehmenden sich alle mit den gleichen Problemen konfrontiert sahen: dem Fehlen von Kontakten mit anderen Kolleginnen und Kollegen oder Institutionen, dem Fehlen von Lehrmaterialien und einem Mangel an Fortbildungsmöglichkeiten. Da keiner der Teilnehmenden einen klaren Überblick darüber hatte, was im Bereich der Civic Education 99

in Architecture in Finnland damals angeboten wurde, sei ersichtlich geworden, dass eine Untersuchung notwendig war.1 Im Rahmen der 2001 erschienenen, vom National Council for Architecture finanzierten Studie erhielten die Autorinnen Heini Korpelainen und Anu Yanar Informationen über 140 Projekte in 45 Städten und erfuhren von weiteren 60 Projekten.2 Laut Tiina Valpola war es in der ersten „enthusiastischen Phase“ unmittelbar nach dem Erscheinen der Architekturpolitik von 1998 zu einer Fülle von Projekten gekommen, die durch die Förderpolitik des Ministry of Education und des National Council for Architecture ermöglicht wurden.3 Bereits in dem Report berichteten die Autorinnen von den ersten drei Lower oder Upper Secondary Schools, in denen die Architektur in die Fächer Kunst, Geografie, Geschichte, Mathematik oder Religion integriert worden sei.4 Als Meilenstein bezüglich der Integration der Architecture Education ins Schulsystem wird jedoch gemeinhin das Jahr 2003 angegeben, in dem die Architektur als eigenständiges Thema in den Visual-Arts-Unterricht der Sekundarstufen I und II integriert wurde.5

Architecture Education im regulären Schulsystem Auf die Frage, ob die Architecture Education im finnischen Schulsystem gut verankert sei, antworteten nahezu alle befragten Expertinnen und Experten im persönlichen Gespräch, in dem Feld bestehe noch großer Bedarf. Die aktuellen National Core Curricula für die Basic Education und die Upper Secondary Education, die beide 2016 in Kraft traten, offenbarten, dass die Architektur in den Curricula für die Basic Education, wie die neunjährige Gemeinschaftsschule 100 Architektur im finnischen Bildungssystem

genannt wird, und die General Upper Secondary Schools, die gymnasiale Oberstufe, weniger präsent ist, als es zu erwarten wäre. Im Vergleich zu den Vorgänger-Curricula, die für die Basic Education 2004 und für die Upper Secondary Education 2003 in Kraft traten, zeigt sich, dass die Tendenz sogar rückläufig ist und heute deutlich weniger Architecture Education vorgesehen ist. So ist beispielsweise das Modul „Environmental aesthetics, architecture, and design“, das im Curriculum für die Basic Education von 2004 im Fach Kunst vorgesehen war, im neuen Curriculum gestrichen worden. Vorgesehen war in dem Modul, dass die Schülerinnen und Schüler die natürliche und gebaute Umwelt, die Architektur und das gebaute Erbe erforschen und dokumentieren. Zudem sollte das Lesen und Entwerfen von 3D-Objekten, Plänen und maßstabsgetreuen Modellen erlernt werden.6 Während im alten Curriculum die einzelnen Kunstsparten noch explizit Erwähnung fanden, fällt das Stichwort Architektur im neuen National Core Curriculum for Basic Education nur im Zusammenhang mit dem Religionsunterricht für die Klassen 3–6. Hier ist vorgesehen, dass sich die Schülerinnen und Schüler auch mit der Kirchenarchitektur beschäftigen.7 Etwas häufiger, insgesamt elf Mal, fällt immerhin das Stichwort Built Environment. Die Auseinandersetzung mit der gebauten Umgebung und dem Kulturerbe ist in den ersten beiden Klassenstufen im Fach Crafts vorgesehen,8 ferner im Fach Geschichte, das von der 3. Klassenstufe 9 an unterrichtet wird, und in Geografie, die ab der 7. Klasse auf dem Lehrplan steht.10 In erster Linie jedoch sind diese Themen im Fach Environmental Studies verankert,11 einem multidisziplinären Fach, das laut National Core Curriculum for Basic Education Wissensfelder aus der Biologie, Geografie, Physik und Gesundheitslehre umfasst, die Nachhaltigkeitsperspektive miteinschließt und Perspektiven der Natur- und Architektur im finnischen Bildungssystem

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Gesellschaftswissenschaften zusammenführt. Die Environmental Studies werden in den Klassenstufen 1–6 unterrichtet und sind inhaltlich am ehesten mit dem deutschen Fach Sachkunde vergleichbar, das im Grundschulbereich gelehrt wird. Ziel ist es unter anderem, die Schülerinnen und Schüler dazu anzuleiten, die natürliche und gebaute Umgebung kennenzulernen und zu verstehen.12 Keine explizite Erwähnung finden die Architecture oder Built Environment Education überraschenderweise im National Core Curriculum for Basic Education im Kontext des Fachs Visual Arts. Lediglich einer der drei Pflichtkurse „Formed and built environments (KU2)“ im Curriculum für die Upper Secondary Education, die Sekundarstufe II, bezieht sich explizit auf Architektur und Baukultur.13 Darüber hinaus findet auch hier Architektur und Built Environment nur im Zusammenhang mit Kirchenbauten im Fach Religion Erwähnung und in den Fächern Geografie und Health Education.14 Dass die Architektur in den neuen Curricula weniger präsent ist als in den alten, heißt jedoch laut Mikko Hartikainen von der Finnish National Agency of Education nicht, dass keine Architecture Education mehr stattfinden solle. Im Gegenteil handele es sich seiner Aussage nach um Schlüsselinhalte des Bereichs „Visual cultures in the environment“ im Rahmen der Kunsterziehung. Design, Architektur und gebaute Umwelt werden in erster Linie in den Fächern Visual Arts und Crafts unterrichtet und berücksichtigt.15 „Schlupflöcher“ für die Architecture Education dürften sich hinter der regelmäßig wiederkehrenden Formulierung „and other forms of visual culture“ verbergen.16 Bemerkenswert ist, dass die Schülerinnen und Schüler laut beider Curricula im Rahmen des Fachs Visual Arts dazu ermutigt werden sollen, ihre Umgebung und die Gesellschaft zu beeinflussen.17 Gleichzeitig zählen die Schlagworte „Partizipation, Beteiligung und 102 Architektur im finnischen Bildungssystem

das Gestalten einer nachhaltigen Umgebung“ zu den übergeordneten Kompetenzen, die im finnischen Schulwesen vom ersten Schuljahr an gefördert und allen Fächern zugrunde gelegt werden.18 Unter dem Punkt T7 der Transversal Competencies heißt es beispielsweise für die Stufe 1–2: „Partizipation ist die Basisvoraussetzung für eine effektive Demokratie. Fähigkeiten in Partizipation und Beteiligung ebenso wie ein verantwortungsvolles Bewusstsein in Bezug auf die Zukunft können nur durch das Praktizieren erlernt werden. Die Schulumgebung bietet einen geschützten Rahmen dafür, während die Basic Education die Grundlage dafür schafft, dass die Schülerinnen und Schüler zu aktiven Bürgerinnen und Bürgern heranwachsen, die ihre demokratischen Rechte und Freiheiten verantwortlich nutzen.“19 Auch an der Gestaltung der Lernumgebung, die einen wichtigen Stellenwert in den Grundsätzen der Curricula einnimmt, sollen die Schülerinnen und Schüler ausdrücklich teilhaben.20 Wie viel Architecture oder Built Environment Education tatsächlich im Einzelnen angeboten wird, lässt sich laut Mikko Hartikainen nicht am National Core Curriculum ablesen, da die Entscheidung über die konkreten Inhalte letztendlich bei den lokalen Bildungsanbietern liegt und die Auswahl der Inhalte in den lokalen Curricula zudem vom Jahresplan der Schulen wie auch von den pädagogischen Ansätzen und Methoden der Lehrkräfte abhängig ist. Immer mehr Bildungsanbieter und Schulen nutzen beispielsweise die Möglichkeiten des Cultural Education Plans, um die Architecture Education zu stärken.21 Den Cultural Education Plan stellen die Kommunen in Kooperation mit lokalen Kunst- und Kulturinstitutionen auf, um für eine Vernetzung mit außerschulischen Lernorten und Experten zu sorgen und zu garantieren, dass jede Region ihr eigenes Kulturerbe ins Zentrum stellen kann und allen Lernenden der Architektur im finnischen Bildungssystem 103

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B1-language

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Mathematics

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Environmental studies

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Biology and geography Physics and Chemistry Health Education Religion/Ethics

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Music

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Crafts

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Physical Education

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Home economics

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Artistic and practical elective subjects

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Elective subjects Kuopio bonus hours

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Lessons per week

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Guidance Counseling

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History and social studies

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Vor- und Gemeinschaftsschulen jedes Jahr der Zugang zu Kultur und Kunst ermöglicht wird.22 Und genau an diesem Punkt kommen schließlich auch die lokalen Architekturpolitiken zum Tragen, die, wie Jaana Räsänen im Gastbeitrag der vorliegenden Publikation darstellt, alle Bezug nehmen auf das Thema Architecture Education. So erklärt sich, dass die beiden National Core Curricula verhältnismäßig wenig aussagekräftig sind und Lernziele und -inhalte mit größter Offenheit formuliert werden. Selbst für die genaue Verteilung der Unterrichtsstunden, die im Government Decree 422/2012 geregelt ist, sind letztendlich die lokalen Bildungsträger verantwortlich. Wie so etwas aussehen kann, lässt sich am Beispiel der Stundenverteilung, welche die Stadt Kuopio für die neunjährige Basic School festlegte, studieren. (Abb. 18) Für die sogenannte Arts- und Skill-Fächergruppe, die aus Visual Arts, Musik, Crafts, Sport und Hauswirtschaft besteht, sind laut Mikko Hartikainen in den Klassenstufen 1–6 insgesamt 41 und in den Klassenstufen 7–9 insgesamt 21 jährliche Wochenstunden vorgesehen, so dass während der neunjährigen Gemeinschaftsschule insgesamt 62 jährliche Wochenstunden in der Fächergruppe belegt werden müssen, wobei eine jährliche Wochenstunde 38 Unterrichtsstunden à 45 Minuten entspricht.23 Der Verteilungsplan der Stadt Kuopio zeigt, dass fast ein Drittel der 62 Wochenstunden, 20 insgesamt, auf den Sportunterricht entfällt. Hinzu kommen die drei vorgeschriebenen Pflichtstunden Hauswirtschaft in der 7. Klasse. Die Pflichtstunden für Musik (8 Stunden), Visual Arts (9 Stunden) und Crafts (14 Stunden) sind so verteilt, dass in allen drei Fächern durchgehend von der 1. bis zur 7. Klasse Pflichtstunden vorgesehen sind. In Crafts sind es jeweils zwei Stunden pro Woche, in Visual Arts und Musik in der Regel eine Stunde – lediglich in der 4. Klasse in Visual Arts und in der 7. Klasse erhöht Architektur im finnischen Bildungssystem 105

sich in beiden Fächern der Pflichtstundenanteil auf zwei. Zusätzlich sind insgesamt acht Wahlpflichtkurse vorgesehen, in denen die Schülerinnen und Schüler aus dem Gesamtspektrum der fünf Fächer wählen dürfen. Drei davon entfallen auf die Klassenstufen 1–6, wobei eine Stunde in der 3. und zwei in der 4. Klasse absolviert werden sollen. Fünf weitere, drei in der 8. und zwei in der 9. Klasse, entfallen auf die sogenannte Lower Secondary Education.24 Theoretisch ist es also möglich, dass die Schüler nach der 7. Klasse keinen Kunstunterricht mehr haben, da er von da an nicht mehr obligatorisch ist. Da die Stadt Kuopio 2007 bereits in ihrer ersten lokalen Architekturpolitik unter Maßnahme 16 das Ziel verfolgte, die Architecture Education in Schulen, Kindergärten und in der Berufsausbildung zu verbessern,25 und dieses Ziel auch in der zweiten Auflage der Architekturpolitik von 2017 erneuert wurde,26 ist davon auszugehen, dass im Rahmen des Unterrichts in Visual Arts oder Crafts die Themen Architektur und Built Environment durchaus eine Rolle spielen werden. Dass Schulen für die Vermittlung baukultureller Inhalte auch Kooperationen mit externen Partnerinnen und Partnern oder Einrichtungen suchen, ging auch aus den Gesprächen mit den Gründerinnen der beiden Architekturschulen für Kinder hervor. Pihla Meskanen, Gründerin von ARKKI, berichtete davon, dass ihre Schule mit Helsinkis Nachbarstädten Espoo und Vantaa im Rahmen des Cultural Education Plans kooperiere. Von beiden Städten wird ARKKI seit fünf Jahren laut Meskanen für die Kooperation bezahlt, die für die Schulen schließlich kostenlos ist. Auch Mervi Eskelinen, Leiterin der Lastu School in Lapinlahti, berichtete im Gespräch von einer Kooperation mit einer Upper Secondary School in Lapinlahti, die regelmäßig durchgeführt werde, sofern sich genügend Schülerinnen und Schüler anmeldeten. Wie flexibel das 106 Architektur im finnischen Bildungssystem

System der Wochenarbeitsstunden ausgelegt werden kann, zeigt sich in ihrer Darstellung auf die Frage, welchen Umfang diese Kurse haben: „Das Schuljahr ist unterteilt in fünf Phasen und davon unterrichten wir eine, so dass wir auf etwa fünf Stunden Unterricht pro Woche kommen.“27 Wenn also laut Stundenverteilungsplan in einer Jahrgangsstufe eine Wochenstunde Visual Arts vorgesehen ist, heißt das nicht, dass die Schülerinnen und Schüler einmal pro Woche für 45 Minuten Kunstunterricht haben, sondern die Stunden lassen sich clustern, wie es beispielsweise auch aus dem sogenannten Epochenunterricht der Waldorfschulen bekannt ist, so dass eine intensivere Arbeit möglich wird. Obwohl es auf den ersten Blick so erscheint, als habe die Architecture Education im Rahmen des neuen National Core Curriculum for Basic Education eine Kürzung erfahren, wurde in Gesprächen mit Hanna Harris, Lotta Leskelä, Jaana Räsänen, Pihla Meskanen und Mervi Eskelinen deutlich, dass das neue Curriculum mit Verweis auf die neu geschaffenen „multidisziplinären Lernmodule“ auch Potenziale für die Architecture Education birgt. Diese bieten „exzellente Möglichkeiten [...] für Kooperationen zwischen der Schule und der Gesellschaft drum herum“28. So berichtete Pihla Meskanen beispielsweise von einer Kooperation mit einer Schule in Mittelfinnland, die Architektur als Fach einrichten wollte. „Sie haben das neue Curriculum so interpretiert, dass sie verschiedene Wahlfächer angeboten haben. Wir haben daraufhin einen Lehrplan mit ihnen entwickelt und hatten im ersten Jahr einmal pro Woche jeweils für vier Stunden einen Architekten dort. Inzwischen führen die Lehrkräfte den Unterricht mit dem gemeinsam erarbeiteten Material allein weiter.“ Ein ganz ähnliches Projekt betreue ARKKI derzeit auch an einer Schule in Helsinki in einem von der Regierung unterstützten Projekt, das in drei Klassen stattfinde. „Jeden Architektur im finnischen Bildungssystem 107

Freitag gehen Architektinnen und Architekten in den Unterricht und arbeiten dort den ganzen Tag gemeinsam mit den Lehrkräften. Es werden dann keine Fächer unterrichtet, sondern sie verbinden über die Architektur andere Inhalte miteinander.“29 Außerdem sieht das Curriculum vor, wie Räsänen bemerkt, dass alle möglichen Umgebungen als Lernumgebungen genutzt werden.30 So sollen laut Curriculum für die Basic Education nicht nur die Innen- und Außeneinrichtungen der Schule genutzt werden, sondern auch die Natur und die gebaute Umgebung,31 was der Architecture Education wiederum neue Möglichkeiten offeriert.32 Dass an den Schulen die Architektur auch ohne explizite Erwähnung in den National Core Curricula durchaus präsent zu sein scheint, mag zum einen darauf zurückzuführen sein, dass sie in den vergangenen 20 Jahren infolge der Architekturpolitik von 1998 begonnen hat, einen relativ selbstverständlichen Part innerhalb der Kunsterziehung einzunehmen. Es wird aber auch der Tatsache geschuldet sein, dass Architektur und Architekturgeschichte aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung für den Nation-Building-Prozess traditionell gut verankert sind in der finnischen Lehrkräftebildung. So berichtete Riikka Mäkikoskela, Geschäftsführende Direktorin der Finnish  Association of Art Schools for Children and Young People, an der University of Helsinki sei der Fachbereich Kunstgeschichte stark auf Architekturgeschichte ausgerichtet: „Die Studierenden beklagen sich manchmal, dass sie hauptsächlich Architektur- und Kunstgeschichte studieren.“33 Einen hohen Architekturgeschichtsanteil in der Kunstgeschichte im Rahmen des Lehramtsstudiums Kunst bestätigten auch Lotta Leskelä, Kuratorin der Bildungsabteilung im Alvar Aalto Museum in Jyväskylä, die an der University of Lappland in Rovaniemi ausgebildet wurde,34 und Henna Haavisto, die als 108 Architektur im finnischen Bildungssystem

Kunstlehrerin an der Aurinkolahti Primary School in Vuosaari tätig ist und an der Aalto University in Espoo studierte. Auch sie habe viel Architekturgeschichte studiert, berichtete Haavisto – am meisten über Stadt und Architektur habe sie jedoch in einem Seminar über Environmental Education gelernt, das ein Pflichtkurs im Lehramtsstudium gewesen sei und sinngemäß „Space and Environment“ hieß: „Wir haben viel in Helsinki-City studiert, haben uns die Architektur angesehen und haben Vorlesungen darüber bekommen, wie und von wem die Architektur Helsinkis gebaut wurde, und sind durch verschiedene Zeiten und Stiele gegangen. Es war ein größerer Kurs, ein Vier-Credits-Kurs, denke ich. Es gab Exkursionen und wir lernten verschiedene Räume, Gebäude und einige Architektinnen und Architekten kennen, die über ihre Projekte gesprochen haben, sind aber auch an die wichtigsten Gesetze herangeführt worden, die man kennen muss, wenn es um Architektur geht.“35 Mikko Hartikainen von der Finnish National Agency of Education betonte zudem im Gespräch, die Kunstlehrerausbildung in Finnland sei traditionell immer schon breit ausgerichtet gewesen. Es handele sich weniger um eine Fine-Art-Ausbildung, sondern vielmehr um eine Visual Culture Education. In diesem Rahmen habe beispielsweise die Environmental Education seit den späten 1960er, frühen 1970er Jahren immer eine herausragende Rolle eingenommen, die, wie auch Pirkko Pohjakallio-Koskinen in ihrem 2010 erschienenen Artikel „Mapping Environmental Education Approaches in Finnish Art Education“ beschreibt, seit 1970 unterschiedlichsten Wandlungen unterlag.36 Zu den Überraschungen, welche die Auseinandersetzung mit dem finnischen Schulsystem in Bezug auf die Architecture Education zutage brachte, gehört die Erkenntnis, dass der Kunstunterricht im finnischen Schulsystem weniger präsent ist, als gemeinhin angenommen wird. So hat das Architektur im finnischen Bildungssystem 109

finnische Schulsystem heute den Ruf, einen extraordinär hohen Anteil an Kunstunterricht zu unterhalten, da in keinem anderen Fach das Lernen zu lernen und das kreative Denken, Schlüsselbildungsziele im finnischen Bildungswesen, so gut erlernt werden könnten wie dort. Riikka Mäkikoskela bestätigte im Gespräch, das sei durchaus auch in den 1980er und 1990er Jahren noch der Fall gewesen, obwohl es bereits in den 1970ern zu einer massiven Kürzungswelle gekommen sei. Im Laufe der 2000er Jahre habe sich das jedoch so massiv geändert, dass sie von einem regelrechten „Cleaning out of Art“ im Laufe der vergangenen 20 Jahre spricht. Unter der konservativen Regierung habe ein Paradigmenwechsel zugunsten der Ökonomie stattgefunden, der sich ihrer Einschätzung nach spätestens in zehn Jahren in der Gesellschaft zeigen werde, da das Kunstsystem schnell kollabiere, wenn es nicht gepflegt werde.37 Überraschend ist nicht nur der relativ niedrige Pflichtstundenanteil von nur neun Stunden, den der Stundenplan der Stadt Kuopio zeigt, sondern insbesondere auch die Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler in der Regel erst in der 7. Klasse, im Alter von 12 bis 13 Jahren, mit ausgebildeten Kunstlehrenden in Berührung kommen – genau in dem Moment, wenn sie in der Regel aussteigen und das Interesse verlieren und nur noch schwer zu motivieren sind. In den ersten sechs Schuljahren werde hingegen in der Regel der Kunstunterricht von den Klassenlehrerinnen und -lehrern, die vergleichsweise unzureichend dafür ausgebildet sind, übernommen, wie Henna Haavisto und Riikka Mäkikoskela kritisierten.38 So ist es möglich, wie der Stundenplan der Stadt Kuopio zeigt, dass Schülerinnen und Schüler, die nach der 7. Klasse Kunst abwählen, nur ein einziges Jahr während ihrer Schulzeit von ausgebildeten Kunstpädagoginnen und -pädagogen unterrichtet werden, was sehr wenig ist. 110

Architektur im finnischen Bildungssystem

Wie die Aalto University versucht, diesem Missstand entgegenzuwirken, stellte Professor Martti Raevaara, Leiter des Master-Studiengangs Art Education und der Fakultät Kunst im Gespräch dar: „Die Aalto University kooperiert mit den Class-Teacher-Departments verschiedener Universitäten, so dass sich Studierende von dort für ein Nebenfachstudium an der Aalto University bewerben und hier 60 Credits, also ein Studienjahr, absolvieren können. Die meisten kommen von der University of Helsinki, aber auch von anderen Universitäten. Aber es sind so viele Bewerbungen, dass wir nur drei bis fünf Studierende pro Jahr für ein einjähriges Fulltime-Nebenfachstudium aufnehmen können. Wir haben daher ein Agreement mit der Uni in Tampere, dass sie auch jährlich zwölf Studierende für das Programm aufnehmen, und machen das in Kooperation mit ihnen. So haben wir insgesamt jährlich etwa 15 bis 18 Nebenfachstudierende, die ein Jahr lang Fachunterricht Kunst mit 60 Credits für ein Studienjahr belegen. Wir haben keine wirklichen Extra-Ressourcen dafür – aber wir wollen in der Situation helfen, weil es mehr und mehr Klassenlehrerinnen gibt, die diesen 60-CreditNebenfachblock nicht haben. Es ist wenig, aber immerhin ist es etwas. Die University of Lappland nimmt auch jährlich fünf bis sechs Nebenfachstudierende auf.“39 Dass der Kunstunterricht und auch die Architecture Education dennoch den Ruf haben, im finnischen Schulsystem außerordentlich präsent zu sein, könnte letztendlich auch auf ein Missverständnis zurückzuführen sein, da sich für Außenstehende der Unterschied zwischen dem National Core Curriculum for Basic Education und dem National Core Curriculum for Basic Education in the Arts nicht unbedingt sofort erschließt. Beide tragen einen ähnlichen Namen, beide sind von der Finnish National Agency for Education herausgegeben und unterscheiden sich optisch nur Architektur im finnischen Bildungssystem

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durch einen etwas anderen Blauton. Inhaltlich handelt es sich jedoch um zwei vollkommen unterschiedliche Curricula. Während sich das eine auf die neunjährige Gemeinschaftsschule bezieht, handelt es sich bei Basic Education in the Arts um ein außerschulisches Curriculum, in dem die Inhalte für private oder staatlich geförderte Kunst- und Musikschulen geregelt werden.

Architecture Education in der Basic Education in the Arts Die Basic Education in the Arts ist eine finnische Besonderheit. Sie bietet Kindern und Jugendlichen außerschulischen Kunst- und Musikunterricht, der nach dem Vorbild des Unterrichts der Jugendmusikschulen langfristig angelegt ist und zielgerichtet von Level zu Level voranschreitet.40 Ihre Wurzeln hat die Basic Education in the Arts in den frühen 1970er Jahren: Als im Zuge der Reformierung des Schulsystems von einem zweizügigen System zur neunjährigen Gemeinschaftsschule der Kunstunterricht erstmals massiven Kürzungen in den Lehrplänen ausgesetzt war, führte das zu erheblichen Protesten in der Gesellschaft.41 Im Rahmen von Graswurzelbewegungen schlossen sich Eltern, Lehrkräfte und Kunstschaffende überall in Finnland zusammen und gründeten kommunale und private Kunstschulen mit dem Ziel, die Kürzungen im Nachmittagsprogramm aufzufangen und einen fortlaufenden, aufeinander aufbauenden Kunstunterricht zu gewährleisten, vergleichbar mit dem an Jugendmusikschulen.42 Nach einer experimentellen Gründungsphase wurde laut Elisse Heinimaa 1982 die Finnish Association of Art Schools for Children and Young People als Interessengemeinschaft gegründet, die als übergeordnetes 112

Architektur im finnischen Bildungssystem

Ziel formulierte, dass die Kunstschulen nicht als eine auf künstlerische Berufe vorbereitende Institution gesehen werden wollen, sondern allen Kindern und Jugendlichen zugutekommen und eher der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung dienlich seinen sollen.43 1992 wurde, wie Mikko Hartikainen die Entwicklung beschreibt, das erste Gesetz, die Basic Education in the Arts betreffend, verabschiedet, das Gemeinden darin bestärken sollte, das Angebot an extracurricularem Kunstunterricht auszubauen. 1993 folgte das erste National Core Curriculum for Basic Education in the Arts, das vom National Board of Education (heute Finnisch National Agency for Education) herausgegeben wurde. Nachdem das Gesetz bereits 1998 einer Revision unterzogen wurde, ist im Jahr 2000 auch das Curriculum angepasst worden, indem fortan zwei Lehrpläne, ein basic und ein advanced syllabus definiert wurden, die sich im Unterrichtsumfang voneinander unterscheiden. So liegen dem Basis-Programm 500 Unterrichtseinheiten zugrunde und dem Advanced-Programm sogar 1300 Stunden.44 Seit 2005 befinden sich unter dem Schirm der Basic Education in the Arts neun Kunstsparten, zu denen neben Visual Arts, Handwerk, Medienkunst, Musik, Literatur, Zirkus, Tanz und Theater auch die Architektur gehört, für welche die Finnish National Agency of Education jeweils die zwei Lehrpläne – general und advanced – zusammenstellte. Zu den übergeordneten Zielen, die für den Bereich Architektur in den beiden Curricula formuliert werden, gehört der Aufbau einer lebenslangen Beziehung zur Architektur. Außerdem sollen die Voraussetzungen für eigene Ausdrucksweisen und Interpretationen in dem Bereich geschaffen werden. „Architektur wird experimentell als Raumkunst und als allgegenwärtige gebaute Umwelt erforscht, die von einzelnen Artefakten bis hin zu umfangreichen Architektur im finnischen Bildungssystem

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Einheiten reicht.“ Darüber hinaus soll der Unterricht vertraut machen mit Umweltplanung und Designprozessen, aber auch mit der Pflege und dem Erneuern von Kulturerbe unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Entwicklung.45 Das Programm beginnt im Bereich der frühkindlichen Erziehung mit einer spielerischen Erkundung des eigenen Lebensumfeldes und führt in Planung, Design und das dreidimensionale Arbeiten ein. Bereits in den Vorschulkursen steht nicht nur das individuelle Arbeiten, sondern auch die Arbeit in der Gruppe auf der Agenda, so dass schon die Kleinsten erlernen sollen, andere Positionen einzubeziehen und zu berücksichtigen.46 Im allgemeinen Lehrplan, dem general Syllabus, geht es darum, Kinder und Jugendliche darin zu unterstützen, eine Beziehung zur Architektur aufzubauen, die Schülerinnen und Schüler an die vielseitige und multisensorische Wahrnehmung ihrer Umgebung heranzuführen und ein Gefühl für die Interaktion zwischen Mensch, Natur und gebauter Umwelt zu entwickeln. Ziel ist aber auch, eine „built environment literacy“ zu erreichen, sprich, den Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, die gebaute Umwelt lesen zu lernen. Dazu werden Grundlagen der Architekturgeschichte, des Kulturerbes und der zeitgenössischen Architektur vermittelt. Darüber hinaus soll die Architektur als ein Feld zwischen Kunst und Wissenschaft und in ihrer Beziehung zu den anderen Künsten erlebbar werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen an Planungs- und Entwurfsprozesse herangeführt werden, aber auch vertraut gemacht werden mit ihren Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen.47 Während im allgemeinen Lehrplan, dem general Syllabus, insgesamt 500 Wochenstunden à 45 Minuten veranschlagt sind, wobei 300 Stunden auf die common und 200 Stunden auf die thematic studies entfallen, in denen eine 114

Architektur im finnischen Bildungssystem

Vertiefung stattfindet, geht der advanced Syllabus von insgesamt 1300 Wochenstunden aus, von denen 800 sogenannte Kernstudien und 500 Stunden spezialisierte Studien sind.48 Die Beschreibungen der Inhalte und Ziele der beiden Curricula unterscheiden sich kaum voneinander und sehen in der Regel im advanced Syllabus lediglich einen aktiveren Part der Lernenden vor. Während beispielsweise in den thematic studies in architecture im general Syllabus vorgesehen ist, die Schülerinnen und Schüler dazu zu „ermutigen“, sich mit der Architekturgeschichte, dem gebauten Erbe und der Gegenwartsarchitektur auseinanderzusetzen und ihr Allgemeinwissen in dem Bereich zu verbessern,49 werden sie im advanced Syllabus darin bestärkt, „umfangreiche Erkundungen in der Architekturgeschichte, dem gebauten Erbe und der zeitgenössischen Architektur durchzuführen.“50 Während im general Syllabus vorgesehen ist, die Schülerinnen und Schüler „anzuleiten, ihr architektonisches Denken zu entwickeln und Schlüsselkonzepte zu verstehen“, sollen sie im advanced Syllabus dazu angeregt werden, ihre „Fähigkeiten zu vertiefen und architektonische Ideen und Lösungen zu entwickeln“.51 Unterrichtet wird die Architektur im Rahmen der Basic Education in the Arts hauptsächlich in zwei Architekturschulen für Kinder und Jugendliche, der von Pihla Meskanen 1993 gegründeten ARKKI School of Architecture for Children and Youth, die in Helsinki, Espoo und Vantaa tätig ist, und in der von Mervi Eskelinen gegründeten Lastu School for Architecture and Environmental Culture in Lapinlahti in Zentralfinnland. Neben den reinen Architekturschulen für Kinder und Jugendliche wird nach Angabe von Riikka Mäkikoskela, Geschäftsführende Direktorin der Finnish Association of Art Schools for Children and Young People, auch an mindestens vier Visual Arts Schools, die zu ihrem Verband Architektur im finnischen Bildungssystem

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gehören, das Basis-Programm für Architektur angeboten. Eine der ersten Schulen, die bereits seit 1996 ein Architekturprogramm anbietet, ist die School of Fine Arts Jyväskylä, die seit 2016 als eigenständige Einheit unter dem Dach des Jyväskylä Adult Education Centre agiert52 und neben ARKKI die einzige Institution ist, die den advanced Syllabus der Basic Education in the Arts in Architektur anbietet, wie Ilpo Vuorela, der seit 1998 in Jyväskylä Architektur unterrichtet, mitteilte. Die Schule hat 45–50 Schülerinnen und Schüler pro Jahr im Bereich Architektur und bietet, wie Vuorela darstellte, mehr oder weniger ausschließlich Unterricht im Kontext der Basic Education in the Arts an. Kurzzeitkurse, Sommerworkshops oder Kooperationen mit Schulen oder der in Jyväskylä ansässigen Alvar Aalto Foundation finden nur selten statt.53 Die Architektur ist im Rahmen des Programms der Basic Education in the Arts zwar nur eine kleine Sparte, Mäkikoskela wies jedoch darauf hin, dass Architekturkurse häufig an normalen Visual-Arts-Schulen angeboten werden, da sie sich problemlos in die Curricula für Visual Arts oder Crafts im Rahmen der Basic Education in the Arts einbinden lassen. Die Architekturkurse erfreuen sich zudem großer Beliebtheit, da sie, wie beispielsweise auch Medien- oder Fotografiekurse, insbesondere Jungen ansprechen, die im Rahmen der Basic Education in the Arts stark unterrepräsentiert sind.54 Rund 80 Prozent der Schülerschaft im Programm Basic Education in the Arts sind Mädchen, wie im Compendium Cultural Policies and Trends in Europe von 2017 dargestellt wird.55 Es ist davon auszugehen, dass das System der Basic Education in the Arts, in dem die Architektur einen gleichberechtigten Platz neben den anderen acht Künsten einnimmt, und die berühmt gewordenen Architekturschulen für Kinder und Jugendliche erheblich dazu beigetragen haben, dass 116

Architektur im finnischen Bildungssystem

Finnland – durchaus zurecht – als unangefochtener Pionier im Bereich der Architecture Education wahrgenommen wird. Aus einer Präsentation der Direktorin der Association of Basic Education in the Arts, Anu Hietala, vom 26. Januar 2017 im Rahmen der LKCA-Conference in Utrecht geht hervor, wie klein jedoch die Sparte Architektur innerhalb der Basic Education in the Arts ist. Hietala berichtet von insgesamt 393 Kunst- und Musikschulen in Finnland (die 120 Adult Education Centres eingeschlossen), die in 251 Gemeinden, was 85 Prozent aller finnischen Gemeinden entspricht, verortet sind. Sie werden besucht von knapp 130.000 Schülerinnen und Schülern, was lediglich in etwa 15 Prozent eines Jahrgangs entspricht,56 was relativ großzügig gerechnet zu sein scheint, da Mikko Hartikainens Schätzungen sogar nur von 11 bis 14 Prozent eines Jahrgangs ausgehen.57 Wie klein der Anteil der Schülerinnen und Schüler in Architekturprogrammen ist, zeigt sich in Hietalas Übersichtstabelle. Mit 69.317 Teilnehmenden sind mehr als die Hälfte der insgesamt 129.218 eingeschriebenen Schülerinnen und Schüler in der Musik eingeschrieben, gefolgt von 29.943 im Bereich Tanz und 17.473 in den Visual Arts. Mit 408 Lernenden ist die Architektur eine Nischensparte, die nur noch von 74 Teilnehmenden im Bereich Media Art unterboten wird.58 Umgerechnet bedeutet das, dass nur 0,32 Prozent der Schülerinnen und Schüler, die an dem Programm der Basic Education in the Arts teilnehmen, tatsächlich Architektur belegen. Die verhältnismäßig geringe Reichweite der Basic Education in the Arts in Finnland führt auch dazu, dass das Programm laut Mäkikoskela nicht unumstritten ist. Es wird kritisiert, dass nur ein geringer Prozentsatz der Kinder und Jugendlichen eines Jahrgangs erreicht werde. Zudem könnte die Basic Education in the Arts insofern als elitär eingestuft werden, da die Beiträge, welche die Eltern entrichten Architektur im finnischen Bildungssystem

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müssen, verhältnismäßig hoch seien. Es gebe jedoch derzeit Verhandlungen und Bestrebungen, einen inklusiveren Zugang, der mehr Kindern aus allen Bevölkerungsschichten den Zugang ermöglicht, zu schaffen.59 Nicht einfach scheint es auch für Neugründungen zu sein, in das Programm der Basic Education in the Arts aufgenommen zu werden, wie die Erfahrungsberichte von Gründerinnen und Gründern einer neuen Architekturschule für Kinder und Jugendliche in Tampere, auf die Jaana Räsänen und Pihla Meskanen aufmerksam machten, verdeutlichen. Die Architekturschule Tiili wurde im Frühjahr 2018 als gemeinnützige Einrichtung von einem sechsköpfigen Team unter Vorsitz von Ruud Ronni gegründet. Ausgangspunkt war das School-Club-Programm, das Archinfo Finland unter Jaana Räsänen 2016 ins Leben gerufen hatte, um das nationale Netzwerk für Architecture Education an den Orten zu stärken, an denen noch keine Basic-Educationin-the-Arts-Programme oder andere Kurse verfügbar sind.60 Im Rahmen des Programms, das auf zwei Jahre angelegt ist, sind im Herbst 2018 an drei Schulen in Tampere School Clubs eingerichtet worden, in denen jeweils einmal wöchentlich 90 Minuten mit Kindern zwischen 6 und 19 Jahren gearbeitet wird, wie Else Luotinen, Vorstandsmitglied und Lehrerin an der Architekturschule Tiili, berichtete. 61 Gefördert wurde das Programm durch das Ministry of Education and Culture, aber auch durch SAFA und andere Organisationen und Sponsoren, wie lokale Architekturbüros. Auf diese Weise werden die Honorare für die Lehrkräfte bezahlt und Ruud Ronni konnte, wie er darstellte, als lokale Kontaktperson für SAFA angestellt werden und seine Arbeitszeit dafür nutzen, die Schule zu gründen. Alle darüber hinausgehende Arbeit finde ehrenamtlich statt.62 In das Programm der Basic Education in the Arts könne die Schule gegenwärtig 118

Architektur im finnischen Bildungssystem

nicht aufgenommen werden, da sie nicht genügend Stabilität besitze, um eine Schulleitung und fest angestellte Lehrkräfte zu garantieren. Um im Rahmen der Basic Education in the Arts unterrichten zu können, müssten Kontinuität, aber auch spezifische Kursinhalte garantiert werden, was für die Schule in näherer Zukunft nicht möglich sei, bevor sie nicht eine umfassendere Förderung erhielte, mit der sie Honorare, Marketing, Mieten, Materialien sowie Verwaltungs- und Versicherungskosten abdecken kann.63 Man habe sich für eine umfassende Förderung beworben, die jedoch nicht bewilligt wurde, da Tiili noch nicht über die notwendigen Referenzen verfüge. Von dem langen Prozess, den es brauchte, um für ARKKI eine staatliche Förderung zu erhalten, berichtete auch Pihla Meskanen. Eine Förderung im Rahmen des Gesetzes für die Basic Education in the Arts sei ab 2003 möglich gewesen. Obwohl das Curriculum bereits lange fertig und genehmigt gewesen sei, habe ARKKI erst ab 2008 eine Förderung bekommen. „Das Fördersystem funktioniert so, dass die Förderung, wenn man sie einmal erhalten hat, fortlaufend ist. Das macht es für Neugründungen schwierig, weil zunächst die Gesamtfördersumme erhöht werden muss, bevor neue Schulen eine Finanzierung erhalten können“64 Laut Räsänen werde das System gerade geöffnet, so dass es auch möglich werde, für Neugründungen Förderungen zu beantragen, aber auch das bedürfe eines langen Atems.65 Das mag erklären, warum es bislang so wenige Architekturschulen für Kinder und Jugendliche gibt und mit Tiili erst 25 Jahre nach der Gründung von ARKKI und der Lastu-School wieder eine neue Schule eröffnet wurde. Diese ist derzeit noch klein. Nach Angaben von Else Luotinen gab es im ersten Schuljahr 2019 insgesamt 17 Schülerinnen und Schüler, wobei fünf der Teilnehmenden aus dem ersten Semester Architektur im finnischen Bildungssystem

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sich auch für den Folgekurs im Herbst angemeldet hätten. Insgesamt, so schätzt Luotinen, haben etwa 130–200 Schülerinnen und Schüler seit Herbst 2018 an Kursen oder School Clubs teilgenommen, wobei sie im gegenwärtigen Herbstsemester keine School Clubs aufgrund von Lehrkräftemangel anbieten können. Für das Frühjahr 2020 seien aber wieder Kurse an zwei bis fünf Schulen geplant – je nachdem, wie viele Lehrende verfügbar sein werden.66

120 Architektur im finnischen Bildungssystem

Fazit: Baukultur ins Bildungssystem! Zu den überraschendsten Erkenntnissen, welche die Auseinandersetzung mit dem finnischen Bildungssystem zutage gebracht hat, gehört, dass – anders als gemeinhin in Deutschland angenommen wird – das finnische Schulsystem keinen besonders hohen Anteil an Kunsterziehung mehr hat und die Architecture Education in den National Core Curricula weit weniger präsent ist, als es zu erwarten wäre. In beiden Punkten entsteht sogar der Eindruck, dass Deutschland zumindest formal deutlich besser aufgestellt sein könnte. So ist in den ersten zehn Klassenstufen der Kunstunterricht in Deutschland als Pflichtkurs vorgesehen, und die Schülerinnen und Schüler haben inzwischen zumindest theoretisch eine hohe Chance, von der ersten bis zur letzten Klassenstufe von ausgebildeten Kunstpädagoginnen und -pädagogen unterrichtet zu werden, da diese im Grundschulbereich vonseiten der Politik zunehmend weniger infrage gestellt werden und eine akademische Qualifizierung für diesen Bereich entsprechend unterstützt wird. Der Rahmenlehrplan für Berlin zeigt exemplarisch, dass die Baukulturelle Bildung, bzw. der Schwerpunkt „Architektur und Raum“, in allen Klassenstufen im Fach Kunst vertreten ist.67 Während die Architecture Education in Finnland im realen Schulleben eine höhere Präsenz zu haben scheint, als die Curricula erahnen lassen – was auf die spezielle historische Situation zurückzuführen ist, aber auch das Ergebnis einer konsequenten, inzwischen mehr als 20-jährigen Architekturpolitik darstellt – ist die Situation in 121

Deutschland genau umgekehrt. Es mutet fast überraschend an, dass die Baukulturelle Bildung in den Rahmenlehrplänen präsent ist, da sie im realen Schulleben nach wie vor kaum Berücksichtigung findet. Zwar steht eine Studie zur Situation der Baukulturellen Bildung an deutschen Schulen gegenwärtig noch aus, so dass kaum zuverlässige Aussagen über Qualität und Quantität der Architektur vermittlung möglich sind. Es kann jedoch angenommen werden, dass die Situation annähernd vergleichbar sein dürfte mit jener an Schweizer Schulen, in denen Schülerinnen und Schüler, wie eine Studie jüngst zutage gebracht hat, höchstens punktuell mit Themen der Baukulturellen Bildung in Berührung kommen.68 Da die Baukulturelle Bildung in Deutschland bislang mehr oder weniger keinen Eingang in die Lehrkräftebildung gefunden hat, ist es gegenwärtig vom privaten Interesse der einzelnen Lehrkräfte abhängig, ob Schülerinnen und Schüler im Laufe ihrer Schulzeit im regulären Unterricht mit Architektur oder Baukultur in Berührung kommen. Einzig die Bauhaus-Universität Weimar unterhielt lange Zeit eine vorbildliche Kooperation zwischen dem Studiengang Architektur und dem künstlerischen Lehramt,69 die jedoch ein Einzelfall geblieben ist und derzeit nur noch rudimentär in Form einer Ringvorlesung zu existieren scheint. Das Curriculum für die Basic Education in the Arts zeigt außerdem, dass die Architecture Education in Finnland inhaltlich erheblich weiter gefasst ist als das, was gegenwärtig in Deutschland unter dem Schlagwort Baukulturelle Bildung firmiert. Architecture Education ist in Finnland 122

tatsächlich als Civic Education angelegt und darauf ausgerichtet, eine baukulturelle Allgemeinbildung in die Gesellschaft zu tragen, die es bedarf, um Verantwortung in Planungsprozessen, welche die eigene Umgebung betreffen, übernehmen oder den Schutz des gebauten Erbes gewährleisten zu können, wie es im „Land Use and Building Act“, aber auch im Grundrechtekatalog der Verfassung festgelegt ist. Im Gegensatz dazu wird die Baukulturelle Bildung in Deutschland zum großen Teil noch mit dem Basteln, Bauen und Konstruieren gleichgesetzt, was auch die Angebote, die in der 2019 erschienenen Studie der Wüstenrot Stiftung Bildungsorte und Lernwelten der Baukultur porträtiert werden, größtenteils spiegeln.70 Dieser Zugang hat zweifellos eine Berechtigung, da das Basteln und Bauen zu den zentralen ästhetischen Praktiken gehört, mit denen sich Kinder die Welt aneignen und erkunden. Es wäre jedoch zu begrüßen, wenn die Projekte stärker mit baukulturellen Inhalten und Lernzielen verbunden würden und, wie in Finnland, stärker darauf fokussieren, ein übergeordnetes Verständnis für den gebauten Raum und die Architektur zu fördern. Auffällig ist insgesamt, dass in den deutschen Projekten und Konzepten die Perspektive Kind viel zu selten Berücksichtigung findet. Dabei bringen Kinder bereits umfangreiches Wissen über Architektur und gebauten Raum mit und sind sowohl in ihren Wohnumfeldern als auch in der Schule Spezialisten für den gebauten Raum. Zu begrüßen ist aber, dass in den letzten Jahren auch in Deutschland immer häufiger das Potenzial des realen Stadtraums als Lernort entdeckt und zunehmend in die Projekte einbezogen wurde.71 123

Wie unterschiedlich die grundsätzliche Haltung in Finnland und Deutschland ist, zeigt sich beispielsweise auch im Selbstverständnis der deutschen Architektenkammern, die mit ihrem Programm „Architektur macht Schule“ die Hauptakteurinnen sind, die Vermittlungsprojekte in Schulen durchführen. In ihrem Fokus steht der „Bauherr von morgen“, wie dem Programm zu entnehmen ist: „Die Architektenkammern der Länder und die Bundesarchitektenkammer möchten, dass alle Menschen Verständnis für die gebaute Umwelt entwickeln und so zu qualifizierten Bauherren und kompetenten Entscheidungsträgern in Politik, Verwaltung und Wirtschaft heranreifen.“72 Das entsprechende Pendant, die Finnish Association of Architects SAFA, definierte im Report Discovering Architektur von 2001 die Ziele der Civic Education in Architecture weiter und schließt auch die Bürgerinnen und Bürger, die mit den Entscheidungen der Architektinnen und Architekten, Planerinnen und Planer sowie der Politikerinnen und Politiker leben müssen, mit ein: „Die gebaute Umwelt“, heißt es dort, „bietet uns allen einen Rahmen für unser Handeln und unsere persönliche Erfüllung. Sie macht den größten Teil unseres nationalen Reichtums aus und gehört uns allen, den Erbauern und den Nutzern. Alle Bürgerinnen und Bürger sollten daher ein aktives Verständnis für die gebaute Umwelt haben, unabhängig von Alter, Beruf oder Bildungshintergrund.“73

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Vgl. Korpelainen/Yanar 2001, S. 6 Vgl. Korpelainen/Yanar 2001, S. 6 Tiina Valpola in einer E-Mail vom 19. Dezember 2019 Vgl. Korpelainen/Yanar 2001, S. 18f. Vgl.: Meskanen 2012, S. 2, vgl.: Kataikko 2006 Vgl. Perusopetuksen opetussuunnitelman perusteet 2004 (NCC for Basic Education 2004), https:// www.oph.fi/sites/default/files/ documents/perusopetuksen-opetussuunnitelman-perusteet_2004.pdf, S. 237 (letzter Zugriff 28.12.2019) Vgl.: Religion Stufe 1–2, S. 143ff., Stufe 3–6, S. 264ff., und NCC for Basic Education 2016, und vgl. auch das Kapitel ,,Religion‘‘ im NCC for General Upper Secondary Schools 2016, S. 277 (letzter Zugriff 28.12.2019) Vgl.: NCC for Basic Education 2016, S. 157 Vgl.: NCC for Basic Education 2016, S. 275 Vgl.: NCC for Basic Education 2016, S. 415, und vgl.: NCC for General Upper Secondary Schools 2016, S. 201 Vgl.: NCC for Basic Education 2016, S. 139ff. Vgl.: NCC for Basic Education 2016, S. 139, S. 256 Vgl.: NCC for General Upper Secondary Schools 2016, S. 277 Vgl.: NCC for General Upper Secondary Schools 2016, S. 202, S. 241ff., S. 266 Mikko Hartikainen im persönlichen Gespräch am 7. Mai 2019 in Helsinki Vgl.: NCC for Basic Education 2016, S. 153 ff., S. 286ff., S. 458ff. Vgl.: NCC for Basic Education 2016, S. 153, S. 286, S. 458, und vgl.: NCC for General Upper Secondary Schools 2016, S. 275 Vgl.: Aiming for transversal competence, T7, NCC for Basic Education 2016, S. 21ff. NCC for Basic Education 2016, S. 25

20 Vgl.: NCC for Basic Education 2016, S. 30f. 21 Mikko Hartikainen im persönlichen Gespräch am 7. Mai 2019 in Helsinki 22 Vgl.: https://www.lastenkulttuuri.fi/ en/cultural-education-plan/ (letzter Zugriff 28.12.2019) 23 Mikko Hartikainen im persönlichen Gespräch am 7. Mai 2019 in Helsinki, und vgl.: NCC for Basic Education 2016, S. 99 24 Vgl.: https://www.slideshare.net/ jukkasormunen/presentationof-educational-structure-in-kuopioand-finland-education-system242019, S. 26 (letzter Zugriff 28.12.2019) 25 Vgl.: Lokale Architekturpolitik Kuopio 2007, S. 21 26 Vgl.: Zweite lokale Architekturpolitik Kuopio 2017, S. 36 27 Mervi Eskelinen im SkypeGespräch am 6. Juni 2019 28 NCC for Basic Education 2016, S. 33 29 Pihla Meskanen im persönlichen Gespräch am 9. Mai 2019 in Helsinki 30 Vgl.: Räsänen im Gastbeitrag in dieser Publikation 31 Vgl.: NCC for Basic Education 2016, S. 31 32 Räsänen im Gastbeitrag in dieser Publikation 33 Riikka Mäkikoskela im persönlichen Gespräch am 13. Mai 2019 in Helsinki 34 Lotta Leskelä im Telefonat am 30. August 2019 35 Henna Haavisto im persönlichen Gespräch am 10. Mai 2019 in Vuossari 36 Mikko Hartikainen im persönlichen Gespräch am 7. Mai 2019 in Helsinki, und vgl.: PohjakallioKoskinen 2010 37 Riikka Mäkikoskela im persönlichen Gespräch am 13. Mai 2019 in Helsinki 38 Henna Haavisto im persönlichen Gespräch am 10. Mai 2019, und Riikka Mäkikoskela im persönlichen Gespräch am 13. Mai 2019 in Helsinki

Architektur im finnischen Bildungssystem 125

39 Martti Raevaara im Skype-Gespräch am 6. Juni 2019 40 Vgl.: https://minedu.fi/en/basiceducation-in-arts (letzter Zugriff 28.12.2019) 41 Vgl.: Hartikainen 2009, S. 7 42 Vgl.: Heinimaa 2007 43 Vgl.: Heinimaa 2007 44 Vgl.: Hartikainen 2009, S. 7f. 45 Vgl.: NCC Basic Education in the Arts 2018, S. 23 46 Vgl.: NCC Basic Education in the Arts 2018, S. 23 47 Vgl.: NCC Basic Education in the Arts 2018, S. 24 48 Vgl.: NCC Basic Education in the Arts 2018, S. 18, S. 86 49 Vgl.: NCC Basic Education in the Arts 2018, S. 26 50 NCC Basic Education in the Arts 2018, S. 95 51 NCC Basic Education in the Arts 2018, S. 26, S. 95 52 Klaus Savolainen in einer E-Mail vom 6. Juni 2019 53 Ilpo Vuorela in einem E-MailInterview vom 15. Juni 2019 54 Riikka Mäkikoskela im persönlichen Gespräch am 13. Mai 2019 in Helsinki 55 Vgl.: Kanerva/Mitchell 2017, S. 96 56 Vgl.: Hietala 2017, S. 6 57 Mikko Hartikainen im persönlichen Gespräch am 7. Mai 2019 in Helsinki 58 Vgl.: Hietala 2017, S. 9 59 Riikka Mäkikoskela im persönlichen Gespräch am 13. Mai in Helsinki 60 Vgl.: http://archinfo.fi/2019/11/ arkkitehtuurikerhot-2016-2019hanke-nosti-arkkitehtuurikasvatuksensaavutettavuutta-valtakunnallisesti/ (Letzter Zugriff 07.01.2020)

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Else Luotinen in einer E-Mail vom 3. Dezember 2019 Ruud Ronni in einer E-Mail vom 3. Dezember 2019 Else Luotinen in einer E-Mail vom 3. Dezember 2019. Gesetzlich festgelegt sind die Voraussetzungen, die es bedarf, um im Rahmen der Basic Education in the Arts unterrichten zu können in dem Gesetz zur Basic Education in the Arts: 1998/633 § 3 64 Pihla Meskanen im persönlichen Gespräch gemeinsam mit Jaana Räsänen am 9. Mai 2019 in Helsinki 65 Jaana Räsänen im persönlichen Gespräch am 9. Mai 2019 in Helsinki 66 Else Luotinen in einer E-Mail vom 3. Dezember 2019 67 Vgl.: https://www.berlin.de/sen/ bildung/unterricht/faecher-rahmenlehrplaene/rahmenlehrplaene/ (letzter Zugriff 07.01.2020) 68 Vgl.: Archijeunes 2019, S. 26 69 Vgl.: Hubrich 2006 a + b 70 Vgl.: Wüstenrot Stiftung 2019, S. 30ff. 71 Zu nennen sind beispielsweise die „Stadtentdecker“-Projekte der Brandenburgischen Architektenkammer (2013) sowie das „Stadtspäher“-Projekt, das die Technische Universität Dortmund 2013/14 in Kooperation mit der Wüstenrot Stiftung durchführte, sowie das Projekt „Stadtteildetektive“ des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt, das seit einigen Jahren durchgeführt wird. 72 https://www.bak.de/baukultur/ architektur-macht-schule/ (letzter Zugriff 07.01.2020) 73 Korpelainen/Yanar 2001, S. 4

126 Architektur im finnischen Bildungssystem

Institutionen der Architecture Education

Architecture Education an den Universitäten Die Architecture Education ist an den finnischen Universitäten respektive in den Lehramtsstudiengängen weniger gut verankert, als es angesichts der Rolle, welche die Architektur im Bildungssystem einnimmt, zu erwarten wäre.1 Mehrere der befragten Akteurinnen und Akteure gaben an, es gebe an dieser Stelle noch großen Bedarf, und äußerten sich ähnlich wie Pihla Meskanen: „Die Universitäten waren immer abgeschlossene Einheiten, die sich eigenständig für ihre Themen entschieden haben. Wir haben nur drei Universitäten für Architektur und vielleicht drei oder vier für das Lehramtsstudium.“2 Zwar ist deutlich geworden, dass die Architekturgeschichte, wie bereits im 4. Kapitel beschrieben, einen hohen Stellenwert innerhalb der Ausbildung von Kunstlehrenden hat und es auch Lehrveranstaltungen im Bereich der Built Environment Education gibt. Eine systematische Einbindung der Architecture Education in das Lehramtsstudium, wie in der Architekturpolitik von 1998 129

gefordert, scheint es jedoch nicht zu geben. Da weder zur University of Helsinki noch zur University of Lappland in Rovaniemi ein direkter Kontakt hergestellt werden konnte, stützen sich die folgenden Beobachtungen in erster Linie auf Schilderungen Professor Martti Raevaaras, der als Leiter des Master-Programms Art Education und stellvertretender Leiter des Departments Kunst an der Aalto University tätig ist. Raevaara zufolge ist die Architecture Education an den beiden Universitäten, an denen Kunstlehrende ausgebildet werden, der University of Lappland in Rovaniemi und der Aalto University in Espoo, eher indirekt präsent. Während die University of Lappland einen besonderen Fokus auf Umwelt respektive den arktischen Lebensraum richtet, fokussiert die Aalto University in Helsinki eher auf die Stadt und das urbane Leben. Nach Raevaara stellt die Art Education in Finnland seit den 1960er und 1970er Jahren die Environmental Education mit Blick auf Architektur, Planung und Partizipation in den Mittelpunkt. „Als ich in den späten 1970ern studierte – ich habe 1981 abgeschlossen –, hatten wir eine Reihe von Wahlfächern, in denen wir Vorstädte zusammen mit Architektinnen und Architekten sowie Stadtplanungsbüros besuchten. Es ging um Wahrnehmung, es ging darum, die Machtstrukturen im Hintergrund zu verstehen. Es war Nachkriegszeit. Die Leute zogen in die Städte und es fehlten Appartements. Es war eine sehr hektische Zeit in der Architektur. Damals war die Ausbildung der Kunstlehrenden stärker auf die Umwelt und die gesellschaftlichen Aspekte ausgerichtet.“3 Raevaara wies darauf hin, dass in diesem Fall nicht die Environmental Education im Grundschulbereich gemeint sei, die ein eigenständiges Fach ist, sondern um einen Bestandteil der Kunsterziehung. Dieser sei jedoch weniger auf Architektur ausgerichtet gewesen, sondern es ging vielmehr um eine Kombination von Bürgerschaftsunterricht und 130 Institutionen der Architecture Education

dem Verständnis von Umweltfragen.4 Während der 1980er und 1990er Jahre habe sich vieles verändert. Es seien mehr Wahlfächer hinzugekommen und in den 1990er und Nullerjahren sei die Digitalisierung Thema geworden, und auch der Modellbau wurde zu einem Teil der Lehrkräftebildung im Fach Kunst.5 Raevaara bedauerte, dass in der Ausbildung heute vieles von dem, was in den 1960er und 1970er Jahren gemacht wurde, fehlt. „Wir sind jetzt so stark auf die Nachhaltigkeitsthemen fokussiert, dass das Verständnis von Machtstrukturen und Entscheidungsprozessen in der Stadtplanung nicht mehr so stark betont wird. Auch benutzen wir viele Inhalte zur Visualisierung, 3D-Modeling – Virtual Reality ist nun stark im Kommen und auch die Künstliche Intelligenz ist ein wichtiger Teil unserer Studien.“ 6 Während in den 1980er und 1990er Jahren die Kunstlehrendenausbildung noch stark auf Kunst und Design ausgerichtet war, ist sie Raevaara zufolge heute viel offener in Richtung multiund transdisziplinärer Zusammenarbeit orientiert, was auch eine Folge der Zusammenlegung der drei Helsinkier Universitäten, der University of Art and Design, der Aalto University School of Science and Technology und der University of Economics zur Aalto University, im Jahr 2010 sei. Durch diese Neuorientierung sei in den vergangenen Jahren zu beobachten gewesen, dass sich auch das Tätigkeitsfeld von Kunstlehrenden stark erweitert habe. Sie arbeiten laut Raevaara nicht mehr automatisch als Lehrkräfte in Schulen, sondern gehen in Museen, Kommunen, Bibliotheken oder werden unternehmerisch aktiv.7 Da das Lehramt in Finnland gesellschaftlich hoch angesehen ist, befindet sich die Aalto University gemäß Raevaara in der komfortablen Situation, aus einem Pool von 250 bis 300 Bewerbungen jährlich die besten 15 Studierenden für das Institutionen der Architecture Education

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Bachelor-Studium auswählen zu können und ebenso viele Kandidatinnen und Kandidaten aus 60 bis 70 Bewerbungen im Master-Programm. Ein besonderer Fokus der Universität liege auf dem Master-Programm, das sich an sogenannte Professionals wende, an Kandidatinnen und Kandidaten, die über ein abgeschlossenes Studium vorzugsweise in einem künstlerischen Bereich verfügen, und ihnen ermögliche, pädagogische Studien nachzuholen, um sich auf diese Weise als Kunstpädagoginnen und -pädagogen zu qualifizieren. Wie in dem konsekutiven werden im berufsbildenden MasterProgramm 15 Studierende pro Semester aufgenommen, so dass es insgesamt etwa 200 Studierende im Bereich Art Education an der Aalto University gibt. Aufgelegt worden ist dieses Master-Programm nicht wie vergleichbare Programme an deutschen Universitäten, um einen Quereinstieg zu erleichtern und einen akuten Lehrkräftemangel aufzufangen, sondern um besser auf alle Neuerungen und Trends in der Kunstwelt reagieren und nah an der Praxis sein zu können.8 So berichtete Raevaara, dass gegenwärtig im Master-Programm zwei Landschaftsarchitektinnen studierten: „Sie müssen natürlich keine Kunstkurse mehr belegen, da sie den Background bereits haben. Ihr Fokus liegt auf Kunstpädagogik und pädagogischen Studien.“ In der Regel seien 120 Credits zu absolvieren im Rahmen eines Masterstudiums; in Ausnahmefällen könne das Programm jedoch auch reduziert werden. Über dieses Master-Programm werden Spezialthemen wie die Architecture Education in das Studium getragen, da die Professionals mit einem individuellen Studienplan darin unterstützt werden, eine Didaktik für ihre jeweilige Disziplin zu erarbeiten, die sie später in ihr Berufsleben und während des Studiums schon in die Peergroup-Learning-Prozesse hineintragen. Auf diese Weise finde die Architecture Education Eingang in die Ausbildung von Kunstlehrenden.9 132

Institutionen der Architecture Education

Anders als angesichts der Pionierstellung, die Finnland im Bereich der Architecture Education innehat, zu erwarten wäre, gibt es jedoch keine systematische Verankerung auf universitärer Ebene. Explizite Forschungsstellen oder -professuren, in denen eine eigenständige Didaktik für die Architecture Education erarbeitet wird und aus der Praxisforschung heraus Lehrmaterialien oder Schulbücher entwickelt werden, gibt es derzeit auch in Finnland noch nicht. Dabei wurde schon 2001 in dem Report Discovering Architecture darauf hingewiesen, dass die Civic Education in Architecture in Finnland zwar aktiv und weit verbreitet sei, ihre Zukunft jedoch davon abhänge, wie sie sich entwickeln werde. „Sehr wenig Forschung ist in dem Bereich ausgeführt worden. Ein breiter gefächertes und tieferes Wissen in Bezug auf Inhalte und Didaktiken erfordert Forschung, wobei dieses rein theoretisch basiert sein kann, aber eng bezogen bleiben muss auf die praktischen Aspekte des Unterrichtens.“10 Auch heute werden Architekturvermittlerinnen und -vermittler in Finnland noch nicht gezielt ausgebildet, sondern müssen sich nach wie vor individuell ihren Weg bahnen, auch wenn sie dabei, wie das Master-Programm der Aalto University zeigt, heute mehr Unterstützung bekommen, als die erste Generation von Vermittelnden es erlebt hat. Viele Gesprächspartnerinnen und -partner wie Pihla Meskanen, Jaana Räsänen, Ilpo Vuorela oder Ruud Ronni sind von der Erstausbildung Architektinnen und Architekten und haben Pädagogik aufgesattelt, andere, wie Mervi Eskelinen oder Lotta Leskelä, sind ausgebildete Kunstlehrerinnen, die sich in der Architektur fortgebildet haben. Heute ist das fächerübergreifende Studium durch das Bachelor-Master-System etwas einfacher geworden, als es in den 1990er Jahren war, und wird auch durch die Zusammenlegung der drei Helsinkier Universitäten begünstigt. Jaana Räsänen berichtete im Institutionen der Architecture Education 133

Gespräch von ihrem Werdegang: „Als ich an der University of Oulu Architektur studiert habe, war ich auch interessiert an Pädagogik und habe in dem Bereich auch Kurse besucht. Ich habe den ersten Abschluss in ‚Grundlagen der Erziehung‘ im Fachbereich Verhaltensforschung und in ‚Environmental Education‘ im Department Teacher Education gemacht und habe das mit dem Architekturstudium verbunden. Durch die Zusammenlegung der Helsinkier Universitäten zur Aalto University ist es einfacher geworden, die Fächer miteinander zu verbinden. Aber noch immer erfordert es Eigeninitiative und die Organisation durch die Studierenden selbst.“11 Pihla Meskanen empfiehlt Architektinnen und Architekten, die in der Architekturvermittlung tätig werden wollen, die Basis-Kurse in der Pädagogik zu belegen. Die einzige Möglichkeit, sich gezielt und offiziell mit Zertifikat zum Architecture Educator fort- oder weiterbilden zu lassen, bestand temporär für die Dauer einer Summer University an der University of Kuopio. In dem 15-monatigen Fortbildungsprogramm, das vom 19. September 2014 bis zum 31. Dezember 2015 lief, ist einmalig eine Gruppe von 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die zur Hälfte aus Kunstlehrenden und zur andern Hälfte aus Kunstvermittlerinnen und -vermittlern aus dem kuratorischen Bereich bestand,12 offiziell zum zertifizierten Architecture Educator weitergebildet worden. Organisiert wurde das 20-Credit-Programm „Messenger of Architecture“ unter anderem von der Hannes Snellman Summer University, Archinfo Finland, der Lastu-School und anderen Akteurinnen und Akteuren der Architecture Education, wie Lotta Leskelä, Kuratorin der Bildungsabteilung im Alvar Aalto Museum Jyväskylä, berichtete.13 Aus Gesprächen mit Pihla Meskanen und Jaana Räsänen von der Architekturschule ARKKI und Mervi Eskelinen von der Lastu School ging hervor, dass die Architektur-, 134 Institutionen der Architecture Education

aber auch die Visual-Arts-Schulen tendenziell nicht auf ausgebildete Architekturvermittlerinnen und -vermittler zurückgreifen können, sondern in der Regel ihre Lehrkräfte selbst ausbilden und schulen. Dass die Schulung des eigenen Lehrpersonals jedoch nicht nur an den Architekturschulen, sondern in Prinzip an allen Visual-Arts-Schulen notwendig ist, wurde im Gespräch mit Riikka Mäkikoskela, Geschäftsführende Direktorin der Finnish Association of Art Schools for Children and Young People, deutlich. Sie wies darauf hin, dass auch ausgebildete Kunstlehrende geschult werden müssten, da sie nicht dafür ausgebildet seien, mit jüngeren Kindern zu arbeiten. Im Schulsystem ist vorgesehen, dass die Schülerinnen und Schüler bis zur einschließlich 6. Klasse von Klassenlehrerinnen und -lehrern und nicht von ausgebildeten Kunstpädagoginnen und -pädagogen unterrichtet werden. So trainiert die Finnish Association of Art Schools for Children and Young People einerseits Künstlerinnen und Künstler, um ihnen pädagogische Methoden an die Hand zu geben, und andererseits schult sie Kunstlehrende in künstlerischeren Methoden und in Didaktik für jüngere Kinder. „Wir ‚vervollständigen‘ die pädagogischen Fähigkeiten der Kunstschaffenden und -lehrenden, um in den Mitgliedsschulen unterrichten zu können, und werden dafür auch von der Finnish National Agency for Education finanziell gefördert, da die privaten Kunstschulen in Finnland besonders wichtig für die jüngeren Kinder sind, die in der Regel in den ersten sechs Schulklassen von Klassenlehrerinnen und -lehrern und nicht von ausgebildeten Kunstlehrerenden unterrichtet werden.“14

Institutionen der Architecture Education 135

ARKKI, Lastu und Co. Zu den interessantesten Erkenntnissen der Gespräche mit finnischen Akteurinnen und Akteuren der Architecture Education gehört, dass das eigentliche Fachwissen nicht an den Universitäten angesiedelt ist, sondern weiterhin in den Händen der privaten Institutionen und ihrer Beteiligten liegt. Von dort aus wird das Know-how punktuell auch an die Universitäten verliehen, indem beispielsweise temporäre Lehraufträge vergeben werden oder so etwas wie die Summer Academy in Kuopio angeboten wird. Zu den wichtigsten Institutionen, welche die Architecture Education in Finnland voranbringen, gehören die beiden Architekturschulen für Kinder und Jugendliche, ARKKI und Lastu, die beide seit 1993 aktiv sind. Auch wenn der Anteil der Schülerinnen und Schüler in der Basic Education in the Arts verhältnismäßig gering ausfällt, ist die Bedeutung der privaten Architekturschulen für Kinder und Jugendliche in Finnland immens und ihr Einfluss enorm, da beide Schulen neben dem fortlaufenden Langzeitprogramm eine Vielzahl von Kursen, Workshops, Projektwochen, Ferienfreizeiten, Fortbildungen von Lehrkräften und Kooperationen mit Schulen anbieten. Insgesamt 40 Lehrkräfte – davon sieben Vollzeitbeschäftigte – arbeiten für ARKKI, das seinen Hauptstandort in der Kabelfabrik in Helsinki hat, in der wöchentlich 600 Schülerinnen und Schüler zu Gast sind. In den benachbarten Städten Vantaa und Espoo hat ARKKI kleine Niederlassungen, in denen weitere 70 bzw. 75 Kinder unterrichtet werden. Darüber hinaus kooperiert die Architekturschule mit Museen, Schulen und Städten. Auch in der viel kleineren Lastu School in Lapinlahti, einer 9000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Gemeinde im ländlichen Raum in Zentralfinnland, geht das Engagement weit über die 136 Institutionen der Architecture Education

Basic Education in the Arts hinaus, die mit etwa 50 Schülerinnen und Schülern nur einen kleinen Part einnimmt und aufgrund der geringen Schülerzahlen auch nur den general Syllabus der Basic Education in the Arts anbietet. Die Schule, die von Mervi Eskelinen ebenfalls 1993 gegründet wurde, bietet mit einem zehnköpfigen Team neben der Basic Education in the Arts ebenfalls ein facettenreiches Programm an, zu dem – anders als bei ARKKI, wo die Arbeit mit Erwachsenen auf die Eltern-Kind-Kurse im Vorschulbereich beschränkt ist – auch ein umfangreiches Programm im Rahmen der Erwachsenenbildung gehört. Besucht werden die Kurse ihrer Angabe nach von Fachleuten wie Handwerkerinnen und Handwerkern oder Erzieherinnen und Erziehern, aber auch von bürgerschaftlich interessierten Laien. Laut Eskelinen ist geplant, das Angebot für Erwachsene auch in Richtung Basic Education in the Arts zu erweitern, da es dafür durchaus Anfragen gebe. Diese seien zum Beispiel von Lehrkräften gekommen, die in dem Bereich mit Kindern arbeiten möchten – in dem Fall sei es eine umfangreiche Fortbildungsveranstaltung. Es interessierten sich aber auch Eltern oder andere Privatpersonen für das Programm.15 Schon 2001 wurden die beiden Architekturschulen ARKKI und Lastu in dem von SAFA herausgegebenen Bericht Discovering Architecture als Leuchtturmprojekte der finnischen Architecture Education vorgestellt, was sicherlich auch dazu beigetragen hat, dass ein etwas verzerrter Eindruck bezüglich Umfang und Verfügbarkeit der Architecture Education in Finnland entstanden ist. Tatsächlich aber kann die Bedeutung insbesondere von ARKKI, das inzwischen internationale Franchise-Modelle betreibt, weil die Schule so oft kopiert wurde,16 für die Entwicklung der Architecture Education nicht hoch genug eingeschätzt werden. Warum es 25 Jahre dauerte, bevor es mit Tiili erstmals wieder zur Institutionen der Architecture Education 137

Neugründung einer Architekturschule für Kinder gekommen ist, lässt sich zum einen anhand der Schilderungen von Else Luotinen und Ruud Ronni erahnen, die zeigen, dass es auch in Finnland keineswegs einfach ist, eine Architekturschule zu gründen, entsprechende Fördermittel oder eine Lizenz für das Programm Basic Education in the Arts zu erhalten. Zum anderen zeugen die Beschreibungen Luotinens davon, dass auch in Finnland in einer Universitätsstadt wie Tampere mit immerhin 228.000 Einwohnerinnen und Einwohnern eine Architekturschule für Kinder und Jugendliche keine Selbstläuferin ist, sondern auch hier der Bedarf erst einmal langsam aufgebaut werden muss, selbst wenn das Angebot, wie im Fall von Tiili, bereits durch die Schul-Clubs an mehreren Schulen der Stadt gut eingeführt wurde. Dass 25 Jahre vergangen sind, bevor ein neuer Versuch unternommen worden ist, eine Architekturschule für Kinder und Jugendliche zu gründen, bzw. dass die finnische Architecture Education ihre Wurzeln so eindeutig in den frühen 1990er Jahren hat, ist jedoch sehr wahrscheinlich auf einen anderen Umstand zurückzuführen, der in mehreren Gesprächen genannt wurde: die massive Wirtschaftskrise, die Finnland Anfang der 1990er Jahre für Jahre erschütterte. Da der gesamte Bausektor am Boden lag, haben sich viele Architekturabsolventinnen und -absolventen damals dazu entschieden, noch länger an der Uni zu bleiben und haben ein Pädagogik- oder Kunstpädagogikstudium aufgesattelt. Begünstigt worden seien die Prozesse auch dadurch, dass auf einmal die Zeit da gewesen sei, um über grundlegende Dinge nachzudenken und zu überlegen, was besser gemacht oder verändert werden könne. Auf diese Weise seien ein Nährboden und das nötige Klima entstanden, die eine Architekturpolitik oder Konzepte für die Architecture Education überhaupt erst gedeihen ließen.17 Begünstigt wurde 138 Institutionen der Architecture Education

das schließlich auch durch das 1992 verabschiedete Gesetz zur Basic Education in the Arts, mit dem die Architektur erstmals eine Gleichstellung neben den anderen Künsten erfuhr und die Architektur im Rahmen des Programmes unterrichtet werden konnte. 1993 entstanden ARKKI und Lastu, 1996 wurde der Zweig Architektur in der Visual Arts School in Jyväskylä eingerichtet und zuvor 1995 auch noch die Erkkeri School in Turku gegründet, über deren Schicksal im Rahmen der Studie nichts herausgefunden werden konnte mit Ausnahme der Aussage von Jaana Räsänen, es habe im Zuge der Entwicklung der lokalen Architekturpolitik für Turku im Jahr 2009 ausgehend vom lokalen Arts Council einen erfolglosen Wiederbelebungsversuch gegeben.18 Großen Anteil an der Förderung der Architecture Education hatten nach Verabschiedung der Architekturpolitik 1998 bis zur Gründung von Archinfo Finland im Jahr 2013 die Architekturinstitutionen, die auch maßgeblich an der Erstellung der Architekturpolitik 1998 beteiligt waren: das Museum of Finnish Architecture in Helsinki, das Alvar Aalto Museum in Jyväskylä und insbesondere die Finnish Association of Architects SAFA. Bereits 1980 publizierte SAFA, was heute als Pionierleistung angesehen wird, ein umfassendes Kit für die Environmental Education, Viihtyisä ympäristö (Agreeable environment) – bestehend aus einem Handbuch für Lehrkräfte, Aufgaben und Overheadfolien, einem Dia-Set, das die Geschichte der gebauten Umwelt Finnlands wiedergibt, Postern, welche die typische Dorfentwicklung darstellen, und einem sogenannten Activity Book für Schülerinnen und Schüler.19 SAFA hat, wie bereits dargestellt wurde, bis zu dem Zeitpunkt, als 2004 die Stelle des Special Advisors for Architecture im National Council for Architecture im Ministry for Education eingerichtet wurde, maßgeblich zur Kommunikation und Implementierung der Architekturpolitik Institutionen der Architecture Education 139

beigetragen und zeigte sich bis zur Gründung von Archinfo Finland auch im besonderen Maße verantwortlich für die Entwicklung der Architecture Education. 2001 publizierte SAFA in Kooperation mit dem Arts Council of Finland (heute Arts Promotion Centre), wie bereits dargestellt, den Report Discovering Architecture. Civic education in Architecture in Finland, in dem erstmals ein umfassender Überblick über Schulen, Initiativen, Lehrmethoden, aber auch Lehrmaterialien und Fortbildungs- und Fördermöglichkeiten gegeben wurde.20 Zudem war SAFA in den Folgejahren maßgeblich an der Entwicklung von Schul- und Lehrmaterialien beteiligt. So wurden 2004 und 2007 in Kooperation mit Jaana Räsänen, die damals als Architectural Advisor für die HelsinkiUusima-Region tätig war, die beiden Lehrbücher Arkkitehtuurin ABC. Löytöretki rakennettuun ympäristöön (Das ABC der Architektur 1: Eine Entdeckungsreise in die gebaute Umwelt) und Arkkitehtuurin ABC 2: Peruskäsitteitä (Das ABC der Architektur 2: Grundkonzepte) herausgegeben.21 Es handelt sich um Leitfäden für den Architekturunterricht in Gemeinschaftsschulen und der Oberstufe, die 2007 ergänzt wurden durch eine Publikation von Anna Hänninen, Matkalla arkkitehtuurin maahan (Auf der Reise zur Architektur), die sich für den Unterricht in Kindergärten und Grundschulen eignet.22 Eines der interessantesten Projekte, das in Zusammenarbeit verschiedener Institutionen, zu denen unter anderem SAFA, das Museum of Finnish Architecture, das Design Museum Helsinki und das Uusima Arts Council gehörten, initiiert wurde, war der Ampiainen-Thementag zu Architektur und Design, der finnlandweit erstmals 2005 an den Schulen des Landes durchgeführt wurde.23 „Die Idee des Projektes war, Architecture und Design Education in die Schulen zu bringen. Wir haben Workshops, Lehrkräftefortbildungen, 140 Institutionen der Architecture Education

Besuche von Expertinnen und Experten aus den Bereichen Architektur und Design arrangiert und eine jährliche Zeitschrift publiziert, um Erfahrungen und Ideen auszutauschen. Am Ende gab es einen Design-Wettbewerb und eine Ausstellung mit den besten Schülerarbeiten“, beschrieb Jaana Räsänen das Konzept, das bis 2010 durchgeführt wurde und nach Beendigung ihrer Amtszeit als Regional Artist for Architecture Education im Uusima Arts Council nicht weitergeführt wurde.24 Auch die Alvar Aalto Foundation in Jyväskylä leistete mit der internationalen Workshop-Reihe Soundings for Architecture, die 2003, 2004 und 2006 (Soundings 4–6) dem Thema Architecture Education gewidmet wurde,25 einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung und Förderung der Architecture Education. Nach langen Diskussionen, die bereits im Rahmen der vierten Soundings-Konferenz im Jahr 2003 eingeleitet wurden, ist, wie Teija Isohauta darstellt, im Rahmen der fünften Konferenz im August 2004 das internationale Netzwerk „Playce“ zur Förderung der Architecture Education gegründet worden, das sich aus den Begriffen „play“ und „space“ zusammensetzt.26 2006 habe das Netzwerk bereits Mitglieder aus 16 europäischen Nationen sowie den USA und Japan gehabt, heißt es bei Päivi Kataikko.27 In den Anfangsjahren sei Playce sehr aktiv gewesen, wie Pihla Meskanen berichtete: „Die Mitglieder haben sich ein- bis zweimal pro Jahr gegenseitig zu Treffen eingeladen und haben gemeinsame Workshops veranstaltet, was aber seit ein paar Jahren nicht mehr in der Form funktioniert, einfach weil in allen Ländern eine Menge passiert ist und viel zu tun ist in der Hinsicht.“28 An die Stelle der Playce-Treffen sind die von ARKKI ausgerichteten internationalen Konferenzen „Creating the Future I–III“, getreten, die im Fünf-Jahres-Turnus 2009, 2014 und 2019 stattfanden.29 Institutionen der Architecture Education

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Abb. 19

Jüngere Tendenzen der finnischen Architecture Education Welche Methoden und Strategien gegenwärtig in Finnland genutzt werden, um Architektur zu vermitteln, lässt sich auch am Beispiel der beiden bedeutendsten Architekturmuseen des Landes studieren, dem Museum of Finnish Architecture in Helsinki und dem Alvar Aalto Museum in Jyväskylä. Beide Institutionen bieten ein umfangreiches Vermittlungsprogramm für Kinder und Jugendliche an und schulen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, respektive Lehrkräfte. Das Museum of Finnish Architecture hat seit 2019 einen neu gestalteten frei zugänglichen Bildungsraum, den A&0-Raum, in dem aber auch diverse Aktionen und Workshops stattfinden, zum Beispiel ein regelmäßig angebotener Toddler-Kurs für Eltern mit Kleinkindern oder der traditionell im Dezember stattfindende Lebkuchenworkshop, in dessen Rahmen 300 Kinder eine Lebkuchenmodellstadt im Stil der 1960er Jahre bauen, die schließlich im Foyer des Museums ausgestellt wird.30 Darüber hinaus werden laut ArjaLiisa Kaasinen, Leiterin der Abteilung Zusammenarbeit und Engagement, Schülerworkshops für alle Altersstufen angeboten und kostenlose Informationsmaterialien für Lehrkräfte zum Herunterladen zur Verfügung gestellt, die sich für den eigenständigen Gebrauch im Unterricht in den unterschiedlichsten Klassenstufen eignen. Zum Angebot gehört laut Kaasinen auch ein Onlinespiel, in dem Kinder und Jugendliche ihr stilistisches Wissen bezüglich moderner Architektur testen und gegeneinander antreten können.31 Neben diesem Aktionsprogramm, das so oder ähnlich durchaus zu erwarten wäre, finden sich unter den Lehrmaterialien, die auf der Webseite heruntergeladen werden können, zwei bemerkenswerte Konzepte, die zeigen, dass das Museum of Institutionen der Architecture Education

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Finnish Architecture keinerlei Berührungsängste mit der Gegenwarts- bzw. Alltagsarchitektur hat und seine Aufgabe, an Architektur heranzuführen, weit über die historischen Museumsbestände hinaus denkt. Es handelt sich um praktische Vermittlungsstrategien, die zu einer grundsätzlichen Sensibilisierung für Architektur beitragen sollen. Zum einen wird auf der Webseite ein Toolkit zum Herunterladen angeboten, mit dem Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen ihr Schulgebäude erforschen können. „Maailman paras koulutehtäväsarja“ (Das beste Schulaufgabenset der Welt) ist in Kooperation mit ARKKI entstanden und umfasst eine konkrete Anleitung, mit deren Hilfe die Schüler zunächst aus unterschiedlichsten Perspektiven das Schulgebäude untersuchen und dokumentieren können. Im nächsten Schritt werden sie auf Basis ihrer Beobachtungen dazu ermuntert, Visionen zu entwickeln, die am Ende in einer partizipativ gestalteten Schule der Zukunft zusammengeführt werden. Dazu gestalten alle Schülerinnen und Schüler nach der Erforschungsphase mit unterschiedlichsten Materialien in einer genormten Größe ihren idealen Wunschklassenraum und fügen im letzten Arbeitsschritt im Rahmen eines partizipativen Aushandlungsprozesses die Wunschklassenräume zu einem idealen Schulgebäude zusammen.32 Dass das Museum of Finnish Architecture daran interessiert ist, Schülerinnen und Schüler ganz allgemein zu ermutigen, Architektur zu diskutieren und zu erforschen, und daran erinnert, dass jeder eine Expertin oder ein Experte in seiner eigenen gebauten Umgebung ist,33 zeigt auch das Konzept „Ten Keys to Architecture“, das auf der Webseite zum Herunterladen bereitgestellt ist. Die bemerkenswert einfache, aber höchst effektive kleine Online-Publikation verspricht: „Diese Fragen werden Dir bei der Erforschung jedes Gebäudes helfen!“34 Es folgen zehn kurze, pointierte 144 Institutionen der Architecture Education

Beobachtungsaufträge zum Thema Form, Raum, Bewegung Material, Struktur, Farbe, Licht, Sound, Detail und Atmosphäre, die zeigen, wie verblüffend einfach und unprätentiös Architecture Education sein kann. So heißt es beispielsweise unter dem Stichwort Bewegung: „Welches sind Haupt- und Nebenräume? Wie sind die Räume, die unterschiedlichen Zwecken dienen, angeordnet? Wer befindet sich in den Räumen? Wie beeinflusst der Raum die Art und Weise, wie sich die Menschen darin bewegen? Kannst du ungenutzte Räume oder Bereiche entdecken?“35 In Bezug auf Struktur wird angeregt: „Kannst du Strukturen ausfindig machen, die Lasten tragen? Kannst du ein Zusammendrücken oder Ziehen wahrnehmen? […] Schwerkraft ist nicht zu sehen, aber welche anderen Gewichte könnte das Gebäude tragen?“36 Das Museum vermittelt an dieser Stelle kein Fachwissen, sondern gibt praktische, niedrigschwellige Anregungen, die zeigen, dass jeder Architektur betrachten und erforschen kann und kein Fachwissen dafür notwendig ist. Auch das Alvar Aalto Museum in Jyväskylä überrascht mit frischen, zukunftsweisenden Vermittlungsstrategien. Lotta Leskelä, Kuratorin der Bildungsabteilung, berichtete im Gespräch, ihre Hauptaufgabe im Museum sei zunächst einmal die klassische Vermittlungstätigkeit. Sie plane und leite Workshops und Führungen durch die Ausstellungen und konzipiere Programme für Wechselausstellungen. Darüber hinaus entwickele sie Workshops, die sich an eine breite Öffentlichkeit richten; ein großer Teil ihrer Tätigkeit mache jedoch die Arbeit mit Schulklassen aus: „Im Rahmen des Cultural Education Plans der Stadt Jyväskylä ist vorgesehen, dass jede Schülerin und jeder Schüler der Gemeinschaftsschule einmal jährlich eine Kulturinstitution besucht. So gehen zum Beispiel die Erstklässlerinnen und Erstklässler ins Naturkundemuseum, die Zweitklässlerinnen und Institutionen der Architecture Education

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Zweitklässler ins Kunstgewerbemuseum und die neun- bis zehnjährigen Kinder gehen ins Alvar Aalto Museum – insgesamt kommen etwa 1500 Kinder pro Jahr. Sie bekommen in dem rund zweistündigen Gesamtprogramm zunächst eine etwa einstündige Führung durch die Dauerausstellung und verbringen im Anschluss noch einmal eine Stunde im Workshop-Raum des Museums, in dem sie sich gegenwärtig mit Stadtplanung beschäftigen.“37 Dass die Alvar Aalto Foundation, die laut Jaana Räsänen neben den beiden Architekturschulen für Kinder, ARKKI und Lastu, und der Jyväskylä Art School zu den Pionieren der Architecture Education in Finnland zählt,38 ihrem Ruf auch heute gerecht wird, zeigt das Konzept der Alvar-AaltoSchulen, von dem Leskelä berichtete. Nachdem 2017 das Netzwerk der Alvar-Aalto-Städte gegründet wurde, das darauf abzielt, in den Städten mit Aalto-Architekturen im Inund Ausland das öffentliche Bewusstsein für seine Werke zu verbessern und, koordiniert von der Alvar Aalto Foundation, miteinander in den Austausch treten zu können, hat die Stiftung im April 2019 das Netzwerk der Alvar-AaltoSchulen gegründet.39 Der Schritt zielt darauf ab, zunächst beschränkt auf die finnischen Alvar-Aalto-Städte, ein Netzwerk von Schulen zu bilden, in dem die Architecture Education gefördert wird. „Hintergrund der Idee war“, so Lotta Leskelä, „dass wir ein neues Curriculum für die Gemeinschaftsschule haben. Wir gehen davon aus, dass Architektur ein Phänomen ist, das sich gut für den fächerübergreifenden Unterricht eignet und eine gute Basis für viele Projekte in den Schulen bieten könnte. Wir versuchen, ein Netzwerk zu entwickeln, in dem die Schulen miteinander kooperieren und gemeinsam Materialien entwickeln können.“ Es handelt sich, wie Leskelä beschreibt, um ein freiwilliges Programm, dem zum Zeitpunkt des Gesprächs bereits 14 Schulen angehörten. Beim 146 Institutionen der Architecture Education

Gründungstreffen im April 2019 wurden in einer Diskussion gemeinsame Themen ausgewählt – für das Jahr 2019/2020 sei das Thema „Aalto in everyday life“, mit dem die Schulen gegenwärtig arbeiten. „Die Idee ist, dass sich die Lehrkräfte selbst das Thema erarbeiten und sich untereinander in dem Netzwerk austauschen und Anregungen geben. Es geht darum zu kommunizieren, dass Architecture Education einfach ist. Du kannst dein Zuhause beobachten, deine Umgebung, deinen Klassenraum. Du kannst zeichnen oder den Klassenraum vermessen. Viele Lehrende denken, dass es schwer sei, Architektur zu vermitteln. Wir wollen ihnen die Angst nehmen, wollen ihnen zeigen, dass es leicht ist, Architektur in die Schulen zu bringen, und dass es wichtig ist, weil wir in Gebäuden und urbanen Umgebungen leben. Es ist wichtig, dass wir verstehen, dass wir unsere Umgebung beeinflussen können.“40 In der zugrunde liegenden Haltung ähnelt das Konzept den beiden vorgestellten Vermittlungsstrategien des Museum of Finnish Architecture, die ebenfalls zeigen, dass es einfach ist, Architektur zu vermitteln, und dass es dafür keines Museums oder keiner besonderen Architektur bedarf, sondern auch an der allgegenwärtigen Alltagsarchitektur angesetzt werden kann. „Nach Möglichkeit“, ergänzte Leskelä, „sollen auch Lehrmaterialien entstehen, aber wir wissen noch nicht, wie wir das machen wollen. Wir hatten erst ein Treffen und müssen unsere Aktivitäten erst entwickeln. Aber viele Lehrende waren an dem Netzwerk interessiert.“ Pro Jahr, so Leskelä, seien nur ein bis zwei Netzwerktreffen geplant – zwischendurch könne sie auf Anfrage Schulen besuchen und beraten. In erster Linie gehe es aber darum, ein Netzwerk zu etablieren, das sich schließlich selbst trage. Zur Unterstützung werde sie dazu eine Facebook-Gruppe aufbauen und regelmäßig Newsletter versenden. „Das Netzwerk kann am Institutionen der Architecture Education

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Anfang ruhig klein starten, aber wir können es entwickeln und können schauen, was die Lehrenden wollen und was in Zukunft wichtig sein wird.“ Als ein mögliches Beispiel nannte Leskelä, die sich in dem Kontext als „Experiencer“ bezeichnete, ein Projekt, das die Alvar Aalto Foundation zu dem Zeitpunkt des Gesprächs im Rahmen einer Summer School mit einer Schule in Säynätsalo – einem Stadtteil von Jyväskylä, der durch Alvar Aaltos Rathausbau internationale Bekanntheit erlangte – gerade stattfand. Im Rahmen des Programms wurden die Kinder dabei unterstützt, ihre eigenen Führungen durch die Umgebung zu entwickeln und ihre Beobachtungen, Geschichten und Ideen in einem Skript festzuhalten, um schließlich Eltern, Freundinnen und Freunde und andere Gäste führen zu können. So ein Thema ließe sich Leskelä zufolge einfach in das Netzwerk der Alvar-AaltoSchulen einbringen. Es könnte ein Methoden-Guide angefertigt werden, damit andere Schulen das Konzept übernehmen können. Schließlich haben sie alle mindestens ein Werk von Alvar Aalto in ihrer Stadt.41 Bemerkenswert ist, dass in den letzten Jahren in Finnland eine Reihe vergleichbarer Projekte entstanden ist, in denen die Ressourcen klug gebündelt und mit wenig Manpower viele Multiplikatorinnen und Multiplikatoren erreicht werden. Die meisten dieser Projekte wurden entweder von Archinfo Finland initiiert oder in Kooperation mit ihr durchgeführt. Zu den erfolgreichsten und sicherlich effizientesten Projekten, die unter Jaana Räsänen von Archinfo Finland angeschoben wurden, gehört das School-Club-Programm, das seit 2016 in Kooperation mit sieben finnischen Städten – Seinäjoki, Tampere, Turku, Oulu, Uusikaupunki, Helsinki und Jyväskylä – durchgeführt wird und schon im Zusammenhang mit der Neugründung der Architekturschule Tiili in Tampere Erwähnung gefunden hat.42 Das Programm zielt 148 Institutionen der Architecture Education

darauf ab, das nationale Angebot im Bereich Architecture Education zu erweitern und noch mehr Kindern finnlandweit die Chance zu geben, die Architektur als Hobby für sich zu entdecken. Dazu wird in Partnerschulen einmal wöchentlich ein 90-minütiger Workshop nach der Schule angeboten, so dass jährlich etwa 130 Kinder an Architektur herangeführt werden können. Von hoher Effizienz und Reichweite ist auch das „Salvos“Projekt, das die Finnish Association of Art Schools for Children and Young People 2016–2018 in Kooperation mit Archinfo Finland durchführte. Das Projekt richtete sich an Kunstschulen, die im Rahmen ihres Visual-Arts-Programms in der Basic Education in the Arts die Architecture Education stärken möchten. Hintergrund war das neue Curriculum für Basic Education in the Arts, das 2018 in Kraft trat und für die Visual Arts neue Zielbereiche, wie die visual literacy, die Beziehung zu anderen Künsten, die Inklusion und das Einflussnehmen definierte. Vier Kunstschulen, in Valkeakoski, Lohja, Lappeenranta und Lahti, kooperierten in dem Projekt, in dessen Rahmen Lehrerfortbildungen, aber auch das Peer Learning im Vordergrund standen. Ziel war es, in Form von unterschiedlichsten Pilotprojekten das Wissen und Bewusstsein der Lehrkräfte und der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf Architecture und Environment Education zu verbessern und zu stärken. Die 38 Projekte, die in der „Salvos“Broschüre vorgestellt werden, zeigen, dass immer die unmittelbare Nachbarschaft der Schulen als Lernumgebung genutzt wurde und dass die Kinder und Jugendlichen darin unterstützt wurden, in Planungsprozessen Position zu beziehen und Kunstwerke im öffentlichen Raum zu kreieren. Mit experimentellen gemeinschaftlichen Lehrmethoden, die im Rahmen des Projektes entwickelt wurden, ist bei den etwa 1000 teilnehmenden Kindern und Jugendlichen in den vier Institutionen der Architecture Education

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Schulen das bewusste Beobachten, aber auch die Bildung einer persönlichen Beziehung zu der gebauten und natürlichen Umgebung gefördert worden.43 Viele Archinfo Finland-Projekte, wie „Meidän paikka 2018“ (Mein Platz) oder „Eilen, tänään, huomenna 2013–14“ (Gestern, heute, morgen), um nur zwei Beispiele zu benennen, sind als Lehrerfortbildungen konzipiert, die jedoch parallel zur Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen erfolgten und nicht getrennt von diesen. Im „Meidän paikka“-Projekt, das von der Finnish National Agency of Education finanziert wird, geht es darum, Schülerinnen und Schüler der 7. bis 9. Klasse darin anzuleiten, ihre Lernumgebung zu erforschen und einen ungenutzten oder vergessenen Ort mit vereinten Kräften wiederzubeleben, so dass sie lernen zusammenzuarbeiten, teilzuhaben und Einfluss zu nehmen. Im Rahmen des Projekts „Eilen, tänään, huomenna“ haben sich achtbis neunjährige Kinder mit ihrem Stadtzentrum beschäftigt, Ideen entwickelt, verschiedene Interaktionen und Arbeitsmethoden getestet und dabei Lehrmaterialien produziert, die ebenfalls an das Thema Partizipation heranführen.44 Bemerkenswert ist, dass am Ende der Projekte jeweils Toolkits entstanden, die nun anderen Lehrkräften zur Weiterbenutzung und -entwicklung zur Verfügung stehen.45 Diese Toolkits, zu denen auch die beiden Konzepte des Museum of Finnish Architecture gehören, stellen eine neuartige Form des Lehrmaterials dar, die das klassische Lehrbuch abzulösen scheint. Nachdem in dem 2001 publizierten Report Discovering Architecture der dringende Bedarf an Lehrmaterialien formuliert wurde, sind zunächst klassische Lehrbücher entstanden wie Matkalla arkkitehtuurin maahan. Lasten arkkitehtuurikasvatuksen työ- ja opaskirja opettajille (Auf der Reise zur Architektur. Arbeitsheft und Leitfaden für die Architekturerziehung von Kindern für 150 Institutionen der Architecture Education

Lehrer) von Anna Hänninen aus dem Jahr 2007, das sich an Kinder im Kindergartenalter und jüngere Schulkinder richtet; oder die für die Sekundarstufe I und II konzipierten ABC-Publikationen, die Jaana Räsänen in Kooperation mit SAFA entwickelte.46 Die Tendenz zum Toolkit, das klar umrissene Aufgaben formuliert unter genauen Angaben der Zielgruppe und Lehrinhalte, die im Schulunterricht damit abgedeckt werden können, hat ihren Anfang mit dem Architecture Toolkit genommen, das die Nordische Playce-Gruppe 2009 entwickelte. Das Architecture Toolkit ist inzwischen in neun Sprachen verfügbar und besteht aus einer farbigen hausförmigen Kartonage, die 13 großformatige stabile Aufgabenkarten enthält sowie vier sensorische Werkzeuge – einen Handspiegel, einen Trichter, eine Augenmaske und fingerlose Handschuhe, welche die Kinder darin unterstützen sollen, die Architektur und gebaute Umgebung mit allen Sinnen zu erforschen.47 2013 ist das von ARKKI entwickelte Toolkit Tilat, talot & kaupungit (Räume, Häuser & Städte) publiziert worden, das sich an Lehrkräfte im Grundschulbereich richtet. (Abb. 19) Es besteht ebenfalls aus stabilen großen Aufgabenkarten, die in einem hochwertigen hausförmigen Pappkoffer geliefert werden und an den Lehrplan der Gemeinschaftsschule anlehnt sind. Die Aufgaben sind entsprechend untergliedert für die Klassenstufen 1–2, 2–3 und 5–6. Es werden die Inhalte, Aufgaben, Ziele und Methoden sowie die benötigten Materialien und der Zeitaufwand beschrieben. Zudem wird dargestellt, wie das entsprechende Thema als Querschnittaufgabe verschiedene Fächer und Lerninhalte berührt. Die Publikation, die auch im Internet verfügbar ist und heruntergeladen werden kann,48 richtet sich laut Pihla Meskanen gezielt an Klassenlehrerinnen und -lehrer, die in den ersten sechs Jahrgangsstufen der Gemeinschaftsschule unterrichten, da diese in ihrer Ausbildung nur Institutionen der Architecture Education

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verhältnismäßig wenig Kunst- und Architekturunterricht erhalten, weil hier der fächerübergreifende Unterricht noch besonders einfach zu gestalten sei, da die Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer ihren eigenen Lehrplan gestalten und problemlos fächerübergreifende Module einbauen können.49

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Fazit: Baukulturelle Aus-, Fort- und Weiterbildung Deutschland könnte auf unterschiedlichsten Ebenen viel von Finnland lernen. Zwar ist auch in Finnland die Architecture Education noch nicht systematisch an den Universitäten und in der Lehrkräftebildung verankert, wie es in der Architekturpolitik von 1998 und in dem Report Discovering Architecture von 2001 explizit gefordert wurde,50 interessant ist aber die Art und Weise, wie Architektinnen und Architekten sowie anderen Planerinnen und Planern sowie Gestalterinnen und Gestaltern der Quereinstieg in das Schulsystem und damit die Erarbeitung einer eigenständigen Didaktik für die Architecture Education ermöglicht wird. Ein vergleichbares Master-Programm für Quereinsteiger, wie es die Universität der Künste Berlin mit dem „q master berlin“ anbietet, ist erheblich enger gefasst in den Zugangsbeschränkungen und richtet sich ausschließlich an Kandidatinnen und Kandidaten mit einem abgeschlossenen Kunststudium, da die Architektur nicht wie in Finnland mit den anderen Künsten gleichgestellt ist.51 So ist die Schwelle für Architektinnen und Architekten sowie Absolventinnen und Absolventen anderer planender und gestaltender Fächer, die in Deutschland in das Lehramt wechseln möchten, hoch, da sie das vollständige Lehramtsstudium absolvieren müssten. Lernen kann Deutschland von den finnischen Institutionen und Akteurinnen und Akteuren auch, klug konzipierte Projekte zu initiieren, die eine hohe Reichweite haben und dabei wenig Ressourcen benötigen, auf Peer-Learning setzen und im letzten Schritt gegebenenfalls sogar Lehrmaterialien 153

generieren – ein Gedanke, der in Deutschland noch keine Verbreitung gefunden hat. Das Aktionsfeld der Baukulturellen Bildung besteht gegenwärtig, wie die Netzwerktreffen der Bundesstiftung Baukultur zeigen, aus unzähligen Einzelkämpfenden, die untereinander eher konkurrieren, als dass sie auf Kooperation ausgerichtet sind, was auch auf die schwierige Fördersituation zurückzuführen ist. Es wäre wünschenswert, dass die Baukulturelle Bildung in Deutschland eine Orchestrierung erfahren und zur Bündelung der Kräfte eine zentrale Anlaufstelle erhalten würde. Der Report Discovering Architecture von 2001 zeigt, dass die Situation vor 20 Jahren in Finnland ungefähr vergleichbar gewesen sein dürfte mit der heutigen in Deutschland und sich nach der Gründung von Archinfo Finland deutlich verändert hat.52 Das 2017 vom Förderverein der Bundesstiftung Baukultur gegründete Netzwerk Baukulturelle Bildung, das jüngst auch mit einer Internetplattform Sichtbarkeit erhielt,53 ist sicherlich ein erstes positives Signal. Um die Baukulturelle Bildung in Deutschland jedoch wirklich voranzubringen, braucht es zentrale Akteurinnen und Akteure, die übergeordnete Konzepte entwickeln, Fortbildungen konzipieren und in den Ländern und Kommunen, in den Schulen und in der Politik aktiv für Sichtbarkeit sorgen, informieren und vermitteln. Um die Baukulturelle Bildung in Deutschland voranzubringen, braucht es außerdem Konzepte und Strategien wie die des Museum of Finnish Architecture oder der Alvar Aalto Foundation, die darauf angelegt sind, Hemmschwellen abzubauen und zeigen, dass es einfach ist, Architektur zu vermitteln. Sie sollten demonstrieren, dass es kein explizites 154

Fachwissen und keinen speziellen Ort braucht, um Kinder und Jugendliche an Architektur heranzuführen, sondern dass überall und jederzeit damit begonnen werden kann. Vermittlungsstrategien, die niedrigschwellig für die Alltagsarchitekturen sensibilisieren, zum Beispiel die Stadtsache-App von Anke Leitzken, das „SpielRaumStadt“-Konzept und die „Stadtdenker“-Strategie, die im Rahmen von experimentellen Seminaren an der Universität der Künste entstanden sind,54 sind in Deutschland derzeit noch selten. Von finnischen Akteurinnen und Akteuren kann zudem gelernt werden, dass Vermittlungsprojekte einer gewissen Sinnlichkeit bedürfen, um nicht abschreckend zu wirken. Das von ARKKI 2013 publizierte Toolkit Tilat, talot & kaupungit setzt an einer ähnlichen Stelle an wie die Curricularen Bausteine, welche die Wüstenrot Stiftung 2010 herausgab, um zu zeigen, an welchen Stellen im deutschen Schulsystem sich in den einzelnen Fächern und Klassenstufen Möglichkeiten bieten, um die Baukulturelle Bildung zu integrieren. Ähnlich wie bei dem finnischen Pendant, das natürlich nicht auf Vollständigkeit ausgelegt ist und nur die ersten sechs Klassenstufen umfasst, werden auch in der deutschen Publikation konkrete Anregungen gegeben und Aufgaben formuliert und den Lehrkräften zur Verfügung gestellt. In ihrer nüchternen tabellarischen Form erscheinen die Curricularen Bausteine, so gut sie inhaltlich sein mögen, jedoch unlesbar und dadurch fast kontraproduktiv.55 Das finnische Toolkit hingegen vermittelt durch die Gestaltung eine gewisse Sinnlichkeit und einen spielerischen Charakter, der ohne Frage dazu geeignet ist, Hemmschwellen abzubauen. Die Aufgabenkarten sind übersichtlich gegliedert und geben Auskunft darüber, 155

in welcher Form sie für welche Klassenstufen geeignet sind und mit welchen anderen Fächern sich welche Inhalte verbinden lassen. Das Prinzip dahinter brachte Jaana Räsänen auf den Punkt: „Das ist Teil unserer Politik, es einfach für die Lehrenden zu machen, weil sie es sonst nicht benutzen würden!“56

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Vgl. Architekturpolitik 1999, S. 16 Pihla Meskanen im persönlichen Gespräch am 9. Mai 2019 in Helsinki 3 Martti Raevaara im Skype-Gespräch am 6. Juni 2019 4 Pirkko Pohjakallio-Koskinen beschreibt in ihrem 2010 erschienenen Artikel „Mapping Environmental Education Approaches in Finnish Art Education“ die Entwicklung der Environmental Education innerhalb des Kunstunterrichts von den 1970ern bis 2010. Vgl.: PohjakallioKoskinen 2010 5 Martti Raevaara im Skype-Gespräch am 6. Juni 2019 6 Martti Raevaara im Skype-Gespräch am 6. Juni 2019 7 Martti Raevaara im Skype-Gespräch am 6. Juni 2019 8 Einen Lehrkräftemangel wie in Deutschland gibt es in Finnland nicht, da es sich um einen hoch angesehenen, beliebten Beruf handelt. Im Gegenteil befürchtete Raevaara im Gespräch am 6. Juni 2019, in den kommenden Jahren könne ein Lehrkräfteüberschuss entstehen, da es in Finnland jüngst zu einem gravierenden Einbruch der Geburtenzahlen gekommen sei. Im vergangenen Jahr, so berichtete er, seien nur 47.600 Kinder geboren worden – normalerweise werden zwischen 58.000 und 60.000 Kinder eingeschult. Ein solcher Geburtenrückgang um 10.000 pro Jahr habe zur Folge, dass in sechs Jahren 500 Klassenlehrerinnen und -lehrer zu viel sein dürften, wenn der Trend anhält. Vgl. dazu auch: https://www. dfg-ev.de/news/5860 (letzter Zugriff 07.01.2019) 9 Martti Raevaara im Skype-Gespräch am 6. Juni 2019 10 Korpelainen/Yanar 2001, S. 42 11 Jaana Räsänen im persönlichen Gespräch am 9. Mai 2019 in Helsinki

12 Jaana Räsänen in einer E-Mail vom 27. November 2019 13 Lotta Leskelä im Telefonat am 30. August 2019 und in einer E-Mail vom 15. Januar 2020 14 Riikka Mäkikoskela im persönlichen Gespräch am 13. Mai 2019 in Helsinki 15 Mervi Eskelinen im SkypeGespräch am 6. Juni 2019 16 Vgl.: https://www.arkkiinternational. com/franchising/ (letzter Zugriff 07.01.2020) 17 Mikko Hartikainen, Jaana Räsänen, Pihla Meskanen, Mari Koskinen und Tiina Valpola in persönlichen Gesprächen im Mai 2019 in Helsinki 18 Jaana Räsänen in einer E-Mail vom 14. Dezember 2019 19 Vgl.: Häro 1980 und Korpelainen/ Yanar 2001, S. 10 20 Vgl.: Korpelainen/Yanar 2001 21 Vgl.: Korpelainen/Kaukonen/ Räsänen 2004, und vgl.: Räsänen 2007 22 Vgl.: Hänninen 2007 23 Vgl.: Kataikko 2006, S. 38, und vgl.: http://archinfo.fi/2014/01/ kehitysaskeleita-1980-2014/ (letzter Zugriff 20.12.2019) 24 Jaana Räsänen in einer E-Mail vom 15. Januar 2020 25 Lotta Leskelä in einer E-Mail vom 15. Januar 2020 26 Vgl.: Isohauta 2006, S. 87 27 Vgl.: Kataikko 2006, S. 41; vgl. Playce-Webseite: https://www. playce.org/index.php?page=main (letzter Zugriff 20.12.2019) 28 Pihla Meskanen im persönlichen Gespräch am 9. Mai 2019 in Helsinki 29 Vgl.: http://arkki.net/creatingthefuture/ (letzter Zugriff 07.01.2020) 30 Vgl.: http://www.mfa.fi/gingerbreadcity (letzter Zugriff 15.12.2019) 31 Arja-Liisa Kaasinen im persönlichen Gespräch am 9. Mai 2019; vgl.:  http://www.mfa.fi/lapset (letzter Zugriff 15.12.2019)

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32 Arja-Liisa Kaasinen im Gespräch am 9. Mai 2019 in Helsinki, und vgl.: Museum of Finnish Architecture, “Hausaufgabenset“ 33 Vgl.: Museum of Finnish Architecture, „Bildungspaket für Lehrer“ 34 Vgl.: Museum of Finnish Architecture, „Zehn Schlüssel“, S. 3 35 Vgl.: Museum of Finnish Architecture, „Zehn Schlüssel“, S. 9 36 Vgl.: Museum of Finnish Architecture, „Zehn Schlüssel“, S. 13 37 Lotta Leskelä im Telefongespräch am 30. August 2019 38 Vgl.: Räsänen 2006, S. 14 39 Vgl.: https://www.alvaraalto.fi/en/ information/aalto-cities/ (letzter Zugriff 07.01.2020) 40 Lotta Leskelä im Telefongespräch am 30. August 2019 41 Lotta Leskelä im Telefongespräch am 30. August 2019 42 Vgl.: http://archinfo.fi/2019/11/ arkkitehtuurikerhot-2016-2019hanke-nosti-arkkitehtuurikasvatuksen-saavutettavuuttavaltakunnallisesti/ (letzter Zugriff 07.01.2020) 43 Vgl.: Kivioja 2018, S. 5 44 Vgl.: http://archinfo.fi/2016/08/ eilen-tanaan-huomenna-hanke/ (letzter Zugriff 28.12.2019) 45 Vgl.: http://archinfo.fi/2018/01/ meidan-paikka-2018/ und http://

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archinfo.fi/2016/08/eilen-tanaan-huomenna-hanke/ (letzter Zugriff 28.12.2019) Vgl.: Korpelainen/Kaukonen/ Räsänen 2004, und vgl.: Räsänen 2007 Vgl.: http://www.playce.org/ uploads/pdf/Toolkit_english_lowres.pdf (letzter Zugriff 07.01.2020) Vgl.: http://www.arkki.net/ tilat_talot_kaupungit/esipuhe/ (letzter Zugriff 07.01.2020) Pihla Meskanen im persönlichen Gespräch am 9. Mai 2019 in Helsinki Vgl.: Architekturpolitik 1999, S. 16, und vgl.: Korpelainen/Yanar 2001, S. 40 Vgl.: https://www.udk-berlin.de/ fileadmin/2_dezentral/Referat_ Studienangelegenheiten/UdK_ Anzeiger/2019/04-2019_Anzeiger_ der_UdK_Berlin.pdf (letzter Zugriff 07.01.2020) Vgl.: Korpelainen/Yanar 2001, S. 40 Vgl.: https://www.bundesstiftungbaukultur.de/netzwerk/bildung? bildung_bkb=All (letzter Zugriff 07.01.2020) Vgl.: Leitzken 2017, Fröbe/ Winderlich 2017 und Fröbe 2014 Vgl.: Wüstenrot 2010 Jaana Räsänen im persönlichen Gespräch am 9. Mai 2019 in Helsinki

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Architekturpolitische Programme als Förderer der Architecture Education für Kinder und Jugendliche in Finnland Gastbeitrag Jaana Räsänen

Die Wurzeln der heutigen Architecture Education lassen sich auf die Diskussion um die Bedeutung des Kunstunterrichts zurückführen, die durch die Schulreform der 1970er Jahre ausgelöst wurde. Die Sorge um die allmählich geschwächte Stellung der künstlerischen Fächer in Schulen führte zur Entstehung eines völlig neuen Schultyps – der Gründung von spezifischen Visual-Arts-Schools.1 Die Architecture Education begann kleine, aber entschlossene Fortschritte zu machen, als sich auch Architektinnen und Architekten Ende des Jahrzehnts der

Verteidigung der Kunsterziehung verschrieben und gleichzeitig begannen, Unterrichtsmaterial für einen als zu naturfokussiert erachteten Umweltunterricht zu produzieren.2 In den 1990er Jahren trat das in den 1980er Jahren erarbeitete Gesetz, mit dem der Unterricht an den Visual-Arts-Schools geregelt wurde, in Kraft,3 das erste National Core Curriculum wurde veröffentlicht und neben den Kunstschulen wurden drei Architekturschulen für Kinder und Jugendliche gegründet: ARKKI in Helsinki, Lastu in Lapinlahti und

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Erkkeri in Turku. Die beiden ersten sind noch immer in Betrieb. Darüber hinaus wurde die Architektur als langfristiges Programm in einer der Schulen für bildende Kunst in Jyväskylä und in Form von unterschiedlichen Kurzkursen in vielen anderen Schulen eingeführt. Auch in den Museen des Bereichs gewann sie eine immer sichtbarere Präsenz. Allerdings war sie noch immer nur wenigen zugänglich.

Die nationale Architekturpolitik fördert die Diskussion über Architektur an den Schulen Die 1998 vom Büro des Premierministers verabschiedete finnische Architekturpolitik setzte sich zum Ziel, die Position der Architecture Education in der allgemeinen Bildung zu stärken. Im Vorwort des Premierministers Paavo Lipponen (1995–2003) heißt es: „Das architekturpolitische Programm betont das Recht wie auch die Pflicht der Bürgerinnen und Bürger, Verantwortung für ihre eigene Umwelt zu übernehmen. Zu diesem Zweck sollen die Architekturausbildung und die Information über Architektur gefördert werden.“ 4 Die nationale Architekturpolitik besagt, dass

das Verständnis für Architektur zu den staatsbürgerlichen Fähigkeiten gehören sollte. Daher sollte die Architecture Education für alle zugänglich sein, insbesondere an Grund-, Mittel- und Oberstufenschulen. Als eine der Maßnahmen zur Förderung der Civic Education in Architecture wird in dem Programm vorgeschlagen: „Bei der Aufstellung der Lehrpläne wird das Zentralamt für Unterrichtswesen die Bedeutung der Architekturausbildung betonen. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit des Architekturverständnisses bei der Verflechtung der Schulausbildung mit dem kulturellen Leben beachtet.“ 5 Darüber hinaus heißt es: „Der Schlüssel zum Architekturverständnis liegt vorrangig bei der Kunsterziehung sowie bei den umweltbezogenen Fächern, welche die Belange der gebauten Umgebung einbeziehen. Die Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger, sich an den ihre eigene unmittelbare Umgebung betreffenden Entscheidungsprozessen zu beteiligen, wird in großem Maß gefördert, wenn Architektur ein Bestandteil der Lehrinhalte von Umweltstudien, Biologie, Geografie, Geschichte oder politischen Wissenschaften wird.“ 6

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Dem Programm zufolge ist es möglich, durch die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Architektur die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Debatte und Entscheidungsfindung in Bezug auf Umweltfragen zu verbessern. Dieser Standpunkt wurde durch das 1999 erneuerte „Land Use and Building“-Gesetz geteilt und unterstützt.

qualitativen Verbesserung der gebauten Umwelt Ostfinnlands identifiziert.7 Jyväskylä war die erste Stadt, die diesbezüglich eine eigene lokale Architekturpolitik beschloss. Als zu ergreifende Maßnahmen nannte sie den Entwurf eines Entwicklungsprogramms für die Architecture Education, die Darstellung der Akteurslandschaft von Personen oder Einrichtungen mit Expertenwissen, die in dem Bereich tätig Die lokalen und regionalen sind, und die Schaffung eines Architekturpolitiken als Netzwerks, das die Entwicklung Botschafterinnen im Land der Architecture Education unterstützt. Das Alvar Aalto Die ersten lokalen und regionalen Museum wurde als zentrale Architekturpolitiken wurden Schaltstelle dieser Entwicklung kurz nach der nationalen Gesetzge- genannt. 8 Die Stadt Oulu schlug bung geschaffen. Inwiefern werden vor, dass Aktivitäten zur Fördesie von der nationalen Initiative rung des Umweltbewusstseins zur Förderung der Architecture von Kindern und Jugendlichen in Education von Kindern und Jugend- Kindergärten, Schulen, Jugendlichen beeinflusst? clubs, Kursen und Sommerlagern verstärkt werden sollten.9 Die erste Welle der lokalen Politik wurde im Jahr 2000 von der Die zweite Welle der lokalen Provinz Ostfinnland gestartet, Architekturpolitiken erreichte gefolgt von den Städten Jyväskylä 2006 ihren Höhepunkt, als die Provinz Südwestfinnland und die und Oulu im Jahr 2002. Die Städte Helsinki, Tampere und Stärkung des Status der Architecture Education in den lokalen Vantaa ihre Programme veröffentSchullehrplänen und die Entwicklichten. Es folgten die Städte lung des Unterrichts als Teil der Lappeenranta und Kuopio sowie allgemeinen Erwachsenenbildung die Region Häme 2007, die Region wurden als wesentliche Mittel zur Uusimaa sowie die Städte Turku

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und Lohja 2009 und Lahti und Helsinki im Jahr 2010. Die Region Satakunta startete 2013 die dritte Welle der lokalen Architekturpolitiken. Sie stimmte mit der bisherigen Politik überein, indem sie Ziele und Maßnahmen zur Förderung der Architecture Education festlegte. Auf Satakunta folgte 2014 das lokale Programm der Region Uusimaa, die zweite Runde von architekturpolitischen Programmen in Vantaa 2015 und Kuopio 2017 und schließlich die Policy der Stadt Kirkkonummi 2017 und die zweite Architekturpolitik in Jyväskylä 2019. Zum Zeitpunkt der dritten Welle war die Architecture Education bereits ein anerkannter Bildungsbereich, der als Mittel zur Schaffung eines besseren Verständnisses der gebauten Umwelt und zur Entwicklung partizipativer Fähigkeiten anerkannt war. Die jüngsten Architekturpolitiken nahmen das als Ausgangspunkt. Statt Maßnahmen der Architecture Education vorzuschreiben, nutzten sie jene Methoden und bezogen Kinder und Erwachsene in den Gestaltungsprozess lokaler Architekturpolitik mit ein. Die Architekturpolitik von Lahti besagt eindeutig, dass die Stadt die Verantwortung für

die Entwicklung der Architecture Education übernimmt.10 In den anderen kommunalen und regionalen Politiken der 2000er und 2010er Jahre wurden sechs Hauptentwicklungsbereiche für die Architecture Education anerkannt: VERNETZUNG + Nutzung der bestehenden und Schaffung neuer Netzwerke zur Entwicklung der Architecture Education11 + Förderung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachgebieten; lokal, national und international12 ARCHITEKTUR IN SCHULEN + Stärkung des Status der Architecture Education in allen Stufen vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe II13 + Architektur nicht nur im Kunstunterricht und der Environmental Education diskutieren, sondern sie auch an verschiedene andere Schulfächer anpassen14 + Einbeziehung lokaler Architektinnen und Architekten sowie Planer und Planerinnen in den Schulunterricht15 + Potenziale von Schulen, die sich auf

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Architektur spezialisieren, erkennen16

UNTERRICHTSMATERIAL + Erfassung und Nutzung von vorhandenem Lehrmaterial, andere darüber informieren und neues

Die Auswirkungen der Architekturpolitik der 2000er Jahre auf die Architecture Education

Material entwickeln17 + Veröffentlichung von Karten und Architekturführern, welche die lokale Architektur vorstellen und die gebaute Umgebung als Lehrmaterial nutzen18 ARCHITEKTUR ALS HOBBY + Entwicklung der Architecture Education als außerschulische Aktivität an Visual-Arts-Schools, in Jugendclubs, Sommerkursen und Ferienlagern etc.19 + Beginn der Architecture Education im Rahmen der Basic Education in the Arts20 PARTIZIPATORISCHE FÄHIGKEITEN + Entwicklung von Fähigkeiten zur Interaktion und Partizipation; Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten anbieten, in ihrem eigenen Umfeld etwas zu bewirken21 AUSBILDUNG VON LEHRKRÄFTEN + Weiterentwicklung der Lehrkräftefortbildung und Ermutigung angehender Lehrkräfte, die Architektur- und Umwelterziehung an den Schulen umzusetzen 22

Vergleicht man die Ziele und Maßnahmen der ersten beiden Wellen der Architekturpolitik mit dem, was tatsächlich im Bereich der Architecture Education geschehen ist, so scheint es offensichtlich, dass diese Politik Auswirkungen hatte. Ein Bericht, der auf einer landesweiten Umfrage aus dem Jahr 2000 basiert, stellt 200 Initiativen in Finnland vor, in denen Architecture Education im Rahmen der formalen Ausbildung sowie durch Aktivitäten verschiedener gemeinnütziger Organisationen durchgeführt wurde.23 Es folgte eine Phase der aktiven Vernetzung. Das nationale Netzwerk Arkas und das internationale Netzwerk Playce wurden gegründet und führten die Debatte weiter. Nachdem im Bereich der Kinderkultur 2003 ein eigenes politisches Programm veröffentlicht wurde, entstand ein Netzwerk von 20 Kinderkulturzentren (31 im Jahr 2019) im ganzen Land, welches die Umsetzung von Kultur für alle Kinder fördern soll. In diesem Netzwerk ist der Bereich Architektur durch die Lastu School vertreten, die sich

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von einer lokalen Akteurin zu einem regionalen Kinderkulturzentrum entwickelte.24 Das jüngste Netzwerk, das Verantwortung für die Entwicklung der Architecture Education übernimmt, ist das Netzwerk der Alvar Aalto Cities.25 Die Position der Architecture Education an den Schulen wurde gestärkt, als 2003 ein obligatorischer Architekturkurs „Environment, place and space“26 in den Lehrplan für Visual Arts der Oberstufe aufgenommen wurde, gefolgt von einem Pflichtkurs „Environmental aesthetics, architecture, and design“27 für die Klassenstufen 1–7 im Jahr 2004. Auch Themen, welche die Inhalte und Ziele von Schulfächern wie „Responsibility for the Environment, Wellbeing and Sustainable Future“ integrierten, schufen Möglichkeiten, die Architektur in den Projektwochen der Schulen in den Mittelpunkt zu stellen. Das National Core Curriculum for Basic Education wurde 2016 erneuert. Anfangs schien es, als sei die Position der Architecture Education geschwächt worden, da der neue Lehrplan keine 'Pflichtkurse und nicht einmal eine explizite Erwähnung von Architektur vorsah. Jetzt, Ende 2019, ermutigt der neue Lehrplan jedoch dazu, alle Arten

von Umgebungen als Lernumgebung zu nutzen, und verpflichtet die Schulen auch, zumindest einen Teil ihres Unterrichts als fächerübergreifende Module zu gestalten.28 Dies wird als eine inspirierende Möglichkeit gesehen, Architektur in verschiedene Schulfächer zu integrieren. Eine neue Phase der Entwicklung hat begonnen. Die Finnish Association of Architects SAFA hat auf den Bedarf an neuem Lehrmaterial reagiert und 2005 eine Webseite für die Architecture Education veröffentlicht, gefolgt von zwei Lehrbüchern. Das erste untersucht Architektur auf verschiedenen Umweltebenen,29 der zweite Band führt in grundlegende Konzepte der Architektur ein.30 Im Anschluss daran haben die verschiedenen Schulen und Institutionen wie ARKKI und Lastu – und heute vor allem das Museum for Finnish Architecture und das Alvar Aalto Museum – pädagogisches Material für den öffentlichen Gebrauch erstellt. Seitdem die nationale Architekturpolitik und der „Land Use and Building Act“ 1999 die Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme an Entscheidungsprozessen, die ihr eigenes Lebensumfeld betreffen,

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aufgefordert haben, ist die Architecture Education als nützliches Mittel anerkannt, um die für gesellschaftliche Teilhabe erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben. Die meisten Akteurinnen und Akteure im Bereich Architecture Education trugen zur Entwicklung von partizipativen Methoden und Prozessen bei. Die nationalen und regionalen Arts Councils und andere öffentlichen Geldgeberinnen und Geldgeber unterstützten diese Entwicklung durch die Lancierung und Finanzierung zahlreicher Projekte und durch die Einrichtung von Stellen für regionale Kunstschaffende, die sich sowohl der Förderung der Architecture Education als auch partizipativer Prozesse widmen. Das neue National Core Curriculum for Basic Education hat die Arbeit der Lehrkräfte verändert und einen Erneuerungsprozess in Bezug auf die Lehrkräftebildung an den Universitäten eingeleitet. Es bleibt zu hoffen, dass der Architektur und der gebauten Umwelt in diesem Prozess genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird. Bisher haben Lehrende den Großteil ihres Wissens und ihrer Erfahrung aus ergänzenden und optionalen Fortbildungen

gewonnen, die von verschiedenen Organisationen im Bereich Bildung und Kultur gestaltet wurden.

Fazit Die Wirkmacht der nationalen Architekturpolitik ruht auf den Worten des Premierministers – auf die nicht nur in der regionalen und kommunalen Architekturpolitik, sondern auch in zahlreichen anderen Gesetzgebungen, Strategien, Vorträgen und Papieren sowie in Diskussionen und Debatten Bezug genommen wurde. Durch all diese Maßnahmen verbreitete sich die Botschaft über die Bedeutung der Architecture Education auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Die Wirkmacht aller lokalen Beschlüsse basiert auf dem engagierten Prozess, durch den sie konzipiert werden. Die beteiligten Personen haben sich unermüdlich und engagiert für die Erfüllung der vereinbarten Ziele eingesetzt. Die Entscheidungsträgerinnen und -träger sind sich der Architecture Education und ihres Potenzials bewusst geworden. Im Laufe der Jahre haben die Kommunen, Städte und Regionen Architekturvermittlerinnen

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und -vermittler gebeten, über ihre Arbeit zu sprechen, und haben motivierte lokale Architektinnen und Architekten und Kunstlehrkräfte inspiriert, in diesen Bereich vorzustoßen. Sicherlich haben sich die parallelen Entwicklungen der Architekturpolitik und der Architecture Education gegenseitig in ihrer Wirkung verstärkt. Die Ziele dieser Politik zu erfüllen, war vor allem in denjenigen Regionen und Gemeinden leicht, die bereits starke Akteurinnen und Akteure im Bereich der Architecture Education hatten. Im Laufe der Jahre erhöhten die architekturpolitischen Programme das Ansehen der Architecture Education: Wo sie noch nicht bekannt war, wird sie nun ernster genommen. Heute müssen wir mehr denn je über die Bedeutung der Architektur und den Aufbau einer nach haltigen Zukunft diskutieren – und diese Botschaft muss auf allen Ebenen der Gesellschaft gehört werden. Architecture Education und architekturpolitische Arbeit können dazu beitragen.

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Vgl.: Heinimaa 2007 Vgl.: Härö 1980 Vgl.: Laki taiteen perusopetuksesta 1998 Architekturpolitik 1999, S. 3 Architekturpolitik 1999, S. 16 Architekturpolitik 1999, S. 16 Vgl.: Itä-Suomi (Eastern Finland) 2002, S. 19 Vgl.: Jyväskylä 2002, S. 16 Vgl.: Oulu 2002, S. 20 Vgl.: Lahti 2010, S. 10 Vgl.: Jyväskylä 2002, S. 16., Tampere 2006, S. 28f., Turku 2009, S. 20f., Lohja 2009, S. 22ff. Vgl.: Varsinais-Suomi (Southwest Finland) 2006, S. 20 Vgl.: Itä-Suomi (Eastern Finland) 2002, S. 19, Oulu 2002, S. 20, Tampere 2006, S. 28f., Helsinki 2006, S. 42, Helsinki 2010, S. 131, Kuopio 2007, S. 20f., Häme 2007, S. 30, Turku 2009, S. 20, Satakunta 2013, S. 58, S. 63, Lappeenranta 2007, S. 17, S. 25, Varsinais-Suomi (Southwest Finland) 2006, S. 20 Vgl.: Tampere 2006, S. 28f., Lohja 2009, S. 22f., Uusimaa 2014–2020, S. 18, S. 40, Kirkkonummi 2017, S. 61f. Vgl.: Lohja 2009, S. 22f., Kirkkonummi 2017, S. 61f. Vgl.: Helsinki 2010, S. 131, Turku 2009, S. 20f.

17 Vgl.: Tampere 2006, S. 28f., Häme 2007, S. 30, Satakunta 2013, S. 58, S. 63, Kirkkonummi 2017 18 Vgl.: Häme 2007, S. 30 19 Vgl.: Oulu 2002, S. 20, Varsinais-Suomi (Southwest Finland) 2006, S. 20, Häme 2007, S. 30 20 Vgl.: Varsinais-Suomi (Southwest Finland) 2006, S. 20 21 Vgl.: Vantaa 2006, S. 19f., Lohja 2009, S. 22f., Uusimaa 2014–2020, S. 18, S. 40, Kirkkonummi 2017 22 Vgl.: Kuopio 2007, S. 20f., Satakunta 2013, S. 58, S. 63 23 Vgl.: Korpelainen/Yanar 2001, S. 7 24 Vgl.: https://www.lastenkulttuuri.fi/en/ centres/map/ (letzter Zugriff 15.01.2020) 25 Vgl.: https://www.alvaraalto.fi/palvelut/ arkkitehtuuri-ja-muotoilukasvatus-2/ alvar-aalto-kaupunkien-kouluyhteistyo/ (letzter Zugriff 15.01.2020) 26 Vgl.: Lukiokoulutuksen opetussuunnitelman perusteet 2003, S. 201f. 27 Vgl.: Perusopetuksen opetussuunnitelma perusteet 2004, S. 236ff. 28 Vgl.: Perusopetuksen opetussuunnitelman perusteet 2014, S. 26ff. 29 Vgl.: Korpelainen et al. 2004 30 Vgl.: Räsänen 2010

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Schlussbetrachtung

Die Studie hat unzweifelhaft bestätigt, dass Finnland zurecht den unangefochtenen Pionierstatus trägt, wenn es um Architekturpolitik oder Architecture Education geht. Es ist aber auch deutlich geworden, dass dieser Erfolg das Ergebnis jahrelanger intensiver und kontinuierlicher Arbeit ist, die mit der Herausgabe der Architekturpolitik 1998 keineswegs abgeschlossen war, sondern danach erst richtig begann. Als unbegründet haben sich die Befürchtungen erwiesen, dass die historischen und strukturellen Voraussetzungen so unterschiedlich und der Vorsprung Finnlands so groß sein könnte, dass es sich als sinnlos erweisen könnte, von dem Land lernen zu wollen. Die Ausgangsbedingungen dafür, das baukulturelle Interesse und schließlich auch das Basiswissen in der Gesellschaft zu verbessern, sind aufgrund der historischen Situation und der Bedeutung, die dem Thema Architektur im Kontext des Nation-Building-Prozesses zukommt, sicherlich in Finnland etwas günstiger. Aber die Herausforderungen für die architekturvermittelnden Institutionen und ihre Akteurinnen und Akteure in Finnland unterscheiden sich kaum von denen in Deutschland. Sie haben lediglich früher begonnen und agieren daher heute nicht nur mit einem größeren Selbstverständnis, sondern auch mit einer anderen Selbstverständlichkeit, während in Deutschland noch nicht einmal sicher ist, ob und wie die Arbeit ernsthaft aufgenommen werden kann, da eine entsprechende Förderpolitik derzeit noch fehlt. Hier wie dort ist Architekturpolitik eine Querschnittsaufgabe, an der so viele 171

Akteurinnen und Akteure und Positionen wie möglich von Anfang zu beteiligen sind und bei der die Verantwortlichkeiten eindeutig zugeordnet und benannt werden müssen. Dass dieser Prozess, auch wenn es sich um ein kleines Land handelt, in Finnland keineswegs einfacher ist als anderswo, ist deutlich geworden. Die interministerielle Zusammenarbeit ist überall eine Herausforderung und die Suche nach Verbündeten erfordert Zeit und Geduld. Hinsichtlich der Frage nach der Integration der Baukulturellen Bildung in das Schulsystem hat sich sogar gezeigt, dass rein formal betrachtet die Voraussetzungen in Deutschland möglicherweise etwas besser sind als in Finnland, da überraschenderweise in hiesigen Lehrplänen mehr Kunstunterricht vorgesehen ist und die Architektur zumindest im Fach Kunst bereits konsequent Eingang in die Lehrpläne gefunden hat. Das Beispiel veranschaulicht jedoch auch, dass es nicht ausreicht, die Architektur in die Lehrpläne zu schreiben, sondern dass aktive Arbeit notwendig ist, um dafür zu sorgen, dass die Lehrkräfte in die Lage versetzt werden, in diesem Bereich mit den Schülerinnen und Schülern zu arbeiten. Das Beispiel Finnland zeigt, dass es notwendig ist, zunächst ein Bewusstsein für die Baukulturelle Bildung und ihr Potenzial als Querschnittsaufgabe zwischen den unterschiedlichsten Schulfächern, aber auch zwischen den einzelnen Künsten zu schaffen. Wenn das Bewusstsein vorhanden ist, dann ist es, wie das Beispiel vieler finnischer Schulen zeigt, auch möglich, die Vorgaben der Curricula kreativ zu nutzen. Den einzigen echten Vorteil, den Finnland tatsächlich hatte, und der für die Entwicklung und Implementierung der Architekturpolitik vermutlich nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, ist die Tatsache, dass es dafür von Anfang an einen starken Rückhalt auf höchster Ebene in der Politik 172

Schlussbetrachtung

gab. Paavo Lipponen, der von 1995 bis 2003 Premierminister war, machte die Architekturpolitik, wie Tiina Valpola im persönlichen Gespräch darstellte, zu seinem persönlichen Anliegen. In einem Interview, das er 2005 der Zeitschrift Arkkitehti-lehti in seiner Funktion als Parlamentssprecher gab, äußerte er sich zu dem Thema folgendermaßen: „Finnland braucht eine aktive Architekturpolitik, wenn es auch in Zukunft als führendes Land im Bereich Architektur gesehen werden will. Es wäre von vorrangiger Bedeutung, für die Umsetzung der Architekturpolitik ausreichende wirtschaftliche und politische Ressourcen bereitzustellen und die Weiterentwicklung dieser Politik als permanenten Bestandteil unserer Verwaltungskultur zu betrachten.“1 Und auch Lipponens Nachfolger, Matti Vanhanen, der von 2003 bis 2010 Premierminister war, äußerte sich in dem Artikel entschlossen in Bezug auf die Architekturpolitik: „Im Hinblick auf unser eigenes Wohlergehen und unseren Lebensstandard können wir uns als Nation nicht leisten, einen ärmeren Architekturstandard zu haben als frühere Generationen. […] Jede Straßenecke und jeder Stadtblock muss ein wiedererkennbarer Ort sein, auf den wir stolz sein können.“2 Zwar ist die Baukultur in Deutschland dank der 2007 gegründeten Bundesstiftung Baukultur inzwischen auch auf politischer Ebene angekommen, von einem echten Rückhalt kann jedoch nicht die Rede sein. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Baukultur es in der Politik ähnlich schwer haben dürfte wie in der restlichen Gesellschaft. So gesehen erscheint es mehr als sinnvoll, dass sich Deutschland vorrangig an der alten Architekturpolitik von 1998 orientiert. Wie Finnland damals braucht Deutschland im gegenwärtigen Stadium eine Grundsatzerklärung, in der zunächst ganz allgemein der Wert und die Bedeutung der Architektur auf kultureller, soziologischer und wirtschaftlicher Ebene Schlussbetrachtung

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definiert werden, in Verbindung mit einer an die öffentliche Hand adressierten Selbstermunterung, Vorbildfunktion zu übernehmen. Eine Orientierung an dem ersten architekturpolitischen Programm Finnlands erscheint auch deshalb sinnvoll, weil davon auszugehen ist, dass Deutschland in vielerlei Hinsicht in Bezug auf das Thema Baukulturelle Bildung heute ungefähr da stehen dürfte, wo Finnland vor 20 bis 25 Jahren stand. Das zeigt sich beispielsweise in dem 2001 von SAFA herausgegebenen Report Discovering Architecture. Civic Education in Architecture in Finland. Das Kapitel „Challenges and Needs“ ließe sich nahezu unverändert dazu verwenden, die gegenwärtigen Herausforderungen und Bedarfe in Bezug auf die Baukulturelle Bildung in Deutschland zu beschreiben.3 Anders als in Finnland damals, wo während der ersten enthusiastischen Umsetzungswelle der Architekturpolitik bereits unzählige Projekte im Bereich der Architecture Education gefördert wurden, wie aus dem Report hervorgeht, ist die Fördersituation in Deutschland bislang vollkommen ungeklärt und stellt sicherlich die größte Herausforderung dar. Während für Deutschland zu hoffen ist, dass die Baukulturellen Leitlinien des Bundes mehr werden als nur eine kulturelle Proklamation, kann dem neuen finnischen architekturpolischen Programm APOLI2020 mit Spannung entgegengeblickt werden, da zu erwarten ist, dass auch das neue Positionspapier internationale Standards setzen und möglicherweise auch wieder Neuerungen im Bereich der Architecture Education mit sich bringen wird. Die jüngsten Schlagzeilen aus Finnland deuten darauf hin, dass soeben eine neue Phase der Architecture und Design Education eingeleitet worden ist. Am 12. Dezember 2019 wurde bekannt gegeben, dass das Neue Architektur- und Designmuseum, das sich derzeit in Planung befindet, eine Förderung in Höhe von 174

Schlussbetrachtung

450.000 Euro von der Finnish Cultural Foundation erhalten hat, um ein Centre for Architectural and Design Learning aufzubauen. Wie aus der Pressemitteilung des Designmuseums hervorgeht, soll ein Zentrum entstehen, das verschiedene Akteurinnen und Akteure zusammenbringt, mit ihnen interagiert und dabei wie eine Art „Logistikzentrum“ oder „Verteilerpunkt“ funktioniert, das Wissen und Know-how dorthin bringt, wo es benötigt wird. Im Rahmen des auf vier Jahre angelegten Projektes sollen neben der Entwicklung des Lernzentrums die Organisation einer landesweiten pädagogischen Tour und die Herausgabe eines landesweiten Fortbildungsprogramms aufgebaut werden. Entstehen wird ein völlig neuer Typus der Öffentlichkeitsarbeit, die für ein neues Museumsdenken steht, in dessen Rahmen die Arbeit aus dem traditionellen Museumsumfeld herausgenommen wird. So ist geplant, das Lernzentrum zunächst zu einem immateriellen Zentrum des Lernens, des Informationsaustausches und der Vernetzung auszubauen, das nicht an einen physischen Ort gebunden ist. Nach Möglichkeit soll es jedoch später physisch Raum innerhalb des Neuen Architektur- und Designmuseums erhalten.4

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Hautajärvi 2005, S. 20 Hautajärvi 2005, S. 21 Vgl.: Korpelainen/Yanar 2001, S. 40ff. Vgl.: https://www.designmuseum.fi/ fi/events/suomen-kulttuurirahastomyonsi-designmuseon-jaarkkitehtuurimuseon-yhteishankkeelle450-000-euron-suuruisenapurahan-uuden-arkkitehtuurinja-muotoilun-oppimisen-keskuksenluomiseen/ (letzter Zugriff 19.01.2020)

Schlussbetrachtung

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Empfehlungen

Die Baukulturellen Leitlinien des Bundes sollten im Kern eine Grundsatzerklärung enthalten, in der zunächst ganz allgemein der Wert und die Bedeutung der Architektur auf kultureller, soziologischer und wirtschaftlicher Ebene definiert werden. Empfehlenswert wäre, den Grundstein dafür zu legen, Architektur und Baukultur als zentrale Bestandteile von Kunst und Kultur anzuerkennen. Die Leitlinien sollten sich als Selbsterklärung der öffentlichen Hand verstehen, Vorbildfunktion zu übernehmen. Sie sollten die Verbesserung des architektonischen Bewusstseins in der Gesellschaft zum zentralen Ziel deklarieren und der Baukulturellen Bildung eine prominente Rolle einräumen. Es erscheint sinnvoll, die Baukulturellen Leitlinien des Bundes mit größter Offenheit zu formulieren und an die Bundesländer und Kommunen als ausdrückliche Einladung zur Aneignung zu adressieren, so dass sie von Ebene zu Ebene konkreter werden können und in den Kommunen schließlich das verhandeln, was die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar betrifft.

*** Der Leitlinienprozess sollte so organisiert werden, dass  sowohl auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene ein möglichst umfassendes Akteursnetzwerk in die Planung eingebunden wird, da die Baukultur ein Querschnittsthema 177

ist, das nahezu alle Bereiche des Zusammenlebens betrifft. Je mehr Ressorts, Institutionen, Verbände und Akteurinnen und Akteure in den Prozess eingebunden werden, umso wahrscheinlicher ist, dass sie später die Bereitschaft zeigen, sich aktiv an der Umsetzung zu beteiligen und diese mitzutragen. Um so viele Akteurinnen und Akteure wie möglich aktiv in den Prozess einbinden zu können, ist es empfehlenswert, wie in Finnland die Ergebnisse der Arbeitsgruppe einem erweiterten Akteurskreis zur Kommentierung vorzulegen. Das Beispiel Finnland lehrt, dass es sinnvoll ist, Verantwortlichkeiten in den Leitlinien eindeutig zu definieren und entsprechend zu adressieren.

*** Die Verabschiedung der Baukulturellen Leitlinien des Bundes sollte nicht als das Ende des Prozesses, sondern als der eigentliche Auftakt betrachtet werden, mit dem die Zusammenarbeit zwischen den Ministerien, den Akteurinnen und Akteuren und Interessenverbänden aus der Politik und Zivilgesellschaft erst beginnt. Die Erfahrungen aus Finnland zeigen, dass es sinnvoll wäre, den Prozess im regelmäßigen Turnus – etwa alle drei oder vier Jahre – zu evaluieren und die Leitlinien auf dieser Basis einer regelmäßigen Revision zu unterziehen. Dadurch wird gewährleistet, dass der Leitlinienprozess ein vitaler Lernprozess bleibt. 178

Es braucht durchgehend Verantwortliche, die sich des Themas annehmen, um einen kontinuierlichen Umsetzungsprozess und eine regelmäßige Weiterentwicklung der Leitlinien zu unterstützen; um die Öffentlichkeitsarbeit in den Bundesländern, Regionen oder Kommunen vorzunehmen; und um bei der Entwicklung lokaler Leitlinien und deren Revision Beratung und Hilfestellung geben zu können. In Finnland wurde dazu zunächst die Stelle eines Special Advisors for Architecture (2004–2012) eingerichtet, bevor Archinfo Finland den Prozess fachlich begleitete.

*** Um das baukulturelle Bewusstsein in der Gesellschaft langfristig zu verbessern, sollte in den Baukulturellen Leitlinien des Bundes die Empfehlung ausgesprochen werden, die Baukulturelle Bildung systematischer in das Bildungssystem zu integrieren. Den effizientesten und demokratischsten Weg bietet die Integration der Baukulturellen Bildung in das Schulsystem, was in den deutschen Rahmenlehrplänen bereits vorgesehen ist. Um zu gewährleisten, dass die Lehrkräfte den Anforderungen gerecht werden können, sollte die Baukulturelle Bildung in die Lehramtsstudiengänge an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen und insbesondere in die künstlerische Lehrkräftebildung integriert werden. Es wäre zudem sinnvoll, die Weichen zum Aufbau einer Fachwissenschaft im Bereich der Baukulturellen Bildung zu stellen mit dem Ziel, aus der Praxisforschung eine Fachdidaktik, aber auch Lehrmaterialien und Fortbildungskonzepte zu entwickeln. 179

Um das Baukulturelle Bewusstsein kurzfristig in der Gesellschaft zu verbessern, sollte in den Baukulturellen Leitlinien des Bundes die Empfehlung ausgesprochen werden, Fortund Weiterbildungsprogramme zu entwickeln, welche die Lehrkräfte dabei unterstützen, die Baukulturelle Bildung in das Schulsystem zu integrieren. Wünschenswert wäre, dass Architektur und Baukultur auch als Querschnittsthemen erfahrbar gemacht werden, die prädestiniert sind für den fächerübergreifenden Unterricht. Um zügig in der Fläche agieren zu können, wäre es sinnvoll, in einem ersten Schritt den bereits aktiven Akteurinnen und Akteuren Fortbildungsangebote zu machen, in denen sie ihr fachliches Spektrum pädagogisch, methodisch und inhaltlich erweitern. Ihnen sollten darüber hinaus Methoden und Strategien an die Hand gegeben werden, die ihnen ermöglichen, während der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen gleichzeitig die begleitenden Lehrkräfte zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren auszubilden, so dass diese im Folgejahr das Projekt eigenständig oder mit minimalen Hilfestellungen durchführen können. Auf diese Weise würde die Baukulturelle Bildung recht schnell eine exponenzielle Verbreitung finden und viel effizienter in die Schulpraxis einsickern. Um zügig Lehrmaterialien zur Verfügung stellen zu können, dürfte es sinnvoll sein, für erfolgreiche finnische Konzepte und Toolkits Lizenzen zu erwerben und sie für den deutschen Markt aufzubereiten.

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Empfehlenswert wäre, die Bauklturelle Bildung auch in die Erwachsenenbildung zu integrieren und ihren Einzug an den Volkshochschulen und privaten Kunstschulen zu fördern. Im Idealfall sollten Architekturschulen für Kinder und Jugendliche nach finnischem Vorbild, wie der „Baukasten Bremen“, gefördert und aufgebaut werden.

*** In den Baukulturellen Leitlinien des Bundes sollte für niedrigschwellige Zugänge und Ansätze geworben werden, die grundsätzlich für Architektur und Baukultur sensibilisieren und nicht so sehr auf das Herausragende und Besondere fokussieren. Anstelle der normativen Qualitätskriterien sollte die Baukultur mit größerer Offenheit definiert werden, so wie es in der Leipzig Charta (2007) oder der Erklärung von Davos (2018) bereits geschehen ist.

*** Essenziell für die Zukunft der Baukulturellen Bildung ist jedoch die Bereitstellung von Fördermitteln zur Finanzierung von Projekten, Konzepten, Fortbildungsveranstaltungen, Lehrmaterialien und übergeordneten Koordinierungsstellen. Um die Baukulturelle Bildung in der Gesellschaft zu verankern, muss die Vermittlung aus dem Ehrenamt geholt werden und der Weg dafür bereitet werden, dass sich ein echtes Berufsbild der Baukulturvermittlerin und des Baukulturvermittlers etablieren kann. 181

Um die Baukulturelle Bildung in der Gesellschaft verankern zu können, braucht es kontinuierliche Ansprechpartnerinnen sowie -partner und Verantwortliche, die sich des Themas annehmen, Hilfestellungen geben, informieren, vermitteln, Fortbildungsveranstaltungen konzipieren oder Brücken zu anderen Institutionen der Branche herstellen. Das finnische Beispiel lehrt, dass es keine personalstarken Einrichtungen braucht, um Baukultur zu vermitteln (oder auf architekturpolitischer Ebene zu begleiten), sondern dass es mit klugen Strategien, die darauf ausgelegt sind, bestehende Ressourcen zu nutzen und Kooperationen herzustellen, möglich ist, als immaterielle Einrichtung mit wenig Personal viel zu erreichen.

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Bildnachweise

Abb. 1 Hauptbahnhof Helsinki, Eliel Saarinen (1904–19), © Turit Fröbe Abb. 2 Enso Gutzeit Firmenzentrale Helsinki, Alvar Aalto (1962), © Wikimedia Commons/CC BY-SA Abb. 3 Finlandia Hall Helsinki, Alvar Aalto (1971), © Garett Wollman/Wikimedia Commons/CC BY-SA Abb. 4 Rettungsschwimmerturm Aurinkolahti Beach in Vuossari, © Turit Fröbe Abb. 5 Neohistoristischer Neubau Berlin © Turit Fröbe Abb. 6 „Lasipalasti“ in Helsinki von Viljo Revell, Heimo Riihimäki und Niilo Kokko (1936), © Wikimedia Commons/CC BY-SA Abb. 7 Amos Rex von JKMM Architects (2018), © Turit Fröbe Abb. 8 Oodi von ALA Architects (2018), © Kuvio

Abb. 12 Arabische Übersetzung der finnischen Architekturpolitik, 2007, © Arts Council of Finland and Ministry of Education. Zeichnung: © The National Board of Antiquities; Foto: © MW/Maija Kairamo Abb. 13 Schematische Darstellung der ersten beiden Implementierungsphasen der finnischen Architekturpolitik, © Tiina Valpola Abb. 14 Helsinki Architectural Highlights, Archinfo (2017), © Inka Saini/Finnish Association of Architects SAFA Abb. 15 Publikumslieblinge, Screenshot vom 15.05.2019, © www.uusikansallinen.fi/ The National Museum of Finland Abb. 16 Finalisten, Screenshot vom 26.09 2019, © www.uusikansallinen.fi/The National Museum of Finland Abb. 17 Siegerentwurf “Atlas” by JKMM Architects, © JKMM Architects

Abb. 10 Oodi, „Wohnzimmer“, © Risto Rimppi

Abb. 18 Kuopio: Distribution of classroom hours: Basic education 2019, © https://www. slideshare.net/jukkasormunen/ presentation-of-educational-structurein-kuopio-and-finland-educationsystem-242019 (letzter Zugriff 07.01.2020)

Abb. 11 Attrappe der Berlin Bauakademie (2004–2019), © Turit Fröbe

Abb. 19 Toolkit „Tilat, talot & kaupungit“ (2013) von ARKKI, © Turit Fröbe

Abb. 9 Oodi „Bücherhimmel“, © Kuvio



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Impressum

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