Anationale Schiedssprüche: Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht [1 ed.] 9783428488681, 9783428088683

Die völkerrechtliche und die internationale private Schiedsgerichtsbarkeit unterscheiden sich nach traditionellem Verstä

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German Pages 328 Year 1997

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Anationale Schiedssprüche: Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht [1 ed.]
 9783428488681, 9783428088683

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Schriften zum Internationalen Recht Band 86

Anationale Schiedssprüche Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht

Von

Thilo Rensmann

Duncker & Humblot · Berlin

Thilo Rensmann • Anationale Schiedssprüche

Schriften zum Internationalen Recht Band 86

Anationale Schiedssprüche Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht

Von Thilo Rensmann

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Rensmann, Thilo: Anationale Schiedssprüche : eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht / von Thilo Rensmann. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Internationalen Recht; Bd. 86) Zugl.: Bonn, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08868-9

D 5 Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-08868-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Meinen Eltern

Vorwort D i e vorliegende Arbeit wurde i m Sommersemester 1996 v o n der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn als Dissertation angenommen. Rechtsprechung, Gesetzgebung und Literatur befinden sich auf dem Stand v o m Dezember 1995, vereinzelt konnten noch neuere Entwicklungen berücksichtigt werden. M e i n besonderer Dank gilt meinem verehrten akademischen Lehrer Herrn Prof. Dr. Matthias Herdegen , der die Arbeit angeregt und m i t großem Engagement gefordert hat. Wichtige Impulse für die vorliegende Abhandlung verdanke ich darüber hinaus meiner mehrjährigen Tätigkeit am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Christian

Tomuschat. Herrn Prof. Dr. Wulf-Henning

Roth

danke ich für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens, dem ich viele wertvolle Hinweise entnehmen konnte. D i e Konrad-Adenauer-Stiftung, der Hilfs- und Sozialfonds der I B K A l t stipendiaten e.V. und die Universität Bonn haben die Verwirklichung meines Dissertationsvorhabens

durch großzügige

finanzielle

Unterstützung

ermög-

licht. Herr Christian Happe hat m i t unermüdlichem Einsatz die Textverarbeitung betreut. N i c h t zuletzt möchte ich meinen Eltern und meiner Ehefrau Helen danken, die m i t großer Geduld die Entstehung der vorliegenden A b handlung begleitet und i n vielfältiger Weise gefordert haben.

Bonn, i m November 1996

Thilo Rensmann

Inhaltsübersicht

Einleitung

27

Erster T e i l

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

31

A. Anationale Schiedssprüche

31

I. Der Begriff der Anationalität

31

II. Der Begriff des Schiedsspruches in der völkerrechtlichen und internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit B. Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht

35 38

I. Externe Perspektive

38

n . „Nationalisierung" des anationalen Schiedsspruchs

38

m . Beschränkung auf den Zeitpunkt nach Erlaß des Schiedsspruches

Zweiter

39

Teil

Schiedsverfahren und nationales Recht

40

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

40

I. Die für das Schiedsverfahren maßgeblichen Rechtsordnungen

40

II. Das Schiedsverfahrensstatut m . Entnationalisierung der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit

42 . .

56

B. Völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit

70

I. Völlige Lösung vom nationalen Recht

71

Inhaltsübersicht

10

II. Die Rolle nationaler Gerichte und Vollstreckungsorgane in völkerrechtlichen Schiedsverfahren C. Konvergierende Entwicklungslinien

Dritter

73 76

Teil

Anationale Schiedssprüche

78

A. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch

78

I. Absolute Parteiautonomie

78

II. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch in der Praxis

79

HI. Rechtstheoretische Einwände

88

IV. Die Sicht des staatlichen Richters

90

B. Der von einer anationalen Rechtsordnung beherrschte Schiedsspruch

...

I. Lex mercatoria

92 92

n. Völkerrecht

118

Vierter

Teil

Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht A. Aufhebung anationaler Schiedssprüche I. Aufhebungskompetenz IL Praktische Folgen der fehlenden Aufhebungsmöglichkeit

184 184 184 187

III. Pflicht des Sitzstaates zur Gewährung einer Anfechtungsmöglichkeit? . . .

190

IV. Folgen der Aufhebung trotz Anationalität aus der Sicht des Anerkennungs- und Vollstreckungsstaates

195

V. Besonderheiten bei der Beteiligung von Staaten und Internationalen Organisationen am Schiedsverfahren

200

B. Anerkennung und Vollstreckung anationaler Schiedssprüche I. Anwendbarkeit der Vorschriften über die Anerkennung und Vollstrekkung ausländischer Schiedssprüche

206

206

Inhaltsübersicht II. Actio ex contractu

247

III. Anwendbarkeit der Vorschriften über die Anerkennung und Vollstrekkung von ausländischen Gerichtsurteilen auf staatsvertraglich verankerte Schiedssprüche

252

IV. Gleichstellung mit inländischen Gerichtsurteilen kraft staatsvertraglicher Regelung

262

V. Staatenimmunität und Immunität Internationaler Organisationen im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren

266

Zusammenfassung

283

English Summary

289

Rechtsprechungsverzeichnis

294

Literaturverzeichnis

305

Sachverzeichnis

322

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

27

Erster T e i l

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes A. Anationale Schiedssprüche

31 31

I. Der Begriff der Anationalität

31

1. Anationalität

31

2. Nationalität

33

3. Intemationalität

33

n . Der Begriff des Schiedsspruches in der völkerrechtlichen und internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit

35

1. Schiedsspruch

35

2. Urteile internationaler Gerichte

36

3. Entscheidungen in obligationenrechtlichen Verfahren

37

B. Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht

38

I. Externe Perspektive

38

II. „Nationalisierung" des anationalen Schiedsspruchs III. Beschränkung auf den Zeitpunkt nach Erlaß des Schiedsspruches

Zweiter

38 39

Teil

Schiedsverfahren und nationales Recht A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit I. Die für das Schiedsverfahren maßgeblichen Rechtsordnungen

40 40 40

13

nsverzeichnis II. Das Schiedsverfahrensstatut

42

1. Funktionen des Schiedsverfahrensstatuts

42

a) Bewertungsmaßstab für das Schiedsverfahren

42

b) Abgrenzung der Unterstützungs- und Kontrollzuständigkeit staatlicher Gerichte

42

c) Konsequenzen für anationale Schiedsverfahren

43

2. Bestimmung des Schiedsverfahrensstatuts

45

a) Relativität des Schiedsverfahrensstatuts

45

b) Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Schiedsverfahrensstatuts

46

aa) New Yorker Übereinkommen

47

bb) Europäisches Übereinkommen

47

cc) Autonomes Recht

48

(1) Trend zur zwingenden Anknüpfung an das Sitzrecht

48

(2) Parteiautonomie

51

(a) Deutsches Recht

51

(b) Englisches Recht

52

(c) Florida und Hawaii

54

dd) Zusammenfassung Schiedsverfahren

und

Schlußfolgerungen

für

anationale 55

III. Entnationalisierung der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit l.

Gründe für das Streben nach Lösung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit vom nationalen Recht

. .

56

privaten 57

a) Partikularismus des Rechts der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit

57

b) Zufälligkeit der Sitzanknüpfung

59

c) Doppelte Kontrolle des Schiedsverfahrens

59

d) Bipolare Handelsbeziehungen

60

e) Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausländischen Privatpersonen

61

2. Entnationalisierungstendenzen im Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit

61

a) New Yorker Übereinkommen

61

b) Europäisches Übereinkommen

62

c) Autonomes Recht

63

nsverzeichnis

14 aa) Reduzierung

der

zwingenden

Normen

für

internationale

Schiedsverfahren

64

bb) Ausschluß der Aufhebbarkeit internationaler Schiedssprüche

. .

64

(1) Belgien

64

(2) Schweiz und Tunesien

65

(3) Schweden

66

cc) Lösung von der Bindung an die Aufhebungsentscheidung des Sitzstaates

66

dd) Ausschluß der Anwendbarkeit nationalen Rechts

67

3. Abnehmendes Bedürfnis nach völliger Lösung des Schiedsverfahrens vom nationalen Recht

68

B. Völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit

70

I. Völlige Lösung vom nationalen Recht

71

II. Die Rolle nationaler Gerichte und Vollstreckungsorgane in völkerrechtlichen Schiedsverfahren C. Konvergierende Entwicklungslinien

76

Dritter

Teil

Anationale Schiedssprüche

78

A. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch

78

I. Absolute Parteiautonomie

78

II. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch in der Praxis

79

1. SEEE c/ Yougoslavie

79

a) Das Aufhebungsverfahren vor Schweizer Gerichten b) Vollstreckungsverfahren Gerichten

73

vor

niederländischen

und

81 französischen 82

c) Kritik 2. General National Maritime Transport Arendal A.B

83 Co. c/ Société

3. Benidai Trading Co. Ltd. v. Gouws & Gouws (Pty.) Ltd

Götaverken 85 88

nsverzeichnis

15

III. Rechtstheoretische Einwände

88

IV. Die Sicht des staatlichen Richters

90

B. Der von einer anationalen Rechtsordnung beherrschte Schiedsspruch

...

I. Lex mercatoria

92 92

1. Das Modell der lex mercatoria als dritte Rechtsordnung

93

2. Die lex mercatoria als Schiedsverfahrensstatut

96

a) Der Ansatz Fouchards

96

b) Der Ansatz Gentinettas

97

c) Der Ansatz des Institut de Droit International

97

3. Lex mercatoria in der Praxis

99

a) Lex mercatoria als von Schiedsgerichten in der Hauptsache anwendbares Recht aa) Rechtsprechung

100 100

(1) Frankreich

101

(a) Fougerolle c/ Banque du Proche-Orient

101

(b) Société Norsolor c/ Société Pabalk Ticaret Sirketi . . . .

101

(c) Compania Valenciana de Cementos Portland SA c/ Société Primary Coal, Inc

102

(2) England

103

bb) Gesetzgebung

104

cc) Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

105

b) Lex mercatoria als Schiedsverfahrensstatut

106

aa) Fratelli Damiano s.n.c. c. August Tropfer & Co

107

bb) OLG Frankfurt a.M., Urteile vom 11.3.1981 und 26.10.1983 . .

109

cc) Englische Rechtsprechung

110

c) Zusammenfassung

112

4. Kritische Würdigung

113

a) Lex mercatoria als „Recht" b) Funktionsfähigkeit der lex mercatoria

114 als Schiedsverfahrensstatut . .

116

5. Fazit

117

II. Völkerrecht

118

1. Schiedsverfahren zwischen Staaten

118

16

nsverzeichnis 2. Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausländischen Privatpersonen . a) Durch Vereinbarung zwischen den Parteien im Völkerrecht verankerte Schiedsverfahren

120 121

aa) Problemstellung

121

bb) Schiedsgerichtspraxis

122

(1) Die klassischen Positionen

122

(a) ARAMCO: Unterstellung des Schiedsverfahrens unter das Völkerrecht

123

(b) Aising und Sapphire: Unterstellung des Schiedsverfahrens unter ein nationales Recht

126

(2) Der libysche Erdölstreit

130

(a) TOPCO

131

(b) LIAMCO

133

(c) BP

134

(3) Zusammenfassende Würdigung der Schiedsgerichtspraxis . .

135

cc) Praxis staatlicher Gerichte

136

dd) Rechtliche Voraussetzungen der Wahl des Völkerrechts als Verfahrensrecht in Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausländischen Privatpersonen

137

(1) Regelfall: nationalrechtliche Verankerung

138

(2) „Direkte" oder „kollisionsrechtliche" Anwendung des Völkerrechts als Verfahrensstatut

138

(3) Verfahrensrechtliche Parteiautonomie und Völkerrecht . . . .

140

(a) Legitimes Interesse an der Wahl des Völkerrechts . . . .

140

(b) Kein Renvoi

141

(c) Eignung völkerrechtlicher Normen zur Regelung von Schiedsverfahren zwischen Staaten und Privatpersonen .

142

(d) Fehlen völkerrechtlicher Hilfs- und Kontrollorgane

...

143

(e) Anwendbarkeit des Völkerrechts kraft stillschweigender Rechts wähl

144

b) Durch zwischenstaatliche Vereinbarung im Völkerrecht verankerte Schiedsverfahren

145

aa) ICSID

145

bb) Iran-United States Claims Tribunal

147

(1) Einleitung

147

(2) Die Zuständigkeiten des Claims Tribunal

148

(3) Die rechtliche Einordnung der Claims Tribunal Schiedssprüche

148

nsverzeichnis

17

(a) Die Parteien des Schiedsverfahrens

151

(aa) Die Staatsangehörigen als domini litis

152

(bb) Materielle Berechtigung der Staatsangehörigen . . .

153

(cc) Die Spruchpraxis des Claims Tribunal

155

(i)

Doppelstaatsangehörigkeits-Fall

155

(ii) A / 21-Fall

157

(iii) Small Claims

158

(b) Die Deklarationen von Algier

159

(aa) Wortlaut

160

(bb) Sinn und Zweck der Deklarationen von Algier . . .

162

(cc) Nachfolgende Praxis des Iran und der Vereinigten Staaten

162

(i)

163

Die Haltung des Iran

(ii) Die Haltung der Vereinigten Staaten (c) Konsequenzen für die Qualifizierung der Claims Tribunal Schiedssprüche aus der Sicht des staatlichen Richters . . (aa) Qualifizierung der Entscheidungen Tribunal als „Schiedssprüche" (i)

Die Claims Seulement Schiedsvereinbarung

des

164

165

Claims

Déclaration

165 als

(ii) Direkte Vereinbarung (bb) Nationalität der Claims Tribunal Schiedssprüche . . (d) Ergebnis c) Zusammenfassung 3. Schiedsverfahren zwischen Internationalen Organisationen und Privatpersonen

165 166 168 169 169 170

a) Immunität Internationaler Organisationen

171

b) Vermutung zugunsten einer völkerrechtlichen Verankerung der lex arbitri

172

c) Indizien für eine nationalrechtliche Verankerung

176

d) Praxis staatlicher Gerichte

176

aa) Verankerung des Schiedsverfahrens im nationalen Recht

176

bb) Entnationalisierung des Schiedsverfahrens: Groupement d'Entreprises Fougerolles et consorts c/ CERN

179

e) Zusammenfassung 4. Schiedsverfahren zwischen Privatpersonen

2 Rensmann

182 182

nsverzeichnis

18

Vierter

Teil

Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht

184

A. Aufhebung anationaler Schiedssprüche

184

I. Aufhebungskompetenz

184

1. Grundsätzlicher Gleichlauf von Nationalität und Aufhebungskompetenz

184

2. Besonderheiten

186

a) Malaysia und Belgien

186

b) Schweiz, Schweden und Tunesien: Umdeutung in eine Vereinbarung über den Ausschluß der Anfechtbarkeit?

186

II. Praktische Folgen der fehlenden Aufhebungsmöglichkeit

187

HI. Pflicht des Sitzstaates zur Gewährung einer Anfechtungsmöglichkeit? . . .

190

1. Justizgewährungsanspruch

190

2. New Yorker Übereinkommen

193

IV. Folgen der Aufhebung trotz Anationalität aus der Sicht des Anerkennungs- und Vollstreckungsstaates

195

1. New Yorker Übereinkommen

195

2. Europäisches Übereinkommen

197

3. Französisches Recht

197

4. Konsequenzen der Nichtanerkennung der Aufhebungsentscheidung im Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat

200

V. Besonderheiten bei der Beteiligung von Staaten und Internationalen Organisationen am Schiedsverfahren 1. Aufhebung von „gemischten" Schiedssprüchen

200 200

a) Aufhebungskompetenz und Wahl des Völkerrechts als lex arbitri . .

201

b) Staatenimmunität im Aufhebungsverfahren

201

c) Immunität Internationaler Organisationen im Aufhebungsverfahren

.

204

2. Aufhebung von in zwischenstaatlichen Verfahren ergangenen Schiedssprüchen

205

B. Anerkennung und Vollstreckung anationaler Schiedssprüche I. Anwendbarkeit der Vorschriften über die Anerkennung und Vollstrekkung ausländischer Schiedssprüche

206

206

nsverzeichnis

19

1. New Yorker Übereinkommen

207

a) Art. I Abs. 1 Satz 1 N Y Ü

208

aa) Wortlaut bb) Einschränkende Auslegung im Lichte des Art. V NYÜ?

208 ....

208

(1) Art. V Abs. 1 lit. a) N Y Ü

209

(2) Art. V Abs. 1 lit. e) N Y Ü

209

(a) Verbindlichkeit

209

(b) Aufhebung

210

(3) Art. V Abs. 1 lit. d) N Y Ü

211

cc) Sinn und Zweck

212

dd) Travaux Préparatoires

212

ee) Rechtsprechung

215

(1) SEEE-Schiedsspruch

ff)

215

(a) Höge Raad der Niederlande

216

(b) Cour d'appel de Rouen

218

(2) LIAMCO-Schiedsspruch

218

(3) Schiedssprüche des Iran-United States Claims Tribunal . . .

219

Zusammenfassung

221

b) Art. I Abs. 1 Satz 2 N Y Ü

222

c) Art. V Abs. 2 lit. b) NYÜ: ordre public

224

d) Anwendbarkeit des New Yorker Übereinkommens auf Schiedsverfahren zwischen Staaten bzw. Internationalen Organisationen und Privatpersonen

226

aa) Staaten und Internationale Organisationen als Juristische Personen" i.S.v. Art. I Abs. 1 Satz 1 N Y Ü

226

bb) Anwendbarkeit auf hoheitliches Handeln

227

cc) Anwendbarkeit auf Schiedssprüche mit völkerrechtlicher arbitri

lex 229

dd) Völkerrechtliche Grenzen

229

e) Anwendbarkeit des New Yorker Übereinkommens auf zwischenstaatliche Schiedsverfahren?

234

aa) Völkerrechtliche Pflicht zur Befolgung des Schiedsspruches

236

. .

bb) Völkerrechtliche Grenzen der Anerkennung und Vollstreckung zwischenstaatlicher Schiedssprüche in Drittstaaten

238

cc) Verfassungsrechtliche Schranken

240

dd) Zusammenfassung

241

20

nsverzeichnis 2. Absicherung der Vollstreckbarkeit anationaler Schiedssprüche durch bilaterale Investitionsschutzabkommen

242

3. Deutsches autonomes Recht

245

a) Gegenwärtige Rechtslage (§ 1044 ZPO)

245

b) Reform

247

II. Actio ex contractu

247

HI. Anwendbarkeit der Vorschriften über die Anerkennung und Vollstrekkung von ausländischen Gerichtsurteilen auf staatsvertraglich verankerte Schiedssprüche

252

1. Grundsätzliche Probleme der Gleichbehandlung von Schiedssprüchen auf staatsvertraglicher Grundlage und ausländischen Gerichtsurteilen

253

a) Vergleichbarkeit

253

b) Völker- und verfassungsrechtliche Schranken

254

2. Autonomes deutsches Recht (§§ 328, 722 f. ZPO)

254

3. EuGVÜ und Lugano-Übereinkommen

256

4. Praxis

257

a) Musulman c/ Banque Nationale de Grèce

257

b) Socobel c/ Etat Hellénique

258

c) Dallai v. Bank Mellat

260

IV. Gleichstellung mit inländischen Gerichtsurteilen kraft staatsvertraglicher Regelung

262

1. Überblick

262

2. ICSID-Übereinkommen

264

V. Staatenimmunität und Immunität Internationaler Organisationen im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren

266

1. Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausländischen Privatpersonen .

266

a) Vollstreckbarerklärung

266

b) Zwangsvollstreckung

269

c) Anerkennung und Vollstreckung anationaler Schiedssprüche

270

d) ICSED-Schiedssprüche

271

2. Schiedsverfahren zwischen Internationalen Organisationen und Privatpersonen

272

3. Schiedsverfahren zwischen Internationalen Organisationen und Mitglied- bzw. Sitzstaaten

273

nsverzeichnis 4. Zwischenstaatliche Schiedsverfahren

21 274

a) Verwirkung des Immunitätsschutzes

275

b) Immunitätsausschluß als Repressalie

277

aa) Die Berechtigung von Drittstaaten zur Verhängung von Repressalien gegen den Schuldnerstaat

278

bb) Innerstaatliche Kompetenz staatlicher Gerichte zur Verhängung von Gegenmaßnahmen

281

Zusammenfassung

283

English Summary

289

Rechtsprechungsverzeichnis

294

Literaturverzeichnis

305

Sachverzeichnis

322

Abkürzungsverzeichnis A.C.

Appeal Cases

affd

affirmed

African J. Int'l & Comp. L.

African Journal of International and Comparative Law

AJIL

American Journal of International Law

A l l ER

A l l England Law Reports

Am. Rev. Int'l Arb.

American Review of International Arbitration

AnnlDI

Annuaire de T Institut de Droit International

Arb.

Arbitration

Arb. Int'l

Arbitration International

Arb. J.

Arbitration Journal

ArchVR

Archiv des Völkerrechts

Austrian J. Publ. Intl. Law

Austrian Journal of Public International Law

BGB1.

Bundesgesetzblatt

BGE

Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BR-Drs.

Bundesratsdrucksache

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BYIL

British Yearbook of International Law

c/

contre

Cambridge L.J.

Cambridge Law Journal

cert.

certiorari

Cir.

Circuit

CLP

Current Legal Problems

Clunet

Journal du droit international

Col. L. Rev.

Columbia Law Review

Col.J.Trans.L.

Columbia Journal of Transnational Law

conc. op.

concurring opinion

Abkürzungsverzeichnis CSD

Claims Settlement Declaration

D.C.

District of Columbia

D.

District Court

diss. op.

dissenting opinion

23

Dok.

Dokument

DR

European Commission of Human Rights, Decisions and Reports

ECOSOC

Economic and Social Council

EGBGB

Einfuhrungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

EJIL

European Journal of International Law

EMRK

Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950

EuGRZ

Europäische Grundrechte Zeitschrift

EuÜ

Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961

F.2d

Federal Reporter, Second Series

FSIA

Foreign Sovereign Immunities Act

F.Supp.

Federal Supplement

GA Res.

General Assembly Resolution

Hastings Int'l & Comp. L. Rev.

Hastings International and Comparative Law Review

Hawaii Rev. Stat.

Hawaii Revised Statutes

ICJ Pleadings

International Court of Justice, Pleadings, Oral Arguments, Documents

ICJ Rep.

International Court of Justice, Reports of Judgments, Advisory Opinions and Orders

ICLQ

International and Comparative Law Quarterly

ICSID

International Centre for Settlement of Investment Disputes

ICSID-Rev.-FILJ

ICSID Review-Foreign Investment Law Journal

ICSID-Rpts

ICSID Reports

IGH

Internationaler Gerichtshof

IHK

Internationale Handelskammer

ILA

International Law Association

ILC

International Law Commission

ILM

International Legal Materials

ILR

International Law Reports

24

Abkürzungsverzeichnis

Int'l Lawyer

International Lawyer

IPR-G

Schweizer Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht

IPRax

Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts

Iran-US CTR

Iran-United States Claims Tribunal Reports

J.

Justice

J. Int'l Arb.

Journal of International Arbitration

JPS

Jahrbuch fur die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit

JW

Juristische Wochenschrift

JWT

Journal of World Trade

L.J.

Lord Justice

L.JJ.

Lord Justices

L.R. P.C.

Law Reports - Privy Council

Lloyd's Rep.

Lloyd's Law Reports

LNTS

League of Nations Treaty Series

LQR

Law Quarterly Review

M.R.

Master of the Rolls

MD. J. Int'l L. & Trade

Maryland Journal of International Law and Trade

NCPC

Nouveau code de procédure civile

NILR

Netherlands International Law Review

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NYIL

Netherlands Yearbook of International Law

NYÜ

[New Yorker] Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.5.1958

OAS

Organisation of American States

OLG

Oberlandesgericht

PCIJ

Permanent Court of Justice

Q.B.

Queen's Bench

RabelsZ

Rabeis Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht

RCDIP

Revue critique de droit international privé

RdC

Recueil des Cours de l'Academie de Droit international de La Haye

Rev. arb.

Revue de l'arbitrage

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGDIP

Revue générale de droit international public

Abkürzungsverzeichnis

25

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RIW

Recht der internationalen Wirtschaft

S.Ct.

Supreme Court Reporter

S.D.N.Y.

Southern District of New York

Schw.Jb.Int.R.

Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht

See.

Section

SeeGVG

Gesetz über die Vollstreckung von Entscheidungen internationaler Gerichte auf dem Gebiet des Seerechts (Seegerichtsvollstreckungsgesetz)

SeeRÜ

Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982

sep. op.

separate opinion

Ser.

Series

StIGH

Ständiger Internationaler Gerichtshof

SZIER

Schweizerische Zeitschrift fur internationales und europäisches Recht

TexILJ

Texas International Law Journal

U.N.

United Nations

U.S.

United States Reports

U.S.C.

United States Code

UNCITRAL

United Nations Commission on International Trade Law

UNCITRAL-ML

UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration

UNJYb

United Nations Juridical Yearbook

UNRIAA

United Nations Reports of International Arbitral Awards

UNTS

United Nations Treaty Series

v.

versus

Vanderbilt J. Transnational L.

Vanderbilt Journal of Transnational Law

VJIL

Virginia Journal of International Law

Vol.

Volume

W.L.R.

Weekly Law Reports

WM

Wertpapier-Mitteilungen, Zeitschrift fur Wirtschafts- und Bankrecht

WTO

World Trade Organization

YbEuCHR

Yearbook of the European Convention on Human Rights

YbILC

Yearbook of the International Law Commission

YCA

Yearbook of Commercial Arbitration

26

Abkürzungsverzeichnis

ZaöRV

Zeitschrift fiir ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

ZPO

Zivilprozeßordnung

ZPO-E

Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZVglRWiss

Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

Schiedsverfahrensrechts

Einleitung

Anationale Schiedssprüche im Spannungsfeld von internationaler privater und völkerrechtlicher Schiedsgerichtsbarkeit Der anationale Schiedsspruch ist ein Topos der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit. Die Idee eines Schiedsspruchs, der v o n den Fesseln des nationalen Rechts gelöst ist, wurde in den fünfziger und sechziger Jahren zur Überwindung des nur unzureichend auf die Bedürfhisse des internationalen Handels eingestellten rechtlichen Regimes der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit entwickelt. 1 Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich jedoch seitdem grundlegend geändert. Getragen von dem Impuls der französischen Reform aus dem Jahre 1981 2 und des 1985 verabschiedeten UNCITRAL-Modellgesetzes 3 hat eine große Reformbewegung eingesetzt, in deren Verlauf eine Vielzahl von Staaten ihre Schiedsverfahrensrechte modernisieren. 4 A l l e n Reformgesetzen ist die Deregulierung der Schiedsgerichtsbarkeit

gemeinsam: Den Verfahrensparteien

internationalen w i r d eine fast

unbeschränkte Gestaltungsfreiheit eingeräumt, die nur noch i n grundlegenden rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien ihre Grenzen findet. M i t der u m sich greifenden Liberalisierung und Harmonisierung der staatlichen Schiedsverfahrensrechte schwindet gleichzeitig das praktische Bedürfnis nach Anerkennung anationaler Verfahrensgestaltungen i n der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit.

1

Vgl. etwa International Chamber of Commerce, Enforcement of International Arbitral Awards, IHK-Borschüre Nr. 174 (1953); Ph. Fouchard , L'arbitrage commercial international (1965), S. 41 ff. 2

Dekret Nr. 81-500 vom 12. Mai 1981, abgedruckt in: K.-H. Böckstiegel Schiedsgerichtsbarkeit in Frankreich (1983), S. 103 ff.

(Hrsg.),

3 UNCITRAL-Model Law on International Commercial Arbitration (as adopted by the United Nations Commission on International Trade Law on 21 June 1985), Report of the United Nations Commission on International Trade Law on the work of its eighteenth session, U.N. Dok. A/ 40/17, Annex I, S. 81 ff. 4 Siehe zur deutschen Reform Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts. Bericht mit einem Diskussionsentwurf zur Neufassung des Zehnten Buchs der ZPO (1994) sowie den von der Bundesregierung vorgelegten „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts", BR-Drs. 211 / 96, 22.3.1996. Vgl. zu den Reformgesetzen anderer Staaten unten Teil 2, A.III.2.c).

Einleitung

28

Um so erstaunlicher ist es, daß die Rechtsfigur des anationalen Schiedsspruchs in jüngerer Zeit eine Renaissance erlebt hat. Dabei hat sich allerdings der Blickwinkel von der klassischen internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit zu hybriden Schiedsverfahren zwischen Völker- und Privatrechtssubjekten verschoben. So hat das Institut de Droit International in einer 1989 verabschiedeten Resolution für Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausländischen Unternehmen das Modell eines in der lex mercatoria verankerten anationalen Schiedsverfahrens entworfen. 5 Obwohl die Schweizer Rechtsordnung grundsätzlich von der zwingenden Anknüpfung des Schiedsverfahrensstatuts an den Sitz des Schiedsgerichtes ausgeht,6 hat das Schweizerische Bundesgericht kürzlich für ein in Genf stattfindendes Schiedsverfahren zwischen einer Internationalen Organisation und einem Privatunternehmen ausdrücklich anerkannt, daß die Parteien sich durch Verweisung auf eine anationale Rechtsordnung vom Sitzrecht emanzipieren können.7 Schließlich haben amerikanische Bundesgerichte entschieden, daß Schiedssprüche des IranUnited States Claims Tribunal8 nach dem New Yorker Übereinkommen9 vollstreckt werden können, obwohl die Verfahren vor dem Claims Tribunal nach Ansicht der amerikanischen Rechtsprechung in keinem nationalen Recht, sondern im Völkerrecht verankert sind.10 Die vorliegende Studie möchte vor diesem Hintergrund den Versuch unternehmen, völkerrechtliche und private anationale Schiedssprüche gemeinsam im Hinblick auf ihre Wirkungen im nationalen Recht zu untersuchen. Eine solche verbindende und vergleichende Untersuchung erscheint vor allen Dingen wegen der zunehmend verschwimmenden Grenzlinie zwischen völkerrechtlicher und internationaler privater Schiedsgerichtsbarkeit gerechtfertigt. Traditionell werden die völkerrechtliche und die internationale private Schiedsgerichtsbarkeit nach ihren Verfahrensparteien abgegrenzt:11 Verfahren

5

Arbitration Between States, State Enterprises or State Entities and Foreign Enterprises, Resolution vom 12.9.1989, AnnIDI 63 II (1990), S. 324 ff. 6 Siehe Art. 176 Abs. 1 des Schweizer Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht vom 18.12.1987 (in Kraft getreten am 1.1.1989), abgedruckt in: K.-H. Böckstiegel (Hrsg.), Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz (II) (1989), S. 199 ff. 7 Groupement d'Entreprises Fougerolle et consorts c/ CERN , Schweizerisches Bundesgericht, 21.12.1992, BGE 118 lb, S. 562, 568. 8

Hierzu unten Teil 3, B.II.2.b).bb).

9

Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, 10.5.1958, BGBl. 1961 II, S. 122 ff. 10 Ministry of Defense of the Islamic Republic of Iran v. Gould, 887 F.2d 1357 (9th Cir. 1989), cert, denied 110 S.Ct. 1319 (1990); Iran Aircraft Industries and Iran Helicopter and Renewal Company v. Avco Corporation , 980 F.2d 141 (2d Cir. 1992). 11 Siehe etwa H.-J. Schlochauer, Arbitration, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. I (1992), S. 215.

Einleitung zwischen Privatrechtssubjekten gehören zur internationalen privaten, Verfahren zwischen Staaten12 zur völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit. Es gibt aber heute eine Vielzahl von Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausländischen Privatrechtssubjekten, bei denen dieses Kriterium versagt. In solchen „gemischten" Verfahren kann es zu komplizierten Gemengelagen von völkerrechtlichen und privatrechtlichen Elementen kommen, die sich einer eindeutigen Zuordnung zur völkerrechtlichen oder internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit entziehen. Zeitgenössische Beispiele bilden Schiedsverfahren auf der Grundlage „internationalisierter" Verträge 13, die Schiedsgerichtsbarkeit unter den Auspizien des International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID) 14 und die Schiedsverfahren vor dem Iran-United States Claims Tribunal.15 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung erscheint es wenig sinnvoll aufgrund abstrakter Abgrenzungstheorien16 diese hybriden internationalen Schiedsverfahren a priori der völkerrechtlichen oder der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit zuzuordnen, um aus dieser Kategorisierung Folgerungen für die Wirkungen der resultierenden Schiedssprüche im nationalen Recht zu ziehen. Es hängt vielmehr von der konkreten Fragestellung ab, welche Auswirkungen die privat- und völkerrechtlichen Elemente auf den Status des Schiedsspruches im staatlichen Recht haben. Neben den „gemischten" anationalen Schiedssprüchen sollen auch klassische völkerrechtliche Schiedssprüche aus zwischenstaatlichen Verfahren in die Untersuchung einbezogen werden. Während der anationale Schiedsspruch in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, die durch die Dichotomie von inländischen und ausländischen Schiedssprüchen geprägt ist, ein revolutionäres Konzept verkörpert, bildet er in der zwischenstaatlichen Schiedsgerichtsbarkeit den Normalfall. Ein zwischenstaatlicher Schiedsspruch wird

12 Die im folgenden für Staaten getroffenen Aussagen sollen mutatis mutandis auch für Internationale Organisationen als Schiedsverfahrensparteien gelten. 13

Siehe dazu unten Teil 3, B.II.2.a).

14

Vgl. Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten, 28.3.1965, BGBl. 1969 II, S. 371 ff. Vgl. dazu unten Teil 3, B.II.2.b).aa). 15 16

Hierzu unten Teil 3, B.II.2.b).bb).

Vgl. zu den verschiedenen Abgrenzungstheorien A. Ernemann Zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach § 1044 ZPO (1979), S. 38 ff.; H.-J. Hallier , Völkerrechtliche Schiedsinstanzen für Einzelpersonen und ihr Verhältnis zur innerstaatlichen Gerichtsbarkeit (1962), S. 12 ff.; B. von Hoffmann, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Die Bestimmung des maßgeblichen Rechts (1970), S. 53 ff.; J. Pirrung 9 Die Schiedsgerichtsbarkeit nach dem Weltbankübereinkommen für Investitionsstreitigkeiten (1972), S. 185 ff.; K.H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit (5. Aufl. 1995), S. 381 f.

30

Einleitung

von keinem nationalen Recht, sondern vom Völkerrecht beherrscht. Zwar wird man die Wirkungen zwischenstaatlicher Schiedssprüche im nationalen Recht in erster Linie nach den verfassungsrechtlichen Vorschriften über das Verhältnis von Völker- und Landesrecht beurteilen müssen. Es soll aber überprüft werden, ob man darüber hinaus in bestimmten Fällen - wie in der Literatur gelegentlich vorgeschlagen17 - die Instrumente des internationalen Verfahrensrechts, die „privaten" und „gemischten" anationalen Schiedssprüchen im nationalen Recht Effektivität verleihen, auch für zwischenstaatliche Schiedssprüche fruchtbar machen kann.

17

Siehe etwa M.E. O'Connell, The Prospects for Enforcing Monetary Judgments of the International Court of Justice, VJIL 30 (1990), S. 917, 936; O. Schachter, International Law in Theory and Practice (1991), S. 236 f.; Ch. Schreuer , Die Behandlung internationaler Organakte durch staatliche Gerichte (1977), S. 164 f., 199; ders., International Law in Municipal Law: Law and Decisions of International Organizations and Courts, in: Bernhardt (Fn. 11), Vol. II (1995), S. 1228, 1231.

Erster T e i l

Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes A. Anationale Schiedssprüche I. Der Begriff der Anationalität 1. Anationalität I m Rahmen der vorliegenden Studie werden diejenigen Schiedssprüche als anational 1 bezeichnet, die in einem Verfahren ergehen, das nach dem Willen der Parteien keinem nationalen Recht unterliegen soll. 2 Die positive Ausfüllung des Begriffes der Anationalität, also die Frage, ob mit der Lösung vom nationalen Recht die Unterwerfung unter ein anationales Recht einhergeht, soll an dieser Stelle noch nicht erörtert werden; sie steht im Mittelpunkt des dritten Teils der Untersuchung. Es ist treffend angemerkt worden, daß anationale Schiedssprüche mehr Synonyme als case law hervorgebracht haben.3 So stößt man in der Rechtsprechung und der wissenschaftlichen Diskussion auf die Adjektive „delokali1 Der Begriff der Anationalität findet sich zur Beschreibung des hier dargestellten Phänomens zum ersten Mal bei J.P Niboyet, Traité de Droit International Privé Français, Tome V I (1950), S. 292 f. (§ 2145). 2 Siehe Société Européenne d'Etudes et d'Entreprises en liquidité volontaire v. Socialist Federal Republic of Yugoslavia, Höge Raad der Niederlande, 7.11.1975, abgedruckt in: G. Gaja (Hrsg.), International Commercial Arbitration: New York Convention (Stand: März 1989), V.35, S.%1, 3. Dort werden anationale Schiedssprüche definiert als „awards made by arbitrators which, as a consequence of the procedural rules adopted by the parties in their agreement, cannot be deemed to have been given according to the law of a particular country." Vgl. in diesem Sinne auch American Arbitration Association, Report on Delocalised Arbitration, Arb.J. 39 (1984), S. 58; A J. van den Berg , The New York Arbitration Convention of 1958 (1981), S. 29; A. Bucher , Zur Lokalisierung internationaler Schiedsgerichte in der Schweiz, in: P. Forstmoser/H. Giger/A. Heini /W.R. Schluep , Festschrift för Max Keller zum 65. Geburtstag (1989), S. 565, 572; M. Herdegen , Internationales Wirtschaftsrecht (2. Aufl. 1995), S. 98 f.; International Law Association/British Branch Committee on the Enforcement of International Arbitral Awards, Delocalised Arbitrations and the New York Convention (1982), S. 5,. 3

H. Holtzmann , Commentary, in: International Arbitration. 60 Years of ICC Arbitration - A Look at the Future, ICC-Publication No. 412 (1984), S. 361, 368.

1. Teil: Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

32

siert", 4 „denationalisiert", 5 „transnational", 6 „international", 7 „supranational" 8 und „staatenlos"9. Gerne wird darüber hinaus die Metapher des „freischwebenden Schiedsspruchs" (sentence flottante,

floating award)

10

benutzt. Der

Sprachgebrauch ist allerdings nicht einheitlich. Teilweise bezeichnen die genannten Begriffe auch mit dem Untersuchungsgegenstand verwandte Phänomene. 11 Der Begriff der Anationalität hat den Vorzug, daß er i m juristischen Sprachgebrauch noch weitgehend von anderen Inhalten unbesetzt ist. 12 U m 4 Siehe American Arbitration Association (Fn. 2), Arb. J. 39 (1984), S. 58; K.-H. Böckstiegel, Zu den Thesen von einer »delokalisierten4 internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, in: W. Jagenburg/G. Maier-Reimer/Th. Verhoven (Hrsg.), Festschrift für Walter Oppenhoff (1985), S. 1 ff.; International Law Association/British Branch Committee (Fn. 2); J. Paulsson, Délocalisation of International Commercial Arbitration: When and Why it Matters, ICLQ 32 (1983), S. 53 ff. 5 Siehe etwa A. Avanessian , The New York Convention and Denationalised Arbitral Awards, J. Int'l Arb. 8 No. 1 (1991), S. 5 ff. 6 M.J. Mus till, Transnational Arbitration in English Law, CLP 37 (1984), S. 133 ff.; dersInternational Arbitration in a Changing World, Arb. 60 (1994), S. 199, 203. Siehe auch Coppée-Lavalin v. Ken-Ren Chemicals Ltd., [1994] 2 All ER 449, 458 (per Lord Mustill). 7 Vgl. International Chamber of Commerce, Enforcement of International Arbitral Awards, IHK-Broschüre Nr. 174 (1953), S. 7. 8 A. Ernemann , Zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach § 1044 ZPO (1979), S. 91 ff. 9

A.J. van den Berg , Non-Domestic Arbitral Awards under the 1958 New York Convention, Arb. Int'l 2 (1986), S. 191, 211 ff. 10 Herdegen (Fn. 2), S. 99; F.E. Klein , Internationale Schiedsverfahren und nationale Rechtsordnungen, Schw.Jb.Int.R. 24 (1967), S. 87, 89. Siehe auch den berühmten Ausspruch Leo Raapes: „Das Schiedsgericht thront nicht über der Erde, es schwebt nicht in der Luft, es muß irgendwo landen, irgendwo ,erden*." (Internationales Privatrecht, 5. Aufl. 1961, S. 557.) 11 Als ,«floating arbitration" werden in der englischen Rechtsprechung auch Schiedsverfahren bezeichnet, bei denen einer der Parteien im Hinblick auf das Verfahrensstatut ein Optionsrecht eingeräumt worden ist, das erst im Streitfalle ausgeübt werden muß. Vgl. Star Shipping A.S. v. China National Foreign Trade Transportation Corporation, [1993] 2 Lloyd's Rep. 445, 449 (per Lloyd L.J.), 452 (per Steyn L.J.). Sofern das Verfahrensstatut bereits vor Ausübung des Optionsrechtes bestimmt werden muß, wird die Anknüpfung zunächst anhand objektiver Kriterien vorgenommen, vgl. L. Collins (Hrsg.), Dicey and Morris on The Conflict of Laws (12. Aufl. 1993), S. 1220 f. Siehe zum Begriff „supranational" unten Fn. 35, zu „internationalen" Schiedssprüchen sogleich unter Ziffer 3. Vgl. zu „transnationalem" Recht Ph. Jessup, Transnational Law (1956); C. Schmitthoff,\ Nature and Evolution of the Transnational Law of Commercial Transactions, in: C.-J. Cheng (Hrsg.), Clive M. Schmitthoffs Select Essays on International Trade Law (1988), S. 231 ff. Siehe schließlich zu „staatenlosen" Schiedssprüchen unten Teil 2, A. II. 2. a). 12

Beachte allerdings, daß A. Samuel, Jurisdictional Problems in International Commercial Arbitration (1989), S. 293 ff., den Begriff der Anationalität zur Bezeichnung von Schiedssprüchen benutzt, die zwar einem nationalen Recht unterliegen, nach diesem Recht

A. Anationale Schiedssprüche

33

der Klarheit willen sollen daher im folgenden die Schiedssprüche, die den Untersuchungsgegenstand bilden, ausschließlich als anational bezeichnet werden. 2. Nationalität Anationale Schiedssprüche haben keine Nationalität. Nationalität wird demnach hier als kollisionsrechtliche Verknüpfung des Schiedsverfahrens und des Schiedsspruches mit einem nationalen Recht verstanden. Die Qualifikation eines Schiedsverfahrens oder Schiedsspruches als inländisch oder ausländisch bestimmt sich also nach dem Schiedsverfahrensstatut. Dies hat auch für diejenigen Rechtsordnungen Gültigkeit, die die Nationalität nach dem Sitz des Schiedsgerichtes bestimmen,13 da dort das Verfahrensstatut stets an den Sitz angeknüpft wird und daher verkürzt Nationalität und Sitz gleichgesetzt werden können. Der Begriff der Nationalität wird in der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit nicht einheitlich benutzt. Das New Yorker Übereinkommen [NYÜ] 1 4 etwa bezeichnet in seiner Überschrift alle in seinen Anwendungsbereich fallenden Schiedssprüche als „ausländisch". Die Anknüpfungspunkte für den Anwendungsbereich des Übereinkommens in Art. I Abs. 1 N Y Ü und für das anwendbare Verfahrensrecht in Art. V Abs. 1 lit. d) N Y Ü müssen jedoch nicht immer in denselben Staat verweisen. So erging beispielsweise in Hiscox v. Outhwaite 15 ein Schiedsspruch in Frankreich nach englischem Recht. Obwohl der Schiedsspruch vom englischen Recht beherrscht wurde, und somit im Sinne der hier verwendeten Definition inländisch war, fiel er gemäß Art. I Abs. 1 Satz 1 NYTJ in den Anwendungsbereich des Übereinkommens.16 3. Internationalität Schließlich stößt man in der privaten Schiedsgerichtsbarkeit auch auf das Begriffspaar „national" und „international". Ein Schiedsverfahren ist international, wenn es einen Auslandsbezug aufweist, national, wenn alle Anknüpaber nicht aufgehoben werden. Vgl. auch Channel Tunnel Group v. Balfour struction. [1993] 2 W.L.R. 262, 291 (per Lord Mustill).

Beatty Con-

13 Siehe zu den verschiedenen Anknüpfungspunkten für die Bestimmung des Verfahrensstatuts unten Teil 2, A. II. 2. b). 14

Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.5.1958, BGBl. 1961 II, S. 122 ff. 15

[1991] 3 W.L.R. 297.

16

Siehe zu den Einzelheiten dieses Falles Th. Rensmann, Wo ergehen Schiedssprüche nach dem New Yorker Übereinkommen?, RIW 1991, S. 911 ff. 3 Rensmann

34

1. Teil: Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

fungspunkte' ins Inland verweisen.17 In diesem Sinne wird in der vorliegenden Untersuchung der Begriff der „internationalen" privaten Schiedsgerichtsbarkeit verwendet. Die Qualität der für die Internationalität erforderlichen Auslandsberührung hängt dabei vom jeweiligen Normzusammenhang ab.18 Anknüpfungspunkt für den Auslandsbezug sind entweder der Streitgegenstand des Schiedsverfahrens 19 oder die Staatsangehörigkeit bzw. der (Wohn-)Sitz der Verfahrensparteien. 20 Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit bildet nach klassischem Verständnis wie das internationale Privat- und Prozeßrecht in erster Linie die Summe der Kollisionsnormen, die die einzelnen Phasen des Schiedsverfahrens bestimmten nationalen Rechtsordnungen zuweisen.21 Eine Reihe moderner Kodifikationen haben aber darüber hinaus für „internationale" Schiedsverfahren materielle Sonderregelungen getroffen, die Schiedsverfahren mit Auslandsbezug einem liberaleren Regime unterstellen als „nationale" Verfahren. 22 Sowohl das „nationale" als auch das „internationale" Schiedsverfahren unterliegen jedoch aus der Perspektive dieser Rechtsordnungen jeweils dem inländischen Recht.23 „Internationale" Schiedsverfahren sind 17 Vgl. etwa A. Redfern /M. Hunter, Law and Practice of International Commercial Arbitration (2. Aufl. 1991), S. 14 ff.; P. Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit (2. Aufl. 1989), Rdnr. 37 ff.; ders., Das Internationale an der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, RIW 1982, S. 857 ff. 18

Siehe den Überblick bei Redfern /Hunter Rdnr. 37 ff.

(Fn. 17), S. 14 ff. und Schlosser (Fn. 17),

19 Art. 1 Abs. 3 lit. b) (ii) UNCITRAL-Model Law on International Commercial Arbitration [UNCITRAL-ML] (as adopted by the United Nations Commission on International Trade Law on 21 June 1985), Report of the United Nations Commission on International Trade Law on the work of its eighteenth session, U.N. Dok. A/ 40/17, Annex I, S. 81 ff.; Art. 1492 des französischen Nouveau code de procédure civile [NCPC] (Dekret Nr. 81-500 vom 12.5.1981), abgedruckt in: K.-H. Böckstiegel (Hrsg.), Schiedsgerichtsbarkeit in Frankreich (1983), S. 103 ff. 20

Siehe Art. 1 Abs. 3 lit. a) UNCITRAL-ML; Art. 176 Abs. 1 Schweizer Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht [IPR-G] vom 18.12.1987 (in Kraft getreten am 1.1.1989), abgedruckt in: K.-H. Böckstiegel (Hrsg.), Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz (II) (1989), S. 199 ff.; Art. 1717 Abs. 4 des belgischen Code Judiciaire, abgedruckt in Rev. arb. 1985, S. 463. 21

Schlosser (Fn. 17), RIW 1982, S. 857.

22

Siehe etwa das UNCITRAL-Modellgesetz; Art. 1492 ff. des französischen NCPC; Art. 176 ff. Schweizer IPR-G. Das deutsche Reformvorhaben will nach dem Vorbild der neuen niederländischen Zivilprozeßordnung diesem Ansatz nicht folgen und ein einheitliches Regime fur nationale und internationale Schiedsverfahren schaffen, vgl. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Kommission zur Neuordnung des Schiedsverfahrensrechts, Bericht mit einem Diskussionsentwurf zur Neufassung des Zehnten Buchs der ZPO (1994), S. 11 ff. Siehe auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 211 / 96, 22.3.1996, S. 81 ff. 23

Vgl. Art. 1 Abs. 2 UNCITRAL-ML; Art. 176 Abs. 1 Schweizer IPR-G. Für das fran-

A. Anationale Schiedssprüche

35

also in diesem Sinne lediglich eine besondere Kategorie inländischer Schiedsverfahren, für die die Kontrolldichte des nationalen Rechts reduziert worden ist.

I I . Der Begriff des Schiedsspruches in der völkerrechtlichen und internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit 1. Schiedsspruch Sowohl das Völkerrecht als auch die staatlichen Schiedsverfahrensrechte verstehen unter einem Schiedsspruch die endgültige und verbindliche Entscheidung eines Rechtsstreits durch einen Spruchkörper, der seine Entscheidungsbefugnis aus einer Vereinbarung zwischen den Verfahrensparteien ableitet.24 Die kompetenzbegründende Parteivereinbarung unterscheidet Schiedssprüche von Entscheidungen staatlicher Gerichte.25 Die Verbindlichkeit der Entscheidung bildet das Abgrenzungskriterium zwischen Schieds- und Vermittlungs- bzw. Vergleichsverfahren. 26 Im Unterschied zu Schiedsgutachten erledigen Schiedssprüche den Rechtsstreit endgültig.27 Schiedsgutachten beschränken sich darüber hinaus häufig wie völkerrechtliche Untersuchungsverfahren 28 auf tatsächliche Streitfragen, 29 so daß sie wegen des Fehlens eines „Rechtsstreits nicht als Schiedsspruch qualifiziert werden können. zösische Recht folgt dies aus Art. 1504 i.V.m. 1502 NCPC, siehe dazu unten Teil 2, A.II.2. a)xc).(l). 24 Vgl. zum Völkerrecht Art. 15 [Haager] Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle, 29.7.1899, RGBl. 1901, S. 393 ff. und den wortgleichen Art. 37 [Haager] Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfalle, 18.10.1907, RGBl. 1910, S. 5 ff.: „Die internationale Schiedssprechung hat zum Gegenstande die Erledigung von Streitigkeiten zwischen den Staaten durch Richter ihrer Wahl auf Grund der Achtung vor dem Rechte." Siehe zur internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit rechtsvergleichend van den Berg (Fn. 2), S. 44; Redfern /Hunter (Fn. 17), S. 2 ff.; Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 8 ff. 25

Vgl. Ernemann (Fn. 8), S. 8 f.; Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 8 ff.

26

Siehe zum Völkerrecht R.L. Bindschedler, Conciliation and Mediation, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Vol. I (1992), S. 721 ff. Vgl. zur internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit Redfern /Hunter (Fn. 17), S. 26 ff. Vermittlungs- und Vergleichsverfahren gewinnen als Alternative zur internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit in letzter Zeit unter dem Schlagwort „Alternative Dispute Resolution (ADR)" zunehmend an Popularität, siehe Redfern/Hunter, a.a.O. 27 Siehe zur Abgrenzung von Schiedssprüchen und -gutachten rechtsvergleichend K.P. Berger, International Economic Arbitration (1993), S. 73 ff.; U. Haas, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche (1991), S. 135 f.; Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 19 ff. 28

Siehe dazu K.-J. Partsch, Fact-Finding and Inquiry, in: Bernhardt (1995), S. 343 ff.



(Fn. 26), Vol. II

36

1. Teil: Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

Besonderer Erörterung bedarf im Rahmen der vorliegenden Untersuchung die Frage, ob auch Urteile internationaler Gerichte und Entscheidungen in obligationenrechtlichen Verfahren unter den Begriff des „anationalen Schiedsspruches" gefaßt werden können. 2. Urteile internationaler Gerichte Staatliche Gerichte sprechen im Gegensatz zu Schiedsgerichten kraft staatlicher Justizhoheit ex lege Recht.30 Streiterledigung in zwischenstaatlichen Verfahren hat dagegen immer eine konsensuale Basis.31 Trotzdem ist im Völkerrecht die Unterscheidung zwischen internationaler Gerichtsbarkeit und internationaler Schiedsgerichtsbarkeit üblich.32 Gleichzeitig ist man sich im völkerrechtlichen Schrifttum aber einig, daß die Übergänge zwischen beiden Kategorien fließend sind.33 Unterscheidungskriterien sind im wesentlichen der Grad der Institutionalisierung und der Einfluß der Parteien auf die Zusammensetzung des Spruchkörpers und das Verfahren. 34 Wegen ihrer konsensualen Grundlegung sollen Entscheidungen internationaler Gerichte nicht von vornherein aus der vorliegenden Untersuchung ausgeschlossen werden. Es soll vielmehr in jedem Einzelfall überprüft werden, ob das konsensuale Element noch ausreichend stark ausgeprägt ist, um aus der Sicht des nationalen Rechts eine Analogie zu ausländischen oder privaten anationalen Schiedssprüchen zu rechtfertigen. Für die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs gelten wegen des supranationalen Charakters der Europäischen Gemeinschaften besondere Erwägungen.35 Sie finden daher in der vorliegenden Untersuchung keine Berücksichtigung.

29

Siehe Berger (Fn. 27), S. 73 f.; Haas (Fn. 27), S. 135.

30

Siehe oben Fn. 25.

31

Vgl. etwa H.-J. Hallier, Völkerrechtliche Schiedsinstanzen für Einzelpersonen und ihr Verhältnis zur innerstaatlichen Gerichtsbarkeit (1962), S. 11; N. Wühler, Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der völkerrechtlichen Praxis der Bundesrepublik Deutschland (1985), S. 4. 32 Vgl. H. von Mangold^ Die Schiedsgerichtsbarkeit als Mittel internationaler Streitschlichtung (1974), S. 13 ff.; H. Mosler, Das Grundgesetz und die internationale Streitschlichtung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. V I I (1992), § 179 Rdnr. 12 ff.; Wühler (Fn. 31), S. 17 ff. 33 K.-H. Böckstiegel, Internationale Streiterledigung vor neuen Herausforderungen, in: U. Beyerlin u.a. (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung: Völkerrecht, Europarecht, Staatsrecht. Festschrift für Rudolf Bernhardt (1995), S. 671, 672 f.; Hallier (Fn. 31), S. 10 f.; Mosler (Fn. 32), Rdnr. 16; Wühler (Fn. 31), S. 17. 34 35

Mosler (Fn. 32), Rdnr. 17.

Vgl. dazu etwa P. Karpenstein, in: E. Grabitz /M. Hilf Kommentar zur Europäischen Union (Stand: Oktober 1995), Art. 171 EGV Rdnr. 8 ff.; E. Grabitz, ebenda, Art. 187 und Art. 192 EGV Rdnr. 6.

A. Anationale Schiedssprüche

37

3. Entscheidungen in obligationenrechtlichen Verfahren Für den Bereich der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit hat die Abgrenzung von anationalen Schiedsverfahren zu obligationenrechtlichen Verfahrensgestaltungen besondere Bedeutung, da diese im Ergebnis ebenfalls zu einer weitgehenden Entnationalisierung des Streitbeilegungsverfahrens fuhren. 36 Bei obligationenrechtlichen „Schiedsverfahren" handelt es sich um eine schuldrechtlich wirkende Form privater Streitschlichtung.37 Sie hat sich vor allen Dingen in denjenigen Rechtsordnungen herausgebildet, die sehr strenge Anforderungen an die staatlich normierte Schiedsgerichtsbarkeit gestellt haben. Die bekanntesten Beispiele bilden der italienische „arbitrato irrituale"38 und der niederländische „bindend advies".39 In obligationenrechtlichen Verfahren beauftragen die Parteien im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit einen Dritten mit der Entscheidung eines Rechtsstreites. Wie bei einem Schiedsverfahren soll dabei der Rechtsstreit in seiner Gesamtheit entschieden werden.40 Innerhalb der Grenzen der Privatautonomie können die Parteien das Verfahren weitgehend41 frei ausgestalten. Im Unterschied zum Schiedsspruch stellt die obligationenrechtliche Streitentscheidung keinen vollstreckbaren Titel, sondern lediglich einen klagbaren Anspruch dar. Zur Vollstreckung der Entscheidung bedarf es also einer actio ex contractu. 42 Die Abgrenzung zwischen Schiedsverfahren und obligationenrechtlichen Verfahren bestimmt sich danach, ob die Streitentscheidung nach dem Willen der Verfahrensparteien die prozessualen Wirkungen eines Schiedsspruches haben sollte oder nicht.43

36 Vgl. J. Gentinetta, Die Lex Fori internationaler Handelsschiedsgerichte (1973), S. 130 ff.; Klein (Fn. 10), Schw.Jb.Int.R. 24 (1967), S. 101 f. 37

Vgl. Berger (Fn. 27), S. 73 f.; Haas (Fn. 27), S. 136 ff.; Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 27.

38

Siehe dazu Haas (Fn. 27), S. 136 ff.; Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 27. Nach dem Inkrafttreten des neuen italienischen Schiedsverfahrensrechts am 17.4.1994 hat der „arbitrato irrituale" fur die internationale private Schiedsgerichtsbarkeit in Italien keine Bedeutung mehr, vgl. P. Bernardini, L'arbitrage en Italie après la récente réforme, Rev.arb. 1994, S. 479, 482. 39

Siehe dazu ausfuhrlich Berger (Fn. 27), S. 74 ff.

40

Berger (Fn. 27), S. 74. Darin unterscheidet sich das obligationenrechtliche Verfahren im hier beschriebenen Sinne von einem Schiedsgutachten, das nur mit tatsächlichen oder rechtlichen Teilaspekten eines Rechtsstreits befaßt ist. 41 Siehe zu den Grenzen der Verfahrensausgestaltungsfreiheit Berger (Fn. 27), S. 76; Haas (Fn. 27), S. 137; Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 27. 42

Siehe etwa Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 27. Vgl. zur Frage, ob Entscheidungen aus einem arbitrato irrituale in den Anwendungsbereich des New Yorker Übereinkommens fallen Haas (Fn. 27), S. 138; Schlosser, a.a.O., Rdnr. 766, je m.w.N. 43

Berger (Fn. 27), S. 73 f.; Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 27.

38

1. Teil: Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes

B. Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht I. Externe Perspektive Bei der Zuordnung eines Schiedsverfahrens zu einer bestimmten nationalen oder anationalen Rechtsordnung muß man sich stets über die Perspektive Rechenschaft ablegen. Die Bestimmung des Schiedsverfahrensstatuts folgt aus der internen Sicht des Schiedsgerichts anderen Regeln als aus der externen Warte des staatlichen Richters.44 Im Mittelpunkt der vorliegenden Abhandlung stehen die Wirkungen anationaler Schiedssprüche aus der Perspektive staatlicher Richter und Vollstreckungsorgane. Die auch gelegentlich mit dem Begriff „Anationalität" in Verbindung gebrachte Frage, ob die Schiedsrichter das Kollisions-45 und Verfahrensrecht 46 eines bestimmten Staates zu befolgen haben, ob es einen ordre public réellement international gibt47 und das damit im Zusammenhang stehende Problem der lex fori des Schiedsgerichtes48 werden hier nur insofern berührt, als sie Rückwirkungen auf die externe Perspektive haben.

II. „Nationalisierung 44 des anationalen Schiedsspruchs Die Beschäftigung mit den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht beruht auf der Annahme, daß auch das anationale Schiedsverfahren schließlich die Hilfe staatlicher Gerichte und Vollstreckungsorgane in Anspruch nehmen wird, da nicht-staatliche Sanktionen49 dem Schiedsverfah44 D. Caron, The Nature of the Iran-United States Claims Tribunal and the Evolving Structure of International Dispute Resolution, AJIL 84 (1990), S. 104, 108 ff.; M. Herdegen, Wirkungen von Schiedssprüchen in Streitigkeiten zwischen Privatpersonen und fremden Staaten, RIW 1989, S. 329; B. von Hoffmann, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit: Die Bestimmung des maßgeblichen Rechts (1970), S. 18 f.; Mustill (Fn. 6), CLP 37 (1984), S. 142 f.; Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 207 ff. 45 Siehe dazu etwa H.A. Grigera Naôn, Choice-of-law Problems in International Commercial Arbitration (1992), S. 39 ff.; Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 726. 46 Vgl. etwa O. Sandrock, Welche Verfahrensregeln hat ein Internationales Schiedsgericht zu befolgen?, in: A. Plantey/K.-H. Böckstiegel/J. Bredow (Hrsg.), Festschrift für Ottoarndt Glossner zum 70. Geburtstag (1994), S. 281 ff.; Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 446. 47 Hierzu etwa E. Gaillard , Trente ans de Lex Mercatoria: Pour une application sélective de la méthode des principes généraux du droit, Clunet 122 (1995), S. 5, 20 f. 48 Siehe zur Frage, ob private internationale Schiedsgerichte eine lex fori haben Gaillard (Fn. 47), Clunet 122 (1995), S. 8 f.; Gentinetta (Fn. 36), S. 83 ff.; Schlosser (Fn. 17), Rdnr. 726. 49 Hierzu unten Teil 3, B.I.l. und 5.a). Vgl. zur beschränkten Effektivität völkerrechtlicher Sanktionen Teil 2, B.II.

B. Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht

39

ren, sobald eine der Parteien die Kooperation verweigert, nur begrenzte Effektivität verleihen können. In diesem Sinne sind anationale Schiedssprüche, sobald sie vor ein nationales Forum gelangen, nicht (mehr) völlig vom staatlichen Recht gelöst, da sie nunmehr den Tatbestandsvoraussetzungen der lex fori für das Einschreiten ihrer Gerichte und Vollstreckungsorgane unterliegen. Mit der Inanspruchnahme staatlicher Gerichte geht also eine gewisse „Nationalisierung" des Schiedsverfahrens einher.50

I I I . Beschränkung auf den Zeitpunkt nach Erlaß des Schiedsspruches Schiedsverfahren können auch bereits vor Erlaß des Schiedsspruches mit staatlichen Gerichten in Berührung kommen. Nationale Gerichte unterstützen die Schiedsverfahrensparteien zum Beispiel bei der Ernennung von Schiedsrichtern, gewähren vorläufigen Rechtsschutz oder helfen bei der Sachverhaltsaufklärung. Obwohl viele Rechtsordnungen von einem Gleichlauf des Schiedsverfahrensstatuts mit der internationalen Unterstützungszuständigkeit staatlicher Gerichte ausgehen,51 muß mit der Lösung des Schiedsverfahrens vom nationalen Recht nicht unbedingt der Verzicht auf sämtliche Hilfsmaßnahmen nationaler Gerichte während des Schiedsverfahrens einhergehen. Auch bei anationalen Schiedsverfahren sind also schon vor Erlaß des Schiedsspruches Berührungspunkte mit nationalen Rechtsordnungen vorstellbar. 52 Die vorliegende Untersuchung möchte sich jedoch exemplarisch auf die Schnittstellen zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit nach der Ausfertigung des Schiedsspruches konzentrieren, da die Aufhebbarkeit sowie die Anerkennungs- und Vollstreckungsfahigkeit eines Schiedsspruches den entscheidenden Test für die Effektivität des Schiedsverfahrens darstellt.

50

Vgl. Gentinetta (Fn. 36), S. 212 ff.

51

Siehe unten Teil 2, A.II.l.b).

52

Siehe unten Teil 2, A.II.l.b) und c).

Zweiter Teil

Schiedsverfahren und nationales Recht Möglichkeiten und Grenzen anationaler Schiedsverfahren lassen sich nur erfassen, wenn das Zusammenspiel zwischen Schiedsverfahren und nationalem Recht näher beleuchtet wird. Wegen der unterschiedlichen Ausgangspunkte für die Bestimmung des Verhältnisses zum nationalen Recht sollen dabei die internationale private und die völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit gesondert untersucht werden.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit I. Die für das Schiedsverfahren maßgeblichen Rechtsordnungen Anationale Schiedssprüche unterscheiden sich von anderen internationalen privaten Schiedssprüchen dadurch, daß sie in einem Schiedsverfahren ergangen sind, das nach dem Willen der Parteien keinem nationalen Recht unterliegt.1 Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht also das das Schiedsverfahren beherrschende Recht (Schiedsverfahrensstatut, lex arbitri) 2. Daneben können aber eine Vielzahl von Rechtsordnungen gleichsam von außen3 an das Schiedsverfahren herantreten. Ein internationales privates Schiedsverfahren ist in allen Verfahrenslagen auf die Unterstützung durch staatliche Gerichte angewiesen.4 Sobald die Hilfe 1

Siehe oben Teil 1, A.I.l.

2

Dieser Begriff wurde von F.A. Mann, Lex Facit Arbitrum, in: P. Sanders (Hrsg.), International Arbitration. Liber Amicorum for Martin Domke (1967), S. 157 ff., geprägt. 3

Lord Mustill spricht anschaulich von „externer Anwendung" staatlichen Schiedsverfahrensrechtes, wenn die Gerichte außerhalb des Staates, dessen Recht das Schiedsverfahren untersteht, unterstützend in das Schiedsverfahren eingreifen, Channel Tunnel Group v. Balfour Beatty Construction, [1993] 2 W.L.R. 262, 281 f. 4 Siehe die Übersicht bei W. Kühn, Die Bedeutung der Gerichte bei der Durchfuhrung von Schiedsverfahren, in: K.-H. Böckstiegel (Hrsg.), Schiedsgerichtsbarkeit im Umfeld von Politik, Wirtschaft und Gerichtsbarkeit (1992), S. 65 ff.; P Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit (2. Aufl. 1989), Rdnr. 586 ff.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

41

nationaler Gerichte in Anspruch genommen wird, unterliegt das Schiedsverfahren den Tatbestandsvoraussetzungen der lex fori

für das Einschreiten des

angerufenen Gerichts. Wird die Unterstützung von Gerichten außerhalb des Staates begehrt, dessen Recht das Schiedsverfahren unterworfen ist, muß neben der lex arbitri jeweils auch das Recht des Forums berücksichtigt werden. 5 Obwohl die Hilfsfunktionen während des Schiedsverfahrens typischerweise von den Gerichten des Staates ausgeübt werden, dessen Recht das Schiedsverfahren beherrscht, 6 kann es auch bereits vor Erlaß des Schiedsspruches zu einem Auseinanderfallen von Schiedsverfahrensstatut und lex fori

kommen.

So können zum Beispiel Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes7 oder Anordnungen zur Beschaffung von Beweismaterial 8 von Gerichten außerhalb des Schiedsverfahrensstaates erlassen werden. 9 5 Siehe etwa im Hinblick auf die Anerkennung und Vollstreckung Art. V Abs. 2 lit. b) [New Yorker] Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.5.1958, BGBl. 1961 II, S. 122 ff. 6

Siehe unten Il.l.b).

7

Siehe zum gegenwärtigen deutschen Recht Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 418. Nach dem Reformentwurf der Bundesregierung (BR-Drs. 211/96, 22.3.1996) [ZPO-E] ergibt sich die Zuständigkeit fur ausländische Schiedsverfahren aus §§ 1025 Abs. 2 i.V.m. 1033 ZPO-E. Siehe auch Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 UNCITRAL-Model Law on International Commercial Arbitration [UNCITRAL-ML] (as adopted by the United Nations Commission on International Trade Law on 21 June 1985), Report of the United Nations Commission on International Trade on the work of its eighteenth session, U.N. Dok. A/ 40/17, Annex I, S. 81 ff.; Art. 1074 Abs. 2 der niederländischen Zivilprozeßordnung, abgedruckt in: K.P. Berger, International Economic Arbitration (1993), S. 887 ff. Auch in England ist nunmehr anerkannt, daß englische Gerichte in ausländischen Schiedsverfahren einstweiligen Rechtsschutz gewähren können, siehe Channel Tunnel Group v. Balfour Beatty Construction , [1993] 2 W.L.R. 262. 8 Vgl. zum gegenwärtigen deutschen Recht § 1036 ZPO. Siehe zur umstrittenen Anwendbarkeit auf ausländische Schiedsverfahren A. Saathoff,\ Möglichkeiten und Verfahren gerichtlicher Hilfe bei der Beweisaufnahme zugunsten fremdnationaler Handelsschiedsgerichtsverfahren mit internationaler Beteiligung (1987), S. 89 ff.; P. Schlosser, in: F. Stein/M. Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung (21. Auflage 1994), § 1036 Rdnr. 12. Der Reformentwurf (Fn. 7) sieht nunmehr ausdrücklich die Möglichkeit der gerichtlichen Hilfe bei der Beweisaufnahme für ausländische Schiedsverfahren vor, vgl. §§ 1025 Abs. 2 i.V.m. 1050 ZPO-E. Siehe zum Recht der Vereinigten Staaten 28 U.S.C. § 1782: „The district court for the district in which a person resides or is found may order him to give testimony or statement or to produce a document or other thing for use in a foreign or international tribunal." „Tribunal" wird dabei auch im Sinne eines internationalen privaten Schiedsgerichtes verstanden, vgl. Application of Technostroyexport, 853 F.Supp. 695 (S.D.N.Y. 1994) 695, 697; Saathoff,\ a.a.O., S. 52 ff.; P. Schlosser, Unterstützung und Kontrolle der Schiedsgerichte durch staatliche Gerichte ausgewählter Länder, in: K.-H. Böckstiegel (Hrsg.), Schiedsgerichtsbarkeit im Umfeld von Politik, Wirtschaft und Gerichtsbarkeit (1992), S. 51, 63; H. Smit, A-National Arbitration, Tulane Law Review 63 (1989), S. 629, 639. 9

§§ 1025 i.V.m 1050 des Reformentwurfes (Fn. 7) regeln, daß deutsche Gerichte bei

42

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

I I . Das Schiedsverfahrensstatut 1. Funktionen des Schiedsverfahrensstatuts Die Verknüpfung des Schiedsverfahrens und des Schiedsspruches mit einem bestimmten nationalen Recht hat aus der Sicht des staatlichen Richters zwei Funktionen: Zum einen gibt das Schiedsverfahrensstatut dem entscheidenden Richter einen Bestand an zwingenden und dispositiven Normen als Entscheidungsmaßstab an die Hand. Zum anderen hängt von der Zuordnung des Schiedsverfahrens zu einer bestimmten Rechtsordnung die internationale Zuständigkeit für die Wahrnehmung der Hilfs- und Kontrollfunktionen durch staatliche Gerichte ab. a) Bewertungsmaßstab für das Schiedsverfahren Das Schiedsverfahrensstatut dient dem entscheidenden Gericht als Bewertungsmaßstab für das Schiedsverfahren und den daraus resultierenden Schiedsspruch. Der deutsche Richter zum Beispiel beurteilt gemäß § 1044 ZPO nach dem für das Schiedsverfahren geltenden Recht, ob der Schiedsspruch verbindlich und rechtswirksam geworden ist.10 Die dispositiven Normen des Schiedsverfahrensstatutes haben dabei die Aufgabe, Lücken in der Parteivereinbarung zu schließen.11 Die zwingenden Normen des auf das Verfahren anwendbaren Rechtes sollen die Wahrung grundlegender Individualund Gemeinschaftsinteressen sicherstellen.12 b) Abgrenzung der Unterstützungs- und Kontrollzuständigkeit staatlicher Gerichte Die meisten nationalen Rechtsordnungen gehen davon aus, daß die Kompetenz staatlicher Gerichte zur Unterstützung und Kontrolle von Schiedsver-

ausländischen Schiedsverfahren auch zur „Vornahme sonstiger richterlicher Handlungen, zu denen das Schiedsgericht nicht befugt ist", ermächtigt sind. 10

§ 1044 ZPO: „Ein ausländischer Schiedsspruch, der nach dem fiir ihn maßgeblichen Recht verbindlich geworden ist, wird, soweit nicht Staatsverträge ein anderes bestimmen, in dem für inländische Schiedssprüche vorgeschriebenen Verfahren für vollstreckbar erklärt. ... Der Antrag aus Vollstreckbarerklärung ist abzulehnen: 1. wenn der Schiedsspruch rechtswirksam ist; fiir die Rechtswirksamkeit des Schiedsspruches ist, soweit nicht Staatsverträge ein anderes bestimmen, das für das Schiedsverfahren geltende Recht maßgebend. ..[Hervorhebungen vom Verfasser.] 11 Siehe First Secretariat Note: Possible Features of a Model Law, U.N. Dok. A/CN.9/ 207 (14.5.1981), Rdnr. 13, 18. 12

Ebenda, Rdnr. 19.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

43

fahren außer bei der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches grundsätzlich parallel zum Schiedsverfahrensstatut läuft. 13 Dieser Gleichlauf ist allerdings nicht zwingend. Er wird etwa beim vorläufigen Rechtsschutz und bei der Beschaffung von Beweismitteln durchbrochen.14 Für die übrigen Hilfsfunktionen vor Erlaß des Schiedsspruches kann aber festgestellt werden, daß staatliche Gerichte in der Praxis nur in inländische Schiedsverfahren helfend eingreifen. 15 Die Parallelität von Schiedsverfahrensstatut und internationaler Zuständigkeit gilt auch für die Aufhebung des Schiedsspruches.16 c) Konsequenzen für anationale Schiedsverfahren Für anationale Schiedsverfahren können aus der vorangehenden Skizzierung der Funktionen des Schiedsverfahrensstatutes folgende Schlußfolgerungen gezogen werden: Wird ein Schiedsverfahren nach dem Willen der Parteien von keinem nationalen Recht beherrscht, werden staatliche Gerichte - sofern sie die Anationalität anerkennen17 - den Ablauf des Schiedsverfahrens in der Regel weder unterstützen und kontrollieren noch den resultierenden Schiedsspruch aufheben. Ausnahmen gelten unter Umständen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und bei der Beschaffung von Beweismitteln. Sofern staatlichen Gerichten die Kompetenz zur Unterstützung nicht-inländischer Schiedsverfahren zukommt, also insbesondere bei der Anerkennung 13

Siehe rechtsvergleichend Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 593; ders. (Fn. 8), S. 62.

14

Siehe oben Fn. 7 ff.

15

Vgl. Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 UNCITRAL-ML; Art. 1025 Abs. 1 i.V.m. 1025 Abs. 2 ZPO-E; Art. 1073 Abs. 1 i.V.m. Art. 1074 niederländische ZPO. Das Schweizer Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht [IPR-G] vom 18.12.1987 [(in Kraft getreten am 1.1.1989), abgedruckt in: K.-H. Böckstiegel (Hrsg.), Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz (II) (1989), S. 199 ff.] hält strikt an dem Prinzip des Gleichlaufs von internationaler Zuständigkeit zur gerichtlichen Hilfeleistung und Schiedsverfahrensstatut fest, siehe Art. 176 Abs. 1 i.V.m. Art. 179 Abs. 2, 180 Abs. 3, 183 Abs. 2, 184 Abs. 2, 185 IPR-G. Vgl. zum französischen Recht Les Silos du Sud-Ouest S.A. c. Société des Engrais du Bénin S.E.B., Tribunal de Grande Instance de Paris, 11.5.1987, Rev. arb. 1988, 699, 701 f. (Ablehnung des Antrages auf Ernennung eines Schiedsrichters fur ein Verfahren, das nicht in Frankreich stattfinden und nicht französischem Recht unterliegen sollte). 16

Siehe §§ 1041, 1044 Abs. 3 ZPO; §§ 1025 Abs. 1 i.V.m. 1059 ZPO-E; Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 34 UNCITRAL-ML; Art. 1073 Abs. 1 i.V.m. Art. 1064 ff. niederländische ZPO; Art. 176 Abs. 1 i.V.m. Art. 190 Abs. 2 und 191 Schweizer IPR-G. Vgl. auch rechtsvergleichend Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 757. 17 Staatliche Gericht können die Frage der Anationalität in vielen Fällen offenlassen, da sie nur feststellen müssen, daß das Schiedsverfahren nicht inländisch ist, um ihre Zuständigkeit abzulehnen. Siehe ausfuhrlich unten Teil 4, A.I.l.

44

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

und Vollstreckung des Schiedsspruches, fehlt dem entscheidenden Richter bei einem anationalen Schiedsverfahren ein staatliches Recht als Maßstab fur die Verbindlichkeit und Rechtswirksamkeit des Verfahrens sowie des resultierenden Schiedsspruches. Die meisten Rechtsordnungen setzen aber für das Einschreiten ihrer Gerichte voraus, daß das Schiedsverfahren und der Schiedsspruch an dem für sie „maßgebenden Recht"18 gemessen werden müssen.19 Bereits an dieser Stelle kann daher festgestellt werden, daß die Parteien eines anationalen Schiedsverfahrens in der Regel nur dann mit der Hilfestellung staatlicher Gerichte rechnen können, wenn sie mit der Abwahl nationalen Rechts die Wahl eines anationalen Rechts verbunden haben.20 Sofern die Unterstützungsmaßnahmen für „nicht-inländische" Schiedsverfahren im gerichtlichen Ermessen stehen, kann die Hilfeleistung im Einzelfall aufgrund des anationalen Charakters des Schiedsverfahrens verwehrt werden. Ein aufschlußreiches Beispiel bildet die Entscheidung des englischen House of Lords in Channel Tunnel Group v. Balfour Beatty? x In diesem Fall beantragte die Channel Tunnel Group vor englischen Gerichten den Erlaß einer einstweiligen Verfügung im Zusammenhang mit einem zwischen den Verfahrensparteien vereinbarten Schiedsverfahren, das in Brüssel nach der Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer stattfinden sollte. Zwar kam Lord Mustill zu dem Ergebnis, daß das Schiedsverfahren vom belgischen Recht beherrscht wurde und damit nicht anational im Sinne der in dieser Untersuchung zugrunde gelegten Definition war. Aufgrund des in der Schiedsvereinbarung erkennbaren Bemühens der Parteien, das Schiedsverfahren soweit wie möglich vom nationalen Recht zu lösen, lehnte Lord Mustill aber die im Ermessen englischer Gerichte stehende Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab. Die folgenden Ausführungen Lord Mustills haben mutatis mutandis auch für anationale Schiedsverfahren im eigentlichen Sinne Gültigkeit:22 „The parties chose an indeterminate 'law* to govern their substantive rights; an elaborate process for ascertaining those rights; and a location for that process outside the territories of the participants. This conspicuously neutral, 'anational' and extra-judicial structure may well have been the right choice for the special needs of the Channel Tunnel venture. But whether it was right or wrong, it is the choice which the parties have made. The appellants now regret that choice. ... [T]hey 18

Vgl. § 1044 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

19

Siehe dazu eingehend unten Teil 3, A.

20

Vgl. ausfuhrlich unten Teil 3, A.IV.

21 [1993] 2 W.L.R. 262. Hierzu E. Jayme, BOT-Projekte: Probleme der Rechtswahl, in: E Nicklisch (Hrsg.), Rechtsfragen privatfinanzierter Projekte. Nationale und internationale BOT-Projekte (1994), S. 65 ff. 22 Siehe zur Auswirkung der Vereinbarung eines anationalen Schiedsverfahrens im hier verwendeten Sinne auf die Ermessenserwägungen bei gerichtlichen Unterstützungshandlungen M. Mustill/S. Boyd, Commercial Arbitration (2. Aufl. 1989), S. 67 f.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

45

now wish to obtain far reaching relief through the judicial means which they have been so scrupulous to exclude. Notwithstanding that the court can and should in the right case provide reinforcement for the arbitral process by granting interim relief I am quite satisfied that this is not such a case, and that to order an injunction here would be to act contrary both to the general tenor of the construction contract and to the spirit of international arbitration." 23

2. Bestimmung des Schiedsverfahrensstatuts a) Relativität des Schiedsverfahrensstatuts Das auf das Schiedsverfahren anwendbare Recht bestimmt sich nach der lex fori des jeweils angerufenen staatlichen Gerichtes.24 Wegen der verschiedenen Anknüpfungspunkte fur die Bestimmung des Schiedsverfahrensstatutes ist es daher möglich, daß ein Schiedsverfahren von mehr als einem Staat als inländisch qualifiziert wird. Findet zum Beispiel25 ein Schiedsverfahren in den Niederlanden nach deutschem Verfahrensrecht statt, so wird das Schiedsverfahren sowohl nach niederländischem als auch nach deutschem Recht als inländisch qualifiziert. Die Niederlande bestimmen nämlich die Nationalität des Schiedsverfahrens nach dem Sitz des Schiedsgerichtes,26 Deutschland dagegen nach dem vom Schiedsgericht angewendeten Verfahrensrecht. 27 Im umgekehrten Fall — Sitz in Deutschland, Verfahren nach niederländischem Recht - ist das Schiedsverfahren weder in Deutschland noch in den Niederlanden inländisch. Das Schiedsverfahren ist jedoch nicht anational,28 da es jeweils aus der Sicht des entscheidenden Richters einer bestimmten (ausländischen) Rechtsordnung unterliegt.29 23 [1993] 2 W.L.R. 291. Vgl. auch Union oflndia [1993] 2 Lloyd's Rep. 48, 51 (per Saville J.). 24

v. McDonnell Douglas Corporation

Zur Maßgeblichkeit der externen Perspektive des staatlichen Richters s.o. Teil 1, B.I.

25

Beispiel nach Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 210 f. Vgl. auch die Beispiele bei F.A. Mann, Zur Nationalität des Schiedsspruches, in: W. Jagenburg/G. Maier-Reimer / Th. Verhoven (Hrsg.), Festschrift fiir Walter Oppenhoff (1985), S. 215, 216; O. Sandrock, Welche Verfahrensregeln hat ein Internationales Schiedsgericht zu befolgen?, in: A. Plantey/K.H. Böckstiegel/J. Bredow (Hrsg.), Festschrift für Ottoarndt Glossner zum 70. Geburtstag (1994), S. 281, 284, 286. 26

Vgl. Art. 1073 Abs. 1 niederländische ZPO.

27

Siehe grundlegend BGH, Urteil vom 3.10.1956, BGHZ 21, 365, 367 ff. Vgl. auch unten unter b).cc).(2).(a). 28 v. Beringe, Die Nationalitätsbestimmung bei Schiedssprüchen, NJW 1959, S. 77, 79 f. spricht in diesem Zusammenhang von „staatenlosen" Schiedssprüchen. Dieser Begriff wird allerdings gelegentlich auch als Synonym für anationale Schiedssprüche verwendet, s.o. Teil 1, A.I.l. 29 Die fehlende Inlandsqualität hat die Konsequenz, daß der Schiedsspruch in keiner der beiden Rechtsordnungen aufgehoben werden kann, s.o. Fn. 16.

46

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

Auch innerhalb derselben Rechtsordnung kann die Frage des anwendbaren Verfahrensrechtes je nach begehrter Rechtsfolge unterschiedlich beantwortet werden. Dies ist darauf zurückzufuhren, daß sich die Anknüpfungskritierien der einschlägigen Staatsverträge teilweise von den Kollisionsnormen des autonomen Rechts unterscheiden. Gemäß Art. V Abs. 1 lit, d) N Y Ü müssen die Vertragsstaaten des New Yorker Übereinkommens die Rechtswahl der Parteien bei der Bestimmung des Verfahrensstatuts beachten.30 Außerhalb des Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens steht es den Vertragsstaaten des New Yorker Übereinkommens aber frei, das Verfahrensstatut ohne Rücksicht auf den Parteiwillen nach dem Sitz des Schiedsgerichtes zu bestimmen.31 Auch bei der Untersuchung der Frage, ob ein Schiedsverfahren einem nationalen Recht unterliegt oder nicht, muß man sich daher stets über die Perspektive des jeweiligen Forums und den Sachzusammmenhang Rechenschaft ablegen. Es ist also durchaus denkbar, daß ein Schiedsspruch im Staat A als anational, im Staat B dagegen als in- oder ausländisch qualifiziert wird. Sogar die Gerichte desselben Staates können wegen der funktionalen Bedingtheit des Schiedsverfahrensstatuts je nach begehrter Rechtsfolge zu unterschiedlichen Qualifizierungen gelangen. b) Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Schiedsverfahrensstatuts Bei rechtsvergleichender Betrachtung nationaler Schiedsverfahrensrechte und multilateraler Übereinkommen kristallisieren sich als Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des Schiedsverfahrensstatuts der Sitz des Schiedsgerichtes und die Rechtswahl der Parteien heraus. Rechtsordnungen, die ausschließlich auf den Sitz des Schiedsgerichtes abstellen, bieten von vornherein keinen Ansatzpunkt für die Anerkennung anationaler Schiedssprüche.32 Im folgenden soll daher untersucht werden, in welchem Umfang bei der Bestimmung des Verfahrensstatuts dem Grundsatz der Parteiautonomie Beachtung geschenkt wird. 33 30

S.u. unter b).aa).

31

Siehe zum Auseinanderfallen der kollisionsrechtlichen Beurteilungsmaßstäbe fur das Schiedsverfahren innerhalb derselben Rechtsordnung etwa L. Collins , The Law Governing the Agreement and Procedure in International Arbitration in England, in: J. Lew (Hrsg.), Contemporary Problems in International Arbitration (1986), S. 126, 132 (speziell Fn. 29); K.H. Schwab/G. Walter, Schiedsgerichtsbarkeit (5. Aufl. 1995), S. 453. 32 Anderer Ansicht wohl A. Bucher, Zur Lokalisierung internationaler Schiedsgerichte in der Schweiz, in: P. Forstmoser/H. Giger/A. Heini/W.R. Schluep, Festschrift fur Max Keller zum 65. Geburtstag (1989), S. 565, 573 f. Beachte auch Groupement d'Entreprises Fougerolle et consorts c/ CERN, Schweizerisches Bundesgericht, 21.12.1992, BGE 118 I b, S. 562, 568. Dazu unten Teil 4, A.I.l. 33 Vgl. auch den Überblick bei K.P. Berger, Party Autonomy in International Economic Arbitration: A Reappraisal, Am. Rev. Int'l Arb. 4 (1993), S. 1 ff.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit aa) New Yorker

47

Übereinkommen

Gemäß Art. V Abs. 1 lit. d) N Y Ü darf die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruches versagt werden, wenn „das schiedsrichterliche Verfahren der Vereinbarung der Parteien oder mangels einer solchen Vereinbarung, dem Recht des Landes in dem das schiedsrichterliche Verfahren stattfand, nicht entsprochen hat." Das New Yorker Übereinkommen unterstellt das Verfahren also primär „der Vereinbarung der Parteien" ohne Bezugnahme auf ein nationales Recht. Bei dieser Vorschrift handelt es sich in erster Linie um eine internationale Sachnorm, die den Parteien die Befugnis gibt, das Schiedsverfahren ohne Einschränkung durch zwingende Vorschriften eines nationalen Rechtes auszugestalten.34 Die Vereinbarungsfreiheit wird nur durch die zwingenden Sachnormen des New Yorker Übereinkommens und den ordre public des Vollstreckungsstaates begrenzt.35 Bei entsprechender Parteivereinbarung kann also in der Praxis regelmäßig die kollisionsrechtliche Frage nach dem anwendbaren Verfahrensrecht im Anwendungsbereich des New Yorker Übereinkommens offenbleiben. 36 Es ist allgemein anerkannt, daß Art. V Abs. 1 lit. d) N Y U neben der unmittelbaren Verfahrensausgestaltungsfreiheit auch die kollisionsrechtliche Parteiautonomie gewährt.37 Wenn sich die Parteien durch unmittelbare Verfahrensausgestaltung über die zwingenden Normen des Sitzrechtes hinwegsetzen können, muß ihnen - a maiore ad minus — auch gestattet sein, durch kollisionsrechtliche Verweisung auf eine andere Rechtsordnung das ansonsten anwendbare zwingende Sitzrecht auszuschalten.38 bb) Europäisches Ubereinkommen Art. IV Abs. 1 i.V.m. Art. IX Abs. 1 lit. d) des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit [EuÜ] 39 gewährt den Parteien ebenfalls die Freiheit, das Schiedsverfahren ohne Beach-

34 Siehe Joseph Müller AG gegen Bergesen, Schweizerisches Bundesgericht, 26.2.1982, BGE 108 I b, S. 85, 88 f.; R. Münzberg, Die Schranken der Parteivereinbarung in der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit (1970), S. 101 ff.; Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 448; Schwab/Walter (Fn. 31), S. 451 f. m.w.N. 35

Vgl. Art. V Abs. 1 lit. b) und Abs. 2 NYÜ.

36

Münzberg (Fn. 34), S. 155.

37

Müller gegen Bergesen (Fn. 34), BGE 108 I b, S. 89; J. Gentinetta, Die Lex Fori internationaler Handelsschiedsgerichte (1973), S. 293 f.; Münzberg (Fn. 34), S. 102, 155 f.; Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 455. 38

Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 455.

39

Vom 21.4.1961, BGBl. 1964 II, S. 426 ff.

48

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

tung zwingender nationaler Vorschriften auszugestalten.40 Grenzen der Parteivereinbarung sind nur die zwingenden Sachnormen des Europäischen Übereinkommens.41 Ebenso wie im New Yorker Übereinkommen ist damit auch die kollisionsrechtliche Parteiautonomie garantiert. 42 cc) Autonomes Recht (1) Trend zur zwingenden Anknüpfung an das Sitzrecht Unter dem Einfluß der französischen Novellierung des Schiedsrechtes aus dem Jahre 1981 und des 1985 verabschiedeten UNCITRAL-Modellgesetzes besteht in neueren Kodifikationen des autonomen Rechts der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit der Trend, das Schiedsverfahrensstatut zwingend an den Sitz des Schiedsgerichtes anzuknüpfen. Schiedsverfahren im Geltungsbereich dieser Kodifikationen können also nicht durch kollisionsrechtliche Verweisung auf ein anderes nationales oder anationales Schiedsverfahrensrecht den zwingenden Normen am Sitz des Schiedsgerichtes entzogen werden. Der französische Gesetzgeber hat mit der Neuregelung43 des Schiedsverfahrensrechts in Art. 1492 ff. des Nouveau code de procédure civile (NCPC) 44 liberale Sondervorschriften fur „internationale" Schiedsverfahren 45 geschaffen. Sofern ein Schiedsgericht seinen Sitz in Frankreich hat, bleibt es 40 Münzberg (Fn. 34), S. 120 ff.; Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 451; Schwab/ Walter (Fn. 31), S. 454 m.w.N. 41 Vgl. Art. IX Abs. 1 lit. b) EuÜ. Siehe zur umstrittenen Frage, ob die durch das Europäische Übereinkommen gewährte Verfahrensausgestaltungsfreiheit durch den ordre public der lex fori beschränkt ist, Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 451 m.w.N. 42

Münzberg (Fn. 34), S. 120; Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 455 je m.w.N.

43

Vor der Reform des französischen Schiedsverfahrensrechts bestimmte sich in Frankreich die Nationalität eines Schiedsspruches wie im deutschen Recht nach dem von den Parteien oder den Schiedsrichtern gewählten Verfahrensrecht, vgl. etwa J. Robert, L'arbitrage: droit interne, droit international privé (6. Aufl. 1993), Rdnr. 294. 44

Dekret Nr. 81-500 vom 12. Mai 1981, abgedruckt in: K.-H. Böckstiegel (Hrsg.), Schiedsgerichtsbarkeit in Frankreich (1983), S. 103 ff. Das französische internationale Schiedsverfahrensrecht ist in Algerien (Décret Législatif No. 93-09, 25.4.1993, Rev. arb. 1993, S. 478 ff.), im Libanon (Legislative Decree No. 90/93, 16.9.1983, I L M 27 (1988), S. 1022 ff.), in Dschibouti (vgl. F. Dasser, Internationale Schiedsgerichte und Lex Mercatoria (1989), S. 342) und in Côte dTvoire (Loi n° 93-671, 9.8.1993, vgl. L. Idot, Loi ivoirienne N° 93-671 du 9 août 1993 relative à l'arbitrage, Rev. arb. 1994, S. 783 ff.) rezipiert worden. 45 „International" sind Schiedsverfahren, die die Interessen des internationalen Handels berühren, siehe Art. 1492 NCPC: „Est international l'arbitrage qui met en cause des intérêts du commerce international." Vgl. zum Begriff der Internationalität auch oben Teil 1, A.I.3.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

49

jedoch - auch wenn es „international" ist - französischem Recht unterworfen. Zwar können die Parteien gemäß Art. 1494 N C P C 4 6 das Schiedsverfahren durch entsprechende Vereinbarung einem ausländischen Verfahrensrecht unterwerfen. Dabei handelt es sich aber nur um die Möglichkeit einer materiellrechtlichen 47 Verweisung, 48 da jeder in Frankreich erlassene „internationale" Schiedsspruch gemäß Art. 1504 N C P C 4 9 von französischen Gerichten an den in Art. 1502 N C P C 5 0 aufgezählten Aufhebungsgründen gemessen werden kann. 51 Das

UNCITRAL-Modellgesetz

knüpft seinen Anwendungsbereich

nach

Art. 1 Abs. 2 5 2 ebenfalls an den Ort des Schiedsverfahrens an. In Art. 19

46 Art. 1494 Abs. 1 NCPC: „La convention d'arbitrage peut, directement ou par référence à un règlement d'arbitrage, régler la procédure à suivre dans l'instance arbitrale; elle peut aussi soumettre celle-ci à la loi de procédure qu'elle détermine." 47 Im Gegensatz zur kollisionsrechtlichen Verweisungsfreiheit, aufgrund derer sich die Parteien über die ohne Rechtswahl maßgebliche Rechtsordnung einschließlich ihrer zwingenden Normen hinwegsetzen dürfen, können die Parteien im Rahmen einer materiellrechtliche Verweisung nur die dispositiven Normen ersetzen, vgl. etwa D. Martiny in: Ch. Reithmann/D. Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, (4. Aufl. 1988), Rdnr. 26. 48 M. de Boissèson , Le droit français de l'arbitrage interne et international (1990), S. 671; E. Mezger, Diskussionsbeitrag, in: International Law Association, Report of the Sixtieth Conference (1982), S. 282, 283; Sandrock (Fn. 25), S. 299, Fn. 25; Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 145, 211. Es ist daher unzutreffend, „internationale" Schiedssprüche i.S.v. Art. 1492 ff. NCPC mit anationalen Schiedssprüchen gleichzusetzen, so aber Th.E. Carbonneau, Arbitral Adjudication: A Comparative Assessment of Its Remedial and Substantive Status in Transnational Commerce, TexILJ 19 (1984), S. 33, 78 f. 49

Art. 1504 Abs. 1 NCPC: „La sentence arbitrale rendue en France en matière d'arbitrage international peut faire l'objet d'un recours en annulation dans les cas prévus à l'article 1502." 50

Art. 1502 NCPC: „L'appel de la décision qui accorde la reconnaissance ou l'exécution n'est ouvert que dans les cas suivants: I e Si l'arbitre a statué sans convention d'arbitrage ou sur convention nulle ou expirée; 2° Si le tribunal arbitral a été irrégulièrement composé ou l'arbitre unique irrégulièrement désigné; 3" Si l'arbitre a statué sans se conformer à la mission qui lui avait été conférée; 4° Lorsque le principe de la contradiction n'a pas été respecté; 5° Si la reconnaissance ou l'exécution sont contraires à l'ordre public international." 51

Die Aufhebbarkeit „internationaler" Schiedssprüche läßt sich nicht durch Parteivereinbarung ausschließen, siehe Société Techni Import Professionnel c/ Société Electro Scientific Industries, Cour d'appel de Paris, 17.5.1983, Rev. arb. 1987, S. 311, 313; Société European Gas Turbines SA c/ Société Westman International Ltd., Cour d'appel de Paris, 10.9. 1993, RCDIP 83 (1994), S. 349, 354. 52 Art. 1 Abs. 2 UNCITRAL-ML: „The provisions of this law, except articles 8, 9, 35 and 36, apply only if the place of arbitration is in the territory of this state." Die Ausnahmen vom Territorialitätsprinzip beziehen sich auf die Einrede des Schiedsvertrages (Art. 8), den vorläufigen Rechtsschutz (Art. 9) sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen (Art. 35 f.).

4 Rensmann

50

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

UNCITRAL-ML 5 3 wird den Parteien zwar das Recht eingeräumt, das Schiedsverfahren frei zu bestimmen. Dieses Gestaltungsrecht wird aber ausdrücklich unter den Vorbehalt der Vereinbarkeit mit den zwingenden Vorschriften des Modellgesetzes gestellt. Somit besteht auch im Geltungsbereich des UNCITRAL-Modellgesetzes nur die Möglichkeit einer materiellrechtlichen Verweisung auf ein ausländisches Verfahrensrecht. 54 Allerdings ist der Katalog der zwingenden Vorschriften auf ein Minimum reduziert worden.55 Die Engriffsbefugnisse der Gerichte am Ort des Verfahrens sind ebenfalls streng begrenzt.56 Das UNCITRAL-Modellgesetz ist mittlerweile von einer Vielzahl von Rechtsordnungen mehr oder minder unverändert rezipiert worden. Zu den Staaten und territorialen Einheiten, die das UNCITRAL-Modellgesetz übernommen haben, gehören: Ägypten, Australien, Bahrein, Bermuda, Bulgarien, Connecticut, Finnland, Kanada (auf Bundes- und Provinzebene), Hongkong, Kalifornien, Mexiko, Nigeria, Oregon, Peru, die Russische Föderation, Schottland, Singapur, Texas, Tunesien, die Ukraine, Ungarn und Zypern. 57 Die Niederlande und die Schweiz haben weder das UNCITRAL-Modellgesetz noch das französische Schiedsrecht rezipiert, sondern sind in ihren Reformgesetzen eigene Wege gegangen.58 Beide Staaten haben sich aber dem internationalen Trend zur zwingenden Anknüpfung des Schiedsverfahrensstatutes an den Sitz des Schiedsgerichtes59 bei gleichzeitiger Reduzierung der zwingenden Normen 60 angeschlossen.

53 Art. 19 UNCITRAL-ML: Subject to the provisions of this Law , the parties are free to agree on the procedure to be followed by the arbitral tribunal in conducting the proceedings." [Hervorhebung vom Verfasser]. 54 H. Holtzmann/J. Neuhaus , A Guide to the UNCITRAL-Model Law on International Commercial Arbitration (1989), S. 564 f. m.w.N. 55

Art. 18; 23 Abs. 1; 24 Abs. 2 und 3; 30 Abs. 2; 31 Abs. 1, 3 und 4; 32; 33 Abs. 1 (außer lit. b), 2, 4 und 5 UNCITRAL-ML. Siehe Analytical Commentary on Draft Text, U.N. Dok. A/CN.9/264 (25.3.1985), Rdnr. 3, abgedruckt bei Holtzmann /Neuhaus (Fn. 54), S. 583. 56 Siehe Art. 5 UNCITRAL-ML: „In matters governed by this Law, no court shall intervene except where so provided in this Law." 57

Vgl. UNCITRAL, Status of Conventions, U.N. Dok. A/CN.9/416 (2.5.1995), S. 6. Auch der deutsche Reformentwurf hat in Anlehnung an Art. 1 Abs. 2 UNCITRAL-ML die obligatorische territoriale Anknüpfung des Schiedsverfahrensstatutes übernommen, siehe unten Fn. 67. 58 Siehe zur niederländischen Reform etwa Berger (Fn. 7), S. 35 ff; H. Duintjer Tebbens, A Facelift for Dutch Arbitration Law, NILR 34 (1987), S. 141 ff.; zur schweizer Reform Böckstiegel (Fn. 15), mit Beiträgen verschiedener Autoren. 59 Art. 1073 Abs. 1 niederländische ZPO: „Die Vorschriften dieses Titels finden Anwendung, wenn der Ort des Schiedsverfahren innerhalb der Niederlande liegt." Art. 176 Abs. 1 schweizer IPR-G: „Die Bestimmungen dieses Kapitels gelten für Schiedsgerichte mit Sitz

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

51

Die skizzierten neueren autonomen Kodifikationen des Rechts der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit gestatten also bei Schiedsverfahren, die in ihrem Geltungsbereich stattfinden, nicht die Möglichkeit des „opting out" durch Wahl eines fremden nationalen oder anationalen Verfahrensrechtes. Gleichzeitig werden jedoch die zwingenden Normen und die Kontrollbefugnisse der staatlichen Gerichte auf ein Minimum reduziert („soft délocalisation")61, so daß im Anwendungsbereich dieser Kodifikationen kaum noch ein praktisches Bedürfnis nach völliger Entnationalisierung durch Vereinbarung eines anationalen Schiedsverfahrens besteht.62 (2) Parteiautonomie Trotz der wachsenden Tendenz zur zwingenden Anknüpfung der lex arbitri an den Sitz des Schiedsgerichts, gibt es nach wie vor einige autonome Schiedsverfahrensrechte, die den Parteien die Möglichkeit zubilligen, kraft kollisionsrechtlicher Verweisung ein vom Sitzrecht abweichendes Recht zu bestimmen. Wichtige Repräsentanten dieses Ansatzes sind das deutsche und englische Recht. Aber auch einige neuere Kodifikationen haben sich dem Trend zur zwingenden Anknüpfung an das Sitzrecht widersetzt. (a) Deutsches Recht Das deutsche Recht enthält keine geschriebene Kollisionsnorm zur Bestimmung des Schiedsverfahrensstatuts. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 63 und der herrschenden Meinung in der Literatur 64 wird die lex in der Schweiz, sofern bei Abschluß der Schiedsvereinbarung wenigstens eine Partei ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Schweiz hatte." 60

Vgl. zum schweizer Recht Art. 182 Abs. 3 IPR-G: „Unabhängig vom gewählten Verfahren muß das Schiedsgericht in allen Fällen die Gleichbehandlung der Parteien sowie ihren Anspruch auf rechtliches Gehör in einem kontradiktorischen Verfahren gewährleisten." Auch in den Niederlanden beschränken sich die zwingenden Normen auf „certain fundamental rules of fair (arbitral) trial", vgl. Duintjer Tebbens (Fn. 58), S. 149. Siehe zur Schwierigkeit der Bestimmung der zwingenden Normen im neuen niederländischen Recht Berger (Fn. 7), S. 372. 61 G. Herrmann, The British Columbia Enactment of the UNCITRAL Model Law, in: R. Paterson/B. Thompson (Hrsg.), UNCITRAL Arbitration Model in Canada, S. 65, 70. 62

Siehe zu den Entnationalisierungstendenzen im Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit ausführlich unten III. 63 BGH, Urteil vom 12.2.1976, WM 1976, S. 435, 436; Urteil vom 10.5.1984, NJW 1984, S. 2763, 2764; Urteil vom 26.9.1985, BGHZ 96, 40, 42. Offengelassen in Urteil vom 14.4.1988, BGHZ 104, 178 ff. 64 Siehe zum Beispiel R. Gelmer, in: R. Zöller, Zivilprozeßordnung (19. Aufl. 1995), § 1044, Rdnr. 4, 4a; HJ. Maier, in: G. Lüke/A. Walchshöfer (Hrsg.), Münchener Kom-

4*

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

52

arbitri in erster Linie an den Parteiwillen angeknüpft. Auch das deutsche Zustimmungsgesetz zum N e w Yorker Übereinkommen setzt die verfahrensrechtliche Parteiautonomie voraus. 65 M a n kann daher für das autonome deutsche Recht von einer gewohnheitsrechtlichen Verfestigung der verfahrensrechtlichen Parteiautonomie ausgehen. 66 Nach dem Entwurf zur Neuordnung des deutschen Schiedsverfahrensrechts soll allerdings in Zukunft in Anlehnung an Art. 1 Abs. 2 U N C I T R A L - M L die Möglichkeit des „opting out" durch die kollisionsrechtliche Verweisung auf ein ausländisches Verfahrensrecht ausgeschlossen sein. 6 7

(b) Englisches Recht Wie das geltende deutsche Recht gewährt auch das englische Recht 6 8 den Schiedsverfahrensparteien das Recht, eine vom Sitzrecht abweichende lex arbitri zu wählen:

mentar zur Zivilprozeßordnung (1992), § 1044, Rdnr. 2; H. Nagel, Internationales Zivilprozeßrecht (3. Aufl. 1991), Rdnr. 1091 f.; Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 230, 459; A. Schütze, in A. Schütze/D. Tscherning/W. Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, (2. Aufl. 1990), Rdnr. 581. — A.A. von Beringe (Fn. 28), NJW 1959, S. 77 ff.; G. Henn, Grenzen der Wahl des schiedsgerichtlichen Verfahrensrechts und Nationalität des Schiedsspruchs, JPS 3 (1989), S. 31 ff.; Mann (Fn. 25), S. 215 ff.; Sandrock (Fn. 25), S. 281 ff.; Schwab/ Walter (Fn. 31), S. 269 ff., 456 f.; R. Wunderer, Der deutsche „ordre public d'arbitrage international" und Methoden seiner Konkretisierung (1993), S. 47 ff. 65 Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum New Yorker Übereinkommen vom 15.3. 1961 (BGBl. 1961 II, S. 121): „Ist ein Schiedsspruch, auf den das Übereinkommen anzuwenden ist, in einem anderen Vertragsstaat nach deutschem Verfahrensrecht ergangen, so kann die Klage auf Aufhebung dieses Schiedsspruches im Inland erhoben werden. Für die Aufhebung gelten §§ 1041, 1043, 1045 Abs. 1 und § 1046 der Zivilprozeßordnung." 66

So ausdrücklich Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 459.

67

§ 1025 Abs. 1 ZPO-E: „Die Vorschriften dieses Buches sind anzuwenden, wenn der Ort des Schiedsverfahren im Sinne des § 1043 Abs. 1 in Deutschland liegt." Die Möglichkeit des „opting in", also der Unterstellung eines Schiedsverfahren, dessen Sitz sich im Ausland befindet, unter deutsches Recht, soll jedoch nicht ausgeschlossen sein, siehe Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (Fn. 7), S. 101, 193 f. Allerdings sollen aus solchen Verfahren resultierende Schiedssprüche wie ausländische Schiedssprüche nach § 1061 ZPO-E vollstreckt werden, ebenda, S. 193 f. Vgl. dazu im einzelnen K. Schumacher, Fragen zum Anwendungsbereich des künftigen deutschen Schiedsverfahrensrechts, in: Festschrift Glossner (Fn. 25), S. 341 ff. 68 Siehe zum Stand der gegenwärtigen Reformbemühungen in England United Kingdom Department of Trade and Industry Consultation Document on Proposed Clauses and Schedules For an Arbitration Bill , 3.2.1994, Arb. Int'l 10 (1994), S. 189 ff. Vgl. dazu auch B. Davenport , The New Draft Arbitration Bill: The DTI Consultation Document, Arb. Int'l 10 (1994), S. 163 ff.; J Uff/D. Keating , Should England Reconsider the UNCITRAL Model Law or Not?, Arb. Int'l 10 (1994), S. 179 ff.; A.H. Hermann , The Draft English Bill: Pulling the Wrong Punches, Arb. Int'l 10 (1994), S. 185 ff.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

53

„There is ... no reason in theory which precludes parties to agree that an arbitration shall be held at a place or in country X but subject to the procedural laws of

Über die Grenzen der verfahrensrechtlichen Parteiautonomie im englischen Recht besteht allerdings Unklarheit. 70 Es ist anerkannt, daß die Parteien eines Schiedsverfahrens mit Sitz in England sich durch die Wahl eines fremden Verfahrensrechtes nicht über den englischen ordre public hinwegsetzen können.71 Unklar ist allerdings, welche Normen zum englischen ordre public gehören. Mustill und Boyd schlagen vor, unter den ordre public alle zwingenden Normen des englischen Schiedsrechtes zu fassen. 72 Damit nähert sich die Wahl eines ausländischen Verfahrensrechtes im Ergebnis einer materiellrechtlichen Verweisung an, da das Verfahren sämtlichen zwingenden Normen des englischen Rechts unterworfen bleibt.73 In der Praxis wird es aber nur sehr selten zu einer Beschränkung der verfahrensrechtlichen Parteiautonomie durch den ordre public kommen, da das englische Recht im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit, falls überhaupt, nur sehr wenige zwingende Normen kennt.74 Nach der englischen Rechtsprechung geht mit der Unterstellung des Schiedsverfahrens unter ein ausländisches Recht kein Ausschluß der Aufhebungszuständigkeit englischer Gerichte einher, da in England die Aufhebungskompetenz staatlicher Gerichte vertraglich nicht abbedungen werden kann.75 Ungeklärt ist aber, ob Aufhebungsmaßstab für englische Gerichte neben dem englischen Recht auch das von den Parteien gewählte ausländische Verfahrensrecht ist.76 69

Naviera Amazónica Peruana SA v. Compañía International de Seguros de Peru , [1988] 1 Lloyd's Rep. 116, 120 (per Kerr L.J.) Siehe auch Withworth Street Estates Ltd v. James Miller & Partners , [1970] A.C. 583, 616 (per Lord Wilberforce); Channel Tunnel Group v. Balfour Beatty , [1993] 2 W.L.R. 262, 281 (per Lord Mustill); Bank Mellat v. Helleniki Techniki SA, [1984] Q.B. 291, 301 (per Kerr L.J.); Union of India v. McDonnell Douglas Corporation [1993] 2 Lloyd's Rep. 48, 50 (per Saville J.). 70

Siehe insbesondere Collins (Fn. 31), S. 126 ff.; J. Lew , Applicable Procedural Law in the English Common Law, in: M. Storme/F. de Ly, The Place of Arbitration (1992), S. 77 ff.; Mustill / Boyd (Fn. 22), S. 64 ff.; A. Redfern /M. Hunter , Law and Practice of International Commercial Arbitration (2. Aufl. 1991), S. 91 ff. 71

Collins (Fn. 31), S. 133; Lew (Fn. 70), S. 88; Mustill/Boyd

72

Mustill/Boyd

73

Siehe auch Sandrock (Fn. 25), S. 287 ff.

(Fn. 22), S. 65 f.

(Fn. 22), S. 65 f., 283 ff.

74

Mustill/Boyd (Fn. 22), S. 66 („very few indeed"); M. Mustill, Transnational Arbitration in English Law, CLP 37 (1984), S. 133, 148 („few if any"). 75 Union of India v. McDonnell Douglas [1993] 2 Lloyd's Rep. 51. Siehe auch Collins (Fn. 31), S. 133; Mustill/Boyd (Fn. 22), S. 90. Umstritten ist, ob die Wahl eines ausländischen Verfahrensrechts als „exclusion agreement" i.S.v. Sec. 3 Arbitration Act 1979 zu werten ist, so Union of India v. McDonnell Douglas , a.a.O.; a.A. Mustill/Boyd , a.a.O., S. 91 Fn. 10.

54

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

I m Ergebnis besteht für die Parteien eines Schiedsverfahrens mit Sitz in England also nur ein geringer Anreiz, von der nominell gewährten verfahrensrechtlichen Parteiautonomie Gebrauch zu machen, da mit der Wahl des fremden Verfahrensrechts weder das zwingende englische Recht noch die Aufhebungskompetenz englischer Gerichte ausgeschlossen werden kann. Bei der Wahl einer ausländischen lex arbitri setzen sich die Parteien darüber hinaus dem Risiko aus, daß der Schiedsspruch sowohl in England als auch in dem Staat, dessen Recht das Schiedsverfahren unterstellt worden ist, der Aufhebung unterliegt. 77

(c) Florida und Hawaii Die vor wenigen Jahren in Florida 78 und Hawaii 7 9 in Kraft getretenen Gesetze zur Regelung des Rechts der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit 80 sind im vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse, da sie entgegen dem in den modernen Kodifikationen vorherrschenden Trend zur zwingenden Sitzanknüpfung ausdrücklich die verfahrensrechtliche Parteiautonomie festschreiben. 81 Florida und Hawaii wollten damit dem Bedürfnis

76

Vgl. Mustill/Boyd (Fn. 22), S. 90 f. Siehe auch Union of India v. McDonnell Douglas, [1993] 2 Lloyd's Rep. 51: „... the choice of a procedural law different from the law of the place of the arbitration will, at least where that place is this country, necessarily mean that the parties have actually chosen to have their arbitral proceedings at least potentially governed both by their express choice and by the laws of this country." 77

Vgl. auch Th. Rensmann, Wo ergehen Schiedssprüche nach dem New Yorker Übereinkommen?, RIW 1991, S. 911, 916 f. 78 See. 684.05 Florida International Arbitration Act vom 1.10.1986, ILM 26 (1987), S. 970 ff.: „This part shall apply to any arbitration within the scope of this chapter, without regard to whether the place of arbitration is within or without this state, if ... [t]he written undertaking to arbitrate expressly provides, or the parties otherwise agree, that the law of this state shall apply ..." 79

Hawaii International Arbitration, Mediation and Conciliation Act, Hawaii Rev. Stat., Sec. 658 D-4 (d) (Supp. 1989). Der Wortlaut stimmt mit Sec. 684.05 des Florida International Arbitration Act überein. 80

Siehe zum Verhältnis zwischen einzelstaatlichem und bundesstaatlichem Recht im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Volt Information Services Inc. v. Board of Trustees of the Leland Stadford Junior University , 109 S.Ct. 1248 (1989). Vgl. zur wachsenden Bedeutung des Rechts der Einzelstaaten für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit I. Dore , The UNCITRAL-Framework in Contemporary Perspective (1993), S. 128 ff.; J. Garvey/T. Heffelfinger, Toward Federalizing U.S. International Commercial Arbitration Law, The International Lawyer 25 (1991), S. 209 ff.; Ch. Kuner , Die neuen internationalen Handelsschiedsgesetze der US-amerikanischen Einzelstaaten, RIW 1994, S. 368 ff.; Ch. Lècuyer-Thieffry , Les nouvelles lois des états américains sur l'arbitrage international, Rev. arb. 1989, S. 43 ff. 81 Der Entwurf zum neuen ägyptischen Schiedsverfahrensrecht sah ebenfalls die umfassende verfahrensrechtliche Parteiautonomie vor, vgl. S. Rashed, The UNCITRAL Model

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

55

der Parteien internationaler Schiedsverfahren nach weitgehender Lösung des Verfahrens vom nationalen Recht Rechnung tragen.82 In der Gesetzesbegründung zum Florida Arbitration Act wird betont, daß die von den Parteien gewählte lex arbitri in aller Regel die Einhaltung fundamentaler rechtsstaatlicher Garantien gewährleisten werde und daß daher die mit der Wahl des fremden Rechts verbundene Lösung von den zwingenden Normen des Sitzrechtes unschädlich sei. Es sei sachgerechter, die Überprüfung des Schiedsverfahrens auf das Vollstreckungsverfahren zu verlagern. 83 dd) Zusammenfassung und Schlußfolgerungen für anationale Schiedsverfahren Das New Yorker und das Europäische Übereinkommen gewähren den Schiedsverfahrensparteien die Freiheit, das Verfahren ohne Beachtung der zwingenden Normen nationaler Rechte auszugestalten. Grenze der Gestaltungsfreiheit sind die dort niedergelegten zwingenden Sachnormen und der ordre public des Forumsstaates. In der Praxis kann man also im Anwendungsbereich dieser Übereinkommen regelmäßig84 die kollisionsrechtliche Frage nach dem anwendbaren Schiedsverfahrensstatut offenlassen. Aus dieser durch die internationalen Übereinkommen gewährten Möglichkeit zur Nichtbeachtung der zwingenden Normen des staatlichen Rechts kann man jedoch keine Rückschlüsse auf die nationale oder anationale Verankerung des Schiedsverfahrens ziehen, da die kollisionsrechtliche Zuordnung gerade offengeblieben ist.85 Wenn man aber die Existenz anationaler Schiedssprüche voraussetzt, eröffnen die internationalen Abkommen die Möglichkeit der Anerkennung anationaler Schiedsverfahren und der daraus hervorgehenden Schiedssprüche.86 Einen weiteren Ansatzpunkt für die Lösung des Schiedsverfahrens vom nationalen Recht bildet die verfahrensrechtliche Parteiautonomie. Wenn das Kollisionsrecht des Forumsstaates den Parteien gestattet, die dispositiven und

Law and Recent Developments in Egypt, ICSID-Rev.-FILJ 3 (1988), S. 126, 132. Die am 22.5.1994 in Kraft getretene Fassung gestattet allerdings nur noch das „opting in" und unterstellt alle in Ägypten stattfindenden Schiedsverfahren ägyptischem Recht, vgl. Art. 1 Loi relative à l'arbitrage en matière civile et commerciale, Rev. arb. 1994, S. 764 ff. Unzutreffend daher Schumacher (Fn. 67), S. 350 Fn. 27. 82

Siehe C. Loumiet , Florida International Arbitration Act, ILM 26 (1987), S. 949, 952.

83

Ebenda, S. 961 Fn. 15.

84

Zu Fallgestaltungen, in denen trotz „schrankenloser" Gestaltungsfreiheit der Rückgriff auf eine externe Rechtsordnung erforderlich ist, Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 453. 85

Gentinetta (Fn. 37), S. 302; Münzberg (Fn. 34), S. 132.

86

Siehe zum New Yorker Übereinkommen ausführlich unten Teil 4, B.I.l.

56

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

zwingenden Normen des Sitzrechtes durch Wahl eines anderen nationalen Rechtes abzuwählen, ist es nicht undenkbar, daß auch die kollisionsrechtliche Verweisung auf ein anationales Recht anerkannt wird. 87 Die verfahrensrechtliche Parteiautonomie ist sowohl durch das New Yorker als auch durch das Europäische Übereinkommen garantiert. Das autonome deutsche Recht gestattet den Schiedsverfahrensparteien ebenfalls, ein vom Recht am Sitz des Schiedsgerichtes abweichendes Verfahrensrecht zu wählen. In England nähert sich dagegen die den Parteien nominell zugestandene verfahrensrechtliche Parteiautonomie in der Praxis einer materiellrechtlichen Verweisung an, da die Wahl eines ausländischen Verfahrensrechts weder die Abwahl der zwingenden Normen des englischen Rechts noch den Ausschluß der Aufhebungszuständigkeit englischer Gerichte zur Folge hat. Seit Anfang der achtziger Jahre haben eine Vielzahl von Staaten den rechtlichen Rahmen für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit neu gestaltet. Unter den neuen Kodifikationen findet man nur im Recht der Staaten Florida und Hawaii ein ausdrückliches Bekenntnis zur verfahrensrechtlichen Parteiautonomie. Im übrigen besteht unter dem Einfluß der französischen Novellierung des Schiedsverfahrensrechtes und des UNCITRAL-Modellgesetzes ein weltweiter Trend zur zwingenden Anknüpfung des Schiedsverfahrens an den Sitz des Schiedsgerichtes. Auch die Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechtes sieht die zwingende territoriale Anknüpfung der lex arbitri vor. Gleichzeitig lassen sich aber im modernen Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Entnationalisierungstendenzen erkennen, die die völlige Lösung vom nationalen Recht durch Vereinbarung eines anationalen Schiedsverfahrensstatuts weitgehend entbehrlich machen.

I I I . Entnationalisierung der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit Die Forderung nach Lösung der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit vom nationalen Recht ging maßgeblich von den Vorschlägen der Internationalen Handelskammer zur Reform der Genfer Übereinkommen Anfang der fünfziger Jahre aus. In einem Bericht an die mit der Ausarbeitung 87 Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie als Ausgangspunkt fur die Anerkennung anationaler Schiedsverfahren betonen A. Ernemann, Zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach § 1044 ZPO (1979), S. 91 ff., insbesondere S. 102; Gentinetta (Fn. 37), S. 225 ff.; St. Toope, Mixed International Arbitration (1990), S. 32 („If it is not necessarily the law of the situs of the arbitration that will govern the procedure, one may fairly ask why the alternative governing law must be that of another state or states."). Siehe zur Frage, unter welchen Bedingungen die Parteiautonomie eine Verweisung auf eine anationale Rechtsordnung zuläßt, unten Teil 3, B.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

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des New Yorker Übereinkommens betrauten Organe der Vereinten Nationen begründete die Internationale Handelskammer die Notwendigkeit der Anerkennung anationaler Schiedssprüche folgendermaßen: 88 „Criticizing the [1927 Geneva] Convention's main defect, which consists in the enforcement of only those awards that are strictly in accordance with the rules of procedure laid down in the law of the country where the arbitration took place consequently, national awards only - the ICC considered that there could be no progress without full recognition of the conception [s/c] of international awards. In actual fact, the idea of an international award, i.e. an award completely independent of national laws, corresponds precisely to an economic requirement."

Seit den fünfziger Jahren haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die internationale private Schiedsgerichtsbarkeit wesentlich verändert. Im folgenden Kapitel soll untersucht werden, inwiefern die von der Internationalen Handelskammer geforderte völlige Lösung des Schiedsverfahrens vom nationalen Recht im Lichte der modernen Entwicklung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nach wie vor einem „wirtschaftlichen Bedürfnis" des internationalen Handels entspricht. Zunächst sollen kurz die wichtigsten Argumente skizziert werden, die für die Forderung nach völliger Lösung des Schiedsverfahrens vom nationalen Recht vorgebracht werden. In einem zweiten Abschnitt sollen dann die Entnationalisierungstendenzen in den einschlägigen multilateralen Konventionen und im autonomen Recht aufgezeigt werden, um schließlich angesichts des heutigen Entwicklungsstandes des Rechts der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit zu überprüfen, inwieweit noch die Notwendigkeit einer völligen Entnationalisierung internationaler Schiedsverfahren besteht.

1. Gründe für das Streben nach Lösung der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit vom nationalen Recht a) Partikularismus des Rechts der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit Trotz erster Erfolge im Bemühen um die Vereinheitlichung des Rechts der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, herrscht nach wie vor eine große Vielfalt unter den nationalen Schiedsverfahrensrechten. Für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ist zwar durch das New Yorker Übereinkommen ein hoher Grad an Rechtsvereinheitlichung er-

88 International Chamber of Commerce, Enforcement of International Arbitral Awards, IHK-Broschüre Nr. 174 (1953), S. 7.

58

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

reicht worden.89 Im übrigen schreiten die Harmonisierungsbemühungen jedoch langsamer voran. Obwohl das UNCITRAL-Modellgesetz bereits in mehreren Staaten rezipiert worden ist,90 gilt es als unwahrscheinlich, daß es eine ähnliche Akzeptanz erfahren wird wie das New Yorker Übereinkommen.91 Noch immer gibt es daher nationale Rechtsordnungen, die nur unzureichend auf die Bedürfnisse der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit eingestellt und von lokalen Besonderheiten geprägt sind.92 Dieser Partikularismus des Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit birgt für die Schiedsparteien ein großes Maß an Unsicherheit. Da sowohl die kollisionsrechtlichen als auch die sachrechtlichen Normen der staatlichen Schiedsverfahrensrechte zum Teil große Unterschiede aufweisen, ist für die Parteien eines internationalen Schiedsverfahrens oft nicht vorhersehbar, an welchem rechtlichen Maßstab das Verfahren gemessen werden wird. 93 Die in der Schiedsvereinbarung zum Ausdruck gekommenen Erwartungen der Schiedsparteien werden häufig enttäuscht, da der Parteiwille in den zwingenden Normen des Schiedsverfahrensstatuts seine Grenze findet. 94 Treffen die Parteien zu bestimmten verfahrensrechtlichen Fragen keine Regelung, können auch die dann zur Anwendung gelangenden dispositiven Normen des Schiedsverfahrensstatutes zu überraschenden Konsequenzen führen. 95 Eine heterogene rechtliche Umwelt hemmt auch die Funktionsfahigkeit internationaler Schiedsorganisationen, die den Streitparteien mit ihren Schiedsordnungen international einheitliche und damit vorhersehbare rechtliche Rahmenbedingungen anbieten wollen.96 Schiedsordnungen bleiben als Teil der Parteivereinbarung den zwingenden Normen des Schiedsverfahrens89 Das New Yorker Übereinkommen ist bisher von 105 Staaten ratifiziert worden, siehe UNCITRAL, Status of Conventions, U.N. Dok. A/CN.9/416 (2.5.1995), S. 6 ff. 90

Siehe oben Fn. 57.

91

Siehe F. de Ly , The Place of Arbitration in the Conflict of Laws of International Commercial Arbitration. An Exercise in Arbitration Planning, in: M. Storme/F. de Ly , The Place of Arbitration (1992), S. 2 f.; M Mus till, A New Arbitration Act for the United Kingdom? (The Response of the Departmental Advisory Committee to the UNCITRAL Model Law), Arb. Int'l 6 (1990), S. 3, 17 ff. 92

Siehe Asian-African Legal Consultative Committee, Report of the Twenty-Third, Twenty-Fourth and Twenty-Fifth Sessions Held in Tokyo (1983), Kathmandu (1985) and Arusha (1986), S. 220; Possible Features of a Model Law (Fn. 11), Rdnr. 9 ff. 93

B. von Hoffmann , Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Die Bestimmung des maßgeblichen Rechts (1970), S. 19 ff.; Münzberg (Fn. 34), S. 46 f. m.w.N. 94

Possible Features of a Model Law (Fn. 11), Rdnr. 10.

95

Possible Features of a Model Law (Fn. 11), Rdnr. 13.

96

International Chamber of Commerce (Fn. 88), S. 7 f.; Asian-African Legal Consultative Committee, Report of the Seventeenth, Eighteenth and Nineteenth Sessions Held in Kuala Lumpur (1976), Baghdad (1977) and Doha (1978), S. 138 f., 143 f.; Münzberg (Fn. 34), S. 47.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

59

statuts unterworfen. 97 Solange die zwingenden Anforderungen an ein Schiedsverfahren in den verschiedenen Rechtsordnungen voneinander abweichen, ist eine einheitliche Anwendung internationaler Schiedsordnungen daher unmöglich.98 b) Zufälligkeit der Sitzanknüpfung Das Streben nach Entnationalisierung des Schiedsverfahrens ist auch auf die als unbefriedigend empfundene Anknüpfung des Schiedsverfahrensstatuts an den Sitz des Schiedsgerichts zurückzufuhren. 99 In vielen Fällen wird der Sitz des Schiedsgerichtes wegen der „Neutralität" des Sitzstaates oder aus geographischen Zweckmäßigkeitserwägungen gewählt, ohne dabei zu bedenken, daß damit in der Regel das Schiedsverfahren vom dortigen Recht beherrscht und von den Gerichten des Sitzstaates kontrolliert wird. 100 Unterstellen die Parteien das Schiedsverfahren einer internationalen Schiedsordnung, wie derjenigen der Internationalen Handelskammer, werden sie vielfach sogar die positive Erwartung haben, daß sie sich damit einem „wirklich" internationalen Schiedsverfahren unterworfen haben, das von der Herrschaft des Sitzrechts gelöst ist. 101 c) Doppelte Kontrolle des Schiedsverfahrens Mit der Unterstellung des Schiedsverfahrens unter ein nationales Recht geht in der Regel auch die Kompetenz der dortigen Richter zur Kontrolle des Schiedsspruches im Aufhebungsverfahren einher. 102 Im Vollstreckungsverfahren wird das Schiedsverfahren dann nochmals auf die Einhaltung wesentlicher Verfahrensgrundsätze überprüft. 103 Diese doppelte Kontrolle des 97

Siehe etwa OLG Frankfurt, Urteil vom 11.3.1981, IPRax 1982, S. 149, 150 (zur IHKSchiedsordnung). 98 Siehe bereits Internationale Handelskammer, Les arbitrages de la C.C.I, et la loi nationale, IHK-Broschüre Nr. 137 (1949). 99 K.-H. Böckstiegel, Zu den Thesen von einer „delokalisierten" internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, in: W. Jagenburg/G. Maier-Reimer/ Th. Verhoven (Hrsg.), Festschrift fur Walter Oppenhoff (1985), S. 1, 2; J. Paulsson, Arbitration Unbound: Award Detached from the Law of its Country of Origin, ICLQ 30 (1981), S. 358 ff. 100 Siehe General National Maritime Transport Company c/ Société Götaverken Arendal A.B., Cour d'appel de Paris, 21.2.1980, Clunet 107 (1980), S. 660, 668: „... le lieu des opérations d'arbitrage, uniquement choisi pour assurer leur neutralité, n'est pas significatif et ne peut être considéré comme une manifestation de volonté implicite des parties de se soumettre, ne serait-ce qu'à titre subsidiaire, à la loi procédurale française; ..." 101 Ch. Fragis tas, Arbitrage étranger et arbitrage international en droit privé, RCDIP 49 (1960), S. 1, 17. Siehe auch GNMTC c/ Götaverken (Fn. 100), Clunet 107 (1980), S. 667 f. 102

Siehe oben unter Il.l.b).

103

Siehe zum Beispiel Art. V Abs. 1 NYÜ.

60

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

Schiedsverfahrens wird von den Befürwortern einer Entnationalisierung des Schiedsverfahrens für überflüssig gehalten. Es genüge, wenn die Überprüfung des Schiedsverfahrens im Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat konzentriert werde. 1 0 4 d) Bipolare Handelsbeziehungen Bei Handelsbeziehungen zwischen Angehörigen großer ideologischer und kultureller „Blöcke" entsteht ein besonderes Bedürfnis nach Lösung des Schiedsverfahrens vom nationalen Recht. Dies galt jedenfalls bis zum Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks für den Ost-West Handel 1 0 5 und trifft nach wie vor auf den Nord-Süd Handel 1 0 6 zu. Wegen der großen kulturellen und ideologischen Unterschiede sind die Handelspartner nicht geneigt, sich dem Verfahrensrecht des jeweils anderen Kulturkreises zu unterwerfen. Aufgrund des bipolaren Charakters des Nord-Süd Konfliktes gibt es auch praktisch keine „neutralen" Staaten, deren Recht das Schiedsverfahren unterstellt werden könnte. Als Ausweg bietet sich dann für die Parteien die Lösung des Schiedsverfahrens vom nationalen Recht an. 1 0 7

104 J. Pauls son, The Extent of Independence of International Arbitration from the Law of the Situs , in: J. Lew (Hrsg.), Contemporary Problems in International Arbitration (1986), S. 141, 148; ders. (Fn. 99), ICLQ 30 (1981), S. 358, 367 ff. Siehe auch den Vorschlag zur Ergänzung des New Yorker Übereinkommens, den das Asian-African Legal Consultative Committee der UNCITRAL unterbreitet hat: „The Asian-African Legal Consultative Committee ... [i]nvites the United Nations Commission on International Trade Law to consider the possibility of preparing a protocol to be annexed to the 1958 United Nations Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards with a view to clarifying, inter alia , following [s/c] : (a) Where parties have adopted rules for the conduct of an arbitration between them, whether the rules are for ad hoc arbitration or for institutional arbitration, the arbitration proceedings should be conducted pursuant to those rules notwithstanding provisions to the contrary in municipal laws and the award rendered should be recognized and enforced by all Contracting States; (b) Where an arbitral award has been rendered under procedures which operate unfairly against either party, the recognition and enforcement of the award may be refused." AsianAfrican Legal Consultative Committee (Fn. 96), S. 143 f. 105

Siehe etwa Gentinetta (Fn. 37), S. 307 f.

106

Siehe A. Armfeldt, Avoiding the Arbitration Trap, Financial Times, 27.10.1992, S. 17; Asian-African Legal Consultative Committee (Fn. 96), S. 138 f., 143 f.; Berger (Fn. 7), S. 481; Paulsson (Fn. 104), S. 148; ders., Délocalisation of International Commercial Arbitration: When and Why it Matters, ICLQ 32 (1983), S. 53, 56 f. 107 Siehe den Vorschlag des Asian-African Legal Consultative Committee (Fn. 96), S. 143 f. S.a. das an diesem Vorschlag orientierte malaysische Recht unten unter 2.c).dd).

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

61

e) Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausländischen Privatpersonen Eine ähnliche Interessenlage besteht in Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausländischen Privatpersonen. Die private Verfahrenspartei wird sich nicht dem Recht und damit der Regelungsgewalt des staatlichen Vertragspartners unterstellen wollen, während der beteiligte Staat nicht bereit sein wird, sich der Rechtsordnung eines anderen Staates zu unterwerfen. Auch dieser Interessengegensatz erscheint häufig nur durch die Entnationalisierung des Schiedsverfahrens auflösbar. 108

2. Entnationalisierungstendenzen im Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit Die Entwicklung des Rechts der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit seit den fünfziger Jahren hat sich den Problemen, die mit der Verankerung internationaler Schiedsverfahren im nationalen Recht verbunden sind, nicht verschlossen. In der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit läßt sich eine stetige Lockerung der traditionellen Verknüpfung des Schiedsverfahrens mit dem nationalen Recht beobachten, ohne daß allerdings die nationalrechtlichen Bande völlig gekappt werden. Dieser Trend spiegelt sich sowohl im New Yorker und im Europäischen Übereinkommen als auch im autonomen Recht wider. a) New Yorker Übereinkommen Der erste wichtige Schritt auf dem Weg zur Lösung des Schiedsverfahrens vom nationalen Recht hat sich mit dem New Yorker Übereinkommen vollzogen, das den Parteien die Freiheit einräumt, unabhängig von den zwingenden Normen des nationalen Rechts das Schiedsverfahren auszugestalten.109 Die Entnationalisierung des Schiedsverfahrens bleibt aber unvollkommen, da die traditionellen Schnittstellen zum nationalen Recht erhalten bleiben. Das Übereinkommen ist vom Leitbild des Schiedsspruches geprägt, der von der Rechtsordnung am Sitz des Schiedsgerichtes beherrscht und von den dortigen Gerichten mit Wirkung erga omnes aufgehoben werden kann.110 Im übrigen 108 Siehe etwa M. Herdegen, Internationales Wirtschaftrecht (2. Aufl. 1995), S. 98; A. von Mehren /E. Jiménez de Aréchaga , L'arbitrage entre États et entreprises étrangères, Final Report, AnnIDI 63 I (1989), S. 191, 201. Siehe zu „gemischten" Schiedsverfahren ausführlich unten Teil 3, B.II.2. 109 1,0

Siehe Art. V Abs. 1 lit. d) NYÜ. Hierzu oben II.2.b).aa).

Vgl. Art. V Abs. 1 lit. e) NYÜ. Ob das New Yorker Übereinkommen auch die Anerkennung und Vollstreckung anationaler Schiedsprüche garantiert, wird in Teil 4, B.I.l. untersucht.

62

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

betrifft das New Yorker Übereinkommen nur die Perspektive des Exequaturgerichtes. Nehmen die Parteien also während des Schiedsverfahrens die Hilfe staatlicher Gerichte in Anspruch oder wird die Aufhebung des Schiedsspruches begehrt, greift die vom nationalen Recht ungebundene Verfahrensgestaltungsfreiheit des Art. V Abs. 1 lit. d) N Y U nicht ein. b) Europäisches Übereinkommen Eine weiter reichende Befreiung des Schiedsverfahrens vom nationalen Recht ist dagegen im Europäischen Übereinkommen vorgesehen.111 Damit sollte den besonderen Bedürfnissen des Ost-West Handels Rechnung getragen werden. 112 Art. IV Abs. 1 und Art. IX Abs. 1 lit. d) EuÜ garantieren die Freiheit, das Schiedsverfahren ohne Bindung an nationalrechtliche Schranken zu gestalten.113 Im Gegensatz zum New Yorker Übereinkommen gilt diese Garantie nicht nur für den Exequaturrichter, sondern auch während des Schiedsverfahrens. 114 Die Hilfsfunktionen, die während des Schiedsverfahrens traditionell von staatlichen Gerichten wahrgenommen werden, sind nach dem Europäischen Übereinkommen auf die Präsidenten der zuständigen Handelskammern und ein „Besonderes Komitee" übertragen worden, das paritätisch mit Vertretern aus Ost und West besetzt ist.115 Diese Entnationalisierung der Hilfsfunktionen gilt jedoch nur für den Ost-West Handel. Für die westlichen Staaten untereinander ist die Kompetenz zur Unterstützung des Schiedsverfahrens durch die Pariser Zusatzvereinbarung wieder auf die ansonsten zuständigen Gerichte übertragen worden. 116

1.1 Vgl. P Schlosser, Das Internationale an der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, RIW 1982, S. 857, 862: „... zum erstenmal ... ein Stück übernationaler Privatgerichtsverfassung." 1.2

Schlosser (Fn. 4), Rdnr. 85.

1.3

Vgl. dazu oben II.2.b).bb).

1.4

Vgl. Art. I Abs. 1 lit. b) EuÜ.

115

Art. IV Abs. 2 - 7 EuÜ. Die Zusammensetzung des „Besonderen Komitees" ist in einer Anlage zum Europäischen Übereinkommen geregelt, siehe BGBl. 1964 II, S. 445 ff. 1,6 Vereinbarung über die Anwendung des Europäischen Übereinkommens über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 17.12.1962, BGBl. 1964 II, S. 449 ff. Auch im Ost-West Handel ist allerdings von der Unterstützung des Schiedsverfahrens durch die Handelskammerpräsidenten und das „Besondere Komitee" praktisch kein Gebrauch gemacht worden. Das Verfahren nach Art. IV Abs. 2 bis 7 EuÜ ist bisher nur zweimal in Anspruch genommen worden, vgl. D.T. Hascher, European Convention on International Commercial Arbitration of 1961, Commentary, YCA 17 (1992), S. 711, 726.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

63

Art. IX EuÜ treibt die Entnationalisierung des Schiedsverfahrens noch einen Schritt weiter. Gemäß Art. V Abs. 1 lit. e) N Y U kann die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruches versagt werden, wenn er in seinem „Heimatstaat" aufgehoben worden ist. Der Aufhebungsentscheidung des „Heimatstaates" wird also nach dem New Yorker Übereinkommen Wirkung (potentiell)117 erga omnes beigelegt. Art. IX EuÜ schränkt dagegen die Bindungswirkung der Aufhebungsentscheidung auf diejenigen Fälle ein, in denen der Schiedsspruch aus den im Europäischen Übereinkommen aufgezählten Gründen aufgehoben worden ist. 118 Damit sind gleichsam die Aufhebungsgründe entnationalisiert. An eine Aufhebung, die auf den Besonderheiten des nationalen Rechts des „Heimatstaates" beruht, ist der Exequaturrichter nicht gebunden.119 c) Autonomes Recht Internationale Schiedsverfahren sind für den Sitzstaat ein lukratives Geschäft. 120 Seit Ende der siebziger Jahre hat daher ein wahrer Wettlauf um die Erhöhung der Attraktivität nationaler Rechtsordnungen für internationale Schiedsverfahren eingesetzt.121 Die Reformbewegung hat weiteren Auftrieb durch das UNCITRAL-Modellgesetz aus dem Jahre 1985 erhalten. Es dient einer wachsenden Zahl von Staaten als Muster für die nationale Regelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit.122 Allen Reformvorhaben ist gemeinsam, daß sie die Kontrolle internationaler Schiedsverfahren durch nationale Gerichte reduzieren. Hinsichtlich des Grades der Entnationalisierung internationaler Schiedsverfahren gibt es aber Unterschiede, die in der folgenden Übersicht kurz aufgezeigt werden sollen. 117 Siehe zur Bindungswirkung einer Aufhebungsentscheidung im Anerkennungs- und Vollstreckungsstaat nach dem New Yorker Übereinkommen ausfuhrlich unten Teil 4, A.IV.l. 118 Art. IX Abs. 1 EuÜ: „Ist ein unter dieses Übereinkommen fallender Schiedsspruch in einem Vertragsstaat aufgehoben worden, so bildet dies in einem anderen Vertragsstaat nur dann einen Grund für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung, wenn die Aufhebung in dem Staat, in dem oder nach dessen Recht der Schiedsspruch ergangen ist, ausgesprochen worden ist und wenn sie auf einem der folgenden Gründe beruht: ..." [Hervorhebung vom Verfasser.] Vgl. auch Art. IX Abs. 2 EuÜ. 119

Vgl. auch die noch weitergehende Regelung des französischen Rechts unten unter

c).cc). 120

Siehe zur wirtschaftlichen Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit für den Sitzstaat etwa W. Park, National Law and Commercial Justice. Safeguarding Procedural Integrity in International Arbitration, Tulane Law Review 63 (1989), S. 647 ff. 121

Siehe dazu die Übersichten bei Berger (Fn. 7), S. 1 ff.; U. Haas, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer und internationaler Schiedssprüche (1991), S. 24 ff., 102 ff.; Park (Fn. 120), Tulane Law Review 63 (1989), S. 689 ff. 122

Siehe oben Fn. 57.

64

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht aa) Reduzierung der zwingenden Normen für internationale Schiedsverfahren

Die modernen Kodifikationen des Rechtes der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit reduzieren die für internationale Schiedsverfahren geltenden zwingenden Normen auf ein Minimum. Der Verfahrensgestaltungsfreiheit der Parteien sind im wesentlichen nur noch durch die Grundsätze der Gleichbehandlung der Parteien und des rechtlichen Gehörs Grenzen gesetzt.123 bb) Ausschluß der Aufhebbarkeit

internationaler

Schiedssprüche

Eine Reihe von Rechtsordnungen sehen neuerdings die Möglichkeit vor, daß in internationalen Schiedsverfahren die Anfechtung des Schiedsspruches am Sitz des Schiedsgerichtes ausgeschlossen werden kann. (1) Belgien Belgien hat durch seine Reformgesetzgebung aus dem Jahre 1985 für dort stattfindende internationale Schiedsverfahren kraft Gesetzes die Möglichkeit der Aufhebung des Schiedsspruches ausgeschlossen, wenn die Schiedsparteien weder die belgische Staatsangehörigkeit noch ihren Wohnsitz in Belgien haben (Art. 1717 Abs. 4 Code Judiciaire).124 Schiedsverfahren mit Sitz in Belgien bleiben aber, auch wenn sie vom Anfechtungsausschluß des Art. 1717 Abs. 4 Code Judiciaire erfaßt sind, dem belgischen Recht unterworfen. 125 Belgische Gerichte sind daher wie in anderen inländischen Schiedsverfahren für die Unterstützung und Kontrolle des Verfahrens vor Erlaß des Schiedsspruches zuständig126 und Schiedssprüche, die von einem Schiedsgericht mit Sitz in Belgien erlassen werden, können trotz des Anfechtungsaus123

Siehe dazu oben II.2.b).cc).(l).

124

Art. 1717 Abs. 4 Code Judiciare, abgedruckt in Rev. arb. 1985, S. 463: „Les tribunaux belges ne peuvent connaître d'une demande en annulation que lorsqu'au moins une partie au différend tranché par la sentence arbitrale est soit une personne physique ayant la nationalité belge ou une résidence en Belgique, soit une personne morale constituée en Belgique ou y ayant une succursale ou un siège quelconque d'opération." 125 Dasser (Fn. 44), S. 276; H. van Houtte , La loi belge du 27 mars 1985 sur l'arbitrage international, Rev. arb. 1986, S. 29, 35; Park (Fn. 120), Tulane Law Review 63 (1989), S. 695; a.A. wohl B. Demeulenaere , The Place of Arbitration and the Applicable Procedural Law: The Case of Belgium, in: M. Storme/F. de Ly , The Place of Arbitration (1992), S. 68, 75; unklar J. Paulsson , Arbitration Unbound in Belgium, Arb. Int'l 2 (1986), S. 68, 72 f. Siehe auch Channel Tunnel Group v. Balfour Beatty [1993] 2 W.L.R. 282 (per Lord Mustill). 126

S. 71.

van Houtte (Fn. 125), Rev. arb. 1986, 35 f.; Paulsson (Fn. 125), Arb. Int'l 2 (1986),

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

65

schlusses im Ausland als belgische Schiedssprüche nach dem New Yorker Übereinkommen vollstreckt werden. 1 2 7

(2) Schweiz und Tunesien Das 1989 in Kraft getretene Schweizer Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht sieht im Unterschied zum belgischen Recht vor, daß internationale Schiedssprüche, die in der Schweiz ergangen sind, grundsätzlich der Anfechtung unterliegen. Art. 192 Abs. 1 IPR-G eröffnet aber Schiedsparteien, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Schweiz haben, die Möglichkeit, die Anfechtbarkeit des Schiedsspruches schon in der Schiedsvereinbarung auszuschließen. 128 Das Schweizer Recht verlangt einen ausdrücklichen Verzicht. I m Gegensatz zum exclusion agreement des englischen Rechts 129 genügt für den Anfechtungsausschluß nicht, daß die Parteien das Schiedsverfahren der IHK-Schiedsgerichtsordnung unterstellt haben, die in Art. 24 Abs. 2 1 3 0 die Verpflichtung zu einem generellen Rechtsmittelverzicht vorsieht. 131 Gemäß Art. 192 Abs. 2 IPR-G werden Schiedssprüche, die 127

van Houtte (Fn. 125), Rev. arb. 1986, 36 ff.; Paulsson (Fn. 125), Arb. Int'l 2 (1986), S. 72 f.; zweifelnd Berger (Fn. 7), S. 713 f. Auch wenn man die von Art. 1717 Abs. 4 Code Judiciaire erfaßten Schiedssprüche als anational qualifizieren wollte, wären sie nach dem New Yorker Übereinkommen vollstreckbar, siehe unten Teil 4, B.I.l. 128 Art. 192 Abs. 1 IPR-G: „Hat keine der Parteien Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Niederlassung in der Schweiz, so können sie durch eine ausdrückliche Erklärung in der Schiedsvereinbarung oder in einer späteren schriftlichen Übereinkunft die Anfechtung der Schiedsentscheide vollständig ausschließen; ..." Siehe dazu eingehend V. Gétaz Kunz, Rechtsmittelverzicht in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz (1993). 129 Siehe Arab African Energy Corp. v. Olieprodukten Nederland B.V. [1983] 2 Lloyd's Rep. 419. In England ist es unter bestimmten Bedingungen möglich, gegen einen Schiedsspruch vor den staatlichen Gerichten Berufung einzulegen (Sec. 1 Arbitration Act 1979). Die Berufung betrifft „any question of law" (Sec. 1 (2) Arbitration Act 1979), also auch das materielle Recht. Seit 1979 kann die Berufungsmöglichkeit in internationalen Schiedsverfahren (See. 3 (6) und (7) Arbitration Act 1979) bereits in der Schiedsklausel durch ein sogenanntes exclusion agreement ausgeschlossen werden (See. 3, 4 Arbitration Act. 1979). Eine solche Ausschlußvereinbarung berührt allerdings nicht die Aufhebung nach See. 23 Arbitration Act 1950 wegen Verletzung fundamentaler rechtsstaatlicher Garantien („misconduct"). 130 Art. 24 Abs. 2 IHK-Schiedsgerichtsordnung in der Fassung vom 1.1.1988, abgedruckt in JPS 1 (1987), S. 149 ff.: „Jede Partei, die die Schiedsgerichtsbarkeit der Internationalen Handelskammer in Anspruch nimmt, verpflichtet sich damit, den Schiedsspruch unverzüglich zu erfüllen und von allen Rechtsmitteln, auf die sie verzichten kann, Abstand zu nehmen." 131 R. Briner, Die Anfechtung und Vollstreckung des Schiedsentscheides, in: Böckstiegel (Fn. 15), S. 99, 102; J. Paulsson, Arbitrage international et voies de recours. La Cour suprême de Suède dans le sillage des solutions belge et helvétique, Clunet 117 (1990), S. 589, 596.

5 Rensmann

66

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

in der Schweiz ergangen sind und für die die Anfechtbarkeit wirksam ausgeschlossen worden ist, im Vollstreckungsverfahren wie ausländische Schiedssprüche nach dem New Yorker Übereinkommen vollstreckt. Art. 192 des Schweizer IPR-Gesetzes ist in das neue tunesische Schiedsverfahrensrecht rezipiert worden. 132 (3) Schweden Der oberste schwedische Gerichtshof hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1989 auch für das schwedische Recht133 die Möglichkeit eröffnet, in internationalen Schiedsverfahren, die außer dem Sitz des Schiedsgerichtes keine Verbindung zu Schweden aufweisen, die Anfechtbarkeit des Schiedsspruchs durch ausdrückliche Erklärung auszuschließen.134 Wie im Schweizer Recht genügt allerdings der Verweis auf Art. 24 Abs. 2 IHK-Schiedsordnung nicht den Anforderungen an eine wirksame Ausschlußerklärung. 135 cc) Lösung von der Bindung an die Aufliebungsentscheidung des Sitzstaates Eine weitere Lockerung der traditionellen Verknüpfung des Schiedsspruches mit dem Recht und den Gerichten seines „Heimatstaates" sieht das französische Recht vor. Die Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgründe in Art. 1502 NCPC 1 3 6 berücksichtigen nicht mehr die Aufhebung des Schiedsspruches in dem Staate, dessen Recht das Schiedsverfahren unterliegt. 132 Vgl. Art. 78 Abs. 6 i.V.m. Art. 80 ff. des tunesischen Code de l'arbitrage vom 26.4.1993, abgedruckt in: Rev. arb. 1993, S. 721 ff. Siehe dazu A. A. Asouzu, The National Arbitration Law and International Commercial Arbitration: The Indispensability of the National Court and the Setting Aside Procedure, African J. Int'l & Comp. L. 7 (1995), S. 68, 78; K. Meziou/A. Mezghani , Le Code tunesien de l'arbitrage, Rev. arb. 1993, S. 521, 540 f. 133

Siehe nunmehr auch See. 52 des schwedischen Entwurfs für ein neues Schiedsverfahrensgesetz, vgl. The Draft Swedish Arbitration Act: The „Presentation" of June 1994, Arb. Int'l 10 (1994), S. 407, 424. 134

Soleh Boneh International Ltd. et Water Resources Development (International) Ltd. cl la République de l'Ouganda et la National Housing and Construction Corporation of Uganda , 18.4.1989, Clunet 117 (1990), S. 597, 598: „En l'espèce, les parties n'entretiennent aucun lien de rattachement avec la Suède. Il peut être considéré que de telles parties ont la faculté - même avant la survenance du litige - de convenir de limiter leur droit d'attaquer la sentence arbitrale devant la justice suédoise pour des vices de forme." Siehe auch Paulsson (Fn. 131), Clunet 117 (1990), S. 589 ff. 135 Soleh Boneh ci Ouganda (Fn. 134), Clunet 117 (1990), S. 598. Zustimmend Paulsson (Fn. 131), Clunet 117 (1990), S. 596. 136

Der Wortlaut des Art. 1502 NCPC ist in Fn. 50 wiedergegeben.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

67

Französische Gerichte sind also bei der Beurteilung der Wirksamkeit des Schiedsspruches nicht - wie in Art. V Abs. 1 lit. e) N Y Ü vorgesehen 137 - an die Aufhebungsentscheidung des „Heimatstaates" gebunden. 138 Wegen Art. V I I Abs. 1 N Y Ü 1 3 9 gilt dies auch im Anwendungsbereich des New Yorker Übereinkommens.

dd) Ausschluß der Anwendbarkeit

nationalen Rechts

In Malaysia wird die internationale private Schiedsgerichtsbarkeit durch den Arbitration Act von 1952 geregelt, der eine Rezeption des englischen Rechts vor der Reform des Jahres 1979 darstellt. 140 In einer Gesetzesänderung aus dem Jahre 1980 hat Malaysia bestimmte Schiedsverfahren aus dem Anwendungsbereich des Arbitration Act herausgenommen: 141 „(1) [S]ubject to subsection (2) in so far as it relates to the enforcement of an award, the provisions of this Act or other written law shall not apply to any arbitration held under the Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States 1965 or under the United Nations Commission on International Trade Law Arbitration Rules 1976 and the Rules of the Regional Centre for Arbitration at Kuala Lumpur. (2) Where an award made in an arbitration held in conformity with the Convention or the Rules specified in subsection (1) is sought to be enforced in Malaysia, the enforcement proceedings in respect thereof shall be taken in accordance with the provisions of the Convention specified in subsection (1) or the Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards 1958, as may be appropriate. ..."

137 Siehe zum Umfang der Bindungswirkung an die Aufhebungsentscheidung nach Art. V Abs. 1 lit. e) NYÜ unten Teil 4, A.IV.l. 138

Vgl. Société Hilmarton Ltd. c/ Société Omnium de traitement et de valorisation (OTV\ Cour de cassation, 23.3.1994, Clunet 121 (1994), S. 701 ff. mit Anm. E. Gaillard\ Rev. arb. 1994, S. 327 ff. mit Anm. Ch. Jarrosson. Siehe dazu ausführlich unten Teil 4, A. IV. 3. 139 Art. VII Abs. 1 NYÜ: „Die Bestimmungen dieses Übereinkommens ... nehmen keiner beteiligten Partei das Recht, sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts in dem er geltend gemacht wird, zu berufen." 140 Siehe zur Schiedsgerichtsbarkeit in Malaysia H. Arfazadeh, New Perspectives in South East Asia and Delocalised Arbitration in Kuala Lumpur, J. Int'l Arb. 8 No. 4 (1991), S. 103 ff.; Asouzu (Fn. 132), African J. Int'l & Comp. L 7 (1995), S. 68, 71 ff.; P.G. Lim, The Kuala Lumpur Regional Arbitration Centre, ICSID-Rev.-FILJ 3 (1988), S. 119, 123 ff.; KP. Pradhan, Kuala Lumpur Regional Centre for Arbitration: Arbitral Awards, [1994] 2 Malayan Law Journal. S. cxxiv ff.; R.A. Schütze, Die Schiedsgerichtsbarkeit des Regional Centre for Arbitration, Kuala Lumpur, JPS 2 (1988), S. 198 ff.; ders. Internationales Schiedsverfahrensrecht in Singapur und Malaysia, RIW 1989, S. 441, 444 ff. 141

5*

Sec. 34 Arbitration Act, abgedruckt in YCA 6 (1981), S. 194.

68

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

Soweit ICSID-Schiedssprüche von der vorstehenden Vorschrift betroffen sind, ist darin die Umsetzung der entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtung Malaysias aus dem ICSID-Übereinkommen 142 zu sehen. Hinsichtlich der Schiedssprüche, die nach der UNCITRAL-Schiedsordnung und den Rules of the Regional Centre for Arbitration at Kuala Lumpur 143 ergangen sind, handelt es sich dagegen um eine in der Welt wohl einmalige Regelung. Schiedsverfahren nach den genannten Verfahrensordnungen unterstehen, auch wenn sie in Malaysia stattfinden, nicht dem malaysischen Recht. Malaysische Gerichte dürfen in Schiedsverfahren nach der UNCITRAL-Schiedsordnung oder den Regeln des Regional Centre weder unterstützend eingreifen noch die in diesen Verfahren ergangenen Schiedssprüche aufheben. 144 Damit sind die betreffenden Schiedsverfahren aus der Sicht Malaysias - jedenfalls soweit die Parteien keine abweichende Rechtswahl getroffen haben — anational.145

3. Abnehmendes Bedürfnis nach völliger Lösung des Schiedsverfahrens vom nationalen Recht Im Lichte der geschilderten Entnationalisierungstendenzen im Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit nimmt das praktische Bedürfnis nach völliger Lösung vom nationalen Recht durch Vereinbarung eines anationalen Schiedsverfahrens allmählich ab. 146 Das moderne Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit bietet den Schiedsparteien Gestaltungsmöglichkeiten, durch die im Ergebnis die mit anationalen Schiedsverfahren verfolgten Zwecke weitgehend erreicht werden können, ohne sich den Unwägbarkeiten eines völlig vom nationalen Recht gelösten Verfahrens auszusetzen.

142

Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten vom 28.3.1965, BGBl. 1969 II, S. 371 ff. Siehe dazu im einzelnen unten Teil 3, B.II.2.b).aa). 143

Das Regional Centre in Kuala Lumpur ist das asiatische Gegenstück zu den regionalen Schiedszentren in Kairo und Lagos, die vom African-Asian Legal Consultative Committee eingerichtet worden sind, vgl. Pradhan (Fn. 140), Malayan Law Journal [1994] 2, S. cxxvi. Die Schiedsregeln des Kuala Lumpur Regional Centre stellen eine leicht modifizierte Variation der UNCITRAL-Schiedsregeln dar, vgl. Lim (Fn. 140), ICSID-Rev.-FILJ 3 (1988), S. 120. 144

Siehe Klöckner Industries Anlagen GmbH v. Kien Tat Sdn Bhd and Another , High Court of Malaysia (Zakria Yatim J.), 10.4.1990, The Arbitration and Dispute Resolution Law Journal 1992, S. 237 ff.; Soilchem Sdn Bhd v. Standard-Elektrik Lorenz AG, High Court of Malaysia, 26.12.1992, [1993] 3 Malayan Law Journal 68. 145 Malaysia hat damit die Forderung des African-Asian Legal Consultative Committee nach Anerkennung anationaler Schiedsverfahren aufgegriffen, vgl. oben Fn. 104. 146

Dasser (Fn. 44), S. 273; Paulsson (Fn. 104), S. 141.

A. Internationale private Schiedsgerichtsbarkeit

69

Trotz fortbestehender Regelungsvielfalt im Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit kann man unter dem Einfluß des UNCITRALModellgesetzes sowie der französischen, niederländischen und Schweizer Reformen einen weltweiten Trend zur Deregulierung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit feststellen. Für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ist mit dem New Yorker Übereinkommen ein liberales Regime geschaffen worden, das der universellen Akzeptanz zustrebt. Im modernen autonomen Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit werden die zwingenden Normen auf einen Kern fundamentaler rechtsstaatlicher Garantien zurückgeführt und die Eingriffsbefugnisse staatlicher Gerichte auf ein Minimum reduziert. Damit wird die Bedeutung der lex arbitri für das Schiedsverfahren zurückgedrängt. Die Parteien haben hinsichtlich des Verfahrens eine praktisch unbegrenzte Gestaltungsfreiheit. Dies begünstigt auch die weltweit einheitliche Handhabung internationaler Schiedsordnungen, die für die Funktionsfahigkeit internationaler Schiedszentren von großer Bedeutung ist. Belgien, Schweden, die Schweiz und Tunesien bieten den Parteien sogar die Möglichkeit, die Anfechtbarkeit am Sitz des Schiedsgerichtes auszuschließen. Die Parteien können also durch Wahl eines entsprechenden Forums die Kontrolle des Schiedsverfahrens auf die Gerichte des Vollstreckungsstaates verlagern. 147 Im französischen Recht wird der Einfluß der Gerichte des Sitzstaates auf das Schiedsverfahren ferner dadurch beschränkt, daß die Aufhebung des Schiedsspruches durch die Gerichte am Sitz des Schiedsgerichtes im Exequaturverfahren nicht mehr zu den Anerkennungsversagungsgründen zählt. Auch das Europäische Übereinkommen emanzipiert das Schiedsverfahren weitgehend vom Einfluß des Sitzrechtes, indem es das Exequaturgericht von der Bindung an Aufhebungsentscheidungen freistellt, die auf den Besonderheiten des Sitzrechtes beruhen. Für Schiedsverfahren im Ost-West Handel wurde mit dem Europäischen Übereinkommen der Rahmen für ein weitgehend vom nationalen Recht gelöstes Schiedsverfahren geschaffen. Auch in Schiedsverfahren zwischen Entwicklungs- und Industriestaaten nimmt das Bedürfnis nach völliger Entnationalisierung des Schiedsverfahrens durch die zunehmende Rezeption des UNCITRAL-Modellgesetzes ab. Da das UNCITRAL-Modellgesetz auf einem Konsens der Entwicklungs- und Industriestaaten beruht, dürfte bei Schiedsverfahren unter der Herrschaft einer Rechtsordnung, die das UNCITRALModellgesetz rezipiert hat, den Interessen beider Schiedsparteien Rechnung getragen sein.

147 Die Gerichte am Sitz des Schiedsgerichtes können allerdings noch eine gewisse Kontrolle ausüben, wenn sie während des Schiedsverfahrens um Unterstützung gebeten werden.

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

70

Die multilateralen Konventionen und die autonomen Reformgesetze halten allerdings grundsätzlich an der traditionellen Verknüpfung des Schiedsverfahrens mit einem nationalen Recht fest. Nur das malaysische Recht hat für bestimmte internationale Schiedsverfahren seinen Regelungsanspruch völlig aufgegeben. Resümierend kann man also feststellen, daß das Anfang der fünfziger Jahre von der Internationalen Handelskammer diagnostizierte „wirtschaftliche Bedürfnis" des internationalen Handels nach völliger Lösung des Schiedsverfahrens vom nationalen Recht angesichts der modernen Rechtsentwicklung für die internationale private Schiedsgerichtsbarkeit kaum noch besteht. Selbst Jan Paulsson, der prononcierteste moderne Verfechter der Idee anationaler Schiedsverfahren, muß dies einräumen:148 „ . . . as a practical matter I am quite willing to allow that the délocalisation of the international arbitral process is not the wave of the future. The need to délocalisé is felt in few cases, and, happily, it may reasonably be predicted that those instances will become even rarer in the future."

Von fortwirkender praktischer Bedeutung werden anationale Schiedssprüche in Zukunft allerdings in „gemischten" Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausländischen Privatpersonen bleiben, da sich trotz der Harmonisierung und Deregulierung der staatlichen Schiedsverfahrensrechte die widerstreitenden Interessen der Schiedsverfahrensparteien häufig nur durch eine Lösung des Verfahrens vom nationalen Recht versöhnen lassen.149

B. Völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit Für die Zwecke der typisierenden Gegenüberstellung der völkerrechtlichen und internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit in ihrem Verhältnis zum nationalen Recht sollen im folgenden nur zwischenstaatliche Schiedsverfahren als die klassische Erscheinungsform völkerrechtlicher Schiedsgerichtsbarkeit berücksichtigt werden. Ob unter bestimmten Voraussetzungen auch Schiedsverfahren zwischen Staaten und Privatpersonen im Völkerrecht verortet werden können und welche Konsequenzen sich daraus aus der Sicht des nationalen Rechts ergeben, wird eingehend im dritten und vierten Teil der Untersuchung erörtert.

148 149

Paulsson (Fn. 104), S. 141.

Siehe Herdegen (Fn.108), S. 98; von Mehren / Jiménez de Aréchaga (Fn.108), S. 201. Siehe auch die Resolution des Institut de Droit International „Arbitration Between States, State Enterprises or State Entities and Foreign Enterprises" vom 12.9.1989, AnnIDI 63 II (1990), S. 324 ff. Vgl. dazu unten Teil 3, B.I.2.c).

B. Völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit

71

L Völlige Lösung vom nationalen Recht Schiedsverfahren zwischen Staaten150 sind vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung völlig vom nationalen Recht gelöst.151 Sie unterliegen ausschließlich dem Völkerrecht. 152 Zwar hat auch das völkerrechtliche Schiedsgericht seinen Sitz im Territorium eines bestimmten Staates; das Schiedsverfahren und der Schiedsspruch sind damit jedoch nicht dem Recht des Sitzstaates unterworfen. 153 Zwischenstaatliche Schiedsverfahren haben somit kein nationales „Heimatrecht", das seine Gerichte zur Unterstützung des Schiedsverfahrens zur Verfugung stellt und Schiedssprüche, die gegen grundlegende Verfahrensgrundsätze verstoßen, aufhebt. Auch die das Schiedsverfahren beherrschende Völkerrechtsordnung kennt keine den Staaten übergeordneten, mit Zwangsgewalt ausgestatteten Durchsetzungsorgane, die den Fortgang eines völkerrechtlichen Schiedsverfahrens unterstützen und kontrollieren sowie den Schiedsspruch aufheben und vollstrecken könnten.154 In der Völkerrechtsordnung gibt es zwar Ansätze für zentralisierte Durchsetzungsmechanismen, diese haben jedoch nur begrenzte Effektivität. So ist für Urteile des Internationalen Gerichtshofs in Art. 94 Abs. 2 U.N. Charta vorgesehen, daß der Sicherheitsrat gegen eine Partei, die ihren Verpflichtungen aus dem Urteil nicht nachkommt, „Maßnahmen beschließen kann, um dem Urteil Wirksamkeit zu verschaffen." 155 Die Hauptschwäche dieser Regelung besteht darin, daß die Beschlußfassung des Sicherheitsrats dem Abstimmungsmodus des Art. 27 150 Die folgenden Ausführungen gelten mutatis mutandis auch fur Schiedsverfahren zwischen Internationalen Organisationen oder zwischen Staaten und Internationalen Organisationen. Siehe zu völkerrechtlichen Schiedsverfahren unter Beteiligung von Internationalen Organisationen auch Ch. Dominicé , Le règlement juridictionnel du contentieux externe des organisations internationales, in: Le droit international au service de la paix, de la justice et du développement, Mélanges Michel Virally (1991), S. 225, 229 ff. 151 D. Caron , The Nature of the Iran-United States Claims Tribunal and the Evolving Structure of International Dispute Resolution, AJIL 84 (1990), S. 104, 111 f., 126; F.A. Mann, State Contracts and International Arbitration, BYIL 42 (1967), S. 1,2. 152 Caron (Fn. 151), AJIL 84 (1990), S. 112; Mann (Fn. 151), BYIL 42 (1967), S. 2. Siehe zum völkerrechtlichen Schiedsverfahrensrecht unten Teil 3, B.II.l. 153

Mann (Fn. 151), BYIL 42 (1967), S. 2.

154

Siehe D. Caron (Fn. 151), AJIL 84 (1990), S. 111 f.; H. Fox, States and the Undertaking to Arbitrate, ICLQ 37 (1988), S. 1,7. 155

Siehe dazu H. Mosler, in: B. Simma u.a. (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen (1991), Art. 94 Rdnr. 7 ff.; M.E. O'Connell, The Prospects for Enforcing Monetary Judgments of the International Court of Justice. A Study of Nicaragua's Judgment Against the United States, VJIL 30 (1990), S. 891, 905 ff.; K. Oellers-Frahm, Zur Vollstreckung der Entscheidungen internationaler Gerichte im Völkerrecht, ZaöRV 36 (1976), S. 654, 661 ff.; O. Schachter, The Enforcement of International Judicial and Arbitral Decisions, AJIL 54 (1960), S. 1, 17 ff.; ders ., International Law in Theory and Practice (1991), S. 233 f.

72

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

Abs. 3 U . N . Charta unterliegt, wonach die Zustimmung von neun Mitgliedern einschließlich sämtlicher ständiger Mitglieder erforderlich ist. 1 5 6 Darüber hinaus stattet Art. 94 Abs. 2 U.N. Charta den Sicherheitsrat nicht mit der Befugnis aus, den Internationalen Gerichtshof auch bereits während des Verfahrens durch Zwangsmaßnahmen zu unterstützen. 157 Schließlich erstreckt sich die Kompetenz des Sicherheitsrates im Gegensatz zu Art. 13 Abs. 4 Satz 2 der Völkerbundsatzung 158 nicht auf die Durchsetzung sonstiger völkerrechtlicher Schiedssprüche und Gerichtsentscheidungen. Die Effektivität eines völkerrechtlichen Schiedsverfahrens hängt daher in erster Linie vom guten Willen der beteiligten Staaten ab. 1 5 9 Verweigert eine der Parteien die Kooperation, bleiben in der Regel nur die im allgemeinen Völkerrecht vorgesehenen Mittel der Selbsthilfe. 160 Besonders deutlich wird das durch das Fehlen externer Organe hervorgerufene Dilemma bei der Frage der Wirksamkeit völkerrechtlicher Schiedssprüche. Das allgemeine Völkerrecht hält zwar einen Katalog von Aufhebungs- bzw. Nichtigkeitsgründen 161 bereit, es fehlt aber, sofern die Parteien keine besonderen Vereinbarungen

156

Schachter (Fn. 155), AJIL 54 (1960), S. 23; Oellers-Frahm (Fn. 155), ZaöRV 36 (1976), S. 664; B. Simma/S. Brunner in: Simma (Fn. 155), Art. 27 Rdnr. 78; a.A. Mosler (Fn. 155), Art. 94 Rdnr. 13. Mit Schreiben vom 17.10.1986 an den Sicherheitsrat beantragte Nicaragua die Verhängung von Maßnahmen zur Durchsetzung des Nicaragua-Urteils gemäß Art. 94 Abs. 2 U.N. Charta, siehe U.N. Dok. S/18415 (20.10.1986). Die Vereinigten Staaten verhinderten mit ihrem Veto einen entsprechenden Beschluß des Sicherheitsrates, siehe U.N. Dok. S/18428 (28.10.1986). Der abgelehnte Resolutionsentwurf enthielt allerdings keinen ausdrücklichen Verweis auf Art. 94 Abs. 2 U.N. Charta. 157

Der Sicherheitsrat ist allerdings nach überwiegender Ansicht auch zur Durchsetzung von vorsorglichen Maßnahmen i.S.v. Art. 41 IGH-Statut berufen, obwohl sich der Wortlaut des Art. 94 Abs. 2 U.N. Charta nur auf „Urteile" des Internationalen Gerichtshofs bezieht, siehe Mosler (Fn. 155), Art. 94 Rdnr. 15; Oellers-Frahm (Fn. 155), ZaöRV 36 (1976), S. 662; Schachter (Fn. 155), AJIL 54 (1960), S. 23 f.; ders. (Fn. 155), S. 234 f. Siehe in diesem Zusammenhang auch die Sicherheitsrats-Resolution 778 (1992) vom 2.10.1992, mit der der Sicherheitsrat die Beschlagnahme irakischen Vermögens zur Sicherung der vor der U.N. Compensation Commission anhängigen Klagen gegen den Irak anordnete. Sowohl bei der Errichtung der schiedsgerichtsähnlichen Compensation Commission in Resolution 692 (1991) vom 20.5.1991 als auch bei der Beschlagnahme irakischen Vermögens handelte der Sicherheitsrat allerdings nach Kapitel VII der U.N. Charta. 158

Vom 28.6.1919, RGBl. 1919, S. 716 ff.

159

Fox (Fn. 154), ICLQ 37 (1988), S. 7; K. Oellers-Frahm, Arbitration - A Promising Alternative of Dispute Settlement under the Law of the Sea Convention?, ZaöRV 55 (1995), S. 457, 476. 160 Oellers-Frahm (Fn. 155), ZaöRV 36 (1976), S. 656 ff.; Schachter (Fn. 155), AJIL 54 (1960), S. 6. Hierzu ausfuhrlich unten Teil 4, B.V.4.b). Dort ist auch die Frage erörtert, in welchem Umfang Drittstaaten bei der Durchsetzung völkerrechtlicher Schiedssprüche mitwirken dürfen. 161

Siehe J.L. Simpson /H. Fox, International Arbitration, Law and Practice (1959), S. 250 ff.

B. Völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit

73

getroffen haben,162 eine völkerrechtliche Aufhebungsinstanz. Daher bleibt jeder am Schiedsverfahren beteiligte Staat hinsichtlich der Wirksamkeit des Schiedsspruches iudex in sua causa: hält er den Schiedsspruch für nichtig, so verweigert er einfach unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund die Erfüllung.163 Die Vollstreckung völkerrechtlicher Schiedssprüche liegt ebenfalls weitgehend in der Hand der Verfahrensparteien. Zwar hat der Vollstreckungsgläubiger bei Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs die Möglichkeit, den Sicherheitsrat gemäß Art. 94 Abs. 2 U.N. Charta anzurufen. Auch im Rahmen anderer Internationaler Organisationen ist vorgesehen, daß gegen Mitgliedstaaten, die sich der Befolgung eines völkerrechtlichen Schiedsspruches widersetzen, Sanktionsmaßnahmen verhängt werden können.164 Diese zentralisierten Vollstreckungsverfahren haben jedoch nur einen begrenzten Anwendungsbereich und haben sich in der Praxis bisher 165 als wenig effektiv erwiesen.

I I . Die Rolle nationaler Gerichte und Vollstreckungsorgane in völkerrechtlichen Schiedsverfahren Wegen des Fehlens effektiver zentraler völkerrechtlicher Kontroll- und Zwangsmechanismen, stellt sich die Frage, inwiefern nationale Gerichte und Vollstreckungsorgane dieses institutionelle Vakuum ausfüllen können.166 In 162 So ist für einige Schiedsverfahren die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs fur die Entscheidung über die Wirksamkeit des Schiedsspruches vereinbart worden, vgl. IGH, Arbitral Award of 31 July 1989 (Guinea-Bissau v. Senegal), 12.11.1991, ICJ Rep. 1991, S. 53 ff.; Arbitral Award made by the King of Spain on 22 December 1906 (Honduras v. Nicaragua), 18.11.1960, ICJ Rep. 1960, S. 192 ff. 163 K Oellers-Frahm, Judicial and Arbitral Decisions. Validity and Nullity, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law, Instalment 1 (1981), S. 118, 120; W.M. Reisman , Nullity and Revision (1971), S. 134 ff. 164 Siehe etwa Art. 33 der Satzung der International Labour Organization i.d.F. vom 25.6.1953, UNTS Bd. 15, S. 40 ff. i.V.m. UNTS Bd. 119, S. 144 ff.; Art. 86 ff. der [Chicago] Convention on International Civil Aviation vom 7.12.1944, UNTS Bd. 15, S. 296 ff. Vgl. auch zum schiedsgerichtsähnlichen Streitschlichtungsverfahren im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) Art. 22 der „Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten" vom 15.4.1994, BGBl. 1994 II, S. 1598 ff. (englisch), 1749 ff. (deutsch). Zu weiteren Beispielen Oellers-Frahm (Fn. 155), ZaöRV 36 (1976), S. 671 ff. 165 Die durch Art. 22 Abs. 3 der WTO-Streitbeilegungsvereinbarung (Fn. 164) eröffnete Möglichkeit der „cross retaliation " dürfte allerdings in Zukunft zu einer effektiveren Durchsetzung der Entscheidungen der WTO-Streitbeilegungsorgane fuhren, vgl. Herdegen (Fn. 108), S. 126; skeptischer E. Vermulst/B. Driessen, An Overview of the WTO Dispute Settlement System and its Relationship with the Uruguay Round Agreements. Nice on Paper but Too Much Stress for the System?, JWT 29 No. 2 (1995), S. 131, 147, 153. 166

Siehe dazu grundlegend Ch. Schreuer,

Die Behandlung internationaler Organakte

74

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

welchem Umfange sind nationale Gerichte und Vollstreckungsorgane also bereit, sich im Wege des „dédoublement fonctionnel" 167 in den Dienst der Völkerrechtsordnung zu stellen und völkerrechtlichen Schiedsverfahren ihre Unterstützung zu gewähren? Wie in internationalen privaten Schiedsverfahren 168 sind auch in völkerrechtlichen Schiedsverfahren zahlreiche Konstellationen denkbar, in denen die Kooperation staatlicher Gerichte und Vollstreckungsorgane erforderlich sein kann. Während des Verfahrens kann etwa die Hilfe staatlicher Gerichte zur Beschaffung von Beweismaterial notwendig werden. Das Recht der Vereinigten Staaten hat diesem Bedürfnis Rechnung getragen und ermächtigt in 28 U.S.C. § 1782 die Bundesgerichte zur Unterstützung völkerrechtlicher Schiedsgerichte bei der Sachverhaltsermittlung. 169 Bei völkerrechtlichen Schiedssprüchen, die einen Zahlungsanspruch zum Gegenstand haben, drängt sich die Frage nach ihrer innerstaatlichen Vollstreckbarkeit auf. 170 Eine Reihe völkerrechtlicher Verträge sieht ausdrücklich vor, daß die im Rahmen dieser Vertragswerke erlassenen Schiedssprüche in den Vertragsstaaten wie inländische Gerichtsurteile vollstreckbar sind.171 Fehlt aber eine solche Klausel oder wird die Vollstreckung in einem Nichtvertragsstaat begehrt, gewinnt die Frage an Bedeutung, ob jedenfalls fur bestimmte völkerrechtliche Schiedssprüche die Instrumente des internationalen Zivilprozeßrechtes zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche und Gerichtsurteile nutzbar gemacht werden können. Den Weg in diese Richtung haben englische und amerikanische Gerichte bei der Anerkennung und durch staatliche Gerichte (1977). Siehe auch A. Giardina, La mise en oeuvre au niveau national des arrêts et des décisions internationaux, RdC 165 (1979 IV), S. 233 ff.; R. Jennings , The Judicial Enforcement of International Obligations, ZaöRV 47 (1987), S. 3 ff.; H. Mosler , Supra-National Judicial Decisions and National Courts, Hastings International and Comparative Law Review 4 (1981), S. 425 ff. 167

Vgl. G. Scelle , Le phénomène juridique de dédoublement fonctionnel, in: W. Schätzet / H -J. Schlochauer , Rechtsfragen der internationalen Organisation. Festschrift fur Hans Wehberg zu seinem 70. Geburtstag (1956), S. 324 ff. Siehe dazu auch A. Cassese, Remarks on Scelle's Theory of ,Role Splitting4 (dédoublement fonctionnel) in International Law, EJIL 1 (1990), S. 210 ff. 168

Siehe dazu oben A.I. (Fn. 4 ff.).

169

28 U.S.C. § 1782 (a): „The district court of the district in which a person resides or is found may order him to give his testimony or statement or to produce a document or other thing for use in a proceeding in a foreign or international tribunal. ..." [Hervorhebung vom Verfasser.] Siehe zur Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift H. Smit, Assistance Rendered by the United States in Proceedings Before International Tribunals, Col. L. Rev. 62 (1962), S. 1264 ff. 170

Vgl. W.M. Reisman (Fn. 163), S. 820: „National courts [are] potentially the most effective and economic enforcers of international judgments." Siehe dazu eingehend unten Teil 4, B. (insbesondere 1.1.e) und III.) 171

Siehe unten Teil 4, B.IV.

B. Völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit

75

Vollstreckung der Schiedssprüche des Iran-United States Claims Tribunal 172 gewiesen. Der englische High Court beurteilte die res iudicata Wirkung der Schiedssprüche des Claims Tribunal nach den Grundsätzen über die Anerkennung ausländischer Gerichtsurteile. 173 Amerikanische Bundesgerichte erklärten die Schiedssprüche des Claims Tribunal nach dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche 174 für vollstreckbar. 175 Der Rolle nationaler Gerichte und Vollstreckungsorgane bei der Unterstützung völkerrechtlicher Schiedsverfahren sind jedoch in zweifacher Hinsicht Grenzen gesetzt. Zum einen müssen stets die verfassungsrechtlichen Vorgaben über das Einwirken des Völkerrechts in das innerstaatliche Recht beachtet werden. Es geht dabei vor allen Dingen um die Frage, ob staatliche Gerichte ohne die Beteiligung der Exekutive oder der Legislative die innerstaatliche Umsetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Schiedsvertrag beziehungsweise aus dem Schiedsspruch bewirken oder verweigern dürfen. 176 Zum anderen haben staatliche Gerichte und Vollstreckungsorgane wegen des Grundsatzes der Staatenimmunität nur eingeschränkte Möglichkeiten, im Zusammenhang mit einem völkerrechtlichen Schiedsverfahren Gerichtsbarkeit und Zwang gegenüber einem fremden Staat auszuüben. Die Immunität fremder Staaten gilt aber heute nicht mehr uneingeschränkt.177 Bei zwischenstaatlichen Schiedsverfahren wird es zwar in den meisten Fällen nicht um acta iure gestionis gehen, die Staatenimmuniät kann jedoch durch einen vor Beginn des Schiedsverfahrens erklärten Verzicht des betroffenen Staates entfallen. 178 172 Das Iran-United States Claims Tribunal entscheidet in erster Linie über Ansprüche amerikanischer und iranischer Staatsangehöriger gegen den jeweils anderen Staat. Daneben ist es aber auch fur Streitigkeiten zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten zuständig, siehe unten Teil 3, B.II.2.b).bb). 173

Dallal v. Bank Mellat [1986] 2 W.L.R. 745. Dazu ausfuhrlich unten Teil 4, B.IIIAc).

174

Vom 10.5.1958, BGBl. 1961 II, S. 122 ff.

175

Ministry of Defense of the Islamic Republic of Iran v. Gould , 887 F. 2d 1357 (9th Cir. 1989), cert, denied 110 S.Ct. 1319 (1990); Ministry of Defense of the Islamic Republic of Iran v. Gould, 969 F. 2d 764 (9th Cir. 1992); Iran Aircraft Industries and Iran Helicopter and Renewal Company v. Avco Corporation , 980 F. 2d 141 (2d Cir. 1992). 176

Siehe dazu unten Teil 4, B.l.e).cc).

177

Hierzu unten Teil 4, A.V. und B.V.

178

Siehe z.B. Ziff. 16 Satz 2 und Ziff. 17 Satz 2 Declaration of the Government of the Democratic and Popular Republic of Algeria (General Declaration), 19.1.1981, Iran-US CTR 1 (1983), S. 3 ff. und Art. IV Abs. 3 Declaration of the Government of the Democratic and Popular Republic of Algeria Concerning the Settlement of Claims by the Government of the United States of America and the Government of the Islamic Republic of Iran (Claims Settlement Declaration), 19.1.1981, Iran-US CTR 1 (1983), S. 9 ff. Vgl. zur Auslegung dieser Bestimmungen als Verzichtsklauseln, G. Delaume , Enforcement of State

76

2. Teil: Schiedsverfahren und nationales Recht

Einige Stimmen in der Literatur stellen sogar grundsätzlich die Zulässigkeit der Berufung auf die Staatenimmunität gegenüber der Vollstreckung völkerrechtlicher Schiedssprüche und Gerichtsurteile in Frage. 179

C. Konvergierende Entwicklungslinien Die völkerrechtliche und die internationale private Schiedsgerichtsbarkeit unterscheiden sich grundlegend in ihrem Verhältnis zum nationalen Recht. Während das internationale private Schiedsverfahren nach traditionellem Verständnis von einem nationalen Recht beherrscht wird, unterliegt das völkerrechtliche Schiedsverfahren nur der Völkerrechtsordnung, ist also vom staatlichen Recht gelöst. Die vorstehenden Ausführungen haben aber gewisse konvergierende Entwicklungslinien gezeigt: Dem orthodoxen Postulat der notwendigen nationalrechtlichen Verankerung internationaler privater Schiedsverfahren ist Anfang der fünfziger Jahre das Modell eines nach dem Muster der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit völlig vom staatlichen Recht befreiten Schiedsverfahrens entgegengesetzt worden. Damit sollte der hemmende Einfluß der nur unzureichend auf internationale Sachverhalte eingestellten nationalen Rechtsordnungen auf internationale private Schiedsverfahren ausgeschaltet werden. Im Wettlauf um die Erhöhung der Attraktivität nationaler Rechtsordnungen für internationale Schiedsverfahren haben die modernen staatlichen Schiedsverfahrensrechte ihren unabdingbaren Regelungsanspruch auf ein Minimum reduziert. Damit wird zwar das Bedürfnis nach völliger Entnationalisierung internationaler privater Schiedsverfahren zurückgedrängt; solange jedoch der Prozeß der Harmonisierung und Deregulierung des Rechts der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit nicht abgeschlossen ist, wird es nach wie vor Interessenlagen geben, in denen anationale Schiedsverfahren von praktischer Bedeutung bleiben. Dies trifft insbesondere auf „bipolare" Wirtschaftsbeziehungen im Nord-Süd-Handel und auf „gemischte" Schiedsverfahren zwischen Staaten (bzw. Internationalen Organisationen) und ausländischen Privatpersonen zu. In der völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit sind in zunehmendem Umfange Konstellationen denkbar, in denen nationale Gerichte und Vollstreckungsorgane zur Unterstützung des völkerrechtlichen Schiedsverfahrens in Anspruch genommen werden. In dem Maße, in dem sich das internationale

Contract Awards: Jurisdictional Pitfalls and Remedies, ICSID-Rev.-FILJ 8 (1993), S. 29, 50. 179 E. Lauterpacht, Observations, AnnlDI 62 I (1987), S. 140; Schachter (Fn. 155), AJIL 54 (1960), S. 12; Schreuer (Fn. 166), S. 275. Siehe dazu eingehend unten Teil 4, B.V.4.

C. Konvergierende Entwicklungslinien

77

private Schiedsgericht vom nationalen Recht emanzipiert und sich die völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit der Hilfe nationaler Gerichte und Vollstrekkungsbehörden bedient, ergeben sich gemeinsame Rechtsanwendungsprobleme, die im vierten Teil der vorliegenden Untersuchung analysiert werden sollen. Zunächst werden jedoch die verschiedenen theoretischen Konzeptionen vorgestellt, die sich hinter dem Begriff des anationalen Schiedsspruches verbergen.

Dritter Teil

Anationale Schiedssprüche Dem negativen Befund, daß ein anationaler Schiedsspruch von keinem nationalen Recht beherrscht wird 1, muß die Frage folgen, ob er damit rechtsordnungslos ist oder einem nicht-nationalen Recht unterliegt.2 Auch bei den im folgenden notwendigen rechtstheoretischen Überlegungen soll Ausgangspunkt der Untersuchung die lex fori des jeweils angerufenen staatlichen Gerichtes bzw. Vollstreckungsorgans bleiben. Im Mittelpunkt steht also die Frage, wie aus der Sicht staatlicher Rechtsordnungen der anationale Schiedsspruch denkbar ist.3

A. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch I. Absolute Parteiautonomie Im Zuge der Vorarbeiten zum New Yorker Übereinkommen wurde die Ansicht vertreten, daß internationale private Schiedssprüche keiner Anbindung an eine Rechtsordnung bedürften, sondern ihre Verbindlichkeit aus der Parteivereinbarung selbst schöpfen könnten. Damit wurde ein Gedanke aufgegriffen, der von der französischen Rechtsprechung in den dreißiger und vierziger Jahren für „internationale" Verträge entwickelt worden war.4 In einer berühmten Entscheidung aus dem Jahre 1940 hatte es die Pariser Cour d'appel für möglich gehalten, daß „internationale" Verträge der Herrschaft eines jeden nationalen Rechts entzogen werden könnten.5 1

Siehe die Definition oben Teil 1, A.I.l.

2

Vgl. J. Gentinetta, Die Lex Fori internationaler Handelsschiedsgerichte (1973), S. 142 ff.; F. Rigaux, Observations, AnnIDI 63 I (1989), S. 77, 78. Allerdings genügt fiir den staatlichen Richter in der Praxis (etwa zur Ablehnung seiner Aufhebungszuständigkeit) häufig die Feststellung, daß ein Schiedsspruch nicht inländisch ist, ohne sich mit der positiven Bestimmung des Verfahrensstatuts beschäftigen zu müssen. Siehe unten Teil 4, A.I.l. 3

Siehe zur Unterscheidung zwischen interner und externer Perspektive oben Teil 1, B.I.

4

Vgl. H. Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé (1956), S. 63 ff.; J. Donnedieu de Vabres , L'évolution de la jurisprudence française en matière de conflit des lois depuis le début de XX e siècle (1938), S. 561. 5

Société des Services Contractuels des Messageries maritimes c/ Comité de la Bourse

A. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch

79

Vor diesem Hintergrund forderte die Internationale Handelskammer 1953 in einem Bericht an die Vereinten Nationen die Anerkennnung eines Schiedsspruches, der völlig vom nationalen Recht gelöst sein sollte („an award completely independent of national laws").6 Dieser „internationale" Schiedsspruch sollte ausschließlich in der Parteiautonomie („autonomy of the will") gegründet sein, der die Qualität einer Rechtsquelle zugeschrieben wurde.7 Auch in der französischen Literatur wurde fur die internationale Schiedsgerichtsbarkeit die Idee einer „ . . . autonomie absolue de la volonté, considérée non plus seulement comme opérant élection d'une législation positive mais comme étant elle-même la loi régissant directement l'opération voulue par les parties"

propagiert.8

II. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch in der Praxis 1. SEEE c/ Yougoslavie Die Idee des rechtsordnungslosen Schiedsspruches hat auch in der Rechtsprechung staatlicher Gerichte ihren Widerhall gefunden. Als klassisches Beispiel fur einen rechtsordnungslosen Schiedsspruch gilt der 1956 in einem Verfahren zwischen der Société Européenne d'Etudes et d'Entreprises S.A. (SEEE) und Jugoslawien ergangene Schiedsspruch9, der erst nach einer langjährigen Odyssee vor Schweizer10, uruguayischen11 und niederländischen12 Gerichten in Frankreich 13 für vollstreckbar erklärt wurde. 14 d'Amsterdam et Mouren , Cour d'appel de Paris, 24.4.1940, Recueil Sirey 1942, 2, S. 29 ff. mit Anm. J.P. Niboyet. Die Notwendigkeit einer Verankerung in einem staatlichen Recht betont dagegen Cour de cassation, 21.6.1950 (Etat français c/ Comité de la Bourse d'Amsterdam et Mouren), RCDIP 39 (1950), S. 609 ff. mit Anm. H. Batiffol („... tout contrat international est nécessairement rattaché à la loi d'un Etat."). 6

International Chamber of Commerce, Enforcement of International Arbitral Awards, IHK-Broschüre Nr. 174 (1953), S. 7. 7

Ebenda, S. 8.

8

G. Holleaux , Buchbesprechung zu F.E. Klein, Considérations sur l'arbitrage en droit international privé, RCDIP 45 (1956), S. 177, 179. Ähnlich Ch. Carabiber , L'évolution de la jurisprudence en matière d'exécution des jugements étrangers et des sentences arbitrales étrangères et internationales, Rev. arb. 1961, S. 168, 180; T. Kitagawa , Contractual Autonomy in International Commercial Arbitration Including a Japanese Perspective, in: P. Sanders (Hrsg.), International Arbitration. Liber Amicorum for Martin Domke (1967), S. 133, 138 f.; J. Rubellin-Devichi , L'Arbitrage (1965), S. 117 ff. 9 Société européenne d'études et d'entreprises c/ République populaire fédérative Yougoslavie , 2.7.1956, (Ripert, Panchaud ), Clunet 86 (1959), S. 1074 ff.; ILR 24 (1957), S. 761 ff. 10

Société européenne d'études et d'entreprises

de

S.A. c. République populaire fédérative

3. Teil: Anationale Schiedssprüche

80

Das Schiedsverfahren beruhte auf einem im Jahre 1932 zwischen der jugoslawischen Regierung und der Rechtsvorgängerin der SEEE geschlossenen Vertrag über den Bau einer Eisenbahnstrecke. Die Schiedsklausel sah vor, daß jede Partei einen Schiedsrichter ernennen sollte. Sofern sich eine Partei weigern sollte, ihren Schiedsrichter zu bestellen, sollte der Präsident des Tribunal de commerce oder des Tribunal civil in Lausanne die Ernennung übernehmen. Weiter heißt es in der Schiedsklausel:15 „Les arbitres seronts exempts de toute formalité; ils pourront juger en amiables compositeurs et les décisions des arbitres et du tiers arbitre, suivant le cas, seront définitives et obligatoires pour les deux parties." de Yougoslavie , waadtländisches Kantonsgericht, 12.2.1957, RCDIP 47 (1958), S. 359 ff.; Schweizerisches Bundesgericht, 18.9.1957, RCDIP 47 (1958), S. 366 f. mit Anm. J.F. Aubert. 11

Corte Suprema, ohne Datum, Clunet 93 (1966), S. 175.

12

Société Européenne d Etudes et d Entreprises v. Socialist Federal Republic of Yugoslavia, Präsident der Rechtbank Rotterdam, 9.11.1971, NYIL 3 (1972), S. 294; Société Européenne d Etudes et d Entreprises en liquidité volontaire v. Socialist Republic of Yugoslavia , Gerechtshof 's-Gravenhage, 8.9.1972, NYIL 4 (1973), S. 390 f., ILR 65 (1984), S. 357 f.; Höge Raad, 26.10.1973, NYIL 5 (1974), S. 290 ff., ILR 65 (1984), S. 360 ff.; Gerechtshof s-Gravenhage, 25.10.1974, Rev. arb. 1974, S. 322 ff.; Höge Raad, 7.11.1975, abgedruckt in: G. Gaja (Hrsg.), International Commercial Arbitration, The New York Convention (Loseblattsammlung, Stand: März 1989), V. 35, S. 1 ff. 13 République socialiste fédérale de Yougoslavie d Société européenne d'études et d'entreprises , Tribunal de grande instance de Paris, 8.7.1970, Clunet 98 (1971), S. 131 ff. mit Anm. Ph. Kahn ; Cour d'appel de Paris, 29.1.1975, Clunet 103 (1976), S. 136 ff. mit Anm. B. Oppetit ; Cour de cassation, 14.6.1977, Clunet 104 (1977), S. 864 ff. mit Anm. B. Oppetit ; Société européenne d'études et d'entreprises d République socialiste fédérale de Yougoslavie et autres , Cour d'appel de Orléans, 9.12.1981, Rev. arb. 1983, S. 63 ff. mit Anm. J.L. Delvolvé ; S.E.E.E. d Banque Mondiale, République de Yougoslavie, Etat Français , Cour de cassation, 13.10.1981, Clunet 109 (1982), S. 931 ff. mit Anm. B. Oppetit ; S.E.E.E. d Banque Mondiale République de Yougoslavie, Etat Français , Cour d'appel de Rouen, 13.11.1984, Clunet 112 (1985), S. 473 ff. mit Anm. B. Oppetit; République socialiste de Yougoslavie ci S.E.E.E., B.R.C.E., B.N.P, Société Générale, Crédit Lyonnais, Air France et autres , Tribunal de grande instance de Paris, 3.7.1985, Clunet 112 (1985), S. 911 ff. mit Anm. B. Oppetit, Société européenne d'études et d'entreprises, Banque internationale pour la reconstruction et le développement ci Etat français, République socialiste fédérale de Yougoslavie, Cour de cassation, 18.11.1986, Clunet 114 (1987), S. 120 ff. mit Anm. B. Oppetit. 14 Siehe zusammenfassend zu den vielfältigen Versuchen, den ^^-Schiedsspruch vor staatlichen Gerichten zu vollstrecken, G. Delaume, SEEE v. Yugoslavia: Epitaph or Interlude?, J. Int'l Arb. 4 (1987), S. 25 ff.; F.E. Klein, De l'autorité de la loi dans les rapports commerciaux internationaux, in: W. Flume/ H. J. Hahn/G. Kegel /KR. Simmonds, Internationales Recht und Wirtschaftsordnung. Festschrift für F.A. Mann zum 70. Geburtstag (1977), S. 617 ff.; J. Paulsson, The Extent of Independence of International Arbitration from the Law of the Situs, in: J. Lew (Hrsg.), Contemporary Problems in International Arbitration (1986), S. 141 ff.; A.M. Stuyt, Misconceptions about International (Commercial) Arbitration, NYIL 5 (1974), S. 35 ff. 15

Die Schiedsklausel ist vollständig abgedruckt in RCDIP 47 (1958), S. 359.

A. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch

81

Schließlich war vorgesehen, daß die Schiedsrichter ihre Entscheidung innerhalb einer Frist von einem Monat fallen sollten. Die jugoslawische Regierung war seit 1941 mit der Erfüllung der vertraglich festgelegten Zahlungsraten in Verzug. Die französische Regierung vereinbarte im Wege des diplomatischen Schutzes einen Vergleich mit der jugoslawischen Regierung. Jugoslawien zahlte die Vergleichssumme an die SEEE. Ein paar Jahre später behauptete die SEEE, daß Jugoslawien noch nicht allen Zahlungsverpflichtungen aus dem 1932 geschlossenen Vertrag nachgekommen sei. Die SEEE veranlaßte die Einleitung eines Schiedsverfahrens auf der Grundlage der oben genannten Schiedsklausel. Da Jugoslawien sich weigerte, seinen Schiedsrichter zu ernennen, nominierte der Präsident des Tribunal civil in Lausanne einen zweiten Schiedsrichter. Das Schiedsgericht tagte in Lausanne und erließ dort einen Schiedsspruch zugunsten der SEEE, der beim Tribunal du District in Lausanne hinterlegt wurde. Jugoslawien betrieb daraufhin die Aufhebung des Schiedsspruches vor dem waadtländischen Kantonsgericht. a) Das Aufhebungsverfahren vor Schweizer Gerichten Das Kantonsgericht hielt die Aufhebungsklage für unzulässig.16 Es sei für die Aufhebung des Schiedsspruches nicht zuständig, da der Schiedsspruch nicht waadtländischem Recht unterliege. Es sei nämlich nicht der Wille der Parteien zu erkennen, das Schiedsverfahren waadtländischem Recht zu unterwerfen. Indiz für diesen fehlenden Willen sei, daß die in der Schiedsklausel festgelegte Monatsfrist, bis zu deren Ablauf die Schiedsrichter eine Entscheidung fallen müssen, mit dem waadtländischem Schiedsverfahrensrecht unvereinbar sei. Die Tatsache, daß die Parteien dem Präsidenten des Lausanner Tribunal de commerce bzw. Tribunal civil unter bestimmten Umständen die Ernennung eines Schiedsrichters übertragen hätten, lasse nicht auf den Willen schließen, das Verfahren waadtländischem Recht zu unterwerfen. Auch die Hinterlegung des Schiedsspruches beim Tribunal du District in Lausanne sei nicht als Indiz für die Unterstellung des Verfahrens unter waadtländisches Recht zu werten. Das Kantonsgericht verfügte daher von Amts wegen, daß die Hinterlegung des Schiedsspruches beim Tribunal du District wieder rückgängig zu machen sei. Es betonte jedoch, daß durch seine Entscheidung die Wirksamkeit und Verbindlichkeit des Schiedsspruches nicht berührt werde:17

16

Waadtländisches Kantonsgericht (Fn. 10), RCDIP 47 (1958), S. 359 ff.

17

RCDIP 47 (1958), S. 364. [Hervorhebung vom Verfasser.]

6 Rensmann

82

3. Teil: Anationale Schiedssprüche „ . . . la Cour de céans, qui décline sa compétence pour connaître d'un recours dirigé contre un jugement arbitral non soumis à la souveraineté judiciaire vaudoise, n'entend point préjuger de la validité et de la force obligatoire de ce jugement au regard de la volonté des parties ou de tel droit qui lui serait applicable ..."

Das Kantonsgericht ließ damit zwar ausdrücklich offen, ob der Schiedsspruch seine Verbindlichkeit aus einer anderen Rechtsordnung oder aus dem Parteiwillen bezog. Da aber alle denkbaren Anknüpfungspunkte in den Kanton Waadt verwiesen, liegt die Deutung nahe, daß das Kantonsgericht von einem ausschließlich im Parteiwillen verankerten Schiedsspruch ausging. 18 Die Entscheidung des Kantonsgerichts wurde auf die Berufung der SEEE vom Schweizerischen Bundesgericht bestätigt. 19 Das Bundesgericht sprach der SEEE ein schützenswertes Interesse an der Berufung ab, da das Kantonsgericht den Schiedsspruch nicht aufgehoben habe und er somit im Ausland vollstreckbar bleibe: 20 „ . . . le tribunal cantonal n'a pas annulé, même partiellement, la sentence arbitrale puisqu'il se borne à constater que celle-ci ne constitue pas un jugement arbitral au sens de l'article 516 du Code de procédure civile, qu'elle doit donc être restituée au déposant et que pour le surplus le recours est irrecevable." b) Vollstreckungsverfahren vor niederländischen und französischen Gerichten Bei dem Versuch der SEEE, den Schiedsspruch in den Niederlanden und Frankreich zu vollstrecken, wurde die Frage seiner rechtlichen Verankerung unterschiedlich beurteilt. Der Gerechtshof in Den Haag hielt den Schiedsspruch unter Berufung auf die Entscheidung des waadtländischen Kantonsgerichts fur anational. 21 Der niederländische Höge Raad ging dagegen davon 18 So auch Delaume (Fn. 14), J. Int'l Arb. 4 (1987), S. 27. Obwohl es im Tenor der Entscheidung des waadtländischen Kantonsgerichts lediglich heißt, daß der SEEE-Schiedsspruch keinen Schiedsspruch im Sinne von Art. 516 der waadtländischen Zivilprozeßordnung darstelle, geht aus der Formulierung „un jugement arbitral non soumis à la souveraineté judiciaire vaudoise" deutlich hervor, daß damit gemeint ist, daß der Schiedsspruch überhaupt nicht von der waadtländischen Rechtsordnung beherrscht wird. 19

Schweizerisches Bundesgericht (Fn. 10), RCDIP 47 (1958), S. 366 f.

20

RCDIP 47 (1958), S. 367.

21

Gerechtshof 's-Gravenhage, 8.9.1972, (Fn. 12), ILR 65 (1984), S. 358 f.: „... the [New York] Convention is based on the assumption that the arbitral award is subject to the law of a specific State ... Given the fact that the parties to the 1932 agreement have not stipulated that an arbitral award under ... that agreement must be made under a law other than that of the Swiss Canton of Vaud, it follows that the award made by MM. Ripert and Panchaud ... at Lausanne must qualify as an arbitral award according to the law of the Canton of Vaud if the Convention is to be applicable to it in the Netherlands. The Cantonal Tribunal of Vaud ... has decided that the act dated 2 July 1956 and signed by the two gentlemen in question, is not an arbitral award within the meaning of Art. 516 CPC of

A. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch

83

aus, daß der Schiedsspruch dem Recht des Kantons Waadt unterstand.22 Da die Schiedsvereinbarung aus dem Jahre 1932 stamme, sei es nicht denkbar, daß die Vertragspartner ein anationales Schiedsverfahren vereinbaren wollten. Zu dieser Zeit habe es die Theorie eines vom nationalen Recht gelösten Verfahrens nämlich noch nicht gegeben. Das waadtländische Kantonsgericht habe mit der Feststellung, daß der Schiedsspruch nicht die nach waadtländischem Recht erforderlichen Eigenschaften aufweise, lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen fur die Anwendbarkeit waadtländischen SchiedsverfahrensrQchts abgelehnt und die Anfechtungsklage aus diesem Grund fur unzulässig erklärt. Der Schiedsspruch sei aber trotzdem der waadtländischen Rechtsordnung zuzuordnen. Daher sei die Entscheidung des waadtländischen Kantonsgericht wie eine Aufhebungsentscheidung des zuständigen Gerichtes im Sinne von Art. V Abs. 1 lit. e) N Y Ü zu behandeln. Im Gegensatz zum niederländischen obersten Gerichtshof war die Cour d'appel de Rouen der Ansicht, daß der ^^-Schiedsspruch ausschließlich vom Parteiwillen ohne Rückbindung an eine nationale oder anationale Rechtsordnung beherrscht werde, da die Parteien in der Schiedsklausel die Anwendung nationalen Rechts ausgeschlossen hätten:23 „Attendu que la loi du lieu de l'arbitrage n'est pas celle qui régit toujours et nécessairement la procédure arbitrale; Attendu que 'la loi de procédure' réglant l'arbitrage peut être aussi bien une autre loi étatique que la convention des parties; Attendu qu'en l'espèce la clause compromissoire exclut l'application des lois nationales de procédure qu'elle règle elle-même; Attendu que la clause compromissoire prévoit que les arbitres sont exempts de toute formalité, qu'ils pourront juger en amiable compositeur, et que les décisions des arbitres et des tiers arbitres, suivant le cas, seront définitives et obligatoires pour les deux parties; ..."

c) Kritik Weder das waadtländische Kantonsgericht noch der Haager Gerechtshof und die Cour d'appel de Rouen begründen die Anationalität des SEEESchiedsspruches überzeugend. Obwohl alle üblichen Anknüpfungsmomente —

Vaud ... Therefore, the act ... is not an arbitral award made within the territory of a Contracting State other than the Netherlands within the meaning of the Convention." 22 Höge Raad, 7.11.1975, abgedruckt in: Gaja (Fn. 12), V. 35, S. 2 f. In seiner Entscheidung vom 26.10.1973 (Fn. 12), ILR 65 (1984), S. 360 ff., hatte der Höge Raad noch die Qualifikation des SEEE-Schiedsspruches als „anational" vorausgesetzt und entgegen der Vorinstanz die Anwendbarkeit des New Yorker Übereinkommens auf anationale Schiedssprüche bejaht. Siehe zu dieser Entscheidung eingehend unten Teil 4, B.I.l.ee).(l).(a). 23

6*

Cour d'appel de Rouen (Fn. 13), Clunet 112 (1985), S. 487.

84

3. Teil: Anationale Schiedssprüche

Sitz des Schiedsgerichtes, Ort der Hinterlegung, Ernennungsinstanz für die Schiedsrichterbestellung - in den Kanton Waadt verweisen, wurde dem Schiedsspruch die waadtländische Nationalität abgesprochen. Das waadtländische Kantonsgericht stützte sich ausschließlich auf die Unvereinbarkeit der in der Schiedsklausel festgelegten Entscheidungsfrist von einem Monat mit dem waadtländischen Zivilprozeßrecht. Die Nichteinhaltung örtlicher Verfahrensvorschriften genügt für sich genommen aber schwerlich zur Begründung eines stillschweigenden Parteiwillens, den Schiedsspruch zu entnationalisieren. Der Haager Gerechtshof begründet die Anationalität des Schiedsspruches lediglich damit, daß die Gerichte am Sitz des Schiedsgerichtes im Kanton Waadt den Schiedsspruch nicht für inländisch hielten und die Parteien den Schiedsspruch auch keinem anderen Recht unterstellt hätten. Dabei hat der Gerechtshof aber verkannt, daß er im Anwendungsbereich des New Yorker Übereinkommens bei der Beurteilung der Nationalität oder Anationaliät des Schiedspruches nicht an die Qualifizierung der Gerichte des Sitzstaates gebunden ist.24 Die Cour d'appel de Rouen stellt darauf ab, daß nach der Schiedsklausel die Schiedsrichter von jeglicher Formalität befreit als amiables compositeurs entscheiden sollten und der Schiedsspruch endgültig und verbindlich sei. Die Ermächtigung zur Entscheidung als amiables compositeurs betrifft aber nur das in der Hauptsache anwendbare Recht. Die Klausel „endgültig und verbindlich" ist eine in der Schiedsgerichtspraxis übliche Klausel, die weder die Unterwerfung des Schiedsspruches unter ein nationales Recht noch seine Anfechtbarkeit, sondern lediglich die Möglichkeit einer Berufung ausschließen soll.25 Somit kann die Entnationalisierung des Schiedsspruches nur auf die Befreiung der Schiedsrichter von Jeglicher Formalität" gestützt werden. Gegen diese Deutung spricht aber - wie der niederländische Höge Raad zutreffend festgestellt hat - der Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 1932, zu dem es die Diskussion um die Entnationalisierung von internationalen privaten Schiedssprüchen noch nicht gab. Auch die Schiedsrichter Panchaud und Ripert gingen offensichtlich von einer Verankerung des Schiedsverfahrens im waadtländischen Recht aus, da sie den Schiedsspruch beim örtlichen Gericht in Lausanne hinterlegten. Die stärkeren Anhaltspunkte sprechen also für die Annahme, daß die Parteien den Schiedsspruch dem waadtländischen Recht unterstellen wollten.26 24

Siehe oben Teil 2, A.II.2.a).

25

Siehe P. Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit (2. Aufl. 1989), Rdnr. 785 ff. Vgl. zur Auslegung des Begriffes „Verbindlichkeit" auch unten Teil 4, B.I.l.a).bb).(2).(a). 26 So auch A.J. van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958 (1981), S. 34, 43.

A. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch

85

2. General National Maritime Transport Co. c/ Société Götaverken Arendal A.B. GNMTC c! Götaverken 27 gilt als die zweite klassische Entscheidung zur Theorie des rechtsordnungslosen Schiedsspruches. In diesem von der Pariser Cour d'appel entschiedenen Fall betrieb das libysche Staatsunternehmen GNMTC die Aufhebung eines nach der IHK-Schiedsordnung (in der Fassung vom 1.6.1975) ergangenen Schiedsspruches.28 Das Schiedsverfahren beruhte auf einem zwischen der Rechtsvorgängerin der GNMTC und der schwedischen Werft Götaverken geschlossenen Vertrag über die Lieferung von drei Schiffen. Der Vertrag enthielt eine Schiedsklausel, die ein Schiedsverfahren nach der IHK-Schiedsordnung in Paris vorsah.29 GNMTC verweigerte die Abnahme der fertiggestellten Schiffe und die Zahlung des Kaufpreises. Götaverken leitete daraufhin das vertraglich vorgesehene Schiedsverfahren ein. Das Schiedsgericht entschied, daß die GNMTC verpflichtet sei, die Schiffe abzunehmen und den geminderten Kaufpreis zu zahlen.30 Die Pariser Cour d'appel lehnte den Antrag der GNMTC auf Aufhebung des Schiedsspruches als unzulässig ab.31 Französische Gerichte seien für die Aufhebung des Schiedsspruches nicht zuständig, da er nicht nach französischem Verfahrensrecht ergangen und somit nicht inländisch sei.32 Weder die Schiedsparteien noch die Schiedsrichter hätten das Schiedsverfahren einem nationalen Recht unterstellt. Das Schiedsverfahren werde daher nach dem Willen der Parteien ausschließlich von der IHK-Schiedsordnung beherrscht.33 27 General National Maritime Transport Co. cl Société Götaverken Arendal A.B., Cour d'appel de Paris, 21.2.1980, Clunet 107 (1980), S. 660 ff. mit Anm. Ph. Fouchard. 28

Siehe zum parallel in Schweden stattfindenden Vollstreckungsverfahren General National Maritime Transport Co. v. Götaverken Arendal Aktiebolag, Schwedischer Oberster Gerichtshof, 13.8.1979, YCA 6 (1981), S. 237 ff.; VJIL 21 (1980), S. 244 ff. Vgl. zu dieser Entscheidung J. Pauls s on, The Role of Swedish Courts in Transnational Arbitration, VJIL 21 (1980), S. 211 ff.; ders., Arbitration Unbound. Award Detached from the Law of its Country of Origin, ICLQ 30 (1981), S. 358, 372 ff. 29 „ A l l disputes arising from or in connection with the present Contract or any default thereunder shall be finally settled by arbitration. The arbitration shall be held in Paris and conducted in accordance with the Rules of Conciliation and Arbitration then in force of the International Chamber of Commerce." YCA 4 (1979), S. 134. 30 Götaverken v. General National Maritime Transport Company , IHK-Schiedsspruch No. 2977, 2978, 3033/78, 5.4.1978, (C. Jolibois, S. Braekhus, A. Tashani ), YCA 4 (1979), S. 133 ff. 31

Cour d'appel de Paris (Fn. 27), Clunet 107 (1980), S. 667 ff.

32

Vor der Reform des französischen Schiedsverfahrensrechts im Jahre 1981 bestimmte sich in Frankreich die Nationalität eines Schiedsspruches nach dem von den Parteien oder den Schiedsrichtern gewählten Verfahrensrecht, siehe Fouchard (Fn. 27), Clunet 107 (1980), S. 669 und oben Teil 2, A.II.2.b).cc).(l). 33

Cour d'appel de Paris (Fn. 27), Clunet 107 (1980), S. 667 f.: „Considérant qu'en

86

3. Teil: Anationale Schiedssprüche

Auch die IHK-Schiedsordnung sähe in der maßgeblichen Fassung von 197534 im Unterschied zur Version aus dem Jahre 195535 keinen (hilfsweisen) Rückgriff auf das Recht am Sitz des Schiedsverfahrens vor. Die Wahl von Paris als Verfahrensort könne nicht als stillschweigende Unterwerfung des Verfahrens unter französisches Recht gewertet werden. Die Parteien hätten Paris lediglich gewählt, um die Neutralität des Schiedsverfahrens zu garantieren. Auch aus dem New Yorker Übereinkommen könne man keine Argumente für die zwingende Anwendung des Sitzrechts ableiten, da das Übereinkommen nur auf die Anerkennung und Vollstreckung, nicht aber auf die Aufhebung von Schiedssprüchen anwendbar sei. Die Pariser Cour d'appel bestätigte ihre Rechtsprechung zur fehlenden Aufhebbarkeit von IHK-Schiedssprüchen in zwei weiteren Entscheidungen.36 Während im Götaverken-Fall noch betont wurde, daß das Schiedsverfahren auch im übrigen keine Verbindung zur französischen Rechtsordnung aufgewiesen habe, da beide Schiedsparteien ausländisch gewesen seien37, stellte die Pariser Cour d'appel in Société Aksa c/ Société Norsolor klar, daß auch bei Beteiligung einer französischen Partei am Schiedsverfahren ein in Frankreich ergangener IHK-Schiedsspruch vorbehaltlich einer abweichenden Parteivereinbarung nicht als französisch qualifiziert werden könne.38 Die Pariser Cour d'appel hätte sich in den genannten Aufhebungsverfahren eigentlich damit begnügen können festzustellen, daß die betreffenden Schiedssprüche nicht französisch waren und damit nicht der Aufhebungskompetenz französischer Gerichte unterlagen. Da aber sämtliche Anknüpfungsl'espèce, il est constant que les parties n'ont pas désigné de loi procédurale applicable en dehors des règles de cette nature instituées par le règlement de la juridiction arbitrale ..." 34 Art. 11 der IHK-Schiedsordnung in der Fassung vom 1.6.1975: „Les règles applicables à la procédure devant l'arbitre sont celles qui résultent du présent règlement et dans le silence de ce dernier, celles que les parties ou à défaut l'arbitre, déterminent en se référant ou non à une loi interne de procédure applicable à l'arbitrage." Zitiert nach Cour d'appel de Paris (Fn. 27), Clunet 107 (1980), S. 667. 35

„Die auf das Verfahren vor dem Schiedsrichter anwendbaren Bestimmungen ergeben sich aus dieser Schiedsordnung und, soweit diese schweigt, aus der von den Parteien gewählten Prozeßordnung oder mangels Einigung aus der Prozeßordnung des Landes, in dem das Verfahren vor dem Schiedsrichter stattfindet." Art. 16 der Vergleichs- und Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer vom 1.6.1955, abgedruckt in: P. Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit (1. Auflage 1975), Bd. 2, S. 163 ff. 36 Société Aksa c/ Société Norsolor , Cour d'appel de Paris, 9.12.1980, Rev. arb. 1981, S. 306 ff. mit Anm. Ch. Jeantet; Commandement des Forces aériennes de la République Islamique d'Iran c/ Société Bendone Derossi International , Cour d'appel de Paris, 20.12. 1984, Rev. arb. 1985, S. 418 ff. mit Anm. H. Synvet. 37

Cour d'appel de Paris (Fn. 27), Clunet 107 (1980), S. 668.

38

Rev. arb. 1981, S. 312.

A. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch

87

punkte in die französische Rechtsordnung verwiesen, war mit der Verneinung der französischen Nationalität automatisch die Frage der Anationalität aufgeworfen. Die Cour d'appel schien dabei die Verankerung des Schiedsspruches in der IHK-Schiedsordnung und damit letztlich in der Parteivereinbarung für ausreichend zu halten. Abgesehen von der Fragwürdigkeit der Konstruktion des rechtsordnungslosen Schiedsspruches39 erscheint bereits die These unhaltbar, daß IHKSchiedssprüche wegen Art. 11 der IHK-Schiedsordnung immer anational sind, wenn die Parteien nicht die Anwendbarkeit eines nationalen Verfahrensrechtes vereinbart haben.40 Dies entspricht zum einen nicht der Entstehungsgeschichte des Art. 11 der IHK-Schiedsordnung. Mit der Neufassung der IHK-Schiedsordnung im Jahre 1975 sollte nicht die Bindung der Parteien und der Schiedsrichter an die zwingenden Normen des anwendbaren nationalen Verfahrensrechts aufgehoben werden. Vielmehr sollte nur die automatische Anwendbarkeit der dispositiven Normen des Sitzrechtes bei Vorliegen einer Regelungslücke in der Parteivereinbarung (bzw. der IHK-Schiedsordnung) ausgeschlossen werden.41 Zum anderen wird die Auffassung der Pariser Cour d'appel nicht den Interessen der Parteien gerecht. Wegen der mit der Entnationalisierung von Schiedsverfahren einhergehenden Risiken42 kann man aus einem bloßen Stillschweigen der Parteien zum anwendbaren nationalen Verfahrensrecht nicht den impliziten Willen zur völligen Lösung des Schiedsverfahrens vom staatlichen Recht ableiten.43 Unter dem Eindruck der Götaver&ew-Rechtsprechung der Pariser Cour d'appel ist bei der Reform des französischen Rechts der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit von 1981 ausdrücklich festgeschrieben worden, daß Schiedssprüche, die in Frankreich ergangen sind, dort auch aufgehoben 39

Dazu ausfuhrlich unten III. und IV.

40

Wie die Cour d'appel jedoch Ch. Schreuer, State Immunity. Some Recent Developments (1988), S. 63. 41 Siehe E. Schäfer , Überlegungen zu vier Aspekten der Schiedsgerichtsordnung der internationalen Handelskammer, ZVglRWiss 91 (1992), S. 111, 153 ff.; F. Eisemann , The Court of Arbitration: Outline of its Changes from Inception to the Present Day, in: International Arbitration. 60 Years of ICC Arbitration - A Look at the Future, ICC Publication No. 412 (1984), S. 391, 398; A. J. van den Berg, , Non-Domestic Arbitral Awards under the 1958 New York Convention, Arb. Int'l 2 (1986), S. 191, 212 f. 42

Siehe zu den Risiken während des Verfahrens oben Teil 2, A.II.l.c), und zu den Auswirkungen der Entnationalisierung nach Erlaß des Schiedsspruches unten Teil 4. 43 So auch im Ergebnis OLG Frankfurt a.M., 11.3.1981, IPRax 1982, S. 149, 150; 26.10.1983, RIW 1984, S. 400; Bank Mellat v. Helliniki Techniki S.A., [1984] 1 Q.B. 291, 301 (per Kerr L.J.)\ Navierra Amazónica Peruana SA v. Compañía Internacional de Segaros de Peru, [1988] 1 Lloyd's Rep. 116, 119 (per Kerr L.J.). Siehe zu diesen Entscheidungen unten B.I.3.b).bb) und cc).

3. Teil: Anationale Schiedssprüche

88

werden können.44 Damit sind in Frankreich erlassene Schiedssprüche nunmehr dem französischen Recht unterstellt, allerdings ist der Kontrollumfang für „internationale" Schiedssprüche eingeschränkt worden.45

3. Benidai Trading Co. Ltd. v. Gouws & Gouws (Pty.) Ltd. Als weiteres Beispiel für einen aus Sicht des entscheidenden staatlichen Gerichts rechtsordnungslosen Schiedsspruch wird zuweilen die Entscheidung Benidai Trading Co. Ltd. v. Gouws & Gouws (Pty.) Ltd. 46 des südafrikanischen Obersten Gerichtshofs angeführt. 47 In diesem Fall begehrte die Klägerin die Vollstreckung eines in England nach den Schiedsregeln der Fédération Internationale du Commerce des Semences (F.I.S.) ergangenen Schiedsspruches in Südafrika. Die Ausfuhrungen des Gerichtes zum Schiedsverfahrensstatut sind unklar, sprechen aber wohl eher dafür, daß das Schiedsverfahren nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs im englischen Recht verankert war: 48 „It seems that in the present case not even the curial law of England applied (save to a limited extent), because the F.I.S. has its own procedural rules. The limited extent relates to the challenge of arbitrators. ... In my view ... one may look at these conventions [i.e. the Geneva Convention of 1927 and the New York Convention] in interpreting the [F.I.S.] rules. ... [T]hese conventions make it clear that, generally speaking, the curial law of the country where the arbitration is held, applies, but that enforcement and recognition of an arbitral award may be sought in a country other than that in which the award was made." 49

III. Rechtstheoretische Einwände Der rechtsordnungslose Schiedsspruch ist denselben Einwänden ausgesetzt wie der rechtsordnungslose Vertrag (contrat sans loi, self regulatory contract). 50 Die bloße Parteivereinbarung kann aus sich heraus keine rechtliche

44

Siehe Art. 1504 NCPC.

45

Siehe oben Teil 2, A.II.2.b).cc).(l).

46

Entscheidung vom 16.6.1977, YCA 7 (1982), S. 351 ff.

47

Vgl. Paulsson (Fn. 14), S. 145 Fn. 14; P. Lalive, Enforcing Awards, in: International Arbitration. 60 Years of ICC Arbitration - A Look at the Future, ICC Publication No. 412 (1984), S. 317, 328 Fn. 15. 48 In Sinne einer Verankerung des Schiedsspruches im englischen Recht auch A.J. van den Berg, New York Convention of 1958, YCA 7 (1982), S. 293. 49 50

YCA 7 (1982), S. 352 f. [Hervorhebungen vom Verfasser.]

Siehe A. Ernemann, Zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach § 1044 ZPO (1979), S. 99 ff.; B. von Hoffmann, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit: Die Bestimmung des maßgeblichen Rechts (1970), S. 69 ff.; H Merkt,

A. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch

89

Verpflichtung erzeugen, sondern bedarf, um Rechtsverbindlichkeit zu erlangen, einer übergeordneten Norm. Radbruch hat die logische Unmöglichkeit der absoluten Vereinbarungsfreiheit in einem viel zitierten Ausspruch folgendermaßen formuliert: 51 „Wille kann niemals Verpflichtung erzeugen, nicht fremde, aber auch nicht eigene Verpflichtung, er kann höchstens die Sachlage hervorbringen wollen, an die eine über ihm stehende Norm die Verpflichtung knüpft. ... Nicht der Vertrag bindet also, sondern das Gesetz bindet an den Vertrag." Für den Fall des Streites zwischen den Vertragsparteien über die Gültigkeit der geschlossenen (Schiedsverfahrens-) Vereinbarung 52 ist ein externer Entscheidungsmaßstab erforderlich, um die Wirksamkeit der Parteivereinbarung beurteilen zu können. 53 Dieser Einwand läßt sich auch nicht dadurch überwinden, daß man behauptet, die Parteien schüfen durch ihre Vereinba-

Investitionsschutz durch Stabilisierungsklauseln (1990), S. 125 ff.; R. Münzberg, Die Schranken der Parteivereinbarung in der privaten internationalen Schiedsgerichtsbarkeit (1970), S. 133 ff.; Rigaux (Fn. 2), AnnIDI 63 I (1989), S. 78; R Schlosser, Das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, Bd. 1 (1. Auflage 1975), Rdnr. 164 ff.; ders., (Fn. 25), Rdnr. 197. Vgl. zur Kritik am rechtsordnungslosen Vertrag Batiffol (Fn. 4), S. 73 ff.; K.-H. Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatunternehmen (1971), S. 125 ff.; Th. Reimann, Zur Lehre vom „rechtsordnungslosen" Vertrag (1970); W.-H. Roth, Internationales Versicherungsvertragsrecht (1985), S. 548 ff.; J. Stoll, Vereinbarungen zwischen Staat und ausländischem Investor (1982), S. 28 ff. — Vgl. zuletzt die durch die Rechtsprechung der Pariser Cour d'appel ausgelösten Debatte über die Frage, ob die Anerkennung der rechtlichen Unabhängigkeit der Schiedsklausel vom Hauptvertrag zu einer „convention d'arbitrage sans loi" fuhrt. In diesem Sinne wurde von einigen Literaturstimmen die Da//coEntscheidung der Cour d'appel (Comité populaire de la Municipalité d'El Mergeb c/ société Dalico contractors , 26.3.1991, Rev. arb. 1991, S. 456 ff. mit Anm. H. Gaudemet-Talloh) verstanden, siehe Gaudemet-Tallon, a.a.O, S. 469; E. Gaillard , Anm. zur letztinstanzlichen Entscheidung der Cour de Cassation, Clunet 1994, S. 433, 438. Die Cour de Cassation stellte in ihrer Entscheidung vom 20.12.1993 klar, daß aus Sicht der französischen Gerichte die Verbindlichkeit der Schiedsklausel in einer Sachnorm des französischen Internationalen Privatrechts wurzelt (Comité populaire de la municipalité de Khoms El Mergeb c/ société Dalico Contractors , Clunet 121 (1994), 432 f. mit Anm. E. Gaillard ; Rev. arb. 1994, S. 116 f. mit Anm. H. Gaudemet-Tallon). Siehe zur Entscheidung der Cour de Cassation auch unten Fn. 76. 51 G. Radbruch , Gesamtausgabe (A. Kaufmann, Hrsg.), Bd. 2, Rechtsphilosophie II (1993), S. 378. Siehe auch Amin Rasheed Shipping Corp. v. Kuwait Insurance Co., [1983] 2 Lloyd's Rep. 365, 370 (per Lord Diplock): ,,[C]ontracts are incapable of existing in a legal vacuum. They are mere pieces of paper devoid of all legal effect unless they were made by reference to some system of private law which defines the obligations assumed by the parties to the contract by their use of particular forms of words and prescribes the remedies enforceable in a court of justice for failure to perform any of those obligations." Vgl. auch speziell zu Schiedsvereinbarungen Star Shipping A.S. v. China National Foreign Trade Transportation Corporation , [1993] 2 Lloyd's Rep. 445, 450 (per Steyn L.J.) 52 Siehe zur Anknüpfung der Schiedsverfahrensvereinbarung an das Verfahrensstatut Schlosser (Fn. 25), Rdnr. 257 ff.; Ernemann (Fn. 50), S. 75 ff. 53

Siehe die Literaturangaben in Fn. 50.

90

3. Teil: Anationale Schiedssprüche

rung ihre eigene Rechtsordnung (lex contractus). 5* Damit würde sich der Streit um die Wirksamkeit der Parteivereinbarung einfach auf die Ebene des Bestehens der lex contractus verlagern, für deren Existenz ebenfalls keine übergeordneten rechtlichen Kriterien vorhanden wären.55 Auch der Grundsatz pacta sunt servanda vermag die Konstruktion des rechtsordnungslosen Schiedsspruches bzw. Vertrages nicht zu stützen,56 da er für sich genommen keinen Gültigkeitsmaßstab für die Parteivereinbarung beinhaltet. Sohn und Baxter haben dies auf die prägnante Formel gebracht:57 „Pacta sunt servanda is undoubtedly the basic norm of any system of law dealing with agreements... [But] [w]hat is pactum and how it is to be servandum are questions which must be answered by a legal system of law ..."

IV. Die Sicht des staatlichen Richters Bei den vorstehenden rechtstheoretischen Überlegungen wurde das Kollisionsrecht der lex fori ausgeblendet. Die Entnationalisierung des Kollisionsrechtes bzw. der völlige Verzicht auf einen kollisionsrechtlichen Ansatz („voie directe") ist nur aus der Perspektive des Schiedsgerichts denkbar.58 Für den staatlichen Richter bleibt das Kollisionsrecht seiner lex fori, also nationales Recht, Ausgangspunkt für die rechtliche Qualifizierung des Schiedsspruches. Damit verlagert sich das Problem von der rechtstheoretischen Ebene auf die Frage, ob das Kollisionsrecht des jeweiligen Forums die Lösung des Schiedsverfahrens von jeglichem nationalen und anationalen Recht gestattet. Grenze der Entrechtlichung des Schiedsverfahrens bildet also das Kollisionsrecht der lex fori. Insofern gibt es aus der Warte des staatlichen Richters keinen rechtsordnungslosen Schiedsspruch im eigentlichen Sinne, da der Schiedsspruch zumindest den Normen des ordre public der lex fori unterworfen ist.59

54 So aber für Verträge zwischen Staaten und ausländischen Privatunternehmen, A. Verdross, Die Sicherung von ausländischen Privatrechten aus Abkommen zur wirtschaftlichen Entwicklung mit Schiedsklauseln, ZaöRV 18 (1957/58), S. 635, 638 f. 55

Stoll (Fn. 50), S. 31.

56

So aber fur das Schiedsverfahren Kitagawa (Fn. 8), S. 138.

57

L.B. Sohn I R.B. Baxter, Responsibility of States for Injuries to the Economic Interests of Aliens, AJIL 55 (1961), S. 545, 569. Vgl. auch E. Gaillard , Trente ans de Lex Mercatoria. Pour une application sélective de la méthode des principes généraux du droit, Clunet 122 (1995), S. 5, 10 f. 58 Vgl. dazu etwa K.P. Berger , International Economic Arbitration (1993), S. 496 ff.; Merkt (Fn. 50), S. 121 ff. 59 Siehe bereits oben Teil 1, B. I. Siehe für das internationale Vertragsrecht etwa Merkt (Fn. 50), S. 117 ff.; Roth (Fn. 50), S. 549.

A. Der rechtsordnungslose Schiedsspruch

91

Man kann generell feststellen, daß die nationalen Kollisionsrechte - sofern sie für das Schiedsverfahren überhaupt die Parteiautonomie anerkennen60 den Anspruch auf Regelung von Schiedsverfahren mit Auslandsberührung nur aufgeben, wenn ein anderes „Recht"61 oder eine andere „Rechtsordnung"62 als Maßstab für die Rechtswirksamkeit des Schiedsverfahrens 63 an die Stelle des „abgewählten" Rechts tritt. 64 Die zwingenden Normen der gekorenen Rechtsordnung sollen dabei den Schutz der schwächeren Partei und die Wahrung wichtiger Gemeinschaftsinteressen gewährleisten. 65 Diese Schutzfunktion können eine von den Parteien inter partes gesetzte lex contractus oder der pacta sunt servanda Grundsatz nicht übernehmen.66 In den meisten nationalen Schiedsverfahrensrechten beschränken sich die zwingenden Normen allerdings auf wenige fundamentale rechtsstaatliche Verfahrensprinzipien (die Garantie des rechtlichen Gehörs und der Gleichbehandlung der Parteien)67 und gehen damit nicht über die durch den ordre public geschützten verfahrensrechtlichen Mindeststandards hinaus.68 Obwohl die zwingenden Normen des Schiedsverfahrensstatuts daher im Verhältnis zum ordre public der lex fori keine eigenständige Schutzfunktion mehr entfalten, wird es dennoch in den meisten Rechtsordnungen als systemwidrig erachtet,

60

Siehe den Überblick oben in Teil 2, A.II.2.b).

61

Vgl. etwa § 1044 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.

62 Siehe etwa die Legaldefinition des Kollisionsrechts in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EGBGB: „Bei Sachverhalten mit einer Verbindung zum Recht eines ausländischen Staates bestimmen die folgenden Vorschriften, welche Rechtsordnungen anzuwenden sind (Internationales Privatrecht)." [Hervorhebung vom Verfasser.] 63 Vgl. etwa § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO: „... für die Rechtswirksamkeit des Schiedsspruchs ist ... das für das Schiedsverfahren geltende Recht maßgebend." 64 Siehe Ernemann (Fn. 50), S. 102; Gentinetta (Fn. 2), S. 144; W. Habscheid, Unification in the Enforcement of Foreign Awards, in: M. Domke (Hrsg.), International Trade Arbitration (1958), S. 199, 201 f.; F Rigaux (Fn. 2), AnnIDI 63 I (1989), S. 78. Vgl. auch oben Teil 2, A.II.l.c). 65 Siehe First Secretariat Note: Possible Features of a Model Law, U.N. Dok. A / C N . 9/207 (14.5.1981), Rdnr. 19, und oben Teil 2, A.II.l.a). Vgl. für das internationale Vertragsrecht bereits das Reichsgericht in seiner Entscheidung vom 28.5.1936, JW 1936, S. 2058, 2059: „Denn nur eine solche uneingeschränkte Unterwerfung unter irgendeine bestimmte gesetzgebende Gewalt gibt die auch für das zwischenstaatliche Rechtsleben unentbehrliche Gewähr dafür, daß das Schuldverhältnis nötigenfalls auch gegen den selbstsüchtigen Willen des wirtschaftlich stärkeren Vertragspartners oder auch beider Partner unter Berücksichtigung der jeweiligen allgemeinen Belange entsprechend den gemeinsamen Rechtsanschauungen der durch die gleiche Gesittung verbundenen Staaten geregelt wird." 66

Siehe oben bei Fn. 53 ff.

67

Siehe oben Teil 2, A.II.2.c).aa).

68

O. Sandrock, Welche Verfahrensregeln hat ein Internationales Schiedsgericht zu befolgen?, in: A. Plantey/K.-H. Böckstiegel/J. Bredow, Festschrift für Ottoarndt Glossner zum 70. Geburtstag (1994), S. 281, 287 ff.

3. Teil: Anationale Schiedssprüche

92

die Kontrolle der Einhaltung fundamentaler Verfahrensgarantien völlig auf die Ebene des ordre public zu verlagern, da der Vorbehalt der öffentlichen Ordnung lediglich als „Grobfilter" bzw. „Notventil" konzipiert ist.69 Nur das malaysische Recht erkennt in bestimmten Fällen die Möglichkeit „rechtsordnungsloser" Schiedsverfahren an. Für Schiedsverfahren, die der UNCITRAL-Schiedsordnung oder den Regeln des Regional Centre for Arbitration in Kuala Lumpur unterstellt worden sind, verzichtet Malaysia auf seinen Regelungsanspruch auch dann, wenn die Parteien kein anderes nationales oder anationales Recht gewählt haben und alle anderen Anknüpfungspunkte nach Malaysia verweisen.70 Die Anerkennungs- und Vollstreckungsfähigkeit eines solchen, aus der Sicht Malaysias „rechtsordnungslosen" Schiedsspruches nach den Vorschriften des New Yorker Übereinkommens wird ausdrücklich festgeschrieben. 71

B. Der von einer anationalen Rechtsordnung beherrschte Schiedsspruch Mit Ausnahme des malaysischen Rechtes werden nationale Rechtsordnungen anationale Schiedssprüche also allenfalls anerkennen, wenn an die Stelle des nationalen Rechts eine anationale Rechtsordnung als Schiedsverfahrensstatut tritt. Im folgenden Abschnitt soll daher untersucht werden, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen Schiedsverfahren von einer anationalen Rechtsordnung beherrscht werden können. Als anationale lex arbitri kommen die lex mercatoria (I.) und das Völkerrecht (II.) in Betracht.

I. Lex mercatoria Die Diskussion um die Existenz der lex mercatoria als dritte Rechtsordnung neben staatlichem Recht und Völkerrecht wird vowiegend für den Bereich des materiellen Rechtes geführt. Fouchard 72 und Gentinetta 73 gebührt 69 Siehe Ernemann (Fn. 50), S. 102; A. Spickhoff, Internationales Handelsrecht vor Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten, RabelsZ 56 (1992), S. 116, 131, sowie die in Fn. 64 Genannten. 70

Siehe See. 34 (1) Arbitration Act, wiedergegeben in Teil 2, A.III.2.dd).

71

See. 34 (2) Arbitration Act. Im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ist der Schiedsspruch auch in Malaysia nicht mehr völlig rechtsordnungslos, da er nunmehr an den zwingenden Sachnormen des New Yorker Übereinkommens und dem malaysischen ordre public gemessen wird, vgl. Art. V Abs. 1 lit. b) und Abs. 2 NYU. 72

Ph. Fouchard, L'arbitrage commercial international (1965).

73

Gentinetta (Fn. 2).

B. Der von einer anationalen Rechtsordnung beherrschte Schiedsspruch

93

das Verdienst, diesen Gedanken auf das Schiedsverfahren übertragen zu haben. Den jüngsten groß angelegten Versuch, Schiedssprüche einer transnationalen Rechtsordnung zu unterstellen, bildet die Resolution des Institut de Droit International mit dem Titel „Arbitration Between States, State Enterprises or State Entities and Foreign Enterprises" 74, die unter der Federführung Arthur von Mehrens ausgearbeitet wurde. Bevor die verschiedenen Modelle des in der lex mercatoria verankerten Schiedsspruches näher geschildert werden, soll zunächst die theoretische Begündung der lex mercatoria als dritte Rechtsordnung skizziert werden.

1. Das Modell der lex mercatoria als dritte Rechtsordnung Fouchard, Gentinetta und von Mehren knüpfen an die Anfang der sechziger Jahre vor allem mit Blick auf das materielle Recht entwickelte Lehre von der (neuen) lex mercatoria als dritte Rechtsordnung an.75 Diese Lehre wurde neben Fouchard maßgeblich von Berthold Goldman geprägt, der in seinem bahnbrechenden Aufsatz „Frontières du droit et 'lex mercatoria'" die Idee eines „droit coutumier du commerce international" verkündete.76 Goldman ging damit über das bereits vorher von Schmitthoff postulierte „neue Recht des Welthandels" hinaus.77 Für Schmitthoff ist das neue law merchant kein wahres internationales Gewohnheitsrecht im Sinne einer autonomen Rechts74

Resolution vom 12.9.1989, AnnIDI 63 II (1990), S. 324 ff.

75

Siehe zur lex mercatoria aus der Masse der Literatur vor allen Dingen folgende neuere Monographien und Sammelbände: Th. Carbonneau (Hrsg.), Lex Mercatoria and Arbitration (1990); F. Dasser, Internationale Schiedsgerichte und Lex Mercatoria (1989); U. Draetta/R.B. Lake /KP. Nanda, Breach and Adaptation of International Contracts: An Introduction to Lex Mercatoria (1992); A. Kappus, „Lex mercatoria" in Europa und Wiener UN-Kaufrechtskonvention 1980 (1990); A. Kassis, Théorie générale des usages du commerce (1984); R. Meyer, Bona fides und lex mercatoria in der europäischen Rechtstradition (1994); F. de Ly, De Lex Mercatoria (1989); ders., International Business Law and Lex Mercatoria (1992); F. Osman, Les principes généraux de la lex mercatoria. Contribution à l'étude d'un ordre juridique anational (1992); P-F. Weise, Lex mercatoria (1990); U. Stein, Lex Mercatoria: Realität und Theorie (1995). Vgl. auch die Beiträge in: Le droit des relations économiques internationales. Études offertes à Berthold Goldman (1982). 76 Archives de philosophie du droit 9 (1964), S. 177 ff. Siehe auch ders., La lex mercatoria dans les contrats et l'arbitrage internationaux. Réalités et perspectives, Clunet 106 (1979), S. 475 ff.; ders., Nouvelles réflexions sur la Lex Mercatoria, in: Etudes de droit international en l'honneur de Pierre Lalive (1993), S. 241 ff. — Siehe bereits vor Fouchard und Goldman : Ph. Kahn, La vente commerciale internationale (1961), S. 17, 35-38, 265-367, der schon Ansätze einer autonomen Rechtsordnung in der „société internationale des vendeurs et acheteurs" erkannte. 77

C. Schmitthoff, International Business Law. A new Law Merchant, Current Law and Social Problems 2 (1961), S. 129 ff., abgedruckt in: C.-J. Cheng (Hrsg.), Clive M. SchmitthofFs Select Essays on International Trade Law (1988), S. 20 ff.; ders., Das neue Recht des Welthandels, RabelsZ 28 (1964), S. 47 ff.

94

3. Teil: Anationale Schiedssprüche

Ordnung, sondern ein Oberbegriff für die Vereinheitlichung des internationalen Handelsrechts innerhalb des durch die Normen des zwingenden staatlichen Rechts gesetzten Rahmens.78 Ausgangspunkt der Lehre Goldmans und Fouchards ist der empirische Befund, daß sich der grenzüberschreitende Handel - wegen der nicht hinreichend an die Bedürfnisse des internationalen Wirtschaftsverkehrs angepaßten nationalrechtlichen Normen - in zunehmendem Maße autonom organisiert. 79 Die verschiedenen Branchen und Berufsgruppen hätten sich in internationalen Handelsorganisationen zusammengeschlossen und bildeten in ihrer Gesamtheit die „communauté des commerçants"80 oder societas mercatorum. %x Innerhalb dieser Gemeinschaft der Kaufleute entstünden unabhängig von staatlicher Normsetzung Regeln und Handelsbräuche, die von den Handeltreibenden als verbindlich anerkannt würden.82 Die Durchsetzung dieser Regeln werde von den im wesentlichen ohne staatliche Hilfe operierenden internationalen Handelsschiedsgerichten überwacht.83 Den internationalen Handelsorganisationen stünden eine Reihe außerstaatlicher Sanktionsmechanismen zur Verfügung, die den Regeln und Bräuchen des internationalen Handels auch ohne staatlichen Zwang Effektivität verliehen.84 Als Beispiele werden die Sicherheitsleistung durch Hinterlegung eines Geldbetrages vor Beginn eines Schiedsverfahrens, 85 die Veröffentlichung der Namen derjenigen Parteien, die einen Schiedsspruch nicht befolgen,86 Boykottmaßnahmen87 und der Entzug von Mitgliedschaftsrechten in Handelsorganisationen88 angeführt. 78 „[Transnational law] derives its authority from the sovereign power of national lawgivers. [It] is the uniform law developed by parallelism of action in the various national systems of optional law in which the state is disinterested." C. Schmitthoff. \ Nature and Evolution of the Transnational Law of Commençai Transactions, in: Select Essays (Fn. 77), S. 231, 232, 234. 79 Fouchard (Fn. 72), S. 41 (§ 71), S. 401 ff. (§§ 576 ff.); Goldman (Fn. 76), Archives de philosophie du droit 9 (1964), S. 178 ff. 80 Fouchard (Fn. 72), S. 25 (§ 43), S. 402 (§§ 577, 579); Goldman (Fn. 76), Archives de philosophie du droit 9 (1964), S. 191. 81

Goldman (Fn. 76), Etudes Lalive, S. 247 ff.

82

Fouchard (Fn. 72), S. 42 ff. (§§ 73 ff.) fur das Schiedsverfahrensrecht und S. 407 ff. (§§ 587 ff.) fur das materielle Recht; Goldman (Fn. 76), Etudes Lalive, S. 242 ff. 83

Fouchard (Fn. 72), S. 403 (§ 580); Goldman (Fn. 76), Archives de philosophie du droit 9 (1964), S. 191. 84 Fouchard (Fn. 72), S. 47 (§ 83), S. 407 (§ 585) und S. 466 ff. (§§ 649 ff.); Goldman (Fn. 76), Archives de philosophie du droit 9 (1964), S. 191 f. 85

Fouchard (Fn. 72), S. 468 ff. (§§ 652 ff.); Goldman (Fn. 76), Archives de philosophie du droit 9 (1964), S. 192. 86 Fouchard (Fn. 72), S. 471 ff. (§§ 657 ff.); Goldman (Fn. 76), Archives de philosophie du droit 9 (1964), S. 191.

B. Der von einer anationalen Rechtsordnung beherrschte Schiedsspruch

95

Dieser empirische Befund wird von den „Merkatoristen" in ein juristisches Phänomen umgedeutet. Die Lehre Goldmans und Fouchards beruht auf dem rechtsphilosophischeri Grundaxiom, daß dem Staat kein Rechtssetzungsmonopol zukommt, sondern auch andere Gemeinschaften autonomes Recht schaffen können („ubi societas, ibi ius").89 Die societas mercatorum habe eine hinreichende Organisationsdichte erreicht, um autonomes Recht zu erzeugen.90 Die durch die Gsmeinschaft der Kaufleute geschaffene Rechtsordnung speise sich aus zwei Rechtsquellen: dem internationalen Handelsgewohnheitsrecht und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, durch die Lücken im Rechtssystem der lex mercatoria geschlossen werden könnten.91 Die Handelsschiedsgerichte seien „une pierre essentielle" im Gebäude der lex mercatoria. 91 Ihnen komme eine doppelte Funktion zu: sie seien zum einen Rechtsprechungsorgan der societas mercatorum, 93 zum anderen seien sie auch Rechtserzeugungsorgiin, da sie die lex mercatoria fortentwickelten. 94 Die Einhaltung der Normen der lex mercatoria und der Entscheidungen der internationalen Handelsschiedsgerichte sei mit außerstaatlichen Sanktionen bewehrt. 95 Daher könne die Rechtsnormqualität der durch die societas mercatorum geschaffenen Regeln nicht unter Hinweis auf fehlende Durchsetzungsmechanismen in Frage gestellt werden.96 Ob die lex mercatoria bereits heute den Entwicklungsstand einer ausgereiften Rechtsordnung erreicht habe, wird von ihren Verfechtern nach wie vor vorsichtig beurteilt. Sie sei aber zumindest eine Rechtsordnung „en voie de formation" 97. Entscheidend sei, daß die lex mercatoria jedenfalls schon heute die Funktion einer Rechtsordnung erfüllen könne.98 87 Fouchard (Fn. 72), S. 476 (§ 662); Goldman (Fn. 76), Archives de philosophie du droit 9 (1964), S. 191. 88

Fouchard (Fn. 72), Immunität Internationaler Organisationen - Rechtspersönlichkeit 173 f. - Schiedsverfahren mit Mitgliedstaaten 273 f. - Schiedsverfahren mit Privatpersonen 170 ff., 204 f., 272 f. - Schiedsverfahren mit Sitzstaaten 273 f. Internationaler Gerichtshof 71 f., 144, 154, 262, 278 ff. Iran-United States Claims Tribunal 147 ff. - Anerkennung und Vollstreckung von Claims Tribunal Schiedssprüchen 137, 219 ff, 224, 228, 230 ff. - A u f h e b u n g von Claims T r i b u n a l Schiedssprüchen 163, 168 - rechtliche Einordnung der Claims Tribunal Schiedssprüche 148 ff. - Rechtskraft von Claims Tribunal Schiedssprüchen 260 ff. - Schiedsvereinbarung 165 ff. - Verfahrensparteien 151 ff. - Zuständigkeiten 148 Italien - arbitrato irrituale 37 - lex mercatoria 107 ff. Justizgewährungsanspruch 190 ff.

Konzessionsvertrag 123 ff, 126 ff, 130 ff, 144 Lex arbitri —> Schiedsverfahrensstatut Lex contractus 90 f. Lex mercatoria - als dritte Rechtsordnung 92 ff. - als in Schiedsverfahren anwendbares materielles Recht 100 ff. - als Schiedsverfahrensstatut 96 ff, 106 ff, 116 f. - und englische Gerichte 103 f. - und Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen 106 Fn. 145 - und französische Gerichte 101 ff. - und staatliche Gerichte 105 ff. Lugano-Übereinkommen 256 f. Malaysia - Aufhebung anationaler Schiedssprüche

186 - ICSID-Schiedssprüche 67 f. - rechtsordnungslose Schiedsverfahren 92 - UNCITRAL-Schiedsordnung 67 f., 92,

186 New Yorker Übereinkommen 207 ff. - Anwendungsbereich 207 ff. - Aufhebung von Schiedssprüchen 193 f., 195 ff, 210 f. - Entstehungsgeschichte 212 ff. - Handelssachenvorbehalt 228 - Nationalität von Schiedssprüchen 33, 208 ff. - ordre public 224 ff, 233 - Parteiautonomie 47, 61 f., 211 - Schiedsvereinbarung 209 - Schiedsverfahren zwischen Internationalen Organisationen und Privatpersonen 226 ff. - Schiedsverfahren zwischen Staaten u. ausländischen Privatpersonen 226 ff. - und Claims Tribunal Schiedssprüche 137, 219 ff, 224, 228, 230 ff. - und hoheitliches Handeln 227 f. - und ICSID-Schiedssprüche 147 - und malaysisches Recht 67 f., 92 - und völkerrechtliche lex arbitri 229

Sachverzeichnis - und zwischenstaatliche Schiedssprüche 234 ff. - Verbindlichkeit von Schiedssprüchen 209 f., 230 f. Niederlande - A u f h e b u n g von Claims T r i b u n a l Schiedssprüchen 163, 168 - Bestimmung des Schiedsverfahrensstatuts 45, 50 - bindend advies 37 - Gesetzentwurf zu Claims Tribunal Schiedssprüchen 163 - SEEE-Schiedsspruch 82 f , 216 f. Obligationenrechtliches Verfahren 37 Ordre public 47, 53, 90 ff., 103 f., 146, 187, 189 f , 224 f f , 233 - international 199 f , 225 f , 233, 265 - reelement international 38 -völkerrechtlicher ordre public 119 f , 233 Pacta sunt servanda 90, 91 Parteiautonomie - absolute 78 f. - deutsches Recht 51 f. - englisches Recht 52 ff. - Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit 47 f , 62 - Florida 54 f. - Hawaii 54 f. - New Yorker Übereinkommen 47, 61 f , 211 - und Völkerrecht 140 ff. - und lex mercatoria 113 ff. - und Europäisches Vertragsrechtsübereinkommen 106 Fn. 145, 140 Fn. 307 „Political question"-Doktrin 240 f. Repressalie 277 ff. Schiedsgutachten 35 Schiedsordnungen, internationale 58 f , 69, 96, 144 Schiedsorganisationen, internationale 58 f , 96 Schiedsspruch - anationaler - » anationaler Schiedsspruch - Begriff 35 ff.

325

- delokalisierter 31 f. - denationalisierter 32 - „gemischter" Schiedsverfahren, „gemischtes" - internationaler 32, 33 f f , 79 - internationaler privater 34, 40 ff. - nationaler 33 f. - Nationalität 33 ff. - rechtsordnungsloser 78 ff. - staatenloser 32, 45 Fn. 28 - supranationaler 32, 36 - transnationaler 32, 111 f. - völkerrechtlicher 70 ff. - zwischenstaatlicher 70 f f , 205, 234 ff. Schiedsverfahren - „gemischtes" —• Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausl. Privatpersonen, Schiedsverfahren zwischen Internationalen Organisationen und Privatpersonen - internationales privates 34, 40 ff. - völkerrechtliches 70 ff. - zwischen Internationalen Organisationen und Privatpersonen 170 f f , 200 f f , 226 f f , 272 f. - zwischen Staaten und ausländischen Privatpersonen 61, 120 f f , 200 f f , 226 ff, 266 ff. - zwischenstaatliches 70 f f , 118 ff. Schiedsverfahrensstatut - Begriff 40 - Bestimmung 45 ff. - exteme/inteme Perspektive 38 - Funktion 42 ff. - lex mercatoria ebd. - und Nationalität 33 - Völkerrecht ebd. - zwingende Normen 64, 91, 119 f , 142 f. Schweden - Anfechtungsausschluß 66, 186 f. - Vollstreckung von Schiedssprüchen mit völkerrechtlicher lex arbitri 136, 218 f. - Staatenimmunität 268, 271 Schweiz - Anfechtungsausschluß 65 f , 186 f , 188 f. - Bestimmung des Schiedsverfahrensstatuts 50 - lex mercatoria 104 f.

326

averzeichnis

- New Yorker Übereinkommen 66 - Schiedsverfahren zwischen Internationalen Organisationen und Privatpersonen 178 ff., 185 - SEEE-Schiedsspruch 81 f. - Staatenimmunität 269 - Vollstreckung von Schiedssprüchen mit völkerrechtlicher lex arbitri 136 Seegerichtshof 263 f. Seerechtsübereinkommen der V N 263 Sicherheitsrat der V N 71 f. Sitz des Schiedsgerichts 33, 46, 48 ff., 59, 71 Staatenimmunität - Anerkennung und Vollstreckung zwischenstaatlicher Schiedssprüche 274 ff. - Aufhebung „gemischter" Schiedssprüche 201 ff. - Aufhebung zwischenstaatlicher Schiedssprüche 205 - Bilaterale Investitionsschutzabkommen 245 - ICSID-Schiedssprüche 271 f. - Immunitätsausschluß als Repressalie 277 ff. - Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausländischen Privatpersonen 123 ff., 132, 135 - Verwirkung 275 ff. - Vollstreckbarkerklärung „gemischter" Schiedssprüche 266 ff. - Zwangsvollstreckung „gemischter" Schiedssprüche 269 f. - zwischenstaatliche Schiedsverfahren 75 f. Ständiger Internationaler Gerichtshof 144, 258 ff. Ständiger Schiedsgerichtshof 144 State Contracts 122, 138 f. Südafrika 88 f. Tunesien 50, 66, 186 f. U.N. Compensation Commission 72 Fn. 57 UNCITRAL-Modellgesetz 48, 49 f., 58, 63, 69, 105 UNCITRAL-Schiedsordnung 67 f., 150, 152, 185 ff, 243

Untersuchungsverfahren, ches 35 Uruguay 79

völkerrechtli-

Vereinigte Staaten - action on the award 248 - Anerkennung und Vollstreckung von Claims Tribunal Schiedssprüchen 75, 137, 219 ff, 228, 230 - Handelssachen vorbehält 228 - ICSID-Schiedssprüche 265 - „nicht-inländische" Schiedssprüche 223 f. - ordre public 225 - „political question"-Doktrin 240 f. - Schiedsverfahren zwischen Internationalen Organisationen und Privatpersonen 177 f. - Staatenimmunität 268 f., 270 f., 275 f. - Unterstützung völkerrechtlicher Schiedsgerichte 74 - Vollstreckung von Schiedssprüchen mit völkerrechtlicher lex arbitri 136, 218 f. Vereinigtes Königreich - Staatenimmunität 268, 275 f. - Völkerrecht und Landesrecht 240, 250 f. Vergleichsverfahren 35 Vermittlungsverfahren 35 Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation 180 Voie directe 90 Völkerrecht - als Schiedsverfahrensstatut 71, 118 ff. - Anwendung ex contractu 121, 129, 138 f. - Anwendung ex lege 121, 124, 131, 138 f., 229, 249 - Aufhebungs- und Nichtigkeitsgründe 72 f., 232 f. - Grenzen der Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen 238 ff. - Interventions verbot 239 - und Landesrecht 139, 240 f., 249 ff. - und Schiedsverfahren zwischen Internationalen Organisationen und Privatpersonen 170 ff.

Sachverzeichnis und Schiedsverfahren zwischen Privatpersonen 182 f. und Schiedsverfahren zwischen Staaten und ausländischen Privatpersonen 120 ff.

327

- verfahrensrechtlicher ordre public 119 f. - völkerrechtliche Pflicht zur Befolgung eines Schiedsspruches 229 f f , 236 ff. - völkerrechtliches Delikt 138 f , 277