Aphoristische Bemerkungen: gesammelt auf seiner Reise nach Griechenland [Reprint 2018 ed.] 9783111641317, 9783111258546


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German Pages 755 [756] Year 1838

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Table of contents :
Erste Abtheilung. Reise nach Athen
Zweite Abtheilung. Aufenthalt in Athen
1. Die Stadt des Kekrops oder Akropolis
2. Die alte Stadt des Theseus
3. Der Stadttheil zwischen der Region der Ausgrabungen und den jetzigen Stadtmauern
4. der Ottonopolis
Styl
Gebrauch und Benutzung
Schmuck und Dekoration
Ausführung
Dritte Abtheilung. Rückreise
Beilagen
Beilage I
Beilage II
Beilage III
Beilage IV
Beilage V
Beilage VI
Beilage VII
Beilage VIII
Beilage IX
Beilage XI
Beilage XII
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Aphoristische Bemerkungen: gesammelt auf seiner Reise nach Griechenland [Reprint 2018 ed.]
 9783111641317, 9783111258546

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Aphoristische

Bemerkungen g e s a in m e J t auf seiner

Reise nach Griechenland von

Leo

von

Klenze,

A r c h i t e k t e n , K ö n i g l . Bayerischem Uof-Nam-Iutendanien, Vorstände der O b e r - B a u B e h ö r d e , wirklichem Geheime rat Ue uuü Kaminerherro»

I? e v l i bei

G.

Hei

n. m c i

S t e t s war es einer meiner sehnlichsten Wünsche gewesen, Griechenland zu sehen. Während der Zeit meiner Studien jedoch machten mir die politischen Verhältnisse Europa's eine Reise daliin unmöglich, trnd später legte ein frühe Schon der praktischen Kunstausübung gewidmetes Leben der Erfüllung jenes Wunsches immer neue Hindernisse in den Weg- Dann war ich im Jahre 1818 freistimmt, Se. Königl. Hoheit den Kronprinzen vott Bayern, jetzt Se. Majestät den König, auf einer Reise in jenes klassische Land zu begleiten; nnd schon war der Tag der Abreise von Rom nack Gtranto, wo ein englisches Kriegsschiff zur Ueberfahrt nach Korfu bereit lag, festgesetzt, als wieder neue Hindernisse eintraten und ziir Heimkehr zwangen. Der bald nachher ausbrechende Befreiungskampf der Griechen schob den Plan von neuem ins Ungewisse hinaus, und schon hatte ich die Befriedigung meiner alten Sehnsucht aufgeben zu müssen geglaubt, als ich endlich im

IV

Sommer 1834 durch die Gnade Sr. Majestät des Königs von Bayern in amtlichen Geschäften zu einer Reise dahin veranlagst wurde, die, wenngleich nur kurz, nach einen* so langjährigen vergeblichen Verlangen mich vorbereitet genug fand, nm die Zeit nach Möglichkeit auszunutzen. Am 20sten Juni 1834 wurde mir der Auftrag angekündigt, und schon am 12ten Juli reiste ich Von München ab, um im selbigen Herbst zurückzukehren. Was ich mir von allgemeinerm Interesse für die Kunst auf der Reise bemerkt, ist gleich nach der Rückkehr geordnet, und in Verbindung mit ältera Untersuchungen über diese Dinge zum Drucke vorbereitet, der Druck selbst aber durch zufällige Umstände aufgeschoben, und dessen Vollendung, unter meinen Augen unmöglich, bis jetst verzögert worden. Damit möge der gütige Leser es entschuldigen, wenn ihm bei diesem Buche der Reiz entzogen wird, den dergleichen Berichte durch ihre Neuheit haben.

Erste Abtlieilung.

Reise

nach

Athen.

i

eich

ich zum

dreizehnten Male

die Alpen

zu

übersteigen halte, und mein nächster Zweck mir nur die eiligste Durchreise durch Italien bis Ancona gestatt e t e , so gewährte mir doch auch schon das flüchtige Wiedcrsehn der an Denkmälern alter und neuer Kunst reichen Gegend von neuem Freude und Belehrung. Mein W e g führte mich zuerst über Verona,

wo zahlreiche

Denkmäler eines reichen Mittelalters, mit grofsen Ueberresten des römischen Alterlhums gleichsam wie Stahl und Stein sich berührend, den Funken einer sehr charakteristischen neuen Architektur hervorriefen, zu deren schönsten Beispielen der unvollendete Pallast Bevilacqua gehört. In Manlua ward wieder

ein flüchtiger Blick auf

die herrlichen Ziermalereien des Palazzo vecchio und del T geworfen, und es fiel mir wieder, wie schon so oft, in die Augen, wie der Meister Giulio ein so trefflicher, im hohen Grade

geschmackvoller

Erfinder

und Maler von Ornamenten der lieblichsten und zierlichsten Art sein konnte, während seine Geschichte der Psyche und der Gigantenkampf,

so wie die Sala di

4 T r o j a , bei aller Genialität der Erfindungen ein w a h r e r Greuel von Mifsgestaltung, schlechtem Style u n d Rohheit des Colorits sind.

E b e n so fällt in architektoni-

scher Beziehung der Vergleich zwischen den w u n d e r b a r s c h ö n e n Verhältnissen von L e o n - B a t t i s t a Alberti's herrlicher K i r c h e Sant' Andrea Einbaue

der Säulenhallen

Pietro,

zu Ungunsten

und von

des

dein ganz verfehlten Giulio Romano's

letzteren

aus.

Ja,

San man

darf sagen, dafs selbst das b e r ü c h t i g t e I l a a r b e u t e l - und R o c o c o - Z e i t a l t e r L u d w i g s des X V . ,

dessen

Erzeugnis-

sen jetzt M o d e - und A e u c r u n g s s u c h t wieder ein Schein leben einzuhauchen s t r e b e n , dafs sagen wir selbst dieses Zeitalter Ludwigs des X V . keine geschmackloseren K u n s t w e r k e hervorgebracht h a t ,

als Giulio R o m a n o in

seinem Pallaste Caprara. Auch die Schönheiten Bologna's w u r d e n trotz aller Eile wieder der B e t r a c h t u n g gewürdigt, und die ausgewählte Gemäldesammlung der Akademie, die grofsarlige Anlage von San P c l r o n i o , viele reizende Palläste

des

l ä t e n und l ö t e n J a h r h u n d e r t s , und die herrlichen Anlagen der Arkadcnhallcn, welche sich durch alle IJauptstrafsen ziehen, vcrfehllen auf uns ihre AYirkung nicht. Selbst im Campo snnlo Milien wir trotz dem modernen Zuschnitte des Ganzen m a n c h c s Zwcckinäfsige und Beachtungswerlhc. Doch Fluge

die

über

Zeit

Fori!

und

San

¡Marino vorüber,

aus

dem

europäischen

wäre, wenn Felsens

drängte,

und

Rimini, dessen

an

es

ging

nun

dem Felsen

Staatseinricbtung

Slaalsverbaiule

von längs;

verschwunder

sie sich über das Gebiet dieses

a u s d e h n t e , nach Sinigaglia,

im

kleinen

wo so eben die

5 berühmte Messe begann,

und am 18. Juli trafen wir

in Ancona ein. Zwei T a g e

wurden nun zu den Relsevorbereitun-

gen und zur Besichtigung der Stadt und ihrer wenigen Merkwürdigkeiten

verwendet.

von S a n Ciriaco, w e k h e

Die

hierunter

herrliche Aussicht wohl den

ersleu

Rang einnimmt, tritt erst recht hervor, wenn die Einbildungskraft hier an die Stelle einer barbarischen Mifsgeburt, wie die jetzige Kirche i s t , die

Säulen-Hallen

des ehemaligen Aphroditen-Tempels wiederherstellt. D i e Lage des Triumphbogens

auf dem Molo ist

so glücklich gewählt, und die ganze Masse des Denkmals so imposant, dafs

man einzelne

Unvollkommen-

lieitcn desselben gern vergifst. Schon in der Nacht vom 18. auf den 19. war das Dampfschiff Heplanissos ('EfiTctvijeog) von Korfu angekommen,

und am 21. Morgens schifften wir uns auf

demselben ein, nachdem zuvor alle Erfordernisse der sogenannten Sanitätsordnung, mit lächelndem Ernste von beiden Seiten, erfüllt worden waren. Unser Dampfschiff war von der Grüfse einer starken Corvelte mit 2 Maschinen von 9 0 Pferde Kraft versehen, und der Capitain, ein Genueser Namens Gavaso, war ein eben so freundlicher als unterrichteter Mann, welcher mit gleicher Fertigkeit italienisch, griechisch, englisch,

französisch

Dichterwcrke

und maltesisch sprach,

dieser Nationen

auswendig

fast all^

wufste

und

bei jeder Gelegenheit citirte und deklamirte. Nebst unserer Reisegesellschaft waren noch ein in London etablirtcr Korfiot Herr Drakalo Papanikola mit auf dem Schiffe, welcher von einer englischen Gesell-

0 schaft

mit

finanziellen

Aufträgen nach

Griechenland

gesendet ward, wo er früher im Befreiungskriege mitgefochten hatte, und ein junger französischer Gelehrter der neuen Pariser Schule.

Ferner ein in Nauplia an-

säfsiger englischer Kaufmann Herr Green, dessen Name als in Griechenland durch seinen Bruder,

den berüch-

tigten Consul in Patras, sehr verhafst, namentlich durch Poucqueville's

Geschichte

des

Freiheitskampfes,

mir

wohl bekannt war. Das herrlichste Sommerwetter und ein spiegelglattes Meer begünstigten unsere Fahrt so, dafs auf den Küsten von Italien, welchen entlang unsere Fahrt ging, um mit der Sakontala

zu sprechen, Nichts fern

und

Nichts

nahe zu sein schien. Ich erinnerte mich, dafs es gerade der zwanzigste Geburtstag meines Sohnes war, Lieutenants in k. baier. Diensten, dem die Gnade des Königs erlaubt hatte mich auf dieser Reise zu begleiten, und wir feierten denselben bei einem trefflichen Mittagsmahle auf dem Verdecke unter schützendem Zelte in der frühesten Laune, während Heerden lustiger Delphine unser Schiff begleiteten und gleichsam

einen

Weltlauf mit

demselben

halten zu

wollen schienen. W i r kamen in der Höbe des Gran sasso d'Italu vorüber, und die sinkende Sonne zeigte uns schon die vergoldeten Gipfel des Monte Majello und Erminio au: der italienischen, so wie die Inseln Lissa und II Pomc auf der dalmatischen Küste.

Bei dem heitersten Mond

scheine die Nacht auf dem Verdecke zubringend, fuh ren wir ganz dicht an dem Felsen von Pelagosa vor über, und der erste Schimmer der rosenfingrigen Eo*

7 liefs uns schon den Gipfel des fernen Monte Gargano oder Drion, wie ihn die Griechen nannten, bei Manfredonia entdecken. Gleich schnell und glücklich ging unsere Fahrt, nahe der Küste Apuliens, an dem Vorgebirge von Viesti, an Bari, Monopoli und Brindisi vorüber, und wir durchschnittcn von hier in der zweiten Nacht das adriatische ¡Meer in dem Canale von Ötranto. Am 23. früh bei Sonnenaufgang waren wir nach Rechnung des Capitains zwischen den Inseln Merleva und Fano am Eingange des Canals von Korfu. Aber ein dichter Nebel hinderte jede Aussicht selbst auf die Länge des Schiffes, und zwang uns, um die Gefahren eines engen felsen- und inselreichen Meeres zu vermeiden, die Dampfmaschinen aufzuhalten, welche nun ihre Kraft mit zornigem Brüllen durch das Sicherheitsventil in die Lüfte ausströmten. Erst gegen 9 Uhr Morgens, also nach vierstündigem Harren, verschwand der Nebel, welchen uns die spitzen Gipfel

der

nahen

Akrokeraunien,

ihren

schlimmen

Ruhm zu behaupten, herabgesendet hatten, und wir sahen, dafs wir kaum noch ein paar Schiflslängen von dem nördlichsten Vorgebirge des alten Phäakcnlandes entfernt waren.

Mit schneller Wendung lenkten wir

der Einfahrt des Canals zwischen der epeirotischen und korüotischen Küste zu, liefsen den jetzt von den Engländern mit einem L e u c h t t u r m e versehenen, ehemals der Schiffahrt so gefährlichen Felsen Serpa links und das Vorgebirge Phalakron rechts, und waren bald den noch ziemlich bedeutenden Ruinen der korfiotischen Kassiopa am Fufse des hohen Panto'kralor gegenüber,

8 D a n n erschienen uns links die T h ü r m e von Buthroton oder Butrinto und rechts die Felsen-Citadelle der Stadt Korfu, und u m 10 U h r warfen wir im Hafen unter dem prachtvollen englischen Gouvernements-Pallaste die Anker.

Nachdem einige übliche Schiffahrts - Formalitäten

beseitiget waren, führte uns ein mit griechischen Ruderern bemannter Kahn an's L a n d , und wir hatten somit einen W e g von 380 Seemeilen in 49 Stunden zurückgclegt. D e r königlich baierische und griechischc Generalconsul Herr Faber wollte sich nichts von der üblichen Gastfreiheit orientalischer Consuln nehmen lassen, und wir mufsten trotz einigen conventioneilen Protcstationen von unserer Seite sainmt und sonders bei ihm einziehen. Unser Empfang bei den englisch-ionischcn Autoritäten war in hohem Grade artig und zuvorkommend, und Lord N u g e n t , Lord Obercommissiir der ionischcn Inseln, bei welchem ich seine mir schon früher bekannte Schwester die Herzogin von Arundel traf, überhäufte uns mit allen Beweisen freundlicher Gesinnungen. D a das Dampfschiff, mit welchem wir gekommc» w a r e n , seine Bestimmung nach der Insel Zante hatte, und uns diese Richtung auf unserm W e g e nach NapoL di Romania einen bedeutenden Umweg verursacht hatte so blieb uas die W.ihl zwischen einem S c h o n e r , wel chcn uns Lord Nugent zur Fahrt nach Korinth anbot, und einem anderen englischen DampfschifFc, welches ii drei bis vier Tagen über Patras nach Falmouth aljgehei sollte.

Ich erinnerte mich aber der Abentheuer de»

göttlichen Dulders Odysscus in dieser Gegend, und wii

9 wählten wegen der grösseren Sicherheit eine Fahrt, welche nicht durch die Launen des unbeständigen Aeolos bedingt und gesichert war, selbst « S'av rig ¿aitjoi &tüv ivl o'¿vom jiovxip, wie Homer den Odysseus sagen läfst, das letzte.

Bis zur Abfahrt dieses Dampfschiffes

aber überliefsen wir uns den Anerbietungen zuvorkommender Artigkeit des Lord Nugent, des Generals Woodfort, des Grafen ßulgaris und unsers braven Generalconsuls. Doch schon am Tage nach unserer Ankunft mufsten wir der ganz unerträglichen Hitze wegen die Stadt verlassen und ein Landbaus beziehen, welches die Gefälligkeit des Consuls zu unserer Disposition stellte, und welches auf der Anhöhe stand, die ehemals von der alten phäakisch - griechischen Stadt Scheria oder Paläopolis eingenommen wurde.

Wir waren liier in

einer Gegend, welche man ganz klassisch nennen kann, weil sie in Milte des Theaters der unsterblichen homerischen Gesänge liegt, wo auch die meisten Ueberreste der alten Stadt erhalten und bewahrt sind.

Nur

wenige hundert Schritte gegen Osten liegen die Ruinen des Tempels von Kadacchio; etwa eben so weit nach Wösten der-Eingang in den alten Hafen, und der Felsen, in welchen Poseidons Zorn das rückkehrende Schiff, welches den göttlichen Dulder nach Ilhaka brachte, verwandelte.

Das Erdreich ist liier reich an Ueber-

bieibseln der alleu Sladt des Alkinoos, und gewährt deren fast einem Jeden,

welcher es in einiger Tiefe

aufwühlt. Neben dem Garten, welchen wir bewohnten, und welcher einem um die guten Einrichtungen der Insel

10 sehr verdienten Manne, dem aus Z w e i b r ü c k c n

gebür-

tigen Hauptmanne Krumm gebort, w a r bei einem kleinen L a n d h a u s e eine grofse Menge solcher Alterthümer aufgestellt,

Basreliefs, Vasen, Inschriften u n d

Stelen,

welche jedoch alle einer späteren griechischen Zeit angehörten. Die Ruinen des Tempels von Kadacchio liegen an der A u s m ü n d u n g einer Erdvertiefung etwa 200 Fufs über dem M e e r e , an der gegen Epciros gerichteten

Küste.

D e r vernachläfsigte Abflnfs des Quell- und Regenwassers, welches sich in dieser Vertiefung sammelte, hatte ihn in einer grofsen Höhe mit Schlamm u n d Erde bedeckt. E r s t im J a h r e 1822 oder 23 wurden diese Ruinen zufällig wieder

entdeckt,

Quellen nachspürte,

indem man den

welche hier den

versiegenden

Schiffern ihren

W a s s e r v o r r a t h liefern, und wurden dann völlig ausgegraben. D i e Ordnung ist griechisch-dorisch und wahrscheinlich von spater Zeit, jedoch in einzelnen Formen, Profilen und Verhältnissen nicht ohne I n t e r e s s e , weil die Herrlichkeit dieses Urtypus architektonischer Schönheit stets unverwüstlich blieb. W i r haben hier die Bezeichnung griechisch-dorisch, im Gegensätze zu dem römisch - dorischen, meinen erste

Deutlichkeit

wegen beibehalten,

eigentlich ein Pleonasmus ist, die

der obwohl

allgedie

zweite aber

einen historischen Widerspruch enthält. E s stehen noch so viele Säulen und Säulen-Trommeln,

auch

soviel von den C c l l a - M a u e r n ,

architektonische

Gestaltung

des

Tempels

z u erkennen und zu restauriren ist.

dafs die theilweise

J c d o c h ist die-

11 ses rücksichtlich d e s g a n z e n P l a n e s nicht m ö g l i c h , da ü b e r die H ä l f t e d e r L ä n g e des T e m p e l s

sammt

dem

F e l s e n in d a s M e e r h i n a b g e s t ü r z t u n d so v e r s c h w u n d e n ist. Es

gibt

keine

haltbare

n e n n u n g dieses T e m p e l s .

Conjectur

über

die

Be-

W . Railton *) s u c h t ihn f ü r

d e n Apollo o d e r s e i n e n S o h n Asklepios zu

vindiciren.

Allein die G r ü n d e , w e l c h e aus d e r b e s o n d e r n L a g e in e i n e r E r d v e r t i e f u n g , in der N ä h e e i n e r Quelle, aus d e m Alter

ähnlicher E i n b a u e

in der Cella

und

aus

I n s c h r i f t im V e r o n e s e r M u s e u m h e r g e n o m m e n

einer

werden,

sind äulserst s c h w a n k e n d . Wir

kennen

aus

Homer

in

p e l des P o s e i d o n **) (Ilooid/jiov),

Scheria

einen

Tem-

w e l c h e r aber auf d e m

M a r k t e der alten S t a d t l a g , u n d a n w e l c h e n m a n mithin hier n i c h t d e n k e n k a n n . liger B e z i r k e (Ttfievovg)

T h u k y d i d e s e r w ä h n t * " ) hei-

des Z e u s u n d des Alkinoos, in

w e l c h e n w ä h r e n d des p e l o p o n n e s i s c h e n Krieges P f ä h l e abgehauen wurden.

A b e r die O e r t l i c h k e i t i h r e r

Lage

ist gar n i c h t b e z e i c h n e t , u n d es i s t a u c h n i c h t gesagt, o h diese B e z i r k e T e m p e l enthielten. Die Buchstaben der Namen, erhaltenen

Fragmenten

w e l c h c sich auf d e n

der Dachziegel,

mit

welchen

dieser T e m p e l g e d e c k t w a r , f i n d e n , scheinen auf eine alte E r b a u u n g s e p o c h e h i n z u d e u t e n .

E b e n so w ü r d e das

*) Antiquities of Athens and oilier places in Grecce etc. scription of a newly discovered temple, pag. 4. "*) Odyss. ,¥

De-

Gcs. VI. V. 260.

" ) Tliakydid. xal rov 'AXxirov.

III. 70.

tt/tmy

¿«paxaç ix roù n ¿¡lèç xtfti'tovf

12 Verhältnifs nnd die Gestallung der Säulen auf die besseren Zeiten griechischer Architektur

hinweisen;

aber

das

ganz« Gebälk weicht, soweit die übrigbleibenden Fragmente es zu beurlheilen erlauben, ganz von dem älteren strengen dorischen Style ab.

Es scheinen dem Friese die

Metopen und Triglyphen, und dem Kranzgesimse die Dielenköpfe gefehlt zu haben.

E s fehlt auch die An-

ordnung der Intercolumnien nach jenen Theilen

des

dorischen Gebälks, und sie zeigen sich 2 j bis 3 Säulendicken weit, also viel weiter als wir sie bei den dorischen Tempeln im eigentlichen und in Grofsgriechenland wahrnehmen.

Dieses Alles scheint nun wohl auf

eine spätere Zeit der Erbauung zu deuten, wo die sinkende Ehrfurcht vor ehemals heilig gehaltenen T y p e n in der Kunst, Abweichungen der oben angezeigten Art im Tempelbaue herbeiführte. Doch, wie gesagt, konnten auch diese nicht die im Wesentlichen

der

Anordnung und

Form

begründete

Schönheit des dorischen Tempelbaues zerstören, und so bleibt diese Ruine von Kadacchio immer ein beachlungswerthes Denkmal der griechischcn Architektur. Die Aussicht von diesem Punk-te ist schön.

bezaubernd

Den Vordergrund bildet die Tempelruiiic selbst

und ein herrlicher Olivonwald über dem gegen

das

Meer abstürzenden Felsen. Im Mittelgrunde streckt sich die schöne Erdzunge, auf welcher durch die englischen Machthaber das ziemlich prächtige Gebäude des Museums mit seinem schönen Garten angelegt wurde, in die azurblaue Fläche der Meerenge, welche Korfu von Epeiros trennt. derselben

erscheint

die

Akropolis

mit

ihren

Ueber zwei

13 Spitzen (xoQvyai), welche der Insel den jetzigen Namen gegeben haben, und deren sonderbaren

Ursprang die

griechische Mythe der grausamen Handlung des Usurpators

Krönos

gegen

seinen Vater

Uranos

anweist.

Die Sichel, welche neben den geopferten Theilen hier ins Meer fiel, bildete dieser Mythe zufolge die Insel selbst und gab ihr den alten Namen Drepanon oder Drepane. Ucbcr der Stadt und ihrer Akropolis endlich erheben sich die Gebirge, wclche die nördliche Spitze der Insel bilden, und unter ihnen der kahle Pantokrator, auf welchem in einer Ilühe von mehr als 4000 Fufs dem Erlöser, nach welchem der Berg jetzt San Salvatore genannt wird, eine Wallfahrt-Kapelle erbaut ist, deren Besuch jährlich ein sehr beliebtes Kirchen- und Volksfest veranlafst. Von

dieser Bergspitze erkennt man deutlich

die

italienische Küste bei Otranto. Nach Osten endlich begränzen die albanischen Küsten den Meer-Canal, welchem Korfil den Namen gibt, und man kann nicht wohl eine reichere, schönere und grofsartigere Gebirgskette sehen, als sich hier dem Auge darstellt.

Vom Süden her beginnt die Aussicht mit dem

weifsen Felsen von Leukadien,

den Bergen,

welche

den Meerbusen von Arla und die Mündung des Acheron umgebeil, dein Vorgebirge Ilesporidengärten

Aktion,

der schönen

umgebenen Prevesa,

mit

der Triumph -

und Trophäenstadt Nikopolis, und der unglücklichen, von einer kleinlichen und gehässigen Politik dem nach Chrislenblut

dürstenden Tiger Ali-Pascha

hingeopfer-

ten Parga. Näher erscheinen dann die epeirotischen mit den Häfen von Buthroton,

Küsten

Quaranta und Panor-

14 mos.

Endlich

die

lange

Reihe

thesprotischen und chaonisclien

der

kassiopäischen,

Gebirge,

bis zu

dem

akrokeraunischen Vorgebirge Linguelta oder Karoborun am Golfe von Avlona.

l i e b e r der ersten und zweiten

Gebirgskette erscheinen einzelne schneebedeckte Gipfel, der molossische T o m a r o s ,

der Pindos u. a.

Aber als

ungeheure kahle W ü s t e erscheint diese K ü s t e ,

welche

uns die alten Schriftsteller *) als so reich bebaut und bevölkert beschreiben,

und nur zahlreiche

Umwallun-

g e n " ) von kyklopischer S t r u k t u r und pelasgischer Gestaltung Angaben, könnte.

geben uns Zeugnifs von an welchen

man

der Wahrheit

ohne

sie

leicht

jener

zweifeln

W ä r e aber das Land auch im Innern so ver-

ödet, entvölkert und unangebaut, w ie es von der Meerseite erscheint, so wäre es eine W ü s t e zu nennen und wohl nicht im Stande der T ü r k e i ihre besten, auch nicht nach unseren Begriffen guten,

wenn

doch tapfe-

ren Truppen zu liefern. V o n grofser Schönheit und vielem Interesse ist der Spazirgang nach dem südlichen Vorgebirge, il Canone genannt, welches gerade an der Spitze des jetzt ganz verschlammten

alten

la'ikos ***) und

jetzt Perama

Hier

war

es

ohne

Hafens, Zweifel,

von

Thukydides

(ncoapa) wo

die

genannt,

llylliegt.

meerberühmten

Phäaker mit ihren schwarzgeschnabeltcn Schiffen ausund einliefen, und es ist wulil keinem Zweifel worfen,

dafs

es

unter-

die kleine Insel Pondiko oder Kon-

*) Sirabo Üb. VII. Caj>. 7. " ) Poucijueville Voyage ilans la Giece, an vielen Stellen Vol. I. II. III. ' " ) Buch III. Cap. 81.

15 dikonissi, auch la Barchetla genannt, am Eingange desselben ist, welche Homer aus dem verwandelten Schiffe des Odysseus

entstehen

läfst.

Jetzt

sieht man

auf

derselben eine Capelle und mehrere Cypressenbäume, und

sie gewährt

eine

eben so schöne

Ansicht

als

Aussicht. Dieser P u n k t ist das gewöhnliche Ziel der Abendspazirgiinge und Fahrten

der

korfiotischcn eleganten

W e l t , und es mag unter dem Leben, welches man jetzt, und demjenigen, welches man zu den Zeiten des Nausithoos und Alkinoos dort sah, allerdings ein grofser Unterschied

sein.

Anstatt

der

herrlichen

Nausikaa,

welche ihren mit Müulern bespannten Wagen zum nahen Flusse trieb, dessen Lauf man trotz dem homerischen nolXöv yaQ ano nXvvoi t i f f i n6hjog')

von hier aus bis in

die Bucht des neuen jenseitigen Hafens verfolgt, sieht man jetzt zierliche Engländerinnen in Wiskys und Til burys mit langhalsigen englischen Modepferden bespannt, englische Dandys neben ihnen hertrabend, und eingeborne Herren und Frauen das Wesen der nordischen oft linkisch genug nachahmend. ziehenden

Damen

nach

sich mir die Frage

Indem ich die vorbei-

der Reihe musterte,

drängte

auf, ob wohl eine darunter sein

möchte, welche, der schönen Nausikaa gleich, aus holder Schaam nicht wagen würde ihrer nahen Hochzeit zu erwähnen — ai'dtTo yaQ &ak{Qov ydfiov iS,ovo/n>]vcu") — und vom Anblicke eines verunglückten nackten Helden überrascht, den von Homer so schön beschriebenen ') OJyss. Ges. VI. 40. " ) Ebd. Ges. VI. G6.

16 Sieg eines reinen Herzens über jungfräuliche Sehaam wie die schünc Künigstochlcr errungen hätte.") Doch andere Zeilen, andere Sillen; und trotz dem Mangel alles Homerischen

mufs man den Engländern

volle Anerkennung für ihr Wirken und ihre kluge Herrschaft auf den griechischen Inseln zollen. S i c haben hier, wie überall, als ein viclgciibtcs und politisch durchgebildetes Volk, sogleich erkannt, worauf es ankam. Als sie im Jahre 1814 die Herrschaft über diese Inseln bekamen, waren die Meere von Piraten, das Land von Räubern und Mördern geplagt, die Strafsen der Stadt eben so schmutzig als unsicher, und auf keiner der ionischen Inseln gab es eine fahrbare Strafse.

Jetzt sind

diese Meere vollkommen sicher, die Mordthaten äufserst seilen und auf solche beschränkt, welche die bei südlichen V ölkern so tiefgewurzelte Blutrache zum Grunde haben.

Die Stadt Korfu wird nach und nach ganz um-

gebaut, die Strafsen sind reinlich, gepflastert und vollkommen sicher zu jeder Zeit.

E s ist in der ganzen

Insel kein Dorf, welches nicht mit jedem andern durch fahrbare, recht gute Strafsen verbunden wäre, die oft mit den gröfsten Schwierigkeiten über hohe B e r g - und Felsenrücken geführt werden mufsten.

Der National-

wohlstand hat sich durch diefs Alles ausserordentlich vermehrt, und diese Inseln werden auf diesem einzig richtigen Wege

des materiellen Wohles nach und nach

ohne viele neue und gedruckte Gesetze der europäischen Cultur entgegengeführt.

' ) Odjss. Ges. VI. 139 ff.

Eine Spazirfahrt in das

17 Innere der Insel,

nach dem schönen D o r f e Dukades,

zeigt r e c h t deutlich die S e g n u n g e n dieses praktischen Systemes.

Alles verräth

steigenden

Wohlstand

und

w a c h s e n d e Zufriedenheit, u n d m a n e r k e n n t überall die leitende H a n d eines Volkes, w e l c h e s g e w o h n t ist mit f r e m d e n Nationen zu v e r k e h r e n u n d ihnen Gesetze zu geben. Grofses Unheil ging fast zu allen Zeiten von dieser Insel f ü r Griechenland aus. Sie gab, als durch den in E p i d a m n o s ausgebrochenen Bürgerkrieg die K o r i n t h e r herbeigezogen

wurden,

und die Insel in jenem Bürgerkriege eine d e m Mutterstaate K o r i n t h entgegengesetzte P a r t e i ergriff, die erste äufsere Veranlassung z u m Ausbruche jenes verheerenden peloponnesischen Krieges, w e l c h e r Griechenlands M a c h t u n d Herrlichkeit brach. D i e Kerkyräer waren die ersten H e l l e n e n , ihr S t a m m l a n d v e r r a t h e n d ,

sich den R ö m e r n

die u n t e r Cn. Fulvius C e n t u m a l u s

welche ergaben,

und L. Postumius

Albinus d u r c h einen Krieg gegen die illyrischen Pirateil herbeigezogen worden waren. ihnen Treue schwur,

V o n K o r f u aus, welches

drangen diese W e l t b e t w i n g e r in

das griechische Festland vor. K o r f u w a r auch die erste E r o b e r u n g der Normannen unter Roger

von Sicilien,

und

auch

er

begann

von hier aus seine v e r w ü s t e n d e n Einfälle nach Aetolien, Akarnanien, Böotien u n d Korinth. Jetzt

könnte

vielleicht

diese

Insel

Griechenland

einigen S c h a d e n e r s a t z leisten, w e n n m a n d o r t , in d e m v e r j ü n g t e n S t a a t e , die weise, auf die E n t w i c k e l u n g positiven W o h l s t a n d e s u n d F ö r d e r u n g d e r materiellen In-

2

18 teressen gestützte Regierungsart, welche sie unter englischem Scepter beglückt,

nachahmte und zum Vorbilde

nähme. F ü r die Vermehrung der schon so außerordentlich ausgedehnten B c f e s l i g u n g s w e r k e der Stadt

gehen

die

Engländer grofse S u m m e n aus, und diese Arbeiten werden besonders auf der im Hafen-Bassin liegenden Felsen-Insel V i d o , der allen P t y c h i a , ausgeführt.

In der

Stadt ist am Ende der Esplanadc, worauf das Denkmal des Grafen Schulenburg Thomas Mailland

steht,

unter

dem

Sir

ein Gouvernementshaus gebaut wor-

den, dessen Pracht seiner Zeit bittre Bemerkungen und Rügen im englischen Parlamente hervorrief.

Die ganze

Anlage sowohl als die Anordnung des innern Planes ist nicht ohne Zweckmäfsigkeit und Schönheit, obwohl die anglisirle Antike des S t y l s stark hervortritt uud getadelt werden mufs.

Derselbe Esplanadeplatz ward jetzt

auf der Stadtseite mit hohen Gebäuden, Erdgeschosse Arkadengänge

mit Kauflüden

w e l c h e im enthalten,

bebaut, und das Gouvernement hat darin ein grofses und bis jetzt noch fehlendes Gasthaus nach europäischer Art und Sitte anlogen lassen. E i n e sehr reizende und prächtige, wenn auch nicht gerade architektonisch schöne Anlage ist der öffentliche Garten in der Mähe der Tempclruine von Kadacchio. In Mitten der gröfsten P r a c h t südlicher Gewächse und Vegetation ist ein grofses Gebäude errichtet worden, in w e l c h e m das Museum der ionischen Inseln aufgestellt ist, oder vielmehr weiden soll.

Schon enthält dasselbe

manches wenn auch nicht sehr schöne, doch historisch, paläographisch und auch artistisch merkwürdige W e r k .

19 Der W e g zu diesem Garten, neben welchem das von uns bewohnte Landhaus lag, ist äufserst reizend, und f ü h r t , nachdem man die IabyrUithischen Gänge der Festungswerke verlassen h a t , durch eine hübsche Vorstadt, deren nicdliche Häuser in Gärten von Palmen, Orangen, Granaten und Feigenbäumen liegen, welche wieder von undurchdringlichen Opuntien u n d Agaven^Hecken umgeben sind.

Von besonderer Gröfse und Schönheit sind

die Olivenwälder, welche den Hauptreichthum der Insel ausmachen; und da diese Bäume sich beständig wieder aus den Wurzeln erneuern, [so ist m a n , die ungeheure Ausdehnung und Stärke mancher Exemplare betrachtend, versucht zu glauben, dafs sie noch aus den mythischen Zeiten des Alkinoo» herstammen möchten. Doch waren es die Venezianer, welche durch alle Arten von Belohnungen und Aufmunterungen besonders den Bau des Oelbaumes auf dieser Insel beförderten. Am 25. Juli wurden wir in unserm Landhause angenehm durch den ganz unerwarteten Besuch des Fürsten Alexander Mavrokordato überrascht, welcher durch die dissidirende Majorität der griechischen Regentschaft plötzlich von seinem Posten als Minister des Aeufsern entfernl und zum Gesandten an den Höfen von München und Berlin ernannt worden w a r , wohin er sich nun mit seiner Familie begab. E r konnte mir nun hier in Korfu ein Schreiben der griechischen Regentschaft übergeben,

welches er mir

nach München überbringen sollte, und worin ich nach Griechenland berufen w u r d e , u m den Plan von Athen, welches zur Hauptstadt des jungen Reiches bestimmt 2*

20 worden war, zu untersuchen, zu verbessern, oder nach Umständen neu zu entwerfen. Man unterrichtete mich, dafs man bis zu meiner Ankunft alle Arbeiten des Neubaues von Athen eingestellt habe, und dafs deshalb meine recht baldige Ankunft um 'so w ü n s c h e n s w e r t e r sei.

Allen dringenden

Aufforderungen, meine Abreise von München zu beschleunigen, fügte der Minister des Aeufsern Jakobaky Kizo noch hinzu: fatigues

Kt ce qui me fait

de voyage,

empêcheront ne pouvez qui

ni privation

de venir, pat penser

sera immuablement

scellé une d'un plan

renommée pour

»ont attachés

encore croire

avec indifférence déjà

a celui

assurée,

par

que vow» « la

gloire

qui

aurait

la

création

la ville ¿TAthene» ; ville a la

tant de glorieux

ni

ne vous

c est ma conviction attachée

que

de famille,

quelle

souvenirs.

Ich gestehe dafs ich mich noch unter dem vollen Einflüsse der Illusionen neugriechischer Palingenesie tief durchdrungen von diesen Worten fii(i!tc, und der Eindruck des Augenblicks mich Alles vergessen Iicfs, was, wie gewöhnlich im menschlichen Leben, alles Grofse und Schöne verkleinernd und verderbend begleitet.

Was

hätte ich wohl einer Sibylle geantwortet, wclche mir vor dreifsig Jahren, als ich in jugendlichem Enthusiasmus den Grund zu meiner Erkenntnifs griechischer Geschichte und Kunst zu legco suchte, vorausgesagt hätte, ich werde dereinst mit berufen werden im befreiten Hellas Vorschläge zu dem

iederaufbau Athens für einen grie-

chischen König austeutschemFürstenstamme zu machen? Es ist wahr, unserer Zeit fehlt Vieles, was conséquente, auf unerschütterten religiösen, politischen und

21 historischen Begriffen und Ansichten ruhende Entwicklung und Fortbildung der Nationen und Individuen gc» währt; aber eine Bewegung, ein reges L e b e n und Treib e n , welches vor kurzer Zeit noch unmöglich schien, und jetzt Prophezeihungen

wie jene verwirklicht,

das

hat auch seinen R e i z , namentlich für eine Generation, we'che

in Mitte

so'cher aufserorden Iiichen

Ereignisse

geboren, aufgewachsen und erzogen ist. T h e i ' s durch dieses Berufungsschreiben, theils durch Privatbriefe des Herrn Grafen von Armannsperg und eines griechischen Architekten Kleanthes, welche ihm beilagen, erfuhr i c h ,

was

bis

dahin

in der Angelegenheit

des

Stadtplanes für die neue S t a d t Athen geschehen war. S c h o n zur Zeit des Präsidenten Kapodistrias hatte dieser Herr Kleanthes

in Gemeinschaft mit einem aus

Schlesien gebürtigen Architekten, Herrn Schaubert, eine Vermessung der völlig in Ruinen liegenden Stadt vorgenommen und einen Plan für ihren Wiederaufbau

und

ihre Vergröfserung gemacht, welcher der Regentschaft bald nach ihrer Ankunft vorgelegt, ohne alle Prüfung von bewährten worden war.

und erfahrenen Kennern, angenommen Diese Annahme war schon am 11. J u l i

1833 mit dem feierlichen Versprechen begleitet erfolgt, dafs am 1. J ä n n e r 1834 die Verlegung der königlichen Residenz und

der Regierung

von Napoü di Romania

nach Athen stattfinden sollte. Allein kaum war der neue Plan bekannt geworden, so entstanden die heftigsten Einwendungen sowohl gegen seine Gestaltung, als gegen die Art wie er ausgeführt werden

sollte,

und diese Einwendungen

waren

Jiicht allein technischer und architektonischer Art, son-

22 d e m viele S t i m m e n , von denen vielleicht einige

der

neidischen Habsucht angehörten, warfen dem Plane vor, er habe seinen Grund in habsüchtigen Motiven, und es seien auf seine Gestaltung riesenhafte Bauplatzspekulationen gegründet worden. Die Regentschaft hatte sich

gezwungen

gesehen,

zweimal Commissäre nach Athen zu schicken,

zuerst

ein Regentschaftsmitglied selbst, und dann einen Freund zweier Regentschaftsmitglieder, welcher als General-Conservator aller Antiquitäten, Denkmale und wissenschaftlichen Anstalten angestellt worden war, während keines der Denkmale auch nur einmal gegen die Verwüstung durch F r e m d e und Einheimische geschützt w a r ,

und

noch kein r e g e l m ä ß i g e r Schulunterricht in Griechenland bestand.

Beide waren aber keine Architekten, rügten

zwar sehr richtig manche deutlich hervortretende Unvollkommenheiten des Plans, w a r e n aber nicht im Stande direkte Vorschläge zur Verbesserung desselben zu mac h e n , und so blieb diese wichtige Angelegenheit in Verwirrung.

Die zur Verlegung der Residenz festgesetzte

Zeit verstrich, und die Regentschaft sah sich endlich gezwungen,

die ganze A u s f ü h r u n g des Stadtplanes zu

s ' s t i r e n , und den Beschlufs meiner Berufung zu fassen, w e l c h e m S e i n e Majestät der König von Baiern, durch gnädige Verwendung und durch die Erklärung mir dazu den erforderlichen Urlaub bewilligen zu w o l l e n ,

entge-

gengekommen war. Der glückliche Zufall, welcher mich nun so schnell nach Griechenland führte, dafs ich dieses Berufungsschreiben schon vierzehn T a g e nach seiner Ausfertigung an der Gränze des Landes erhielt, erhöhte meine Zufrie-

23 denlieit d a r ü b e r , und die U n g e d u l d , m e i n e Abreise zu b e s c h l e u n i g e n , w u c h s in demselben Grade. A m 25. sollte endlich die Abfahrt des Dampfschiffes s t a t t f i n d e n , u n d schon in der F r ü h e des Morgens ward unsere Reisebagage auf mehreren W ä g e n Hafen abgeführt.

in den

Allein gegen 12 U h r erhielten w i r

von dein L o r d - O b c r c o m m i s s ä r die Nachricht, dafs seine D e p e s c h e n nicht fertig w ä r e n , und mufsten Alles wieder auf das L a n d u n d zu unserin Gartenhause zurückbringen lassen. W i r theillcn n u n die Zeit unseres gezwungenen Aufenthalts zwischen Spazirgängen, B e s u c h e - M a c h e n und E m pfangen u n d geselligen V e r g n ü g u n g e n ; u n d die Zeit der Abfahrt ward endlich nach einem grofsen Abschieds-Diner bei dem Lord Obercommissär, auf den 28. festgesetzt. Da die S t u n d e dieses Mittagessens erst um

9 Uhr

Abends a n b e r a u m t w a r , und nach gutenglischer Sitte eist u m 10 U h r eintrat, so ward es M i t t e r n a c h t , uns Lord N u g c n t mit der ihm eigenen

bis

außerordentli-

c h e n Höflichkeit selbst an ß o r d begleitete, und bis wir nach d e m freundlichsten Abschiede die Anker zur F a h r t nach Palras lichteten. Unser Schiff, Firelly g e n a n n t , war von der Gröfse einer

Fregatte,

und

schön u n d b e q u e m .

die

Einrichtung

aufscrordentlicli

Seine Fahrt von K o r f u nach Fal-

m o u t h d a u e r t gewöhnlich 18 bis 19 T a g e , wobei es in P a t r a s , Z a n l c , M a l t a , Gibraltar und Cadix anlegt, und an jedem der letztgenannten drei Orte einen bis zwei T a g e liegen bleibt.

Bedienung u n d Tisch sind vortrefflich,

u n d der Preis von 40 P f u n d Sterling für diese Ueberf a h i t sehr billig zu n e n n e n .

24 D i e noch übrigen S t u n d e n der N a c h t b r a c h t e n wir im Canalc von K o r f u zu, steuerten zwischen den Inseln u n d d e m F e s t l a n d e an d e m leukimniseben Vorgebirge, d e m schlangenreichen P a x o und Antipaxo, den Mündungen des Acheron und K o k y t o s h i n , u n d die Morgend ä m m e r u n g fand uns bis über Santa Maura hinaus, geg e n ü b e r dem leukadischen F e l s e n , an dessen Fufse die unglücklich Liebenden des A l t e r t h u m s Linderung ihrer S c h m e r z e n in d e n W e l l e n des Meeres s u c h t e n . U n s e r e F a h r t ging so n a h e an diesem b e r ü h m t e n Vorgebirge vorüber, dafs m a n einige noch dort befindliche T r ü m m e r des Apollotempels e r k e n n e n konnte. E s b e d u r f t e gewifs der glühenden Gewalt südlicher Leidens c h a f t e n , u m den E n t s c h l u f s zu dem verzweifelten W a gestücke eines S p r u n g e s von solcher H ö h e in das braus e n d e Meer zu w a g e n ; dieses aber gewifs u m so m e h r , als die Beispiele der Gerettelen und durch dieses Luflund Meerbad

( w e l c h e s Makes

aus B u t h r o l o n

viermal

überstehen m u f s t e , ehe er Heilung f ü h l t e ) Geheilten so s e l t e n , und deren w e l c h e das Geschick der lesbischen Sängerin theiltcn, die h i e r , wie sie selbst singt Sreuiiacc xaidög,

ßnc.Sivav

öl 'AtfQoSiruv,

TTO&M

statt Heilung

ihrer L i e b e zu P h a o n , den T o d f a n d , so häufig waren. D o c h so wie in allein Aufserordenllichen im Allert h u m e , w a r d man auch zu diesem verzweifelten W a g e stücke d u r c h göllliches Beispiel e r m u t h i g e t ; denn Aphrodite selbst w e n d e t e , dem M y t h u s z u f o l g e , dieses Mittel nach d e m Tode des Adonis an, und dieselbe Mylhe beweist u n s , wie gründlich ihre Heilung gelang. L e i d e r hinderte mich

die nüthige

Beschleunigung

unserer Reise hier an's L a n d zu g e h e n ,

welches mir

25 noch schmerzlicher erschien, als wir das Reich

des

Mentes Taphiusa, jetzt Meganissi genannt, und

eine

Menge andere kleinere und grüfsere Inseln des taphi. sehen oder teleboischen Reichs vorüberscliiflend, uns der klassischen Insel Ithaka näherten, und an ihren felsigten Ufern so schnell vorübereilen mufsten. Mit welcher Freude hätte ich die noch sichtbaren T r ü m m e r der Stadt des Odysseus besucht, das hohe Ncriton bestiegen, aus der Quelle Arelhusa getrunken! Aber leider mufste ich mich für jetzt mit dem Anblicke begnügen. W i r fuhren so nahe an der Insel vorbei, dafs wir mehrere P u n k t e erkennen konnten, welche Horner beschreibt. Die

beiden

vorragenden

Felsenspitzen

am

Ha-

fen des Phorkys wurden uns ganz deutlich, und es stand der Einbildungskraft frei, unter den einzeln herumstehenden Bäumen einen zu wählen,

welcher

ein

Nachkomme des homerischen Oelbaumes w a r , der hier vor der Grotte der Najaden stand.

Das hohe Neriton,

jetzt "Avoi, die H ö h e , genannt, erhob sein kahles, von dem Kloster Kathara gekröntes Haupt hoch über alle übrigen Punkte der Insel. Mit dem Fcmglase glaubte ich sogar auf dem Felscnhügel Hyponcion, über der Bai von Aitos die kyklopischen Trümmer der Stadt desOdy.'scus auf einem schmalen und steil abfallenden Felsenkamme zu erkenn e n , welche das Landvolk noch jetzt den Pallast der heiligen Penelope, üyirtg Il>)VtX6nr]g nennen soll. Arme Frau! als Vorbild aller weiblichen Tugenden von dem gröfsten Dichter aller Zeiten besungen, konnte

26 sie

doch

den Lästerungen

nicht

blofs

des

lügenhaf-

ten Duris von S n m o s * ) , ond des Spötters Lukianos **), sondern auch des ernsten Plutnrchos ***) nicht entgehen! Ihre Angaben lassen sie als F r u c h t ihres Umganges mit dem Gütterbotcn I i e r m e s ,

oder

gar allen

dreihundert

F r e i e r n , den Pan zur W e l t bringen. D e r ganze Anblick der Insel ist von dieser Seite aufserordentlich

felsig und k a h l , und verdient die ho-

merischen E p i t h e t a , xQctvatfelsig, men.

rauh, aber auch

schön von Sonnenstrahlen beleuchtet,

öst'tlog,

tv-

vollkom-

S i c ist aber jetzt noch rauher und wüster als zu

seiner Z e i t , da selbst die W ä l d e r , w ä h n t , verschwunden sind. Seite jedoch, fruchtbarer,

welche er oft er-

Auf der entgegengesetzten

nach Kephalenia zu, und

mit Oliven-

und

ist die Insel weit Wein-Pflanzungen

bebaut. Hinter Ithaka erschien uns diese grofse Insel Kephalenia,

die homerische S a m e , in ihrer ganzen Aus-

dehnung vom Vorgebirge Viscardo zu dem

Cap Capro;

der 4 0 0 0

oder Guiscardo

Fufs

hohe

bis

Berggipfel

Pyrgi erhob sich hoch über alle übrigen P u n k t e dieser Insel. Hier sahen wir zuerst die Küsten des Pe'.oponncs und die hohen Spitzen v o n . A c h a i a und Arkadien, so wie das Cap T ó r n e s e und die Insel Zantc sehr deutlich, und wir fuhren durch die echinadischen und oxeischen Inselgruppen

an der Küste von Akamanien und Aeto-4

•) Bei. Tzetz«s zum LjUphron 771. " ) Lucían. Deor. dialog. XXII. " " ) Plutarch. He delecta oracul. am Ende.

27 lien

am Aasflusse des

Aspropolamos oder

Acheloos,

welche noch zu dem Reiche des Odysseus gehörten. Zu unserer Linken erschienen dann, in den weit sich zwischen dem Golfe von Anatoliko und dem Ausflusse des Euenos ausdehnenden Meersümpfen, die niedrigen Häuser der Heldenstadt Missolungi.

W i r sahen

etwas weiter hin die ganz ausgezeichneten Berge Chal kis und Taphiassos, jetzt Kaki Skala genannt, und warfen um 12 Uhr in dem Hafen vor Palras die Anker. Am Ufer waren schon die Autoritäten der Stadt zu unserm Empfange bereit, und ein alter Bekannler von mir aus München, der jetzt als Arzt des Nomos von Achaia und Elis angestellte Doctor Apostolidis, empfing uns am Ufer mit einem freundlichen Bewillkommnungsschreiben des Rcgentschafts-Präsidenten Grafen von Armannsperg,

für das die Reise zugleich mit mir ma-

chende neue Regentschaftsmitglied Herrn von Kobell und mich, und mit der Anzeige, dafs er ernannt worden sei, uns auf unserer Reise bis Nauplia zu begleiten. Ich kann nicht sagen, mit welchen Gefühlen ich hier zum ersten Male den alt und acht griechischen Boden betrat, und mich von ächt griechischer Bevölkerung umgeben sah, unter welcher einige Namen, als Zaimi, Dukas u. s. w., mir aus der Revolulionsgeschichte wohl bekannt waren. W i r wurden nun zuerst in das Haus des in Teutschland erzogenen Nomarchen Klaraki geführt, und nach den ersten Bewillkommnungen und eingenommenen Erfrischungen, aus Süfsigkeiten und kühlen Getränken bestehend, in verschiedene Häuser einquartirt.

28 Nachdem wir uns bei Herrn Theocliaris, einem reichen Weinbergbesitzer aus Vostira, welcher in Palras ein grofses Haus gebaut halte, eingerichtet, und die Besuche derLokalbehördon und der Offiziere einer liier noch liegenden Compagnie baieiischcr Truppen empfangen hatt e n , gingen w i r a u s , um die Merkwürdigkeiten d e r S l a d t und ihrer

nächsten Umgebungen

in Augenschein

zu

nehmen. \ > i r stiegen zuerst gegen die alle Palras empor, welche unmittelbar unter der Ciladelle, etwa J- Stunde vom Meere lag, aber in den letzten Revolutionskriegen völlig zerstört wurde. Auch das einst von Wilhelm von Villeharduin auf den Trümmern der Episkopalkirche erbaute Kastell ist in sehr wüstem und völlig entwaffnetem Zustande,

und der Spazirgang bietet nur

durch

seine schöne Aus- und Fernsicht Interesse dar. Man übersieht hier im Vordergrunde das reiche Gefilde, worin am Fufse des hohen Panachaikos, jetzt Bo'fdia genannt, die Stadt liegt, und welches ihr den ersten Namen Aroe gab, als sie von Eumelos erbaut wurde. Es war gerade der Beginn der Pnssoüna-Aerndle, lind man sah in den grofsen Weinbergen zahlreiche Gruppen von Männern und Frauen beschäftigt, welche durch ihre hell- und sehr schmückten.

schön farbigen Kleider die Landschaft Am Meere selbst sah man die neue

Stadt liegen, welche, wenn auch keinen grofsen und architektonisch reizenden, doch, aus der Ferne gesehen, einen freundlichen Anblick gewährt, und man verfolgte die Küsten bis zum Cap Papas mit den Höhen des Berges Olenos auf der einen, und bis über Vostiza hinaus mit den Gipfeln der sikyonischen Gebirge auf der an-

29 d e m Seite. Uebcr dem Golfe lagen äufserst malerisch die B e r g e Chalkis und T a p b i a s s o s oder Kaki S k a l a , der Begräbnifsort des Kentauren N e s s o s ; Rhion und Antirrhion, die Küsten von Aetolien, von dem ozolischen L o k r i s , über wclchen die mächtigen Höhen des Berges Korax und des Oeta sich erheben. In der Ferne erscheinen die Kurzolariscben Inselgruppen mit Kephalenia und Ithaka. D i e B e r g e sind bis zu ihrer Mitte fast alle kahl und unbebaut, und erst in grofser Höhe entdeckt man einige B ä u m e .

Auch die Ebene von P a l r a s , ehemals

so berühmt wegen ihrer Fruchtbarkeit, ist bei weitem zum gröfsten Theile nur mit Unkraut und Disteln bed e c k t , welche jetzt von der brennenden Sonnenhitze völlig verdorrt waren. D i e neue S t a d l ist ganz regelmäßig mit geraden breiten Slrafsen und einigen grofsen Plätzen angelegt, und ihre für den Handel so äufserst vortheilhafte L a g e macht dafs sie schnell sich vergröfsert, obwohl für die Verbesserung des äufserst schlechten Hafens, dessen einzige Kunstarbeiten auf die Ueberreste einer Moluconstruktion, aus antiken Fragmenten erbaut, sich beschränk e n , nichts geschehen ist. Von allen den prächtigen und zahlreichen Tempeln, Denkmalen

und

öffentlichen Gebäuden,

welche

noch

Pausanias hier s a h , ist keine S p u r mehr zu finden, welches sich wohl nur durch eine allgemeine Aufschwemmung des ganzen Bodens durch das von den Abhängen des Panachaükos nach und nach herabgewaschene Erdreich erklären läfst. Gestallung

und

Wirklich hat die ganze E b e n e die

Natur angeschwemmtes B o d e n s ,

«nd

30 man soll bei Grabungen stets auf T r ü m m e r und Substruktioncn stofsen.

W a s m a n hier und da noch über

dem Boden sieht, ist spätes Römerwerk. sieb übrigens auf einige Uebcrbleibsel

E s beschränkt einer aus Back-

steinen construirten T e m p e l c e l l c , neben dem

Brunnen

der llagia Katharina; einige Ruinen eines kleinen Thea* ters, einer Wasserleitung, und der Mauern welche die alle Paträ mit dem Ilafen verbanden, wie A t h e n , Iiorinlh u. s. w . Am Interessantesten sind die Ueberreste der Quelle mit dem Spiegel Orakel, nahe am Meere gegen das Cap Papas oder Araxos zu, neben dem T e m p e l der Demet e r , über welchem d i e , wie die T r ü m m e r zu beweisen scheinen, einst sehr prächtige Kirche des Apostels Andreas erbaut ward.

Die Fassung dieser Quelle ist of-

fenbar von antiker Construktion, und eine arme griechische Familie hat sich in einer R o h r - und Binsenliütte daneben angesiedelt, um aus dem Darreichen eines erfrischenden Trunkes von ihrem W a s s e r einen ärmlichen Erwerbzweig zu machen. In den Trümmern der K i r c h e , welche schon in dem unglücklichen Befreiungsversuche von 1770 zerstört ward, hatte man durch ein Strohdach, einige hölzerne B ä n k e und einen ähnlichen Bischoffsitz,

wieder

einen

Platz

zum

Gottesdienste

hergestellt. E s ist nicht zu beschreiben, welchen

melancholi-

schen Eindruck der Anblick dieses ärmlichen kirchlichen Etablissements unter

den von ehemaliger

Pracht

der

Kirche zeugenden Marmortrümmern und Mosaiken m a c h t Ein in L u m p e n gekleideter Geistlicher erzählte uns die

31 Wunder, welche der heilige Andreas, dessen Gebeine hier ruhten, für die Stadt schon gewirkt habe, unddafs er es auch sei, welcher in der letzten Revolution die wenigen Trümmer griechischer Bevölkerung gegen die Wuth der Türken beschützt hätte. Als im Anfange des neunten Jahrhunderts die Slaven Patras mit harter Belagerung bedrängten, sendeten die Einwohner nach Hülfe zu dem Strategen des peloponnesischen Themas auf Akrokorinth.

Das gesenkte

Fähnchen des abgesendeten Boten sollte die herannahende heifsersehnte Hülfe verkünden.

Aber er mufste,

ohne gute Nachricht zu bringen, mit emporgebaltener Fahne zurückreiten, als durch Vermittlung des heiligen Andreas sein Pferd stürzte.

Die Bürger wurden durch

das nun sinkende Zeichen ermuthigt, wagten, von gläubigem Mulhe begeistert, einen Ausfall, und erfochten einen glänzenden Sieg. Der Kaiser ISikephoros schenkte aber alle bei dieser Gelegenheit erlangte Beute, so wie die Güter der besiegten Feinde, der Metropolitankirche des Heiligen, welcher dieses Wunder gewirkt hatte. In derselben Kirche ward auch dem Basilios von einem Mönche seine dereinstige Thronbesteigung vorausgesagt.

Hier lernte dieser Kaiser auch die reiche

Willwe Daniiis (davqkig)

kennen, welche ihn später

zum Erben eines ungeheuren Vermögens einsetzte. Aüfser unermeßlichem Besitze an Gold und Edelsteinen Gelen dem Kaiser aus dieser Erbschaft achtzig Land, güter und so viele Sklaven zu, dafs er dreitausend davon

32 freigeben und als Kolonisten

in die Lombardei schik-

ken konnte*). Dieses Alles zeugt aber wenigstens für den grof»cn Wohlstand und die Bedeutsamkeit von Patras in mehreren Epochen des Mittelalters. Auf dem Rückwege zur Stadt kamen wir an einigen ruinirlen türkischen Moscheen vorüber, in denen jetzt Esel und Ochsen einquartirt sind. Die grofse Verwilderung und Vernachläfsigung der herrlichen Gegend, welche wir hier durchgingen, läfst die Fruchtbarkeit ihres Bodens nur in ungeheuern Disteln und stachligen Rankengewächsen erkennen, welche hier mit der gröfsten Ueppigkcit wuchern. Bei sinkender Sonne erreichten wir wieder die Sladt, und fanden ein Mahl unserer warten, welches ganz nach europäischer Sitte bereitet und angeordnet war.

Nur

der Reichthum von Früchten, die riesenhaften Melonen uud Angurien, und die trefflichen kleinen Trauben, aus welchen für die ungeheure Consumtion der englischen Puddingesser die Uva passa oder Passolina bereitet wird, erinnerten uns dafs wir in Griechenland waren.

Unser

\ \ irth und einige Griechen waren auf unsere Bitten unsere Tischgenossen; jedoch konnten , wir durch keine Bitte erlangen dafs die junge Hausfrau sich mit uns zu Tische gesetzt hätte. Unsere Reisebetten gewährten uns ein erquickendes Nachtlager, und der folgende Morgen ward zur Besichtigung der S t a d t , des Hafens und der Umgebungen gegen Vostiza zu verwendet. *) Coost. Porplijr. ?it Basil. Maced. c. XI.

33 Vergebens suchte ich hier die berühmte Cypresse, von welcher alle Reisenden seit zwei Jahrhunderten mit Bewunderung sprachen; — sie ist in dem letzten Re* volutionskriegc bei dem Mord- und Räuberzuge Ibrahims umgehauen worden. Am Hafen fiel mir ein ungeheurer Haufen englischer Steinkohlen auf, in dessen Nähe einige griechische Schmiede ihre Hütten und Werkstätten erbaut hatten. Mein Begleiter unterrichtete mich, da£s dieses ein Vorrath sei, welchen die Regentschaft für eine bedeutende Summe aus England habe kommen lassen, um, wenn einst Dampfschiffc gebaut sein würden, zu deren Feuerung benutzt zu werden. Bis aber dieser fromme Wunsch in Erfüllung ginge, wozu noch keine nahe Aussicht vorhanden wäre, benutzte die griechische Industrie jener Schmiede den unbewachten Vorrath zu ihren Arbeiten! Man zeigte mir den Plan der Stadt, welchen ein fränkischer Ingenieur-Offizier entworfen hatte, und welchem es wenigstens an Regelmäfsigkeit nicht fehlte, da er ganz nach dem Vorbilde eines Schach- oder Damenbrettes gebildet war. Die Strafsen und Plätze sollten alle mit bedeckten Portiken eingefafst werden; und wirklich waren mehrere der neugebauten Häuser auch im Erdgeschosse mit einer Art von säulenartigen Stützen versehen, während jedoch bei den meisten diese Säulen einstweilen durch dünne Tannen-Stangen ersetzt werden. Die Säulen selbst, welche in unglaublicher Unform Haufenweise im Hafen lagen, werden alle nach einer und derselben Gröfse und Gestalt aus Malta gebracht, 3

84 wahrend das Hol*, aus welchem fast alle Tlieile der Gebäude construirt sind, aus den Häfen von Tricst, Fiume und Venedig kommt.

Also in dem an Felsen

und Steinen so reichen Peloponnes, am Fufse des Panacha'ikos und Olenos, läfst man die unvermeidlich nöthigen Bausteine von Malta kommen, verwendet jedoch zum Baue, wo es nur immer möglich ist, IIolz, welches man ebenfalls, statt aus den nahen Wäldern von Achaia, Arkadien und Elis, aus den fernen Alpengebirgen herholt! — Welchen erzwungenen verworrenen Zustand giebt dieses Verhältnifs nicht kund! und es bereitete mich auf vieles Aehnliche vor, was ich im Verlaufe meiner Reise sehen und erfahren sollte. Die Verschwendung von IIolz an den Gebäuden dieses Steinlandcs ist wirklich unglaublich. Die Wände sind von Ringelwerk mit Luftoder Lehmziegeln ausgemauert; die Fufsböden, Decken, Treppen, äufseren und inneren Thür- und Fenster-Einfassungen, Gesimse aller Art, ja die Bekleidungen der Wände, sind von Tannenholz.

Der Typus der neuen

Architektur in Griechenland wird dadurch höchst erbärmlich, und trägt auch nicht den kleinsten Keim einer zukünftigen artistischen Entwicklung in sich. Diese Bemerkung erregte in- mir tiefe Trauer, und ich konnte nicht umhin, in dieser Beziehung die architektonischen Anfänge der Urbildung Griechenlands, diese kyklopisehen Riesenmauern und pelasgischen Meteoren mit der elenden Holzconstruktion der Epoche seiner Palingenesie in Parallele zu stellen; und wahrlich sie läfst keiner günstigen Conjektur Raum! Man hatte von Nauplia aus alle Anstalten zu unsc-

36 rer Landreise über Vostitza, Xylökastro und Korinth ge troffen; aber die außerordentliche Beschwerlichkeit einer solchen Reise, wo wir während vier Tagen unausgesetzt zu Pferde bleiben und dem ungeheuern Brande der griechischen Augustsonne ausgesetzt sein mufsten, licfs uns die Meerreise vorziehen, da die Aspekten für die allerdings in der Regel sehr unsichere Fahrt auf dem Golfe von Lepanto gerade günstig waren. Wir nolisirten also, da kein SchifT*des griechischen Gouvernements anwesend war, eine kleine Brigg von Galaxidi, und schifften uns um ein Uhr Nachmittags am 30. Juli ein. Sowohl der Ciipitän, als die sieben bis acht Matrosen, welche dieses Schiffchens Bemannung ausmachten, hatten theils zu Wasser, theils zu Lande alle Kriegszüge des letzten Befreiungskampfes mitgemacht, und erzählten uns mit dem lebhaftesten Ausdrucke einzelne Begebenheiten und Scenen aus demselben.

Einer von ihnen

war sogar ein Araber, Namens Mustafa, welcher von Ibrahims Armee herstammte und gefangen zum Matrosen-Handwerke übertrat. Der Wind war so günstig, dafs wir nach einer Stunde schon den so schwierigen Pais zwischen den Dardanellen von Lepanto durchschnitten hatten, und in dem eigentlichen Golfe fuhren. Diese Schlösser, das Castell von Morea, ehemals das achaische Rhion, und das Castell von Rumelien, ehemals Antirrhion oder Molykrion Rhion genannt, machen, gut befestigt und bemannt, die Durchfahrt durch diese Meerenge fast unmöglich. Doch sind sie der nie-

3*

36 drigen Lage und der nahen Sümpfe wegen äufserst ungesund, und die baierischen Truppen, welche die Besatzung derselben bildeten, litten in den heifsen Monaten stets sehr grofsen Verlust. Von den beiden Heiligtümern des Poseidon, welche hier nach Pausanias*) undStrabons**) Zeugnisse gewesen zu sein scheinen, ist keine Spur mehr vorhanden.

Pausanias redet an den citirten Stellen

blofs von einem dem Poseidon auf Rhion dargebrachten Opfer, und von einem durch die Söhne des Ganyktor in Molykria gegen Poseidon begangenen und von ihnen dort gebüfsten Frevel; Strabon erwähnt nur eines H e i l i g t h u m s des Poseidon in Rhion ( ä x g a üoatiSüvog

UQOV

§foi/ffo); und aus diesen Angaben schliefst Dodwell **') ohne weitern Zweifel auf zwei T e m p e l

des Gottes,

welche auf den beiden Vorgebirgen sich gegenüber standen.

Man mufs gestehen, dafs das völlige Verschwin-

den dieser beiden Tempel, welche auf 60 schwachem Grunde errichtet wurden, leicht erklärlich ist, und erhält hier von der Gewissenlosigkeit der Antiquare und Reisenden im Citiren und Emendiren der Klassiker einen neuen Beweis. Die griechische Redensart, die moreotische Küste des Golfs habe das Wasser, die rumeliotische aber die Häfen, ist ganz wahr und richtig.

Eine Menge Flüsse

und Bäche kommen von den panachäischen und sikyonischen

Gebirgsketten herab,

und machen

' ) Paagan. X. 11, 6 ond IX. 31, 6. " * ) Strabo lib. VIH. cap. 2. • " ) Tour through Greece T . I. p. 128.

das Ufer

37 des Peloponnes hier zu einem der schönsten und fruchtbarsten in Griechenland, während die entgegengesetzte Küste sehr trocken und unbewässert erscheint. Dagegen ist an dieser ganzen moreotischen Seite kein guter Hafen, ja nicht einmal eine sichere Bucht» während die rumeliutische Küste der Schiffahrt eine grofse Menge sicherer Buchten und trefflicher Häfen darbietet. Da ans der Wind stets günstig blieb, 60 erblickten wir schneit hinter einander die Hauptpunkte beider Küsten. Rechts das flache Vorgebirge Drepanoo, welches Strabon *) offenbar mit dem von Rhion verwechselt, links Naupaktos, im gewöhnlichen Dialekt & "Enaxrog und daher von den Franken Lepanto genannt, terrassenförmig und in einem Dreiecke auf einem Felsen, welchen eine Schlofsruine, wie es scheint, aus den Zeiten fränkischer Herrschaft, krönt. Diese Stadt ist berüchtigt durch den Frieden, welcher hier zwischen dem Actolischen Bunde und Philipp IL von Makedonien geschlossen wurde, und bei welchem römische Politik, wenn auch indirekt, zuerst in hellenischen Angelegenheiten Einüufs gewann, berühmt aber durch den Sieg des Seehelden Don Juan de Austria. Der Geschichtsfreund kann sich hier nicht der Frage erwehren: was würde aus Griechenland geworden sein, wenn nicht die kleinliche Eifersucht Philipps II. seineu grofsen Halbbruder abgehalten und verhindert hätte, diesen grofsen Sieg von Lepanto durch die damals leicht

*) Siralm Üb. VIII. cap. 2.

38 zu bewerkstelligende völlige Vernichtung türkischer Herrschaft in Ettropa zu krönen? Nach Lepanto erschien uns die Insel Trissonia und das Cap Psoro'myto, und rechts Vostitza, das alte Aegion, worin wir eine ziemliche Anzahl neuer Häuser und den berühmten grofsen Platanusbaum deutlich erkannten.

Ueber die kahlen

Gebirge

der ozolischen Lo-

krer erhoben sich einige Gipfel des Oeta in die Wolken. Viele Dörfer und Klöster, welche ehemals diese Gegend belebten,

liegen jetzt in Ruinen, oder sind ganz ver-

schwunden. Auf mehreren Felseninseln an der lokrischen Küste waren ruinirte Kapellen zu sehen; wir befanden uns gegen Sonnenuntergang dem Krissäischen, jetzt Galaxidischen, oder dem Busen von Salona gegenüber.

Der

W i n d zwang uns unsere Richtung tief in diese Meerbucht hinein zu nehmen, so dafs wir Galaxidi, den Berg Parnassos, die Phädriaden, und die Bergschlucht, woraus die kastalische Dichterquelle hervorkommt,

theils

deutlich sahen, theils zu erkennen und zu unterscheiden glaubten.

Trotz der uns zur Pflicht gemachten Eile

siegte doch meine Sehbegierde so weit über meinen Diensteifer, dafs —

ich gestehe es — der Wunsch in

mir erwachte, der Wind möge uns zwingen in Galaxidi einzulaufen und unseren Aufenthalt so verlängern, dafs ich zu einem Ausiluge nach Delphoi schon jetzt Zeit gewänne. Aber das Geschick wollte mir nicht so wohl; es kam eiii frischer Luftstrom aus dem Thale von Salona und entfernte

uns so schnell von diesem klassischen

Orte, dafs unser Schiffchen pfeilschnell wieder diesen berühmten Meerbusen verliefs.

39 Ich mufcte mich also wieder begnügen, die von der Abendsonne vergoldeten zackigen Gipfel des Dichterberges zu bewundern, und meine Einbildungskraft an d e a poetischen Erinnerungen

dieses

hehren Anblicks zu,

weiden. Mau darf sagen, dafs es auf dem ganzen Runde der W e l t keinen Ort giebt, welcher allgemeiner bekannt und berühmt als dieser Berggipfel wäre, und keinen stärkeren Beweis mag man für den mächtigen Einflufs eines poetischen Gedaukens auf die Geschichte und Bildung ganzer Weltalter finden, als in dem Ruhme dieses Orts.

Welche Geschichte wäre die von Delphoi, wenn

wir sie in allen ihren Einzelnheiten wüfslen? Fast kein wichtiges Ereignifs der alten W e l t würde ihre Wurzeln unberührt lassen; und während ihr Stamm eine der Hauptstützen hellenischer W e l t und Zeit bildet, reichen ihre Zweige und Blüthen bis in die neueste Zeit. Welchen EinfluDs üble Delphoi nicht als Sitz des Amphiktyonengerichts? welche grofse und wichtige, über Hellas und so vieler fremden Länder Schicksal entscheidende Entschlüsse riefen nicht die Orakel der Pythia hervor? und welcher ungeheure Ruhm mufste es sein, der diesen Felsen-Ort, wie die Dichter und Schriftsteller des Alterthums, Homer, Strabon, Euripides u. s. w. uns bezeugen, in das allgemeine Welt-Heiligthum, xotvöv

ItQOV

"

verwandelte, und hier die prächtigsten Ge-

bäude, viele Tausende von Statuen und Kunstwerken, und die Weihgeschenke aller Völker, sogar der fernen Perser, Assyrier, Phoiniker, vereinigte?

Italer und Hyperboreer

40 Schon zu Homers Zeiten war delphischer Reichthum sprichwörtlich *). Trotz den unzähligen Beraubnngen, worunter die der Phocenser allein über 24 Millionen Franken baren Geldes betrug, zählte man zu Plinius Zeit noch mehr als 3000 Statuen von Gold, Silber, Erz und Marmor-in Delphoi. Und heute noch, wo von allem dem keine Spur mehr vorhanden, wo man den Platz des Tempels und des begeisternden Holmos oder Tripoden nicht mehr kennt; wo die Mythen Griechenlands Mährchen, und die Verehrer der Olympier Heiden genannt werden, heute noch rufen die Dichter aller gebildeten Nationen die Wohlthaten des kastalischen Quells an, und der gradut ad Pamauum ist das erste Ziel für das Wissen begeisterter Jünglinge in allen Ländern. Und dies Alles war die Folge e i n e s aus dem Geiste der Zelt gegriffenen poetischen Gedankens eines Olenos oder anderen frühen Rhapsoden, deren mythische Erfindungen endlich Homer in seiner erhabenen Hymne an Apollo als allgemeines Glaubensgesetz zusammenfaßte. Aber nicht allein an fast Alles, was der höchste griechische Ruhm umfafst, erinnerte uns der Anblick dieser nackten Felsenterrassen: auch die griechische Schande sollte hier ihren ersten entschiedenen Triumph feiern. Der Bischof von Phokis war es, welcher 1396 zuerst die Türken unter Bajazed Ilderim herbeirief, um Trudeluden (die Wittwe des Herzogs Delvos von Delphoi), welche er der Bedrückung und Unzucht anklagte, *)

',/IUIU

Iliade Ges. IX. V. 404.

41 zu züchtigen; und diese ging dem asiatischen Despoten entgegen, nnd trag ihm ihr Reich, ihre Tochter, ihre Schätze und sich selbst an. Von hier aus verbreiteten sich diese bluttriefenden Eroberer dann' über Attik» und den Peloponnes. Mehr als vierhnndertjährige Leiden und der letzte Grad politischer, religiöser und moralischer Erniedrigung begannen aber mit diesem Verrathe eines schlechten Hirten und eines verworfenen Weibes in Delphoi *). Eine Windstille trat mit dem Einbrüche der Nacht ein, und am 30. Juli erwachend, fanden wir uns noch der Bai von Aspraspitia gegenüber, und erreichten mit Drittelwinde, immer lavirend, gegen 8 Uhr die moreötische Küste, am Eingange des eigentlichen Golfs von Korinth. Hier trat wieder Windstille ein, und wir benutzten sie, um ein Boot an's Ufer zu schicken, um aus dem Dorfe Kiato, zwischen den Flüfschen Elisson und Asopos, zunächst den Ruinen von Sikyon, einige Provisionen und frisches Wasser holen zu lassen. Die Aussicht von diesem Pnnkte war unbeschreiblich schön. Fächerartig waren die drei tiefen Meerbusen von Aspraspitia, von Livadostro, ehemals der alkyonische Golf genannt, mit den schönen Inseln Kalanissia in seiner Mitte, und endlich der Golf von Korinth vor uns ausgebreitet Das Vorgebirge Hagios Nikolaos, ehemals der Hera Akräa, von dem hohen Gipfel des Geraniaberges überragt, erstreckte sich, die beiden erstgenannten Meerbusen trennend, tief uns entgegen in das Meer hinein. •) CUUndjl. II p. 21.

42 Im Grunde des letzten aber erblickten wir deutlich die Mauerzinneu von Akrokorinth und den flachen Islli mos zwischen den Häfen von Lutraki im korinthischen und Kalamaki im saronischeu Meerbusen. Die zackigen Gipfel des Kyllene, Parnassos und Kithäron schlössen rechts und links diese reiche Landschaft, in welchcr die Küste von Rumelien eben so großartig und öde, als die des Peloponneses bebaut und fruchtbar erscheint. Den Beweis dieser Fruchtbarkeit erhielten wir in einer ungeheuren Provision von Früchten, und namentlich vortrefflichen Korinthen - Trauben, welche unser Kahn nebst einigen Seevögeln zurückbrachte, die ein geschickter Jagdfreund unserer Reisegesellschaft erlegt hatte. Ein sehr willkommenes Frühstück verkürzte uns die Zeit, welche der mangelnde Wind uns hier zuzubringen zwang. Endlich erhob sich doch ein günstiges Lüftchen, welches uns gegen 10 Uhr Morgens auf die Rhede des alten Lechäons brachte, wo wir Anker warfen und bald an das Ufer traten. Von diesem Ilafenorte liefen nicht allein die Handelsflotten, sondern auch die aus, welche Syrakus, Kerkyra, dem äufsersten Epidamnos und so vielen anderen korinthischen Kolonien, Bewohner, Gesetze, Götter und Künste brachten. Die Großartigkeit, aber auch die Verwüstung, Trauer und Einsamkeit dieses Ufers, wo sonst Alles was der Wellhandel, die Künste, der Lebensgenuß und der üppigste Rcichthum erzeugen und hervorrufen, sich drängte, macht auf den, der sie zum ersten Male sieht, den ergreifendsten Eindruck. Die Ruinen der neuen Stadt Ko-

43 rinth zeigen steh auf niedrigen, aber völlig kahlen Felsenstufen, etwa eine halbe Stunde vom Meere, und aus diesen unscheinbaren Trümmern und einigen fast noch unscheinbareren neuen Häusern ragen als einzige Gewähr, da£s hier ehemals eine prächtige Stadt war, die erdrückten Säulen des fälschlich so genannten Sisypheions empor. Darüber erheben sich die zackigen Spitzen des Akrokorinth, welche ihre Schatten über zwei Meere warfen *), und des Forts Penteskufi {nivieaxovqjt}). Von der Stadt bis zum Meere ist eine angeschwemmte theils völlig unfruchtbare, theils von der Sonnengluth ganz verbrannte Ebene, in welcher einzelne dem Ufer nahe Vertiefungen durch eingedrungenes, aber von der Sonne verzehrtes Meerwasser ganz mit glänzenden S a l t krystallen überzogen waren. Da unsere Schiffer gern gleich wieder diesen Ort der Verwüstung zu verlassen wünschten, und ihnen dazu der Wind günstig war, so brachten sie uns und unsere Gepäcke schnell ans Lan^, wo Alles auf dem Sande des Ufers ausgebreitet wurde. Aber kein lebendes Wesen, weder Mensch noch Thier, liefs sich erblicken, um uns dem entsetzlichen Brande der griechischen Augustsonne zu entziehen, welcher wir hier ganz schutzlos ausgesetzt waren. Die einzigen Zeichen, dafs in dieser WÜ6te noch nicht alles organische Leben ausgestorben sei, war der den alten Griechen so melodisch erscheinende Gesang der Grillen (Tfmytg) und einige knochenartige, gespensterhafte Mantis **), welche mit linkischen Bewegungen *) Statins Theb. IIb. VII. r. 106. " )

Tlieoti'it.

X .

v.

18.

sagt:

PCLINT

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¿ f o ' & r c a

ä

»A-

44 um uns herum hupften und zuweilen in ihrer eigentbümlichen und schreckhaften betenden Stellung uns anstierten. Nie werde ich den tiefen Eindruck dieses Augenblickes, wo es mir zuerst „ w i e n i c h t e i n e m J e d e n , vergönnt ward nach Korinth zu schiffen"*), vergessen, und die Gewalt dieses Eindrucks war deutlich bei allen unseren Reisegenossen, und selbst bei denen, welche sonst nicht leicht poetischen Eindrücken zugänglich waren, zu erkennen. So warteten wir einige Zeit vergebens auf den Reisebetten, unter dem Schatten unserer Sonnenschirme sitzend, bis endlich im vollen Galoppe ein griechischer Reiter mit einem Handpferde heran gesprengt kam, welches unser Reisemarschall Apostolidis bestieg, um in der Stadt Alles, was zu unserem Empfange und zu unserem Transporte dahin nöthig war, anzuordnen. Ich hatte gleich bei unserer Landung einen nahen kleinen Sandhügel bestiegen, um nach irgend einem der näheren Betrachtung werthen Gegenstände zu forschen, und benutzte nun die Zeit unseres vergeblichen Harrens, um die nächsten Umgebungen zu besichtigen und einige Punkte der herrlichen Gegend zu skizziren. Der ehemalige Hafen Lechäon liegt jetzt so weit tiefer landeinwärts, dafs die äufserste Spitze des Molo, welche man noch nebst den Substruktionen eines viereckigen Gebäudes darauf sehr deutlich erkennt, wohl Xafiala, und vergleicht also diese Thiere mit einem trocken ossedii°itng

durch

der Nation,

den Z w i n g h c r r u

l)o gelei-

93 stete Dienste aller Art, so wie durch Hamlet lind einige Industrie wieder zu Vermögen und Besilzthnme 7,u gelangen wufsten. W e r die Wirkungen eines su chen Verhältnisses zu türkischen Despoten kenn), wird

leicht

begreifen, dafs ein solcher Vortlioil nicht ohne Aufop. ferung des Charakters, jeder Tugend und Selbstständigkeit errungen und nicht ohne Heuchelei und Hinterlist erhalten werden konnte. Da dieses aber nicht in der Nntion selbst, sondern nur in ihrer bedrängten Lage begründet w a r , so ist es begreiflich, dafs die Wirkungen auch nur in dem Itlaafsc mehr oder weniger hervortraten,

als diese Primaten

mehr oder weniger, näher oder ferner mit ihren Unterdrückern in Berührung kamen. W e n n also die Primaten des Festlandes den Fluch ihrer Lage in seiner ganzen Gewalt trugen, und dadurch oft weit verderbter wurden als die Türken selbst,

so

findet man dafs sie auf den Inseln, welche oft wenig oder gar nicht mit den türkischen Zwinglierren in unmittelbare Berührung kamen, weit weniger verderbt sind, ja dafs die letzte Revolution unter ihnen Männer von dem edelsten und reinsten Patriotismus fand und hervorrief. Theils durch solche freiwillige und edle Opfer dieses Patriotismus,

welche sie ihres Vermögens,

Existenz und ihres Blutes beraubten,

ihrer

theils durch die

Macht der Ereignisse haben nun diese Primaten in der letzten Revolution viel gelitten und verloren, und glauben sich dadurch ein Recht auf YYiedcrersatz und EutSchädigung von jeder konstituirten Staatsgewalt erworben zu haben, welche jetzt in ihren Augen die Früchte

94 der von ilinen gebrachten Opfer einsammelt und genickt. U n t e r diese Klasse mufs man im Allgemeinen die Kaufleute zählen,

welche ebenfalls durch

Ausbildung

lind Anwendung ihrer Kenntnisse unter dem Joche der W i l l k ü h r und G e w a l t t ä t i g k e i t , gröfstentheils mehr verschlagen und hinterlistig 7.11 nennen sind, als auf einer Stufe die

grofsartiger

sie andern

kommerzieller Entwicklung

Handelsvölkern

an

die

Seite

stehen, setzen

köuutc. Ihre Bedeutsamkeit und ihr Rcichlhum hatten gröfstentheils

ihre Quelle

Revolution

in den durch die

herbeigeführten Verhältnissen.

der griechische

Handel

nach

dem Sturze

französische War

aber

Napoleons

schon geschmälert worden, so beschränkten ihn die Ereignisse des Befreiungskampfes noch m e h r , und er ist j e t z t , nachdem das neue Gouvernement konstituirt ist, durch viele Hindernisse, welche tlieils in seinem Verhältnisse zu andern handelnden Millionen, theils in der Centralisalion des Gouvernements, in seiner nothwendig e n oder auch wohl verineidlichen Zollorganisation und anderen Administrativgründen liegen, namentlich da, w o er vordem so sehr blühte, fast völlig vernichtet. Aus diesen Gründen erwartet auch der KaufmannStand,

namentlich auf den Inseln,

Entschädigung und

Verbesserung von der Regierung. Die Schiffer, welche sowohl in den letzten vier Jahrzehnten

neuerer

Geschichte

als

Handelsschiffe^

w i e während der Revolution als Krieger, eine so bedeutende Rulle gespielt h a b e n , w e r t h e r Theil der Nation.

sind ein höchst achtungs-

95 Alte Proplietenslimmen und Traditionen Helsen die Türken selbst,

sogar schon

in der Glanzperiode ihrer

Eroberungen, darauf verzichten,

jemals Herrscher auf

dem Meere zu werden, wie sie es auf dem Lande waren. D i e Griechen blieben, vom Anfange der türkischen Macht in diesen Gegenden an, immer die eigentlichen Herren ihrer Meere, tijq nag

i)utv &aläaartg,

wie schon

die alten Hellenen sagten, sei es dafs sie die türkischen Flotten Tührten und bcmannlca, oder als kühne Seeräuber ihnen T r o t z boten.

So

konnte der Einfltifs türki-

scher Herrschaft nie so direkt lind bedeutend auf diesen T h e i l der Bevölkerung werden, als auf dem festen Lande. Ueberdem wurden die Seeleute noch durch beständigen Verkehr mit dem civilisirten Theile

Europas

in den Häfen des Mittclmceres und sogar ausserhalb der Säulen des Herkules, mehr als die sefshaften Bewohner zu einem bessereil Zustande hingezogen. Die

außerordentliche

von

allen seefahrenden Na-

tionen allgemein anerkannte nautische Geschicklichkeit der Griechen,

ihre Fassungskraft,

ihre Mäfsigkeit und

Ausdauer in Gefahren der S e e sind allbekannt, und der hohe begeisterte Muth, welchen sie in den letzten Kriegen bewährt haben, stempelt sie zu |Seehelden, die sich denen, welche andere Nationen mit Stolz nennen, kühn an die Seite stellen dürfen. Aber

durch

den abnehmenden Handel und durch

die versiegle oder doch sehr geschmälerte Hülfsqnelle des Dienstes auf den Flotten des Grofshcrrn ist auch der Stand Naclilheilc,

der Schiffer

gegen

ehemals

jetzt

sehr

im

und die jetzige Regierung h a t noch nicht

die Mittel gehabt oder angewendet, ihn durch Dienste

96 in einer grofsen S t a a t s - M a r i n e z u entschädigen, w ä h r e n d die (filavtia

der Miaulis, T o m b a s i s , S a c h t u r i s und K a -

naris durch A n s t e l l u n g 1.011

griechischen

f r e m d e r S e e l e u t e auf der klei-

Flolle

und

durch B e r u f u n g

fremder

w e n n auch s e h r a c h t u n g s w e r t h e r O f f i z i e r e zum Unterrichte der griechischen Marine g e k r ä n k t worden ist. S o richtet also auch dieser S t a n d lebhafte und unerfüllte

Wünsche

und

Reklamationen

L e g i e r u n g , die v o n e t w a welche

das L a n d

liefert,

an

die

jetzige

achtzehn T a u s e n d S e e l e u t e n , kaum

Eintausend

anstellen

d e r SchifTer

während

uud b e s c h ä f t i g e n k a n n . Hatte der

sich

aber

der S t a n d

türkischen Z w i n g h e r r s c h a f t

durch

lokale

Verhält-

n i s s e und durch die b e d ü r f t i g e U n w i s s e n h e i t der Z w i n g herm ten,

in t i n i g e r B e d e u t u n g und U n a b h ä n g i g k e i t so

war

d i e s e s noch

erhal-

w e i t m e h r der F a l l mit den

gi itcl.¡sehen S o l d a t e n . Da das türkische Militärsystem und Mifstrauen die Bildung niüil.t

und

V e r w e n d u n g e i n e r griechischen

ftational-

und A r m e e g a r nicht o d e r doch nur in s e h r be-

schränktem

Grade

Kriegslust,

welche

zuliefs,

so

w a r der Muth und die

in einer N a t i o n nie g a n z zu unter-

d r ü c k e n und z u v e r t i l g e n s i n d ,

in sich s e l b s t k o m p r i -

mirt, und m u f s t e ,

da f ü r die B e h e r r s c h e r zu k ä m p f e n

ihr

n o t w e n d i g e r W e i s e ihre

verboten w a r ,

gegen die

dieselben n e h m e n .

(¡riechen,

welche

Richtung

D i e s e s g e s c h a h nun,

innerer

Beruf,

Sinnesart

a n g o l l l c G e w o h n h e i t zum S o l d a t e n l e b e n

trieb,

indem oder thcils

in den S o l d der den T ü r k e n feindlichen N a c h b a r l ä n d e r oder auch

g e g e n die P f o r t e a u f r ü h r e r i s c h e r

Statthalter

t r a t e n , tlieils in G r i e c h e n l a n d s e l b s t aus durch die her-

97 gige Natnr des Landes erzeugten Schlupfwinkeln einen unaufhörlichen Kampf gegen ihre Unterdrücker führten. Das erste Verhältnis war das der Armatolis, ganz dem der Condotüeri und ihrer Söldlinge im Mittelalter ähn> lieh; das zweite das der Klephten, welche diesen Na* men (Räuber) annahmen oder bekamen, weil Noth und Umstände sie oft zwangen, zwischen den Feinden, deren Personen und Besitztümer sie bekriegten, keine ganz scharfcn Gränzlinien zu ziehen. Diese beiden Namen nun schlössen einen klaren und deutlich begränzten Begriff in sich, dessen der Name Palikaren dagegen in militärischer Hinsicht ganz entbehrt. Palikari heifst nichts mehr und nichts weniger als junger Mann, Kamerad, Gefährte, Geselle, nnd diente in dieser Bezeichnung sowohl dem Kapitän gegen seine Soldaten, als dem Schneider gegen seine Gesellen. So ist er auch heute noch die allgemeine freundli* che Anrede eines jeden Höheren gegen einen Niedrigeren in jedem Lebensverhältnisse. Ehe die Bandenführer aber ihren Spiefsgesellen die* sen Namen Palikari gaben, hatten diese fast immer und namentlich in Rumelien zu ihnen als y>v%oioi in dem Verhältnisse von Schülern zu ihren Lehrern gestanden. Denn schon als Knaben kamen sie gewöhnlich in diese Schule des Muthes, der Freiheit und Unabhängigkeit, aber auch, wenn es die Noth erforderte, der Räuberei, Zügellosigkeit und Bedrückung des armen Landvolkes. Im Peloponnes, wo wenigstens aufser der Maina weit weniger unabhängige Kapitanis waren, war auch dieses Rekrutirungssystcm weit weniger geordnet Bauern und Hirten bildeten die zusammengerafften Begleiter der 7

98 wenigen unabhängigen Familien,

welche sich in Arka-

dien erhielten. Man darf und mufs aber bei einiger KenntmTs des neueren Griechenlands behaupten,

obsclion es auf den

ersten Blick paradox erscheinen konnte,

dafs sich in

diesen Klephten und Armaiolis die eigentliche Kraft und Würde der griechischen Nation erhalten hatte.

Abge-

sondert von den Zwingherren oder ihnen feindlich gegenüber stehend, konnten sie auf ihren Meteoren in den einfachsten auf beständige Anstrengung und kriegerische Uebung angewiesenen Lebensverhältnissen den von der Geschichte

zur Unsterblichkeit

bestimmten

Keim

hellenischer Freiheit und Würde bewahren, obwohl derselbe der Natur der Sache und dieses gewaltsamen Verhältnisses nach, mit vielem und verderblichem Unkraule umwuchert werden mufste. Unverbrüchliche Anhänglichkeit gegen ihre Kapitanis. so lange sie von ihnen richtig und unverkürzt bezahlt und besoldet wurden; eine unglaubliche Todesverachtung, ob wohl durchaus nicht unseren modernen, sondern noch ganz den homerischen Begriffen von militärischen Pflichten gemäfs, welche es der Ehre keineswegs nachtheilig erachten, wie Hektor und Aias davonzulaufen, wenn der eigenen Ueberzeugung

nach

durch

das Stehenbleiben

nichts

mehr zu gewinnen ist; dieses sind die Grundzüge des griechischen Soldaten - Charakters. Nimmt man dazu die aufserordentliche Ausdauer gegen die Mühen ynd Entbehrungen des Krieges,

die

unglaubliche Schnelligkeit und Leichtigkeit ihrer physischen Organisation; ihre Mäfsigkeit und Ortskenntnifs des Landes, und dieses Landes ganz eigentümliche Be-

90 schaffenbeit, so wird man es begreifen, dafs sogar die Römer ihnen in manchcn Gegenden, wie z. E. den Eleutherolakonen,

gewisse Vorrechte der Freiheit und

Unabhängigkeit einräumen mufsten, und was sie in dem letzten Befreiungskriege gegen türkische Heere, welche ihnen zehn- und zwanzigmal an Zahl und Ausrüstung überlegen waren, ausrichten konnten.

Nur mufis man

dieses Alles wieder nach griechischem und nicht nach dem militärischen Maafsstabe unserer Kadetten- und Regimentsscbulen messen und beurtheilen, und es endlich den Griechen nicht verargen, wenn ihnen unsere europäischen Militärbegriffe fremd waren, und wenn sie mehr nach homerischen Traditionen kämpften und ihre eigene Thalen beurtheilten. Mit solchem Bewufslsein und solchen Erfolgen werden solche Räuber wie diese griechischen Klephten waren, sieh stets Helden dünken, wie die griechischen Lieder und National-Gesänge selbst dem der sie nur aus Fauricl's Sammlung gekannt hätte, leicht erklären und beweisen konnten.

Billige und unterrichtete Aus-

länder mufsten ihnen diese Meinung von sich selbst lassen und sie demgemäfs behandeln.

Denn wenige Bei-

spiele in der Kriegsgeschichte aller Zeiten sind glänzender als einzelne Thaten der Kolokotroni, Nikitas, Tzavelas, Bozzaris und Karaiskakis in den ersten Zeiten der Revolution, und mehr als einzelne grofse Thaten wird kein billig Denkender von vereinzelten griechischen Kämpfern fordern. Als jedoch die Nachahmerei englischer und französischer Institutionen durch einige halbgebildete Intriganten und Parteiführer die ersten Knospen und Blüthen 7•

100 der Freiheit in Griechenland zerstörte; als dadurch Parteikämpfe und Verwirrung aller Art entstanden, die Geldmittel des Inlandes und des Auslandes, statt zur Be Zahlung der Freiheitskämpfer zu dienen, von verworfenen Agioteurs und Betrügern verschlungen wurden; da verdrängte die Noth des Augenblicks die guten Eigenschaften dieser wilden Krieger, und ihre alten RäuberSitten und Gewohnheiten traten wieder hervor. Selbst in der Hand des gebildeten, in den neuen Begriffen von Ehre und Disciplin aufgewachsenen europäischen Kriegers werden ja, wenn er von Notli und Hunger gedrängt wird, die Waffen der Ehre zu Raubund Mordwerkzeugen; es wäre also vollkommen unbillig von rohen ungebildeten Armatolis und Klephten eine Resignation höherer Moralbegriffe verlangen zu wollen, welcher selbst die hochgebildeten Europäer nicht fähig 6ind. Die unglücklichen Zeiten der Präsidentschaft, das Interregnum nach der Ermordung des Grafen Knpodistria, und die Anarchie der langen Zeit welche von der Erhebung eines bairischen Prinzen auf den griechischen Thron bis zur Ankunft desselben und der Regentschaft verstrich, hatten die Noth und mithin auch die Zügellosigkeit der Kapilanis und ihrer Palikaren bis auf das Aeufserste getrieben. Aber wer Griechenland und dessen alte und neue Geschichte nur einiger Maafsen kannte, unterschied leicht, was bei diesen verwilderten Horden der eisenen bleibenden und stets wieder in ihre Rechte eintretenden Natur, und was den gebieterischen Umständen und dem

101 Drange des Augenblicks angehörte und mit diesen auch wieder aufhören mufste. Die Natur der Sache aber und die Geschichte, nach dem Zeugnifs aller Unterrichteten und Unparteiischen, bewähren uns, dafs bei der Ankunft des jungen so sehnlich erwarteten Königs und der Regentschaft die Händen von verwilderten, halbnackten und ausgehungerten Soldaten sich in der Ebene von Argos und um Nauplia zusammenschaarten, um dem neuen Herrscher, ¡11 welchem sie nur den g r i e c h i s c h e n König sahen, einen starken kampfgewohnten Arm, ein treues Herz und enthusiastische Liebe anzubieten. Dagegen verlangten sie nichts Anderes, als was der Soldat verlangen kann — regelmässigen Sold, welchen angeborne Mäfsigkeit und gewohnte Entbehrungen, so klein wie man nur gewollt hätte, zu bestimmen erlaubte, einige Anerkennung ihrer früheren Dienste und gerechte Würdigung und Verzeihung ihrer Vergehen. Aber man zog es der allgemeinen Meinung der griechischen Nation gemäfs vor, diesen IiulQosen Banden von Allem was sie forderten nur das Letzte, das heilft Verzeihung, zu gewähren, und zeigte gleich vom Anfange, dafs dieses nur nach dem unglücklichen Schibolet pardonner

nett pa* oublier

geschah.

Da die unumgänglich nöthige augenblickliche Hülfe gar nicht oder doch nur in ganz ungenügendem Maafse *) erfolgte, so blieben diese armen Krieger auf Raub und Gewalllhat angewiesen.

Die Begriffe wurden dadurch

Alan schiclte ihnen ans den französischen Magazinen a a r einige Rationen von — Mehl, welches in Brod zu verwandeln ihnen in dem verwüsteten Lande jedes Niltil fehlte.

102 aber stets mehr verwirrt, und man glaubte sich Glück wünschen zu können, als diese Tapferen, nachdem man ihnen die Dienstanerbietungen in so grellen Kontrasten gegen ihre Lebensgewohnheiten und Begriffe und gegen die Erfordernisse der Oertlichkeit gemacht halle, dafs eine Annahme unmöglich ward, und nach der ersten energischen Demonstration eines Militär -Delachcments gegen das von ihnen besetzte Pronia, das Vaterland, dessen Freiheit, sie mit ihrem Blute erkämpft hatten, verliefsen.

Aber an seinen Gränzen bezeichneten

sie ihren Abzug durch aufgehäufte Anathcme, welche Mit- und Nachwelt wenigstens in Griechenland wohl nie zu Ungunsten dieser rauhen Krieger deuten wird. Aber viele und namentlich der rumeliotischen Kapitanis zogen es, man darf sagen, aus enthusiastischer Liebe zu dem jungen Könige, und immer noch hoffend dais man ihnen später oder früher Gerechtigkeit wiederfahren lassen würde, vor, in Griechenland zu bleiben. Trotz dem bittersten Elende, welches sie endlich zwang, sogar die Waffen, mit welchen sie für ihr Vaterland gekämpft hatten, Stück für Stück zu verkaufen, blieben sie treu und ruhig, und erwarteten mit bewunderungswerther Geduld bessere Zeiten, ohne an den Intriguen ihrer reichen peloponnesischen Waffengefahrten Theil zu nehmen. Ich selbst habe von der Resignation dieser Helden Beweise genug gehabt. Man halte einem derselben das Kreuz des Erlöserordens verliehen, und ich war gerade bei einem der Regentschafts - Mitglieder, als er seinen Dank dafür abzustatten kam.

Mit nassen Augen bat

103 er dieser Auszeichnung ein Geschenk von nur einem Thaler hinzuzufügen, um acht Tage lang seinen Hunger aliilen zu können! D e r Minister Kolletis, mit welchem ich mich über diese ihm so wohl bekannten Militär-Verhältnisse oft unterhielt, sagte mir einst viele dieser Helden des Befreiungskrieges Freund

wünschten

Griechenlands

mich als einen

persönlich

kennen

bekannten zu

lernen,

während es mir gewifs interessant sein würde, sie zu sehen. Ich nahm dieses mit Vergnügen an und es ward Tag und Stunde der Zusammenkunft in meiner Wohnung anberaumt. Am Tage zuvor ging ich am westlichen Abhänge dos Palainedes-Felsen

nach

Port Tolon zu

spaziren;

vor mir her gingen schweigend und ärmlich gekleidet, zwei Männer, welclien man ansah, dais sie Krieger gewesen waren.

Ihr Aeufseres und ihre Haltung interes-

sirten mich, und ich beobachtete sie, von ihnen nicht gesehen, als sie, sich umsehend, ob sie auch bemerkt würden, schnell hinter ein Felsenstück traten und sich dort niederkauerten. Ich sah nun, wie Jeder von ihnen ein Slück lirod und eine Wasserflasche herausholte, und wie sie einige Wurzeln aus den Felsenspalten

rissen,

um mit diesen frugalen Provisionen ihr Mittagsmahl zu halten. ie war ich aber überrascht, diese beiden Männer am Tage darauf unter der grofsen Anzahl ehemaliger Anführer zu erkennen, welche mir Herr Kolletis in ihren prachtvollen, wenn auch abgetragenen Kleidern vorstellte, und ihre Namen zu hören, welche so oft rühm-

104 lieh in den Annalen des Freiheitskampfes genannt wor den waren! Herr Kolletis bestätigte mir völlig das gränzenlose Elend, in welchem diese armen Leute in iiirein eigeneu Vaterlande geduldig ausharrten und hungerten, während Hunderte von jungen Fremdlingen in glänzenden Stabsoffiziers-Uniformen sich an ihnen vorüberdrängten. Sollte man nicht denken, dafs eine allgemeine Abneigung gegen die jetzige Regierung die Folge dieser unglücklichen Lage hätte sein müssen? So war es aber nicht. Krankheiten, der höchst unglückliche Feldzug gegen die Mainotlen, und die Zerstreuung der Truppen an der thessalischen und epeirotischen Gränze, welche gegen die Einbrüche der aus ihrem Vaterlande vertriebenen sogenannten PalikarenBanden bewacht werden mufsten, hatten, als im Anfang August 1834 die Aufstände in Messenien, Arkadien und Elis ausbrachen, die disponiblen Streitkräfte so vermindert, dafs man, da weder Geld noch Zeit zu fremden Werbungen vorhanden war, sich gezwungen sah, zu diesen verachteten und auf jede Art verdächtigten Palikaren-Banden seine Zuflucht zu nehmen. Mit der gröfsten Bereitwilligkeit kamen sie den Wünschen der Regentschaft entgegen, die Hadchi Christos, Grivas und Delejanis sammelten schnell die zerstreuten Schaaren ihrer ehemaligen Kampfgefährten um sich her und verlangten Nichts als Waffen, da die Noth sie gezwungen hätte, die ihrigen zu verkaufen. Jedoch versprachen sie dieselben nach dem ersten Gefechte zurückzugeben.

105 Man weif« wie schnell nun* diese Insurrektion unterdrückt wurde, und die entlehnten Waffen wurden wirklich nach dem ersten Gefechte von Aslan-Aga, so wie mir es die Militärs in Nauplia selbst bestätigten, bis zum letzten Stücke in das Arsenal zuriickgeliefert. Nach diesen Beweisen von Treue und Anhänglichkeit ist nun zwar für die Klasse der Krieger in Griechenland eine etwas günstigere Konjunktur eingetreten; allein die früheren Verhältnisse und die fortdauernde Bevorzugung der Fremden, das unglückliche Beispiel der inainottischen Campagne und selbst das Bewufstscin der jüngst in Messenien und Arkadien geleisteten Dienste haben bei ihnen eine bleibende Mifsslimmung hervorgebracht — welche noch lange für die Regierung ein Hindernifs völliger Beruhigung und Zufriedcnstellung bleiben wird. Die dadurch erzeugte Schwierigkeit ist aber um so gröfser, als jetzt die finanziellen Hülfsmittel, welche der Regierung anfänglich zu Gebote standen, sehr verringert worden sind, und sie mithin trotz den besten Absichten nicht mehr Alles, was in dieser Beziehung Noth thäte, ausführen könnte.

Auch war durch diese

Verhältnisse die Regierung jetzt in die schwierige Lage versetzt worden, ihre Handlungen und Zugeständnisse oft nach dem Begehren d e r U n z u f r i e d e n e n abmessen zu müssen, welches bei einer so schlauen und bedürftigen Nation wie die griechische, nicht ohne Gefahr und grofsen Nachtheil ist. \Mr kommen nun zu der eigentlichen Masse des Volks, zu den Landleuten, Hirten und kleinen Kaufleulen, und es gibt hier nur Lob zu spenden. Ruhig, flei-

10G Isig, ehrlich, mäfsig, gelallig und gastfrei sind sie über all, und ermangeln dabei weder der griechischen Klug licit und Bildsamkeil,

noch

einer

gewissen

Würde,

welche ihnen in diesem Lande su wohl steht. Sie sind fast alle ohne Ausnahme der üegierung ganz ergeben, und wenn es einige Male den Parteiführern gelang sie zum Aufslande zu bewegen, so konnte dieses nur durch die Vorspiegelung gelingen, dafs es gc schelie, um dem jungen Könige oder einem Theile der Regentschaft gröfserc Macht zu verschaffen, um die so sehnlich erwartete Ruhe und Ordnung, diese ersehnte tvia^ia,

aufrecht zu erhalten.

Sie haben eine tief begründete, theils aus den früheren despotischen Verhältnissen

der Zwingherrschaft,

iheils aus der Ueberzeugung von der Wahrheit des homerischen Regierungsprincips, vh],

ilg

xotgavog

ovx aya&ov

nolvxoiya-

euern w ü r d e ,

bedingt,

nur

so

lange

als es ihrer Politik und L a u n e zusagte,

würde früh oder spät die sichere F o ' g e einer nicht a u s der Nation,

ihren

Begriffen, E i g e n t ü m l i c h k e i t e n

und

Affektionen hervorgebildetcn R e g i e r u n g s f o r m sein. Alter man m ö g e slets b e d e n k e n , die Geschichte l e h r t ,

w a s uns h i e r ü b e r

die Griechen konnten im Glücke

iibermiilhige D e s p o t e n ,

im U n g l ü c k e k r i e c h e n d e S k l a -

ven s e i n , aber ein indifferenter M i t t e l z u s t a n d , w i e ihn ein solches S c h e i n l e b e n des jungen S t a a t e s herbeiführen müfste, kann diese lebendige, geistreiche, a k t i v e Nation nie dauernd zufriedenstellen und beruLigcn. Sollten w i r u n s hierin irren, so w ä r e darin nur der sicherste B e w e i s g e g e b e n ,

dafs w i r k l i c h k e i n Tropfen

hellenischen Blutes, kein Keim hellenischen S i n n e s mehr in der jetzigen B e v ö l k e r u n g übrig g e b l i e b e n w ä r e , und dafs selbst der Boden und die S o n n e Griechenlands ihre sonst so m ä c h t i g e , bildende Kraft verloren h ä l l e n .

Die

S y m p a t h i e der gebildeten W e l t , w e l c h e das j u n g e Reich w i e d e r a u s den T r ü m m e r n z w e i t a u s e n d j ä h r i g e r rei und Zerstörung hervorzurufen s u c h t e ,

würde

Barbadann

auf e w i g v e r s t u m m e n , und es w ü r d e k e i n Griechenland m e h r g e b e n , als in den unsterblichen W e r k e n griechischer Kunst und W i s s e n s c h a f t .

140 Am zwölften August u m drei U h r Morgens saften w i r t u P f e n l e , um u n s e r e Reise über Epidavro6 nach Athen, dem langersehnten, zu beginnen. Der Weg

führt u n t e r den Felsen des Palnmides

und dem durch bäuerische Soldaten leider reich besetzt e n Kirchhofe von- Pronia hin, welcher eine der schönsfen Felsen- und Gebirgsansichten gewährt, welche ich in ganz Griechenland sah.

D i e hier ziemlich bebaute

argolische E b e n e , v o n einigen Bächen durchströmt, bildet den Vorgrund des Bildes,

welches rechts von den

kahlen burggekrönten Felsen des Palamidcs, links von den fernen Höhen des arachnäischen Gebirges begränzt wird. Im Mittelgründe liegt die äufserst malerische Felsengruppe, in welcher sich die Häuser von Pronia hinaufziehen. Diese Vorstadt, welcher man ihren Namen als eine Erinnerung an die Vorsehung (n(>6voict) gab, welche liier einst viele Tausende vor Ibrahims

flüchtende

dem

Schwerte

Griechen unter den Kanonen des

Palamides Schutz und Schirm in elenden ErdhüUen Tinden liefs, ist jetzt sehr ausgedehnt und mit wohnlichen Häusern besetzt. den

ihren

N u r noch einige E r d h ü t t e n beurkun-

Ursprung

und

das

Elend,

welches

hier

h e r r s c h t e , als so viele T a u s e n d e , zwar d e m S c h w e r t e entronnen, dem Hunger, dem Mangel und den Seuchen z u m Opfer wurden. n e n zahlreiche Opfer,

Gräber

und Leichcnslcine

die

vielen

welchc das heifse und ungesunde Klima

Nauplia Diät

Am Fufse dieser Felsen bezeich-

aus

so wie eine den Reihen

nicht gewohnte Lebensart

von utid

der fremden bairischen und in

Baiern geworbenen T r u p p e n hinwegrafften.

141 Eine Anachoreton-Hütte in einer Höhle des Felsens beweist dafs es ihnen nicht an Gebeten fehlt; und ein heroisches Monument auf seiner Spitze, von den übrig gebliebenen Waffenbrüdern errichtet, zeugen

dafs sie auch

wird künftig be-

des Andenkens im Vaterlande

nicht crmangeln. Ueber diesen Felsen sieht man die Gärten u n d Kirche des Klosters 'Ayta

Movia

oder Hagia Mona, und die

BergcinsalIlling, welche sich nach P o r t Tolon am argolischen Busen hinabsenkt. tem Gewölke b e d e c k t ,

D e r Ilimmcl w a r mit leich-

dessen Schatten die schönsten

und abwechselndsten Lichteffekte in dieser grofsartigen Landschaft hervorbrachten.

W i r ritten nun in die T h ä -

ler der Gebirge, welche links zu den Höhen des Arachnaion, jetzt Hagios Elias und A r n a - B e r g genannt, hinansteigen. Von den zwei nach Ligurio f ü h r e n d e n W e g e n , den welcher der mehr

südlichen Richtung folgt

wählend,

erreichten wir bald das Dorf Aria. Aus seiner trefflichen Quelle wird hauptsächlich die Stadt Nauplia

durch Aquädukte

mit W a s s e r

versorgt,

und wir erfrischten uns selbst aus dieser Quelle mit einem kühlen L a b e t r u n k e ,

welcher

zu dieser Jahreszeit

in Griechenland etwas so Seltenes ist. ¡Nicht weit davon sahen wir links auf einem sehr malerischen Fclsenberge eine pelasgische

Cirkumvalla.-

tion, welche man vielleicht für die Ueberbleibsel der von Paiisainas erwähnten und schon zu seiner Zeit verwüsteten S t a d t Mideia *), des Geburtsortes

¥

) Pausan. II. 25, 9.

der schönen

142 Alkmene, hallen kann, obschon seine Angaben Ober ihre Lage nicht so deutlich sind, data sie zur Gewifsheit führen könnten. Mehrere Ruinen aller Städte und einzelner Befestigungen, Monopyrgen ((iovoavQyoi)

genannt,

beweisen,

dafs dieser l'afs von Epidavrien nach Argulis führend, zu allen Zeiten militärische \V ichligkeit gehabt hat. D e r Anblick der Landschaft ist grofsarlig, aber äusserst wüst; und wir sahen fast keine Spur von Bebauung und Kultur, und begegneten nur einigen (eutschen Soldaten, welche beschäftigt waren Rosinarinen. Tamarisken und Spina-Christi-Gestrüppe für die Ziegeleien von Nauplia zu sammeln. Uns Nordländern, gewöhnt an dickes und aufgeschichtetes Klafterholz, scheint es fast unmöglich, zu einer solche Feuergewalt wie das Brennen von ziegeln

Mauer-

erfordernden Operation nur kleine und diiune

Sträuche und Gestrüppe mit Erfolg verwenden zu können.

Aber sie zeigen sich in diesen südlichen Ländern

dazu nicht allein genügend, sondern sogar ganz vorzüglich geeignet. Diese dünnen knochenartigen Reiser und holzartigen Blätter sind von der Gewalt der südlichen Sonne auf diesem nackten Felsenbodcn so hart und harzig geworden, dafs sie ein Feuer von der gröfslen Intensität geben. Die Erfahrung hat gelehrt, dafs ein Haufen dieses Gestrüppes von dem kubischen Inhalte eines Klafters fast eben so viele Hilzc giebt, als eine Klafter unseres Tannenholzes.

Da aber fast alle Berge in Grie-

chenland, wo sie auch völlig der Bäume entbehren, mit Gestrüppe und Strauchwerke dieser Art bedeckt

sind,

143 so ist über Mangel an Brennmalerlal in diesem Lande durchaus nicht zu klagen, und es würde für die Bedürfnisse einer sehr dichten Bevölkerung hinreichen. Nach etwa fünf Stunden kamen wir bei dem ziemlich grofsen Dorfe Liguno oder Likurio an, welches in einer kleinen etwas angebauten hügeligen Hochebene zwischen den Häfen des epidaurlschen llierons und des steilen Araclinaion, welchen man vor Inaehos Zeit Sapyselaton (SanvoihxTuv) nannte*), liegt.

Liguno hat

den Platz des von Pausanias erwähnten Dorfes Lissa, xwfit] A>\aace") eingenommen, in welchem ein Tempel der Athena mit einem hölzernen Schnitzbilde (gocevor) gleich dem im Tempel derselben Göttin auf der argolischen Larissa stand; da Pausanias aber bei Beschreibung dieses letzlen Tempels nur eines hölzernen Schnitzbildes des dreiäugigen Zeus erwähnt, welches im Hofe des Pallastes des Königs Priamos stand,

der am Fufse

desselben getödtet wurde, und als trojanische Beute dein Sfhenelos zufiel ***), so mufs man wohl annehmen dafs Pausanias auch in diesem Athenatempel das Bild eines dreiäugigen Zeus sah. J e t z t hat L i g u r i o keine anderen Merkwürdigkeiten

als in den Mauern einer Kirche der IJagia Marina einige sehr schöne ionische U e b e r r e s t e und gemalte Fra"--

~ o mente von Antefixen, Akroterien u. s. w. von gebrann-

ter Erde, welche vielleicht dem oben erwähnten Tempel angehört haben.

Pausan. II. 25, 9. ")

ibid.

• " ) ibid. II. 24, 5.

144 W i r machten vor dem Dorfe unter einigen Keuschlamm-Gesträuchen *) Halt, um ans durch ein frugales mitgebrachtes Frühstück zu erfrischen und unsere Pferde ausruhen und sich in dem sonnenverdorrten Gestrüppe umher ihre kümmerliche Nahrung suchen zu lassen. Der gerade W e g nach Epidauros führt nun

über

Ligurio und an dem Fufse des Berges Vclonidia (ehemals Tillheion) durch ein Flufstlial. Um

aber das berühmte Heiliglhum

des Asklepios

zu sehen, bogen wir von diesem W e g e rechts ab, und erreichten das Hieron dieses Gottes nach einer kleinen Stunde. E s nahm einen von drei Seiten durch die Berge Titthcion und Kynortion eingeschlossenen und nur nach Westen sich etwas öffnenden Raum ein, und viele Ruinen sind jetzt noch zwischen einigen bebauten Feldern, verkrüppelten Oel-, Charuben- und wilden Birnbäumen **), welche die traurigen Ueberreste der ehemals so berühmten heiligen Haine sind, zerstreut. erblickt man durchaus nicht.

Ein Wohngebäude

Die von drei Seiten in

diese kleine Hochebene sich ergiefsenden Regenbäche haben den Boden nach und nach sehr erhöht, und er würde deshalb für Nachgrabungen sehr belohnend sein. Die Anlagen aus griechischer Z e i t , Pausanias

welche

nach

in diesem heiligen rings umgränzten Haine

lagen, waren die Tempel des Asklepios mit einer chrysclcphanlinischen Statue

des Bildhauers Thrasymcdes,

*) Vitex agnos castus, bei Paasan. III. 14, 7. üyiot. ") bei Pausan.

145 Sohns des Arignotos aus Paros *), und der Tempel der Artemis; ein Heiligthum (lepov) der Themis und Aphrodite; ferner ein berühmtes Theater, und ein Rundgebäude Tbolos genannt"). Diese beiden Werke waren von Polykleitos aus weifsem Marmor gebaut.

Das Stadium

erkennt man

noch sehr deutlich am westlichen Ende der Ruinengruppe an einer theils in den Felsen gehauenen, theils durch Erderschütterungen gebildeten Vertiefung, deren Maafse dem olympischen Stadium nahe kommen.

Die untere

Breite des Kampfplatzes ist etwa zwei und fünfzig Pariser Fufs.

Es war, wie uns Pausanias berichtet, nur

aus aufgeschütteten Erderhöhungen wie die meisten andern Anlagen der Art in Griechenland, ola "Ekkyai. ja ytoAAa

X'*'/ia **')• Pausanias erwähnt auch noch als

besonders sehenswürdig die künstlich geschmückte Bedeckung eines Brunnens.

Zur Zeit dieses Periegeten

führte ein römischer Senator Antoninus +), später der Kaiser Antoninus Pius, viele Gebäude in dem Heiligthume auf. Das Bad des Asklepios, der Tempel der Hygieia, und ein anderer dem unter dein Beinamen des ägyptischen verehrten Apollo und dem Asklepios selbst geweihter, die Wiederherstellung der kotyschen Halle, und ein Gebäude, in welchem die Weiber gebären und die Kranken sterben konnten, welches ehemals nicht iin Unikreise des Hciligthums geschehen durfte, waren die Hauptwerke dieses römischen Wohllhäters. •) Pansan. II. 27, 2. *») ibid. II. 27, 5. " • ) ibid. II. 27, 6. f ) ibid. II. 27, 7.

10

146 M a n unterscheidet

nur

und römische B a u w e r k e ,

noch

Bäder,

mehrere Tempel

griechische und Säulen-

gänge, und w i e gesagt die E r d v e r t i e f u n g des Stadiums. E s sind hierunter besonders die Reste eines dorischen und eines ionischen T e m p e l s , von w e l c h e n dergrüfste dorische, mitSäulen von etwas über 3 ! Fufs rheinländ. D i a m e ter, vielleicht der des Asklepios selbst w a r . In der N ä h e dieses

gröfslcn T e m p e l s

erkennt

man auch

von

dem

( m i t e i n e m Peribolos in einiger Entfernung eingeschlossenen)

runden T h o l o s

noch

die

Substruktionen

und

einzelne Steinblöcke. A m besten erhalten ist aber das prächtige T h e a t e r des P o l y k l e i t o s . Obwohl

die ganze S k e n e bis auf einige

der M a u e r n ,

welche

die Paraskenia bildeten

Trümmer und

die

Periakten trugen, verschwunden ist, so blieb doch das ganze in den Felsen gehauene und mit M a r m o r bekleidete Auditorium besser als an irgend einer andern T h e a terruine in Griechenland erhalten. D e r Durchmesser des äufsersten Stufenkreises beträgt

etwa dreihundert

zwei

und siebzig rheinische Fufs, und dieses M a a f s mufs durch das ganz

verschwundene

äufsere Peristylion

noch

etwa f ü n f u n d z w a n z i g Fufs vermehrt w o r d e n sein. ganze H ö h e der K o i l e , fenabsätze

hatte,

ist

um Die

w e l c h e sieben und f ü n f z i g Stunur durch ein nach der ein und

zwanzigsten Stufe v o n oben hinab angebrachtes Dinzoma in z w e i Abiheilungen gclheilt, von w e l c h e n die untere die S i t z e für die Vornehmen, die UQuiößctd^a und das ßovltvTixüv, laov,

bildete.

die obere die Volkssitze, xeoxiöii

TOV

147 Diese Stufen sind mit besonderer Kunst und Berücksichtigung

für die Bequemlichkeit der Zuschauer

angeordnet, unter denen an diesem Orte wohl die meisten krank und leidend sein mochten. Die geringe Höhe der Stufensitze von nur vierzehn Zoll beweist dafs auch hier wie in Athen zur Erhöhung der Sitze und zur Bequemlichkeit der Zuschauer Küssen angewendet wurden, so wie denn auch ein Absatz in der sehr breiten oberen Sitzfläche auf den Gebrauch einer beweglichen Rücklehne zu deuten scheint, welche zugleich die Belästigung der Zuschauer auf einem Sitze durch die Füfse der den nächstfolgenden einnehmenden verhinderte.

Der letzte Sitz am Diazoma

hat eine Rücklehne von Marmor. Diese ganze Anordnung ist mit besonderer Sorgfalt gemacht, und es kommt ihr darin wohl kein anderes Theater in Griechenland gleich. dasselbe

nach Pausanias Zeugnisse

Eben so ward wohl

von

den

römischen Theatern durch Pracht und von dem in Megalopolis durch Gröfse, aber von keinem anderen an Schönheit und Harmonie des Ganzen übertroffen. Die Lage ist ebenfalls sehr malerisch, und mufste es noch in weit höherem Grade sein, als die Zuschaucr von ihren hohen Sitzen über und neben der Skene die mit den prächtigsten Gebäuden geschmückten Ilaine und Ilügel des Hciligthums von den zackigen Felsengipfeln des hoben Arachnaion überragt erblickten.

Die römi-

schen Ruinen der antoninischen Bäder und Wasserbehälter haben sich sehr wolil erhalten, so wie man auch noch viele Ueberbleibsel der dazu gehörigen Wasserleitungen und Röhren sieht.

Eben so hat sich der vor. 10 *

148 treffliche anlike Mauerbewurf liier durch so -viele Jahrhunderte

an

manchen

Stellen

vollkommen

erhalten.

Pansanias läfst es nach seiner gewohnten Art, nicht an mythischen Erzählungen und Traditionen über die Urwelche

sachen fehlen,

diesen Ort zum Ilauptheiligthu-

m e des Gottes der Heilkunde

machten.

Die

Tochter

des Räubers Phlegyas soll hier heimlich geboren und den Sohn des Apollon, Asklepios, auf dem Berge Myrtion ausgesetzt haben, welcher davon den Namen Tittheion a n n a h m , und jetzt, wie schon gesagt, Velonidia heifst.

Von

das Kind

dem Ilirtcn Aresthanas erzogen

bald

seine göttliche Abkunft

bewährte

durch Heilung

aller Kranken und E r w e c k u n g der Todten. Andere Sagen machten

den Gott

T o c h t e r des Leukippos;

zu

einem Sohne

der Arsinoe,

aber das Orakel von Delphoi

bestätigte die W a h r h e i t seiner Abkunft von der reizenden

Koronis.

Heilquelle

und

Die seine

an

diesem der

Orte noch

Gesundheit

fliefsendc

besonders

zu-

trägliche Lage und Licht, mögen wohl die nächste Veranlassung gewesen sein, ihm den Ruf eines Sitzes heilender Kräfte zu verschaffen, und der hellenische Sagen-Geist

antliropomorphisirte

diese Naturvorzüge

in

dem Mythos des Asklepios. S o ward die Dichtung hier wieder zu einem Vehikel einer der gröfsten und reichsten Kunstschöpfungen des alten Hellas. W i e diese zerstört worden sein m a g ,

davon sagt

uns die Geschichte n u r , dafs Sylla nach der Einnahme von Athen auch den Schatz des Gottes von Epidauros plünderte,

und dais kurz darauf kilikische Seeräuber

149 diese Plünderung vollendeten *). Die schon oben erläuterten topischen Verhältnisse und vielleicht auch die abgelegene Lage des Ortes lassen aber hoffen dafs sich unter

dem

aufgeschwemmten Boden

und den zusam-

mengestürzten Trümmern noch manches herrliche Kunstwerk erhalten haben mag; und das wenige, was hier gefunden worden und in dem Museum von Aegina aufbewahrt ist, gibt das günstigste Prognostikon für den W e r t h der epidaurischcn W e r k e . W i e erwähnt, war der Ilimmel schon am Morgen mit Wolken bedeckt gewesen, welche während des Tages oft verschwanden,

oft wieder erschienen.

Kaum

aber waren wir mit der Besichtigung der Alterthümer fertig, so thürmten sich plötzlich die Wolken über den Ilühen

des Tittheion

lind Kynortion zu einem jener

heftigen Gewitter der Südländer zusammen. Ohne dafs wir deshalb, wie es hier zu alter Zeit geschah, zu dein Zeus und der Hera auf der Spitze des nahen Arachnaion gefleht hätten,

strömte der Regen vom Himmel

mit solcher Gewalt herab, dafs wir in der schütz- und obdachlosen Gegend bald völlig durchnäfst waren und in einem fast schuhliefen Wasserstrome standen,

wel-

cher trübe und mit Erde und Sand vermischt von den umgebenden Höhen

herabstürzte und

fast die ganze

Ebene des ehemaligen Heiligthums bedeckte.

Es ward

uns aber dadurch die Erklärung der nach und nach erfolgten Erhöhung des Bodens auf eine eben so deutliche und

unwiderlegliche

geben. v

) Plutarcli im Pumpejus 24.

als unangenehme Art

ge-

J 50 W i r hatten unsere Packpferde den geraden Uber

Ligurio

schränkt,

geschickt, und

waren

also

der wiederkehrenden Sonne

Weg

darauf

allein die Sorge

für das Trocknen unserer Kleider zu überlassen, che auch diese Funktion bald

bewel-

und mit gutem Erfolg

übernahm. Gegen

fünf U h r

verliefsen

wir

dieses ehemalige

Heiligthum der Heilkunst wieder, und lenkten, nachdem w i r nicht ohne Miihe über einige durch den vvolkenbruchartigen Regen zu reifsenden Strömen angeschwellten Wildbäche geset/.t hatten, in ein T h a l , aus welchem rechts der Berg Velonidia sich emporhob. S o kahl und wüst uns bis jetzt die Landschaft erschienen w a r , so w a h l i g , husch- und baumreich waren diese Thüler.

Unser W e g lief unter dem prächtigsten

Gebüsche von Lentisken, M y r t e n , Erdbeerbäumen butn*

uuedo)

und der herrlichen Arbutut

von den Neugricchen

xQvaoyofltQ^ov

(Jr-

Andrachnc,

genannt, hin,

von

welchen ich kleine Exemplare so oft in unseren Treibhäusern bewundert halle. Höher an den Bergen w a r eine reiche Baumvegetation von dem reichsten Gemische verschiedener Grüne. D e r dunkle Johannisbrodbaum wechselte mit der blassen Farbe wilder

Oliven,

welche

vielleicht die Nach-

kommen der ehemals in dem von Pausanias erwähnten Hyrnethion gestandenen sind.

D a v o n stach das aufser-

ordenllich lebhafte und saftige Grün der südlichen Fichte, pinus

maritima,

auf die reizendste und alle unsere nor-

dischen W a l d e f f c k l e übertreffende Art ab. Man glaubte sich in ein ganz anderes Land versetzt und ich bemerkte hier wie so oft bei späteren R e i s e n , dafs in Griechen-

151 land die Vegetation c h e r und üppiger

ia

den inneren T h ä l e r n weit rei-

als an den Bergflächen ist,

welche

gegen das Meer, die eigentlichen bebauten Flächen des L a n d e s u n d die Hauptslrafsen liegen. B e i m Austritte aus diesem T h a l e fanden wir den g e r a d e n W e g von Ligurio w i e d e r ,

welcher

an einem

von Arachnaion h e r a b k o m m e n d e n Bache sich

hinzieht.

Dieses Thal, von den Mühlen, welche dieser Bach treibt, b e n a n n t , ist äufserst reizend. Die Ufer des Baches sind reich mit dicken P l a t a n e n b ä u m e n , und das Belt, w o es theilweise trocken ist,

mit

dem herrlichsten Oleander-

Gebüsche bewachsen, w e l c h e r in üppiger B l ü t h e stand. N a c h d e m wir einen zweiten etwas weniger heftigen Regengufs unter einem dicken Cliarubcnbaume abgewart e t h a t t e n , gelangten wir ziemlich steil bergab steigend in die kleine E b e n e von Epidauros, welche das E p i t h e ton apntXöeig, legt,

durch

die traubenreiche, welches ihr H o m e r beizahlreiche

Weinpflanzungen

noch

heute

rechtfertigt. D i e Aussicht ü b e r den saronischen Meerbusen ist, indem man den B e r g a b h a n g zu dem D o r f e hinabsteigt, äufserst reizend, u n d insbesondere bieten die zackigen Gebirge von Melhana, w e l c h e die Landschaft zur Recht e n begränzen, die herrlichsten Linien dar. Auf d e m Vorgrunde liegen die E r d h ü t t e n des Dorfes an dem flachen U f e r , welches den Hafen begränzt; rechts der w e i t ins Meer vorspringende Felsen, welcher die Akropolis der S t a d t t r u g ; und links das Vorgebirge, auf welchem wahrscheinlich der T e m p e l der Hera stand, und welches die Athcnienser, als sie E p i d a u r o s erobert hatten, befestigten.

152 W i r w u r d e n v o m H a f e n - K a p i t ä n , an w e l c h e n mein E m p f e h l u n g s s c h r e i b e n lautete, s e h r artig e m p f a n g e n u n d in ein H a u s g e f ü h r t , w e l c h e s die R e g i e r u n g liier bei der j e t z t h i n sehr f r e q u e n t e n P a s s a g e z w i s c h e n N a p o l i und A l b e n zur A u f n a h m e der R e i s e n d e n b a u e n liefs. J e d o c h g l a u b e m a n ja n i c h t ein W i r t h s h a u s n a c h europäischer S i t t e zu finden. D a s G a n z e ist eine h ö l z e r n e H ü t t e mit e i n e m gröfseren u n d z w e i kleinen Z i m m e r n , o h n e T i s c h , S t u h l o d e r anderes I l a u s g e r ä t h , u n d m i t F e n s t e r n , welc h e n u r bei N a c h t d u r c h t a n n e n e B r e U e r l a d e n n o t h d ü r f t i g geschlossen w e r d e n k ö n n e n . U n s e r e Matratzen d i e n t e n u n s hier s t a t t alles And e r e n , u n d wir s c h ä t z t e n u n s glücklich n u r die durchn ä f s t e n Kleider w e c h s e l n zu k ö n n e n . S o w i e dieses geschehen war,

ging ich a u s , u m die G e g e n d u n d d e r e n

k a r g e T r ü m m e r der

h e l l e n i s c h e n V o r z e i t zu b e s u c h e n .

S t r a b o n *) sagt u n s , dafs E p i d a u r o s n a c h Aristoteles v o n k a n a r i s c h e n K o l o n i s t e n g e g r ü n d e t , a n f ä n g l i c h Epikaros hiefs,

u n d s p ä t e r von den I l e r a k l i d c n ,

m i t wel-

c h e n sich die a t t i s c h e n I o n i e r v e r e i n i g t h a t t e n , b e w o h n t wurde. S i e w a r nach d e m s e l b e n Z e u g n i s s e k e i n e u n b e t r ä c h t l i c h e S t a d t , ovx

äarjfioe

nöhg,

u n d i h r e S t r e i t k r ä f t e er-

s c h e i n e n , w e n n a u c h n i c h t v o r T r o j a , d o c h in d e n anderen

gemeinschaftlichen

G r i e c h e n bei

Salamis,

Kriegsunternehmungen

Platää

u n d auf

der

dem Isthmos.

S i e schlofs viele D e n k m a l e d e r F r ö m m i g k e i t u n d K u n s t i n sich, v o n w e l c h e n u n s n a m e n t l i c h das T e m e n o s des Asklepios m i t d e n S t a t u e n des G o t t e s u n d s e i n e r G e m a l i n

') Strabo VIII. 6.

153 Ipioni oder Epione aus parischcm Marmor, ein heiliger Hain der Artemis, ein Tempel des Dionysos und ein anderer der Aphrodite und der schon erwähnte der Hera genannt werden.

In der Akropolis erwähnt Pau-

sanias noch eines hölzernen Bildes der Athene, welche den Beinamen Kissaia hatte. Von allen diesem ist nur der Platz des Heratempels mit einiger Sicherheit zu bestimmen, und

eine

Kirche auf dem Vorgebirge zur linken Seite des Hafens möchte dem Gebrauche der ersten christlichen Zeiten gemäfs vielleicht die Stelle eingenommen haben, auf welcher er stand. Von allem Uebrigen erkennt man nur noch geringe und nicht näher zu bezeichnende dorische Trümmer von kleinen Dimensionen und mit sehr ilachen Kannelirungen.

Auf der Akropolis sieht man noch einige Trüm-

mer der antiken, jedoch dem Styl nach nicht sehr alten Mauern und einiger Befestigungsarbeiten aus dem Mittelalter. Eine verwilderte Vegetation von dornigem Gestrüppe bedeckt die Gegend, in welcher diese wenigen Trümmer liegen, und machte es mir nur um so schwieriger sie genauer zu untersuchen. Mit einbrechender Nacht kehrte ich zu den Reisegelahrten in das leere Wirthshaus zurück, wo der gute Wille der Bewohner uns mit Eiern, gekochten Hühnern und trefflichen Trauben versorgte.

Einer der Pri-

maten versicherte mich, dafs diese Früchte schon seit aller Zeit ¿v n a X a t ü x q ö v ü )

berühmt gewesen wären,

und dafs er für mich die trefflichsten ausgesucht habe, obwohl die Jahreszeit noch etwas früh sei.

154 S e h r hungrig, wie wir waren, schmeckte uns dieses einfache Mahl vortrefflich, und von einer achtzehnstündigen Tagereise ermüdet,

schliefen wir vortrefflich auf

unseren Feldbetten, welche auf den B o d e n ausgebreitet wurden. Im Hafen war bei "unserer Ankunft schon ein sehr schöner mit sechzehn Ruderern bemannter der Itpßog

ßaaihxög,

Segelkahn,

e i n g e l a u f e n , w e l c h e r zu d e n S p a -

zirfahrten Seiner Majestät

des Königs

erbaut

und be-

stimmt ist und von der Gnade AllcrhöchsUlesselben zu meiner Reise

von Epidauros

nach Athen

von jNauplia

hierher geschickt worden war. Meine Absicht war diese Reise über Poros zu machen, woselbst die Regentschaft gewünscht hatte dafs ich

die Pläne

zu

welches man hier

dem

neuen Ccntralmarine-Arsenal,

in dem trefflichsten Hafen Griechen-

lands errichten will, an Ort und Stelle prüfen möchte. Allein am Morgen unserer Abfahrt

war

der Wind uns

zu dieser Fahrt aufseist ungünstig,

und ich hörte auch

in Epidauros, dafs man in Athen meine Ankunft,

wel-

che langer Ungewißheit der baulnsligen Einwohner ein E n d e setzen sollte, mit solcher Ungeduld erwarte, dafs ich bcschlofs die Fahrt nach Poros noch aufzuschieben, und gerade über Acgina nach dem Peiräeus zu schiffen. W i r bestiegen also nach eingenommenem F r ü h s t ü c k unser Schiffchen mit der königlichen F l a g g e , Malrosen kämpften mit

und

die

der Kraft der Ruder gegen die

Richtung von Wind und W e l l e n . Doch bald legte sich der W i n d , und unsere F a h r t ward leicht und schnell, und in dritlehalb Stunden erreichten

wir

die Insel Angistria,

ehemals

Pityonesos

155 genannt, welche ich wegen ihrer trefflichen Steinbrüche zu besuchen wünschte. Diese liegen an der nordwestlichen S e i t e der Insel unmittelbar am Meere und bestehen nus grofsen,

steil-

aufsteigenden Felsen eines dichten Kalksiuters von hochgelber, st'hr schöner F a r b e . gröfsten B l ö c k e hier

mit

gar

als

SowohJ das Brechen

der

ihr Transport auf dem Schiffc ist

keinen Schwierigkeiten verbunden,

kann den neuen Bauteil

and

von Athen zu grofsem Nutzen

werden. Noch Besichtigung der Steinbrüche folgten wir der freundlichen Einladung eines Popen oder Kalojers, sein Haus zu besuchen, welches in dem Dörfchen oberhalb und in einiger Entfernung vom Ufer lag. Ich nahm diese Einladung gerne a n ,

und wir ge-

langten dahin über einen bebauten Acker gehend, welcher mit Fragmenten (hünerner griechischer Grabgefäfse, welche der alte hcsiodischc Pflug» der hier noch immer üblich ist,

aus dem Boden aufgewühlt h a t ,

gleichsam

übersäet erscheint.

Diese Fragmente sind fast alle von

dem besten Style,

und Ausgrabungen würden hier ge-

wifs die günstigsten Resultate liefern. In dem Hause

des

freundlichen P o p e n ,

aus einem langrn Zimmer bestand,

welches

dessen D e c k e

die

sehr durchsichtige Ziegelbedachung bildete, und in welchem er mit Frau und Kindern und einem alten Valer wohnte, wurden wir mit sehr gutem Kaffee und trefflichen Mandeln bewirthet. die schinut/.igen Sprüfslinge

Durch kleine Geschenke an des Dorfgeistlichen

suchte

ich diese Bewirthung zu bezahlen, und wir stiegen nach dieser kleinen Episode fast von der ganzen Bevölkerung

156 des D ö r f c h e n s hinab.

begleitet,

wieder

zu

unserem

Nach einer kleinen S t u n d e erreichten

Hafen von Aegina,

an

dessen Rande

Schiffe wir den

der Anblick des

königlichen wohlbekannten Schiffes zahlreiche Zuschauer versammelt hatte, vvelchc vielleicht hofften ihren jungen Monarchen zu sehen. In dieser Hinsicht bald

enttäuscht,

war

der E m -

pfang nicht minder freundlich, und der E p a r c h , ein auf teutschen Universitäten gebildeter M a n n ,

gab sich alle

m ö g l i c h e Mühe für unsere b e q u e m e und schickliche Unterkunft zu sorgen. D a das G a s t - oder vielmehr Kaffeehaus am Hafen über dem L a d e n

im E r d g e s c h o s s e nur

ein Z i m m e r enthielt und uns also durchaus nicht genü* gen k o n n t e , so nahm uns der Obrist von R h e i n e c k , ein sächsischer Philhcllene, bei sich auf.

Mit einer S c h w e -

ster Alexanders Mavrokordatos vermiilt, ist er j e t z t zum Kommandanten

des hier zur Z e i t des Präsidenten

Ka-

podistria erbauten W a i s e n h a u s e s (ögcfavoTndcftov), welches

jetzt

zu

einer

grofsen Militärschule eingerichtet

ist, ernannt worden. E i n heftiges F i e b e r hielt unseren trefflichen W i r t h , welcher

sich

unserer

vorübergehenden

Bekanntschaft,

in R o m 1 8 2 4 g e m a c h t , erinnerte, auf das K r a n k e n l a g e r gebannt, aber seine liebenswürdige und ganz europäisch gebildete Gattin besorgtesten

sorgte

für uns

m i t der artigsten und

Zuvorkommenheit.

N a c h den ersten B e w i l l k o i n m n u n g s - Complimenten und dem Empfange einiger B e s u c h e der Herren Louriotis Kontostavlos u. s. w . eilte

ich

ins

Freie,

um

die

Merkwürdigkeiten der Insel und S t a d l in Augenschein zu n e h m e n .

157 Der Anbück der Stadtumgebungen war der eines der am besten

kultivirten

und bebauten Landstriche,

welche ich bis jetzt in Griechenland sah.

Dieses hat

sie zunächst der obschon im Ganzen felsigten,

doch

fruchtbaren Beschaffenheit des Bodens, der

Verscho-

nung in dem letzten Revolutionskriege und

dem Um-

stände zu verdanken, dafs die jetzige Stadt Aegina beim Beginne der kapodistrianischen Herrschaft zum Regierungssitze gewählt und so vergrößert wurde,

dafs sie

eine momentane Bevölkerung von fast vierzig tausend Menschen aufnehmen konnte, welche jedoch jetzt wieder um acht Zehntel vermindert ist. Die alte Bevölkerung der Insel war avlochthnnisch, da Zeus sie auf seines Sohnes Aiakos Bitten aus der Erde hervorrief.

Dieser war aber der erste und letzte

König der Insel, da von seinen drei Söhnen keiner auf der Insel blieb, sondern Peleus den Thron von Epeiros, Phokos

den von Phokis,

und Telamon

ein attisches

Ileldengeschlccht gründete, in welchem Aias, Miltiades und Kimon glänzten. Der grofse Reichthum und der ausgebreitete Handel dieser Insel ist bekannt, und stieg in den persisclien Kriegen und namentlich nach

der Schlacht von Platiia

so, dafs sie die Rivaün von Athens Seemacht werden konnte. Aber der lange und durch die persischen Kriege nur Zeitweise

unterbrochene Kampf

beiden Seestaaten

zwischen diesen

endete am Schlüsse der atheniensi-

schen Hegemonie mit der Eroberung der Insel und der Vertreibung ihrer Bevölkerung,

welche an der Grütze

von Lakonien einen Zufluchtsort fand, aus welchem sie jedoch

nach

einigen Jahren

wieder

von

ihren

alten

158 F e i n d e n verlrieben w u r d e .

Erst am E n d e des pelopon-

nesischen Krieges nach der Vernichtung der atheniensisclien S e e m a c h t

bei Aegospolainos

wurde

m e r n der vertriebenen Bevölkerung

den T r ü m -

ihre Insel

zurück-

g e g e b e n , sie gelangte jedoch nicht wieder zu der alten Macht. Nach wechselnder Abhängigkeit u n d Scheinfrciheit w a r d sie iin Mittelalter von IVimkischrn Herzogen, den Vcnetianern unterworfen,

und

und

Oberherrschaft,

von

gelangte

ohne

von

dem Freibeuter Barbarossa

jemals

endlich

unter

türkische

von T ü r k e n b e w o h n t zu

werden. Dieser letzte Umstand hat hier wie hei allen Inseln der griechischen Meere wirkt

und

günstig

ihnen Unschuld,

auf die B e w o h n e r ge-

Sillenrciuhcit

und zuvor-

k o m m e n d e Höflichkeit b e w a h r t . Pausanias ist in Beschreibung der Insel, ihrer Denkm a l e und plastischen M e r k w ü r d i g k e i t e n , wie gewöhnlich, s e h r kurz und undeutlich. E r e r w ä h n t nur eines T e m p e l s der Aphrodite n a h e a m besuchtesten Hafen

der

Insel, und

des Aeakeions

auf dem erhabensten Platze der S t a d t . Dieses w a r ein mit Mauern

von weifsem M a r m o r

eingefafster Platz mit einem niedrigen A!tare u n d alten Oelbäumen.

An dem E i n g a n g e waren die Abgesandten

Griechenlands dargestellt, welche dem delphischen Orakel gemäfs bei einer allgemeinen D ü r r e den Aeakos u m dessen

V o r w o r t bei dem Vater Z e u s zur A b h ü l f e der

al f e m e i n e n iNoth zu bitten k a m e n . Neben Phokos,

diesem welcher

Aiakeion

war

das

einer Sage zufolge

Grabmal im

des

Pentathlon

159 absichtlich

von

6einem

Stiefbruder Peleus

getödtet

ward. Nahe dem verborgenen Hafen, TOV hutvog Q(Ú TOV

XQVTITOI

ov náy-

*), war ein Theater, welches Pausa-

nias mit dem epidaurischen vergleicht, und ein damit verbundenes Stadion. Dreier nicht weit von einander entfernter Tempel des Apollon, der Artemis und eines bärtig gebildeten Dionysos erwähnt, als diesem Orte nahe stehend, ebenfalls Pausanias und eines davon entfernten Heiligthums (iipöv) des Asklepios. Auch ein von einem Períbolos umgebener Tempel der Ilekate mit einer einküpfigen Statue des Myron, und ein Jleiligthnm (itqöv) der Aphaia auf dem Wege zuin Panhellenion werden und Entfernung

des

erwähnt, ohne jedoch die Lage letzlern

irgend

näher zu be-

zeichnen. Von diesen uud allen anderen Denkmalen der ehemals so reichen und prächtigen Stadt ist aber aufscr einer grofsen Subslruktion von Quadern auf dem nordwestlich vom Hafen liegenden Vorgebirge, welche offenbar einem Tempel angehörte, keine Spur mehr vorhanden. Aus der Lage hat man geschlossen, dafs diese Ruine der von Pausanias erwähnte Aphroditen - Tempel sei. Jedoch ist dieser Schlufs durchaus nicht hinreichend begründet, da der Perieget nur sagt, dafs der Tempel

' ) Pausan. II. 29, 8.

160 der Aphrodite nahe d e m besuchtesten Hafen, nktjoiov TOV

F.IITIVOG

iv

W

¡XUXIOTA

* ) , gewesen sei.

BYN'IZOVTAI

D i e s e s kann aber der L a g e nach nicht wohl auf diesen T e m p e l passen, welcher auf einer Erhöhung gerade am entferntesten von dem niedrigen Ufer i s t , suchteste Hafen

wo

der be-

noch ist und auch in alter Zeit sein

mufste. Seine Gröfse, die Schönheit und Reinheit seiner Verhältnisse, und die Ruinen des ihn umgebenden Peribolos, welche man früher noch deutlich sah, lassen eher glauben dafs hier der T e m p e l der I l c k a t e stand, welche die Ilauptgotllieit der Arginelen war, und welche hier von Orpheus angeordnete Mysterien und einen T e m pel halte, den ein Peribolos umgab. lich: Qtüv Si Aiytviirai

XtT>)v äyovaiv

avci näv

Pausanias sagt näm-

rifiwGtv 'Exclttjv ficD-iara, trog 'Exctrtjg,

Oyäixcc xaTaoTi)(H)V

xai

'ÜQ'fta cipioi

?.cyovns,

tov

it. tov TIIQI-

ßöXov St ivrog vaog toxi. **) Zu Chandlers Zeit standen noch zwei Säulen mit den Architraven; vor der Revolution noch eine vollständige und eine des Knaufs beraubte S ä u l e , welche auf einem etwas erhöhten Platze des Vorgebirges über d e m B o d e n sich erhoben. D a s Vcrhältnifs derselben ist vielleicht das Musler vollendeter Schönheit des dorischen ß a u s t y l s in seiner cigenthümlichen,

nämlich dorischcn

Entwicklung zu nennen, in sofern man hierin einen allgemeinen Kanon annehmen kann oder mufs.

D a mei-

nes W i s s e n s noch keine architektonische Zeichnung davon bekannt g e m a c h t worden i s t ,

')

P a u s a » . II. 29,

fi.

" ) Pausan. II. 30, 2.

so glaube ich der

161 Kunst einen Dienst zu erweisen, wenn ich dieselbe nach einer inn Jahre 1810 gemachten ganz genauen Messung hier beifüge *).

J e t z t s t e h t von dieser Ruine nur noch

eine Säule ohne Knauf und in einer tiefen und die ganze Ausdehnung des Tempels umfassenden Exkavation n u r ein Fragment der zahlreich übereinander Quaderlagen der Substruktion.

geschichteten

Man sieht

dafs diese

Zerstörung neu und absichtlich ist, und ich w u r d e unterrichtet,

dafs sie ein W e r k des Präsidenten Kapodi-

stria w a r , welcher seinem bekannten Zerstörungssystem e antiker Denkmale zufolge den Russen diese Ruine als sehr bequemen und willkommnen Steinbruch zu ihren Bauten in Poros anwies. Ist es wohl möglich die moderne Civilisations-Barbarei weiter zu treiben? D i e F u n d a m e n t e und Substruktionen, auf welchen sich diese Ruinen erheben, zeigen, wie gesagt, dafs er einen Períbolos und grofse Terrassenanlagen hatte. Die einzigen erhaltenen Säulen waren nicht von dem äufseren Perípteros, sondern entweder von dem Pronaos oder von dem Opisthodomos.

Die F u n d a m e n t e zeigen näm-

lich, dafs sie nur auf einer niedrigen Erhöhung und nicht auf dem der äufseren Säulenreihe unentbehrlichen hohen S t u f e n b n u e standen. Auch der Arehitrav zeigte, als er noch erhallen w a r , dafs e r , wie es wohl ü b e r den inneren aber nie über äufseren Säulen dorischer T e m pel v o r k o m m t , nur mit einem einfachen Bande ( o h n e die unter die Triglyphen gehörigen Zierden der T r o p f e n und ihrer Platte) gekrönt war. D e r gewöhnlichen Orien-

") Tab. I. Fig. l. IL

162 t i r u n g d e r T e m p e l g e m ä f s liiufs m a n diese Säulen a b e r dem Opisthodomos geben. D e m M a a f s e dieser S ä u l e n n a c h m u f s d e r T e m p e l e i n e r der gröfseren u n s b e k a n n t e n 111 G r i e c h e n l a n d gew e s e n sein, i n d e m er n u r v o n dem P a r t h e n o n u n d d e m Tempel

d e s Z e u s zu O l y m p i a an Gröfse ü b e r l r o f f e n ,

u n d v o n d e m d e s Apollon E p i k u r i o s bei Phigalia erreicht

wird.

Zoll Fufs

Die

noch stehende

englisches

3{ Zoll

der Sache

Maafs

Flöhe.

und

in

Es

im

Säule hat 4 Fufs

Durchmesser

liegt

aber

in

und

der

d e m griechischen G e b r a u c h e ,

die ä u f s e r e n S ä u l e n von e t w a s s t ä r k e r e n waren.

etwa 25

Natur dafs

Dimensionen

D i e s e G r ö f s e des T e m p e l s selbst s c h e i n t a u c h

die M e i n u n g

zu b e s t ä t i g e n ,

dafs

er

der

äginetischen

Obergottheit Hekate gewidmet war. V o n der allergröfslen S c h ö n h e i t ist das Verhältnifs des Knaufs und

die edle L i n i e des m ä c h t i g e n E c h i n o s .

D i e S u b s l r u k t i o n e n u n t e r d e r n o c h stellenden Säule sind auf die Art k o n s t r u i r t , gen von

dafs die ersten b e i d e n La-

Q u a d e r s t e i n e n in g e n a u e F ü g u n g o h n e allen

M ö r t e l g e l e g t sind. D i e b e i d e n darauf f o l g e n d e n haben in

ihren

Horizontalfugen

ebenfalls

kein

Bindemittel,

w o h l aber in d e n v e r t i k a l e n o d e r S t o f s f u g e n , w e l c h e al'e i n der A r t k e i l f ö r m i g g e a r b e i t e t sind, dafs sie o b e n genau zusammenstofsen,

unten

aber einen

ganzen

Zoll

w e i t b l e i b e n . E s folgt d a n n eine M a u e r v o n Bruchstein e n m i t C e m e n t v e r m a u e i t. N e b e n d e n s e l b e n h a t t e man eine B r e i t e von e t w a zwei F u f s mit e i n e r geschlagenen M a s s e von k l e i n e n M e e r k i e s e l n , M e e r s a n d , K a l k , Kohlen u n d T l i i e r k n o c h e n a u s g e f ü l l t , w e l c h e vielleicht von ein e m alten h i e r vor d e m T e m p e l b a u aus U e b e r r e s t e n der

163 Brandopfer aufgehäuften Aschen-Altar (ßio^iög) genommen wurden.

Die Subslruktionen unter den äufseren

Säulen scheinen

wenigstens

an manchen Stellen ganz

aus Quaderstücken gewesen zu sein, welche aber jetzt, wie schon gesagt, bis auf ein kleines S t ü c k herausgerissen und nach Poros geführt worden sind, obwohl diese Insel ein Felsen ist, welcher selbst einen trefflichen vulkanischen Baustein in Uebcrflufs liefert. Man zeigt nicht w e i t von da die Ueberreste eines ziemlich bedeutenden T u m u l u s und

einer Ruine v o n

Tempel -Grundmauern, welche Dodwell wohl fälschlich für das Aeakeion gehalten h a t , da dasselbe nach P a u sanias deutlichen W o r t e n

nur

aus einem

viereckigen

Peribolos von weifsem Marmor bestand, welcher als Asyl diente, neQißolog Tir^dycovog ?.i&ov Itvzov

*), und in des-

sen Mitte das Grabmal des Aeakos als ein niedriger Altar gesta'tet war. Von allen übrigen Denkmalen der Stadt blieb nichts iibrig als zahlreiche in den hier fast überall zu T a g e liegenden Felsen gehauene Gräber, welche stets

und

besonders in neuer Zeit eine reiche Ausbeute von T h o n r gel'äfsen geliefert haben, unter welchen sich jedoch keine besonders schönen oder grofsen W e r k e der Art Man mufs dieses bei dem grofsen R u f e ,

finden.

welchen die

Vasen von Acgina schon im Alterthume genossen und welche ihr das Epitheton yvTqoTiohq verschafften, durch frühere Plünderung dieser Gräber erklären. Am südlichen E n d e grofse unter

der Sladt

befindet sich das

der Regierung des Präsidenten

*) Pausall. II. 29, 0.

11 *

angelegte

164 W a i s e n h a u s , welches jetzt, wie schon gesagt, zu einer Militärschule eingerichtet und von Schülern uncl Lehrern schon bezogen war. Man kann sich nicht wohl eine ungeschicktere Anlage u n d einen schlechter gewählten oder benutzten Bauplatz denken. D a s Ganze hat eine Ausdehnung von wohl neunh u n d e r t F u f s Länge und sechshundert Fufs Breite und ist auf einem Platze erbaut, welcher in der Länge wohl dreifsig und in der Breite zwölf bis fünfzehn F u f s INivellementsunterschied

darbietet.

Ein

einziges

Stock-

w e r k an der südwestlichen E c k e in gleicher Höhe mit d e m Boden gestellt, umzieht diesen grofsen Raum als einfaches Parallelogramm, welches an der einen langen Seite den Eingang und ihm gegenüber in dem grofsen kahlen Hofe eine Kapelle hat.

Da aber das Terrain,

wie gesagt, von der südwestlichen E c k e nach der Länge des Gebäudes dreifsig Fufs fällt und nach der Breite der Lage steigt,

so entsteht daraus,

dafs die vordere

H a u p t f a ^ a d c an einer Seite um fast dreifsig F u f s hoher als an der anderen erscheint, und dafs die Zimmer an der Ilinterseite in dem Boden oder in einem, um ihnen einiges Licht zu verschaffen, angelegten Graben stehen, dessen Feuchtigkeit sie unbewohnbar macht.

Von ar-

chitektonischem Style ist. hier gar keine Rede — eine schlecht

gebaute Bruchstein-Mauerfläche

proportionalen Bauwerk,

mit sehlccht

viereckigen Löchern konstituirt

welches

dieses

übrigens der Ausdehnung nach ge-

wifs das gröfste ist, das seit Jahrhunderl en in Griechenland aufgeführt ward.

165 In dem inneren grofsen schattenlosen Hofe sind ringsum die Thüren zu den verschiedenen Räumen und Gemächern, den Studien- und Schlafsälen, w o die Eleven noch auf dem Fufsboden, auf Matratzen ohne Bettstellen schliefen, zu der noch eingepackten Bibliothek und zu den Lehrer- und Ofiizicrzimmern. Man mufs gestehen, dafs die Schwierigkeiten der guten Anordnung und Einrichtung eines solchen Gebäudes hier auf das Minimum reducirt worden sind, dagegen die Klagen aller derer, welche es bewohnen und benutzen sollten, das Maximum erreichen. Neben der remisenartigen Kapelle des Hauses in zwei portikusariigen Räumen und in einem anderen geschlossenen Saale ist das ebenfalls von Kapodistria begonnene National-Museum aufgestellt und zwar so, dafs die Portiken die Marmorwerke, der Saal aber die Vasen, Terrakotten, Bronzen, Münzen und andere Antikaglicn enthalten. Die Zahl der Marmorwcrke ist nicht unbedeutend, jedoch ist keine Skulptur von besonderer Auszeichnung darunter, fast Alles gehört den späteren Zeilen und den Epochen der syrischen und römischen Oberherrschaft au. Das Schönste findet sich unter den zahlreichen Grabsteinen und Sielen, welche theils die von Pausanias als die sikyonische bezeichnete Form *) mit Giebel und Giebelkrönung, theils eine mit Akanthos Laubwerk, Paltnctten und Blumen verzierte Krönung haben.

Unter die-

sen letzteren sind besonders schöne W e r k e auf Delos und Aegina selbst gefunden, und ich fand hier Gelegen *) Pausali. 11. 7. 3.

166 heit, meine S a m m l u n g von Zeichnungen ächtgriechischer Ornamente zu vermehren.

Auch von der schönen Gic-

belkrönung aus E p i d a u r o s , welche zuerst Dodwcll sehr unvollkommen b e k a n n t m a c h t e , Fragment,

und

unter

befindet sich hier ein

den Statuen b e m e r k t e

ich eine

S p h i n x von eigenthümlicher Gestalt und S t e l l u n g , welche auf der Insel Delos gefunden w u r d e , u n d n u r von unvollendeter Arbeit,

obwohl

doch sehr merkwürdig

rücksichtlich der Darstellungsart ist.

E i n e Abbildung

derselben befindet sich auf dem Titelkupfer des grofsen W e r k e s der französischen Expedition *). Alles steht hier jedoch oder liegt vielmehr ohne irgend eine Ordnung, ohne Restauration und Berücksichtigung f ü r Anblick und Beleuchtung, auf dem mit Steinplatten belegten Boden durcheinander, und die gerade in die offne Seite der Halle eindringenden Sonnenstrahlen m a c h t e n es fast unmöglich die W e r k e aufmerksam und länger zu betrachten. Als ich das Antikaglien-Kabinet zu sehen wünschte, fand es sich dafs der Konservator desselben nach Nauplia gereist w a r u n d die Schlüssel mit sich genommen hatte.

D a ich jedoch meinen W u n s c h , die Sammlung

zu sehen, lebhaft wiederholte, entschlofs sich der Eparch mit aller Gefälligkeit — die T h ü r e erbrechen zu lassen. Aufser einigen wirklich erschrecklich schlechten Darstellungen von einem griechischen Maler aus dem Revolulionskriege, z. B. dem T o d des Marko Bozzaris lind wenn ich nicht irre Kara'iskakis, ist hier eine ziemlich bedeutende etwa vierhundert funfzig N u m m e r n hallende

167 Sammluflg von altgriechisclien gemalten Thongefäfsen, meistens alle auf Aegina und Santorin oder in Attika gefunden. E s sind etwa fünfundzwanzig d a r u n t e r , welche sich durch Gröfse und bedeutende

Darstellungen

über das Gewöhnliche e r h e b e n , jedoch k e i n e ,

welche

den schönsten W e r k e n der neapolitanischen, bairischen, prcufsischen und römischen Sammlungen, am wenigsten aber den aufserordentlich kostbaren Vasen von Volci an die Seite gestellt werden könnte. Alles Uebrige ist klein, von wenig ausgezeichneter Arbeit, ohne merkwürdige Darstellungen, zerbrochen und schmutzig, und die F o r m m i t einem Henkel, w e l c h e die Griechen Lekylhos, Olpe und Kotyliskos nannten, herrscht so vor, dafs m a n h u n d e r t e davon neben einander stehen sieht, welche jedoch eine Höhe von sechs bis sieben Zoll nicht übersteigen. E s ist nun nicht d e n k b a r , dafs es W e r k e Art gewesen wären, welche den äginetischen

dieser

Fabriken

den hohen Ruf verschafft hätten, den sie im Alterthumc halten.

Blau uiufs also auf Plünderung der Gräber in

alter Zeit schliefsen, und mufs glauben, dafs dieser Gräb e r - R a u b wie die ¡Nekrokorinthien als Luxusartikel nach Rom geschleppt, ward und dort in der allgemeinen Verwüstung mit unterging. D e r U m s t a n d , dafs sie sich in römischen Gräbern gar nicht finden, läfst zu der Annahme, zu welcher der so ganz dem griechischen gleiche Charakter italienischer Gräber-Vasen sonst wohl Raum,

dafs man

führen k ö n n t e , nicht

wohl

sie hier, der bekannten Gräkomanie

der Römer gcmäfs, zum zweiten Male ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückgegeben hätte.

168 W e n n uns aber diese Sammlung auch kein besonderes Inleiesse durch die Schönheit ihrer Werke darbietet, so ist sie doch von hoher Wichtigkeit für die allgemeine Geschichte dieses im Alterthume so wichtigen Kunstzweiges, dafs ein neuerer Schriftsteller vielleicht mit Recht das Axiom aufstellt: Leonem gue,

Volcentes

ex voce,

Graecorum

ex wn-

artem ex testet

cognosces *). E s wird durch

diese autochthonische

Sammlung

wenigstens jeder Zweifel über die noch vor drei bis vier Jahren von Männern des Faches diskutirte Frage abgeschnitten, ob die Griechen im eigentlichen Griechenland wirklich Gräber Vasen gekannt und gebraucht hätten, eine Frage, welche die Zeugnisse der Schriftsteller und besonders des Strabon, so wie früher aus griechischen Gräbern hervorgezogene Gefäfsc längst hätten beseitigen können. W e n n aber manche, ltalomanen möchte man sie nennen, sogar die Meinung aufstellten, dafs diese Gefäfse n u r in Italien gemacht und von da Griechenland zugeführt worden w ären, so scheint uns vielmehr wahrscheinlich, dafs das Verliällmfs beider Länder das umgekehrte war, und dafs Gräbervasen aus Griechenland durch den so ausgebreiteten Handel der tyrrhenischen und äginetisehen Schiffer den griechischen Kolonien und den hetrurischen Städten in Italien zugeführt wurden. Es ist kaum eine andere Erklärung für den vollkommen griechischen Charakter, griechische Inschriften und die völlige Gleichheit so vieler in Italien und in Grie*) O. Gerhard, Annali dell' Instiluto archeologieo III. p. 113.

169 chcnland gefundenen W e r k e der Art durch alle Zeiten, Arten und Kunststyle möglich,

und selbst die histori-

sche W a h r h e i t einer Uebersiedelung griechischer Künstler unter ihrem Anführer D e m a r a t o s mit seinen Begleitern aus Korinth w ü r d e nicht hinreichen, diese völlige Gleichheit zu erklären. Dafs jedoch neben diesen eingeführten Vasen auch eine heimische Technik der Art in Italien sich gebildet habe, liegt in der Natur der Sache. W i e gering jedoch ihre Ausübung w a r , mag der Umstand beweisen,

dafs

unter den drei tausend Vasen, weiche in der letzten Zeit in der Umgegend von Corneto, Tarquinia u. a. 0 . gefunden wurden, nur drei m i t helrurischen Inschriften sich befinden *). D e r Z w e c k und Gebrauch dieser K u n s t w e r k e

im

Alterthume ist übrigens eben so schön und poetisch wie das ganze Leben dieser Völker, welche auf dem Gipfel alles Hohen stehen, was das menschliche Geschlecht, so wie es i s t , erreichte und erreichen kann. des artigen folgsamen Kindes,

D!e Erfolge

die Siege des kräftigen

in den Gymnasien und Palästren kämpfenden Jünglings, die Feier des die höchste moralische und politische Bi!. dung bezeichnenden eheliehen Verhältnisses, wurden mit Geschenken dieser plastischen W e r k e bezeichnet — und diese alle beglcilelen ihre E m p f ä n g e r in die letzte W o h nung des T o d e s , wenn sie zum Tartaros oder Elysium hinabstiegen.

Welche edle und sinnige Belohnung im

Leben und im T o d e ! W e r möchte da noch mit unserni Dichter sagen: ") O. Gerhanl a. a. O. j>. 1J2 vgl. liauul - Kocliclle leihe ;i Mr. Gerhard Sur deux vases peints p. 16. ff.

170 Doch der eitle, der üppige Reiz entwich, der die frohe Jugendwelt zierte! *) N e i n nicht eitel und üppig, im höchsten Grade ernst und klar w a r diese W e l t , welche wir nicht der Jugend sondern d e m Mannesalter in seiner höchsten K r a f t und Bliithe vergleichen müssen.

Aber eben weil diese Ue-

berzeugung und dieses Bewustsein ernster und genufsberechtigter Kraft jenem Zeitalter innewohnten, weil es in klarer Ueberzeugung dastand, die Menschheit in ihrer höchstmöglichen Vollkommenheit zu entfalten, war es heiler und froh, wie das gute Gewissen und das Bewustsein in der edelsten, der Menschheit zugänglichen Bahn des L e b e n s sich zu bewegen. U n t e r den Münzen, Bronzen und Terrakotten befindet sich nichts von vorzüglicher B e d e u t u n g ;

indessen

ist das Ganze ein sehr erfreulicher Keim, welchen eine gute u n d weniger

fiskalische

Verordnung über Grabun-

gen u n d N a c h s u c h u n g e n , als die jetzt in Griechenland b e s t e h e n d e , bald mit Ueppigkeit entwickeln wird. Ich besuchte nur noch ein von dem Präsidenten JCapodistria errichtetes Schulgebäude, in welchem gerade ein junger

teutscher,

zuletzt in Thiersch's trefflicher

Schule gebildeter Philologe, Herr D r . Ulrich aus Brem e n , E l e m e n t a r - U n t e r r i c h t gab. Niehls war interessanter und charakteristischer als die S c e n e , w e l c h e sich hier darstellte. In einem nackten von Stühlen und Bänk e n fast entblöfstem Räume safsen etwa achtzig Schüler meistens auf dem Boden gekauert und die Worte des Lehrers mit der gröfslen Emsigkeit und Aufmerk*) Schiller, die vier Wellalter.

171 keil wie zu Homers Zeit *) auf den Knieen nachschreibend. — In keiner Schule der W e l l möchte man vielleicht mehr und gleichmäfsigere Lernbegierde unter allen Schülern von so verschiedenem Stande und Alter finden. Der Arme und Schmutzige, der Reiche und Saubergekleidete, der Rumcliole, Moreote und Insulaner, alle folgten glcicli aufmerksam den Worten des Lehrers. Eben

so wenig war hierin ein Unterschied zwischen

dem Kinde von sieben bis acht, dem Jünglinge von fünfzehn bis

achtzehn Jahren und mehreren alten Popen

mit grauem Haupte zu bemerken, welche hier aus freiem Antriebe den in der Jugend entbehrten Unterricht nachzuholen gekommen waren. W a s hier der höchst charakteristische Anblick lehrte bestätigten mir später die Versicherungen des Lehrers selbst, welcher allein durch die Freude, solche Schüler unterrichten zu können, für die Mühe dieses Unterrichts entschädigt ward. E s ist fast unbegreiflich, dafs bei so glücklichen Nalionaldispositionen, bei dem hohen Bedürfnisse der wissenschaftlichen Bildung, in der neuesten Zeit fast noch nichts für den Schulunterricht, diese Basis der europäischen Civilisation, geschehen ist, welcher man doch Griechenland mit einer absoluten Gewalt, und selbst da wo ihr die Macht aller Umstände und die unabänderliche

Natur

der

Dinge

entgegenstehen,

zuzuführen

traebtete.

*) B.ilrachotuyomachie ?. 3 ijc '' t 0 ''

M r o i a i c i/'oi;

Inl

yoiii-um

172 Doch alles dieses erklärt

sich aus dem schon ent-

wickelten allgemeinen Zustande

der Dinge

in

diesem

jungen Staate. Dieser schnelle Ueberblick der äginetisclien Sehenswürdigkeiten hatte unseren T a g ausgefüllt, und wir gingen nun auf die Höhe des supponirten Aphroditen Tempels zurück,

um der herrlichen Aussicht,

welche

sich

liier darbietet, im Lichte der untergehenden Sonne zu geniefsen. D a s saronische Meer erscheint hier wie ein grofser L a n d s e e , weil man dessen Rand an keiner Stelle

vom

Horizonte, sondern überall von Inseln oder dem Festlande begränzt sieht.

D e n Vorgrund bildet der Hafen

mit seinen malerischen Schiffchen ¡Ylislikos und Skampavias, welche sich um den Molo und seinen

kleinen

Leuchlthurni gruppiren. D i e Fläche des Meeres im Mittelgrunde wird vonden Inseln Platia, Moni, Angistri, Kyra, Hypsili, Diapo ria, Pentenissia und den andern zahllosen Inselchen und Felsen eingenommen, welche Aeakos hier zum Schulze seines Hafens entstehen liefs, und welche die Schiffahrt in dieser Gegend noch heule schwierig und gefährlich machen. Das

äginetische Kap Perdika

und

die

Bergpyra-

niide des heiligen Elias begränzen nach Süden das Bild, und die Insel Poros schliefst sich daran als der erste Punkt

des schönen

und

reichen

Gebirgamphitheateis,

welches das saronische Meer hier einschliefst. Das zakkige Vorgebirge von Mclhana, erst wie es scheint nach Thcscus Zeit, durch die Kraft vulkanischen Feuers dein Meere entstiegen, weil es sonst der unglücklichen Pliä-

173 dra nicht möglich gewesen w ä r e , T r o i z e n , den Aufenthalt des geliebten Ilippolytos, von Athen aus zu sehen, folgt dann, und man erkennt die Höhen des Ortholithi, Kolaki, Velonidia und Arachnäon über Epidavros. Das Kap T r a k h y l i , zwischen

die B u c h t

von Sophiko,

dem ehemaligen Kap Spiräon

und

und Kromyon,

der tiefe Busen von Kenchreii und Kalamaki, nebst dem Isthmos, den

dem

Spitzen

hohen

Felsen

von

Akrokorinlh

des Parnafs, bilden etwa die Mitte

und des

Bildes. W e i t e r nach Norden erscheint der G e r a n i a , die skironischen Felsen, Megara und die Insel Salamis, welche bis zum Peiräeus r e i c h t , über welchem ich mit unnennbarem Gefühle des Entzückens zum ersten Male im schönsten Rosenlichte der sinkenden Sonne die hehre Burg des Kekrops erkannte, auf deren Spitze die mächtigen Säulen des Parthenons und das sie krönende Aetoma deutlich zu unterscheiden waren. Die ganze Masse hob sich bell, wie verklärt, auf dem Ilymettos ab, welcher den Namen des rosenfarbenen, den er im Altert h u m e trug, vollkommen bewährte. Man mufs die griechische

Luft,

die

griechische

S o n n e und den Charakter der griechischen Landschaft, w e l c h e r sich in seinem ganzen Reize nur in der F e r n e entwickelt, kennen, u m sich einen Begriff von der Schönheit dieses Anblickes machen zu können. Selbst Süditalien, Kalabrieli, Apulien u n d Sicilien geben keinen. Begriff von diesen griechischen

Fernen,

worin die reichsten Gebirgsformen deutlich und plastisch wie Statuen des Pheidias und Praxiteles modelliit und in einem Farbenrcichlhume erscheinen, w e l c h e m sich

174 nichts an H a r m o n i e ,

Freiheit

unil A b w e c h s e l u n g

der

T ö n e , U e b e r g ä n g e und L i c h t e f f e k t e vergleichen läfst. J e n e L ä n d e r h a b e n in landschaftlicher Hinsicht in den V o r - und Mittelgründen über Griechenland den grofsen V o r t h e i l der K u l l u r ,

schöner und üppigerer V e g e -

tation und m a l e r i s c h e r A r c h i t e k t u r . birge und F e l s e n g r u p p e n

gibt es

und der italienische H i m m e l

Aber Fernen,

hat nie den

R e i z d e s g r i e c h i s c h e n , so schön durch nnÖTctTOg

aiih)Q

bezeichneten

Ge-

nur in Griechenland, unendlichen

das W o r t Äa/t-

Liihtraums.

I c h b l i e b liier mit den B l i c k e n gefesselt, bis die in G r i e c h e n l a n d nach, d e m U n t e r g a n g der S o n n e so schnell eintretende N a c h t h e r a b g e s u n k e n w a r ,

und w i r gingen

dann z u unserer W o h n u n g zurück, w o der freundlichste E m p f a n g der Hausfrau

111s

ein

treffliches

e b e n so w i e das Bedürfnifs des H u n g e r s Vor

dem Schlafengehen

nungen getroffen, der Sonne

und

würzten.

w u r d e n noch alle Anord-

um a m folgenden T a g e mit A u f g a n g

z u der berühmten

deren herrliche S t a t u e n Glyptothek

Nachtessen

aller

Tempelruine

zu

reiten,

eine der gröfsten Z i e r d e n europäischen

der

Kunstsammlungen

bilden. W i r k l i c h setzten w i r uns dahin, von mehreren griechischen

und

teutsclien

Offizieren

begleitet,

in

einer

langen K a r a v a n e v o n P f e r d e n und E s e l n in B e w e g u n g , so w i e die ersten Strahlen der S o n n e über d e m Pentelikon hervorbrachen. Unser W e g

f ü h r t e uns zuerst ü b e r die T r ü m m e r

der alten S t a d t und ihre N e k r o p o l e , w e l c h e durch zahlr e i c h e in den F e l s e n g e h a u e n e

und besonders in den

letzten Jahren häufig geöffnete Gräber bezeichnet wurde.

175 D u r c h ein T h a l gelangten wir dann zu den Ruinen der Stadt des Mittelalters, Paläokhora, welche äufserst malerisch auf einem hohen Felsen lag und erst seit der letzten Revolution verlassen wurde.

Man erkennt noch

deutlich fast alle Häuser, Strafsen, Klöster und Kirchen, obwohl auch nicht der kleinste bewohnbare R a u m m e h r darin gefunden werden könnte.

Wahrscheinlich n i m m t

sie den Platz der von Herodot erwähnten Stadt Oia ein. Nach etwa zwei Stunden gelangten w i r eine kahle Höhe hinanreilend zu der T e i n p e h u i n e , welche im Ganzen seit der letzten Ausgrabung, welche jene herrliche jetzt in der Glyptothek aufgestellte S a m m l u n g zu T a g e förderte, unverändert geblieben ist. Doch mufs ich davon eine unendliche Anzahl von Namensinschriften ausn e h m e n , m i t welchen T a u s e n d e von griechischen u n d fremden Reisenden ihren Besuch bei diesem T e m p e l zu bestätigen und zu verewigen s u c h t e n , und welche oft in kolossalen Dimensionen und tief eingehauenen Buchstaben alle nur erreichbaren T h e i l e dieses T e m p e l s bedecken. Gegen einen solchen Unfug, welcher in kurzer Zeit das völlige Verderben aller F o r m e n herbeiführen mufs, w a r aber durch keine Art von Aufsicht oder Schutzmittel Vorsorge getroffen, welches in einem Lande, wo es einen General-Konservator der Allerthümer g a b , allerdings auffallen mufste. Die Bäume, welche ehemals nach d e m Berichte aller Reisenden um diesen T e m p e l s t a n d e n , sind völlig verschwunden, und man sieht nur an dem westlichen Abhänge unterhalb der Ruinen einiges Gestrüpp von Balania-Eichen und Föhren.

176 Die Lage ist übrigens herrlich:

man übersieht die

ganze K ü s l c der Insel nach Südosten, v o m Cap Turlo O # bis zum Cap Hagios Antonios, so wie den Hafen Hagia Marina gerade unter dem T e m p e l ;

und nur die Höhen

um die alte Stadt und die Pyramide von Hagios Elias, der höchste Gipfel der Insel, verhindern ihren ganzen Umfang zu übersehen.

P o r o s , das Cap S k y l i und die

Insel Hydra erkennt man nebst mehreren Kykladen, dem Cap S u n i o n , Zoster, Kolias, Munycliia und der ganzen attischen Küste. Die Akropolis erscheint hier ebenfalls sehr deutlich, und über ihr die drei altischcn Gebirgsketten Hymettos, Pentelikon und Parnes. Nachdem ich mich an dem allgemeinen

Anblicke

geweidet, besah ich die b e k a n n t e n Ilühlen und die Tempel-Ruine, in allem Detail, welches die Zeit gestattete, und freute mich an den edlen ausgebildeten Formen und Verhältnissen des Ganzen, und als alter Freund und Verfechter der griechischen Lithochromie an den deutlichen Ueberrcsten von Farben, w e l c h e mehrere Theile der Architektur zierten. D e r T e m p e l hat bekanntlich an den beiden Vorderseiten

sechs, und was man dem

architektonischen

Schema V i t r u v s zu Folge als eine Abnormität bezeichnet hat, an den langen Seiten anstatt dreizehn nur zwölf Säulen. Aber es geht mit dieser Regel V i t r u v s wie mit so vielen anderen, welche er anführt: die Denkmale bestätigen sie nicht. Uebersehen w i r das Verhältnifs der Säulenzähl an der Vorderfronte und an den Seiten bei uns übrig gebliebenen und bekannten acht griechischen Tempeln im

177 eigentlichen Hellas, Kleinasien, Sicilien und Grofcgrte* chenland, so finden wir folgendes Resultat. Parthenon von Athen

wie 8 zu 17

Theseum daselbst

- — 6 — 13

Tempel des Zeus zu Olympia



6 — 13

Porlicus zu Tliorikos



7 —«14

Tempel von Aegina

~

6 — 12

ilexastylos zu Rhamnus Tempel des Apollon zu Bassä

. . . .



6 —'12



6 — 15

Tempel des Apollon zu Milet

— 1 0 — 21

Tempel der Athena zu Priene



Tempel der Hera zu Samos

•— 1 0 —• 2 1

6 — 11

Tempel der Artemis Leukophryne bei Mylasa

— 8

Tempel der Athena zu S y r a k u s . . . .

— 15



6 — 14

Erster Tempel in d. Akropolis v. Selinus —

8 — 17

Zweiter

-

-

6 — 15

Dritter

-

-

-

-

-



-

.

— 6

— 14

Erster Tempel in der unteren Stadt .



6 — 13

Zweiter daselbst



6 — 14

Dritter daselbst



€ — 17

Tempel von Aegesta





.



6 — 13

der Juno Lucina daselbst . .



6 — 13

des Zeus Olympios daselbst.



7 — 14

des Herakles daselbst

. . . .



6 — 14

des Poseidon zu P a s t u m . . .



6 — 14

der Ceres daselbst



6 — 13

d. sogenannten Basilika daselbst —

9 — 18

der Concordia zu Agrigent

14

W i r finden also hier die Regel unter sechs und zwanzig Beispielen nur zehn Mal befolgt, und mithin

12

178 sechzehn Ausnahmen davon.

Diese weichen aher wie-

der so weit von einander a b , dafs hei einem Hexastylos zwei Säulen weniger und bei einem anderen vier m e h r als die vitruvische Regel vorschreibt, angewendet sind. E s tritt also hier ein ganz anderes Resultat, als die Zuverläfsigkeit der vitruvischen Regeln hervor. Dieser T e m p e l von Aegina w a r ein Hypäthros mit fünf deutlich zu erkennenden und in ihren unteren Theilen grofsentheils erhaltenen Säulen auf jeder Seite. I m Opisthodoinos scheint ebenfalls eine T h ü r gewesen zu sein, w e l c h e jedoch nicht auf die Mitte des T e m p e l r a u m s zutrifft, und deshalb nicht wohl als zu der ursprünglichen Anlage gehörig angenommen werden kann. D e r S t e i n , welcher zu diesem Baue verwendet wurde, ist weich aber ziemlich dicht. E i n e äufserst feine Decke von weifsem Stucke bedeckte ihn, und diente den lebhaften F a r b e n , welche ihn schmückten und in der südlichen F a r b e n p r a c h t der Landschaft und des Himmels, w e l c h e ihn umgaben, geltend machten, zur Unterlage. Seine Zerstörung scheint dieser T e m p e l durch ein E r d b e b e n erlitten zu haben, worauf besonders die regclmäfsige Lage der Statuen unter dem auf einmal hinabgestürzten Giebel zu deuten scheint. D a s liauptgesim.se steht zu der Säulenhölie in einem sehr hohen Verhältnisse, da es über vier N e u n t e l derselben beträgt. Hieraus gehen sehr breite Interkolumnien und mithin ein gedrücktes Verhältnifs des Ganzen hervor, welc h e m man das E p i t h e t o n ßaovxiyctXog,

wie es Vitruv

d e m toskanischen Baue beilegt, geben könnte.

179 D e r Säulenknauf

zeichnet

sich

durch einen sehr

grofsen Echinos und die geringe Höhe des Abacus aus, wie es dieser Ordnung in ihrer eigenthümlichen

dori-

schen Entwicklung angehört. Dafs die Bearbeitung die* ses Knaufs und seiner Ringe nicht durch Menschenhände, sondern durch eine Maschine oder Drehbank geschah, habe ich schon früher in einer kleinen Abhandlung der Amalthea *) zu beweisen gesucht und ward jetzt nur noch in dieser Ansicht bestärkt. Wie

schon gesagt, sind die reichen Malereien in

den lebhaftesten Farben ausgeführt, welche als einfache Gründe oder als Ornamente die geglätteten Sluckflächen dieses Tempels schmückten, noch überall deutlich erhalten und sichtbar. Das Giebelfeld war azurblau, und so^ wohl das steigende Gesimse desselben

als das

ganze

Hauptgebälke, welche einen gelblichen Generalton zeigen, rcich bemalt. S o lief ein Palmetten-Ornament, in Blau und Grün ausgeführt, auf der halben Höhe des grofsen Wellenleistens fort,, welcher das Giebel-Gesimse und die Kornische krönte; die Vorderansicht der Hängplatte war mit rolh und blauen runden Mäandern und anderem S c h m u c k e geziert. Die Triglyphen waren blau, die Metopen gelb, die Dielenköpfe blau mit weifsen Tropfen, und die Kanäle zwischen den ersten zinnoberroth.

Die

Platten,

welche unter denselben und unter den Triglyphen stehen, waren blau mit weifsen Tropfen. E s ist überdies wahrscheinlich, dafs noch mehrere T h e i l e , unter welche

wir mit Sicherheit die Metopen

*) Band III. S. 71 ff.

12*

180 zählen zu müssen glauben, und auch wohl der Abacus des Säulenknaufs, Ornamente hallen. Die Firstakrolericn zeigen deutliche Spuren

rolher

Färbung, und einige Antifixen haben sich mit ihren in gelben, rolhen und braunen Farben gemalten PalmettenVerzierungen vollkommen erhalten. Selbst auf der Fläche der Cellamauer

erscheinen

Spuren von rolher Farbe, und es scheint keinem Zweifel unterworfen, dafs der ebenfalls mit Stuck überzogene Fufsboden einen braunrotlren Ton hatle. D e r Tempel stand auf regelmäfsigen, ihcils

aus

Quaderstücken, theils aus Polygonen konstruirten Terrassen, von welchcn

Bich

jedoch nur noch wenige Spu-

ren erhallen haben. Auch die Grotten, welche sich wahrscheinlich zum Zwecke irgend eines Mysterien- oder Tempeldienstes bis unter die Cella erstreckten, sind grofslenlhcils zerstört und verschüttet. E s herrscht bekanntlich eine Meinungs-Verschiedenheil über die Gottheit, welcher dieser Tempel geweiht war. Ein Theil der Antiquare und namentlich alle früheren Reisenden wollen darin das Panhellenion erkennen, während andere es für einen T e m p e l der Alhena Ergane halten. Nach Diodors Erzählung *) liefs Zeus, um Griechenland für den Mord zu strafen, welchen Aegeus an dem Sohne des Minos Androgeos verübt h a l t e , eine allgemeine Dürre entstehen. Als aber Acakos dem Ausspruche der Pylhia zufolge um Abhülfe dieser allgemeinen ') IV 61.

181 Noth zu seinem Vater Zeus gefleht halte, gewehrte derselbe mit Ausnahme von Athen ganz Griechenland fruchte bringenden Regen, und zur Dankbarkeit ward auf der Insel Aegina von allen Griechen das Panhcllenion geweiht,

welches man in dieser Tempelruipe

erkennen

wollte. Allein sowohl die schriftlichen Zeugnisse der Alten als die Oertlichkeit und die aus derselben zu ziehenden Analogien scheinen theils dieser Annahme direkt entgegen zu sein, theils lassen sie dieselbe zweifelhaft. Pausanias erwähnt dieses Panhellcnions nur mit we-. nigen W o r t e n , indem e r * ) sagt, der B e r g , worauf es sich befinde, habe sonst keine Merkwürdigkeiten. Aber er sagt nicht, dafs es ein Tempel (va6g), sondern nur, diifs es ein Heiliglhum (itoov)

war. Eben so nennt Iso-

krates dasselbe nur ein gemeinschaftliches Hciligthum, ifQÖv xotyov *'), und auch Pindar *") erwähnt keines Tempels, sondern nur eines Altars (ßtaubg) des hellenischen Zeus auf Aegina. Auch Theophrast sagt in einer unten näher zu erörternden Stelle, wo er von diesem Panhellenion spricht, nichts von einem solchen T e m p e l des Gottes auf' dieser Insel. E s ist- aber wohl, wie ich glaube, mehr als es bi» jetzt oft von den Erklärern und Ucbersetzern der alten Schriftsteller geschehen ist, auf die verschiedene Bedeutung der Ausdrücke vaog, it(>ov, ßuftog,

rifttrog

u. s. w.

•) II. 30, 4.

" ) Isolirales im Eaagoras 4. i'«J> ¿ij to»i ihm miOofiut nun«, x«l fiuhoia t