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German Pages 128 Year 2010
Ansatzpunkte zur Optimierung des Controllingsystems im kommunalen Immobilienmanagement
Schriftenreihe der
Herausgegeben von Prof. Dr. Claus Meyer
Band 9
Viktoria Zerr
Ansatzpunkte zur Optimierung des Controllingsystems im kommunalen Immobilienmanagement
Verlag Wissenschaft & Praxis
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-89673-551-5 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2010 Tel. +49 7045 930093 Fax +49 7045 930094 [email protected] www.verlagwp.de
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Geleitwort Die Claus und Brigitte Meyer-Stiftung lobt den Thomas-Gulden-Preis zur Erinnerung an den im Alter von 25 Jahren an einer unheilbaren Krankheit verstorbenen ehemaligen Studenten Thomas Gulden für besondere Leistungen aus. Zum Ende des Sommer-Semesters 2005 wurde der Preis erstmals verliehen. Im Winter-Semester 2009/2010 wird Frau Viktoria Zerr (Studiengang Betriebswirtschaft/Controlling, Finanz- und Rechnungswesen) für ihre herausragenden Studienleistungen und ihre exzellente Diplomarbeit mit dem Thomas-Gulden-Preis ausgezeichnet. Die Claus und Brigitte Meyer-Stiftung veröffentlicht die Arbeiten der Preisträger in der Schriftenreihe der MEYER STIFTUNG. Die ausgezeichnete Diplomarbeit von Frau Viktoria Zerr beschäftigt sich mit dem Thema „Ansatzpunkte zur Optimierung des Controllingsystems im kommunalen Immobilienmanagement“. Es ist ein besonderes Verdienst, neben der ungewöhnlich umfassenden Auswertung der betriebswirtschaftlichen Literatur auch die spezifischen Probleme des kommunalen Immobilenmanagements verständlich und fundiert darzustellen. Herr Prof. Dr. Bernd Britzelmaier betreute diese Diplomarbeit. Seine wissenschaftliche Beratung und seine praktische Unterstützung in schwierigen Fragen des Controlling bei der Erstellung der Arbeit haben wesentlich zum Gelingen beigetragen. Die Claus und Brigitte Meyer-Stiftung freut sich, diese ungewöhnlich fundierte Diplomarbeit als neunten Band der Schriftenreihe veröffentlichen zu können. Für die großzügige Unterstützung bei der Herausgabe der Schriftenreihe bedanken wir uns herzlich bei Frau Neugebauer und Herrn Dr. Brauner vom Verlag Wissenschaft und Praxis.
Stuttgart, im Februar 2010
Prof. Dr. Claus Meyer
Die Claus und Brigitte Meyer-Stiftung ist eine rechtsfähige und gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Stuttgart, die am 21. April 2005 vom Regierungspräsidium Stuttgart als Stiftungsbehörde anerkannt wurde. Der Zweck der Stiftung wird verwirklicht durch die Förderung von Wissenschaft und Forschung, der Bildung und Erziehung und der Unterstützung bedürftiger Studierender der Hochschule Pforzheim. Er wird insbesondere realisiert durch: x die Verleihung des Thomas-Gulden-Preises für hervorragende Studienleistungen und/oder eine ausgezeichnete Diplom-/Masterarbeit aus dem Gebiet des Controlling, Finanz- und Rechnungswesen an einen oder mehrere Studierende. Thomas Gulden wurde am 15. März 1978 geboren. Er studierte an der Hochschule Pforzheim im Studiengang Betriebswirtschaft/ Controlling, Finanz- und Rechnungswesen und schloss mit der Gesamtnote „sehr gut“ ab. Aufgrund einer angeborenen und fortschreitenden Muskelerkrankung saß Thomas Gulden seit seinem 10. Lebensjahr im Rollstuhl. Er verstarb am 11. April 2003 an der tödlichen Erkrankung, deren Verlauf er kannte. Posthum wurde Thomas Gulden für seine herausragende und der Note 1,0 bewerteten Diplomarbeit mit einem Förderpreis ausgezeichnet. Seinem Wunsch entsprechend wurden mit diesem Preis, wie mit seinem gesamten Vermögen, humanitäre Organisationen unterstützt. x die Vergabe von Zuschüssen und Ähnlichem an Studierende, insbesondere an in Not geratene, zur Fortsetzung und erfolgreichem Abschluss ihres Studiums. _________________________________________ Claus und Brigitte Meyer-Stiftung Adresse: Telefon: E-Mail: Internet: Konto:
Bernsteinstr. 102, 70619 Stuttgart 0711/4411488 [email protected] www.meyer-stiftung.de Baden-Württembergische Bank Nr. 498 04 94, BLZ: 600 501 01
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Juni 2009 zur Erlangung des Diplomgrades im Studiengang Betriebswirtschaft/Controlling, Finanz- und Rechnungswesen an der Hochschule Pforzheim eingereicht und angenommen. Sie wurde für die Veröffentlichung im Februar 2010 überarbeitet. Für die Verleihung des Thomas-Gulden-Preises und die Unterstützung bei der Vorbereitung zur Veröffentlichung meiner Arbeit auch über Landesgrenzen hinweg möchte ich mich bei Herrn Professor Dr. Claus Meyer, seiner Frau Brigitte Meyer sowie der MEYER STIFTUNG herzlich bedanken. Ich danke Herrn Professor Dr. Bernd Britzelmaier, der diese Arbeit betreute, für seine fachlichen Ratschläge. Seine konstruktive Kritik half dabei, die Besonderheiten des kommunalen Immobiliencontrollings angemessen zu berücksichtigen. Ferner danke ich Herrn Professor Dr. Thomas Joos für die Übernahme des Zweitgutachtens. Die praxisnahe Betreuung der Diplomarbeit durch die Ernst & Young Real Estate GmbH in Eschborn/Frankfurt am Main war von besonderer Bedeutung für die Einarbeitung in den Themenkomplex des kommunalen Immobilienmanagements. Für die Möglichkeit zum umfassenden Gedankenaustausch auch über fachliche Fragestellungen hinaus bedanke ich mich sehr. Mein besonderer Dank gilt meiner Familie und meinen Freunden, die mich auf meinem bisherigen Lebensweg unterstützt haben. Durch ihre Herzlichkeit haben sie erheblich zum Gelingen meines Studiums beigetragen. Vor allem der Rückhalt, den ich durch meinen Freund Eduard Göbel erfahren habe, hat mich beständig motiviert, ohne dessen Anregung diese Arbeit nicht entstanden wäre.
Birmingham, im Februar 2010 Viktoria Zerr
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Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ...........................................................................................12 Tabellenverzeichnis ................................................................................................14 Abkürzungsverzeichnis ..........................................................................................15
1 Einleitung ........................................................................................ 17 1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit ..............................................17 1.2 Aufbau der Arbeit .......................................................................................18 1.3 Abgrenzung der Arbeit ...............................................................................18
2 Kommunales Immobilienmanagement und Controlling ............ 19 2.1 Kommunales Immobilienmanagement .......................................................19 2.1.1 Strukturen und Aufgaben der kommunalen Verwaltung .................19 2.1.2 Besonderheiten der Immobilie als Wirtschaftsgut ...........................20 2.1.3 Anforderungen an ein kommunales Immobilienmanagement .........22 2.2 Controlling ..................................................................................................25 2.2.1 Aufgaben und Funktionen des Controllings.....................................25 2.2.2 Immobiliencontrolling......................................................................25
3 Das Neue Steuerungsmodell und Strategieansätze ..................... 27 3.1 Das Neue Steuerungsmodell und die Einführung der Doppik ....................27 3.2 Strategieansätze für das kommunale Immobilienmanagement ..................28 3.2.1 Strategische Betrachtung des Immobilienbestands ..........................28 3.2.2 Strategische Betrachtung der Instandhaltung ...................................30 3.2.3 Strategische Betrachtung der Leistungstiefe ....................................33
10
Inhaltsverzeichnis
4 Nutzen und Organisation eines Controllingsystems ................... 35 4.1 Nutzen des Controllings im kommunalen Immobilienmanagement .........35 4.2 Organisation des Controllingsystems .........................................................37 4.2.1 Organisation der Erfolgsverantwortung ...........................................37 4.2.1.1 Cost-Center ............................................................................37 4.2.1.2 Profit-Center...........................................................................37 4.2.2 Steuerungsmodelle ...........................................................................38 4.2.2.1 Eigentümer-Modell ................................................................38 4.2.2.2 Mieter-/Vermieter-Modell......................................................39 4.2.2.3 Management-Modell ..............................................................42 4.2.3 Interne Organisationsstruktur ...........................................................42
5 Controllinginstrumente im Immobilienmanagement ................. 45 5.1 Instrumente zur Strategieentwicklung und -implementierung....................45 5.1.1 SWOT-Analyse ................................................................................45 5.1.2 Balanced Scorecard ..........................................................................46 5.1.3 Benchmarking ..................................................................................52 5.1.4 Kennzahlensysteme ..........................................................................56 5.1.5 Sonstige Instrumente ........................................................................61 5.2 Strategisch orientierte Instrumente im Kostenmanagement .......................62 5.2.1 Zero-Base-Budgeting .......................................................................62 5.2.2 Prozesskostenrechnung ....................................................................65 5.2.3 Sonstige Instrumente ........................................................................69 5.3 Operative Instrumente im kommunalen Immobiliencontrolling ................70 5.3.1 Plankostenrechnung und Abweichungsanalyse ...............................70 5.3.2 Berichtswesen ..................................................................................74 5.3.3 Sonstige Instrumente ........................................................................76
Inhaltsverzeichnis
11
6 Optimierung im kommunalen Immobiliencontrolling ............... 79 7 Abschließende Bewertung ............................................................. 85 Anlagenverzeichnis ................................................................................................87 Quellenverzeichnis ...............................................................................................113 Stichwortverzeichnis ............................................................................................125
12
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Immobilienlebenszyklus ................................................................20
Abbildung 2: Heterogenes Immobilienportfolio der Kommunen ........................23
Abbildung 3: Dezentrale Organisation des Immobilienmanagements .................39
Abbildung 4: Zentralisierung des Immobilienmanagements ...............................40
Abbildung 5: Interne Organisationsstrukturen .....................................................43
Abbildung 6: Klassische Perspektiven der Balanced Scorecard ..........................48
Abbildung 7: Anpassung der Balanced Scorecard für soziale Organisationen ....49
Abbildung 8: Balanced Scorecard im Immobilienmanagement ...........................50
Abbildung 9: Benchmarkingprozess ....................................................................55
Abbildung 10: Grundstruktur des Kennzahlensystems ..........................................58
Abbildung 11: Budgetschnitt auf Grundlage der Entscheidungspakete .................64
Abbildungsverzeichnis
13
Abbildung 12: Hauptprozesse im Immobilienmanagement ...................................68
Abbildung 13: Mögliche Gestaltung des Kontrollumfangs....................................71
Abbildung 14: Flexible Plankostenrechnung im Immobilienmanagement ............73
14
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Überschreitung der Erstellkosten durch die Baufolgekosten ................24
Tabelle 2: Optimierungsstrategie nach Einwohnerzahl .........................................30
Tabelle 3: Investitionsbedarf 2006 bis 2020 in deutschen Kommunen .................31
15
Abkürzungsverzeichnis AMEV
Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen
BetrKV
Betriebskostenverordnung
II. BV
Zweite Berechnungsverordnung
Difu
Deutsches Institut für Urbanistik
DIN
Deutsches Institut für Normung e.V.
GG
Grundgesetz
IKO-Netz
Interkommunales Netz
KGSt
Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement
NSM
Neues Steuerungsmodell
WertV
Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken
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1 Einleitung 1.1 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit Das Zusammenleben in einer Kommune wird vor allem geprägt durch das Angebot an Bildung, Kultur, Betreuung und Sicherheit sowie die Möglichkeiten für Zusammenkünfte, Versammlungen und sportliche Aktivitäten. Für ein gesundes kommunales Gemeindeleben stellt eine Kommune eine Vielzahl an Immobilien mit unterschiedlichem Verwendungszweck wie beispielsweise Schulen, Kindergärten, Schwimmbäder, Gemeindezentren und Ähnliches zur Verfügung. Die Ausmaße des kommunalen Immobilienbestands und des damit verbundenen Aufwandes für die Bereitstellung, den Erhalt sowie die Verwaltung sind den meisten Flächennutzern nicht bewusst. Die Verschiedenartigkeit der Gebäude und der immobilienbezogenen Aufgaben stellt eine Herausforderung dar, die auf ebenso unterschiedliche wie anspruchsvolle Weise von den Kommunen zur Steigerung des Gemeinwohls in Angriff genommen wird. Zugleich ist die Kommune der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, den Einsatz der kommunalen Immobilien effizient zu gestalten und die Ressourcen optimal einzusetzen. Kommunen bewegen sich daher in einem äußerst komplexen Spannungsfeld, das sie durch ein kommunales Immobilienmanagement mit einem umfassenden Controllingsystem bewältigen können. Die Aufgaben, welche mit dem Management der kommunalen Immobilien einhergehen, sind umfangreich und vielschichtig, weshalb die Unterstützung der Entscheidungsträger durch ein umfassendes Controllingsystem sinnvoll ist. Der Aufbau und die Umsetzung eines solchen Systems können sich jedoch aufgrund der besonderen Anforderungen an das kommunale Immobilienmanagement schwierig gestalten. Diese Arbeit soll durch die Darstellung und Abwandlung verschiedener Controllinginstrumente dazu beitragen, eine geeignete Gestaltungsmöglichkeit für ein Controllingsystem im kommunalen Immobilienmanagement zu entwickeln. Die Ergebnisse werden aus der Kombination theoretischer Grundlagen und der Untersuchung der heutigen Praxis aus Gesprächen mit Vertretern von Kommunen gewonnen. Sie sollen als Anregungen für die praktisch anwendbare Implementierung, Nutzung und Optimierung eines Immobiliencontrollings für eine Versorgung mit entscheidungsrelevanten Informationen zur effizienten Bewältigung der kommunalen Aufgaben verstanden werden.
18
1 Einleitung
1.2 Aufbau der Arbeit Zur Auffindung von Ansatzpunkten für die Optimierung des Controllingsystems im kommunalen Immobilienmanagement steht zu Beginn eine allgemeine Darstellung der Anforderungen an das Immobilienmanagement einer Kommune sowie das Immobiliencontrolling. Im Anschluss folgt eine Beschreibung der derzeitigen Situation und Strategieansätze im kommunalen Immobilienmanagement sowie der organisatorischen Voraussetzungen für die Nutzung eines ausgereiften Controllingsystems. Daraufhin werden Instrumente des strategischen und operativen Controllings vorgestellt, auf ihre Anwendbarkeit für das kommunale Immobilienmanagement untersucht und bei Bedarf modifiziert. Die Optimierungspotenziale für das kommunale Immobiliencontrolling und eine abschließende Bewertung vervollständigen die Untersuchung. Die Ergebnisse basieren auf Expertengesprächen, die mit Vertretern des Immobilienmanagements von vier ausgewählten Kommunen in drei Bundesländern geführt wurden (vgl. Anlage 1 und 2). Bei der Auswahl der Kommunen wurde auf ähnliche Bevölkerungsstrukturen mit entsprechender Zusammensetzung des jeweiligen Immobilienbestands geachtet.
1.3 Abgrenzung der Arbeit Bei der Untersuchung des Controllings im kommunalen Immobilienmanagement werden Einrichtungen zur Verwaltung der Immobilien der Länder sowie des Bundes nicht betrachtet. Der Schwerpunkt liegt im Folgenden auf dem allgemeinen Immobiliencontrolling, weshalb das Bau- und Projektcontrolling nicht gesondert analysiert werden. Der gesetzliche Rahmen, der Ablauf sowie das Verfahren der Etatzuweisung, personalrechtliche Besonderheiten und die Flächenplanung im Rahmen der Stadtentwicklung werden nicht näher untersucht. Fragen der Immobilienbewertung, der Finanzierungsmöglichkeiten für die Immobilien der Kommunen, die Privatisierung öffentlicher Bereiche sowie die Möglichkeiten der Ausgliederung des kommunalen Immobilienmanagements und der Organisation in unterschiedlichen Rechtsformen werden im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet. Darüber hinaus werden Systeme zur elektronischen Datenverarbeitung zur Unterstützung des Controllings sowie Immobilieninformationssysteme und ihre Funktionsweisen nicht erläutert.
19
2 Kommunales Immobilienmanagement und Controlling 2.1 Kommunales Immobilienmanagement 2.1.1
Strukturen und Aufgaben der kommunalen Verwaltung
Öffentliche Güter wie beispielsweise Bildung und soziale Einrichtungen sind für die Allgemeinheit von großer Bedeutung. Da aber aufgrund von Nichtrivalität im Konsum und Nichtausschließbarkeit kein Markt für diese Güter besteht, ist es Aufgabe des Staates, diese zur Verfügung zu stellen.1 Dieser Aufgabe kommt der Staat nach, indem er sie auf die verschiedenen Regierungsebenen des Bundes, der Länder und Kommunen verteilt. Kommunalverwaltungen übernehmen dabei eine wesentliche Rolle, da sie in engem Kontakt zur Bevölkerung stehen und die Auswirkungen ihrer Handlungen direkt von den Bürgern wahrgenommen werden.2 Über die Gestaltung und Ausübung der öffentlichen Aufgaben kann jede Kommune nach dem Grundgesetz selbst bestimmen und hat das Recht die Gemeinde eigenständig zu verwalten und ihren Bedürfnissen nachzukommen.3 Die Organisation der Verwaltung und ihrer internen Strukturen bleibt dabei jeder Kommune selbst überlassen, wobei unterhalb der Bürgermeisterebene zumeist eine Gliederung in Dezernate und in darunter liegende Ämter bzw. Fachbereiche besteht.4 Für die Erbringung der öffentlichen Leistungen herrscht innerhalb einer Kommune ein natürliches Gebietsmonopol vor, da öffentliche Güter nicht auf einem freien Markt angeboten werden. Kommunen stehen allerdings mit anderen Kommunen im Wettbewerb um Einwohner und Unternehmen, da diese für die Einnahmen wichtig, in ihrer Ortswahl allerdings frei sind.5 Die Güte in der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben ist daher ein wesentliches Kriterium für die Attraktivität einer Kommune als Wohn- und Wirtschaftsstandort.
1 2 3 4 5
Vgl. Brunner/Kehrle (2009), S. 392f. Vgl. Kruse (2001), S. 27. Vgl. Art. 28 GG. Vgl. Kruse (2001), S. 33ff. Vgl. Mäding (2006), S. 273ff.
20
2 Kommunales Immobilienmanagement und Controlling
2.1.2
Besonderheiten der Immobilie als Wirtschaftsgut
Für die Herstellung von Produkten und die Erbringung von Dienstleistungen sind Immobilien unerlässlich, da sie zur Kombination der Produktionsfaktoren den nötigen Raum zur Verfügung stellen.6 Eine Immobilie muss jedoch an die jeweiligen Bedürfnisse des Nutzers angepasst sein, um die Unternehmung optimal zu unterstützen. Diesen Anforderungen können Immobilien nur gerecht werden, wenn bei der Auswahl ihre spezifischen Eigenschaften wie Immobilität, Heterogenität, hohe Investitions- und Transaktionskosten, eine lange Realisierungsphase und Lebensdauer und geringe Substituierbarkeit berücksichtigt werden.7 Jede Immobilie ist einzigartig, da sie aufgrund ihrer individuellen Kriterien wie Standort und Bauart nicht mit anderen verglichen werden kann. Darin ist die hohe Intransparenz des Immobilienmarktes begründet und die damit in Verbindung stehenden Transaktionskosten, die unter anderem für die Beschaffung relevanter Informationen anfallen.8 Es bilden sich räumliche und sachliche Teilmärkte für verschiedene Regionen und Nutzungsarten der Immobilien, die wiederum heterogen und intransparent sind.9
Abriss
Grundstück
Leerstand
Projektentwicklung
Weitere Nutzung
Realisierung
Umbau, Sanierung Abriss
Erste Nutzung Leerstand
Abbildung 1: Immobilienlebenszyklus Quelle: In Anlehnung an Gondring (2004a), S. 58.
6 7 8 9
Vgl. Bone-Winkel/Schulte/Focke (2005), S. 11f. Vgl. Gondring (2004a), S. 36f. Vgl. Hellerforth (2007), S. 3. Vgl. Bone-Winkel/Schulte/Focke (2005), S, 21f.
2.1 Kommunales Immobilienmanagement
21
Immobilien sind damit sehr langlebige, kapitalintensive und standortgebundene Wirtschaftsgüter, deren Nutzenstiftung in der Abgabe von Raumeinheiten besteht.10 Die Lebensdauer einer Immobilie erstreckt sich über einen langen Zeitraum und lässt sich in Lebenszyklusphasen (vgl. Abbildung 1) unterteilen, wobei nach Abschluss der Projektentwicklung durch Planung und Erstellung die Nutzungsphase beginnt. Der Zeitraum der ersten Nutzung endet mit einer Leerstandsphase, worauf entweder Abriss oder Umbau bzw. Sanierung für eine weitere Nutzung des Objektes folgen. Durch Modernisierungsmaßnahmen kann auch eine Umnutzung der Immobilie ermöglicht werden.11 Eine Investition in Kauf oder Bau einer Immobilie zieht hohe Kosten für Instandhaltung, Betrieb, Modernisierung und Abriss nach sich, wobei die Baufolgekosten (vgl. Anlage 3) in einer Lebenszyklusbetrachtung die Investition bei weitem übersteigen.12 Zu diesen zählen unter anderem Kosten für die Bewirtschaftung des Gebäudes verursacht durch Abschreibung, Verwaltung, Betrieb, Instandhaltung und kalkulatorisches Mietausfallwagnis.13 Die Betriebskosten setzen sich zusammen aus den laufend anfallenden Kosten für die Nutzung wie beispielsweise Kosten der Ver- und Entsorgung von Wasser, Strom, Heizungsanlage und Reinigungsdiensten.14 Aufgrund des hohen Investitions- und Kapitalbedarfs und der langen Lebensdauer wirken sich Entscheidungen über Immobilientransaktionen schwer wiegend und weit reichend auf die gesamte Unternehmung aus, was von vielen Immobiliennutzern unterschätzt wird.15 Die richtigen Entscheidungen bei der Wahl und der Nutzung der Immobilien setzen bedingt durch die spezifischen Besonderheiten hohes Fachwissen voraus. Es gelten spezielle Normen und Gesetze für Immobilien, um beispielsweise eine einheitliche Messung und Berechnung der Flächen und Kosten zu gewährleisten. Dazu zählt unter anderem die Definition der Bruttogrundfläche als der Flächeninhalt zwischen den äußeren Maßen der Bauteile als Norm des Deutschen Instituts für Normung e.V. (DIN).16 Für Unternehmungen und Bereiche, zu deren primären Tätigkeiten nicht die Erbringung immobilienwirtschaftlicher Leistungen zählt, ist es daher ratsam, immobilienbezogene Entscheidungen durch Fachpersonal aufbereiten zu lassen. Viele Immobilienunternehmen sind auf die Leistungen innerhalb einzelner Lebenszyklusphasen spezialisiert und ermögli-
10 11 12 13 14 15 16
Vgl. Pfnür (2004), S. 7. Vgl. Gondring (2004a), S. 57f. Vgl. Pfnür (2004), S. 110f. Vgl. §18 WertV; § 24 II. BV. Vgl. §§ 1-2 BetrKV. Vgl. Schulte/Schäfers (2004), S. 41f. Vgl. DIN 277-1.
22
2 Kommunales Immobilienmanagement und Controlling
chen den Nichtimmobilienunternehmen dadurch, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren.17 2.1.3
Anforderungen an ein kommunales Immobilienmanagement
Zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben benötigt eine Kommune eine große Anzahl an Immobilien. Sie dienen als Instrument bei der Bereitstellung der sozialen Dienste und der Verfolgung der öffentlichen Ziele.18 Mit der Vielzahl an öffentlichen Immobilien zählen die Kommunen in Deutschland zu den größten Immobilienbesitzern. Da das Aufgabenspektrum allerdings sehr speziell ist, sind die Anforderungen an die Immobilien der Kommunen dementsprechend hoch und spezifisch. Im Bestand einer Kommune befinden sich daher überwiegend Spezialimmobilien, deren Nutzung aufgrund der Bauart und Ausstattung jeweils auf eine bestimmte Nutzungsart beschränkt ist und insgesamt mit Schulen, Feuerwehrgebäuden, Sporthallen und weiteren (vgl. Abbildung 2) ein sehr heterogenes Portfolio bilden.19 Für die Verwaltung und das Management ihres Immobilienbestands ist jede Kommune eigenständig verantwortlich, doch die immobilienspezifischen Zuständigkeiten innerhalb der Verwaltung sind zumeist nicht klar abgegrenzt, da die Immobilien überwiegend nach ihrer Nutzung den Fachgebieten zugewiesen werden.20 Dies führt zu ineffizienten Strukturen, Redundanzen in Abläufen und Prozessen, Schnittstellenproblematiken und unbestimmten Verantwortlichkeiten. Somit werden ein den Lebenszyklus umfassender Gesamtüberblick, eine transparente Darstellung des Immobilienbestands und der damit verbundenen Kosten erschwert.21 Vor allem für Spezialimmobilien fallen erhebliche Baufolgekosten an, so dass die Kosten für die Erstellung schnell überschritten sind (vgl. Tabelle 1), was einen außerordentlichen Kosten- und Managementaufwand begründet.22 Die Einnahmen, die mit kommunalen Immobilien erzielt werden, sind außerdem äußerst gering, da der soziale Nutzen im Vordergrund steht.23 Ein effizienter und wirtschaftlicher Einsatz der Immobilien ist für Kommunen von besonderer Bedeutung, denn Immobilien stellen die größte Vermögensposition zugleich den größten Kostenfaktor einer Kommune dar. Eine umfassende strategische sowie operative Betrachtung der Immobilien und eine Steigerung der wirtschaftlichen Nutzung sollten daher im
17 18 19 20 21 22 23
Vgl. Rottke/Wernecke (2005), S. 214; Hellerforth (2004), S. 2. Vgl. Pelzl/Amon (2002a), S. 10; Tiggemann/Ecke/Straßheimer (2004), S. 461. Vgl. Pelzl/Amon (2002b), S. 11. Vgl. Schmitz, (2007), S. 74. Vgl. Pöll (2007), S. 59. Vgl. Schulte et al. (2006), S. 32f. Vgl. Simons (1993), S. 646.
2.1 Kommunales Immobilienmanagement
23
Fokus eines zentralen Immobilienmanagements stehen, um die Allokation und den Nutzen der Immobilienressourcen zu optimieren.24 Die Außenwirkung und das Ansehen einer Kommune lassen sich darüber hinaus durch repräsentative Immobilien wie ein Rathaus in zentraler Lage, moderne Bäder und Schulen steigern. Der Immobilienbestand stellt für eine Kommune damit einen wichtigen Wettbewerbsfaktor dar und die politische Imagewirkung muss bei Entscheidungen des kommunalen Immobilienmanagements berücksichtigt werden.25
Schulen 20%
Sonstige Gebäude 45% Kindergärten 15%
Sporthallen 5% Verwaltungsgebäude 10%
Feuerwehrgebäude 5%
Abbildung 2: Heterogenes Immobilienportfolio der Kommunen Quelle: In Anlehnung an Pelzl/Amon (2002b), S. 11.
Die Koordination der vielseitigen Ansprüche an die kommunalen Immobilien kommt dem Immobilienmanagement zu. Einerseits müssen die Bedürfnisse der Fachbereiche als Immobiliennutzer berücksichtigt, zum anderen den Zielen der Kommune als Immobilieneigentümerin zur Erhaltung und Steigerung der Vermögenswerte Rechnung getragen werden.26 Die Arbeit des kommunalen Immobilienmanagements beinhaltet daher auch die Förderung der Kommunikation, da nur 24 25 26
Vgl. Schulte/Schäfers (2004), S. 46; Homann (2004), S. 61. Vgl. Weidner (2003), S. 12. Vgl. Schmitz (2000), S. 22ff.
24
2 Kommunales Immobilienmanagement und Controlling
durch die Abstimmung aller Beteiligten die öffentlichen Immobilien optimal zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben beitragen können. Flächenbedarf und Immobilienbestand müssen unter Berücksichtigung politischer Forderungen aufeinander abgestimmt werden, Bewirtschaftung und Unterhaltung der Objekte sollen kostenminimal erfolgen und gleichzeitig den Wert erhalten.27 Nach Empfehlung der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) sollte das kommunale Immobilienmanagement für die bestmögliche Erfüllung dieser Aufgaben als zentrale Serviceeinheit organisiert sein und sich über interne Verrechnungspreise für die Bereitstellung und Bewirtschaftung der Immobilien finanzieren.28 Jeder Fachbereich erhält dabei für die Deckung der Kosten, die durch die gebäudewirtschaftlichen Bedürfnisse entstehen, ein angemessenes Budget.29
Tabelle 1: Überschreitung der Erstellkosten durch die Baufolgekosten Überschreitung der ErstellkostenBaufolgekosten in Prozent der Baukosten p.a. schwelle nach … Kindergärten 31% 3,2 Jahren
Immobilientyp
Schulen
31%
Krankenhäuser
26%
Hallenbäder
21%
Kläranlagen
20%
Sporthallen
17%
Freibäder
15%
Sportplätze
14%
5,0 Jahren 5,9 Jahren 6,7 Jahren 7,1 Jahren 10,0 Jahren
Verkehrsanlagen
10%
10,0 Jahren
8,5% 1,5%
Quelle: In Anlehnung an Schulte et al.(2004), S. 33.
29
4,8 Jahren
10%
Wohnungsbau
28
3,8 Jahren
Produktionsgebäude Büro- und Verwaltungsgebäude
27
3,2 Jahren
Vgl. Schulte et al. (2006), S. 25. Vgl. Preis (2000), S. 13 Vgl. Schmitz (2007), S. 75.
11,8 Jahren 66,7 Jahren
2.2 Controlling
25
2.2 Controlling 2.2.1
Aufgaben und Funktionen des Controllings
Eine wirtschaftliche Erbringung von Leistungen verlangt organisierte Strukturen und aufeinander abgestimmte Abläufe und Ziele. Diese müssen geplant, gesteuert und hinsichtlich ihrer Einhaltung kontrolliert werden. Die Führungsebene steht damit vor einer diffizilen Aufgabe, da es für fundierte Entscheidungen nötig ist, dieses Koordinationsproblem zu bewältigen. Um die Führungsebene bestmöglich zu unterstützen, ist das Controlling zur Koordination, Informationsversorgung, zur Implementierung und Überwachung eines Planungs- und Kontrollsystems hervorragend geeignet.30 Das übergeordnete langfristige Ziel jeder Unternehmung ist die Existenzsicherung, welches nur durch die Erreichung untergeordneter Ziele gesichert werden kann. Es bestehen daher mehrere Ziele auf unterschiedlichen Ebenen, die es zu koordinieren und deren Umsetzung es zu steuern gilt, was als Hauptaufgabe dem Controlling zukommt.31 Diesen Ansprüchen kommt das Controlling durch eine Differenzierung von strategischem und operativem Controlling sowie den damit verbundenen unterschiedlichen zeitlichen Betrachtungsweisen nach. Während das strategische Controlling sich auf die langfristige Ausrichtung, die Planung und Kontrolle strategischer Ziele konzentriert, steht für das operative Controlling die Überwachung und Analyse kurzfristiger operativer Maßnahmen und ihrer Wirkungen im Mittelpunkt.32 Durch die Implementierung eines zentralen Berichtswesens wird eine Bündelung der Informationen ermöglicht. Ein Controllingsystem dient damit sowohl der Koordination als auch der Information und schafft dadurch Transparenz bezüglich Strategie, Strukturen, Abläufe und Kosten bei der Erbringung von Leistungen. Für die Entscheidungsfindung ist die durch das Controlling geschaffene Transparenz von großer Bedeutung und mit dem gesammelten Wissen nimmt das Controlling zugleich eine beratende Tätigkeit ein.33 2.2.2
Immobiliencontrolling
Die Planungs-, Steuerungs-, Kontroll-, Koordinations- und Beratungsfunktion nimmt das Controlling branchenunabhängig wahr. Die Gestaltung der Tätigkeiten muss jedoch zur optimalen Unterstützung der Entscheidungsträger an die Anforde30 31 32 33
Vgl. Horváth (2006), S. 97f. Vgl. Baum/Coenenberg/Günther (2004), S. 5ff. Vgl. Hans/Warschburger (1999), S. 53f. Vgl. Horváth (2006), S. 24.
26
2 Kommunales Immobilienmanagement und Controlling
rungen der jeweiligen branchenspezifischen Leistungen angepasst werden. Für das Immobiliencontrolling folgt daraus, dass die Besonderheiten der Immobilien in einer den Lebenszyklus umfassenden Betrachtung berücksichtigt werden müssen, um dem Immobilienmanagement relevante Informationen für eine Optimierung des Portfolios und dessen Nutzung liefern zu können.34 Damit ist das Immobiliencontrolling „…ein ganzheitliches Instrument zur Durchsetzung von Eigentümerzielen, welches selbständig und kontinuierlich bei Immobilien unter Beachtung ihres Umfeldes entsprechende Informations-, Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben definiert und wahrnimmt“35. Analog zum allgemeinen Controlling in einer Unternehmung ist es die Aufgabe des Immobiliencontrollings, die entscheidungsrelevanten Informationen auszuwerten und aufzubereiten, um dadurch die Prozesse zum Betreiben von Immobilien und die Wirtschaftlichkeit bewerten und zielorientiert steuern zu können.36 Die benötigten Daten, Informationen und Zielvorgaben weichen jedoch von den regulären ab. Besondere Anforderungen an ein Immobiliencontrolling ergeben sich aus den Basisdaten der Objekte wie Nutzungsart, Fläche und den spezifischen Immobilienkosten, welche ständig aktuell verfügbar sein müssen.37 Zielvorgaben für das Immobiliencontrolling können aufgrund der großen Vermögensallokation und Repräsentativität ein weites Spektrum abdecken, das über die Gewinnerzielung hinausgeht. Eine effektive Ausnutzung der Ressourcen durch die Belegung aller Flächen und ein positives Image durch das Erscheinungsbild der Immobilien sind im immobilienspezifischen Zielsystem ebenfalls enthalten.38 Um die Erreichung der Ziele angemessen überprüfen und steuern zu können, müssen im Immobiliencontrolling immobilienspezifische Kosten berücksichtigt und auf definierte Flächen verrechnet werden. Die Berechnung der Flächen und Kosten sollte nach Definitionen und Normen erfolgen, um eine einheitlich standardisierte Basis zu haben. Eine detaillierte Erfassung der Objektdaten und eine genaue Abgrenzung der Objektkosten sind daher für ein erfolgreiches Kostenmanagement wichtig.39 In den Expertengesprächen zeigte sich, dass das kommunale Immobilienmanagement sich der Bedeutung des Immobiliencontrollings bewusst ist, die Umsetzung sich jedoch zumeist noch nicht auf ein umfassendes System erstreckt.40
34 35 36 37 38 39 40
Vgl. Homann (2004), S. 98ff. Metzner (2002), S. 50. Vgl. Diederichs (2006), S. 570. Vgl. Mehlis (2003), S. 13. Vgl. Metzner (2002), S. 33ff. Vgl. Zechel (2001), S. 77ff. Vgl. Ergebnisse der Expertengespräche 1) bis 4).
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3 Das Neue Steuerungsmodell und Strategieansätze 3.1 Das Neue Steuerungsmodell und die Einführung der Doppik Da für die von einer Kommune erbrachten Leistungen kein Markt besteht und sie vornehmlich dem Gemeinwohl dienen, ist eine Messung der Effizienz schwierig. Seit einigen Jahren wird jedoch im gesamten kommunalen Bereich versucht, durch das Neue Steuerungsmodell (NSM) ein Bewusstsein für Kosten und Wirtschaftlichkeit zu schaffen und die Kommune als kunden- und zielorientiertes Dienstleistungsunternehmen zu betrachten.41 Diese Bemühungen sollen mit unvorteilhaften Strukturen und Redundanzen in Abläufen und Prozessen aufräumen. Neben der Einführung der Doppik zählen zu den Instrumenten des NSM die Kosten- und Leistungsrechnung, Budgetierung, Produktdefinitionen, Berichtswesen und Controlling als Basis für eine zentrale Steuerung.42 Mit einer Dezentralisierung der Fach- und Ressourcenverantwortung im Rahmen des NSM sollen sich konzernähnliche Strukturen mit definierten Schnittstellen in einer Kommune herausbilden, die zur Zentralisierung von Kompetenzen und damit zu Effizienzsteigerungen führen.43 Das kommunale Immobilienmanagement bildet ein solches Kompetenzzentrum als zentrale Serviceeinheit. Der Leitung und Führung der Kommune bedarf es langfristiger Strategien und der zentralen Steuerung durch Zielvorgaben an die verantwortlichen Bereiche durch Politik und Verwaltung. Die Entscheidung über notwendige Maßnahmen zur Erreichung der Ziele muss dabei den jeweiligen Verantwortungsbereichen und Kompetenzzentren ohne operatives Eingreifen der Politik obliegen.44 Dadurch kann dem kurzfristigen Politikzyklus entgegengewirkt und durch den Wandel von einer Input- zu einer Outputsteuerung eine kontinuierliche Leistungsverbesserung angestrebt werden. Jeder Fachbereich muss für den wirtschaftlichen Einsatz seiner Mittel unter Einhaltung der strategischen Vorgaben selbst verantwortlich sein und mit anderen Bereichen in Verhandlungen über einen Leistungsaustausch treten können, wodurch marktähnliche Strukturen geschaffen werden.45 Ein Erfolg des NSM ist nur durch das Zusammenwirken aller Instrumente möglich. Doch wie an 41 42 43 44 45
Vgl. Lorig. (2008), S. 31. Vgl. Banner (2006), S. 254. Vgl. Holtkamp (2007), S. 48. Vgl. Lorig (2008), S. 32f. Vgl. Kruse (2001), S. 52f.
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3 Das Neue Steuerungsmodell und Strategieansätze
der bisherigen Umsetzung zu erkennen ist, ist dieses Ziel noch nicht erreicht.46 Das bislang vorherrschende System im kommunalen Rechnungswesen war und ist derzeit noch in weiten Teilen Deutschlands die Kameralistik (vgl. Anlage 4). Die kameralistische Erfassung von Ausgaben und Einnahmen konzentriert sich im Gegensatz zur doppelten Buchführung auf die Darstellung der Zahlungsströme und des Geld- statt des Ressourcenverbrauchs.47 Für das kommunale Immobilienmanagement liefert das kameralistische Rechnungswesen keine brauchbare Entscheidungsgrundlage, da kalkulatorische Kosten wie Miete für Eigennutzung, Zinsen für in Grundstücken und Gebäuden gebundenes Kapital, Abschreibung auf Basis der Marktwerte und Ähnliches nicht berücksichtigt werden. Eine transparente Darstellung der gesamten Kosten ist daher nicht möglich und die Nutzer können nicht verursachungsgerecht für die Nutzung belastet werden.48 Die Notwendigkeit eines effizienten Einsatzes und der wirtschaftlichen Nutzung der Immobilien versinkt in der kameralistischen Betrachtung der Geldströme. Das Rechnungswesen muss jedoch durch Informationsversorgung und Transparenz Voraussetzungen für ein Kostenbewusstsein und Steuerungsmöglichkeiten zur optimalen Ressourcenallokation schaffen.49 Erst das System der doppelten Buchführung ermöglicht eine periodengerechte Erfassung des Verbrauchs, die Einführung interner Transferpreise und die Messung der Zielerreichung. Die Verwaltungsmodernisierung durch das NSM ist damit ein wichtiger Schritt für das kommunale Immobilienmanagement, da die Potenziale des Immobilienportfolios durch eine objektgenaue Kostenerfassung aufgedeckt und die Verrechnung interner Mieten genutzt werden können. Die Bereitstellung öffentlicher Immobilien wird damit nicht mehr als Selbstverständlichkeit betrachtet werden.50
3.2 Strategieansätze für das kommunale Immobilienmanagement 3.2.1
Strategische Betrachtung des Immobilienbestands
Um die Potenziale des in Immobilien gebundenen kommunalen Vermögens Wert steigernd einsetzen zu können, muss eine strategische Betrachtung des Bestands und eine aktive Einbeziehung in die Strategien und Ziele der Kommune erfolgen.51 46 47 48 49 50 51
Vgl. Budäus (2006), S. 176. Vgl. Frischmuth (2008), S. 139f. Vgl. Schulte et al. (2006), S. 30. Vgl. Lüder (2006), S. 187. Vgl. Brockhoff/Zimmermann (2005), S. 903f. Vgl. Beyersdorff/Langner (2002), S. 24.
3.2 Strategieansätze für das kommunale Immobilienmanagement
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Die Oberziele einer Kommune geben Informationen über die Richtung für das Immobilienmanagement, dienen als Orientierung und mit konkreten Sollvorgaben auch als Führungsinstrument. Zur optimalen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben stehen für die strategische Ausrichtung der Ressource Immobilie die Leitziele der Kommune und ihre Produkte im Vordergrund. Diese Prozesse sollen durch den Einsatz der Immobilien bestmöglich unterstützt werden.52 Damit werden die Rahmenbedingungen für die Immobilienstrategien einer Kommune vornehmlich von politischen und sozialen Aspekten und Überlegungen der Stadtentwicklung bestimmt.53 Das Immobilienvermögen wird jedoch lediglich von einem geringen Anteil der Kommunen als strategische Erfolgsressource und damit als Wettbewerbsfaktor gesehen, von der Mehrheit jedoch vielmehr als Kostenfaktor erachtet.54 Eine aktive Gestaltung des Immobilienportfolios nach strategischen Gesichtspunkten erfolgt daher selten, jedoch steigt mit der Einwohnerzahl das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Kostenreduktion (vgl. Tabelle 2), was in einer Optimierungsstrategie Ausdruck findet.55 Dabei steht eine optimale Nutzung der vorhandenen Immobilien durch eine Verbesserung von Abläufen und Prozessen bei der Erbringung immobilienspezifischer Leistungen im Vordergrund.56 Diese wurde auch in den Expertengesprächen als vorrangig genannt.57 Es gibt allerdings keine für alle Kommunen allgemeingültigen strategischen Vorgaben, sondern es gilt vielmehr, bei der Nutzung des heterogenen Immobilienportfolios besonders auf die Wirtschaftlichkeit zu achten und damit den Erhalt des in den Immobilien gebundenen Kapitals sicherzustellen.58 Eine detaillierte, aktuelle Erfassung und Pflege des Bestands und der Bewirtschaftungskosten nach einheitlichen Vorgaben bestenfalls durch Normen und Gesetze ist allerdings Voraussetzung für eine strategische Betrachtung der Immobilien.59 Nur eine zentrale Verfügbarkeit, Aktualität und Transparenz aller benötigten Informationen mithilfe des Controllings ermöglicht die Umsetzung der Strategie durch Formulierungen der Zielvorgaben und konkrete Maßnahmen.60 Dies bestätigte sich auch in Expertengesprächen.61
52 53 54 55 56 57 58 59 60 61
Vgl. Schmitz (2000), S. 15. Vgl. Pöll, Ecke (2006), S. 38. Vgl. Ecke (2004), S. 60. Vgl. Gondring (2004b), S. 31. Vgl. Pöll/Ecke (2006), S. 39. Vgl. Ergebnisse der Expertengespräche 1) bis 4). Vgl. Langner/Amon (2003), S. 16. Vgl. Mehlis (2003), .S. 13. Vgl. Gondring (2004b), S. 22; Pöll/Ecke (2006), S. 40. Vgl. Ergebnisse der Expertengespräche 1) bis 4).
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3 Das Neue Steuerungsmodell und Strategieansätze
Tabelle 2: Optimierungsstrategie nach Einwohnerzahl Vorhandensein von Optimierungsstrategien nach Einwohnerzahl Einwohner (in Tsd.)
vorhanden
geplant
nicht geplant
keine Angaben
bis 50
32,2 %
42,2%
24,4%
1,2%
50 bis