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German Pages [200] Year 2012
Trude Hausegger (Hg.)
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2012 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http ://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: Silvia Scherz (www.pro-spect.at)
© 2012 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege, der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Lektorat: Laura R. Rosinger (www.textconsult.at) Druck und Bindung: BALTO print Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Litauen ISBN 978-3-205-78869-0
Inhalt Vorwort Trude Hausegger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik. Hintergründe, Herausforderungen, Ziele Trude Hausegger
1.
Aktivierende Arbeitsmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13
1.1. Das österreichische Modell der
1.2. Erwachsene BezieherInnen von
1.3. Neue Zielgruppe fokussiert bestehende Herausforderung einer
Bedarfsorientierten Mindestsicherung . . . . . . . . . . . . . . 13 Bedarfsorientierter Mindestsicherung . . . . . . . . . . . . . .17 arbeitsmarktsmarktbezogenen Anamnese und deren Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.
New Public Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28
2.1. Wirkungsorientierung als Kennzeichen
2.2. Gleichzeitige Stärkung und Schwächung von
3.
Aktivierende Arbeitsmarktpolitik im Kontext des
3.1. Chancen und Risiken für arbeitsmarktferne Menschen . . . . . . 35
4.
Wirkungsmessung in der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik . . . . . .40
4.1. Erste Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40
4.2. Exklusion vorantreibende oder verstärkende Dynamiken . . . . .45
4.3. Gezielte Berücksichtigung der Ausgangssituation . . . . . . . . .47
5.
Wirkungsmessung auf Basis einer auswertbar
5.1. Screening auf Basis von Selbstauskünften und
einer modernen Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28 Non-Profit-Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33
New Public Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
dokumentierten Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
ausgewählten Administrativdaten . . . . . . . . . . . . . . . .53
5.2. Arbeitsmarktbezogene Diagnostik für KundInnen
6.
Anforderungen an eine arbeitsmarktbezogene Diagnostik . . . . . . 57
mit Mehrfachbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
6
Inhalt
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik und Wirkungsanalysen – das integrachart® als integratives Instrumentarium Trude Hausegger, Andrea Reiter, Christine Reidl, Michaela Friedl-Schafferhans
1.
Das Basismodell des integrachart® . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
1.1. Zielgruppe, Zielsetzungen, Einsatzgebiete,
1.2. (Theoretischer) Hintergrund des integrachart® . . . . . . . . . . 69
1.3. Zur Arbeit mit dem integrachart® . . . . . . . . . . . . . . . . 83
1.4. Erläuterungen und Ausfüllhilfen zum integrachart® . . . . . .
1.5. Integrationsplan und individueller Abschlussbericht auf
Dauer und Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
84
Basis der Eintragungen ins integrachart® . . . . . . . . . . . . . 92
1.6. Das integrachart® Jugendliche – eine exemplarische Adaption
1.7. Erste Erfahrungen aus der Nutzung des integrachart® . . . . . . 118
2.
Arbeitsmarktbezogenes Screeningverfahren – ein Instrument,
um herauszufinden, ob eine arbeitsmarktbezogene
Diagnostik sinnvoll ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
2.1. Zielgruppe, Zielsetzungen, Einsatzgebiete,
2.2. (Theoretischer) Hintergrund des Screeningverfahrens . . . . . . 122
2.3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
für eine spezifische Zielgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
Dauer und Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
Auswertbar dokumentierte arbeitsmarktbezogene Diagnosen und ihr Beitrag zu einer wirkungsorientierten Arbeitsmarktpolitik für arbeitsmarktferne Menschen Trude Hausegger, Isabella Hager
1.
Effektivität und Effizienz unterschiedlicher arbeitsmarktpolitischer
1.1. Welche TeilnehmerInnen akzeptieren welche Angebote und
Instrumente für die Zielgruppe arbeitsmarktferner Menschen . . . . 130
welche Angebote werden von welchen TeilnehmerInnen
erfolgreich abgeschlossen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
1.2. Teilerfolge nachvollziehen und sichtbar machen . . . . . . . .
144
2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
Inhalt
7
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik und Selbstwirksamkeit Friederike Weber
1.
Personale Ressourcen als Einflussfaktoren auf den Gesundheitszustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.
Personale Ressourcen als Einflussfaktoren auf den
3.
Ressourcenorientierung im Beratungs- und
150
Gesundheitszustand in der Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . 153 Unterstützungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Arbeitsmarktbezogene Diagnostik aus Sicht einer Mitarbeiterin des österreichischen Arbeitsmarktservice Martina Kainz
1.
Beratung und Begleitung arbeitsmarktferner Menschen in der öffentlichen Arbeitsvermittlung . . . . . . . . . . 160
1.1. Arbeitsmarktferne Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160
1.2. Ziele des AMS Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
1.3. Aufgaben der öffentlichen Arbeitsvermittlung . . . . . . . . . 162
1.4. Aktive Arbeitsmarktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
2.
Dritter Sektor/Übergangsarbeitsmarkt oder zweiter Arbeitsmarkt . . 167
2.1. Sozialökonomische Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
2.2. Gemeinnützige Beschäftigungsprojekte . . . . . . . . . . . .
168
3.
Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
169
Soziale Diagnostik für den Arbeitsmarkt Peter Pantuček
Die Bedeutung von Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173
… sich um das Unspezifische kümmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Diagnostik kooperativ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
Diagnose im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
(Erwerbs-)Arbeit und Inklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
8
Inhalt
Luftschloss Arbeit Anselm Eder
1.
Ausbildung und Beschäftigung: eine Falle für die Arbeitsmarktfernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185
2.
Die Creaming-Falle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Anhang Erklärungen der einzelnen Ebenen des Wirkungsmodells nach univation (nachzulesen unter www.univation.org) . . . . . . . . . . 191 Dank
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
194
Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Abbildungs- und Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
Vorwort Trude Hausegger
Ich hatte heute am Vormittag zwei Besprechungen. In beiden Meetings ging es darum, die Performance von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu verbessern und deren Ergebnisse in möglichst aussagekräftigen Indikatoren abzubilden. Thema der ersten Besprechung war die Arbeitsmarktintegration sogenannter „arbeitsmarktferner Personen“, von Menschen also, die entweder den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt (noch) nicht gefunden oder diesen schon lange wieder verloren haben. Im Zentrum der zweiten Besprechung stand ein aktuelles Angebot für Jugendliche am Übergang von der Pflichtschule in das weiterführende (Berufs‑)Ausbildungswesen, um so Early School Leaving bereits im Vorfeld zu verhindern. Dieser Auszug aus meinem Arbeitsalltag spiegelt zwei aktuell sehr zentrale Themenbereiche: zum einen die hohe Bedeutung, die der Auseinandersetzung mit Ergebnissen, die sich in Kennzahlen abbilden (oder eben nicht), zur Messung arbeitsmarktbezogener Interventionen (Schulungen, Beratungen und geförderter Beschäftigung) zugeschrieben wird. Zum anderen die zunehmend in die auch politische Aufmerksamkeit tretende Frage der (dauerhaften) Ausgrenzungsgefährdung bestimmter Personengruppen. Studien beweisen, dass es zumeist die weichen, nicht objektivierbaren, oft auch nicht benennbaren Faktoren sind (z.B. Motivation, Auftreten, Leistungsbereitschaft, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Problemlösungskompetenzen), die in Personalentscheidungsprozessen letztlich den Ausschlag geben und für bestimmte Personengruppen zu schier unüberwindbaren Integrationshindernissen werden können. Dieses beobachtbare Auseinanderklaffen von Messbarem (z.B. Beschäftigungsantritte) und ganz offensichtlich sich der Messbarkeit entziehender Wirklichkeit beschäftigt meine Kolleginnen der Prospect Unternehmensberatung und mich seit vielen Jahren. Besonders auch deshalb, weil die Nichtmessbarkeit im gegenwärtigen politischen Umfeld für Trägerorganisationen und AnbieterInnen von Beschäftigungsmaßnahmen und Interventi-
10
Trude Hausegger
onen immer mehr zum Problem wird. Ein an einer der eingangs erwähnten Besprechungen teilnehmender Ministerialbeamter formulierte treffend: „Ja, wir sind gewohnt, uns nur auf das objektiv Feststellbare, auf hard facts zu verlassen, merken aber immer stärker, was wir dadurch alles nicht verstehen und wo wir an Grenzen stoßen. Aber uns fehlen die Alternativen zu diesen hard facts. Den ‚weichen‘ Informationen, die immer irgendwie auch subjektiv gefärbt sind, vertrauen wir mit unseren positiven Erfahrungen mit einer an objektiv messbaren Zahlen, Daten, Fakten orientierten Arbeitsmarktpolitik einfach nicht.“ In unseren einschlägigen Evaluationen kamen meine Kolleginnen und ich zu einem ähnlichen Schluss und vertreten nunmehr die Position, dass Effekte arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen letztlich nur dann messbar sind, wenn eine verlässliche Beschreibung der Ausgangssituation der TeilnehmerInnen dieser Maßnahmen vorliegt: Nur wenn das zu lösende Problem möglichst genau definiert ist, kann überprüft werden, ob die angewandte Therapie überhaupt angemessen ist und ob sie zum Erfolg führte. Ist das Kernproblem der Person ihre Arbeitslosigkeit, so ist folglich die Vermittlungsunterstützung zentral und „eine geeignete Therapie“. Ob diese wirkt, ist daran erkenn- und „messbar“, ob die Person wieder beschäftigt wird oder nicht. In diesen Fällen bedarf es keiner ausführlicheren arbeitsmarktbezogenen Diagnose, die tiefer liegende Ursachen und Folgen von Arbeitslosigkeit einbezieht. Ganz anders gestaltet sich die Situation, wenn die bestehende und messbare Arbeitslosigkeit Ursache und/oder Auswirkung anderer Problematiken ist. In diesen Fällen ist eine ausführliche und auswertbar dokumentierte arbeitsmarktbezogene Diagnostik notwendig, um darauf aufbauend die Angemessenheit und Wirksamkeit der Maßnahme bewerten zu können. Diese Auseinandersetzung mit den hinter oder neben einer bestehenden Arbeitslosigkeit liegenden Ressourcen und Problemlagen von arbeitslosen Menschen zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Band. Die Kernaussage des ersten Beitrages lautet, dass die unterschiedlichen Startbedingungen der in sich sehr heterogenen Zielgruppe einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik nicht nur in der Gestaltung der Angebote, sondern auch in der Wirkungsmessung gezielter als bisher berücksichtigt werden müssen. Begründet wird diese Aussage damit, dass ein Nichtberücksichtigen dieser Unterschiede im Wettbewerb unterschiedlicher Maßnahmen und Maßnahmenanbieterorganisationen einem Anreiz zur bevorzugten Betreuung von Menschen mit niedrigeren Integrationsbarrieren gleichkommt. Die Autorin plädiert im Abschluss
Vorwort
11
für „arbeitsmarktbezogene Diagnosen“, die im Dialog mit den Betroffenen umgesetzt und statistisch auswertbar dokumentiert werden. Eine verstärkte „arbeitsmarktbezogene Diagnostik“ könnte auch die Problemwahrnehmungen und Interventionsgestaltungen verobjektivieren und zur Professionalisierung dieses Feldes beitragen. Im zweiten Beitrag wird das integrachart®, ein von der Prospect Unternehmensberatung entwickeltes Instrument der arbeitsmarktbezogenen Diagnostik, vorgestellt. Mithilfe dieses Instrumentes gelingt es – dies zeigen unsere bisherigen Umsetzungserfahrungen – nicht nur, Einblick in die unmittelbar arbeitsmarktintegrationsrelevanten Ausgangslagen der TeilnehmerInnen von Arbeitsmarktmaßnahmen zu erhalten. Durch die statistisch auswertbare Dokumentation dieser Ausgangslagen sowie entsprechender Interventionen und Interventionsergebnisse werden die UmsetzerInnen von Arbeitsmarktmaßnahmen auch in der Weiterentwicklung ihrer Instrumente und Vorgangsweisen unterstützt. Die Übersetzung der Diagnoseergebnisse in einen grafisch aufbereiteten Integrationsplan fördert darüber hinaus die unmittelbare Arbeit mit den arbeitslosen Menschen: Er ist dialogisch angelegt und dient der Herstellung einer gemeinsamen Sichtweise über die Ausgangslage. Thema des dritten Beitrages ist die Wirkungsmessung auf Basis derartiger Diagnosen. Im Speziellen wird exemplarisch gezeigt, welche Auswertungen dadurch möglich werden und welche Aussagequalitäten zu erwarten sind. Zudem wird der Frage nachgegangen, welche Konsequenzen eine durchgängig differenzierende Wirkungsmessung auf den Wettbewerb unterschiedlicher arbeitsmarktbezogener Angebote und AnbieterInnen haben könnte. Dieser Beitrag scheint uns auch deshalb von besonderer Bedeutung zu sein, weil wir zunehmend beobachten, dass sich in sozialen und arbeitsmarktbezogenen Dienstleistungen vorwiegend ÖkonomInnen mit Fragen der Wirkungsorientierung auseinandersetzen. Wiewohl wir – auch – ökonomisch orientierten Auseinandersetzungen mit diesen Bereichen sehr viel an Potenzial zuerkennen, meinen wir, dass diese unbedingt durch pädagogische, soziologische, sozialarbeiterische etc. Fachlichkeit ergänzt werden müssen. Nicht ein Gegeneinander der Fachdisziplinen, sondern ein Miteinander auf Augenhöhe lassen erwarten, dass die Herausforderungen, denen wir uns aktuell gegenübersehen, konstruktiv gelöst werden können. Auf diesen Umstand geht unter anderem auch Peter Pantuček in diesem Band ein. Der vierte Beitrag bezieht sich auf das Konzept der Selbstwirksamkeit. Dieses Konzept, das tiefer liegende Ebenen von Arbeitsfähigkeit und Beruflichkeit
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Trude Hausegger
tangiert, vermag weitere Ansatzpunkte für die Auseinandersetzung mit der Fragestellung zu liefern, warum die gleiche Maßnahme bei zwei Menschen vergleichbarer „messbarer“ Ausgangslage in den beschriebenen auch „weicheren“ Bereichen sehr verschiedene Effekte haben kann. Die Autorin plädiert für intensivierte kritische Forschungsarbeiten in diesem Themenfeld, die weitere Impulse für gezielte Hilfestellungen bieten könnten. An diesen letzten Beitrag einer Mitarbeiterin der Prospect Unternehmensberatung schließen drei Aufsätze von ExpertInnen an, die uns in der Entwicklungsarbeit begleiteten: zum einen der Artikel von Martina Kainz, einer Mitarbeiterin des AMS Wien, die in ihrem Beitrag auf das Thema der sozialen Diagnostik im Kontext des österreichischen Arbeitsmarktservice eingeht. Dabei beschreibt sie die Notwendigkeiten, aber auch die Grenzen einer ausdifferenzierten Diagnostik innerhalb der Organisation AMS. Peter Pantuček, der mit seinem Inklusions-Chart 2 (IC2) den zentralen Ansatzpunkt und auch eine wesentliche Orientierung für unsere Entwicklungsarbeiten lieferte, geht in seinem Beitrag auf die Bedeutung von Erwerbsarbeit für gesellschaftliche Inklusion ein. Er skizziert Vorbehalte der Sozialarbeit gegenüber einer unkritischen Anpassung von Menschen an die Anforderungen des Arbeitsmarkts und betont gleichsam die Notwendigkeit einer durchdachten und aktiven Kooperation von Sozialarbeit und Arbeitsmarktpolitik. Geschlossen wird der Bogen von Anselm Eder, der einem Kommentator gleich auf die gesamtgesellschaftliche Bedeutung eines inklusiven Arbeitsmarktes eingeht. Er betont damit abschließend die Notwendigkeit einer gezielten Unterstützung von Menschen, um am Arbeitsmarkt in einer adäquaten Form teilhaben zu können. Ziel dieses Bandes war es, die besondere Bedeutung einer arbeitsmarktbezogenen Diagnostik und einer darauf aufbauenden Wirkungsmessung herauszuarbeiten – dies vor allem mit Blick auf die Verhinderung einer weiteren Marginalisierung von Menschen, die ausgrenzungsgefährdet sind. Mit dem integrachart® möchten wir Verantwortlichen für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen (MitarbeiterInnen der öffentlichen Arbeitsverwaltungen genauso wie MitarbeiterInnen von Organisationen, die Beschäftigungs-, Schulungs- und Beratungsangebote umsetzen) ein erprobtes Diagnoseinstrument vorstellen, das in der Begleitung der Menschen wie in der Evaluation hilfreich ist.
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik. Hintergründe, Herausforderungen, Ziele Trude Hausegger
1.
Aktivierende Arbeitsmarktpolitik
1.1. Das österreichische Modell der Bedarfsorientierten Mindestsicherung Unter dem Stichwort „aktivierende Arbeitsmarktpolitik“ werden seit den 1990er-Jahren europaweit eine Reihe von Initiativen und Reformanstrengungen gesetzt, um „arbeitsmarktferne Menschen“ – es sind das Menschen, die bereits sehr lange (ein Jahr oder länger) ohne Beschäftigung sind1 – wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Auch wenn sich in der konkreten Auslegung, Ausgestaltung und Umsetzung dieser „Aktivierung“ und „Aktivierungsmaßnahmen/-programme“ deutliche Unterschiede zeigen (beispielsweise in Großbritannien, Dänemark, Schweden und den Niederlanden), ist allen europäischen Maßnahmen das Bestreben gemeinsam, den arbeitsmarktfernen Menschen ein von Transferzahlungen unabhängiges Leben zu ermöglichen, indem ihre Kompetenzen erhöht werden und sie verstärkt Zugang zu Ausbildung und Beschäftigung gewinnen. (Vgl. Fromm/Sproß 2008, S. 2) Um diese Zielsetzung zu erreichen, werden fördernde und fordernde Aspekte verbunden, d.h., „[d]ie Gewährung von Sozialleistungen wird systematisch an Aktivitäten der Leistungsbezieher als ‚Gegenleistung‘ geknüpft“ (ebd.). In Deutschland wurde die aktivierende Arbeitsmarktpolitik durch eine Zusam-
1 ������������������������������������������������������������������������������������������ Der Begriff „arbeitsmarktfern“ wird in Österreich laut Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) wie folgt definiert: Personen, die in den letzten 12 Monaten weniger als 62 Tage in Beschäftigung verbrachten und zumindest vier Monate arbeitslos vorgemerkt sind (siehe BMASK o.J.).
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Trude Hausegger
menlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe realisiert. Diese 2005 umgesetzte fundamentale Reform der deutschen Sozialpolitik (siehe SGB II 2005) umfasste auch eine Reihe von Maßnahmen im Nachfragebereich des Arbeitsmarktes (Stichworte „Ein-Euro-Jobs“, „Arbeitsgelegenheiten“) und führte zu einer Verschlechterung der Situation der früheren BezieherInnen der Arbeitslosenhilfe. Die Parallelität von aktivierender Arbeitsmarktpolitik und Flexibilisierungsanstrengungen auf Seite der Nachfrage wird in der deutschen Arbeitsmarktforschung seither vielfach kritisch diskutiert (siehe dazu u.a. Struck et al. 2010; Kronauer 2010). In Österreich verzichtete man darauf, die „Notstandshilfe“ – ein Pendant zur früheren deutschen Arbeitslosenhilfe – mit der vormaligen Sozialhilfe zu verbinden. Man entschied sich vielmehr für ein Beibehalten der bestehenden Notstandshilfe und für die Einführung der „Bedarfsorientierten Mindestsicherung“ (BMS). Die damit einhergehenden Veränderungen betreffen in Österreich daher nur ehemalige SozialhilfeempfängerInnen und sind damit entsprechend geringer. An der Notstandshilfe veränderte sich durch die Umsetzung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nichts. Vielmehr konnte in der Konzeption der neuen Leistung der BMS auch auf die Erfahrungen, die mit der Notstandshilfe und deren BezieherInnen vorlagen, aufgebaut werden. Als Leistung ist die Notstandshilfe „zwischen“ dem Arbeitslosengeld und der Sozialhilfe angesiedelt. Sie kann nach Ausschöpfung des Arbeitslosengeldanspruches prinzipiell unbegrenzt bezogen werden, sofern der/die Betroffene „dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht“, also arbeitslos, arbeitswillig2 und arbeitsfähig ist, und eine „Notlage“ vorliegt. Wird – so die etwas vereinfachte Darstellung dieser Leistung – einer dieser Grundsätze nicht eingehalten, verdient z.B. der/die PartnerIn mehr als die Zuverdienstgrenzen es vorgeben, so besteht kein (weiterer) Anspruch respektive ein reduzierter. Notstandshilfe kann als „Zwitterleistung“ bezeichnet werden. Einerseits funktioniert sie nach dem Versicherungsprinzip – nur wenn der Schadensfall (= Arbeitslosigkeit) und auch eine Anwartschaft nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) gegeben sind, besteht ein Anspruch. Andererseits sind der Notstandshilfe Elemente einer Sozialleistung durch die Einbeziehung des
2 Wie im Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) festgehalten, geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine Arbeitsaufnahme nur unter aktiver Mitwirkung der Betroffenen funktionieren kann – dies drückt sich darin aus, dass Notstandshilfe nur dann beansprucht werden kann, wenn die Betroffenen ihre Arbeitswilligkeit unter Beweis stellen (siehe AlVG o.J.).
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik
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Haushaltseinkommens in die Leistungsberechnung gemein. Anders als im Falle des Arbeitslosengeldes wird also Notstandshilfe nur dann gewährt, wenn das Einkommen der im gleichen Haushalt lebenden Personen, die gegenüber der Notstandshilfe beantragenden Person unterhaltspflichtig sind, bestimmte Grenzen nicht übersteigt, oder andersherum gesagt, wenn die im gemeinsamen Haushalt lebenden Menschen aufgrund ihres monatlich verfügbaren Einkommens auf diese Transferzahlung angewiesen sind. Ein zweiter Hinweis darauf, dass es sich bei der Notstandshilfe (auch) um eine Sozialleistung handelt, ist die Tatsache, dass sie bei Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen grundsätzlich ohne zeitliche Befristung bezogen werden kann. BezieherInnen von Notstandshilfe werden in Österreich vom Arbeitsmarktservice in gleicher Weise betreut wie Menschen, die Arbeitslosengeld erhalten. Für langzeitarbeitslose Menschen, das sind in der Regel Menschen, die Notstandshilfe bekommen, werden spezifische Programme aufgelegt, um auch den psychischen und sozialen Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit gezielt entgegenzuwirken. Vielleicht könnte die Notstandshilfe sogar als Vorreiterin für eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik betrachtet werden, verbindet sie doch Fördern und Fordern, Versicherungsschutz und Sozialleistung. Anders sind die Ausgangsbedingungen für BezieherInnen der österreichischen Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS). Diese Leistung, die es seit September 2010 gibt, steht ganz eindeutig im Kontext der europaweit geführten Diskussion zur aktivierenden Arbeitsmarktpolitik. Die dieser Leistung vorangegangene Sozialhilfe war im Gegensatz zur Notstandshilfe eine eindeutige Sozialleistung für bedürftige Menschen. Zuständig für die Administration der Sozialhilfe waren und sind die österreichischen Bundesländer, entsprechend bundeslandspezifisch ausformuliert war diese Leistung auch. Wiewohl arbeitsfähige SozialhilfebezieherInnen bereits nach den Bestimmungen der – mittlerweile adaptierten – neun Sozialhilfegesetze dazu angehalten waren, sich bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice arbeitslos zu melden, erfolgte dies nur lücken- und bruchstückhaft.3 Mit der Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung kam es für die vormaligen BezieherInnen von Sozialhilfe zu einigen Änderungen. Einerseits wurden sie wie die BezieherInnen von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe 3 Es zeigte sich, dass diese Personengruppe – zumindest in größeren Städten – oft nicht kontinuierlich arbeitslos vorgemerkt war (siehe Riesenfelder/Krenn/Schelepa 2010).
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Trude Hausegger
gleichberechtigt in das Krankenversicherungssystem integriert und die Bescheide anders als die bisherigen Zuerkennungen von Sozialhilfe beeinspruchbar. Andererseits wurden und werden die Betroffenen nunmehr viel stärker „in die Pflicht genommen“ und müssen sich unter Androhung finanzieller Kürzungen in gleicher Weise wie Notstandshilfe- oder ArbeitslosengeldbezieherInnen aktiv an den Reintegrationsbemühungen beteiligen und zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten annehmen. Um dies zu können, erhalten die BMS‑BezieherInnen den gleichen Zugang zu den Maßnahmenangeboten des AMS wie arbeitslose Menschen und sehen sich auch institutionell stärker an das Arbeitsmarktservice angebunden, indem durch einen systematischen Datenabgleich bei arbeitsfähigen BezieherInnen von BMS-Vollleistungen durchgängig eine gleichzeitige Vormerkung beim Sozialamt und bei der jeweiligen regionalen Geschäftsstelle des AMS gegeben sein muss. Durch die Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Österreich 2010 und mit der Einführung der Grundsicherung 2005 in Deutschland sind frühere SozialhilfeempfängerInnen nunmehr auch in Österreich und Deutschland dezidierte Zielgruppen der Arbeitsmarktpolitik. In der Schweiz spricht man weniger von aktivierender Arbeitsmarkt- als vielmehr von aktivierender Sozialpolitik. Dies ist vor dem Hintergrund, dass es in der Schweiz kein Pendant zur deutschen Arbeitslosen- und zur österreichischen Notstandshilfe gab und gibt, zu sehen. Vielmehr bestand und besteht in der Schweiz ein im Vergleich zu Österreich und Deutschland wesentlich längerer Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ist dieser – nach rund zwei Jahren – verbraucht, wechseln die Betroffenen in die Betreuung und Existenzsicherung durch die Kommunen. Ab diesem Zeitpunkt sind die Betroffenen Zielgruppe der Sozial- und nicht mehr der Arbeitsmarktpolitik. Die Schwerpunkte, die in der Schweiz in den letzten 15 Jahren in diesem Bereich gesetzt wurden, sind über weite Strecken ungeachtet dessen mit jenen der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik vergleichbar: „Diese ‚aktivierende Sozialpolitik‘ fokussiert, vergleichbar der Entwicklung in anderen westlichen Staaten, stark das Individuum und dessen ‚Problem‘, über keine existenzsichernde Erwerbsarbeit zu verfügen. Von den Betroffenen werden folgerichtig Anstrengungen zum (Wieder‑)Eintritt in den Arbeitsmarkt verlangt, wobei diese Anstrengungen von den sozialen Sicherungssystemen unterstützt, aber auch sanktioniert werden, eine Entwicklung, die mit Blick sowohl auf die Ausgestaltung wie auf die Wirksamkeit durchaus auch kritisch bewertet wird […]“ (Wüthrich 2011, S. 127).
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik
1.1.1.
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Europa 2020-Strategie gegen Armut und Exklusion
Verstärkt werden diese Reformanstrengungen im deutschsprachigen Raum durch die „Europa 2020-Strategie“4, zu deren zentralen Zielsetzungen die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zählen. Erstmals wurde in diesem Zusammenhang von der Europäischen Kommission auch ein quantitatives Inklusionsziel festgesetzt. So soll die Zahl der armutsgefährdeten Personen in Europa bis 2020 um 20 Millionen sinken (siehe Europäische Kommission 2010). Dieses Inklusionsziel strebt die systematische Verringerung des Kreises von ausgrenzungsgefährdeten Haushalten (und den in ihnen lebenden Kindern, Jugendlichen, Frauen und Männern) an. Als ausgrenzungsgefährdet gelten Haushalte, wenn (auch nur) einer der folgenden Umstände vorliegt: -- Einkommensarmut des Haushaltes (bedarfsgewichtetes Einkommen erreicht höchstens 60% des Medians aller Haushaltseinkommen), -- materielle Deprivation (ausgewählte Liste an materiellen Einschränkungen), -- unzureichende Arbeitsmarktbeteiligung (von erwachsenen Haushaltsmitgliedern, die im Prinzip beteiligungsfähig sind). Dieses Inklusionsziel stellt damit einen expliziten Zusammenhang zwischen den klassischen Zielen aktiver Arbeitsmarktpolitik (der möglichst raschen Wiederaufnahme einer vollversicherungspflichtigen Beschäftigung) und der Abwehr von Verarmungsrisiken her. Im Folgenden werden die Zielgruppen aktivierender Arbeitsmarktpolitik in Österreich am Beispiel arbeitsfähiger BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung, die an einem vermittlungsorientierten Case Management teilnehmen, etwas genauer beschrieben. Differenziert wird dabei zwischen erwachsenen und jugendlichen TeilnehmerInnen. 1.2. Erwachsene BezieherInnen von Bedarfsorientierter Mindestsicherung Was zeichnet die „neuen“ Zielgruppen der Arbeitsmarktpolitik aus, die in Österreich mit aktivierenden Maßnahmen erreicht werden sollen, und worin unterscheiden sie sich von den bisherigen Zielgruppen, allen voran von den BezieherInnen der Notstandshilfe? Die bestehenden Messmethoden und die vorhandene Datengrundlage hel4 ������������������������������������������������������������������������������������������� Im Originalwortlaut: „Europa 2020. Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ (siehe Europäische Kommission 2010).
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Trude Hausegger
fen nur bedingt bei der Beantwortung dieser Fragen. Die BMS ist eine subsidiäre Leistung, das bedeutet, dass sie in voller Höhe nur dann gewährt wird, wenn weder ein anderes Erwerbs- oder Transfereinkommen (wie etwa Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe) noch andere Optionen gegeben sind (siehe BMASK 2011). Dementsprechend gilt für BezieherInnen der BMS‑Vollleistung, dass die Zeiten, die sie in vollversicherungspflichtiger unselbständiger Beschäftigung verbrachten, für eine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe nach dem Arbeitslosengesetz nicht ausreichten. Für die Beschreibung der arbeitsmarktrelevanten Ausgangssituation dieser Personen bedeutet dies, dass der Personenkreis der BMS-VollleistungsbezieherInnen noch über keine bzw. über eine sehr lange zurückliegende Arbeitsmarktintegrationserfahrung verfügt – zumindest in Österreich. BMS-Teilleistungen werden zuerkannt, wenn die Person Erwerbs- oder Transfereinkommen bezieht, die unter den für die Zuerkennung von Bedarfsorientierter Mindestsicherung definierten Einkommensgrenzen liegen, und auch die anderen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. Von TeilleistungsbezieherInnen ist folglich bekannt, dass sie einem Erwerb nachgehen bzw. Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen, diese Einkommen aber unter den relevanten Einkommensgrenzen liegen. Sofern diese TeilleistungsbezieherInnen arbeitslos sind, d.h., bei der jeweiligen Arbeitsmarktservicestelle vorgemerkt sind, können für diese Personengruppe alle Auswertungen ihrer Ausgangssituationen vorgenommen werden, die auch für andere beim Arbeitsmarktservice vorgemerkte Menschen möglich sind. Die Gruppe der BMS-TeilleistungsbezieherInnen ließe sich damit ab dem Zeitpunkt ihrer Vormerkung beim Arbeitsmarktservice entlang der sozialstatistischen Merkmale Alter, Geschlecht, Wohnort, Nationalität und eventuell Grad der Behinderung, Ausbildungsniveau etc. beschreiben und vergleichen. Worin nun aber die besonderen Integrationshemmnisse von BMS- und SozialhilfebezieherInnen liegen, ob diese Barrieren sich ausschließlich auf die nicht gegebene Arbeitsmarktintegration zurückführen lassen oder ob eigentlich andere problematische Lebensbereiche ursächlich für ihre marginale Position sind, ist anhand der vorhandenen Daten nicht eruierbar. Gleiches gilt grundsätzlich für die Zielgruppe langzeitarbeitsloser Menschen, den BezieherInnen von Notstandshilfe – auch hier ist ein Nachvollziehen der realen Hintergründe für deren schwierige Arbeitsmarktpositionierung nur sehr begrenzt möglich. Besonders deutlich wird die Begrenztheit des Wissens um die realen Integrati-
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onshemmnisse in Evaluationen von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. So weisen Studien aus, dass – je nach Angebot – ein unterschiedlich hoher Prozentsatz an TeilnehmerInnen eine (nachhaltige) Integration in den Arbeitsmarkt erfahren konnte. Kontrollgruppendesigns lassen – so es gelingt, vergleichbare Personengruppen zu finden, die keine Intervention erfuhren – Aussagen über Interventionswirkungen zu (siehe dazu u.a. Koch et al. 2010; Gregoritsch et al. 2007). Denn wenn von Wirkungen die Rede ist, so geht es um Effekte, die tatsächlich auf eine Intervention zurückzuführen sind. Die Ermittlung von derartigen Effekten ist bei arbeitsmarktpolitischen Interventionen oft sehr schwierig. Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht: Arbeitslose Menschen suchen in der Regel auch vor und parallel zur Teilnahme an Angeboten der Arbeitsverwaltung nach passenden Arbeitsstellen. Nimmt eine arbeitslose Person an einer einschlägigen Maßnahme teil und findet während dieser Teilnahme beispielsweise über private Kontakte eine geeignete Arbeitsstelle, die sie in der Folge auch antritt, so beendet diese Person die Maßnahme erfolgreich mit einer Arbeitsaufnahme. Nachdem diese Arbeitsaufnahme auch ohne die Maßnahmenteilnahme erfolgt wäre, ist sie weder Maßnahmenergebnis noch – so die Beschäftigung länger aufrechterhalten wird – Maßnahmenwirkung. Nachdem derartige Situationen im arbeitsmarktpolitischen Alltag sehr häufig zu beobachten sind, eine verlässliche Untersuchung derselben einen sehr hohen Aufwand bedeuten würde, werden üblicherweise sogenannte „Kontrollgruppen“ gebildet. Diese Kontrollgruppen entsprechen entlang maßgeblicher Merkmale wie etwa Alter, Geschlecht, Qualifikationsniveau, Dauer der Arbeitslosigkeit etc. der Untersuchungsgruppe (sprich der Gruppe der MaßnahmenteilnehmerInnen). Wesentlicher Unterschied zwischen Untersuchungs- und Kontrollgruppe ist, dass erste eine spezifische Maßnahme besuchte und zweite keine Maßnahme besuchte. Bei beiden Gruppen wird in der Folge beispielsweise der Anteil der Personen gemessen, der sich in Beschäftigung befindet. Die Differenz zwischen den beiden Gruppen ist die Maßnahmenwirkung, weil erst dieses „Nettoergebnis“ tatsächlich auf den Maßnahmenbesuch zurückzuführen ist. Kontrollgruppendesigns sind also letztlich die einzige Möglichkeit, Aussagen über Maßnahmenwirkungen zu tätigen. Jedoch sind auch der Umsetzung derartiger Analysen Grenzen gesetzt. Diese sind einerseits darin begründet, dass Adminis trativdaten, die in der Regel die Basis für die Ziehung von Kontrollgruppen bilden, immer nur begrenzte Einflussfaktoren abbilden und abbilden können, ist doch gesetzlich sehr streng geregelt, welche Daten und Informationen die öffentliche Arbeitsverwaltung überhaupt speichern darf. Diese Ebene verliert mit zunehmen-
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der Samplegröße an Einfluss und wird in den folgenden Ausführungen ohnehin skizziert. Die zweite Problematik besteht darin, dass in den meisten europäischen Ländern eine hohe Aufmerksamkeit auf Personengruppen gegeben ist, die von langer Arbeitslosigkeit betroffen oder bedroht sind. Diese hohe Aufmerksamkeit manifestiert sich u.a. auch in einer Reihe von Unterstützungsangeboten für diese Zielgruppen. Je mehr und je früher Betroffene in Maßnahmen einbezogen werden, desto geringer ist der Pool an „Betroffenen“, die für die Bildung einer Kontrollgruppe herangezogen werden können. Dies ist insofern von Bedeutung, als die Grundannahme in einem Kontrollgruppendesign darin besteht, dass die Kontrollgruppe jenen Zustand der Zielgruppe abbildet, der OHNE Intervention zu erwarten ist. Man weiß bei kontrollgruppenbasierten Untersuchungen also, ob die messbaren Ergebnisse tatsächlich auf die Maßnahme zurückzuführen sind oder ob davon auszugehen ist, dass ähnliche Ergebnisse auch ohne diese Maßnahme beobachtbar wären. Man weiß, welche Arbeitsmarktintegrationsergebnisse bei Frauen, welche bei Männern, welche bei jüngeren und welche bei älteren TeilnehmerInnen erzielt wurden. Ob jedoch unter der Gruppe der jüngeren TeilnehmerInnen in erster Linie oder überhaupt ausschließlich jene erfolgreich waren, die ohnehin eine gute Ausgangsbasis hatten, oder ob auch junge TeilnehmerInnen mit eher schwierigeren Rahmenbedingungen erfolgreich unterstützt wurden, ist auf Grundlage bestehender Daten in der Regel nicht beantwortbar. Dies ist, wie die folgenden Ausführungen zeigen, insbesondere auch mit Blick auf standardisierte Prozesse der Wirkungsmessung problematisch.
1.2.1.
Heterogenität der Zielgruppe
Betrachtet man die Ausgangssituation der Betroffenen, eröffnet sich ein vielfältiges Bild. So finden sich unter den Zielgruppenpersonen aktivierender Arbeitsmarktpolitik jüngere ebenso wie ältere Menschen, Personen mit bereits sehr verfestigten Sozialhilfekarrieren ebenso wie Personen mit zwar wiederkehrenden, aber von nur kurzen Bezugszeiträumen charakterisierten Verläufen. Eine 2010 publizierte Studie zum „Erwerbspotenzial von SozialhilfebezieherInnen in Wien“ (siehe Riesenfelder/Krenn/Schelepa 2010) zeigt, dass 25% der Sozialhilfeepisoden maximal drei Monate, 32% mehr als 12 Monate dauern. Weiters wird evident, dass die Sozialhilfebezugsverläufe sehr breit streuen und von einmaligen über wiederholte Kurzzeitinanspruchnahmen bis hin zu langen durchgängigen Episoden reichen. (Vgl. ebd., S. 13f.)
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Das Nachvollziehen dieser „Karrieren“ ist aus datentechnischen Gründen sehr aufwändig und wird daher nur bei explizit auf derartige Fragestellungen fokussierten Forschungsaufträgen realisiert. Das Sozialhilfebezugsverhalten ist dabei als Symptom zu verstehen. Versucht man die diese Symptomatik bedingenden Zusammenhänge zu erfassen, so eröffnen sich individuelle Kontexte, die jeweils für sich nachvollziehbar und besonders sind, in Summe aber doch wieder Muster erkennen lassen. Qualitative Analysen ermöglichen Einblicke in die Sozialhilfebezugsverläufe, stärker quantifizierende Analysen zeigen Bündelungen von Ressourcen und Problemlagen. Um diese Bündelungen auszuloten, bedarf es gezielter Erhebungen zu Beginn der Betreuung. Auf derartige Erhebungsergebnisse wird in der nun folgenden Beschreibung der Ressourcen und Problemlagen von BMS-BezieherInnen zurückgegriffen. Basis sind Dokumentationen der Anamnesen von insgesamt 3.625 vermittlungsorientierten Case Managementprozessen. Zielgruppe dieser Case Management angebote waren BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Österreich, die zum Erhebungszeitpunkt älter als 21 Jahre waren (siehe Hauseggeret al. 2012; Hausegger/Reidl 2012)5. Die Dokumentationen und damit die Einstufungen in den einzelnen Dimensionen wurden von den Case ManagerInnen in Abstimmung mit den Betroffenen vorgenommen. Basis hiervon war das statistisch auswertbare integrachart®6.
5 ���������������������������������������������������������������������������������� In den folgenden Passagen wird auf Evaluationsstudien zurückgegriffen, die die Umsetzung von Pilotprojekten zur Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien und in der Steiermark sowie den in Wien auf die Pilotumsetzung folgenden Roll Out eines vermittlungsorientierten Case Management-Ansatzes für BezieherInnen von Bedarfsorientierter Mindestsicherung beschreiben und diskutieren (siehe Hausegger/Reidl 2012; Hausegger et al. 2012; Reiter et al. 2012). Schließlich wird auf Ergebnisse einer Befragung von 500 arbeitslosen KundInnen des AMS Wien zum Themenfeld Arbeitsmarktintegrationsbarrieren rekurriert (siehe Hausegger/Hager 2009). In den Begleitforschungen wurde als Erhebungsinstrument das an späterer Stelle vorgestellte integrachart® eingesetzt. In der Untersuchung der Arbeitsmarktintegrationsbarrieren wurde das Methodenset zur Analyse von Employability von Apel und Fertig (2009) herangezogen und ein adaptierter Fragebogen entwickelt. 6 Das integrachart®, das auch die Basis für den gemeinsam mit den KundInnen zu erstellenden Integrationsplan ist, wird im nächsten Beitrag vorgestellt und diskutiert.
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Die 3.625 Personen wurden im Rahmen von zehn unterschiedlichen Maßnahmen betreut, die sich an erwachsene BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung wandten. Nur eine der Maßnahmen wurde in einer kleinstädtischen Region, alle anderen wurden in Wien umgesetzt. Die Verteilung von Männern und Frauen und die Altersstruktur der TeilnehmerInnen unterschieden sich nur geringfügig, ebenso deren Ausbildungsstruktur. Ähnlich hoch war bei neun der zehn Projekte auch der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund an allen TeilnehmerInnen – bei der zehnten Maßnahme lag dieser Anteil signifikant über dem Durchschnittswert.7 Trotz dieser grundsätzlich vergleichbaren Ausgangsbedingungen in sozialstatistischen Dimensionen wurden in den Anamnesen folgende Unterschiede evident: -- Je nach Maßnahme sind nach Beurteilung der Case ManagerInnen zwischen 60% und 90% der TeilnehmerInnen ohne vorbereitende Schulungsmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar.8 Die Mehrheit der TeilnehmerInnen der Projekte benötigt jedenfalls Auffrischungsmaßnahmen für vorhandene Kompetenzen (durchschnittlich 28% der TeilnehmerInnen aller zehn Projekte), Umschulungen (durchschnittlich 13% der TeilnehmerInnen), berufliche Erstausbildungen (durchschnittlich 19% der TeilnehmerInnen) oder überhaupt Basisschulungen (durchschnittlich 6%). -- Gesundheitliche Einschränkungen müssen aus Beobachtung der Case ManagerInnen je nach Maßnahme bei 28% bis 42% der TeilnehmerInnen berücksichtigt werden. Diese Einschränkungen beziehen sich zum einen darauf, 7 Der Frauenanteil bewegte sich zwischen 35% und 51%, bei sieben von zehn Maßnahmen zwischen 40% und 46%. Der Anteil der TeilnehmerInnen, die nach eigenen Angaben zum Erhebungszeitpunkt maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügten, lag zwischen 35% und 66%, wobei sich dieser Anteil bei acht von zehn Projekten zwischen 47% und 55% bewegte. Der Anteil der TeilnehmerInnen, die zum Erhebungszeitpunkt 45 Jahre alt oder älter waren, lag zwischen 26% und 33%. Bei neun von zehn Trägern bewegte sich der Anteil der TeilnehmerInnen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch zwischen 51% und 54%. Beim zehnten Träger lag dieser bei 74% und war damit überdurchschnittlich hoch. 8 Die Fragestellung und die angebotenen Antwortmöglichkeiten lauteten wie folgt: Vor dem Hintergrund der zugänglichen Stellen besteht (1) kein Schulungsbedarf, (2) Aktualisierungsbedarf der beruflichen Kompetenzen, (3) Umschulungsbedarf, (4) Bedarf an beruflicher Erstausbildung, (5) Basisqualifizierungsbedarf (HS-Abschluss, Alphabetisierung etc.).
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dass bestimmte Tätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen nicht ausgeübt werden können (zwischen 14% und 24% der TeilnehmerInnen), zum anderen geht es um Einschränkungen, die eine berufliche Tätigkeit im Ausmaß eines Vollzeitdienstverhältnisses nicht zulassen (zwischen 5% und 13% der TeilnehmerInnen). Schließlich finden sich unter den TeilnehmerInnen auch Personen, bei denen die Case ManagerInnen eine Abklärung der Arbeitsfähigkeit durch die Pensionsversicherungsanstalt anregen (zwischen 4% und 12% der TeilnehmerInnen). -- Rund 15% der TeilnehmerInnen können aufgrund von Betreuungs- und/ oder Pflegeaufgaben keine Vollzeitstelle antreten. Diese Vermittlungseinschränkung ist, wie nicht anders zu erwarten, ein weibliches Themenfeld. Zwischen 12% und 45% der Teilnehmerinnen der hier besprochenen zehn Projekte sind von dieser Problemlage betroffen. -- Mit einer unzureichenden Wohnsituation (Mietschulden, inadäquate Wohnsituation oder überhaupt Wohnungslosigkeit) müssen sich zwischen 6% und 21% der TeilnehmerInnen der zehn Projekte auseinandersetzen. -- Schließlich lassen zwischen 5% und 20% der TeilnehmerInnen eine unübersichtliche finanzielle Situation erkennen, die einer Lösung bedarf. Diese Liste ließe sich erweitern – auch die vorhandene berufliche Praxis, die mündliche und schriftliche Artikulationsfähigkeit und das Ausmaß der Unterstützung der Arbeitssuche durch private Netzwerke streuen deutlich.9 Bei diesen Beschreibungen, denen Einstufungen durch die Case ManagerInnen zugrunde liegen, ist davon auszugehen, dass bei manchen Dimensionen die gleiche Ausgangssituation von den Case ManagerInnen unterschiedlich bewertet wird. Dies dürfte etwa bei der Feststellung eines Aktualisierungsbedarfes bei vermittlungsrelevanten Qualifikationen der Fall sein. Deutlich weniger subjektiv gefärbt sollte demgegenüber beispielsweise die Beurteilung von Basisqualifizierungsbedarfen sein. Es ist objektiv feststellbar, ob die 8. Schulstufe positiv abgeschlossen wurde oder nicht. Gleiches gilt für die Bewertung von Kinderbetreuungs- und Pflegeaufgaben und die Zugänglichkeit von Betreuungsangeboten.10
9 Die im integrachart® erfassten Dimensionen werden im folgenden Beitrag genau beschrieben. 10 Grundsätzlich ist an dieser Stelle anzumerken, dass in diesen Dokumentationen Einstu-
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Verdichtet man diese Einzelinformationen und fasst häufig vorkommende Kombinationen von Ressourcen und Problemlagen zusammen, so entstehen innerhalb der Zielgruppe „BezieherInnen Bedarfsorientierter Mindestsicherung“ Subgruppen mit sehr spezifischen Profilen und Unterstützungsbedarfen: Neben den „erwarteten“ Zielgruppenpersonen mit klassischen Mehrfachproblematiken (Gesundheit, Finanzen, Wohnen etc.) konkretisiert sich eine Gruppe von Frauen im Haupterwerbsalter, deren Hauptintegrationshemmnis ungelöste Kinderbetreuungsaufgaben sind. Diese gehen oft mit Qualifikationsdefiziten und unter Umständen sprachlichen Schwierigkeiten einher. Des Weiteren konkretisiert sich eine Gruppe, die eher jung, eher männlich und eher problembehaftet ist – problematische Wohnsituationen sind ein gemeinsames Merkmal dieser Gruppe, daneben mitunter deutliche gesundheitliche Einschränkungen. Schließlich zeigt sich eine Subgruppe, die vergleichsweise geringe Problematiken hat bzw. eine singuläre Problematik aufweist und offenbar keine geeignete Arbeitssuchstrategie gefunden hat. Bei aller Individualität lassen sich in dieser Betrachtung also Bündelungen an Ressourcen, aber auch Problemlagen herausarbeiten, die mit einem spezifischen Teilnahmeverhalten und auch sehr spezifischem Unterstützungsbedarf verbunden sind. So weisen die genannten TeilnehmerInnengruppen divergierende Abbruchquoten sowie divergierende Beratungsergebnisse auf.
1.3. Neue Zielgruppe fokussiert bestehende Herausforderungen einer arbeitsmarktbezogenen Anamnese und deren Dokumentation Diese breite Streuung der individuellen Ausgangslagen von Menschen, die schon längere Zeit ohne Beschäftigung waren, gilt es in der Maßnahmenkonzeption und -planung zu berücksichtigen. International vergleichende Evaluationen zeigen, dass insbesondere individualisierte Angebote erfolgversprechend sind (vgl. Beitrag von Hausegger und Hager in diesem Band). Bezugnehmend auf derartige Evaluierungsergebnisse, wird auch in Österreich für diese Perso-
fungen von ProfessionistInnen abgebildet werden. Diese Einstufungen, die Case Mana gerInnen vornehmen, haben für die Betroffenen eine hohe Bedeutung, werden auf dieser Basis doch Interventionsentscheidungen getroffen. Dies völlig unabhängig davon, wie die Einstufungen benannt werden und wie objektiviert sie vorgenommen werden.
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nengruppe verstärkt die Methode Case Management angewandt. Damit wird ein – zumindest auf den ersten Blick – vergleichsweise einfach gangbarer Weg eingeschlagen: Case Management wendet sich dezidiert an Personengruppen mit mehrfachem und längerfristigem Interventionsbedarf und erarbeitet aufbauend auf differenzierten Anamneseergebnissen individualisierte Hilfepläne. Damit kann auf die breit streuenden Unterstützungsbedarfe sehr gezielt eingegangen werden. Die jeweiligen Case ManagerInnen sind dabei laut Konzept nur bedingt und vor allem nur in abgegrenzten Themenfeldern selbst für die Erbringung der Unterstützungsleistungen zuständig. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Feststellung des Unterstützungsbedarfes und in der Planung, Koordination und Überprüfung unterschiedlicher Hilfestellungen, die mehrheitlich durch Dritte erbracht werden. Neben dieser individuellen Ebene ist die Feststellung von Versorgungslücken auf Systemebene eine zentrale weitere Aufgabe von Case Management. Während die Angemessenheit von Case Management für die beschriebene Personengruppe unbestritten erscheint, zeigen sich in der Umsetzung dieser Methodik eine Reihe von Herausforderungen: --
So können Case ManagerInnen in der Regel letztlich nur auf jene Hilfestellungen verlässlich zugreifen, die von der eigenen (Auftraggeber) Organisation11 erbracht und/oder finanziert werden. In all jenen Bereichen, in denen andere Stellen für die Erbringung der Unterstützungsleistung zuständig sind, sind Case ManagerInnen sehr oft von der Qualität der Kooperationsstrukturen zwischen eigener (Auftraggeber) Organisation und für die Leistungserbringung zuständiger Institution abhängig. Mitunter spielt sogar die Qualität der unmittelbaren Kooperationsbeziehung auf Personenebene eine entscheidende Rolle. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass Case Management immer dann, wenn kein gesetzlicher Rahmen für eine abgestimmte Vorgangsweise unterschiedlicher Politikbereiche gegeben ist, in erster Linie Brücken zu den unterschiedlichen zuständigen Institutionen bauen kann. Diese „Brücken“ können es den Betroffenen erleichtern, an der jeweils zuständigen Stelle Gehör zu finden. Weiters
11 Von (Auftraggeber) Organisation wird gesprochen, weil arbeitsmarktorientierte Case Management Prozesse zumindest in Österreich teilweise von AMS-externen Anbieterorganisationen im Auftrag des Arbeitsmarktservice erbracht werden.
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können längerfristige und mehrschichtige Unterstützungsprozesse durch den/die Case ������������������������������������������������������������� ManagerIn in eine sinnvolle, in sich konsistente und auf einander bezogene Abfolge gebracht werden. --
Zeigt sich in einem arbeitsmarkt- oder arbeitsvermittlungsorientierten Case Management Interventionsbedarf in einem Lebensbereich, der „nur“ mittelbar arbeitsmarktrelevant ist (wie etwa die Wohnsituation oder die finanzielle Absicherung), stellt sich die Frage nach der Tiefe der Intervention. So ist beispielsweise zu entscheiden, ob die Lösung eines sich abzeichnenden Wohnungsproblems noch in das Aufgabengebiet eines arbeitsmarktorientierten Case Managements gehört oder ob dies nicht der Fall ist. Wäre nicht davon auszugehen, dass sich derartige Problembereiche wie auch die prekäre Arbeitsmarktpositionierung selbst durch Nichtintervenieren verschärfen, könnte pragmatisch zugewartet werden bis sich zeigt, ob ohne Lösung bspw. der Wohnungsproblematik eine Arbeits marktintegration möglich ist.
--
Klarheit in diesen Fragen ist nicht nur im Sinne wirksamer Hilfestellungen, sondern auch aus datenschutzrechtlichen Gründen notwendig: Personenbezogene (sensible) Daten – wie beispielsweise Informationen zur gesundheitlichen Verfassung oder zur Wohnungssituation oder auch solche zu bestehenden Verschuldungen – dürfen nach den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes (vgl.§ 7 DSG 2000) nur dann erhoben und dokumentiert werden, wenn dies durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen der (Auftraggeber) Organisation gedeckt ist und diese Informationen tatsächlich für die Gestaltung der individuellen Unterstützung notwendig sind (vgl. § 6 DSG und § 25 Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG)). Als über den unmittelbar arbeitsmarktbezogenen Bereich hinausgehende Hinderungsgründe für eine Arbeitsaufnahme, zu deren Erhebung und Dokumentation die (Auftraggeber) Organisation ermächtigt ist, sind beispielsweise in § 25 AMSG Abs. 1 Z. 3 lit. d „Sonstige Umstände, die die Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt berühren“, angeführt. (http://www.jusline.at/25._Datenverarbeitung_AMSG.html#; Abfrage 18.3.2012) Was genau unter diesen „sonstigen Umständen“ zu verstehen ist, ist individuell unterschiedlich und bedarf der Definition und Entscheidung. So werden Verschuldungen, die die Person in einem Ausmaß beschäftigen, dass diese sich als nur begrenzt leistungsfähig erlebt, die Verfügbarkeit der Person für den Arbeitsmarkt tatsächlich nachhaltig negativ beeinflussen. Die objektiv
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gleiche Verschuldungssituation, die von einer anderen Person als Ansporn dazu genommen wird, möglichst rasch wieder zu arbeiten und ein möglichst hohes Einkommen zu erzielen, um diese Schulden abbauen zu können, wird deren Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt vermutlich ungleich weniger tangieren. Die Entscheidung, welche „objektive“ Situation eine Beeinträchtigung der Verfügbarkeit der Person für den Arbeitsmarkt darstellt, wird so zur individuell zu entscheidenden Frage. Je nachdem, ob diese Information vermittlungsrelevant ist oder nicht, darf diese erhoben und dokumentiert werden oder nicht. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte darin liegen, dass in derartigen Bereichen in der Anamnese zuerst entschieden (und auch dokumentiert) wird, ob dieser Themenbereich für die individuelle Arbeitsmarktintegration von Relevanz ist. Eine (personenbezogene) Dokumentation erfolgt in weiterer Folge nur dann, wenn der zur Diskussion stehende Lebensbereich als relevant für eine erfolgversprechende Arbeitsmarktintegration bewertet wird.12 Diesen Weg haben wir im vorliegenden integrachart® gewählt. Wie tragfähig diese Vorgangsweise unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten ist und welche Alternativen bestehen, wird sich zeigen. Auszugehen ist davon, dass die hier anhand der Methodik Case Management diskutierte Problematik grundsätzlich bei allen „ganzheitlich“ orientierten arbeitsmarktbezogenen Hilfestellungen gegeben ist. All diese Kontexte berücksichtigend ist festzuhalten, dass eine umfassend individualisierte Unterstützung „arbeitsmarktferner Menschen“ einer verlässlichen Dokumentationsstruktur bedarf. Nur so kann eine laufende Überprüfung der Wirksamkeit gesetzter Interventionen auf individueller Ebene erfolgen. Eine Feststellung von Versorgungslücken auf Systemebene sowie die Nutzung vorhandener Umsetzungserfahrungen für zukünftige Maßnahmenplanungen und -konzeptionen setzen darüber hinaus eine statistisch auswertbare Dokumentation voraus. Nur so kann über die Einzelfallebene hinausreichendes Wissen über Wirkungszusammenhänge generiert werden.
12 Auf weitere datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen wie etwa Löschung etc. wird an dieser Stelle nicht eingegangen.
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Case Management als eine Methode der Wahl in der Unterstützung von Menschen mit Mehrfachproblematiken wurde in Europa wie in seinen Anfängen in den USA vor allem auch im Kontext von Finanzierungsengpässen der Öffentlichen Hand attraktiv. Ein Kontext, der auch für New Public Management von Bedeutung ist. Auch die gezielte Auseinandersetzung mit Interventionswirkungen, die wesentlicher Bestandteil einer Verwaltungsführung nach den Prinzipien des New Public Managements ist, setzt eine differenzierte Dokumentation der Ausgangsbedingungen voraus.
2.
New Public Management
2.1. Wirkungsorientierung als Kennzeichen einer modernen Verwaltung Aufgrund der budgetären Entwicklungen wie auch der immer breiteren Umsetzung des New Public Managements (NPM) (siehe dazu etwa Schedler/Pröller 2011) werden künftig alle staatlichen Interventionen – so sie es nicht bereits werden – nach den Prinzipien von NPM gemanagt werden. Die Angebote der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik sind davon nicht ausgenommen. Die Umsetzung der Zielsetzungen und Konzepte der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik kann durch die mit New Public Management einhergehenden Rahmenbedingungen erleichtert oder erschwert werden. New Public Management überträgt und übersetzt privatwirtschaftliche Managementprinzipien für den besonderen Kontext der staatlichen Verwaltung. Hinter NPM steht als Zielbild ein moderner Staat, der vereinfacht ausgedrückt vier Grundprinzipien folgt: -- Wirkungsorientierung: „Angestrebt werden nunmehr Wirkungen und nicht mehr bloßes Tätigwerden der Öffentlichen Hand“ (Bundeskanzleramt Österreich 2010, S. 12). -- Wettbewerbsorientierung: Unabhängig davon, ob der Staat selbst Leistungen erbringt oder ob er sie am Markt zukauft, sollen Preis-Leistungs-Verhältnisse verglichen und das beste Angebot ausgewählt werden. Tritt der Staat als Monopolanbieter auf, so sollen organisationsinterne Leistungsvergleiche angestellt werden. -- KundInnenorientierung: Der Staat wird gemäß diesem Grundsatz als Servicestelle für die Anliegen und Bedarfe der StaatsbürgerInnen gesehen.
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Es ist daher staatliche Aufgabe, sich über die Anliegen der BürgerInnen zu informieren. -- Qualitätsorientierung: Gemäß dieser Ausrichtung setzt sich der Staat sehr aktiv mit den Anliegen der BürgerInnen auseinander und setzt Aktivitäten, um diese Anliegen und Bedürfnisse zu befriedigen. In der Bearbeitung der BürgerInnenanliegen werden die drei zuvor genannten Grundsätze berücksichtigt. Die Einführung von NPM und innerhalb dessen die Einführung einer verstärkten Wirkungsorientierung sind Teil umfassender Verwaltungsreformen, die Bezeichnungen wie etwa „Verwaltungsreform“ (Österreich) oder „Wirkungsorientierte Verwaltungsführung“ (Schweiz) oder auch „Neues Steuerungsmodell“ (Deutschland) tragen. Im Kontext dieser Reformen wurden und werden Handbücher geschrieben, Zuständigkeiten präzisiert, MitarbeiterInnen geschult, Controllingstrukturen aufgebaut u.v.m. (siehe Eidgenössische Finanzverwaltung EFV/Sektion Programm FLAG 2008; Bundeskanzleramt Österreich 2012).
2.1.1. Finanzierungsengpässe Hintergrund für die mittlerweile sehr weite Verbreitung von New Public Management waren vor allem Finanzierungsprobleme vieler europäischer Länder Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre. Dass sich als Lösungsansatz für diese Finanzierungsprobleme NPM herauskristallisierte, ist im Kontext der parallel beobachtbaren zunehmenden Dominanz neoliberaler Denkansätze zu sehen. „So ist das expansive Wachstum des Staates in den 60er- und 70erJahren von der Sozialstaatsidee bestimmt, wohingegen die Konsolidierungsphase der 80er-Jahre, die Blütezeit der Privatisierung von einer neo-liberalistischen Staatsauffassung getrieben wurde“ (Naschold 1995, S. 17 zit.n. Schedler/ Proeller 2011, S. 14). Etwas später konkretisieren Schedler und Proeller die Unterschiede dieser beiden Staatsmodelle: „Die Ziel- und Zwecksetzung unterscheidet sich bei den beiden dargestellten Modellen erheblich. So besteht die Zielsetzung eines neo-liberalistischen Staates darin, eine Konkurrenzwirtschaft zu etablieren und – nur in dieser – auftretenden Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Der Sozialstaat hingegen hat eine normativ-distributive Zielsetzung, die auf dem Solidaritätsgedanken basiert. Der Zweck des Staates ist, ein umfassendes System staatlicher Regulation und Sozialkompensation zu errichten. Aus dieser Ziel- und Zwecksetzung werden konkrete Aufgaben des Staates
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abgeleitet, welche schließlich die Aufgabenbreite des Staates und die Staatsquote definieren“ (ebd., S. 15). Eine eher neo-liberal ausgerichtete Staatskonzeption sieht den Staat als „Gewährleistungsstaat“: „In der Staatskonzeption des Gewährleistungsstaates wird der Entscheid über die Aufgabenbreite und die ideologische Ausgestaltung des Staates (neo-liberaler vs. Sozial- und Wohlfahrtsstaat) entkoppelt von Fragen der Gestaltung des Service Public13 und der Aufgabenwahrnehmung. Die Aufgabenbreite wird durch politische Instanzen in demokratischen Verfahren festgelegt. Bei der Aufgabenerfüllung trägt der Staat in allen öffentlichen Aufgabenbereichen die Gewährleistungsverantwortung, erbringt aber lediglich sogenannte Kernaufgaben des Staates selbst“ (ebd., S. 37). New Public Management ist so gesehen das Umsetzungskonzept für den Gewährleistungsstaat. Bezugnehmend auf diese dahinterliegende Philosophie ist in der Denktradition des New Public Managements für die Entscheidung darüber, welche Anliegen welcher Interessensgruppen in welchem Ausmaß vom Staat überhaupt aufgegriffen und beantwortet werden, das politische System zuständig. Auf dieser Ebene findet der Interessensausgleich statt. Die Verwaltung greift diese in Form von Leistungsaufträgen definierten Entscheidungen der Politik auf und sucht in der Folge den besten, d.h. den ökonomischsten Weg, die politischen Vorgaben zu erfüllen, und managt den Prozess der Umsetzung. Dieses hierarchisch und abgegrenzt erscheinende Modell ist in der Realität von vielen Interdependenzen geprägt – so braucht die Politik Inputs und Expertise, um angesichts der divergierenden Interessen verschiedener Gruppen Schwerpunkte setzen und auf dieser Grundlage entsprechende Vorgaben entwickeln zu können. Diese Inputs erhält die Politik auch unter Bedingungen des New Public Managements primär aus der Verwaltung. Neben und auch in der „Zuarbeit“ zur Politik hat die Verwaltung in dieser Konzeption vor allem einen Dienstleistungscharakter. „Nach dem modernen Verständnis soll sich die öffentliche Verwaltung vom Verwaltungsapparat hin zu einem Dienstleister entwickeln. […] Für die Verwaltung bedeutet dies zunächst, dass sie einerseits als Mitbewerber auf einem ‚Dienstleistungsmarkt’ auftritt und andererseits als Kunde gegenüber ihren Lieferanten im Beschaffungsmarkt“ (ebd., S. 18 u. S. 21).
13 Unter Service Public sind Leistungen des Staates, die vom Staat entweder direkt oder durch Zukauf erbracht werden, zu verstehen.
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2.1.2.
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Make or buy?
Im allgemeinen Suchprozess nach der effektivsten und effizientesten Form der Erbringung öffentlicher Leistungen stellt sich für die Politik wie für die Verwaltung immer wieder die Frage, ob nun der Staat und seine Verwaltung selbst die jeweilige Leistung erbringen sollen oder ob eine (teil-)privatisierte Struktur dies besser und effizienter kann. Outsourcing, der Zukauf von Leistungen (z.B. Outsourcing der EDV-Abteilungen), aber auch das sogenannte „Contractingout“, die Beauftragung von Dritten mit der Erbringung von Dienstleistungen, für die an sich der Staat verantwortlich ist – sind mittlerweile „übliche“ Strategien moderner Verwaltungen. „Vom Contracting-out oder auch Auslagerung spricht man, wenn im Anschluss an eine Ausschreibung der Zuschlag an einen Dritten geht (d.h. keine Einheit der öffentlichen Verwaltung). Die Auslagerung von Staatsaufgaben ist die letzte Stufe in einer ganzen Reihe von Instrumenten, die – ohne die Verantwortung für den Aufgabenbereich in die Hände Dritter (Private oder auch andere Gemeinwesen) zu legen – zu mehr Wettbewerb bei der Bereitstellung der Aufgabe führt. Bei der Auslagerung geht es also nicht um die Privatisierung von Staatsaufgaben, sondern um die Entscheidung make or buy. Die Aufgaben werden nicht aus dem Grund an Dritte vergeben, weil sich der Staat aus der Verantwortung ziehen will, sondern weil man sich durch den Wettbewerb eine billigere oder qualitativ bessere Bereitstellung erhofft, oder aber auch um die verwaltungsinterne Effizienz zu überprüfen und Know-how Transfers zu ermöglichen“ (ebd., S. 214f.). 2.1.3.
Umsetzung in angelsächsischen, nordischen
und deutschsprachigen Ländern
Diese Entwicklungen sind in den letzten Jahrzehnten in allen westlichen Industrienationen zu beobachten. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich in der konkreten Ausgestaltung jedoch recht unterschiedliche Konzeptionen: In den angelsächsischen Ländern Australien, Neuseeland, Großbritannien und in den USA laufen derartige Prozesse schon wesentlich länger als in den nordischen und in den deutschsprachigen Ländern. Dazu kommt, dass in diesen Ländern ein viel intensiverer Rückbau staatlicher Leistungen stattfand und -findet (vgl. Thom/Alfes 2008, S. 351f.). Die damit einhergehenden Veränderungen sind grundlegend und weisen auf die – auch bei weniger radikalen Rückbautendenzen – zentrale Bedeutung von Qualitätsmanagement und -kontrolle hin,
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will man eine preiswerte und nicht einfach eine billige Leistungserbringung. Die stark marktwirtschaftliche Organisation von sozialen und gesundheitlichen Leistungen führte beispielsweise in den USA in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts zu ungemein zerklüfteten Strukturen im Sozial- und Gesundheitswesen, die es chronisch kranken Menschen sowie Personen mit Mehrfachproblematiken ohne gezielte Koordinationsleistungen von außen verunmöglichten, die notwendigen Hilfestellungen zu vergleichen und vor allem zeitlich und inhaltlich zu koordinieren. Die Entwicklung der Methode Case Management ist ein Resultat dieses Prozesses (vgl. Ewers/Schäeffer 2005, S. 57; Kleve et al. 2008, S. 22; siehe dazu auch Göckler 2009; Österreichische Gesellschaft für Case und Care Management o.J.). Nordeuropäische Staaten wie Finnland, Schweden, Norwegen oder auch Holland verfolgen demgegenüber einen moderateren Veränderungsprozess. Wiewohl es auch hier intensive Reformanstrengungen gab und gibt, steht in diesen Ländern eine konzertierte Vorgangsweise von Staat und externen LeistungserbringerInnen im Vordergrund. Als dritte Gruppe sind die deutschsprachigen Länder Deutschland, Schweiz und Österreich zu nennen. Gemeinsames Kennzeichen dieser Länder ist eine eher abwartende Haltung. Der Schweiz kommt innerhalb der deutschsprachigen Länder so etwas wie eine Vorreiterrolle zu, wurden dort doch bereits im Jahr 1991 erste Schritte zur Einführung einer „Wirkungsorientierten Verwaltungsführung“ (WoV) unternommen. 2011 war WoV bereits in weiten Bereichen auf Bundes- und Kantonsebene umgesetzt. Innerhalb Österreichs kann das Arbeitsmarktservice, das seit seiner Ausgliederung im Jahr 1995 systematisch Management by Objectives (MbO) auf allen Ebenen der Organisation betreibt, als einer der Vorreiter und Treiber einer auf Ergebnisse fokussierten modernen Verwaltung gesehen werden. Die jährliche Planung erfolgt in einem ausdifferenzierten Planungsprozess, der ausgehend von Vorgaben des zuständigen Bundesministeriums kurz-, mittel- und längerfristige Zielsetzungen definiert und entsprechende Indikatoren und je Indikator eindeutige Zielwerte formuliert. Der Logik des MbO folgend, werden die Zielsetzungen auf die unterschiedlichen Organisationseinheiten heruntergebrochen und entsprechende Vereinbarungen getroffen (siehe dazu den Beitrag von Kainz in diesem Band). Gemäß dieser managerialen Ausrichtung des österreichischen Arbeitsmarktservice hat auch der Zukauf von arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen Tradition. Anzumerken ist, dass dieser Zukauf von Dienstleistungen durch den Staat
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schon lange vor NPM stattfand. Allen voran boten konfessionelle Einrichtungen und eine Reihe unterschiedlicher Non-Profit-Organisationen (NPOs) oder Non Governmental Organisations (NGOs) Hilfestellungen für bestimmte Personengruppen an und übernahmen so Funktionen im Sinne des Gemeinwohls. Der Staat bezuschusst(e) die Erbringung dieser Leistungen durch private – gemeinnützige – Organisationen im Rahmen von Subventionen, Beihilfen und Förderungen.
2.2. Gleichzeitige Stärkung und Schwächung von Non-Profit-Organisationen Vergleichsweise neu und recht eindeutig einem gelebten New Public Management zuordenbar ist, dass sich um soziale und arbeitsmarktpolitische Dienstleistungen neben Non-Profit-Organisationen immer öfter auch Profit-Organisationen bewerben. Diese Konkurrenzsituation zwischen Non-Profit- und Profit-Organisationen hat nicht nur für die betroffenen Organisationen, sondern auch für die Gestaltung der zugekauften Dienstleistungen Konsequenzen. Wettbewerb ist für Profit-Organisationen eine übliche Rahmenbedingung. Der hier besprochene „Markt“ ist für sie teilweise nach wie vor ein Markt, den es zu „erobern“ gilt. Ganz anders stellt sich die Situation für Non-Profit- Organisationen dar. Für sie ist dieser Markt ihr zumeist einziger „Kernmarkt“. Durch die Wettbewerbssituation wurden und werden sie zu vielfältigen innerorganisatorischen Veränderungen gezwungen, die letztlich darin münden, selbst den Prozess der „Ökonomisierung“ zu durchlaufen und alle Entscheidungen, Prozesse und Abläufe zumindest auch unter einer ökonomischen Brille zu sehen. In diese Richtung weisen Untersuchungen von Zauner et al. (2006) sowie Schedlberger (2006a u. 2006b). Zauner et al. beschäftigen sich auch mit den Notwendigkeiten, die für Non-Profit-Organisationen aus diesem Paradigmenwechsel erwachsen, und raten gemeinnützigen Organisationen unter anderem dazu, ihre Lobbyingfunktion (von den AutorInnen auch als Voicefunktion bezeichnet) von der sogenannten „Dienstleistungssparte“ zu trennen. Die „LobbyistInnen“ innerhalb der NPOs/NGOs betreiben den AutorInnen zufolge idealtypisch „Klientelpolitik“ und vertreten die Interessen der Zielgruppe. Die „Dienstleistungssparte“ – es sind das jene Organisationseinheiten, die für die Erbringung von Dienstleistungen für die Zielgruppe zuständig sind – positionieren sich idealtypisch am Markt und verkaufen ihre Dienstleistungen an den Staat. Während die Funk-
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tion der „LobbyistInnen“ eine politiknahe und auch selbst eine politische ist, ist die Funktion der „Dienstleistungssparte“ eine unternehmerische. Die Voiceoder Lobbyingebene der NPOs/NGOs knüpft dabei an die Traditionen der Organisation an und funktioniert nach den bekannten Routinen; die Dienstleistungssparte sollte sich an den Prinzipien „des ordentlichen Kaufmanns/der ordentlichen Kauffrau“ orientieren. Durch die empfohlene doppelte Bindung der Organisationen können – so die AutorInnen – einerseits weiterhin das Lobbying für die Zielgruppe und gleichzeitig und andererseits Dienstleistungen für die öffentliche Hand erbracht und so eine finanzielle Basis für die Organisation erwirtschaftet werden. Interessant ist, dass dies bei genauerer Betrachtung der Vorschlag ist, auf Ebene der NPOs das vorhin beschriebene Konzept des Gewährleistungsstaates zu spiegeln. Anschlussfähigkeit an den Gewährleistungsstaat soll dieser Denkweise zufolge u.a. dadurch hergestellt werden, dass dem staatlichen politischen System die LobbyistInnen der Non-Profit-Organisationen gegenüberstehen. Die Verwaltung, die zunehmend wie ein „Unternehmen“ funktioniert, entspricht demnach dem Dienstleistungssegment der NPOs. Die mit dem Prinzip des New Public Managements (auch) verbundene höhere Nachfrage nach Leistungen von NPOs/NGOs bedeutet so zugleich Schwächung und Stärkung des NPO-Sektors: -- Stärkung, indem das Marktvolumen steigt und das Verhältnis von AuftraggeberInnen und AuftragnehmerInnen im Vergleich zum Verhältnis von SubventionsgeberInnen und -nehmerInnen etwas weniger asymmetrisch ist -- Schwächung der herkömmlichen Struktur und Organisationsform, weil das, was für die Zielgruppe letztlich an Dienstleistung angeboten werden kann, abhängig von politischen Festlegungen UND den Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Dienstleistung ist, die sich im Wettbewerb der unterschiedlichen Anbieterorganisationen am Markt herauskristallisiert. Das Ausmaß der Schwächung von NGOs/NPOs wird vor allem dann deutlich, wenn die am Markt üblichen Rahmenbedingungen mit den Interessen der Zielgruppe nur noch schwer oder gar nicht mehr zu vereinbaren sind. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Zugangsvoraussetzungen zu Leistungen so definiert werden, dass sie bestimmte Betroffenengruppen implizit oder explizit ausschließen. Dies ist beispielsweise auch dann der Fall, wenn sich ein „Marktpreis“ herausbildet, der nur noch ein sehr reduziertes Angebotsspektrum oder die Arbeit mit niedrig qualifizierten MitarbeiterInnen unter schlechten Arbeitsbedingungen zulässt. In derartigen Situationen stehen
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NPOs/NGOs anders als Profit-Organisationen sehr schnell und leicht vor einer Zerreißprobe, weil Voice- und Dienstleistungssparte völlig konträre Vorgangsweisen erfordern. Evaluationen zeigen, dass NGOs durch diese Herausforderungen teilweise existenziell bedroht werden. (Siehe Bruttel 2005; Zauner et al. 2006; vgl. dazu auch Buer/Siller 2007, S. 35f.)
3.
Aktivierende Arbeitsmarktpolitik im Kontext des New Public Managements
3.1. Chancen und Risiken für arbeitsmarktferne Menschen Reflektiert man diese kursorisch dargestellten Eckpunkte von NPM vor dem Hintergrund der Ziele einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik, so werden spezifische Chancen, aber auch spezifische Risiken für arbeitsmarktferne Menschen deutlich. Im Folgenden wird versucht, diese Chancen und Risiken möglichst neutral aufzuspüren und damit einen sachlichen Weg zwischen den Fronten der grundlegenden BefürworterInnen und KritikerInnen von NPM zu finden. Letztere kritisieren und hinterfragen die mit NPM einhergehenden Entwicklungen unter den Stichworten der Ökonomisierung und Erosion des Sozialstaates (siehe dazu u.a. Mosebach 2010; Wolff 2007). Die verstärkte Fokussierung von Wirkungen und KundInnenbedürfnissen und ‑bedarfen ist als die große Chance und gleichzeitig als die große Herausforderung eines NPM zu bezeichnen. Dies zumindest dann, wenn für ein Aufspüren der Auswirkungen von NPM die parallel zur Umsetzung dieses Konzeptes realisierten Einsparungen in vielen Bereichen der Sozial- und Gesundheitspolitik außer Acht gelassen werden.14 So ist davon auszugehen, dass ein genaues Fokussieren der Interventionswirkungen sehr im Sinne arbeitsmarktferner Personen ist. Werden diese Wirkungsanalysen zum Ansatzpunkt für laufende Verbesserungen der Interventionen, kann von einer weiteren Professionalisierung des Feldes ausgegangen werden. Gleiches gilt für die gezielte Beachtung der Zufriedenheit von Betroffenen mit den An-
14 Diese analytische Trennung von Budgetkonsolidierung, wie sie aktuell europaweit Thema ist, und Ausrichtung der Verwaltungsführung wird vorgenommen, da davon auszugehen ist, dass Einsparungen auch bei einer am Bürokratiemodell orientierten Verwaltungsführung zu schmerzhaften Erfahrungen führen.
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geboten: Auch diese Form der Rückmeldung an Politik und Verwaltung wird intensiviert und Betroffene erhalten so und über Beschwerdesysteme Rückmeldemöglichkeiten. Diese Potenziale, die New Public Management für die Zielgruppe der arbeitsmarktfernen Menschen bereithält, können aber nur dann gehoben werden, wenn die Instrumente der Wirkungsmessung und die Rückmeldesysteme an Politik und Verwaltung im Vergleich zum Status quo deutlich ausdifferenziert werden. Wesentlich in dieser Ausdifferenzierung der Wirkungsmessung ist, -- dass diese nicht primär unter dem Gesichtspunkt von Kosten, sondern -- mit Blick auf eine Qualitätssteigerung der Angebote sowie -- unter Bedachtnahme auf die Tatsache, dass TeilnehmerInnen an Arbeitsmarktmaßnahmen nicht als „souveräne KundInnen“ gelten können, und -- unter Einbeziehung der spezifischen sozialen Auswirkungen von Marginalisierung und Armut und -- mit Rücksicht auf die Heterogenität der Zielgruppe umgesetzt wird.
3.1.1.
Was ist unter einer qualitätsvollen Unterstützung zu verstehen?
Ein besonderer Diskussionspunkt dürfte dabei die Frage sein, woran Qualität denn nun festzustellen sei. So steht einerseits die Frage im Raum, an welcher Stelle Qualität zu messen ist, wenn es um Leistungen geht, die im Rahmen von wettbewerblich gestalteten Verfahren beauftragt werden. Andererseits ist zu definieren, welche Art von Qualität überhaupt im Vordergrund steht. Schließlich geht es, unabhängig davon, wie Qualität definiert und an welchem Punkt sie gemessen werden soll, darum, wie das definierte Qualitätsverständnis operationalisiert und damit messbar gemacht werden kann. Eine ausführliche Behandlung dieser komplexen Fragestellungen ist an dieser Stelle nicht möglich, eine völlige Ausklammerung nicht befriedigend. Daher soll folgend eine erste Annäherung im Sinne eines Aufgreifens der Problematik angestrengt werden (siehe Hausegger/Bohrn 2006; Hausegger/Reiter 2007; Manon/Slezak 2006; Schedlberger 2006). Einschlägige Untersuchungen differenzieren zwischen Struktur-, Prozessund Ergebnisqualität. Geht man analog zur Zielsetzung einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik davon aus, dass aktivierende Maßnahmen dann als wirksam zu gelten haben, wenn sie Menschen dabei unterstützen, ihr Leben (wie-
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der) dauerhaft unabhängig von Transferleistungen gestalten zu können15, und respektiert man die mit NPM einhergehende Fokussierung von Wirkungen, so wären folgende Qualitätsdimensionen zu definieren. Eine qualitätsvolle aktivierende Maßnahme verfolgt das Ziel einer (1) nachhaltigen Integration der TeilnehmerInnen in ein selbständiges oder unselbständiges Beschäftigungsverhältnis, das ein Leben abseits von Transfereinkommen ermöglicht und dem arbeitsmarktrelevanten Ausbildungsniveau des Teilnehmers/der Teilnehmerin entspricht. Die Einschränkung, dass nur jene Formen von Arbeitsmarktintegration als qualitätsvoll zu bewerten sind, die auch dem jeweiligen arbeitsmarktrelevanten Ausbildungsniveau entsprechen, nimmt auf mehrere Ebenen Bezug. Aus Sicht der Betroffenen darauf, dass eine dauerhafte Beschäftigung auf einem zu niedrigen Qualifikationsniveau nicht befriedigend, eventuell sogar gesundheitsschädigend ist. Letzteres wäre ausgehend von den Untersuchungsergebnissen zum Thema „Gratifikationskrisen“ genauer auszuleuchten (siehe Siegrist 2007). Als arbeitsmarktrelevant wird eine Ausbildung dann angesehen, wenn die Person zum Zeitpunkt der Messung die mit diesem Ausbildungsabschluss oder mit dieser Ausbildung erworbenen Kompetenzen ausüben und in einem betrieblichen Kontext einbringen kann. Dies wird betont, weil es beispielsweise angesichts der kurzlebigen Entwicklungen am Arbeitsmarkt fraglich ist, ob eine Person, die in ihrer Jugend eine FacharbeiterInnenausbildung absolvierte, diesen Beruf in der Folge nicht ausübte und mit 45 neuerlich auf Stellensuche ist, ohne eine entsprechende Anpassungsqualifizierung noch über eine arbeitsmarktrelevante FacharbeiterInnenkompetenz verfügt. Umgekehrt erscheint eine nicht zertifizierte Anlernqualifikation, die bis zuletzt ausgeübt wurde, sehr arbeitsmarktrelevant. Die Einschränkung, eine erfolgte Arbeitsmarktintegration nur dann als qualitätsvoll und damit als zieladäquat zu bezeichnen, wenn sie dem arbeitsmarktrelevanten Qualifikationsniveau zum Zeitpunkt der Maßnahmenteilnahme entspricht, macht aber nicht nur individuell, sondern auch volkswirtschaftlich 15 Diese ���������������������������������������������������������������������������������� Zieldefinition dürfte, wie KundInnenrückmeldungen in Evaluationen immer wieder zeigen, eine valide Schnittmenge der Interessen von öffentlichen AuftraggeberInnen und teilnehmenden KundInnen derartiger Maßnahmen darstellen. In Telefoninterviews berichten TeilnehmerInnen immer wieder davon, wie froh sie sind, wenn derartige Angebote zu einer realen Beschäftigungsmöglichkeit führen. Die Differenz in den Zielsetzungen zwischen AuftraggeberInnen und TeilnehmerInnen dürfte auf den darunter liegenden Stufen liegen, wo es um die Beschäftigungsqualität geht.
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Sinn. Dies nicht nur, weil es teuer ist, vorhandene Kompetenzen nicht zu nutzen, sondern auch mit Blick auf die angespannte Situation der Pensionskassen: Je niedriger qualifiziert eine Beschäftigung ist, desto höher ist – davon kann ausgegangen werden – die mit dieser Beschäftigung einhergehende physische Belastung. Nachdem es gerade die physische Belastbarkeit ist, die mit zunehmendem Lebensalter abnimmt, empfiehlt sich auch aus diesem Grund eine möglichst umfassende Berücksichtigung von Kompetenzen in der Arbeitsvermittlung und den diesbezüglichen Zieldefinitionen. (2) Bei TeilnehmerInnen, bei denen eine derartige Arbeitsmarktintegration nicht erreicht werden konnte, zeichnet sich eine qualitätsvolle Unterstützungsleistung dadurch aus, dass Integrationsbarrieren beseitigt werden konnten. Dies kann etwa eine Integration in eine Qualifizierungsmaßnahme sein, dies kann eine Schuldenregulierung oder die Lösung von Wohnungsproblemen oder auch die Klärung von gesundheitlichen Belastungsmomenten sein. Die bisher dargelegte Beschreibung von Qualität geht also ausschließlich auf die Ebene der Ergebnisqualität ein und misst im ersten Fall Wirkungen, fragt im zweiten Fall, wenn die angepeilte Wirkung (noch) nicht erreicht wurde, nach den Ergebnissen und unterstellt einen Zusammenhang zwischen bestimmten aktuellen Ergebnissen und danach (eher) erreichbaren Wirkungen. Die Erreichung dieser Qualitätsebenen kann nach erfolgter Intervention festgestellt werden. Bedingt durch die Tatsache, dass der Zukauf arbeitsmarktpolitischer Dienstleistungen immer stärker wettbewerblich organisiert wird und dabei in vielen Fällen16 die Normen des Bundesvergabegesetzes einzuhalten sind, stellt sich des Weiteren die Frage, wie Qualität in der Phase der Beauftragung definiert werden kann und muss. Die Bewertung von Durchführungsqualitäten vorangegangener Maßnahmen kann dabei, wenn überhaupt nur eingeschränkt berücksichtigt werden, käme dies doch einer Benachteiligung neuer AnbieterInnen gleich und widerspräche daher dem Bundesvergabegesetz. Zu bewerten ist in der Phase der Vergabeentscheidung also ein Leistungsversprechen, von dem man letztlich nicht weiß, ob es eingehalten werden wird. Konsequenterweise ist daher in dieser Phase zu überprüfen, ob es realistisch erscheint, dass die versprochene Leistung auch tatsächlich in der angepeilten Ergebnisqualität (siehe oben) erbracht werden kann. Damit treten in dieser Phase Struktur- und Prozessqualitäten in den Fokus der Aufmerksamkeit. Auf 16 Siehe BGBl. I Nr. 17/2006 zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 73/2010 und BGBl. I Nr. 15/2010.
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struktureller Ebene wäre Qualität insbesondere auf Ebene der Rahmenbedingungen festzumachen. Die Rahmenbedingungen umfassen infrastrukturelle hard facts genauso wie soft facts. Erstere betreffen z.B. die Angemessenheit der Räumlichkeiten und die verkehrstechnische Erreichbarkeit. Zweitere betreffen z.B. die Kompetenzen der eingesetzten MitarbeiterInnen, die Vernetzungsstrukturen mit Unternehmen und Organisationen, die bei erwartbaren Problemen der TeilnehmerInnen Unterstützung bieten könnten, und vor allem die innerorganisatorischen Führungs- und Austauschstrukturen, die ein abgestimmtes Vorgehen unterschiedlicher TrainerInnen/BeraterInnen während der Maßnahmenumsetzung überhaupt erst ermöglichen. Auf Ebene der Prozesse gälte es zu überprüfen, ob die beschriebene Aufbau- und Ablauforganisation eine professionelle und vor allem individualisierte Unterstützung der TeilnehmerInnen plausibel erscheinen lässt. Nachdem diese Ebenen in der Vergabeentscheidungsphase als Leistungsversprechen anzusehen sind, gilt es die Einhaltung dieser qualitätsrelevanten Ebenen in der laufenden Umsetzung zu überprüfen. In dieser parallelen und nachfolgenden Überprüfung der Einhaltung der vereinbarten Qualitäten spielen vor allem die Rückmeldungen der TeilnehmerInnen eine zentrale Rolle. Letztere sind vermutlich auch die einzigen, die neben ausdifferenzierten Ex-Post-Analysen verlässlich beurteilen können, ob sie in einer Weise unterstützt wurden, die hilfreich im Sinne der Aufnahme einer nachhaltigen, ausbildungsadäquaten und existenzsichernden Beschäftigung war. Will man bewerten, ob die erreichten Ergebnisse und Wirkungen einer Maßnahme als Erfolg oder als Misserfolg zu sehen sind, müssen die erzielten Ergebnisse also individualisiert vor dem Hintergrund der jeweils einzigartigen Ausgangssituation der Teilnehmerin/des Teilnehmers betrachtet werden. Einer ausdifferenzierten und validen Wirkungsmessung kommt besonderer Stellenwert zu, weil ein „schlanker“ Staat und eine „schlanke“ Verwaltung abseits von KundInnenbefragungen, Rückmeldungen durch Trägerorganisationen und Evaluationen nur eingeschränkte direkte Kontakte mit den Betroffenen haben. Dies resultiert aus dem vermehrten Zukauf von personalintensiven Leistungen durch öffentliche Arbeitsverwaltungen. Angesichts der verstärkten betriebswirtschaftlichen Durchdringung des Gesundheits- und Sozialbereiches ist des Weiteren davon auszugehen, dass auch die Rückmeldungen von NGOs und NPOs mit Bedacht gewählt werden, müssen doch auch diese danach trachten, ihre Existenzgrundlage nicht zu gefährden: Dies nicht einmal nur aus Eigenin-
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teresse, sondern auch um weiterhin Dienstleistungen für die Zielgruppe anbieten zu können. KundInnenbefragungen müssen – so sie nicht qualitativ angelegt sind – sprachlich sehr einfach gehalten werden, um nicht große Teile der potenziell Befragten auszuschließen. Qualitative Befragungen ermöglichen vergleichsweise wesentlich aussagekräftigere Einblicke, werden jedoch in Politik und Verwaltung zumeist eher als auflockernde „Zugaben“ denn als verlässliche Situationsbeschreibungen der Zielgruppenproblematiken wahrgenommen. Dazu kommt, dass in einer wirkungsorientierten Welt Probleme überhaupt nur dann als solche wahrgenommen werden, wenn sie mess- und quantifizierbar sind. Der Wirkungsforschung kommt also in diesem Bereich besondere Bedeutung bei.17
4.
Wirkungsmessung in der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik
4.1. Erste Anforderungen Folgt man dem im österreichischen Handbuch für wirkungsorientierte Steuerung entnommenen Wirkungsmodell (siehe Bundeskanzleramt Österreich 2010), das hier exemplarisch herausgegriffen wird, so wird deutlich, dass das Modell implizit davon ausgeht, dass Maßnahmen für homogene Zielgruppen oder zumindest bei homogenen Ausgangsbedingungen gesetzt werden (siehe Abb. 1). Ausgangspunkt für dieses Wirkungsmodell ist, wie für viele andere gängige Modelle das Qualitätsmodell nach Donabedian, das Qualität auf den Ebenen Input, Prozess und Ergebnis oder Output festmacht (vgl. Donabedian 1980, S. 62–92). Bei einem arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Angebot beispielsweise definiert die Input-Qualität grundsätzlich jene Kriterien, die im Vorfeld der Maßnahme gesichert werden sollten und die die umsetzende Organisation bzw. deren Strukturen und Rahmenbedingungen betreffen (z.B. Ausstattung, Standort, Personal, Erfahrung, Planung, Konzeption, Angebot). Die ProzessQualität definiert Kriterien, die während der Maßnahme wirksam werden und 17 Als einfacher Beleg für diese Behauptung kann der Aufbau des „Datawarehouse“ des Arbeitsmarktservice in Österreich genannt werden.
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Abb. 1: Exemplarische Darstellung: Ein häufig verwendetes Wirkungsmodell
sich auf die jeweilige Maßnahme beziehen (z.B. Ablauforganisation, Methodik, Didaktik). Die Output-Qualität definiert Kriterien, anhand derer der unmittelbare Erfolg der Maßnahme gemessen werden kann (z.B. erfolgreicher Abschluss, Zertifikat, TeilnehmerInnenzufriedenheit, Vorhandensein von arbeitsplatz- bzw. arbeitsweltbezogenen Kompetenzen). Erst die Outcome-Qualität bezieht sich auf die in der Wirkungsorientierung definierten Wirkungen einer Maßnahme. Im arbeitsmarktpolitischen Kontext könnte die Outcome-Qualität beispielsweise die nachhaltige Integration in ein Dienstverhältnis oder – noch treffender – die Erzielung eines existenzsichernden Einkommens über Erwerbsarbeit sein. Analysiert und vor allem vergleicht man auf Basis dieses Wirkungsmodells – und es ist wiederum zu betonen, dass dieses Modell nur exemplarisch für viele ähnliche Vorgangsweisen steht – die Arbeitsmarktintegrationsergebnisse der vorhin beschriebenen zehn Projekte, so würden mit hoher Wahrscheinlichkeit die Projekte F, G und I (siehe Abb. 2) als die erfolgreichsten Projekte hervorgehen. Dies deshalb, weil zwischen 38% und 41% der TeilnehmerInnen dieser Projekte maximal eine schwere Problemlage aufweisen, und ein an der Integrationsquote gemessener Arbeitsmarkterfolg umso wahrscheinlicher ist, je mehr TeilnehmerInnen einer Maßnahme nur eine schwerwiegende Problemlage und je weniger TeilnehmerInnen vier oder mehr schwerwiegende Problemlagen erkennen lassen. Umgekehrt würden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Projekte C und E folglich die Schlusslichter bilden, denn nur 24% der Teilneh-
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merInnen dieser Projekte weisen maximal eine schwere Problemlage auf, 35% bzw. 38% dagegen verzeichnen vier und mehr hohe Belastungen.
Abb. 2: Die TeilnehmerInnen von 10 Maßnahmen für BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach Anzahl schwerer Problemlagen
Diese Prognose beruht auf der Beobachtung, dass die Unterschiede in den Ausgangsbedingungen hoch ergebnisrelevant sind, wie Abbildung 3 zeigt. Dargestellt werden die Anteile der TeilnehmerInnen, die innerhalb eines Jahres in Betreuung zumindest drei Monate in einem Dienstverhältnis am 1. Arbeitsmarkt verbrachten oder einen Dienstverhältnisantritt am 2. Arbeitsmarkt verzeichnen konnten in Abhängigkeit von der Anzahl der gemessenen schweren Problemlagen18. Die Darstellung dieser Ergebnisse bezieht sich nur noch auf zwei der
18 Als schwer wurden folgende Problemlagen bezeichnet: Fehlen von Sozialversicherungszeiten und keine Mitversicherung; kein Führerschein B und keine Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. nur mit Hilfe; keine Unterstützung durch das Umfeld bei der Verar-
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zehn besprochenen Projekte, da diese zum jetzigen Zeitpunkt (Stand: Februar 2012) bereits abgeschlossen sind. Was sich in der Darstellung deutlich abzeichnet, ist die Bedeutung von Mehrfachproblematiken für eine Arbeitsaufnahme: So können 25% der TeilnehmerInnen mit maximal einer schweren Problemlage19 eine zumindest 3-monatige Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt innerhalb des beobachteten Jahres verbuchen. Weitere 18% traten ein Dienstverhältnis am 2. Arbeitsmarkt an.20 Betrachtet man die Vergleichswerte bei Personen, die vier oder mehr schwere Belastungen erkennen ließen, so zeigt sich, dass nur noch 7% am 1. Arbeitsmarkt und weitere 11% am 2. Arbeitsmarkt beschäftigt sind.21 Die hier dargestellten Ergebnisse entsprechen den Aussagen einer Untersuchung des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zum Thema „Arbeitsvermittelte Abgänge aus der Grundsicherung“ (vgl. Achatz/ Trappmann 2011, S. 28f.). Diese Untersuchung beschäftigte sich mit der Bedeutung folgender Risikofaktoren für einen Abgang:
beitung von Misserfolgen und Erfolgen oder Behinderung der Arbeitssuche; Vorstrafen im Vorstrafenregister oder bevorstehender Haftantritt; Mietschulden oder keine stabile Wohnsituation; unübersichtliche finanzielle Situation; gesundheitliche Probleme, die an der Arbeitsfähigkeit zweifeln lassen; berufliche Kompetenzen, die am Arbeitsmarkt nicht mehr nachgefragt bzw. aus anderen Gründen (z.B. gesundheitlichen) nicht mehr eingesetzt werden können; Nichtakzeptieren von Stellenangeboten; schlechte (Missverständnisse wahrscheinlich) oder nur mit Unterstützung mögliche Bewältigung von Bewerbungssituationen; Betreuungsaufgaben, die nur eine Teilzeitbeschäftigung oder eine geringfügige Beschäftigung zulassen; die Person glaubt (eher) nicht, in einem Jahr eine Stelle zu finden. Als 2. Arbeitsmarkt werden dabei Dienstverhältnisse bei Trägerorganisationen verstanden, die Sozialökonomische Betriebe betreiben. Beide Ergebnisse werden vom Auftraggeber für die Zielgruppenpersonen als „Erfolge“ verstanden. 19 Alle Bereiche wurden in einer Vierer- respektive vereinzelt in einer Fünferskala abgefragt. Die jeweils stärksten Beeinträchtigungen wurden als schwere Problemlage bezeichnet – beispielsweise im Gesundheitsbereich die Tatsache, dass ein/e TeilnehmerIn aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Vollzeit arbeiten kann oder dass seine/ihre Arbeitsfähigkeit grundsätzlich zu hinterfragen ist. 20 ���������������������������������������������������������������������������������������������� Über die Dauer dieses Dienstverhältnisses am 2. Arbeitsmarkt kann in diesem Fall nichts ausgesagt werden, da die TeilnehmerInnen bei einem Übertritt in ein Dienstverhältnis am 2. Arbeitsmarkt beim Träger zwecks Vermeidung einer Doppelbetreuung abgemeldet werden müssen. 21 Als Zielsetzung dieser Maßnahmen ist u.a. definiert, dass die TeilnehmerInnen innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten nach Eintritt in die Maßnahme zumindest 92 Tage in vollversicherungspflichtiger Beschäftigung am 1. oder 2. Arbeitsmarkt verbringen.
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Abb. 3: Zumindest 3-monatige Beschäftigung am 1. oder 2. Arbeitsmarkt nach Anzahl schwerer Problemlagen
-- Fehlende Bildungs- bzw. Ausbildungsabschlüsse -- Gesundheitliche Einschränkungen -- Lange Verweildauer im Grundsicherungsbezug22 vor dem Untersuchungszeitraum -- Höheres Alter (50+) -- Migrationshintergrund -- Begrenzte Beherrschung der deutschen Sprache -- Pflege von Angehörigen -- Kinderbetreuungsaufgaben Schlussfolgerung war: „Mit der Zahl der Risiken sinkt die Wahrscheinlichkeit, den Grundsicherungsbezug innerhalb des Beobachtungszeitraums in Richtung Erwerbstätigkeit zu verlassen, dramatisch. […] Liegt die Wahrscheinlichkeit für Personen ohne eines dieser Risiken bei 23,9%, so halbiert sie sich jeweils etwa 22 GrundsicherungsbezieherInnen in Deutschland entsprechen, wie vorne dargestellt, den BezieherInnen von Notstandshilfe und Bedarfsorientierter Mindestsicherung in Österreich.
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auf 11,5% bei einem Risiko und auf 6,2% bei zwei parallelen Risiken. Liegt die Übergangswahrscheinlichkeit bei drei gleichzeitigen Risiken noch bei 4,3%, so sind die Chancen für Personen mit vier oder mehr Risiken beinahe null, innerhalb des Beobachtungszeitraums wieder eine bedarfsdeckende Arbeit aufzunehmen“ (ebd., S. 30f.).
4.2. Exklusion vorantreibende oder verstärkende Dynamiken Dieser hohen Ergebnisrelevanz der Ausgangsbedingungen kommt im Wettbewerb, in dem Trägerorganisationen stehen, dann besondere Brisanz zu, wenn die Unterschiede in der Wirkungsmessung und -beurteilung nicht systematisch berücksichtigt werden. Für Trägerorganisationen ist es – so diese Unterschiede nicht berücksichtigt werden – ökonomisch vermutlich sinnvoller, in eine verlässliche TeilnehmerInnenselektion zu Maßnahmenbeginn als in eine intensive Betreuung zu investieren. Dies ist vergleichsweise deutlich kostengünstiger und die Chancen, bei dieser Vorgangsweise hohe Vermittlungserfolge zu erzielen, sind höher als bei einer intensivierten Begleitung von (auch) sehr problembehafteten Menschen. Trägerorganisationen soll damit keinesfalls „unmoralisches“ oder „un ethisches“ Verhalten unterstellt oder vorgeworfen werden. Sie liefern in einer ökonomisierten Dienstleistungswelt zumeist recht genau das, was ausgeschrieben wurde, und ergänzen dieses mit dem, was in der Ausschreibung nicht ausgeschlossen wurde und der eigenen Organisation Vorteile bringt. Die hinter dieser Dynamik liegende Kraft ist als jene zu verstehen, die umgekehrt laufende Verbesserungen und Anpassungen an veränderte Marktbedingungen hervorbringt, also das Überleben der Organisationen sichert. Dies zu verurteilen, wäre daher widersinnig, zumal es wohl gerade diese an laufender Verbesserung und laufender Kostenreduktion orientierte Dynamik ist, die durch New Public Management verstärkt angestoßen werden sollte. Als öffentlicher Auftraggeber, der auch die Interessen der MaßnahmenteilnehmerInnen zu vertreten hat, erscheint es jedoch dringend notwendig, diesem gegenzusteuern. Meine Intention ist aufzuzeigen, welche Leistungsanreize bzw. Konsequenzen mit welchen Aktivitäten der öffentlichen Hand verbunden sind. Meines Erachtens führt eine Wirkungsmessung, die bei heterogenen Ausgangslagen diese Heterogenität nicht berücksichtigt, zu einem Creaming (out), also einer bevorzugten Betreuung von weni-
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ger problematischen Zielgruppen. Und das von zwei Seiten respektive auf zwei Ebenen: Einmal und ganz besonders unter wettbewerblichen (Beauftragungs-)Bedingungen auf Seiten der AuftragnehmerInnen und einmal auf Seiten der öffentlichen AuftraggeberInnen, wie z.B. einer öffentlichen Arbeitsverwaltung. Arbeitsverwaltungen als Institutionen ebenso wie innerhalb dieser die einzelnen VerantwortungsträgerInnen und MitarbeiterInnen brauchen vorweisbare (evaluierte) „Erfolge“. Als Erfolg werden dabei Ergebnisse, zumeist Arbeits marktintegrationsergebnisse verstanden, die in einem vertretbaren Verhältnis zu den Kosten stehen. Eine durchgängige Orientierung an Ergebnissen, die auch eine ergebnisorientierte MitarbeiterInnenführung inkludiert (vgl. Bundeskanzleramt Österreich 2011, S. 43f.), führt aber dazu, dass sich letztlich jede/r Be raterIn der öffentlichen Arbeitsverwaltung überlegen muss, ob bei den arbeitslosen Menschen, die sie für die Teilnahme an Kursen, Seminaren etc. nominieren, auch die entsprechenden Erfolge zu erwarten sind. Denn erst eine realistische Erfolgschance legitimiert die Nominierungsentscheidung. Daher besteht bei konsequenter Wirkungsorientierung auch an dieser Stelle eine „tendenzielle“ Creaming (out)-Gefahr, die dazu führt, dass eher erfolgversprechende arbeitslose Menschen die unterschiedlichen Integrationsinstrumente nutzen können. Dies, um die mit dem Instrumenteneinsatz einhergehenden Kosten legitimieren und die eigenen Beiträge zur Erreichung der Gesamtziele der jeweiligen Organisationseinheit der Arbeitsverwaltung nachweisen zu können. Diese Möglichkeit darf genauso wie die zuvor auf Trägerseite beschriebene nicht als ein individuell „falsches Handeln“ gesehen und diskutiert werden, sondern stellt ein systemisches Problem dar. Diese Möglichkeit darf auch nicht dazu führen, die „Evaluation von Maßnahmen“ zu problematisieren, sondern dieser mögliche Effekt muss durch die fundierte Berücksichtigung der Ausgangssituation der unterschiedlichen TeilnehmerInnen bei der Wirkungsanalyse neutralisiert werden. Erste diesbezügliche Ansätze gibt es in der Zielarchitektur des österreichischen Arbeitsmarktservice bereits, z.B. über die Bewertung der Integrationserfolge im Anschluss an eine Schulungsteilnahme bzw. im Anschluss an die Nutzung anderer AMS-Instrumente nach dem Ausgangsstatus bzw. an Hand der relativen Verbesserung der je individuellen Arbeitsmarktsituation (gemessen in Erwerbsteilnahme – Beschäftigungstage) vor und nach Teilnahme an AMS-Instrumenten. Als erste Ansätze, die das diesbezügliche Problembewusstsein seitens des österreichischen AMS deutlich machen, werden diese Vorgänge deshalb bezeichnet, weil die Auswertungen systematisch nur auf Gruppen-,
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nicht aber auf Individuumsebene erfolgen. Auf Gruppenebene ist nicht mehr feststellbar, ob der Zuwachs an Beschäftigungszeiten vor allem bei jenen TeilnehmerInnen gegeben ist, die zuvor bereits ein vergleichsweise hohes Beschäftigungsniveau erkennen ließen, oder ob sich auch jene TeilnehmerInnen in den Arbeitsmarkt integrieren konnten, die vor der Maßnahme kaum oder wenig Beschäftigungsintegration aufwiesen. Dazu kommt, dass diese Messmethode gerade bei arbeitsmarktfernen Menschen an ihre Grenzen stößt, weil sich deren Ausgangslage – die geringe Arbeitsmarktintegration ist ein Zielgruppenkriterium – kaum unterscheidet. Ein Bevorzugen weniger betreuungsintensiver TeilnehmerInnen innerhalb der breiten Gruppe der arbeitsmarktfernen Personen wird weiters durch die Tatsache unterstützt, dass Marginalisierung und Armut mit sozialem Rückzug und Resignation einhergehen – Umstände, die es „sehr leicht machen“, Menschen mit intensivem Unterstützungsbedarf gar nicht erst in Betreuung aufzunehmen. Sehr oft reicht ein weniger freundliches oder weniger einladendes und ermutigendes Verhalten in der Erstkontaktphase. Man muss also eventuell nicht einmal aktiv ablehnend sein. Mir erscheinen diese Ebenen von besonderer Bedeutung, weil sich hier inklusionsorientierte Vorgangsweisen in real Exklusion vorantreibende oder verstärkende Maßnahmen verwandeln können. Und eine von ökonomischen Überlegungen zunehmend durchdrungene Sozial- und Arbeitsmarktpolitik bedarf gerade an diesen Kipppunkten der besonderen Aufmerksamkeit, will sie die Potenziale heben, die in einer zunehmenden Ökonomisierung dieser Bereiche unter Bedingungen strenger Budgetgrenzen liegen.
4.3. Gezielte Berücksichtigung der Ausgangssituation Arbeitsmarktchancen sind – dies wird durch derartige Analysen einmal mehr deutlich – Resultat des Zusammenspiels vielfältiger Faktoren. Einige dieser Faktoren sind gut, andere sind weniger gut bis kaum messbar. Insgesamt sind – und „statistische Profilinginstrumente“ befassen sich damit bereits seit vielen Jahren – Arbeitsmarktintegrationswerte unter Einbeziehung einer Mehrzahl relevanter Einflussfaktoren mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von bis zu 70% vorhersagbar (vgl. Konle-Seidl 2011, S. 18). Vergegenwärtigt man sich, dass derartige Instrumente letztlich auf Parameter zurückgreifen, die die per-
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sönliche Ausgangssituation der Person (Alter, Geschlecht, Ausbildungsniveau etc.) und die vorangegangene Erwerbsbiografie berücksichtigen, mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% Erfolg oder Nichterfolg23 von Arbeitsmarktintegrationsbemühungen vorherzusagen in der Lage sind, so wird deutlich, wie stark Integrationschancen unter Bedingungen eines Angebotüberhanges von den Ausgangspositionen der Betroffenen beeinflusst werden. Denn wenn mehr Menschen Arbeit suchen, als Arbeitskräfte gesucht werden, selektieren Betriebe. Ergebnis dieses Prozesses, der nichts anderes als ein Creaming (out)-Prozess ist, ist, dass jene Menschen, denen eine geringere Leistungsfähigkeit oder -bereitschaft oder auch eine geringere Flexibilität zugeschrieben wird, weniger Beschäftigungschancen vorfinden als andere. Diese Selektions- oder Creamingprozesse von Betrieben führen dazu, dass – abgesehen von krisenhaften Entwicklungen am (regionalen) Arbeitsmarkt – Menschen mit bestimmten Personen- oder Qualifikations- oder Karrieremerkmalen überproportional oft von langer Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind. In Vollbeschäftigungsphasen24 und in Phasen krisenhafter Entwicklungen verlieren diese Selektionsprozesse an Bedeutung, dies weil in beiden Situationen die Handlungs- und Entscheidungsspielräume von ArbeitgeberInnen eingeschränkt sind. Die verbleibenden 30% Prognoseungenauigkeit erklären sich durch statistisch nicht erfasste Dynamiken am Arbeitsmarkt, durch Faktoren, die sich unerwartet und nicht als logische Folge einer vorangegangenen Entwicklung ereignen, und schließlich durch Personenmerkmale, die sich in den messbaren Indikatoren der Vergangenheit nicht abbilden: Zu nennen sind der Gesundheitszustand, die Motivation und Zuversicht, die Selbstwirksamkeitswahrnehmung der Betroffenen etc. – jene Merkmale also, die für die hier besprochene Zielgruppe von besonderer Bedeutung sind und letztlich über deren Erfolgschancen entscheiden.
23 Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die Prognosegenauigkeit von 70% beachtlich ist, dies jedoch für eine Vorhersage auf individueller Ebene noch immer bedeutet, dass drei von zehn prognostizierten Integrationsergebnissen falsch sind. Derartige Auswertungen sind folglich für die Gestaltung individueller Hilfestellungen immer nur als Gedankenanregungen und nicht als verbindliche Vorgaben zu verstehen. 24 �������������������������������������������������������������������������������������� Üblicherweise wird eine Arbeitslosenquote von bis zu 3% als Vollbeschäftigung verstanden. Darin manifestiert sich, dass selbst bei sehr hoher Übereinstimmung von Angebot und Nachfrage Such- und Saisonarbeitslosigkeit etc. bestehen.
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Abb. 4: Der Programmbaum von univation als Orientierung
Diese unterschiedlichen Ausgangsbedingungen werden in einem anderen Wirkungsmodell, das die Komplexität von Wirkungszusammenhängen für den Gegenstandsbereich der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik ausreichend umfassend abbildet, gut ersichtlich. Dabei handelt es sich um den „Programmbaum“ von univation25. Dieses Modell wurde für den Kontext von Maßnahmen- und Programmevaluierungen entwickelt.
25 Vgl. www.univation.org. Neben diesem Modell gibt es natürlich auch eine Reihe anderer Modelle. Um die unterschiedlichen Ebenen in der Erarbeitung von relevanten und handhabbaren Wirkungsdimensionen gut berücksichtigen und zielsicher vorgehen zu können, erscheint uns jedoch dieses Modell am praktikabelsten und auch für weniger intensiv mit Evaluationsmethoden befasste Menschen am einfachsten nachvollziehbar. Andere Modelle sind etwa in Stockmann (2007) nachzulesen.
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Betrachtet man diesen Programmbaum, so wird zuallererst deutlich, dass auch die beste Wirkungsanalyse nicht alle Ebenen erklären wird können. Trotzdem und gerade deshalb lohnt sich eine vertiefte Auseinandersetzung damit, um jene Faktoren herauszuarbeiten, die eine adäquate Annäherung an die realen Zusammenhänge ermöglichen, ohne alle Beteiligten mit Dokumentationsund in der Folge Informationsfluten zu überfordern. In diesem Wirkungsmodell von univation wird zwischen den Ausgangsbedingungen der TeilnehmerInnen, den geplanten Vorhaben, der Umsetzung und den schließlich erreichten Zielsetzungen differenziert. Innerhalb der einzelnen Ebenen werden die unterschiedlichen Einflussbereiche weiter ausformuliert26, um bei nicht erwünschten Ergebnissen möglichst präzise zuordnen zu können, in welchem Bereich Verbesserungsbedarf gegeben ist. Für unsere Fragestellung besonders relevant ist dabei der Bereich der Ausgangsbedingungen der TeilnehmerInnen, in diesem Modell als „Incomefaktoren“ bezeichnet. Dieser Ebene – der möglichst aussagekräftigen Erhebung dieser Ausgangsbedingungen – sind die folgenden Ausführungen gewidmet.
5.
Wirkungsmessung auf Basis einer auswertbar dokumentierten Diagnostik
Um diese „Incomefaktoren“ in der Bewertung von Maßnahmenergebnissen und -wirkungen systematisch berücksichtigen zu können, bedarf es einer statistisch auswertbar dokumentierten und validen Feststellung der Ausgangs situation der TeilnehmerInnen zu Maßnahmenbeginn. Derartige Dokumentationen sind – es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen – in den meisten Fällen nicht verfügbar. Eine Erhebung dieser Faktoren im Rahmen einer Wirkungsanalyse stößt im hier besprochenen Themenfeld zudem sehr schnell an Grenzen, weil dazu ein tiefergehendes Eingehen auf die Person und ihren vor dem Hintergrund einer Arbeitsaufnahme relevanten Lebenskontext notwendig ist. Diese Anforderung sprengt den Rahmen von Befragungen: So berichten BeraterInnen aus Maßnahmen der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik, dass es oft mehrerer Beratungstermine bedarf, bis ein Überblick über die reale Situation der Person vorliegt. Einige schämen sich, wenn sie den Ein26 Erklärungen zu den einzelnen Ebenen laut univation siehe Anhang
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druck haben, den Leistungs- und Erfolgsmaßstäben dieser Gesellschaft nicht zu entsprechen, und verbergen oft nicht nur die Scham, sondern auch ihre Ressourcen und Problemlagen. Andere über- oder unterschätzen einzelne Problematiken in ihrer Auswirkung auf ihre Arbeitsmarktintegrationschancen und wieder andere neigen zur Verdrängung. All diese Dynamiken gilt es zu berücksichtigen, erhebt man den Anspruch, ein möglichst realitätsnahes Bild der Ausgangssituation in Wirkungsanalysen abbilden zu wollen. Dazu kommt, dass Ressourcen und Problemlagen erst in ihren jeweiligen spezifischen Kontexten zu solchen werden: So ist das Fehlen einer privaten Fahrgelegenheit beispielsweise in einer sehr exponierten und verkehrsmäßig unerschlossenen Region eine nahezu unüberwindbare Hürde für eine Arbeitsaufnahme. In einer städtischen Region mit einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz dagegen macht es keinen Unterschied, ob jemand eine private Fahrgelegenheit hat oder nicht. Dies zumindest solange, solange sich die Person um Stellen bewirbt, die dies nicht voraussetzen. Auch eine körperliche Beeinträchtigung schränkt Menschen mit sehr niedrigem Qualifikationsniveau in ganz anderem Ausmaß ein als Menschen mit hoher Formalqualifikation. Dies vor allem dann, wenn die vorhandene Qualifikation am (regionalen) Arbeitsmarkt auch nachgefragt ist. Die Tatsache, dass es in Arbeitsmarktbelangen objektive, von konkreten Menschen und Arbeitsplätzen unabhängige Auflistungen von Ressourcen und Problemlagen nicht gibt, eröffnet Integrationschancen und -möglichkeiten für Menschen unterschiedlichsten Hintergrunds. Gleichzeitig aber erhöht dieser Umstand die Komplexität von beruflichen Entscheidungsfindungsprozessen. Denn letztlich – und Einzelfälle belegen dies immer wieder – ist alles möglich. Und trotzdem besteht ein hoher statistischer Zusammenhang zwischen der Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Arbeitsmarktintegration und benennbaren Personen- und Qualifikationsmerkmalen wie etwa Alter, Qualifikationsniveau, Gesundheitszustand. Es ist also alles möglich, aber nicht alles gleich wahrscheinlich. Deshalb gilt: Je spezieller die Ausgangssituation der Person ist, desto notwendiger ist es, eine individuelle Passung zwischen den Anforderungen des Arbeitsplatzes und den Potenzialen der Person zu finden. Dies dürfte einer der wesentlichen Hintergründe dafür sein, dass sich in Evaluationen von Maßnahmen, die sich an arbeitsmarktferne Menschen richten, neben Lohnsubventionen vor allem individualisierte Angebote, die auf die Person und ihren Lebenskontext umfassend eingehen, als
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jene mit der höchsten Wirksamkeit erweisen. (Vgl. Fromm/Sproß 2008; Koch/ Kupka/Steinke 2009) 27 Für die Wirkungsmessung bedeutet dies, dass ein valides Bild der Ausgangssituation der Person all diese Ebenen bereits berücksichtigen sollte. Denn erst wenn die Ausgangslage der Person in Summe und vor allem durch die Brille möglicher Tätigkeitsfelder sowie der individuell relevanten Arbeitsmarktregion gesehen und bewertet wurde, können die Maßnahmenergebnisse, die bei Personen vergleichbarer Ausgangssituationen erzielt wurden, sinnvoll zueinander in Beziehung gesetzt werden. Wie schon die Beschreibung zeigt, ist dieses Ausloten und Abwägen kein einfacher Prozess und auch keine Aufgabe, die in einer Interviewsituation bewältigt werden kann. In Interviewsituationen kann die Sichtweise der Betroffenen erhoben werden – dies je nach Methodik ausführlicher oder weniger ausführlich. Dies reicht aber für eine realitätsnahe Einschätzung der Ausgangslage bei Weitem nicht aus. Vielmehr ist die Erarbeitung eines verlässlichen Bildes über die Ausgangslage bereits das Ergebnis der ersten Interventionen. Dieses Erarbeiten erfordert ein vertrauensvolles Klima, in dem die Person gemeinsam mit dem/der BeraterIn die eigenen Stärken und Schwächen wahrnehmen und vor dem Hintergrund der Anforderungen am Arbeitsmarkt reflektieren kann. Wesentlich ist, dass dieser Prozess im Austausch, also dialogisch passiert, um die wesentlichen Punkte herausarbeiten zu können und auch um die Verantwortung für die eigene Situation bei dem/der Betroffenen zu belassen. Gleichzeitig steht und fällt der Prozess mit qualifizierten BeraterInnen, die für eine professionelle Gestaltung des Settings und für eine „Führung durch Fragen“ sorgen sowie an markanten Punkten Informationen zum Arbeitsmarkt oder zu Hilfsangeboten einspielen. Vielleicht entsteht beim Lesen dieser Beschreibungen der Eindruck, dass dies eigentlich alles bereits viel zu sehr in die Praxis der Fallbearbeitung geht und daher gar keine verlässliche Beschreibung der Ausgangslage mehr ist. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich erst zu diesem Zeitpunkt im Beratungsprozess zeigt, ob überhaupt Integrationsbarrieren vorliegen, und wenn ja, wie hoch 27 ������������������������������������������������������������������������������������� Bei Lohnsubventionen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass vor allem TeilnehmerInnen mit vergleichsweise geringeren Arbeitsmarktintegrationsbarrieren erreicht werden, weil diese TeilnehmerInnen bereits einen Selektionsprozess durch Unternehmen erfolgreich durchliefen. Auch diese Vermutung kann allerdings nur verifiziert werden, wenn mehr über die unterschiedlichen Ausgangssituationen der Betroffenen bekannt ist und in Evaluationen berücksichtigt werden kann.
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diese sind. Beschreibungen der individuellen Ausgangslage durch die Betroffenen selbst, die zu Beginn abgefragt werden können, sind demgegenüber als Hinweis auf subjektiv wahrgenommene Belastungen zu verstehen. Diese Informationen bilden einen guten Ausgangspunkt für die Erarbeitung der realen Ressourcen und Problemlagen, sie können aber noch nicht als valide Beschreibungen der Ausgangslage der Betroffenen in Wirkungsanalysen gewertet werden. Für eine Abklärung der Frage, ob bei der Person eine tiefergehende arbeitsmarktbezogene Diagnostik durchgeführt werden soll, eignen sich derartige Selbstauskünfte hingegen sehr gut.
5.1. Screening auf Basis von Selbstauskünften und ausgewählten Administrativdaten Nicht alle Menschen, die „statistisch arbeitsmarktfern“ sind, weisen Mehrfach problematiken auf, die es im Rahmen einer ausdifferenzierten arbeitsmarktbezogenen Diagnostik auszuleuchten gilt. So werden beispielsweise junge Menschen, die den Einstieg in den Arbeitsmarkt (noch) nicht geschafft haben, eventuell mit einer gezielten Schulung oder Bewerbungshilfe wesentlich besser unterstützt als mit einer tiefergehenden Analyse ihres gesamten Lebenskontextes. Gleiches gilt für Menschen, die aufgrund einer singulären, aber eventuell schwerwiegenden Problematik den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt nicht schaffen. Bei diesen Personen wäre eine ausführliche Dia gnostik unter Umständen sogar kontraproduktiv. Die Herausforderung im Kontext der öffentlichen Arbeitsverwaltung liegt sohin darin, möglichst rasch und präzise herauszufinden, bei welchen arbeitsmarktfernen KundInnen eine arbeitsmarktbezogene Diagnostik sinnvoll ist. Denn bei KundInnen, bei denen ohnehin klar ist, welche Interventionsstrategie einzuschlagen ist, soll diese Intervention möglichst schnell gesetzt werden. Um eine möglichst kurze und trotzdem aussagekräftige Abklärung der Situation der KundInnen zu unterstützen, wird – entweder systematisch nach einer bestimmten „ergebnislosen“ Betreuungszeit oder aber in Fällen, in denen der/die BeraterIn die eigene diesbezügliche Einschätzung überprüfen möchte respektive sich schwertut, eine solche Einschätzung vorzunehmen – ein Screening empfohlen. Dieses Screening baut auf Selbstauskünften der Betroffenen sowie auf ausgewählten Administrativdaten auf und generiert auf die-
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ser Grundlage eine erste grobe Interventionsrichtung. In diesem Band wird ein derartiges Screeninginstrument vorgestellt. Dieses konzentriert sich auf Fragestellungen, die in einer Abklärung in der Anfangsphase einer Arbeitslosigkeitsepisode ohnehin von Bedeutung sind, und kombiniert die Antworten mit Informationen über die vorangegangene Erwerbskarriere der Person. Auf dieser Grundlage können grobe Interventionsvorschläge unterbreitet werden. Wesentlich im Umgang mit diesem Instrument ist, dass die Interventionsempfehlungen, die das System generiert, als zusätzliche und keinesfalls als alleinige Informationen in den Entscheidungsprozess der BeraterInnen einfließen – nur unter dieser Bedingung ist eine Verbesserung der Interventionsentscheidungen zu erwarten (siehe Konle-Seidl 2007; IAB 2005).
5.2. Arbeitsmarktbezogene Diagnostik für KundInnen mit Mehrfachbelastung Zeigt sich in einem derartigen Screeningprozess, dass sich die Person durch eine Mehrzahl an Themen vom Arbeitssuchprozess abgelenkt sieht, so ist das vorhin skizzierte genaue und individualisierte Erheben und Analysieren der Ausgangssituation angezeigt. Dies zuallererst, um überhaupt zu entsprechenden Interventionsentscheidungen zu kommen. Wird eine derartige Analyse der Ausgangslage vorgenommen, so empfiehlt es sich, die Ergebnisse dieser Analyse so zu dokumentieren, dass diese statistisch auswert- und damit auch für die Wirkungsanalysen nutzbar sind. Dies gilt natürlich auch für die Dokumentation von Screeningergebnissen – auch diese können, werden sie entsprechend dokumentiert, in der Wirkungsanalyse vertiefte Einblicke darüber geben, bei Personen welcher Selbstauskunft welche Ergebnisse erzielt wurden. Für dieses genauere Analysieren und Herausarbeiten der „eigentlichen“ Arbeitsmarktintegrationshemmnisse schlagen wir den Begriff der „arbeitsmarktbezogenen Diagnostik“ vor. Dieser Begriff wird in der einschlägigen Literatur selten und wenn dann synonym mit Begriffen wie „Assessment“, „Anamnese“ oder „Intake“ oder auch „Profiling“ verwendet. Diese Uneindeutigkeit in der Art der Begriffsverwendung dürfte ein Hinweis auf eine Vielfalt an Vorgangsweisen in der Wahl von Interventionen sein.28 28 ������������������������������������������������������������������������������������� Diese Interpretation ist aus mehreren Gründen nahe liegend. So verweisen Untersuchungen, die in Deutschland im Kontext der Umsetzung der Arbeitsmarktreformen (Stichwort
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Mit Blick auf die Erfahrungen in der Sozialarbeit, wo schon länger von „Diagnostik“ gesprochen wird und auch entsprechende Instrumente entwickelt wurden und werden, ist davon auszugehen, dass eine bewusste Verwendung der Begrifflichkeit „arbeitsmarktbezogene Diagnostik“ zur Diskussion anregen wird. Dies ist durchaus gewollt, fokussieren derartige Diskussionen doch den Prozess der Interventionsentscheidungsfindung. Dies erscheint deshalb von besonderer Bedeutung, weil Interventionsentscheidungen für die Betroffenen umso folgenreicher sind, je problematischer deren Ausgangssituation ist. Wird von arbeitsmarktbezogener Diagnostik gesprochen, so wird sehr oft zuallererst danach gefragt, ob die jeweiligen BeraterInnen, BetreuerInnen und TrainerInnen denn überhaupt diagnostizieren könnten respektive ob sie denn dafür ausreichend qualifiziert seien. Sind sie es nicht und arbeiten sie in der Unterstützung arbeitsmarktferner Menschen, so könnte man in Vertretung vieler MaßnahmenteilnehmerInnen einwenden, ist es einfach an der Zeit, dass sie die entsprechenden Kompetenzen erwerben. Diese etwas saloppe Antwort greift natürlich vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es weder Berufsbilder noch ausreichend Qualifizierungsmöglichkeiten oder definierte und verbindliche Qualitätsstandards in diesem Bereich gibt, viel zu kurz. Ein zweiter neuralgischer Diskussionspunkt betrifft den Kontext einer arbeitsmarktbezogenen Diagnose: Fänden derartige Diagnosen im Kontext der Arbeitsverwaltung statt, so würden in den knappen zeitlichen Ressourcen und der asymmetrischen Beziehung zwischen dem/der BeraterIn der öffentlichen Arbeitsverwaltung und dem Kunden/der Kundin unüberwindbare Störvariablen gesehen werden. Auch Selektionsprozesse, die dazu führen, jene KundInnen nachrangig zu behandeln, die geringere Erfolgswahrscheinlichkeiten erkennen lassen, könnten vermutet werden. Schließlich wäre angesichts der auch „behördlichen“ Funktion der Arbeitsverwaltung damit zu rechnen, dass die in einer arbeitsmarktbezogenen Diagnostik notwendige Individualisierung immer wieder in Konflikt mit der für das behördliche Agieren notwendigen Standardisierung gerät.29 Bei einer Durchführung der Diagnostik durch Hartz-Reformen) realisiert wurden, darauf hin, dass in der Begleitung und Unterstützung von arbeitslosen Menschen sehr unterschiedliche Vorgangsweisen und Beratungsstile zu beobachten sind. Ein zweiter Hintergrund für diese Interpretation liegt in den quantitativ mangelhaften Ausbildungsmöglichkeiten für diesen Bereich. 29 So wird beispielsweise in einer Evaluierung des deutschen Fallmanagements ausgeführt, dass die einzelnen FallmanagerInnen die dem Fallmanagementansatz innewohnende
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jene Trägerorganisation, die in der Folge auch die Unterstützung der KundInnen vornimmt, ist die Vermutung nahe liegend, dass es zu einer systematischen Überbewertung von Problemen kommt. Dies deshalb, weil dadurch die Leistungen der Organisation besser darstellbar wären. Gegen die Durchführung arbeitsmarktbezogener Diagnosen durch eine dritte, am Unterstützungsprozess völlig unbeteiligte Organisation, eine Variante, die auch diskutiert wird und zweifellos den Vorteil der Objektivität hätte, spricht, dass derart die Besonderheiten einer arbeitsmarktbezogenen Diagnostik nicht berücksichtigt werden könnten. Diese Besonderheiten bestehen insbesondere darin, dass in diesem Feld ähnlich wie in der Sozialarbeit Diagnose und Intervention letztlich nur sehr schwer zu trennen sind. Eine differenzierte und präzise Wahrnehmung der eigenen arbeitsmarktbezogenen Ausgangslage, die in ausgewogener Weise Ressourcen und Problemlagen und einen möglichst freien Blick auf den regional zugänglichen Arbeitsmarkt inkludiert, ist, wie beschrieben, in den allermeisten Fällen Ergebnis mehrerer Interventionen. All diese Vorbehalte berücksichtigend, wird deshalb vorgeschlagen, arbeitsmarktbezogene Diagnostik dort zu verorten, wo auch die daran anschließende und darauf aufbauende Unterstützungsleistung erbracht wird. Dies kann eine Trägerorganisation oder auch die öffentliche Arbeitsverwaltung sein. Die dadurch jeweils zu erwartenden Verzerrungstendenzen sind in der Bewertung der Validität der Dokumentationen zu berücksichtigen sowie in Reflexionsprozessen für eine Weiterent-
Dienstleistungs- und KundInnenorientierung mit der bürokratischen Organisation der Bundesanstalt für Arbeit ausbalancieren müssen. (Vgl. Valle del Campo 2009, S. 40f.) Damit wird ein interessantes Dilemma aufgegriffen, dem sich moderne Arbeitsverwaltungen gegenübersehen. In der Denktradition eines New Public Managements betrachten sie sich als Dienstleistungsorganisationen und trachten danach, diese Dienstleistungs- und KundInnenorientierung auch zu leben. Gleichzeitig müssen sie, so sie auch Ansprüche nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz administrieren, hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, die letztlich einer bürokratischen Logik folgen und auch folgen müssen, um die Gleichbehandlung aller AntragstellerInnen zu gewährleisten und diese Gleichbehandlung auch nachweisen zu können. Aus dieser doppelten Orientierung – maximale Gleichbehandlung hier und maximale Individualisierung da - entstehen permanent konfligierende Anforderungen, die insbesondere an den Systemgrenzen, also überall dort, wo die Organisation mit anderen Systemen in Kontakt tritt, virulent werden und auch ausbalanciert werden müssen. Besonders deutlich werden diese Konfliktpotenziale immer dann, wenn die Leistung ein besonderes Maß an Individualisierung verlangt, weil diese notgedrungen mit der für eine bürokratische Organisation typischen Standardisierung im Widerspruch steht.
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wicklung der Instrumente nutzbar. Schließlich können und sollen Verzerrungen durch eine stichprobenartige Überprüfung von Häufungen auffallend „positiver“ wie auffallend „negativer“ Diagnosen hintangehalten werden. Drittens wird – auch dies mit Blick auf die Besonderheit arbeitsmarktbezogener Dienstleistungen – eingewandt, dass dem Begriff der Diagnostik immer ein Hauch von Asymmetrie und ExpertInnenmeinung anhaftet. Dies wohl letztlich auch deshalb, weil die Begrifflichkeit ihren Ursprung in der Medizin hat. Gerade dieser Themenbereich, der im Sinne wirksamer Unterstützungsleistungen von hoher Bedeutung ist, ist in der Konzeption von Diagnoseinstrumenten insofern zu berücksichtigen, als eine arbeitsmarktbezogene Diagnostik dergestalt sein muss, dass die KundInnen auch im Diagnoseprozess eine aktive und beteiligte Rolle einnehmen.
6.
Anforderungen an eine arbeitsmarktbezogene Diagnostik
In diesem Abschnitt wird der Frage nachgegangen, welchen Anforderungen eine Diagnostik, die -- bei arbeitsmarktfernen KundInnen, bei denen der Verdacht besteht, dass mehrere Problematiken einer Arbeitsaufnahme entgegenstehen, und die -- das Ziel verfolgt, eine solide Basisabklärung der individualisierten Ausgangslage zu gewährleisten, auf deren Grundlage -- eine dem jeweiligen Bedarf und der jeweiligen Situation angemessene Unterstützungsleistung konzipiert -- und in ihrer Wirksamkeit auch überprüft werden kann, genügen muss. Zuallererst ist zu formulieren, dass eine adäquate arbeitsmarktbezogene Diagnostik auf eine Besonderheit personenbezogener Dienstleistungen eingeht: Personenbezogene Dienstleistungen können nicht ohne das Zutun der Betroffenen erfolgreich sein. Einer Beratung und Begleitung sind von vorneherein enge Grenzen gesetzt, wenn sich die betroffene Person nicht aktiv und cokreativ daran beteiligt. In diesem Sinne ist alles, was die Eigenständigkeit und das selbständige Handeln von Menschen behindert, als kontraproduktiv zu bezeichnen. Eine arbeitsmarktbezogene Diagnostik muss demgemäß zwingend dialogisch organisiert werden.
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Die Anamnese ist dabei als Datensammlung zu verstehen, die der Exploration des „Falles“ oder der Situation dient und das Ziel hat, BeraterIn und KundIn auf den gleichen Informationsstand zu bringen. Mit dieser Exploration steigt in einem ersten Schritt die Komplexität, die es in einem nächsten Schritt, nämlich in der Phase der Zusammenschau und der Bewertung wieder zu reduzieren gilt. Erst dieses Reduzieren und Verdichten der Komplexität wird als Diagnose bezeichnet. In der Diagnose werden Verbindungen zwischen verschiedenen Ebenen hergestellt und Schwerpunkte sowie Reihenfolgen festgelegt (vgl. Pantuček 2009, S. 73f.). Es ist gerade dieses Zusammenführen, Verbinden, Strukturieren und gesamthaft Bewerten der einzelnen Facetten, das der professionellen und fachkundigen Begleitung und Anleitung durch den/die BeraterIn/TrainerIn/Case ManagerIn bedarf. Dies soll jedoch keineswegs davon ablenken, dass es gerade auch in dieser Phase des permanenten Abgleichs zwischen ProfessionistIn und Betroffenem/r bedarf – nur so kann gewährleistet werden, dass a) die richtigen Schwerpunkte gesetzt und b) beim/ bei der Betroffenen Verantwortung für die eigene Situation und ihre Veränderungen sowie Selbsthilfepotenzial aktiviert werden. Bereits in der Anamnese wie in der daran anschließenden Diagnostik sollten bei der hier besprochenen Zielgruppe sozialarbeiterisches und arbeitsmarktpolitisches Know-how verbunden werden. Dies, weil in einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik beide Zugänge notwendig sind, muss doch von begrenzter Wirksamkeit reinen Aktivierens ausgegangen werden. Folgende weitere Anforderungen an eine arbeitsmarktbezogene Diagnostik können formuliert werden: - Eine arbeitsmarktbezogene Diagnostik muss auf jene Themen und Bereiche bezogen, aber auch beschränkt sein, die die Chancen auf eine dauerhafte Arbeitsmarktintegration nachhaltig beeinflussen. Dies bedeutet konkret, dass alle Ebenen, die abgefragt und in Anamnese und Diagnose einbezogen werden, streng in Bezug auf ihre Arbeitsmarkt- bzw. Arbeitsvermittlungsrelevanz hin zu beschreiben sind und sich nur durch diesen Bezug legitimieren. - Qualitätsvolle Diagnosen müssen zu einem Mehr an Handlungsmöglichkeiten führen. Dies bedeutet konkret, dass Anamneseergebnisse immer bereits den Keim für Interventionen in sich tragen müssen. - Schließlich gilt es im Sinne der Tatsache, dass eine Unterstützung der (Re-)Integration von arbeitslosen Menschen in den Arbeitsmarkt nie ohne Beteiligung der Betroffenen erfolgen kann, im Rahmen der Diagnose eine ge-
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meinsame Sicht von Betroffenem/r und BetreuerIn über die Ausgangslage herzustellen. Das Diagnoseverfahren muss so konzipiert sein, dass ein Austausch über die Diagnose unterstützt wird. - In Anlehnung an Pantuček können darüber hinaus folgende Anforderungen genannt werden: Arbeitsmarktbezogene „Soziale Diagnostik -- erhebt den Problemkontext -- verhandelt die Problemdefinition mit den Beteiligten -- versucht Ressourcen aufzuspüren -- sucht nach Bearbeitungs- und Lösungsmöglichkeiten -- macht „Wirkungen“ und „Nebenwirkungen“ von Aktionen und Interventionen verhandelbar -- veranschaulicht problemrelevante Zusammenhänge -- ermöglicht Entscheidungen zur Problembearbeitung für die KlientInnen und zur Interventionsplanung für die SozialarbeiterInnen. Und: es gibt keine relative Selbstständigkeit der Diagnose vom Unterstützungsprozess, d.h. dass die Diagnose selbst bereits Intervention ist, Wirkung zeigt“ (ebd., S. 83). Die beiden im folgenden Kapitel vorgestellten Diagnoseinstrumente versuchen diesen Anforderungen zu genügen. Sie wurden der Form nach an das IC2 von Pantuček und dem Inhalt nach aufbauend auf das Methodenset zur „Operationalisierung von Employability“ (vgl. Apel/Fertig 2009, S. 5–28) respektive auf das „Gutachten zur Darstellung der Hintergründe der unzureichenden Ausbildungs- und Beschäftigungschancen von benachteiligten Jugendlichen in Baden-Württemberg sowie deren Verbesserungsmöglichkeiten“ (siehe Enggruberet al. 2003) entwickelt. Mit dieser doppelten Anlehnung scheint – die bisherigen Anwendungserfahrungen bestätigen dies – eine gute Anamnese der Ausgangslagen und damit eine gute Basis für eine Diagnostik, die die Gestaltung hilfreicher Interventionen an der Schnittstelle von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik unterstützt, vorangetrieben zu werden. Diesen beiden Instrumenten angefügt ist das angesprochene Screeningverfahren, das im AMS-Kontext Einsatz finden könnte und das Ziel hat, eine Ersteinschätzung sinnvoller Unterstützungen auf Basis von Selbsteinschätzungen vorzunehmen.
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Arbeitsmarktbezogene Diagnostik und Wirkungsanalysen – das integrachart® als integratives Instrumentarium Trude Hausegger, Andrea Reiter, Christine Reidl, Michaela Friedl-Schafferhans
Im Folgenden wird mit dem integrachart® ein Instrumentarium vorgestellt, das - eine fundierte arbeitsmarktbezogene Diagnostik, die den im vorangegangenen Beitrag präsentierten Anforderungen genügt, unterstützt. - eine standardisierte Dokumentation der Anamneseergebnisse der gesetzten Interventionen sowie der erzielten Interventions- und Maßnahmenergebnisse gewährleistet. - eine individuelle Fortschrittsvisualisierung während der Maßnahmenteilnahme und zu Maßnahmenende ermöglicht. - sowohl in der Beratung und Begleitung der Arbeitsmarkt(re)integration von arbeitslosen Menschen mit Mehrfachproblematik als auch in der Analyse von Maßnahmenwirkungen valide Differenzierungsmöglichkeiten bietet. Das integrachart® wird als Instrumentarium bezeichnet, weil es hohe Adaptabilität an unterschiedliche Maßnahmenkontexte und -zielgruppen aufweist, ohne die für die Nutzbarkeit der Diagnostik für Wirkungsanalysen unabdingbare Standardisierung der Dokumentationsstruktur zu vernachlässigen. Im folgenden Text wird zuerst das Basismodell des integrachart® präsentiert. Dieses ist insbesondere für die arbeitsmarktbezogene soziale Diagnostik und Dokumentation in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die sich an arbeitsmarktferne Menschen wenden und Interventionen in unterschiedlichen Themenbereichen anbieten, geeignet. Um die Adaptions- und Nutzungsmöglichkeiten dieses Basismodells an und für unterschiedliche Kontexte zu verdeutlichen, wird nach der Präsentation des Basismodells des integrachart® eine derartige Adaption, die für den Einsatz in Maßnahmen für arbeitsmarkt- oder ausbildungsferne
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Jugendliche geeignet ist, vorgestellt. Abgeschlossen wird der Beitrag mit der Präsentation eines arbeitsmarktbezogenen Screening-Verfahrens, das als Entscheidungshilfe im Vorfeld eines arbeitsmarktbezogenen Diagnoseinstrumentes gedacht ist.
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Das Basismodell des integrachart®
Bei jenen KundInnen der öffentlichen Arbeitsverwaltung, bei denen es Hinweise darauf gibt, dass eine tiefer liegende (Mehrfach-)Problematik die Arbeitsmarktintegrationschancen nachhaltig negativ beeinflusst, wird eine differenzierte arbeitsmarktbezogene Diagnostik vorgeschlagen. Die Hinweise auf den Diagnosebedarf können in einer laufenden Beratungsbeziehung erkennbar werden oder bereits zu Beratungsbeginn deutlich sein. Auch Instrumente wie das im Anschluss präsentierte Screening-Verfahren können im Vorfeld angewandt worden sein und auf derartige Notwendigkeiten hingewiesen haben. Dabei gilt wie bei jedem Problem: Je früher problematische Konstellationen erkannt werden, desto rascher und vor allem desto gezielter können sie beseitigt werden. Dies bedeutet, dass es im Zweifelsfall eher ratsam ist, vermutete Problembelastungen genauer auszuloten, als dies nicht zu tun. Die Diagnostik soll von jener Organisation durchgeführt werden, die auch die darauf aufbauenden Interventionen organisiert/koordiniert oder anbietet. Zu denken ist hier an die öffentliche Arbeitsverwaltung genauso wie an Organisationen, die Case Management oder geförderte Beschäftigung oder Qualifizierung kombiniert mit intensiver individueller Unterstützung anbieten. Wesentlich ist, die spezifischen Einflüsse, die unterschiedliche Kontexte auf die Diagnostik haben können, in den Diagnoseergebnissen zu berücksichtigen. (Siehe dazu den vorangegangenen Beitrag)
1.1. Zielgruppe, Zielsetzungen, Einsatzgebiete, Dauer und Voraussetzungen Zielgruppe sind Menschen, die bereits zu Beratungsbeginn, im Verlauf der Beratungsbeziehung oder im Rahmen eines Screeningprozesses (siehe Punkt 1.2.) erkennen lassen, dass sie von mehreren Problematiken in ihrem Arbeitssuchprozess behindert werden.
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Zielsetzung ist die fundierte Feststellung der arbeitsmarktbezogenen Ausgangslage einer Person sowie in weiterer Folge die Dokumentation entsprechender Interventionen und deren Ergebnisse. Die Dokumentation von Interventionen und Interventionsergebnissen ermöglicht eine individualisierte Evaluation der begleitenden Hilfestellungen, wie sie im Case Management vorgesehen ist. Darüber hinaus kann auf dieser Grundlage auf Maßnahmenebene ausgewertet werden, bei welchen Gruppen welche Ergebnisse erzielt werden. Dies wird durch eine statistisch auswertbare Dokumentationsstruktur unterstützt (siehe dazu den folgenden Beitrag). Einsatzgebiet für dieses Verfahren ist jene Organisation, die auch eine darauf aufbauende individualisierte Unterstützungsleistung plant und realisiert oder koordiniert. Zentral ist, dass sich die Diagnose inhaltlich auf zwei Ebenen konzentriert, nämlich auf a) jene Bereiche, die die für die Planung und Festlegung der konkreten Hilfestellungen notwendigen Informationen liefern und b) jene Bereiche, in denen in der Folge auch konkrete Hilfen angeboten werden. Diese Festlegung hat zwei Ursachen: Zum einen dürfen aus datenschutzrechtlichen Gründen vereinfacht formuliert personenbezogene Informationen1 nur dann gesammelt und gespeichert werden, wenn diese auch tatsächlich für eine arbeitsmarktbezogene Unterstützung der Person benötigt werden. Zum anderen ist davon auszugehen, dass sich eine Erhebung immer dann kontraproduktiv auf den folgenden Unterstützungsprozess auswirkt, wenn auf die Schilderung einer problematischen Situation (bspw. im Bereich Wohnen) nicht mit einer konkreten Unterstützung reagiert wird. In derartigen Fällen fragen sich Betroffene (zu Recht), warum die Fragen gestellt wurden. Das im Folgenden vorgestellte Instrument ist als Basisinstrument zu verstehen, das vor seinem Einsatz inhaltlich an die konkreten Zielsetzungen der jeweiligen arbeitsmarktbezogenen Maßnahme anzupassen ist.2 1 Die im integrachart® erhobenen Bereiche sind laut Datenschutzgesetz teilweise sensible Daten. 2 Ausgehend von den Projektzielsetzungen und -angeboten muss festgestellt werden: a) Welche Themen in der Anamnese auf jeden Fall erhoben werden müssen, um eine „Diagnose“ vornehmen zu können, und b) bei welchen Themenfeldern die Maßnahme Unterstützung bietet. So können jene diagnostischen Fragen, die die für die jeweilige Maß-
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Dauer: Das Ausloten der Ausgangssituation sowie der Abgleich von Selbstund Fremdwahrnehmung in den erhobenen Themenbereichen sind je nach Situation und Kontext unterschiedlich intensiv. Um einen entsprechend reflektierten Prozess zu ermöglichen und trotzdem zu einer Diagnose zu kommen, wird festgelegt, dass die Diagnostik spätestens drei Monate nach Eintritt in die Organisation abgeschlossen sein muss. Wenn die Situation der Person zu einem früheren Zeitpunkt für eine gemeinsam getragene Diagnose ausreichend genau ausgeleuchtet wurde respektive wenn die Gesamtmaßnahmendauer eine raschere Diagnostik erfordert, so ist die Diagnose früher zu stellen. Ist auch nach drei Monaten noch kein verlässlicher Überblick erreicht, so wird empfohlen, an dieser Stelle einen Punkt zu setzen und den zu diesem Zeitpunkt gegebenen Stand zu dokumentieren. Abgeschlossen wird der Prozess der arbeitsmarktbezogenen Diagnose mit der Erstellung des Integrationsplans, der ausgehend von einer visualisierten Darstellung der Ausgangssituation Zielsetzungen, Meilensteine und Aufgabengebiete definiert und festlegt. Spätestens an dieser Stelle muss zwingend ein Abgleich der Situationseinschätzungen von BeraterIn/TrainerIn/Case ManagerIn und KundIn erfolgt sein. Voraussetzungen seitens der KundInnen: Reichen die Sprachkenntnisse der KundInnen für eine ausführliche Auslotung der relevanten Fragestellungen nicht aus, so ist ein muttersprachliches Vorgehen zu empfehlen. Technische Voraussetzungen seitens der BeraterInnen: Das integrachart® bedarf einer EDV-basierten Dokumentationsstruktur, um in seiner vollen Funktionsfähigkeit genutzt werden zu können. Diese übersetzt die Einstufungen in nahme relevanten Bereiche betreffen, ausgewählt oder generiert werden. Die Gesamtheit der je Maßnahme ausgewählten Fragestellungen bildet das maßnahmenspezifische arbeitsmarktbezogene Diagnoseinstrument. Diese Vorgangsweise gewährleistet unter der Voraussetzung, dass die Fragen und Antwortmöglichkeiten je Bereich standardisiert sind, maximale Adaptabilität des Instrumentes bei gleichzeitig maximaler Vergleichbarkeit der Dokumentationen innerhalb der einzelnen Bereiche. Konkret: Wenn die Wohnungssituation nur in ausgewählten Maßnahmen eine Rolle spielt und daher auch nur in ausgewählten Maßnahmen in die Diagnostik einbezogen wird, so können die quantitativen Verteilungen – nachdem die Frage und die Antwortmöglichkeiten standardisiert formuliert sind – bei allen Maßnahmen, die diese Frage in die Diagnostik einbeziehen, verglichen werden. Ebenso kann untersucht werden, welche Zusammenhänge zwischen den Wohnungsproblematiken und erzielten Maßnahmenergebnissen bei den einzelnen Maßnahmen beobachtbar sind.
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den einzelnen Bereichen automatisch in eine visualisierte Übersicht über die aktuelle Ausgangslage des Kunden/der Kundin. Auf Ebene der BeraterInnen sind ein entsprechendes Wissen um das (regionale) Arbeitsmarktgeschehen sowie ausreichende Beratungskompetenzen vorauszusetzen. Ergebnis: Ergebnis ist eine fundierte arbeitsmarktbezogene Diagnostik, die die Ressourcen und Problemlagen einer arbeitsuchenden Person mit Blick auf seine/ihre Arbeitsmarktintegration auf den Punkt bringt und so eine gute Basis für die Entwicklung einer Arbeitsmarktintegrationsstrategie bildet. Die unmittelbare Visualisierung des Diagnoseergebnisses setzt die Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdwahrnehmung voraus und unterstützt das Empowerment der KundInnen. Im laufenden Unterstützungsprozess bietet das Instrument die Möglichkeit, Situationsverbesserungen und Teilerfolge sichtbar zu machen. Gerade diese Ebene wird von den BeraterInnen als hoch motivierend für die Betroffenen bezeichnet.
1.2. (Theoretischer) Hintergrund des integrachart® Theoretischer Hintergrund des Instruments waren einerseits das von Peter Pantuček für den sozialarbeiterischen Kontext entwickelte Inklusions-Chart 2 (kurz IC2) (vgl. Pantuček 2009, S. 214–238), andererseits das bereits genannte Methodenset zur Operationalisierung von Employability von Apel und Fertig. Ersteres, ein Instrument zur Einschätzung der Lebenslage und zur Erleichterung der Interventionsplanung in der Sozialen Arbeit, bildete Rahmen und gab Struktur. Die im IC2 abgefragten Themenfelder dienten der Orientierung bei Adaption des Charts für den arbeitsmarktbezogenen Kontext. Zweiteres, das Konzept der Employability von Apel und Fertig, fokussiert den unmittelbaren arbeitsmarktbezogenen Kontext und geht auf arbeitsmarktbezogene Basiskompetenzen ein und war deshalb in der Auswahl und Ausformulierung der einzelnen Fragen hilfreich. Bei der Auswahl und Ausformulierung der einzelnen Bereiche fanden folgende Grundsätze Berücksichtigung: -- Die Bereiche wurden so gewählt, dass all jene Ebenen, die die grundlegenden Arbeitsmarktintegrationschancen unmittelbar beeinflussen, abgefragt werden. -- In der Ausformulierung der Bereiche wurde so vorgegangen, dass BeraterIn nen anhand des beobachtbaren Verhaltens (wie etwa des Verhaltens in der
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Beratungs-/Trainingssituation), der vorhandenen Befunde oder auf Basis überprüfbarer Kriterien Einordnungen treffen können. Letzteres ist etwa im Bereich der formalen Qualifikationen der Fall. Dezidierte Testungen oder Begutachtungen sollten nur dann durchgeführt respektive beauftragt werden, wenn eine Bewertung der Situation (bspw. im gesundheitlichen Bereich) ohne ein derartiges Gutachten nicht möglich ist. -- Schließlich wurde für jene Felder, in denen eine Verobjektivierung nur sehr schwer oder gar nicht möglich ist (bspw. „Reicht das Kompetenzniveau für eine ausbildungsadäquate Vermittlung am Arbeitsmarkt?“ oder „Müssen in der Wahl einer geeigneten Arbeitsstelle gesundheitliche Einschränkungen berücksichtigt werden?“), so ausdifferenziert, dass die aktuelle Situation des Kunden/der Kundin gemeinsam vor dem Hintergrund einer passenden Arbeitsmarktintegration bewertet werden muss. So wird gewährleistet, dass die arbeitsuchende Person in der Selbstverantwortung bleibt und das Wissen und die Erfahrungen des/der ProfessionistIn gut eingespielt werden. -- Für alle Themenfelder sind standardisierte Fragen und Antworten vorgegeben, um statistische Auswertungen und Benchmarking zu ermöglichen.
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1.3. Zur Arbeit mit dem integrachart® 1.3.1. Vorgangsweise, Einstufungen, Interventionsvorschläge und -ergebnisse Vorgangsweise in der Diagnostik: Die Eintragungen in das integrachart® erfolgen durch die Case ManagerInnen/BeraterInnen/TrainerInnen im Rahmen der Anamnese. In jenen Fällen, in denen Selbst- und Fremdbild divergieren, d.h., wenn die/der Case ManagerIn/BeraterIn/TrainerIn eine andere Sichtweise auf die Problemlage als ihr(e)/sein(e) Kunde/Kundin hat, ist der Befund der Case ManagerIn/BeraterIn/TrainerIn maßgeblich und einzutragen. Einstufungen: Die Einstufungen in den einzelnen genannten Dimensionen sollen zu Beginn der Teilnahme erfolgen, können aber, wenn einzelne Themen erst im Laufe der Beratung erkennbar und relevant werden, innerhalb der ersten drei Monate entsprechend nachgeholt oder auch geändert werden. Eine möglichst genaue und realistische Einstufung ist von zentraler Bedeutung sowohl für die angemessene Diagnose und Interventionsplanung im Beratungskontext als auch für die Wirksamkeitsmessung. Die abgeschlossenen Einstufungen bilden die Basis für den Integrationsplan. Interventionsvorschläge und -ergebnisse: Während in allen vorab ausgewählten Themenbereichen Einstufungen vorgenommen werden müssen, ist nicht vorgesehen, dass alle von dem/der Case ManagerIn/BeraterIn/TrainerIn gewählten Interventionen dokumentiert werden. Diese sollen nur in jenen Bereichen festgehalten werden, in denen explizit nach Interventionsvorschlägen gefragt wird. Für jeden dokumentierten Interventionsvorschlag ist wiederum ein Interventionsergebnis anzugeben, d.h., wenn eine Intervention vorgeschlagen wurde, muss es dazu auch ein Interventionsergebnis geben. Das Interventionsergebnis ist in zwei Fragestellungen unterteilt. Die erste erhebt, ob und wie der Interventionsvorschlag vom Klienten/von der Klientin angenommen und umgesetzt wurde. Die zweite Frage geht auf das Ergebnis bereits abgeschlossener Interventionen ein. Wenn eine Intervention zuerst abgelehnt, zu einem späteren Zeitpunkt jedoch angenommen wird, dürfen entsprechende Änderungen vorgenommen werden. Interventionsergebnisse müssen spätestens zu Beratungsende dokumentiert werden.
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1.4.
Erläuterungen und Ausfüllhilfen zum integrachart®
1.4.1.
Allgemeine Informationen zur Person in der Eintritts-
und Austrittsphase
In dem Abschnitt „Personenstammdaten“ werden die soziodemografischen Daten: Geschlecht, Alter, Staatsbürgerschaft und höchste abgeschlossene Ausbildung erfasst. Zur detaillierteren Erfassung der Ausgangslage von Personen mit Migrationshintergrund wird das Land, in dem die angeführte Ausbildung absolviert wurde, erhoben. 1.4.1.1. Höchste abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung – formale Situation In diesem Punkt geht es darum, das vorhandene formale Ausbildungsniveau der TeilnehmerInnen, unabhängig davon, ob dieses am Arbeitsmarkt akzeptiert wird oder nicht, zu erfassen. Basis für die Einstufung sind vorhandene Ausbildungsabschlüsse, die durch Zeugnisse belegbar sind. Ausbildungen, die begonnen, aber nicht abgeschlossen wurden, sind nicht zu dokumentieren. Ausbildungen, die im Ausland erworben wurden und im Land der Maßnahmendurchführung nicht anerkannt sind, sind hier nicht zu dokumentieren. In diesen Fällen gilt ebenso wie bei abgebrochenen Ausbildungen, dass das (darunter liegende) höchste abgeschlossene respektive im jeweiligen Land anerkannte Ausbildungsniveau zu dokumentieren ist. 1.4.1.2. Höchste vermittlungsrelevante Schul- oder Berufsausbildung Um die Differenz zwischen formalem und arbeitsmarkt- bzw. vermittlungsrelevantem Qualifikations-, eigentlich sollte man formulieren Kompetenzniveau, sichtbar zu machen und auch, um systematisch mehr an Wissen über vorhandene und relevante, auf formaler Ebene aber nicht abgebildete Kompetenzen zu generieren, soll parallel zum formalen Qualifikationsniveau auch das vermittlungsrelevante Kompetenzniveau festgehalten werden. Die Erfahrung in der Arbeitsvermittlung zeigt, dass nicht alle formalen Ausbildungsabschlüsse am Arbeitsmarkt auch Akzeptanz finden. So verlieren FacharbeiterInnenausbildungen von Menschen, die nach der Lehrabschlussprüfung jahrelang einer Hilfstätigkeit oder einer grundlegend anderen Tätigkeit nachgegangen sind, an Vermittlungsrelevanz. Auch im Ausland erworbene Qualifikationen, die in Österreich nicht nostrifiziert werden, können in der Arbeitsvermittlung zumeist nicht berücksichtigt werden. Umgekehrt können langjährige praktische
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Erfahrungen in einem Tätigkeitsfeld einen fehlenden Ausbildungsabschluss zumindest nahezu neutralisieren und eine qualifizierte Arbeitsaufnahme ermöglichen. Diese Dynamiken können durch die zweite Einstufung, jene des vermittlungsrelevanten Qualifikationsniveaus der Person in Punkt 1.15 sichtbar gemacht werden. Basis für diese Einstufungen ist das Niveau der Stellen, die für die Person ausgehend von ihren Ausbildungen und Erfahrungen aktuell – ohne weiterführende Qualifizierungseinheit – gesucht werden können. Geht es in der Maßnahme nicht um die Stellensuche, sondern um die Wahl einer geeigneten Ausbildung, so ist das für die Person mit Blick auf eine Ausbildung relevante Kompetenzniveau einzustufen.
1.4.2.
Daten zur Maßnahmenbeendigung
1.4.2.1. Beendigungsart Als abgeschlossen gilt eine Maßnahme, wenn es zwischen dem/der MaßnahmenteilnehmerIn und der Maßnahmenleitung ein Einvernehmen darüber gibt, dass die Maßnahmenteilnahme an dieser Stelle zu beenden ist. Die Gründe, die zu dieser Beendigung führten, werden unter Pkt. 2.17 angeführt. Als abgebrochen gilt eine Maßnahme, wenn der/die TeilnehmerIn, ohne das Einvernehmen mit der Maßnahmenleitung herzustellen, die Maßnahme beendet. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Person anruft und den/die Case ManagerIn/BeraterIn/TrainerIn darüber informiert, nicht mehr teilnehmen zu wollen, oder wenn eine Person nicht mehr erreichbar ist und auch nicht mehr erscheint. Auch wenn die Maßnahmenleitung in diesen Fällen die Teilnahme der Person abmeldet, ging die Beendigung selbst von dem/der TeilnehmerIn aus. Ein Ausschluss liegt vor, wenn die Maßnahmenleitung die Person von der Teilnahme ausschließt. Dieser Umstand tritt gemeinhin dann ein, wenn TeilnehmerInnen stark gruppenschädigendes Verhalten zeigen, das auch nach mehrfacher Ermahnung und Besprechung unverändert ist. 1.4.2.2. Beendigungsgründe Neben der Art der Maßnahmenbeendigung ist auch der Grund für diese Beendigung aufschlussreich. Unter Maßnahmenziele erreicht sind jene Teilnahmen zu verbuchen, die beendet werden, weil die vorab gemeinsam definierten Zielsetzungen (bspw. vollversicherungspflichtige Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt im Ausmaß von zumindest 30, 60 oder 90 Tagen, Antritt einer Qualifizierungsmaßnahme oder Vereinbarung über die weiteren beruflichen Integrati-
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onsschritte) erreicht wurden. Was konkret unter dem Kürzel „Maßnahmenziele erreicht“ subsumiert wird, kann sehr divers sein. Die offene Antwortform wurde gewählt, weil die Erfahrung zeigt, dass die konkreten Ziele, die für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen definiert werden, im Detail sehr oft wechseln. So kann einerseits der programmiertechnische Wartungsaufwand gering gehalten werden, andererseits eine verlässliche Information darüber abgerufen werden, wie viele TeilnehmerInnen die Maßnahme im Sinne der jeweils definierten Zielsetzung erfolgreich abschlossen. Die Antwortmöglichkeit Weiterleitung an andere Unterstützungsform kommt dann zum Tragen, wenn in der Maßnahme festgestellt wurde, dass der Person an anderer Stelle besser geholfen werden kann und die Person diese andere Unterstützung auch nachweislich, d.h. von der/dem datenverantwortlichen Case ManagerIn/BeraterIn/TrainerIn überprüft, antritt. Arbeitsunfähigkeit/Pensionsantritt ist dann als Beendigungsgrund zu wählen, wenn die Arbeitsunfähigkeit der Person durch die Pensionsversicherungsanstalt bestätigt wurde und/oder bereits ein Übertritt in die Invaliditäts- oder Alterspension erfolgte. Eine Pensionsantragsstellung ist hierfür unzureichend. Langzeitkrankenstand und Haftantritt müssen zumindest 30 Tage andauern, um als Beendigungsgründe in die Dokumentation aufgenommen werden zu können. 1.4.2.3. Unmittelbare Maßnahmenergebnisse Schließlich soll das Gesamtergebnis, das während und durch die Maßnahmenteilnahme erreicht wurde, dokumentiert werden. Als anderes Ergebnis sind unter Punkt 2.18 Lösungen von Wohnungsfragen, persönliche Stabilisierungen, Therapieaufnahmen etc. zu dokumentieren. Die Antwortoption „Kein Ergebnis“ soll dann gewählt werden, wenn die arbeitsmarktbezogene Situation der TeilnehmerInnen bei Maßnahmenaustritt mehr oder weniger ihrer Situation bei Maßnahmeneintritt entspricht. Dies kann etwa bei Abbrüchen der Fall sein oder bei Teilnahmen, in deren Verlauf es nicht gelingt, neue Sichtweisen aufzuarbeiten oder Klärungen zu erreichen.
1.4.3. Ressourcen und Problemlagen – Rahmenbedingungen für den Arbeitssuchprozess Auf dieser Ebene werden die Zugangsbedingungen der KundInnen zum Arbeitsmarkt ausgelotet, um eine entsprechende Vermittlungsstrategie und einenArbeitsplatz suchen zu können.
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Beschäftigung in den letzten zwei Jahren zum Zeitpunkt des Eintritts in die Maßnahme: Mit dieser Fragestellung wird erhoben, ob die Person in den letzten zwei Jahren vollversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse aufweist und somit Anwartschaften nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz erworben hat. Zugleich erlaubt die Fragestellung Rückschlüsse auf die vorhandene Arbeitspraxis des Teilnehmers/der Teilnehmerin. Das etwaige Fehlen von Arbeitspraxis im Zusammenhang mit einer formalen Ausbildung kann später in Pkt. „Vermittelbarkeit aufgrund der Qualifikation“ nochmals eigens erfasst werden. Mobilität: Unter diesem Punkt wird dokumentiert, wie mobil die KundInnen sind. Ob und inwiefern das Fehlen eines Führerscheins oder Autos als massives Vermittlungshindernis einzustufen ist, hängt vom regionalen Lebensmittelpunkt der KundInnen ab und davon, ob für das angestrebte Arbeitsfeld ein Führerschein/Auto benötigt wird. Weiterbildungsinteresse und -teilnahme: In der Begleitung von Menschen in Fragen der Arbeitsmarktintegration ist zentral, ob diese von sich aus Weiterbildungsinteresse zeigen oder im umgekehrten Extremfall Weiterbildung strikt ablehnen. Die Fragestellung beleuchtet, ob – falls sich Weiterbildungsbedarfe gezeigt haben – prinzipielles Interesse an einer Weiterbildung besteht oder hierfür Überzeugungs- und Motivationsarbeit notwendig ist. Als Orientierungsrahmen dient das vom Kunden/von der Kundin praktizierte Weiterbildungsverhalten in den letzten beiden dem Maßnahmeneintritt vorangegangenen Jahren, wobei als unfreiwillig erlebte Weiterbildungsteilnahmen nicht herangezogen werden sollen. Kommunikationsbasis und Erreichbarkeit: In dieser Dimension wird erhoben, wie leicht oder schwer es ist, mit dem Kunden/der Kundin in Kontakt zu treten. Daraus können wesentliche Rückschlüsse auf die Gestaltung der Vermittlungsprozesse abgeleitet werden. Private Unterstützung in der Arbeitssuche: Das Vorhandensein sozialer Netzwerke kann die Arbeitssuche entscheidend beeinflussen. Daher wird erhoben, ob die Person auf private Unterstützung zurückgreifen kann – diese kann in Form emotionaler oder interessierter Anteilnahme bis hin zu konkreten Stellenvorschlägen und Bewerbungstipps erfolgen. Am anderen Ende dieser Skala stehen Personen, die vom Umfeld bei der Arbeitssuche behindert werden. Diese Dimension lässt Rückschlüsse auf die Intensität der notwendigen Unterstützungsleistungen zu.
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Unbescholtenheit: Strafrechtlich relevante Gesetzeskonflikte dürfen nur dann dokumentiert werden, wenn für eine Person Ausbildungen oder Stellen, die eigentlich aufgrund ihres Kompetenzniveaus infrage kämen, dadurch nicht mehr zugänglich sind und wenn bei einer Bewerbung im Zielberufsfeld ein Leumundszeugnis vorgelegt werden muss. 1.4.4. Ressourcen und Problemlagen – Existenzielle Basis Im Bereich „Existenzielle Basis“ wurde der Fokus auf zwei für die Arbeitssuche wesentliche Themenbereiche gelegt: die Wohnsituation und die finanzielle Basis. Problematische Wohnsituationen und/oder finanzielle Problemkonstellationen sollen aber nur dann in die Dokumentation Eingang finden, wenn die individuelle Ausbildungs- oder Arbeitsplatzwahl dadurch beeinflusst wird (weil bspw. die Arbeitssuche dadurch in den Hintergrund gedrängt wird oder weil die Inhalte der Maßnahme auf diesen Bereich abgestimmt werden, z.B. bei einem Case Management). Wohnsituation: Die Einstufung in dieser Fragestellung soll prinzipiell die aktuelle Situation des Kunden/der Kundin widerspiegeln, wobei ein bereits drohender Wohnungsverlust bspw. durch Scheidung oder das Auslaufen eines Mietvertrages mitberücksichtigt werden soll. Die Wohnsituation sollte dann und nur dann im Kontext Arbeitsmarkt bearbeitet werden, wenn diese die Vermittelbarkeit des Kunden/der Kundin oder seine/ihre Teilnahme an einer Qualifizierung negativ beeinflusst. Dies ist jedenfalls bei jungen Erwachsenen, die in einer gewalttätigen Familie, oder bei Frauen, die in gewalttätigen Beziehungen leben, der Fall. Besteht bei im Familienverband lebenden jungen Erwachsenen der Wunsch nach einer eigenen Wohnung und stellt sich seine/ ihre Wohnsituation in der Familie als unproblematisch dar, bestünde unter arbeitsmarktbezogenen Gesichtspunkten kein Interventions- und damit Dokumentationsbedarf. Lebt jemand in einer stabilen Wohnsituation (z.B. bei dem/ der PartnerIn, in einer Wohngemeinschaft etc. und ist dort zufrieden), besteht desgleichen kein Bearbeitungsbedarf. Finanzielle Situation: Im Bereich „Finanzielle Situation“ wird – wenn dies für die Arbeitsmarktintegration der Person notwendig ist – erhoben, ob und inwiefern eine schuldenbelastete Lebenssituation die Vermittlungschancen beeinträchtigt. Orientierungsrahmen ist nicht die absolute Höhe des Schuldenstandes, sondern ob dieser geregelt oder unübersichtlich ist. Eine „unübersichtliche finanzielle“ Situation ist dann gegeben, wenn die Personen ihren
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Schuldenstand nicht überblickt und noch keine Schuldenregelung eingeleitet wurde. 1.4.5. Ressourcen und Problemlagen – Persönliche Ausgangssituation Gesundheitliche Basis: Die gesundheitliche Basis einer Person ist vor dem Hintergrund der für sie grundsätzlich infrage kommenden Tätigkeiten zu bewerten. Orientierungsrahmen für diese Einstufung sind Berichte und arbeitsmedizinische Befunde der Person, die Auskunft darüber geben, ob und welche gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen. Ist dem/der BeraterIn eine derartige Einstufung nicht möglich, so muss eine arbeitsmedizinische Abklärung erfolgen, die Klarheit darüber schafft, in welchen Bereichen Stellen gesucht werden können. Deutschkenntnisse und sprachliche Ausdrucksfähigkeit im Hinblick auf die Bewerbungssituation: In dieser Dimension werden die Deutschkenntnisse der Person und mögliche sprachliche Unterstützungsbedarfe im Sinne einer erfolgreichen Bewältigung von schriftlichen und mündlichen Bewerbungssituationen abgebildet. Es geht dabei NICHT um allgemeine Bewerbungskompetenzen, sondern bewertet und eingestuft werden soll, ob die Person sprachlich in der Lage ist, in deutscher Sprache stattfindende Bewerbungssituationen erfolgreich zu bewältigen. Nachdem das für die Bewerbung – und später für die Erfüllung der Arbeitsanforderungen – notwendige sprachliche Niveau bei Hilfstätigkeitsstellen ein gänzlich anderes ist als jenes bei bspw. Sekretariatsstellen bildet in der Einstufungsarbeit der jeweils angepeilte Tätigkeitsbereich hierfür die Hintergrundfolie. Fehlende Deutschkenntnisse und „Deutschkurs“ als Interventionsvorschlag sind somit in dieser Dimension einzutragen und nicht in der Dimension „Vermittelbarkeit aufgrund der Qualifikation“ (siehe unten). Zeigt sich in der Unterstützungsarbeit, dass die Person nicht nur eine problematische Ausgangsbedingung im schriftlichen und mündlichen Sprachgebrauch, sondern darüber hinaus auch Basisqualifizierungsdefizite (bspw. Lesen, Rechnen) aufweist, so sind die Artikulationsprobleme unter der Rubrik „Deutschkenntnisse und sprachliche Ausdrucksfähigkeit im Hinblick auf die Bewerbungssituation“ und die Basisqualifizierungsdefizite unter „Vermittelbarkeit aufgrund der Qualifikation“ zu dokumentieren. Vermittelbarkeit aufgrund der Qualifikation: Die Dokumentation der beruflichen Kompetenzen ist im Hinblick auf zugängliche und für die Person aufgrund ihrer Kompetenzen und Erfahrungen passenden Stellen zu beleuchten.
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Das heißt, Orientierungsrahmen hierfür ist die Angemessenheit des jeweiligen Qualifikationsniveaus für das angestrebte für die Person grundsätzlich passende Tätigkeitsfeld, also jene Arbeitsstellen, die für die Person 1) aufgrund ihrer physischen, psychischen und sozialen Situation und Belastbarkeit, 2) ihrer formalqualifikatorischen Ausgangslage, 3) ihrer praktisch erworbenen Kompetenzen und Arbeitserfahrungen, 4) ihrer zeitlichen und regionalen Mobilität und 5) der Nachfrage am (regionalen) Arbeitsmarkt grundsätzlich geeignet wären und von der Person auch angestrebt werden. „Grundsätzlich geeignet“ meint, dass auch ein Qualifizierungsschritt notwendig sein kann, um für die Stellen qualifiziert zu sein. Die Eintragungsmöglichkeiten in dieser Dimension reichen generell von ausreichender Ausbildung über Schulungsbedarf – differenziert nach Aktualisierungs-, Umschulungs- und beruflichem Erstausbildungsbedarf – bis hin zur Notwendigkeit des Erwerbs von Basisqualifikationen. Auch werden eine mögliche fehlende Arbeitspraxis bei gegebener formaler Ausbildung und fehlende Basisqualifizierungen erfasst. Im Ausland abgeschlossene Ausbildungen können ebenso wie im Inland erworbene Ausbildungen und Arbeitspraxis vor dem Hintergrund ihrer Aktualität und Bedeutung für den heimischen Arbeitsmarkt bewertet und geprüft werden. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Ausbildung am heimischen Arbeitsmarkt anerkannt ist oder erst anerkannt werden muss. Handelt es sich um eine nicht anerkannte Ausbildung muss überlegt werden, ob die Person Teile der Ausbildung an Stellen im weiteren Umfeld der ausländisch erworbenen Qualifikationen verwerten kann, bis eine Anerkennung der Kompetenz erfolgt ist. Zu beachten ist in diesem Kontext weiters – unabhängig davon, ob Ausbildungen im In- oder im Ausland erworben wurden –, dass Ausbildungen, die vor vielen Jahren erworben wurden, ohne einschlägige Berufspraxis sehr oft von Unternehmen nicht mehr akzeptiert werden. In diesen Fällen ist zumindest von einem Aktualisierungsbedarf der erworbenen Kompetenzen auszugehen. Sollten in einem Beratungsprozess mehrere Weiterbildungsvorschläge unterbreitet und angenommen worden sein, ist am Ende der Maßnahmenteilnahme das Ergebnis jener Weiterbildung zu dokumentieren, die zuletzt besucht und abgeschlossen wurde. Wesentlich ist in dieser Einstufungsarbeit die Balance zwischen einer möglichst optimalen Berücksichtigung der Ressourcen und Potenziale der Person und der möglichst realitätsnahen Beurteilung der Erfolgschancen der Person im angepeilten Feld – unter Umständen auch in der dafür notwendigen Aus-
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bildung. Diese Einstufung kann als zentral gelten, da bspw. Personen ohne Weiterbildungsinteresse mit Basisqualifizierungsdefiziten bei entsprechender Nachfrage nach passenden Hilfstätigkeitsstellen geraten werden kann, eine Stelle als Hilfskraft anzutreten. In diesem Fall reicht das vorhandene Qualifikationsniveau für die zugänglichen Stellen und ist die Einstufung „kein Schulungsbedarf“ vorzunehmen. Hat die Person aber Interesse an einem Nachholen von Ausbildungsabschlüssen und an einer qualifizierteren Positionierung am Arbeitsmarkt, entspräche diese Einstufung nicht dem Grundsatz, den Ressourcen und Potenzialen der KundInnen unter Berücksichtigung der (regionalen) Nachfrage nach Arbeitskräften zu entsprechen. Konkret würden bei einem solchen Vorgehen weder das Entwicklungsinteresse der Person berücksichtigt werden noch die absehbaren Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Folglich müsste mit der betroffenen Person mit Blick auf die Arbeitsmarktdynamik im Bereich niedrigstqualifizierter Stellen an einem für sie intellektuell, finanziell und zeitlich realisierbarem Höherqualifizierungsplan gearbeitet und eine entsprechende Einstufung vorgenommen werden. Betreuungs- und/oder Pflegeaufgaben: Die Betreuungs- und Pflegeaufgaben einer Person werden dahingehend bewertet, ob sie einen möglichen Beschäftigungsantritt beeinflussen. Zu dokumentieren ist, ob unter Berücksichtigung der vorhandenen Betreuungsverpflichtungen eine Geringfügige Beschäftigung, Teilzeit oder Vollzeitbeschäftigung möglich ist. Erfolgserwartung: Mit der Dimension Erfolgserwartung werden die subjektive Einstellung und damit das Selbstvertrauen sowie die Zuversicht der betreuten KundInnen abgeklärt. KundInnen müssen hierfür die Frage beantworten, ob sie glauben, innerhalb eines Jahres eine Arbeitsstelle zu finden. Im Antwortverhalten sind Hinweise enthalten, ob und in welchem Ausmaß die Notwendigkeit gegeben ist, die Person auch immer wieder emotional zu unterstützen.
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1.4.6. Gibt es akut im Vordergrund stehende und daher vordringlich zu bearbeitende Probleme Mit den Einstufungen des integrachart® werden die Problemlagen der KundInnen beschrieben und Mehrfachbelastungen abgebildet, ohne dass sich daraus zwangsläufig Priorisierungen der Problemlösungsstrategien ableiten lassen. Diese gilt es, in der Betreuung festzulegen. Als Hilfestellung hierfür wird in dieser Dimension gesondert erfasst, ob aktuell und vordringlich zu behandelnde Problemlagen (neben der Arbeitslosigkeit) bearbeitet werden müssen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Menschen mit familiären Problemen emotional oder auch zeitlich sehr stark beschäftigt und daher von einer Auseinandersetzung mit Arbeitssuchfragen abgelenkt sind. In der Arbeitspraxis stellt sich in derartigen Fällen nicht die Frage, mit welchem Problembereich zu arbeiten begonnen wird, sondern es muss mit dem als aktuell im Vordergrund stehenden identifizierten Problem begonnen werden. Dokumentiert werden sollen maximal zwei derartige Probleme.
1.5. Integrationsplan und individueller Abschlussbericht auf Basis der Eintragungen ins integrachart® In einer EDV-basierten Umsetzung des integrachart® generieren sich auf Grundlage dieser Einstufungen automatisch die ersten Seiten des Integrationsplans. Der Integrationsplan entspricht einem verschriftlichten Kontrakt zwischen BeraterIn/TrainerIn/Case ManagerIn und KundIn, der die Ausgangslage, die während der Maßnahme zu erreichenden Zielsetzungen sowie die dazu notwendigen Schritte festhält. Dadurch soll das Arbeitsbündnis gefestigt und eine von BeraterIn/TrainerIn/Case ManagerIn und KundIn gemeinsam getragene Unterstützungsleistung befördert werden. Technisch betrachtet ist der Integrationsplan eine druckfähige, mehrseitige Vorlage, bestehend aus einem Titelblatt, einer grafischen Darstellung der Ausgangssituation der Kundin/des Kunden, der Zielvereinbarungen sowie der Zielerreichungsschritte. Die Einstufungen der Ressourcen und Belastungsfaktoren im integrachart® werden – in einfache Worte übersetzt – automatisiert in eine grafische Darstellung als „aktuelle Ausgangslage der Person“ übernommen. Die Zielvereinbarungen, die gemeinsam von Case ManagerIn und K undIn schriftlich im Integrationsplan festgehalten werden, zeigen den Weg zum
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übergeordneten Ziel der gemeinsamen Arbeit und die Teilschritte, die zur Erreichung dieses Zieles gesetzt werden. Für diese Teilschritte werden zeitliche Meilensteine und Indikatoren, an denen die Zielerreichung erkennbar ist, sowie Verantwortlichkeiten festgelegt. Der Integrationsplan wird spätestens drei Monate nach Betreuungsbeginn erstellt und von der Kundin/dem Kunden unterzeichnet. Die KundInnen erhalten dadurch einen guten Überblick über ihre aktuelle Situation, auf deren Basis die Priorisierung und Bearbeitung einzelner Problembereiche vorgenommen und die notwendigen Schritte zur Integration überblickbar werden. Zugleich muss spätestens in diesem Prozess eine von BeraterIn/TrainerIn und betreuter Person gemeinsam getragene Sichtweise der Ausgangssituation erarbeitet werden bzw. worden sein. In weiterer Folge begleitet dieser Integrationsplan den Beratungsprozess und gibt so allen am Beratungsprozess beteiligten Personen laufend einen guten Überblick darüber, welche Problemstellungen bereits gelöst wurden, welche noch zu bearbeiten sind und vor allem auch auf welche Ressourcen die Person zurückgreifen kann. Dies erfolgt dadurch, dass maßgebliche Veränderungen (wie etwa eine geklärte Wohnungsfrage oder eine erfolgte Aktualisierung von Kompetenzen) laufend visualisiert werden. Diese Ebene – das Visualisieren von Fortschritten – ist, so wird von NutzerInnen des Instrumentes berichtet, ein zentraler Motivator für die KundInnen, insbesondere dann, wenn sie eine Mehrzahl an Problematiken zu bearbeiten haben. Schließlich kann auf dieser Grundlage und nach dem gleichen Modell zu Maßnahmenende eine visualisierte Abschlussberichterstattung beispielsweise an die öffentliche Arbeitsverwaltung erfolgen: In diesem Fall ist genauso wie in den laufend adaptierten Integrationsplänen in den einzelnen Dimensionen nicht nur ein Balken, der wie in folgender Abbildung gezeigt, die Ausgangssituation des/der Betroffenen visualisiert, dargestellt, sondern dieser wird begleitet von jeweils einem zweiten Balken, der die Situation zu Maßnahmenende verdeutlicht. An diesen visualisierten Fortschrittsbericht kann ein Textteil angeschlossen werden, der Auskunft darüber gibt, warum es während der Maßnahmenteilnahme (noch) nicht gelang, eine Arbeitsvermittlung zu erreichen, und es kann ausgeführt werden, welche weiteren Schritte vorgeschlagen werden. Mit einem derartigen Einsatz des Instrumentes könnten BeraterInnen der öffentlichen Arbeitsverwaltungen individualisiert und zeitsparend einen aussagekräftigen Überblick über die in und durch die Maßnahme erzielten Veränderungen erhalten. Bedingt durch die Tatsache, dass dieser visualisierte Ab-
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schlussbericht jedenfalls auch mit den Betroffenen besprochen werden muss, ist von einer hohen Validität der Dokumentation auszugehen. Zudem wird dadurch eine kontinuierliche Unterstützungsleistung über Maßnahmen- und Institutionsgrenzen hinweg vorangetrieben. Folgende Darstellung zeigt exemplarisch einen Integrationsplan, wie er zu Maßnahmenbeginn erstellt wird. Abb. 6: Der Integrationsplan in seiner Ausformulierung zu Maßnahmenbeginn
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1.6. Das integrachart® Jugendliche – eine exemplarische Adaption für eine spezifische Zielgruppe Wie vorne ausgeführt, versteht sich das vorgestellte integrachart® als Basismodell, das unter Einhaltung spezifischer Grundregelungen an unterschiedliche Maßnahmen(kontexte) adaptiert werden kann. Folgende Grundsätze müssen in der Adaption des Basismodells berücksichtigt werden, sollen die Dokumentationen auch für andere Personen aussagekräftig und damit auch für Wirkungsanalysen brauchbar sein: - Es dürfen nur jene Themenbereiche erhoben werden, die in der Begleitung der TeilnehmerInnen von Bedeutung sind. Auch wenn die Eintragungen in das integrachart® zusätzlich für Wirkungsanalysen genutzt werden sollen, ist das Instrument selbst kein sozialwissenschaftliches Erhebungs-, sondern ein den Diagnoseprozess strukturierendes und dokumentierendes Instrument für die Praxis. Als solches muss es darauf ausgerichtet sein, jene Informationen zum Fall zu erheben, die für eine arbeitsmarktbezogene Diagnostik notwendig und hilfreich sind. Nicht im Vordergrund steht das Sammeln möglichst vieler Informationen über die TeilnehmerInnen der Maßnahme. - Wenn jedoch Themenbereiche für die jeweilige Diagnostik in der Maßnahme von Bedeutung sind, so sollen diese Informationen nach einem standardisierten Modell dokumentiert werden. Dies deshalb, weil sie nur dann Berücksichtigung in einer Wirkungsanalyse finden können. An dieser Stelle treten also neben die unmittelbar beratungs- und begleitungsbezogenen Anforderungen auch sozialwissenschaftliche. In diesem Sinne wird in der Adaption des Basismodells, die im Folgenden exemplarisch für den Einsatz in Maßnahmen für arbeitsmarkt- und bildungsferne Jugendliche gezeigt wird, so vorgegangen, dass - die Anpassung des integrachart® an den konkreten Maßnahmeninhalt und/ oder an die Zielgruppe durch die Auswahl der Themen, die es in der Diagnostik zu berücksichtigen gilt, erfolgt. - je Themenbereich eine – wiederkehrend in gleichem Wortlaut verwendete – standardisierte Frage- und Antwortformulierung verwendet wird.
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1.6.1.
Jugendspezifische Problemlagen bzw. Problemgruppen und jugendspezifische Bedarfe
Die Situation von Jugendlichen3 am Arbeitsmarkt unterscheidet sich in einigen Bereichen wesentlich von jener Erwachsener. Ein zentraler Unterschied ist die Bedeutung der positiven Bewältigung des Übergangs von der Schule ins Berufsleben. Dieser Übergang gibt die Richtung für eine spätere Platzierung auf dem Arbeitsmarkt vor. Dabei gilt, dass Jugendliche, die länger im Bildungssystem verbleiben, bessere Arbeitsmarktchancen haben. Ob Jugendliche länger im Ausbildungssystem verbleiben können, wird wiederum stark beeinflusst von ihren jeweiligen biografischen Voraussetzungen. So haben Jugendliche, deren Familie sie unterstützt, deutlich höhere Chancen, eine längere berufliche Ausbildung zu absolvieren. Diesen Jugendlichen stehen auch mehr Möglichkeiten offen, z.B. Ausbildungen zu wechseln oder Zweitausbildungen anzuschließen. Jugendliche, die auf keine familiäre Unterstützung zurückgreifen können, sind in ihrer Ausbildungssituation einem erhöhten (Zeit-)Druck und somit auch einem höheren Risiko zu scheitern ausgesetzt. Generell stellt eine abgeschlossene Berufsausbildung immer noch oder sogar immer mehr die wesentlichste Voraussetzung für einen erfolgreichen Eintritt in den Arbeitsmarkt dar. Dies auch dann, wenn der Beginn einer Erwerbskarriere oftmals mit prekären Rahmenbedingungen wie befristeten Verträgen, Zeitarbeit, Projektarbeit etc. einhergeht (siehe Deutsches Jugendinstitut 2011). Benachteiligte und ausgrenzungsgefährdete Jugendliche zeichnen sich oftmals durch fehlendes familiäres Unterstützungspotenzial aus – ein Umstand, der zwar auch bei Erwachsenen Bedeutung hat, bei Jugendlichen jedoch viel schwerwiegender zum Tragen kommt. Warum Jugendliche letztlich die „üblichen Pfade“ verlassen, ist aber schwer auszumachen. Die Lebenskontexte und Merkmale, die zu Benachteiligungen am Arbeitsmarkt führen (bspw. Ausbildungsabbruch), differieren stark, demgemäß variieren auch ihre Bedarfe und Zielperspektiven. Für die Adaption des integrachart® für den Einsatz in Maßnahmen mit der Zielgruppe Jugendliche wurde als theoretischer Hintergrund das deutsche Gutachten „Pfade für Jugendliche in Ausbildung und Betrieb“ (siehe Enggruber et al. 2003) herangezogen, das auf diese Heterogenität Bezug nimmt. Die 3 Als Jugendliche werden vorliegend Menschen unter 25 Jahren verstanden.
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Studie geht von einem relationalen Benachteiligtenbegriff aus. Das bedeutet, Benachteiligungen der Jugendlichen werden durch Schwierigkeiten in der Bildungsbiografie und beim Übergang in eine Erwerbstätigkeit festgemacht. Individuelle Merkmale stehen dabei gleichberechtigt neben konkreten Bedingungen im „Übergangssystem“ – dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Ergebnis sind sieben Benachteiligungstypen mit je unterschiedlichen Ursachen und vor allem auch Interventionsbedarfen zur Beseitigung der einer friktionsfreien Arbeitsmarktintegration im Wege stehenden Benachteiligung: 1. Marktbenachteiligung: Dabei handelt es sich um einen Typus von Jugendlichen, der bis zu seinem missglückten Übergang in den Beruf eine recht erfolgreiche Schulkarriere aufweist. Trotz dieser guten Basis gelingt ihm keine Einmündung in den Arbeitsmarkt. 2. Schulische Überforderung und Leistungsmisserfolg: Die Grundproblematik dieses Typus liegt vor allem in seiner kognitiven Überforderung durch schulische Anforderungen. Selbstwertverlust, Schüchternheit, Zurückgezogenheit oder lautstarkes Auftreten können Folgewirkungen sein. 3. Außerschulische Überforderung und Lebensprobleme: Dabei handelt es sich um Jugendliche, deren kognitive Fähigkeiten gut sind. Aufgrund hoher außerschulischer Belastungen sind sie letztlich für den Arbeitsmarkt jedoch nur eingeschränkt verfügbar. 4. Sinn- und Identitätssuche: Hier handelt es sich um Jugendliche mit hoher kognitiver und sozialer Kompetenz, die durch eine oft radikale Ablösung vom Herkunftsmilieu nach Orientierung und Sinn in gegenkulturellen Milieus suchen. 5. Multiproblematische Herkunftsfamilien mit Gewalterfahrungen: Dazu zählen Jugendliche mit oft eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten, die in ihrer Herkunftsfamilie kaum Förderung erfahren. Sie lassen eine Mehrfachproblematik erkennen und sind oft auch von Gewalterfahrungen betroffen. 6. Protest- und Autonomiebewegte: Die VertreterInnen dieser Gruppe besitzen hohe kognitive Kompetenzen, kommen jedoch oft aus Herkunftsfamilien, in denen sie sich mit sehr komplizierten Beziehungs- und Bindungserfahrungen auseinandersetzen müssen. Diese Jugendlichen zeichnen sich durch sehr ausgeprägte Autonomiebedürfnisse aus und lehnen bestehende Systeme und Strukturen ab. 7. Migrationshintergrund: Mitgliedern dieser in sich sehr heterogenen Gruppe ist sehr oft das Problem der Identitäts- und Heimatsuche zwischen den Kulturen gemein. Zusätzlich spielt bei dieser Zielgruppe mitunter die finanzi-
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elle Ebene eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung für oder gegen eine längere Aus- oder Weiterbildungsteilnahme. Orientiert man sich an den oben genannten sieben Typen und deren Problematiken, so wird deutlich, dass auch arbeitsmarktpolitische Angebote für ausgrenzungsgefährdete Jugendliche sehr differenziert und vor allem unterschiedlich gestaltet werden müssen. Je nach Problemlage zeigen sich unterschiedliche Unterstützungs-, aber auch Kontaktanbahnungs- und Kontakthaltungsbedarfe. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass Interventionen angesichts der verschiedenen Hintergründe der Jugendlichen unterschiedlichste Erfolgschancen haben. In der Adaption des integrachart® für den Einsatz im Rahmen von Jugendmaßnahmen wurde auf die hinter dieser Typologie liegenden Ressourcen und Problemlagen zurückgegriffen. Diese Ressourcen und Problemlagen sind: -- Die kognitive Leistungsfähigkeit -- Die körperliche/psychische Leistungsfähigkeit -- Die soziale Kompetenz -- Die soziale Anerkennung und Eingebundenheit -- Die Arbeits- und Lebensvorstellungen
1.6.2.
Zielgruppe, Zielsetzungen, Einsatzgebiete, Dauer, Voraussetzungen, Ergebnisse
Das integrachart® Jugendliche dient der Erfassung der Ressourcen und Problemlagen exklusionsgefährdeter Jugendlicher sowie der Dokumentation der gesetzten Interventionen und erzielten Interventionsergebnisse. Anders als bei Erwachsenen (siehe Punkt 1.1.) ist die Grundausrichtung der Interventionen bei dieser Altersgruppe erst sekundär auf eine Arbeitsaufnahme hin ausgerichtet. Im Vordergrund stehen eine Integration ins oder der Verbleib im Ausbildungssystem. Zielgruppen des integrachart® Jugendliche sind Early School Leavers4, mit
4 Nach ����������������������������������������������������������������������������������� EU-Definition handelt es sich bei frühen SchulabgängerInnen um Personen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren, die keinen höheren Bildungsabschluss als ISCED 3c (z.B. einjährige Haushaltungsschule) erreichen konnten und sich derzeit nicht in Ausbildung befinden. Bezogen auf das österreichische Bildungssystem bedeutet dies, dass Personen, die keinen Abschluss auf der Sekundarstufe II erreichen konnten, als Early School L eavers gelten. Es handelt sich dabei hinsichtlich ihrer Vorbildung um eine relativ heterogene Gruppe, die von Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss bis hin zu Jugendlichen, die kurz
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik und Wirkungsanalysen – das integrachart®
denen an einem Nachholen von Bildungsabschlüssen gearbeitet werden soll, sowie Jugendliche, bei denen ein frühzeitiges Verlassen des Schulsystems droht. Zielsetzung ist das systematische Ausloten von Ressourcen und Problemlagen, die mit einem Verbleib im Ausbildungssystem verbunden sind, und die Festlegung entsprechender Unterstützungsangebote. Einsatzgebiet: Das integrachart® Jugendliche soll von jenen Organisationen genutzt werden, die auch die weitere Begleitung der Jugendlichen übernehmen. Dauer und Voraussetzungen: siehe Punkt 1.1. Ergebnis: Ergebnis ist eine fundierte arbeitsmarktbezogene Diagnostik, die die Ressourcen und Problemlagen der Jugendlichen mit Blick auf ihre Ausbildungs- und in weiterer Folge arbeitsmarktbezogene Situation auf den Punkt bringt und so eine gute Basis für die Entwicklung einer geeigneten Förderungsund Entwicklungsstrategie bildet.
1.6.3.
Aufbau und theoretischer Hintergrund
Theoretische Grundlage, um das integrachart® für den Einsatz im Rahmen arbeitsmarktbezogener Angebote für Jugendliche adaptieren zu können, waren unterschiedliche Studien zum Thema Early School Leaving und Berufseinmündungen von Jugendlichen, allen voran das bereits erwähnte Gutachten von Enggruber et al.5 Vom Basismodell übernommen wurden jene Themenfelder, die sich hinsichtlich ihrer Bedeutung und Auswirkung auf Arbeitsmarkt- bzw. Ausbildungsintegrationschancen als alters- und lebensphasenunabhängig erwiesen. Dazu zählen die Bereiche: Wohnen, Mobilität, Finanzen, Gesundheit, Unbescholtenheit, Betreuungs- und Pflegeaufgaben sowie Erfolgserwartung. Hintergrund für diese Adaptionen sind jene sechs Wirkfaktoren, die in einschlägig wissenschaftlicher Forschung als kritisch für den Bildungserfolg sowie den Übergang eines/einer Jugendlichen in eine Berufsausbildung und später in vor der Matura bzw. dem Ende der Abschlussklasse ihre Bildungslaufbahn beenden, reicht. Ergänzt wird diese Gruppe von MigrantInnen im selben Alter, deren ausländischen Abschlüsse in Österreich (noch) nicht anerkannt worden sind (siehe Steiner 2009). 5 Siehe Kozeluh 2006; Kontext 2006; Musil 2005; Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit o.J.; Bundesministerium für Bildung und Forschung o.J.; Lünenborg 2010; Thiesen 2010; Frey/Terhart 2010.
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Tab.1: Adaption des integrachart® für die Zielgruppe Jugendliche: Gegenüberstellung der Themenbereiche 102
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integrachart® - Basismodell
Themenbereiche
integrachart® Jugendliche
Beschäftigung in den letzten 2 Jahren Mobilität Integration in das arbeitsmarktrelevante System
Weiterbildungsinteresse und -teilnahme
Berufliche Vorstellungen
Private Unterstützung bei der Arbeitssuche
Unterstützung durch das familiäre Umfeld und FreundInnen
Kommunikationsbasis Unbescholtenheit Wohnsituation
Existenzielle Basis
Finanzielle Situation Gesundheitliche Basis
Persönliche Ausgangssituation
Deutschkenntnisse und sprachliche Ausdrucksfähigkeit im Hinblick auf die Bewerbungssituation
Kompetenzen im Bereich Kulturtechniken vor dem Hintergrund angestrebter Ausbildungen oder Beschäftigungsfelder
Vermittelbarkeit aufgrund der Qualifikation
Höchste abgeschlossene Schul-/ Berufsausbildung Soziale Kompetenz/emotionale Reife
Betreuungs- und Pflegeaufgaben Erfolgserwartung Quelle: Eigene Darstellung (Dunkelgrau hervorgehobene chart® Themenbereiche sind in beiden Instrumenten in gleicher Weise enthalten).
Tab. 1: Adaption des integra Themenbereiche
für die Zielgruppe Jugendliche: Gegenüberstellung der
eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit angesehen werden (vgl. Enggruber et al. 2003, S. 4ff.): -- Kognitive Leistungsfähigkeit -- Soziale Kompetenz -- Autonomie/Kompetenz -- Soziale Anerkennung und Eingebundenheit -- Berufswunsch -- Arbeits- und Lebensvorstellungen.
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In der Adaption des Basismodells für den Einsatz in Maßnahmen, die sich an Jugendliche wenden, wurden fünf Themenbereiche nicht übernommen respektive inhaltlich stark adaptiert. Um die inhaltliche Veränderung zu verdeutlichen, wurde auch deren Bezeichnung verändert: Es sind das die Dimensionen Weiterbildungsinteresse, private Unterstützung in der Arbeitssuche, Kommunikationsbasis und Erreichbarkeit, Deutschkenntnisse und sprachliche Ausdrucksfähigkeit im Hinblick auf die Bewerbungssituation, Vermittelbarkeit aufgrund der Qualifikation. Die Dimension Weiterbildungsinteresse wurde durch eine präzise Erhebung der Ausbildungssituation ersetzt: Diese Adaption wurde vorgenommen, weil es in der Altersgruppe der Jugendlichen primär um Aus- und nicht um Weiterbildungsinteressen geht. Um eine solche Ausbildungsorientierung zu erheben, wird auf die diesbezüglich primäre Orientierung der Jugendlichen, d.h. ihre berufsbezogene Haltung und Ausrichtung abgestellt. Wird etwa einem positiven Ausbildungsabschluss viel Bedeutung beigemessen, so ist auch das Interesse an einer Ausbildungsteilnahme hoch und umgekehrt. Private Unterstützung in der Arbeitssuche: Bei Jugendlichen ist diesem Themenbereich anders als bei Erwachsenen (siehe Punkt 2.5.3.) ganz besonderes Augenmerk beizumessen, zeigen doch Studien wie praktische Erfahrungen, dass Jugendliche, die auf wenig bis keine Unterstützung von Elternhaus und FreundInnen zurückgreifen können oder gar stabilisierende Funktionen für das Herkunftssystem übernehmen müssen, ein sehr hohes Risiko tragen, zu Early School Leavers zu werden. Kommunikationsbasis: Diese Fragestellung konnte ersatzlos gestrichen werden, weil Jugendliche anders als Erwachsene nahezu ausnahmslos sowohl telefonisch als auch per E-Mail erreichbar sind. Deutschkenntnisse und sprachliche Ausdrucksfähigkeit im Hinblick auf die Bewerbungssituation: Bei Jugendlichen wurde auf die Erfassung der mündlichen und schriftlichen Artikulationsfähigkeit in Deutsch verzichtet, weil von ihnen weniger Arbeits- als Ausbildungsbewerbungssituationen zu bewältigen sind. In diesem Sinne wurde diese Dimension erweitert und bezieht sich hier auf Basiskompetenzen in den Kulturtechniken vor dem Hintergrund der je individuellen Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegrationsperspektive. Vermittelbarkeit aufgrund der Qualifikation: Auch in diesem Themenbereich wurde vor allem auf einen Verbleib in oder eine Einmündung in das Ausbildungssystem fokussiert und eine entsprechende Adaption vorgenommen.
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1.6.4. Erläuterungen und Ausfüllhilfen zum integrachart® Jugendliche In den folgenden Ausführungen wird auf die im Vergleich zur Basisversion des integrachart® neuen Dimensionen eingegangen (siehe Tab. 1). Für jene Dimensionen, die unverändert aus der Basisversion übernommen wurden, gelten die entsprechenden Orientierungen, die in Punkt 1.4. besprochen wurden. Kompetenzen im Bereich Kulturtechniken vor dem Hintergrund angestrebter Ausbildungen oder Beschäftigungsfelder: Ein ausreichendes Kompetenzniveau in jenen Bereichen, die hier unter dem Oberbegriff Kulturtechniken zusammengefasst wurden, sind häufig eine Voraussetzung für eine Ausbildungsoder Arbeitsaufnahme. Ein Verbesserungsbedarf in den Bereichen Schreiben und Lesen in deutscher Sprache, Rechnen, mündliche Ausdrucksfähigkeit in deutscher Sprache oder EDV-Kenntnisse ist allerdings nur dann zu dokumentieren, wenn die als mangelhaft identifizierte/n Fertigkeit/en einer Aufnahme oder Ausübung der vorgesehenen Ausbildung oder Arbeitstätigkeit im Wege steht bzw. stehen. Wird ein Verbesserungsbedarf in mehreren der angeführten Bereiche festgestellt, können bis zu drei Interventionsvorschläge angegeben werden. Mangelhaftes Beherrschen der Kulturtechniken sollte auch dann dokumentiert werden, wenn in der Dimension Schul- und Erstausbildung (siehe unten) ein fehlender Hauptschulabschluss und ein Hauptschulabschluss als Interventionsvorschlag dokumentiert werden. Dies, weil das Nachholen des Hauptschulabschlusses bei Vorliegen von Defiziten in den Kulturtechniken aufwendiger ist als bei Nichtvorliegen derartiger Defizite. Höchste abgeschlossene Schul-/Berufsausbildung: Das Nachholen fehlender Schul- oder Berufsausbildungsabschlüsse oder der Beginn einer länger dauernden, umfassenden Ausbildung sind Möglichkeiten, die Arbeitsmarktintegration von Jugendlichen zu unterstützen respektive zu verbessern. Ziel der Erhebungen in diesem Themenbereich ist es, die höchste abgeschlossene Schuloder Berufsausbildung zu erfassen und den wichtigsten Interventionsvorschlag wie beispielweise das Nachholen eines Hauptschulabschlusses oder die Durchführung einer Nostrifizierung sowie die im Betreuungszeitraum erzielten Ergebnisse zu dokumentieren. Ebenso an dieser Stelle zu dokumentieren sind Berufsausbildungsinterventionen. Soziale Kompetenzen/emotionale Reife vor dem Hintergrund angestrebter Ausbildungen oder Beschäftigungsfelder: In diesem Themenbereich
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sollen – so dies für die individuelle Unterstützung des/der Jugendlichen bedeutsam ist – ausgewählte, für die Integration in eine Ausbildung oder Arbeitsstelle unmittelbar relevante Verhaltensweisen des/der Jugendlichen eine Einstufung erfahren. Im Vorfeld wurden hierfür Verhaltensweisen definiert, die BeraterInnen in der Interaktion mit dem/der Jugendlichen beobachten können: Arbeitstugenden, den Umgang mit Vorgesetzten, das Auftreten (Selbstsicherheit) und Strukturiertheit (Tagesstruktur). Zusätzlich wird erhoben, ob emotionale Probleme, wie übermäßige Ängstlichkeit oder rasches Aufbrausen, ein für die Arbeitsmarktintegration relevantes Thema sind bzw. werden könnten. Unterstützung durch Elternhaus und FreundInnen: Eine zuverlässige Unterstützung durch zumindest einen nahe stehenden Erwachsenen erhöht die Chancen von Jugendlichen, erfolgreich an einer Ausbildung teilzunehmen bzw. einer Berufstätigkeit nachzugehen, deutlich. Aber auch die Eingebundenheit in eine Peergroup, die einer Ausbildungsteilnahme oder Berufsausübung positiv gegenübersteht, erweist sich als hilfreiche Ressource. In dieser Dimension wird für jene Jugendlichen, bei denen diese Ebene in der individuellen Unterstützung berücksichtigt werden muss, erfragt, ob eine Unterstützung durch das Elternhaus/nahe stehende Erwachsene oder FreundInnen gegeben ist und wie sich diese gestaltet. Berufliche Vorstellungen: Ziel dieser Einstufung ist es festzuhalten, ob der/die Jugendliche bereits über eine konkrete und realistische berufliche Vorstellung verfügt bzw. ob diese/r einer Berufsausübung positiv oder ablehnend gegenübersteht. Die Möglichkeit, bis zu drei Interventionsvorschläge anzugeben, erklärt sich damit, dass die Berufsorientierung bei dieser Zielgruppe häufig ein zentrales Thema ist. Daneben können aber auch noch andere Maßnahmen wie Motivationsförderung eine Rolle spielen und als Antwortoptionen gewählt werden. 1.7. Erste Erfahrungen aus der Nutzung des integrachart® Das Diagnose- und Dokumentationsinstrument integrachart® bietet, wie gezeigt wurde, eine Dokumentationsstruktur zur Erfassung der Ressourcen und Problemlagen betreuter Personen. Weiters werden Interventionsvorschläge und Interventionsergebnisse dokumentiert. Die Erfassung bezieht sich auf jene Lebensbereiche, die im Kontext von Beschäftigungsfähigkeit bedeutsam werden. Dabei erfüllt das integrachart® im Beratungsprozess nach Auskunft der Case
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ManagerInnen/BeraterInnen/TrainerInnen wie geplant die Funktion eines Dokumentations- und Diagnoseinstrumentariums, das die Strukturierung der einzelnen Beratungsprozesse unterstützt. Dies wird – so die bisherigen Rückmeldungen von NutzerInnen – auch insofern als sehr hilfreich beschrieben, als es jene Lebensbereiche festlegt, die im Anamneseprozess jedenfalls besprochen werden müssen. Weiters wird sehr geschätzt, dass man sich – beispielsweise im Falle von Erkrankungen einzelner BeraterInnen oder in anderen Vertretungssituationen – sehr schnell einen aussagekräftigen Überblick über die aktuelle Gesamtsituation der Person verschaffen kann. Wesentlich dafür, in welchem Ausmaß diese Vorteile gegeben sind, ist die Anwendungsfreundlichkeit der EDV-technischen Umsetzung des Instrumentes. Zusammenfassend werden folgende Vorteile mit dem integrachart® verbunden: -- Die BeraterInnen können sich im Anamneseprozess auf eine einheitliche Basis stützen, um die im Hinblick auf eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt relevanten Bereiche auszuloten und gemeinsam mit den KundInnen zu einem differenzierten Bild über deren Ausgangslage zu gelangen. Damit ist innerhalb einer Maßnahme ein durchgängiger Minimalstandard definiert, der in der Anamnese und Diagnose jedenfalls Berücksichtigung finden muss. -- Es lässt sich ein Integrationsplan für die Betroffenen generieren, der einen guten und aussagekräftigen Überblick über Ressourcen und Problemlagen in den unterschiedlichen Bereichen bietet und die Zielorientierung der Betreuung unterstützt. -- Die Dokumentation im integrachart® kann zudem als Basis für die interne Qualitätssicherung in der Projektumsetzung herangezogen werden. Die standardisierte Dokumentation der Problemlagen, der entsprechenden Interventionsvorschläge und ‑ergebnisse ermöglicht einen internen Vergleich und unterstützt organisationsintern wie organisationsübergreifend Austauschprozesse. -- Die Verbindung von Problemlagen, Interventionen und Ergebnissen ergibt ein fundiertes Bild über die Wirksamkeit von Interventionen bei erwerbsfernen Personen mit spezifischen Problemkonstellationen auf individueller, aber auch personenübergreifender Ebene. Dies, weil es innerhalb der Organisationen, aber auch über Organisationsgrenzen hinweg im Rahmen von Evaluationen möglich ist, gezielter über wirksame und weniger wirksame
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Interventionen sowie erfolgversprechende Integrationspfade für Menschen in Abhängigkeit von deren Ausgangslagen diskutieren zu können. -- Das integrachart® verdeutlicht, welche Problemlagen in welcher Ausprägung und in welchen Kombinationen sich hinter den oft als Hintergrund für Arbeitsmarktintegrationsprobleme
genannten
„Mehrfachproblematiken“
verbergen. -- Es können Teilergebnisse in Richtung Arbeitsmarktintegration beschrieben werden, indem Aussagen über Interventionen und deren Wirkungen bei Personen getroffen werden können, bei denen im Rahmen der aktuellen Projektteilnahme (noch) keine Arbeitsmarktintegration erfolgte.
2.
Arbeitsmarktbezogenes Screeningverfahren – ein Instrument, um herauszufinden, ob eine arbeitsmarktbezogene Diagnostik sinnvoll ist
Das im Folgenden skizzierte Screeningverfahren kann im Wesentlichen als Leitfaden für eine schnelle Abklärung des Interventionsbedarfes einer Person verstanden werden und hilft zu entscheiden, ob eine genauere Diagnose durchgeführt werden soll, ein Schulungsbedarf vorliegt oder eine rasche Vermittlungsunterstützung zum Tragen kommt.
2.1. Zielgruppe, Zielsetzungen, Einsatzgebiete, Dauer und Voraussetzungen Zielgruppe: Das Instrument soll Arbeitsuchende darin unterstützen, gemeinsam mit ihren BeraterInnen rasch und frühzeitig adäquate Interventionsstrategien zu entwickeln. Vorrangig zur Anwendung kommen sollte das Instrument bei Arbeitsuchenden, bei denen innerhalb einer bestimmten Beratungszeit keine realisierbare oder erfolgversprechende Interventionsstrategie entwickelt werden konnte bzw. deren vorliegende Interventionsstrategie aus Sicht des Beraters/der Beraterin überprüft werden sollte. Dadurch kann gewährleistet werden, dass a) passende arbeitsmarktbezogene Interventionen so schnell wie möglich gesetzt werden oder aber deutlich wird, dass b) eine rasche Intervention nicht sinnvoll ist, weil Unklarheit über die Ausgangslage und Hinweise auf Mehrfachproblematiken gegeben sind. In diesen letzten Fällen und nur in diesen sollte eine arbeitsmarktbezogene Diagnostik erfolgen.
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Zielsetzung: Ziel ist es, eine grobe Erstzuordnung des Interventions- und Diagnosebedarfs vorzunehmen, d.h. auszuloten, welcher Interventionsbedarf ohne vertiefte Analyse erkennbar ist. Einsatzgebiet sind öffentliche Arbeitsverwaltungen und private Trägerorganisationen. Dauer: Die Befragung dauert durchschnittlich rund 15 Minuten. Voraussetzungen seitens der KundInnen: KundInnen, deren Erstsprache Deutsch ist, verfügen – mit Ausnahme von Personen mit ausgeprägtem Basisbildungsbedarf – gemeinhin über die nötigen Fähigkeiten, um die Befragung wahlweise mündlich oder schriftlich ohne Probleme durchführen zu können. Personen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch brauchen, wie unsere Erfahrungen zeigen, oft Unterstützung. Zum einen könnte bei einer mündlichen Befragung ein/e SimultandolmetscherIn hinzugezogen werden (Kostenfaktor), für eine schriftliche Befragung der Fragebogen in der Erstsprache des Kunden/ der Kundin aufgelegt werden (die Auswertung würde erneut die Hilfe eines Übersetzungsdienstes benötigen), zum anderen könnte die mündliche Befragung auf Deutsch erfolgen, unterstützt von einem Fragebogen in der Erstsprache des Kunden/der Kundin, der zum Mitlesen vorliegt. Technische Voraussetzungen seitens der BeraterInnen: Da die einzelnen Fragenblöcke des Screeningverfahrens Tendenzen offenlegen, können erfahrene BeraterInnen aus den Antworten der Befragten deren Interventionsbedarf auch ohne technische Unterstützung ablesen. Die Befragung kann aber auch online-basiert und -gestützt durchgeführt und interaktiv genutzt werden. In diesen Fällen erscheint nach Beantwortung der Fragen ein Interventionsvorschlag, der in der Beratung besprochen werden kann. Hierfür muss das Befragungsergebnis in ein entsprechendes, jedoch recht einfaches interaktives EDV-System eingespeist werden, das neben der Eingabemaske aus einer dahinter liegenden Zuordnung von Antwortkombinationen zu Interventionsvorschlägen besteht. Auf diese Weise kann das System bei vollständig ausgefüllten Fragebögen Interventionsvorschläge ermitteln. Dieses Vorgehen empfiehlt sich in Arbeitssituationen, in denen sehr wenig Zeit für die Auseinandersetzung mit den KundInnen gegeben ist.
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2.2. (Theoretischer) Hintergrund des Screeningverfahrens Das Screening baut auf einer Untersuchung auf, die von Prospect Unternehmensberatung im Jahr 2009 realisiert wurde. Basis für diese Studie war zum einen eine Untersuchung von Synthesis Forschung (siehe Gregoritsch et al. 2008), zum anderen das deutsche Methodenset zur Operationalisierung von Beschäftigungsfähigkeit (vgl. Apel/Fertig 2009, S. 5-28). In dieser Untersuchung wurden im Herbst 2009 493 KundInnen des Arbeitsmarktservice Wien telefonisch befragt (siehe Hausegger/Hager 2009). Ziel der Befragung war es auszuleuchten, welche konkreten Barrieren bei den untersuchten langzeitarbeitslosen Menschen einer Reintegration in den Arbeitsmarkt im Wege stehen. Der Fragebogen erfasste: - Soziale Merkmale und Betreuungspflichten - Gesundheitliche, finanzielle sowie soziale oder psychische Belastungen - Teilnahme an Qualifikationsmaßnahmen und Teilnahmemotivation - Eigenbewertung und „berufliches Selbstbewusstsein“ („Ich weiß, dass ich etwas kann und dass meine Arbeitsleistung für eine/n ArbeitgeberIn ein Gewinn wäre.“) - Aktivitäten der Arbeitssuche, Gründe gegen Arbeitssuche - Zielorientierung, Kooperationserfahrung, Erfolgserwartung, Optimismus - Konzessionsbereitschaft, Bereitschaft zu Zugeständnissen - Tägliche Arbeitsfähigkeit, Leistungsfähigkeit, Arbeitsbereitschaft - Beschäftigungsstatus zum Zeitpunkt der Befragung (Selbstauskunft) Ergebnis dieser Befragung war das Bild einer in sich sehr ausdifferenzierten Gruppe: Ein Teil der Befragten war zum Befragungszeitpunkt bereits wieder in Beschäftigung. Dieser Personenkreis unterschied sich in seinen Antworten recht deutlich von jenen, die noch ohne Beschäftigung waren. Und: Die Antwortmuster deuteten darauf hin, dass die verschiedenen Subgruppen unterschiedlicher arbeitsmarktpolitischer Interventionen bedürfen (bei einer Subgruppe schien Schulung, bei einer anderen Basisqualifizierung und wieder bei einer anderen Beratung sinnvoll zu sein). Auf dieser Grundlage wurde von Prospect Unternehmensberatung 2010 das vorgestellte Instrument entwickelt.
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2.3. Ergebnis Erfolgt die Befragung online-basiert, so generiert das Tool einen Interventionsvorschlag, der mit den KundInnen im Rahmen des Beratungstermins besprochen und auf seine Adäquatheit hin untersucht werden kann. Der durch das Tool generierte Interventionsvorschlag ist dabei genauso zu behandeln wie andere Vorschläge, die ein/e BeraterIn auf Basis der üblichen Anamnese oder auf Basis einer Fragenbeantwortung einbringen würde. Je nach Beantwortung der Fragen lassen sich unterschiedliche Personengruppen bzw. Interventionsbedarfe ausmachen: - Personen, die am besten durch gezielte Vermittlungsvorschläge und -hilfestellungen unterstützt werden: Dieser Gruppe werden KundInnen zugerechnet, von denen angenommen werden kann, dass sie unmittelbar eine Stelle werden antreten können. Es sind das also Menschen, die in der Befragung weder von relevanten persönlichen oder sozialen noch von qualifikatorischen Integrationshindernissen berichten. - Personen, die kommunizieren, eine Aktualisierung ihrer beruflichen Kompetenzen zu brauchen. - Bei Personen, die angeben, wenig Zutrauen zu haben, was das Lesen und Schreiben in deutscher Sprache, das Rechnen oder EDV-Anwendungen betrifft, ist zu diskutieren, ob sie einer Unterstützung im Bereich Basisbildung bedürfen. - Mit Personen, die in der Befragung angeben, weder im Bereich der Basisqualifizierung noch im Bereich der beruflichen Kompetenzen und auch nicht durch relevante Probleme im psychischen oder sozialen Bereich von der Arbeitssuche abgelenkt zu sein, und trotzdem davon ausgehen, keine Stelle zu finden, wäre zu diskutieren, ob sie in einer Teilnahme an einer beruflichen Orientierungs- oder auch an einer Aktivierungsmaßnahme (im Sinne einer aktiven Vermittlungsunterstützung) ein hilfreiches Angebot sehen. - Personen, mit denen eine intensivierte arbeitsmarktbezogene Diagnostik (siehe Punkt 1) besprochen werden sollte, weil sie in der Befragung angaben, von mehreren Belastungsfaktoren bei der Arbeitssuche oder bei einem Stellenantritt behindert zu werden. Diesen Menschen sollte vorgeschlagen werden, abzuklären, welche konkreten Hilfestellungen in welcher Kombination sinnvoll wären.
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Abb. 8: Arbeitsmarktbezogenes Screeningverfahren
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http://www.jugendsozialarbeit.de/media/raw/KV_Positionspapier_Be-
rufsbildungsbericht_2010.pdf [Stand: 2010-08-09].
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Kozeluh, Ulrike (Wissenschaftszentrum Wien) (2006): Wiener Erfahrungen. Analyse ausgesuchter Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen in Wien (= unveröffentlichter Forschungsbericht). Lünenborg, Ludger (2010): Kurzfristige Maßnahmen statt einem nachhaltigen Integrationskonzept. Einrichtungen der beruflichen Integration benachteiligter Jugendlicher und Erwachsener verlieren immer mehr an Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. In: Wohlfahrtswerk Baden Württemberg (Hrsg.): Blätter der Wohlfahrtspflege 3/2010. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. Musil, Nora-Christina (2005): Auswertung von arbeitsmarktpolitischen Aktivitäten der aufsuchenden Kinder- und Jugendarbeit. Wien (= unveröffentlichter Forschungsbericht). Pantuček, Peter (2009): Soziale Diagnostik. Verfahren für die Praxis Sozialer Arbeit. 2., verb. Aufl. Wien/Köln/Weimar: Böhlau. Steiner, Mario (2009): Early School Leaving in Österreich 2008. Ausmaß, Unterschiede, Beschäftigungswirkung. Wien. Online im Internet: http://www.arbeiterkammer.at/bilder/d125/StudieEarlySchoolLeaving.pdf [Stand: 2012-02-23]. Thiesen, Andreas (2010): Soziale Arbeit als Bewältigungsprofession. Professioneller Anspruch und deprofessionalisierte Wirklichkeit in der Jugendberufshilfe. In: Wohlfahrtswerk Baden Württemberg (Hrsg.): Blätter der Wohlfahrtspflege 3/2010. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.
Auswertbar dokumentierte arbeitsmarktbezogene Diagnosen und ihr Beitrag zu einer wirkungsorientierten Arbeitsmarktpolitik für arbeitsmarktferne Menschen Trude Hausegger, Isabella Hager
Wie im ersten Beitrag dieses Bandes ausgeführt, fokussiert moderne Arbeitsmarktpolitik Wirkungen, die unter Einsatz von Arbeitsmarktförderungsmitteln erzielt werden. Nicht das Aktiv-Werden der arbeitsmarktpolitisch Verantwortlichen an sich, sondern die Effekte dieser Aktivitäten stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit – nicht erst nachdem eine Intervention gesetzt wurde, sondern bereits in der Planungs- und Umsetzungsphase. In dieser Wirkungsorientierung sowie in der verstärkten Auseinandersetzung mit der Frage, welche Formen der Beauftragung und Umsetzung das beste Preis-Leistungsverhältnis erwarten lassen, sind wesentliche Kennzeichen einer am New Public Management orientierten Arbeitsmarktpolitik zu sehen. Die europaweit aktuellen Budgetkonsolidierungen werden diese Ausrichtung in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit unterstreichen – vermutlich auch deshalb, weil angesichts eben dieser budgetären Engpässe davon auszugehen ist, dass die Anzahl jener Personengruppen, die am Rande des Arbeitsmarktes stehen und von Ausgrenzung bedroht sind, eher zunehmen wird. Verwiesen sei diesbezüglich auf die veränderten Zugangsbedingungen zu beschäftigungsfernen Alternativpositionen wie beispielsweise zur Frühpensionierung oder auf die Anforderungen, zukünftig länger zu arbeiten und später in Alterspension zu gehen, um die Pensionskassen zu entlasten. In diesem Beitrag geht es um die Frage, in welcher Weise eine arbeitsmarktbezogene Diagnostik eine wirkungsorientierte Arbeitsmarktpolitik unterstützen kann. Um diese Frage systematisch bearbeiten zu können, bedarf es eines kurzen Einblendens jener Fragestellungen, die sich in diesem Kontext für
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Trude Hausegger, Isabella Hager
arbeitsmarktpolitische EntscheidungsträgerInnen üblicherweise stellen. Diese Fragen lassen sich im Wesentlichen auf zwei Kernfragen reduzieren: -- Welche Maßnahmen wirken bei arbeitsmarktfernen Personengruppen im Sinne einer Erhöhung der Beschäftigungschancen am 1. Arbeitsmarkt? Hier steht die Effektivität unterschiedlicher arbeitsmarktpolitischer Instrumente im Fokus der Aufmerksamkeit. -- Welche(s) dieser Instrumente und welche Formen der Maßnahmenumsetzung innerhalb der einzelnen Instrumente weisen das beste Preis-Leistungsverhältnis auf? Diese Fragestellung fokussiert zum einen die Effizienz der Instrumente selbst, zum anderen und innerhalb der einzelnen Instrumente aber auch die Effizienz der jeweiligen Instrumentenumsetzung.
1.
Effektivität und Effizienz unterschiedlicher arbeitsmarktpolitischer Instrumente für die Zielgruppe arbeitsmarktferner Menschen
In der Auseinandersetzung mit der Effektivität unterschiedlicher arbeitsmarktpolitischer Instrumente im Hinblick auf eine möglichst dauerhafte Integration dieser Zielgruppe in den Arbeitsmarkt werden üblicherweise die Arbeitsmarktintegrationseffekte unterschiedlicher arbeitsmarktpolitischer Maßnahmentypen verglichen. Dies erfolgte zuletzt in Österreich etwa durch Riesenfelder, Krenn und Schelepa (2010) oder auch in Deutschland im Jahr 2009 in einer Auseinandersetzung mit den Erfahrungen mit vier Jahren Grundsicherung (siehe Koch/Kupka/Steinke 2009). In beiden Studien erweisen sich Lohnkostenzuschüsse und beschäftigungsnahe Instrumente als jene mit den höchsten Arbeitsmarktintegrationseffekten. „Der mit Abstand größte Einfluss ist der Eingliederungsbeihilfe mit einem Anteil von 50% an dauerhaftem Ausstieg aus dem SH-Bezug zuzurechnen. Lediglich 16% der so geförderten Personen haben im Nachbeobachtungszeitraum weiterhin einen durchgehenden SH-Bezug zu verzeichnen. […] Diese überragenden Effekte können von keinem anderen Instrument auch nur annähernd erreicht werden, wobei auch an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben darf, dass die in dieser Studie untersuchten Angebote unterschiedliche Zielsetzungen aufweisen und von daher auch nur bedingt im Hinblick auf ihre Erwerbseffekte zu vergleichen sind“ (Riesenfelder/Krenn/ Schelepa 2010, S. 43 u. S. 50). Diese im Vergleich zu anderen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten ungleich höhere Integrationswirkung von Lohnsubventio-
Auswertbar dokumentierte arbeitsmarktbezogene Diagnosen
nen wird auch in der zitierten Publikation von Koch, Kupka und Steinke (2009) betont. In dieser Studie wird zudem eine Metastudie, die die Ergebnisse von insgesamt 35 Evaluationsstudien in Großbritannien, den Niederlanden, Dänemark und Schweden, die sich mit dieser Frage auseinandersetzten, auswertet, vorgestellt. Die AutorInnen kommen zu dem Ergebnis: „Am erfolgreichsten für den Übergang haben sich in allen Ländern Maßnahmen der Lohnsubventionierung erwiesen. In Großbritannien trifft dies besonders auf die Gruppe der jungen Erwachsenen zu, deren absolute Zahl aber sehr niedrig war (680 Teilnehmer im Februar 2007). Dabei scheint subventionierte Beschäftigung nach britischen und dänischen Studien auch für arbeitsmarktferne Gruppen relativ erfolgreich zu sein – dies spräche dafür, dass die beobachtete Konzentration dieser Maßnahme auf arbeitsmarktnähere Personen nicht gerechtfertigt ist“ (Koch/Kupka/Steinke 2009, S. 135). Während Riesenfelder, Krenn und S chelepa (2010) auch für Qualifizierungs- und Berufsorientierungsmaßnahmen zumindest durchschnittliche Integrationseffekte messen konnten, führen Koch, Kupka und Steinke (2009) aus, dass die Effekte von Qualifizierungsmaßnahmen anhand der ihnen vorliegenden Daten nicht zweifelsfrei bestimmbar sind. Insgesamt jedoch kristallisierte sich nach diesen AutorInnen in den untersuchten Studien vor allem ein professionelles Fallmanagement als erfolgversprechende Intervention heraus: „Ein übergreifendes Ergebnis der Studien besteht darin, dass die Qualität der Arbeitsmarkt-Dienstleistungen einen entscheidenden Einfluss sowohl auf die ‚harten‘ Ergebnisse ‚Abgang aus dem Leistungsbezug‘ und ‚Übergang in Beschäftigung‘ hat als auch auf den eher weichen Faktor ‚Zufriedenheit der Teilnehmer‘: … ‚Als besonders wirksam erweist sich in allen Ländern ein professionelles und unterstützendes Fallmanagement mit intensiver Betreuung der Arbeitssuche bzw. qualifizierter Beratung für den Übergang in ein Aktivierungsprogramm“ (Koch/Kupka/Steinke 2009, S. 135). In beiden zitierten Studien werden in der Bewertung dieser Ergebnisse zwei Faktoren angeführt, die die Vergleichbarkeit der Instrumenteneffekte negativ beeinflussen. Zum einen wird von beiden AutorInnenkollektiven darauf hingewiesen, dass der unmittelbare Vergleich der Arbeitsmarktintegrationseffekte der Instrumente u.U. nicht ganz zulässig ist, weil die verglichenen Maßnahmen unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen und nur ein Teil dieser Instrumente überhaupt direkt auf eine Arbeitsmarktintegration abzielt. Daneben wird in beiden Studien auf die unterschiedlichen TeilnehmerInnenstrukturen der
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einzelnen Maßnahmen verwiesen. Während die Berücksichtigung der unterschiedlichen Maßnahmenzielsetzungen im Vergleich der erzielten Ergebnisse relativ einfach handhabbar erscheint, da diese grundsätzlich ausformuliert sind, bedarf die Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangslagen valider Informationen, die über die auch in den zitierten Studien verwendeten Informationen wie Alter, Geschlecht, Qualifikationsniveau etc. hinausgehen. Auswertbar dokumentierte und valide Diagnoseinformationen bieten aus unserer Erfahrung genau an diesem Punkt jene Basis, die einerseits einen aussagekräftigeren Vergleich von Maßnahmenergebnissen, umgekehrt aber auch eine fundierte Grundlage für die Auseinandersetzung mit der Frage bietet, welche Maßnahmen eigentlich bei welchen Problemkonstellationen erfolgversprechend sind. Dabei erwies sich in unseren bisherigen Analysen für die Beantwortung der Frage nach den erwartbaren Beschäftigungseffekten unterschiedlicher Maßnahmen vor allem die Anzahl der schweren Problemlagen1 der TeilnehmerInnen als ein maßgebliches Differenzierungsmerkmal: So zeigte sich, dass 25% der insgesamt 271 TeilnehmerInnen der beiden Pilotprojekte zur Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien und in der Steiermark (siehe Hausegger et al. 2012; Hausegger/Reidl/Hager 2012) mit maximal einer schweren Problemlage, aber nur 7% derer mit vier oder mehr schweren Problemlagen (n= 198) eine Beschäftigung am 1. Arbeitsmarkt aufnehmen und zumindest für einen Zeitraum von drei Monaten innehaben konnten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Lohnkostensubventionen für arbeitsmarktferne Personen umso schwerer zugänglich sind, je problematischer deren Ausgangslage ist, da in diesem Falle neben den Betroffenen nicht nur 1 ����������������������������������������������������������������������������������� Als schwer wurden folgende Problemlagen bezeichnet: Fehlen von Sozialversicherungszeiten und keine Mitversicherung; kein Führerschein B und keine Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. nur mit Hilfe; keine Unterstützung durch das Umfeld bei der Verarbeitung von Misserfolgen und Erfolgen oder Behinderung der Arbeitssuche; Vorstrafen im Vorstrafenregister oder bevorstehender Haftantritt; Mietschulden oder keine stabile Wohnsituation; unübersichtliche finanzielle Situation; gesundheitliche Probleme, die an der Arbeitsfähigkeit zweifeln lassen; berufliche Kompetenzen, die am Arbeitsmarkt nicht mehr nachgefragt bzw. aus anderen Gründen (z.B. gesundheitlichen) nicht mehr eingesetzt werden können; Nichtakzeptieren von Stellenangeboten; schlechte (Missverständnisse wahrscheinlich) oder nur mit Unterstützung mögliche Bewältigung von Bewerbungssituationen; Betreuungsaufgaben, die nur eine Teilzeitbeschäftigung oder eine geringfügige Beschäftigung zulassen; die Person glaubt (eher) nicht, in einem Jahr eine Stelle zu finden. (Vgl. Hausegger et al. 2012, S. 28)
Auswertbar dokumentierte arbeitsmarktbezogene Diagnosen
Maßnahmenträgerorganisationen und die öffentliche Arbeitsverwaltung in die Entscheidung einbezogen sind, sondern letztlich Unternehmen entscheiden, ob sie die Person in ein – gefördertes – Dienstverhältnis übernehmen. Konzentrieren sich beispielsweise unter jenen MaßnahmenteilnehmerInnen, die durch eine subventionierte Beschäftigung gefördert wurden, überdurchschnittlich häufig Personen mit maximal einer schweren Problemlage heraus, so wäre das Ergebnis, dass Lohnkostensubventionen die besten Arbeitsmarktintegrationseffekte haben, dahingehend zu ergänzen, dass Lohnkostensubventionen innerhalb der Zielgruppe arbeitsmarktferner Personen insbesondere bei Personen mit geringer Problembelastung hohe Beschäftigungswirkungen zeigen. Dies würde umgekehrt die Frage aufwerfen, welche Interventionen und Hilfestellungen bei arbeitsmarktfernen Personengruppen mit mehreren schwerwiegenden Problemlagen wirksam sein könnten. Solange jedoch valide Informationen über die spezifischen Ressourcen und Problemlagen der MaßnahmenteilnehmerInnen in Evaluationen nicht berücksichtigt werden können, weil diese nicht vorliegen, solange bleiben derartige Fragestellungen letztlich unüberprüfbar. Auf Grundlage der vorhandenen Dokumentationen des Pilotprojektes Step 2 Job konnten wir uns für diesen TeilnehmerInnenkreis (n=8022) gezielter mit charakteristischen Bündelungen von Ressourcen und Problemlagen beschäftigen. Dazu wandten wir die Methodik der Clusteranalyse3 an. Dadurch wird der Blick auf die unterschiedlichen Interventionsbedarfe verschiedener Subgruppen gelenkt. Folgend werden zur Illustration exemplarisch die gebündelten Interventionsbedarfe innerhalb der Personengruppe „BezieherInnen der Vollleistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung“ in Wien dargestellt4 (siehe Hausegger et al. 2012).
2 ����������������������������������������������������������������������������������� Die im Folgenden beschriebenen Subgruppen zeigen sich auch in der – quantitativ wesentlich umfangreicheren – Folgemaßnahme bei insgesamt mittlerweile mehr als 3.000 TeilnehmerInnen. 3 Die Methode der Clusteranalyse beruht auf einer Logik von Ähnlichkeit und Distanz. Das heißt, die Subgruppen, die mithilfe des Verfahrens ermittelt werden, zeichnen sich dadurch aus, dass die „Gruppenmitglieder“ einander möglichst ähnlich sind, während sich die Charakteristika der einzelnen Subgruppen möglichst deutlich voneinander unterscheiden. 4 ������������������������������������������������������������������������������������� Basis für die folgenden Beschreibungen ist eine Clusteranalyse unter den 802 TeilnehmerInnen des bereits mehrfach zitierten Pilotprojektes Step 2 Job. Die folgenden Ausführungen zur Typologie sind eng an den Evaluierungsbericht angelehnt (vgl. Hausegger et al. 2012, S. 125–131).
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In die Clusteranalyse einbezogen wurden folgende im präsentierten integrachart® dokumentierten Ressourcen und Problemlagen der TeilnehmerInnen der Pilotmaßnahme Step 2 Job: - Vermittelbarkeit aufgrund der Qualifikation (Arbeitsmarktkompetenzen) - Weiterbildungsteilnahmen und -interesse (Weiterbildung) - Kommunikation und Erreichbarkeit (Kommunikationssystem) - Sprachliche Ausdrucksfähigkeit im Hinblick auf die Bewerbungssituation (Sprachkompetenz) - Private Unterstützung bei der Arbeitssuche (Netzwerk) - Unbescholtenheit - Wohnen - Finanzen - Gesundheitliche Basis (Gesundheit) - Betreuungs- und/oder Pflegeaufgaben (Betreuungspflichten) Als Ergebnis dieser Clusteranalyse kristallisierten sich folgende fünf „Typen“ heraus, die wir im Folgenden nach ihren prioritären Interventionsbedarfen „benannten“. In Tabelle 2 können die einzelnen Ausprägungen genauer nachvollzogen werden. Subgruppe 1: „Interventionsbedarf intensivierte Vermittlungsunterstützung“ (21% der TeilnehmerInnen der untersuchten Maßnahme) Charakteristisch für diese Gruppe ist, dass zumeist kein oder maximal ein stark belastender Problembereich dokumentiert ist. Betrachtet man die Gruppenzusammensetzung, so fällt auf, dass jüngere männliche Teilnehmer überdurchschnittlich oft in dieser Gruppe vertreten sind. Weiters ist ein überdurchschnittlich hohes formales Qualifikationsniveau zu beobachten. Auch die Verwertbarkeit vorhandener Kompetenzen am Arbeitsmarkt, die sprachliche Artikulationsfähigkeit und die Integration in das Kommunikationsnetz sind überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Hinsichtlich des Beratungsergebnisses zeichnet sich diese Gruppe durch überdurchschnittlich hohe Anteile an Beschäftigungen am 1. Arbeitsmarkt aus. Subgruppe 2: „Interventionsbedarf: Betreuungsproblem lösen und Kompetenzen entwickeln“ (18% der TeilnehmerInnen der untersuchten Maßnahme) Für diese Gruppe sind Betreuungspflichten charakteristisch.
Auswertbar dokumentierte arbeitsmarktbezogene Diagnosen
Korrespondierend mit diesem im Vordergrund stehenden Charakteristikum finden sich in diesem Cluster überdurchschnittlich oft jüngere Frauen sowie Frauen im Haupterwerbsalter, deren formales Qualifikationsniveau im Durchschnitt liegt. Neben der Lösung von Kinderbetreuungs- oder Pflegeaufgaben besteht oft Entwicklungsbedarf in den Bereichen Sprachkompetenzen und am Arbeitsmarkt verwertbarer Qualifikationen und Kompetenzen. Hinsichtlich der Beratungsergebnisse dominieren bei dieser Gruppe Beschäftigungsantritte am 1. Arbeitsmarkt und Weiterbildungsteilnahmen. Subgruppe 3: „Interventionsbedarf: Integration nachholen“ (27% der TeilnehmerInnen der untersuchten Maßnahme) Die im Vordergrund stehenden Charakteristika dieses Clusters sind deutliche Defizite in den Bereichen Sprachkompetenzen, Integration in unterschiedliche Kommunikationswege und Vorhandensein/Aktualität von am Arbeitsmarkt verwertbaren Qualifikationen und Kompetenzen. Betrachtet man die soziale Gruppenzusammensetzung, so fällt auf, dass sich hier vermehrt ältere KundInnen mit Migrationshintergrund befinden. Anders als die im Folgenden beschriebene Gruppe handelt es sich dabei zumeist um Menschen, die schuldenfrei sind und deren Wohnsituation zumeist unproblematisch ist. Als unmittelbare Beratungsergebnisse herrschen bei dieser Gruppe Weiterbildungsteilnahmen und stabilisierende Angebote vor. Subgruppe 4: „Interventionsbedarf: Inklusion greif- und erfahrbar machen“ (14% der TeilnehmerInnen der untersuchten Maßnahme) Bei dieser Gruppe steht zumeist eine problematische Wohnsituation, die allzu oft von finanziellen Schwierigkeiten oder gesundheitlichen Problematiken begleitet oder verursacht wird, im Vordergrund. In dieser Gruppe finden sich vermehrt eher jüngere Männer ohne Dienstverhältnis in den letzten zwei Jahren. In Bezug auf ihre Integration in unterschiedliche Kommunikationswege sowie im Hinblick auf Aktualität und Verwertbarkeit von Arbeitsmarktkompetenzen liegt diese Gruppe im Mittelfeld. Auf der Ergebnisebene zeigen sich bei diesen TeilnehmerInnen vor allem Übertritte in ein Dienstverhältnis am 2. Arbeitsmarkt. Interventionen werden von KundInnen dieses Typs auffallend oft gar nicht angenommen oder abgebrochen. Auch erfolglose Interventionen sind bei diesen TeilnehmerInnen öfter zu beobachten als bei den Angehörigen der anderen Cluster.
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Tab. 2: Die Subgruppen und ihre Charakteristika Geschlecht
CLUSTER DIMENSION
Überrepräsentiert Dominante Altersgruppe Anteil der TeilnehmerInnen mit Migrationshintergrund Dominante Formalqualifikationsstufe Beschäftigungserfahrungen in den letzten 2 Jahren vor Projektbeginn Wohnsituation Unbescholtenheit Finanzielle Situation Gesundheitliche Situation Soziales Netzwerk/Hilfestellung bei der Arbeitssuche Integration in Kommunikationssysteme Vorhandene Sprachkompetenzen Betreuungspflichten/Pflegeaufgaben Am Arbeitsmarkt verwertbare Kompetenzen Weiterbildungsteilnahmen in den letzten 2 Jahren Zuversicht Durchschnittliche Anzahl der Problemlagen Ergebnis
INTENSIVIERTE VERMITTLUNGSUNTERSTÜTZUNG überdurchschnittlich Männer (65%) junge, inländische Männer jünger im Durchschnitt Hochschulreife (50%)
BETREUUNGSPROBLEM LÖSEN UND KOMPETENZEN ENTWICKELN mehrheitlich Frauen (80%) Frauen im Haupterwerbsalter mit Migrationshintergrund im Haupterwerbsalter überdurchschnittlich oft mit Migrationshintergrund (65%) im Durchschnitt liegend
+
++ + ++ ++
+
++
+++
+++
++++ +++
−−−−−
+++
++
+
+
2,3
4,5
Überdurchschnittlich oft Abschluss der Beratung und Dienstantritt am 1. Arbeitsmarkt
Überdurchschnittlich oft Dienstantritt am 1. Arbeitsmarkt oder Qualifizierungsteilnahme
Tab. 2: Die Subgruppen und ihre Charakteristika
mehrh ältere Mig
überdu Migrati unt
+
+
Legende: Die Grauabstufungen repräsentieren die Bedeutung von Ressourcen und Problemlagen im Vergleich zum Durchschnitt der Gesamtstichprobe Quelle: Eigene Darstellung
gut + + plus 20% Pkt. + + + plus 30% Pkt. + + + + plus 40% Pkt.
INTEG
eher gut + plus 10%Pkt.
−−
durchschnittlich
Übe Qualifiz Weiterle stabi
eher − min
tt
ch
Auswertbar dokumentierte arbeitsmarktbezogene Diagnosen
INKLUSION GREIF- UND ERFAHRBAR
INTEGRATION NACHHOLEN
MACHEN
mehrheitlich Frauen (70%) ältere TeilnehmerInnen mit Migrationshintergrund älter überdurchschnittlich oft mit Migrationshintergrund (85%) unterdurchschnittlich
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CASE MANAGEMENT
mehrheitlich Männer (70%)
ausgewogen
inländische Männer
InländerInnen (70%)
jünger überdurchschnittlich oft ohne Migrationshintergrund (65%) 60% Pflichtschulabschluss
älter überdurchschnittlich oft ohne Migrationshintergrund (75%) 75% Pflichtschulabschluss
−
−
++ + ++ Physisch
−−−−−−−− − − − Schulden Sucht
− − Physisch, psychisch und Sucht
−
−
−−
−−−−−
++
− − − − − Deutsch!! −−
+ ++++
−−
−
−−
−
−−
5,7
5,1
6,1
Überdurchschnittlich oft Abbruch oder Arbeitsantritt am 2.Arbeitsmarkt
Überdurchschnittlich: Abbruch, Abschluss ohne konkretes Ergebnis, Pensionsantrag, Weiterleitung an psychosozial stabilisierende Organisation
Überdurchschnittlich oft Qualifizierungsteilnahme oder Weiterleitung an psychosozial stabilisierendes Angebot
eher schlecht − minus 10% Pkt.
schlecht − − minus 20% Pkt. − − − minus 30% Pkt. − − − − minus 40% Pkt.
−−−− − − − − − Schulden
© Prospect GmbH 2012
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Subgruppe 5: „Interventionsbedarf: Case Management“ (20% der TeilnehmerInnen der untersuchten Maßnahme) Die TeilnehmerInnen des letzten Clusters fallen durch eine Mehrzahl an schweren Belastungsmomenten auf, zumeist dominiert von stark ausgeprägten gesundheitlichen (physisch und/oder psychisch und/oder Sucht-)Problemen sowie finanziellen Problemen. Nach sozialen Merkmalen betrachtet, zeigt sich eine Überrepräsentanz älterer TeilnehmerInnen ohne Migrationshintergrund. Neben den gesundheitlichen und finanziellen Engpässen sind oft auch deutliche Bildungsdefizite und wenig Beschäftigungserfahrungen in den letzten zwei Jahren zu beobachten. Sehr oft sind auch soziale Isolation und mitunter Gesetzeskonflikte dokumentiert. Diese Gruppe schließt die Beratung überdurchschnittlich oft ohne Ergebnis ab, wenn Beratungsergebnisse erzielt wurden, handelt es sich überdurchschnittlich oft um Stabilisierung und Pensionsanträge. Hinsichtlich der Interventionsangebote ist zu beobachten, dass bei den Angehörigen dieser Gruppe sehr viele Interventionen angeboten werden. Diese werden jedoch wie von den Angehörigen des Clusters „Inklusion greif- und erfahrbar machen“ überdurchschnittlich oft nicht angenommen und wenn sie angenommen werden, werden sie überdurchschnittlich oft abgebrochen. Selbst wenn die Interventionen von Angehörigen dieser Gruppe ordnungsgemäß beendet werden, sind weniger Verbesserungen der Situation zu beobachten als bei den anderen Gruppen.
Bei der hier besprochenen Maßnahme handelte es sich um ein vermittlungsorientiertes Case Management, das BezieherInnen von Vollleistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung angeboten wurde. Die TeilnehmerInnen konnten die Beratungs- und Unterstützungsleistungen maximal zwölf Monate lang in Anspruch nehmen. Zwischen Maßnahmenträger und Auftraggeber waren unterschiedliche Zielsetzungen vereinbart (vgl. Hausegger et al. 2012, S. 25f.). Höchste Beobachtung fand jene Zielvorgabe, die sich auf die Arbeitsaufnahmen der TeilnehmerInnen bezog. So sollten 30% aller Personen, die in dieses Case Management eintraten – unabhängig davon, ob sie die Teilnahme ordnungsgemäß abschlossen oder diese abbrachen – zumindest 92 Tage in Beschäftigung sein. Betrachtet man nun die Arbeitsmarktinteg-
Auswertbar dokumentierte arbeitsmarktbezogene Diagnosen
rationswerte dieser fünf Typen im Jahr nach Beratungseintritt5, so zeigt sich folgendes Bild: Die Personen jener Gruppe, der als vorherrschender Interventionsbedarf „Intensivierte Vermittlungsunterstützung“ zugeordnet wurde, fanden häufiger Beschäftigung als die anderen vier Typen: Knapp 40% von ihnen erreichten eine zumindest drei Monate andauernde Beschäftigung im Jahr nach Beratungseintritt. Weitere 22% verzeichneten einen Arbeitsantritt, die Beschäftigung dauerte bis zum Ende des zwölfmonatigen Beobachtungszeitraums jedoch noch weniger als drei Monate. 28% dieser Subgruppe schließlich wechselten vom Case Management in eine Qualifizierungsmaßnahme. So verblieben in dieser Subgruppe letztlich 10%, die kein unmittelbar arbeitsmarktrelevantes Ergebnis erzielen konnten. Betrachtet man nun jene Gruppe, die hinsichtlich der dokumentierten Ressourcen und Problemlagen die problematischsten Startbedingungen aufwies, nämlich jene mit Interventionsbedarf „Case Management“, so zeigt sich eine deutlich geringere Bedeutung unmittelbar arbeitsmarktbezogener Ergebnisse: 49% der TeilnehmerInnen, die diesem Cluster zugeordnet wurden, beendeten die Maßnahme entweder ohne Ergebnis (24%), mit dem Ergebnis, dass eine Stabilisierung der Situation erreicht wurde (17%), oder mit dem Ergebnis Pensionsantrag oder Karenzierung (8%). Demgegenüber wiesen in dieser Subgruppe nur 17% einen Beschäftigungsantritt auf, der zu einer Beschäftigungsdauer von mehr als drei Monaten führte. Aber nicht nur Beschäftigungsantritte gelingen jener Gruppe mit weniger problematischem Hintergrund eher, auch Qualifizierungsschritte werden von diesen verstärkt in Anspruch genommen. Gruppenangehörige mit diagnostiziertem Case Managementbedarf nehmen dagegen besonders selten Qualifizierungsmaßnahmen in Anspruch.
5 ������������������������������������������������������������������������������������� Nachdem es ein charakteristisches Merkmal dieses Maßnahmentyps ist, dass die TeilnehmerInnen nicht nur bis zur Arbeitsaufnahme begleitet werden, sondern bereits innerhalb der Maßnahmenteilnahmedauer zumindest 92 Tage in Beschäftigung sein sollen, wird als Beobachtungszeitraum das auf den Maßnahmeneintritt folgende Jahr herangezogen. Erst dadurch wird die Erreichung des Zieles messbar.
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Abb. 9: Beratungsergebnis nach Subgruppe
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Tab. 3: Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen im Jahr vor und nach Beratungseintritt nach Subgruppe
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Um sich also innerhalb der Zielgruppe arbeitsmarktferner Personen differenziert mit der Frage der Effektivität unterschiedlicher Maßnahmen auseinandersetzen zu können, bedarf es valider Diagnosen, die in Wirkungsanalysen berücksichtigt werden können. Aber nicht nur die Auseinandersetzung mit der Frage der Effektivität, auch die Ermittlung der effizientesten Form der Leistungserbringung kann angesichts dieser Heterogenität der Zielgruppe nicht auf aussagekräftige Diagnoseergebnisse verzichten. Dies deshalb, weil Maßnahmen je nach Struktur der TeilnehmerInnen völlig unterschiedliche Abbruchsund Zielerreichungswahrscheinlichkeiten aufweisen. Werden die erzielten Ergebnisse unterschiedlicher Instrumente oder innerhalb eines Instrumentes die Ergebnisse unterschiedlicher Maßnahmenträgerorganisationen miteinander verglichen, ohne die Unterschiede auf Ebene der TeilnehmerInnenstruktur differenziert zu berücksichtigen, so besteht die große Gefahr von Fehlinterpretationen. Dies etwa dann, wenn erkennbare Ergebnisunterschiede ausschließlich die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der TeilnehmerInnen und nicht die unterschiedlichen Maßnahmenwirkungen spiegeln. Diesem Umstand kommt insbesondere im Wettbewerb unterschiedlicher Anbieterorganisationen besondere Bedeutung bei, weil diese in einer wirkungsorientierten Arbeitsmarktpolitik nach ihren Ergebnissen und den mit der Erreichung dieser Ergebnisse verbundenen Kosten bewertet und je nach Preis-Leistungs-Verhältnis zukünftig eher wieder oder eher nicht mehr beauftragt werden. Werden die unterschiedlichen Erfolgschancen der MaßnahmenteilnehmerInnen in der Bewertung der erzielten Ergebnisse nicht systematisch berücksichtigt, so droht der Wettbewerb unter Maßnahmenanbietern immer stärker zum Wettbewerb um erfolgversprechende MaßnahmenteilnehmerInnen zu werden.
1.1. Welche TeilnehmerInnen akzeptieren welche Angebote und welche Angebote werden von welchen TeilnehmerInnen erfolgreich abgeschlossen? Neben diesen Analysemöglichkeiten, die im Kontext einer wirkungsorientierten Arbeitsmarktpolitik vor allem auf Managementebene von Bedeutung sind, können auf Basis valider Diagnoseinformationen aber auch verlässliche inhaltliche Inputs für die Maßnahmengestaltung generiert werden: In der Literatur wird im Zusammenhang von Arbeitsvermittlung und Beratung unter anderem von der „black box“ gesprochen (vgl. Baethge-Kinsky et al. 2007, S. 6): Der
Auswertbar dokumentierte arbeitsmarktbezogene Diagnosen
Verlauf einer Beratung hängt vom Zusammenspiel, der Kokreativität von Be raterIn und BeratungskundIn ab und ist im Nachhinein nur noch schwer re konstruierbar, also eine „black box“. Schlagend wird dabei auch das Prinzip des uno actu: Die Beratung wird im Augenblick der „Erzeugung“ konsumiert und kann daher im Nachhinein nur noch gebrochen rekonstruiert werden. Um diese „black box“ ein wenig auszuleuchten und Hinweise darauf zu bekommen, worauf in der Begleitung und Beratung arbeitsmarktfernerer Personengruppen besonders zu achten ist, führen wir immer wieder Befragungen von TeilnehmerInnen von Arbeitsvermittlungs- und Arbeitsmarktintegrationsangeboten durch (siehe Weber et al. 2009; Weber et al. 2010). In diesen Befragungen kristallisieren sich unterschiedliche Ebenen heraus. Einige Dimensionen werden wiederkehrend genannt und können unseres Erachtens als grundlegend beschrieben werden: - TeilnehmerInnen arbeitsmarktbezogener Angebote bewerten die Maßnahme dann als zufriedenstellend, wenn sie den Eindruck haben, in ihrer je individuellen Situation wahrgenommen worden zu sein. Konkret heißt das, dass sie den Eindruck gewinnen, dass sich der/die BeraterIn für sie und ihre Ausgangslage und Zielsetzungen interessiert und ausgehend davon nach einer passenden Lösung sucht. Diese Lösung kann – unter der Bedingung, dass der Weg zu dieser Lösung für die KundInnen nachvollziehbar ist und Sinn ergibt – durchaus auch eine andere als die anfangs von den KundInnen favorisierte sein. Das Gefühl, wahrgenommen zu werden, und zwar in möglichst vielen Facetten, ist folglich wohl eine der zentralen Grundvoraussetzungen für einen gelingenden Beratungsprozess. - TeilnehmerInnen derartiger Maßnahmen sind vor allem dann zufrieden, wenn ihnen eine Arbeitsaufnahme, und zwar eine passende Arbeitsaufnahme gelingt. Vor diesem Hintergrund werden von den TeilnehmerInnen sehr konkrete Stellenangebote, die die individuelle Situation möglichst ausführlich berücksichtigen, begrüßt und positiv beurteilt. - Sehr positiv beurteilt wird weiters ein zielorientiertes Vorgehen des Beraters/der Beraterin, das in enger Abstimmung mit den Betroffenen geplant und realisiert wird.6
6 Dies hat sich zuletzt in sehr deutlicher Weise auch in der Analyse des Case Managements, das sich an BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Rahmen des Pilotprojektes Step 2 Job wandte, gezeigt (siehe Hausegger et al. 2012).
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- Von den BeraterInnen wird berichtet, dass es insbesondere (Teil-)Erfolge sind, die die TeilnehmerInnen anregen, auch schwierige Themen anzugehen und Lösungen für belastende Situationen zu entwickeln.
1.2. Teilerfolge nachvollziehen und sichtbar machen Um in Erfahrung zu bringen, ob und in welchem Ausmaß ein Case Management oder ein anderes Angebot für arbeitsmarktferne Menschen beispielsweise auch auf SchuldnerInnenberatungsressourcen zurückgreifen können muss und ob derartige Angebote in der angebotenen Form von den Betroffenen überhaupt akzeptiert werden, bleibt letztlich nur der Weg in die Auswertung von Beratungsdokumentationen. Nur so können – für die Analyse der Passgenauigkeit von Interventionsangeboten – wichtige Fragestellungen bearbeitet werden, unter anderem: - Welche konkreten Hilfestellungen werden bei Vorliegen welcher Problematik überhaupt angeboten? - Welche Hilfestellungen wurden in welcher Häufigkeit von welchen TeilnehmerInnengruppen akzeptiert/nicht akzeptiert, also angenommen respektive nicht angenommen? - Welche Hilfestellungen werden in welcher Häufigkeit von welchen TeilnehmerInnengruppen abgebrochen und welche werden in welcher Häufigkeit abgeschlossen? - Zu welchen Ergebnissen führen die unterschiedlichen Hilfestellungen jeweils? Abbildung 10 zeigt am Beispiel von Interventionen, die im Themenfeld Gesundheit gesetzt wurden – Ausgangslage war das Pilotprojekt Step 2 Job in Wien (siehe Hausegger et al. 2012), das sich an BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien wendet –, welche Einblicke und Erkenntnisse derart gewonnen werden können. Bei 270 TeilnehmerInnen der untersuchten Maßnahme wurden gesundheitliche Probleme festgestellt, die deren möglichen Tätigkeitsbereiche einschränken. Interventionsvorschläge im Bereich Gesundheit wurden bei 299 TeilnehmerInnen dokumentiert. Diese Differenz zeigt, dass bei einem kleinen Teil der TeilnehmerInnen erst nach Abschluss der Diagnosephase evident wurde, dass
Auswertbar dokumentierte arbeitsmarktbezogene Diagnosen
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Abb. 10: Von der Problemwahrnehmung über den Interventionsvorschlag zum Interventionsergebnis im Themenfeld Gesundheit
einschränkende gesundheitliche Belastungen bestehen. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass diese Einschränkungen erst im Zuge einer Arbeitsaufnahme evident wurden oder aber darauf, dass sich eine bestehende Erkrankung im Beratungszeitraum verschlechterte respektive eine neue auftrat. Bei insgesamt 263 dieser 299 Interventionsvorschläge wurde bis zum Ende des Förderungszeitraums dokumentiert, was mit diesem Interventionsvorschlag geschah:
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- 95 Personen oder 36% all jener Personen, die einen Interventionsvorschlag im Bereich Gesundheit erhielten, lehnten oder brachen diesen ab. - Bei weiteren 77 Personen war diese Intervention am Ende des Förderungszeitraums noch nicht abgeschlossen. Dabei handelt es sich um 29% aller TeilnehmerInnen, denen eine Intervention vorgeschlagen worden war. - 91 Personen oder 34% aller Personen, die einen Interventionsvorschlag im Bereich Gesundheit erhielten, nahmen diesen in Anspruch und hatten ihn auch zu Ende des Förderungszeitraums beendet. - Von den 91 Personen mit abgeschlossener Intervention kam es bei 41 TeilnehmerInnen oder 45% zu einer deutlichen Verbesserung der gesundheitlichen Situation. Bei 29% oder 32% veränderte sich an der gesundheitlichen Situation trotz Intervention nichts. Diese etwas ernüchternd wirkenden Ergebnisse – von insgesamt 299 Personen, bei denen eine gesundheitlich bedingte Einschränkung der Vermittelbarkeit festgestellt und ein Interventionsvorschlag getätigt wurde, konnte bei 41 Personen oder bei 14% eine Verbesserung der Situation erreicht werden und bei weiteren 77 (26%) eine Intervention gestartet werden, deren Ausgang noch offen ist – zeigen recht anschaulich, warum bei derartigen Maßnahmen immer nur ein Teil der TeilnehmerInnen messbare Arbeitsmarktintegrationsschritte setzen kann. Die Auswertungen lassen auch erkennen, dass es gerade die Problembereiche Gesundheit und Verschuldung sind, bei denen Interventionen sehr häufig am Ende des Förderungszeitraums noch nicht abgeschlossen sind und überdurchschnittlich oft nicht angenommen oder abgebrochen werden. Schulungsangebote führen vergleichsweise schneller zum Erfolg und werden in der hier besprochenen Maßnahme auch weniger oft abgelehnt und weniger oft abgebrochen, Interventionen im Bereich Wohnen werden vergleichsweise selten abgebrochen. Derartige Dynamiken sind von Maßnahme zu Maßnahme unterschiedlich, hängen sie doch letztlich davon ab, wie intensiv die Ausgangsproblematiken in den unterschiedlichen Bereichen sind und wie hoch der Anteil der TeilnehmerInnen ist, der unter einer Mehrzahl intensiver Vermittlungshemmnisse leidet. Eine entsprechende Anzahl an Maßnahmenteilnahmen vorausgesetzt, lassen sich aus derartigen Detailauswertungen fundierte Rückschlüsse auf die Akzeptanz und Wirksamkeit einzelner Teilinterventionen ableiten. So kann bei überproportional oft abgelehnten Interventionen gefragt werden, ob diese
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eventuell für die Zielgruppe zu hochschwellig sind. Weiters kann die Dauer von Maßnahmen auf dieser Grundlage besser an die tatsächlich notwendigen Interventionszeiträume angepasst werden. Schließlich kann untersucht werden, ob bestimmte Interventionen bei bestimmten Trägern besonders häufig angenommen oder abgelehnt werden, und können auf dieser Grundlage Diskussionsprozesse darüber in Gang kommen, in welcher Form derartige Angebote kommuniziert und eventuell auch begleitet werden müssen, um auf Akzeptanz zu stoßen.
2.
Fazit
Ausgangspunkte für unsere Auseinandersetzungen mit dem Thema Arbeitsmarktdiagnostik waren zum einen unsere Unzufriedenheit mit der Aussagequalität, die wir in Maßnahmenevaluationen erzielen konnten: Die Tatsache, dass wir auf Basis der zugänglichen Informationen immer nur Teile der Ergebnisse erklären konnten, war für uns ebenso unbefriedigend wie die Tatsache, dass wir über die realen Hintergründe für die Arbeitsmarktintegrationsschwierigkeiten der TeilnehmerInnen zu wenig wussten. Zum anderen zwingt uns die Tatsache, dass – insbesondere in Zeiten von Budgetkonsolidierung und Sparpaketen – eine durchgängig „wirkungsorientierte Arbeitsmarktpolitik“ immer genauer überprüft, ob gesetzte Interventionen auch wirken, verstärkt die Notwendigkeit auf, sich mit dem Messen von schwer Messbarem auseinanderzusetzen. Mit dem integrachart® in seiner mittlerweile gegebenen Form und den damit einhergehenden Auswertungs- und Analysemöglichkeiten sind wir aus unserer Sicht einen wesentlichen Schritt in dieser Frage gegangen: Es werden und wurden Faktoren mess- und damit diskutierbar, die sich allzu oft einer einigermaßen objektivierten Diskussion entziehen. Weitere Anwendungen, Analysen und darauf aufbauende Entwicklungsschritte, beispielsweise unter verstärkter Berücksichtigung persönlicher Ressourcen, wie von Weber im nächsten Beitrag vorgeschlagen, werden neue und zusätzliche Erkenntnisse bringen.
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Trude Hausegger, Isabella Hager
Literatur Baethge-Kinsky, Volker/Bartelheimer, Peter/Henke, Jutta/Wolf, Andreas/Land, Rainer/ Willisch, Andreas/Kupka, Peter (2007): „Neue soziale Dienstleistungen nach SGB II“ (= Forschungsbericht. 15). Hausegger, Trude/Hager, Isabella (2009): Integrationsbarrieren – Arbeitslose mit unvorteilhaften Integrationschancen – eine qualitative Analyse (= unveröffentlichter Endbericht an das AMS Wien). Hausegger, Trude/Reidl, Christine (2012): Begleitende Evaluation des Pilotprojekts alea nordstern für zukünftige BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Bezirk Bruck/Mur (= unveröffentlichter Endbericht an das Arbeitsmarktservice Steiermark). Hausegger, Trude/Reidl, Christine/Reiter, Andrea (2010): Begleitende Evaluation Step 2 Job – Zwischenergebnisse für Eintritte bis 31.5.2010 (= unveröffentlichte Dokumentation). Hausegger, Trude/Reiter, Andrea/Reidl, Christine/Hager, Isabella (2012): Begleitende Evaluationsstudie des Wiener Pilotprojektes Step 2 Job. Berufliches Unterstützungsmanagement für BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (= unveröffentlichter Endbericht an das Arbeitsmarktservice Wien, den Wiener ArbeitnehmerInnenförderungsfonds und die Wiener Magistratsabteilungen 24 und 40). Koch, Susanne/Kupka, Peter/Steinke, Joß (2009): Aktivierung, Erwerbstätigkeit und Teilhabe. Vier Jahre Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nürnberg: W. Bertelsmann Verlag. Riesenfelder, Andreas/Krenn, Manfred/ Schelepa, Susanne (2010): Erwerbspotenzial von SozialhilfebezieherInnen in Wien. Bestandsaufnahme vor Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Online im Internet: http://www.waff.at/ fileadmin/user_upload/studien/2011/EB_Erwerbspotenzial_SH_Textband__48_. pdf [Stand: 2012-02-04]. Weber, Friederike/Friedl-Schafferhans, Michaela/Hausegger, Trude/Hlebic, Dagmar (2010): Die Bedeutung der Startphase für den Erfolg in der Arbeitsvermittlung. Eine Studie im Auftrag des BMASK. Endbericht. Wien. Weber, Friederike/Hager, Isabella/Hausegger, Trude/Reidl, Christine (2010): Die Startphase der AMS-Beratung aus Sicht der KundInnen. Endbericht. Wien.
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik und Selbstwirksamkeit Friederike Weber
Einleitung Der physische und psychische Gesundheitszustand spielt, wie hinlänglich bekannt und auch im integrachart® abgebildet, eine wesentliche Rolle, wenn es um die Integration von Menschen in den Arbeitsmarkt geht. Arbeitslose Personen weisen nicht nur einen schlechteren physischen und vor allem psychischen Gesundheitszustand als Erwerbstätige auf – ihre gesundheitlichen Probleme äußern sich zumeist in Form unspezifischer Beschwerden, in Depressionen, Ängsten sowie psychosomatischen Symptomen –, sondern haben auch ein ungünstigeres Gesundheits- und Suchtverhalten bei gleichzeitiger geringerer Inanspruchnahme von Leistungen der Früherkennung, Prävention und Gesundheitsförderung (vgl. Statistik Austria 2008, S. 69f.). Dies verschlechtert sich mit zunehmender Dauer ihrer Arbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit kann bestehende Krankheitszustände dramatisch verschlimmern. Hinzu kommt, dass diese gesundheitliche Ungleichheit „vererbt“ wird: Im deutschen Mikrozensus 2005 ließen sich bereits bei den Kindern erwerbsloser und erwerbstätiger HaupteinkommensbezieherInnen Gesundheitsunterschiede beobachten (vgl. Hollederer 2011, S. 246). Dem heutigen Wissensstand zufolge wirken die durch Arbeitslosigkeit hervorgerufenen gesundheitlichen Belastungen parallel zu Selektionen bei den Übergängen von und in Beschäftigung, d.h., die Wahrscheinlichkeit, Arbeitsangebote zu erhalten, ist gering, das Risiko, gekündigt zu werden, erhöht. Insgesamt fehlt aber noch ein grundlegender Theorierahmen mit hoher Erklärungskraft, der die vielen potenziellen Einflussfaktoren und die empirischen Ergebnisse zu gesundheitsbezogenen Wirkungen und der Bewältigung von
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Friederike Weber
Arbeitslosigkeit integriert (vgl. ebd., S. 69f.)1. Hilfreich könnte hier ein salutogenetischer Blickwinkel sein, d.h. eine Perspektive, die den Erhalt von Gesundheit und nicht das Entstehen von Krankheit hinterfragt2: Warum bleiben manche Personen auch unter den schwierigen Bedingungen längerer Arbeitslosigkeit physisch und psychisch relativ stabil? Gibt es Faktoren, die die negativen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf Körper und Seele abmildern und dadurch die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt fördern? Was zeichnet Personen aus, die es trotz einer schwierigen Konstellation schaffen und einen neuen Arbeitsplatz finden?
1.
Personale Ressourcen als Einflussfaktoren auf den Gesundheitszustand
Sich die personalen Ressourcen (Persönlichkeitsmerkmale, Einstellungs- und Handlungsmuster, Selbstkonzept)3 eines/r Arbeitslosen näher anzusehen, könnte Antworten auf die obigen Fragen liefern, darf aber nicht zur Individualisierung der Problematik Arbeitslosigkeit führen. In der Gesundheitspsychologie existieren hierzu mehrere Konstrukte (vgl. Rüesch/Bartlomé/Huber 2006, S. 7f.). Vorliegend von Interesse sind das Kohärenzgefühl nach Aaron Antonovsky (1997), die Selbstwirksamkeitserwartung von Albert B andura
1 Die Kausalitätshypothese spricht von der kausalen Wirkung von Arbeitslosigkeit auf Gesundheit, die Selektionshypothese geht dagegen davon aus, dass ein schlechter Gesundheitszustand Arbeitslosigkeit verursacht. ArbeitslosenforscherInnen konnten aus methodischen Gründen die Kausalitätshypothese bisher nicht eindeutig verifizieren, unterstützen sie allerdings sehr. Die Effektgrößen von Selektionsprozessen werden von ihnen als vergleichsweise geringer eingeschätzt. 2 Ein solch erweiterter Blick auf Gesundheit und Krankheit kann diese auch als das Ergebnis des Zusammenspiels sogenannter „Protektivfaktoren“ und „Ressourcen“ auf der einen Seite und „Risikofaktoren“ und „Stressoren“ auf der anderen Seite verstehen. 3 �������������������������������������������������������������������������������� Jeder Mensch verfügt aufgrund seiner Lebenserfahrung, Lebensumstände und der Reflexion darüber über ein umfangreiches Wissen seiner Person. Diese Vorstellungen sind Teil des Selbstkonzeptes. Das Selbstkonzept ist mehr als ein Archiv der Vergangenheit, es beeinflusst die Auswahl persönlicher Handlungsziele und die Einschätzung der eigenen Wirksamkeit. Dem eigenen Handeln wird dadurch Richtung und Intensität gegeben. Bestimmte Aspekte des Selbstkonzeptes sind Resultat vieler einzelner situationsspezifischer Erfahrungen und werden in Folge als Interpretationsfolie auf unterschiedliche Lebenssituationen angewandt. (Vgl. Schmidt 2007, S. 44)
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik und Selbstwirksamkeit
(1997) und die Kontrollüberzeugung von Julian Rotters (1966). Im Gegensatz zum Krankheitsmodell, das sich mit den Ursachen und Bedingungen von Erkrankung beschäftigt, betont das Modell der Salutogenese von Aaron Antonovsky, wie vorne bereits erwähnt, die gesund erhaltenden Faktoren, also die Entstehung von Gesundheit. Es liefert damit Antwort auf die Frage, warum Menschen bestimmte Anforderungen und Stressoren unterschiedlich gut bewältigen. Antonovsky zufolge gibt es Grundorientierungen, die einen Menschen gesund bleiben lassen, selbst wenn er/sie sich in belastenden Lebensumständen befindet (vgl. Bengel/Strittmatter/Willmann 2001, S. 24f.). So verfügen einige Menschen über Ressourcen und Kräfte, Krisen unbeschadet zu überstehen, welche andere Menschen krank machen. Antonovsky nennt diesen Schutzfaktor das „Kohärenzgefühl“ (sense of coherence, SOC), „ein durchdringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens“ (Antonovsky 1997, S. 16). Menschen, die dieses Gefühl entwickelt haben, können es auch in schwierigen Lebenslagen aktivieren und davon profitieren. Es beruht auf einem spezifischen Wahrnehmungsmuster (vgl. ebd., S. 28ff.): auf dem Gefühl, Situationen und Umstände zu verstehen und richtig einzuordnen (Verstehbarkeit), sie handhaben und bewältigen zu können (Handhabbarkeit bzw. Bewältigbarkeit) und als sinnhaft und bedeutsam zu erleben (Sinnhaftigkeit). Letzteres ist für Antonovsky das wichtigste Element, weil ohne Erleben von Sinn das Leben in allen Bereichen als Last empfunden wird. Ob sich ein schwaches oder starkes Kohärenzgefühl herausbildet, hängt vor allem mit gesellschaftlichen Gegebenheiten, d.h. von der Verfügbarkeit generalisierter Widerstandsressourcen – das kann beispielsweise ein hohes Maß an finanziellen Mitteln oder an kultureller Stabilität sein (vgl. Bengel/Strittmatter/Willmann 2001, S. 30 u. S. 34) – ab. Von Albert Bandura stammt die Theorie der Selbstwirksamkeit. Die Selbstwirksamkeitserwartung eines Menschen ist Bandura zufolge eine Kognition über die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen, die benötigt werden, um bestimmtes Verhalten zu zeigen, das wiederum zu definierten Konsequenzen führt (vgl. Berth et al. 2005, S. 329). Selbstwirksamkeit ist folglich das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit und die Überzeugung, einer Aufgabe und Herausforderung aus eigener Kraft gewachsen zu sein. Diese gute Meinung über sich selbst hat, wie Bandura ausführt, einen entscheidenden Einfluss auf das Leistungsverhalten: Menschen ergreifen die Initiative, wenn sie davon überzeugt sind, die notwendigen Handlungen ausführen zu können und sie zu-
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Friederike Weber
gleich sicher sind, dass diese Handlungen zu den angestrebten Ergebnissen führen. Im Vordergrund stehen dabei nicht die objektiven Ressourcen, sondern der Glaube an diese. Die optimistische Überzeugung, Fertigkeiten sinnvoll einsetzen zu können, bildet also neben den Fertigkeiten selbst die Voraussetzung für die erfolgreiche Bewältigung komplexer Anforderungen (vgl. Bandura 1997, S. 36ff.). Allgemeine Selbstwirksamkeitserwartungen sind eine wichtige persönliche Ressource bei der Bewältigung neuartiger und schwerer Lebenskrisen. Selbstwirksame Menschen sind in der Lage, ihr inneres Potenzial mit den Anforderungen ihrer Umwelt besser in Einklang zu bringen. Erworben werden Selbstwirksamkeitserwartungen immer in einem sozialen Kontext. Die wichtigste Quelle hierfür sind nach Bandura sogenannte „Mastery Erfahrungen“: Erfolgreiches Handeln führt unter bestimmten Bedingungen zu der Überzeugung, auch zukünftig Anforderungen erfolgreich bewältigen zu können. Notwendig ist, dass der Erfolg wahrgenommen und attribuiert wird. Wesentlich hierfür sind auch stellvertretende Erfahrungen (Beobachten einer erfolgreichen Modellperson), soziale Unterstützung und die eigenen physiologischen Reaktionen auf neue Anforderungssituationen (vgl. ebd., S. 79ff.). Laut Julian Rotters sozialer Lerntheorie bilden Personen generalisierte Kon trollerwartungen über ihre Fähigkeiten aus, die Ereignisse in ihrem Leben selbst bestimmen zu können. Rotters unterscheidet dabei zwischen Menschen mit einer internen und einer externen Kontrollerwartung. Eine interne Kontrollerwartung liegt vor, wenn Personen erwarten, dass sie durch ihr eigenes Verhalten den Verlauf ihres Lebens bestimmen und steuern können. Sie besitzen Vertrauen in ihre eigenen „Fähigkeiten“, „strengen sich an“ und sehen einen kausalen Zusammenhang zwischen ihrer Anstrengung und den Umwelt ereignissen. Personen mit einer externen Kontrollerwartung glauben dagegen, dass ihr eigenes Verhalten die Ereignisse in ihrem Leben kaum oder gar nicht beeinflussen kann. Dementsprechend dominieren Erklärungskonzepte wie „Zufall“, „Glück“, und „die sozialen Verhältnisse“. Die Erwartungen und Ereignisse, die ihre eigene Person betreffen, werden auf externe Ursachen in der Umwelt zurückgeführt. (Vgl. Pfeiffer 2000, S. 67f.)
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik und Selbstwirksamkeit
2.
Personale Ressourcen als Einflussfaktoren auf den Gesundheitszustand in der Arbeitslosigkeit
Es gibt eine Reihe von Messinstrumenten, die die vorgestellten Konzepte operationalisieren (z.B. SOC-Skala, Skala der allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung SWE, Fragebogen zur Erfassung der internen und externen Kontrollüberzeugung bei Erwachsenen ROT-IE). Der Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit konnte dabei nachgewiesen werden, die Wechselwirkung mit der körperlichen Gesundheit zeigte sich in einigen, aber nicht in allen Forschungen.4 Interessant sind in diesem Kontext vor allem jene Studien, die sich dem Zusammenhang dieser Persönlichkeitsmerkmale und der Arbeitslosigkeit widmen. Jedoch ist die Forschungslage nicht eindeutig. Deutschmann und Kuhnert (2005) legten beispielsweise dar, dass Erwerbslose mit einem niedrigen Kohärenzgefühl mehr belastende Gefühle empfinden, sich weniger erholt und entspannt fühlen, mehr psychische Beeinträchtigungen aufweisen und mit dem Leben insgesamt unzufriedener sind. Eine finnische Studie, die arbeitslose Personen vor und nach einer arbeitsmarktpolitischen Intervention untersuchte, ergab, dass ein starkes Kohärenzerleben beim ersten Messzeitpunkt die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sechs Monate später voraussagen ließ (vgl. Vastamäki 2009, S. 88ff.). Wacker und Kolobkowa (2000 zit. in Berth et al. 2005, S. 330) verglichen Lang- und Kurzzeitarbeitslose. Die Langzeitarbeitslosen wiesen in allen untersuchten Bereichen (Selbstwertgefühl, Selbstwirksamkeit, Selbstabwertung, generelle Kompetenzerwartung) deutlich schlechtere Werte auf. Demgegenüber fanden etwa Wiesner und Pinquart (1999 zit. in ebd., S. 330) heraus, dass Arbeitslosigkeit die Selbstwirksamkeitserwartung nicht negativ beeinflusst. Eine sächsische Längsschnittstudie zeigte wiederum, dass Personen, die bis zum Befragungszeitpunkt (16. Befragungswelle) niemals arbeitslos waren, eine signifikant ausgeprägtere Selbstwirksamkeitserwartung beobachten ließen als Befragte mit Arbeitslosigkeitserfahrungen. Die in dieser Längsschnittstudie abgebildete mehrfaktorielle Betrachtung vermochte die Wichtigkeit der Selbstwirksamkeitserwartung für das Erleben der Arbeits losigkeit zu verdeutlichen: Während die Arbeitslosigkeitserfahrung alleine be-
4 Die Validierung der Theorien scheint noch nicht abgeschlossen zu sein. Beispielsweise zeigte sich bei einer Reihe von Fragebögen zur Messung des Kontrollverhaltens eine Präferierung sozial erwünschter Antworten (vgl. Jakoby/Jakob 1999, S. 62f.).
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trachtet nahezu keine Auswirkungen auf das Befinden zeigte (mit Ausnahme der Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes), erwies sich die Selbstwirksamkeitserwartung bei allen untersuchten Variablen als wichtiger Einflussfaktor. Die Kombination aus vorhandener Arbeitslosigkeitserfahrung und niedriger Selbstwirksamkeitserwartung, so das Ergebnis der Studie, führt zu einem massiv gesteigerten Erleben körperlicher Beschwerden. (Vgl. Berth et al. 2005, S. 331f. u. S. 335ff.) Eine Auswertung des IZA5 Evaluationsdatensatzes (Stichprobe 18.000 arbeitslose Personen) ergab, dass Personen, die davon überzeugt sind, durch eigenes Handeln die Ereignisse in ihrem Leben beeinflussen zu können, intensivere eigenständige Arbeitssuchanstrengungen erkennen lassen als Personen mit externaler Kontrolleinstellung. Es gibt demnach eine subjektive Einschätzung der Effektivität von Suchanstrengungen, die zumindest teilweise von der individuellen Kontrolleinstellung abhängt (vgl. Caliendo/Uhlendorff 2010, S. 6f.). Damit in Zusammenhang stellt sich die Frage, ob personale Ressourcen überhaupt veränderbar sind, denn es sollte nicht um den reinen Erkenntnisgewinn gehen, sondern Ziel muss es sein, Konsequenzen für den weiteren Unterstützungsprozess abzuleiten. Die Erfahrungen mit ganzheitlichen Maßnahmen wie dem von der Universität Rostock entwickelten Programm zur „Förderung der Gesundheit und psychosozialen Selbstwirksamkeit bei Arbeitslosen“ erweisen sich in diesem Zusammenhang als durchwegs positiv. Die Evaluation zeigte, dass Veränderungen bei den Ressourcen und Selbstmanagementfähigkeiten erzielbar sind: Die Fähigkeiten und Strategien der TeilnehmerInnen, ihr Leben und ihre seelische Befindlichkeit selbst zu regulieren, verbesserten sich (vgl. Braungardt et al. 2010, S. 45). Ein anderes positives Beispiel ist das Fallmanagement mit Gesundheitsbezug, das in Deutschland noch im Stadium der Praxiserprobung steht. Ein Modellprojekt davon ist AmigA (Arbeitsmarktförderung mit gesundheitsbezogener Ausrichtung), das von 2005 bis 2008 in Brandenburg mit einem multidisziplinären Fallmanagement-Team, bestehend aus SozialmedizinerInnen, PsychologInnen und Vermittlungsfachkräften, umgesetzt wurde. Basis ihrer Arbeit war eine umfangreiche Eingangsdiagnostik, wobei die Daten zu den medizinischen und psychologischen Sachverhalten der Langzeitarbeitslosen in einer getrennten Dokumentation geführt wurden. Auf einer Fallkonferenz erfolgte dann eine Bündelung der relevanten Informationen und darauf 5 Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik und Selbstwirksamkeit
aufbauend die Erarbeitung des Integrationsplanes. Besonderer Fokus wurde dabei auf das Erkennen und die Stärkung der Ressourcen gelegt (vgl. Toumi/ von Braunmühl 2009, S. 263ff.). 3.
Ressourcenorientierung im Beratungs- und Unterstützungsprozess
Abseits ganzheitlicher Interventionen ist es wichtig, Menschen in kritischen Situationen wie der Arbeitslosigkeit so zu begegnen, dass ihre personalen Ressourcen nicht kurzfristig absinken (vgl. Zeidler 2009, S. 22f.). Das Stichwort ist Ressourcenorientierung, ein gern verwendetes Wort, das leider in der Praxis manchmal eine Worthülse bleibt. Eine salutogenetisch ausgerichtete Beratung und Unterstützung sollte gesundheitsfördernde Faktoren in der Lebensgeschichte analysieren, damit sich die Betroffenen an schützende Ressourcen erinnern können. Gemeinsam gilt es, realistische und personzentrierte Ziele zu formulieren. Erst so werden selbstwirksamkeitsfördernde Erlebnisse möglich. Eine motivationale Gesprächsführung und Wertschätzung dem Erreichten gegenüber sind dabei wesentlich. Möglichkeitsräume der aktiven Mitgestaltung und der Beteiligung an Entscheidungsprozessen lassen die Betroffenen eigenverantwortlich ihre Handlungsautonomie zurückgewinnen. Und in Bezug auf die Suche nach Sinn geht es darum, gemeinsam mit den arbeitslosen Menschen Dinge und Tätigkeiten zu entdecken, die lustvoll sind. Mit Blick auf die Persönlichkeitsmerkmale steht auch die Forderung nach der Eigeninitiative arbeitsloser Menschen unter einem anderen Licht. Bislang wurde vor allem darauf geachtet, ob die Rahmenbedingungen für Eigeninitiative vorhanden sind, wie z.B. die Möglichkeit und Kompetenz, im Internet nach Stellen zu suchen. Das Vorhandensein entsprechender personaler Ressourcen fand wenig Beachtung. Aus Sicht von Rothländer und Mühlpfordt (2011, S. 92f.) stellt sich letztendlich auch die Frage, inwieweit die Strukturen der Arbeitsmarktverwaltung Einbußen personaler Ressourcen mindern können. Unter dem Aspekt der Verstehbarkeit sehen sich aktuell viele Erwerbslose mit einer Reihe von Widersprüchen konfrontiert, die aufgelöst werden müssten. Erwerbslose müssen nachvollziehen können, welche Regelungen inhaltlich begründet sind und wo rein formale Erfordernisse vorliegen. Wichtig wären Rothländer und Mühlpfordt zufolge Wahlmöglichkeiten zwischen unterschiedlichen Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen, Trainings- und Beratungsangeboten sowie die Ho-
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Friederike Weber
norierung sinnstiftender Tätigkeiten (z.B. die Wahrnehmung von Bildungsangeboten, die mit Credit Points bewertet werden) oder auch die Anerkennung von Phasen ohne Erwerbstätigkeit. Forschung, die Basis für gezielte Hilfestellungen bei der Reintegration in den Arbeitsmarkt sein soll, muss dementsprechend auch eine Annäherung an diese tiefer liegenden Ebenen von Arbeitsfähigkeit und Beruflichkeit finden. Aktuell wird überlegt, wie das integrachart® eine solche Annäherung in sensibler Form realisieren kann.
Literatur Antonovsky, Aaron (1997): Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit. Deutsche erweiterte Ausgabe von Alexa Franke. Tübingen: dgvt-Verlag. Bandura, Albert (1997): Self-efficacy. The exercise of control. New York: Freeman. Bengel, Jürgen/Strittmatter, Regine/Willmann, Hildegard (2001): Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese – Diskussionsstand und Stellenwert. Erweiterte Neuauflage. Band 6. Köln: BZga. Berth, Hendrik/Förster, Peter/Balck, Friedrich/Brähler, Elmar/Stöbel-Richter, Yve (2005):
Arbeitslosigkeit,
Selbstwirksamkeitserwartung,
Beschwerdeerleben.
Ergeb nisse einer Studie bei jungen Erwachsenen. In: Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie, H. 4, Jg. 53 (2005), S. 328–341. Braungardt, Tanja/Schindler, Nicole/Vogel, Matthias/Schneider, Wolfgang (2010): Förderung der Gesundheit und psychosozialen Selbstwirksamkeit bei Landzeit arbeitslosen. In: Psychotherapeut 2011 vom 16. Dezember 2010. OnlinePublikation. Springer Verlag. Caliendo, Marco/Uhlendorff, Arne (2010): Determinanten des Suchverhaltens von Arbeitslosen. Ausgewählte Erkenntnisse basierend auf dem IZA Evaluationsdatensatz (= IZA Discussion Paper. 5379). Deutschmann, Andre/Kuhnert, Peter (2005): Kohärenzgefühl – Instrument für Risiko gruppen in der Arbeitslosigkeit. Ergebnisse einer Vergleichsstudie. In: Kastner, Michael et al. (Hrsg.): Arbeitslosigkeit und Gesundheit – Arbeitsmarktintegrative Gesundheitsförderung. Lengerich: Pabst, S. 149–168. Hollederer, Alfons (2011): Erwerbslosigkeit, Gesundheit und Präventionspotenziale. Ergebnisse des Mikrozensus 2005. Wiesbaden: VS-Verlag. Jakoby, Nina/Jakob, Rüdiger (1999): Messung von internen und externen Kontroll-
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik und Selbstwirksamkeit
überzeugungen in allgemeinen Bevölkerungsumfragen. In: ZUMA-Nachrichten 45, Jg. 23, S. 61–71. Pfeiffer, Iris (2000): Berufliche Umorientierung: Ressourcen und Risikofaktoren. Eine empirische Studie zum Umschulungserfolg im Kontext der beruflichen Rehabilitation (= Dissertation an der Freien Universität Berlin. Fachbereich Erziehungswissenschaften und Psychologie, Berlin). Rothländer, Kathrin/Mühlpfordt, Susanne (2011): Ressourcenorientierung als Strategie zur Gesundheitsförderung von Erwerbslosen. In: Mühlpfordt, Susanne et al. (Hrsg.): Erwerbslosigkeit: Handlungsansätze zur Gesundheitsförderung. Lengerich: Pabst, S. 85–98. Rotter, Julian (1966): Generalized expectancies for internal versus external control of reinforcement. In: Psychological Monographs, 80. (Whole No. 609). Rüesch, Peter/Bartlomé, Pascal/Huber, Carola (2006): Evaluation von Messinstrumenten für den strategischen Bereich „psychische Gesundheit/Stress. Hrsg. von der Gesundheitsförderung Schweiz. Bern und Lausanne. Schmidt, Christof (2007): Wirkungsorientierte Evaluation in der beruflichen Rehabilitation (= iqrp Forschungsbericht. 5). Statistik Austria (2008): Sozio-demographische und sozio-ökonomische Determinanten von Gesundheit. Auswertung der Daten aus der Österreichischen Gesundheitsbefragung. Wien: Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend. Toumi, Ingrid/von Braunmühl, Carlchristian (2009): Fallmanagement in der Arbeitsförderung mit gesundheitsbezogener Ausrichtung. In: Hollederer, Alfons (Hrsg.): Gesundheit von Arbeitslosen fördern! Ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Frankfurt am Main: Fachhochschulverlag, S. 261–276. Vastamäki, Jaana (2009): Sense of Coherence and Unemployment (= Academic Dissertation, University of Erlangen-Nuremberg and University of Kuopio). Zeidler, Doris Hildegard (2009): Intrapersonale Ressourcen in der Gesundheitsförderung: die Bedeutung von Selbstwirksamkeitserwartung, Natur und Spiritualität für die Rehabilitation bei Alkoholabhängigkeit (= unveröffentlichte Diplom arbeit, Wien).
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Arbeitsmarktbezogene Diagnostik aus Sicht einer Mitarbeiterin des österreichischen Arbeitsmarktservice Martina Kainz
Einleitung Im Rahmen meiner intensiven Auseinandersetzung mit Sozialökonomischen Betrieben (SÖB) im Jahr 2007 war ich zu dem Schluss gelangt, dass ein präziseres Eingehen auf die jeweils individuellen Problemlagen der Transitarbeitskräfte, die von diesem arbeitsmarktpolitischen Förderungsinstrument unterstützt werden, notwendig wäre. Ich schlug vor, dass AMS-BeraterInnen und externe Einrichtungen, die mit dem Arbeitsmarktservice zusammenarbeiten, das Inclusions-Chart 2 (IC2) von Peter Pantuček (siehe Pantuček 2009) als soziales Diagnoseinstrument einsetzen sollten – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass das Instrument zu zeitintensiv sei und die AMS-BeraterInnen sehr schnell mit ihren Aufgaben in Konflikt geraten würden (vgl. Kainz 2007, S. 67). Dieses Plädoyer wurde von den Autorinnen der vorangestellten Beiträge aufgegriffen. Das in der Folge von ihnen entwickelte integrachart® ist nach verschiedenen Rekontextualisierungsschritten ein auf den Arbeitsmarkt hin fokussiertes Diagnoseinstrument, das für mich eine Vorgangsweise – von mehreren vorstellbaren – verkörpert, um in der Arbeitsvermittlung auf die Problematiken einzelner KundInnen, welche eine erfolgreiche Vermittlung verhindern, „hinschauen“ zu können. Meine zwischenzeitlichen Erfahrungen haben mich gelehrt, dass in einem Diagnoseprozess der Kontext eine besondere Rolle spielt und darüber entscheiden sollte, ob und welches Instrument in einer bestimmten Beratungssituation eingesetzt werden kann. Dies möchte ich im vorliegenden Beitrag anhand der unterschiedlichen Ziel- und Rahmensetzungen in der Beratung und Begleitung arbeitsmarktferner Menschen in der öffentlichen Arbeitsvermittlung (hier am Beispiel des österreichischen Arbeitsmarktservice) und in Sozi-
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Martina Kainz
alökonomischen Betrieben sowie Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten (GBP) beschreiben.
1.
Beratung und Begleitung arbeitsmarktferner Menschen in der öffentlichen Arbeitsvermittlung
1.1. Arbeitsmarktferne Menschen In der „AMS-Sprache“ werden unter arbeitsmarktfern, einem Merkmal, das erst seit Kurzem Eingang in den arbeitsmarktpolitischen Diskurs in Österreich fand, vor allem langzeitarbeitslose und langzeitbeschäftigungslose KundInnen des AMS sowie BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) subsumiert. Die Differenzierung dieser Begriffe sorgt immer wieder für Verwirrung. Als langzeitarbeitslos (LZAL) bezeichnet das AMS all jene Personen, die länger als ein Jahr durchgehend arbeitslos vorgemerkt sind. Im Zuge dieser Vormerkung kam es zu keiner Unterbrechung (z.B. durch Krankenstand, Arbeit, Schulung, Auslandsaufenthalt), die durchgehend über 28 Tage angedauert hat. Als langzeitbeschäftigungslos (LZBL) bezeichnet das AMS all jene Personen, die länger als ein Jahr durchgehend arbeitslos vorgemerkt sind. Im Zuge dieser Vormerkung kam es zu keiner Unterbrechung (z.B. durch Krankenstand, Arbeit, Auslandsaufenthalt), die durchgehend über 62 Tage angedauert hat. Zeiten des Besuchs von Schulungsmaßnahmen werden als durchgehend arbeitslos vorgemerkt gewertet. Die statistische Auswertung dieses Personenkreises wurde mit Beginn des Jahres 2012 durch die Erhebung „arbeitsmarktferner Personen“ ersetzt. Als arbeitsmarktferne Personen (AMFP) bezeichnet das AMS all jene Personen, die im letzten Jahr zumindest vier Monate arbeitslos beim AMS vorgemerkt waren und weniger als zwei Monate in Beschäftigung standen. Diese Differenzierung und ein präziser Umgang mit derartigen Begrifflichkeiten sind wesentlich, weil Definitionen sehr oft Grundlage für Zielgruppenfestlegungen einzelner Maßnahmen sind und so letztlich mitunter darüber entscheiden, welche arbeitsmarktpolitischen Angebote für welche Personen überhaupt zugänglich sind. Hinzu kommt, dass das österreichische Arbeitsmarktservice seit seiner Ausgliederung zielorientiert gesteuert wird und Managemententscheidungen grundsätzlich so weit als möglich evidenzbasiert
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik aus Sicht einer Mitarbeiterin des AMS
getroffen werden. Eingebettet ist diese Evidenzbasierung in eine umfassende Zielarchitektur des AMS Österreich, die für alle im AMS Beschäftigten eine durchgängig gute Orientierung bietet (siehe dazu Punkt 1.2.). Ein präziser Umgang mit unterschiedlichen Kennzahlen und den dahinter liegenden Definitionen ist daher in einer AMS-Innenlogik von größter Bedeutung. Dieser Umstand – und dies ist mir und den meisten meiner KollegInnen im AMS durchaus bewusst – stößt bei KooperationspartnerInnen nicht immer auf volles Verständnis, ist doch die individuelle Situation einer Person mit Sicherheit an jenem Tag, ab dem sie als langzeitarbeitslos geführt wird, nicht anders als am Tag davor, als sie/er noch Arbeitslose/r war. Dies zumindest dann nicht, wenn mit dem Übertritt in die Langzeitarbeitslosigkeit nicht auch eine Veränderung des Leistungsanspruches weg vom Arbeitslosengeld hin zur Notstandshilfe erfolgte.
1.2. Ziele des AMS Österreich
Abb. 11: Ziel- und Planungsarchitektur des AMS Österreich
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Mit 1.7.2004 wurde das Arbeitsmarktservice Österreich durch das Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) als ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit geschaffen und löste somit das bisherige Arbeitsamt bzw. die Arbeitsmarktverwaltung als Bundesdienststelle ab. Das AMS Österreich versteht sich dem gesetzlichen Auftrag gemäß als Organisation zur Durchführung der Arbeitsmarktpolitik des Bundes sowie als Organisation zur Umsetzung von dessen Zielvorgaben. Diese Ziele werden im Sinne des Management by Objectives (Führen durch Zielvereinbarung) mit konkreten Zielwerten auf die neun Landesorganisationen und von dort auf die insgesamt 100 regionalen Geschäftsstellen des AMS heruntergebrochen (siehe Abb. 11). So ist für jede regionale Geschäftsstelle bereits zu Beginn des Jahres klar dargestellt, in welchen Bereichen Schwerpunkte für die Zielerreichung zu setzen sind. Gemäß dieser Schwerpunktsetzung kommen zur Unterstützung der Zielerreichung unterschiedliche Instrumente zur Anwendung (siehe dazu Punkt 1.4.1.).
1.3. Aufgaben der öffentlichen Arbeitsvermittlung Primäre Zielgruppe1 der Arbeitsvermittlungsaktivitäten sind arbeitslose Menschen. Als statistisch arbeitslos gilt, wer kein Erwerbseinkommen über der sozialversicherungsrechtlichen Geringfügigkeitsgrenze hat bzw. keiner Ausbildung nachgeht, dem AMS einen Arbeitsvermittlungsauftrag erteilt hat und zur unmittelbaren Arbeitsaufnahme verfügbar ist.2 Sofern ein Anspruch auf Leis1 ��������������������������������������������������������������������������������� Daneben hat das AMS eine Reihe weiterer Aufgaben und Zielsetzungen, u.a. Informationsaufgaben und -pflichten. Auf diese wird hier nicht näher eingegangen (siehe dazu AMSG § 29). 2 Für einen sinnvollen internationalen Vergleich innerhalb der Staaten der Europäischen Union, unbeschadet von nationalen Definitionsunterschieden, hat EUROSTAT, das Statistische Amt der Europäischen Union, eine Richtlinie zur Berechnung einer standardisierten Arbeitslosenquote für alle Mitgliedstaaten herausgegeben. Grundlage dafür ist eine standardisierte Arbeitskräfteerhebung in allen Mitgliedstaaten, die in Österreich durch die Statistik Austria im Rahmen des Mikrozensus durchgeführt wird. Arbeitslos nach den Kriterien von EUROSTAT sind jene Personen, die während der Bezugswoche nicht erwerbstätig waren, aktiv einen Arbeitsplatz suchen und sofort (d.h. innerhalb von zwei Wochen) für eine Arbeitsaufnahme verfügbar sind. Die Arbeitslosenquote ergibt sich folglich aus dem Anteil der so festgestellten Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen. Die Registerdaten
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik aus Sicht einer Mitarbeiterin des AMS
tungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz besteht, hat die Beratung im AMS neben dem Ziel, die möglichst rasche adäquate Arbeitsaufnahme zu unterstützen, auch das Ziel zu überprüfen, ob die Person nicht nur arbeitslos, sondern auch arbeitsfähig und arbeitswillig ist, denn nur unter diesen Bedingungen besteht auch ein Leistungsanspruch. Arbeitsfähig3 nach den Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes ist jemand, der nicht invalid bzw. berufsunfähig im Sinne des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG)4 ist. Arbeitswillig5 zu sein, beinhaltet die Bereitschaft, eine durch das AMS vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder sich zum Zweck beruflicher Ausbildung nach- und umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und auch sonst alle gebotenen Anstrengungen von sich aus zu unternehmen, um eine Beschäftigung zu erlangen, soweit das nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist. Unter zumutbaren Beschäftigungen6 sind solche Tätigkeiten zu verstehen, die den körperlichen Fähigkeiten entsprechen, die Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährden und die Wahrnehmung der gesetzlichen Betreuungspflichten ermöglichen – die Personen müssen in jedem Fall für eine Beschäftigung im Ausmaß von mindestens 20 Wochenstunden (Personen mit Betreuungspflichten 16 Wochenstunden) zur Verfügung stehen. Die Beschäftigung soll in angemessener Zeit erreichbar sein, d.h. im Regelfall, dass die tägliche Wegzeit höchstens ein Viertel der täglichen Normalarbeitszeit betragen sollte. Falls eine Unterkunft vom Dienstgeber/von der Dienstgeberin bereitgestellt wird, können diese Zeiten auch überschritten werden. In den ersten 100 Tagen während des Bezuges von Arbeitslosengeld ist eine Vermittlung außerhalb des bisherigen
des AMS werden für die österreichische Quote lediglich als Korrekturfaktoren verwendet. Deshalb ist die so errechnete Quote stets niedriger. 3 Arbeitsfähigkeit nach § 8 Abs 1 AlVG. 4 § 273 ASVG: Als berufsunfähig gilt der Versicherte, dessen Arbeitsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich oder geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. 5 Arbeitswilligkeit nach § 9 Abs 1 AlVG 6 Siehe dazu ausführlicher § 9 Abs 2 AlVG
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Tätigkeitsbereichs nur dann zumutbar, wenn dadurch eine künftige Beschäftigung im bisherigen Beruf nicht wesentlich erschwert wird. Die Entlohnung der Beschäftigung muss mindestens dem jeweiligen Kollektivvertrag entsprechen. Auch bei einer Einstellungsvereinbarung, die in der nahen Zukunft liegt, ist zwischenzeitlich eine Vermittlung auf eine andere offene Stelle zulässig (vgl. Arbeitsmarktservice Österreich 2007). All diese Ebenen sind vor dem Hintergrund der jeweiligen Zielvorgaben in den Beratungsgesprächen im AMS abzuklären und zu überprüfen. Diese Aufgabenstellungen, die gesetzlich definiert und daher vorrangig zu behandeln sind, müssen innerhalb eines sehr überschaubaren Zeitbudgets erledigt werden. Hinzu kommen entsprechende Qualitätsstandards und datenschutzrechtliche Vorgaben. Die Beratung arbeitsmarktferner Personen erfolgt in der „Beratungszone“7. Diese ist für KundInnen mit dem Bedarf bzw. Wunsch nach intensivierter individueller Hilfe und Unterstützung zur (Re-)Integration in den Arbeitsmarkt (spätestens ab dem vierten Monat der Vormerkung) zuständig (vgl. Arbeitsmarktservice Österreich 2005). Nachdem die direkten Hilfestellungen im Beratungsgespräch begrenzt sind, kann der/die BeraterIn auf ein sehr breites Spektrum an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik zurückgreifen.
1.4. Aktive Arbeitsmarktpolitik Die aktive Arbeitsmarktpolitik hat in Österreich eine lange Tradition. So begannen die Bemühungen, ein modernes arbeitsmarktpolitisches Instrumentarium in Österreich zu installieren, mit einer Initiative des Österreichischen
7 Die Geschäftsstellen des AMS Österreich sind seit Anfang 2000 im 3-Zonenmodell organisiert. Über dieses Modell erfolgt eine organisatorische Ausrichtung auf die Bedürfnisse der arbeitsuchenden Personen. Konkret geht es dabei um eine KundInnensegmentierung nach Problemlage und Betreuungsbedarf. Die Infozone ist für KundInnen mit punktuellem Dienstleistungsbedarf ohne weitergehenden Wunsch nach einer kontinuierlichen Unterstützung und Betreuung und/oder Vormerkung zuständig sowie allgemein für die Informationstätigkeit sowie KundInnen-Steuerung in der regionalen Geschäftsstelle. Die Servicezone dient KundInnen mit dem Bedarf bzw. Wunsch nach kontinuierlicher und aktiver Unterstützung hinsichtlich Job-Suche/Stellenvermittlung und Existenzsicherung (Vormerkung für die ersten drei Monate, wenn nicht bereits von Anfang an ein intensiverer Betreuungsbedarf besteht).
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik aus Sicht einer Mitarbeiterin des AMS
Gewerkschaftsbundes schon im Jahr 1959. Die zentrale Aufgabe der damaligen Arbeitsmarktverwaltung (jetzt AMS) bestand aus Versichern, Berufsberaten und Vermitteln. Das Schaffen von Beschäftigung war noch vorwiegend Sache der Wirtschaftspolitik und nicht der Arbeitsmarktverwaltung. Mit 1. Jänner 1969 wurde die erste Fassung des Arbeitsmarktförderungsgesetzes in Kraft gesetzt. In diesem Gesetz wurden arbeitsmarktpolitische Instrumente verankert, welche eine Umsetzung aktiver Arbeitsmarktpolitik und das Schaffen von Beschäftigung direkt durch das AMS ermöglichten (siehe Danimann/Potmesil/ Steinbach 1985). Einer der wichtigsten Begründer der aktiven Arbeitsmarktpolitik und somit auch von Sozialökonomischen Betrieben war der damalige Bundesminister für Arbeit und Soziales, Alfred Dallinger. Die Funktionsbereiche der aktiven Arbeitsmarktpolitik umfassen die Schaffung eines Ergänzungs- und Zusatzmarktes, dort wo die regulären Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten nicht vorhanden sind, und die Schaffung eines Übergangs-Arbeitsmarktes gleichwie die Unterstützung bei der Wiedereingliederung arbeitsloser Personen. Das Spektrum aktiver arbeitsmarktpolitischer Instrumente ist groß.
1.4.1. Instrumente der Arbeitsmarktpolitik im Überblick Das Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) sieht in § 34 unterschiedliche Unterstützungsmaßnahmen zur Integration von arbeitslosen Personen mit Vermittlungshemmnissen vor. Solche Beihilfen dienen im Besonderen dem Zweck der Überwindung von kostenbedingten Hindernissen der Arbeitsaufnahme, einer beruflichen Aus- oder Weiterbildung oder der Vorbereitung auf eine Arbeitsaufnahme, der (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt und der Aufrechterhaltung einer Beschäftigung. Konkret werden folgende Beihilfen als aktives Instrument der Arbeitsmarktpolitik durch das AMS angeboten: -- Betriebliche Eingliederungsbeihilfen (zeitlich befristete Lohnsubventionen für Betriebe) -- Lehrstellenförderung (Lohnsubventionen bei der Aufnahme von Lehrlingen für Betriebe) -- Entfernungsbeihilfen (Übernahme von Kosten für einen dem Wohnort entfernt liegenden Arbeitsantritt) -- Sozialökonomische Betriebe (SÖB) und Gemeinnützige Beschäftigungsprojekte (GBP)
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-- Arbeitsstiftungen (Implacement- bzw. Outplacementstiftungen, die Personen entweder auf ein neues Dienstverhältnis vorbereiten oder nach Kündigung der beruflichen Neuorientierung dienen) -- Förderung von Kursmaßnahmen: Qualifizierungs-, Trainings- und Orientierungskurse sowie Kurse zur Unterstützung der aktiven Arbeitssuche -- Qualifizierungsförderungen von Beschäftigten im Rahmen des ESF (Ziel 2) für Betriebe -- Unterstützung für Personen mit Vermittlungseinschränkungen durch Beratungs- und Betreuungseinrichtungen (z.B. für Suchtkranke, Obdachlose, MigrantInnen) -- Unternehmensgründungsprogramm (finanzielle Unterstützung bei der Realisierung der Selbständigkeit) -- Kinderbetreuungsbeihilfe (Übernahme von Kosten der Kinderbetreuung für die Suche bzw. Sicherung einer Beschäftigung sowie des Besuchs einer Schulungsmaßnahme) -- Vorstellbeihilfen (Übernahme von Kosten zur Anreise zu Vorstellgesprächen) -- Kombilohnbeihilfe (zeitlich befristeter Lohnzuschuss für niedrig entlohnte Dienstverhältnisse) Die Entscheidung, ob und welches Arbeitsmarktinstrument für die einzelne Person eingesetzt wird, erfolgt unter Einhaltung gewisser bundes- bzw. länderspezifischer Vorgaben durch den/die BeraterIn. Dem/der BeraterIn wird dabei ein sehr großer Entscheidungsfreiraum eingeräumt. Der Fokus bleibt immer auf einer raschen Arbeitsmarktintegration. Für individuelle Vermittlungshemmnisse sind Unterstützungsmaßnahmen anzubieten, jedoch stets mit dem Ziel der möglichst kurzen Verweildauer in der Arbeitslosigkeit. Der/die BeraterIn muss jedenfalls versuchen, mit dem Kunden/der Kundin gemeinsam eine geeignete Maßnahme festzulegen und im gesetzlich vorgeschriebenen individuellen Betreuungsplan (siehe § 38c Arbeitsmarktservicegesetz) bzw. in der Betreuungsvereinbarung festzuhalten.
1.4.2. Möglichkeiten und Grenzen Die oben aufgezählten Instrumente illustrieren, was Auftrag des AMS ist, und machen nachvollziehbar, dass das in diesem Buch beschriebene „Tool“ des integrachart® m.E. für AMS-BeraterInnen wenig bis gar nicht geeignet ist. Als
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik aus Sicht einer Mitarbeiterin des AMS
geeignet betrachte ich dagegen das dargestellte Screeningverfahren. Es liefert eine gute Grundlage, um entscheiden zu können, ob und in welche externe Beratungseinrichtung man KundInnen weitervermittelt. An dieser externen Stelle kann dann in weiterer Folge eine ausdifferenzierte Diagnostik beispielsweise unter Nutzung des integrachart® erfolgen. Nachstehend werden Sozialökonomische Betriebe und Gemeinnützige Beschäftigungsprojekte vorgestellt, die sich als Kontexte besser für den Einsatz ausdifferenzierter Diagnoseprozesse eignen als die Beratungs- und Betreuungskontexte im Arbeitsmarktservice, weil sowohl ihre zeitliche Rahmung als auch die (gesetzlichen) Vorgaben größere Spielräume für ein Eingehen auf individuelle Besonderheiten ermöglichen.
2.
Dritter Sektor/Übergangsarbeitsmarkt oder zweiter Arbeitsmarkt
Die Bezeichnungen „Dritter Sektor“, „Übergangsarbeitsmarkt“ und „Zweiter Arbeitsmarkt“ werden für Sozialökonomische Betriebe und Gemeinnützige Beschäftigungsprojekte sowie Behinderteneinrichtungen häufig gleichbedeutend verwendet. Die Grundidee für SÖB und GBP ist, dass es gesellschafts- und beschäftigungspolitisch sinnvoll ist, öffentliche Mittel für gesellschaftlich nützliche Arbeiten und Dienstleistungen einzusetzen und Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen, anstatt sie für passive Unterstützungsleistungen auszugeben und gleichzeitig auf Einnahmen aus der zusätzlichen Beschäftigung zu verzichten.
2.1. Sozialökonomische Betriebe Sozialökonomische Betriebe sind mit sozialen Randgruppen und Personen mit besonderen Vermittlungshemmnissen befasst. Hierzu zählen arbeitsmarktferne Personen (AMFP), Behinderte, Suchtkranke, Haftentlassene, Personen mit hohen Schulden, SozialhilfeempfängerInnen und Arbeitsentwöhnte. Diese Personengruppen sind vergleichsweise gering belastungs- und leistungsfähig, erfordern ein hohes Maß an Betreuungsarbeit und weisen eine niedrige Produktivität auf. Bei diesen Gruppen geht es einerseits um die Bewältigung psychosozialer Defizite, andererseits um den Erwerb von Arbeitsgrundqualifikationen (Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Konfliktfähigkeit). Sozialökonomische Beschäftigungsbetriebe unterscheiden sich von anderen Beschäftigungsinitia-
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tiven des Arbeitsmarktservice vor allem durch eine Eigenleistung, die erwirtschaftet werden muss. Im Hinblick auf die Personalauswahl verfügen sie über eine beschränkte Autonomie, da Personen nur über das Arbeitsmarktservice vermittelt werden. Auf den Transitarbeitsplätzen werden Produkte/Dienstleistungen erzeugt, die auf politisch regulierten Marktnischen angeboten werden (vgl. Arbeitsmarktservice Österreich 2005).
2.1.1. Gemeinnützige Arbeitskräfteüberlassung Als spezielle Form des Sozialökonomischen Betriebes sind in den letzten Jahren SÖB (in anderen Bundesländern auch GBP) in Form einer gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassung (Kurzbezeichnung: SÖBÜ) entstanden. Dabei wird zur Integration von Personen mit Vermittlungseinschränkungen in den Arbeitsmarkt das Instrument der geförderten und betreuten Arbeitskräfteüberlassung eingesetzt. Die Transitarbeitskräfte werden am freien Arbeitsmarkt an Wirtschaftsunternehmen überlassen. Das Leasingentgelt ist – da es sich hierbei um vom AMS geförderte Personen handelt – deutlich unter den Kosten, die während einer Anstellung anfallen. Bei Bedarf wird der Überlassung ein für das Unternehmen kostenloses Praktikum vorgeschaltet. SÖBÜ zeichnen sich im Vergleich zu SÖB oder GBP durch stark verkürzte Verweildauern und um vieles niedrigere Kosten pro Transitarbeitskraft aus.
2.2. Gemeinnützige Beschäftigungsprojekte Wie auch bei den SÖB ist bei den Gemeinnützigen Beschäftigungsprojekten (GBP) das Ziel die Integration von arbeitsmarktfernen Personen und anderen arbeitsmarktpolitischen Problemgruppen in den Arbeitsmarkt durch Förderung der Beschäftigung bei gemeinnützigen Einrichtungen. Diese Integration kann durch folgende Funktionen der Förderung erreicht werden: -- Transitfunktion: Durch das geförderte, zeitlich befristete Beschäftigungsverhältnis wird der Übergang von der Arbeitslosigkeit in das reguläre Beschäftigungssystem ermöglicht bzw. erleichtert. -- Initialfunktion: Weiterbeschäftigung der geförderten Person nach Ablauf des Förderungszeitraumes bei demselben Dienstgeber/derselben Dienstgeberin.
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik aus Sicht einer Mitarbeiterin des AMS
GBP sind Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die von neu gegründeten bzw. bestehenden Beschäftigungsträgern zusätzlich und eindeutig abgrenzbar von ihren bisherigen Aufgaben (Pflicht- oder Daueraufgaben) durchgeführt werden. Es werden Eigenerlöse erzielt, die an die Trägereinrichtung gehen und häufig zur Deckung des Sachaufwandes verwendet werden, da dieser vom AMS zumeist nicht finanziert wird. Anders als in Sozialökonomischen Betrieben wird kein Eigenerwirtschaftungsanteil vom AMS gefordert.
3.
Resümee und Ausblick
Wie einleitend erwähnt, sind auf die Arbeitsvermittlung abgestimmte Instrumente, die aus der sozialen Diagnostik kommen, keine geeigneten Tools für das Arbeitsmarktservice. Werden Erhebungsmethoden dieser Art angewandt, sollte die ausführende Institution auch Lösungsmöglichkeiten in Form von SpezialistInnen anbieten können, wie dies in so manchen externen Beratungseinrichtungen (AMS zugekaufte Leistung) der Fall ist. Mithilfe eines sozialen Diagnoseinstrumentes könnte in jedem Fall der Antrag auf Verlängerung einer Person in einer zugekauften Maßnahme (Kurs, SÖB etc.) gegenüber dem AMS besser begründet werden. Bis dato kursieren Begründungen wie „aus sozialen Gründen“, die kaum dokumentieren, woran bisher mit dem/der KundIn gearbeitet wurde. Für die Zukunft wäre mein Wunsch eine Professionalisierung der MitarbeiterInnen, die im Kontext der Arbeitsvermittlung tätig sind, über Coachingausbildungen oder ähnliche Ausbildungen hinaus. Ein Instrument aus der sozialen Diagnostik, das sich aus meiner Sicht ebenfalls gut als ein diagnostisches Instrument in der Arbeitsvermittlung einsetzen ließe, möchte ich zum Abschluss kurz vorstellen. Es handelt sich dabei um den Biografischen Zeitbalken von Peter Pantuček. Ein solches Raster könnte in einer adaptierten Version gelesen werden wie eine EKG-Grafik. Das heißt, immer wiederkehrende Phasen der Arbeitslosigkeit könnten mit den jeweiligen Lebenssituationen in Verbindung gebracht werden und so etwaige Zusammenhänge abgelesen werden, um letztlich mit dem Kunden/der Kundin daran zu arbeiten, wie man eine gewisse Korrelation unterbrechen oder gar verhindern könnte. Wahrscheinlich gäbe es noch weitere Instrumente aus anderen Professionen, welche sich in adaptierter Form in der Arbeitsvermittlung anwenden ließen. Es lohnt sich, verschiedenste Instrumente
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Abb. 12: Beispielraster eines Biografischen Zeitbalkens
Arbeitsmarktbezogene Diagnostik aus Sicht einer Mitarbeiterin des AMS
unter dem Blickwinkel „Arbeitsvermittlung“ anzusehen und gegebenenfalls einmal auszuprobieren.
Literatur Arbeitsmarktservice Österreich (2005): Bundesrichtlinie über die Gestaltung der Organisation des AMS. Richtlinie des AMS Österreich. Wien. Arbeitsmarktservice Österreich (2007): Informationsblatt für arbeitslose Kunden. Wien. Danimann, Franz/Potmesil, Stefan/Steinbach, Günther (1985): Arbeitsmarktförderungsgesetz. Schriftenreihe des ÖGB. Wien. Kainz, Martina (2007): Brauchen Sozialökonomische Betriebe eine „Frischzellenkur“? Mögliche Divergenzen zwischen der Zielarchitektur des Arbeitsmarktservice und der Angebotsstruktur von Sozialökonomischen Betrieben am Beispiel dreier SÖB in Wien (= unveröffentlichte Diplomarbeit, Fachhochschule St. Pölten). Pantuček, Peter (2009): Soziale Diagnostik. Verfahren für die Praxis Sozialer Arbeit. 2., verb. Aufl. Wien/Köln/Weimar.
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Soziale Diagnostik für den Arbeitsmarkt Peter Pantuček
Die Bedeutung von Arbeit Anfang der 1980er-Jahre besuchte ich in Wien einen Intensivkurs „Vertiefte Einzelfallhilfe und psychiatrische Fürsorge“ und wurde mit einem Paket tiefenpsychologischen Wissens sowie damals modernster Ansätze der Psychiatrie versorgt. Ich erinnere mich an die Verwirrung und das Erstaunen, das ich in einem der Seminare mit der Behauptung auslöste, dass zu den Grundinformationen, die über die Situation einer Person zu geben wären, auch deren Beruf/ Arbeitsplatz gehören würde. Inwiefern sollte der überhaupt eine Rolle spielen, wenn man sich doch tiefergehend mit Beziehungen und psychischen Problemen auseinandersetzt? Die Sozialarbeit hatte damals ein ambivalentes Verhältnis zur Arbeit im Allgemeinen, zur Erwerbsarbeit im Besonderen. Es gab mehrere Quellen für diese Distanz, deren Nachwirkungen heute noch zu spüren sind: Zum einen befand man sich gerade in einer Phase der Psychologisierung der Sozialen Arbeit. Noch wirksam war der Nachhall des an der Psychoanalyse und der Gesprächstherapie geschulten Case Work (Einzelfallhilfe), im Aufstieg begriffen war die systemische Familienarbeit. Bei dieser Konzentration auf innerpsychische Vorgänge bzw. auf Beziehungsdynamiken erschien Arbeit als wenig interessanter Nebenschauplatz. Allenfalls wurde konzediert, dass sich die Performance der KlientInnen auf dem Arbeitsmarkt und anderen kompetitiven gesellschaftlichen Schauplätzen bei einer Lösung der psychischen und Beziehungsprobleme ohnehin automatisch bessern würde. Der Ausbau der sogenannten aktiven Arbeitsmarktpolitik in den 1980er-Jahren brachte hier gewisse Änderungen mit sich. Die Sozialarbeit war am Aufbau von Projekten beteiligt, die durch die Arbeitsmarktverwaltung finanziert wurden und die In-
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tegration von KlientInnen in den Arbeitsmarkt zum Ziel hatten. So attraktiv und neu für die Sozialarbeit diese Pionierzeit war – es war möglich, innovativ tätig zu sein und abseits der etablierten behördlichen Strukturen Programme zu entwickeln sowie verantwortlich durchzuführen –, blieb dieser Sektor doch lange Zeit ein Fremdkörper im Praxisfeld: eine eigene und separierte Welt. Zum anderen hatten die 1970er-Jahre noch einmal einen Schub an vulgär marxistischen Deutungsmustern mit sich gebracht. Viele KritikerInnen der Psychologisierung verstanden Erwerbsarbeit als Lohnsklaventum und hielten es für ethisch bedenklich, an der „Anpassung“ der KlientInnen zu arbeiten und sie zu funktionierenden Rädchen des kapitalistischen Gesellschaftssystems zu machen. Wer den marxistischen Zugang nicht ganz so derb-plakativ rezipierte, war zu einer anderen Einschätzung gelangt. Die sogenannte Kritische Psychologie (siehe Holzkamp 1984 u. 2003), aufbauend auf den Leistungen der kulturhistorischen Schule der russischen Psychologie (Leontjew, Wygotski), betonte schon damals die Wichtigkeit der Teilnahme an der gesellschaftlichen Arbeitsteilung für die Handlungsfähigkeit: „Bedeutung für andere“ über eigene Leistungen zu haben, generiert Beziehungen anderer Art als reine „Sympathiebeziehungen“ und ist ein wesentlicher Bestandteil gelingender Integration jenseits von Beliebigkeit. Den Individuen ermöglicht sie, dass sie in den gesellschaftlichen „Stoffwechsel mit der Natur“ und die arbeitsteilige Güterproduktion als Akteure eingebunden sind. Zumal in einer heutigen Gesellschaft niemand mehr die Güter für seinen Eigenbedarf alle selbst produzieren kann und daher darauf angewiesen ist, auf die von anderen gemeinschaftlich produzierten Güter zurückzugreifen, ist autonomes Leben nur mehr als gesellschaftliches Leben denkbar. Die Einbindung in die Arbeitsteilung verhindert also nicht, sondern ermöglicht Autonomie. Autonome Lebenssicherung ist Lebenssicherung als Teilnahme an der Arbeitsteilung. Das gilt auch unter den Bedingungen von „Arbeitsleid“ und (marxistisch verstandener) „Ausbeutung“ bzw. „entfremdeter Arbeit“. So gesehen geht es also nicht nur um eine „Anpassung“ der KlientInnen an als grundlegend feindlich gedachte Normen zum Zwecke der Sicherung des (Über-)Lebens, sondern um die Ermöglichung von Autonomie. Geklärt ist das Verhältnis der Sozialen Arbeit zur Arbeitswelt, zum Arbeitsmarkt heute noch immer nicht. Sie hat praktisch einen Platz gefunden in den Organisationen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, beim Jobcoaching, der Arbeitsassistenz, in sozialökonomischen Betrieben bis zur Betriebssozialarbeit.
Soziale Diagnostik für den Arbeitsmarkt
Ob dieser Platz ihr passender Platz ist und was ihr fachlich spezifischer Beitrag zum Feld ist bzw. sein könnte, ist aber noch wenig ausbuchstabiert. Das hat auch damit zu tun, dass in der Fachcommunity keine Einigkeit über das Proprium der Sozialen Arbeit besteht. Wenn unklar ist, ob Soziale Arbeit zentral für gefährdete Lebensführung, für Inklusion, für Integration, für die Reparatur von Alltag oder für Gerechtigkeit zuständig ist, dann lässt sich ihr Beitrag nur schwer von anderen Beiträgen abgrenzen. Die theoretische Diskussion zur Sozialen Arbeit mag von außen betrachtet sophistisch erscheinen, jedoch reflektiert sie eine auch in der Praxis vorfindliche Unsicherheit der Positionierung im interdisziplinären und interprofessionellen Feld. Besonders betroffen von dieser Unsicherheit sind jene Arbeitsfelder, die im „fremden“ Terrain angesiedelt sind – im Gesundheitswesen, in der Arbeitsmarktpolitik, in Betrieben, im Schulsystem – und daher auch aus legitimatorischen Gründen auf die „Sprachspiele“ dieser Systeme eingehen müssen. Lange Zeit zeigte sich eine Unsicherheit der SozialarbeiterInnen beim Umgang mit Ungewohntem: mit Unternehmen und dort verantwortlichen Personen, mit Leistungs- und Anpassungsanforderungen an ihre Klientel, mit der wenig ausdifferenzierten eigenen Rolle neben Leuten mit ganz anderen Ausbildungen. Abgesehen von einigen speziellen Bereichen, in denen Sozialarbeit besonders stark vertreten ist, sind auch ihre Gestaltungsmöglichkeiten auf Leitungsebene begrenzt. Das hat sich bis heute nur wenig verändert.
… sich um das Unspezifische kümmern Tatsächlich ist die Sphäre der Wirtschaft für die Soziale Arbeit besonders schwierig zu handhaben. Im Gegensatz zu staatlichen, quasi-staatlichen und zivilgesellschaftlichen Sphären sind in der Sphäre der Wirtschaft (des Marktes) agierende Organisationen auf rechtliche und in einem weiten Sinn moralische Argumente kaum ansprechbar. Nahezu jedes der Argumente, die üblicherweise von der Sozialarbeit ins Spiel gebracht werden, kann mit Hinweis auf die unbestritten für das Unternehmen lebenswichtige Notwendigkeit, Gewinn zu machen, ausgehebelt werden. Gegenüber einer so umfassenden Dominanz ökonomischer Argumentationen scheint die Soziale Arbeit machtlos. Chancen hat sie trotzdem, wenn sie sich vom Anpassungsdruck freihält, um ihre Stärken ausspielen zu können: Etwas flapsig formuliert bearbeitet Soziale
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Arbeit das Problem der Inklusion in den Arbeitsmarkt dadurch, dass sie sich in erster Linie um andere Sachen kümmert. Ähnlich geht sie mit dem Problem der Devianz in der justiznahen Sozialarbeit um: Sie richtet ihren Fokus auf die Lebensverhältnisse der Klientel, kodiert ihre Fälle nicht nach dem Muster Wohlverhalten/Abweichung. Im Ergebnis gelingt ihr trotzdem (oder deswegen) eine Minimierung von Devianz. Man könnte sagen: Je mehr sich Sozialarbeit auf das definierte Problem konzentriert, umso machtloser wird sie und umso verwechselbarer sind ihre Beiträge mit denen anderer Berufe im gleichen Feld. Sie kann ihren Fokus auf das andere mit moralisierenden Argumenten garnieren, mit Berufung auf „Ganzheitlichkeit“, auf „Lebensführung“, auf die Menschenrechte, letztlich ist das egal, wenn sie nur ihr Geschäft betreibt und sich nicht vom vordefinierten Ziel der Arbeitsmarktintegration blind machen lässt. Und dieses Geschäft ist, gegen Verengungen die Komplexität ins Spiel zu bringen, gegen einfache Ertüchtigungsprogramme die Vielfalt des Lebens und gegen die individualisierte Zuschreibung der Schuld am Ausschluss die Mitwirkung des Systems Arbeitsmarkt. In ihrer Strategie nützt sie die Stärken der KlientInnen und ihrer Umwelt (auch wenn es einiger Anstrengung bedarf, diese aufzufinden), und sie nützt die „Schwachstellen“ der Unternehmen – also jene Positionen, wo Argumentationen und „Geschichten“ wirken können: die Personen. Damit ist auch ein Weg der Sozialen Diagnostik vorgezeichnet. Wie beim integrachart® werden jene Rahmenbedingungen in den Blick genommen, die auf Seiten der KlientInnen Leben strukturieren. Damit kommt zwangsläufig mehr zur Sprache als die scheinbare Notwendigkeit der „Ertüchtigung“ oder der moralisch-motivationalen Aufrüstung der KlientInnen. Es wird sichtbar, was zu erledigen ist, bevor die Frage der Arbeitsmarktintegration gestellt werden kann, und es wird sichtbar, dass im komplexen Bedingungsgefüge unspezifische Hilfen wirksam werden können. Möglicherweise müssen zuerst Beziehungen geregelt, Schulden in den Griff bekommen, Erkrankungen behandelt werden. In diesem Muster von Lebensaufgaben ist die Arbeit keineswegs nebensächlich, aber sie nimmt nicht notwendigerweise den ersten Platz unter den zu erledigenden Dingen ein. Soziale Arbeit delegitimiert ihre ursprüngliche Definition nicht, wenn sie politisch definierte „Soziale Probleme“ angeht, indem sie die Problemdefinition als Ausgangspunkt für ihren Einsatz akzeptiert, wenn sie gleichzeitig ihre Professionalität und ihre Fachlichkeit dadurch entfaltet, dass sie den Blick von dieser Problemdefinition abwendet und sich um anderes kümmert. Die Defini-
Soziale Diagnostik für den Arbeitsmarkt
tion bleibt „im Spiel“, auf sie kann immer wieder rekurriert werden. Es ist auch für die Sozialarbeit nicht gleichgültig, ob eine Klientin letztlich einen Arbeitsplatz findet oder nicht, ob ein Bewährungshilfeklient wieder straffällig wird oder nicht. Der Ausgangsfragestellung wird ein prominenter Platz zuzuweisen sein, da sie für die Lebensführung der KlientInnen eben nicht belanglos ist. Nicht für deren Identitätskonstruktionen, nicht für ihr Verständnis ihrer Rolle in der Gesellschaft, nicht für die erreichbare Lebensqualität.
Diagnostik kooperativ Neben der Dezentriertheit der sozialen Diagnostik sollte für sie auch charakteristisch sein, dass sie keine reine ExpertInnenleistung ist. Sie ist Teil des Unterstützungsprozesses und der Unterstützungsprozess ist nur dann wirksam, wenn die KlientInnen involviert sind, wenn sie anschließen wollen und können an die Aktivitäten der SozialarbeiterInnen. Personenbezogene Dienstleistungen gelingen in dem Ausmaß, in dem die KundInnen/KlientInnen in den Prozess der Leistungserbringung einbezogen werden können. Sie sind nur bedingt standardisierbar. Damit ergibt sich eine strukturelle Aufgabe, die nicht leicht zu lösen ist: Wie können die ExpertInnen ExpertInnen bleiben, ihr diesbezügliches Wissen behalten und im Prozess realisieren, und wie können gleichzeitig die KundInnen am Prozess teilhaben. Wissen, das nur den ExpertInnen „gehört“, das bei ihnen bleibt, ist im Prozess nutzlos. Dabei muss die Differenz zwischen den Sichten aufrecht und tunlichst auch sichtbar bleiben. Im diagnostischen Prozess findet Wissenstransfer statt. Nicht nur die ExpertInnen werden klüger (können die Situation der KlientInnen besser einschätzen, erhalten ein vollständigeres Bild – heuristische Funktion), sondern es werden auch die KlientInnen klüger – sie strukturieren das Wissen über ihre Situation neu, gewinnen (realistische) Bilder für ihre eigenen Entscheidungen.
Diagnose im Prozess Wie fügt sich nun soziale Diagnostik in einen Unterstützungsprozess ein? Soziale Arbeit funktioniert über Interaktionen, und ihre Taktik, um Klien-
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tInnen am Prozess zu beteiligen (die Interaktion auf Dauer zu stellen), besteht laut Horst Uecker (siehe Uecker o.J.) aus „Takt“. Takt heißt, verkürzt ausgedrückt, die Selbstbeschreibungen der KlientInnen so weit wie möglich gelten zu lassen. Dem Erfolg dieser Taktik stehen aber mehrere Faktoren entgegen. Zuerst die von Hausegger in diesem Band bereits angesprochene Zurückhaltung der KlientInnen bei ihrer Selbstdarstellung, ihre Erwartung, durch das Gespräch geführt zu werden. Tatsächlich ist es für KlientInnen schwierig, sich in der Erstgesprächssituation „richtig“ zu verhalten. Die unaufgeforderte umfängliche Darstellung der eigenen Lebenssituation kann in einer Einrichtung, die doch eher als Amt denn als therapeutische Einrichtung erscheint, leicht als soziale Inkompetenz eingeschätzt werden. Die KlientInnen müssen (und können, so sie nicht schon sehr erfahren sind) nicht wissen, was hier interessiert. Die BeraterInnen als HausherrInnen sind tatsächlich für die Führung des Gesprächs verantwortlich, sie legitimieren Themen. Tools der sozialen Diagnostik können ihnen diese Aufgabe erleichtern, indem sie die Themenbreite vorgeben. Außerdem ermöglichen sie den BeraterInnen, sich selbst in Distanz zur aufdringlichen Neugier des Tools zu inszenieren. Dadurch wird es ihnen möglich, trotz umfangreicher Datenerhebung den Eindruck eines Verhörs zu vermeiden. Nicht sie selbst stellen die Fragen, sondern das Tool. Ein weiteres Hindernis für den konsequenten Einsatz von „Takt“ in der Beratung besteht darin, dass die Situationsbeschreibungen der KlientInnen oft zumindest teilweise fragwürdig oder kontraproduktiv sind, sie also im Zuge des Unterstützungsprozesses transformiert werden sollten. Wie kann dies nun bei gleichzeitig taktvollem Vorgehen gelingen? Hier ist zwischen Selbstbeschreibungen und Situationsbeschreibungen zu unterscheiden. Während man an Selbstbeschreibungen tunlichst zustimmend anknüpfen wird (oder prekäre Beschreibungen schlicht vorerst „übersieht“), können Situationsdeutungen andere/alternative Deutungen hinzugefügt werden. Sozialdiagnostische Verfahren fokussieren auf die Situation, deren Interpretation kann also von jener der KlientInnen abweichen. Im günstigsten Fall stehen hier Handbücher z.B. für Skalierungen zur Verfügung und damit ein Maßstab, der außerhalb der beiden InteraktantInnen liegt, auf den sich damit beide beziehen können, ohne dass die Beziehungsgestaltung dadurch wesentlich beeinträchtigt wäre. Sozialdiagnostische Verfahren ermöglichen also Kooperationsbeziehungen der BeraterInnen und der KlientInnen. Der „objektive“, beiden vorausgesetzte
Soziale Diagnostik für den Arbeitsmarkt
organisatorische Hintergrund, der Bezug auf ein Allgemeines (Größeres?) abseits der Beziehung liegt gewissermaßen auf dem Tisch, ist materialisiert. Dadurch, dass er gerade nicht unsichtbar ist, ist er leichter zu handhaben und kann die Inszenierung der kooperativen Beratungsinszenierung weniger leicht kontaminieren. Voraussetzung dafür ist allerdings eine gewisse Souveränität der BeraterInnen im Umgang mit dem Instrument und mit der Beziehung – eine Souveränität, die allerdings auch als Unbeholfenheit inszeniert werden kann: „Ich kenne das selber noch nicht so genau, ich muss da erst nachschauen“. Souveränität heißt eben nicht ein Einswerden mit den Intentionen des Tools, sondern die Wahrung von Distanz. Wenn man so will, kann man ebenso überrascht darauf schauen wie die KlientInnen – dabei aber bemüht sein, die Regeln genau einzuhalten. So gibt es mit dem Tool und seinen F indings einen dritten Partner im Gespräch, über dessen Beiträge man sich mit den KlientInnen unterhalten kann. Der „Befund“ liegt dann beiden vor und kann Gegenstand von Erörterungen sein. In der Regel wird dieser Befund von den ExpertInnen spontan (vor dem Hintergrund ihres ExpertInnenwissens) anders interpretiert als von den KlientInnen. Damit entsteht wieder eine Differenz, die die Aufrechterhaltung der nötigen Asymmetrie der Beziehung bei gleichzeitiger Kooperation ermöglicht. Die Differenz muss und soll nicht bereinigt, nicht durch einen Pseudokonsens verwaschen werden. Ihr Weiterbestehen ermöglicht die gegenseitige Anerkennung als interessante Gesprächspartnerin/interessanter Gesprächspartner. Die Erhebung von Daten zur Lebenssituation der KlientInnen in einer frühen Phase des Unterstützungsprozesses hat für den Prozessverlauf einen weiteren unschätzbaren Vorteil: Bereits in dieser frühen Phase der Beziehung werden zahlreiche Themen eingeführt, die nicht sofort behandelt werden können/ sollen. Da sie aber schon einmal angesprochen wurden, sind sie in Hinkunft „erlaubte“ Themen, auf die jederzeit zurückgekommen werden kann: „Eines geht mir seit einiger Zeit im Kopf herum: Sie haben bei einem unserer ersten Gespräche über Ihre unzulängliche Wohnung berichtet. Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das weiterhin Sorgen bereitet …“. In Interaktionssystemen etablieren sich mit der Zeit unausgesprochene Regeln, worüber gesprochen wird und worüber nicht. Hat sich dieser Themenkanon einmal eingespielt, ist er wesentlich schwieriger zu erweitern, als wenn bereits in einem frühen Stadium der Beziehung das Themenfeld weit geöffnet wurde. Im schlimmsten Fall wird das noch nicht Thematisierte zu einem Tabu. Obwohl das Thema drängend ist,
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ist sich die Klientin/der Klient nicht sicher, ob es sich um ein „erlaubtes“ Thema handelt, und schreckt davor zurück, es einzubringen. Soziale Diagnostik zielt nicht darauf, dass KlientInnen einen Befund „übernehmen“, in Hinkunft ihre eigene Situation in einer ExpertInnensprache beschreiben. Als Ergebnis liefert sie zwar einen Befund, aber keine „Diagnose“ in dem Sinne, dass sich daraus umstandslos eine Krankheitsbezeichnung oder ein unstrittiges Interventionsprogramm ergeben würden. Es bleibt ein Grad an Unbestimmtheit und Komplexität, der Aushandlung und den Anschluss an die höchstpersönlichen Deutungen der KlientInnen ermöglicht und erfordert.
(Erwerbs-)Arbeit und Inklusion Im Inklusions-Chart IC2 (vgl. Pantuček 2009, S. 215ff.) fungiert der „Arbeitsmarkt“ als erstes der relevanten gesellschaftlichen Funktionssysteme. Ob eine Person in den arbeitsteiligen gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozess eingebunden ist oder nicht, ist ein kaum zu überschätzendes Faktum mit mannigfaltigen Auswirkungen auf die Teilhabemöglichkeiten in den anderen Funktionssystemen und auf die Möglichkeiten der Existenzsicherung. So richtig der Verweis des Feminismus auf die gesellschaftlich notwendige und marginalisierte Arbeit im Haushalt, die alltägliche Beziehungsarbeit und die verwandtschaftlichen Pflegeleistungen auch ist, sie alle sind derzeit noch ausgeschlossen, sind relativ unerheblich für Inklusions-Chancen. Die Kritik an der Erwerbsarbeitszentriertheit der Sozialversicherung ist unter Gesichtspunkten der Gerechtigkeit alles andere als unberechtigt. Eine nicht nur persönliche, sondern „objektive“, gesellschaftliche Anerkennung, die sich in Anspruchsberechtigungen für den Zugriff auf den gesellschaftlichen Reichtum niederschlägt, (also letztlich in Geld) ist bisher stabil mit Erwerbsarbeit verkoppelt. Um dem eigenen Leben einen Sinn zu geben, ist Erwerbsarbeit aber nicht unbedingt erforderlich. Subjektiv und objektiv kann man zum gesellschaft lichen Arbeitsprozess auch anders beitragen: durch ehrenamtliches Engage ment, durch Kindererziehung und Pflege im familiären Rahmen. Es sind Lebensentwürfe denkbar – und empirisch auffindbar –, die Erwerbsarbeit nicht (mehr) als Ziel oder gar Angelpunkt enthalten. In größerem Ausmaß zu einem „Problem“ für das Arbeitsmarktservice wird jedoch ein anderes Missverhältnis: das zwischen Angebot und Nachfrage. Personen, die ihre Lebensentwürfe in-
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zwischen ihrer erlebten Chancenlosigkeit angepasst haben, und Jobs, die kaum die Deckung des nötigsten Lebensbedarfs ermöglichen. „Als People Processing (oder Human Service) Organization […] übt die Arbeitsverwaltung erhebliche Macht aus, indem sie ihre Klienten kategorisiert, beurteilt und bewertet, ihnen auf dieser Grundlage Leistungen und Maßnahmen zu- oder abspricht und es nicht zuletzt unternimmt, motivierend, disziplinierend oder kontrollierend auf sie einzuwirken“ (Behrend/Ludwig-Mayerhofer 2008, S. 53; Hervorhebung im Original). Mit aktivierenden Zugängen wird auch chancenlosen LeistungsempfängerInnen eine Gegenleistung abverlangt, die mitunter absurde Formen annehmen kann: die ständige Inszenierung von Hoffnung und Bereitschaft angesichts offensichtlicher Aussichtslosigkeit. Mit der Nutzung von Sozialer Diagnostik in der arbeitsmarktbezogenen Unterstützungsarbeit lässt sich die Hoffnung verbinden, solche kontraproduktiven Schleifen zu vermeiden oder zumindest seltener zu machen. Auch in anderen Praxisfeldern ist die herausragende Leistung der Sozialen Arbeit, ihr „USP“ (ihr Alleinstellungsmerkmal), ja gerade die Bearbeitung jener Fälle, die der routinisierbaren Programmlogik nicht entsprechen. Sie geht Umwege und sucht die fallspezifischen Ansatzpunkte und Auswege. In der Arbeitsvermittlung ist sie für die Bearbeitung jener Fälle prädestiniert, bei denen das Standardprogramm scheitern muss. Mit der Sozialen Diagnostik können unspezifische Bedarfe frühzeitig identifiziert werden. Im günstigen Fall kann die Unterstützung der KlientInnen bei ihren drängenden Problemen einsetzen und ihnen so Inklusions- bzw. Integrations-Chancen eröffnen, bevor man ihnen Einstiegsversuche in den Arbeitsmarkt zumutet. Diese sollten erst dann stattfinden, wenn sie auch mit einer realistischen Chance verbunden sind. Mit Erwerbsarbeit erhalten Personen ein Ticket für einige andere Teilhabechancen, sie ist aber keine Garantie für das Entkommen aus Armutsverhältnissen. Programme des Sozialstaats sind i.d.R. jeweils Reaktionen auf ein im politischen Diskurs identifiziertes „soziales Problem“ (siehe Schetsche 1996). Individuelle Konstellationen von Lebensführungsproblemen und solchen der sozialen Einbindung liegen allzu oft quer dazu, sind Komposita und deshalb über die thematisch fokussierten Programme schwierig zu bearbeiten. Soziale Diagnostik macht das sichtbar. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass auch die Bearbeitungsweisen adäquater werden. Aus Sicht der Programmfinanciers: dass der Mitteleinsatz nachhaltiger erfolgen kann. Aus Sicht der KlientInnen: dass endlich auch jene Probleme zur Sprache kommen, die für sie im Vordergrund stehen.
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Literatur Behrend, Olaf/Ludwig-Mayerhofer, Wolfgang (2008): Sisyphos motivieren, oder: Der Umgang von Arbeitsvermittlern mit Chancenlosigkeit. In: Zeitschrift für Sozialreform, Nr. 54, H. 1, S. 37-55. Holzkamp, Klaus (1984): „Die Menschen sitzen nicht im Kapitalismus wie in einem Käfig”. In: Interview in Psychologie Heute Nr.11. Holzkamp, Klaus (2003): Grundlegung der Psychologie. Frankfurt am Main/New York: Campus. Pantuček, Peter (2009): Soziale Diagnostik. Verfahren für die Praxis Sozialer Arbeit. 2., verb. Aufl. Wien/Köln/Weimar: Böhlau. Schetsche, Michael (1996): Die Karriere sozialer Probleme – Soziologische Einführung. München: Oldenbourg. Uecker, Horst (o.J.): Adressentheorie und professionelle Soziale Arbeit in der modernen Gesellschaft – das Beispiel des taktvollen Handelns. Online im Internet: http://www.sozialarbeit.ch/dokumente/sa_adressentheorie.pdf [Stand: 2010-0303].
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Die österreichische Arbeitslosenstatistik hat seit dem Zweiten Weltkrieg Zahlen ausgewiesen, die von fast allen PolitikerInnen als „im internationalen Vergleich noch günstig“ dargestellt wurden. Dahinter steht die selten ausgesprochene, implizit aber von vielen geteilte Auffassung, dass ein Sachverhalt, der in mehreren Ländern oder gar in allen Ländern, besonders in jenen der EU, gleichermaßen auftritt, den Charakter eines Naturgesetzes haben muss, gegen das sich zur Wehr zu setzen, ja sowieso sinnlos sei. So wurde und wird eine Arbeitslosenquote, die in den letzten zwanzig Jahren zwischen etwa 5% und 7% lag, als eben gerade noch tolerabel akzeptiert. Über die politischen, sozialen und psychischen Folgen von Arbeitslosigkeit zu berichten, wäre eine Wiederholung von längst Bekanntem. Die politischen Folgen hätte uns die Vorgeschichte zum Zweiten Weltkrieg nicht dramatischer zeigen können. Die psychischen Folgen sind spätestens seit der zum Klassiker gewordenen „Marienthal-Studie“ (siehe Jahoda/Lazarsfeld/Zeisel 1978 [1933]) auch denen ein Begriff, die sie nicht am eigenen Leib erleben mussten. Die mit „Marienthal“ eingeleitete Forschungstradition zeigt nicht zuletzt die enge Verflochtenheit psychischer, sozialer und politischer Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und hierbei insbesondere von Langzeitarbeitslosigkeit. Wenn die Aussicht auf Arbeit und somit auf einen geregelten, strukturierten Alltag in den Bereich des nicht mehr als realisierbar Erlebten entgleitet, dann wird das Leben zu dem, was SoziologInnen als „anomisch“ bezeichnen: Es verliert den Charakter eines geregelten Ablaufes. Interaktionen mit anderen Personen werden immer schwieriger, die Wahrscheinlichkeit für ein Verhalten, mit dem potenzielle InteraktionspartnerInnen – somit auch potenzielle ArbeitgeberInnen – nichts anfangen können, steigt. Die davon betroffenen Personen
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rutschen in eine Lebenssituation ab, die sie selbst als Endstation erleben, aus der sie nicht mehr herauszukönnen glauben. Die Arbeiten in der Forschungstradition der erlernten Hilflosigkeit (siehe Seligman 1975 [dt. Fassung 1983]) beschreiben die Mechanismen des Abrutschens in solche quasi-depressiven Zustandsbilder sehr genau, einschließlich der damit verbundenen Auswirkungen auf das Zustandsbild, in dem sich solche Personen in der Folge nach außen präsentieren: ein Zustandsbild, das nicht selten auch zur vorschnellen Einschätzung verleitet: „Der/die will ja gar nicht wirklich arbeiten“. Personen, die einem solchen Prozess ausgesetzt sind oder waren, werden in der Arbeitsmarktverwaltung – etwas verschämt wahrscheinlich – mit dem Begriff „arbeitsmarktfern“ etikettiert. In der Gruppe der Arbeitsuchenden konstituiert der Personenkreis der Arbeitsmarktfernen somit eine ganz spezielle Problematik, auf die – darüber besteht weitgehende Einigkeit – reagiert werden muss. Denn es handelt sich bei ihnen nicht um Personen, die sich mal eben rasch umorientieren und denen dabei nach Möglichkeit durch Informationen über offene Stellen und allenfalls durch Kurse und Schulungen geholfen werden kann und muss, sondern es sind Personen, die durch ihr Auftreten und ihr Erscheinungsbild den – manchmal überdeutlichen – Eindruck vermitteln, dass hier wahrscheinlich sowieso nichts zu machen sein wird. Man könnte natürlich die Frage stellen, ob die Notwendigkeit, in solchen Fällen zu intervenieren, eher humanitär wirtschaftlich oder politisch zu argumentieren sei. Allerdings fällt bei Lektüre der einschlägigen Absichtserklärungen (siehe etwa Territoriale Beschäftigungspakte in Österreich o.J.) auf, dass die Notwendigkeit der „Wiedereingliederung“ arbeitsmarktferner Personen deutlich erkannt und betont, aber gar nicht argumentiert wird. Die Interferenzen zwischen humanitären, wirtschaftlichen und politischen Folgewirkungen, die sich hinter dem Problem der Arbeitsmarktferne verbergen, dürften also gut genug bekannt sein, dass sie aus Sicht der AutorInnen keiner Argumentation bedürfen. Sie brauchen deshalb wahrscheinlich auch hier nicht noch einmal diskutiert zu werden. Eine Frage aber ist für den Umgang mit dieser Problematik zentral und sie steht im Zentrum dieser Publikation, nämlich die Frage, ob es systemische/systematische Prozesse geben könnte, die eine solche Arbeitsmarktferne begünstigen. Wir glauben, dass sich auf zumindest zwei Ebenen eine solche fatale Systematik zeigen lässt, und zwar 1.) in der Interferenz zwischen der Entwicklung des Ausbildungssystems und der des Beschäftigungssystems und 2.) in der
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Interessenlage von Arbeitsvermittlungsinstitutionen, die sich unter der Notwendigkeit ihrer eigenen positiven Ergebnisdarstellung dazu gedrängt sehen, die eher aussichtsreichen Fälle von Arbeitsuchenden zu begünstigen und die Arbeitsmarktfernen eher außen vor zu lassen: ein Prozess, der auch unter dem Stichwort „Creaming“ bekannt ist. Aber zunächst zur ersten Ebene:
1.
Ausbildung und Beschäftigung: eine Falle für die Arbeitsmarktfernen
Zwischen 1989 und 2009 hat der Anteil der ÖsterreicherInnen, deren Schulbildung nicht über die Pflichtschule hinausgeht, von 41% auf 26% abgenommen (siehe Abb. 13). Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil der AkademikerInnen, also von Personen mit Universitäts-, Hochschul- oder hochschulverwandter Ausbildung von 5% auf 11% mehr als verdoppelt. Wenn wir nur die Personen zwischen 30 und 39 Jahren betrachten, dann sind diese Veränderungen noch sehr viel ausgeprägter: In dieser Gruppe hat der Anteil von Personen mit nicht mehr als Pflichtschulbildung von 27% auf 12% abgenommen, der Anteil der AkademikerInnen von 9% auf 18% zugenommen (siehe Abb. 14). Diese vordergründig so erfreuliche Entwicklung lässt sich allerdings, wie das erfreuliche Entwicklungen oft so an sich haben, auch anders lesen: Personen mit Pflichtschulbildung oder weniger gehören heute einer sehr viel kleineren Minderheit an als früher. ArbeitgeberInnen haben somit die Möglichkeit, sich vergleichsweise um vieles billiger als früher mit sehr viel besser ausgebildetem Personal zu versorgen. Es ist daher kein Wunder, dass niedrige Qualifikation einer der wichtigsten Faktoren ist, die zu Arbeitsmarktferne beitragen; sie wird es auch bei dem derzeit anhaltenden Trend zu immer höherer formaler Qualifikation bleiben, und zwar in steigendem Ausmaß. Da eine statistische Erfassung arbeitsmarktferner Personen bis heute noch aussteht, haben wir nicht die Möglichkeit, die Bedeutung niedriger Qualifikation für „Arbeitsmarktferne“ in Zahlen anzugeben. Wir können allerdings festhalten, dass sich das Verhältnis – besser: Missverhältnis – vom Anteil der Personen mit niedriger Qualifikation bei den Beschäftigten zu dem bei den Arbeitslosen in den letzten zwanzig Jahren verschärft hat (siehe Abb. 15; Abb. 16 u. Abb. 17). 1989 hatten 29% der Beschäftigten nicht mehr als Pflichtschulbildung, bei den Arbeitslosen waren es 41%: ein Faktor von 1,46. 1999 lag das Verhältnis
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bei 21% zu 35%: ein Faktor von 1,67 und 2009 hatten 15% der Beschäftigten einen Pflichtschulabschluss oder weniger, bei den Arbeitslosen lag dieser Anteil bei 35%: ein Faktor von 2,33. Der Ausgrenzungseffekt von niedriger Qualifikation dürfte also doch tendenziell massiv ansteigen. Zwar lässt sich dieser Anstieg statistisch nur für die Gruppe der Arbeitslosen insgesamt zeigen. Dass er sich für Arbeitsmarktferne noch viel dramatischer auswirkt als für den Durchschnitt der Arbeitslosen, dafür sprechen aber die Erfahrungen von Arbeitsvermittlungsinstitutionen.
2.
Die Creaming-Falle
Die zweite oben angesprochene Ebene: Die fatalen Auswirkungen des Erfolgsdruckes, dem Arbeitsvermittlungsinstitutionen ausgesetzt sind, können auch als eine logische Folge des beschriebenen Prozesses der Nachfrageverknappung nach wenig qualifizierten Personen gesehen werden. In jedem Fall aber sind sie ein weiteres Element, das sich auf eine systematische Verschärfung der Problematik von Arbeitsmarktferne auswirkt. In einer zum weitverbreiteten Credo gewordenen Sparhysterie wird jede staatliche Institution mehr und mehr in ein Effizienzdenken gezwungen, das in manchen Fällen kontraproduktiv ist: im Falle jener Institutionen nämlich, die nach ihrer eigenen Sachlogik nicht effizient sein können. Dazu gehören in erster Linie alle wohlfahrtsstaatlichen Einrichtungen: Gesellschaftliche Solidarität entzieht sich Effizienzüberlegungen, ob uns das gefällt oder nicht. Man leistet sie sich oder eben nicht. Tut man es nicht, dann hat man freilich mit langfristigen Folgen zu rechnen, die dann irgendwann doch auch wieder kostenrelevant werden. Denn eine anwachsende Gruppe von Personen, die ausgegrenzt, perspektivenlos ist, kein Motiv zum „Mitspielen“ in der Gesellschaft mehr hat oder, in soziologischer Terminologie, in einer anomischen Situation lebt, wird dann doch wieder ein sehr großes finanzielles Problem, soferne man sich nicht entschließt, sie als „arbeitsscheues Gesindel“ verhungern zu lassen. Eine sorgfältigere Beschäftigung mit arbeitsmarktfernen Personen ist also kurzfristig nicht kosteneffizient, langfristig aber unverzichtbar. Für eine solche Beschäftigung bedarf es zunächst einer sorgfältigen Diagnostik: einer Möglichkeit, die von Arbeitsmarktferne betroffenen Personen anhand klarer definierter Kriterien und nicht nur anhand der gefühlsmäßigen Einschätzungen von
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ArbeitsvermittlerInnen zu identifizieren, und einer Möglichkeit, in einem weiteren Anamneseschritt möglichst systematisch die Elemente zu beschreiben, die zu dieser Arbeitsmarktferne geführt haben. Diesen Bemühungen bzw. den Werkzeugen dafür ist die vorliegende Publikation gewidmet.
Abb. 13: Abgeschlossene Schulbildung der österreichischen Bevölkerung 1989, 1999 und 2009 (Daten des Mikrozensus)
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Abb. 14: Abgeschlossene Schulbildung der österreichischen Bevölkerung zwischen 30 und 39 Jahren 1989, 1999 und 2009 (Daten des Mikrozensus)
Abb. 15: Schulabschluss von Erwerbstätigen und Arbeitslosen im Vergleich, 1989 (Daten des Mikrozensus)
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Abb. 16: Schulabschluss von Erwerbstätigen und Arbeitslosen im Vergleich, 1999 (Daten des Mikrozensus)
Abb. 17: Schulabschluss von Erwerbstätigen und Arbeitslosen im Vergleich, 2009 (Daten des Mikrozensus)
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Literatur Eder, Anselm (2011): Bildungsarmes Österreich. Wie eines der reichsten Länder der Welt von der PISA-Studie heimgesucht wird, und wie die Schule darauf reagieren könnte. In: Verwiebe, Roland (Hrsg.): Armut in Österreich. Bestandsaufnahme, Trends, Risikogruppen. Wien: Braumüller, S. 81–103. Jahoda, Maria/Lazarsfeld, Paul/Zeisel, Hans (1978 [1933]): Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langanhaltender Arbeitslosigkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp [Erstauflage S. Leipzig: Hirzel 1933]. Seligman, Martin (1975): Helplessness. On depression, development and death. San Francisco: Freeman [deutsche Fassung 1983]. Territoriale Beschäftigungspakte in Österreich (o.J.): TEPs & Arbeitsmarktferne (ESF Schwerpunkt 3b). Online im Internet: http://www.pakte.at/themen/arbeitsmarktferne.html [Stand: 2012-02-15].
Anhang
Erklärungen der einzelnen Ebenen des Wirkungsmodells nach univation (nachzulesen unter www.univation.org) Kontext: Systemumwelt des Programms auf lokaler bis internationaler Ebene; inkl. rechtlicher, politischer, sozialer, kultureller u. a. Aspekte, die sich langfristig und unabhängig vom Programm selbst ändern. Beispiele: Gesetze wie SGB II, Anteile von Arbeit suchenden Personen an der Bevölkerung einer Region, gesellschaftliches Klima gegenüber Arbeitslosigkeit Incomes: Voraussetzungen, mit denen die Mitglieder der Zielgruppen in das Programm ,hineinkommen‘, insb. Wissen, Einstellungen, Verhaltensweisen, Bedürfnisse, Werte (evtl. durch Teilnehmendenauswahl beeinflussbar). Beispiele: Lerneingangsbedingungen der Teilnehmenden von Qualifizierungsmaßnahmen (Vorwissen, Motivation etc.) Inputs: Finanzielle, personale oder andere Ressourcen, die in ein Programm investiert werden, teils als monetäre Kosten erfassbar. Beispiele: Personal- und Sachaufwendungen, Anzahl und Qualifikation der im Programm Tätigen Struktur: Mittelfristig stabile Aufbau- und Ablauforganisation der das Programm tragenden Organisation, des Verbundes/Netzwerks, Verbands [...]. Beispiele: Rechtsform, Kapitalausstattung, Kooperationsvielfalt, Leitbild der das Programm tragenden Organisation Konzept: Gedanklicher Entwurf, welche Resultate bis wann/wo/bei wem ausgelöst werden sollen (vgl. Zielsystem), welche Aktivitäten/Interventionen zur Zielerreichung eingesetzt werden sollen (Interventionsplan). Beispiele: Pro-
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jekt-/Förderantrag für eine Qualifizierungsmaßnahme oder ein Profiling-Angebot, Curricula für Weiterbildungsangebote etc. Zielsystem: Gesamtheit schriftlich dargelegter Ziele für ein Programm auf drei Konkretionsstufen: Leitziele (LZ), Mittlerziele (MZ), Detailziele (DZ). Ziele niedriger Konkretionsstufe sind logisch darauf geprüft, dass ihre Erreichung zur Verwirklichung der Ziele auf einer höheren Stufe beiträgt. Beispiele: Ein MZ einer EQUAL-EP: Eltern, die Kinder betreuen, werden durch serviceorientierte Beratungs- und Vermittlungsangebote darin unterstützt, Kinderbetreuung auf ihre individuellen Bedarfe zuzuschneiden. Aktivitäten: Handlungen der im Programm beruflich, ehrenamtlich oder als koproduzierende Zielgruppenmitglieder Tätigen, die bei Umsetzung des Programms ausgeführt werden (direkt auf Ziele gerichtete Interventionen, Hilfsaktivitäten sowie Zielgruppenaktivitäten). Beispiele: Interventionen: Beratung ...; Hilfsaktivitäten: Teamaufbau, Einarbeiten neuer Mitarbeitender ...; Zielgruppenaktivitäten: Lernen, Bewerben... Outputs: Durch die Interventionen erzeugte Resultate, wie (zählbare) Leistungen/Produkte, Teilnahme-/Nutzungsmengen, Zufriedenheit der Zielgruppenmitglieder mit den Interventionen. Beispiele: Anzahl TeilnehmerInnenstunden, verteilte Informationsbroschüren, Hits auf der Webseite der Organisation, Anzahl Beratungsgespräche Outcomes: Intendierte Resultate von Aktivitäten/Interventionen des Programms bei Mitgliedern der Zielgruppe bzw. Vorteile für diese (staffelbar in kurz-, mittel- und langfristige Outcomes). Beispiele: Erweitertes Wissen, erhöhte Motivation zur Bewerbung, verstärkte Bewerbungstätigkeit, Integration in Arbeitsmarkt Impacts: Resultierende Merkmale sozialer Systeme, insb. von Organisationen (Unternehmen, sozialen Dienstleistern, Schulen ...), von Sozialräumen (Nachbarschaften, Kommunen, Regionen ...) oder eines Netzwerks im Politikfeld (Weiterbildungssystem eines Bundeslandes ...). Beispiele: Verbesserte Zusammenarbeit der Arbeitsverwaltung mit Weiterbildungsanbietern, Ausbau eines
Erklärungen der einzelnen Ebenen des Wirkungsmodells
bedarfsgerechten Angebots an Beratungsangeboten sowie Qualifizierungsmaßnahmen, bedarfsgerechter ÖPNV für BerufspendlerInnen Nicht-intendierte Resultate: die im Konzept nicht als zu erzielend vorgesehen sind (nicht-intendiert), können auftreten bei Mitgliedern der Zielgruppe wie bei anderen Personen, im Kontext oder in der Struktur des Programms; sind bei Programmbeginn nicht voraussehbar und können erst nachträglich als positiv oder negativ bewertet werden
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Dank Danken möchte ich Oliver Holub (Context – Impulse für den Arbeitsmarkt GmbH), Martin Kainz (Arbeitsmarktservice Österreich, Landesgeschäftsstelle Wien), Arthur Forstner und Bruno Schernhammer (beide Wiener ArbeitnehmerInnenförderungsfonds waff) sowie Peter Stanzl (Wiener Magistratsabteilung MA 24), Sabine Springer und Renate Kravina (beide Wiener Magistratsabteilung MA 40), die die erstmalige Nutzung des integrachart® realisierten respektive begleiteten und durch wertvolle Rückmeldungen und Inputs den Entwicklungsprozess bereicherten. Karl Fakler und Andreas Thienel möchte ich für ihre hilfreichen Kommentare und Hinweise und ihre ermutigende Unterstützung bei der Fertigstellung des Manuskripts danken. Abschließend danke ich Laura R. Rosinger (TextConsult, Graz) für das überaus lohnende Lektorat und Silvia Scherz für die technische Unterstützung.
Autorinnen und Autoren
Autorinnen und Autoren Anselm Eder, Univ. Prof. am Institut für Soziologie, Universität Wien, Publikationen u.a. zu Themen der Methoden der empirischen Sozialforschung, Medizinischen Soziologie, Pädagogischen Soziologie, Simulation sozialer Interaktionen, Rolle der Körpersprache in der Sozialforschung. Michaela Friedl-Schafferhans, Mag.a, geboren 1967, Studium der Soziologie an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Betriebswirtschaftliche Intensivausbildung am WIFI Wien. Ausbildung zur Online Editorin an der Donauuniversität Krems. Weiterbildungen in Moderation und Systemischer Beratung. Berufserfahrung als Personalistin sowie in der Unternehmensberatung. Seit 2008 Mitarbeiterin bei Prospect Unternehmensberatung. Inhaltliche Schwerpunkte: Evaluationen arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, qualitative Sozialforschung, Jugendliche am Übergang Schule-Beruf, Green Jobs, Qualität in der Weiterbildung. Isabella Hager, Mag.a, geboren 1966, Studium der Soziologie an der Grundund Integrativwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Lektorin an der Universität Wien für Statistik und multivariate Verfahren. Seit 2004 statistische Beratung und Analyse für Prospect Unternehmensberatung. Inhaltliche Schwerpunkte: Spezialisierung auf quantitative Sozialforschung, im Besonderen Fragebogenerstellung, MitarbeiterInnen- bzw. KundInnen- oder KlientInnenzufriedenheit, Sekundäranalyse von repräsentativen Umfragen, multivariate Auswertungsverfahren. Trude Hausegger, Mag.a, MSc, geboren 1963, Studium der Pädagogik und Soziologie an der Karl-Franzens Universität Graz, Master of Science Supervision und Coaching an der Universität Wien, diverse Weiterbildungen in Systemischer Organisationsberatung und Führung. 1999 Co-Gründerin und seither geschäftsführende Gesellschafterin der Prospect Unternehmensberatung GmbH. in Wien (www.pro-spect.at). Langjährige Forschungs-, Supervisions-, Coachingund Trainingstätigkeit zu den Themen: Effektivität arbeitsmarktpolitischer Programme und Maßnahmen; Exzellenz in der Arbeitsvermittlung; Qualität
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von Bildungsangeboten; Wirksamkeit von Projekten und Interventionen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Martina Kainz, Mag.a (FH), 1989 Handelskammerprüfung zur Werbegestalterin WIFI Wien, 1995 Diplomarbeit im Rahmen der Abendakademie für Sozialarbeit „Erhebungen aus dem Bereich beruflicher Orientierung für Erwachsene“, 2007 Nachgraduierung zur Mag.a (FH) für sozialwissenschaftliche Berufe an der FH St. Pölten. Diplomarbeit: Brauchen Sozialökonomische Betriebe eine „Frischzellenkur“? Mögliche Divergenzen zwischen der Zielarchitektur des Arbeitsmarktservice und der Angebotsstruktur von Sozialökonomischen Betrieben am Beispiel dreier SÖB in Wien. Peter Pantuček, geb. 1953, FH-Prof Dr., ist Sozialarbeiter, Soziologe und Supervisor. Er leitet den Fachbereich Soziale Arbeit an der FH St. Pölten. Publikationen zu Methodik und Theorie der Sozialen Arbeit, zuletzt mit Schwerpunkt Soziale Diagnostik. Christine Reidl, Mag.a, geboren 1965, Studium der Soziologie, Medizin, Psychologie und Frauenforschung an der Universität Wien. 2007 bis 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung. Seit 2009 Mitarbeiterin bei Prospect Unternehmensberatung. Inhaltliche Schwerpunkte: Evaluationsforschung, qualitative und quantitative Sozialforschung, Arbeitsmarktintegration, Gesundheitsförderung, Prävention. Andrea Reiter, Mag.a, geboren 1962, Studium der Soziologie, Philosophie und Geschichte an der Universität Wien. Ausbildung als Trainerin, Projektmanagerin und Mediatorin. Langjährige Forschungs- und Evaluationspraxis zu den Themen Geschlechterverhältnis, Frauengesundheit, Qualität in der Schul- und Weiterbildung, Betriebliche Gesundheitsförderung und Arbeitsmarktpolitik. Friederike Weber, Mag.a, M.A, geboren 1970, Studium der Soziologie an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, Master of Arts „Personalentwicklung in lernenden Unternehmen“ an der Technischen Universität Kaiserslautern. Weiterbildung in Systemischer Beratung und Moderation, Kommunikation und Gruppendynamik. Seit 2001 Mitarbeiterin und Gesellschafterin und seit 2003 Prokuristin von Prospect Unternehmensbe-
Autorinnen und Autoren
ratung GmbH. in Wien (www.pro-spect.at). Seit 2010 externe Lektorin an der Fachhochschule St. Pölten. Langjährige Forschungs- und Beratungstätigkeit in den Bereichen Kompetenzentwicklung und Lebensbegleitendes Lernen sowie in der Evaluation und Entwicklung arbeitsmarktpolitischer Intervention und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und Gesundheitsförderung für benachteiligte Bevölkerungsgruppen.
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Abbildungsverzeichnis Abb. 1:
Exemplarische Darstellung:
Ein häufig verwendetes Wirkungsmodell . . . . . . . . . . . . . 41
Abb. 2:
Die TeilnehmerInnen von 10 Maßnahmen für BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach Anzahl schwerer Problemlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Abb. 3:
Zumindest 3-monatige Beschäftigung am 1. oder 2. Arbeitsmarkt nach Anzahl schwerer Problemlagen . . . . . . . . . . . . . . . 44
Abb. 4:
Der Programmbaum von univation als Orientierung . . . . . . . 49
Abb. 5:
Das Basismodell des integrachart® . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Abb. 6:
Der Integrationsplan in seiner Ausformulierung zu Maßnahmenbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Abb. 7:
Eine exemplarische Adaption des integrachart® für die Zielgruppe arbeitsmarktferner Jugendlicher . . . . . . . . . 104
Abb. 8:
Arbeitsmarktbezogenes Screeningverfahren . . . . . . . . . . . 124
Abb. 9:
Beratungsergebnis nach Subgruppe . . . . . . . . . . . . . . . 140
Abb. 10: Von der Problemwahrnehmung über den Interventionsvorschlag zum Interventionsergebnis im Themenfeld Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Abb. 11: Ziel- und Planungsarchitektur des AMS Österreich . . . . . . . . 161 Abb. 12: Beispielraster eines Biografischen Zeitbalkens . . . . . . . . . . 170 Abb. 13: Abgeschlossene Schulbildung der österreichischen Bevölkerung 1989, 1999 und 2009 (Daten des Mikrozensus) . . 187 Abb. 14: Abgeschlossene Schulbildung der österreichischen Bevölkerung zwischen 30 und 39 Jahren 1989, 1999 und 2009 (Daten des Mikrozensus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Abb. 15: Schulabschluss von Erwerbstätigen und Arbeitslosen im Vergleich, 1989 (Daten des Mikrozensus) . . . . . . . . . . . 188 Abb. 16: Schulabschluss von Erwerbstätigen und Arbeitslosen im Vergleich, 1999 (Daten des Mikrozensus) . . . . . . . . . . . 189 Abb. 17: Schulabschluss von Erwerbstätigen und Arbeitslosen im Vergleich, 2009 (Daten des Mikrozensus) . . . . . . . . . . . 189
Tabellenverzeichnis
Tab.1:
Adaption des integrachart® für die Zielgruppe Jugendliche: Gegenüberstellung der Themenbereiche . . . . . . . . . . . . 102
Tab. 2: Tab. 3:
Die Subgruppen und ihre Charakteristika . . . . . . . . . . . . 136 Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen im Jahr vor und nach Beratungseintritt nach Subgruppe . . . . . . . . . . . . . 141
PETER PANTUCEK
SOZIALE DIAGNOSTIK VERFAHREN FÜR DIE PRAXIS SOZIALER ARBEIT BÖHLAU STUDIENBÜCHER (BSB)
Sozialarbeit beschäftigt sich mit der »Person in der Situation«. Sie interveniert in komplexe Systeme und benötigt zur Situationseinschätzung spezifische Verfahren, die Interventionsentscheidungen vorbereiten und begründen können. Der Band beschäftigt sich mit den spezifischen Anforderungen an sozialarbeiterische Diagnostik und stellt Praktikerinnen und Praktikern zahlreiche Verfahren zur Verfügung, von Strukturierungshilfen für die Eigendiagnostik der KlientInnen über dialogische Verfahren bis zur Lebenslagendiagnose. Probleme und Möglichkeiten der Anwendung und Interpretation werden praxisnah beschrieben. 2., VERBESSERTE AUFLAGE 2009. 343 S. ZAHLR. TABELLEN UND GRAFIKEN. BR. 148 X 210 MM. ISBN 978-3-205-78377-0
böhlau verlag, wiesingerstrasse 1, a-1010 wien, t: + 43 1 330 24 27-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com