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German Pages 920 [922] Year 2009
Analecta Septentrionalia
Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Herausgegeben von Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer
Band 65
≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York
Analecta Septentrionalia Beiträge zur nordgermanischen Kultur- und Literaturgeschichte
herausgegeben von Wilhelm Heizmann, Klaus Böldl, Heinrich Beck
≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York
앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISSN 1866-7678 ISBN 978-3-11-021869-5 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Copyright 2009 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Laufen Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
Gewidmet
Kurt Schier
zu seinem 80. Geburtstag 27. Februar 2009
Vorwort Im Vergleich zu anderen Mittelalterphilologien ist die Altnordistik aufgrund der besonderen Beschaffenheit der Literaturen des Nordens und insbesondere Islands von jeher auf jene Interdisziplinarität und methodische Vielfalt angelegt und angewiesen gewesen, die heute im akademischen Betrieb immer wieder programmatisch eingefordert wird. Die Sagas als eine im mittelalterlichen Europa beispiellose volkssprachliche Erzählliteratur etwa haben nicht allein schon früh in der Forschung die Frage nach dem Verhältnis von Historizität und Fiktionalität, sondern auch nach dem von Mündlichkeit und Schriftlichkeit aufgeworfen, wofür man u. a. Ansätze der volkskundlichen Erzählforschung fruchtbar machte. Die Erforschung der eddischen Mythologie wiederum erfordert in einem womöglich noch höherem Maße den Rückgriff auf verschiedene Disziplinen, muss hier die philologische Methode doch in jedem Fall ergänzt werden durch Ansätze und Erkenntnisse aus der Archäologie, der Ikonographie, der Runologie sowie der germanischen und der Vergleichenden Religionsgeschichte – um nur die wichtigsten der relevanten Disziplinen zu erwähnen. Auch wenn sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten der Fokus der altnordistischen Literaturwissenschaft mit guten Gründen zugunsten der hoch- und spätmittelalterlichen Kontexte verschoben hat und man heute stärker die handschriftliche Überlieferung und deren kulturelle und soziale Bedingungen in den Blick nimmt, so ist doch die Auseinandersetzung mit den der Etablierung der Schrift- und Buchkultur im Norden vorausgehenden Jahrhunderte ein integrierender Bestandteil des Faches geblieben. Kurt Schier, zu dessen 80. Geburtstag dieser Sammelband vorgelegt wird, repräsentiert die Kultur einer methodisch kontrollierten Interdisziplinarität in der Altnordistik in besonderer Weise. 1929 bei Gablonz (Isergebirge) geboren, studierte er 1949–1955 Skandinavistik, Volkskunde, Germanistik, Anglistik und Geschichte und hielt sich in seinen jungen Jahren auch für längere Zeit in Island auf, bevor er 1955 von Friedrich von der Leyen mit der Dissertation Praktische Untersuchungen zur mündlichen Weitergabe von Volkserzählungen promoviert wurde. 1971 habilitierte er sich in Nordischer Philologie und Germanischer Altertumskunde mit der Abhandlung Balder, Loki, Heimdall. Untersuchungen zur germanischen Religion. Von 1976 bis zu seiner Emeritierung 1995 war Kurt Schier
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Vorwort
Professor für Nordische Philologie und Germanische Altertumskunde in München; ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der deutschen Skandinavistik sollte 1979 die maßgeblich von ihm mitinitiierte Ausrichtung der Vierten Internationalen Sagakonferenz in der bayerischen Landeshauptstadt sein. Nicht wenige der Beiträger dieses Bandes haben bei Kurt Schier studiert oder wurden promoviert oder weilten als Gastforscher am Münchener Institut mit seiner international renommierten Bibliothek. Zusammen mit Felix Karlinger gab Kurt Schier von 1967 bis 1982 die Reihe Die Märchen der Weltliteratur heraus, wobei er selbst die Bände zu Schweden und Island besorgte. In den späten siebziger Jahren begründete er die Reihe Saga. Bibliothek der altnordischen Literatur. Er arbeitete ferner an der Enzyklopädie des Märchens mit und verfasste eine Reihe von Beiträgen für dieses wichtigste ‘Handbuch zur internationalen und vergleichenden Erzählforschung’, darunter auch einige, welche die Relevanz folkloristischer Ansätze für germanische und altnordische Überlieferungen unterstreichen, was in besonderer Weise für den langen Artikel Germanisches Erzählgut gilt. Besonders hervorzuheben aber ist in diesem Zusammenhang seine langjährige Tätigkeit für das Reallexikon der Germanischen Altertumskunde; als Vorsitzender des ‘Begleitenden Ausschusses’ war er lange Jahre für die Herausgeber als Berater in allen Fragen der inhaltlichen Gestaltung und der Auswahl von Mitarbeitern tätig. Von Band 1 bis Band 35 des RGA betreute er als Fachberater den Bereich „Tägliches Leben, Brauch und Sitte“. Von den zahlreichen Beiträgen, die er selbst für das Lexikon lieferte, sei hier nur stellvertretend der umfangreiche Artikel Edda, ältere genannt, der auch nach nahezu einem Vierteljahrhundert als die beste deutschsprachige Einführung in diese zentrale Überlieferung gelten kann. Während Kurt Schier als akademischer Lehrer nicht nur die Altnordistik in ihrer ganzen Breite vertrat, sondern auch, gemäß der damaligen Ausrichtung des Münchener Instituts, Germanische Altertumskunde unterrichtete, lassen sich seine Forschungsschwerpunkte, die sich vielfach auch in den Beiträgen des vorliegenden Bandes widerspiegeln, deutlicher eingrenzen. Hier wären zum einen die nordgermanische Religionsgeschichte und die damit verbundenen Quellenprobleme zu nennen, zum anderen die Sagaliteratur und hier insbesondere die Egils saga Skallagrímssonar; eine ausführlich kommentierte Übersetzung dieser Isländersaga markierte 1996 den Auftakt der neuen SAGA-Reihe. Kurt Schiers Auseinandersetzung mit der Sagaliteratur zielt nicht zuletzt darauf ab, literaturwissenschaftliche Perspektiven mit volkskundlichen zu vereinen und die Sagas als literarische Werke zu interpretieren, deren Eigenart gerade darin liegt, dass sie als Produkte einer literarischen Hochkultur gleichzeitig in hohem Maß den Gesetzmäßigkeiten der Volkserzählung unterliegen. Anhand verschiedener
Vorwort
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Textkorpora wie etwa den schwedischen Volksmärchen oder auch den färöischen Tanzballaden gelang es ihm zu zeigen, dass die mündliche Überlieferung der schriftlichen Literatur nicht notwendigerweise vorausgeht, sondern dass oftmals komplexe Wechselwirkungen zwischen Volkserzählung bzw. -dichtung und literarischem Werk bestehen. Dabei ging er auch wiederholt der Frage nach, unter welchen sozialen, kulturellen und institutionellen Voraussetzungen überhaupt in zunächst schriftlosen Gesellschaften Literatur entstehen kann. Neben der mündlichen und schriftlichen Überlieferung haben auch Bilddenkmäler als Traditionsträger immer wieder eine wichtige Rolle in Kurt Schiers Forschungen gespielt; das Spektrum reicht dabei von der Frage, inwieweit bronzezeitliche Felsbilder noch für die germanische Religionsgeschichte fruchtbar gemacht werden können, über den Quellenwert bildbeschreibender Dichtungen der Wikingerzeit bis hin zur Rekonstruktion des Zusammenhangs zwischen den Staffansvisor und den mittelalterlichen Darstellungen des Hl. Stefan. All diese Themengebiete werden verbunden durch die Frage nach den Bedingungen, unter denen ein bestimmter Stoff überliefert wird, sowie nach den Medien, in welchen sich die Tradierung, aber auch die Transformierung kollektiv überlieferter Stoffe vollzieht. Die Reihe von Aufsätzen Kurt Schiers, in denen verschiedenartige Rezeptions- und Transformationsphänomene in den Blick genommen werden, lässt sich ergänzen durch Arbeiten, in denen neuzeitliche Perspektiven auf die altnordische Literatur untersucht werden, etwa über Konrad Maurer, der als Islandreisender, Rechtshistoriker, Sammler von Volkserzählungen und nicht zuletzt als einer der Mitbegründer der altnordischen Philologie in besonderer Weise das Interesse Kurt Schiers auf sich gezogen hat; aber auch die Rolle der nordischen Literaturen im Programm des Eugen Diederichs-Verlags im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts waren Gegenstand seiner Forschungen. Nicht wenige der Beiträge des vorliegenden Bandes nehmen direkt oder indirekt Fragestellungen auf, die im wissenschaftlichen Œuvre Kurt Schiers angelegt sind. Die Untergliederung der Aufsätze in Dichtung und Literatur, Religion und Mythologie sowie Runen-, Brakteaten- und Namensforschung dienen lediglich der leichteren Orientierung; entsprechend der eingangs erwähnten interdisziplinären Struktur von Altnordistik und Germanischer Altertumskunde ergeben sich zahlreiche Querverbindungen zwischen den Gegenständen, die in den 33 Aufsätzen dieses Bandes verhandelt werden, und auch zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen und ihren methodischen Ansätzen.
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Vorwort
Unser herzlicher Dank für ihre tatkräftige Mithilfe bei der Erstellung dieses Buches gilt Dr. Alessia Bauer, Irene Kupferschmied, Mathias Kruse, Andrea Tietz und Sarah Holthausen.
München / Kiel, im Februar 2009
Wilhelm Heizmann Klaus Böldl Heinrich Beck
Inhaltsverzeichnis Vorwort ............................................................................................
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I. Dichtung und Literatur................................................................
1
ÁRNI BJÖRNSSON Die Völuspá aus einem neuen Blickwinkel .......................................
3
ALESSIA BAUER Die Adaption der lateinischen Dicta Catonis an die isländischen Rezipienten ........................................................................................
28
HEINRICH BECK Gylfaginning. Anmerkungen zu Versionen und Interpretationen .....
86
HELMUT BIRKHAN Die keltisch-germanische Erzählgemeinschaft im Nordseeraum ......
94
KLAUS BÖLDL Königsmörder und Königsmacher. Samen in fundierenden Erzählungen des Mittelalters ......................................................................
125
STEFANIE GROPPER „Ich bin Dein Wiedergängersohn“. Die Bewältigung der Tradition in Gyrðir Elíassons Svefnhjólið .........................................................
151
ROLF HELLER Überlegungen zur Brünne in der Laxdœla saga ................................
169
ERNST HELLGARDT Stab und Formel im Heliand. Sehr vorläufige Bemerkungen zu den Möglichkeiten eines Stabreimverzeichnisses ....................................
185
TATJANA N. JACKSON Ways on the ‘Mental Map’ of Medieval Scandinavians ...................
211
MARIANNE KALINKE Tristrams saga ok Ísöndar, ch. 80: Ekphrasis as Recapitulation and Interpretation .....................................................................................
221
xii
Inhaltsverzeichnis
DORA MAČEK Law Terms in Saga and Translation ..................................................
238
RICHARD NORTH Sighvatr Sturluson and the authorship of Víga-Glúms saga .............
256
TERESA PÀROLI How many are the unipeds’ feet? Their tracks in texts and sources .
281
ALOIS WOLF Bechelaren contra Gnîtaheide. Zur Nibelungenrezeption in nordischen Liedern und im österreichischen Epos ....................................
328
II. Religion und Mythologie ..........................................................
365
FRANÇOIS-XAVIER DILLMANN Des sacrifices humains lors du lancement des navires dans la Scandinavie ancienne? Remarques sur le composé norrois hlunnroð ......
367
MATTHIAS EGELER Keltisch-mediterrane Perspektiven auf die altnordischen Walkürenvorstellungen .....................................................................................
393
JOSEPH HARRIS The Rök Stone’s iatun and Mythology of Death .............................
467
WILHELM HEIZMANN Der Raub des Brísingamen, oder: Worum geht es in Húsdrápa 2? ..
502
ANDERS HULTGÅRD The wisdom contest in Vafþrúðnismál ..............................................
531
SIGMUND OEHRL Wieland der Schmied auf dem Kistenstein von Alskog kyrka und dem Runenstein Ardre kyrka III .......................................................
540
JENS PETER SCHJØDT Freyr and Fróði and Some Reflections on Euhemerism ....................
567
RUDOLF SIMEK Griechisch in runischen und anderen volksreligiösen Texten Nordwesteuropas im Frühmittelalter .................................................
580
JIŘÍ STARÝ Induktive, intuitive und inspirierte Mantik in klassischen und altnordischen Quellen der germanischen Religion ............................
607
Inhaltsverzeichnis
xiii
OLOF SUNDQVIST The Hanging, the Nine Nights and the “Precious Knowledge” in Hávamál 138–145: The Cultic Context ...........................................
649
SVERRIR TÓMASSON Skálda og heimur heiðni á Íslandi ....................................................
669
CLIVE TOLLEY Vǫlsa þáttr: Pagan Lore or Christian Lie? .........................................
680
TORFI H. TULLINIUS The Conversion of Sonatorrek ...........................................................
701
III. Runen-, Brakteaten- und Namenforschung ..........................
715
GERT KREUTZER Der Runenlöwe von Piräus ................................................................
717
ALLAN A. LUND Wie die Indianer und die Germanen zu ihrem Namen kamen. Ein Vergleich ....................................................................................
730
EDITH MAROLD Der „Mächtige Nachkomme“ ............................................................
745
HANS-PETER NAUMANN Die nordischen Pilgernamen von der Reichenau im Kontext der Runennamenüberlieferung ................................................................
778
ROBERT NEDOMA Text und Bild, Bild und Text: Urnordisch undz auf den Goldbrakteaten von Killerup-B und Gudme II-B ..............................
803
THEO VENNEMANN GEN. NIERFELD Zur Reihung der Runen im älteren Fuþark ........................................
834
Schriftenverzeichnis Kurt Schier ..................................................
865
Index.................................................................................................
875
I. Dichtung und Literatur
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 3–27 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Die Völuspá aus einem neuen Blickwinkel von ÁRNI BJÖRNSSON
1. Für die Isländer war die Beschäftigung mit den Eddaliedern durch die Jahrhunderte keine Aufgabe einer gelehrten Klasse, sondern die Sache poetisch interessierter Menschen aus dem Volke. Bruchstücke und Zitate aus den Liedern und Geschichten der Prosa-Edda waren unter dem Volk geläufig. Dichter und Versemacher aller Zeiten benutzten poetische Umschreibungen, heiti und kenningar, sowie Anspielungen auf die alten Überlieferungen für ihre eigenen Gedichte. Man sah die Völuspá und die anderen Eddalieder eher als Kunstwerk und Lebensweisheit an, denn als heidnische Götterlehre. Die Kirche in Island hat die Lektüre der Eddas nie als etwas Gottloses verdammt, und nicht wenige Pastoren haben sich mit den Eddas beschäftigt und sie zu erklären versucht. Ab der Mitte des 17. Jh. und besonders während der Romantik im 19. Jh. begannen Philologen und Mythologen in Nordeuropa die Völuspá und die übrigen Eddalieder zu erforschen und ihre vermeintliche Urfassung zu rekonstruieren. Den meisten schien es klar, dass die Überlieferung in den Handschriften an verschiedenen Stellen sehr dunkel und in irgendeiner Weise durcheinander geraten sein musste. Diverse Versuche wurden gemacht, das Lied in eine verständliche und logische Ordnung zu bringen. Bis zum Anfang des 20. Jh. wurde viel von der sog. ‘höheren Kritik’ gesprochen. Ihre Urheber waren die deutschen Germanisten Karl Lachmann (1793–1851) und Karl Müllenhoff (1818–1884). Man strebte danach, durch philologische Methoden dem Urtext so nahe wie möglich zu kommen. Die Zahl der hypothetischen Resultate entsprach freilich der der Forscher. Allmählich gaben die meisten diese Versuche auf. Einer der letzten, der versuchte, die Völuspá zu korrigieren, war der isländische Literaturprofessor Sigurður Nordal (1886–1974) mit seiner Liedausgabe von 1923.1 1
Sigurður Nordal 1923.
Árni Björnsson
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Mitte des 20. Jh. präsentierte die damals große Autorität der Altnordistik, Jón Helgason, Direktor des Arnamagnæanischen Instituts in Kopenhagen, die Ansicht, dass es hoffnungslos sei, einen richtigeren Text zu entdecken als den in den Handschriften gegebenen – obgleich dieser nicht notwendigerweise der ursprüngliche sein müsse: ‘Når forskningen igen er blevet mere tilbageholdende på dette punkt, skyldes det ikke nogen klippefast tro til overleveringen, som sikkert i mange tilfælde er uhyre mangelfuld. Men man har måttet erkende de filologiske metoders utilstrækkelighed, når forholdene er som her. Digtenes overleverede form må for os blive den eneste rigtige, lad så være at den har fjernet sig aldrig så meget fra den oprindelige skikkelse, der for evigt er tabt.’2
Seit der Veröffentlichung dieser an sich vernünftigen Auffassung 1953 hat kaum ein Fachgelehrter es mehr gewagt, an den Handschriftentexten der Eddalieder herumzufingern. Man kann tatsächlich von einer Kapitulation sprechen. Im Jahr 1964 erschien jedoch in Island eine Studie, die ein neues Licht auf die Form der Völuspá wirft, und die neue Vorstellungen darüber liefert, wie die Form des Liedes in der Urfassung ausgesehen haben könnte.3 Das Buch wurde 2002 in einer überarbeiteten Fassung neu herausgegeben. Die darin vertretene Hauptthese ist im Grunde sehr einfach, doch man muss mit Erstaunen feststellen, dass frühere Wissenschaftler die hier zu Diskussion gestellte Möglichkeit bisher schlichtweg übersehen haben. In der Völuspá gibt es drei Kehrreime. Die Hauptregel in dem Versmaß Drapa ist, dass die Refrains in regelmäßigen Abständen vorkommen. In den überlieferten Handschriften der Völuspá verhält es sich nicht so. Die Refrains sind ziemlich unregelmäßig über das Lied verstreut, und zwar in den beiden Haupthandschriften in unterschiedlicher Weise. Der neue Rekonstruktionsversuch besteht darin, die Kehrreime und die übrigen Strophen regelmäßig metrisch zu ordnen. Des Weiteren wird versucht, diejenigen Strophen und Verszeilen zusammenzuführen, die inhaltlich am besten zusammenpassen. Der Unterschied zum Text der beiden Haupthandschriften wird dabei nicht so groß, wie man annehmen sollte, geringer jedenfalls als bei meisten älteren Versuchen, das Gedicht neu zu ordnen. Auf der anderen Seite folgt aus dieser Neuordnung der Strophen nach der Anleitung der Kehrreime unvermutet ein besseres Verständnis des Inhalts und auch der Transmission des Gedichts.
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Jón Helgason 1953, S. 31. Helgi Hálfdanarson 2002.
Die Völuspá aus einem neuen Blickwinkel
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2. Der Autor der Studie, Helgi Hálfdanarson (1911–2009), hat zwar kein philologisches Examen abgelegt; von Beruf war er Pharmazeut. Immerhin ist er aber auf dem literarischen Gebiet in den letzten sechzig Jahren recht aktiv gewesen. Seine Arbeitsleistung war phänomenal. Er hat alle Theaterstücke Shakespeares ins Isländische übersetzt, auch Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides, Oden von Horaz, Dichtungen von Calderón de la Barca, Corneille, Racine, Dantas und Ibsen, Lieder aus über zwanzig Ländern, darunter China und Japan – und nicht zuletzt den Koran. Aus dem Deutschen hat er u. a. Gedichte von Schiller, Rilke und Hesse übersetzt. Isländische Übersetzer betrachten ihn heute gern als ihren Nestor. Man kann also festhalten, dass der Autor mit der Poesie und Prosodik der verschiedenen Weltteile ziemlich gut bekannt war. Als Ästhetiker und liebevoller Kenner der isländischen Sprache hat er über mehrere dunkle Stellen in der altisländischen Dichtung nachgedacht und neue Deutungen vorgeschlagen. Auch auf dem Gebiet der Sprachpflege ist er sehr aktiv gewesen mit Artikeln und Polemiken in Zeitungen und Zeitschriften. Seine Stärke liegt in einer hervorragenden Kenntnis sowohl der isländischen Poesie und Metrik als auch vieler anderer Dichtungstraditionen, zudem verfügt er über eine beträchtliche lyrische Sensibilität. Dasselbe gilt freilich auch für viele andere, die mit einheimischer Dichtung aufgewachsen sind. Die Frage ist hier nur wie so oft, ob man wie Helgi Hálfdanarson das Glück hat, als erster auf etwas aufmerksam zu werden, was später einhellig als richtig und eindeutig empfunden wird.
3. Die Studie Helgi Hálfdanarsons trägt einen etwas seltsamen Titel: Die Madonna mit dem Kuhkopf. Er bezieht sich auf die Fiktion, dass man in einer alten Ruine unter anderen Gegenständen ein zerbrochenes Ziergefäß gefunden hätte; man habe dann versucht, es unter Zuhilfenahme von Fragmenten anderer Gegenstände wieder zusammenzufügen – mit dem Resultat einer Frauengestalt mit einem Kuhkopf, wo ursprünglich eine Mutter Gottes im Kuhstall dargestellt war. Wäre es nicht denkbar, dass spätere Generationen aus den Einzelteilen ein anderes Kleinod rekonstruieren würden? Der Autor meint, wie viele andere, das Gedicht Völuspá müsse im Volksmund durch einige Generationen mehrere Versionen erhalten haben, bevor eine davon in der zweiten Hälfte des 13. Jh. auf jenes Pergament
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Árni Björnsson
geschrieben wurde, das wir seit Mitte des 17. Jh. als Codex Regius oder Königsbuch kennen. Einiges deutet sogar darauf hin, dass es eine noch ältere, längst verlorene Niederschrift gegeben haben könnte. Es ist nicht verwunderlich, wenn in so einem langen Gedicht die Ordnung der Strophen bei einzelnen Traditionsträgern etwas durcheinander geraten wäre, oder wenn einzelne Wörter oder Abkürzungen in einer älteren Vorlage missverstanden worden wären. Der Autor behauptet, dass man die Völuspá eher als ein Kunstwerk denn als ein religiöses Mysterium oder eine Legende ansehen sollte. In seinen Augen ähnelt die erhaltene Fassung der Völuspá einer zerbrochenen Vase, die vor vielen Jahrhunderten falsch zusammengefügt wurde. Bei antiken Vasen gibt es oft ein Mäanderband, manchmal ‘laufender Hund’ genannt, das dabei helfen kann, das Gefäß wieder richtig zusammenzuleimen. Die Kehrreime spielen im Gedicht eine ähnliche Rolle. Das aussichtsreichste Vorgehen, die ursprüngliche Reihenfolge der Strophen wieder herzustellen, besteht darin, der Anleitung der Kehrreime zu folgen. Dadurch erscheint eine Gestalt des Lieds, die konsequenter und überzeugender wirkt als der überlieferte Text. Sogar dunkle mythologische Vorstellungen, die längst für verloren galten, leben wieder auf.
4. In der Haupthandschrift Königsbuch (K) aus der zweiten Hälfte des 13. Jh. umfasst die Völuspá 63 Strophen. In dem zweiten Pergament, Hauksbók (H) vom Anfang des 14. Jh. sind es 59 Strophen. In beiden Versionen gibt es jedoch Strophen, die nicht in der jeweils anderen Fassung zu finden sind. Ferner ist die Ordnung der Strophen in beiden Manuskripten nicht genau die gleiche.4 In beiden Handschriften finden sich auch einige Strophen oder Zeilen, bei denen man sich einigermaßen einig ist, dass es sich um Interpolationen handelt, wie bei der Aufzählung der Zwerge, K11–16, H11–15. Jeder Herausgeber hat die Zahl der Strophen nach eigenem Gutdünken gewählt. In der vorgenannten korrigierten Fassung von Sigurður Nordal 1923 (N) beträgt die Zahl der Strophen 56. In der deutschen Übersetzung von Felix Genzmer, die zuerst 1920 erschienen ist und von Kurt Schier zuletzt 1997 herausgebracht wurde, und die hier zum Vergleich benutzt wird (G), sind es 57 Strophen. In Helgi Hálfdanarsons Version sind es 60. In jeder Ausgabe fehlen einige Zeilen und sogar halbe Strophen. 4
Eddukvæði 1998, S. 3–20, 366–379.
Die Völuspá aus einem neuen Blickwinkel
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Die Strophen haben in den Handschriften nicht immer die gleiche Länge, doch achtzeilige Strophen mit je vier Silben per Zeile sind deutlich in der Mehrheit, sodass kaum zu bezweifeln ist, dass das Gedicht ursprünglich im Versmaß fornyrðislag geschrieben wurde. In beiden Fassungen gibt es drei Kehrreime, die jedoch unregelmäßig über das Lied verstreut sind. In den drei Hauptmanuskripten der Prosa-Edda verteilen sich insgesamt 30 Strophen aus Völuspá über den Prosatext. Die Refrains kommen natürlich nicht vor, doch der Wortlaut der einzelnen Strophen verdient besondere Aufmerksamkeit. Helgi meint, die einzige Hoffnung, der ursprünglichen Fassung des Gedichts näher zu kommen, bestehe darin, die Form des Lieds zu studieren und nachzuempfinden. Wie schon gesagt, scheint es auf der Hand zu liegen, dass das Versmaß des Gedichts eine Drapa war, und demzufolge sollten die Refrains in regelmäßigen Abständen wiederkehren. Selbstverständlich kann man nicht ausschließen, dass der Urdichter aus einer poetischen Laune heraus sich erlaubt hat, eine unregelmäßige Platzierung der Refrains vorzunehmen. Wahrscheinlicher aber dürfte sein, dass er – oder sie – sich der Regel angepasst habe, insbesondere wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass das Lied mit regelmäßig angeordneten Refrains verständlicher wird.
5. Der erste Kehrreim (1) ist eine halbe Strophe: Zum Richtstuhl gingen die Rater alle heilige Götter und hielten Rat.
Im Königsbuch (K) kommt er viermal vor binnen der ersten 26 Strophen. Zuerst finden sich fünf Strophen als Einleitung, und danach folgen eine, zwei oder 13 Strophen zwischen jenen, die den Refrain tragen. Unter diesen 13 sind allerdings die sechs Strophen der Zwergenaufzählung, die wahrscheinlich nicht ursprünglich sind. Immerhin ist die Ordnung der Refrains sehr unregelmäßig. In der folgenden Darstellung sind die Strophen mit Refrain als ‘1’ gekennzeichnet, und Strophen ohne Refrain als ‘0’. In eckigen Klammern stehen die sechs Strophen der Zwergenaufzählung: 00000 1 00 1 0 [000 000] 000 000 1 0 1 0
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Der zweite Kehrreim (2) beträgt nur eine Zeile: Wisst ihr noch mehr?
Im K kommt der Refrain neunmal vor binnen 37 anderer Strophen. Hier sind mal keine, eine, drei oder neun Strophen zwischen den Kehrreimen. Unter diesen 37 Strophen befindet sich auch der dritte Refrain (3), der eine ganze Strophe bildet: Gellend heult Garm vor Gnipahellir: es reißt die Fessel es rennt der Wolf. Vieles weiß ich, Fernes schau ich: der Rater Schicksal, der Schlachtgötter Sturz.
Dieser dritte Refrain kommt in K dreimal vor, doch, wie bereits erwähnt, erscheint der zweite Refrain sowohl vorher als auch dazwischen wie auch nachher, in folgender Weise: 2 2 0000 2 2 000 2 0 2 00 3 000 3 00 2 00000 3 000 2 2 00
6. In Hauksbók (H) finden sich die Kehrreime nicht in derselben Position wie in K. Der erste Refrain kommt zunächst dreimal vor, und zwar in dieser Weise: 00000 1 00 1 0[00000]000000 1 0 Der zweite und dritte Refrain erscheinen in H noch stärker miteinander verflochten als in K, und der erste Refrain kommt sogar noch einmal mitten im Lied vor: 2 0 2 00 1 0 2 3 000 2 3 000 2 3 0000 3 000 3 000 2 2 000 Die Ordnung der Kehrreime in beiden Handschriften ist augenscheinlich sehr unregelmäßig und dürfte wohl kaum ursprünglich sein.
7. In der Fassung von Helgi Hálfdanarson wird die Ordnung der Kehrreime regelmäßig. Zuerst hat man Einleitung, sechs Strophen, und dann erscheint der erste Refrain viermal mit einem Abstand von je drei Strophen:
Die Völuspá aus einem neuen Blickwinkel
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000 000 1 000 1 000 1 000 1 Beim zweiten Refrain beträgt der Abstand jeweils zwei Strophen, und danach folgt noch eine Strophe zum Schluss: 00 2 00 2 00 2 00 2 00 2 00 2 00 2 0 Der dritte Refrain kommt viermal vor mit drei Strophen Abstand, und sechs Strophen zum Schluss: 3 000 3 000 3 000 3 000 000
8. Bevor man fortfährt und die Auslegung des ganzen Gedichts aus dem neuen Blickwinkel zeigt, sollen die wichtigsten neuen Worterklärungen des Autors erläutert werden. Jede Erklärung für sich ist nicht unbedingt notwendig für das Verständnis des ganzen Gedichts, doch machen sie einige dunkle Stellen verständlicher und lösen vielleicht auch einige Komplikationen. Zuerst werden die Worte þríar þursa meyjar (‘drei Töchter der Riesen’) genannt (K8, H8, G8). Der Autor will in seiner Strophe 13 þrír þursa megir (‘drei Söhne der Riesen’) lesen. In den Manuskripten steht nur iii für drei, und dies kann sowohl weiblich als auch männlich aufgefasst werden. Die Wörter meyjar und megir dürften sehr ähnlich in der Aussprache gewesen sein, und ihre Abkürzung in einem älteren Manuskript hätte auch leicht irreführend sein können. Diese angeblichen drei Frauen haben keine Verbindung zu anderen Stellen im Gedicht. Möglich wäre, dass die drei Schicksalsnornen in einer anderen Strophe der Manuskripte (K20, H20, G14) die Fehllesung der Schreiber verursacht haben. Helgi findet es wahrscheinlicher, dass mit ‘Söhne der Riesen’ die Thursen gemeint sind, die eine Burg für die Asen bauen sollten, und dafür Freyja, die Sonne und den Mond erhalten. In der Version dieser Geschichte in der Prosa-Edda (Gylfaginning, Kap. 42) ist allerdings nur die Rede von einem Riesen mit einem kräftigen Pferd, doch die Zahl ‘drei’ ist auch sonst rekurrent in der Erzählung: drei Kleinode als Lohn, die Burg soll in drei Halbjahren fertig sein, der Baumeister verrichtet seine Arbeit ungestört bis drei Tage vor dem Abschluss. In einer anderen Erzählung der Prosa-Edda (Gylfaginning, Kap. 12) wird gesagt, dass zwei Riesen in Wolfsgestalt die Sonne und den Mond verschlingen wollen. Es ist eine Frage, ob ursprünglich der dritte, ihr Führer, Freyja haben sollte? In der mangelhaften Überlieferung des Gedichts würden dann bei der geplanten Hochzeitsfeier
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die Götter die Verabredung brechen, Þórr schlägt mit seinem Hammer, Óðinn wirft seinen Speer, und ein Krieg wird entfacht. Noch eine Frauengestalt hält der Autor für überflüssig in dem gedruckten Text der Völuspá. Es handelt sich um die geheimnisvolle Gullveig (K21, H27, G15). Die Forschung hatte stets große Schwierigkeiten, ihre Verbindung zu anderen Stellen des Gedichts ausfindig zu machen. Am häufigsten hat man versucht, ihre Existenz so zu erklären, dass sie den Asen das verräterische Metall Gold gebracht habe, um sie zu verderben. Früher im Gedicht wird jedoch festgestellt, dass die Asen genug Gold hatten (K8, H8, G8): Sie pflogen heiter im Hof des Brettspiels – nichts aus Golde den Göttern fehlte.
Helgi meint in seiner Strophe 17, dass das Wort gullveig einfach ‘goldener Becher’ bedeute. Zwar findet man kein anderes Beispiel dieser Bedeutung des Wortes veig in bewahrten isländischen Texten. Gewöhnlich hat es die Bedeutung ‘Trank’. Die frühesten isländischen Schriften sind aber nicht älter als von etwa 1200, doch das altenglische wǽge, das altsächsische wēgi und das althochdeutsche bah-weiga haben alle die Bedeutung ‘Becher’ oder ‘Schale’.5 Ein Bedeutungswechsel des Wortes veig hätte im Laufe einiger Jahrhunderte leicht stattfinden können. Dies ist wohl der kühnste Berichtigungsversuch des Autors. Wenn die Gestalt Gullveig aus der Geschichte verschwindet, könnte der folgende Vorgang bedeuten, dass die Gäste bei der Hochzeit, die waffenlos in Gnade saßen, sich mit goldenen Bechern schlagen mussten, nachdem Þór und Óðinn den Waffenstillstand gebrochen hatten. Zum Vergleich zitiert Helgi Horaz, Carm. 1,27: Natis in usum laetitiae scyphis pugnare Thracum est Mit Bechern, zum Gebrauch in froher Runde gemacht Zu kämpfen ist Thrakerart.6
Dieser Hypothese gemäß könnten die folgenden Zeilen in Strophe 18, í höll Hávars ok hana brenndu: ‘in Heervaters Halle und sie verbrannten’, ursprünglich darauf hinweisen, dass die Riesen die Halle Óðins verbrannt hätten und nicht die obskure Gullveig. 5 6
Ásgeir Blöndal Magnússon 1989, S. 1114. Q. Horatius Flaccus 2002, S. 61.
Die Völuspá aus einem neuen Blickwinkel
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Die nächste Strophe (K22, H28, G16) macht Helgi hingegen zur dritten Strophe des Lieds, und zwar als Vorstellung der vala (Weissagerin) Heiður, wonach das ganze Lied genannt wird. Noch eine Wortverbindung möchte der Autor neu erklären: vanir vígspá (K24, H30, G18). Meistens hat man angenommen, dass hier von dem Göttergeschlecht der Vanir die Rede sei. Die spärlichen Mythen von den Vanir nennen bald Freundschaft, bald Feindschaft mit den Asen. Sie haben irgendwann Geiseln gewechselt, und einige der Götter stammen von den Vanir ab, namentlich Njörðr, Freyr und Freyja. Man hat das Wort vígspá als ‘Schlachtzauber’ erklären wollen, demzufolge hätten die Wanen die Felder der Asen streitkühn zertrampelt. Unser Autor meint, dass vanir einfach der Plural des Adjectivs vanur, in der üblichen Bedeutung ‘fehlend’, ‘ohne’ darstellt, und mit vígspá die Voraussage einer Schlacht gemeint sei. Die Bedeutung ist dementsprechend, dass den Asen ein Orakel oder Kampfplan gegen die Riesen fehlte und sie daher ratlos herumstreiften. (Dann macht sich Óðinn auf den Weg und sucht die Weissagerin auf). Es bestünde bei dieser Deutung also kein Grund, diesen Vers auf den Wanenkrieg zu beziehen. Der nächste Verbesserungsversuch des Autors, der hier erwähnt werden soll, betrifft die Wendung hvera lundi (K34, H31, G27): Geknebelt sah ich im Quellenwald den Leib Lokis, des listenreichen Da sitzt Sigyn, Ihr Gesell bringt ihr wenig Wonne – wisst ihr noch mehr?
Man ist sich darüber einig, dass hier auf eine Erzählung in der Prosa-Edda angespielt wird, in der die Asen sich an dem Halb-Riesen Loki für dessen mehrfachen Verrat rächten. Er wurde in einer Grotte gefesselt, und eine Giftschlange über ihn befestigt. Sigyn, die Frau Lokis, sitzt bei ihm und hält eine Schale über sein Gesicht, damit das Gift in diese hineintropft. Hin und wieder muss sie das Gefäß leeren, und währenddessen tropft das Gift in Lokis Gesicht. Dann fährt er zusammen vor Schmerz; das nennt man Erdbeben (Gylfaginning, Kap. 50). Gewöhnlich hat man hvera lundi als einen seltsamen und geheimnisvollen Schwefel-Ort verstanden (wörtlich ‘Geysirhain’), weil das Wort hver im Isländischen die Bedeutung ‘Geysir’ hat, wenigstens seit dem 13. Jh. Helgi meint dagegen, dass man hver alundinn lesen sollte. In diesem Falle müsste allerdings ein n-Zeichen über dem Buchstaben i in ‘alundinn’
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ausgeblichen sein (was ja oft passiert ist); das Wort hver sei dann in dem ursprünglichen Sinne benutzt, also in der Bedeutung ‘Topf, Kessel, Gefäß’. (Die norwegischen Siedler hatten nie eine heiße Sprudelquelle gesehen, bevor sie nach Island kamen. Es war für sie ganz natürlich, das Phänomen als ‘kochenden Kessel’ zu bezeichnen). In der genannten Strophe liegt der Häftling dementsprechend unter einem Gefäß (hver), das Sigyn über sein Gesicht hält. Das Wort undinn ist ein Partizip von dem Verb vinda (‘wringen, winden’), und das Präfix al- ist mit ‘all’ verwandt, und bedeutet etwa ‘ganz’, ‘völlig’. Alundinn dürfte deshalb ‘fest umwickelt’ bedeuten. In der Prosa-Edda wird weiter erzählt, dass die Asen den Sohn Lokis, Váli, in einen Wolf verwandelten, und dass sie ihn seinen Bruder, Narfi, auseinander reißen ließen. Aus dessen Gedärmen machten sie dann die Fesseln für Loki. Auf diese Geschichte wird in der ersten Hälfte von der Strophe H31 angespielt, und unser Autor meint, dass sie als die zweite Hälfte der hier behandelten Strophe passt. Hierzu kommt, dass die erste Hälfte von Strophe H48 im Isländischen so lautet: Gín loft yfir lindi jarðar gapa ýgs kjaftar
orms í hæðum. Man ist sich einig, dass die poetische Umschreibung lindi jarðar ‘Wurm’ bedeutet. Die traditionelle Interpretation ist, dass hier die Mitgardschlange gemeint ist, die über dem Weltall (loft) gähnt (gín). Das isl. Wort loft kann ja ‘Luft’ oder auch ‘Dach’ bedeuten. Unser Autor meint aber, dass mit loft Loki selbst gemeint ist, weil sein zweiter Name im Akkusativ Loft lautet (Gylfaginning, Kap. 33). Nach dieser Auslegung ist diese Halbstrophe eine logische Fortsetzung der vorhergehenden Strophe, und dazu passt ihre zweite Hälfte sehr gut. Die Bedeutung der beiden aufeinanderfolgenden Strophen würde dann so lauten: Dort weiß ich einen Häftling, dem arglistigen Loki gleich, fest gekettet unter einem Gefäß liegen. Die harten Fesseln hat Váli aus [Narfis] Gedärmen geflochten. Eine Giftschlange gähnt über Loft [Loki]; der Rachen des schrecklichen Wurms sperrt sich auf in der Höhe. Da sitzt Sigyn traurig bei ihrem Gatten.
Als nächstes soll erwähnt werden, dass die Worte Fenris kindir (K39, H25, G32) der Autor nicht buchstäblich als Wölfe verstehen möchte; er meint, es gehe hier um ein Wortspiel: eine der vielen Bezeichnungen für ‘Wolf’ ist
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freki, was aber auch ‘Feuer’ bedeuten kann. Die alte Norne nährt dementsprechend nicht Wölflinge, sie entfacht Feuer oder vielmehr eine Zauberlohe. Ferner sei noch angemerkt, dass der Autor die Worte Míms synir (K45, H39, G38) als Míms sýnir lesen will, und sie also nicht als ‘Míms Söhne’, sondern ‘Míms Visionen’ versteht. Der Autor kommt in seiner Studie noch auf verschiedene andere Details zu sprechen. Als Beispiel kann man das Wort brimir nehmen (K9, H9, G9). Gewöhnlich hat man es als ‘Meer’ verstanden, doch er zieht die Bedeutung ‘Schwert’ vor, weil dies mehr Sinn ergibt. Ein zweites Beispiel ist die Schilderung des Weltenbaums Yggdrasill (K19, H19, G13), er sei ausinn hvíta auri (‘benetzt mit hellem Nass’). In der Prosa-Edda (Gylfaginning, Kap. 16) sind diese Worte gewiss so zu verstehen, dass die Nornen den Baum mit Schlamm begießen, damit er nicht verfault. Natürlich wurde diese Auslegung allgemein gutgeheißen, da bekannt ist, dass Schlamm vortrefflichen Dünger abgeben kann. (Man braucht nur an das Niltal zu denken.) Unser Autor hält es aber für wahrscheinlicher, dass auri hier mit Latein aurum (‘Gold’) verwandt ist, und der Baum im durch die Sonne glänzenden Morgentau geschildert wird. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass Helgi die berühmte Frage, den zweiten Kehrreim, nicht in den Mund der Wahrsagerin legen will, wie es gewöhnlich gemacht wird, sondern in den Mund Óðins. Er also fragt die Weissagerin: ‘Weißt Du noch mehr?’
9. Obgleich hier nur die wichtigsten der neuen Erklärungsversuche Helgi Hálfdanarsons kurz benannt werden konnten, dürfte deutlich geworden sein, wie Form und Inhalt der Völuspá sich in diesem Lichte darstellen. Das Gedicht wird in folgendem in der neuen Reihenfolge vorgeführt, und nebenstehend in einfacher Prosa, nicht wortgetreu, von einer Strophe zur anderen übersetzt, damit man der neuen Lesart folgen kann. Einige Erklärungen und Ergänzungen sind im Kleindruck bei der Übersetzung eingefügt. Die Nummer der jeweiligen Strophe in den Handschriften Konungsbók (K), Hauksbók (H), Prosa-Edda (E) und der Übersetzung Genzmers (G) stehen auf dem Blattrand. Die Refrains sind kursiv gedruckt, und die wichtigsten neuen Lesarten sind unterstrichen.
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Völuspá nach der Anleitung der Kehrreime 1 (K1) (G1)
2 (K2) (G2)
3 (K22) (G16)
4 (K3) (G3)
5 (K5,4) (G4,5)
‘Hljóðs bið ek allar helgar kindir, meiri ok minni mögu Heimdallar. Viltu, at ek, Valföðr, vel fyr telja forn spjöll fira þau er fremst of man?
‘Alle heilige Wesen und alle Abkömmlinge Heimdalls, hohe und niedrige, bitte ich um das Wort. Du möchtest, Óðinn, dass ich dir alte Wahrheiten erzähle, so weit ich erinnern kann.
Ek man jötna ár of borna þá er forðum mik fædda höfðu; níu man ek heima, níu íviðjur, mjötvið mæran fyr mold neðan.’
Ich erinnere mich an die urgeborenen Riesen, die mich einst erzogen haben. Ich kenne neun Welten und neun Riesinnen [Heimdalls Mütter], selbst den Baum Yggdrasill, wie ein Samen in der Erde.’
Heiði hana hétu, hvars til húsa kom, völu velspáa, vitti hon ganda; seið hvars kunni seið hugleikinn æ var hann angan illrar brúðar.
Die Wahrsagerin wurde Heiður genannt, als sie unter den Menschen herumreiste. Sie verzauberte Stöcke und übte ihre beliebte Zauberkunst, wo immer sie es vermochte. Immer war sie bösen Weibern lieb.
‘Ár var alda, þar er Ýmir byggði, vara sandr né sær né svalar unnir, jörð fannsk æva né upphiminn, gap var ginnunga, en gras hvergi.
‘Im Anfang war es, wo Ýmir wohnte. Weder war dort Ebbe noch Flut, noch kalte Wellen. Weder gab es Erde noch Überhimmel, nur offene Gähnung, nirgends Gras.
Sól varp sunnan sinni mána hendi inni hægri um himinjöður, áður Burs synir bjöðum of yppðu, þeir er Miðgarð mæran skópu.
Von Süden warf die Sonne mit der Rechten den Mond über den Horizont, bevor Burs Söhne, die den guten Mitgard schufen, das Land aus dem Meer emporhoben.
Die Völuspá aus einem neuen Blickwinkel 6 (K7,5) (G7)
7 (K6) (G6)
8 (H17) (K7,4) (G7,4)
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Hittusk æsir Á Iðavelli, þeir er hörg ok hof hátimbruðu; sól þat né vissi hvar hon sali átti, máni þat né vissi hvat hann megins átti.
Die Asen trafen sich auf dem Iðavöllur, bauten stattliche Tempel und Altäre. Doch die Sonne wusste nicht, wo ihr Platz war, und der Mond wusste nicht, was für Macht er besaß.
Þá gengu regin öll á rökstóla ginnheilög goð ok um þat gættusk. Morgin hétu ok miðjan dag, undorn ok aptan, árum at telja.
Zum Richtstuhl gingen die Rater alle, heilige Götter und hielten Rat. Und sie brachten die Zeitrechnung in Ordnung: Morgen, Mittag, Zwielicht, Abend, Jahr.
Afls kostuðu alls freistuðu öflgir ok ástgir æsir at húsi; sól skein sunnan á salar steina, þá var grund gróin grænum lauki.
Die Asen saßen mächtig und brav in ihren Wohnungen; sie erprobten ihre Kräfte und vollbrachten nützliche Taten. Die Sonne schien auf die steinige Erde, und das Land wurde mit grünem Gewächs bedeckt.
9 (K17,18) Fundu á landi
lítt megandi (G11,12) Ask ok Emblu örlöglausa; önd gaf Óðinn, óð gaf Hænir, lá gaf Lóðurr ok litu góða. 10 (K10,7) Þar var Móðsognir
mæztr of orðinn (G10) dverga allra, en Durinn annarr; afla lögðu, auð smíðuðu, tangir skópu ok tól görðu.
Am Ufer fanden sie [die Menschen] Askr und Embla, ohnmächtig und ohne Schicksal. Óðinn gab ihnen das Leben, Hænir die Seele, und Lóðurr gab ihnen Blut und blühende Farbe.
Móðsognir war jetzt der mächtigste aller Zwerge, und Durinn nach ihm. Sie erbauten Herde, schufen Zangen, Geräte und viel Vermögen.
Árni Björnsson
16 11 (K9) (G9)
(E 9)
Þá gengu regin öll á rökstóla, ginnheilög goð, ok um þat gættusk, hverir skyldi dverga dróttir skepja ór brimi blóðgum ok ór blám sleggjum.
12 (K10) Þar mannlíkun
mörg of görðu (G10) dvergar ór jörðu, sem Durinn sagði. - -- ---- ---- ---13 (K8) (G8)
14 (K14)
sehr nützliche Arbeitskraft waren. Wie sollte man sie aber vermehren, da es keine Zwerginnen gab] Sie überlegten deshalb,
wer das Geschlecht der Zwerge schaffen sollte aus [ihren Werkzeugen] blutigen Schwertern und schwarzen Hämmern. Die Zwerge aus der Erde machten jetzt viele menschenähnliche Bilder, wie Durinn angab. [In den fehlenden Zeilen wurde wohl mehr von dem Nutzen berichtet, den die Asen von den Zwergen hatten.]
Var þeim vettergis vant ór gulli. Tefldu í túni, teitir váru, uns þrír kvámu þursa megir ámáttkir mjök ór Jötunheimum,
Die Asen hatten jetzt genug Gold zu jedem Zweck. Sie waren zufrieden und weilten zuhause beim Brettspiel und in fröhlicher Gesellschaft, bis die drei unheimlichen Thursen aus dem Riesenheim kamen,
þeir er sóttu frá salar steini Aurvanga sjöt til Jöruvalla. - --- --- --- ---
die Aurvanga sjöt von salarsteinn nach Jöruvellir holten. [Diese Halbstrophe ist allen unverständlich,
Þá gengu regin öll á rökstóla, (G17) ginnheilög goð, ok um þat gættusk, hvárt skyldu Æsir afráð gjalda eða skyldu goð öll gildi eiga.
15 (K23)
Zum Richtstuhl gingen die Rater alle, heilige Götter und hielten Rat. [Sie erfuhren bald, dass die Zwerge eine
die zweite Halbstrophe fehlt. Wahrscheinlich geht es um den Bau der Burg, den die Riesen für die Asen unternahmen und Freyja, Sonne und Mond als Entgelt haben wollten. In der Version der Prosa Edda war es allerdings nur ein Riese mit seinem Pferd.]
Zum Richtstuhl gingen die Rater alle, heilige Götter und hielten Rat. Sie überlegten, ob sie eine Schlacht riskieren sollten, oder ein Fest feiern [die vorgesehene Hochzeit Freyjas und des Baumeisters?].
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Þórr einn þar vá þrunginn móði, (G20) hann sjaldan sitr, er hann slíkt of fregn. Á gengusk eiðar, orð ok særi, mál öll meginlig, er á meðal fóru.
16 (K26)
17 (K24,21) Fleygði Óðinn
ok í folk of skaut, (G20) þat var enn folkvíg fyrst í heimi, er gullveigum geir of studdu - --- ---
17
[Die Asen wählen die zweite Alternative.] Der zornige Þórr allein schlägt zu [als er in die Gesellschaft kommt, und erfährt, was auf dem Spiel steht]. Selten sitzt er
tatenlos, wenn so etwas passiert. Da schwanden die Eide, Wort und Schwüre, alle festen Verträge, jüngst trefflich erdacht. Óðinn schleuderte auch seinen Speer in den Kampf in der ersten Schlacht der Welt, und es folgt Gefecht mit goldenen Bechern ... [Es fehlen je zwei Zeilen in der 17. und 18. Strophe, wo wahrscheinlich von den weiteren Gewaltakten der Riesen berichtet wurde.]
- --- --18 (K24) í höll Hávars
ok hana brenndu. (G15) Brotinn var borðveggr borgar Ása, knáttu vanir vígspár völlu sporna. Þá gengu regin öll á rökstóla, (G19) ginnheilög goð, ok um þat gættusk, hverir hefði lopt allt lævi blandit eða ætt jötuns Óðs mey gefna.
in Óðins Halle, die sie verbrannten. Gebrochen war der Burgwall der Asen; dann erfuhren sie, dass sie eine Weissagung brauchten.
19 (K23)
Zum Richtstuhl gingen die Rater alle, heilige Götter und hielten Rat. Sie überlegten, wer mit Frevel die Luft erfüllt, und dem Riesenvolk Freyja gegeben hätte. [Dann macht Óðinn sich auf den Weg.]
20 (K39,28) Austr býr in aldna
Denn östlich im Eisenwald sitzt die Alte [Norn] und füttert die Zauberlohe. Allein saß sie draußen, als der alte Asenführer kam und ihr ins Auge sah.
í Járnviði (G22) ok fæðir þar Fenris kindir; ein sat hon úti, er inn aldni kom Yggjungur Ása ok í augu leit.
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18 21 (K41,42) Gól þar á haugi
glýjaðr ok heiðr (K28,29) fagurrauðr hani, sá er Fjalarr heitir: (G34,35)’Hvers fregnið mik?! Hví freistið mín?!’ Sá hon vítt ok of vítt, of veröld hverja.
Froh und hell schrie dort der schönrote Hahn [d. h. das Zauberfeuer] auf dem Hügel. Der wird Fjalarr [der viel verbirgt] genannt. [Die Alte sagt]: ‘Warum fragt ihr mich?! – was erforscht ihr mich?!’ – Sie sah weit und breit über die Welten all.
‘Hvat er með Ásum? Hvat er með álfum?’ (G40) ‘Gnýr allr Jötunheimr, Æsir ro á þingi, stynja dvergar fyr steindurum veggbergs vísir.’ ‘Vituð ér enn, eða hvat?’
[Óðinn fragt]: ‘Was ist mit den Asen? Was ist mit den Alfen?’ [Die Wala antwortet]: ‘Ganz Riesenheim ächzt, die Asen versammeln sich. Die weisen Zwerge stöhnen vor steinernen Türen.’ – [Óðinn fragt]: ‘Weißt du noch mehr?’
‘Ask veit ek standa, heitir Yggdrasill (G13) hár baðmr, ausinn hvíta auri; þaðan koma döggvar, þærs í dala falla, stendr æ yfir grænn Urðarbrunni.
[Die Wala]: ‘Eine große Esche weiß ich, glänzend wie Gold, heißt Yggdrasill. Davon kommt der Tau, der in die Täler fällt. Immergrün steht sie über [der Schicksalsgöttin] Urðs Quelle.
24 (K20)
Þaðan koma meyjar margs vitandi (G14) þríar ór þeim sæ er und þolli stendr; þær lög lögðu, þær líf kuru alda börnum, örlög seggja.
Da kommen drei vielwissende Jungfrauen aus dem See, wo der Baum steht; sie bestimmten den Menschenkindern ihr Leben und Schicksal.
25 (K27,28) Veit ek Heimdallar
Ich weiß, dass Heimdalls Gehör unter dem hohen heiligen Baum verborgen ist. Und jeden Morgen trinkt der Riese Mímir Met von Óðins Auge’ [das er für den Weisheitstrank zahlte]. – [Óðinn fragt]: ‘Weißt du noch mehr?’
22 (K50)
23 (K19)
hljóð of folgit (G21,23) undir heiðvönum helgum baðmi. Drekkr mjöð Mímir morgin hverjan af veði Valföðurs.’ ‘Vituð ér enn, eða hvat?’
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‘Ek sá Baldri blóðgum tívur, (G25) Óðins barni örlög folgin; stóð of vaxinn völlum hæri mjór ok mjög fagr mistilteinn.
‘Ich sah das blutige Schicksal, das Baldr, dem Sohne Óðins, zuteil wurde. Zart und zierlich stand die Mistel hoch über dem Boden.
Varð af þeim meiði, er mær sýndisk, (G26) harmflaug hættlig, Höðr nam skjóta. Baldrs bróðir var of borinn snemma, sá nam Óðins sonr einnættr vega
Aus dem schön aussehenden Zweig wurde ein gefährlicher Pfeil; den Schuss tat Höðr. Doch Baldrs Bruder, der schnell geborene Óðins Sohn [Váli] unternimmt eine Nacht alt die Tötung [nimmt Rache].
Þó hann æva hendr né höfuð kemði, (G26) áðr á bál of bar Baldrs andskota. En Frigg of grét í Fensölum vá Valhallar.’ ‘Vituð ér enn, eða hvat?
Weder wusch er sich die Hände noch kämmte er sein Haar, ehe er Baldrs Töter zum Scheiterhaufen trug. Doch Frigg beklagte in Fensalir Walhals Unheil.’ – [Óðinn fragt]: ‘Weißt du noch mehr?’
‘Sal veit ek standa sólu fjarri (G30) Náströndu á, norðr horfa dyrr; falla eitrdropar inn of ljóra, sá er undinn salr orma hryggjum.
[Die Wala]: ‘Einen Saal weiß ich der Sonne fern am Náströnd stehen; die Türen sind nordwärts gekehrt. Gifttropfen fallen durch jedes Fenster, und Schlangen winden sich um die Dächer.
Hapt veit ek undir hver alundinn (H31) lægjarns líki Loka áþekkjan. (G27) Þau kná Váli vígbönd snúa, heldr voru harðgör höpt, ór þörmum
Dort weiß ich einen Häftling, dem arglistigen Loki gleich, fest gekettelt unter einem Gefäß liegen. Die harten Fesseln hat Váli aus [Narfis] Därmen geflochten.
26 (K31)
27 (K32)
28 (K33)
29 (K37)
30 (K34)
Árni Björnsson
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Gínn Lopt yfir lindi jarðar, (K34) gapa ýgs kjaptar orms í hæðum; (G27) þar sitr Sigyn þeygi of sínum ver vel glýjuð.’ ‘Vituð ér enn, eða hvat?’
31 (H48)
Eine Giftschlange gähnt über Loft [Loki]; hoch oben sperrt sie den schrecklichen Rachen auf. Da sitzt Sigyn traurig bei ihrem Gatten.’ – [Óðinn fragt]: ‘Weißt du noch mehr?’
32 (K35,38) ‘Á fellr austan
[Die Wala]: ‘Ein Fluss dringt von Osten vor durch eisige Täler, er bringt Schwerter und Messer; Slíðr heißt er. Dort sehe ich Meuchelmörder und Meineidige durch reißenden Strom waten.
um eitrdala (G28, 31) söxum ok sverðum, Slíðr heitir sú; sé ek þar vaða þunga strauma menn meinsvara ok morðvarga. 33 (K36)
Stendr fyr norðan á Niðavöllum (G29) salr ór gulli Sindra ættar; en annarr stendr á Ókólni bjórsalr jötuns, en sá Brimir heitir.
Nördlich steht auf den Niðavellir ein goldener Saal, der den Zwergen gehört; doch auf Ókólnir steht ein anderer: der Biersaal des Riesen Brimir.
34 (K38,40) Þar sýgr Níðhöggr
Da säugt Níðhöggr tote Leiber; und speit rotes Blut in die Wohnstatt der Götter [den Himmel]. Der Sonne Schein dunkelt in kommenden Sommern, alle Wetter wüten.’ – [Óðinn fragt]: ‘Weißt du noch mehr?’
nái framgengna, (G31,33) rýðr ragna sjöt rauðum dreyra; svört verða sólskin um sumur eptir, veðr öll válynd.’ ‘Vituð ér enn, eða hvat?’ 35 (K40,39) ‘Fyllisk fjörvi
feigra manna - --- --verðr af þeim öllum einna nökkurr tungls tjúgari í trolls hami.
‘[Ein Wolf] wird vom Leben der gefallenen Männer gefüttert. [In den zwei fehlenden Zeilen wurde wohl ein Wolfsrudel näher erklärt.] Von ihnen allen
wird einer der Mörder der Sonne in Riesengestalt.
Die Völuspá aus einem neuen Blickwinkel
Gelr of Ásum Gullinkambi, (G35) sá vekr hölða at Herjaföðrs; en annarr gelr fyr jörð neðan sótrauðr hani at sölum heljar.
36 (K42)
37 (K39)
- --- --- --- --ok þanns annars glepr eyrarúnu; sleit vargr vera.’ ‘Vituð ér enn, eða hvat?’
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Den Göttern gellend schreit [der Hahn] Gullinkambi und weckt Óðins Helden; doch tief in der Erde schreit ein anderer schwarzroter Hahn in den Sälen Hels.
[Die erste Halbstrophe fehlt]
…der eines anderen Geliebte verführt; der Menschenwürger. – [Óðinn fragt]: ‘Weißt du noch mehr?’
‘Bræðr munu berjask ok at bönum verðask, (G37) mun engi maðr öðrum þyrma. - --- --- --- ---
[Das Unheil nähert sich.] ‘Brüder befehden sich und fällen einander; der eine schont des anderen nicht mehr. [Die
Munu systrungar sifjum spilla, (G37) hart er í heimi, hórdómr mikill, skeggöld, skálmöld, skildir klofnir, vindöld, vargöld, áðr veröld steypisk.
Geschwister sieht man die Sippe brechen; Unerhörtes ereignet sich, großer Ehebruch, Beilalter, Schwertalter, Schilde krachen, Windzeit, Wolfzeit, ehe die Welt zerstürzt.
38 (K44)
39 (K44)
40 (K30,63) Sé ek valkyrjur
vítt of komnar, – Skuld heldr skildi en Skögul önnur, – görvar at ríða til goðþjóðar vindheim víðan.’ ‘Vituð ér enn, eða hvat?’
zweite Halbstrophe fehlt. Die Verderbtheit nimmt zu.]
Ich sehe Walküren weither gekommen – Skuld hält einen Schild, Skögul ist die andere –, bereit ins Reich der Götter durch Himmels Wolken zu reiten.’ – [Óðinn fragt]: ‘Weißt du noch mehr?’
Árni Björnsson
22 41 (K28,29) ‘Allt veit ek, Óðinn,
hvar þú auga falt, (G23,24) í inum mæra Mímisbrunni.’ Valði henni Herföðr hringa ok men, fekk spjöll spaklig ok spá ganda:
‘Alles weiß ich, Óðinn, wo du dein Auge in der berühmten Quelle Mímirs bargst.’ [Óðinn will sie jetzt bestechen]: Ihr gab Heervater Halsband und Ringe für weise Sprüche und spähenden Sinn. [Die Weissagerin zitiert zuerst Mímirs Kehrreim:]
42 (K43)
‘Geyr nú Garmr mjök fyr Gnipahelli, (G36) festr mun slitna en freki renna. Fjölð veit ek fræða, fram sé ek lengra um ragna rök römm sigtíva.’
‘Grässlich heult Garmr vor dem Gnipahellir, [der Wolf] Freki bricht die Fessel, und rennt. Viel weiß ich, sehe weit voraus, das schwere Ende der Götter.
43 (K45,46) Hátt blæss Heimdallr,
Laut bläst Heimdallr in das erhobene Horn; Óðinn spricht mit Mímirs Haupt. Die Esche Yggdrasill zittert bis zu den Wurzeln; der alte Baum rauscht, als der große Riese sich bewegt.
horn er á lopti, (G38,39) mælir Óðinn við Míms höfuð. Skelfr Yggdrasils askr standandi, ymr it aldna tré, en jötunn losnar. 44 (H40, 39) Hræðask allir
á helvegum, (K45) áðr Surtar þann sefi of gleypir. (G39,38) Leika Míms sýnir en mjötuðr kyndisk, at inu galla Gjallarhorni. 45 (K48) ‘Hrymr ekr austan, hefisk lind fyrir; (G42) snýsk Jörmungandr í jötunmóði; ormr knýr unnir, en ari hlakkar, slítr nái neffölr, Naglfar losnar.
Alles fürchtet sich, als Surts Feuer sich daran macht, den Lebensbaum zu verschlingen. Erscheinungen spielen vor Mímirs Augen, wenn Gjallarhorns schrillendes Geläut erklingt, und die Vernichtung nimmt zu. [Von jetzt an schildert die Weissagerin mit Mímirs Worten, was er sieht:]
‘Der Riese Hrymr kommt von Osten, und hebt den Schild. Die Mitgardschlange wälzt sich im schrecklichen Zorn und reizt die Wellen. Der schnabelbleiche Adler ergötzt sich und verschlingt die Leichen. Die Fähre [der Toten] Naglfar wird losgemacht.
Die Völuspá aus einem neuen Blickwinkel
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‘Geyr nú Garmr mjök fyr Gnipahelli, festr mun slitna en freki renna. Fjölð veit ek fræða, fram sé ek lengra um ragna rök römm sigtíva.’
‘Grässlich heult Garmr vor dem Gnipahellir, [der Wolf] Freki bricht die Fessel und rennt. Viel weiß ich, sehe weit voraus, das schwere Ende der Götter.
Kjóll ferr austan, koma munu Múspells (G43) um lög lýðir, en Loki stýrir; fara fíflmegir með freka allir, þeim er bróðir Býleists í för.
Das Schiff der Söhne Múspells fährt von Osten über die See, und Loki steuert. Mit dem Wolf gehen alle Riesen, und Loki ist unter ihnen.
Surtr ferr sunnan með sviga lævi, (G44) skínn af sverði sól valtífa; grjótbjörg gnata, en gífr rata, troða halir helveg, en himinn klofnar.
Surtr fährt von Süden mit Feuer, von [Freys] Schwert scheint die Sonne der Götter. Steinberge stürzen, Riesen straucheln, Menschen sterben, der Himmel klafft.
Þá kömr Hlínar harmr annarr fram, (G45) er Óðinn ferr við úlf vega, en bani Belja bjartr at Surti; þá mun Friggjar falla angan.
Da hebt sich Hlíns [Friggs] Harm zum andern Male, da Óðinn zum Angriff auf den Wolf eilt, und Belis heller Töter [Freyr] zu Surtr. Da fällt Friggs Geliebter [Óðinn].
‘Geyr nú Garmr mjök fyr Gnipahelli, (G41) festr mun slitna en freki renna. Fjölð veit ek fræða, fram sé ek lengra um ragna rök römm sigtíva.’
‘Grässlich heult Garmr vor dem Gnipahellir, [der Wolf] Freki bricht die Fessel und rennt. Viel weiß ich, sehe weit voraus, das schwere Ende der Götter.
46 (K47) (G41)
47 (K49)
48 (K51)
49 (K52)
50 (K47)
Árni Björnsson
24
Þá kömr inn mikli mögr Sigföðr, (G46) Víðarr, vega at valdýri; lætr hann megi Hveðrungs mundum standa hjör til hjarta, þá er hefnt föðr.
Da kommt Víðarr, Óðins mächtiger Sohn, und greift den Wolf an. Er stößt mit der Hand den Stahl tief ins Herz des Fenriswolfs. So rächt er den Vater.
Drepr af móði Miðgarðs véurr, (G48) munu halir allir heimstöð ryðja; gengr fet níu Fjörgynjar burr neppr frá naðri níðs ókvíðinn.
Mitgards Wächter [Þórr] schlägt hart [mit dem Hammer]. Es wird totaler Menschenverlust. Unerschrocken geht der Erde Sohn [Þórr] neun Fuß weit weg von der Natter [Mitgardschlange].
Sól tér sortna, sígr fold í mar, (G49) hverfa af himni heiðar stjörnur; geisar eimi við aldrnara, leikr hár hiti við himin sjálfan.
Schwarz wird die Sonne, die Erde sinkt ins Meer, vom Himmel schwinden die heiteren Sterne. Feuer wütet überall, und die heiße Lohe beleckt den Himmel.
51 (K53)
52 (K54)
53 (K55)
54 (K56) (G50)
‘Geyr nú Garmr mjök fyr Gnipahelli, festr mun slitna en freki renna. Fjölð veit ek fræða, fram sé ek lengra um ragna rök römm sigtíva.’
Sé ek upp koma öðru sinni (G51) jörð ór ægi iðjagræna; falla forsar, flýgr örn yfir, sá er á fjalli fiska veiðir.
55 (K57)
‘Grässlich heult Garmr vor dem Gnipahellir, [der Wolf] Freki bricht die Fessel und rennt. Viel weiß ich, sehe weit voraus, das schwere Ende der Götter.
Ich sehe die Erde zum andern Male aus dem Meer auftauchen und wieder grünen. Die Fluten fallen, darüber fliegt hoch der Adler, der in den Bergseen Fische fängt.
Die Völuspá aus einem neuen Blickwinkel
Finnask Æsir á Iðavelli (G52) ok um moldþinur máttkan dæma, ok minnask þar á megindóma, og á Fimbultýs fornar rúnar.
56 (K58)
57 (K59,61) Þar munu eptir (G53)
undrsamligar gullnar töflur í grasi finnask, þærs í árdaga áttar höfðu; þá kná Hænir hlautvið kjósa:
25
Die Asen einen sich auf dem Iðavöllur und sprechen von der mächtigen Mitgardschlange und den großen früheren Ereignisse und von Óðins uralten Zauberrunen.
Da finden sie im Grase wieder die wundersamen goldenen Tafeln, die sie in Urzeiten hatten. Hænir sucht Weissagung:
‘Munu ósánir akrar vaxa, (G54) böls mun alls batna, mun Baldr koma; (H56) búa þeir Höðr Hropts sigtoptir er burir byggja bræðra tveggja.’
‘Da werden ungesät die Äcker wachsen, alles Böse bessert sich, Baldr kehrt wieder, er und Höðr bauen der Götter Festung wieder auf. Dort werden die Nachkommen der beiden wohnen.’
Sal veit ek standa sólu fegri, (G56) gulli þakðan á Gimlé; þar skulu dyggvar dróttir byggja ok um aldrdaga ynðis njóta.
Auf Gimlé weiß ich einen sonnenbeglänzten mit Gold bedeckten Saal stehen. Da sollen gerechte Menschen ewig in Wonne wohnen.
Þar kömr inn dimmi dreki fljúgandi, (G57) naðr fránn neðan frá Niðafjöllum; berr sér í fjöðrum, flýgr völl yfir, Níðhöggr nái. Nú mun ek sökkvask.’’
Da kommt ein dunkler Drache geflogen, der blanke Wurm Níðhöggr aus den Niðafjöll; er fliegt über das Feld und trägt Leichen auf den Flügeln. – Jetzt senke ich nieder.’
58 (K60)
59 (K62)
60 (K63)
26
Árni Björnsson
10. An dieser Stelle soll die Präsentation von Helgi Hálfdanarsons Hypothese von der ursprünglichen Drapa-Form der Völuspá beendet werden. Sein Buch ist damit allerdings lange nicht zu Ende. In den letzten Kapiteln argumentiert der Autor nämlich weiter: Nachdem man das Gedicht Völuspá nach der Vorgabe der Kehrreime in die oben gezeigte Form gebracht hat, leuchtet ein, dass das Gedicht aus drei selbständigen, regelmäßigen Drapur geschaffen ist, die je ihren eigenen Kehrreim hatten. Demgemäß dürften die drei ‘Urgedichte’ heidnisch gewesen sein, während der Urheber der späteren Zusammensetzung wahrscheinlich ein Christ war. Dieser hat aus ästhetischen Gründen mit großer Kunstfertigkeit fünf Strophen zugefügt, um dem ganzen Gedicht eine regelrechte Drapa-Form zu geben. Dabei erhält die Völuspá auch eine zum Teil fromme Prägung, die in die neue christliche Umgebung passt.
11. Niemand hat bisher versucht, die Argumente dieser Hypothese zu widerlegen. Die ältere Generation der Fachgelehrten hat zumeist gar nicht reagiert. Ein Literaturprofessor an der Pädagogischen Hochschule in Reykjavík hat allerdings festgestellt, das Buch von Helgi Hálfdanarson über die Völuspá sei „das bemerkenswerteste Werk über dieses bedeutendste aller Eddalieder, das bisher erschienen ist.“7 Jüngere Wissenschaftler haben ebenfalls zunehmend Interesse gezeigt. Sie finden es seltsam, das eine so gut untermauerte Theorie nicht einmal diskutiert wird. Ihnen muss man zustimmen. Freilich kann man einige Hypothesen und Lesarten des Autors bezweifeln. Doch seine zentrale Entdeckung, die Anleitung der Kehrreime, ist so genial wie einfach, und es ist kaum verständlich, wie so viele hervorragende und poetisch gesinnte Philologen sie bisher übersehen konnten. Man denkt an das Ei des Kolumbus.
7
Eysteinn Þorvaldsson 2004, S. 4–5.
Die Völuspá aus einem neuen Blickwinkel
27
Literatur Quellen Die Edda. Übertragen von Felix Genzmer. Eingeleitet von Kurt Schier. 4. Aufl. München 1997. Eddukvæði. Hg. Gísli Sigurðsson. Reykjavík 1998. Q. Horatius Flaccus. Oden und Epoden. Hg. und übers. von Gerhard Fink. Düsseldorf/Zürich 2002. Sigurður Nordal 1923. Völuspá. Reykjavík. 2. Aufl. 1952; 3. Aufl. 1993.
Forschungsliteratur Ásgeir Blöndal Magnússon 1989. Íslensk orðsifjabók. Reykjavík. Eysteinn Þorvaldsson 2004. Merkast allra ljóða, in: Lesbók Morgunblaðsins, 4. Dezember 2004, S. 4–5. Helgi Hálfdanarson 2002. Maddaman með kýrhausinn. 2. Aufl. Reykjavík. Jón Helgason 1953. Norges og Islands Digtning (Nordisk Kultur VIII B). København.
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 28–85 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Die Adaption der lateinischen Dicta Catonis an die isländischen Rezipienten von ALESSIA BAUER
1. Vorbemerkung Im vorliegenden Beitrag gilt es festzustellen, inwieweit die Hugsvinnsmál eine spezielle Bearbeitung und nicht eine – im engeren Sinne – reine Übesetzung der lateinischen Dicta oder Disticha Catonis (s.u.) darstellen und welche Adaption der Text erfahren musste, um adäquat für das skandinavische Publikum verstehbar werden zu können. Bevor einige Kriterien der Umstilisierung näher angesprochen werden, sei vorab skizziert, wo die Weisheitsliteratur herkommt, der die Hugsvinnsmál angehören und wie das Verhältnis zu weiteren altnordischen gattungsverwandten Texten ist.
2. Die Tradition der Spruch- und Weisheitsliteratur Die Tradition der Weisheitsliteratur geht auf die präklassische Antike zurück. Bereits in Mesopotamien, Ägypten und in der jüdischen Kultur, hier vorwiegend im Alten Testament, finden sich Sammlungen von Sprüchen, Listen von Lehren und Unterweisungen als Ordnungs- und Deutungsversuche, um das Leiden auf Erden zu erklären und ertragen zu helfen. Unter den ältesten Zeugnissen aus Mesopotamien findet sich die Lehre des Suruppak aus der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr.1 Ebenso alt sind die ägyptischen ‘Lebenslehren eines Vaters an seinen Sohn’, deren Tradition sich über zwei Jahrtausende erstreckt, sowie die Maximen des Weisen Djedefhor (aus der 4. Dynastie).2 Ziel dieser Werke war die Ausbildung der Jüngeren aus höfischen Kreisen, um Wahrheit und Gerechtigkeit zu errei1 2
Marböck 2001, Sp. 1033 f. Marböck 2001, Sp. 1034 sowie Hutter et al. 2005, Sp. 1365.
Die Adaption der lateinischen Dicta Catonis
29
chen.3 Im Vergleich zur formellen Einheitlichkeit der ägyptischen Lehren bietet das Alte Testament eine Vielfalt an Gattungen, wie Mahnrede und Sprichwort sowie erzählende Formen, wie beispielsweise Fabel, Parabel und Allegorie.4 Alle zeigen die Weisheit als immerwährenden Prozess des Sammelns und Ordnens mit dem Streben nach Erkenntnis der göttlichen Ordnung im Kosmos. Die griechisch-hellenistische Literatur und damit verbunden auch die lateinische wurden von den genannten Gattungen beeinflusst. In der westlichen Kultur stellt Griechenland die Wiege der Weisheitslehre und -liebe, der Philosophie (gr. sophía) dar. Bereits im 4. Jh. v. Chr. sind Spruchsammlungen belegt, welche die Leitidee der griechischen Weisheit, nämlich die Maxime ‘nichts im Übermaß’ preisen.5 Im Unterschied zur israelischen Weisheitsliteratur, die nach dem Exil durch eine tiefergreifende Wandlung mit zunehmender Theologisierung geprägt ist, verstehen sich die griechischen Werke dieser Gattung grundsätzlich als profan-sittlich und sind teilweise als ethisch-politisch zu interpretieren. Was die Spruchdichtung grundsätzlich ausmacht, sind eine prägnante Form und lehrhafte Inhalte, die in der Regel in Einzelstrophen ausgedrückt werden. Der Übergang zwischen den verschiedenen Gattungen – Maxime, Gnome, Sentenz, Sprichwort – ist in der Regel fließend, und eine klare Abgrenzung ist oft nicht möglich. Aus der lateinischen Antike stammen zahlreiche Sentenzen- und Sprichwortsammlungen, wie beispielsweise die lateinischen Proverbia Senecae. Dabei überwiegen Hexameter und Distichen. Ihre Überlieferung wird im Mittelalter weitergeführt, wobei solche Sammlungen oft erweitert oder sogar neuverfasst wurden.6 In die lange profane Tradition der Weisheitsliteratur lässt sich auch die lateinische Sentenzensammlung Dicta oder Disticha Catonis stellen.7 Diese Sammlung von Sprüchen zur praktischen Lebensweisheit besteht aus einer einleitenden Prosaepistel an den filius carissimus, 56 sog. breves sententiae (aus einzelnen Verbalphrasen bestehend) und einer Reihe von Doppelhexametern (etwa 150 in der mittelalterlichen Fassung), die in vier Bücher eingeteilt sind. Kein Ordnungsprinzip lässt sich für die Aufteilung der Zweizeiler ausmachen. Das Werk wird in das Ende des 3. oder den Anfang des 4. Jhs. datiert. Seine Rezeption als Schulbuch beginnt im 6. Jh., wobei der Text als zweite Stufe nach der Beschäfti3 4 5 6 7
Marböck 2001, Sp. 1034. Ibid. Hutter et al. 2005, Sp. 1372. Siehe Bernt 2002, Sp. 2135 f. Über den Titel des Werkes siehe u. a. Skutsch 1903, Sp. 362 ff.
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Alessia Bauer
gung mit Donat verwendet wurde. Mit diesem Werk konnte man die Jugend in Grammatik, Poesie und Moral zugleich unterrichten. Die sprachliche Schlichtheit der Zweizeiler und ihre eingängige Metrik führten dazu, dass die Dicta eine große Verbreitung im Schulunterricht fanden und zu einem der am meisten gelesen Texte des Mittelalters wurden. Die große Anzahl an Handschriften zeugt von ihrem hohen Bekanntheitsgrad.8 Der Text erfuhr im Mittelalter eine Verkürzung und gleichzeitig eine christliche Umdichtung.9 Auf der Vulgata, wie die daraus entstandene Neufassung bezeichnet wird, beruhen zahlreiche Übersetzungen und Bearbeitungen in den meisten lebenden Kultursprachen. Sie dürfte laut Wright Duff und Duff10 im Rahmen der Reformen der Karolingerzeit entstanden sein. Dabei wurden zweifelhafte Moral sowie das spezifisch Heidnische größtenteils, wenn auch nicht vollständig, getilgt.11 Die im Text vermittelten Lebensregeln preisen die Tugenden des Fleißes, der Sparsamkeit, des vernünftigen Benehmens in guten Zeiten und der Standhaftigkeit in schlechteren. So wie der Verfasser unbekannt bleibt, ist auch der ursprüngliche Titel des Werkes unklar, das im Mittelalter durchgehend als ‘Cato’ bezeichnet wurde. Die beiden wichtigsten Quellen belegen den Titel (dicta) M. Catonis ad filium.12 Unumstritten scheint jedoch die Tatsache, dass Cato (Marcus Porcius, auch Cato der Ältere genannt, 234–149 v. Chr., römischer Senator und Historiker) nicht als Autor des Werkes in Frage kommen kann, sondern dass er vielmehr als Sinnbild für eine moralische Instanz gemeint sein dürfte. Dem historischen Cato könnten möglicherweise die breves sententiae zugeschrieben werden, die den eigentlichen Distichen vorangestellt sind.13 Durch den Einfluss der Antike drang die Weisheitsliteratur auch in den germanischen Kulturbereich ein, wo sie schon früh in die Volkssprachen übersetzt und bearbeitet wurde. Zu den ersten Belegen zählen die angelsächsischen Verse, auch als Maxims I und Maxims II bezeichnet, die in knapper Form Aussagen über die Natur des Kosmos’ und des Menschen bieten. Darunter findet sich auch eine freie Paraphrasierung einzelner CatoHexameter (89 an der Zahl) aus der Zeit um 900, die in der angelsächsischen Grammatik Aefrics (um 950) aufgeführt sind,14 sowie die 46 alli8 9 10 11 12 13 14
Skutsch 1903, Sp. 366; Volz 1984, S. 499. Skutsch 1903, Sp. 361. Wright Duff / Duff 1961, S. 585. Ibid.. Skutsch 1903, Sp. 365 f. Boas (1952, S. LXV) teilt die gleiche Meinung. Siehe dazu Skutsch 1903, Sp. 364. Siehe dazu Goldberg 1883, S. 7 f. Goldberg berichtet über weitere mittelenglische Redaktionen der Dicta, die zum Teil aus älteren angelsächsischen freien Über-
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terierenden Durham Proverbs.15 Doch gilt die starke didaktische Ausrichtung nicht nur den genannten Texten, sondern sie ist charakteristisch für die gesamte ältere angelsächsische Literatur, wie die programmatische Aussage Ic a wille leode læren ‘Ich will immer das Volk belehren’ von Judgement Day I verdeutlicht.16 Zudem findet man im Streitgespräch um die Weisheit in Solomon and Saturn universelle Fragen über Zeit und Schicksal behandelt. Die Elegien – darunter The Wanderer und The Seafarer – zeigen eine starke verbale Übereinstimmung mit den Spruchsammlungen. Die Vorliebe für gnomische Aussagen scheint sich in der mittelenglischen Literatur fortzusetzen, auch wenn laut Shippey unverständlicherweise die These einer Kontinuität in der Forschung in Frage gestellt wird.17 Im Althochdeutschen würde sich eine Prosaversion der Dicta von Notker Labeo aus dem Ende des 10. Jhs. finden, wenn man dessen Brief aus dem Zeitraum 1010–1020 an Bischoff Hugo II. von Sitten Glauben schenken darf.18 Bedauerlicherweise ist das Werk nicht erhalten, aber dieser biographisch-chronologischen Epistel ist klar zu entnehmen, dass sich Notker mit dem Lesestoff der septem artes liberales und anderen Texten für den Schulunterricht, denen die Dicta eindeutig zuzurechnen sind, beschäftigt hat. Um 1300 entstand die älteste erhaltene Gesamtübersetzung der Dicta, der sog. ‘Deutsche Cato’, aus dem bayerisch-österreichischen Raum. Stilistisch ersetzen Reimverspaare die Doppelhexameter der lateinischen Vorlage (wie auch in zahlreichen anderen mittelhochdeutschen Übersetzungen von Schultexten), inhaltlich bleibt jedoch der mittelhochdeutsche Text dem Lateinischen grundsätzlich recht treu.19 Eine Aspektverschiebung ist laut Henkel20 insoweit zu verzeichnen, als die antik-heidnischen Vorstellungen
15 16 17 18 19
20
setzungen stammten. Sie alle bezeugen einen recht freien Umgang mit der lateinischen Vorlage, indem ein Teil der Hexameter ausgelassen wurde, ihre Reihenfolge umgestellt und ihr Metrum zum Septenar geändert wurde. Sauer in Bernt et al. 2002, Sp. 2139 f. Über die Weisheitsliteratur im Angelsächsischen siehe u. a. Shippey 1976. Shippey (in Schulze et al. 2002, Sp. 2147 f.) sieht hingegen eine starke Abhängigkeit der mittelenglischen Verse von den angelsächsischen Sammlungen. Volz 1984, S. 499. Siehe auch Kartschoke 1994, S. 193, 195. Schulze 2002 bietet einen Überblick über die Geschichte der Gattung und ihre stilistische Entwicklung. Henkel 1988, S. 123 räumt zwar ein, dass eine ganz wörtliche Übersetzung schon aufgrund des unterschiedlichen Satzbaus nicht möglich ist, stellt jedoch fest, es würden sich „weitgehend analog den Wortlaut des lateinischen Textes nachzeichnende Übersetzungen“ finden. Dabei ersetzen Reimpaare die Doppelhexameter. Henkel 1988, S. 125.
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getilgt wurden und der Text eine genuin christliche Umformung bekommen hat. Die erste Handschrift des ‘deutschen Cato’ bietet Vorlage und Übersetzung zweispaltig nebeneinander angeordnet, was den Einsatz des Textes im Schulunterricht deutlich unterstreicht.21 Die Textüberlieferung bezeugt eine Vielfalt an Fassungen, die für mittelalterliche deutsche Werke ungewöhnlich ist. Die Übersetzung der Dicta und anderer weltlicher Lehren und Spruchreihen betont das zunehmende Interesse der Laiengesellschaft, Verhaltensregeln und Normvorstellungen in der Volkssprache vermittelt zu bekommen, wobei die mittelhochdeutschen Werke prinzipiell der christlichen Morallehre verpflichtet sind.22 Henkel23 zählt weitere sieben ‘kanonische’ Werke in gebundener Sprache, die für den Schulunterricht verwendet wurden und alle didaktischen Charakters sind. Dabei handelt es sich um Ecloga Theodoli, Facetus, Contemptus mundi, Tobias des Matthäus von Vendôme, Liber parabolarum des Alanus ab Insulis, Esopus und Floretus. Hinzu kommt die Spruchsammlung Bescheidenheit vom fahrenden Dichter Frîdanc ‘Freidank’ (†1233), der geistliche und weltliche Aspekte in seinen Lehren vermengt. Ähnlich findet es man auch in Werken weiterer fahrender Spruchdichter, die in der Armutsklage und den Bitten um Geld und Unterkunft die soziale Lage ihrer Berufsgruppe wiedergeben.24 Wesentliche Kriterien zur Unterscheidung dieser Gattung von anderen sind die bildhafte und prägnante Sprache, die Pointierung der Aussagen und die Inszenierung einer Dialogsituation. Die Tradition des ‘deutschen Cato’ sowie der weiteren Spruch-Reihen setzt sich in deutscher Sprache noch bis zum 19. Jh. fort und erfüllt eine wichtige ‘zivilisatorische’ Funktion.
3. Spruchdichtung im Norden Auch die altnordische Literatur hat einige Textzeugnisse didaktisch-gnomischen Charakters, sog. Sittengedichte, vorzuweisen. Dabei handelt es sich um Texte oder Textabschnitte in gebundener Sprache, die etwas über das Verhalten der Menschen aussagen und Ratschläge erteilen. Doch werden solche Lebensregeln nicht als zusammenhangslose Anweisungen dargeboten, sondern in einen epischen Rahmen gestellt, wobei sich dieser nicht 21 22 23 24
Henkel 1988, S. 89 und 122 f. Siehe dazu Heinzle 1994, S. 144–153, bes. 150 f. Henkel 1988, S. 10 ff. Schulze 2002, Sp. 2145.
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immer dem Leser sofort erschließt.25 Der Rahmen hat die Funktion, unterschiedliches Material zu einer geschlossenen Einheit zusammenzufügen. Zu den altnordischen Sittengedichten zählt u. a. La Farge 2005 folgende Texte: die Hávamál,26 die Hugsvinnsmál (s. u.), das Sólarljóð – ein 83strophiges christliches Gedicht gestaltet als Rede eines Vaters an seinen Sohn, und das Málsháttakvæði – eine Sammlung von Sprüchen und lyrischen Elementen in 29 Strophen im Versmaß runhent, sowie Abschnitte der eddischen Heldenlieder, die Sigurds Jugend zum Gegenstand haben. Einige unter ihnen entstanden als mehr oder weniger wörtliche Übersetzung fremder Vorlagen, andere sind lange Zeit als rein germanische Zeugnisse bewertet worden. Die prominentesten Beispiele sind zum einem die Hugsvinnsmál als Umsetzung der lateinischen Dicta Catonis zum anderen die Hávamál, die zu den Liedern der poetischen Edda gehören (ihr rein autochthoner Charakter wird inzwischen zu Recht in Frage gestellt).27 Stilistische Merkmale unterscheiden die Spruchdichtung von anderen Gattungen in gebundener Sprache. Als erstes ist das für die gnomisch-didaktische Dichtung herkömmliche Versmaß Ljóðaháttr zu nennen, dessen Halbstrophe aus einer Lang- und einer sog. Vollzeile besteht.28 Inhaltlich werden die Texte in jeweils eine Rahmenfiktion gestellt, in dem ein ich25 26 27
28
La Farge 2005, S. 510. Zu den Hávamál siehe u. a. von See 1972a und La Farge 2005. Entgegen der häufig vertretenen Ansicht, in den Hávamál hätte eine autochthone, heidnisch-nordische Weltanschauung ihren Niederschlag gefunden, unterstreicht La Farge (2005, S. 513) angesichts der Übereinstimmungen dieses Textes mit den lateinischen Dicta, das eddische Lied spiegele vielmehr die mittelalterliche Schultradition wider. Der Ljóðaháttr ist eine Versart nicht epischer Dichtung, die sich von den skaldischen Versarten stark unterscheidet. Dieses Versmaß ist in der Spruch- und Zauberdichtung verwurzelt und ist in manchen Liedern der poetischen Edda belegt. Kennzeichnend für den Ljóðaháttr ist die Abwechslung von einer Langzeile (aus zwei Kurzzeilen bestehend) und einer sog. Vollzeile, die in der Regel eine syntaktische Einheit bilden. Durch verschiedene Konjunktionen (enn, þótt, þvíat u. a.) werden grundsätzlich zwei solche metrische Einheiten zu einer Strophe gebunden. Im Vergleich zu anderen Versmaßen zeigt der Ljóðaháttr eine viel größere Freiheit in den metrischen Regeln. Dies hängt laut von See (1967, S. 53) vermutlich mit der Tatsache zusammen, dass ‘alte vorgeprägte, aber freier gestaltete gnomische Kleindichtung’ an die strengere Form der Dichtung angepasst wurde. Siehe dazu auch die ausführliche Studie Heuslers (1889) zum Ljóðaháttr, in der er u. a. behauptet, die dritte Zeile (Vollzeile) sei eine verkürzte Langzeile gewesen, die ihre Zäsur verloren habe (S. 123). Anschließend erkennt Heusler (S. 170), dass der Ljóðaháttr dank der verschiedenen, sich abwechselnden Taktformen und einer größeren Freiheit in der Silbenanzahl eine ‘wahrhaft unerschöpfliche Mannigfaltigkeit der rhythmischen Kunstmittel’ bieten kann. Vgl. auch Marold 2001.
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Sprecher sich an ein Du wendet und ihm belehrende Ratschläge erteilt. Obwohl der Rahmen jeweils ein anderer ist, ähneln sich die mitgeteilten Sprüche stark, sowohl inhaltlich als auch formal.29 Auffallend starke Übereinstimmungen inhaltlicher und verbaler Natur sind beispielsweise zwischen den Hugsvinnsmál und den Hávamál festgestellt worden, die durch direkte oder indirekte Beeinflussung erklärbar sind. Ein solcher Einfluss der Hugsvinnsmál macht sich nicht nur auf das eddische Gedicht bemerkbar. Wie Hermann Pálsson30 erwiesen hat, haben die Hugsvinnsmál auf über 100 Werke der altnordischen Literatur gewirkt. Zahlreiche mehr oder minder wörtliche Zitate lassen sich in poetischen und prosaischen Texten wiederfinden (darunter sind Skaldengedichte, eddische Lieder, u. a. die Atlamál, sowie Sagas). Eine starke Einwirkung der Hugsvinnsmál zeigt ebenfalls die Konungs skuggsjá, deren didaktische Intention mit dem Vorhaben des Lehrgedichtes stark übereinstimmt. Die Parallelen gehen von der einfachen Überstimmung eines bestimmten Wortes bzw. einer Phrase bis zur wörtlichen oder paraphrasierten Wiedergabe eines ganzen Satzes. Zur Veranschaulichung sei an dieser Stelle Str. 26 (2. Halbstrophe) der Hugsvinnsmál berücksichtigt und diese mit der dritten lausavísa der Grettis saga verglichen: Str. 26:
Málskálp mikit er mǫrgum gefit. Fár er at hyggju horskr.
Grettla 3:
Meir es mǫrgum, snerru, brjótr esat þegn í þrautir
málskalp lagit, Gjalpar, þrekvanðr, en hyggjandi.
Mehr liegt manch einem Brecher der Gjölp des Kampfes Geschwätzigkeit als Klugheit.31
(→ Krieger)
Eine weitere Variante dieses Satzes kommt u. a. in der Bjarnar saga Hítdælakappa vor, in der in ungebundener Sprache folgendes zu lesen ist: „… þit eruð menn grunnsæir ok meir gefit málróf en vitsmunir“ (‘Ihr seid törichte Männer, und mehr liegt (euch) Redefertigkeit als Verstand’).
29 30 31
La Farge 2005, S. 512. Hermann Pálsson 1985. Diese mehrgliedrige Kenning für ‘Krieger’ besteht aus einem Heiti (Gjǫlp für Riesin im Allgemeinen) und aus zwei weiteren Kenningar, nämlich ‘Riesin des Kampfes’ für ‘Axt’ und ‘Brecher der Axt’ für ‘Krieger’. Zur Übereinstimmung beider Strophen siehe u. a. Hermann Pálsson 1979, S. 107 f. und erneut 1985.
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3.1. Die Hugsvinnsmál Die Hugsvinnsmál 32 bezeichnet La Farge33 zu Recht als ‘freie Übersetzung’ der Dicta Catonis. Doch bleibt in der Forschung in der Regel die Bezeichnung ‘Übersetzung’ nicht genauer definiert.34 Im vorliegenden Beitrag geht es nun darum zu zeigen, nach welchen Kriterien die Umsetzung der lateinischen Vorlage in die altnordischen Hugsvinnsmál erfolgte und warum es sich dabei nicht um eine wörtliche Übersetzung handelt, denn diese hätte nicht den gewünschten Zweck erfüllt. Volz35 erkennt zwar, dass es sich dabei um eine ‘recht freie Übersetzung’ handelt, schreibt aber m. E. fälschlicherweise dem isländischen Verfasser die Übernahme des Stils der eddischen Hávamál zu und verkennt dabei das Abhängigkeitsverhältnis dieses eddischen Gedichtes von den Hugsvinnsmál.36 Als Vorlage für die Übertragung ins Altnordische diente eindeutig eine verhältnismäßig gute Vulgata-Fassung der Dicta, die jedoch keine beson-
32
33 34
35 36
Von den Hugsvinnsmál gibt es sechs Editionen: Die älteste von Hallgrím Scheving (Viðeyjar klaustri 1831), die zweite von Hugo Gering (Kiel 1907), die dritte von Finnur Jónsson in Den norsk-islandske Skjaldediktning (København und Kristiania 1912–15), die vierte von Ernst A. Kock in Den norsk-isländske skaldediktningen 2 (Lund 1949), die fünfte von Halldór Hermannsson in The Hólar Cato, Islandica 39 (Ithaca 1958) und die sechste und letzte von Birgitte Tuvestrand (Lund 1977). La Farge 2005, S. 513. Der Begriff ‘Übersetzung’ kann an dieser Stelle nur im weitesten Sinne aufgefasst werden, nämlich nicht nur als Bezeichnung einer modernen wörtlichen Übertragung einer in der Regel lateinischen Vorlage in eine Volkssprache, sondern auch als Adaption und als kommentierende, umschreibende und neu interpretierende Wiedergabe der besagten Vorlage. Würth (2007, S. 16) definiert die mittelalterlichen Übersetzungen als „Produkte eines hermeneutischen Prozesses“; dabei nennt sie einige der wichtigsten Kriterien, wonach sich die Übersetzungen des Mittelalters von unseren heutigen im wesentlichen unterscheiden: Dazu zählen inhaltliche Anpassungen, wie beispielsweise die Verwendung norröner Titel statt lateinischer sowie nordischer statt antiker Götternamen und die Vereinfachung komplizierter kulturhistorischer Darstellungen. In ihrem Beitrag führt Würth die neueste Literatur zum Thema auf. Siehe auch Henkel, 1988 S. 4. Volz 1984, S. 499. Zu dem Verhältnis beider Texte zueinander und zu den lateinischen Dicta Catonis siehe von See 1972b und 1975, der eindeutig die Wirkung des lateinischen Werkes und der Hugsvinnsmál auf das eddische Gedicht sieht. Hermann Pálsson (1979, S. 106) spricht hingegen von einem gegenseitigen Einfluss beider Werke, denn beide sind in derselben Zeitspanne vom 11.–13. Jh. entstanden. 1999 liefert er in einer Studie über die Hávamál eine Liste von lateinischen Sprüchen, die als Vorbild für das eddische Sittengedicht gelten dürften, darunter befinden sich mehrere Sprüche aus der Dicta Catonis.
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ders altertümlichen Züge bewahrt hat, wie Alexander37 überzeugend nachgewiesen hat. In seiner akribischen Analyse gelingt es ihm zudem, die z. T. verfehlte Übereinstimmung in der Reihenfolge zwischen der Vorlage und dem isländischen Textes zu erklären. Er erkennt dabei, dass bereits im Archetypus Nachbarstrophen vertauscht wurden und dass in der ältesten erhaltenen Handschrift, die grundsätzlich die Anordnung der Zweizeiler vom Archetypus bewahrt hat, Strophen ausgelassen wurden.38 Angesichts der Tatsache, dass ein lat. Distichon der Dicta im sog. Ersten grammatischen Traktat belegt ist, geht man davon aus, sie seien bereits um 1150 auf Island bekannt gewesen. Von den lateinischen Exemplaren, die auf Island im Umlauf waren, ist keines erhalten geblieben. Doch belegt der Katalogeintrag ‘Cato med glosa’ des Viðeyjar Klosters vom Jahr 1397, dass das Werk zu diesem Zeitpunkt wohl vorhanden gewesen war.39 Insgesamt dreimal wurde der Text ins Isländische übertragen. Die erste Bearbeitung stellen die Hugsvinnsmál dar, die angesichts sprachlicher Merkmale spätestens ins 13. Jh. datieren dürften.40 Die älteste Handschrift (AM 624 4to, sog. Hs. A der Editionen) stammt aus dem 15. Jh. Die beiden weiteren Übertragungen wurden erst im 17. Jh. angefertigt, eine von Jón Bjarnarson († 1635) und eine andere von Bjarni Gizurarson (1621–1712),41 wobei Jón sich wörtlich an den lateinischen Text hält und Bjarnis Version nur fragmentarisch überliefert ist (die ersten beiden Bücher des Cato). In ihrer Untersuchung von 1977 trägt Tuvestrand alle 42 heute bekannten Handschriften der Hugsvinnsmál zusammen und stellt fest, dass das überlieferte Material in zwei Hauptgruppen zu ordnen ist: Einerseits die Handschrift A (AM 624 4to, S. 140–148), das älteste erhaltene, jedoch nicht vollständige und nicht fehlerfreie Textzeugnis,42 andererseits eine Gruppe β mit verschiedenen Filiationen (viele davon nur fragmentarisch erhalten).43 Um ein möglichst vollkommenes Bild der Überlieferung bieten 37 38 39 40
41 42 43
Alexander 1931, S. 112. Alexander 1931, S. 99 und 102 f. Hermann Pálsson 1985, S. 16. Gering (1907, S. XI f.) zieht zur Datierung des Werkes formale Kriterien heran: Die suffigierten Negationen -a und -at verschwinden vollständig aus der Dichtung im 14. Jh., so dass der Text nicht später als im 13. Jh. verfasst worden sein kann. Hinzu kommt, dass zum Zeitpunkt der Niederschrift v noch als Halbvokal empfunden wurde, was ebenfalls für eine Datierung vor dem 14. Jh. spricht. Vgl. auch Tuvestrand 1977, S. 12 f. Siehe dazu Tuvestrand 1977, S. 7. Laut Tuvestrand (1977, S. 15) fehlen dem Manuskript 17 Strophen, und es ist auch sonst an verschiedenen Stellen verderbt. Siehe dazu Tuvestrand 1977, S. 59 ff.
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zu können, entscheidet sich Tuvestrand, zwei Texte in diplomatischer Wiedergabe samt einem Apparat mit abweichenden Lesearten anderer Handschriften vorzulegen: die Handschrift A und die Handschrift e (Lbs 1199 4to, S. 72–75) aus dem 17.–18. Jh. als jeweils repräsentativ für die zwei Hauptgruppen. Durch den Vergleich beider Fassungen kann sie Emendationen aufs Nötigste beschränken und dem Leser das Abwägen der Textzeugen überlassen. Anders als Gering,44 der die jüngeren Papierhandschriften vom Landsbókasafn als ‘belanglos’ betrachtet und sie nach dem damaligen Stand der Editionspraxis außer Acht lässt, ist Tuvestrand der Ansicht, dass gerade eine späte Papierhandschrift aufgrund ihrer Vollständigkeit die zweite Überlieferungsgruppe veranschaulichen kann. Für eine genaue Wertung und Klassifizierung des handschriftlichen Materials verweise ich deshalb auf ihre ausführliche Untersuchung. Die Sprache der Hugsvinnsmál ist wie diejenige des lateinischen Textes klar und verständlich. Die zahlreichen Wiederholungen von Schlüsselwörtern, wie etwa ráð 45 ‘Rat, Ratschläge’ und vinr ‘Freund’ bzw. von ganzen Satzkonstruktionen, wie beispielsweise gerðu við góðan vel ‘tue (bei) einem guten Menschen Gutes’ oder launaðu góðu gott ‘belohne Gutes mit Gutem’ dienen m. E. zum besseren Einprägen der Lebensregeln. Andererseits weisen die unzähligen, meist poetischen Varianten des Wortes ‘Mensch/Mann’ darauf hin, dass der isländische Verfasser einen gewissen dichterischen Anspruch an sein Werk hatte. Auch die Abwechslung zwischen der Anrede des impliziten Adressaten in der zweiten Person sowie Imperative und allgemeine Aufforderungen in der dritten Person des Konjunktiv Präsens dienen dazu, die Monotonie zu unterbrechen und den Text lebendiger zu gestalten. Die größere Freiheit des isländischen Versmaßes verglichen mit den Hexametern ermöglicht dem Verfasser laut Gering,46 stilistisch den Ton der Vorlage zu übertreffen. 3.1.1. Kriterien der Adaption an die skandinavischen Rezipienten Im Folgenden werden nun die stilistischen und inhaltlichen Unterschiede zwischen den lateinischen Dicta und den anord. Hugsvinnsmál aufgeführt, die rechtfertigen dürften, von einer Übersetzung im mittelalterlichen Sinne, d. h. Umformung und Interpretation des Textes zu sprechen. Eine solche Studie ist bereits von Alexander 1931 unternommen worden; mir geht es 44 45 46
Gering 1907, S. VI. Altnordische Zitate und lose Wörter werden in normalisierter Rechtschreibung wiedergegeben. Gering 1907, S. VIII.
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darum, diese mit eigenen Beobachtungen zu ergänzen und teilweise die Perspektive Alexanders ein wenig zu verschieben und zu korrigieren. Anders als Würth,47 die eine Analyse der Kriterien einer Übersetzung kritisch betrachtet, bin ich der Ansicht, dass es durchaus sinnvoll sein kann, solche Kriterien zu untersuchen. Diese Analyse hilft uns festzustellen, zu welchem Zweck beispielsweise eine Vorlage übertragen wurde. (a) Änderung der Textstruktur und metrische Umwandlung. Die Vorlage stellt einen Mischtext dar, in dem ein prosaischer Prolog zusammen mit zweigliedrigen Prosa-Maximen und Doppelhexametern vorkommt. Bereits die Tatsache, dass der altnordische Text durchgehend in gebundener Sprache und in einem einheitlichen Versmaß verfasst ist und dass diese metrische Struktur die unterschiedliche Länge der breves sententiae und der Distichen unberücksichtigt lässt, impliziert eine tiefgreifende Umwandlung des Textes, die über die einfache Veränderung des Satzbaus bei weitem hinausgeht. Der Prolog zum gesamten Werk – eine Prosaepistel eines Vaters an den Sohn – wird in der Umsetzung verkürzt und in den beiden ersten Strophen – in gebundener Sprache – wiedergegeben. Die Strophen 3-16 paraphrasieren bis zu vier zweigliedrige Sentenzen, wobei einige der 56 lateinischen Maximen ausgelassen werden (je nachdem wie viele Sentenzen eine Strophe enthält, werden diese mehr oder weniger wörtlich übersetzt oder eben um einiges erweitert, um das Metrum des Ljóðaháttr erfüllen zu können). Anschließend folgt die freie Übertragung der eigentlichen Distichen. Auch die kürzeren Prologe in Prosa zu den einzelnen Büchern werden in Strophen paraphrasiert und zusammengefasst. Ebenfalls bei den Prologen hat der isländische Verfasser eine Umwandlung in der Textstruktur vorgenommen: Bei der Gestaltung seines Textes wurden die Prologe zum dritten und vierten Buch in drei Strophen wiedergegeben und ans Ende des Werkes gestellt. Dabei wendet er sich erneut direkt an den geliebten Sohn (minn einka son, wie in Str. 1) und schließt gekonnt den seine Aussagen enthaltenden Rahmen. Die letzte Strophe ist wohl eine eigenständige Ergänzung des isländischen Autors, die keine Entsprechung in der Vorlage findet, was in übersetzten Texten öfter der Fall ist. Die neugedichteten altnordischen Verse zeigen vielmehr starke Parallelen mit der Schlussstrophe der Hávamál, sowohl struktureller als auch verbaler Natur: Gleich am Versbeginn kommt jeweils der Titel des Werkes vor, gefolgt von den allgemeinen Adressaten (alle Menschen und Menschenkinder). Zu den sprachlichen Übereinstimmungen sei bemerkt, dass in beiden Strophen das Verb kveða verwendet wird, sowie verschiedene poetische Heiti für Mensch/Mann. Die zweite 47
Würth 2007, S. 31.
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Halbstrophe des eddischen Gedichtes stimmt im Großen und Ganzen mit der vorletzten Strophe der Hugsvinnsmál überein. Andererseits kommen auch die Unterschiede zwischen beiden Werken erneut zum Vorschein. In den Hávamál wird der Bezug auf die heidnische Welt wieder deutlich hervorgerufen: Die Menschenkinder stehen den Riesensöhnen gegenüber, während die Halle des Hohen bekanntlich in der Welt der Asen (ásgarðr) gelegen ist. Keine Spur dieser Welt findet sich in den Hugsvinnsmál wieder. Die letzte Vollzeile weist eher eine Parallele zu den Schlussworten der meisten Sagas auf, indem pragmatisch das Ende des Gedichtes verkündet wird. Zur Veranschaulichung werden darunter die beiden erwähnten Strophen präsentiert (für die Hugsvinnsmál beide Überlieferungen Hs. A und e): Hgv 149 nach A:
Hugsvinns mál læt ek firer hǫllðum kveðin ok kenda ek rekkum ráð. Hyggins manns lýsta ek hǫldum speki hér er nú ljóðum lokið.
Hgv 149 nach e:
Hugsvinns hef ek nú hljóðin kveðit ok kenda ek ýtum ráð. Hyggins manns lýsta ek hugspeki hér er nú ljóðum lokit.
Hávamál 164
Nú ero Háva mál kveðin, Háva hǫllu í, allþǫrf ýta sonom óþǫrf iǫtna sonom heill, sá er qvað, heill, sá er kan nióti, sá er nam, heilir, þeirs hlýddo.
Nun sind die Sprüche des Hohen gesagt, in des Hohen Halle, sehr nützlich den Söhnen der Menschen unnütz den Söhnen der Riesen Heil dem, der sie sprach, Heil dem, der sie kennt. Sie nutze, wer sie erlernte, Heil denen, die sie hörten.
(b) Der Titel. Eine weitere, kleinere Änderung erfolgte im Titel Hugsvinnsmál (wörtlich ‘Rede des Klugen’), in dem der Bezug auf Cato, als historische Person bzw. als Sinnbild für eine moralisch korrekte Lebenshaltung aufgehoben wird. Vielmehr leitet der isländische Verfasser den Genitiv Catonis – hier wahrscheinlich mit appellativem Charakter – vom lateinischen Adjektiv catus ‘weise, gescheit’ ab und übersetzt es dementsprechend mit
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hugsvinnr ‘klug’. Anord. mál (Pl. neut.) u. a. ‘Rede’ gibt hingegen lat. dicta wörtlich wieder. (c) Auslassung spezifisch lateinischer Anspielungen, sowohl mythologischer als auch kultureller Natur. Darunter: 1) Tilgung des heidnischen Elements. Wie bereits angesprochen, wurden bereits die lateinischen Dicta vermutlich in karolingischer Zeit einer christlichen Umdichtung unterzogen, wobei heidnische Vorstellungen nicht vollständig entfernt wurden und an gewissen Stellen noch durchschimmern. Ausdrückliche Hinweise auf die pagane Mythologie in den Figuren von Venus (IV 10 und IV 30), Bacchus (IV 30), Janus – dem zweiköpfigen Gott des Ein- und Ausgangs (II 27) – und der Fortuna (IV 3, IV 15, IV 19, IV 32) – der Schicksalsgöttin – blieben dabei stehen. Hierbei werden die heidnischen Götter zu abstrakten Begriffen umgestaltet, für die sie im Text stehen: Venus und Bacchus jeweils als Sinnbild für Wolllust und Trunkenheit, der zweiköpfige Janus zu einem klugen Menschen, der – wie in den Hávamál auch gelehrt wird – sich in der Halle nach allen Seiten umsehen soll, um Gefahren rechtzeitig erkennen zu können, und die Fortuna als günstiges Schicksal. Dass der isländische Autor die römischen Gottheiten nicht einfach übernehmen konnte, erklärt sich von selbst: Sein Leser hätte vermutlich wenig damit anfangen können. Doch die Tatsache, dass die heidnischen Götter der Antike nicht durch Interpretatio germanica – wie zu erwarten wäre – als Freyja usw. wiedergegeben werden, hängt sicherlich mit den expliziten christlichen Absichten des nordischen Verfassers zusammen. Anders als in den Hávamál, in denen Odin die vermittelnde Instanz der Rahmenerzählung ist,48 wird in den Hugsvinnsmál jeglicher Bezug auf das Heidentum vermieden. Merkwürdigerweise spornt dennoch der Erzähler seinen Sohn an, die Lebensweisheiten des Paganen (heiðinn maðr Z. 3) zu befolgen, wenn er rechtschaffen sein möchte und nach dem christlichen Glauben (siðr 49) leben möchte, so dass das Heidentum trotz allem nicht in ein schlechtes, negatives Licht rückt. Dies bleibt die einzige Stelle im Text, in der auf die klassische, heidnische Vorlage angespielt wird. Nicht nur der Sinn der Aussagen ist eindeutig christlich, sondern z.T. auch der von der religiösen Prosa stark geprägte Wortschatz: um einige Beispiele zu nennen, at sið lifa, góð verk 48
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Grønvik (1999, S. 12 und S. 20 ff.) unterscheidet dabei zwischen Strophen, in denen die ich-Person offensichtlich mit Odin identifiziert werden kann, und anderen, in denen das Ich ein allgemeiner „kommenderende forfatter“ oder der Dichter selbst ist. Odins Ich sei dabei immer mit speziellen Namen verbunden, während die zweite ich-Person allgemeine menschliche Erfahrungen zum Ausdruck bringt. Laut Lexicon Poeticum (1931, S. 493) steckt meist eine religiöse Konnotation in dem Wort.
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gjǫra, heiðinn (alle in Str. 1), þarflátr, þakklátr, vamalauss (in Str. 3), hreinlífr und lærifǫðr (Str. 6), löstr (Str. 13 und 18), hreinu hjarta (Str. 17) und überhaupt die häufige Gegenüberstellung von Gut ‘gott’ und Böse ‘illt’ in moralischem Sinne. Der lateinische Text lässt an manchen Stellen offen, ob es sich bei lat. deus ohne nähere Bezeichnung (etwa Deus christianus oder noster bzw. verus Deus) zwingend um den christlichen Gott handelt, oder ob damit das Göttliche als Prinzip gemeint ist.50 In der Hinsicht ist der altnordische Text dagegen unmissverständlich: Durchgehend ist im Text von guð (Sg. mask.) ‘(christlicher) Gott’ die Rede, anders als goð (neut. oft im Pl. verwendet) mit der Bedeutung ‘heidnischer Gott’.51 Durch die vollständige Tilgung des heidnischen Moments – mit der einzigen Ausnahme vom direkten Bezug auf den vermeintlichen ursprünglichen Verfasser der Lebensregeln (heiðinn maðr) – geht im altnordischen Text der heidnische Aspekt, der in der lateinischen Vorlage noch vorhanden ist, völlig verloren. 2) Tilgung von fremden, unbekannten Elementen. Textstellen, die sich ausdrücklich auf die römische Literaturgeschichte beziehen, sind vermieden worden, wie Alexander52 zu Recht bemerkt hat. Damit begründet er die Auslassung verschiedener Distichen der Vorlage, die dem isländischen Leser fremd vorgekommen wären. Das gleiche gilt laut Alexander53 ebenfalls für die „ganz ungermanische Mahnung“ des Distichons IV 11 ‘Wenn du wilde Tiere fürchtest, so fürchte am meisten die Menschen’. Der Forscher54 betrachtet als wahrscheinlich, „dass der übersetzer Distichen ausgelassen hat, deren ursprünglicher sinn dem Isländer schwer verständlich sein mochte oder die durch verderbnis des textes unsinnig waren“. Somit wird beispielsweise die ausführliche Aufzählung der römischen Schriftsteller im Prolog zum zweiten Buch auf den Gesamtbegriff ‘alte Bücher’ í […] bókum fornum (Str. 55, hier im Dat. Pl.) reduziert. Alexanders durchaus richtige Beobachtungen reichen aber noch nicht aus, um die gesamten Veränderungen des Textes zu beschreiben. Der Autor geht seinem Leser noch einen weiteren Schritt entgegen: Er ‘vernördlicht’ die Aussagen und setzt die Darstellung in einen den Rezipienten vertrauten Lebensraum. Somit werden die lat. poetae (III 18) in Str. 103 zu nordischen 50 51 52 53 54
Blaise / Chirat 1996, S. 267. Über die Entwicklung des alten heidischen Wortes guð (neut.) zum Maskulinum mit der Bedeutung Christengott siehe Düwel 1974, bes. S. 69 f. Alexander 1931, S. 105. Alexander 1931, S. 106. Alexander 1931, S. 107.
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Skalden verwandelt, den Hofdichtern, welche agjætlig ljóð ‘hervorragende (Preis)-Gedichte’ vor Königen und Jarlen vortrugen. Der Bezug auf die Skaldik scheint im wesentlichen positiver zu sein als die zwiespältige, in der lateinischen Vorlage ausgedrückte Bewertung der antiken Dichter, die einerseits bewundert werden sollen, deren Kunst andererseits als Täuschung gilt (III 18). Alexander55 erklärt den Widerspruch im lateinischen Distichon durch eine fehlerhafte Vorlage. Denkbar wäre es jedoch, dass der isländische Übersetzer eigenständig aufgrund seines kulturellen Hintergrunds der Dichtung einen positiveren Wert eingeräumt und den Sinn der Vorlage absichtlich geändert hat. Hug. 103:
Gamansamlig ljóð skalltu af greppum nema ok margfróðr vera, þvíat agjætlig ljóð bera fyrer ýtasonu skáld til skemtanar.
In gleicher Weise wird in Str. 135 die Küstenlandschaft des Mittelmeers mit einer in groben Zügen skizzierten nordischen Landschaft ersetzt; dabei ist von einem Fjord und von günstigem bzw. ungünstigem Fahrtwind (byrr) die Rede, als Wiedergabe eines in den Sagas oft wiederkehrenden Motivs. Hug. 135:
Fávíss maðr ef verðr á firði staddr ok getur ei beinan byr liðligra er honum lands að hallda enn sigla folldu frá.
Diese inhaltlichen Änderungen wären nicht zwingend erforderlich gewesen, es scheint aber, dass der Isländer tendenziell versucht hat, seinem Leser den Zugang zum Text zu erleichtern. (d) Lexikalisches: 1) Spezifisch konnotierter Wortschatz. Hinter der Wahl mancher Wörter scheint eine bewusste Intention des isländischen Verfassers zu liegen. Das ist u. a. der Fall in Str. 12, in der lat. litteras durch anord. rúnar 56 (Pl. fem. von rún, nisl. Pl. rúnir) wiedergegeben wird. Die erste Langzeile des altnordischen Textes lautet: bækur ok rúnar nem þú blíðliga. Das genannte lateinische Wort hätte durchaus durch letr 57 (Pl. neut.) bzw. stafir 58 (Pl. mask.) übersetzt werden können (stafr wird als Bezeichnung für ‘Buchstabe/Silbe’ in allen sog. ‘Grammatischen Abhandlungen’ durchgehend verwendet, wogegen dort rún grundsätzlich ‘Runenzei55 56 57 58
Alexander 1931, S. 114. Cleasby / Vigfusson / Craigie 1962, S. 504. Cleasby / Vigfusson / Craigie 1962, S. 385. Cleasby / Vigfusson / Craigie 1962, S. 586 f.
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chen’ bedeutet).59 Die Ersetzung des gängigen Wortes stafir findet auch nicht in der Metrik eine plausible Erklärung, denn in diesem Vers fällt der Stab auf das b von bækr und bliðliga, so dass der Verfasser die Übersetzung von litteras frei wählen konnte. Es ist nicht zu leugnen, dass anord. rúnar/rúnir wohl v.a. in späterer Zeit die allgemeine Bedeutung ‘Schriftzeichen’ erhält, dennoch würde man bei einer Übersetzung im engeren Sinne das Lehnwort letr oder das mehrfach in den grammatischen Schriften verwendete stafir erwarten. Ein weiteres Wort, das spezifisch (nord)-germanische Reminiszenzen hervorruft, ist anord. óðalsjǫrð für lat. patria in Str. 11. Germ. *ōðilaz (> anord. óðal) bezeichnet den ‘erblicher Grundbesitz’, der laut skandinavischem Gesetz vom Vater an den Sohn weitergegeben wurde.60 In der Übertragung von lat. patria zu anord. óðalsjǫrð geht das in der römischen Welt stark ausgeprägte Gefühl der Allgemeinheit und des Staates verloren, und es wird hingegen der private Aspekt des Landbesitzes hervorgehoben. Das nordische Recht sah ferner vor, dass den Töchtern (lausa) fé ‘bewegliches Gut, Geld’ vererbt wurde.61 In den Hugsvinnsmál kommt zwar an manchen Stellen ein weiteres Substantiv für ‘Besitz, Vermögen’ vor, nämlich eyrir 62 (Sg. mask.), es überwiegt jedoch bei weitem der Begriff fé (in den Str. 8, 22, 34, 37, 43, 44, 61, 80 und 123). Auffällig ist aber, dass beide Substantive fé und óðal sich wahrscheinlich bereits in der älteren Runenreihe jeweils als Name der f- und o-Rune (am Anfang und Ende des Fuþark) finden und ‘urgermanische’ Begriffe darstellen.63 2) Wiederholung von Wörtern und Phrasen. Die Monotonie, die das Wiederholen von Substantiven und Adjektiven bzw. ganzen Phrasen mit sich bringt, dient m.E. zum besseren Einprägen des Inhaltes und ist vermutlich vom Autor intendiert. Anders als Alexander (1931, S. 121 und 126), demzufolge solche Wiederholungen die ‘Armut’ des altnordischen Wortschatzes verglichen mit der Vielfalt des Ausdruckes der Vorlage offen legen, möchte ich eine bestimmte Absicht sehen wollen: Klare Anweisungen prägen sich leichter ein, wenn sie sich einfacher und mehrfach wiederholter 59 60 61 62 63
Zu den vier grammatischen Abhandlungen siehe jeweils Hreinn Benediktsson 1972; Raschellà 1982; Björn Magnússon Ólsen 1884. Cleasby / Vigfusson / Craigie 1962, S. 470. Ibid. Cleasby / Vigfusson / Craigie 1962, S. 136. Zu den Runennamen siehe u. a. Krause 1993, S. 25 ff., insb. S. 26: „[es] lassen sich für das germanische Futhark aus dem Anfang des 1. Jh.s n. Chr. 24, sämtlich erschlossene, Namen gewinnen, [...]. Davon dürfen 20 als sicher oder doch in hohem Grade wahrscheinlich gelten.“
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Wörter bedienen. In Übereinstimmung dazu wirkt die altnordische Darstellung im Wesentlichen plastischer und konkreter als ihre Vorlage. Dass der Autor der Hugsvinnsmál jedoch einen ästhetischen Anspruch an sein Werk hatte, zeigt er u. a. in der Vielfalt der poetischen Synonyme für den Begriff ‘Mensch/Mann’, etwa: seggr, maðr, bragnar und fyrðar (beide im Pl. belegt), gumi, ýtar (Pl.), lýðr, hôldr und rekkr (beiden letztere in der Hs. A). Dies entspricht dem in der germanischen Epik und Dichtung verbreiteten Stilmittel der synonymischen Variation, das sich in der altnordischen Literatur in den zahlreichen Heiti ausdrückt. Der Eintönigkeit von Teilen des Wortschatzes steht die ausgeglichene Abwechslung zwischen der du- und jedermann-Anrede (skalltu ‘du sollst’, maður skal ‘man soll’) gegenüber, während in der lateinischen Fassung die du-Anrede deutlich vorwiegt. 3) Umwandlung der Abstrakta ins Konkrete. Davon bietet Alexander64 einen ausführlichen Katalog, in dem er zeigt, dass abstrakte Begriffe mehrmals durch konkrete Situationen wiedergegeben werden. Wenn man von Sees These Glauben schenken will, derzufolge die Hávamál sowohl von den Hugsvinnsmál als auch direkt von den lateinischen Dicta beeinflusst sind, dann ginge Alexander von falschen Voraussetzungen aus bei seinem Versuch, gewisse Aspekte der Hugsvinnsmál zu erklären.65 Verglichen mit den Hávamál erfolgt die Kontamination zwischen heidnischem und christlichem Element in den Hugsvinnsmál in umgekehrter Richtung: Im eddischen Gedicht versuchen einige das Selbstopfer Odins als Vermengung eines germanischen Initiationsritus mit dem Kreuzestod Christi zu interpretieren.66 In den Hugsvinnsmál geht man hingegen von einer Vorlage aus, deren heidnisches Element vom isländischen Autor bewusst getilgt wurde. Dadurch dass die Hugsvinnsmál ‘nur’ eine – wenn auch freie – Übertragung einer fremden Vorlage darstellen, wird ihnen im allgemeinen der literarische Anspruch aberkannt. Die vergleichbare Spruchsammlung der Hávamál genießt grundsätzlich in der Forschung ein höheres Ansehen, weil ihr altertümliche, rein germanische Züge zugeschrieben werden (was nicht zwingend der Wahrheit zu entsprechen scheint). Von See67 erkennt die un64 65
66 67
Alexander 1931, S. 125. Alexander 1931, S. 119. „Ein stilvergleich zwischen Hug. und Dist. Cat. ergibt: der übersetzer hat […] 3. das ganze in die form der eddischen sittendichtung gegossen, wobei er sich besonders eng an Hávamál I anschloss, ohne jedoch in wörtliche abhängigkeit davon zu geraten“. von See 1972, S. 1. von See 1972, S. 6.
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terschiedlichen inhaltlichen Akzente beider Werke: In den Hugsvinnsmál liegt der Schwerpunkt in den moralischen Verhaltensregeln, in den Hávamál wird die Aufmerksamkeit hingegen auf die Lebensklugheit gerichtet. Zusammenfassend sei folgendes bemerkt: Auf isländischem Boden scheint der lateinische ‘Cato’ offensichtlich rasch seine Funktion als Schultext verloren zu haben, wodurch er während des gesamten Mittelalters einen so hohen Bekanntheitsgrad erreicht hatte. Wichtig ist hier nicht die lateinische Sprache als Propädeutikum, um die Sprachkompetenz zu erwerben, die für die Bewältigung aller Wissensfelder erforderlich war, sondern die Bedeutung liegt auf den Aussagen selbst. Die Übertragung des Werkes in die Volkssprache macht zwar einerseits seine Funktion als Latein-Lehrbuch nichtig, doch es werden somit andererseits die ursprünglichen Intentionen des Werkes erneut hervorgehoben. Es erfolgt hierbei eine klare Verschiebung des didaktischen Akzents: Die Hugsvinnsmál sind wie die Dicta Catonis ein Gedicht gnomischen Charakters. Um ihren Zweck auch im Norden erfüllen zu können, mussten sie eine passende Adaption erfahren. Dazu bemerkt Alexander68 treffend: „Die umstilisierung des werkes ins nordische zeigt sich weniger in einschneidenden sinnesveränderungen als in der darstellungsweise“. Wenn man das altnordische Corpus der übersetzten Literatur betrachtet, fällt auf, dass es sich dabei kaum um Übersetzungen im heutigen Sinne der linguistischen Äquivalenz handelt – außer im Falle von Interlinearübersetzungen. So wie der Verfasser der Hugsvinnsmál haben die isländischen Autoren wohl bewusst in die Texte eingegriffen, um sie den heimischen Rezipienten anzupassen. Dies geschah oft durch Vereinfachung fremder kulturhistorischer Darstellungen, die das heimische Publikum nicht in der Lage gewesen wäre zu begreifen. Durchaus überzeugend bemerkt Würth:69 Im Mittelalter bedeutete Übersetzen, nicht nur einen Text von einer Sprache so genau wie möglich – d. h. ohne Bedeutungsverlust – in eine andere zu übertragen, sondern das Übersetzen beinhaltete auch die Aufgabe, einen Text von seinem kulturellen und historischen Kontext in eine neue Umgebung zu übertragen.
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Alexander 1931, S. 120. Würth 2007, S. 25.
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4. Anhang Um die Argumentation besser nachvollziehen zu können, wird abschließend als Anhang eine deutsche Übersetzung der Hugsvinnsmál beigegeben, die versucht, sich so wörtlich wie möglich an den altnordischen Text zu halten, ohne dabei den deutschen Satzbau zu vernachlässigen. Somit ergibt sich teilweise eine Umstellung der Wörter im Vergleich zu den altnordischen Versen. Unbeachtet bleiben dabei die metrischen Regeln des Ljóðaháttr, die den Originaltext kennzeichnen. Aus pragmatischen Gründen wird als Vorlage der beiliegenden Übersetzung die obengenannte Handschrift e (Lbs 1199 4to) in der Ausgabe von Tuvestrand 1977 gewählt, da sie – wie bereits bemerkt – die vollständigere Fassung der beiden von ihr edierten Textzeugen darstellt. Gleichzeitig wird die lateinische Vorlage nach der kritischen Ausgabe von Boas 1952 samt einer wörtlichen deutschen Übersetzung vorgelegt, die den Vergleich beider Texte erleichtern und zur Veranschaulichung der Art der Umsetzung ins Altnordische dienen soll.70 Auch diese Übersetzung erhebt keinen besonderen Anspruch auf eine elegante Darbietung der Verse, wie es hingegen bei der eher freien Übersetzung von Wright Duff und Duff der Fall ist. Zur Wortwahl bei der Übersetzung des Altnordischen sei folgendes berücksichtigt: Für aisl. maðr ‘Mann/Mensch’ wird die allgemeinere Bedeutung ‘Mensch’ gewählt, außer wo zweifelsfrei ‘Mann’ gemeint ist (z. B. wenn der (Ehe)-Frau entgegengesetzt). Die Vielfalt an poetischen Ausdrücken für ‘Mann/Mensch’ in der Konstruktion [hverr + der Menschen] (wörtlich ‘jeder der Menschen’ also ‘jeder Mensch’) geht in der Übersetzung verloren und wird durchgehend durch das einfache Pronomen ‘jeder’ wiedergegeben. Sowohl im isländischen als auch im lateinischen Text werden die Handlungsanweisungen durch verschiedene Imperativformen ausgeführt. Für das Lateinische gilt, dass es grundsätzlich verschiedene Bedeutungsnuancen innerhalb der verschiedenen Imperative gibt, diese jedoch schon in der klassischen Latinität, also vor der Entstehung der Dicta Catonis, nicht einheitlich waren. In dieser Übersetzung wurde versucht, ein System zu erstellen, das die unterschiedlichen Formen nachempfindet. So wurde der einfache Imperativ des Lateinischen mit dem Imperativ I des Deutschen wiedergegeben, der Imperativ II des Lateinischen im Deutschen mit ‘sollen’ um-
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Für die große Unterstützung beim Übersetzen des lateinischen Textes möchte ich Ulrike Michalczik herzlich danken.
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schrieben.71 Eine weitere Form der Aufforderung ist die Umschreibung durch fac plus einem Konjunktiv, was auch in der deutschen Übersetzung zu berücksichtigen versucht wurde (z. B. ‘sieh zu, dass’). Betrachtet man die Negationen, trifft man auf verschiedene Varianten: ne mit einem Konjunktiv, wird meist als Prohibitiv, also als direktes Verbot, wiedergegeben. Neben dieser Möglichkeit stößt man häufig auf noli mit einem Konjunktiv, was durch eine möglichst wörtliche Wiedergabe der eigentlichen Wortbedeutung ‘nicht wollen’ (nolle) (‘mögest du nicht’), ausgedrückt wurde. Desweiteren sei noch darauf verwiesen, dass man im Lateinischen den Konjunktiv sowohl im Präsens als auch im Perfekt gebrauchen kann, wobei in dieser Übersetzung auf diese Unterscheidung verzichtet wurde. *
*
*
1. Mögen die Menschen, die nach der christlichen Lehre leben und gute Werke verrichten möchten, die weisen Ratschläge hören, die der heidnische Mann seinem Sohn beibrachte. 2. Liebevolle Ratschläge lehre ich dich, mein geliebter Sohn. Behalte sie alle für die Zukunft; unachtsam wirst du sein, wenn du vergessen wirst, was ein weiser Mensch zu haben bedarf. _________________________________________ Incipit Dicta Marci Catonis ad filium suum. Cum animadverterem quam plurimos graviter in via morum errare, succurrendum opinioni eorum et consulendum famæ existimavi, maxime ut gloriose viverent et honorem contingerent. Nunc te, fili carissime, docebo quo pacto morem animi tui componas. Igitur præcepta mea ita legito ut intellegas. Legere enim et non intellegere neglegere est. Incipit: Die Sprüche des Marcus Cato an seinen Sohn. Als ich bemerkte, wie ungern die meisten auf dem Weg des Betragens umherirren, entschied ich, dass ich ihren Ansichten zu Hilfe eilen und für ihren (guten) Ruf Sorge tragen sollte, damit sie möglichst ruhmvoll leben und Ehre erreichen. Nun werde ich dich, teuerste Sohn, lehren, wie du durch diesen „Vertrag“ das Betragen deines Geistes gestalten sollst. Also sollst du meine Anweisungen so lesen, dass du sie verstehst. Sie nämlich zu lesen und nicht zu verstehen, bedeutet, sie zu missachten.
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Zur Problematik der Imperative im Lateinischen wird auf die Grammatik von Kühner / Holzweissig / Stegmann 1976 verwiesen.
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3. Bescheiden und dankbar sollst du vor deinem Gott und ohne Schande sein; Vater und Mutter liebe in weiser Art, sorge für dein ganzes Geschlecht. ___________________________________________________ breves sententiæ (im folgenden b.s.): Deo supplica. Parentes ama. Cognatos cole. Bete zu Gott. Liebe [deine] Eltern. Ehre [deine] Verwandten. 4. Wenn dir zuverlässige Freunde ein gutes Geschenk geben, behalte es und liebe es wohl; folge dem Guten, und entferne dich vom Bösen, gehe nirgends unbesonnen vor. ____________________________________________ b.s.: Datum serva. Cum bonis ambula. Bewahre, was dir gegeben ist. Geh mit den Guten. Für die letzte Aussage fehlt eine lateinische Entsprechung. 5. Sei reinherzig und ehre deinen Lehrer, sei ehrenvoll. [unvollständige Strophe] ____________________________________________ b.s.: Mundus esto. Magistratum metue. Sei rein. Habe Ehrfurcht vor [deinem] Lehrer. 6. Jeden, den du unterwegs triffst, begrüße als sei er dir bekannt; unwissend erscheint derjenige, der nach nichts fragt, wenn er jemanden trifft. ____________________________________________ b.s.: Saluta libenter. Grüße bereitwillig. 7. Deine Kraft sollst du nie mit jemandem messen, der mächtiger ist. Großes Interesse sollst du an allem haben und sorge für dein Haus und Volk. ____________________________________________ b.s.: Maiori concede. Familiam cura. Füge dich einem Mächtigeren. Sorge dich um [deine] Familie. 8. Freundlich sollst du mit den Menschen sein, bewahre deinen erhaltenen Besitz; Eigne dir Gedächtnis und Verstand auf vielen Wegen an und lehre sie später [deinen] Söhnen. ____________________________________________
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b.s.: Blandus esto. Rem tuam custodi. Quæ legeris memento. Liberos erudi. Sei freundlich. Bewahre deinen Besitz. Erinnere dich daran, was du gelesen hast. Lehre die Kinder. 9. Wende dich vom Hass ab, belächle niemanden, vergelte Geschenke mit Geschenken; wach sollst du sein und sei bei Rechtshandlungen anwesend. ____________________________________________ b.s.: Neminem riseris. Belächle niemanden. 10. Selten sollst du beim Trinkgelage sitzen, trink nur mäßig Wein; deine Ehefrau sollst du sehr lieben; sorge für jedes Geschenk. ____________________________________________ b.s.: Convivare raro. Vino tempera. Coniugem ama. Cui des videto. Sitze selten beim Gastmahl. Trinke den Wein maßvoll. Liebe [deine] Gattin. Du sollst sehen, wem du [etwas] gibst. 11. Mit Speer und Schneide sollst du deinen Grundbesitz verteidigen; sei nicht leichtgläubig; überlege dir alle [deine] Worte und Eide gut, halte dein Versprechen gegenüber den Menschen. ____________________________________________ b.s.: Pugna pro patria. Nihil temere credideris. Iusiurandum serva. Kämpfe für die Heimat. Glaube nicht (blindlings) unüberlegt. Halte [deinen] Eid. 12. Lerne Bücher und Runen sorgfältig, sei gut zu dem guten Menschen: Meide jedes Zusammentreffen mit den üblen Weibern und rate jedem wohl. ____________________________________________ b.s.: Litteras disce. Libros lege. Meretricem fuge. Tute consule. Lerne zu lesen. Lies Bücher. Meide Huren [eigentlich im Sg.]. Gib guten Rat. 13. Sei ein guter Ratgeber und gerecht und im Zorn beherrscht, sprich nicht schlecht zu den Menschen; sammle gute Eigenschaften und werde mit guten Menschen bekannt, habe keine Laster und lüge nicht. ____________________________________________
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b.s.: Tute consule. Iracundiam rege. Virtute utere. Nihil mentire. Gib guten Rat. Beherrsche den Zorn. Sei tugendhaft. Lüge nicht. 14. Unglückliche Menschen oder Bettler sollst du nicht belächeln, obwohl sie viel Altes erzählen, sei geduldig, weiche nicht von den Gesetzen, die du dir selbst setzt. ____________________________________________ b.s.: Miserum noli irridere. Patere legem quam ipse tuleris. Verhöhne nicht die Notleidenden. Nimm das Gesetz an, das du selbst vorgeschlagen hast. 15. Mit deiner Kraft sollst du nicht prahlen, belohne Gutes mit Gutem; begehre nie das Eigentum eines anderen, liebe diejenigen, die dich lieben. ____________________________________________ b.s.: Alienum noli concupiscere. Libenter amorem ferto. Du mögest fremdes Gut nicht begehren. Bereitwillig sollst du Liebe geben. 16. Sei wortkarg, wenn du unter Menschen kommst und beim Festmahl sitzt; sporne niemanden zu üblen Handlungen an, predige Gutes und tue es. ____________________________________________ b.s.: Pauca in convivio loquere. Bono benefacito. Rede wenig beim Gastmahl. Du sollst dem Guten gutes tun. 17. Von allen Ratschlägen erkläre ich den als den besten, [nämlich] den höchsten Gott zu verehren; reinen Herzens sollst du an ihn glauben und ihn von ganzem Herzen lieben. ____________________________________________ Buch I I,1: Si deus est animus nobis ut carmina dicunt, | hic tibi præcipue sit pura mente colendus. Wenn Gott Geist ist, wie uns die Dichtung sagt, dann musst du ihn vorzugsweise reinen Herzens verehren. 72 18. Lass dich nie von zu viel Schlaf verführen, versuche, wach zu bleiben; Trägheit und Laster werden stets demjenigen zuteil, der lange schläft. ____________________________________________ 72
Lat. deus im Singular kann hier als ‘das Göttliche, göttliches Prinzip’ und nicht zwingend als christlicher Gott gedeutet werden.
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I,2: Plus vigila semper ne somno deditus esto; | nam diuturna quies vitiis alimenta ministrat. Wache stets mehr als dass du dem Schlaf ergeben bist, denn langanhaltender Schlaf verschafft den Lastern Nahrung. 19. Wortkarg und ruhig in seinen Worten soll derjenige sein, der Gottes Liebe erhalten will. Größere Kraft erhält der Mensch nie, als in seinen Worten treu zu sein. ____________________________________________ I,3: Virtutem primam esse puto, compescere linguam: | proximus ille deo est qui scit ratione tacere. Ich glaube, die oberste Tugend sei es, die Zunge zu bezähmen: Jener ist Gott am nächsten, der mit Vernunft zu schweigen weiß. 20. Sei niemals wankelmütig, versöhne dich mit dir selbst; derjenige wird mit niemanden einig sein, der mit sich im Zwiespalt ist. ____________________________________________ I,4: Sperne repugnando tibi tu contrarius esse: | conveniet nulli qui secum dissidet ipse. Verachte, im Widerspruch mit dir selbst zu stehen: Es schickt sich für niemanden, mit sich selbst uneinig zu sein. 21. Wenn du über das gesamte Leben der Menschen nachdenkst und ihre Sitten betrachtest, dann wirst du folgendes (heraus)finden, wenn du die Menschen auf die Probe stellst: Nur wenige sind ohne Fehler. ____________________________________________ I,5: Si vitam inspicias hominum, si denique mores, | cum culpant alios: nemo sine crimine vivit. Wenn du das Leben der Menschen betrachtest und schließlich die Sitten, dass sie andere tadeln: Niemand lebt ohne Schuld. 22. Wenn du etwas besitzt, das dir nicht nützt oder du einen Nachteil davon hast, gib es weg, obwohl es dir gut erscheint, vieles ist schöner als der Besitz. ____________________________________________ I,6: Quæ nocitura tenes, quamvis sint cara, relinque: | utilitas opibus præponi tempore debet. Besitzt du etwas Schädliches, obwohl es dir lieb ist, gib es auf: Der Nutzen muss den Gütern zur rechten Zeit vorangesetzt werden.
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23. Sei sanft und manchmal von hitziger Gemütsart, wenn wenn es nötig wird. Es kann vorkommen, dass ein weiser Mensch sein Gemüt ändert, obwohl er tugendhaft lebt. ____________________________________________ I,7: Clemens et constans, ut res expostulat, esto: | temporibus mores sapiens sine crimine mutat. Sei sanftmütig und standhaft, wenn die Lage es erfordert: Die Sitten ändert der Weise bei Zeiten ohne Schuld. 24. Der Klage deiner Frau höre nicht zu, obwohl sie den Knecht tadelt; oft hasst sie denjenigen, der dir ergeben ist. Erforsche, was das Wahre ist. ____________________________________________ I,8: Nil temere uxori de servis crede querenti: | semper enim mulier, quem coniux diligit, odit. Glaube nicht ohne weiteres der über die Knechte klangenden Frau: Immer nämlich hasst die Ehefrau den, den [ihr] Gatte schätzt. 25. Wenn du einen Freund hast, der dir zuverlässig erscheint, sporne ihn an, Gutes zu tun; obwohl er keinen Dank gegenüber deinen Worten zeigt, so sollst du ihn vor Fehlern warnen. ____________________________________________ I,9: Cum moneas aliquem nec se velit ille moneri, | si tibi sit carus, noli desistere coeptis. Wenn du einen anderen ermahnst, und jener nicht will, dass es ermahnt wird, wenn er dir lieb ist, mögest du nicht von dem Vorhaben ablassen. 26. Hüte dich vor dem Wortstreit mit einem schlagfertigen Menschen, obwohl du Wahres weißt, eine große Redseligkeit ist vielen gegeben, [aber] nur wenige sind klugen Verstandes. ____________________________________________ I,10: Contra verbosos noli contendere verbis: | sermo datur cunctis, animi sapientia paucis. Gegen Wortreiche mögest du dich nicht mit Worten messen: Die Sprache ist allen gegeben, die Weisheit des Geistes wenigen. 27. Beistand gewähre deinen Freunden, so dass kein großer Schmerz folge; lass niemals zu, dass das Unglück eines anderen dir im Wege stehe. ____________________________________________
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I,11: Dilige sic alios, ut sis tibi carus amicus; | sic bonus esto bonis, ne te mala damna sequantur. Wähle andere so aus, dass sie dir teure Freunde sind; sei gut zu den Guten, damit dir keine üblen Schäden folgen. 28. Über schlechte Ereignisse, die geschehen, rede nicht als erster mit den Menschen; besser ist es zu schweigen, als das zu sagen, was sich den Menschen als Lüge erweist. ____________________________________________ I,12: Rumores fuge, ne incipia novus auctor73 haberi; | nam nulli tacuisse nocet, nocet esse locutum. Meide die Gerüchte, damit du nicht der Urheber neuer Gerüchte bist; denn niemandem schadet es geschwiegen zu haben, es schadet, gesprochen zu haben. 29. Du sollst anderen nichts versprechen, was anderen gehört: Oft trügt dich der, dem du geglaubt hast. Unbeständig sind die Versprechen beider. ____________________________________________ I,13: Spem tibi promissi certam promittere noli: | rara fides ideo est, quia multi multa locuntur. Mögest du keine Hoffnung auf etwas, das dir als sicher versprochen wurde, setzen: Deshalb ist die Glaubwürdigkeit selten, weil viele Vieles sagen. 30. Deinen Hochmut – obwohl dich die Menschen loben, lass nicht zu groß werden; jedem Wort eines Schmeichlers brauchst du nicht zu glauben, kenne dich selbst. ____________________________________________ I,14: Cum te aliquis laudat, iudex tuus esse memento; | plus aliis de te quam tu tibi credere noli. Wenn jemand dich lobt, denke daran, selbst dein Richter zu sein; mögest du anderen nicht mehr über dich glauben als du dir [selbst]. 31. Denk an all den Beistand, den dir ein anderer gewährt, und erzähl es vielen. Auch wenn du deinen Freunden gut hilfst, kümmere dich nicht darum, damit zu prahlen. ____________________________________________ 73
Im ersten Hexameter wird die rhetorische Figur der Enallage (gr. εναλλαγή) verwendet, bei der logische Wortbeziehungen verschoben werden, meist durch grammatische Zuordnung des Adjektivs zu einem Wort oder Wortbestandteil, zu dem es inhaltlich nicht gehört.
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I,15: Officium alterius multis narrare memento; | at quæcumque aliis benefeceris ipse, sileto. Denke daran, vielen von dem Dienst eines anderen zu erzählen; andererseits sollst du schweigen, was auch immer du selbst anderen gutes tust. 32. Ein junger Mensch soll sich an das gewöhnen, was ein alter (zu haben) benötigt, nimm dich in Acht vor Fehlern, während du lebst. Andernfalls kannst du nicht tadellos über die Sitten anderer Menschen urteilen. ____________________________________________ I,16: Multorum cum facta senex et dicta reprendas, | fac tibi succurrant iuvenis quæ 74 feceris ipse. Wenn du als alter Mann die Taten und Sprüche vieler tadelst, mach, dass das dir hilft, was du selbst als junger Mensch getan hast. 33. Sorge dich nie um geheime Gespräche, du brauchst diese nicht zu belauschen. Dass man von sich spricht, glaubt jeder, der sich schuldig weiß. ____________________________________________ I,17: Ne cures, si quis tacito sermone loquatur: | conscius ipse sibi de se putat omnia dici. Kümmere dich nicht, wenn jemand in geheimer Sprache spricht: Ein Schuldbewusster glaubt von sich selbst, dass alles, was gesagt wird, ihm gilt. 34. Von Schäden sollst du dich in mancherlei Art fernhalten, obwohl du sehr wohlhabend bist, viele werden beklagenswert, die früher über Gelder verfügten, schlimm ist es an den Reichtum zu glauben. ____________________________________________ I,18: Cum fueris felix, quæ sunt adversa, caveto: | non eodem cursu respondent ultima primis. Wenn du glücklich sein willst, sollst du dich davor hüten, was widrig ist: In ein und demselben Verlauf entspricht das Ende nicht dem Anfang. 35. Vom Tod eines anderen erhoffe dir nie, dass er dir einen Vorteil bringt; über den eigenen Tod entscheidet niemand. Nahe steht den Menschen das Totenreich (Hel). ____________________________________________ 74
Lat. quae (neut. Pl.) bezieht sich auf die Taten und Sprüche im ersten Teil des Satzes.
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I,19: Cum dubia et fragilis nobis sit vita tributa, | in morte alterius spem tu tibi ponere noli. Weil uns ein ungewisses und vergängliches Leben zugeteilt ist, mögest du nicht für dich die Hoffnung auf den Tod eines anderen setzen. 36. Wenn dir ein Freund, der notleidend ist, ein kleines Geschenk frohen Herzens gibt, sollst du es annehmen und dankbar sein: Liebe ist verbunden mit den Geschenken eines Armen. ____________________________________________ I,20: Exiguum munus cum det tibi pauper amicus, | accipito placide, plene et laudare memento. Wenn dir ein armer Freund eine kleine Gabe gibt, sollst du sie friedlich annehmen und gedenken, sie gänzlich zu loben. 37. Lass niemals zu, dass deine Armut dir großen Kummer verursacht. Denke daran, dass [deine] Mutter dich so gebar, dass dir kein Reichtum folgte. ____________________________________________ I,21: Infantem nudum cum te natura crearit, | pauperitatis onus patienter ferre memento. Da die Natur dich als nacktes Kind schuf, denke daran, die Last der Armut geduldig zu ertragen. 38. Es fürchte sich niemand vor dem eigenen Tod, noch sei er darüber besorgt; demjenigen nützt der Tag nicht, der um den Tod bangt, niemand entflieht dem Tod. ____________________________________________ I,22: Ne timeas illam, quæ vitæ est ultima finis: | qui mortem metuit, quod vivit, perdit id ipsum. Fürchte nicht das, was das Ende des Lebens ist: Wer den Tod fürchtet, macht dasselbst zunichte, dass er lebt. 39. Auch wenn deine Freunde dir weniger helfen, als du zu verdienen meinst, schreibe diese Umstände nicht deinem Gott zu, tadle eher dich selbst. ___________________________________________ I,23: Si tibi pro meritis nemo respondet amicus, | incusare deos noli, sed te ipse coerce. Wenn dir ein Freund nicht gemäß deinem Verdienst vergilt, mögest du nicht Gott beschuldigen, sondern strafe dich selbst.
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40. Reichtum sollst du dir in jeder Weise verschaffen, wie es sich für einen tüchtigen Menschen ziemt. Deine Gelder sollst du nicht zum Verschwenden besitzen, obwohl du dich wohlhabend weißt. ____________________________________________ I,24: Ne tibi quid desit, quod quæsisti, utere parce; utque quod est serves, semper tibi deesse putato. Damit dir nicht etwas, was du erworben hast, fehle, verwende es sparsam; damit du das bewahrst, was ist, sollst du glauben, dass es dir beständig fehle. 41. Versprich nicht allzu oft den Menschen eine Gabe, die du geben möchtest. Das Wort eines Geschwätzigen erscheint dem Klugen wie ein Wind. ____________________________________________ I,25: Quod præstare potes, ne bis promiseris ulli, | ne sis ventosus, dum vis bonus esse videri. Was du gewähren kannst, versprich niemandem zweimal, sei nicht prahlerisch, solange du als guter Mensch gelten willst. 42. Den Worten eines hinterlistigen Menschen, obwohl er schön spricht, brauchst du nicht zu glauben, setze [diesem] glänzende Worte entgegen und vergelte Gleiches mit Gleichem. ____________________________________________ I,26: Qui simulat verbis nec corde est fidus amicus, | tu quoque fac simile: sic ars deluditur acte.75 Wer mit Worten vortäuscht, ist auch im Herzen kein zuverlässiger Freund, tue selbst das gleiche: Auf diese Weise ist die Kunst von der Kunst getäuscht. 43. Wenn dir ein Erbe zuteil wird und du an Besitz arm bist, lehre deine Kinder Kunstfertigkeiten, die ihnen Unterhalt verschaffen. ____________________________________________ I,28: Cum tibi sint nati nec opes, tunc artibus illos | instrue, quo possint inopem defendere vitam. Wenn du Kinder hast, aber keinen Reichtum, dann unterweise diese in den Kunstfertigkeiten, durch die sie ein arme Leben abwehren können.
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Hierbei wird lat. acte durch arte (Abl. Sg. zu ars ‘Kunst’) emendiert.
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44. Lasse weder zu, dass der Reichtum dich verführt, obwohl er dir schön erscheint, noch dass er zur Habgier verleitet; ein böser Mensch begehrt das Eigentum eines anderen; selig ist, wer mit seinem zufrieden ist. ____________________________________________ I,29: Quod vile est carum, quod carum vile putato: | sic tu nec cupidus nec avarus nosceris ulli. Du sollst was wertlos ist für teuer und was teuer ist für wertlos halten: Auf diese Weise wird dich niemand als gierig oder geizig kennen. 45. Wenn du üble Schanden tadeln willst, führe nicht die gleichen selbst aus; einen anderen zu tadeln, ziemt sich nicht für dich, wenn du selbst ein Sünder bist. ____________________________________________ I,30: Quæ culpare soles, ea tu ne feceris ipse: | turpe est doctori, cum culpa redarguat ipsum. Du pflegst das zu tadeln, was du nicht selbst getan hast: Schlecht ist für den Gelehrten, wenn die Verschulden ihn selbst widerlegt. 46. Es ziemt sich für dich nichts von einem anderen zu verlangen, der vom richtigen Weg abkommt. Ein unkluger Mensch verlangt stets nach dem, was er nicht (zu haben) braucht. ____________________________________________ I,31: Quod iustum est petito vel quod videatur honestum; | nam stultum petere est quod possit iure negari. Du sollst erstreben, was richtig ist oder was als ehrlich angesehen wird; denn es ist töricht zu erstreben, was mit Recht verneint werden kann. 47. Würdige einen Unbekannten nicht mehr als deinen bewiesenen Freund; viele sind übel, die sich als sehr zuverlässige geben, unbeständig sind die Worte der Fremden. ____________________________________________ I,32: Ignotum tibi tu noli præponere notis: | cognita iudicio constant, incognita casu. Bevorzuge für dich Bekanntes vor dem Unbekannten: Bekanntes ist durch Urteil geregelt, Unbekanntes durch den Zufall. 48. Jeden Tag, an dem dir Gesundheit gegeben wird, sei dir von Nutzen; Krankheit und Tod kommen, dann wenn man sie am wenigsten erwartet, unbeständig ist das Menschenleben.
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I,33: Cum dubia incertis versertur vita periclis, | pro lucro tibi pone diem quicumque sequetur. Da das ungewisse Leben in ungewissen Gefahren befindet, betrachte jeden Tag, der folgt, als Gewinn für dich. 49. Streit und Zwist sollst du unter deinen Leuten nicht [aufkommen lassen], lieber sollst du nachgiebig sein. Das Einvernehmen macht die wahre Liebe [aus], aber Uneinigkeit wächst aus Streitigkeiten. ____________________________________________ I,36: Litem inferre cave cum quo tibi gratia iuncta est, | ira odium generat, concordia nutrit amorem. Sieh dich vor, einen Streit mit jemandem, der dir lieb verbunden ist, einzugehen, der Zorn schafft Hass, die Einigkeit nährt die Liebe. 50. Gaben, die dir Freunde geben, sollst du belohnen mit guter Gesinnung, Fürsorge und Liebe halten sich unter den Menschen, die sich bei Bedarf einander unterstützen. ____________________________________________ I,34: Vincere cum possis, interdum cede sodali, | obsequio quoniam dulces retinentur amici. Auch wenn du gewinnen kannst, gib manchmal deinem Tischgenossen nach, weil bekanntermaßen mit Nachgiebigkeit liebevolle Freunde bewahrt werden. 51. Werde nicht allzu zornig auf deine Diener, so dass es ihnen Schaden zufügt, denn jeder verschafft sich selbst sicheren Schaden, der Menschen verletzt. ____________________________________________ I,37: Servorum culpis cum te dolor urguet in iram, | ipse tibi moderare, tuis ut parcere possis. Wenn dich der Kummer über die Verfehlungen [deiner] Diener in Zorn versetzt, beherrsche dich selbst, damit du diese verschonen kannst. 52. Vor anderen zieme es sich für dich stets nachzugeben, obwohl du mehr vermöchtest; durch Freundlichkeit kannst du dir bewiesene Feinde zu Freunden machen. ____________________________________________ I,38: Quem superare potes, interdum vince ferendo, | maxima enim morum semper patientia virtus.
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Denjenigen, den du übertreffen kannst, bringe zuweilen zur Einsicht, indem du es aushälst, denn die höchste Tugend der Sitten [ist] immer die Geduld. 53. Deinen Besitzt sollst du nicht zum Verschwenden haben, nütze ihn eher mit Umsicht: Arm wird derjenige, der nicht arbeiten kann, wenn er seine Gelder verschwendet hat. ____________________________________________ I,39: Conserva potius, quæ sunt iam parta, labore; | cum labor in damno est, crescit mortalis egestas. Bewahre lieber durch Mühe das, was bereits vollbracht ist; wenn die Arbeit gefährdet ist, wächst die Dürftigkeit des Sterblichen. 54. Sei bei Bedarf den Leuten gegenüber freigebig und hilf deinen Freunden in guter Weise. Derjenige wird Erfolg haben, der sich für sich und seine Leute nützlich gibt. ____________________________________________ I,40: Dapsilis interdum notis et largus amicis | cum fueris dando semper tibi proximus esto. Auch wenn du manchmal sehr freigebig gegenüber bekannten Freunden gewesen bist, sei dir im Geben immer am nächsten. 55. Ein sehr kluger Mensch, wenn er Kunstfertigkeiten erlernen und wohl viel erfahren möchte, möge die Bücher lesen, die kluge Menschen geschrieben haben, welche den Menschen Wissen vermittelt haben. 56. Denn in den meisten alten Büchern stehen zu den meisten Dingen viele Ratschläge geschrieben. 57. Freundlichkeit soll jeder sammeln, der Klugheit besitzen will; eine höhere Weisheit erhält der Mensch niemals, als wenn er sich vor den Sünden vorsieht. ____________________________________________ Buch II Præfatio Libri II: Telluris si forte velis cognoscere cultus, | Vergilium legito; quodsi mage nosse laboras | Herbarum vires, Macer76 hæc tibi carmina dicit. | Si Romana cupis et Punica noscere bella, | Lucanum77 quæres, qui Martis proelia dixit. | Si quid amare libet vel discere amare legendo, | Na76 77
Æmilius Macer aus Verona († 16 n. Chr.), Dichter, Freund Vergils, Ovids und Tibulls. Marcus Annaeus Lucanus (39 n. Chr. – 65 n. Chr.), römischer Dichter.
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sonem78 petito; sin autem cura tibi hæc est, | ut sapiens vivas, audi quæ discere possis, | per quæ semotum vitiis deducitur ævum: | ergo ades, et quæ sit sapientia disce legendo. Einleitung zum 2. Buch: Wenn du zufällig den Ackerbau kennenlernen willst, sollst du Vergil lesen; wenn du dich aber vielmehr bemühst, die [Heil]Kraft der Pflanzen zu erfahren, sagt es dir Macer in seiner Dichtung. Wenn du die römischen und punischen Kriege kennenlernen möchtest, verschaffe dir Lucan, der die Kämpfe des Mars erzählt hat. Wenn du durch das Lesen lieben willst oder lernen, wie man liebt, sollst du dich an Ovid wenden; wenn aber wiederum dein Bestreben ist, weise zu leben, höre die Dinge, die du lernen kannst, durch die das Leben weit von den Lastern weggeführt wird. Du existierst also, und lerne [nun] durch das Lesen, was Weisheit ist. 58. Es ziemt sich für dich, dem Unbekannten oft zu helfen, wenn du freundlich sein möchtest; besser als Macht erscheint dem Weisen, Freunde an vielen Stellen zu haben. ____________________________________________ II,1: Si potes, ignotis etiam prodesse memento: | utilius regno est, meritis adquirere amicos. Wenn du kannst, denke daran, Unbekannten von Nutzen zu sein: Brauchbarer als Macht ist es, Freunde durch Wohltaten zu gewinnen. 59. Man soll keine Sorge für das tragen, was Gott den Menschen verheimlicht. Denn die himmlischen Elemente können die Menschen, die auf Erden wohnen, nicht erfahren. ____________________________________________ II,2: An di sint cælumque regant, ne quære doceri: | cum sis mortalis, quæ sunt mortalia cura. Darüber, ob die Götter existieren und über den Himmel herrschen, verlange nicht, unterrichtet zu werden: Da du sterblich bist, kümmere dich um sterbliche Dinge. 60. Du sollst nichts Unvernünftiges bei den Leuten zornig bestreiten. Denn ein zorniger Mensch ist von falschen Gedanken erfüllt, er kann das Wahre nicht erkennen. ____________________________________________ 78
Naso steht für den römischen Dichter Publius Ovidius, kurz Ovid (43. v. Chr – ca. 17 n. Chr.).
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II,4: Iratus de re incerta contendere noli, | impedit ira animum, ne possis cernere verum. Mögest du nicht ungewisse Dinge [einer Angelegenheit] bestreiten, der Zorn hindert den Geist daran, dass du die Wahrheit/das Wahre erkennen kann. 61. Den erhaltenen Besitz nütze in hohem Maße und sei freigebig mit deinem Essen; dein Geld sollst du nicht zum Vergeuden haben, wenn Bedarf daran entsteht. ____________________________________________ II,5: Fac sumptum propere, cum res desiderat ipsa: | dandum etenim est aliquid, cum tempus postulat aut res. Bring schnell die Kosten auf, wenn die Lage selbst es verlangt: denn man muß etwas geben, wenn die Zeit oder die Lage es fordert. 62. Über eine kleine Belohnung erfreue sich jeder, und möge niemand zu großen Ehrgeiz haben; in einer kleinen Bucht halten sich lange die Schiffe, die dann der Sturm im Meer zerstört. ____________________________________________ II,6: Quod nimium est fugito, parvo gaudere memento: | tuta mage est puppis, modico quæ flumine fertur. Du sollst das meiden, was übermäßig ist, denke daran, dich an Kleinem zu erfreuen: Eher ist das Schiff sicher, das vom sanften Fluss getragen wird. 63. Schweige über schlechte Ereignisse – obwohl du sie alleine kennst. Alle tadeln denjenigen, der sich allein zum ersten Verbreiter des Betrugs macht. ____________________________________________ II,7: Quod pudeat, socios prudens celare memento, | ne plures culpent id, quod tibi displicet uni. Der Kluge soll erwägen – wenn es beschämt – die Gefährten zu verbergen, damit nicht viele das tadeln, was dir allein missfällt. 64. Das Verhalten unzuverlässiger Menschen sollst du nicht übernehmen, obwohl ihnen der Betrug zum Vorteil wird. Sie können nicht lange die Fehler verheimlichen; später wird die Falschheit herauskommen. ____________________________________________ II,8: Nolo putes pravos homines peccata lucrari: | temporibus peccata latent, et tempore parent.
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Ich möchte nicht, dass du glaubst, dass schlechte Menschen Sünden als Vorteil haben: Die Sünden sind verborgen, und diese zeigen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt. 65. Verachte niemanden, obwohl er bedeutungslos, hässlich oder kleinwüchsig ist. Viele erweisen sich als klug, obwohl sie erbärmlich oder hässlich und kleinwüchsig sind. ____________________________________________ II,9: Corporis exigui vires contemnere noli: | consilio pollet, cui vim natura negavit. Du mögest nicht die Kräfte eines schmächtigen Körpers verachten: Der, dem die Natur die Kraft verwehrt hat, ist stark im Beraten. 66. Friedfertig sollte jeder mit anderen sein, obwohl er anders könnte. Oft rächt sich derjenige, der besiegt wird, und erhält dann den Sieg. ____________________________________________ II,10: Cui scieris non esse parem te, tempore cede: | victorem a victo superari sæpe videmus. Weiche zu einem bestimmten Zeitpunkt dem, von dem du weißt, dass er dir nicht ebenbürtig ist: Oft sehen wir, dass der Sieger vom dem Besiegten übertroffen wird. 67. Nach seinem Schicksal soll der Mensch weder das Orakel befragen, noch darüber besorgt sein. Gott weiß am besten, wem er Glück zukommen ließ, und das werden die Menschen nicht im Voraus erfahren. ____________________________________________ II,12: Quid deus intendat, noli perquirere sorte: | quid statuat de te, sine te deliberat ille. Was Gott beabsichtigt, mögest du nicht durch das Orakel erfragen: Was über dich bestimmt ist, beschließt jener ohne dich. 68. Neid und Auseinandersetzungen soll jeder meiden so gut er kann, denn große Sorgen schwächen ein hasserfülltes Herz, und dieses erkennt nicht das Wahre. ____________________________________________ II,13: Invidiam nimio cultu vitare memento;79 | quæ si non lædit, tamen hanc sufferre molestum. 79
Der Ablativ wird auf Deutsch durch einen Relativsatz wiedergegeben.
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Denke daran, den Neid, der durch allzu große Pracht entsteht, zu vermeiden; wenn dieser [der Neid] nicht verletzt, ist es dennoch lästig, dass man ihn erduldet. 69. Wenn dich mächtige Menschen falsch beurteilen, lass dein Gemüt nicht davon beängstigen: Kurze Zeit erfreuen sich darüber die Menschensöhne, die durch Betrug mächtig werden. ____________________________________________ II,14: Forti animo esto libens, cum sis damnatus inique: | nemo diu gaudet, qui iudice vincit iniquo. Sei gern tapferen Geistes, wenn du ungerechterweise verurteilt wirst: Niemand erfreut sich lange, der mittels eines ungerechten Richters siegt. 70. An vergangene Kränkungen sollst du nicht lange denken, traue dem Friedensvertrag; Rechtsachen anzufechten, die versöhnt sind, dies erklärt man als die Natur des Unzuverlässigen. ____________________________________________ II,15: Litis præteritæ noli maledicta referre: | post inimicitias iram meminisse malorum est. Mögest du die Schmähreden eines vergangenen Streites nicht wiederholen: Nach einem Streit ist es übel, sich an den Zorn zu erinnern. 71. Sich selbst soll niemand weder allzu sehr tadeln noch loben. Dies tun nur diejenigen, die sich für vornehm halten und die Bewunderung der Welt haben möchten. ____________________________________________ II,16: Nec te conlaudes nec te culpaveris ipse: | hoc faciunt stulti, quos gloria vexat inanis. Du selbst sollst dich weder allzu sehr loben noch tadeln: Das tun die Törichten, welche der selbstgefällige Ruhm plagt. 72. Mit seiner Weisheit sollte der Mensch nicht prahlen, außer es wird nötig; oft ist es den Menschen von Nutzen gewesen, wenn der Kluge sich unbemerkt dem Wissen nähert. ____________________________________________ II,18: Insipiens esto, cum tempus postulat ipsum: stultitiam simulare loco, prudentia summa est. Sei einsichtslos, wenn die Zeit es selbst fordert: Zur rechten Zeit Torheit vorzutäuschen, ist die größte Klugheit.
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73. Von falscher Habgier sollst du dich fernhalten, schlimm ist die Sinneslust; größeren Ruhm erhält niemand, als sich vor Sünden in Acht zu nehmen. ____________________________________________ II,19: Luxuriam fugito, simul et vitare memento | crimen avaritiæ; nam sunt contraria famæ. Du sollst die Üppigkeit meiden und denke daran, ebenfalls den Vorwurf des Geizes zu vermeiden; denn sie [beide] sind dem Ruhm entgegengesetzt. 74. Dem gewandten Geschichtenerzähler sollst du selten glauben, der mit Verleumdung daherkommt; denn viele Geschichten des redseligen Menschen erweisen sich dem Menschengeschlecht als Lüge. ____________________________________________ II,20: Noli tu quædam referenti credere semper: | exigua est tribuenda fides, qui multa locuntur. Mögest du nicht dem glauben, der immer irgend etwas erzählt: Wenig Vertrauen ist denen zu erweisen, die Vieles erzählen. 75. Ein betrunkener Mensch, obwohl [besser: wenn] er Schlimmes tut, ist nicht der Entschuldigung wert. Selbst verschuldet er, wenn er so trinkt, dass er nicht bei voller Besinnung ist. ____________________________________________ II,21: Quæ potus peccas ignoscere tu tibi noli, | nam crimen vini nullum, sed culpa bibentis. Du mögest dir nicht das verzeihen, was du falsch machst, wenn du getrunken hast; denn das Vergehen [liegt] nicht beim Wein, sondern die Schuld [liegt] beim Trinker. 76. Jede Angelegenheit, die nicht viele erfahren dürfen, erzähle einem Schweigsamen. Ein kluger Mensch, der Heilung wünscht, lässt nach einem guten Arzt suchen. ____________________________________________ II,22: Consilium arcanum tacito committe sodali; | corporis auxilium medico committe fideli. Vertraue einem schweigsamen Gefährten einen geheimnisvollen Rat an; vertraue die Heilung des Körpers einem vertrauenswürdigen Arzt an.
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77. Häufige Schmerzen soll niemand schlecht ertragen, wenn er die Strafe verdient.80 78. Jeder soll auf das Unglück vorbereitet sein, obwohl alles nach Wunsch geht; heftige Schmerzen, glaube ich, kann jeder ertragen, der auf sie vorbereitet ist. ____________________________________________ II,24: Prospice qui veniant casus: hos esse ferendos; | nam levius lædit, quiquid prævidimus ante. Erwäge, welche Ereignisse eintreten könnten: Diese müssen ertragen werden; denn das, was wir im Voraus gesehen haben, verletzt weniger stark. 79. Ein sehr weiser Mensch, der [sein] Unglück verdient, lässt sein Gemüt nicht betrüben; Gutes soll jeder erwarten, auch wenn er todgeweiht ist. ____________________________________________ II,25: Rebus in adversis animum submittere noli; | spem retine; spes una hominem nec morte relinquit. Mögest du nicht den Geist unglücklichen Angelegenheiten unterwerfen; bewahre die Hoffnung; allein die Hoffnung verläßt den Menschen auch nicht im Tod. 80. Einen langhaarigen Mann sah ich in der Menschenschar, doch war er [dann] kahlköpfig. So ist der Mensch, der viel Reichtum besitzt und später arm wird. ____________________________________________ II,26: Rem tibi quam scieris aptam dimittere noli: | fronte capillata, post hæc occasio calva. Mögest du eine Sache nicht aufgeben, die du für dich als geeignet weißt: Der Zufall [hat] eine behaarte Stirn, ist aber hinten kahl. 81. Ein Mensch soll sich in jeder Hinsicht umsehen und sich vor dem Irrglauben in Acht nehmen; scharfsichtig sollte jeder sein und gelehrt und umsichtig. ____________________________________________
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Unvollständige Strophe, der keinem lat. Distichon des zweiten Buches entspricht. Weitere Textzeugen weisen eine zweite Helming, die in Str. 102 unserer Vorlage (Hs. e) vorkommt. Letztere wird eindeutig dem Distichon 17 (Buch III) zugewiesen.
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II,27: Quod sequitur specta quodque imminet ante, videto: | illum imitare deum [= Janus], partem qui spectat utramque. Du sollst auf das schauen, was folgt, und du sollst im Voraus sehen, was bevorsteht: Ahme jenen Gott [Janus] nach, der nach beiden Seiten schaut. Komm: Starke Änderung von dem mythologischen Wesen Janus zu einer konkreteren Situation. 81 82. Genieße Speisen oder Getränke niemals so, dass deine Kraft schwindet; Stärke und Gesundheit benötigst du bei allem (zu haben), lebe nicht allzu viel in Wolllust. ____________________________________________ II,28: Fortius ut valeas, interdum parcior esto: | pauca voluptati debentur, plura saluti. Damit du mehr vermagst, sei zuweilen enthaltsamer: Wenig ist für den Sinnesgenuß bestimmt, Vieles für die Gesundheit. 83. Tadle nie die Meinung der Allgemeinheit, die die Leute loben. Niemandem gefällt derjenige, der allen widersprechen will. ____________________________________________ II,29: Iudicium populi numquam contempseris unus, | ne nulli placeas, dum vis contemnere multos. Verachte niemals allein das Urteil des Volkes, du würdest niemandem gefallen, solange du viele verachtest. 84. Derjenige braucht nicht einen günstigen Zeitpunkt als Hilfe zu suchen, der Heil haben will. Die Stunden bestimmen nicht, dennoch kommen die Schmerzen hierher, alle Zeiten sind gleich zuverlässig. ____________________________________________ II,30: Sit tibi præcipue, quod primum est, cura salutis: | tempora*82 nec culpes, cum sis tibi causa doloris.
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Boas 1954 S. 137 f. Remigius (Rotom. Man. p. 111) „Janus fingebatur apud antiquos deus anni, futi bifrons .i. duas frontes habens, et ab illo Januarius mensis dictus, quia omne initium Jano consecratum erat. Et ideo ab illo Januarius sumpsit quia finem transacti anni et capud subsequentis in se habet. O Jane a tergo quem nulla ciconia pinsit.“ Lat. tempore wird an dieser Stelle durch tempora (Pl. Akk.) emendiert (wie in vielen Handschriften belegt).
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Die Fürsorge der Gesundheit sei dir besonders [angelegen], was das Vorzüglichste ist: Beschuldige nicht den Zeitpunkt, wenn du die Ursache deines Schmerzes bist. 85. Ihren Träumen sollen die Menschen nicht glauben; sie täuschen oft die Leute. Dem Schlafenden erscheint [im Traum] das, was er selbst sich wünscht oder fürchtet, während er wach ist. ____________________________________________ II,31: Somnia ne cures; nam mens humana quod optat, | dum vigilans, sperat, per somnum cernit id ipsum. Kümmere dich nicht um die Träume; denn die menschliche Denkkraft hofft das, was sie sich wünscht, während sie wach ist, im Traum nimmt sie dieses selbst wahr. 86. Großzügig sollst du andere Gutes lehren und [genau]so Neues erlernen. Vielen hilft derjenige, der aus Klugheit den Menschen einen guten Rat gibt. 87. Größere Ehre erlangt man auf Erde nicht, als wenn man den Menschen einen guten Rat gibt. Ein pflichtvergessenes Leben hätten die Menschen, wenn niemand sühnte. ____________________________________________ Buch III III,1: Instrue præceptis animum, ne discere cessa, | nam sine doctrina vita est quasi mortis imago. Lehre den Geist nach Vorschriften, höre nicht auf zu lernen, denn ohne Lehre ist das Leben gleichsam ein Abbild des Todes. 88. Du sollst, so lange du kannst, die Fehler verheimlichen, die du bei Freunden kennst. Halte dein Wort und lass insgeheim vergehen, bis sie ihre Schuld wiedergutmachen. ____________________________________________ III,3: Productus testis, salvo tamen ante pudore, | quantumcumque potes, celato crimen amici. Wenn du als Zeuge vorführt [wirst], sollst du das Verschulden des Freundes verheimlichen, so gut du kannst, dennoch stehe mit unversehrtem Ehrgefühl voran. 89. Sorge nie für üble Belästigung, wenn du tugendhaft lebst. Es ist nicht leicht das zu tun, was allen gefällt. Handle so, dass der Gute [deine Handlung] lobe.
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III,2: Cum recte vivas, ne cures verba malorum, | arbitri non est nostri, quid quisque loquatur. Wenn du rechtschaffen lebst, kümmere dich nicht um die Worte der Bösen, es ist nicht unsere Entscheidung, was jeder sagt. 90. Freundlichen Worten, wenn dich die Menschen anreden, sollst du nicht glauben. Oft redet der schön, der hinterlistige Gedanken hat. Ratsam ist sich vor Falschheit zu hüten. ____________________________________________ III,4: Sermones blandos blæsosque cavere memento: | simplicitas veri forma est, frus ficta loquendi. Denke daran, dich vor schmeichelnden und stammelnden Reden zu hüten: Die Einfachheit ist die Form der Wahrheit, die Täuschung [ist die] des Sprechens. 91. Du sollst nicht träge sein, wenn du ein Leben haben möchtest, das sich für einen tüchtigen Menschen ziemt. Denn je mehr ein Mensch schmäht, desto weniger hat er Lust, gut zu arbeiten. ____________________________________________ III,5: Segnitiem fugito, quæ vitæ ignavia fertur; | nam cum animus languet, consumit inertia corpus. Du sollst die Trägheit meiden, die Untätigkeit des Lebens schafft; denn wenn der Geist träge ist, reibt die Faulheit den Körper auf. 92. Bei einer schweren Arbeit, wenn sie dir zugewiesen wird, sei gesprächig. Jemand der sich freut, vermag es, am meisten zu arbeiten, alle freiwilligen Arbeiten sind leicht. ____________________________________________ III,6: Interpone tuis interdum gaudia curis, | ut possis animo quemvis sufferre laborem. Vermische gelegentlich die Freude mit deinen Sorgen, damit du im Geist jede Anstrengung ertragen kannst. 93. Du sollst nicht über die unglücklichen Reisen eines anderen lachen, wenn du klug sein willst, Oft rächen sich diejenigen, die belächelt werden, und vergelten Gleiches mit Gleichem. ____________________________________________ III,7: Alterius factum ac dictum ne carpseris umquam, | exemplo simili ne te derideat alter.
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Du sollst niemals die Tat und das Wort eines anderen tadeln, in ähnlicher Weise soll dich kein anderer belächeln. 94. Ein bejahrter Mensch, der Eigentum verwaltet und Reichtümer anhäuft, soll seinen Freunden in guter Weise beistehen und freigebig sein. ____________________________________________ III,9: Cum tibi divitiæ superent in fine senectæ, | munificus facito vivas, non parcus, amicus. Wenn dir am Ende des Greisenalters Reichtümer im Überfluß vorhanden sind, sollst du [so] handeln, dass du als freigebiger und nicht als knickeriger Freund lebst. 95. Einen guten Rat soll jeder annehmen, obwohl [ihn ihm] eine Magd oder ein Diener gibt. Ich glaube, dass ein unfreier Mensch oft wissender als ein freier ist. ____________________________________________ III,10: Utile consilium dominus ne despice servi; | nullius sensum, si prodest, tempseris umquam. Verschmähe als Herr nicht den nützlichen Rat eines Knechts; niemals sollst du jemandes Sinn verachten, wenn er von Nutzen ist. 96. Geldverlust soll niemand schlecht verkraften, obwohl ihm [dadurch] einen Schaden entsteht. Es tröstet ihn, wenn er (durch)halten kann, glücklich ist derjenige, der sich mit seinem zufrieden gibt. ____________________________________________ III,11: Rebus et in censu si non est quod fuit ante, | fac vivas contentus eo, quod tempora præbent. Wenn Güter und Vermögen nicht mehr das sind, was sie zuvor waren, handle so, dass du mit dem zufrieden bist, was die Zeiten gewähren. 97. Ein rechtschaffener Mensch mit vielen Reichtümern möchte sich eine Frau suchen. Dies erweist sich dann – falls er es versuchen wird: eine große Brautkaufsumme.83 ____________________________________________ III,12: Uxorem fuge ne ducas sub nomine dotis, | nec retinere velis, si coeperit esse molesta. 83
In beiden Strophen ist zwar von einer Frauenwerbung die Rede, doch hat sich der isländische Verfasser nicht an die Vorlage gehalten.
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Meide eine Ehefrau, damit du nicht aufgrund der Mitgift heiratest, du willst sie nicht behalten wollen, wenn sie anfängt, lästig zu sein. 98. Nach guten Beispielen möge jeder suchen, der Verstand haben will. Die Strafe eines anderen lasse er sich zur Warnung dienen und werde den Guten gleich. ____________________________________________ III,13: Multorum disce exemplo, quæ facta sequaris, | quæ fugias, vita est nobis aliena magistra. Am Beispiel vieler lerne, welchen Taten du folgen und welche du vermeiden sollst, das Leben anderer ist uns ein Lehrer. 99. Es ziemt sich nicht gut für dich, eine größere Arbeit als du vermagst anzufangen. Ein vollbrachtes Werk hilft [nur] dem, der es fertig stellte. Immer fragt das Volk nach dem Ergebnis. ____________________________________________ III,14: Quod potes, id tempta: operis ne pondere pressus | succumbat labor, et frusta temptata relinquas. Versuche das, was du vermagst: damit die Anstrengung nicht von dem Gewicht der Arbeit beschwert niedersinkt und du vergeblich das Begonnene übrigläßt. 100. Du sollst nicht die Unsitte eines anderen verschweigen, auch wenn du darum gebeten wirst. Schlecht erscheint der, der vor anderen Übles verheimlicht. ____________________________________________ III,15: Quod nosti factum prave, nolito silere, | ne videare malos imitari velle tacendo. Mögest du nicht über eine üble Tat, die du kennst, schweigen, du sollst nicht schweigend zusehen, dass Böse [etwas] nachahmen wollen. 101. Man soll Hilfe von denen erbitten, die die Rechtsverfahren leiten, wenn ein Mensch mit Unrecht für Fehler beschuldigt wird. Ein Mensch, der die Richter unterstützt, wehrt sich gegen ein Unrecht und bekommt sein Recht. ____________________________________________ III,16: Iudicis auxilium sub iniquitate rogato, | ipsæ etiam leges cupiunt, ut iure rogentur. Im Falle einer Ungerechtigkeit sollst du die Hilfe eines Richters erbitten, auch die Gesetze selbst verlangen, dass sie rechtmässiger befragt werden.
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102. Niemand verheimliche eine verdiente Strafe, wenn er sich schuldig weiß. Die Belohung seiner Taten wird jeder mit Zinsen erhalten. ____________________________________________ III,17: Quod merito pateris, patienter perfer id ipsum, | cumque reus tibi sis, ipsum te iudice damna. Was du verdientermaßen erleidest, ertrage geduldig, und wenn du für dich Angeklagter bist, sprich dich selbst nach deinem Urteil schuldig. 103. Lustige Gedichte sollst du von Dichtern erlernen und vielwissend sein, denn hervorragende Gedichte tragen die Skalden vor den Menschensöhnen zur Unterhaltung vor. ____________________________________________ III,18: Multa legas facito, perlectis perlege multa, | nam miranda canunt, sed non credenda poetæ. Du sollst so handeln, dass du Vieles liest, lies Vieles von den bereits gelesenen Dichtern, denn diese singen das, was man bewundern muss, aber nicht glauben darf.84 104. Wortkarg sollte jeder sein, der beim Gastmahl sitzt. Menschenverstand fehlt demjenigen, er zu viel redet; schweigsam ist der kluge Mensch. ____________________________________________ III,19: Inter convivas fac sis sermone modestus, | ne dicare loquax, cum vis urbanus haberi. Achte darauf, dass du bei Gastmählen bescheiden am Gespräch bist, widme dich nicht der Geschwätzigkeit, wenn du als gebildet gelten willst. 105. Höre nicht der Anklage deiner Frau zu, noch beachte sie: Eine hinterlistige Frau – glaube ich – verlangt oft weinend nach unnötigen Sachen. ____________________________________________ III,20: Coniugis iratæ noli tu verba timere, | nam lacrimis struit insidias, cum femina plorat. Mögest du nicht die Reden deiner zornigen Frau fürchten, denn die Frau legt unter Tränen einen Hinterhalt, indem sie weint.
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Der Bezug zur Dichtung ist in der anord.Vorlage wesentlich positiver als in der lat. Vorlage. – Str. 104. fehlt in der Hs. e, wird hier durch andere Hss., u. a. Hs. A ergänzt.
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106. Bei aller Geldausgabe sollst du Besonnenheit und Umsicht haben. Derjenige, der sein eigenes Geld verschwendet hat, wird stets eines anderen bedürfen. ____________________________________________ III,21: Utere quæsitis, sed ne videaris abuti: | qui sua consumunt, cum deest, aliena sequentur. Gebrauche das Erworbene, aber du sollst nicht den Anschein haben, es zu missbrauchen: Wer das seine verbraucht, folgt fremdem [Gut], wenn es fehlt. 107. Seinen eigenen Tod soll niemand fürchten, denn er ist des Bösen Ende. Guten Menschen, die sich vor Schäden in Acht nehmen, hilft Tod und Leben [gleichermaßen]. ____________________________________________ III,22: Fac tibi proponas mortem non esse timendam, | quæ bona si non est, finis tamen illa malorum est. Halte dir vor Augen, dass man den Tod nicht fürchten muss, wenn er nicht gut ist, ist er dennoch das Ende der bösen Dinge. 108. Vater und Mutter liebe auf weise Art und gleichermaßen liebevoll. Die Gunst keines von ihnen verwerfe ein Mensch so, dass er die Liebe des anderen verliert. ____________________________________________ III,24: Æqua diligito caros pietate parentes | nec matrem offendas, dum vis bonus esse parenti. Du sollst mit gleichem Respekt die lieben Eltern schätzen und nicht deine Mutter beleidigen, solange du deinem Vater gegenüber gut sein willst. 109. In keiner Hinsicht soll dir lieb sein, was andere besitzen. Mit der Belohnung, die man sich angeeignet hat, soll jeder zufrieden sein. ____________________________________________ evtl. IV,32: Cum fortuna tibi rerum tua displicet ipsi, | alterius specta, cui sit discrimine peior. Wenn dir selbst das Schicksal deiner Angelegenheiten missfällt, schaue auf das [Schicksal] des anderen, dem es in der Bedrängnis schlechter geht. 110. Ein armer Mensch, wenn er für sich Lebensunterhalt hat, sagt, es fehle ihm an nichts, aber ein Habgieriger klagt, obwohl er mit Glücksgütern gesegnet ist, und denkt, notleidend zu sein. ____________________________________________
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IV,2: Si contentus eo fueris, quod postulat usus, | commoda naturæ nullo tibi tempore deerunt. Wenn du zufrieden mit dem sein wirst, was der Nutzen fordert, werden dir zu keiner Zeit die Annehmlichkeiten der Natur fehlen. 111. Ein unbedachter Mensch, der nichts Gutes lernen möchte, kann sich nicht vor dem Unglück hüten. Sein Unglück verursacht er allein. Niemandem ist Böses [von Natur aus] zuteil. ____________________________________________ IV,3: Cum sis incautus nec rem ratione gubernes, | noli fortunam, quæ non est, dicere cæcam. Wenn du unbedacht bist und die Lage nicht mit dem Verstand lenkst, mögest du nicht sagen, dass das Schicksal blind sei, was es nicht ist. 112. Sorge jeder für seinen Körper, die Gesundheit kommt vor allem (anderen). Niemand denkt daran, seinen Besitz zu nützen, außer wenn er gesund ist. ____________________________________________ IV,5: Cum fueris locuples, corpus curare memento: | æger dives habet nummos, se non habet ipsum. Wenn du begütet sein wirst, denke daran, den Körper zu pflegen: Ein Reicher, der krank ist, besitzt Münzen, hat sich [aber] selbst nicht. 113. Du sollst tun, was dir von Nutzen ist, und sollst dich vor einem Irrtum hüten. In vielerlei Hinsicht sei freigebig gegenüber den Bedürftigen. Es heißt, dass es gut sei, Rechtschaffenen zu helfen.85 ____________________________________________ IV,7: Res age quæ prosunt; rursus vitare memento, | in quis [für quibus?] error inest nec spes est certa laboris. IV,8: Quod donare potes gratis, ne vende roganti; | nam recte fecisse bonis, in parte lucrorum est. Betreibe die Angelegenheiten, die nützlich sind; denke andererseits daran, diejenigen zu vermeiden, in denen ein Fehler ist, und nicht ist die Hoffnung auf Arbeit sicher. Was du umsonst schenken kannst, verkaufe nicht dem Bittenden; denn es ist teilweise Gewinn, für die Guten rechtschaffen gehandelt zu haben. 85
Die Vorlage dieser Strophe stellen offensichtlich zwei lateinische Doppelhexameter dar, wobei sich jede Halbstrophe inhaltlich mit einem Doppelhexameter deckt.
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114. Vater und Mutter erweise dich als weise, nicht mit Vorwürfen. Besser ist, dass derjenige, der für dich sorgen will, auf dich wütend ist, als arglistig in Gedanken. ____________________________________________ IV,6: Verbera cum tuleris discens aliquando magistri, | fer patris imperium, cum verbis exit in iram. Wenn du Prügel vom Lehrer, irgendwann während du lernst, bezogen hast, folge dem Befehl des Vaters, auch wenn er durch die Worte in den Zorn umschlägt. 115. Schnelle Erprobung sollst du mit dem meisten machen, was sich als verdächtigt zeigt. Verheimlichte Laster, die lange versteckt werden, bringen vielen einen Schaden. ____________________________________________ IV,9: Quod tibi suspectum est, confestim discute, quid sit | namque solent, primo quæ sunt neglecta, nocere. Was dir verdächtig scheint, beseitige umgehend, was es auch ist, und das pflegt nämlich zu schaden, was zunächst vernachlässigt worden ist. 116. Vermeide Trunkenheit und vollbringe eine Arbeit; so soll man sich vor Weibern hüten. Die Gelüste des Körpers verführen jeden, der in Wolllust lebt. IV,10: Cum te detineat Veneris damnosa voluptas, | indulgere gulæ noli, quæ ventris amica est. Wenn dich die schädliche Wolllust der Venus [= Liebe] festhält, gib nicht der Gefräßigkeit nach, welche die Freundin des Magens ist. 117. Wenn du dir Stärke und Standhaftigkeit aneignen willst, erlerne kluge Gedanken. Am besten erscheint der, der beides kann, weise und stark sein. ____________________________________________ IV,12: Cum tibi prævalidæ fuerint in corpore vires, | fac sapias: sic tu poteris vir fortis haberi. Wenn in deinem Körper sehr starke Kräfte sein werden, sei klug: Auf diese Weise wirst du für einen tapferen Mann gehalten werden können. 118. Für eine begonnene Arbeit, wenn du sie nicht allein vollbringen kannst, bitte einen zuverlässigen Freund zur Unterstützung. Es heißt, dass sich Rechtschaffene einander gut helfen.
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IV,13: Auxilium a notis petito, si forte labores; | nec quisquam melior medicus quam fidus amicus. Du sollst Bekannten um Hilfe bitten, wenn du dir gerade nicht zu helfen weißt; denn keiner ist ein besserer Arzt als ein vertrauter Freund. 119. Weder Opfergaben noch [anderer] Opfer bedarf man zur Besserung für die Untaten der Menschen. Töricht ist derjenige, der glaubt, sich zu helfen, indem er Kleinvieh tötet. Denn Gottes Liebe und (sehr) rechtschaffene Sitten machen den tüchtigen Menschen besser. ____________________________________________ IV,14: Cum sis ipse nocens, moritur cur victima pro te? | stultitia est morte alterius sperare salutem. Wenn du selbst Schaden zufügst, warum soll ein Opfer(tier) für dich sterben? Es ist töricht, sich vom Tod eines anderen Heil zu erhoffen. 120. Such zuversichtlich nach einem Vertrauten, wenn du einen guten Freund erhalten willst. Wähle nicht nach dem Wohlstand des Vertrauten, vielmehr nach den wahren Sitten. ____________________________________________ IV,15: Cum tibi vel socium vel fidum quæris amicum, | non tibi fortuna est hominis sed vita petenda. Wenn du dir entweder einen vertrauten Gefährten oder Freund suchst, darfst du nicht das Vermögen des Menschen, sondern [seinen] Charakter erstreben. 121. Wenn du dir das Lob der Allgemeinheit aneignen und gut bei den Menschen geschätzt werden willst, freue dich nie über das Unglück eines anderen; komme dir Freude vom Guten. ____________________________________________ IV,17: Si famam servare cupis, dum vivis, honestam, | fac fugias animo quæ sunt mala gaudia vitæ. Wenn du einen ehrlichen Ruf zu bewahren wünscht, solange du lebst, sieh zu, dass du im Geist die Schadenfreude über das Leben vermeidest. 122. Du sollst nicht über einen betagten Greis lachen, wenn du klug sein willst. Oft erinnert sich der vom Alter gebeugte an das, was der Junge noch nicht weiß: er bringt den Menschen Gutes bei. ____________________________________________
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IV,18: Cum sapias animo, noli ridere senectam; | nam quocumque sene, puerilis sensus in illo est. Wenn du im Geist klug bist, mögest du nicht über das Alter lachen; denn in jedem Greis gibt es eine kindliche Wahrnehmung. 123. Kunstfertigkeiten sollst du in mancherlei Weise sammeln, wie es sich für einen tüchtigen Menschen ziemt. Diese helfen dir, auch wenn du Kraft und deinen ganzen Besitz verloren hast. ____________________________________________ IV,19: Disce aliquid; nam, cum subito fortuna recessit, | ars remanet vitamque hominis non deserit umquam. Lerne etwas; denn die Kunst bleibt und verlässt niemals das Leben des Menschen, [auch] wenn das Vermögen plötzlich geschwunden ist. 124. Den Gesprächen hört der kluge Mensch zu, wenn er mit vielen Leuten zusammenkommt. Aus den Worten lernt man die Gedanken der Menschen kennen, seine Gedanken verbirgt, wer schweigt. ____________________________________________ IV,20: Prospicito cuncta tacitus, quid quisque loquatur: | sermo hominum mores et celat et indicat idem. Du sollst schweigsam alles voraussehen, was ein jeder sagt: die Worte der Menschen verbergen den Charakter und zeigen den ebenso. 125. Obwohl du dir viele Kunstfertigkeiten angeeignet hast, versuche, gut zu arbeiten. Eine Arbeit müssen die Menschensöhne vollbringen, solange sie gesund sind. ____________________________________________ IV,21: Exerce studium, quamvis perceperis artem: | ut cura ingenium, sic et manus adiuvat usum. Gehe einer Beschäftigung nach, obgleich du eine Kunstfertigkeit kennst: wie die Sorgfalt die Begabung unterstützt, so auch die Hand den Nutzen. 126. Das eigene Schicksal kennt niemand im Voraus, man soll auch nicht darüber besorgt sein. Die meisten wissen, dass den Ehrlichen Tod und Leben [gleichermaßen] helfen werden. ____________________________________________ IV,22: Multum venturi ne cures tempora fati: | non metuit mortem, qui scit contemnere vitam. Kümmere dich nicht viel um die Stunden des bevorstehenden Schicksals: Der fürchtet nicht den Tod, der das Leben zu verachten weiß.
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127. Lass deinen Verstand dir und deinen Freunden von Nutzen sein. Keine bessere Tätigkeit kannst du haben, als Gutes zu lehren und zu lernen. ____________________________________________ IV,23: Disce sed a doctis, indoctos ipse doceto: | propaganda etenim est rerum doctrina bonarum. Lerne aber von den Gelehrten, du sollst selbst den Unwissenden lehren: Die Lehre der guten Dinge muss nämlich weitergegeben werden. 128. Du sollst dich in keinerlei Hinsicht über die Dinge schlecht auslassen, die du gerühmt hast, noch sollst du diejenigen tadeln, die du gelobt hast. Es ist schlimm wankelmütig zu sein. ____________________________________________ IV,25: Laudaris quodcumque palam, quodcumque probaris, | hoc vide ne rursus levitatis crimine damnes. Lobe und beurteile etwas öffentlich: Erwäge das, damit du nicht wiederum unter dem Vorwurf des Wankelmuts urteilst. 129. Sei nie so elend, dass du nicht darauf bedacht bist, ein besseres Schicksal zu erwarten, noch [sei] so wohlhabend, dass für dich ein Schaden in vielerlei Hinsicht ausgeschlossen sei. ____________________________________________ IV,26: Tranquillis rebus semper diversa timeto: | rursus in adversis melius sperare memento. Du sollst immer Unerwartetes [auch] in ruhigen Angelegenheiten befürchten: Denke daran wiederum, in ungünstigen Situationen Besseres zu hoffen. 130. Von den Gedanken der Menschen nimm klugen Rat an, und lass [sie] in dir wohnen. Nie wird derjenige ratlos, der begehrt, sich an Vieles zu erinnern. ____________________________________________ IV,27: Discere ne cessa, cura sapientia crescat: | rara datur longo prudentia temporis usu. Höre nicht auf zu lernen, es wachse das Wissen durch die Sorgfalt: Klugheit wird selten durch lange Erfahrung der Zeit gegeben. 131. Du sollst nicht zu viel über vieles erzählen, tadle wenig und lobe nicht. Denn zu irgendeiner Stunde ändert sich das, was die Menschen für gut und böse gehalten haben. ____________________________________________
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IV,28: Parce laudato; nam quem tu sæpe laudaris, | una dies, qualis fuerit, ostendit, amicus. Du sollst wenig loben; denn eines Tages zeigt sich, was für ein Freund der, den du oft gelobt hast, gewesen ist. 132. Lass dich nicht einschüchtern, lehre und lerne etwas Neues. Denn kluge Menschen loben zuverlässiges Wissen und tadeln den törichten Mann. ____________________________________________ IV,29: Non pudeat quæ nescieris, te velle doceri: | scire aliquid laus est, culpa est nil discere velle. Das soll dich nicht beschämen, was du nicht kennst, [denn] du willst gelehrt werden: Etwas zu wissen ist lobenswert, nichts wissen zu wollen ist eine Schande. 133. Schlimm ist die Trunkenheit, sie kommt nicht allein, viel Schaden folgt ihr, Kummer und Auseinandersetzungen und ungestillte Sinnenlust, Krankheit und jede Menge Sünden. ____________________________________________ IV,30: Cum Venere et Baccho vis est et iuncta voluptas: | quod lautum est, animo complectere, sed fuge lites. Mit Venus [= Liebe] und Bacchus [= Trunkenheit] sind Kraft und Wolllust verbunden: Erfasse mit dem Geist, was rein ist, aber meide die Streitigkeiten. 134. Viel Wasser verursacht vielen einen Schaden, auch wenn die Strömungen nicht reißend sind. So ist ein Mensch schlau und lange schweigsam; man muss sich immer vor ihm in Acht nehmen. ____________________________________________ IV,31: Demissos animo et tacito vitare memento: | quod flumen placidum est, forsan latet altius unda. Denke daran, Kleinmütige und Schweigsame zu meiden: dass der Fluß ruhig ist, [bedeutet, dass] vielleicht eine Welle tiefer verborgen ist. 135. Wenn ein unerfahrener Mensch an einem Fjord zu stehen kommt und keinen günstigen Fahrwind bekommt, ist es nützlicher für ihn ans Land zu fahren, als davon weg zu segeln. ____________________________________________ IV,33: Quod potes id tempta: nam litus carpere remis | tutius est multo quam velum tendere in altum.
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Versuche das, was du kannst: denn die Küste mit den Rudern zu erreichen, ist viel sicherer als das Segel in die Höhe zu spannen. 136. Ohne Grund sollst du nie einen sehr rechtschaffenen Menschen tadeln. Vergeltung von Gott, denke ich, erhalten die Menschen, für den Zorn des falschen Gedankens. ____________________________________________ IV,34: Contra hominem iustum prave contendere noli: | semper enim deus iniustas ulciscitur iras. Mögest du nicht ungerecht mit einem gerechten Menschen streiten: Denn immer rächt Gott Ungerechtigkeit mit Zorn. 137. Niemand verlasse sich darauf, obwohl er nicht alt ist, dass er lange lebe. Ich denke, die Menschen können ihre Befürchtung nicht ablegen, und auch nicht der Todesnähe entkommen. ____________________________________________ IV,37: Tempora longa tibi noli promittere vitæ: | quocumque ingrederis, sequitur mors corporis umbra. Mögest du dir nicht eine lange Lebenszeit versprechen: wo auch immer du hineingehst, folgt der Tod des Körpers als Schatten. 138. Der Mensch braucht nicht für Gottes Gnade zu töten; spanne den Ochsen vor den Pflug. Den Duft des Weihrauches, der von rechten Sitten kommt, will er [= Gott] anstelle von Opfern annehmen. ____________________________________________ IV,38: Ture deum placa, vitulum sine crescat aratro: | ne credas gaudere deum, cum cæde litatur. Mit Weihrauch besänftige Gott, lasse das Kalb am Pflug wachsen: Du sollst nicht glauben, dass Gott sich erfreut, wenn durch Schlachten geopfert wird. 139. Selbstpeinigung soll derjenige ausüben, der sich falsch verhalten hat, und somit die Sünden büßen. Schmerzvolle Wunden braucht der kranke Mensch zur seiner Heilung. ____________________________________________ IV,40: Cum quid peccaris, castiga te ipse subinde: | vulnera dum sanas, dolor est medicina doloris. Wenn du sündigst, bestrafe dich selbst gleich darauf: Indem du die Wunden heilst, ist der Schmerz das Heilmittel des Schmerzes.
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140. Werde nicht rachsüchtig aufgrund von Hassparolen; vielmehr sollst du nachgiebig sein. Mit Freundlichkeit kannst du dir bewiesene Feinde zu Freunden machen. ____________________________________________ IV,41: Damnaris numquam post longum tempus amicum: | mutavit mores, sed pignera prima memento. Urteile niemals nach langer Zeit über einen Freund: Er hat seinen Charakter geändert, vielmehr denke an das enge Band der Freundschaft. [Str. 141 fehlt in der Handschrift e; hier der Handschrift A entnommen:]
141. Wenn dich ein boshafter Mensch getäuscht hat, sollst du ihm keinen Schaden zuführen, denn durch die Freundlichkeit eines anderen bessert sich stets derjenige, der feindselig gewesen ist. ____________________________________________ [Keine lateinische Vorlage ist für diese Strophe vorhanden.]
142. Gut sollst du arbeiten, wenn du Teil an dem Werk hast, und du sollst dich den Menschen wohlgesinnt erweisen. Seine Arbeit macht der listige Mensch zunichte; schlimm ist ein ‘Arbeitsdieb’ zu sein. ____________________________________________ IV,42: Gratior officiis, quo sis mage carior, esto, | ne nomen subeas, quod dicunt officiperdi.86 Sei sehr dankbar für die [erwiesenen] Freundlichkeiten, damit du desto mehr geschätzt wirst, damit du nicht den Namen eines, wie man sagt, officiperdus („Gefälligkeitenverderbers“) erhälst. 143. Reizbar darf niemand sein, und sich, so gut es geht, vor Verdächtigungen vorsehen. Ein misstrauischer Mensch fürchtet sich vor allem. Niemals nützt ihm der Tag. ____________________________________________ IV,43: Suspectus cave sis, ne sis miser omnibus horis; | nam timidis et suspectis aptissima mors est. Du sollst argwöhnisch sein, hüte dich, damit du nicht elend zu allen Stunden bist; denn den Schüchternen und Argwöhnischen ist Tod sehr passend.
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officiperdus ist Hapax legomenon.
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144. Barmherzig sollst du den Menschen gegenüber sein, wenn du Diener für dich hast. Denn die gleiche irdische Natur – denke ich – hat die Magd wie der Königssohn. ____________________________________________ IV,44: Cum servos fueris proprios mercatus in usus | et famulos dicas, homines tamen esse memento. Wenn du die eigenen Knechte zu [deinem] Nutzen gekauft hast, denke daran, dass sie, obwohl du sie Diener nennst, dennoch Menschen sind. 145. Über den plötzlichen Tod schlimmer Menschen sollst du dich nicht freuen. Es ist gewiss, dass die tüchtigen Menschen selig werden, obwohl sie sterben. ____________________________________________ IV,46: Morte repentina noli gaudere malorum: | felices obeunt quorum sine crimine vita. Mögest du dich nicht über den plötzlichen Tod böser [Menschen] freuen: Glücklich sterben die, deren Leben ohne Vorwurf ist. 146. Wenn du dieses Gedicht annehmen willst, richte dich auf das Glück ein. Aber der Mann, der sich davon abwenden will, straft sich selbst.87 ____________________________________________ Prolog Liber III: Hoc quicumque volet carmen cognoscere lector, cum preacepta ferat quae sunt gratissima vitae, commoda multa feret; sin autem spreverit illud, non me scriptorem, sed se fastidiet ipse. Jeder Leser, der [dieses] Lied lernen möchte, da es Regeln enthält, die für das Leben sehr wertvoll sind, trägt [davon] viele Vorteile; wenn er dieses hingegen verschmäht, schadet nicht mir, dem Schriftsteller, sondern sich selbst. 147. In diesem Gedicht können die Leute lernen, was sich für einen tüchtigen Menschen ziemt, [nämlich] Güte und Freigebigkeit, aber88 Misstrauen gegenüber den Sünden, Rat und rechte Sitten. 148. Liebevolle Ratschläge lehre ich dich, mein geliebter Sohn, diese, die ich vorgetragen habe. Dieses Wissen lass dir folgen ganz bis zum Tode. ____________________________________________ 87
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Die Strophen 146–148 bieten eine ungefähre Wiedergabe der Prologe zum dritten und zum vierten Buch der Dicta, die der altnordische Autor als passendes Schlusswort für sein Werk empfunden hat. Hier sollte er durch en(n) emendiert werden.
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Prolog Liber IV: Semotam a curis si vis producere vitam nec vitiis haerer animi, quae moribus obsunt, haec preacepta tibi saepe esse legenda memento: invenies, quo te possis mutare magistrum. Wenn du ein Leben entfernt von Sorgen führen willst und nicht an den Lastern im Geiste haften, die den Sitten schaden, denke daran, dass du oft diese Regeln lesen musst: Du wirst einen Lehrer finden, durch den du dich verändern kannst. Ebenso passend zur altnordischen Strophe erachte ich das folgende Distichon: IV,48: Cum tibi contigerit studio cognoscere multa, fac discas multa a vita te scire doceri. Wenn es dir gelingt, unter Mühe vieles zu erfahren, sieh zu, dass du vieles lernst, was du vom Leben gelehrt bekommen wirst. 149. Des Klugen Stimme habe ich nun vorgetragen und den Menschen Rat erteilt. Die Weisheit des klugen Mannes zeigte ich. Hiermit endet nun das Gedicht.89
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Die letzte Strophe folgt offensichtlich keiner Vorlage (s. o.).
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 86–93 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Gylfaginning Anmerkungen zu Versionen und Interpretationen von HEINRICH BECK Nach heutiger Forschungslage kann man von der Gylfaginning nur sehr eingeschränkt sprechen. Wohl aber kann gelten, daß das verlorene Werk Snorris in unterschiedlichen handschriftlichen Versionen bezeugt ist. Wenn generell von Gylfaginning die Rede ist, bezieht sich dies auf die Version des Codex Regius. Diese kann aber nicht schon (allein auf Grund ihrer sprachlich-darstellerischer Qualitäten) als ursprüngliche Snorri-Version gelten. Diese Forschungslage, die einer Absage an alle bisherigen stemmatologischen Versuche gleichkommt, hat Anthony Faulkes bereits 1988 in seiner Ausgabe der Snorra-Edda in aller Klarheit formuliert.1 Die heutige Fragestellung wird also nicht darin bestehen, auf dem klassischen Weg der Textkritik den ursprünglichen Wortlaut zu rekonstruieren. Aufgabe ist vielmehr, den einzelnen Versionen in ihrer jeweiligen Konzeption und Singularität gerecht zu werden, um dann zu sehen, ob sich daraus Argumente für eine Alterschichtung der Versionen (oder gar für eine Urheberschaft) ergeben könnten. Eine weitere Einschränkung ist zu beachten. Die Snorra-Edda (mit ihren – durch einen Prolog eingeleiteten – Teilen Gylfaginning, Skáldskaparmál und Háttatal) ist ein komplexes Werk, dem vermutlich auch eine eigene und in seinen Teilen durchaus unterschiedliche Entstehungsgeschichte vorausging. Der Prolog blickt nicht auf das Gesamtwerk, betrifft vielmehr nur die Gylfaginning – und diese in der U-Version offenbar in einem Abstand, der jedenfalls so groß ist, daß inhaltliche Differenzen unübersehbar sind – wie etwa die Herkunftsgeschichten von Þórr und Óðinn belegen. Beide Teile können nicht auf einer und derselben Konzeptionsstufe stehen. Wenn in den folgenden Ausführungen in einer vergleichenden Sicht das Thema der Rahmenhandlung der Gylfaginning aufgegriffen wird, dann in 1
Faulkes 1988, S. XXXI.
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der Überzeugung, daß damit einerseits die Versionen in ihrer handschriftlichen Singularität greifbarer werden, andererseits auch ihre unterschiedlichen darstellerischen Sichtweisen erkennbarer erscheinen.2 Die mittelalterliche Überlieferung der Gylfaginning umfaßt die vier Handschriften Codex Regius (= R, 1. Hälfte des 14. Jh.s), Codex Wormianus (= W, Mitte des 14. Jh.s), Codex Trajectinus (= T, um 1600) und Codex Uppsaliensis (= U, frühes 14. Jh.). Dies ist ebenso Gemeingut der Forschung wie die Beobachtung, daß die Handschriften R, W, T gegenüber U eine engere Gruppierung darstellen. Finnur Jónsson sprach der U-Version einen „særlig plads“ zu.3 Andreas Heusler u. a. nannten die Vorstufe von R, W, und T den „gemeinen Text“4 und bezeichneten ihn mit der Sigle X. Beide Gruppen unterscheiden sich auch nach einem engeren (U) und weiteren Rahmenschluß (R, W, T). Diesem Rahmenschluß soll im folgenden die Aufmerksamkeit gelten. Der engere Rahmenschluß in U wirft ein sprachliches und ein interpretatorisches Problem auf. Der Text lautet (in der Normalisierung der Arnamagnæanischen Ausgabe : II, S. 293): ok er æsirnir heyra þetta sagt gafo þeir ser þessi nofn asanna. at þa er langar stvndir liþi efaþiz menn ecki at allir veri einir þeir æsir er nv er fra sagt ok þessir æsir er nv voro. ok var avko þorr kallaðr asa þorr. ‘und als die Asen das Gesagte gehört hatten, gaben sie sich die Namen dieser Asen, damit wenn eine lange Zeit verginge [die handschriftliche Form ließe ein liði oder ein líði zu], die Menschen nicht zweifelten, daß alle eins seien, die Asen von denen nun gesagt wurde und diese Asen, die nun waren – und ÖkuÞórr wurde nun Asen-Þórr genannt.’
Das þa er langar stvndir liþi (die Arnamagnaeanische Ausgabe übersetzt: ‘tempore longius procedente’) bezieht sich auf eine Zeitepoche, in der diese Namensbeanspruchung der Irdischen gelten solle. Es ist also m. a. W. von einer begrenzten (aber doch lange dauernden) heidnischen Epoche die Rede, in der irdische Asen die Namen der jenseitigen Asen (æsir goþkvnnigir werden sie in c. 17 genannt) beanspruchen würden – und dies auch gegen alle Zweifel gelten solle. Von einer Zeitenwende spricht Snorri auch beim Aufeinandertreffen des heidnischen Ladejarls Hákon und des christlichen Ólafr Tryggvason: þá var 2
3 4
Studien zur U-Version bieten: Mogk 1897 und 1880 (kritisch dazu Finnur Jónsson 1898); Mogk 1925; Snorre Sturlusons Edda, Uppsala 1977; Beck 2007. Als weitere Arbeiten zum Thema sind zu nennen Klingenberg 1999; von See 1999. Edda Snorra Sturlusonar (hg. Finnur Jónsson), S. XXXI. Heusler 1908, S. 21.
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sú tíð komin ‘da war die Zeit gekommen’, daß die heidnische Epoche der christlichen weichen mußte – im Anklang an Markus 1,15, wo von einem neuen regnum gesprochen wird. Bemerkenswert ist der letzte Satz, der bekräftigt, daß Öku-Þórr nun Ása-Þórr geheißen habe. Öku-Þórr ist nach dem Verfasser der U-Version ein Beiname, der mit dem Ereignis (atburðr) des ein Bocksgespann führenden und ins Riesenreich ziehenden Gottes erklärt wird (vgl. c. 18). Warum er als einziger Ase im Rahmenschluß genannt wird, ist eine Frage – möglicherweise damit zusammenhängend, daß er als erster und stärkster aller Asen im Text hervorgehoben wurde (c. 18) – Odin aber in der Doppelrolle des Alfaðir / Alföðr und des vornehmsten und ältesten aller Asen agierte. Die Stelle bleibt ein Problem. A. Heusler sah darin ein Indiz für die Kürzungsthese5 – d. h. die U-Version wäre eine Kürzung des „gemeinen Textes“. Dieser gemeine Text lautet in Hinblick auf den Ása-Þórr: Þar var þá Þórr kallaðr, ok er sá Ása-Þórr enn gamli, sá er Öku-Þórr, ok honum eru kend þau stórvirki, er Ektor gerði í Troiu. Ist hier in U wirklich ein „planloses Textkürzen“ zu unterstellen, dem selbst ein so gewichtiger Verweis, wie der auf Ektor, zum Opfer gefallen sein sollte?6 Angesichts des völligen Fehlens der Tyrkir/Tyrkland/Troiaund der Trakia-Verweise in U kann von Planlosigkeit nicht die Rede sein (selbst dann, wenn man der Kürzungsthese anhängen wollte). Im Übrigen dürfte die Beziehung Öku-Þórr / Hektor als sprachlicher Anklang (Öku- zu aka, ek – in den Versionen W und T meist Aka- oder Aku-Þórr genannt) auf der gleichen Stufe stehen wie Þórr / Tror etc. im Formáli (wo Þórr in der Trojanerdynastie als Sohn des Menon und seiner Gemahlin Tróia erscheint). Von all dem ist in der U-Gylfaginning keine Spur zu finden. In Heuslers Argumentation spielte allerdings der Formáli in U eine Rolle. Dies wäre nur angebracht, wenn Formáli und Gylfaginning gleichzeitig zu datieren wären und aus einem Entwurf stammten. Angesichts des kompilatorischen Charakters der U-Handschrift (die sehr unterschiedliche Materialien sammelte) ist dies nicht selbstverständlich7 – und im Blick auf die völlige Abwesenheit aller antik-gelehrten Bezüge in der U-Version der Gylfaginning (im Gegensatz zum Formáli) geradezu unwahrscheinlich. Ein Formáli, der roma borg und troia gleichsetzt (und sei dies nur als ein Flüchtigkeitsfehler zu konstatieren), einen Þórr als Trojanerkönig einführt (der nicht identisch sein müsste mit dem Þórr goðkunnigr), verträgt sich 5 6 7
Heusler 1908, S. 25. Heusler 1908, S. 22. Auch Heusler (1908, S. 29) spricht von „Unebenheitern“, an denen es zwischen Formáli und „dem sicher snorronischen Hauptteile der Gylfaginning“ nicht fehle.
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nicht mit einer Gylfaginning, die solche Bezüge sorgfältig getilgt haben müsste – oder sie nie hatte! Mit anderen Worten: Die Hypothese, daß die U-Version ein Kürzungsprodukt darstellt, das den prosaischen Text des gemeinen Textes durchgängig dezimiert hätte,8 ist durchaus eine offene Frage (dazu müsste der gesamte Text erneut untersucht werden) – die Alternative spräche für eine ursprünglichere Version, die auch als authentischer zu gelten hätte. Dieser Gedanke drängt sich auch auf, wenn als zweites Problem das interpretatorische aufgegriffen wird. Wie an anderer Stelle schon dargelegt wurde,9 hat die bisherige Interpretation des Rahmenschlusses der Gylfaginning eine weitere offensichtliche Intention des Verfassers nicht erkannt. Man kann diesem Schluß drei Aspekte abgewinnen: – die Namen-Usurpation: Die irdischen Asen übernahmen die Namen der göttlichen (gafo þeir ser þessi nofn asanna), – das Zweifel-Argument: Die Anhänger sollten keine Zweifel an der Wahrheit hegen (efaþiz menn ecki), –
die Identitäts-These: Göttliche und irdische Asen sollten eins sein (at allir veri einir).
Die Parallelität zur neutestamentlichen Botschaft ist augenfällig: –
die Namen-Usurpation: Der irdische Jesus beansprucht den Gottesnamen „Christus“,
– die Zweifel an diesem Namensanspruch begleiten den Lebensweg des irdischen Jesus-Christus – und werden zur Sünde erklärt, da sie den Göttlichkeitsanspruch in Frage stellen, – die Identität bezeugt Jesus selbst mit den Worten: Ich und der Vater sind eins.10 Das monotheistische unum sumus (Johannes 10,30) lautet in der polytheistischen Analogie allir veri einir. Es ist der Blick des Historikers, der die neutestamentliche Botschaft in ihrer irdischen Perspektive sieht – d. h. der höchste religiöse Anspruch, dem Göttlichen gleich zu sein, setzte Jesus lebenslang den Zweiflern aus und führte letztlich auch zu seinem Tod. Wenn diese Relation der Gylfaginning zum Neuen Testament richtig gesehen und beurteilt ist, müsste man ihrem Konstrukteur ein beachtliches 8 9 10
Heusler 1908, S. 21 f. Beck 2007. Beck 2007, S. 21
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Maß an Verständnis der christlichen Botschaft und die Fähigkeit zur präzisen Formulierung dieser Position zubilligen. Beides wäre von einer Qualität und Reichweite, die einen genialen Arrangeur voraussetzte. Man braucht den Verfasser, ob dieser Sicht, nicht zu einem Atheisten zu stempeln. Wenn dabei Snorri selbst erwogen würde, ließen dessen spätere Werke keinen Zweifel, daß er in der christlichen Lehre auch die wahre Botschaft erblickte. Wer immer der Verfasser war, er hat der heidnischen Tradition seiner Vorfahren mit dieser Analogie-Sicht eine unvergleichliche Würde gegeben. Sie besagt ja letztlich, daß ungeachtet aller Unterschiede christlicher und heidnischer Botschaft doch eine letzte Gemeinsamkeit beide verbindet11 – eine Gemeinsamkeit, die in einer Religiosität gründet, die in der menschlichen Natur als solcher angelegt ist. Es passt durchaus in dieses Konzept, daß ihr zufolge in einer erneuten Zeitenwende in einer letzten und endgültigen Offenbarung auch eine höchste Stufe religiöser Erkenntnis erreicht wird und das Vergangene als überholt erscheint. Gedanken dieser Art sind schon in der antiken Religionsphilosophie erörtert worden. Der Rahmenschluß der X-Versionen bringt eine fundamentale Erweiterung gegenüber der U-Version. Im Wormianus wird das Öku-Þórr-Zitat so weitergeführt12 (und dies in inhaltlicher Übereinstimmung mit den Versionen R und T): ok honum eru kend þau storuirki er Ektor giorði í Troío. Enn þat hyggia menn at Tyrker hafi sagt fra Ulixes ok hafi þeir hann kallat Loka, þui at Tyrker uoru hans ener mestu uuínír. ‘und ihm werden die Großtaten zugeeignet, die Ektor in Troja vollbrachte. Das dachten aber die Menschen, daß die Tyrkir von Ulixes berichten und daß sie ihn Loki nannten, denn die Tyrkir waren seine größten Feinde).’
Mit zwei „Zueignungen“ (kenna e-m e-t) wird die gelehrte Urgeschichte in neue Bahnen gelenkt: – Öku-Þórr = Hektor, der in Troja Großtaten vollbrachte, – Loki = Ulixes, dem die Tyrkir feindlich gesonnen waren. Im Formáli der U-Version ist noch eine weitere Zueignung zu verzeichnen: – Þórr = Tror – in der X-Version noch erweitert: (Tror-Þórr) eignaði sér ríkit Trakia, þat köllum vér Þrúðheim.
11 12
Zum Analogie-Gedanken vgl. weiter Beck 2007, S. 21 ff. Edda Snorra Sturlusonar. Codex Wormianus, S. 50.
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Von allen diesen Zueignungen (Hektor – Ulixes – Tror) weiß die UGylfaginning nichts zu berichten – sie müssen als Sondergut der übrigen Versionen gelten. Festzuhalten bleibt, daß in U allein die meta-physische Relation göttlicher und menschlicher Asen zur Geltung kommt. Als eine Analogie (wie sie wohl zu verstehen ist) erhält sie einen Rang, der in seiner Qualität nicht mehr zu überbieten ist. Alle weiteren Zueignungen würden diese Sichtweise nur beeinträchtigen. Die X–Versionen führen die meta-physische Relation mit einer Identifikation fort, die in die antik-griechische (Sagen-)Geschichte führt. Die Asen-Religion erhält damit eine historische Tiefe, die zwar von der antiken Tradition geadelt wird, dem Analogie-Gedanken aber abträglich ist. Die Frage ist, ob sich metaphysische und historische Perspektive nebeneinander im Rahmenschluß vertragen – oder ob sich die beiden nicht doch ausschließen. Wenn sich die U-Version als die ursprünglichere erwiese, wäre der verlockende Gedanke, daß Snorri der Urheber wäre, doch nahe liegend. Seinem Stil läge es näher, nicht mit fremder Gelehrsamkeit zu prunken, seinem Denken wäre die Originalität einer kühnen Analogie zuzutrauen, die in der abendländischen Religionsgeschichte immer wieder auftaucht, ohne daß eine direkte historische Abhängigkeit bestehen müsste. In Religionswissenschaft und Theologie wird das Thema der natürlichen Religion/Theologie bis zum heutigen Tag nachdrücklich diskutiert – auch deren antike und mittelalterliche Wurzeln, so auch die augustinische Version einer vera religio, nach der diese menschliche Begabung schon bei den Alten vorhanden gewesen ist und niemals seit Anfang des Menschengeschlechts gefehlt hat, bis Christus im Fleisch erschien, von wo an die wahre Religion, welche schon vorhanden war, die christliche genannt zu werden begann. nam res ipsa, quae nunc christiana religio nuncupatur, erat et apud antiquos nec defuit ab initio generis humani, quousque ipse Christus ueniret in carne, unde uera religio, quae iam erat, coepit appellari christiana.13
Hier wäre nicht nur nötig, diese Aussage im Gesamtwerk des Augustinus zu interpretieren, es wäre auch zu fragen, wie weit Snorris Kenntnis theologischer Diskussionen überhaupt reichte. An anderer Stelle wurde erwogen, ob Snorri von der analogia-entis-Diskussion seiner Zeit wusste.14 Aus die13
14
Zitiert nach: Theologische Realenzyklopädie 24, 1994, s.v. Natürliche Religion (Hans Wissmann) und dem Corpus christianorum, series latina 57, 1984, S. 37. Vgl. auch Schröder 1992, S. 714 f. Mit dieser „natürlichen“ Religion rechnete schon W. Baetke, wollte sie aber nur in der sog. Odinstheologie wiederfinden. Beck 2007, S. 21 ff.
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ser Sicht eines Seinsbezuges zwischen menschlicher Natur und Gottgeschaffenheit ließe sich auch eine Brücke zur natürlichen Theologie schlagen. Allen Abhängigkeitsspekulationen gegenüber sollten aber an erster Stelle die spekulativen Fähigkeiten des denkenden Historikers Snorri bedacht werden. Im sog. Eptirmáli 15 der Skáldskaparmál ermahnt Snorri junge Skalden, bedachtsam mit der skaldischen Dichtung umzugehen – einerseits die von ihm vorgestellten Göttergeschichten und alten Kenningar nicht zu vergessen oder zu verleugnen (ecki er at gleyma. eða osanna þessar frasagnir eða taka or skalldskapnvm fornar kenningar er havfvþ skalldin hava ser lika latið), andererseits als Christen nicht dem Glauben der eigenen Vorzeit anzuhängen (eigi skvlo cristnir menn trva ne a sannaz at sva havi verit). Ein ehrwürdiges Erbe der eigenen Vorzeit in seiner vollen Bedeutung zu verstehen und zu schätzen und doch sich zur christlichen Offenbarung der neuen Zeit zu bekennen, könnte Snorris Perspektive gewesen sein – und die U-Gylfaginning ihr ursprünglichster Ausdruck.
Literatur Quellen Snorri Sturluson: Edda. Prologue and Gylfaginning. Hg. Anthony Faulkes. London 1988. Snorre Sturlusons Edda. Uppsala-Handskriften DG 11. 2 Bde. Utgiven av Uppsala Universitetsbibliotek, I. Stockholm 1962, II. Uppsala 1977. Edda Snorra Sturlusonar. Udgivet efter håndskrifterne af Kommisionen for Det Arnamagnæanske Legat ved Finur Jónsson. Kopenhagen 1931. Edda Snorra Sturlusonar. Codex Wormianus AM 242, fol. Udgiven af Kommissionen for det Arnamagnæanske Legat. Kopenhagen 1924.
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Klingenberg, Heinz 1999. Heidnisches Altertum und nordisches Mittelalter. Strukturbildende Perspektiven des Snorri Sturluson. Freiburg. Mogk, Eugen 1879 und 1880. Untersuchungen über die Gylfaginning, I–II, in: Paul und Braunes Beiträge 6, S. 477–537 und 7, S. 203–334. Mogk, Eugen 1925. Zur Bewertung des Cod. Upsaliensis der Snorra-Edda, in: Paul und Braunes Beiträge 43, S. 402–414. Schröder, W. 1992. Religion/Theologie, natürliche, vernünftige, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 8, s.v. von See, Klaus 1999. Europa und der Norden. Heidelberg. Wissmann, Hans 1994. Theologische Realenzyklopädie 24, s.v. ‘Natürliche Religion’.
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 94–124 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Die keltisch-germanische Erzählgemeinschaft im Nordseeraum von HELMUT BIRKHAN Es ist bekannt, daß die über zumindest 400 Jahre hinweg bestehende Wikingerherrschaft eine über die Nordsee reichende Traditionsgemeinschaft begründete, die Überlieferungen der Kelten auf den Britischen Inseln und Irland mit angelsächsischen, altsächsischen, friesischen und skandinavischen Überlieferungen verband, also über die keltisch-germanische Sprachgrenze hinaus wirkte.1 Ich möchte dies an drei Themenkreisen demonstrieren, die nicht im Zentrum der einschlägigen Forschung standen oder stehen, und in ihrer Verschiedenartigkeit sowohl die Möglichkeit des Altererbten, die zufälliger Übereinstimmungen, sowie die verschiedener Genese durch Übertragung nach Zeit und Raum demonstrieren. Um sie mit den germanischen Sagentiteln zu benennen: an der Hilde-Kûdrûn-Sage, anhand bestimmter Elemente in der Nibelungen-Tradition und – sehr kurz – an einzelnen Punkten der Vor-, Früh- und Spätgeschichte der Tristan-Sage.
1
Zur Erforschung des nordsee-kelto-germanischen Kulturraums hat Carl Marstrander entscheidende Vorarbeit geleistet, indem er in mehreren Arbeiten das Bild, das man sich bei den Inselkelten von Lochlann ‘Skandinavien’ machte, untersuchte. Allerdings waren Zimmer (1888) und Zimmer (1989) vorausgegangen, wo zwar eine Menge linguistischer und sagenmäßiger Daten erhoben, diese jedoch noch nicht in differenzierter Weise in Beziehung gesetzt sind. – Weiters s. Christiansen 1931; Christiansen 1959; Schulze-Thulin 1992, S. 287 ff.; zu Skandinaviern und Pikten: Crawford 1995. Zur germanisch-keltischen Nordseetraditionsgemeinschaft: The North Sea World. Sehr anregend ist die schöne Arbeit von W. Heizmann, Hvanndalir – Glæsisvellir – Avalon. Traditionswanderungen im Norden und Nordwesten Europas, in: Frühmittelalterliche Studien 32 (1998), S. 72– 100. – Oft sind diese Übereinstimmungen sehr punktuell: Milroy (1966–1969, S. 206–223) versucht, die Selbsttötung der hinterwäldlerischen dalafífl vom Familienfelsen auf die Angst Skafnartungs vor einem Enkel, der den Großvater töten könnte, zurückzuführen. Das sollte ein keltisches Motiv sein. Man könnte an die irische Tradition von Balor denken. Dazu Nedoma 1990, S. 27.
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Zur Hilde-Kûdrûn-Sage. Die wichtigsten archaischen und mythosnahen Texte im alten Wales heißen Pedeir Keinc y Mabinogi ‘Vier Zweige des Mabinogi’, vier Erzählungen, die z.T. nur locker miteinander verzahnt sind und von denen uns hier nur der zweite Zweig, Branwen verch Lŷr ‘Branwen, die Tochter des Llŷr’, interessiert. Die Handlung ist kurz die: Bendigeitvran ‘Segensrabe’ ist der Bruder der Branwen, der ‘Weißen Rabe’,2 und so riesig, daß er in kein Haus paßt. Die Schwester wird mit dem irischen König Matholwch 3 verlobt. Evnissyen, der böse Halbbruder Bendigeitvrans und Bruder Branwens, verstümmelt die Pferde Matholwchs und tut diesem damit einen fürchterlichen Schimpf an. Um sich mit dem irischen Schwager wieder zu versöhnen, schenkt ihm Bendigeitvran einen Wunderkessel (peir dadeni ‘Kessel der Wiederbelebung’),4 der die Kraft hat, die am Vortag Erschlagenen über Nacht wiederzubeleben, wobei sie allerdings stumm bleiben. Sie werden also nicht zu gewöhnlichen Menschen wiederbelebt, sondern zu einer Art „Untoter“, denen das Sprachvermögen als ein wesentliches Element der Menschen fehlt. Eine irische Tradition im Lebor Gabála unterstützt diese Interpretation: Als die Tuatha Dé Danann sich noch im griechischen Exil befanden, kämpften sie auf Seiten der Athener gegen die Philister (!). Dabei belebten sie die Leiber der erschlagenen athenischen Krieger mit Dämonengeistern, so daß diese wieder kämpfen konnten. Die verblüfften Philister befragten ihre Druiden (!), wie denn das sein könne, und erhielten zur Antwort, sie sollten am nächsten Tag Pflöcke von Hasel und Eberesche (cairthind) mit in die Schlacht nehmen und diese den Dämonenkriegern in das Genick stoßen. Der Ratschlag wird beherzigt, und am nächsten Morgen zerfallen die Krieger zu Würmern.5 Also das klassische, durch den Iren Bram (Abraham) Stoker allgemein bekannt gewordene Verfahren, sich solcher „Untoter“ zu entledigen. Zurück zum „Zweiten Zweig“! Branwen und ihr Gemahl Matholwch ziehen nach Irland, wo die Königin innerhalb eines Jahres ein Kind gebiert. Aber im Jahr darauf gedenkt man des früheren Schimpfs und erniedrigt sie aus Rache zum Küchendienst und täglich einem Backenstreich vom Hofschlächter. Der Verkehr mit Ir2 3 4 5
Im femininen Gebrauch von Rabe folge ich hier dem DWb s.v. Rabe; man könnte natürlich auch Rabin oder Räbin sagen, doch scheinen diese Formen nicht belegt. Oder: Mallolwch, wie er in der ältesten Hs. Peniarth 6 heißt. Wörtlich ‘Wiedergeburt’ mit mkymr. dadeni < dad- (< to + ate-) geni; vgl. Mac Cana 1958, S. 62 f.; GPC, s. v. dadanaf*. Lebor Gabála, S. 138 ff.; Cross / Slover 1936, S. 12.
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land wird eingestellt, jedoch richtet Branwen einen Star ab und schickt ihrem Bruder durch diesen einen Brief mit einer Botschaft, die ihn über ihr Leiden aufklärt. Nun bricht Bendigeitvran zur Strafexpedition gegen Irland auf. Während seine Flotte segelt, durchwatet der Riese, die Spielleute auf der Schulter, die Irische See. Die Schweinehirten des irischen Königs glauben einen Wald und einen Berg mit einem Horn und zwei Seen herannahen zu sehen. Doch Branwen entnimmt der Schilderung, daß ihr Bruder ihr zur Rettung kommt: der Wald seien die Masten und Rahen der Schiffe, der Berg der daherwatende Bran, das Horn seine Nase, die beiden Seen seine Augen. Da die Brücke über den irischen Fluß Llinon abgebrochen worden war, legt sich Bendigeitvran über den Fluß und dient so in eigener Person seinem Heer als Brücke. Es kommt zu einer Schein-Aussöhnung, deren betrügerischen Charakter Evnissyen durchschaut und durch vielfache Tötung versteckter Krieger vereitelt. Branwens und Matholwchs kleiner Sohn Gwern wird zum neuen König Irlands inauguriert, doch Evnissyen wirft ihn ins Feuer. Branwens Bruder spielt hier überhaupt eine Rolle, die an jene Hagens im Nibelungenlied erinnert. Im folgenden Kampf sind die Iren durch den Wiedergeburtskessel im Vorteil, bis es Evnissyen gelingt, den Kessel zu zersprengen, wobei ihm selbst das Herz bricht. Danach fallen alle Waliser bis auf sieben. Bendigeitvran wird von einer vergifteten Lanzenspitze am Fuß verwundet. Er befiehlt seinen sieben Getreuen, ihm den Kopf abzuschlagen, ihn mit nach Britannien zu nehmen und auch, was weiter mit seinem Haupt zu geschehen habe. So geschieht es auch. Nachdem sie weisungsgemäß sieben Jahre in Harddlech (südlich von Caernarvon) gefeiert haben, begeben sie sich nach Gwales in Pembroke (meist mit der Insel Grassholm identifiziert), wo sie 80 Jahre hindurch die ‘Gastgesellschaft des Erhabenen Hauptes’ (Ysbydawt Urdaul Benn) genießen. Als dann einer die Tür gegen Cornwall zu öffnet, wird ihnen alles Leid bewußt, das sie erlebt haben und sie begraben das Haupt Bendigeitvrans weisungsgemäß im White Tower (Gwynfryn) zu London mit dem Gesicht gegen Frankreich. (Wir erfahren später, daß es in dieser Form lange Zeit alle Invasoren vom Kontinent ferngehalten hat.) Mein keltologischer Mentor Proinsias Mac Cana versuchte in einer größeren Arbeit zu zeigen, daß diese Sage im gemeinschaftlichen irisch-walisischen Traditionsraum entstanden ist, besser gesagt, von einem walisischen cyfarwydd aus irischen Motiven gebildet wurde. Daß die Erzählung irische Elemente enthält, ist schon deshalb nicht überraschend, weil ja der größere Teil der Handlung in Irland spielt. Darüber hinaus gibt es drei Seitenmotive, nämlich die Beschreibung Bendigeitvrans als wandernder Berg (J 1769.1) und zwei weitere, nämlich die List, Feinde in einem glühenden Ei-
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senhaus zu verderben6 und die Entstehung der irischen Provinzeinteilung, die in unserem Falle speziell irischer Herkunft zu sein scheinen. Die Spannungen, die zwischen Irland und Wales bestanden und auch in der Arthursage Kulhwch ac Olwen ihre Spuren hinterlassen haben,7 bilden auch hier den pseudohistorischen Hintergrund der Branwen-Handlung. Mac Cana wollte aber auch für fast alle anderen Einzelmotive irische Vorbilder beibringen, was ihm meiner Meinung nach ebensowenig gelungen ist wie seinem Vorgänger W. J. Gruffydd.8 Dabei wird nicht angenommen, daß es eine irische Vorstufe des zweiten Zweiges des Mabinogi gegeben habe, sondern daß die Erzählung aus irischen Motiven in Wales zusammengesetzt worden sei. Allerdings ist dabei nicht klar, welche Rolle die Schriftlichkeit spielte. Den Namen von Branwens Bruder Manawydan wollen Gruffydd und Mac Cana als Schreib- oder Lesefehler von air. Manandan (so in Cormacs Glossar um 900; → *Manauidan), dem Namen des Meeresgottes, der später Manannán heißt, herleiten.9 Einen solchen Fehler könnte nur eine Person gemacht haben, der der Name des irischen Meeresgottes völlig fremd war und die auch die Gepflogenheiten der altirischen Orthographie nicht kannte. Problematisch scheint mir bei beiden Gelehrten die Neigung, möglichst vielem in den „Vier Zweigen des Mabinogi“ irische Herkunft zuzuschreiben, als ob es nicht auch eine genuin britannische bzw. altkymrische Tradition gegeben hätte. Übrigens hat sich nicht einmal für den angeb-
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Das riesenhafte Paar, das mit dem Wiedergeburtskessel aus einem bestimmten– nicht lokalisierbaren – Lough herauskommt und sich dann in Irland so vermehrt, daß es dem Lande zur unerträglichen Last wird, läßt Matholwch zum Gastmahl in ein Eisenhaus laden. Dieses wird verriegelt und von außen mit Blasbälgen zum Glühen gebracht, so daß die Eingeschlossenen darin umkommen. Anders wären sie wegen des Wiedergeburtkessels nicht auszurotten gewesen. Dieses Motiv (K 811.4, bzw. S 112.6) hat in Irland deutliche Entsprechungen bes. in den Sagen Orgain Denna Ríg ‘Die Zerstörung von Dinn Ríg’ und Mesca Ulad ‘Die Trunkenheit der Ulter’. Es ist aber auch ein wohlbekanntes Märchenmotiv, was Mac Cana nicht beachtete. Hier begegnet es im Zusammenhang mit mißliebigen Brautwerbern; etwa im Grimm-Märchen „Sechse kommen durch die ganze Welt“ und besonders seinen germanischen und slawischen Varianten (KHM 71; dazu Bolte / Polívka 1913–32, S. 79–96). Der Held hat hier wundersame Diener, wie sie auch in der archaischen walisischen Arthurerzählung Culhwch ac Olwen vorkommen, darunter einen „Frostigen“, der extreme Kälte erzeugen kann. Als sie dann in dem erhitzten Eisenhaus sitzen, macht es der Frostige kalt, so daß sie den Anschlag gut überstehen. Dazu z. B. Birkhan 1989, II, S. 165–167, 240 f. (Anm. 112). Gruffydd 1953. Mac Cana 1958, S. 124.
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lich irischen Namen Matholwch (bzw. Mallolwch) eine überzeugende Erklärung aus dem Irischen finden lassen.10 Große Rätsel gibt der Vatername Llŷr auf, der wie air. ler, Gen. lir ‘Meer’ bedeutet. Bedenkt man, daß Bendigeitvran als Wat-Riese fungiert, so könnte man vermuten, daß diese Eigenschaft vom Vater, dem Meeresgott Llŷr, ererbt ist. Sein in der walisischen Tradition sonst bekannter Beiname lledyeith ‘Halb-Sprache’ kann mehrfach gedeutet werden. Einerseits als „fremdsprachig“, speziell irisch mit Mac Cana,11 andererseits könnte die fremde Herkunft im Sinne von „Nation“ gemeint sein, so wenn Llŷr lledyeith in Genealogien mehrfach ganz an den Anfang als Nachkomme des Trojaners Brutus oder eines Ffaraon gesetzt wird.12 Der Beiname lledyeith macht aber auch einen guten Sinn, wenn man bedenkt, daß Llŷr als Vater von zwei „Raben-Kindern“ vielleicht selbst eine Art von „Vogelsympathie“ hatte und dadurch „halbsprachig“ war.13 Immerhin hat es ja auch die Vorstellung vom ‘Raben’ (Bran mac Febail) als Seefahrerheros gegeben, der letztlich im Seefahrerheiligen St. Brandan weiterlebte. Der Name Moruran ‘Meeres-Rabe’14 bezieht sich einerseits auf eine walisische Sagengestalt, andererseits auf einen nur schattenhaft bekannten alten Barden (cynfardd), dem eine Elegie auf einen Einion zugeschrieben wurde.15 Beide Gestalten ließen sich möglicherweise gleichsetzen und Moruran sich spekulativ mit dem berühmten Zaubertrank der Ceritwen verbinden, die dann als seine Mutter gedacht wäre. Jedenfalls erschiene auch hier der Rabe in Verbindung mit Dichtung und Inspiration, aber auch mit dem Meer. In der gerade erwähnten Tradition treten aber die Raben offensichtlich in ehemals heidnischer Funktion auf. Zwar muß der Name Bendigeitvran wohl in christlicher Zeit entstanden sein, denn bendigeit (neukymr. bendigaid) = bendig-eit geht auf lat.-brit. *ben(e)dic-at(y)us zurück, aber die magische Funktion des Raben ist viel älter. Die Schwester ist als „weiße 10
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Mac Cana 1958, S. 30 mit Anm. 2. Kymr. Matholwch < *Matto-lukkos wäre m. E. möglich, wobei Math- mit dem Magiernamen Math (vab Mathonwy) identisch sein könnte (vgl. TYP, S. 448). Schwieriger ist das Zweitglied zu beurteilen, wenn man es nicht als hypokoristisch geminierte Variante zu problematischem festlandkelt. *luko- ‘Wolf’ (Delamarre 2003, S. 210) stellen will. Mac Cana 1958, S. 123. TYP, S. 427 f. In einer allerdings sehr jungen irischen Tradition Oidheadh Cloinne Lir ‘Das Geschick der Nachkommen des Ler’ werden die Kinder des Ler in Schwäne verwandelt; Mac Cana 1958, S. 122 Anm. 1. Allerdings ist auch die in TYP, S. 463 angenommene Bedeutung ‘Great Raven’ möglich. TYP, S. 466.
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Rabe“ eigentlich ein Naturwunder bzw. eine Rabenalbina, aber gerade Abnormitäten wurden mantische Kräfte zugebilligt. Artemidoros (bei Strabon) berichtet,16 daß es an der gallischen Westküste einen Hafen gegeben habe, der „Zwei Raben“ hieß. Dort hielten sich zwei dieser Tiere auf, die weiße Flügel hatten, und deren Entscheidung man sich in Rechtsstreitgkeiten unterstellte. Den Raben wurde also die mantische Gabe der Wahrheitsfindung zugeschrieben. Diesen Fähigkeiten entsprechen auch die prophetischen Anweisungen, die Bendigeitvran für die Zeit nach seinem Tod gibt. Auch in Irland gilt der Rabe als besonders weise. Noch heute sagt man: tha fios fithich agud ‘du hast die Weisheit des Raben’. Die magische Wirkung des Hauptes von Bendigeitvran, das die Gefährten 80 Jahre in völligem Glück verbringen läßt, vereint die Funktionen des magischen Ernährers mit der des musikalischen Alleinunterhalters. Nicht zufällig ist brân in Wales auch als Dichtername bezeugt.17 Insgesamt muß man Bendigeitvran „schamanoide“ Züge und solche eines Totengottes zuschreiben. Der Rabe ist in vielfacher Weise als Schamanentier belegt. Die Gottheit des Schamanenhimmels ist nicht selten ein Rabe, bei den Jakuten ein riesiger „Schwarzrabe“. Bendigeitvrans besonderer Bezug zur Dichtkunst und zur Musik zeigt sich in seiner liebevollen Behandlung der Spielleute, die er auf den Schultern über die Irische See trägt. Auch die Rückholung der Branwen erinnert an schamanisches Verhalten, so an das des thrakischen Schamanen Orpheus, der Eurydike aus der anderen Welt zurückholen könnte, der später enthauptet wird wie Bendigeitvran und dessen abgetrennter Kopf noch singt, so wie der Brans die Gefährten unterhält. Wir wollen aber auch nicht vergessen, daß Rabe und Krähe außerordentlich wichtige Kriegertiere sind. Die irischen Kriegsgöttinnen Morrígain und Bodb manifestieren sich in Krähengestalt (s. unten). Es ist nun Zeit, auch die germanische Tradition anzusehen: Hier haben wir einen epischen Stoff, der sich partiell wohl ebenso gut vergleichen läßt wie die von Mac Cana angezogenen irischen Traditionen, nämlich die Kûdrûnsage, am prominentesten im bairischen Kûdrûnlied überliefert. Der einzige Textzeuge dieses Heldenliedes von Chautraun ist die berühmte unter Maximilian I. verfaßte Ambraser Handschrift (1504–1516). Die Sage war aber trotz dieser kargen Überlieferung doch recht populär, wie eine sehr frühe Anspielung im Alexanderlied des moselfränkischen Pfaffen Lamprecht (Mitte des 12. Jh.s) und eine Bearbeitung in judendeutschem Dialekt (in einer Cambridger Hs. von ca. 1380), der Dukus Horant ‘Herzog 16 17
Hofeneder 2005, S. 109–111. GPC I, 308.
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Horant’, zeigen. So wie die Sage im deutschen „Kûdrûnlied“ erscheint, ist sie eine Brautwerbergeschichte, die das Brautwerbermotiv verdreifacht und sich über drei Generationen hinzieht. Wir wollen uns hier die zweite und dritte Variation des Themas, in der die Heldin Hilde bzw. Kûdrûn heißt, ansehen. Der „Hildeteil“ erzählt, wie der Hegelingenkönig Hetele um die schöne Hilde von Irland (!) wirbt. Er verlangt von seinen Verwandten Hôrant und Fruote, daß sie sie dem Brautvater Hagene für ihn abgewinnen. Doch diese gehen erst darauf ein, als auch ihr Gesippe Wate mitfährt. In Irland geben sich die drei als Kaufleute und Vertriebene aus. Dabei repräsentiert jeder einen list: Hôrant den sangeslist, Fruote den kaufmanslist und Wate den reckenlist ‘das Wissen und Können des Vertriebenen und Kraftmenschen’, auf Irisch würde man ihn trénfer ‘Kraftmann’ nennen. Hôrants wunderschöner Gesang entrückt die Iren so, daß ein Stelldichein mit Hilde möglich wird, wobei sie in eine Entführung einwilligt. Die Fliehenden treffen in Wales (Wâleis) mit Hetele zusammen, aber da holt sie auch schon Hagene ein und es kommt zu einer großen Schlacht. Hagene verwundet Hetele, erhält selbst aber eine Wunde von Wate. Hilde bittet Hetele für ihren Vater und so kommt es zur Versöhnung und zur Hochzeit. Hagene nimmt an dem Fest teil und kehrt dann nach Irland zurück. Der Kûdrûnteil berichtet in seiner verwickelten Handlung vom Schicksal Kûdrûns, der Tochter Hildes und Heteles. Es gibt drei Bewerber, König Sîfrit von Morlant, Prinz Hartmuot, der Sohn des normannischen König Ludwîc von der Normandîe und der Gêrlint (die einzige völlig negativ gesehene Gestalt) und König Herwîc von Sêlant. Diesem wird Kûdrûn versprochen. Doch Hartmuot raubt die Verlobte aus Heteles Burg. Herwîc verbündet sich mit Sîfrit und folgt den Fliehenden. Auf dem Wülpensant kommt es zu einer gewaltigen Schlacht, die vom Morgengrauen bis Einbruch der Nacht währt und in welcher der Brautvater fällt. Die Rache wird jedoch verschoben, bis eine neue Kriegergeneration herangewachsen ist. Da sich Kûdrûn einer Heirat mit Hartmuot beharrlich widersetzt, zwingt sie Hartmuots Mutter Gêrlint zu Magddiensten: sie muß viele Jahre hindurch täglich am Meeresstrand Wäsche waschen. Man nimmt dies als ein Indiz, daß diese Version im Binnenland entstanden ist, weil in einer Küstengegend niemand auf die Idee käme, Wäsche im Meereswasser zu waschen.18 Nach 13 Jahren bricht eine Flotte zur Befreiung Kûdrûns auf und gelangt in die Normandie. Ein von Gott gesandter sprechender Vogel kündigt der Unterdrückten die baldige Befreiung an. Bei Morgengrauen stürmen die 18
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Befreier Hartmuots Burg, wo es zu einem großen Massaker kommt. Kûdrûn versucht zu vermitteln. Wate rast berserkerhaft, wobei er selbst die Kinder in der Wiege umbringt. Zuletzt siegen Herwîc und die Seinen und kehren mit der entführten Kûdrûn nach Sêlant zurück. Das Ende bilden Massenhochzeiten aller noch nicht verheirateten Haupt- und Nebenfiguren – u. a. einer Hildeburc von Portugal aus der ersten (hier nicht referierten Brautwerbungsgeschichte), die einst der junge Hagene aus einem Greifennest befreit hatte und die nun nach meiner Schätzung im ehrwürdigen Alter unseres Jubilars stehen müßte! Bei aller Divergenz im Einzelnen besteht in der Forschung doch darin eine communis opinio, daß dem uns erhaltenen mhd. Kûdrûnlied eine einzige Brautwerbergeschichte, die ich *Kûdrûn nennen möchte, zugrundeliegt, gewissermaßen ein Thema mit Variationen: in der Hilde-Variation der Brautraub mit anschließender Versöhnung des Brautvaters, in der Kûdrûn-Variation der Brautraub mit Rückgewinnung der Braut durch den wahren Bräutigam und Versöhnung des Brautvaters und der anderen Bewerber. In der traditionellen Germanistik wird die „Kûdrûn“ mit ihrem versöhnlichen Ende gerne dem Katastrophenende des Nibelungenliedes, mit dem sie ja auch in der Strophenform fast übereinstimmt, entgegengestellt. Tragik, sagt man, sei hier christlicher Versöhnungsmentalität gewichen. Eine ältere Fassung mit tragischem Ende hätte den Werber und Entführer im abschließenden Kampf dem Brautvater oder einem der Braut verwandten Retter gegenübergestellt und wohl beide den Tod finden lassen. Was den Kûdrûnteil angeht, so ist darin sicher das Interessanteste die Mißhandlung der Kûdrûn, denn es gibt eine Reihe von Balladen, die diesem Motivkomplex thematisch sehr nahestehen.19 Bereits aus der Zeit um 1600 stammen dänische Balladen (Folkeviser), in denen gleichfalls der Kûdrûnstoff aufgegriffen ist. Hier sind die Namen verändert, die Heldin heißt etwa Ismar, der Entführer Hagen und der Befreier Segelffar (eine entstellte Form für Sigferd ‘Siegfried’) oder Gulbrand.20 Bemerkenswert ist bei diesen „Südeli-Liedern“, daß der Retter der Bruder, nicht der Vater oder Bräutigam der Entführten ist, daß es also um die entführte und mißhandelte Schwester geht, wodurch die Handlung besser zum Mabinogi stimmt als zum Kûdrûnlied. Damit läßt sich nun auch die spanische Ballade von Don Bueso (auch: Don Buesco) verbinden, wo eine von Mauren entführte Prinzessin unerkannt, in der Regel vom Bruder, bei niedrigen Diensten angetroffen, zuletzt doch erkannt und in die Heimat geholt wird. Auch in der Ballade von der Meererin, wie sie in der Sprach19 20
Dazu Nolte 1988; Texte bei Wild 1979, II. Wild 1979, II, S. 6–8.
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insel Gottschee gesungen wurde, ist nach binnenländischer Art vom Waschen am Meeresstrand die Rede, in den meisten Fällen aber wird das geraubte Mädchen als Wirtstochter bzw. in einem bordellartigen Etablissement gehalten. Als ihr Bruder sie sich als Beischläferin erbittet, erkennen einander die Geschwister.21 Sogar der sprechende Vogel der *Kûdrûn hat in diesen späten Volksliedern ein Gegenstück in einem Star, der zum denouement beiträgt, indem er ausplaudert, wie die Prinzessin einst von einer Zigeunerin geraubt worden sei.22 Man hat sich gefragt, in welchem Verhältnis diese Balladen zur *Kûdrûn stehen. Unter dem Eindruck des von Andreas Heusler begründeten Credos, daß am Anfang immer kurze Heldenlieder stünden, wurde von Friedrich Panzer (1901) und anderen vermutet, daß Balladen wie die Meererin oder Don Bueso die Ausgangsform der *Kûdrûn sein müßten. Demgegenüber haben andere Gelehrte, vor allem Ramón Menéndez Pidal23 die Balladen einer ausführlichen Untersuchung unterzogen und Reste von solchen gefunden, bei denen zwei Befreier des verschleppten Mädchens auftreten, wovon der eine der später zurückgedrängten Bräutigamsfigur entspricht. Wenn das Mädchen in den Balladen einmal beim Wäschewaschen, das andere Mal im Wirtshaus oder Schloß entdeckt wird, so geht das darauf zurück, daß die Handlung der *Kûdrûn aufgespalten wurde. Das Ergebnis ist dann, daß die Volksballaden vom Kûdrûnlied abstammen und nicht umgekehrt.24 Bei allem Scharfsinn, den Menéndez Pidal und Inga Wild auf den Vergleich der „Balladen“ und „Romanzen“ verwendet haben, wird aber eigentlich nicht gefragt, warum gerade die Kûdrûntradition nach Spanien gelangte und nicht etwa das Nibelungenlied. Ich glaube, daß es mit dem seit der Antike so geläufigen Thema des Wiederauffindens von verlorenen oder geraubten Angehörigen zu tun hat, nach dessen Faszination natürlich auch wieder zu fragen wäre, und sehe den Beweis dafür in der Umdeutung der Befreierfigur vom Bräutigam zum Bruder oder gar Vater wie im Apollonius-Roman. Sicher haben die Juden, in deren leidvoller Geschichte Verschleppungen ja nicht selten waren, als Vermittler eine wichtige Rolle gespielt, denn die spanischen Romanzen begegnen auch in spezifisch jüdi21
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Wild 1979, I, S. 256–261; II, S. 131 f. Das Einander-Erkennen im Hurenhaus ist bekanntlich auch ein wichtiges Motiv im antiken Apollonius-Roman, nur findet es hier zwischen Vater und Tochter statt. Es hat wohl die Funktion, besonders augenfällig das Walten der Týchē vorzuführen. Wild 1979, II, S. 143–147. Menéndez Pidal 1936, S. 88–91. Rosenfeld 1967; Wild 1979, I, S. 80–84.
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schen sephardischen Fassungen sowohl in Marokko als auch in der Türkei, wohin ja die Sephardim am Ende des 15. Jh.s aus Spanien vertrieben wurden. Daß auch die Ashkenasim großes Interesse an der Kûdrûntradition hatten, wissen wir ja vom Dukus Horant. Eine der Ursage noch nahestehende Fassung scheint die Entführung der Hild in einer Form erzählt zu haben, die uns Snorri Sturluson in den Skáldskaparmál (cap. 50) zusammenfaßte. Indem ich mich ihr zuwende, erwähne ich gleich, daß die Namen nicht völlig mit denen der *Kûdrûn übereinstimmen, sondern in einer bestimmten, wie Andreas Heusler schon 1910 an 44 Fällen demonstrierte, Weise variiert sind, für die sich kein einfaches Prinzip finden läßt, was ja ganz allgemein für die Namen der Heldensage gilt.25 Bei Snorri heißt es also (etwas gekürzt): „ein König namens Hǫgni hatte eine Tochter, die Hildr hieß. Sie wurde auf einem Raubzug von König Heðinn Hjarrandason entführt, während ihr Vater gerade auf einer Königsversammlung weilte. Als er vom Raub seiner Tochter erfuhr, machte er sich sogleich mit seinem Heer an die Verfolgung. Man sagte ihm, daß Heðinn die Küste entlang nordwärts gesegelt sei. Als er in Norwegen anlangte, hörte er, Heðinn sei nach Westen gefahren. So segelte HÄgni zu den Orkneys, wo er an einer Stelle, die Háey heißt (heute Hoy, die südwestlichste der Inseln), Heðinn und sein Heer antraf. Hildr bemühte sich nun einerseits um eine Aussöhnung durch Überreichung eines Halsringes in Heðins Namen, betonte aber gleichzeitig dessen Bereitschaft, um sie zu kämpfen. Damit schürte sie eigentlich den Kampf. Das machte das Angebot für HÄgni inakzeptabel und so rüstete man zur Schlacht. Nun versuchte Heðinn selbst Frieden zu stiften, aber HÄgni erwiderte, er habe bereits das Schwert Dainsleif gezogen und dieses könne nicht wieder in die Scheide gesteckt werden, ohne jemandem eine unheilbare Wunde beigebracht zu haben. Auf Heðins spöttische Antwort folgte nun eine Schlacht, die Hjaðningavíg ‘Kampf der Hedeninge’ heißt und den ganzen Tag währte. Abends gingen die Könige zu ihren Schiffen, doch Hildr ging auf das Schlachtfeld und belebte die Toten, so daß sie am nächsten Tag wieder kämpfen konnten. Und so ging es Tag um Tag weiter, wobei die Waffen stets versteinten, wenn die Krieger aber am Morgen wiederbelebt zu kämpfen begannen, auch wieder brauchbar wurden. Es wird in Gedichten gesagt, daß die Hjadningar so bis RagnarÄk täglich zu kämpfen haben.“26 Danach sagt man Hjaðninga veðr, 25 26
Heusler 1910, S. 97–107. En Hillðr geck of nottina til valsins, oc vakþi upp með fjǫlkýngi alla þá, er dauþir voro, oc annan dag gengu konungarnir a vígvǫllin oc bǫrþuz, oc sva allir þeir er fellu hinn fyra daginn. For sva su orrosta hvern dag eptir annan, at allir, þeir er fellu, ok ǫll vapn, þau er lágu á vígvelli, oc svá hlífar urþu at grioti. En er dagaþi
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él, ‘Unwetter’ oder ‘Sturm’ der ‘Hedeninge’ als Kenning für ‘Schlacht’ und Hjaðninga eldr oder vendir ‘Feuer’ oder ‘Ruten’ der ‘Hedeninge’ für ‘Waffen’.27 Bragi verwendete diese Überlieferung für einen Abschnitt in seiner Ragnarsdrápa. Die Zusammenhänge mit der *Kûdrûn sind der Forschung seit langem klar. Man sieht deutlich, wie die Gestalt der Braut in Hilde und Kûdrûn, die des Entführers in Hetele und Hartmuot und die des Verfolgers in Hagene und Herwîc (plus Sîfrit) aufgespaltet sind. Die Schlacht auf dem Wülpensant entspricht natürlich der auf Hoy mit dem Unterschied, daß Hetele fällt, während Heðinn am Leben bleibt, um am nächsten Tag gegen Hǫgni weiterzukämpfen. Die nächtens wiederbelebten Toten sind im Grunde Spukgestalten wie die sprachlosen Iren im Mabinogi und die von den Tuatha Dé Danann wiederbelebten gefallenen Athener. Eine letzte Reminiszenz des unheimlichen nächtlichen Spuks begegnet in dem Motiv der „Kûdrûn“, daß die Hegelinge auf dem Wülpensand in der Dunkelheit einander gegenseitig erschlagen hätten, während Hartmuot und seine Normannen sich aus dem Staub machten. Das merkwürdige Motiv, daß die Waffen versteinten, geht wahrscheinlich auch auf eine aitiologische Lokalsage zurück, die irgendwelche auffällige Steinformationen, wie etwa Dwarfie Stane auf Hoy, so deuteten.28
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stóþu upp allir dauþir menn oc bǫrþus, oc ǫll váppn voru þá nýt. Svá er sagt í qvæþum at Hjaþningar skulo svá bíþa ragnarǫkrs; vgl. Edda Snorra, S. 153–155. Dazu gibt es in der Flateyjarbók eine Paralleltradition im mythologischen Rahmen des Sǫrlaþáttr, die sich nur in wenigen Punkten von der eben erwähnten unterscheidet: Heðinn Hjarrandarson ist König des Sarazenenlandes und wird von einer thronenden Frau namens Gǫndul dazu aufgefordert, sich mit Haugni von Dänemark zu messen. Sie erweisen sich als ebenbürtig und schwören Blutsbruderschaft. Doch GÄndul stachelt Heðin mittels Vergessenstrunk dazu an, in Haugnis Abwesenheit dessen Gemahlin zu ermorden und mit der Tochter Hildr zu fliehen, nur weil die Entführung mannhafter als die reguläre Freite sei. So geschieht es denn auch. Die Helden kämpfen, während Hild zusieht auf Haey Tag und Nacht über 140 Jahre, bis beide vom Christen Ívar, einem Gefolgsmann des hl. Olav, erschlagen werden und so endlich Ruhe finden; Flateyjarbók, S. 304–313; vgl. Flateyjarbók (Übersetzung), S. 49–66. Es scheint überhaupt insoferne zu einem Mißverständnis gekommen zu sein, als man eine Steingruppe als getötete Krieger und ihre Waffen ansah und erzählte, daß sie nachts als „Wildes Heer“ gegeneinander kämpften. Durch Einbeziehung in die Hildesage wurde dann der Kampf zeitlich verschoben, weil ein solcher bei Tageslicht glaubhafter schien. – Ich vermute aber, daß eine für Hoy charakteristische, auf Howes Quoyawa wahrgenommene Lichterscheinung eine Rolle spielt, die übrigens schon Sir Walther Scott in The Pirate (1821) beschrieb, wobei er interessanterweise genau den gegenteiligen Fehler machte, indem er eine Erscheinung von Mittag auf Mitternacht verlegte: „At the west of this stone [scil. the Dwarfie Stane]
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Hôrant, der in den Skáldskaparmál als der Vater des Brautwerbers Heðin auftritt,29 heißt auf Anord. Hjarrandi, ‘der Knarrende’30 – zugleich ein Odinsheiti –, wie es scheint kein besonders glücklicher Name für einen Zaubersänger! Aber die magische Kraft seines Gesanges muß in der Ursage nicht durch ihr „Belcanto“ gewirkt haben, sondern hatte eine primär heilende und magisch-bannende Wirkung. So sagen ja auch Hagenes Mannen: ‘niemen lebet sô siecher, im möhte wol gezemen hœren sîne stimme, diu gêt ûz sînem munde.’
Str. 383,2 f.
und wie bei Orpheus: Diu tier in den walde ir weide liezen stên. Str. 389 die würme, die dâ solden in dem grase gên, die vische, die dâ solden in den wâge vliezen, die liezen ir geverte. jâ kunde er sîner fuoge wol geniezen.
Natürlich fehlt es nicht an Stellen, welche die konventionelle „Schönheit“ von Hôrants Gesang hervorheben, doch könnte man diese leicht als sekundäre Rationalisierung der ursprünglich rein magischen Wirkung verstehen, die in der judendeutschen Bearbeitung sogar die Wildschweine bannt. Diesen Zaubersänger mit der „schnarrenden“ (?) Stimme kennt auch das angelsächsische Lied von Deors Klage, in dem Hedin in der Form Heoden erscheint: secgan wille þæt ic hwîle wæs Heodenings scôp, dryhtne dyre. Me wæs Deor nama. Âhte ic fela wintra folgaþ tilne holdne hlâford oþþe þæt Heorrenda nû
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stands an exceeding high mountain of a steep ascent, called the Ward Hill of Hoy, near the top of which in the month of May, June and July, about midday [im Original: midnight], is seen something which shines and sparkles admirably, and which is often seen a long way off. It has shined more brightly before than it does now, and though many have climbed the hill, and attempted to search for it, yet they could find nothing. The vulgar talk of it as being some sort of enchanted carbuncle, but I take it rather to be some water, sliding down the face of some smooth rock, which, when the sun at times shines, on, the reflection, causeth that admirable splendour.“ Die erste „wissenschaftliche“ Erwähnung dieser Lichterscheinung findet sich 1664. Ich beziehe diese Information von folgender Internet-Adresse: http://iol.ie/~geniet/maeshowe/eng/flashingward.htm (16.9.2008) Edda Snorra, S. 154. AEW, S. 232, s.v. Hjarrandi. Ähnlich Jungandreas 1948, S. 203, der den Namen mit ‘Schnarrer’ übersetzte, und für einen sprechenden Namen des Repräsentanten von Witz und List hielt.
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leoþcræftig mon londriht geþâh, þæt me eorla hleo ær gesealde. ‘... [ich] will sagen, daß ich einst der Heodeninge Dichter war, dem Fürsten wert. Mein Name war Deor (nengl. deer). Viele Jahre hindurch hatte ich ein gutes Amt, einen holden Herren, bis Heorrenda, der an „Liedern“ kräftige Mann, das Amt empfing, das mir der Edlen Zuflucht (d. h. der Herr) zuvor gegeben hatte.’
Heorrenda ist also ein Konkurrent des fahrenden Scop und nicht etwa wie bei Snorri der Vater des Heoden / Heðin. Der nordische Name Hjarrandi, wie erwähnt zugleich Odinsheiti, mit seinem etymologisch genauen Gegenstück Heorrenda, paßt nun natürlich ausgesprochen gut als ‘Krächzender’ oder ‘Knarrender’ zu dem ‘Raben-Namen’ Bendigeitvran, der nach meiner Meinung auf schamanoide Traditionen weist.31 Nun bedenken wir noch, daß die dem Raben nahe verwandte Krähe nicht nur ein Sympathietier der irischen Kriegsgöttin ist, sondern daß einer ihrer Namen, nämlich Badb, heute im Neuirischen schlechthin ‘Krähe’ bedeutet. Den Namen des Entführers haben wir bisher in vier Varianten kennengelernt: (1) anord. Heðinn (dazu die Ableitung Hjaðningar, die wegen der Brechung auf die Pluralform *Hjaðnar < *Heðinōz zurückgehen muß),32 (2) ags. (anglisch und kentisch) Heoden (wegen des Velarumlautes < *Heðun mit Suffixablaut; dazu die Ableitung Heodening) (3) judendeutsch Eten (< md. *Heten) (4) mhd. Hetele (als König der Hegelinge, deren Name wohl aus *Hetelinge entstellt ist). Wie man sieht, ist die l-Ableitung auf das Kûdrûnlied beschränkt und im Vergleich zu den übrigen Traditionen deutlich sekundär. Auffällig ist, daß der Dukus Horant sich dabei eher an die nordwestgermanischen Formen als an die des bairischen Kûdrûnepos hält. Was die Bedeutung angeht, so scheint nur die Verbindung mit anord. heðinn, ags. heden ‘kurzes Kleidungsstück mit Pelzkapuze’ möglich. Ein Vollname läge dann im Personennamen Wolf-hetan (vgl. anord. ulfheðinn) vor,33 wozu man sachlich an den maskierten Krieger aus Torslunda (Öland) und die archäologisch erhaltene Wolfsmaske (?) aus gefilzter Wolle in Haithabu denken kann.34 Der 31 32 33 34
Birkhan 1999a, S. 939. AEW, S. 229 f. Müller 1976; Birkhan 2006. Hägg 2001, S. 390 f.
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sagengeschichtliche Hintergrund könnte der gewesen sein, daß sich der Entführer, seinen eigentlichen Namen verhüllend, „der Rock“ nannte.35 Eine weitere Entsprechung findet sich in der Gestalt des Wate, der im Nordseeraum beheimatet scheint. Im Rolandslied des Pfaffen Konrad nennt Kaiser Karl den König Oigir von Dänemark einen Verwandten Wates (7799–7803).36 Ein Wate kommt auch in der Dietrichsage vor und bereits Wilhelm Grimm wollte einer Stelle in Biterolf und Dietleib entnehmen, daß der riesige Wate an einer Kette geführt wurde wie Widolt im König Rother.37 Im Gegensatz zu anderen Riesen gilt Wate jedoch als alt und weise, ja er steht sogar in dem Rufe, ein Arzt zu sein: Hetele boten sande; dô hiez er Waten komen. si heten in langer zîte dâ vor wol vernomen, daz Wate arzât wære von einem wilden wîbe. Wate der vil mære manigem gefrumte an dem lîbe.
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Er verbindet sich selbst (Str. 530), verweigert aber seine ärztliche Hilfe, solange nicht Hilde sich mit ihrem Vater Hagene ausgesöhnt habe (Str. 533). Aus der Art, wie Wate im Kûdrûnlied eingeführt wird, geht hervor, daß es auch andere Traditionen von diesem Helden gegeben hat.38 Die Þiðreks saga (Vilkinasaga I,3) erzählt, daß König Wade ein Riese und Sohn des Königs Wilcinus und eines Meerweibes gewesen sei. Der im Umgang schwierige Held hätte zwölf Gehöfte auf Seeland besessen. Er galt als Vater des Schmiedes Welent, den er auf den Schultern durch den Grœnasund zwischen Seeland, Falster und Moen trug, um ihn bei Zwergen in die Lehre zu geben. Durch einen Bergrutsch fand der Riese, nachdem er den Sund das vierte Mal durchwatet hatte, seinen Tod. Seine englische Entsprechung (ags. Wada, mengl. Wade) war noch zur Zeit Chaucers, der in The Merchant’s Tale sein Boot mit dem eher arthurischen Namen Guingelot erwähnt, berühmt und eine lokale Sagengestalt, denn in Northumberland hieß eine Felsspalte Wades gap.39 Während Wate verschiedentlich mit Donar, Wodan, dem Eisenhans des Märchens, ja sogar dem indischen Gott Bhima gleichgesetzt wurde, verwies McConnell zu Recht auf angelsächsi35 36 37 38
39
Als Motif K 1831; vgl. Orendel als der Grawe Rock. Vgl. Nicolaisen 1999, Sp. 1162 f.; Schöne 1999, Sp. 1177–1180. Unt du helt Oigir, / vil wol getriuwe ich dir; / du bist des waten chunnes, / dune waist nicht ubeles. Grimm 1957, S. 62. Hetele sagt (Str. 236): Her Wate, sît willekomen. / daz ich iuch niht ensach, / des ist nû lange zîte, / daz wir ensamet sâzen, / dâ wir uns urliuges / ûf unser widerwinnen vermâzen. Grimm 2003, I, S. 312.
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sche Traditionen, die ihn wie Walter Mape (De Gadone milite strenuissimo) in die Zeit Offas (757–796) setzten oder ihn als Duke Wada of Northumbria zu einem der Mörder Ethelreds von Northumbria († 796) machten. Doch auch McConnell mußte annehmen, daß die historischen Wadooder Wada-Gestalten mit der Vorstellung eines „mythischen“ Watriesen gekreuzt wurden.40 Der in den germanischen Sagen bezeugte „Wat-Riese“ durchschreitet den Sund, so wie Bendigeitvran den St. Georgs Kanal der Irischen See (F531.3.1; F1057).41 Auch die Bezeichnung „Giant’s Causeway“ für eine Basaltformation an der Küste von Antrim, die einer gepflasterten sich im Meer verlierenden Straße gleicht, deutet vielleicht auf die Vorstellung von einem Wat-Riesen. Sie wird dem Riesen Finn McCool (= Finn mac Umaill) zugeschrieben, der sie baute, um auf ihr zu einer geliebten Riesin auf Staffa (nördl. von Mull of Kintyre) waten zu können. Zuletzt noch der Name der Hauptheldin: es ist ein Walkürenname, der in der anord. Form auch als solcher, nämlich Hildr ‘Kampf’, belegt ist und auch in Snorris Háttatal (49) als solcher explizit erscheint,42 und so auch schon bei Bragi dem Alten in seiner Ragnarsdrápa, wo gesagt wird, daß „Rán, die große Blutverluste wünscht, den Ansturm der Bögen gegen ihren Vater feindlich plante, als die schwerter-schüttelnde Sif voll Bosheit dem Schlachten-Baumstamm (= Krieger) einen Halsring auf dem Pferd des Windes (= Schiff) brachte“,43 wobei die Göttinnennamen Rán, die Frau des Ægir und Mutter der Wogen (= Ægirstöchter), und Sif, die Gemahlin Þórs, als heiti für Hildr stehen. Auch Kûdrûn / Gūdrūn ‘Kampfraunerin; Kampfrune’ ist ein typischer Walkürenname, der z. B. an Sigurds Runenunterricht durch die Sigrdrífa in den Sigrdrífumál erinnert. Doch deutet *gūd / gūþ- < *gunþ- auf altsächsische, angelsächsische oder friesische Entstehung, nicht etwa auf nordische. Die Walküren haben einerseits enge Beziehung zu den Schwänen, wie wir z. B. aus der Wielandsage wissen, andererseits aber zum Raben, der in der ags. Dichtersprache wælceasig (~ anord. valkyrja) genannt wird44 und doch wohl auch zur Krähe, worauf die Krákumál wei40 41 42
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McConnell 1977, S. 575–577. Weitere Parallelen in Cross 1952; Boberg 1966 mit einer Fülle von Parallelen; Mac Cana 2001. Wenn es heißt: Hjaldrremir tekr Hildi – / hringr bestr at giǫf-festa. / Hnígr und Hǫgna meyiar / hers valdandi tiald / Heðins mála býr hvílu / hjálmlestanda flestum. ‘Der Schlachtenstärker (= Herrscher) nimmt Hild, der Ring wird als Gabe gebrochen. Der Herrscher der Schar bewegt unter H¤gnis Tochter (= Hild ) das Zelt (= den Schild). Heðins Geliebte (= Hild ) bereitet den meisten Helmschädigern (= Kriegern) ein Bett (= wählt sie für den Tod aus).’ Schlauch 1964. Neckel 1931, S. 78 f.; ARG § 382, II, S. 61.
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sen – und dadurch auch zur irischen Kriegsgöttin mit ihrer KrähenSympathie (s. oben). Die nordische Form der Sage hat auch Saxo Grammaticus (ca. 1150–ca. 1220) in euhemerisierter Form gestaltet (Gesta Danorum V, S. 158–160). Danach schloß sich der norwegische Kleinkönig Hithinus dem großen Dänenkönig Frotho III. an, an dessen Hof er Hoeginus, einen jütländischen Unterkönig, kennenlernte, in dessen Tochter Hilda er sich verliebte. Hoeginus wird als sehr groß an Gestalt geschildert (was ihn mit dem Wat-Riesen vergleichbar macht), Hithinus als schmächtig, jedoch sehr schön. Hoeginus verlobte seine Tochter dem Werber, wobei die beiden einander zuschworen, daß jeder den Tod des andern rächen wolle. Im Zuge der großen Dänenexpansion eroberten beide die Orkneys. Später wurde Hithinus bei Hoeginus verleumdet, er habe Hilda bereits vor der Eheschließung durch Beischlaf entehrt. Der Brautvater griff darauf den Hithinus in der Ostsee an, mußte sich jedoch nach Jütland zurückziehen. Empört verlangt er seine Tochter zurück, die also offenbar bereits bei ihrem Verlobten lebte. Frotho urteilte, daß der Streit durch Zweikampf zu entscheiden sei. Dabei verwundete Hoeginus den zukünftigen Eidam schwer, tötete ihn jedoch angesichts von dessen Schönheit nicht. Sieben Jahre darauf wurde der Zweikampf auf Hiddensee wiederholt und jetzt fiel jeder von beiden durch die Hand des anderen. Hilda soll nun solche Sehnsucht nach ihrem Gemahl gehabt haben, „daß sie in der Nacht die Seelen der Gefallenen zu neuem Kampfe durch Zaubersprüche heraufbeschworen habe.“45 Gemäß meinem Titel umschließt die Handlung des zweiten und dritten Teils des Kûdrûnepos und seine skandinavischen Parallelen einen großen Teil des Nordseeraumes und sogar der Ostsee, die Niederlande mit dem „Wülpensand“ im Mündungsgebiet der Schelde und Zeeland,46 das Reich Herwîgs, ferner Dänemark als Heimat Fruotes und Hôrants, sodann Irland, wo Hagene und Hilde herrschen, und die Normandie als das Reich Hartmuots. Heteles Heimat ist problematisch: Laut Kûdrûn 208 ist Hetel ze Friesen und auch Dietmers (Dietmarschen) here. Als Westgrenze seines Reiches gilt Wâleis, danach müßte man sich das Reich in England denken. Die meisten hielten aber Wâleis für eine Bezeichnung des Waal, was natürlich sprachliche Probleme macht. Friesland hat allerdings in alter Zeit viel weiter nach Süden gereicht, wodurch Hetel zu einem Nachbarn Herwîgs würde. Nach Saxo stammt Hithinus aus Norwegen, dann wäre die Verbindung mit der Insel Heðinsey (Hiddensee), westlich Rügen vorgelagert,
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Herrmann 1901; 1922, I, S. 211–215; II, S. 357–364. Boesch in: Kudrun (Boesch), S. XXXV.
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wohl sekundär.47 Für die Verlegung der Handlung vom Ostseeraum in den Nordseeraum wurde angenommen: „Im Verlaufe der Wikingerzüge hat sich die neue Blickrichtung nach dem Westen eingestellt, als die Nordleute das Inselreich im Norden Britanniens erschlossen.“48 Die Übereinstimmung mit der walisischen Erzählung wird deutlicher, wenn wir sie mit der mutmaßlichen nordischen Urform der Sage vergleichen.49 Fassen wir die Gemeinsamkeiten zusammen, so ergibt sich folgende Motivkette: Eine Raben- oder Walküren-Frau Branwen / Hildr / Kûdrûn (A) wird mit der Hilfe eines prophetischen „Rabensängers“ Bendigeitvran / Hjarrandi / Horant (B) und eines Wat-Riesen Bendigeitvran / Wada / Wate (C) aus der Anderen Welt, wo sie festgehalten und/oder mißhandelt wird (D), zurückgeholt. Als Bote dient dabei ein sprechender Vogel (E). Dabei kommt es zum tödlichen Kampf zwischen der Partei des Helden und jenen, die die Frau festhalten und/oder mißhandeln. Die Gefallenen werden durch Zauber während der Nacht wiederbelebt (F), wobei diese Wiederbelebung bei den Germanen speziell durch die Walküren-Frauen geschieht.50 47
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Str. 881 wirt Hetele der wirt von Matelâne genannt. Jacob Grimm (in BMZ s. v. Matelâne) hat dabei an ein „an ein niederrheinisches Mediolanium des Ptolemäus, das man im münsterischen städtchen Meteln an der Vecht, zwischen Horstmar u. Bentheim, wiederfindet,“ gedacht. Die Tabula Peutingeriana kennt ein Matilone, der Geograph von Ravenna ein Matellione an. Dabei denkt man an Lokalisierung in Südholland oder Limburg. Beides ist wohl zu nahe bei Herwîgs Heimat Sêlant, wenn damit das niederländische Zeeland (d. h. das Mündungsgebiet der Schelde) gemeint ist und nicht etwa die dänische Insel Sjælland. Wollte man dies annehmen, so käme Herwîc zu sehr in die Nähe der Heimat von Hôrant und Fruote. In Friesland oder Dithmarschen, woher Wilhelm Grimm Hetele herstammen lassen wollte, gibt es kein Sêlant genanntes Gebiet. Möglicherweise ist jedoch die Verbindung Hetel / Heðins mit Hiddensee nicht alt; vgl. Herrmann 1901; 1922, II, S. 363. Boesch, in: Kudrun (Boesch), S. XXXIV f. Snorra-Edda, Skáldskaparmál, cap. 50. Herrmann 1922, S. 364. Mein letzter Nebensatz steht in Kontrast zu der Argumentation in Panzer 1901, S. 329–331, der gerade die Wiederbelebung durch eine Frau für eine Ausgestaltung „nach irischem Muster“ hält. Unter den dort angeführten Erzählungen findet die Wiederbelebung durch eine Vettel statt, hinter der sich sehr wohl die Kriegsgöttinnen Morrígain oder Bodb verbergen können. Bedenkt man jedoch den Walkürencharakter Hilds und Kūdrūns, so verliert das Faktum, daß die Kriegsdämoninnen jeweils die Krieger wiederbeleben, an Erstaunlichkeit. Ich würde also nicht glauben, daß die namhaft gemachten Parallelen beweisen können, daß das Wiederbelebungsmotiv durch eine Frau unbedingt keltischer Herkunft sein müsse. Panzer hat die oben angeführten Übereinstimmungen von A–F mit dem Zweiten Zweig des Mabinogi nicht erkannt. – Nicht leicht vergleichbar scheint mir die von Panzer genannte Creiddylad, die Tochter des Lludd, von der es in Culhwch ac Olwen heißt, sie sei „die feinste und vornehmste Jungfrau, welche es auf den
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In Branwen verch Lŷr sind der Befreier und die beiden Wunderleute, der Wat-Riese und der Rabensänger, in e i n e r Person zusammengefallen. Der Zaubersänger findet den Tod, doch wirkt seine magische Kraft weiterhin durch sein Haupt. Neben schamanoiden Spuren können wir hier deutlich den Einfluß der typisch keltischen tête-coupée-Vorstellung erkennen. In den mittelalterlichen germanischen Varianten sind die Hauptschauplätze weiter gestreut als im Mabinogi, die Wiederbelebung findet jedoch ursprünglich wohl auch auf den Britischen Inseln (den Orkneys) statt. Ich hoffe vermittelt zu haben, daß ich die Übereinstimmung in den genannten sechs wichtigen Motiven nicht für Zufall halte. Gruffydd und Mac Cana machten es sich insofern leicht, als sie die germanischen Varianten unbeachtet ließen und die walisischen Traditionen nur mit Irland verbanden. Aber, wie man fragen kann, ob es denn wirklich ausgemachte Sache sei, daß Irland immer der gebende, Wales der nehmende Partner war, einfach deshalb, weil in Irland mehr aufgeschrieben wurde und daher mehr erhalten ist, so kann man grundsätzlich auch fragen, ob die ursprüngliche Erzählung nicht bei den Germanen entstanden sein könnte. Man kann dagegen nicht einwenden, daß Bendigeitvran und Branwen als Kinder Llŷrs zu fest in der britannischen Mythologie verankert seien, denn gerade dann konnten sie durch ihre „Raben-Sympathie“ die Handlungskonstellation auf sich ziehen. Da in der inselkeltischen Tradition Wunderkessel eine bedeutende Rolle spielen, hätte ein kymrischer cyfarwydd die in der germanischen Tradition vorgefundene Wiederbelebung der Schlachttoten (vgl. die oben zitierte Episode im Lebor Gabála von der Wiederbelebung der Athener) auch sekundär mit der Vorstellung des Wunderkessels verbinden können.51 Ich will nun nicht germanischer Priorität partout das Wort reden und bin mir der weiteren Auswirkung einer solchen Annahme z. B. in Be-
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drei Inseln Britanniens und den vorgelagerten Inseln gab“. Um sie kämpften Gwythyr, der Sohn des Greidawl, und Gwynn, der Sohn des Nudd bis zum Jüngsten Gericht an jedem ersten Mai; Birkhan 1989, II, S. 47. Da sich die keltologischen Religionshistoriker eins sind, daß Lludd und Nudd e i n e Person sind, nämlich jene Göttergestalt, die in Britannien auf römischen Inschriften als Noudens erscheint, in Irland als der Gott Nuada, könnte man tatsächlich versucht sein, Creiddylad mit der von ihrem Bruder gegen den Gatten/Werber verteidigten Branwen zu vergleichen. Es wird jedoch im Text nicht gesagt, daß die Kämpfer einander töten und von Creiddylad belebt werden. Ich möchte also diese Tradition, obwohl sie von ferne anzuklingen scheint, vorsichtshalber weglassen. So zeigen sich spezifisch keltische Elemente im Darraðarljóð oder im Málsháttakvæði, die unbestreitbar sind und wo das Nordische sicher die nehmende Seite ist; vgl. Christiansen 1959, S. 4 Anm. 2.
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zug auf die Vorstufe der Gralslegende durchaus bewußt,52 sondern ich möchte nur die Möglichkeit germanischer Priorität als Denkmodell zum Durchspielen anbieten und auf einen bestehenden „Erzählerverbund“ hinweisen. Wenn allerdings meine Vermutung richtig ist, daß sich der Erzähltyp mit seinen fünf Motiven schamanoider Herkunft verdankt, dann könnte er auch polyphyletisch, aber in befruchtendem keltisch-germanischem Austauschverhältnis, in der Wikingerzeit entstanden sein. Welche Möglichkeiten bei scheinbarer oder wirklicher Motivübereinstimmung bestehen, läßt sich an drei Sagenmotiven der Sigurdtradition zeigen: (1) an der Unverwundbarkeit des Helden, (2) an seinem Hirschcharakter und seiner Initiation, (3) an der Gewinnung der Walküre Brynhildr aus dem sie umgebenden Flammenwall. (1) Sigurds bedingte Unverwundbarkeit dürfte, wie Achilleus zeigt, schon ein Motiv der indogermanischen Heldensage sein. In der irischen Überlieferung hat hier der Held Fer Díad für Aufregung gesorgt. Auch er ist durch eine Hornhaut unverwundbar und insbesondere sein zweites Namenglied Díad, das man zu air. dé ‘Rauch’ stellte, hat seit Heinrich Zimmer53 die Gemüter erregt, denn solcherart wurde er, der ‘Mann des Rauches’ zu einem semantischen Verwandten des Nibelungen, des ‘zu den Wolken Gehörigen’, der Franci Nebulones. (Wobei freilich anzumerken wäre, daß Sigurd / Siegfried ja eigentlich kein Nibelung ist!) Im Gegensatz zu Siegfried mit seiner verwundbaren Stelle von der Größe eines Lindenblattes, ist Fer Díad wirklich an der ganzen Körperoberfläche unverwundbar. CúChulainn, sein ehemaliger Waffenbruder, der ihn, durch tragische Verwicklung getrieben, letztlich töten muß, kann dies nur, indem er ihn mit seinem magischen Speer gæ bulga genau in den After trifft, wo die furchtbare Waffe die Gedärme und das Innere des Körpers zerreißt.54 Das alles geschieht im offenen Zweikampf in einer Furt55 und keinesfalls auf verräterische Weise wie die Ermordung Siegfrieds. Man sieht schon, wie fragwürdig dieser 52
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Natürlich liegt es nahe genug, den am Fuß verwundeten Bendigeitvran mit dem „maimed king“ zu verbinden, der in einer Reihe von Traditionen Bron heißt. Sein abgeschlagener Kopf hätte dann in der tête coupée der Erzählung Peredur vab Evrawc eine vordergründige Entsprechung (da ja hier die Zauberweiber von Gloucester an der Tötung des zu rächenden Verwandten Schuld haben). Es ist hier nicht der Ort, dieses seit Newstead 1939 diskutierte Thema weiter zu verfolgen. Zimmer 1888, S. 291–304. IHK, S. 223, 234. Zu den weitverbreiteten Furtkämpfen s. Cram 1955.
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Vergleich ist, insbesondere angesichts der nicht überzeugenden Namenparallelen. Dagegen besteht zwischen der altnordischen Tradition von Harald Kampfzahn (hilditǫnn) und der von Fer Díad vielleicht wirklich ein Zusammenhang. An diesem Beispiel kann man die Komplexität solcher Sagenbeziehungen verdeutlichen: Nachdem ihm als Knabe ein Eisenpfeil in den After geschossen worden war, wurde Harald sozusagen zur Wiedergutmachung der Schmach von Odin unverwundbar gemacht und er gelobte dem Totengott dafür alle von ihm Erschlagenen.56 Er fällt nach 50-jähriger Regierungszeit durch eine Tücke Odins, indem sein eigener Wagenlenker ihm mit einer Holzkeule den Schädel zerschlägt, weil die Haut ja für Eisen unverwundbar ist.57 In dieser letzten Schlacht fährt der blinde König nach irischem Vorbild auf einem Sichelwagen58 – m. W. das einzige Mal, daß in der altgermanischen Tradition ein Kampfwagen erscheint! Vom Getöse der Brávalla-Schlacht heißt es, man hätte glauben können, daß der Himmel auf die Erde stürze59 – eine bekannte keltische Vorstellung.60 Das Verhältnis zwischen Verwundung und Unverwundbarkeit ist umgekehrt: Fer Díad ist unverwundbar und kann nur durch eine Wunde im Anus getötet werden, Harald Kampfzahn erhält eine Wunde im Anus und wird darauf für Eisen unverwundbar. Auch hier könnte man die Übereinstimmung für einen kuriosen Zufall halten, aber der Sichelwagen deutet auf ein irisches Element in der Tradition hin. (2) Durch die gesamte Sigurd / Siegfried-Tradition zieht sich eine bemerkenswerte Hirschsympathie, die unser gemeinsamer Lehrer sehr nachdrücklich herausarbeitete. Es sind nicht nur häufige Vergleiche des Helden mit dem königlichen Tier, er wird auch von einer Hirschkuh gesäugt, er erlöst eine verzauberte Jungfrau auf dem Hindarfjall, er nennt sich Fafnir gegenüber gǫfukt dýr ‘seltsames Rotwild’ und nicht zuletzt wurde ein im 8./9. Jh. lebender Krieger Sigurð Hjǫrtr ‘Sigurd Hirsch’ als direkter Nachkomme des Helden angesehen. Es nimmt dann auch nicht wunder, wenn die Tötung Siegfrieds als Erlegung eines Hirschen auf der Jagd stilisiert wird. Da man hinter der Sagengestalt den historischen Feldherren und Sieger in der Varusschlacht Arminius aus dem Stamm der Cherusker, der ‘Hirschleute’, vermutet hat und neuerdings wieder mit Hinweis auf Otto Höfler vermu56 57 58 59 60
Herrmann 1901, S. 327 f., 350–353; 1922, S. 521 f. Herrmann 1901, S. 350–353. Herrmann 1901, S. 350, 352. Herrmann 1901, S. 350. Birkhan 1999a, S. 782 f.
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tet,61 hat man Siegfried ein altes Hirschtotem zugeschrieben. Der Gedanke ist nicht abwegig, schon weil der Hirsch mit dem jährlich sich erneuernden Geweih ein Symboltier der Potenz ist und Siegfried, zumindest in der nordischen Tradition, als Vǫlsungr vom Penis-Gott Vǫlsi abstammt, was ja die Vǫlsungasaga berichtet. In der irischen Tradition begegnen in der Heldensage von Leinster, der Sage von Finn mac Umail, ähnliche Hirschsympathien. Die beiden Haupthelden Osscar (‘Hirschlieb’) und dessen Vater Oissín (‘Hirschlein’, bei MacPherson zu Ossian geworden), den Finn mit der hindengestaltigen Sadb zeugte, zeigen das bereits in ihren Namen. Finn (bei MacPherson Fingal) ‘der Schöne’ selbst hieß mit seinem „Jugendnamen“ Demne ‘Hirschlein’ (< *dam-niyos). Ein Stamm in West-Leinster hieß Osraige ‘Hirschreich’ (< *Ukso-rīgion); der Name lebt in der jetzigen Grafschaft Ossory weiter. Bei der Initiation in die Kriegerbande des Finn spielte das behende, schnelle und geräuschlose Laufen im Dickicht eine wichtige Rolle. Auch hier scheint man Rotwild nachgeahmt zu haben und durch einen bestimmten Zauber (schott.-gäl. fìth-fàth) konnte man sich in Rotwild verwandeln.62 Die air. Bezeichnung fáeth fiada ‘Zaubernebel’ dient auch als Name eines Gebetes von Patrick, durch das er sich einem Hinterhalt König Laoghaires entzog, indem er und seine Kleriker zu Hirschen wurden, und wird auch mit Patricks „Schutzgebet“, der berühmten Lorica gleichgesetzt. In mir nicht klarer Weise lebt das entstellte Wort in isl. vikivaki, dem hindarleikur, weiter. Es bezeichnete eine Art erotischen Tanz (mansöngskvæði) mit oder (heute) ohne Hirschvermummung.63 Das deutet möglicherweise nur auf Hirschtotemismus bei Iren und Germanen, nicht unbedingt auf engere Verwandtschaft von Siegfried und Finn. Erstaunlich ist jedoch, daß beide Helden eine merkwürdige Jugendinitiation durchmachen, durch die sie weise werden. Im Edda-Lied von der Drachentötung (Fafnismál) nimmt Sigurd Fafners Herz und brät es an einem Zweig. Als er glaubte, daß es gar sei, und der Saft aus dem Herzen schäumte, da faßte er es mit einem Finger an, um zu versuchen, ob es fertig sei. Er verbrannte sich und fuhr mit seinem Finger in den Mund. Als Fafners Herzblut ihm auf die
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Vgl. Matthias Schulz, Die Spur des Drachen, in: Der Spiegel 20/2005 vom 14.05. 2005, S. 148. Cross 1952, D114.1. In Schottland wurde anscheinend der magische Zaubernebel noch im vorigen Jahrhundert eingesetzt; Carmina Gadelica II, S. 22 ff., 235, 285; V, S. 157, 175; vgl. auchVielle 1994, S. 224. Stumpfl 1936; Thuren 1902, S. 237 wollte das Wort vikivaki von Vigil ableiten.
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Zunge kam, da verstand er die Vogelsprache. Er hörte im Gezweig Meisen zwitschern.64
Die dem deutschen Nibelungenlied unbekannte Szene ist mehrfach in mittelalterlichen Skulpturen in Holz und Stein dargestellt worden. Bei Wagner führt es zu Siegfrieds Untergang, daß er allmählich aus Hochmut des „Lallens nicht mehr achtet“, wo die Vögel doch seine Ermordung voraussagen. In der ‘Jugendgeschichte des Finn’ (Macgnímartha Find) aus dem 12. Jh. wird berichtet, daß Finns Initiationslehrer, der Druide Finneces, den berühmten „Lachs des Wissens“ (eó fiss) zu verspeisen gedachte, um sich dessen Wissen anzueignen. Er wies also seinen Druidenschüler an, den Fisch zu braten. Dieser verfährt wie Sigurd und als er feststellen will, ob das Fleisch gar ist, verbrennt er sich den Finger, steckt ihn in den Mund und wird wissend (D 1811.1.1). In den späteren Finnsagen verschafft sich der König immer wieder durch Saugen am Finger übernatürliches Wissen, das er sich eben „aus dem Finger saugt“,65 oft auch den Daumen sehr intensiv kaut, z. B. bei der Verfolgung von Diarmait und Gráinne, die, wie Tristan und Isolde, entlaufen sind und sich in den Wäldern vor dem eifersüchtigen alternden Finn verbergen. Daneben gibt es die Tradition, daß Finn an einem Weisheitszahn (dét fiss) mit demselben Ergebnis gesaugt habe (D 1810.3.1). Die irische Bezeichnung, die mit der deutschen genau übereinstimmt, geht auf lat. dentes sapientiae und diese wieder auf griech. ‘weisemachende Zähne’ zurück. Die Übereinstimmung beruht natürlich nicht auf früher keltisch-germanischer Gemeinsamkeit, sondern ist altes antikes Bildungsgut.66 In der walisischen Literatur findet sich in der Geschichte von Gwion Bach ein ganz ähnliches Motiv wie in der Sigurd- und Finn-Sage. Der Kleine soll ein Jahr lang einen köchelnden Weisheitstrank der Zauberin Ceritwen bewachen. Am letzten Tag spritzen drei Tropfen der kochenden Flüssigkeit dem Knaben auf den Finger, den er in den Mund steckt und so weise wird. Es waren genau die Tropfen, aus denen die Wirkkraft des Trankes bestanden hatte.67 Das Motiv geht in der Sagenforschung unter dem Namen „thumb of knowledge“ und scheint einer alten Vorstellung anzugehören, die den Inselkelten und den Germanen gemeinsam war. Beachtenswert ist ein Detail: die Finnsage kennt noch eine andere Tradition über die Wissensinitiation 64 65
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Edda, S. 259. Im DWb III, Sp. 1655 wird dazu eine „Ossianstelle“ zitiert, wo Oissín zu Patrick sagt, daß Finn hilflos wäre, wenn er sich nichts aus dem Finger saugen könnte. Im Deutschen kommt aus dem Finger saugen zuerst bei Thomas Murner vor. DWb XXVIII, Sp. 1145. Ford 1977, S. 162–164.
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des Helden: Dieser steigt unter der Führung des einäugigen Dämonen Goll MacMorna in einen Grabhügel hinab. Als er diesen verläßt, quetscht ihm die zufallende Tür den Finger ein. Er führt ihn zum Mund, um den Schmerz zu lindern, und wird dadurch wissend.68 Es ist fraglich, ob es jeweils der Schmerz ist, der den Finger weise macht, denn zugänglich wird das Wissen dann doch erst durch das Saugen, Lutschen oder Kauen am Finger, was man als einen symbolischen Rückschritt in die Infantilität verstehen und den Wissenserwerb mit dem des Kleinkindes in Beziehung setzen könnte. Ich vermute jedoch, daß dies nicht die letzte Erklärung für die überaus merkwürdige, wohl weit in die Vorzeit zurückreichende Vorstellung sein wird.69 Die germanische, die walisische und die übliche irische Fassung stimmen jedenfalls darin überein, daß der Grund für den Wissenszuwachs in der Substanz gelegen ist, von der unfreiwillig gekostet wird: also das Drachenherz, der Lachs der Weisheit oder der Zaubertrank der Ceritwen. (3) Daß der Held seine Braut auf gefährlichem Weg aus der Anderen Welt heimführt, die er aus einem Zauberschlaf erweckt, ist ein weitverbreitetes Volkserzählungsmotiv und auch aus dem Märchen vertraut.70 Wichtig sind der schwierige Zugang, die dem Helden bei der Brautwerbung auferlegten Rätsel-, Kampf- und Standhaftigkeitsproben und die Erlösung der Braut aus einer Verzauberung. Sigurd durchreitet dazu bekanntlich in der nordischen Tradition den vafrlogi (nach Skírnismál 41), einen Flammenwall, von dem aber auch in zwei anderen Eddaliedern,71 jedoch wohl nach Vorbild der Nibelungensage, die Rede ist. Das Wort vafr-logi, das Wagner etymologisch ganz korrekt in Waberlohe nachbildete, hat Jöran Sahlgrén72 für eine frühe Entlehnung aus dem Angelsächsischen angesehen, was mir freilich nicht zwingend scheint. Dafür daß es dort primär ist, spricht höchstens das höhere Alter des Beleges bei Cædmon, der in seiner Danielparaphrase den wylm ðæs wǽfran líges ‘Strom’ oder ‘Woge der flackernden Lohe’ erwähnt.73 Allerdings steht dem langvokalischen ags. wǽfre, das ja noch in 68 69
70 71 72 73
Cross 1952, Nr. D 18111.1.1.1 Zumal den kleinen; vgl. die Redensart er hat es im kleinen Finger oder er hat mehr im kleinen Finger als ein anderer im Kopf...vgl. mon petit doigt me l’a dit; DWb III, Sp. 1652. Reichert 1974; Bolte / Polívka 1913–32, I, S. 440. Skírnismál 8 und Fjǫlsvinnsmál 32 (mit den zu gewinnenden Riesentöchtern Gerðr und Menglǫd ). Sahlgren 1928, S. 17. Caedmon, 231, 2 (Daniel 241); s. wǽfre; adj. I. flickering, wavering, quivering (cf. Icel. vafr-logi) in: Bosworth / Toller 1898, S. 1151. Ein kurzvokalisches wæfre dient zur Bezeichnung von Spinnen als „Weber“, in: gangel-wæfre u. a.
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nengl. waver ‘schwanken; flackern’74 fortlebt (< urgerm. *wē1braz), im Anord. die kurzvokalische Form vafr- gegenüber. Ob man das als abgetönte Vollstufe auffassen oder nicht doch mit Entlehnung in die eine oder andere Richtung rechnen soll? Das eröffnet nun einen reizvollen realienkundlichen Horizont. Caesar beschreibt sehr genau die Herstellung des keltischen murus gallicus, bei dem über einer Konstruktion aus miteinander vernagelten Holzbohlen eine Bruchsteinmauer errichtet wurde, wie sie mancherorts heute noch eindrucksvoll zu sehen ist, etwa in der „Heidenmauer“ von Otzenhausen (Eifel) oder in Bibracte am Mont Beuvray, wo diese Mauer sogar abschnittsweise wiedererrichtet wurde. In Schottland (aber auch sporadisch anderswo) entstand nun dadurch eine Variante, daß die Holzeinlage der Mauern in Brand gesteckt wurde. Wenn der Wind günstig war, so konnte bei der Verbrennung der Pfosten eine solche Hitze entstehen, daß die an der Außenseite zwischen den Balkenenden eingelassenen Steine „verglasten“. Diese „vitrified forts“ sind nicht selten. Man hat in Schottland deren etwa 50 gezählt. Wer eine Schottlandreise plant, könnte sich Castlelaw bei Abernethy (etwa 18 km südöstlich von Perth), Tap o’ Noth (Aberdeenshire), Finavon, White Cathertun und Brown Cathertun (alle in Angus, unweit von Forfar) vormerken.75 Wie es im Einzelnen zum Brand des Walles mit den eingelassenen Holzbalken kam, ist völlig unklar. Trockenheit, „Vorzündung“ mit trockenem Farnkraut, günstiger Wind und eine hohe Entzündungstemperatur sind Voraussetzung, um die Steine zu glasieren und zusammenzubacken, was heute noch das geschulte Auge an Verfärbungsspuren und Glasurresten erkennen kann. Daß dies in allen Fällen durch Feindeinwirkung geschehen ist,76 scheint völlig unwahrscheinlich. Eher muß man annehmen, daß die Brände absichtlich von den Erbauern gelegt wurden, um den Steinwall 74 75
76
Der Titel von Walter Scotts berühmtem Roman Waverley könnte geradezu ein altes wǽfrelíg fortsetzen! Unter den bekanntesten Anlagen sind noch: Dunnideer, Craig Phadraig und Ord Hill, Kessock (bei Inverness); Dun Lagaidh (in Ross); Cromarty, Arka-Unskel, Eilean na Goar, and Bute-Dunagoil, alle im Sound of Bute gegenüber der Isle of Arran; Cauadale hill-fort in Argyll, Dun Mac Uisneachain oder Dun Macsnoichan (die größte Anlage, das alte Beregoiium / Benderloch, ca. 15 km nordnordöstlich von Oban in Argyll); Dun Dhardhail (Dunjardil) in Glen Nevis; Knockfarrail bei Strathpeffer (nordwestlich von Inverness); Dun Creich in Sutherland; Barryhill in Perthshire; Laws bei Dundee; Anwoth in Kirkcudbright; Cowdenknowes in Berwickshire. Piggott 1982; vgl. auch: http://en.wikipedia.org/wiki/Vitrified_fort (14.8.2008). Piggott 1982, S. 67.
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durch das Zusammenbacken der Steine zu festigen, oder auch nur als Spektakel, das Herrschaft und Macht des Adels demonstrieren sollte. Jedenfalls muß das Flammenmeer und nach seinem Erlöschen der glühende Steinwall einer solchen Hügelbefestigung mehrere Nächte lang ein phantastisches Bild geboten haben.77 Man kann sich durchaus denken, daß dieser visuelle Eindruck in der Vorstellung von der Waberlohe weiterlebte. Falls das anord. vafrlogi, aus dem Altenglischen entlehnt oder nicht, ursprünglich ein solches „vitrified fort“ bezeichnete müßten die germanischen Einwanderer auf den Britischen Inseln die Anlegung dieser Befestigungen in Schottland noch miterlebt haben. Das scheint leicht denkbar, denn die Archäologen nehmen an, daß das Glasieren dieser Burgen noch bis etwa 900 n. Chr. geübt wurde. In die Tradition von der Erweckung der eingeschläferten Walküre auf dem Hindengebirge, das vielleicht ursprünglich nur wegen seiner Steilheit und Glätte unzugänglich wie der Glasberg war, hätte dann ein Spielmann, Scop oder Skálde, der das eindrucksvolle Schauspiel der Konstruktion eines „vitrified fort“ miterlebt hatte, die Vorstellung von der Waberlohe eingefügt und damit einen deutlichen Hinweis auf eine über den ganzen Nordseeraum geweitete Sagengenese gegeben. Im Zusammenhang mit der Walkürenerweckung wird bekanntlich Sigurd auch in Runenwissen unterwiesen. Insbesondere aber reicht ihm die Walküre Rauschtränke, ein Horn voll Met und Bier, an das sich dann die Belehrungen des Runenliedes schließen. Daß nach germanischem Verständnis der rituelle Trunk die Herrschaft begründen kann, hat M. Enright vor etwas über zehn Jahren mit seinem Buch Lady with a Mead Cup (Dublin/Portland 1996) gezeigt. Man kann dazu an irische Traditionen erinnern, wo ein Held – manchmal der Jüngste oder ein Dümmling – in der Anderen Welt eine Frau findet, die sich als die „Herrschaft über Irland“ (flaithius Érenn) zu erkennen gibt. Er verbindet sich sexuell mit ihr und wird dadurch zum König und Landesherren und eben auch der Herrscher über Irland. Solche Traditionen gibt es über Conn Cétcathach (2. Jh. n. Chr.), Níall Noígíallach (Hochkönig 379–405), Lugaid mac Daire und mehrere andere. Noch 1310 ist in den Annalen von Connacht die Vermählung des Königs Fedlimid Ó Conchobair mit der Provinz Connacht bezeugt.78 Die Herrschaftsgöttin selbst kann geradezu „die Berauschung“ oder „die Berauschende“ (Medb) heißen. Darauf weist auch der Name Flaith ‘Herrschaft’, dessen Anlaut-f z. B. nach dem Artikel verstummt, wodurch das Wort homophon mit der Bezeichnung des Rauschtrankes laith wird, so daß sich ein 77 78
In Birkhan 1999b, Abb. 73–75 wurde versucht, mittels einer Computersimulation diesen Eindruck anzudeuten. Vgl. Dillon / Chadwick 1967, S. 93; Byrne 1973, S. 16 f.
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hintergründiges Wortspiel ergibt.79 Nehmen wir an, daß hier ein keltischgermanisches Denkschema zugrundeliegt, so wäre Sigurd zum Herrn über das Land der Brynhild geworden. Hätte man einem Iren die Edda übersetzt, so hätte er sie gewiß gemäß Texten wie Baile in Scáil so verstanden! Sigurd war also in dieser Sicht zum Herrn von Hindarfjall und der suðr til Fraclanz angrenzenden Gebiete, also durch die Verbindung mit der Walküre zu einem „Landesherrn“ geworden. Der Skandinavist kennt aus der Helgisage die Verbindung des Helden mit der Landesgöttin Sváfa, eine ganz vergleichbare Tradition.80 Wir dürfen uns im Ausblick fragen, ob das nicht auch die Grundidee der keltischen Tristansage und des von der Frau verabreichten Minnetrankes ist. In der Tristansage mischen sich ja in eindrucksvoller Weise germanische und keltische Elemente: während Tristan und March eindeutig keltischer Herkunft sind, trägt Isolt (kymr. Esyllt < nord. Āshild-)81 wohl ebenso einen germanischen Namen wie ihr Vater Gurmun einen vandalischen.82 Sie herrschen in Develîn-Dyflinnarborg-Dublin und bedienen sich des Morholt zur Einhebung des Tributes.83 Aus einer archaischeren Form der Sage, wie sie etwa in Tóruigheacht Dhiarmada agus Ghráinne vorliegt, in der Gráinne / Isolde als die Werbende auftritt, geht ja der Einsatz des Liebestrankes ganz bewußt von ihr aus. Danach wäre Diarmait nach dem alten König Finn der neue, junge Gemahl der „Souveränität“. Das klassische Dreiecksverhältnis einer der bedeutendsten Liebesdichtungen der Welt erhielte so eine tragisch-politische Bedeutung. All das sind Elemente einer noch paganen oder semipaganen Welt des frühen Mittelalters. Zum Abschluß sei nur darauf hingewiesen, daß die Faszination, die von der Problematik der Herrschaft und des Herrschaftsverlustes ausging, im Hochmittelalter nachwirken sollte, obwohl sie nun nur noch als Liebes- und ethisches Problem verstanden wurde. Die Darstellung der Þiðreks saga gilt einerseits als so gewissenhaft, daß man aus ihrem Bericht die Frühform der Dietrichsage und der Nibelungentradition rekonstruierte. Anderen Traditionen gegenüber zeigt sie sich jedoch keineswegs besonders quellentreu, wie sich etwa der Geschichte von Jarl Apollonius entnehmen läßt, die so gut wie nichts mit dem klassischen Apolloniusroman gemein hat. Glaubt man dem Prolog und neueren Forschungen, dann müßten „Fehlleistungen“ wie die im Apolloniusstoff in 79 80 81 82 83
Zimmer 1888, S. 279–284; Birkhan 1999a, S. 1088. Höfler 1952, S. 24 = 208. Schulze / Thulin 1992. Metzner 1973. Birkhan 1976.
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niederdeutschen Erzählungen umgegangen sein. Dann hätte es etwa auch eine Tristanvariante gegeben, in der das Liebespaar Íron und Bolfriana hieß.84 Die Erzählung hätte das „Tristandreieck“ enthalten und muß Tóruigheacht Dhiarmada agus Ghráinne nahegestanden haben. Demgemäß erlitt die Heldin keinen Liebestod, sondern kehrt nach dem Tode Írons wie Gráinne zu ihrem Ehemann Aki zurück. Laut Þidreks saga hieß Thidreks Schwester Isolde und war mit einem Grafen Herthegn vermählt. Der Ehe entsprossen die Söhne Herburt, Herthegn und – Tristram, dieser als Jüngster und eine Art kolbíti tut sich schwer, die Fechtkunst zu erlernen. Dennoch fordert er den Bruder Herthegn zum Kampf mit scharfen Waffen und tötet ihn durch einen unritterlichen Stich in den Bauch. Er flieht nun an den Hof des Jarl Íron, dessen Dienstmann und Jäger er wird.85 Daß der berühmte Jäger Tristan dadurch in die unmittelbare Nähe von Írons Gemahlin und Tochter Isolde geraten ist, interessiert die Þiðreks saga nicht. Tristram verschwindet von der Bildfläche. Immerhin beobachtet man die Merkwürdigkeit, daß der Held zwar Tristram wie in der Tristrams saga heißt, die Heldin aber Isolde wie bei Gottfried von Straßburg. Hat es solche niederdeutsche Versionen wirklich gegeben oder sitzen wir nur einem Verwirrspiel des Redaktors der Þiðreks saga auf? Die Þiðreks saga entstand zur Zeit der französischen Prosaromane und hat mit diesen die Einführung vieler Randfiguren und Seitenzweige gemeinsam, die als entrelacements angesehen werden und sie zum „Schubladenroman“ („roman à tiroirs“) machen. Nicht immer dienen sie der Teleologie der Handlung, vielmehr bringen sie ein partikularistisches Nebenelement, das mit den Hauptsträngen der Handlung nichts zu tun hat, sondern, nach Art einer chronikalischen Darstellung, nur durch die Simultaneität ihrer Ereignisse den Anschein der Wahrheit erwecken sollen. Ich habe im Vorhergehenden versucht, auffällige motivliche Gemeinsamkeiten zwischen keltischen und nordgermanischen Dichtungen hervorzuheben. Sehen wir von der Möglichkeit ab, daß scheinbar höchst wichtige Übereinstimmungen zufällig bedingt sein mögen oder auch in viel tieferen Schichten der Sagenentstehung aus Mythos und Kult wurzeln und dann unabhängig gestaltet sein können, so scheinen die Elemente aus der *Kûdrûn und z. T. auch der Nibelungentradition (die Waberlohe) natürlich einem viel früheren Zeitraum anzugehören als die zuletzt erwähnten Tristanbezüge in der Þiðreks saga. Die letztgenannten Typen von Übereinstimmungen, zu denen nun noch weitere der Metrik, heiti- und kenningar84 85
Thidrekssaga, S. 305–308. Thidrekssaga, S. 270 f.
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Technik gehören, weisen auf eine große Traditionsgemeinschaft des Nordund z. T. auch Ostseeraumes, für die natürlich noch viel mehr Beispiele gebracht werden könnten. Ich widme diese Gedanken dem Freund Kurt Schier, unter dessen unvergeßlicher Führung ich die Färöer und Island kennenlernen durfte. Ein später Dank für tiefe Eindrücke!
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 125–150 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Königsmörder und Königsmacher Samen in fundierenden Erzählungen des Mittelalters von KLAUS BÖLDL Die Anfänge des Kontakts zwischen Nordgermanen und Samen auf der skandinavischen Halbinsel verlieren sich weitgehend im Dunkel der schriftlosen Zeiten, doch geht man aus linguistischen Erwägungen und auf der Basis der archäologischen Funde davon aus, dass ein mehr oder weniger intensiver Austausch zwischen den beiden Ethnien vielleicht bereits seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. stattgefunden haben müsse,1 der dann für die Vendelzeit, also ab dem 6. Jahrhundert, auch vielfach durch Funde belegt werden kann.2 Ethnologen, Linguisten und Historiker sind sich über die weitgehend friedliche Natur dieser Interaktionen einig; die Koexistenz zwischen den extensiv wirtschaftenden, vorwiegend nomadisch lebenden Samen und den primär Landwirtschaft betreibenden Skandinaviern stellt man sich gern als „some sort of symbiosis“3 vor; überhaupt wird der Begriff der ‘Symbiose’ häufig herangezogen, wenn das Verhältnis der beiden Völker zueinander charakterisiert werden soll. Nicht zuletzt scheinen auch die Parallelen in den religiösen Vorstellungen von wikingerzeitlichen Skandinaviern und Samen, die in der Forschung vor allem seit dem frühen 20. Jahrhundert in besonderer Weise das Interesse auf sich gezogen haben,4 einen intensiven Austausch zu indizieren. Dabei war man anfangs einheitlich der Auffassung, dass die Samen als die weniger ‘entwickelte’ Kultur der aufnehmende Partner in dieser Relation gewesen sei;5 ja, man hat in der 1 2 3 4 5
Vgl. z. B. Nesheim 1967, bes. S. 106. Vgl. Zachrisson 2004. Bergsland 1967, S. 53. Vgl Rydving 1990. So schreibt Axel Olrik (1914, S. 232 f.) im Hinblick auf die Weltsäulenvorstellung bei den Samen: „At den for Lappernes vedkommende er lånt, således som de fleste mere udformede religiøse skikke og begreber, derom råder der næppe nogen tvivl blandt forskere.“
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ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in den samischen Traditionen geradezu einen Speicher nordgermanischer religiöser Elemente sehen wollen, während man heute im Gegenteil dazu tendiert, einen „samischen Einfluss bei der Bildung der skandinavischen Götterwelt“6 vorauszusetzen. Eine besondere Rolle in der Diskussion hat die samische Gottheit Vearalden olmai bzw. Vearelden ålmaj oder Vearalden radie gespielt,7 die schon in den Berichten der Missionare des 17. und 18. Jahrhunderts bzw. ihrer Zuträger vielfach genannt wird. Diesen ‘Mann der Welt’ bzw. ‘Herrscher der Welt’ hat man mit Freyr identifizieren wollen, zum einen wegen der offenkundigen Fruchtbarkeitsfunktion dieser Gottheit, zum anderen aber, weil auch Snorri Sturluson in der Ynglinga saga Freyr als veraldar gud, als ‘Gott der Welt’ – oder in einer christlich-dämonologischen Auslegung des Terminus – als ‘Gott dieser Welt’ charakterisiert (ÍF 26, S. 25).8 Die nordische Herkunft des samischen Götternamens steht außer Zweifel; das gemeinsamische radien – ‘Herrscher’ – hängt mit altnordisch ráða zusammen, was ja ebenfalls u. a. ‘herrschen’ bedeutet. Samisch Veäralt (‘Welt’, ‘Luft’, ‘Wetter’, ‘Atmosphäre’) leitet sich von altnordisch verǫld, ‘Welt’, ab.9 Allerdings hat die besagte Fruchtbarkeitsgottheit unter den Samen viele Namen; die Bezeichnungen Vearalden olmai bzw. Vearalden radien sind überdies auf das Lule- bzw. Südsamische begrenzt. Wir haben es hier also offenbar nicht mit dem Transfer eines ganzen religiösen Komplexes, sondern lediglich eines Namens zu tun, der auch nur in einem begrenzten Gebiet rezipiert und auf eine bereits bestehende Gottheit appliziert wurde.10 Eine Rezeption in die andere Richtung, also samischen Einfluss auf die Konzeption nordischer Götter, hat man beispielsweise in Bezug auf Þjazi und Ullr diskutiert,11 aber etwa auch im Hinblick auf die magischen und ‘schamanistischen’ Aspekte Óðinns.12 Die Ehe zwischen dem Vanengott NjÄrðr und der Riesenfrau Skaði, die in der Edda als Ski fahrende Bergbewohnerin charakterisiert wird, hat man als mythische
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Kusmenko 2008, S. 352. Vgl. Mebius 2003, S. 64–67; Bäckman 1991. Vgl. Drobin 2001 Vgl. Bäckman 1991, S. 76 f. Vgl. Bäckman 1991, S. 81: „De många samiska namnen på denne gudom tyder [...] på, att detta atmosfäriska fenomen kan ha gestaltats i ett självständigt väsen redan i inhemsk tradition; alltså är guden som sådan inte ett lån, endast namnet och då endast i ett visst område.“ Vgl. Kusmenko 2008, S. 357–398 und die dort zitierte Literatur. Vgl. Buchholz 1968; Solli 2002.
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Kodifizierung einer ursprünglich engen Beziehung beider Ethnien gedeutet.13 Doch auf diese komplexe religionshistorische Problematik soll hier ebenso wenig eingegangen werden wie auf die unter dem Schlagwort ‘Schamanismus’ geführten Diskussionen über die samischen Wurzeln des seiðr.14 Gegenstand des vorliegenden Aufsatzes ist vielmehr die Funktion der Samen in einer Reihe von Sagaepisoden, die als fundierende Geschichten, d. h. als Mythen aufgefasst werden können. Aus dem besonderen Charakter dieser Erzählungen folgt, dass die samischen Handlungsträger eher als Mythologeme figurieren denn als historisch verortbare Gestalten, d. h. die Figuren werden reduziert auf bestimmte klischeehafte Eigenschaften, Verhaltensweisen und Fähigkeiten, die im jeweiligen Erzählzusammenhang sinnstiftend aktualisiert werden. Wie sich diese narrativen Muster zu den realen Erfahrungen der wikingerzeitlichen Skandinavier mit ihren samischen Nachbarn verhalten, ist mangels aussagekräftiger Kontexte freilich nur schwer auszumitteln. Jurij Kusmenko verleiht in seiner Studie Der samische Einfluss auf die skandinavischen Sprachen der Überzeugung Ausdruck, die norrönen Quellen belegten, „dass die Verbindung zwischen Samen und Skandinaviern zu heidnischer Zeit und in den ersten christlichen Jahrhunderten viel enger war als früher angenommen“.15 Tatsächlich fehlt es nicht an Texten, in denen der Same als integrierendes Element der altnorwegischen Lebenswelt, als „en naturlig del av det norröna samhället“,16 konzipiert wird. Aus dem Bereich der Skaldik liegen einige Zeugnisse vor, in denen der Ski fahrende Same geradezu als Merkmal Norwegens erscheint, wenn es etwa in einer anonym in der Snorra Edda überlieferten Strophe von Norwegen heißt: Erum á leið frá láði / liðnir Finnum skriðnu (Skáldskaparmál 1998, S. 93).17 Der auf Skiern die Weiten durcheilende Same – bis weit in die Neuzeit ein zentrales Stereotyp – figuriert auch in mehreren als trygðamál bezeichneten Schwurformeln, die sowohl in Gesetzestexten als auch in Sagas bewahrt sind.18 So wird beispielsweise in Kap. 72 der Grettis saga auf einem Thing eine Schwurformel gesprochen, in der es u. a. heißt:
13 14 15 16 17 18
Vgl. Mundal 1997, S. 42; Mundal 2004, S. 42. Vgl. z. B. Kusmenko 2008; Solli 2002, bes. S. 128–197; kritisch Haid / Dillmann 2007, S. 864. Kusmenko 2008, S. 349. Zachrisson 1997, S. 171; vgl. auch S. 174. „Wir entfernen uns von dem Land, in dem die Samen Ski fahren.“ Weitere Belegstellen bei Mundal 1997, S. 41.
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Sé sá griðníðingr, er griðin rýfr eða tryggðum spillir, rækr ok rekinn frá guði ok góðum mÄnnum, ok hvergi hæfr manna í milli ok svá frá Ällum út flæmðr sem víðast varga reka eða kristnir menn kirkjur sœkja, heiðnir menn hof blóta, eldr brennr, jÄrð grœr, mælt barn móður kallar ok móðir mÄg fœðir, aldir elda kynda, skip skríðr, skildir blíka, sól skínn, snæ leggr, Finnr skríðr, fura vex. (ÍF 7, S. 232)19
Die altnordischen Quellen belegen vielfältige friedliche und manchmal auch freundschaftliche Beziehungen zwischen den Skandinaviern und ihren nördlichen Nachbarn; auch für die noch näher zu behandelnden Mischehen findet sich eine Reihe von Beispielen, die vielleicht auf eine entsprechende reale Praxis verweisen. Die Gesamttendenz der norrönen Literatur bestätigt die bisweilen idyllisierende Sichtweise der Ethnologen und Linguisten auf die samisch-skandinavischen Relationen indessen keineswegs, und wenngleich die Christianisierung Norwegens und Schwedens seit dem 10. Jahrhundert einen signifikanten Wandel der Perspektive auf die im Heidentum verharrenden samischen Völker herbeigeführt hat, so kann daraus nicht notwendigerweise der Schluss gezogen werden, die Kontakte in den voraufgehenden Jahrhunderten seien durchweg harmonisch gewesen – zumal Friedfertigkeit gegenüber den Nachbarvölkern, besonders wenn diese wie die Samen mit ihren Pelzen über begehrte Schätze verfügen, nicht eben zu den hervorstechenden Merkmalen der Wikinger zählt. Die erheblichen Tributpflichten der Samen gegenüber den Nordnorwegern, von denen im Bericht des Ottar die Rede ist,20 zeugen von einem Abhängigkeitsverhältnis der Samen, das, wie Peter und Birgit Sawyer anmerken, an die Situation anderer von den Wikingern unterworfener Landstriche im christlichen Europa erinnert.21 Die Überlieferung von Þórólfr Kveld-Úlfssons Handelsfahrt nach Finnmark in Kapitel 10 der Egils saga, deren historische Zuverlässigkeit von Kurt Schier hervorgehoben wird,22 bestätigt die zumindest latent gewaltförmige Natur der norwegisch-samischen Relationen, wenn der Erzähler notiert, die Samen hätten bei den von Þórólfr initiierten Handelstreffen, wenn diese im Großen und Ganzen auch in Frieden und Freundschaft verlaufen wären, mitunter doch nur aus Furcht Entgegenkommen gezeigt 19
20 21 22
„Der sei ein Friedensbrecher, der den Frieden stört oder die Sicherheit verletzt, verabscheut von Gott und guten Menschen [...] und nirgends geduldet unter den Menschen u. vertrieben von allen, so weit man Wölfe jagt oder Christen Kirchen besuchen, das Feuer brennt, Säuglinge nach der Mutter rufen und die Mütter sie säugen, die Erde grünt, Schilde blinken, die Sonne scheint, Schnee liegt, der Same Ski fährt, die Föhre wächst“, usw. Vgl. Sawyer 2003, S. 391. Vgl. Sawyer 2002. S. 61 f. Vgl. Schier 1997, S. 337 f.; vgl. auch die Anmerkungen S. 248.
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([...] fór með þeim allt í makendum ok í vinskap, en sumt með hræzlugœði; ÍF 2, S. 27). Die sehr verschiedenartigen Formen des norwegisch-samischen Kontakts, die die Sagaliteratur realisiert,23 mögen im Einzelnen historisch zweifelhaft sein; in ihrer Gesamtheit aber spiegeln sie eine Koexistenz, die sicherlich Raum für verschiedenartigen kulturellen Austausch ließ, die aber auch von der militärischen Überlegenheit der Nordgermanen und einer daraus resultierenden, in ihrer Intensität sicherlich zeitlich und regional variierend intensiven Abhängigkeit geprägt war.24 Der Same gehört, wie sich namentlich in den trygðamál zeigt, zu den Konstanten der früh- und hochmittelalterlichen Alltagswirklichkeit im Norden. Es ist indessen nicht unumstritten, welche Regionen diese Wirklichkeit umfasst; die schwedische Archäologin Inger Zachrisson postuliert eine Ausdehnung des samischen Einzugsgebiets im Mittelalter bis nahe an die Nordgrenze des mittelschwedischen Uppland und bis in die Gegend nordöstlich des Oslofjords; demzufolge kamen die Samen also lediglich in den südlichen und südwestlichen Küstenregionen Norwegens sowie in Südschweden nicht vor.25 Während diese Auffassung in vielen neueren Arbeiten als Faktum behandelt wird,26 stößt sie in anderen auch auf Skepsis oder Ablehnung.27 Die Sagas situieren signifikante Begegnungen norwegischer Könige mit Angehörigen der samischen Ethnie in den südlichen Bereich der von Zachrisson umrissenen Zone, doch, wie bereits angedeutet wurde, sind gerade diese Episoden als historische Belege nur bedingt geeignet. Wo immer das samisch-skandinavische Grenzland angesiedelt werden muss, in jedem Fall dürfte in der Kontaktzone eine gewisse Zweisprachigkeit geherrscht haben, die die Kommunikation zwischen den beiden Gruppen ermöglicht hat. Ein Element in der mittelalterlichen Wahrnehmung der Nachbarn im Norden, das für die Samen als literarisches Motiv als geradezu konstitutiv gelten kann, ist das der Verknüpfung dieser Gruppe mit diversen magischen 23 24
25 26 27
Eine Übersicht über sämtliche in diesem Zusammenhang relevanten Quellen findet sich bei Zachrisson, 1997, S. 158–175. Freilich ist bei der Auswertung der norrönen Quellen zu beachten, dass diese fast ausschließlich das Verhältnis von Samen zu Angehörigen der skandinavischen Oberschicht in den Blick nehmen, und dies normalerweise dann, wenn Konflikte zu behandeln sind; über das alltägliche Zusammenleben ist aus den Sagas kaum etwas zu entnehmen. Vgl. Zachrisson 1996, S. 9 f.; Zachrisson 2004; Kusmenko 2008, S. 318 f. und die dort verzeichnete Literatur; ferner Solli 2002, Karte S. I. So von Solli 2002 Vgl. Baudou 2002, S. 31.
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Praktiken.28 Wenn sich in den Sagas insgesamt doch ein ambivalentes und in vielen Fällen auch negatives Bild der finnar abzeichnet, so ist dieses der stereotypen Festlegung der gesamten Ethnie als dem Zauber ergeben geschuldet. ‘Finne’ in der Bedeutung von ‘Same’ konnte, etwa im Volksmärchen, geradezu zum Synonym für ‘Zauberer’ werden. Die ostnorwegischen Gesetzessammlungen Eidsivathingslög und Borgarthingslög, deren erhaltener kristinn réttr auf das frühe 12. Jahrhundert datiert wird, verbieten den Menschen att trua á Finna (Eidsivathingslög I, cap. 45) sowie Samen aufzusuchen, um Informationen über die Zukunft einzuholen oder auf andere Weise von der magischen Macht der Samen zu profitieren (fara á Finnmerkr at spyrja spá; Borgarthingslög II, cap. 25).29 Wenn in diesem Kontext von finnmǫrk die Rede ist, so wird damit nicht die nordnorwegische Region Finnmark gemeint sein (deren heutige Ausdehnung nicht identisch ist mit der mittelalterlichen), sondern allgemein die Wälder, die – auch dies eines der gängigen Stereotypen – von alters her den Lebensraum der Samen bilden.30 Jedenfalls scheint das Verbot das Vorhandensein einer entsprechenden, von der Kirche bekämpften Praxis zu indizieren, die wir in den Sagas durchaus wiederfinden. Die Sagaepisoden, in denen Samen im weitesten Sinne magische Aktivitäten entfalten, lassen sich grob unterteilen in solche, in denen die Sagahelden davon profitieren, und solche, in denen Skandinavier – meist im Zuge eines Vergeltungsakts – dem Zauberwesen zum Opfer fallen. In irgendeiner Weise ist der Zauber also stets auf die skandinavischen Nachbarn bezogen und markiert in jedem Fall die Differenz zwischen beiden Gruppen. Die Zauberaktivitäten der Samen sind niemals selbstbezüglich, indem sie etwa der Bereicherung der eigenen Gruppe dienen (allenfalls der Speiseraub in der Hálfdanar saga svarta wäre evtl. in diesem Sinne zu deuten, s. u.). In den Isländersagas stammen Familien, in denen seiðr betrieben wird oder deren Mitglieder zu den ófreskir menn, Menschen mit dem zweiten Gesicht, rechnen, in einer beträchtlichen Anzahl aus Nordnorwegen, das auf diese Weise – mehr oder minder unterschwellig – zu einer magisch kontaminierten Landschaft stilisiert wird.31 Die Samen selbst bekommen Island aber, wie wir noch sehen werden, allenfalls bei einer ‘schamanistischen’ Seelenreise zu Gesicht.
28 29 30 31
Vgl. Hermann Pálsson 1997; Nesheim 1970; Solli 2002, S. 179–190. Vgl. auch Mundal 1996, S. 102. Vgl. Mundal 1996, S. 103. Vgl. Hermann Pálsson 1997, S. 28–37.
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* Folgt man der Chronologie des norwegischen Königshauses, wie sie in der norrönen Geschichtsschreibung seit dem 12. Jahrhundert entworfen wurde, so fallen die frühesten Kontakte von Ynglingenherrschern mit Repräsentanten der samisch-finnischen Sphäre32 bereits in die Jahrhunderte vor Beginn der Wikingerzeit. Neuere archäologische Untersuchungen scheinen dies zu bestätigen; so haben genetische Untersuchungen eines Skeletts in einem der Bootsgräber von Tuna in Alsike (Uppland) ergeben, dass der Bestattete väterlicherseits samische Wurzeln gehabt hat.33 In der Ynglinga saga ist in Zusammenhang mit finnar durchweg von ehelichen Verbindungen die Rede, da der dynastisch-genealogische Fokus dieser Saga kaum andere Kontaktformen in den Blick kommen lässt. Der erste König, der eine solche ethnische Grenzüberschreitung vollzieht, ist König Vanlandi in der Ynglinga saga. Über ihn berichtet Snorri Sturluson in Kapitel 13, dass einer seiner vielen Heerzüge ihn eines Winters auch nach Finnland geführt habe, wo er unter nicht näher erläuterten Umständen Drífa, die Tochter eines Herrschers namens Snjár inn gamli, zur Frau erhielt. Das Unheil nimmt seinen Lauf, als Vanlandi ohne seine Braut nach Hause fährt und sein Versprechen, nach drei Wintern zu ihr zurückzukehren, nicht hält. Nach zehn Jahren schickt Drífa eine Zauberin namens Hulð (Hulð seiðkona) nach Svíþjóð mit dem Auftrag, Vanlandi nach Finnland zu holen oder ihn zu töten, falls er nicht zu ihr zurückkehren wolle. Hulðs Zauberkünste lösen in Vanlandi zwar das Verlangen aus, nach Finnland zu fahren (Þá gerði hann fúsan at fara til Finnlands), seine Freunde und Ratgeber aber führen dieses Verlangen auf die Zauberkünste der Finnin zurück und verbieten ihm die Rückkehr, woraufhin Vanlandi in Schlaf verfällt und von einem dämonischen, den Albdruck personifizierenden Wesen namens Mara getötet wird (þá kafði hon hæfuðit, svá at þar dó hann; ÍF 26, S. 29).34 Es liegt auf der Hand, dass Vanlandis Untreue – zumindest an der Oberfläche des Textes – der Grund für sein tragisches Ende ist, wartet Drífa doch sogar noch sieben Jahre über die vereinbarte Frist hinaus auf seine 32
33 34
Anders als die Frauen in den unten behandelten Beispielen ist Vanlandis Braut explizit in Finnland beheimatet: Hann þá vetrvist á Finnlandi með Snjá inum gamla ok fekk þar dóttur hans, Drífu (ÍF 26, S. 28). Vgl. hierzu auch Holmberg 1976, S. 185 f. sowie Kusmenko 2008, S. 334, der darauf hinweist, dass das Wort ‘Finnland’ in den mittelalterlichen Quellen als Apellativum mit der Bedeutung ‘Land der Finnen’ zu verstehen sei, die keine nähere Differenzierung zwischen Finnen und Samen zulasse. Zu den Namen der Ethnien vgl. auch Koivulehto 1995, Edlund 2004 und Koht 1923 Vgl. Zachrisson 2004, S. 9 f. Zur Gestalt der Mara vgl. Raudvere 2001.
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Rückkehr und möchte ihn auch dann lieber zurückhaben als getötet sehen. Doch ist diese finnische Perspektive in der Logik der Erzählung nicht von Belang; als entscheidend zeigt sich vielmehr, dass Vanlandi schon bei seinem Aufenthalt in Finnland einem Zauber erlegen ist, der auch in der Folge einen unheilvollen Schatten über das Ynglingen-Geschlecht werfen wird. Auch im Falle von Haraldr Hárfagri wird die Ehe mit Snæfriðr durch einen Zauber angebahnt; ein deutlicher Hinweis auf die magische Kraft, die im Geschlecht des Finnenkönigs Snjár virulent ist, findet sich im Fundinn Noregr, in dem Snjárs Enkel Nórr durch Zauber die feindlichen Heerscharen in den Wahnsinn treibt (at úvinir þeirra urðu at gjalti, þegar þeir heyrðu heróp; Fornaldar sögur Nordrmanna II, S. 18). Schon die Namen des Schwiegervaters, Snjár (‘Schnee’), und der Braut, Drífa (‘Schneewehe’), indizieren, dass Vanlandi mit seiner Heirat eine fatale Grenzüberschreitung vollzogen hat – diese Namenssemantik kehrt auch in der Haralds saga hárfagra wieder, in der König Haraldr einer Samenprinzessin namens Snæfriðr verfällt (s. u.). Wie Preben Meulengracht Sørensen gezeigt hat, handelt es sich bei Ehen auf dieser sozialen Ebene in der Logik der Königssagas stets um Mesalliancen, da die Samen bzw. Finnen in diesem Kontext die Opposition zur Kultur verkörpern, also das Natur-Außen, die ChaosWelt, útgarðr,35 wobei der feindliche Aspekt dieser Sphäre noch durch die eine winterliche Natur assoziierenden Personennamen akzentuiert wird. Meulengracht Sørensen erblickt in der Episode, ausgehend von der Etymologie des Namens Vanlandi (‘Landsmann der Vanen’), vielleicht zu Recht einen historisierten Fruchtbarkeitsmythos, bei dem sich der Gott mit der Tochter des Winterkönigs vermählt und stirbt, im Frühjahr aber in Gestalt seines Sohnes wieder auflebt.36 Mit Vanlandis unrühmlichem Ende ist die genealogische Unordnung, in die das Ynglingengeschlecht geraten ist, indessen keineswegs bereinigt; durch Vísburr, den Sohn, der aus der Verbindung mit Drífa hervorgeht, bleibt das destruktive Natur-Element in der Dynastie präsent. Vísburr übernimmt nun die Herrschaft in Uppsala. Er heiratet eine Frau namens Auðr, die der we-group angehört, aber er wiederholt gleichsam das Verhaltensmuster seines Vaters und verlässt seine Frau, wodurch er gleichzeitig die aus dieser Verbindung hervorgegangenen Söhne um ihr Erbe bringt. Dies wiederum wird ihm zum Verhängnis: Mit Hilfe von Hulð, die ja schon Vanlandis Untreue gerächt hat, gelingt es den Söhnen, Vísburr nächtens in seinem Haus zu verbrennen. In den sprechenden Namen der beiden Knaben – Ǫndurr (‘Ski’) und Gísl (‘Skistock’) manifestiert sich weiterhin das finni35 36
Vgl. Meulengracht Sørensen 1977, S. 159–165. Vgl. Meulengracht Sørensen 1977 S. 165.
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sche Erbe im Ynglingengeschlecht, wenngleich sie nicht mehr die winterliche Natur, sondern bereits zu deren Bewältigung dienende Kulturgerätschaften assoziieren, also offenbar eine gegenüber ihrer Mutter bereits höhere Kulturstufe erreicht haben. Hulð bewirkt im Zusammenhang mit der Rache an Vísburr einen Fluch, dem zufolge es unter den Ynglingen immer wieder zu Verwandtenmord kommen werde und der mithin einen Schlüsselsatz der Heimskringla darstellt (at ættvíg skyldi ávallt vera í ætt þeira Ynglinga síðan; ÍF 26, S. 31). In der Ynglinga saga ist das finnisch-samische Element also ausschließlich negativ konnotiert; seine Integration in das Königsgeschlecht von Uppsala wirkt sich über viele Generationen hinweg destruktiv aus und stellt immer wieder die Herrschaftsordnung in Frage. Wenn etwa Vísburrs Sohn Dómaldi als ‘heilloser’ König von seinen Untertanen in Uppsala geopfert wird (vgl. ÍF 26, S. 32), so geht dies letztlich auf den Fluch zurück, den seine finnische Stiefmutter über ihn verhängt hat: Stjúpmóðir Dómalda lét síða at honum ógæfu (ÍF 26, S. 30). Mehrere Generationen später wird ein Goldring, der dem ‘Halbfinnen’ Vísburr gehört hat und um den sich seine Söhne mit Auðr gebracht sahen, König Agni zum Verhängnis, nachdem dieser – einem bereits vertrauten Handlungsschema folgend – in Finnland geheert und sich Skjálf, die Tochter eines finnischen Herrschers namens Frosti angeeignet hat: Skjálfs Männer erhängen den betrunkenen König an seinem Ring in einem Baum in Agnafit (vgl. ÍF 26, S. 37 f.). Der Fluch der Hulð seiðkona, durch den der Verwandtenmord bei den Ynglingen gleichsam zu einer historischen Konstante wird, behält seine Gültigkeit auch, nachdem das Geschlecht nach Vestfold, in die Region westlich des Oslofjords, ausgewandert ist; ja bis in die Entstehungszeit der Heimskringla im 13. Jahrhundert und darüber hinaus kommt es immer wieder zu Morden und Totschlägen in der Königsfamilie, die zu Snorri Sturlusons Zeiten in der Erschlagung des Jarls Skúli durch seinen Schwager, den König Hákon Hákonarson, im Jahre 1240 kulminieren sollte. Der in der Vorzeit ausgestoßene Fluch, so ließe sich die Hulð-Episode mit Meulengracht Sørensen deuten, motiviert den von innerdynastischer Gewalt gekennzeichneten Fortgang der norwegischen Königsgeschichte; zur Deutung einer ereignisgeschichtlichen Konstante wird ein mythisches Muster herangezogen.37 In der Ynglinga saga dient das ‘finnische Element’ also dazu, die Gefährdung der vom Herrschergeschlecht der Ynglinge repräsentierten Ordnungswelt durch die chaotisch-elementare Naturwelt zu veranschaulichen und gleichzeitig den sinistren Aspekt der norwegischen Geschichte zu 37
Vgl. Meulengracht Sørensen 1977, S. 165.
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interpretieren. Dass gerade Finnland als eine der Regionen des Ostens hier zur Gegenwelt der Zivilisation stilisiert wird, liegt ganz in der Logik der Fornaldarsögur und dürfte den mittelalterlichen Rezipienten ebenso unmittelbar eingeleuchtet haben wie das aus norröner Perspektive ja ebenfalls östlich gelegene Svíþjóð als Schauplatz jener negativen Urszenen, durch die das Muster der wiederkehrenden Verwandtenmorde in der späteren norwegischen Königsgeschichte transparent wird.38 Die anarchische Sexualität, mit der die finnische Sphäre die Uppsalakönige lockt – die Verbindungen Vanlandis und Agnis zu finnischen Frauen ergeben sich jeweils im Rahmen von Eroberungszügen – wirken sich im dynastischen System als schwerwiegende Störfälle in Form von Gatten- oder Vatermord aus.39 Es liegt hier also ein recht eindimensionales Oppositionsschema vor, in dem der finnischen Natur-Welt eine ausschließlich destruktive, gegen die sich in der nordischen Königsherrschaft manifestierende Kultur gerichtete Rolle zugeteilt wird. Ganz anders wird in den in späterer Zeit in Norwegen spielenden Sagas die Begegnung mit den finnar inszeniert und gedeutet, wobei es vielleicht eine Rolle spielt, dass in diesen eindeutig Samen gemeint sind, also Vertreter einer Ethnie, die nicht in einem fernen Land angesiedelt ist, sondern in unmittelbarer Nähe. * In der norrönen Historiographie nimmt Harald Schönhaar – Haraldr inn hárfagri Hálfdanarson – neben den beiden Bekehrerkönigen Óláfr Tryggvason und Óláfr Haraldsson inn helgi eine zentrale Position ein, schreiben die Traditionen diesem Herrscher doch die erste norwegische Reichseinigung zu. Der relativ große zeitliche Abstand, aus dem die norrönen Historiographen und die Sagaautoren die Gestalt Haralds konzipieren – als zeitgenössische Quellen für diese Zeit liegen nur einige Skaldendichtungen vor – und die immense Bedeutung, die man ihr gleichzeitig beimisst, erklären den hohen Grad an Mythisierung, die die Vorstellungen von Haraldr – übrigens zum Teil auch in der neuzeitlichen Geschichtsschreibung40 – kenn38 39
40
Vgl. Holmberg 1976. In gewisser Weise erscheint die finnische Sphäre auch als symbolischer Raum für das sexuelle Begehren der Könige, das nicht im Einklang mit den dynastischen Interessen steht; am deutlichsten wird dies an dem Verbot, das Vanlandis vinir […] ok ráðamenn – also die Vertreter der ‘Staatsraison’ – diesem gegenüber aussprechen, als er seinem Verlangen, nach Finnland zurückzukehren, nachgeben möchte; vgl. ÍF 26, S. 29. Vgl. Sverrir Jakobsson 1997.
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zeichnen. Haralds Verbindung mit der Samenprinzessin Snæfriðr gehört zweifellos zu den populärsten Episoden der Saga; indessen zeigt ein Blick in die gleichsam als Bindeglied zwischen der mythisch geprägten Ynglinga saga und der halbhistorischen Haralds saga hárfagra fungierenden Hálfdanar saga svarta, dass bereits bei der Etablierung der Herrschaft Haralds dem samischen Element eine wesentliche Rolle zukommt. In Kapitel 7 der Saga wird erzählt, wie Hálfdan unter seiner vollkommenen Traumlosigkeit leidet und einen Mann namens Þorleifr spaki um Abhilfe ersucht. Dieser gibt ihm den auf den ersten Blick recht seltsamen Rat, im Schweinestall zu nächtigen. Prompt hat der König dort einen Traum, in dem ihm ein Mann mit verschieden langen Locken erscheint, von denen eine goldene und besonders lange hervorsticht (en einn lokkr sigraði alla með fegrð ok ljósleik ok mikilleik; ÍF 26, S. 91). Þorleifr deutet den Traum, der die Haarsymbolik in der Haralds saga hárfagra vorwegnimmt, als Prophezeiung einer reichen und mächtigen Nachkommenschaft (wobei die goldene Locke dem Erzähler zufolge natürlich auf Olav den Heiligen referiert). Es liegt auf der Hand, warum Hálfdan gerade im Schweinekoben einen Traum hat, der ihm die glanzvolle Zukunft seiner Dynastie vor Augen führt: Schweine gehören bekanntlich zu den mit der Fruchtbarkeitsgottheit Freyr assoziierten Tieren, und Freyr begegnet in Kapitel 10 der Ynglinga saga als Begründer des Ynglingengeschlechts – Snorri rekurriert hier auf eine Tradition, die den Spitzenahn Yngvi mit Freyr identifiziert (Freyr hét Yngvi ǫðru nafni; ÍF 26, S. 24).41 Im Schweinestall wird also der Kontakt zum göttlichen (bzw. in Snorris euhemeristischer Logik vergöttlichten) ersten Ynglingenherrscher hergestellt, eine ‘Rückkopplung’, die Hálfdan dazu befähigt, in die Zukunft des Geschlechts zu blicken. Was dem König indessen vom Traum selbst wie auch vom Traumdeuter verschwiegen wird, ist der Umstand, dass er selbst ungeachtet der Ausweitung seines Herrschaftsgebiets und seiner Popularität im Volk bei der positiven Entwicklung des norwegischen Königshauses im Grunde keine Rolle spielt, da er früh und unter wenig rühmlichen Umständen sein Leben lässt. Sein Tod erscheint unmissverständlich als Folge samischer Machenschaften. Hálfdans Traumlosigkeit (Hálfdan konung dreymði aldri) wird in der Saga deutlich kontrastiert mit der Traumtätigkeit seiner als weise beschriebenen Frau Ragnhildr (Ragnhildi dróttningu dreymði drauma stóra, en hon var spǫk at viti; ÍF 26, S. 90), die ebenfalls, wie ihr Gatte, wenn auch in einer anderen Bildlichkeit, eine große Zukunft für ihr Geschlecht voraussieht; dass der untere Stamm des Baumes, der seine Äste über ganz Norwe-
41
Vgl. zu diesem Problem z. B. Faulkes 1978/79.
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gen erstreckt,42 blutrot ist, verweist vielleicht auch auf die Kämpfe, kulminierend in der Schlacht im HafrsfjÄrðr, die ihr Sohn im Zuge der Reichseinigung zu bestehen haben wird. Schon bei der Einführung Haralds in der Hálfdanar saga wird – mit sagatypischem Understatement – eine Abneigung zwischen Vater und Sohn konstatiert, die später zum offenen Konflikt gerät (Móðir hans unni honum mikit, en faðir hans minna; ÍF 26, S. 91). Als Hálfdan in Haðaland ein Julgelage veranstaltet, verschwinden durch einen Zauber alle vorbereiteten Speisen und Getränke von der Tafel (þar hvarf víst ǫll af borðum ok allt mungat).43 Die geladenen Gäste kehren daraufhin nach Hause zurück. Hálfdan nimmt einen in der Gegend herumstreifenden Samen gefangen, den er für den Schadenszauber verantwortlich macht und versucht vergeblich, ihm mittels Folter ein Geständnis abzuringen (vildi neyða hann till saðrar sǫgu ok píndi hann ok fekk þó eigi af honum). Der Same ruft Haraldr um Hilfe; dieser setzt sich bei seinem Vater um die Freilassung ein. Als Hálfdan dies ablehnt, flieht Haraldr mit dem Samen in die Wälder zu einem Hof, an dem gerade ein Gelage gefeiert wird, bei dem es an nichts fehlt. Als Haraldr im Frühjahr wieder aufbricht, eröffnet ihm das recht unbestimmt als hǫfðingi bezeichnete Oberhaupt des Hofs, dass sein, Haralds, Vater tot sei, und dass Haraldr nun seine Herrschaft antreten solle und darüber hinaus ganz Norwegen erlangen werde (Muntu þá fá ríki þat allt, er hann hefir átt, ok þar með skaltu eignask allan Nóreg). Tatsächlich ist Hálfdan, wie sich im folgenden letzten Kapitel der Saga erweist, auf dem Rückweg von Haðaland mit einem großen Teil seines Gefolges im Eis der RÄnd (Randsfjord) eingebrochen und ertrunken. Diese Episode, die Snorri weitgehend dem Ágríp entnommen hat, in dem allerdings der Anfang verloren ist, wirft eine Reihe von Fragen auf. Zum einen bleibt unklar, ob mit dem veizl[a] á Haðalandi, von dem Hálfdan nach Hause fährt, immer noch das vereitelte Julgelage gemeint ist, da der Einbruch in den Randfjord um vár (ÍF 26, S. 92) passiert.44 Vor allem aber ergibt sich der Eindruck einer deformierten Überlieferung aus dem Umstand, dass die Verbindung zwischen dem Samen und dem hǫfðingi, der Haraldr bei sich aufnimmt, ebenso dunkel bleibt wie die Identität des letzte42 43
44
Deutlich wird hier auf das im 13. Jahrhundert besonders populäre ‘Wurzel-Jesse’Motiv rekurriert; vgl. Turville-Petre 1987. Bereits Moltke Moe hat die Parallelen mit der walisischen Legende von Llud und Lleeuelys aus dem Zyklus Mabinogion beobachtet und eine mündliche Vermittlung des Stoffs nach Skandinavien vermutet, wo dieser sich zwanglos mit Volkssagen über Huldren und andere übernatürliche Wesen verbinden konnte, die bei Gastmählern unsichtbar zugegen sind und Fässer und Kessel leeren; vgl. Moe 1926, S. 107–113, bes. S. 111 f. sowie Dillmann 2000, S. 434 f. Vgl. Dillmann 2000, S. 435.
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ren, dem doch offenkundig eine wichtige Rolle bei den zum Herrschaftsantritt Haralds führenden Ereignissen zukommt. Sophus Bugge hat in seiner Studie Mythiske Sagn om Halvdan Svarte og Harald Haarfagre für die ursprüngliche Identität sowohl des Samen als auch des mysteriösen hǫfðingi mit Óðinn plädiert. Dieser Schluss ergibt sich für ihn aus dem Vergleich mit der stark abweichenden Überlieferungsvariante, die sich in der Flateyjarbók findet, sowie mit der Prosaeinleitung des Eddaliedes Grímnismál, die mit den Überlieferungen von Hálfdan svarti ebenfalls einige signifikante strukturelle und motivische Übereinstimmungen aufweist. Die Version des in der Flateyjarbók überlieferten Þáttr Halfdanar svarta folgt zunächst im Wesentlichen dem oben skizzierten Handlungsverlauf, doch erfolgt der Tod Hálfdans hier nicht im Zusammenhang mit dem missglückten Festmahl; es schließt sich vielmehr eine Episode an, in der Haraldr sich erneut mit den seinem Vater feindlich gesinnten Mächten solidarisiert. Wieder wird Hálfdan bestohlen, diesmal um Gegenstände aus seinem Königsschatz (fee mikit ok grípir godir hurfu ór gullhuse konungs; Flateyjarbók, S. 564), wieder wird der Übeltäter, in diesem Fall der Troll oder Bergriese Dofri, festgesetzt und von Hálfdan schonungslos behandelt; und auch hier kommt der Gefangene dank Haralds Hilfe frei. Haraldr wird von seinem Vater daraufhin verstoßen, trifft in der Wildnis erneut auf Dofri und wird von diesem für fünf Jahre in seine Höhle aufgenommen und erzogen. Am Ende dankt Dofri Haraldr für seine Rettung, indem er ihm den Tod des Vaters mitteilt, wobei er seine Verantwortung dafür andeutet (fadir þinn er daudr ok var ek þar ekki fiarre; Flateyjarbók, S. 566). Wie vorher schon der höfðingi, verheißt ihm der Troll eine große Zukunft; außerdem veranlasst er Haraldr, bis zur Erlangung der Alleinherrschaft sein Haar nicht mehr zu schneiden (bei Snorri verfällt der junge König selbst auf diesen Gedanken; vgl. ÍF 26, S. 97).45 Es scheint, als habe der Verfasser der Flateyjarbók zwei stark divergierende Varianten ein und derselben Geschichte aneinandergereiht. In der Prosaeinleitung der Grímnismál, dem ältesten der Vergleichstexte,46 erscheint das Motiv des Diebstahls von Speis und Trank von einem Festgelage transformiert in den gegen den König Geirroðr erhobenen Vorwurf, er lasse seine Gäste beim Festmahl darben. Wird in der Hálfdanar saga der Finne festgesetzt, der mutmaßlich die leere Tafel beim Gelage in 45
46
Die Episode mit Dofri als „Königsmacher“ diskutiert auch Schulz 2004, S. 276– 278, die dabei aber nicht auf den samischen Aspekt Dofris zu sprechen kommt. Zu der Überlieferung von Haraldr ‘Dofrafrosti’ vgl. auch Motz 1996. Vgl. zu den Quellen und Parallelen dieses Liedes Sprenger 1999, S. 45; de Vries 2000, I S. 45 f.; Gering 1927, S. 181 f.
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Haðaland zu verantworten hat, so ist es in den Grímnismál der Fremde, dem irrtümlich die Verbreitung des Gerüchts vom Geiz Geirroðrs zugeschrieben wird (das tatsächlich von Frigg gestreut wurde). Dieser fremde Wanderer ist freilich niemand anderer als Óðinn selbst. Und wieder ist es der – wie in der Hálfdanar saga zehnjährige – Sohn des Königs, der sich für den Gefangenen verwendet, die vom Vater durchgeführten Foltern verurteilt (sagði, at konungr gorði illa, er hann lét pína hann saclausan) und ihm ein Trinkhorn reicht. In den Strophen, die Óðinn im Folgenden spricht, wird der Zusammenhang zwischen dem alten König, der es, aus welchen Gründen auch immer, an Speisen fehlen lässt und dafür büßen muss, und dem indirekt daraus resultierenden Aufstieg seines Sohnes bündig formuliert: Átta nættr sat ec milli elda hér, / svá at mér mangi mat né bauð // nema einn Agnarr, / er einn scal ráða, // Geirroðr sonr, / Gotna landi [Edda, S. 57].47 Aus den Parallelen der drei Überlieferungen zieht Bugge den Schluss, die Episode der Hálfdanar saga repräsentiere einen historisierten Mythos vom göttlichen ‘Königsmacher’; die Vorstellung, Óðinn selbst als Siegesgott habe Haraldr Hárfagri in den Stand gesetzt, zum ersten Alleinherrscher über Norwegen zu werden, sei für die hochmittelalterliche Historiographie offenkundig nicht mehr akzeptabel gewesen. Die Überlieferung zu Haralds Inthronisation wäre daher gleichsam einem Entsakralisierungs- und Verschleierungsprozess unterworfen worden, bei der die Dofri-Erzählung der Flateyjarbók, obwohl jünger als Snorris Erzählung, Bugge zufolge eine Zwischenstufe darstelle. Denn zwar steht auch Dofri außerhalb der christlichen Sphäre, doch mag dieses burleske Wesen des Volksglaubens, das vom Autor der Flateyjarbók auch in launigen Szenen geschildert wird, für einen Autor des Spätmittelalters als ‘Königsmacher’ annehmbarer gewesen sein als der heidnische Kriegsgott. Was Óðinn und den Troll verbinde, sei das Motiv der verschwundenen Speisen, insbesondere zur Julzeit, und überhaupt die Assoziation der Trolle wie auch Óðins mit dieser festlichen Zeit des Jahres (vgl. den Óðinsnamen Jólne, den der Verfasser des Ágríp zur Erklärung von iol anführt).48 Die Interpretation der intertextuellen Relationen zwischen den Grímnismál und den Varianten der Hálfdan-Episode in der hoch- und spätmittelalterlichen Historiographie ist zweifellos mit einigen Schwierigkeiten verbunden; so ist gegen Bugges Verknüpfung von Grímnismál-Prosa und 47
48
„Acht Nächte / saß ich hier zwischen den Feuern, // sodass mir niemand Speise bot, // außer dem einen, Agnarr, der allein herrschen soll, // Geirrods Sohn, / über der Goten Land.“ Vgl. Bugge 1900, S. 9 f.
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Hálfdan-Sage eingewendet worden, dass beiden Traditionen das verbreitete ‘Eisenhans’-Motiv zugrunde liege; „beide Sagen können sehr wohl unabhängig voneinander aus jener Märchenquelle geschöpft haben.“49 Andererseits ist die Vorstellung von Óðinn als Sieg bringendem Helfer der Könige auch sonst nicht unbekannt; so wird etwa auf dem Opferfest von Hlaðir der erste Becher auf Óðinn für den Sieg des Königs geleert.50 Zudem erschöpfen sich die Parallelen nicht im ‘Eisenhans’-Motiv; vielmehr scheint auch das Motiv des unzureichenden Gastmahls, das das Versagen der königlichen Ernährerfunktion symbolisiert, eine zentrale Rolle zu spielen.51 Für den hier in Rede stehenden Zusammenhang aber lässt sich jedenfalls festhalten, dass das samische Element in der Überlieferung vom Untergang Hálfdans und vom Aufstieg seines Sohnes wohl nicht ursprünglich sein dürfte, da es sich um ein verbreitetes Schema handelt, bei dem die Position des vom alten König gefangen genommenen und vom jungen König befreiten Fremden von den verschiedensten Figuren besetzt werden kann. Es stellt sich daher die Frage, warum die Vorstellung vom übernatürlichen Sieghelfer, nachdem sie ihres religiösen Sinns entleert wurde, auch noch in die Haraldr hárfagri-Tradition des 13. und 14. Jahrhunderts eingeschrieben ist, und warum in dieser späten Konfiguration die Sieghilfe zwar nicht mehr von einem heidnischen Gott, aber doch noch immer von einer höchst fragwürdigen heidnischen Gestalt gewährt wird, sodass im Hinblick auf eine ‘Reinigung’ der mythischen Voraussetzungen für Haralds Reichseinigungswerk allem Anschein nach wenig gewonnen ist. Auf der Ebene der Narration bildet der samische Motivkomplex ohnehin gewissermaßen ein Überschusspotential, denn auch ohne samische Unterstützung wäre Haraldr Halfdans Nachfolger geworden. Der frühe Zeitpunkt der Herrschaftsübernahme und vor allem auch die von Haraldr zu gewärtigende, nie dagewesene Machtfülle werden indessen ohne Not mit samischer Zauberhilfe motiviert. Ähnliches gilt im Übrigen für die Erziehung Haralds in der Höhle Dofris (von der außer der Flateyjarbók auch die Barðar saga Snæfellsáss zu berichten weiß), sofern man sich Else Mundals These anschließen will, 49 50
51
Schröder 1958, S. 344. Vgl. ÍF 26, S. 168: […] sá, er gerði veizluna ok hǫfðingi var, þá skyldi hann signa fullit ok allan blótmatinn, skyldi fyrst Óðins full – skyldi þat drekka til sigrs ok ríkis konungi sínum – en siðan Njarðar full ok Freys full til árs ok friðar. Nur am Rande sei hier erwähnt, dass Geiz in Bezug auf Nahrung im Ynglingengeschlecht öfter erwähnt wird; so heißt es in der Ynglinga saga von Hálfdan svartis Großvater Hálfdan Eysteinsson, hann svelti menn at mat (ÍF 26, S. 78), und auch Haraldr selbst zeigt sich einmal darüber unzufrieden, dass allzu viele Leute an einem seiner Festmähler teilnehmen und dabei viel Met konsumiert wird (vgl. ÍF 26, S. 127 f.)
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Dofri sei ein Repräsentant des samischen Volkes und Haraldr „samefolket sin utvalde man som dei tek til seg som sin fosterson“.52 In diesem Zusammenhang ist eine weitere samische Gestalt von Interesse, die im Leben des Königs Haraldr eine wichtige Rolle spielt, nämlich die schon erwähnte Samenprinzessin Snæfriðr. Auch diese Episode hat Snorri weitgehend wörtlich dem Ágríp entnommen. Auf die Veranstaltung eines Samen namens Svási hin kommt es – wieder einmal zur Julzeit – zu der Begegnung zwischen dessen Tochter Snæfriðr und Haraldr; dieser entbrennt, nachdem er von ihr einen Becher mit Met gereicht bekommen hat, sofort in Liebe (þegar var sem eldshiti kvæmi í hǫrund hans; ÍF 26, S. 126). Svási freilich fordert, dass um seine Tochter ordnungsgemäß geworben werde. Der König freit also um sie und erhält sie zur Frau; seine Liebe erweist sich als so groß, dass er nach ihrem Tod gebannt an ihrem Lager sitzt, den Blick nicht von ihr wenden kann und darüber seine Regierungsgeschäfte vergisst. Þorleifr spaki, der uns bereits als Ratgeber und Traumdeuter von König Hálfdan begegnet ist, befreit Haraldr mit einer List von dem magischen Bann: Als vornehme Frau, stellt er dem König vor, liege sie schon allzu lange in denselben Laken und sollte unbedingt umgebettet werden. Schon bei der ersten Berührung zeigt Snæfriðr alle Zeichen von Verwesung und verströmt Leichengeruch; als man ihren rasch blau verfärbten Leichnam verbrennt, entweichen Würmer, Eidechsen, Frösche, Kröten und anderes Ungeziefer aus ihrem Leib (ullu ór ormar ok eðlur, froskar ok pǫddur ok alls kyns illyrmi; ÍF 26, S. 127). Haraldr erlangt seinen Verstand zurück und will anfangs, erbost über den Zauber, dem er zum Opfer gefallen ist, die vier Söhne, die aus der Verbindung hervorgegangen sind, nicht anerkennen, doch gelingt es einem der vier, Guðrøðr ljómi, ihn umzustimmen (vgl. ÍF 26, S. 127 f.). Auch dieses Motiv vom König, der – meist mittels eines Liebeszaubers – noch nach dem Tod seiner Frau hinaus krankhaft auf diese fixiert bleibt, ist seit der Antike weit verbreitet; so soll auch Karl der Große, zweifellos ein historisches Vorbild Haralds, der Sage zufolge in seinen späten Jahren eine solche nekrophile Bindung mit seiner letzten Gattin Fastrada unterhalten haben.53 In der Saga wird das Motiv geschickt zur Veranschaulichung der Problematik samisch-nordischer Verbindungen funktionalisiert: Die kraft des magischen Tranks ins Übernatürliche gesteigerte eheliche Zuneigung Haralds gefährdet seine Herrschaft, indes seine übrigen Heiraten diese gerade festigen. Der Unterschied zwischen den finnischen Mesalliancen der schwedischen Ynglingenkönige und Haralds samischer Ehe ist gleichwohl 52 53
Mundal 1997, S. 47. Vgl. Fenske 1999, Sp. 1347 f.
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nicht zu übersehen: Zwar spielt auch hier beim Zustandekommen der Liebesverbindung wie erwähnt Magie eine Rolle, und wie bei Vanlandi impliziert der Liebeszauber eine Pflichtvergessenheit, die das Einschreiten eines entschlossenen Gefolgsmanns veranlasst, doch liegt bei Haraldr kein schuldhaftes Verhalten gegenüber seiner fremden Braut vor, und schon deshalb erwachsen aus der Heirat diesmal keine verhängnisvollen Folgen; auch weisen die vier Söhne, die Haraldr mit Snæfriðr gezeugt hat, keine dämonischen oder destruktiven Züge auf. Der Genealogie der Heimskringla zufolge war König Haraldr harðráði, der bei der Schlacht von Stamford Bridge am 25. September 1066 fiel, aber eine noch zu Snorris Zeiten regierende Dynastie hinterließ, ein Ur-Urenkel von Snæfriðr und Haraldr hárfagri.54 Was in der Ynglinga saga noch scheiterte, scheint in der Haralds saga hárfagra letztlich doch zu gelingen, nämlich die fruchtbringende Integration des finnischen resp. samischen Elements in das nordische Herrschergeschlecht. Else Mundal hat im Zusammenhang mit dieser Tradition von einer ‘Reichssammlungsmythe’ (rikssamlingsmyte) gesprochen.55 Auch die samische Sphäre war Bestandteil des Reichs, das Harald einte, und wenn Svási den König aufsucht, um ihn mit seiner Tochter zusammenzubringen, so symbolisiere dies die aktive Partizipation der Samen an diesem politischen Prozess.56 Svásis Verhalten erscheint in diesem Kontext also als eine ehrenvolle Unterwerfungsgeste; die Verheiratung seiner Tochter mit dem König kommt einer freiwilligen Eingliederung der samischen Welt in den Herrschaftsbereich des Norwegerkönigs gleich, wenn auch das dafür eingesetzte magische Mittel auf längere Sicht seinen Zweck verfehlen muss. Immerhin zeigt diese Episode, dass die Positionierung der Samen auf die Repräsentanz der Nicht-Kultur, einer ausschließlich bedrohlichen und destruktiven chaotischen Außenwelt, wie wir sie in der Ynglinga saga vorgefunden haben, keineswegs ein unveränderliches Erzählmuster darstellt. Vielmehr ist den literarisch geformten Begegnungen zwischen Samen und Königen zumindest nach der Auswanderung der Ynglingar nach Norwegen eine deutliche Ambivalenz eingeschrieben, die einerseits mit den historischen Realitäten zusammenhängen könnte, andererseits aber auch einer gewissen mythischen Logik folgt. Die Geschichte von Snæfriðr macht freilich deutlich, dass die ‘Samen’ der Haralds saga hárfagra nicht anders als die ‘Finnen’ der Ynglinga saga einer anderen Ordnung angehören als die norwegischen Teilstämme. Die 54 55 56
Vgl. Mundal 1997, S. 51; Mundal 2000, S. 351. Mundal 1997, S. 46. Vgl. Mundal 1997, S. 47.
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Heirat mit Töchtern von Regionalherrschern war ein wichtiges kohärenzstiftendes Moment in Haralds Einigungswerk, doch nur im Falle Snæfriðrs nimmt die eheliche Verbindung übernatürliche, ja dämonische und letztlich auch bedrohliche Züge an, denn die Tochter des im Ágrip auch als Riesen bezeichneten Svási ist als Repräsentantin der samischen Sphäre letzten Endes ein útgarðr-Wesen. Es sei dahingestellt, ob man eine solche Ehe zwischen einer útgarðr-Frau und einem König als – in diesem Fall historisierten – hieros-gamos-Mythos deuten kann, wie Gro Steinsland dies versucht hat;57 dass aber deutliche Parallelen zwischen dem aus dem Eddalied Skírnismál bekannten Mythos von Freyrs Werbung um die Riesentochter Gerð vorliegen, hat auch Else Mundal deutlich gemacht.58 Einem anonymen Skaldengedicht aus der Zeit um 1200 zufolge erschien Snæfriðr Haraldr sólbjǫrt, ‘sonnenhell’ – in den Skírnismál ist es das von den Armen der Riesin ausgehende Licht, das Freyr bereits aus der Ferne mit unstillbarer Liebe erfüllt (armar lýsto, / enn af þaðan // alt lopt oc lǫgr; Edda, S. 70). Auch eine Reihe anderer Riesenfrauen werden mit einer solchen Lichtmetaphorik assoziiert; im Zusammenhang mit Menglǫð gebrauchen die Fjǫlsvinnsmál ebenfalls den Ausdruck sólbjǫrt.59 Lexikalisch wird Snæfriðr mithin in nächste Nähe zu Riesenfrauen gerückt, und zwar insbesondere zu solchen, die Göttern als attraktive Liebes- und Heiratsobjekte erscheinen. Else Mundal meint in der rekurrenten Lichtmetaphorik, die sich in den Beschreibungen der Riesinnen wieder finden lässt, Spuren einer samischen Sonnengöttin zu erkennen.60 Haraldr realisiert durch die Verbindung mit Snæfriðr also jene extreme Form der Exogamie, die als abstammungsideologische Konstante in der altnordischen Überlieferung vielfach präsent ist und dem betreffenden Geschlecht einerseits Anciennität zusichert (ist das Geschlecht der Riesen doch der Edda zufolge älter als das der Götter und daher nicht zuletzt auch in besonderer Weise Träger von Weisheit),61 andererseits aber auch der Genealogie eine bedeutungssteigernde Heterogenität und Weite verleiht.62 Die Logik hinter der Snæfriðr-Episode und der Geschichte von der Elimi57 58 59 60 61 62
Vgl. Steinsland 1991; dagegen Motz 1996, S. 76–78. Als Ehefrau Freyrs wird Gerðr zur Stammmutter der Ynglinge: Gerðr Gymisdóttir hét kona hans. Sonr þeira hét Fjǫlnir. (ÍF 26, S. 24.) Vgl. Mundal 1997, S. 50; Mundal 2000, S. 352. Vgl. Mundal 2004, S. 43–45. Vgl. Schulz 2004, S. 61 f. Wie Meulengracht Sørensen 2001a zeigt, gehen aus extrem exogamen Verbindungen oftmals auch äußerst problematische, mit dämonischen Zügen versehene Helden hervor, wofür Egill Skallagrímsson sicher das berühmteste Beispiel ist; vgl. hierzu auch Schier 1996, S. 311–314.
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nierung Hálfdans liegt also darin, dass in beiden Fällen die Herrschaft wesentliche fundierende bzw. stabilisierende Impulse von ‘außen’, aus der riesisch-samischen útgarðr-Sphäre erfährt. * Auf eine andere Herrschaftsform abzielend, aber doch vergleichbar, ist der Fall von Ingimundr, einem Gefolgsmann Haralds, von dem in der Vatnsdœla saga berichtet wird. Hier zeigt sich, dass das samische Element im Diskurs der Herrschaftsfundierung auch auf die isländische Landnahmeüberlieferung übertragen werden kann. Der Protagonist des ersten Teils der im westlichen Nordland angesiedelten Isländersaga, Ingimundr, ist ein tapferer Held und ein erfolgreicher Kaufmann, der sich und seine Mannschaft in der berühmten Schlacht im HafrsfjÄrðr dem König zur Verfügung stellt. Zur Belohnung erhält er vom König ein Freyr-Amulett, das die Glückhaftigkeit Ingimunds fundiert bzw. weiterhin gewährleisten wird.63 Allerdings kommt ihm dieser hlutr abhanden; eine samische Weissagerin prophezeit ihm, er werde ihn in Island wiederfinden. Nach Island überzusiedeln verspürt Ingimundr, der in der höchstmöglichen Gunst des Königs steht und in Norwegen Reichtümer angesammelt hat, jedoch nicht das geringste Verlangen. Um Gewissheit über den Verbleib seines Talismans zu erlangen, engagiert er drei Samen (Hann sendir eptir Finnum, ok kómu norðan þrir; ÍF 8, S. 34), eine ‘Botenfahrt’ (sendiferð) nach Island zu unternehmen und den verlorenen Gegenstand zu suchen. In ihrem Gespräch mit Ingimundr bezeichnen sich die Samen zweimal selbst als semsveinar – der einzige westnordische Beleg, in dem der Begriff ‘Same’ anklingt.64 Die nun folgende Zauberveranstaltung wird außerordentlich ausführlich geschildert. Die Samen ziehen sich in ein Haus zurück, und nach drei Nächten erhält Ingimundr Bescheid über das Resultat der Botenfahrt. Die Landschaft, in der sich das Amulett befindet, wird ihm genau beschrieben. Die Samen entdecken das Amulett in einem von zwei kleinen Wäldern, doch es gelingt ihnen nicht, seiner habhaft zu werden, da es vor ihren Händen jeweils davonspringt – Ingimundr müsse die Fahrt selber unternehmen, wenn er sein Amulett zurückhaben wolle: 63
64
Meulengracht Sørensen hat herausgearbeitett, dass Ingimunds Treue gegenüber Freyr nicht nur ein Element der Textoberfläche darstellt, sondern dass dem Landnahmebericht ein mythisches Schema unterlegt ist, das aufs Engste mit den Funktionen und Attributen Freyrs verknüpft ist; vgl. Meulengracht Sørensen 2001a. Vgl. Hermann Pálsson 1997, S. 15 f.
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þar í holtinu Äðru var hlutrinn, ok er vér ætluðum at taka hann, þá skauzk hann í annat holtit, ok svá sem vér sóttum eptir, hljóp hann æ undan, ok nÄkkur hulða lá ávallt afir, svá at vér náðum eigi, ok muntu sjálfr fara verða. (ÍF 8, S. 35.)65
Dass die Samen das Amulett nicht an sich bringen können, indiziert die auch sonst immer wieder betonte Schicksalhaftigkeit des Vorgangs. Eigenartig ist freilich, dass die Zauberkraft der Seherin bewirken soll, was eigentlich auf der besonderen Beziehung Ingimunds zu Freyr beruht, nämlich die Ansiedlung an dem von der Fruchtbarkeitsgottheit vorgesehenen Ort. Immerhin ist im Hinblick auf die eingangs kurz skizzierte Diskussion um Vearalden olmai interessant, dass offenbar eine Beziehung zwischen der samischen Zauberin und Freyr besteht. Ingimundr sperrt sich jedenfalls nun nicht länger gegen die Auswanderung; nach einiger Zeit findet er den Ort, den ihm die Samen gewiesen haben und entdeckt sein Freyr-Amulett in dem Loch, das er für seinen Hochsitzpfeiler ausgehoben hat (ok er hann gróf fyrir ǫndvegissúlu[m], þá fann hann hlut sinn, sem honum var fyrir sagt; ÍF 8, S. 42).66 Das Glück bleibt ihm auch in Island treu; er errichtet eine Wirtschaft, die, wie die Saga an verschiedenen Stellen deutlich macht, unter dem besonderen Schutz der Fruchtbarkeitsgottheit Freyr steht; das Geschlecht, das er begründet, gehört zu den führenden in Island. Ingimunds Ende ist dann allerdings – vergleichbar dem vieler Vertreter der auf Freyr zurückgehenden Ynglingendynastie – ein gewaltsames (vgl. ÍF 8, S. 61). Was die Geschichte von Ingimundr und die des jungen Königs Haraldr miteinander verbindet, ist der Umstand, dass ein glückhafter und machtvoller Lebensweg von Angehörigen der samischen Gruppe nicht nur prophezeit, sondern auch mit initiiert wird, im Fall Haralds durch die Eliminierung des ungeliebten Vaters, im Fall Ingimunds dadurch, dass ihm durch beide samischen Seancen nahegelegt wird, sein Glück in Island zu suchen, was er aus eigenem Antrieb nicht getan hätte. Offenbar liegt hier ein Deutungsmuster vor, das wiederum die samisch-skandinavische Begegnung nicht als zerstörerischen Einbruch der Natur in die kulturelle Ordnung konzipiert, wie in der Ynglinga saga, sondern bei dem die magischen und divinatorischen Kompetenzen der Samen in den Dienst des Helden gestellt werden und somit positiv bewertet wird, was ansonsten als heidnisch gilt – ist es doch auffällig, dass in den norwegischen Gesetzen gerade das als verbotene
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„[…] da in dem einen Wäldchen lag das Los. Und als wir es ergreifen wollten, da schoß es in ein anderes Gehölz, und so sprang es immer fort, wenn wir danach griffen, und ein Schleier lag beständig darüber, sodass wir es nicht fassen konnten, und du wirst selber fahren müssen.“ Vgl. zu dieser besonderen Symbolik Meulengracht Sørensen 2001a, S. 183 f.
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Praxis gebrandmarkt wird, was dem freilich noch der Heidenzeit zugehörigen Ingimundr auf seinen Glücksweg bringt. * Die Episoden aus der Überlieferung zu Haraldr Hárfagri und aus der Vatnsdœla saga – die sich noch durch andere ergänzen ließen – bieten also eine Perspektive auf die zauberkundigen Samen an, die der dämonisierenden und stigmatisierenden Sicht der in dieser Hinsicht kirchlich inspirierten Gesetze zuwiderläuft. Diese letztere Konzeption, die die Samen als Heidenvolk aus der Ökumene ausgrenzt, ihre vorgeblich übersinnlichen Kompetenzen betont und diese als vom Teufel gestiftet und daher verderblich für das Seelenheil des Christenmenschen darstellt, war durchaus zu erwarten, sie befindet sich ganz im Einklang mit der mittelalterlichen Heidentheologie (die ja auch in den Bekehrungsepisoden der Heimskringla immer wieder zum Tragen kommt) und bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung. Welche Vorstellung aber liegt dem Erzählmuster zugrunde, bei dem der Begegnung mit dem samischen Element eine zentrale, ja eine geradezu initiatorische Funktion in der Biographie des Helden zukommt? Es ist wohl gerade die schon mehrfach angesprochene Positionierung der Samen außerhalb der Ordnungswelt, ihre Festlegung auf den chaotischen Außenraum, mythologisch gesprochen: auf útgarðr, die sie in einem nicht-christlichen Bereich des norrönen Weltbilds zu einem ambivalenten, in gewissen Kontexten sogar positiven Element erheben. Dass die chaotischen útgarðr-Kräfte, anders als im christlichen Dualismus, durchaus an der Ordnungswelt teilhaben, indem ihre Potenzen in kanalisierter und kontrollierter Form für das Ordnungssystem fruchtbar gemacht werden und dessen Dynamik gewährleisten, ist in der altnordischen Überlieferung vielfach belegt. So ist bereits Óðins Mutter Bestla eine Riesin und mithin eine Repräsentantin von útgardr, der Wächtergott Heimdall hat gar neun dem Geschlecht der Riesen entstammende Mütter; der zentrale Mythos von Freyr handelt von seiner Werbung um das Riesenmädchen Gerð; und desgleichen entstammen die Mütter zahlreicher nordischer Helden der Welt außerhalb des strukturierten Macht- und Ordnungsbereichs.67 Der Held vereint also in sich auf eine ebenso prekäre wie ihn über menschliches Normalmaß hinaustragende Weise die Kräfte des Chaotischen und des Strukturierenden, der dämonischen Natur wie der gemeinschaftsstiftenden Kultur. Gerade die im Eddalied Skirnismál thematisierte Eheanbahnung zwischen Freyr und 67
Vgl. Meulengracht Sørensen 2000b.
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Gerð illustriert, dass die Chaoskräfte nicht abgewehrt, neutralisiert oder gar eliminiert, sondern den struktur- und ordnungsgenerierenden Mächten unterworfen werden. Zu diesen ordnungsstiftenden Mächten ist auch Haraldr hárfagri mit seinem Reichseinigungsprojekt zu rechnen, dessen Beginn durch den Samenzauber ins Werk gesetzt wird – und ebenso sein Gefolgsmann Ingimundr, dessen Landnahmeprojekt in Island seine Voraussetzung in den divinatorischen Aktivitäten der samischen Zauberfrau hat, die Ingimundr anfangs sogar ablehnt. In beiden Fällen ist der Einsatz samischen Zauberwesens von Bedeutung für die Initiierung eines großen Ordnungswerks, im einen Fall die norwegische Reichseinigung, im anderen die Landnahme. Wo im Falle Haralds symbolisch auf die Integration der samischen Sphäre in das geeinte Norwegerreich abgehoben wird, hat das mythische Muster in der Vatnsdœla saga diese konkrete historische Verankerung verloren. Die Funktionalisierung der Samen im herrschaftsfundierenden Kontext setzt also voraus, dass diese nicht von vornherein der Kulturwelt angehören können, sondern gerade das kategorisch ‘Andere’ repräsentieren müssen – nur dadurch vermögen sie der Herrschaft oder der Herrscherfigur etwas hinzuzufügen, was deren Steigerung bewirkt und zur Etablierung einer neuen Herrschaft führt. Eine solche literarische bzw. historiographische Sinnkonstitution erscheint aber schwer erklärbar in einem Milieu, in dem Samen und Skandinavier über viele Jahrhunderte eine symbiotisch miteinander verschmolzene Gemeinschaftskultur gebildet haben sollen.68 Vielmehr erwecken die literarischen Zeugnisse in ihrer Gesamtheit den Eindruck, dass es ungeachtet der verbindenden Elemente im Bereich der Sprache, der Religion und des Alltagslebens, die Kusmenko und andere herausgearbeitet haben, bereits vor der Christianisierung der Skandinavier um das Jahr 1000 kulturelle Muster gegeben haben muss, bei denen die Samen als ‘Naturwesen’ mit bedrohlichen Anteilen konzipiert wurden.69 Die Entfremdung, die wir seit dem Mittelalter zwischen Skandinaviern und Samen beobachten, ist sicherlich nicht allein durch die Christianisierung zu erklären, wie dies viele Forscher versuchen, scheint es doch schwer vorstellbar, dass eine in Jahrhunderten gewachsene symbiotische Gemeinschaft, wie sie vielfach postuliert wird, innerhalb kurzer Zeit durch kirchli68
69
Die unglückliche Ehe zwischen NjÄrðr, der an der Küste wohnen möchte, und der Ski fahrenden Skaði, die es ins gebirgige Inland zieht, könnte mit Else Mundal als mythische Kodifizierung einer von alters her empfundenen Inkompatibilität der Lebensformen beider Völker gelesen werden; vgl. Mundal 1996, S. 112. Dafür scheint auch die zentrale Quelle der Ynglinga saga, das Ynglingatal, zu sprechen, sofern man sich nicht den Versuchen, das Gedicht ins Hochmittelalter zu datieren, anschließen möchte.
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che Erlasse eliminiert werden könnte. Vielmehr ist es die durch die Bekehrung vorangetriebene ‘Europäisierung’ der Skandinavier, die diese Entfernung von den nomadisierenden Samenvölkern hervorgerufen hat. Die neu entstandenen nordischen Königreiche wurden von einer zivilisatorischen, d. h. sozialen, wirtschaftlichen und politischen Dynamik erfasst, die sie mental – und schließlich auch geographisch – immer weiter von den nördlichen und nordöstlichen, ‘außereuropäisch’ bleibenden Nachbarn entfernte. Die Europäisierung des Nordens aber begann bekanntlich nicht erst mit der Christianisierung, sondern spätestens mit Beginn der Wikingerzeit. Wenn man zu recht unterschiedlichen Befunden über die skandinavischsamischen Relationen im Frühmittelalter kommen kann, so hat dies sicherlich auch mit dieser regional und sozial stark variierenden Dynamik zu tun, die die Wikingergesellschaft im Vergleich zur samischen Kultur kennzeichnet.70 In paganer Zeit war der Hang zur Magie zweifellos beiden Völkern gemeinsam;71 wenn das Zauberwesen seit dem Hochmittelalter immer mehr zu einem Spezifikum der Samen erklärt wird, so zeigt sich darin, dass die Skandinavier in den Samen auch einen Spiegel des eigenen, überwundenen Heidentums erblickten. Aus einer Technik der Naturbeherrschung wird im Christentum eine Indienstnahme dämonischer Naturkräfte. Die Magie wird, gerade auch in den hier besprochenen Texten, schlechthin zur Konstituente des außerhalb der Ökumene siedelnden Samen, aber sie ist auch das Kennzeichen einer heidnischen Entwicklungsstufe, von der sich die mittelalterlichen Nordleute polemisch abgrenzen. Aus psychohistorischer Perspektive erscheint die paradoxe literarische Stilisierung der Samen zum ‘Anderen’, das dämonisch besetzt ist und dem doch auch positive Kräfte eignen, das man aus Gründen der Identitätsstiftung ausschließt und auf das man sich doch vielfältig bezogen weiß, als durchaus konsequente Form der ‘Vergangenheitsbewältigung’.
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Schon der Bericht des weitgereisten Ottar, der von den Samen reichen Tribut einzieht, weist auf einen Zustand, der sich jedenfalls nicht als eine symbiotischherrschaftsfreie Relation zwischen Samen und Skandinaviern beschreiben lässt. Vgl. Mundal 1996, S. 112, sowie die beeindruckende Rekonstruktion des nordischen Zauberwesens, die Dillmann 2006 unternimmt.
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 151–168 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
„Ich bin Dein Wiedergängersohn“ Die Bewältigung der Tradition in Gyrðir Elíassons Svefnhjólið von STEFANIE GROPPER „ég er þ i n n a f t u r g e n g n i s o n u r “ – so endet der 1990 entstandene Roman Svefnhjólið des isländischen Autors Gyrðir Elíasson.1 Svefnhjólið (‘Das Schlafrad’) ist auch eine im Isländischen ungewöhnliche und mehrdeutige Wortschöpfung, die unterschiedliche Assoziationen weckt. Wie der Schlusssatz enthält auch der Titel des Romans den Hinweis auf etwas Wiederkehrendes, auf eine zyklische Wiederholung, die jedoch gleichzeitig eine zeitliche Differenz zum Wiederholten und damit den Hinweis auf die Veränderung dieses Wiederholten beinhaltet. Das „Schlafrad“ erweckt aber auch die Assoziation an Traumgeschehen, an ein Entrücktsein aus Raum und Zeit, an archetypische Erfahrungen und die verschlüsselte Wiedergabe von Erinnerungen. Darüber hinaus klingt im isländischen Wort hjól (‘Rad’) auch das Wort ljóð (‘Gedicht’) mit, so dass damit auch die Assoziation an einen poetischen Text verbunden ist. Der Schlusssatz des Romans hat aber auch einen intertextuellen Aspekt, weil der Wiedergänger eine Anspielung auf die mittelalterliche Sagaliteratur, aber auch auf die isländische Volksdichtung enthält.2 Damit korrespondiert die Angabe im Impressum „Gefið út með andlegum styrk úr Myrkfælnisjóði“ (‘herausgegeben mit moralischer Unterstützung des Dunkelangstfonds’), die einen Hinweis darauf gibt, worauf sich Erinnerung und Wiederholung bzw. das Wiedergehen beziehen: Es geht um die Wiederholung der Tradition Islands, und meine These lautet, dass es sich speziell um eine Auseinandersetzung mit der literarischen Tradition handelt, um sich eine eigene Position innerhalb dieser Tradition zu erarbeiten.
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Im Folgenden wird der Text zitiert nach: Gyrðir Elíasson: Svefnhjólið. Dt. Das Schlafrad, übersetzt von Gert Kreutzer. Darüber hinaus kann man aber natürlich auch Henrik Ibsens Gjengangere (Gespenster) zu den Intertexten zählen, wobei aber Ibsen mit diesem Begriff auf soziale, nicht auf literarische Phänomene verweist.
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Sowohl der Wiedergänger als auch die Angst vor der Dunkelheit sind verbreitete Motive in der isländischen Literatur. In den Isländersagas, der bedeutendsten mittelalterlichen Gattung, die auch noch für die heutige isländische literarische Tradition große Bedeutung hat, sind zahlreiche Wiedergänger vertreten, aber sie spielen auch in den isländischen Volkssagen eine wichtige Rolle. Das gleiche gilt für das Motiv der Angst vor der Dunkelheit. Einer der von Gyrðir Elíasson häufig erwähnten Helden aus der isländischen Literatur, Grettir inn sterki (‘Grettir der Starke’), litt unter der Angst vor der Dunkelheit, nachdem er einen Wiedergänger besiegt hatte.3 Er befand sich seither in der für ihn tragischen Situation, dass er zwar aufgrund seiner physischen Kraft menschliche und übernatürliche Widersacher, und mit den Wiedergängern auch die Vergangenheit, besiegen konnte, dass er aber aufgrund seiner psychischen Schwäche bzw. seiner Angst vor der Dunkelheit auch immer wieder sich selbst besiegen musste. Anfang und Schluss des Romans, die mit den beiden Motiven der Dunkelangst und des Wiedergängers auf die isländische literarische Tradition verweisen, bilden den formalen Rahmen, innerhalb dessen sich der eigentliche Roman mit seiner Handlung entfaltet und der die zeitliche wie auch die räumliche Struktur der Handlung bestimmt: Die Reise des Ich-Erzählers wird chronologisch linear erzählt, wenn auch mit zahlreichen Rückblenden und harten Brüchen zwischen den drei Teilen des Romans. Mit diesem linearen Erzählablauf korrespondiert die klare räumliche Gliederung des Romans: die Reise führt zunächst hinaus in die Einsamkeit der sveit, d. h. in den ländlichen Raum und damit in die Kindheit des Erzählers, dann über den kleinen Ort in die Stadt und damit in die Gegenwart. Man ist versucht, bei der Beschreibung des Reiseverlaufs ein „zurück“ einzufügen. Die zyklische Reise des Erzählers führt zunächst an den Ort der Kindheit – also zurück in die am weitesten zurückliegende erinnerte Vergangenheit, und von dort „zurück“ in die Gegenwart, die aber natürlich bereits wiederum eine aufgeschobene Gegenwart ist, sobald der Erzähler wieder in der Stadt angekommen ist. Die Zielorte der Reise werden markiert durch die Häuser, in denen sich der Erzähler aufhält und von denen aus er Erkundungsgänge in die Umgebung unternimmt. In den Häusern – und somit in einer kulturell geprägten 3
„Í því fann hann mikla muni að hann var orðinn maður svo myrkfælinn að hann þorði hvergi að fara einn saman þegar myrkva tók. Sýndist honum þá hvers kyns skrípi.“ (Gréttis saga, S. 1011; „In der Hinsicht merkte er einen großen Unterschied, daß er ein Mann geworden war, der solche Angst hatte vor der Dunkelheit, daß er sich nirgends allein hinzugehen traute, wenn es anfing, dunkel zu werden; er sah dann allerhand phantastische Wesen, ...“, Grettis saga. Die Saga von Grettir dem Starken, S. 99)
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Umgebung und nicht in der Natur – wird er mit seinen Erinnerungen konfrontiert, mit Wesen aus der Vergangenheit, aber auch und vor allem mit den Büchern, die ihn begleiten. Die Häuser sind – um mit Aleida Assmann zu sprechen – Erinnerungsräume, in denen sich Erfahrungen, Erinnerungen und deren Deutung in Sprache niederschlagen.4 Es handelt sich hierbei um Texträume – Räume, in denen Texte möglich sind, worauf auch die stets mitgeführte Schreibmaschine hindeutet. Der Erzähler unternimmt seine Reise, weil er schreiben will. Um schreiben zu können, muss er sich jedoch mit der Vergangenheit auseinandersetzen, die aus drei Komponenten besteht: –
seine persönliche Vergangenheit und seine Erfahrungen in Kindheit und Jugend bzw. seine Erinnerungen daran;
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eng damit verknüpft ist die Tradition, die seine Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend beeinflusst und die bestimmte Deutungen dieser Erinnerungen evoziert. Diese Tradition besteht vor allem aus literarischen Motiven und Erzählungen, d. h. es ist im Wesentlichen eine mündliche Tradition. Ich vermeide hier bewusst den Ausdruck „kollektives Gedächtnis“, weil diese literarische Tradition hier ganz individuell erinnert wird und sich ganz spezifisch auswirkt, ohne dass dies eine allgemeine Gültigkeit beanspruchen könnte.
–
Die dritte Komponente der Vergangenheit ist schließlich die schriftlich bewahrte literarische Tradition. Der Erzähler liest viel und er nennt auch die Autoren und Titel dieser Bücher.
Die Erinnerungen an die Kindheit bilden ein intratextuelles Geflecht, das mit den Intertexten der einheimischen und ausländischen Literatur eng verwoben ist. Auch wenn sich der Erzähler subjektiv erinnert, so sind die Deutungen dieser Erinnerungen doch durch die einheimische Erzähltradition wie auch durch die Lektüre internationaler Literatur beeinflusst. In Folge dessen sind die Ebenen von Realität, Sage, Literatur und individueller Deutung nicht von einander zu trennen. Im Lauf des Romans wird es daher auch immer schwieriger zu unterscheiden, ob der Erzähler träumt oder wacht und ob er den von ihm beschriebenen Personen tatsächlich begegnet oder ob es sich dabei um Märchen- oder Sagenfiguren handelt. Der Roman verwandelt sich im Verlauf der Reise immer mehr in einen Text, dessen Referenten ausschließlich in anderen sprachlichen Werken zu suchen sind, nicht mehr aber in einer außersprachlichen Realität, die im Roman verschriftlicht werden soll. 4
Assmann 1999.
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Ástráður Eysteinsson hat gezeigt, wie dicht gewoben das intertextuelle Netz des Romans Svefnhjólið ist.5 Dabei fällt jedoch auf, dass nur ausländische Autoren namentlich erwähnt werden, wie z. B. Homer,6 Hans Christian Andersen7 und vor allem der litauische Schriftsteller Kazys Boruta.8 Zwar ist auch die isländische Literatur reichlich vertreten, aber nur in Form von Motiven,9 Anspielungen,10 Figuren,11 d. h. im Wesentlichen als anonyme literarische Tradition, als amorphes textuelles Gewebe. Die am Anfang und am Schluss des Romans enthaltenen Anspielungen auf dunkle Mächte beziehen sich somit zum einen auf die Auseinandersetzung mit den dunklen Mächten im Erzähler selbst, aber sie beziehen sich auch auf die Auseinandersetzung mit literarischer Tradition, die im Lauf des Romans immer stärker mit den dunklen Mächten im Inneren des Erzählers zusammenfällt. Diese Auseinandersetzung mit der literarischen Tradition spiegelt sich auch in der Figurenkonstellation des Romans. Die bis auf den Vater nie individualisierten Figuren gehören drei Generationen an: der älteren Generation, die mit Ausnahme des alten Mannes, der das kleine Mädchen begleitet, ausschließlich erinnert wird und die fast nur von Männern, in erster Linie natürlich dem Vater des Erzählers, repräsentiert wird. In seiner eigenen Generation trifft der Erzähler ausschließlich Frauen, die 5
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11
Ástráður Eysteinsson 1999. Im Folgenden werden jedoch als Intertexte nur solche Werke genannt, die aufgrund expliziter Hinweise, wie z. B. Autorennamen, Protagonisten oder Motive, identifiziert werden können. Tatsächlich ist jedoch das intertextuelle Potential des Romans weit größer. Obwohl keine zeitgenössischen isländischen Autoren oder Werke genannt werden, bezieht sich der Roman doch indirekt auch auf sie. So erinnert z. B. die Bedeutung, die die Weltliteratur für den Ich-Erzähler hat, an Vigdìs Grímsdóttirs Roman Stúlkan í Skóginum, in dem eine der beiden Protagonistinnen ihre Identität ebenfalls im Wesentlichen durch ihre sowohl intensive als auch extensive Lektüre entwickelt. Auch Anspielungen auf die Grettis saga sind in der modernen isländischen Literatur weit verbreitet z. B. Svefnhjólið, S. 21, 110 und öfter; Das Schlafrad, S. 21, 101 und öfter. z. B. Svefnhjólið, S. 50; Das Schlafrad, S. 47. z. B. Svefnhjólið, S. 104, 110 und öfter; Das Schlafrad, S. 95, 101 und öfter. z. B. „Hér er afdrepið; fyrir dimmufólkið á sólardögum“ (S. 27); „Hier ist der Unterschlupf für das Dunkelvolk an Sommertagen.“ (S. 27). z. B. eine ironische Anspielung auf die níðstöng in der Egils saga: „Þarna er uppstoppaður hrosshaus sem glottir til mín af gólfinu og svo hnerrar hann fyrirvaralaust þegar mér verður litið af honum.“ (S. 83); „Darin ist ein ausgestopfter Pferdekopf, der mich anglotzt und unvermittelt losniest, als mein Blick auf ihn fällt.“ (S. 77). z. B. der Wiedergänger Þórólfur bægifótur: „ Þórólfur bægifótur uppþembdur og blásvartur, í heldur drungalegu skapi –„ Svefnhjólið, S. 80; „Thorolf bægifot, aufgedunsen und blauschwarz, in ziemlich übler Laune –“. (S. 74).
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Begehren bei ihm auslösen, das sich nach jeder Begegnung in der Erinnerung an das Treffen verändert und das nie erfüllt wird. Und schließlich gibt es noch die nachfolgende Generation der kleinen Mädchen. Diese Kinder sind wie unbeschriebene Blätter – sie sind noch unbeeinflusst von der Tradition und nehmen Sprache wörtlich. Allerdings lernen sie durch die Gespräche mit den Erwachsenen bald, Sprache ebenfalls mit mehreren Bedeutungsebenen metaphorisch anzuwenden. Der Erzähler reist in die Vergangenheit um zu schreiben. Er reist zu diesem Zweck mit einer Schreibmaschine, die im Gegensatz zu den menschlichen Figuren des Romans einen Namen trägt – Kolibri.12 Der Prozess des Schreibens verläuft jedoch zäh, denn er setzt eine schwierig zu erlangende und noch schwieriger aufrecht zu erhaltende Balance zwischen Intellekt und Gefühl voraus. Im ersten Teil des Romans gelingt es dem Erzähler nicht zu schreiben: „Ég er ekki upplagður til að skrifa í dag, einhver óróleiki í sinninu, og ég hugsa ekki nógu hlýlega til ritvélarinnar.“ (S. 22; „Ich bin heute nicht zum Schreiben aufgelegt, irgendeine Unruhe im Geist, und ich denke nicht warm genug an die Schreibmaschine.“) ‘Schreiben’ heißt für den Erzähler, die Dinge zum Sprechen zu bringen, d. h. eine Wahrnehmung in Sprache zu fassen. Um eine eigene Sprache dafür zu finden, ist es notwendig, sich mit der Tradition auseinanderzusetzen. Die Tradition darf nicht verdrängt werden, aber sie darf auch nicht die Oberhand gewinnen. Im Lauf des Romans macht der Erzähler als Autor verschiedene Phasen der Entwicklung durch, die sowohl mit der zeitlichen wie auch mit der räumlichen Struktur des Textes korrespondieren. Der Bewegung vom Land in die Stadt entspricht die Bewegung von der Vergangenheit in die Gegenwart wie auch die Bewegung von der Mündlichkeit in die Schriftlichkeit bzw. der Unfähigkeit, sich in eigenen Worten auszudrücken, bis zum Finden der eigenen Sprache. Es handelt sich aber um keine linearen Bewegungen von einem Anfangspunkt hin zu einem Ziel, sondern die Bewegungen sind zyklisch angelegt: der Erzähler fährt ja zunächst zurück aufs Land, d. h. er reist von der Gegenwart in die Vergangenheit, um von dort wieder in die Gegenwart zu gelangen, und er nimmt seine Schreibmaschine mit, d. h. er konnte also bereits schreiben, nur eben in welcher Sprache? Am Ende wird der Zyklus geschlossen, indem der „Wiedergängersohn“ an seinen Vater einen langen Brief schreibt. 12
„... Kolibri ritvel í svörtum hlífðarkassa.“ Svefnhjólið, S. 7; „... einer KolibriSchreibmaschine in schwarzer Schutzhülle.“ (S. 9). Es fällt grundsätzlich auf, dass Gebrauchsgegenstände mit ihrem Markennamen genannt und somit auch individualisiert werden, während die wenigen Menschen, mit denen der Ich-Erzähler in Kontakt kommt, bis auf vereinzelte Ausnahmen keine Namen haben.
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Im ersten Teil, der auf dem Land spielt und der die Erinnerung an die Kindheit beinhaltet, beginnt die Suche des Erzählers, wobei jedoch unklar bleibt, wonach er sucht. Er reagiert auf Erinnerungen und Traditionen wie ein Kind. Seine Gedanken sind noch mit der Vergangenheit beschäftigt, die als etwas weit Entferntes erscheint und keinen Bezug zur Gegenwart aufweist: „Ég hugsaði ekki um líkið og horfnu stúlkuna nema sem fjarlægt, dökkleitt ævintýri.“ (S. 31; „In meinen Gedanken waren die Leiche und das verschwundene Mädchen nur noch ferne, dunkle Märchen.“ S. 30) Er kann nicht schreiben, sondern sich nur mündlich äußern. Er reflektiert die Tradition nicht – weder die einheimische noch die fremden Bücher, die er liest. Er verfasst keine eigenen Werke, sondern zitiert eine überlieferte Strophe mit kindlich einfachem Metrum und Reimen, verdreht sie aber auf eine lustige Weise und schläft mit den dadurch ausgelösten fröhlichen Gedanken ein. Zu Beginn des zweiten Teils erwacht der Erzähler in einem Haus in einem kleinen Ort. Auch dort hat er seine Schreibmaschine dabei und auch dort wird er ständig mit seinen Erinnerungen konfrontiert. Nun handelt es sich um die Erinnerungen seiner Jugendzeit, der Zeit des Noch-NichtErwachsen-Seins. Darauf deuten auch die Kleider hin, die er zwar in seinem eigenen Koffer findet, die aber einer vergangenen Mode angehören und die ihm zwei Nummern zu groß sind: En þegar ég spenni upp töskuna reynast vera í henni mestmegnis hvítar skyrtur og terlínbuxur, slangur af öðrum fatnaði, en það eru ekki fötin mín. Þessi eru öll tveimur númerum of stór. Feiknamiklir spariskór í plastpoka í einu horni töskunnar. (S. 38) Aber als ich den Koffer öffne, zeigt sich, daß er hauptsächlich weiße Hemden und Terylenhosen und Mengen von anderer Kleidung enthält, nur nicht meine Kleidungsstücke. Alles ist zwei Nummern zu groß. In der einen Ecke des Koffers stecken riesengroße Sonntagsschuhe in einer Plastiktüte. (S. 36)
Die Vergangenheit erscheint dem Erzähler in Form von Gespenstern oder in Gestalt menschlicher Wesen, die ihn als Gespenst betrachten. Obwohl es dem Erzähler nicht gelingt, eine Beziehung zu den Wesen der Vergangenheit zu knüpfen, hat er vor ihnen keine Angst. En stundum heyri ég á kvöldin glaðlegt fótatak ofan að og ljósglæta smýgur niður og mig hálflangar að sækja mér félagsskap upp, en veit að þarna er enginn sem ég næ almennilegu sambandi við. Hinsvegar er ég ekki hræddur, það er svo skrýtið með það, ég sem var svo myrkfælinn er ekki hræddur í þessu húsi (nema við kóngulær), sem hefði verið upplagt fyrir Cézanne gamla að mála, svona gulleitt og múrhúðin sprungin, gluggarnir drungalegir þegar sólin skín rauðleit á seltu glerin. (S. 42 f.)
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Aber manchmal höre ich fröhliche Fußtritte von oben, und ein Lichtschein dringt herunter, dann habe ich das Verlangen, mir oben Gesellschaft zu suchen, aber ich weiß, daß da niemand ist, mit dem ich normalen Kontakt haben könnte. Andererseits habe ich keine Angst, es ist wirklich komisch, ich mit meiner großen Dunkelangst habe keine Angst in diesem Haus (außer vor Spinnen), das für den alten Cézanne zum Malen wie geschaffen wäre, so gelb und mit rissigem Putz, die Fenster trübe, wenn die Sonne auf die salzverkrusteten Scheiben scheint. (S. 40)
Dem Erzähler ist es somit inzwischen gelungen, einen Teil seiner Vergangenheit, die Dunkelangst zu bewältigen, und zu dieser Bewältigung hat offensichtlich beigetragen, dass er sich auf eine fremde Tradition bezieht, die sonnigen Farben in Cézannes Malerei. Er bewältigt seine Erinnerungen, indem er sie nicht nach den Regeln der eigenen Tradition deutet, sondern nach den Regeln einer anderen Tradition umdeutet. Indem er seine Erinnerung ästhetisiert, semiotisiert er sie und öffnet sie damit auch neuen Deutungsmöglichkeiten. Die gelbe Farbe und der rissige Putz werden im wahrsten Sinn des Wortes malerisch und nehmen so dem Haus seinen Schrecken. Mit dem Hinweis auf Cézanne hat der Erzähler nun aber auch das Medium gewechselt. Statt sich wie bisher aus der Perspektive der Literatur mit seinen Erinnerungen zu befassen, beruft er sich nun auf die Malerei. Der Versuch, sich den Erinnerungen mittels der Musik zu nähern führt dagegen offensichtlich zu keinem Erfolg: Þar er fornlegur grammófónn og plötur í stöflum, jazzmúsík mest og bílpallasöngvar frá Trinidad eða guð má vita hvaðan, en arminn vantar á spilarann og hann þegir þunnu hljóði. (S. 43) Dort gibt es ein altertümliches Grammophon und stapelweise Platten, vor allem Jazz und Lastwagenlieder aus Trinidad oder Gottweißwoher, aber dem Plattenspieler fehlt der Tonarm und er schweigt wie ein Grab. (S. 40)
Es gelingt ihm nicht, die Erinnerungen zum Klingen zu bringen, es handelt sich um fremde Musik, die ihm nichts sagt und daher nicht bei der Deutung der Erinnerungen helfen kann. Auch über die einheimische Musiktradition gelingt es ihm nicht, mit anderen Wesen zu kommunizieren: Ég sýp glundrið úr könnunni með hálfum huga og fer svo að raula dapurlegt meðfram dansinum, án ljóðs, og visna konan kemur framan úr eldhúsi og segir hlýjum rómi við mig: ‚Lítið kannt þú nú að syngja, gæskur.’ (S. 45) Ich trinke geistesabwesend von dem Gebräu aus dem Becher und beginne eine traurige Melodie zum Tanz zu summen, ohne Text, da kommt die verwelkte Frau aus der Küche und sagt mit warmer Stimme: ‚Besonders gut singen kannst du ja nicht gerade, Alter.’ (S. 42)
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Aus dem Kommentar der alten Frau wird nicht deutlich, ob sie die musikalische Qualität des Gesangs bemängelt oder ob der Misserfolg vom fehlenden Text herrührt. Insgesamt scheint der Erzähler im zweiten Teil des Romans der Meinung zu sein, dass die erfolgreiche Bewältigung der Vergangenheit über die Bildsprache führt, während Bücher und damit Sprache an Wert verlieren. Darauf deutet auch der etwas enttäuschende Besuch im Antiquariat hin, in dem Bücher und Briefmarken zum Einheitspreis von 7 Kronen verkauft, d. h. eigentlich verschenkt werden. Die literarische Tradition ist hier offensichtlich nichts mehr wert. Dennoch gelingt es dem Erzähler nun im zweiten Teil des Romans zu schreiben, wobei er offensichtlich noch nach einer eigenen Sprache sucht und mit verschiedenen Möglichkeiten des Ausdrucks experimentiert. So versucht er z. B. nun, sich von fremdartigen musikalischen Rhythmen inspirieren zu lassen, die aber durch eine isländische Stimme vermittelt werden: […] og gekk inn til að hamra á Kolibri ritvélina. Ég vann lengi dags, hellti kaffi ört í bolla, hlustaði meðfram á jazz í útvarpinu, hver meistari af öðrum renndi í gegnum höfuð mitt með hljóðfæri sitt, Miles Davis, Fats Waller, Thelonious Monk, og Jón Múli með röddina. (S. 54) […] und ging hinein, um auf der Kolibri-Maschine zu hämmern. Ich arbeitete den ganzen Tag, goß unaufhörlich Kaffee in Tassen, hörte nebenbei Jazz im Radio, ein Meister nach dem anderen zog mit seinem Instrument durch meinen Kopf, Miles Davis, Fats Waller, Thelonious Monk und Jón Múli als Ansager. (S. 50 f.)
Parallel zu den literarischen Bemühungen versucht der Erzähler, mittels traditioneller magischer Praktiken der Tradition näher zu kommen und Zugang zu einer ihm bislang verborgenen Welt zu erlangen. So schreitet er dreimal entgegen dem Uhrzeigersinn um einen Brunnen, ehe er den Deckel hebt und hinabsteigt. Er folgt auch damit einer Tradition, wie sie z. B. in der Grettis saga,13 aber auch in der Volksdichtung, wie z. B. in verschiede13
Thurid übt einen Zauber gegen Grettir aus, wobei sie Runen auf einen Holzstock ritzt und diesen gegen den Lauf der Sonne umkreist: „Þar lá fyrir henni rótartré svo mikið sem axlbyrður. Hún leit á tréið og bað þá snúa fyrir sér. Það var sem sviðið og gniðað öðrumegin. Hún lét telgja á lítinn flatveg þar sem gnúið var. Síðan tók hún hníf sinn og reist rúnir á rótinni og rauð í blóði sínu og kvað yfir galdra. Hún gekk öfug andsælis um tréið og hafði þar yfir mörg römm ummæli. Eftir það gekk lætur hún hrinda trénu á sjó og mælti svo fyrir að það skyldi reka út til Drangeyjar og ‘verði Gretti allt mein að’.“ (Grettis saga, S. 1074; „Dort lag vor ihr ein Wurzelstock, der so groß war, daß man ihn gerade noch auf der Schulter tragen konnte. Sie schaute die Wurzel an und sagte, sie sollten sie für sie umdrehen; das Holz war wie angebrannt und abgerieben auf der einen Seite. Sie ließ eine kleine
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nen Märchen und Sagen, beschrieben wird. Die Welt, in die der Erzähler nun gelangt, ist düster, aber er fängt an, sich darin wohl zu fühlen, als er die begehrenswerte Frau aus dem – oberirdischen – Nachbarhaus darin trifft und mit ihr die Nacht verbringt. Nun scheint er endgültig von seiner Dunkelangst geheilt zu sein und zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Dieser Optimismus verhilft ihm nun auch dazu, selbst etwas zu schreiben, und während wir bisher immer erfahren, dass er schreibt, nicht aber was er schreibt, so teilt uns nun der Erzähler die Strophe mit, die er in seine Kolibri-Schreibmaschine gehämmert hat. Während die im ersten Teil des Romans zitierte Strophe ganz traditionell aufgebaut war und Rhythmus mit Endreim und Alliteration dem traditionellen Rhythmus folgte, so ist diese Strophe nun in freien Rhythmen geschrieben, als eine Art rhythmische Prosa, mit sehr individuellen Bildern. Entspricht die Strophe somit formal nicht der isländischen Tradition, so hat sie sich auf der inhaltlichen Ebene immer noch nicht ganz davon befreit: […] og ég fer aftur að hugsa um frosnu mammútana – (S. 69) […] und ich beginne erneut an die tiefgefrorenen Mammuts zu denken – (S. 64)
Die Relikte der Vergangenheit lassen den Erzähler immer noch nicht los, was auch im fragmentarischen Zustand des Gedichts – versinnbildlicht durch den Gedankenstrich am Ende – deutlich wird. Dennoch belässt es der Erzähler bei diesem vorläufigen Ergebnis: Ég læt þetta gott heita þó lítið sé, og nú er ég búinn að skrifa nóg fyrir næstu daga. Þetta segir allt sem þarf … Ég hita mér kaffi. (S. 69) Auch wenn es nicht viel ist, lasse ich es doch damit gut sein, und ich habe jetzt für die nächsten Tage genug geschrieben. Das sagt alles, was nötig ist … Ich koche mir einen Kaffee. (S. 64)
Interessant ist an dieser Stelle auch, dass nicht klar ist, worauf sich „Das sagt alles, was nötig ist“ bezieht – auf das Gedicht? Darauf, dass der Erzähler erst einmal genug geschrieben hat? Vermutlich letzteres, denn einen Brief seines Gitarrenlehrers wirft er ungelesen in den Papierkorb mit der
flache Stelle schnitzen, wo es abgerieben war; danach nahm sie ihr Messer und ritzte Runen darauf und malte sie rot mit ihrem Blut und sprach darüber Zauberworte. Sie ging rückwärts gegen den Lauf der Sonne um den Wurzelstock und sagte dazu viele böse Sprüche. Darauf lässt sie den Wurzelstock ins Meer stoßen und sagte, daß er nach Drangey hinaustreiben solle, und Grettir solle großen Schaden davon tragen.“ (Die Grettis Saga, S. 195.)
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Bemerkung, dass das Briefeschreiben allmählich aussterbe („Bréfaskriftir eru að leggjast af.“ S. 70 f.) Doch obwohl der Erzähler das Schreiben für einige Zeit genug sein lassen will, setzt er sich dennoch immer wieder damit auseinander und betrachtet es offensichtlich als seinen Beruf, auch wenn es mit dem Schreiben recht zäh zu gehen scheint: „Ertu iðjulaus?“ „Ég skrifa, stundum.“ „Ég skil.“ (S. 77) Bist du arbeitslos? Ich schreibe, manchmal. Verstehe. (S. 71)
Da es mit dem Schreiben nicht zu klappen scheint, versucht es der Erzähler mit der Malerei: Ég hafði aldrei málað með olíulitum áður og kunni náttúrlega ekkert með þá að fara, en byrjaði á því að mála rautt hús og svo grænan himin yfir húsinu og skuggalega svarbláa [sic!] sól sem hekk ofan strompsins á húsinu og var sýnilega að detta ofan um hann. (S. 84) Ich hatte nie zuvor mit Ölfarben gemalt und konnte natürlich nicht mit ihnen umgehen, aber ich begann damit, ein rotes Haus zu malen und dann einen grünen Himmel über dem roten Haus und eine dunkle schwarzblaue Sonne, die oberhalb des Schornsteins des Hauses hing und aussah, als wollte sie in ihn hineinfallen. (S. 78)
Es bleibt unklar, ob der Erzähler nur mit Ölfarben noch nie gemalt hat, oder ob dieses Bild generell sein erster Versuch auf dem Gebiet der Malerei ist. Jedenfalls geht er mutig ans Werk. Zwar bleibt er hinsichtlich des Motivs dem Realismus verhaftet, aber seine Farbwahl zeigt, dass es ihm um mehr geht als um reine Abbildung. Er will ein Haus abbilden, das nur in seinen Gedanken existiert, wie er dem kleinen Mädchen erklärt, das sich recht abfällig über sein Produkt äußert und das ihn wegen seiner seltsamen Mütze in Verdacht hat, ein Wiedergänger zu sein. Ausgelöst durch die Erinnerung an den russischen Film „Wenn die Kraniche ziehen“ unternimmt der Erzähler seinen zweiten Malversuch im Freien, analog zu Cézanne, der ihm ja bereits in Zusammenhang mit den Farben seines Hauses in den Sinn gekommen war. Er wird jedoch von einem herannahenden Traktor und dem Gespräch mit dem Traktorfahrer unterbrochen, so dass er schließlich entnervt aufgibt und erkennt: „Sennilega er ég ekkert efnilegur málari.“ (S. 94. „Wahrscheinlich bin ich gar kein begabter Maler.“ S. 87). Er macht noch einen Versuch, das Bild zu Hause zu vollenden, verliert aber die Lust daran und stellt es in einer Kammer ab.
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Somit hat der Erzähler im zweiten Teil des Romans einige Fortschritte gegenüber dem ersten Teil gemacht: Er hat erkannt, dass sein Medium als Künstler die Sprache ist, dass er sich zwar von anderen Medien (Musik, Malerei) inspirieren lassen, sich selbst aber nicht damit ausdrücken kann. Es ist ihm nun auch gelungen, selbst etwas zu schreiben, aber sein Schreiben ist noch fragmentarisch und hat noch keine eigene Stimme. In diesem zweiten Teil ist es ihm auch gelungen, mit den geheimnisvollen Wesen aus der Vergangenheit Kontakt aufzunehmen und mit ihnen zu sprechen, aber es findet noch keine richtige Kommunikation statt. Es handelt sich noch eher um ein Aneinandervorbeireden als um ein Miteinanderreden. Während der störende Traktor am Ende des zweiten Teils einerseits deutlich macht, dass sich der Erzähler immer noch in einer ländlichen Umgebung befindet, weist er andererseits auch daraufhin, dass sich die Handlung der Gegenwart nähert. Endgültig erreicht ist die Gegenwart im dritten Teil, als der Erzähler in Reykjavík erwacht: Myrkur, ljós. Það er sama sagan, ég vakna umflotinn baðvatni, eitthvert hljóð sem vekur mig, […]. (S. 99) Dunkel, Licht. Wieder dieselbe Geschichte, ich erwache, vom Badewasser umspült, ein Geräusch weckt mich, … (S. 91).
Bereits in diesem Einleitungssatz wird deutlich, dass nun im dritten Teil die Fäden des Romans zusammengeführt werden. Der Hinweis auf die Dunkelheit und das Licht greift das Motiv von der Dunkelangst auf, die nun endgültig überwunden ist. Das Erwachen im Badewasser ist zum einen eine Parallele zum Beginn des zweiten Teils, dann aber auch eine Wiedergeburt, d. h. eine Anspielung auf das Wiedergängermotiv, das ja erstmals im zweiten Teil angeklungen war. Und schließlich verweist „Wieder dieselbe Geschichte“ einerseits auf die Wiederholung der Ereignisse, andererseits aber auch auf die sprachliche Verfasstheit des gesamten Berichts und erinnert damit auch an die Bemühungen des Erzählers zu schreiben, seine Auseinandersetzung mit der Tradition schriftlich zu bewältigen. Während die Intertextualität in den ersten beiden Teilen des Romans vor allem in mündlich überlieferten isländischen Motiven und Sagenstoffen bestand und nur wenige Buchtitel und Autoren namentlich genannt werden, nimmt nun die Dichte der Hinweise auf dezidiert schriftliche Literatur signifikant zu. Das Haus, in dem der Erzähler erwacht, befindet sich in der Bergstaðastræti, d. h. zurzeit der Entstehung des Romans in unmittelbarer Nähe der Stadtbibliothek. Im Haus selbst befand sich früher eine Druckerei. Während bisher die Bücher, die der Erzähler las, in keinem unmittelbaren Zusammen-
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hang zum Geschehen standen, bezieht er nun das Gelesene auf sich selbst und seine Umgebung: Ég sit inni og er að glugga í bók sem ég fann á útskorinni hillu í svefnherberginu. Þetta er Myllan á Barði eftir Kazys Boruta. Það er ekki laust við að ég tengi Mýramóra við umganginn á næturnar hér á neðri hæðinni: hann smeygi sér upp um holræsin og skríði hér inn þvoglandi litháískar draugaþulur. Annars hefur hvarflað æ oftar að mér upp á síðkastið að það sé ég sem sé afturgenginn og vofurnar venjulegt fólk sem hræðist nærveru mína. (S. 103 f.) Ich sitze zu Hause und blättere in einem Buch, das ich auf einem geschnitzten Regal im Schlafzimmer gefunden habe. Es ist »Die Mühle des Weißgehörnten« von Kazys Boruta.14 Es liegt nahe, das Moorgespenst mit dem nächtlichen Lärm hier im unteren Stockwerk in Verbindung zu bringen; es könnte sich durch die Abwasserleitung hocharbeiten, hier hereinschleichen und seine litauischen Zaubersprüche murmeln. Im übrigen habe ich in letzter Zeit immer häufiger das Gefühl, daß ich selbst ein Wiedergänger bin und daß die Gespenster normale Menschen sind, die sich vor meiner Anwesenheit erschrecken. (S. 95)
Plötzlich haben sich die Verhältnisse umgedreht; Realität und Imagination haben die Seiten gewechselt. Der Erzähler sieht sich nun als Teil einer imaginierten Welt, als Teil einer narrativen und damit auch literarischen Tradition. Doch auch wenn die Bedeutung der gedruckten Literatur stetig zunimmt, so handelt es sich doch – wie im Fall des litauischen Buches – stets um ausländische Literatur. Die einheimische literarische Tradition wird nach wie vor durch Sagen und mündliche Überlieferung repräsentiert. Wie es die Lage des Hauses schon vermuten ließ, sucht der Erzähler nun natürlich auch die nahe gelegene Bibliothek auf, wo er im Katalog nach einem Buch über das Ungeheuer von Loch Ness und nach Homers Odyssee sucht, d. h. er sucht nach zwei Büchern, die paradigmatisch für seine Suche während der ganzen Reise stehen: das Buch über das Ungeheuer von Loch Ness ist ein Beispiel für die (schrift-)sprachliche Bewältigung einer imaginären Welt voller Geister und Ungeheuer. Homers Odyssee steht dagegen für das Erzählen schlechthin, für den Zusammenhang zwischen mündlicher Tradition und schriftlich fixierter Literatur. Gleichzeitig handelt die Odyssee von einer Reise und einer Suche, so dass sich darin die Geschichte des Erzählers spiegelt – oder wie es zu Beginn des dritten Teils hieß: „Það er sama sagan“ (‘Wieder dieselbe Geschichte’). Indem nun der Erzähler sich Homers Buch ausleiht und es liest, wird der Kreis zum ersten Teil des Romans geschlossen, wo er ebenfalls mit dieser Lektüre befasst war. War im ersten Teil des Romans noch unklar, warum der Erzähler Homer liest und welche Funktion die Literatur erfüllt, so wird nun ersichtlich, dass Literatur eine 14
Kazys Boruta, Die Mühle des Baltagiris. Berlin 1970.
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Hilfe zum Überleben darstellt – in materieller wie in ideeller Hinsicht. Als der Erzähler von einer riesigen, aggressiven Katze bedroht wird, schlägt er ihr die Odyssee auf den Kopf, so dass sie bewusstlos wird, und er spricht ein Gebet, worauf sie auf die Größe einer Maus schrumpft. Der gedruckte Text und der gesprochene Text ergänzen sich somit, sind untrennbar miteinander verbunden, da nicht auszumachen ist, welcher den endgültigen Sieg über die Katze ermöglichte. Doch nicht nur gedruckte Literatur ist ein Hilfsmittel, um die Übermacht der Imagination zurückzudrängen, auch das eigene Schreiben ist überlebensnotwendig. Auf einem Ausflug auf die Halbinsel Seltjarnarnes verwischen sich die Grenzen zwischen Traum, Erinnerung, literarischer Tradition und Wirklichkeit. Erst als der Erzähler das bislang von ihm verschmähte Notizbuch aus der Tasche zieht und seine Gedanken niederschreibt, verschwinden die unheimlichen Wesen: Mér er lítið um minnisbækur gefið, en nú get ég ekki stillt mig, tek upp úr frakkavasanum þá litlu svörtu sem ég keypti af rælni og gamlan kúlupenna, krota nokkrar línur á fremstu síðu: Hér er ég staddur, á þessari Stjörnu sem er græn á sumrin Einsog hægindastóll, búrhvalir hafa fallega tennur og hremma hreindýr í fjallshlíðum, vitar eru eins í svefni og vöku en hverfa fyrr í draumi. Ég þarf að komast heim (S. 120) Eigentlich halte ich nichts von Notizbüchern, aber nun kann ich mich nicht beherrschen, nehme das kleine schwarze, das ich aus einem Impuls heraus gekauft habe, aus der Jackentasche heraus und auch den alten Kugelschreiber, kritzele ein paar Zeilen auf die erste Seite: Hier stehe ich, auf diesem Stern, der grün ist im Sommer Wie ein Lehnstuhl, Pottwale haben schöne Zähne und schnappen Rentiere auf Berghängen, Leuchttürme sind gleich im Schlaf wie im Wachsein, aber verschwinden früher im Traum. Ich muß unbedingt heim (S. 110)
Der Erzähler schreibt in sein Notizbuch – isländisch minnisbók = Erinnerungsbuch, d. h. in ein Buch, um Erinnerungen festzuhalten. Er benutzt nun keine Schreibmaschine mehr, sondern er schreibt mit der Hand. Er schreibt
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somit ohne die Vermittlung einer „Maschine“ oder einer fremden Instanz, vielmehr schreibt er selbst, d. h. er hat seine eigene Sprache gefunden, oder er ist zumindest auf dem besten Weg, seine eigene Sprache zu finden. Während der Erzähler in seiner Strophe im zweiten Teil des Romans träumt und seinen Traum in Verse zwingt, wenn auch in ungereimte, rhythmische Verse, so äußert er sich hier in direkten Aussagen und es wird deutlich, dass er von der Lyrik zurück zur Prosa strebt. Auch diese Strophe ist fragmentarisch, weist aber mit ihrer letzten Zeile nicht zurück – wie die Strophe des zweiten Teils, in der er in der letzten Zeile an tief gefrorene Mammuts dachte –, sondern sie weist geradezu drängend in die Zukunft, zu einem Ziel, das nun bekannt zu sein scheint: „heim“. Der Ring schließt sich: Zuhause auf dem Sofa träumt der Erzähler, dass er an seiner Schreibmaschine sitzt, neben sich das Buch, das sein Vater über Zwergeidechsen geschrieben hatte. Jetzt – als Selbstschreibender – ist er in der Lage, sich – wenn auch vorerst noch im Traum – mit der Erinnerung zu befassen, dass auch sein Vater geschrieben hatte. Als er erwacht, erinnert er sich jedoch daran, dass er die Schreibmaschine in dem Haus zurückgelassen hat, das er im zweiten Teil des Romans bewohnte, so dass er nun mit der Hand schreiben muss. Doch immer noch geht dem Erzähler das Schreiben schwer von der Hand. Er lässt sich durch die Nacht treiben und kommt schließlich am Hafen an, wo er sich von einer Stimme auf ein Schiff locken lässt: Við borðstokkinn stendur kuflvera, einsog í draumnum. Þessi vera er jafn uggvekjandi tröllsleg og sú sem bar fyrir mig þar, en röddin eins þáð: „verlkominn um borð.“ (S. 135) An der Reling steht eine Kuttengestalt, wie im Traum. Dieses Wesen ist genauso angsteinflößend riesenhaft wie das, welches mir da erschienen war, und die Stimme ebenso freundlich: »Willkommen an Bord.« (S. 123)
Traum und Wirklichkeit gehen ineinander über. Wesen, die vorher im Traum erschienen waren, erscheinen nun in der Realität. Auf der Ebene der Narrativität sind Traum und Wirklichkeit gleichberechtigt – es ist Sache des Erzählers zu entscheiden, was wohin gehört. Darüber hinaus wird der Erzähler durch die Begegnung mit dem „Kuttenwesen“ nun selbst Teil der literarischen Tradition. In der Sagaliteratur ist ein „Kuttenwesen“ in der Regel eine Erscheinungsform des Gottes Odin, der – in dieser Gestalt meist helfend – in das Geschehen eingreift.15 Außerdem ist Odin der Gott der 15
So z. B. im Nornagests-þáttr, der in der Handschrift Flateyjarbók in die Ólafs saga Tryggvasonar eingeschoben ist.
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Dichtkunst. Indem sich der Erzähler zu ihm auf das Schiff begibt, begibt er sich in Odins Obhut – und tatsächlich setzt er sich in der Kajüte an den Schreibtisch und beginnt zu schreiben: „Ég fer að skrifa bréfið, þetta bréf sem ég átti að skrifa fyrir löngu.“ (S. 140. ‘Ich fange an, den Brief zu schreiben, diesen Brief, den ich schon längst hätte schreiben sollen’. S. 128) Der Brief ist an seinen Vater gerichtet und enthält nun die Erkenntnisse, die der Erzähler auf seiner Reise gewonnen hat und er schreibt sich damit frei von seiner Vergangenheit. Die Reise des Erzählers ist damit beendet, indem er sich auf eine neue Reise begibt, diesmal in die Zukunft mit offenem Ziel. Als Wiedergängersohn wiederholt er damit die schreibende Tätigkeit seines Vaters, aber er reproduziert nicht das Werk seines Vaters, sondern in der mit der Wiederholung verbundenen Aufschiebung schreibt er seine eigenen Werke in seiner eigenen Sprache, zu der er in drei Schritten, repräsentiert durch die drei Teile des Romans, gefunden hat. War er im ersten Teil noch überwältigt von der ihn lähmenden Tradition, so versuchte er, diese Tradition im zweiten Teil durch die Nachahmung literarischer Vorbilder zu bändigen, scheiterte jedoch daran, dass die Tradition stärker als fremde Muster war. Im dritten Teil hat er nun die Synthese fremder literarischer Vorbilder und einheimischer Erzähltradition geschafft und sich damit eine eigene Sprache erarbeitet. Der Roman Svefnhjólið ist damit auch eine Reflexion über die Literatur als sprachliches Kunstwerk und die Abhängigkeit des Sprachschaffenden sowohl von der ihn umgebenden Sprache wie von der ihm vorausgehenden Tradition. In der zeitgenössischen isländischen Literatur – vor allem in der Generation Gyrðir Elíassons – spielen Sprachbewusstsein und Auseinandersetzung mit der Tradition eine wichtige Rolle. In einem Land, dessen Geschichte in literarischer Zeit beginnt – d. h. es gibt keine vorliterarische Frühzeit – und in dem es bis vor kurzem kaum archäologische Stätten gab, werden Zusammengehörigkeitsgefühl und Identität über Sprache und literarische Tradition hergestellt. Für zeitgenössische Autoren ist diese Auseinandersetzung mit der Tradition besonders schwer, weil sie sich gegen mehrere Geister bzw. „Väter“ der Vergangenheit behaupten müssen. Aus dem Mittelalter gibt es die gewaltige, anonyme Erzähltradition, die auch heute noch beim Publikum erstaunlich präsent ist. Und dann gibt es eine – vielleicht auf den ersten Blick überraschende – starke Moderne, deren wichtigster Vertreter wohl Halldór Laxness ist. Die Auseinandersetzung mit dieser fast übermächtigen Tradition und damit auch der Kampf des Autors um eine eigene Position innerhalb des komplexen isländischen Literaturgefüges spiegeln sich in Svefnhjólið. Mit dieser Reflexion setzt Svefnhjólið eine Tendenz im Werk von Gyrðir Elíasson fort, die seit seinen frühesten Gedichten zu bemerken ist.
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Schon seine ersten Gedichte thematisieren Bedeutung und Entwicklung der isländischen Sprache und damit verbunden einen verantwortungsbewussten Einsatz der Sprache. Aber der Ausgangspunkt in diesen frühen, in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts entstandenen Texten, war die zeitgenössische Sprache der Werbung und der Jugendlichen. Gyrðir Elíassons erster Gedichtband, Svarthvít axlabönd (‘Schwarzweiße Hosenträger’) erregte bei seinem Erscheinen 1983 vor allem deshalb Aufsehen, weil er im Vergleich zu den Werken anderer isländischer Autoren unpolitisch erschien. Doch bereits dieser Band zeichnet sich durch eine einfache, aber präzise eingesetzte Bildsprache und durch wohl durchdachte Wortspiele aus. Die hier erstmals eingesetzte strenge und fast schon aggressive Bildsprache kennzeichnet auch die Gedichtbände der folgenden Jahre. Wie andere isländische Autoren, die in den 90er Jahren debütierten, verknüpft Gyrðir in seinen Gedichten die ästhetischen Grundlagen des Modernismus mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung über die modernen Medien und deren Einfluss auf den Sprachgebrauch und die Kommunikation. Seine Hauptthese besteht darin, dass der Mensch vereinsamt, sich von anderen Menschen entfernt und dass die gelesenen und gehörten Worte einen abschirmenden Ring um das Individuum bilden. Vor lauter Worten sieht er dadurch deren Bedeutung, d. h. die vermittelte Information nicht mehr. Gyrðirs Gedichte der 90er Jahre sind Sammlungen von Informationsfragmenten, Bruchstücke von Zitaten, Buchtiteln, Phrasen und Schlagwörtern aus der Werbung. Im Zentrum steht die Sprache als Medium, die aber als abgenutzt und nahezu unbrauchbar erscheint. Im Jahr 1987 erschien Gangandi íkorni (‘Ein gehendes Eichhörnchen’), der erste Roman Gyrðirs, dem ein Jahr später Bréfbátarigningin (‘Briefbooteregen’) folgte, eine Sammlung von Kurzgeschichten, die auch das erste Werk Gyrðirs war, das ins Deutsche übersetzt wurde. Beide Prosawerke bewegen sich wie Svefnhjólið auf der Grenze zwischen Realität und Fantasie, und beide spielen ebenfalls auf dem Land (í sveit) – was die Texte Gyrðirs von den meisten seiner isländischen Zeitgenossen unterscheidet. Wie auch in Svefnhjólið spielen in den ersten beiden Prosawerken Kinder eine wichtige Rolle; das Kind als Symbol des Unfertigen, Werdenden, eines noch offenen Systems. Der Leser erfährt nicht, woher die Kinder kommen und warum sie da sind. Trotz des sie umgebenden ‘Realismus’ ist das Leben der Kinder geheimnisvoll und rätselhaft. Alle drei Werke versuchen hinter die Kulissen der Realität zu blicken. Realität und Fantasie sind auf unterschiedliche Weise miteinander verknüpft und überschneiden sich in vielen Punkten. Aus diesem Grund wurde Gyrðir Elíasson mit dem Magischen Realismus in Verbindung gebracht. Während jedoch die fantastischen Elemente im magischen Realismus in der Regel rational erklärt werden können oder zumindest den Anschein erwecken,
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rational erklärt werden zu können, geht es bei Gyrðir Elíasson eher darum, die Bedeutung der Sprache und damit der Signifikation im Hinblick auf Realität und Fantasie herauszuarbeiten. Die übernatürlichen Erscheinungen erregen zunächst bei den Protagonisten Angst, die jedoch verschwindet, sobald sie in der Lage sind, die Phänomene richtig zu deuten, zu benennen und sie sich damit anzueignen. In Svefnhjólið erstreckt sich diese Aneignung auch auf die literarische Tradition, auf die Sagen, Motive und Personen der literarischen Vergangenheit Islands, die sich der Erzähler sprachlich aneignet. Zusammen mit dem Erzähler scheint sich auch der Autor Gyrðir Elíasson mit Svefnhjólið von der Tradition freigeschrieben und seine eigene Sprache gefunden zu haben. Denn schaut man auf die nachfolgenden Werke – sowohl die Lyrik als auch die Prosa –, so stellt man fest, dass hier die fantastischen Elemente zwar noch vorhanden sind, aber einen anderen Charakter erhalten – und durchaus vergleichbar dem magischen Realismus sind. Der Blick richtet sich auf das Geheimnisvolle der Natur, seltsame Formen von Steinen, Bergen, Pflanzen, die zu Deutungen und damit Geschichten anregen. Auch die Sprache hat sich nun verändert, indem sie sich der gesprochenen Alltagssprache annähert, einen einfachen Wortschatz ohne Wortspiele und gesuchte Metaphern verwendet. Der Rhythmus ist ruhig dahinfließend. Seit Svefnhjólið, seinem bisher längsten Roman, hat Gyrðir Elíasson neben seinen beiden Gedichtbänden nur noch Kurz- und Kürzestprosa veröffentlicht. Doch trotz des knappen Erzählstils sind sie nicht eigentlich als minimalistisch zu bezeichnen, denn es wird in ihnen detailgenau beschrieben. Es handelt sich somit eher um Miniaturen. Während es in den Prosatexten bis einschließlich Svefnhjólið um das Individuum und seine Aneignung der Sprache ging, so steht nun die Kommunikation zwischen Freunden, Bekannten, Verwandten, Geliebten und damit auch die Vermittlung von Gefühlen im Mittelpunkt. Wie verstehen wir uns, wenn für jeden von uns jedes Wort eine eigene Bedeutung hat? Im Zentrum steht somit immer noch die Sprache, aber jetzt nicht mehr eine zeitgebundene Sprache, wie die Sprache der Medien in den ersten Werken Gyrðir Elíassons, sondern es geht um das Problem der sprachlichen Kommunikation als solcher, in die auch der Leser einbezogen wird. Die Texte enthalten zahlreiche Leerstellen, die der Leser auffüllen muss und die damit verdeutlichen, dass es sich um eine sprachliche Auseinandersetzung handelt, dass die Kommunikationsprobleme der handelnden Personen nicht psychologisch zu deuten sind. Gyrðir Elíasson hat damit einen Kreis geschlossen und ist zur Bedeutung der Alltagssprache für die Kommunikation unter den Menschen zurückgekehrt. Doch während er sich in seinen ersten Werken mit der Sprache befasste, wie sie uns in Massenmedien, Fernsehen, Radio, Zeitung, und hier vor allem in der Werbung begegnet und er damit eine
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zeitgebundene, sich ständig verändernde Sprache im Blick hatte, so ist seine jetzige Sprache zwar ebenfalls die Alltagssprache, eine einfache Sprache, aber im Sinne einer archetypischen Sprache. Wenn man so will, versucht Gyrðir Elíasson langue und parole in Einklang zu bringen.
Literatur Primärwerke Gyrðir Elíasson: Svefnhjólið. Reykjavík 1990. Gyrðir Elíasson: Das Schlafrad, übersetzt von Gert Kreutzer. Frankfurt/M. 1966. Flateyjarbók. Hgg. Sigurður Nordal et al., 4 Bde. Akranes 1944-45, Bd. 1, S. 384–398. Gréttis saga, in: Íslendinga sögur. Hgg. Jón Torfason / Sverrir Tómasson / Örnólfur Thorsson. Reykajavík 1985, Bd. 1, S. 954–1095. Grettis saga. Die Saga von Grettir dem Starken. Hg. u. aus dem Altisländischen übersetzt von Hubert Seelow. München 1998.
Forschungsliteratur Assmann, Aleida 1999. Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München. Ástráður Eysteinsson 1999. „Mylluhjólið. Um lestur og textatengsl“, in: Ders., Umbrot. Bókmenntir og nútími. Reykjavík, S. 402–416.
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 169–184 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Überlegungen zur Brünne in der Laxdœla saga von ROLF HELLER 1. Zu den ins Auge fallenden Besonderheiten der Darstellung in der Laxdœla saga gehören ausführliche Beschreibungen kostbarer Kleidung und reich verzierter Waffen. Kein anderer Verfasser einer Isländersaga läßt eine so starke Vorliebe für prächtige Auftritte erkennen. Er verleiht ihnen aber nur selten handlungsförderndes Gewicht; sie erscheinen eher als glänzendes Beiwerk. Unter Sagaforschern sieht man einen Zusammenhang zwischen diesen im Umkreis der Isländersagas ursprünglich kaum bekannten Elementen und der neuen kulturellen und literarischen Strömung des 13. Jahrhunderts, die sich in den Begriffen ‘höfische Kultur’ und ‘Rittertum’ fassen läßt und in Island in den sog. Riddarasögur Gestalt gewonnen hat. Unterschiedliche Auffassungen bestehen dabei über Art und Stärke eines Einflusses von Riddarasögur auf die Arbeit des Sagaverfassers. Susanne Kramarz-Bein glaubt für die Laxdœla saga einen starken direkten Einfluß ausmachen zu können.1 Nach ihren Betrachtungen zu den Auffälligkeiten der Kleidung wendet sie sich den Angaben über die Bewaffnung zu und vermerkt: Ähnlich wie bei der Kleidung verweisen auch einige Details im Bereich der Bewaffnung und besonders der Wappenzeichen auf die Rezeption ausländischer Moden und den weiteren Kontext der Riddarasǫgur des 13. Jh.s. Betrachtet man die Bewaffnung einiger Haupthelden der Saga, darunter besonders Óláfs (552), Hrúts (104), Kjartans (134/35), Bollis (166) und vor allem Bolli Bollasons (225), die ausgestattet mit Helm, Schwert, Spieß, Schild und Brünne zum Kampf (oder wie Kjartan im 44. Kapitel zum Fest) ausreiten, so assoziieren diese Bilder die Vorstellungswelt der Riddarasǫgur. 3
Wenig später richtet sie ihr Augenmerk nachdrücklich auf das letztgenannte Stück der Bewaffnung und sagt: 1 2 3
Kramarz-Bein 1994. Hierbei handelt es sich um Seitenzahlen in der Ausgabe der Laxdœla saga 1934. Kramarz-Bein 1994, S. 428 f.
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Im Zusammenhang mit der Bewaffnung der Laxd.-Helden fällt die Brünne besonders ins Gewicht [...] Eine Brünne macht [...] das ‘Hauptstück’ der kontinentalen Ritterrüstung aus und findet entsprechenden Eingang in die Welt der Riddarasǫgur, so daß man auch hier eine Orientierung unseres Verfassers an kontinentalen Modeerscheinungen bzw. den höfisch geprägten Bewaffnungsbräuchen des 13. Jh.s vermuten darf. 4
Damit mißt sie dem Vorkommen der Brünne in der Laxdœla saga beachtliche kultur- und literargeschichtliche Bedeutung bei. Es erscheint angebracht, diese Aussage am Text zu prüfen. Zum ersten Mal ist von einer Brünne die Rede, als Olaf Pfau auf seinem an der irischen Küste festsitzenden Schiff in voller Bewaffnung an Bord erscheint, um den herandrängenden Iren Respekt einzuflößen (c. 21): Óláfr [...] var svá búinn, at hann var í brynju ok hafði hjálm á hÄfði gullroðinn; hann var gyrðr sverði, ok váru gullrekin hjÄltin; hann hafði krókaspjót í hendi hÄggtekit ok allgóð mál í; rauðan skjÄld hafði hann fyrir sér, ok var dregit á leó með gulli.5
Seine prächtige Erscheinung und die (einfacheren) Waffen seiner Schiffsleute verfehlen ihre Wirkung nicht. Natürlich fällt Olafs Ausstattung aus dem Rahmen realistischer Sagadarstellung heraus. Die Brünne ist jedoch angesichts möglicher kriegerischer Auseinandersetzung nicht fehl am Platze. Und Olafs Auftreten steht im Einklang mit seinem Äußeren: Bei der Begrüßung des Königs nimmt er den Helm ab und verneigt sich. Könnte man darin einen Hauch von ‘Höfischem’ sehen, so ist doch festzustellen, daß davon in den folgenden Szenen am Hofe des irischen Königs nichts zu spüren ist. Die Wertschätzung des königlichen Großvaters erwirbt Olaf durch seine Tüchtigkeit, nicht durch glanzvolle Auftritte.6 In c. 37 macht sich ein Mann in der Nähe von Hrutsstadir zu schaffen und ist im Begriff, ein Thorleik gehörendes Gestüt wegzutreiben. Ein Knecht berichtet Hrut davon. Der verläßt eilig das Haus und geht dem Fremden entgegen. Es handelt sich um einen gewissen Eldgrim aus dem Borgarfjord, der da in voller Rüstung unterwegs ist. Er hatte auf dem Thing 4 5 6
Kramarz-Bein 1994, S. 429. Die Laxdœla saga wird zitiert nach der Ausgabe von Einar Ól. Sveinsson in Íslenzk fornrit 5, 1934. Es ist zu überlegen, ob man die Begleiter des Irenkönigs – mikit riddaralið – einfach als ‘große Reiterschar’ (so Beck 1997, S. 54), ‘great company of cavalry’ (Magnus Magnusson / Hermann Pálsson 1969, S. 92; ähnlich Arent 1964, S. 50) bezeichnen sollte und nicht als ‘Ritter’ (so Heller 1982, S. 522), da diesbezügliche Hinweise fehlen. Bei Olafs Frage an den König – hverr sá væri inn vaskligi riddari – sind allerdings alle Übersetzer bei ‘Ritter’ bzw.‘knight’ geblieben.
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vergeblich versucht, Thorleik das kostbare Gestüt abzuhandeln. Nun will er es sich auf unlautere Art holen. Hrut dagegen will Thorleik vor dem Diebstahl bewahren, auch wenn nicht das beste Einvernehmen zwischen ihm und seinem Neffen besteht. Sein Vermittlungsversuch scheitert an Eldgrims Überheblichkeit, der auf seine Ausrüstung vertraut (þú mátt sjá, at ek hefi svá heiman búizk, at mér þótti vel, at fund okkarn Þorleiks bæri saman). Dazu gehört auch eine Brünne, aber selbst sie bietet keinen Schutz, als Hrut ihm bei dem Versuch davonzureiten seine zweischneidige Streitaxt (bryntroll) zwischen die Schultern setzt und ihn durchbohrt. Für diese in bester Absicht ausgeführte Tat erntet Hrut keineswegs Dank von Thorleik. Der fühlt sich im Gegenteil durch Hruts Vorgehen verletzt, und so bildet die Eldgrim-Episode einen wichtigen Teil der Auseinandersetzungen zwischen den Verwandten. Die Szenenfolge enthält einige Auffälligkeiten: Daß Eldgrim in voller Bewaffnung, einschließlich einer Brünne, auftritt, ist zwar zu verstehen angesichts einer drohenden Konfrontation mit dem Besitzer des Gestüts. Erstaunlich ist aber, daß hier der Dieb, der Unbekannte, die Nebenfigur solchermaßen ausstaffiert ist. Dagegen gehört sein Bezwinger Hrut zu den bedeutenderen Personen (mindestens des Eingangsteiles) der Saga, und der gibt ein ganz anderes Bild ab. Vom Lager aufgesprungen, geht Hrut in Hemd und Leinenhose mit übergeworfenem Fellmantel aus dem Haus, nur seine Streitaxt in der Hand haltend. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Eldgrims Brünne hauptsächlich die Aufgabe hat, die Kraft des achtzigjährigen Hrut und die Gefährlichkeit seiner Waffe zu verdeutlichen. Eines ist jedenfalls sicher: Von ‘Höfischem’ und ‘Rittertum’ ist in diesen Szenen nichts enthalten.7 Unter den zehn Teilnehmern am Rachezug gegen Helgi (c. 63) trägt einer eine Brünne besonderer Art, einen Plattenpanzer (spangabrynja). Dieser Brünnentyp ist vermutlich erst im 12. Jahrhundert im Norden bekannt geworden; normalerweise handelt es sich bei den literarischen Zeugnissen um Ringbrünnen oder Kettenhemden (hringabrynja). Es liegt also zweifelsfrei ein Anachronismus vor, wenn ein gewisser Hunbogi am Beginn des 11. Jahrhunderts eine solche Brünne ‘neuen Typs’ getragen haben soll. Mancher ist geneigt, das – verbunden mit den in den Beschreibungen 7
Kramarz-Bein ist bei ihren Angaben ein Fehler unterlaufen, wenn sie bei der besonderen „Bewaffnung einiger der Haupthelden der Saga“ die „Hrúts (104)“ anführt. Dabei handelt es sich um die besprochene Auseinandersetzung mit Eldgrim, bei der Hrut keineswegs gut gerüstet ist. Übrigens trägt er auch bei dem Kampf mit den Knechten Höskulds (c. 19) keine Brünne. Helm, Schwert und Schild (ohne Schmuck) werden genannt, hervorgehoben aber wird Hruts Kampftüchtigkeit.
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des Hirtenjungen Helgis mehrfach auftauchenden Begriffen kurteiss und kurteisligr – dem Einfluß höfisch-ritterlicher Vorstellungen zuzuschreiben. Der Verfasser der Laxdœla saga hat jedoch mit der Gestalt Hunbogis ein Rätsel aufgegeben, das meines Wissens ungelöst ist. Als erstes fällt auf, daß in den zum Teil ausführlichen Angaben über die auf ihren Sätteln am Waldboden sitzenden Fremden das Augenmerk auf körperliche Kennzeichen und Besonderheiten der Kleidung gerichtet ist, anhand deren Helgi die Personen erkennen kann – einzig bei Hunbogi steht die Bewaffnung im Vordergrund. Und die zeigt Merkwürdigkeiten: Nach Nennung der ‘modernen’ Brünne heißt es in den Worten des Hirtenjungen weiter: sá [...] hafði stálhúfu á hǫfði, ok var barmrinn þverrar handar breiðr; hann hafði øxi ljósa um ǫxl, ok mundi vera alnar fyrir munn. Das ist nicht die Beschreibung eines ‘ritterlichen’ Mannes, was auch durch die letzten Worte über ihn bestätigt wird – er sei inn víkingligsti. Beim folgenden Kampf mit Helgi und seinen wenigen Helfern (c. 64) hat Hunbogi noch einen bezeichnenden Auftritt. Mit wuchtigem Axthieb auf den Rücken eines Gegners zerschlägt er dessen Rückgrat. Von seiner Brünne ist nicht wieder die Rede. Sie wirkt insgesamt in c. 63 eher deplaziert, und es fällt schwer anzunehmen, daß der Verfasser mit ihr einen gezielten Hinweis auf moderne ritterliche Bewaffnung unterbringen wollte.8 Abschließend sei noch ein Blick auf die drei größten bewaffneten Auseinandersetzungen der Saga geworfen. Bei dem Überfall der Osvifrssöhne und Bollis auf Kjartan und dessen letztem Kampf (c. 49) trägt offensichtlich keiner der Beteiligten eine Brünne. Da Kjartan in privater Angelegenheit unterwegs war und nicht an eine Gefahr glauben wollte, läßt sich das für ihn einigermaßen verstehen. Anders erscheint es bei den Osvifrssöhnen und ihren Begleitern. Sie waren ausgezogen, um Kjartan zu töten. Eine Brünne hätte ihnen bei der zu erwartenden starken Gegenwehr Kjartans durchaus dienlich sein können. 8
Kramarz-Bein kommt nur in einer Anmerkung (1994, S. 429 Anm. 14) auf die spangabrynja zu sprechen. (Vielleicht liegt das daran, daß mit Hunbogi keiner der sonst betrachteten „Haupthelden“ der Saga im Spiel ist.) Nach ihrer Ansicht „macht unser Verfasser also Gebrauch von neuen kontinentalen Modeerscheinungen im Bereich der Bewaffnung“. Sie weist darauf hin, daß dieser auch in den „Riddarasǫgur nicht häufig anzutreffende“ Brünnentyp in der Þiðreks saga belegt ist. Mir erscheint es bemerkenswert, daß Snorri Sturluson die spangabrynja kannte. In der Heimskringla berichtet er (Hkr. III, Hákonar saga herðibreiðs c. 10), daß Grégóríús Dagsson 1159 in dem Kampf auf der Gautelf eine solche Brünne getragen hat, die ihm wohl das Leben rettete. Und 1179 ging Jarl Erlingr mit einer solchen Brünne in seinen letzten Kampf, was wir aus der Sverris saga wissen.
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Auch bei dem Rachezug gegen Bolli (c. 55) wird auf Seiten der Angreifer keine Brünne erwähnt. Bolli in der Sennhütte hat Helm und Schild sowie das Schwert Fotbit zur Verteidigung bei sich. Hinzugefügt ist: enga hafði hann brynju. Man kann vermuten, daß der Satz Bollis aussichtslose Lage unterstreichen und zugleich verstehen lassen soll, daß Helgi mit seinem Spieß nicht nur Bollis Schild, sondern auch ihn selbst durchbohren kann. Schließlich fällt beim Angriff auf Helgi (c. 64) kein Wort über eine Brünne oder Brünnen. Nur aus der Beschreibung im voraufgehenden Kapitel wissen wir, daß Hunbogi eine getragen hat. Damit spielt gerade in drei hinsichtlich der Bewaffnung wichtigen Szenenfolgen der Laxdœla saga die Brünne keine Rolle. Die Prüfung der Textstellen der Laxdœla saga, an denen von Brünnen berichtet wird (oder nach dem Inhalt berichtet werden könnte), ergibt ein anderes Bild, als man nach den eingangs zitierten Aussagen von Kramarz-Bein erwarten dürfte. Von den dort genannten „Haupthelden der Saga“ bleibt als einziger Olaf als Brünnenträger bestehen. Sein ‘glänzender’ Auftritt am Steven seines Schiffes läßt zwar an Beschreibungen einzelner Helden in Riddarasögur denken, der Laxdœla-Verfasser hat sich dabei jedoch eher an Berichten in Königssagas orientiert, worüber später noch zu sprechen ist. Da Hrut zu Unrecht eine Brünne zugeschrieben wird und er durch Eldgrim ersetzt werden muß, ist zudem klar, daß Besitz und Tragen einer Brünne in der Laxdœla saga nicht an bedeutende Personen gebunden ist. Bestätigt wird das durch die spangabrynja des sonst unbekannten Hunbogi. Wenn „Haupthelden der Saga“ in voller Bewaffnung, also auch mit Brünne, „zum Kampf [...] ausreiten, so assoziieren diese Bilder die Vorstellungswelt der Riddarasǫgur“ – lautet eine der zitierten Thesen von Kramarz-Bein. Die Untersuchung hat gezeigt, daß ein solches Bild nur Eldgrim abgeben könnte, und der ist weder eine bedeutende Person, noch hat sein Handeln etwas Ritterliches. Nach allem ist festzustellen, daß die Brünne im Zusammenhang mit der Bewaffnung in der Laxdœla saga nicht „besonders ins Gewicht“ fällt. Sie ist kaum geeignet, etwas über den Einfluß von Riddarasögur auf die Arbeit des Sagaverfassers auszusagen. 2. Für das vorliegende Thema ist es interessant zu wissen, welche Rolle die Brünne im Leben der Isländer des 13. Jahrhunderts gespielt hat. Auskunft
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darüber können die zeitgenössischen Berichte geben, die uns in der sog. Sturlunga saga überliefert sind.9 Auf dem Thing des Jahres 1120 geht der Anführer einer der beiden streitenden Parteien, Þorgils Oddason, mit einer Brünne zum Gericht: Þorgils var svá búinn, at hann var í selskinnskufli yfir brynjunni útan (Þorgils saga ok Hafliða c. 16); eine bewaffnete Auseinandersetzung liegt in der Luft. In den Berichten über Thingversammlungen werden Brünnen öfter erwähnt. So am Beginn des 13. Jahrhunderts: Um sumarit eftir á alþingi hljóp Haukr til Þorvalds ok hjó milli herða honum, en Þorvaldr skeindist eigi, því at hann var í brynju (Hrafns saga Sveinbjarnarsonar c. 13). 1231 erfährt Snorri Sturluson auf dem Thing, daß einer seiner Pächter erschlagen worden ist. Snorri kallaði þá til brynju sinnar (Íslendinga saga c. 80), weil er gegen die Hintermänner des Täters vorgehen will. Wenige Jahre später droht nach einem Totschlag auf dem Thing ein Kampf zwischen Hunderten von Leuten. Þeir Kolbeinn hljópu þegar upp ok heim til búðar ok tóku brynjur sínar ok panzara ok spjót ok skjöldu (Íslendinga saga c. 99). Die Textstellen zeigen, daß es nicht ungewöhnlich war, auf dem Thing eine Brünne zu tragen oder eine zur Hand zu haben. In erster Linie gilt das für die Mächtigen, für die Anführer einer Schar von Thingmannen, aber das letzte Beispiel läßt vermuten, daß unter den Trägern auch weniger bedeutende Leute waren. Mehrere Angaben beweisen, daß die Mächtigen in ihren Gehöften eine ganze Reihe von Brünnen aufbewahrten, die im Ernstfall auch ihren Anhängern zugutekamen. Vor dem Bericht über den brutalen Überfall auf Saudafell im Jahre 1229 wird das Innere dieses prächtigen, im Besitz von Sturla Sighvatsson befindlichen Gehöftes beschrieben: At Sauðafelli váru þá hýbýli góð, skáli tjaldaðr allr ok skipaðr skjöldum útan á tjöldin, en brynjur váru fyrir framan kvennarekkjur (Íslendinga saga c. 71). Im Jahre 1250 wird Ögmund gerade noch rechtzeitig vor dem nächtlichen Angriff seiner jungen Verwandten gewarnt: Ögmundr stendr upp þegar ok tekr brynjur nökkurar tíu, er hengu fyrir rúmi þeira, ok kastar eftir setjunum ok bað menn upp standa (Svínfellinga saga c. 6); im selben Jahr nach Ögmunds Ächtung auf dem Thing wird angegeben, was bei der Einziehung des Ächtergutes weggebracht wird. Nach Aufzählung einer 9
Die Titel der einzelnen Sagas mit der Kapitelzählung sowie der Text selbst sind der Ausgabe der Sturlunga saga von Jón Jóhannesson, Magnús Finnbogason und Kristján Eldjárn, Reykjavík 1946, entnommen.
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großen Menge Viehs und Pferde folgen tólf skildir, tólf spjót, sex stálhúfur, sex brynjur ok tíu kistur, dúnklæði á hest (Svínfellinga saga c. 8). Verständlicherweise werden Brünnen am häufigsten bei Kampfhandlungen genannt, unter freiem Himmel genau so wie im Inneren von Gebäuden. Deshalb genügen einige Hinweise. 1222 beim Kampf auf der Grimsey stehen sich Aron Hjörleifsson und Sturla Sighvatsson gegenüber. Sturla var í rauðum kyrtli yfir brynjunni ok hafði upp drepit blöðunum; als er durch einen Stoß zu Fall kommt, bar brynjuna af lærinu (Íslendinga saga c. 44). Aron trägt die Waffen, darunter auch die Brünne, des zuvor getöteten Bruders von Sturla. Einzelne Brünnen werden z. B. genannt bei Sturlas Racheschlag gegen die Vatnsfjordleute, die sein Gehöft Jahre zuvor verwüstet hatten (1232; Íslendinga saga c. 85), und natürlich bei dem für die Sturlungen entscheidenden Kampf von Örlygsstadir im Jahre 1238 (Íslendinga saga c. 138). Zu erkennen ist, daß eine Brünne im allgemeinen nur genannt wird, wenn sie das Leben des Trägers schützt oder wenn sie beim Angriff des Gegners zerbirst und der Träger verwundet, eventuell tödlich getroffen wird. Man kann daher mit Sicherheit davon ausgehen, daß weit mehr Kämpfende mit Brünnen ausgerüstet waren, als in den Berichten genannt werden, und das gilt für Häuptlinge wie für Thingleute. Die detailreiche Darstellung der Vorgänge um den Mordbrand von Flugumyr im Jahr 1253 wirkt wie eine Bestätigung des bisher Beobachteten. Beim Aufbruch der Angreifer heißt es: Tveir menn fóru ins fimmta tigar, ok váru þrír tigir manna í hringabrynjum (Íslendinga saga c. 171). Die Überfallenen werden aus dem Schlaf gerissen. Einigen gelingt es, eine Brünne zu fassen und (in Unterkleidern) hineinzufahren. Die Brünnen müssen – wie in einem schon zitierten Beispiel beschrieben – bei den Schlafstätten aufgehängt gewesen sein: Gizurr (glaði) hafði skyrtuna um háls sér ok var eigi í ermunum, er hann hljóp upp, ok komst í brynju ok fekk skjöld einn (Íslendinga saga c. 171) und Gizurr (Þorvaldsson) komst í brynju ok fekk stálhúfu setta á höfuð sér (Íslendinga saga c. 172).10 In anderer Weise interessant ist ein Vorgang in Snorri Sturlusons jüngeren Jahren. Aus nicht genannten Gründen hatte Snorri ein Gedicht auf Jarl 10
Später, als Flammen und Rauch den Hof durchdringen, wird Gizurr noch einmal beschrieben: Hann var í línklæðum ok í brynju, stálhúfu á höfði (Íslendinga saga c. 172), und schließlich entledigt er sich der Brünne und der Stahlhaube, ehe er sich im Molkenfaß versteckt (Íslendinga saga c. 174). – brynja und stálhúfa werden auch andernorts e i n e m Träger zugeschrieben, vgl. etwa 1242 (Þórðar saga kakala c. 11); 1252 (Svínfellinga saga c. 10). Das läßt an den Hunbogi der Laxdœla saga (c. 63) denken, der allerdings mit einer spangabrynja ausgestattet ist.
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Hákon galin verfaßt und ihm zugeschickt ok sendi jarlinn gjafir út á mót, sverð ok skjöld ok brynju.11 Gestützt werden die Angaben durch eine Strophe des Skalden Máni (Íslendinga saga c. 34, Str. 12): Örr hefr sendar Snorra siklingr gjafar hingat, unni afreksmanni jarl gørsima snarla. Gœðingr hlaut, sem gátum, göfugr af tignum jöfri, þat fekk skald, með skildi, skynjat, sverð ok brynju.
Die Auswahl von Textstellen aus der Sturlunga saga läßt die Schlußfolgerung zu, daß es um die Mitte des 13. Jahrhunderts kaum einen erwachsenen Isländer gegeben haben dürfte, dem eine Brünne nicht vor Augen gekommen war. In den jahrzehntelangen bewaffneten Auseinandersetzungen, die dem Ende der Selbständigkeit Islands vorausgingen, hat sie eine wichtige, oft entscheidende Rolle beim Schutz von Leib und Leben gespielt. Bei Nennung der Brünne in einer Saga lag es für Isländer näher, sich zeitgenössischer Erlebnisse und Erfahrungen zu erinnern, als die Gedanken auf eine neue literarische Mode zu richten. 3. Olaf Pfau beeindruckt bei seinem Auftritt vor der irischen Küste nicht allein mit seiner Brünne; da spielen die goldenen Verzierungen an Helm, Schwert und Schild eine große Rolle. Sie vor allem sind es, die dem Gedanken an eine Beeinflussung des Laxdœla-Verfassers durch Riddarasögur Nahrung gegeben haben. Dennoch kann es als sicher gelten, daß es in erster Linie die detailreich dargebotenen Berichte von den letzten Waffengängen norwegischer Könige in den Königssagas (mit der Heimskringla Snorri Sturlusons als Höhepunkt) waren, die ihm Elemente seiner Darstellungen prächtiger Bewaffnung liefern konnten und zweifellos geliefert haben. Da ist von goldverziertem Helm die Rede (gylltr hjálmr oder gullroðinn hjálmr), aber auch Verzierungen an Schwert oder Schild werden genannt. Und die Brünne ist Teil der Ausrüstung aller Könige. So steht Óláfr Tryggvason (im Jahr 1000) weithin sichtbar an Bord seines Schiffes: Hann hafði gylltan skjǫld ok gullroðinn hjálm [...] Hann hafði rauðan kyrtil stuttan útan um brynju (Hkr. I, Óláfs saga Tryggvasonar c. 104). Während der Kampf um das Schiff tobt, sá menn, at blóð rann ofan undan brynstúkunni (Hkr. I, Óláfs saga Tryggvasonar c. 109). 11
Jarl Hákon galin starb im Jahr 1214.
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Kurz darauf springt der König von Bord, und niemand hat ihn wieder gesehen.12 Snorri beschreibt Óláfr Haraldsson vor der Schlacht von Stiklarstadir (1030): Óláfr konungr var svá búinn, at hann hafði hjálm gylltan á hÄfði, en hvítan skjÄld ok lagðr á með gulli kross inn helgi. Í annarri hendi hafði hann kesju [...] Hann var gyrðr sverði því, er Hneitir var kallat, it bitrasta sverð ok gulli vafiðr meðalkaflinn. Hann hafði hringabrynju (Hkr. II, Óláfs saga helga c. 213).
Dabei stützt er sich auf den Hinweis in einer Strophe von Sigvatr Þórðarson: (in Prosawortfolge) sóknþorinn sinnjór gekk framm í brynju sœkja ǫflgan sigr (Hkr. II, Óláfs saga helga c. 213, Str. 146).13 Später, als der König tödliche Wunden erhält, wird die Brünne noch einmal erwähnt: Þá lagði Þórir hundr spjóti til hans. Kom lagit neðan undir brynjuna ok renndi upp í kviðinn (Hkr. II, Óláfs saga helga c. 228). Die Brünne ist auch dann von Bedeutung, wenn sie während des Kampfes – aus genanntem oder nach den Umständen zu erschließendem Grund – nicht getragen wird. Als sprechendes Beispiel kann die Darstellung des letzten – zwar siegreichen, aber mit tödlicher Wunde endenden – Waffenganges von Hákon Aðalsteinsfóstri (um 960) gelten. Snorri berichtet (Hkr. I, Hákonar saga góða c. 28): Konungr steypir brynju á sik ok gyrðir sik með sverðinu Kvernbít, setr á hǫfuð sér hjálm gullroðinn ... Wenig später (Hkr. I, Hákonar saga góða c. 30) heißt es jedoch: Hákon konungr hafði þá fylkt liði sínu, ok segja menn svá, at konungr steypði af sér brynjunni, áðr orrosta tóksk. Bedeutsam ist, daß diese Angaben auf Strophen des von Eyvindr skáldaspillir auf König Hákon verfaßten Gedichtes Hákonarmál zurückgehen, die von Snorri zitiert werden: Bróður fundu þær Bjarnar / í brynju fara, / konung enn kostsama, / kominn und gunnfana (Hkr. I, Hákonar saga góða c. 30, Str. 75,1–4) und Hrauzk ór hervǫðum, / hratt á vǫll brynju / vísi verðungar, / áðr til vígs tœki. / Lék við ljóðmǫgu,/ skyldi land verja / gramr enn glaðværi, / stóð und gullhjalmi (Hkr. I, Hákonar saga góða c. 30, Str. 77,1– 8). Der Grund für das Ablegen der Brünne wird hier weder aus der Prosa noch aus einer Strophe erkennbar. In der Fagrskinna aber, die die gleichen Strophen Eyvinds zitiert, gibt es eine Erklärung: Þann dag var veðr heitt af sólu (c. 12). 12 13
Odds Óláfs saga Tryggvasonar und Fagrskinna bieten vergleichbare Angaben. Snorri widerspricht damit den übereinstimmenden Angaben von Ágrip c. 30 und Olafs saga hins helga (der sog. Legendarischen Saga) c. 80: hvárki hafði hann hjálm né brynju. Vgl. Bjarni Aðalbjarnarson, Heimskringla II, Formáli S. LXXXV, Anm. 3.
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Eine ähnliche Situation wird vor dem letzten Kampf von Haraldr Sigurðarson (1066) beschrieben. Er bricht mit dem größeren Teil seiner Mannschaft von den Schiffen auf, um zu einem vereinbarten Treffen mit den (zuvor bereits unterworfenen) Engländern in Jórvík (York) zu gehen. Snorri Sturluson berichtet (Hkr. III, Haralds saga Sigurðarsonar c. 87): Þá var veðr forkunnliga gott ok heitt skin. Menn lǫgðu eptir brynjur sínar, en gengu upp með skjǫldum ok hjálmum ...14 Das Fehlen der Brünnen hat schlimme Folgen, da die Norweger unerwartet auf den englischen König mit zahlenmäßig überlegenem und voll ausgerüstetem Heer treffen. Als Haraldr Sigurðarson bereits gefallen ist und sich die Niederlage der Norweger abzeichnet, kommen die bei den Schiffen Zurückgebliebenen zum Schlachtfeld (Hkr. III, Haralds saga Sigurðarsonar c. 93): Váru þeir albrynjaðir. Sie hatten ihren Weg so schnell zurückgelegt, daß sie mit ihren Kräften nahezu am Ende waren. Sie stürzen sich dennoch wütend in den Kampf, können aber das Gewicht der Brünnen nicht mehr tragen. At lykðum steypðusk þeir af hringabrynjunum (Hkr. III, Haralds saga Sigurðarsonar c. 93) und bieten damit den Angreifern leichte Ziele. Aus der Darstellung wird klar, daß (mindestens) ein großer Teil des norwegischen Heeres mit Brünnen ausgerüstet war.15 Noch einmal bestreitet ein norwegischer König seinen letzten Waffengang ohne Brünne, Magnús berfœttr Óláfsson im Jahre 1103. Nach erfolgreichem Kriegszug in Irland rüstet Magnús zur Heimkehr nach Norwegen, erwartet aber noch Schlachtvieh von seinem irischen Verbündeten. Als sich die Rückkehr seiner Boten verzögert, geht er mit dem Großteil seiner Leute an Land. Zwar ist die Ausstattung des Königs prächtig in Bewaffnung und Kleidung, aber es fehlt die Brünne. Snorri gibt an: Veðr var vindlaust ok sólskin (Hkr. III, Magnúss saga berfœtts c. 24). Wenn darin nicht der Grund für das unvorsichtige Verhalten gesehen werden soll, könnte eine gewisse Sorglosigkeit angenommen werden angesichts der scheinbaren Ruhe im Land.16 Die Leute mit dem Schlachtvieh treffen zwar ein, aber auf
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Snorri zitiert eine Strophe, die dem König zugeschrieben wird: Framm gǫngum vér / í fylkingu / brynjulausir / und blár eggjar. / Hjalmar skína. / Hefkat ek mína. / Nú liggr skrúð várt / at skipum niðri (Hkr. III, Haralds saga Sigurðarsonar c. 91, Str. 155). Auch Morkinskinna und Fagrskinna führen die Strophe an. Morkinskinna und Fagrskinna stimmen sachlich mit dem Bericht Snorris überein. Morkinskinna und Fagrskinna geben keine Auskunft. Ágrip mit viel kürzerer Darstellung macht die interessante Bemerkung, daß Magnús gerðisk síðan óvarari, með því at í fyrstu gekk hónum með vildum; betont wird, daß beim Angriff der Iren þeir konungrinn lítt við búnir at herklæðum (c. 50).
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dem Rückweg werden die Norweger in sumpfigem Gelände von irischer Übermacht gestellt und besiegt.17 Auf Grund der besprochenen Beispiele dürfen wir davon ausgehen, daß die Brünne in den Augen der Verfasser von Königssagas und ihrer Zeitgenossen über die Jahrhunderte hinweg ein unverzichtbarer Teil der Bewaffnung von Königen wie Gefolgsleuten war. Die Sagaverfasser stützten sich ja in vielen Fällen auf die Aussagen von Skalden. Dabei sind die skaldischen Belege für brynja wesentlich zahlreicher, als hier vorgelegt werden konnten, und die Gedichte stammen von einigen der bekanntesten Skalden des 10. und 11. Jahrhunderts. Sie bilden eine sichere Grundlage der Prosaberichte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Der Gedanke, daß erst neue ausländische Waffentechnik einen Einfluß auf die Darstellung in Königssagas ausgeübt hat, ist – zumindest für die Brünne – abzulehnen. Darauf weist schon eine Strophe des Haraldskvæði genannten Gedichtes von ÞorbjÄrn hornklofi (gegen Ende des 9. Jahrhunderts verfaßt), in der er die Großzügigkeit von König Haraldr hárfagri preist: Á gerðum sér þeira / ok á gollbaugum / at þeir eru í kunnleikum við konung: / feldum ráða þeir rauðum, / fǫðum rǫndum, / sverðum silfrvǫfðum, / s e r k j u m h r i n g o f n u m , / gylltum andfetlum / ok grǫfnum hjalmum, / hringum handbærum, / es þeim Haraldr valði (Fagrsk. c. 2, Strophe 11). 4. Eingangs haben wir Kramarz-Bein u. a. mit den Worten zitiert: „Eine Brünne macht [...] das ‘Hauptstück’ der kontinentalen Ritterrüstung aus und findet entsprechenden Eingang in die Welt der Riddarasǫgur“.18 Diese Aussage ist in ihrem ersten Teil unstrittig. Interessant ist aber die Frage, in welcher Weise die Brünne „Eingang in die Welt der Riddarasǫgur“ findet. Ein Blick in die Tristrams saga ok Ísöndar kann eine erste Antwort geben.19 In der Beschreibung des kurzen Lebens des alle überragenden Ritters Kanelangres wird die Brünne nicht direkt genannt, obgleich von prächtiger Ausstattung und Bewaffnung die Rede ist, von großen Turnieren (mit Verwundeten und Toten) und vom erbitterten Kampf mit seinen Gegnern, 17
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Eine Studie hat gezeigt, daß die Beschreibung von Magnús berfœttr vor seinem letzten Kampf bei mehreren Personen der Laxdœla saga Spuren hinterlassen hat, darunter der Olaf Pfaus beim Auftritt vor der Küste Irlands. Der Laxd.-Verfasser hat aber auch andere Angaben aus dem Umkreis von König Magnús als Lehngut in seine Saga eingefügt. Ein Vergleich der wichtigsten Königssagas läßt die Morkinskinna als direktes Vorbild erkennen (Heller 1960, S. 25 f.; 1976, S. 74 ff.). Kramarz-Bein 1994, S. 429. Zugrunde gelegt ist die Ausgabe von Gísli Brynjúlfsson: Saga af Tristram ok Ísönd.
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in dem er auf dem Pferd sitzend durchbohrt und so getötet wird. Der Übersetzer begnügt sich mit dem allgemeineren Begriff herklæði.20 Das ändert sich auch nicht bei den ersten Auftritten von Tristram, Kanelangres’ nachgeborenem Sohn. Selbst als der König ihn ritterlich ausstattet, wird eine Brünne nicht erwähnt. Erst als Morhold und Tristram zum Zweikampf rüsten, kommen Brünnen ins Blickfeld (c. 28): Mórhold [...] herklæðist. Síðan sté hann á bak einum miklum hesti, klæddum öruggri hestsbrynju [...]. Tristram herklæddist nú í konungsins garði góðum járnhosum […] Síðan fór hann í örugga brynju, þykkva ok mikla [...] [þeir] leiða fram einn rauðan hest, allan vel brynjaðan. Ok steig Tristram á bak hánum [...]
Im folgenden Waffengang spielen die Brünnen dann eine wesentliche Rolle. Nachdem beider Lanzenschäfte geborsten waren, brugðu þeir sverðum ok hjoggust stórum höggum, svá at eldar flugu ór hjálmum þeirra, sverðum ok brynjum, und nicht nur das: Hjálmarnir bognuðu fyrir sverðunum, brynjurnar biluðu, skildirnir klofnuðu. Tristram schlägt Morhold brynjuna af armlegg hans, der aber trifft Tristram an der Brust ok falsaðist brynjan fyrir högginu, ok varð hann mjök sárr. Die Brünne erscheint hier als unverzichtbarer, bei waffentüchtigem Gegner jedoch nicht absolut zuverlässiger Schutz im Kampf. Als Tristram nach Tötung des Drachen am Königshof geheilt wird, bekommt Isönd seine Waffen zu Gesicht (c. 43) – hón sá brynhosur hans ok brynju – und sagt: þessi er hin bezta brynjuver. Sie muß er im Kampf mit dem Untier getragen haben, wo der Verfasser nur von herklæði spricht. Die Beispiele zeigen, daß nur im Zusammenhang mit einem Kampf die Brünne (oder ein Brünnenteil) besonders bezeichnet wird. Zu demselben Ergebnis führt eine Betrachtung der Ívens saga.21 Bei der heftigen Auseinandersetzung Ivens mit dem Herrn der Quelle (c. 3) heißt es: bryníur biludu en spiotín brotnudu und (nach Schwerthieben) hialmar þeirra klofnudu enn bryníur slíttnudu, auch brynníu hattrin slitnadi. Als Iven im Kampf gegen verleumderische Ankläger in Bedrängnis gerät, greift sein Löwe ein und springt deren Führer an, so daß bryníu hringar hans flugu af honum (c. 12). Auch gegenüber zwei riesischen Übeltätern kommt Iven in Schwierigkeiten: þeir ij. geingo ath honum ok gafu honum suo stor hgg med slegíunum ath litil hialp vard honum ath hialmínum brynníu eda skildí (c. 13). 20 21
Das Wort ist der Laxdœla saga fremd. Zitiert nach der Ausgabe von Foster W. Blaisdell: Ívens saga.
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Schließlich wird noch einmal von zerrissenen Brünnen berichtet beim hitzigen Zweikampf zwischen Iven und Valven, die ohne sich zu erkennen aufeinandertreffen (c. 15): þa voru hgnir miok skildir þeirra hialmar brotna enn bryníuʀ slittna enn badir voru sarer ok modir.22 Der übereinstimmende, thematisch begrenzte Gebrauch von brynja in zwei der bedeutendsten Riddarasögur ermöglicht einen vergleichenden Blick auf die Laxdœla saga. Daß in deren drei wichtigsten bewaffneten Auseinandersetzungen Brünnen überhaupt keine Rolle spielen, wurde bereits hervorgehoben. Auch wenn Olaf Pfau und Hunbogi eine Brünne tragen, muß nach unseren Beobachtungen nicht an einen Einfluß aus der Welt der Riddarasögur gedacht werden. Als einzige ‘Kampfhandlung’, in der einer Brünne Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist die Tötung Eldgrims durch Hrut zu nennen (c. 37): reiddi hann [=Hrútr] upp bryntrollit ok setr milli herða Eldgrími, svá at þegar slitnaði brynjan fyrir, en bryntrollit hljóp út um bringuna; fell Eldgrímr dauðr af hestinum. Zwar finden wir hier das in Riddarasögur des öfteren verwendete Verb slitna; von Widerspiegelung ritterlicher Kultur kann jedoch, wie schon dargelegt, nicht die Rede sein. Eher könnte man der Szene parodistische Züge zuschreiben. Eine „Orientierung“ des Verfassers der Laxdœla saga an „höfisch geprägten Bewaffnungsbräuchen des 13. Jh.s“23 muß jedenfalls im Hinblick auf die Brünne bezweifelt werden.24 5. Die Prüfung der wenigen Stellen der Laxdœla saga, an denen vom Tragen einer Brünne die Rede ist, hat ergeben, daß der Verfasser ihr in seinen Personendarstellungen keine besondere Bedeutung und für die Handlung kaum Gewicht beigemessen hat. Eigene Erfahrungen im Island des 13. Jahrhunderts und umfassende Kenntnisse der historischen Literatur der Zeit bildeten die Grundlage für die Schaffung der Ausstattung ihrer Sagafiguren, auch hinsichtlich der Brünne. Die in Königssagas überlieferten Skaldenstrophen bewiesen (und beweisen), daß die Brünne im Norden schon lange bekannt war, als mit den Riddarasögur eine neue kulturelle und literarische Strömung dahin gelangte. Selbst beim Auftritt von Olaf Pfau (c. 22 23 24
Wie in der Tristrams saga ok Ísöndar finden wir herklæði, wenn es sich nicht um detaillierte Kampfesbeschreibungen handelt. Kramarz-Bein 1994, S. 429. Die umfangreiche, den Riddarasögur nahestehende Þiðriks saga af Bern bietet eine Fülle von Kampfszenen. Fast ausnahmslos tragen die Gegner Brünnen. Ein wenig stereotyp folgt auf den Kampf zu Pferd mit der Lanze die Entscheidung zu Fuß mit dem Schwert. Dabei werden die Schutzwaffen nacheinander unbrauchbar. Der abschließende Schwerthieb zerschneidet oft Brünne und Körper zugleich. Für die Laxdœla saga haben diese Schilderungen keine Vorbilder geliefert.
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21), bei dem die Brünne als Teil von goldverzierter Bewaffnung erscheint, ist die Suche nach ‘ritterlichen’ Vorbildern unnötig. Der Verfasser hat sich vielmehr von den Beschreibungen der Herrschergestalten in Königssagas inspirieren lassen.25 Vor wenigen Jahren konnte darüber hinaus gezeigt werden, daß auch Bolli Bollason, „der ‘höfischste’ Charakter der Saga“,26 der die Leute beim Heimritt nach der Rückkehr aus dem Ausland durch sein prächtiges Äußeres beeindruckt (c. 77), vorrangig mit Stücken ausgestattet ist, die der Laxdœla-Verfasser einer Erzählung Snorri Sturlusons in der Heimskringla entlehnt hat.27 Trotz dieser Erkenntnisse ist davon auszugehen, daß dem LaxdœlaVerfasser Riddarasögur und die in ihnen zutage tretenden neuen Elemente einer ‘höfischen Kultur’ bekannt waren. Sie können für ihn Anstoß gewesen sein, der glänzenden Außenseite des Lebens in seiner Saga mehr Raum zu geben, als das in Isländersagas im allgemeinen üblich war. Bei der Umsetzung dieser Anregung in seinem Werk hat er sich jedoch weitgehend an dem orientiert, was die Königssagas und die zeitgenössischen Berichte bereithielten
Literatur Quellen Ágrip af Nóregskonunga sǫgum (Íslenzk fornrit 29). Hg. Bjarni Reykjavík 1985. Fagrskinna. Nóregs konunga tal (Íslenzk fornrit 29). Hg. Bjarni Reykjavík 1985. Heimskringla I (Íslenzk fornrit 26). Hg. Bjarni Aðalbjarnarson. 1941. Heimskringla II (Íslenzk fornrit 27). Hg. Bjarni Aðalbjarnarson. 1945. Heimskringla III (Íslenzk fornrit 28). Hg. Bjarni Aðalbjarnarson. 1951.
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Einarsson. Einarsson. Reykjavík Reykjavík Reykjavík
Heller 1960, S. 26 f.; 1961, S. 12 f.; 2003, S. 267 f. – Einzig bei dem in c. 77 genannten – in den überlieferten Königssagas nicht belegten – glaðel könnte an eine Beeinflussung durch Riddarasögur gedacht werden; möglicherweise liegt der Angabe aber direkte Kenntnis von Sache und Wort durch den Verfasser zugrunde. Kramarz-Bein 1994, S. 424. Heller 2003, S. 268 ff.
Überlegungen zur Brünne in der Laxdœla saga
183
Ívens saga (Editiones Arnamagnæanæ. Ser. B, vol. 18). Hg. Foster W. Blaisdell. Copenhagen 1979. Laxdœla saga (Íslenzk fornrit 5). Hg. Einar Ól. Sveinsson. Reykjavík 1934. Morkinskinna (Samfund 53). Hg. Finnur Jónsson. København 1932. Olafs saga hins helga. Hg. und übersetzt v. Anne Heinrichs a. Heidelberg 1982. Óláfs saga Tryggvasonar eptir Odd munk Snorrason (Íslenzk fornrit 25). Hg. Ólafur Halldórsson. Reykjavík 2006. Saga af Tristram ok Ísönd. Hg. Gísli Brynjúlfsson. Kjöbenhavn 1878. Sturlunga saga. Hgg. Jón Jóhannesson / Magnús Finnbogason / Kristján Eldjárn. 2 Bde. Reykjavík 1946. Þiðriks saga af Bern (Samfund 34). Hg. Henrik Bertelsen. Bd. 1–2. København 1905–11.
Übersetzungen Arent 1964. The Laxdoela Saga. Translated from the Old Icelandic with Introduction and Notes by A. Margaret Arent. Seattle/New York. Beck 1997. Laxdoela Saga (Saga. Bibliothek der altnordischen Literatur. Herausgegeben von Kurt Schier). Hg. und aus dem Altisländischen übersetzt von Heinrich Beck. München. Heller 1982. Die Saga von den Leuten aus dem Laxartal (Isländersagas. Erster Band). Übertragen und herausgegeben von Rolf Heller. Leipzig. Magnus Magnusson / Hermann Pálsson 1969. Laxdæla saga (Penguin Books). Translated with an Introduction by Magnus Magnusson / Hermann Pálsson. Harmondsworth.
Forschungsliteratur Heller, Rolf 1960. Literarisches Schaffen in der Laxdœla saga. Die Entstehung der Berichte über Olaf Pfaus Herkunft und Jugend (Saga, Heft 3). Halle (Saale). Heller, Rolf 1961. Laxdœla saga und Königssagas (Saga, Heft 5). Halle (Saale). Heller, Rolf 1976. Die Laxdœla saga. Die literarische Schöpfung eines Isländers des 13. Jahrhunderts (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch-historische Klasse. Band 65. Heft 1). Berlin. Heller, Rolf 2003. Literarisches Lehngut – Einsichten und Fragen: Laxdœla saga Kapitel 77, in: Wilhelm Heizmann / Astrid van Nahl (Hgg.), Runica – Germanica – Mediaevalia (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 37). Berlin/New York, S. 265–272.
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Rolf Heller
Kramarz-Bein, Susanne 1994. ‘Modernität’ der Laxdœla saga, in: Heiko Uecker (Hg.), Studien zum Altgermanischen. Festschrift für Heinrich Beck (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 11). Berlin/New York, S. 421–442. Mundt, Marina 1973. Observations on the influence of Þiðriks saga on Icelandic saga writing, in: Proceedings of the First International Saga Conference. University of Edinburgh 1971. London, S. 335–359.
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 185–210 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Stab und Formel im Heliand. Sehr vorläufige Bemerkungen zu den Möglichkeiten eines Stabreimverzeichnisses von ERNST HELLGARDT
1. Die folgenden Überlegungen gehen von dem sehr einfachen Grundgedanken aus, dass der Stabreim das auffälligste konstitutive Merkmal der Verstechnik des Heliand und überhaupt der germanischen, d. h. auch der altenglischen und altnordischen Dichtung ist.1 Über die Metrik des germanischen Stabreimverses ist in der Geschichte der germanischen Philologie und ihrer Teilgebiete sehr viel und zum Teil sehr kontrovers nachgedacht und theoretisiert worden. Dabei ging es aber vor allem immer wieder um die Rhythmik des Stabreimverses. Sie prägt sich dem spontanen Lesen und Hören in suggestiver Weise intuitiv ein, und doch scheinen ihre dann zu unterstellenden Regeln sehr schwer fassbar. Der Grund dafür ist sicherlich darin zu suchen, dass die Konvention und Tradition einer jahrhundertelangen europäischen Endreimdichtung mindestens seit dem 19. Jahrhundert mehr oder weniger notwendig und mehr oder weniger bewusst und mit mehr und selbst für die Endreimdichtung durchaus auch mit weniger Recht die Vorstellung bewirkte, dass Vers und Takt notwendig miteinander gekoppelt sein müssen, d. h. dass jeder Art von Vers ein abstraktes, aus einer „isometrischen“ festen Zeiteinheit gebildetes 1
Die wenigen älteren und neueren Arbeiten, die sich speziell mit dem Stabrein im Heliand und in der altenglischen Dichtung beschäftigen, sprechen den Stabreim nicht als konstitutives Merkmal der Stabreimmetrik an, sondern befassen sich mit speziellen Fragen z. B. solchen der Stabreimphonetik oder besonderen Phänomenen wie dem von Mehrfachstäben oder versübergreifenden Stabreimfügungen. Eingesehen wurden Ries 1880; Meyer 1894, dazu Otto Behaghel 1895, S. 563 und Meyers Entgegnung darauf 1896, S. 142; Kauffmann 1896; Schröder 1899, bes. S. 381–385; Mayer 1904; Morgan 1908, bes. S. 177–181); Classen 1913; Manganella 1959.
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Schema notwendig zugrunde liegen muss, musikgeschichtlich die Taktrhythmik der Wiener Klassik.2 Hierfür kann man stellvertretend auf die „messende“ Metrik Andreas Heuslers verweisen.3 Andrerseits, wo dies nicht so zutrifft, scheint hinter den entsprechenden metrischen Theorien eine humanistische Tradition zu stehen, für welche die Grundregeln der „wägenden“ klassischen, griechischen und lateinischen Metrik den normativen Hintergrund bilden. Von daher lässt sich zumindest teilweise die Typenlehre der „Altgermanischen Metrik“ von Eduard Sievers verstehen.4 Nur langsam bricht sich die Einsicht Bahn, dass für die Konstitution der elementaren Grundlagen jeder Verskunst vor allem die nach Einzelsprache und sprachgeschichtlicher Periode unterschiedlichen Beschaffenheiten der Sprachen selbst maßgeblich sind, soweit sie sich denn ermitteln lassen, – für die germanischen Sprachen u. a. Satzton, Akzent, Phonetik, Prosodie. Für die Versstruktur des Heliand – und darüber hinaus – hat in neuerer Zeit sicherlich Dietrich Hofmann das meiste und, wie mir scheint, das Entscheidende getan.5 Aber auch bei ihm geht es fast ausschließlich um die rhythmische Struktur des Verses. Fast könnte es scheinen, als komme dem Stabreim, der so selbstverständlich in Erscheinung tritt, nur ornamentale Bedeutung im Rahmen der rhythmischen Versstrukturen zu, eine Auffassung, die für die germanische Verskunst so doch wohl weder Hofmann selbst noch sonst jemand bestätigen würde. Es schiene mir also sinnvoll, nach der Rhythmik des Stabreimverses nun auch den Stabreim selbst als konstitutives Merkmal der Stabreimpoetik ins Zentrum des Interesses zu rücken. Von diesem Ansatz her müsste sich die poetische Technik nicht nur des Heliand und der altsächsischen Dichtung, sondern in vergleichenden Untersuchungen darüber hinaus wenigstens auch der altenglischen Stabreimdichtung in wesentlichen, wenn auch nicht allen Zügen rekonstruieren lassen. Es steht ja meines Erachtens außer Zweifel, dass all diese Dichtungen, auch wenn sie naturgemäß nur schriftlich erhalten sind und auch wenn sie weit überwiegend christlich-geistliche Thematik haben, ihrer Formulierungstechnik nach auf der Grundlage einer vorliterarischen, mündlich improvisierenden Dichtungstradition geschaffen wurden. Die Frage, ob und inwieweit damit auch heidnische Mentalität, Ethik usw. mit oder ohne Vorsatz transportiert wurde, liegt jenseits dieses Faktums und braucht mit ihm selbst nicht gleich thematisiert zu werden. Ideologisch motivierte Empfind2 3 4 5
Grundlegend Georgiades 1958. Heusler 1925–1929, hier Bd. 1, S. 92–115 und Bd. 2, S. 1–8. Sievers 1893. Hofmann 1991; vgl. Hofmann 1984.
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lichkeiten in dieser Richtung, wie sie vor allem immer noch in der deutschen Germanistik auftauchen, halte ich für obsolet. Die allmähliche Ausbildung und Weiterentwicklung einer mündlichen Dichtungstradition in Stabreimversen und das jeweilige Möglichwerden von in dieser Tradition geschaffenen, neuen poetischen Produktionen kann man sich z. B. theoretisch so vorstellen, dass durch den häufigen Vortrag und das häufige Anhören solcher Dichtung in einer vorliterarischen Gedächtniskultur sich einerseits eine rezeptive Urteils- und andrerseits eine Produktionskompetenz für die entsprechende poetische Technik herausbilden konnte. Andere, durchaus denkbare, alternative oder komplementäre Möglichkeiten brauchen hier nicht diskutiert zu werden, z. B. die des nicht improvisierenden, sondern memorierenden, d. h. auswendig gelernten Vortrags, wie er für die Texte der isländischen Saga-Dichtung erwogen wurde. Für den Vortragenden wie für den Autor und den Hörer solcher Dichtung ist es von entscheidender Bedeutung, dass er die entsprechende Kompetenz in möglichster Perfektion erwerben und besitzen muss, um die vorliterarische Dichtungstradition mündlich und schließlich auch schriftlich pflegen, bewahren und weitergeben zu können. Dabei bilden die Probleme des Zeitpunkts und der Art und Weise des Übergangs in die Schriftlichkeit ein eigenes Thema, das mit der Feststellung der vorliterarischen Voraussetzungen dafür noch nicht zur Debatte steht.
2. Konkret ist die hier angesprochene Kompetenz im Besonderen so zu verstehen, dass sie als gedächtnismäßig eingeübtes Verfügen eines Vortragenden, Hörers oder Verfassers neuer Produktion über einen poetischen Formelvorrat vorgestellt werden muss. Und die schriftlich erhaltene altenglische und altsächsische Stabreimdichtung bestätigt diese theoretisch gebildete, nicht als Zirkelschluss disqualifizierbare Annahme bekanntermaßen durch ihre spezifische Formelhaftigkeit. Diese war und ist als solche wiederum nicht nur wahrnehmbar, sondern auch erlern- und je nach Grad der Kompetenz des Wahrnehmenden beurteilbar. Im Interesse heutiger Forschung müssten also eine systematisch organisierte Wahrnehmung dieser Erscheinungen und der Erwerb historischer Urteilsfähigkeit darüber liegen. Es liegt sozusagen per definitionem auf der Hand, dass die mannigfachen Erscheinungen des Stabreims als konstitutives Element der poetischen Technik von Stabreimdichtung in den Bereich des zu unterstellenden und zu untersuchenden Formelvorrats der poetischen Technik von Stabreimdichtung gehören, und zwar ebenso hinsichtlich der phonetisch-forma-
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len Qualität des Stabreims als Alliteration wie auch hinsichtlich seiner semantischen Gehalte. Deshalb scheinen mir letztlich vollständige und möglichst vergleichende Verzeichnisse der stabenden und mitstabenden Wörter aller stabreimenden Dichtung der Germania wünschenswert für eine Erfolg versprechende Annäherung an das bezeichnete Forschungsziel. Zu leisten wäre sie methodisch und im Hinblick auf ihre Publizitierbarkeit nur mit den Mitteln der EDV. Die Möglichkeiten der Anlage eines vorerst nur speziellen Verzeichnisses dieser Art sollen hier für den Heliand versuchsweise zur Diskussion gestellt werden.
3. Vorausschicken möchte ich in diesem Zusammenhang eine Erörterung des Formelbegriffs mit Blick auf das ausführliche Formelverzeichnis, das Eduard Sievers für den Heliand zusammengestellt hat.6 Im Vorwort seiner Heliandausgabe erklärt er dessen Zielsetzung und Anlage. Das in den Anhang der Ausgabe gesetzte Formelverzeichnis soll zusammen mit den unter dessen Text gestellten Quellennachweisen einen „eigentlichen commentar“ zum Heliand ersetzen, der vor allem wegen „der eigentümlichen beschafenheit des … textes“ nicht leicht zu leisten sei. Die besondere Aufgabe des Formelverzeichnisses zielt nach der „formellen seite der erklärung“. Hier „galt es vor allem, dem bestimmt ausgeprägten formelhaften typus der rede gerecht zu werden und dessen zusammenhänge mit den ähnlichen typen verwanter literaturen, insbesondere denen der Angelsachsen und Skandinavier, in’s rechte licht zu setzen.“ mit dem Bemühen, „möglichste vollständigkeit des belegmaterials zu erlangen.“ Insgesamt charakterisiert Sievers sein Formelverzeichnis als eine „art stilistischen wörterbuches, das den sprachstoff des Heliand vom stilistischen standpunkte aus geordnet und mit parallelbelegen aus den übrigen literaturen versehen darbieten sollte.“7 Angelegt ist das Formelverzeichnis in einem „synonymischen“ Hauptteil (S. 391–464), der durch einen „systematischen Teil“ (S. 465–495) erschlossen wird. Der synonymische Teil bildet das „stilistische wörterbuch“. Hier sind neuhochdeutsch in alphabetischer Folge Wörter, Begriffe und Namen aufgelistet, denen entsprechende Wendungen des Heliand, die Sie-
6 7
Heliand, das Formelverzeichnis hier S. 389–496; Ergänzungen dazu bei Roediger 1897, hier S. 267–277. Heliand, S. V–VI.
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vers als formelhaft erkennt, mit ihren Kontexten zugeordnet werden.8 Ein Fußnotenapparat verzeichnet die Belege der „anderen literaturen“. Der systematische Teil soll der „erleichterung des auffindens gesuchter wendungen“9 im Hauptteil dienen. Er ordnet das Material um: nun altsächsisch in alphabetische Folgen unter den Wortklassen Substantiva, Adjektiva / Adverbia und Verba und den syntaktischen Verbindungen, in denen die Wörter im Text erscheinen. Von hier aus wird auf die neuhochdeutschen Stichwörter des synonymischen Hauptteils zurückverwiesen, wo man dann den jeweiligen altsächsischen formelhaften Ausdruck unter anderen, sinnverwandten („synonymischen“) wiederfindet. Bei dieser in ihrer Art genau durchdachten Konzeption haben, wie man sieht, stabende Wörter und erst recht nicht ganze Stabreimverse eine für das Formelverzeichnis organisierende Bedeutung. So kann z. B. im systematischen Teil unter den koordinierten Substantiva die stabende Wendung ban endi bodscepi neben nicht stabendem gold endi sulu:ar stehen. Und wenn der systematische Teil bei ban endi bodscepi auf „Gebot“ im synonymischen Teil verweist, so findet sich dort ebenso stabendes ban endi bodscepi wie auch nicht stabendes gibod lêstian; entsprechend beim Verweis von gold endi sulu:ar auf „Schätze“: Hier findet sich im alphabetischen Teil stabendes fagara fehuscattos neben nicht stabendem goldes hord. In dieser Weise begegnet man untermischt mit nicht stabenden Wendungen naturgemäß stabenden und auch ganzen oder halben Stabreimversen auf Schritt und Tritt, denn der Stabreim ist eben in vielen Fällen formelhaft, und auch ganze oder halbe Stabreimverse sind es nicht selten. Doch auf die stabenden Wendungen und Verse haben es die Belege des Formelverzeichnisses nicht eigentlich abgesehen. Sie laufen nur automatisch mit, werden nicht systematisch erschlossen und sind über die anders angelegte alphabetische Ordnung nicht gezielt auffindbar. Die Einrichtung des „stilistischen wörterbuches“ zum Heliand und den „anderen literaturen“ hat aber den Vorteil, dass die Belegaufnahme sich allein auf die Semantik des sprachlichen Ausdrucks und seinen spezifisch formelhaften Gebrauch konzentrieren kann, ohne Rücksicht auf dessen phonetische Beschaffenheit und ohne die Einschränkung auf die Begrenzung durch den Vers. Diese Ausrichtung ermöglicht nicht zuletzt eine sehr weite Fassung des Formelbegriffs.10 So 8
9 10
Bei den Artikeln „Christus“ und „Gott“ gibt es für die vielen Ausdrücke, die der Heliand hier gebraucht, noch weitere Untergliederungen. „Christus“: – Adjektiva – Heiland – Herr – Lehrer – Mensch – Prophet – Sohn usw. „Gott“: – Herr – Schöpfer – Vater – Gottes Altar u. s. w. – Adjektiva – Verba. Heliand, S. VI. Vgl. hierzu die Bemerkungen von Sievers: „Freilich ist es äußerst schwer, den begriff der epischen formel genau zu begrenzen; ich habe ihn aber lieber zu weit
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kann z. B. eine Wendung wie sunu drohtines als Bezeichnung für Jesus ihren Platz im Formelverzeichnis finden. Wenn man ihr vielleicht nicht sogleich Formelqualität zuerkennen würde, so erweist sich doch bei näherem Hinsehen ihre Beschaffenheit als Formel dort, wo sie nicht informativ zur Erklärung der genealogischen Herkunft Jesu gebraucht wird, sondern als häufig eingesetzte, stereotype Umschreibung für die Person Jesu und im informativen Sinne als Herkunftsbezeichnung so gut wie funktionslos oder redundant. Für Konzept und Begriff der Formel ist dabei das Merkmal der informativen Disfunktionalität oder Redundanz übrigens wichtiger als das des häufigen Gebrauchs.
4. Wie lässt sich nun ein Verzeichnis der stabenden und mitstabenden Wörter überhaupt und für den Heliand im Besonderen gestalten? Versuche dazu habe ich durch vollständige Sammlungen von Heliandversen mit stabenden g – g / j / i – m – r – s – w und a e i o u angestellt; bei s wurden als Untergruppen sk – sp – st gesondert zusammengestellt. Ausgangspunkt war Sehrts Wörterbuch zum Heliand und zur altsächsischen Genesis.11 Für jedes der entsprechend anlautenden und hier für den Heliand verzeichneten Wörter wurde am Text geprüft, wo sie stabend verwendet sind. Die Verse mit entsprechendem gleichem Stab wurden nun nach der Folge ihres Vorkommens im Heliandtext aufgelistet. Zur bequemen Nutzung stand hierfür der Text zur Verfügung, veröffentlicht unter ‹hwww.artsci.wustl.edu/~bkessler/OS› im Internet, aus dem die Verse kopiert werden konnten.12 Zunächst einige Bemerkungen zu den reinen s-Stäben (ohne die stabenden sk, sp, st). Es fanden sich 116 mit s anlautende Stabwörter in 531 Ver-
11 12
als zu eng fassen wollen, […] und zwar um so weniger, je genauer man die angegebenen details im zusammenhange durchprüft. Habe ich doch selbst beim allmählichen fortschreiten der arbeit zu wiederholten malen die erfahrung gemacht, dass die scheinbar unbedeutendsten kleinigkeiten, die man von vornherein geneigt sein möchte, als nebensächlich über bord zu werfen, sich nachträglich als typisch bestimmt und festen gesetzen des sprachgebrauches unterworfen erwiesen.“ (Heliand, S. VI.) Sehrt 1966. Der Text dieser Internetversion wurde nach der von Burkard Taeger in 9. Auflage bearbeiteten Ausgabe von Otto Behaghel eingegeben und erwies sich abgesehen von wenigen, leicht verbesserbaren Tippfehlern als zuverlässig: Heliand und Genesis. Hg. von Otto Behaghel 1984.
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sen. Wörter gleichen Stammes wurden nur einmal gezählt.13 Die Stabwörter wurden nun alphabetisch geordnet. Es ergab sich die folgende Liste, die als Register der auf s stabenden Wörter nützlich ist. Beigefügt ist jedem Stabwort eine Zahl, welche die Häufigkeit angibt, mit der es im Stab gebraucht wird. Zacharias 4 sad 2 sâd / sâian 4 sâfto 2 saka / sakan / sakuualdand 5 salbon / salba 3 sâlda / sâlig / sâliglîk(o) 41 salt 2 saman, samad (samod), tesamne, samnôn, atsamna, samnunga, samuuurdi 60 sâmquica 2 sân 27 sanctus 1 sand 9 Satanas 12 sedal 7 seƀo, afsebbian 13 segel 2 segg 8 seggian, biseggean, giseggian 58 segina 1 seginôn 2 sehan, forsehan, gisehan, siun, gesiun/i 41 sehs, sehsto 4 sêl 2 self 174 seli- 18 sel(i)ða 13 seldlîc 8 (gi-)sellian 12 selmo 2 sendian 11 13
Zur Zählung vgl. Anm. 15.
singan, sang 4 sink 6 sinkan 8 sin-: sinhiwun, sinlîf, sinnahti, sinscôni, sinweldi 19 siok 11 slahan, aslahan, teslahan, slegi 10 slak 2 slâpan, aslâpan, slâp 16 slîði, slîðmôd, slîðuurdi 17 slîtan, forslîtan 4 sliumo 4 slôpian, thurhslôpian 4 smal 2 smultar 2 snel 4 snêo 4 sniðan 2 sniumo 6 sôð, sôðlîk, sôðlîco, sôðfast, sôðspel, sôðuuord 25 Sodom 2 sôkian 22 sômi 1 gisônian 4 sorga, sorgôn, bisorgôn, sorgspell 40 stad 2 sûƀari, sûƀro 5 sûðarliudi 4 suht, suhtbeddi 13 sulik 17 sûluuian 2 sum 9
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seola 23 sêr, sêro (Adv), sêrag, sêragmôd, sêrian 29 settian 10 siƀun, siƀuntig, antsiƀunta 7 sittian, bisittian, ofsittien 32 sêo, sêostrôm, sêolîðandi 22 sibbia 6 gisîð, gesîðskepea 2 gisîði 54 sîð Subst. 22 sîðuuôrig 7 sîðon, sîðogean 12 Adv. 1 sîð ‘später’, ‘nachher’ 5 Adv. 2 sîðor Adv. ‘seit’, ‘seitdem’, ‘später’, ‘nachher’ 12 Konj. sîðor ‘seit’, ‘nachdem’ 1 sidu 2 Sidon 2 sîda 5 sîgan 3 sigidrohtin 3 sikor, sicoron 5 silu:ar, silu:rin, silu:erskat 13 sîmo 7 simbla, simblon, simlon, simlun, simnon, sinnon 20 Sîmon 14 Simeon 2 sîn (Poss. Pron.) 5 sîn (Verbum) 1
sumbal 2 sumar, sumarlang 3 gisund 8 sundea, sundig, sundilôs, gesundion 60 sundar 8 sunna 16 sunu, gesunfader 29 swâri 11 swingan 2 swart 8 swâs, swâsliko 8 sweƀan, swef-resta, ansueƀian 5 sweltan 14 swerd, suerdthegan 11 swerkan, gisuerc 12 swerian, biswerian, giswerian, forswerian 8 swîðî, swîðo, suîðlîco 36 swîgôn 6 swigli 4 swîkan, biswîkan, geswîkan 13 teswingan 2 swîn 2 swiri 2 gisuster / giswester 5 forswîpan 2 swôgan 2 swôti, unswôti 7
Von einer genaueren Auswertung dieser Angaben, wie sie bereits unter verschiedenen Gesichtspunkten möglich wäre, muss ich hier absehen. Aber ein paar vorläufige Bemerkungen lassen sich doch machen. Mit 531 Versen hat man schon fast ein Zehntel des gesamten Textes und damit für erste Überlegungen eine vorläufige Grundlage. Hier nur ein Blick auf die mit höherer Frequenz gebrauchten Stabwörter. Dass unter ihnen solche sind, die auch in der Alltagsrede oft vorkommen, wie seggian (58), sehan (41) und sittian (32) wird nicht überraschen. Aber es bleibt im besonderen doch festzuhalten, dass der Dichter ihre Verwendung auch im Stab nicht verschmäht, vor allem wohl, weil diese vielfach anwendbaren Wörter ihm vielfältige
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Kombinationsmöglichkeiten für das Staben mit anderen, weniger geläufigen Wörtern zur Verfügung stellen.14 Eine eigene Aufmerksamkeit verdienen zwei eher unscheinbare Wörtchen: sân (27) und besonders self, das mit 174 Belegen der absolute Spitzenreiter auf der Frequenzskala ist und in meinem Stabreimverzeichnis mit seinem Artikel einen Umfang von über 9 Seiten einnimmt. In seinen 174 stabenden Belegen schöpft self reimend den hier aufgelisteten Vorrat an 116 s-Stäben zum größten Teil aus. Nach meiner Zählung verbleiben aus der Liste noch 50 stabende Wörter / Stämme, mit denen self nicht reimt. Mit anderen Worten: dem Dichter steht es für fast jede Reimverlegenheit zur Verfügung. Für das Formelverzeichnis von Sievers waren beide Wörter konzeptionell nicht erfassbar. Sie sind dort auch nicht systematisch auffindbar. Beide erfüllen in den meisten Fällen ihres Vorkommens das Formelkriterium informative Disfunktionalität / Redundanz. Gerade damit hängt es zusammen, dass ihr häufiger Gebrauch, besonders im Stab (aber auch sonst), die Redeweise des Helianddichters so stark emphatisch wirken läßt. In den Zusammenhang des emphatischen Stils gehört auch – nun von der Semantik her weniger überraschend – die 25 Mal im Stab gebrauchte, sinnschwere Wortgruppe sôð usw. In Fällen wie den besonders häufig stabenden sundea (60), sorga (40), liegt der Grund wohl in der geistlichen Thematik des Textes. Doch das wäre im Einzelnen zu prüfen. Ähnlich einleuchtend scheint, dass gisîð, gesîðskepea, gisîði so häufig im Stab stehen (zusammen 56 Mal), denn diese Wörter dürften wichtig sein, weil sie Jesus in der Gemeinschaft mit seinen Anhängern bezeichnen, ein häufiges Thema des Textes. Vermutlich hängt auch die hohe Frequenz von saman usw. (60) mit dieser Thematik zusammen. Diese letzten Bemerkungen beanspruchen selbstverständlich nur ganz vorläufige Gültigkeit. Sie können aber vielleicht andeuten, welche Untersuchungsmöglichkeiten das hier zusammengestellte Material bereits bietet, um der poetischen Technik des Dichters auf die Spur zu kommen.
5. Weiter zu den Überlegungen für die Anlage eines Verzeichnisses der Stabreime im Heliand: Anhand der oben zusammengestellte Liste der s-Stäbe 14
Vgl. hierzu im Formelverzeichnis von Sievers (Heliand) die Gruppe seggian unter „sagen“, sowie die Artikel „sehen“ und „sitzen“. – Selbstverständlich ist das Formelverzeichnis auch zu allen weiteren Wörtern zu vergleichen, die im Folgenden behandelt werden.
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wurden im nächsten Schritt – wiederum in alphabetischer Folge – die Verse, in denen die einzelnen Wortstämme vorkommen, nach der Reihenfolge ihres Auftretens in vollen Wortlaut zusammengestellt. Aus Platzgründen kann das hier nur am Beispiel der Gruppe saka / sakan / sakuualdand vorgeführt werden, zunächst für saka, dann für sakan / sakualdand.
saka / sakan / sakuualdand saca 85 1009 1045 1318 1336 1494 1521 1568 1617 1627 1715 2617 3317 5037 5421 5965
ne saca ne sundea. | Uuas im thoh an sorgun hugi saca endi sundea. | Thit is selƀo Krist mid them selƀon sacun | sunu drohtines, saca mid iro selƀoro dâdiun: | thie môtun uuesan suni drohtines genemnide `Ge uuerðat ôc sô sâlige', quað he, | `thes iu saca biodat suâs man an saca: | than ne sî he imu eo sô suuîðo an sibbiun bilang ef man huuemu saca sôkea, | biseggea that uuâre thero sacono endi thero sundeono, | thea gi iu selƀon hîr thero sacono endi thero sundeono, | the sie uuið iu selƀon hîr thea saca ne gisônead, | êr gi an thana sîð faran saca endi sundea, | endi haƀad im selƀo mêr slîðero sacono. | Aftar thiu scal sorgon êr selƀon sittien | endi môtun thera saca uualdan: sacono endi sundeono, | sô im thô selƀo dede sîðor te sorgon, | that hie thia saca uuissa uuas im thoh an iro gisîðie samad | endi frâgoda, umbi huilica sia saca sprâkin:
Um den Verbund der stabenden Wörter versweise herauszuheben, scheint es nützlich, vielleicht aber auch entbehrlich, die Verse auf die stabenden Wörter allein reduziert aufzulisten. Dabei wäre die Markierung ihrer Position im An- und Abvers beizubehalten. Die Reihenfolge wäre wieder nach dem Vorkommen der Belege einzurichten. reduziert 85 1009 1045 1318 1336
saca sundea | sorgun saca sundea. | selƀo selƀon sacun | sunu saca selƀoro | suni sâlige | saca
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suâs saca | sibbiun saca sôkea | biseggea sacono sundeono | selƀon sacono sundeono | selƀon saca gisônead | sîð saca sundea | selƀo slîðero sacono | sorgon selƀon sittien | saca sacono sundeono | selƀo sîðor sorgon | saca gisîðie samad | saca sprâkin:
In einem letzten Schritt wurden die auf saca stabenden Wörter alphabetisch geordnet. So zeigt sich übersichtlich, welche es sind, auch wo und wie oft sie im Stab mit saca stehen. In der Kopfzeile werden sie zusammengestellt. Diese Zeile wird schließlich für ein Gesamtregister aller Stäbe und ihrer Bindungen untereinander verwendbar sein. Eine solche Zusammenstellung für die hier näher behandelten Stabwörter stelle ich ans Ende dieser Arbeit (Abschnitt 7). Die Markierungen für die Verszäsur ( | ) sind in der Belegliste wieder beibehalten. Damit wird für alle Belege ersichtlich, ob die Wörter den Haupt- oder Nebenstab stellen. Reime mit saca: samad, sâlig, seggian, self, sibbia, sîð / sîðor, gisîði, sittien, slîði, sôkean, sônean, sorga, sundea, sunu, suâs 5965 1336 1521 1009 1494 1627 5421 5965 3317 2617 1521 1627 85
samad | sâlige | | biseggea | selƀo; 1045selƀon | ; 1318 selƀoro | ; 1568 | selƀon; 1617 | selƀon; 1715 | selƀo; 3317 selƀon | ; 5037 | selƀo | sibbiun | sîð sîðor | gisîðie | sittien | slîðero | sôkea | gisônead | | sorgun; 2617 | sorgon; 5421 sorgon |
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85 sundea | ; 1009 sundea | ; 1568 sundeono | ; 1617 sundeono | ; 1715 sundea | ; 5037 sundeono | 1045 | sunu; 1318 | suni 1494 suâs |
Nach dem gleichen Verfahren nun die hierher gehörigen Wörter sakan und sakuualdand. sacan 3230 sak ina sôðuuordun. | Ef imu than is sundea aftar thiu,
reduziert 3230 sak sôðuuordun | sundea Reime auf sacan 3230 sôðuuordun | 3230 | sundae sacuualdand 1469 Êr scalt thu thi simbla gesônien | uuið thana sacuualdand,
reduziert 1469 simbla gesônien | sacuualdand Reime auf sacuualdand 1469 simbla | 1469 gesônien | Hier nur eine Bemerkung zu den Auswertungsmöglichkeiten, die dieses Material bietet. Unter den 16 Versen mit saca als Stabwort findet sich immerhin in 6 Fällen die Formel saca / sundea. 85 1009 1568 1617 1715 5037
ne saca ne sundea. | Uuas im thoh an sorgun hugi saca endi sundea. | Thit is selƀo Krist thero sacono endi thero sundeono, | thea gi iu selƀon hîr thero sacono endi thero sundeono, | the sie uuið iu selƀon hîr saca endi sundea, | endi haƀad im selƀo mêr sacono endi sundeono, | sô im thô selƀo dede
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In fünf dieser Fälle ist das dritte Stabwort self, natürlich jedes Mal im Hauptstab. Eine detaillierte Untersuchung würde zeigen, dass self hier überall formelhaft disfunktional / redundant ist, aber die Eindringlichkeit der Rede steigert. Den Hinweis auf die Formel saca / sundea führt das Formelverzeichnis bei Sievers im systematischen Teil unter „Coordinierte substantiva“. Dort wird auf den Artikel „sünde“ des alphabetisch-synonymischen Teils verwiesen, wo die saca / sundea-Belege unter mancherlei anderen sinnverwandten gebucht sind. Aber dass saca / sundea fast ausnahmslos mit dem formelhaften, bei Sievers methodisch gar nicht ermittelbaren self stabt, zeigt sich erst im Zusammenhang der Stabordnung.
6. Zum Schluss soll nun der kleinste geschlossene Bestand aus meinen Sammlungen vollständig vorgestellt und unter zum Teil anderen Fragestellungen als bisher untersucht werden. Es ist die Gruppe der sp-Stäbe. Sie kommen in folgenden 21 Versen vor: 173 238 375 572 613 849 1288 1296 1376 1381 1732 1901 1992 2466 2650 2673 2719 3454 4862 5346 5648
sprâca bilôsit, | thoh he spâhan hugi suîðo spâhlîco: | habda im eft is sprâca giuuald sô it êr spâha man | gisprocan habdun sprâkono sô spâhi --; | he mahte rekkien spel godes allaro spâhoston | sprâcono uuârun tulgo spâhan hugi: | ni mahta man is an is sprâcun uuerðan uuelda mid is sprâcun | spâhuuord manag spâhun uuordun, | them the he te theru sprâcu tharod, spanen mid is sprâcu | endi seggean spel godes So sprac he thô spâhlîco | endi sagda spel godes that gi thea sprâca godes | endi spel managu spâhlîcoro gesprecan, | huand iu thiu spôd cumid sprâcono thiu spâhiron, | sô hue sô thiu spel gefrang sprâkono spâhi | endi uuêt iuuuaro spello giskêð sô spâhlîco gisprokan, | that he spel godes spâharo spello, | ac sie bigunnun sprekan undar im sprâcono gespôni | endi spâhun uuordun an unspuod forspanan: | spâhiða lînot that sie ûs hêr an speres ordun | spildien môstin sô thik te spildianne | an speres orde farspanan mid sprâcon, | that hie sia en êna spunsia nam
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Von den zwölf auf -sp- anlautenden Wortstämmen des Heliandlexikons15 verwendet der Dichter also die folgenden acht im Stabreim: sprâca / sprekan spâhi / spâhida spel spanan
19 mal 18 mal 8 mal 4 mal
sper spildian spôd spunsia
2 mal 2 mal 1 mal 1 mal
Die Kombination der verschiedenen Stäbe veranschaulicht die Tabelle auf der folgenden Seite. Die Übersicht läßt deutlich erkennen, dass die am häufigsten belegten sp-Wörter sprâka / sprekan und spâhi / spâhida auch am häufigsten miteinander staben: sprâka / sprekan mit spâhi / spâhida 15 Mal. Doch hat sprâka / sprekan nicht nur die größte Anziehungskraft für den zweithäufigsten Partner spâhi / spâhida, sondern auch für die beiden einmaligen spôd- und spunsia-Belege. Bei spel, das den dritten Häufigkeitsrang einnimmt, zeigt sich wieder die Anziehungskraft von sprâka / sprekan (acht Bindungen) und spâhi / spâhida (sechs Bindungen). Von diesem Magnetismus ausgenommen sind sper und spildian, die nur untereinander staben. Insgesamt ergibt sich: Je häufiger stabende Wörter auftreten, desto häufiger gehen sie auch untereinander eine Bindung ein. Es läßt sich vermuten, dass dieses, hier auf geringer Materialbasis ermittelte Ergebnis in breiter angelegten Untersuchungen sich als repräsentativ herausstellen könnte.
15
Sehrt 1966: spâh-, spanan spel, sper, spildian spilon, spiwan, spôd, sprâka / sprekan, springan, spunsia, spurnan (unterstrichen die nicht für die Alliteration gewählten Wörter). Zum Simplex gezählt werden Präfixwörter wie gi-spanan und nicht gezählt werden solche Komposita, bei denen der Wortakzent nicht auf den mit -sp- beginnenden Bestandteil fällt, etwa Determinativkomposita wie god-spel, sorg-spel, wil-spel usw. – Das Lexikon des Altsächsischen insgesamt enthält wesentlich mehr sp-Stämme als der Heliand. Bei Holthausen (1967) zähle ich rund 40.
Stab und Form im Heliand
spâhi / spâhida spâhi / spâhida
spanan spel
2719, 3454 572, 1381, 1992, 2466, 2650, 2673
spanan
spel
2719, 3454
572, 1381, 1992, 2466, 2650, 2673
sper
spôd
1901,
1376
sprâca / spunsia sprekan 173, 238, 375, 572, 613, 849, 1288, 1296, 1381, 1901, 1992, 2466, 2650, 2673, 2719, 1376, 5648 5648
1376
4862, 5346
sper
4862, 5346
spildian spôd 1901 sprâka / 173, sprekan 238, 375, 572, 613, 849, 1288, 1296, 1381, 1901, 1992, 2466, 2650, 2673, 2719, spunsia
spildian
199
1376, 2719, 5648
5648
572, 1376, 1381, 1732, 1992, 2466, 2650, 2673,
1901
5648
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Die aus der Tabelle nicht erkennbare Verteilung der Stabpositionen auf die sp-Wörter läßt sich so darstellen: spâhi
375, 849, 1296, 1901, 2650, 2673 2. Hebung 238, 572, 613, 1381, 1992, 2466 Hauptstab 173, 1288, 2719, 3454 1. Hebung
spanan spel
sper
1376, 5648,
4862
2719, 3454
2673
572, 1376, 1381, 1732, 1992, 2466, 2650
5346
spildian spôd
sprâca / spre- spunsia kan 173, 375, 572, 613, 1381, 1732, 1992, 1466, 2719
5346
1288, 1376, 1901, 2650, 5648
4862
1901
238, 849, 1296, 2673
5648
Das am häufigsten begegnende sprâka / sprekan steht in weitaus den meisten Fällen nicht im Hauptstab. So verhält es sich auch mit dem zweithäufigsten Wort spâhi. Im diametralen Gegensatz dazu nehmen die nur je einmal vorkommenden spôd und spunsia den Hauptstab ein. Ähnlich wie bei diesen geringfügig belegten Stabwörtern verhält es sich aber auch mit dem relativ häufigen spel, das unter acht Belegen nur einmal nicht im Hauptstab steht. Bei den je zwei Belegen zu sper und spildian ist das Verhältnis ausgeglichen. Insgesamt läßt dieses Bild keinen Schluss darüber zu, ob es eine Entsprechung zwischen hoher Belegfrequenz eines stabenden Wortes und dessen Qualifikation für den Hauptstab gibt. Hier wären ausführliche Untersuchungen nötig. Es zeichnete sich eben schon ab: Ein für die sp-Alliteration sehr bequemer Wortstamm ist offenbar mit sprekan / sprâka gegeben – selbstverständlich auch aufgrund seiner überhaupt hohen Frequenz im Wortschatz.
Stab und Form im Heliand
sprâca, sprekan 173 238 375 572 613 849 1288 1296 1376 1381 1732 1901 1992 2466 2650 2673 2719 4862 5346 5648
sprâca bilôsit, | thoh he spâhan hugi suîðo spâhlîco: | habda im eft is sprâca giuuald sô it êr spâha man | gisprocan habdun sprâkono sô spâhi --; | he mahte rekkien spel godes allaro spâhoston | sprâcono uuârun tulgo spâhan hugi: | ni mahta man is an is sprâcun uuerðan uuelda mid is sprâcun | spâhuuord manag spâhun uuordun, | them the he te theru sprâcu tharod, spanen mid is sprâcu | endi seggean spel godes So sprac he thô spâhlîco | endi sagda spel godes that gi thea sprâca godes | endi spel managu spâhlîcoro gesprecan, | huand iu thiu spôd cumid sprâcono thiu spâhiron, | sô hue sô thiu spel gefrang sprâkono spâhi | endi uuêt iuuuaro spello giskêð sô spâhlîco gisprokan, | that he spel godes spâharo spello, | ac sie bigunnun sprekan undar im sprâcono gespôni | endi spâhun uuordun ----farspanan mid sprâcon, | that hie sia en êna spunsia nam
reduziert 173 sprâca | spâhan 238 spâhlîco | sprâca 375 spâha | gisprocan 572 sprâkono spâhi | spel 613 spâhoston | sprâcono 849 spâhan | sprâcun 1288 sprâcun | spâhuuord 1296 spâhun | sprâcu 1376 spanen sprâcu | spel 1381 sprac spâhlîco | spel 1732 sprâca | spel 1901 spâhlîcoro gesprecan | spôd 1992 sprâcono spâhiron | spel 2466 sprâkono spâhi | spello 2650 spâhlîco gisprokan | spel 2673 spâharo spello | sprekan 2719 sprâcono gespôni | spâhun 5648 farspanan sprâcon | spunsia
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Reime mit sprâca, sprekan: spâhi, spanan, spel, spôd, spunsia 173 | spâhan; 238 spâhlîco | ; 375 spâha | ; 572 spâhi | ; 613 spâhoston | ; 849 spâhan | ; 1288 | ; spâhuuord; 1296 spâhun | , 1381 spâhlîco | , 1901 spâhlîcoro | , 1992 spâhiron | ; 2466 spâhi | ; 2650 spâhlîco | ; 2673 spâharo | ; 2719 | spâhun; 1376 spanen | ; 2719 gespôni | ; 5648 farspanan | 572 | spel, 1376 | spel, 1381 | spel, 1732 | spel, 1992 | spel; 2466 | spello; 2650 | spel; 2673 spello | 1901 | spôd 5648 | spunsia In 19 von 21 Versen nimmt sprâka / sprekan am Stab teil. Von den sieben anderen Stabworten sind nur 2 (sper und spildian, beide 4862 und 5346) nicht mit sprekan / sprâka gebunden; hierzu später. Man möchte vermuten, dass für spâh-, spanan, spel, die jeweils nahe liegende semantische Attraktivität oder Kompatibilität mit sprechan / sprâka der Grund ist, warum sich diese Wörter im Stab so häufig mit sprechan / sprâka verbinden (kluges, ermunterndes, erzählendes Sprechen). So scheint es z. B. auf den ersten Blick tatsächlich in den folgenden Versen auszusehen: te heƀenrîkea 1376 spanen mid is sprâcu | endi seggean spel godes, andrêd that he thene uueroldcuning 2719 sprâcono gespôni | endi spâhun uuordun, that he sie farlêti. |
In den Anversen 1376 und 2719 spezifiziert sprâca, mit welchem Mittel das spanen geschieht, eben mit sprâka; hier passen lautliche und semantische Bindung zueinander. Im Abvers von 1376 dagegen wird spel im Hauptstab syntaktisch-semantisch nicht an das mit ihm stabende spanan des Anverses gebunden, sondern in der Wendung seggean spel an das stablose seggian. Freilich gehört spel mit sprâca doch wenigstens in das Wortfeld „Sprechen, Reden“. Der Abvers zu 2719 wiederum formuliert zwar eine Variation zum sprâcono gespôni des Anverses, aber das Stabwort spâhun, der Hauptstab, hat dabei keinen semantisch-syntaktischen Bezug zu einem der mitstabenden Wörter des Anverses; stattdessen ist spâhun in der Wendung spâhun uuordun mit dem semantisch passenden, aber stablosen uuordun verbunden.
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Noch deutlicher zeigt sich in Vers 5648 die semantisch-syntaktische Unabhängigkeit eines mit sprâca stabenden Wortes. Im Abvers ist das as. nur hier belegte „Sonderwort“ spunsia, (Lehnbildung nach lat. spongia, spungia) – wiederum der Hauptstab – seiner ganzen Semantik nach inkompatibel mit dem sprâcon als Stabwort des Anverses: 5648 farspanan mid sprâcon, | that hie sia en êna spunsia nam ‘angetrieben mit Sprache dazu, | dass er (der Scherge) sie (die Essigessenz) in einen Schwamm nahm’ Es gibt von sprâcon zu spunsia nur eine lautliche, keine Sinnverbindung. Unter den stabenden Wörtern des Verses besteht vielmehr die hauptsächliche Sinnverbindung nicht zwischen sprâcon und spunsia – das wäre geradezu undenkbar – sondern über den von farspanan abhängigen thatSatz zwischen farspanan und spunsia, das semantisch mit dem Verbum neman (nam) verbunden ist. Daneben gibt es eine zweite, untergeordnete Sinnverbindung zwischen farspanan und sprâcon; sprâcon ist dabei – genau wie in den oben angeführten Versen 1376 und 2719 – semantisch redundant, eben formelhaft, und dient allein zur schmückenden Auffüllung des Verses, eine Erscheinung, die sich auch sonst vielfach feststellen ließe. Der Vers bekommt so die gehörige Länge, einem passenden Tonfall im Sinne der germanischen Satztonregeln und einen zusätzlichen (nicht notwendig erforderlichen) Stab. Und dass die Verbindung von sprâka und spanan formelhaft ist, bestätigt sich hier wie in den oben angeführten Versen ein weiteres Mal. Diese Beobachtungen ließen sich zwar am sprâka / sprekan-Material wiederholen, aber nicht verallgemeinern. Dennoch ergibt sich, dass die bequeme Verwendbarkeit von sprekan / sprâca mit den meisten der übrigen im Heliand verwendeten Stabwörtern auf -sp- nicht notwendig etwas mit einer zu sprekan / sprâca passenden Semantik zu tun hat – auch wenn es auf den ersten Blick so zu sein scheint. Selbstverständlich kann es auch ohne die Beteiligung von sprekan / sprâka stabende sp-Verse geben. Allerdings bietet der Heliand hierfür nur einen Beleg, nämlich in den Versen 4862 und 5346, in denen sper : spildian den Stab bilden: 4862 that sie ûs hêr an speres ordun | spildien môstin 5346 sô thik te spildianne | an speres orde
Man möchte meinen, dass es sich mit sper : spildian um eine altepische Stabformel handelt, zumal sper zugleich beide Male in der formelhaften
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Verbindung speres ord erscheint.16 Aber sper : spildian lässt sich sonst nicht nachweisen, Beleghäufigkeit scheidet also als Formelkriterium aus. Das mag damit zusammenhängen, dass sper (im Unterschied zu „Ger“) verhältnismäßig selten belegt ist. Die altnordische Überlieferung kennt „Speer“ anscheinend überhaupt nicht.17 Im Ae. (spere) – vor allem in der Prosa und in Komposita – sowie im Ahd. (spera) ist das Wort zwar relativ gut belegt, aber nie in stabender Verbindung mit ae. spildan bzw. ahd. spildan.18 Nicht gerade naheliegend, aber doch auch nicht ausgeschlossen ist es also, dass die stabende Verbindung sper : spildian von Heliand-Dichter selbst geprägt wurde. Fast gleichauf mit sprekan / sprâka als Stabwort liegt spâhi / spâhida. spâhi, spâhida 173 238 375 572 613 849 1288 1296 1381 1732 1901 1992 2466 2650 2673 2719 3454 4862 5346 5648 16 17 18
sprâca bilôsit, | thoh he spâhan hugi suîðo spâhlîco: | habda im eft is sprâca giuuald sô it êr spâha man | gisprocan habdun sprâkono sô spâhi --; | he mahte rekkien spel godes allaro spâhoston | sprâcono uuârun tulgo spâhan hugi: | ni mahta man is an is sprâcun uuerðan uuelda mid is sprâcun | spâhuuord manag spâhun uuordun, | them the he te theru sprâcu tharod, So sprac he thô spâhlîco | endi sagda spel godes --spâhlîcoro gesprecan, | huand iu thiu spôd cumid sprâcono thiu spâhiron, | sô hue sô thiu spel gefrang sprâkono spâhi | endi uuêt iuuuaro spello giskêð sô spâhlîco gisprokan, | that he spel godes spâharo spello, | ac sie bigunnun sprekan undar im sprâcono gespôni | endi spâhun uuordun an unspuod forspanan: | spâhiða lînot -------
Sievers verweist im Formelverzeichnis (Heliand, S. 447) unter „speer“ auf gêres ordum 3088 mit Parallelbelegen in der ae. geistlichen Dichtung. Herangezogen wurde Kuhn 1968. Baetke (1965/1968) hat spjǫr(r) nur in ganz anderen Bedeutungen; vgl. aber den Ansatz spjǫr(r) bei Sehrt (1966) s.v. sper. Eingesehen wurden nach den Hinweisen bei Schützeichel 1995 fürs Ahd. Gusmani 1999 und 2000; Heffner 1961; Tatian; Otfrids von Weissenburg Evangelienbuch; fürs Ae. Hall 1966; Grein 1974.
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reduziert 173 sprâca | spâhan 238 spâhlîco | sprâca 375 spâha | gisprocan 572 sprâkono spâhi | spel 613 spâhoston | sprâcono 849 spâhan | sprâcun 1288 sprâcun | spâhuuord 1296 spâhun | sprâcu 1381 sprac spâhlîco | spel 1901 spâhlîcoro gesprecan, | spôd 1992 sprâcono spâhiron, | spel 2466 sprâkono spâhi | spello 2650 spâhlîco gisprokan, | spel 2673 spâharo spello | sprekan 2719 sprâcono gespôni | spâhun 3454 unspuod forspanan: | spâhiða 5648 farspanan sprâcon | spunsia Reime mit spâh-: spanan, spel, spôd, sprâka 3454 forspanan | ; 2719 gespôni | 572 spel | ; 1381 | spel; 1992 | spel; 2466 | spello; 2605 | spel; 2673 spello | 1901 | spôd 173 sprâca | ; 238 | sprâca; 375 | gisprocan; 849 | sprâcun; 1381sprac | ; 1901gesprecan | ; 1992sprâcono | ; 2466sprâkono | ; 2650 gisprokan | ; 2673 | sprekan; 2719sprâcono | In 16 der 21 sp-Verse nimmt spâhi / spâhida am Stab teil. Nur in den oben mit --- bezeichneten Versen 1732, 4862, 5346 und 5648 begegnet das Wort nicht. Darunter sind die „Sonderverse“ mit sper, spildian und spunsia; außer diesen dreien ist keines der anderen Stabwörter vom Reim mit spâh ausgeschlossen. Es liegt in der Natur der Sache, dass spâh am häufigsten mit sprâka / sprekan stabt (15 Mal), wozu auf die bereits gemachten Bemerkungen zu sprâka / sprekan verweisen ist. Mit sechs Fällen am zweithäufigsten stabt spâh mit spel, zweimal begegnet spanan (2719, 3454) und einmal spôd (1901) im Stab mit spâh.19
19
unspuod 3454 ist nicht als stabend anzusehen.
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spel 572 1376 1381 1732 1992 2466 2650 2673
sprâkono sô spâhi --; | he mahte rekkien spel godes spanen mid is sprâcu | endi seggean spel godes So sprac he thô spâhlîco | endi sagda spel godes that gi thea sprâca godes | endi spel managu sprâcono thiu spâhiron, | sô hue sô thiu spel gefrang sprâkono spâhi | endi uuêt iuuuaro spello giskêð sô spâhlîco gisprokan, | that he spel godes spâharo spello, | ac sie bigunnun sprekan undar im
reduziert 572 sprâkono spâhi | spel 1376 spanen sprâcu | spel 1381 sprac spâhlîco | spel 1732 sprâca | spel 1992 sprâcono spâhiron | spel 2466 sprâkono spâhi | spello 2650 spâhlîco gisprokan | spel 2673 spâharo spello | sprekan Reime mit spel: spâhi, spanan, sprâka 572 spâhi | ; 1381 spâhlîco | ; 1992 spâhiron | ; 2466 spâhi | ; 2650 spâhlîco | ; 2673 spâharo | 1376 spanen | 572 sprâkono | ; 1376 sprâcu | ; 1381 sprac | ; 1732 sprâca | ; 1992 sprâcono | ; 2466 sprâkono | ; 2650 gisprokan | ; 2673 | sprekan Mit deutlichem Abstand folgt auf spâhi an dritter Stelle spel als Stabwort in acht der 21 sp-Verse. Auffällig ist hier besonders, dass spel mit einer Ausnahme (2673) immer den Hauptstab stellt. Aber die Dominanz von sprâka zeigt sich auch hier deutlich: Allein außer Vers 2673 staben alle spel-Verse mit sprâka. Ferner: alle spel-Verse mit drei Stäben haben spâhi neben spel und sprâka als weiteres Stabwort. Hierin wirkt sich die Zweitposition von spâhi in der Stabhäufigkeit der sp-Verse aus. Was jetzt aus der Gruppe der sp-Stäbe noch zu erwähnen bleibt, spielt quantitativ nur eine untergeordnete Rolle. An den Stäben der vier Verse mit spanan macht wieder sprâka als mitstabendes Wort in drei Versen (1376, 2719, 5648) seinen dominierenden Anteil geltend.
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spanan 1376 2719 3454 5648
spanen mid is sprâcu | endi seggean spel godes sprâcono gespôni | endi spâhun uuordun an unspuod forspanan: | spâhiða lînot farspanan mid sprâcon, | that hie sia en êna spunsia nam
reduziert 1376 spanen sprâcu | spel 2719 sprâcono gespôni | spâhun 3454 unspuod forspanan: | spâhiða 5648 farspanan sprâcon | spunsia Reime mit spanan, farspanan: spâhi, spel, sprâka, spunsia 2719 | spâhun; 3454 | spâhiða 1376 | spel 1376 sprâcu | ; 2719 sprâcono | ; 5648 sprâcon | 5648 | spunsia Im Übrigen findet sich zweimal spâhi(ða) (2719, 3454) und einmal das schon kommentierte „Sonderwort“ spunsia (5648), alle drei im Hauptstab.
7. Reimregister zu den in Abschnitt 5 und 6 behandelten Stabwörtern. (Die eingeklammerten Zahlen geben die Beleghäufigkeit der alliterierenden Wörter an.) Reime mit saca
samad (1), sâlig (1), seggian (1), self (8), sibbia (1), sîð (1) sîðor (1), gisîði (1), sittien (1), slîði (1), sôkean (1), sônean (1), sorga (3), sundea (6), sunu (2), suâs (1) sacan sôðuuordun (1), sundae (1) sacuualdand simbla (1), gesônien (1) spâh /spâhida spanan (2), spel (6), spôd (1), sprâka (11) spanan, fars- spâhi (2), spel (1), sprâka (3), spunsia (1) panan spel spâhi (6), spanan (1), sprâka (8)
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8. Ein wenig von der Arbeitsökonomie des Stabreimdichters dürfte sich abgezeichnet haben. Interessant scheint mir vor allem das Verhältnis von hochfrequenten Stabwörtern, die zugleich auch alltagsprachig hochfrequent sind, zu dem der in diesen beiden Bereichen wenig belegten Wörter zu sein. Dieses Verhältnis läßt sich aber bei der hier noch zu schmalen Untersuchungsbasis vorerst nicht beurteilen. Weitere Fragen, wie u. a. die der Beteiligung der Wortarten am Stabreim, mussten unangesprochen bleiben. Es bleibt noch viel Fleiß- und Denkarbeit zu tun. Was in Erscheinung tritt, ist vorerst nur das Dämmerlicht einer großen, noch unentfalteten Vision, das ich Kurt Schier hier nur als bescheidenes Geburtstagslicht leuchten lassen kann.
Literatur Quellen Heliand. Hg. von Eduard Sievers. Titelauflage (der Ausgabe von 1878) vermehrt um das Prager Fragment des Heliand und die vaticanischen Fragmente von Heliand und Genesis. Halle 1935. Heliand und Genesis (Altdeutsche Textbibliothek 4). Hg. von Otto Behaghel. 9. Aufl. bearb. von Burkhard Taeger. Tübingen 1984. – Wiedergabe dieses Textes im Internet unter ‹http://www.artsci.wustl.edu/~bkessler/OS›
Wörterbücher Baetke, Walter 1965/1968. Wörterbuch zur altnordischen Prosaliteratur. 2 Bde. Berlin. Grein, Christian Wilhelm Michael 1974. Sprachschatz der angelsächsischen Dichter (Germanische Bibliothek. 2. Reihe: Wörterbücher). Unveränd. Nachdruck der 2., unter Mitwirkung von Ferdinand Holthausen und Johann Jakob Köhler neu hg. Aufl. Heidelberg. Gusmani, Roberto 1999. Altdeutsche Gespräche. Testo e Glossario, in: Incontri Linguistici 22, S. 129–174, hier S. 144–174. Hall, John R. Clark 1966. A Concise Anglo-Saxon Dictionary. 4th Edition. Toronto u. a. (Reprint 1988). Heffner, Roe-Merrill S.1961. A Word-Index to the Texts of Steinmeyer Die kleineren althochdeutschen Sprachenkmäler. Madison. Holthausen, Ferdinand 1967. Altsächsisches Wörterbuch (Niederdeutsche Studien 1). 2., unveränd. Aufl. Köln/Graz.
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 211–220 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Ways on the ‘Mental Map’ of Medieval Scandinavians by TATJANA N. JACKSON ‘Would you tell me, please, which way I ought to go from here?’ ‘That depends a good deal on where you want to get to,’ said the Cat. (Lewis Carroll, Alice’s Adventures in Wonderland, ch. 6)
I am delighted to be part of this volume in honour of Professor Kurt Schier. The paper that I should like to present to him is, on the one hand, a summary of my previous work but, on the other hand, this is also something that has been an ongoing topic of the encouraging and stimulating discussions I have had with Kurt Schier during my short visits to Munich over the past ten years. This paper is dedicated to the ‘mental map’ of medieval Scandinavians as it is reflected in Old Norse-Icelandic texts. I am studying here the development of place-names ending in -vegr and connecting their origin to the four-part subdivision of the world. Physical space, in the process of land development, turned into geographical space (reflected on ‘mental maps’, in periples, itineraries, etc.), while the latter was then ‘conceptually transformed’ into a set of categories and turned into social space, i.e. space that had been named, which was comprehensible to a certain group of people (socium) and which was common to the representatives of one and the same culture. Space took on meanings that could be “understood by reference to particular social categories, rather than by reference to purely physical (and geographical – T. J.) properties”.1 The individual perception of space was thus dependent on those social categories that had been the products of, and inherent to, a particular society or culture. To give an example of different cultures using different ‘languages’ in the ‘dialogue’ between them, we can look at the modern (1951) edition of Heimskringla written by the Icelandic historian Snorri Sturluson ca. 1230. 1
Hastrup 1985, p. 50.
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Speaking about Sigurðr Jórsalafari (‘the Crusader’, 1103–1130) and his pilgrimage to the Holy Land, Snorri tells how he comes to Lisbon (til Lizibónar), now in Portugal but then a large city in Spain (borg mikil á Spáni), where heathen Spain is separated from Christian Spain (skilr Spán kristna ok Spán heiðna). Eru þau heröð heiðin öll, er vestr liggia þaðan 2 (‘All the districts west of that are heathen’), writes the medieval Icelander, and he has grounds for this statement, since this is how the people of his time envisaged the world (to be discussed in more detail below). Meanwhile, the modern Icelander, the editor of Heimskringla Bjarni Aðalbjarnarson, comments on this usage in the following way: “Rétt væri: suðr” (‘suðr would be correct’) and he proceeds: “Áin Tajo greindi lengi sundur lönd kristinna manna og Múhameðstrúarmanna” (‘For a long time the River Tagus separated the lands of Christians and Muslims’).3 In fact this river runs from east to west, so that the lands lie to the north and south of it, and here Bjarni Aðalbjarnarson is quite right. However, I don’t think that he was right to draw our attention just to this particular place in the sagas, since there are many instances where the indicated direction is in contradiction with the real one. We should either make our comments regarding each such case or accept the picture of the world as it was in the eyes of medieval Icelanders. In a modern map we can see that to the west of Lisbon there is just the Atlantic Ocean, no land. It is not just a case of looking at a modern map – we can imagine this map as well, since we are very familiar with it. However, this image of ours would differ greatly from the ‘mental map’ of an ancient or a medieval man, since his imaginary map had as its basis not the existing, visual(ized) image, but oral stories and written descriptions, as well as his own experience.4 It is generally believed that ‘mental maps’ are first of all connected with ‘everyday way-finding or giving directions’,5 although they can refer to both the real and the imagined world. The term ‘mental map’ (or ‘cognitive map’), as has been pointed out, is used in two different senses: to designate an image, a picture in a head; and ‘to denote physical artifacts recording how people perceive places’.6 What is meant, in fact, is an image on the one hand and its materialization in the form of a map-draft on the other. Both usages mentioned refer to the ‘mental maps’ of discrete individuals, 2 3 4 5 6
Snorri Sturluson, Heimskringla 3, p. 242. Ibid., note 1. Bekker-Nielsen 1988; Brodersen 1995 (here, see the exhaustive bibliography). See Couclelis 1996; сf. Yi-Fu Tuan 1975. Woodward / Lewis 1998.
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which, being reproduced, become clear to other people on the basis of a shared categorical language. However, alongside individual ‘mental maps’ there exist in every society at a certain period of time such ‘mental maps’ as reflect the spatial image common to the majority of the population, constituting part of the general ‘world view’ of this particular society. This spatial image, though related to reality, is not directly connected to practical requirements (such as direction-giving and way-finding). Thus, the works of Old Norse literature – the product of creative activity on the part of early medieval Scandinavians, who were skilled seafarers and easily able to orientate themselves on sea and land long before the first maps appeared7 – have reflected specific spatial ideas that could hardly have been used for practical purposes in everyday life. These ideas, as the source material demonstrates,8 are as follows. The world consists of four quarters, according to the four cardinal directions.9 The set of lands in each segment of this ‘mental map’ is invariable. The western quarter includes all the Atlantic lands, such as England, Iceland, the Orkney and Shetland Islands, France, Spain, and even Africa. The eastern lands are the Baltic lands and the territories far beyond the Baltic Sea, such as Russia and Byzantium. The southern lands are Denmark and Saxony, Flanders and Rome. The northern quarter is formed by Norway itself, but also by Finnmark and, sometimes, by Bjarmaland. The latter is described as a territory lying on the borderline of the easterly and northerly segments, since it was thought to belong to the easterly quarter, but one could get there only by travelling northwards. Movement from one segment into another is defined not according to the compass points but according to the accepted naming of these segments, which means that spatial orientation is described in terms of a goal. Thus, when somebody goes from Sweden to Denmark he is said to go either suðr,10 because Denmark belongs to the ‘southern segment’, or to go 7
8 9 10
Before portolan charts appeared in the late thirteenth century, there had been no nautical cartography in Western Europe. Tony Campbell believes that navigation depended almost entirely on the stored experience of captains who possessed mental maps of the regions visited (Campbell 1987, pp. 386–387). Navigational experience, transferred from one generation of seafarers to another, was sufficient for orientation in space. Cf. Jackson 1998; Jackson 2001. On “a special attraction for Icelanders of a division of space into quarters” see Lindow 1994, p. 212. “The king of Sweden and the earl were ready to join this enterprise. They gathered a large fleet in Sweden and with it sailed south (suðr) to Denmark” (Snorri Sturluson, Heimskringla 1, p. 349; Snorri Sturluson, Heimskringla, transl., p. 229).
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austan,11 because Sweden belongs to the ‘eastern segment’. What is worth noting here is the fact often left unnoticed by translators of saga texts, that for medieval Scandinavians such pairs of adverbs as suðr (‘to the south’) / norðan (‘from the north’), or austan (‘from the east’) / vestr (‘to the west’), etc., were by no means pairs of synonyms. In the above example, a medieval Icelander would never have used norðan instead of suðr, or vestr instead of austan, because norðan – as he saw it – could be used to denote movement from Finnmark or from Norway, while vestr was to England, or some other islands in the Atlantic. Movement within segments is also defined not according to the compass points but according to the accepted naming of these segments. Any movement within the eastern quarter, for instance, is nearly always claimed to be a movement austr or austan, which in the majority of cases is ‘incorrect’. Thus, the Norwegian Augmund of Spanheim is said in Hákonar saga Hákonarsona (ch. 371) to have travelled from Bjarmaland (‘the land near the White Sea’) austr to ‘the land of Suzdal’ (movement that a modern individual would describe as going south), and thence austr to the land of Novgorod (= west), and from there hit eystra (‘by the eastern (or more easterly) route’) to the sea, and thus as far as Jerusalem (= south).12 The situation is similar in the western quarter. Thus, Sigurðr Jórsalafari in Snorri’s Magnússona saga (ch. 3–5) goes from Norway vestr to England, then vestr to France, after that vestr along the coast of Spain, which why the heathen lands to the south of Lisbon (mentioned earlier in this paper) are also said to be situated vestr þaðan ‘to the west of that place’.13 One of the main categories in the Scandinavians’ perception and structuring of geographical space is the ‘way’/‘route’.14 Firstly, it is illustrated using the name of one of the Scandinavian countries, Norway. Cf. Old Icelandic Nóregr (< *Norðrvegr ‘the Northern way’), Old English Norðweg (Ohthere’s account in King Alfred’s Orosius), Latin Nordve(g)ia (Adam of Bremen), Norwegia (Historia Norwegiæ), Norvagia (Saxo Grammaticus); cf. modern Norwegian, Swedish, Danish Norge, Icelandic Noregur, English Norway, German Norwegen. However, along with the 11
12 13 14
“Afterwards they procured ships, Harald and Svein, and soon a large force collected [in Sigtúna]; and when it was equipped they sailed from the east (austan) to Denmark” (Snorri Sturluson, Heimskringla 3, p. 92; Snorri Sturluson, Heimskringla, transl., p. 591, with my emendations). Det Arnamagnæanske håndskrift 81 a fol., pp. 371–372. Snorri Sturluson, Heimskringla 3, pp. 240–242. Cf. Podossinov 1999, p. 604: “the initial perception of space can be pictured as an itinerary map”.
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‘Northern way’, the Old Norse-Icelandic sources have preserved other ‘ways’. Austrvegr ‘the Eastern way’ is a frequently-used place-name.15 It occurs in both the plural (Austrvegir – in the early sources) and the singular (Austrvegr – in later sources), the earliest mention being the Austrvegir (plural form) in the late ninth-century16 poem Ynglingatal by the Icelandic skald Þjóðólfr ór Hvini. The remaining three ‘itinerary’ terms have been preserved in a limited number of early texts, in the plural form alone: Vestrvegir (literally ‘the Western ways’, enduring in the meaning of ‘the British Isles’) in a Swedish runic inscription; Suðrvegar in the Eddic lay Guðrúnarkviða önnur and in Fostbræðra saga (‘the Southern ways’), as well as in Óláfs saga Tryggvasonar by Oddr Snorrason (with the meaning of ‘the Southern lands’, as opposed to Norðrlönd); and Norðrvegar (‘the Northern ways’ with the meaning of ‘the North’), which occurs in the Eddic lay Helgakviða Hundingsbana in fyrri. These sources bear witness to the fact that the initial pattern for the formation of the above-named place-names had been ‘cardinal direction + vegir/vegar (plural of vegr ‘way’)’. Originally, these names might have served as designations of various actual ways (routes) in an easterly, westerly, southerly or northerly direction. But where did the starting-point for all these ways lie? Where was the centre of this so to say ‘wind-rose’? It could hardly have been Norway, from the North Sea and the Skagerrack in the south to Finnmark in the north, because the country itself was understood as one of those ways, the way towards the north. It is evident that the original name of the country and that of its inhabitants, *Norðrvegr and Norðmenn, could not have been autochthonous (no people can call themselves northern or southern). The name had to have originated to the south of Norway, and it had to have happened long before the corresponding sources were written down. We have already tried to demonstrate elsewhere17 that a birthplace of this ‘wind-rose’ might have been in the main centre of Germanic settlement in the southern part of Scandinavia, as well as in northernmost Jutland and Sjælland. From here, mostly along the coast, Germanic tribes advanced slowly and in small groups to the north of Scandinavia. *Norðrvegr is likely to have received its name in the late fourth century A.D. when, according to archaeological data, new groups of Germanic tribes (those, at least, that gave names to the provinces of Hörða15 16 17
Jackson 2003, especially pp. 29–36: “Austrvegr: place-names with the root aust-”. Only if we do not accept the opposing view of Claus Krag (1991), who considers the poem a much more recent composition. Jackson / Podossinov 1997.
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land and Rogaland) migrated from the continent to the northwestern coast of the Scandinavian peninsula. The easiest way to get there from the continent was through the Danish islands and straits. This particular area had been at the heart of trading communications in Northern Europe,18 as the sea routes led to the east (the Baltic), to the west (the North Sea, the Atlantic Ocean), and to the north (along the west coast of the Scandinavian peninsula), while the land routes went southwards through Denmark and Saxland. Over the course of time, the semantics of the root veg- in the compounds of the ‘cardinal point + vegr’ type had changed, and the meaning of placenames ending in -vegr, at least by the time of their written fixation, had become completely different from the total sum of the meanings of their parts. The main semantic components of the word vegr are: 1) departure point, 2) route and 3) destination. The examination of all the usages of Austrvegr in the sources has demonstrated19 that these semantic components are not inherent to its meaning any longer, and that the meaning of Austrvegr is radically different from, and broader than, the aggregate of the meanings of its two components. There is every reason to think that over the course of time, the root veg- in the compounds lost its main meaning and place-names ending in -vegr started to serve as a designation of lands, but not of routes: thus, Austrvegr finally became the name of the East Baltic lands,20 while Nóregr turned into the name of the country, Norway. In its new phonetic shape – Nóregr instead of *Norðrvegr – it might no longer have been understood as ‘the way towards the north’.21 The name gradually turned into a self-denomination with a vague etymology, which is proved at least by medieval attempts to explain its derivation from a legendary king Nór.22 In order to travel within a social space, people have to possess a set of common ideas, common spatial coordinates. Among the main marking ele18
19 20 21
22
For instance, archaeologists have revealed the existence at the beginning of the first millennium B.C. of economic centres that served as focal points of trade for Northern and Central Europe in the area of Voldtofte on Fyn and the area of Boslund on Sjælland (see Thrane 1976; Jensen 1981). Jackson 1976. See further below. However, the West Germanic languages have preserved the second root in its initial meaning (cf. the Old English Norðweg, English Norway, German Norwegen). See the patronymic legend in Historia Norwegiae, in Óláfs saga Tryggvasonar by Oddr Snorrason, in the initial chapters of Orkneyinga saga and in Hversu Nóregr byggðisk.
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ments in the process of the social structuring of space were place-names.23 If our sources enable us to do it, we can examine the evolution of placenames in the process of land development. Since the Old Norse-Icelandic material is incomparable from this point of view, we can observe in it the formation of secondary place-names on the basis of the original ones (like Garðaríki from Garðar, or Aldeigjuborg from Aldeigja),24 the ‘migration’ of place-names in space (Ultima Thule)25 and the alteration of the meaning of place-names (Austrvegr, Bjarmaland)26 in the process of the widening of geographical horizons, etc. At each stage of their development, place-names bear a certain meaning, evident to their contemporaries, and a certain geographical affinity, since they would otherwise have lost their number of addressees and would no longer serve their main function, the communicative one.27 The opposing view asserts that the lands designated by the place-name Austrvegr were indistinguishable, and that the borders between the peoples and lands of the Austrvegr were non-essential to Scandinavians, while Garðar (generally thought to have been the name of Old Rus) served as the designation of a certain territorial unity, and as such could be understood either as Rus or as Byzantium.28 I strongly doubt that Scandinavian travellers to Eastern Europe could have traversed such a huge territory for generations without knowing what to call the country or its inhabitants; or that going in an easterly direction they claimed to be going austr or í Austrveg, while their relatives were to understand this as either ‘Rus’ or ‘Byzantium’. An extra counter-argument may be seen in the fact that runic inscriptions as early as the tenth and eleventh centuries, the earliest of the Old Norse-Icelandic written sources, use the place-name Grikland (with the meaning of ‘Byzantium’), and they do so twice as often (on 32 occasions, as against 18) as they use Garðar, ‘Old Rus’.29 An examination of the development of the place-name Austrvegr and its function in the language of medieval Scandinavians30 demonstrates the following. Skaldic poems and runic inscriptions from the ninth through the eleventh centuries reflect the initial stage of the development of Old Norse 23 24 25 26 27 28 29 30
Cf. Hastrup 1985, p. 50; cf. Konovalova 2001. Jackson 2003, pp. 36–40, 43–45. von See 2004; Jackson 2005. Melnikova 1986; Jackson 1992. Concerning names as ‘rigid designators’, see Kripke 1980. Uspenskij 2002, pp. 273, 278, 294. Melnikova 2005, p. 163. Jackson 1993.
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toponymy with the root aust-: the meaning of the place-name Austrvegr used in these sources is extremely broad, so it might denote any territory to the east of Scandinavia. The early kings’ sagas (Ágrip af Nóregskonunga sögum; Óláfs saga Tryggvasonar by Oddr Snorrason; Morkinskinna) have preserved the toponymy with the root aust- in the next stage of its development: Austrvegr is used to denote the lands along ‘the route from the Varangians to the Greeks’, mostly Old Rus, while Byzantium is excluded from a number of lands denoted by this place-name (cf. ‘Jarizláfr Austrvegs konungr’ in Ágrip 31). The major compendia of the thirteenth century (Fagrskinna, ca. 1220 and Heimskringla by Snorri Sturluson, ca. 1230) consistently use the newly-formed place-name Garðaríki to denote Rus. Consequently, the meaning of Austrvegr is narrowed in the final stage of its development, since it is now used to denote neither ‘the route from the Varangians to the Greeks’ nor a ‘way’/‘route’ in general, but only the South and East Baltic lands. In summary, I want to stress that, according to the sources, the original pattern for place-names ending in -vegr was the ‘cardinal direction + vegir / vegar (plural from vegr ‘way, route’)’: Austrvegir, Vestrvegir, Suðrvegar, Norðrvegar, i.e. the reflection of the four-part ‘mental map’ of medieval Scandinavians. Eventually, the root veg- in these composite names changed its semantics, and by the time of their written fixation they had come to denote not the routes but the lands along those routes: Austrvegr finally became the designation of lands beyond the Baltic, while Nóregr (< *Norðrvegr) became the name of a country, the Norway of today.32
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Ágrip af Nóregskonunga sögum, p. 26. I am indebted to the Russian Foundation for Humanities (RFH, grant 07-01-00058) for having supported this research, and to my friend Mary Katherine Jones (University of Tromsø) for having read through this paper and improved my English.
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Tristrams saga ok Ísöndar, ch. 80: Ekphrasis as Recapitulation and Interpretation by MARIANNE KALINKE Ekphrastic poetry flourished during the Viking Age, that is, a type of poetry “in which the skald celebrates the material object on which images appear” and the poet depicts “himself as the clever creator of the verbal picture that matches, or outdoes, the original.”1 In Laxdæla saga we read how one of these poems came to be composed. On the occasion of the wedding of Óláfr pá’s daughter Þuríðr, the poet Úlfr Uggason composed a poem about Óláfr “ók um sÄgur þær, er skrifaðar váru á eldhúsinu, ok fœrði hann þar at boðinu. Þetta kvæði er kallat Húsdrápa ok er vel ort.”2 The saga reports that in this magnificent hall were “markaðar ágætligar sÄgur á þilviðinum ok svá á ræfrinu; var þat svá vel smíðat, at þá þótti miklu skrautligra, er eigi váru tjÄldin uppi” (p. 79). The saga itself does not contain a description of the carvings. Landnámabók reports how a very different work of art came to be created, by the frustrated lover TjÄrvi, nephew of Hróarr Tungugoði, who asks for the hand of Ástríðr manvitsbrekka Móðólfsdóttir in marriage. Her brothers object and give her instead to Þórir Ketilsson. TjÄrvi reacts by carving the images of Ástríðr and Þórir on the wall of the privy. Every evening when he and his uncle Hróarr went to the outhouse, he spit in Þórir’s face but kissed that of Ástríðr. When Hróarr scraped the figures off the wall, TjÄrvi carved the image of Ástríðr into the handle of his knife, and spoke this verse: Vér hÄfum þar sem Þóri, þat vas sett við glettu, auðar unga brúði áðr á vegg of fáða. 1 2
Clunies Ross, p. 18. Laxdæla saga, p. 80.
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Nú hefk, rastakarns, ristna, réðk mart við Syn bjarta hauka skopts, á hepti Hlín Älbœkis mínu.3 In this stanza he reveals that the pictures on the privy wall were intended to give offense, but now that he has carved only Ástríðr’s image on the handle of his knife this is presumably intended to memorialize his love for the woman whose loss he mourns. Landnámabók laconically notes that “hér af gerðusk víg þeira Hróars ok systursona hans” (p. 302). Among the killers of Hróarr and his nephew TjÄrvi is Þórir Ketilsson. Paul Schach suggested that the inspiration for this episode might have come from Tristrams saga ok Ísöndar.4 As we shall see, the function of this work of art in Landnámabók and its repercussions is quite different from what occurs in Tristrams saga, which is not unexpected, given the quite different genres and cultural contexts of the two narratives. That the creation of a memorializing work of art can offer solace is related in Guðrúnarqviða ǫnnor. There we read that after the death of Sigurðr, Guðrún and her companion Þóra embroidered tapestries with a narrative program: HÄfðo við á scriptom, þat er scatar léco, oc á hannyrðom hilmis þegna, randir rauðar, recca Húna, hiordrót, hiálmdrót, hylmis fylgio. Scip Sigmundar scriðo frá landi, gyltar grímor, grafnir stafnar; byrðo við á borða, þat er þeir bÄrðuz, Sigarr oc Siggeirr, suðr á Fióni.5 Völsunga saga incorporates the same scene, but the narrator then adds “ok huggaðist Guðrún nú nokkut harms sins.”6
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Íslendingabók. Landnámabók, pp. 301–302. Schach 1969, p. 98. While TjÄrvi’s knife on which the image of Ástríðr is carved is a knife and nothing but a knife, it is tempting to interpret the use of this object in the context of Steingerðr´s use of a euphemism for the male sexual organ in her response to her husband in Kormáks saga, who suggests she go with Kormákr, her rescuer, who had pursued her like a man: “ekki skyldu kaupa um knífa” (Kormáks saga, in Vatnsdœla saga, Hallfreðar saga, Kormáks saga, p. 298). Guðrúnarqviða Ännor in Edda, st. 15–16, p. 226. Völsunga saga, p. 195.
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What distinguishes the above accounts of the origin of a work of art is that they are merely references. Laxdæla saga does not provide the information that would permit one to recall a story or myth; Landnámabók names but does not depict the subject of the carving; the episode in Guðrúnarqviða ǫnnor, like its derivative in Völsunga saga, refers to specific incidents but does not describe them. That is to say, these works hint at but lack an ekphrastic narrative. There exists one true ekphrastic narrative in Old Norse prose and this has been preserved through the diligence of an Icelandic copyist, who in the seventeenth century copied the romance known as Tristrams saga ok Ísöndar from an unknown older manuscript.7 The seventeenth-century copy is the oldest complete text of the courtly version of the story of love and adultery that inspired continuations, retellings, and recreations even into the present day. In the year 1226, thus the manuscripts, King Hákon Hákonarson of Norway (r. 1217–63) commissioned a certain Brother Robert to translate into the Norse tongue the story of Tristram and Queen Ísönd and their heartrending love. The incipit states: Hér skrifaz sagan af Tristram ok Ísönd dróttningu, í hverri talat verðr um óbæriliga ást, er þau höfðu sín á milli. Var þá liðit frá hingatburði Christi 1226 ár, er þessi saga var á norrænu skrifuð eptir befalningu ok skipan virðuligs herra Hákonar kóngs. En Bróðir Robert efnaði ok upp skrifaði eptir sinni kunnáttu með þessum orðtökum, sem eptir fylgir í sögunni ok nú skal frá segja.8
This was the French romance composed by Thomas (ca. 1150–70), which also inspired Gottfried von Strassburg’s German recreation. Thomas’s text is transmitted only fragmentarily9 and Gottfried’s is incomplete.10 Hence, the Norwegian translation as transmitted in Icelandic manuscripts is unique and has extraordinary value for preserving Thomas’s legend into our own time.11 One remarkable episode in Tristrams saga ok Ísöndar is an extended ekphrastic narrative. This is the so-called Hall-of-Statues episode in chapter
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Tristrams saga ok Ísöndar is found in the manuscript AM 543 4to. All references to the saga are to Tristrams saga ok Ísöndar, ed. and transl. Peter Jorgensen, here, p. 28. Hunt / Bromiley 2006, pp. 118–119. Chinca 2000, pp. 120–122. In Gesa Bonath’s edition of Thomas’s Tristan, a German translation of pertinent chapters of the saga is interpolated between the texts of the preserved fragments of the French romance. See Thomas Tristan. Eingeleitet, textkritisch bearbeitet und übersetzt von Gesa Bonath, 1985).
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80, which occurs after Tristram has married Ísodd.12 While the ekphrasis is a visual recapitulation of the story of Tristram, Ísönd, and Markis, it also serves as Tristram’s interpretation of past events. Susanne Kramarz-Bein has called the episode “eine Darstellung von Vergangenheitsbewältigung,” “eine literarische Gestaltung des Umgangs mit vergangenem Glück und Leid,”13 but the episode also serves both to explicate and clarify the literary text and to invite the reader to reflect on the meaning of the narrative. Tristram had engaged in combat with a giant in whose forest he had trespassed and where he planned to build a hall for which he wanted to chop down 48 of the tallest trees. Tristram subjugates the giant in the struggle, cutting off one of his legs, which he then replaces with a wooden leg. In return for sparing his life, the giant agrees to do whatever Tristram requests. The project for which Tristram enlists the giant is a work of art in front of a vaulted hall that had been hewn into rock by another giant. This giant, the narrator informs us, does not really belong in the story, “nema þatt eitt, at hann gerði þetta hit fagra hválfhús, er Tristram hugnaði vel, sem sjálfr hann kunni at vera æskjandi” (p. 184). This was the giant of MontSaint-Michel, who had seized and violated the daughter of Duke Orsl and whom King Arthur defeated in combat. The earliest account of Arthur’s killing of this giant is found in Geoffrey of Monmouth’s Historia regum Britanniae.14 In the various versions of the Tristan legend, alone Tristrams saga contains the story of King Arthur’s encounter with this giant; the extant fragments of Thomas´s version do not transmit it nor does Gottfried von Strassburg’s incomplete version. Tristram sets about the construction of a hall outside the vaulted chamber, for which he has hired the finest craftsmen. Once the building is complete and has been decorated, the artisans are dismissed to return to their own countries. Tristram and the giant now fashion a group of life-size statues. This sculptural group turns out to be not only an essential part of 12
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Hunt / Bromiley (2006, p. 118) state that the Hall-of-Statues episode (chs. 80–82 of the saga) has been preserved in the extant French manuscripts, but this is inaccurate. The Turin 1 fragment transmits only the end of the account of Tristan’s interaction with the statue of Yseut, and this is found in quite abbreviated form in ch. 81 of the saga. See “Thomas’s Tristran,” ed. and transl. Stewart Gregory, vv. 942–95, pp. 52–54. Ch. 80 of the saga is accepted by scholars as representing Thomas’s text. Thus, Ulrich Ernst (2003, p. 121) writes: “Dem Andenken an die lebende Geliebte ist der von Tristan unter größter Geheimhaltung angelegte Bildersaal bei Thomas d’Angleterre (um 1170) gewidmet”. His discussion (pp. 121–122), however, is based on ch. 80 of the saga. Kramarz-Bein 2002, p. 214. See The Historia Regum Britannie of Geoffrey of Monmouth, ch. 165, pp. 158– 160.
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the plot but also a visual recapitulation and interpretation of the preceding narrative.15 The poetic ekphrasis functions as an exegetical device that conveys and clarifies the meaning of the entire text. The work of art, that is, the statues of all but one (Markis) of the leading characters of the Tristan romance, invites contemplation by the reader and not only memorializes what has gone before, but through the manner in which the figures are presented also suggests how the preceding events might be interpreted.16 Since Tristram is the one who conceives how the various figures are to be depicted, we are given Tristram’s interpretation of the past. The Tristan legend was one of the most fertile sources of the secular visual arts in the Middle Ages and in early modern times. Scenes from the Tristan legend as told in various medieval versions appear not only in medieval manuscripts but also in frescoes, tapestries, ivories, floor tiles, and even the misericords of English churches. The majority of these images are from the fourteenth century and most of them are of French origin.17 Some of the earliest images illustrating the Tristan legend contain but a single scene, such as the one on a small ivory chest dated to circa 1200/ 1220 that depicts an embracing couple and a goblet. Not until the end of the thirteenth century is an entire cycle from the romance illustrated in a manuscript.18 Among the scenes that are repeatedly depicted are Mark’s discovery of the sleeping lovers, a sword between them, and the lovers’ tryst in an orchard with Mark looking on. These very scenes also occur in an ekphrastic narrative in Jean Renart’s early thirteenth-century romance Escoufle. There a cup is described into which are etched various scenes
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In 1998, I published a short analysis of the statue of Ísönd in a Festschrift for Guðrún Ása Grímsdóttir: “‘… sem hún skipaði honum undir fætur sér…’: Ísönd as apocalyptic woman.” This is available, however, only from the Stofnun Árna Magnússonar in Iceland (Kalinke 1998). See Wandhoff 2003, p. 22, who writes: “Das Faszinosum dieser Sonderfom der Beschreibung kann im weitesten Sinn darin gesehen werden, daß sich der technisch-affektive Aspekt der Visualisierung mit einem inhaltlich-poetologischen Aspekt der Ekphrasis verbindet, durch den räumlich markierte Zonen des Verweilens und der Meditation in poetische Texte eingebaut werden, die zur Reflexion über Sinn und Bedeutung des Wortkunstwerks aufgesucht werden können und sollen”. See the chapter “Tristan und Isolde in mittelalterlichen Bildzeugnissen” in: Frühmorgen-Voss 1975. For a catalogue of Tristan images, see Voss 1975. In two chapters in The Legends of King Arthur in Art, entitled “Arts of the Church and Castle” and “Painted Chambers,” Muriel Whitaker discusses the variety of images from the Tristan legend in sacred and secular art and artifacts (1990, pp. 86–136). Frühmorgen-Voss 1975, pp. 120–121.
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from the legend, including the lovers’ sojourn in the wild and the lovers’ rendezvous in the orchard.19 The most famous artist to have interpreted the story of Tristan and Isolt is Tristan himself. The ekphrasis in Tristrams saga ok Ísöndar does not visualize specific episodes, however, but rather the cast of characters of the romance. The manner in which these figures are depicted reveals Tristram’s understanding of what has occurred and how the story of the lovers is to be read and understood. Tristrams saga ok Ísöndar alone preserves the ekphrasis that was an integral part of Thomas’s romance and which, if the German version had been completed, would undoubtedly also have been included by Gottfried in his adaptation. The Turin fragment of Thomas’s Tristran commences with Tristran’s visit to the statues,20 which follows the ekphrastic narrative in the saga. In the Turin fragment we read that he kissed the statue of Yseut (v. 946), conversed with her and Brengain (vv. 966–973), and looked at Yseut’s hand “[Qui] l’anel d’or doner li volt” (as it made to offer him the gold ring” [v. 976]). Periodically Tristran expressed his fear that Yseut would take another lover and then he would berate the statue and complain to Brengain (vv. 966–973). In the saga, when Tristram recalls the trials and tribulations he endured from those who slandered the lovers, he “made that known to the statue of the evil counselor” (p. 189). Although this detail is not found in the Turin fragment,21 it might have been mentioned in an earlier passage that has not been preserved. There is no doubt that the saga faithfully transmitted the content of Thomas’s romance. Where Brother Robert altered the poem in translation, it was not by way of addition but rather chiefly by omission.22 Álfrún Gunnlaugsdóttir concludes that if the saga serves as the source of our knowledge of the French poem, it is because it is the only version that contains Thomas’s text and the only version that may properly be called a translation.23 The sculptural group depicted in Tristrams saga is placed under the arch leading to the stone vault. The group consists of seven figures: Ísönd, 19 20 21
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For a discussion of this cup, see Clemente 1992, pp. 94–97. See “Thomas’s Tristran,” vv. 942–995, pp. 52–55. Bonath comments on this detail and notes that while the Turin fragment might have omitted this, it seems likely that it represents Brother Robert’s interpretation of vv. 946–968 (n. 16, p. 145). See Álfrún Gunnlaugsdóttir’s thorough and meticulous analysis of the saga in relation to the French source, Tristán en el Norte (1978), and her conclusions concerning Bédier’s reconstruction of the poem and Brother Robert’s methodology, pp. 329–332. Álfrún Gunnlaugsdóttir 1978, pp. 332, 350.
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Bringvet, the evil dwarf, the giant, a lion, Ísönd’s dog, and King Markis’s counselor. In addition to the figures, there are also two texts, one engraved on Ísönd’s ring, and the other engraved on a goblet that Bringvet holds. In the center of this sculptural group stands Ísönd with her foot on the chest of the evil dwarf. To one side of the prone dwarf stands Ísönd’s little dog and on the other a small statue of Bringvet. Facing this group, at the entry to the vault, is a huge one-legged figure representing the giant. On the other side of the entry a large lion stands with its tail wrapped around a figure resembling King Markis’s counselor. The sculptural group is a visual, olfactory, and acoustic work of art, a type Ulrich Ernst calls a “medial ensemble.”24 The statue of Ísönd emits a wondrous fragrance. The head of the little dog moves and causes the bell around its neck to tinkle, while the giant gnashes his teeth. When Tristram takes Kardín along to see the statues, Kardín faints, thinking that the giant is alive and intends to kill him with his club (ch. 85). The statue of Bringvet is so lifelike and the goblet that she offers with wine so realistic that Kardín attempts to take it out of her hand (ch. 86).25 Central to the sculptural group is the figure of Ísönd, which is so animated that the viewer believes the statue to be alive. She wears a golden crown adorned with precious gems, the most beautiful of which is a large emerald set in a leaf in the front of the crown. In her right hand Ísönd holds what the narrator describes as a brass rod (eirvöndr) or symbol of power (valdsmerki).26 This is presumably a scepter, and it is described as being adorned with flowers at one end. This valdsmerki is decorated with gold into which a bird so lifelike has been carved that its extended wings suggest it will take flight. In her other hand Ísönd holds a golden ring bearing an inscription.27 Beneath Ísönd’s feet is a chest that serves as a footstool—the word used is fótkistill—and this is cast in copper and in the likeness of the evil dwarf who had slandered and defamed the lovers to the king. Ísönd is
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Ernst 2003. Concerning ekphrastic depictions of automata, Ernst writes that “bei den einschlägigen Schilderungen oft Bild, Klang und Schrift, mitunter auch weitere sinnliche Elemente, zu einem medialen Ensemble verbinden” (p. 117) For instances of mechanical technology in medieval romance, see Ascherl 1988, pp. 285–289. Jorgensen translated this as “a brass rod or staff,” presumably because of the following description of the adorning flowers and bird, but the occurrence of valdin the compound valdsmerki, suggests that this is to be read as a token of authority. The text actually writes that the ring is in her right hand, but that cannot be, since just a few lines above she is depicted as holding the scepter in her right hand. This is presumably a scribal error or occasioned by the author’s or translator’s lapse.
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described as trampling the dwarf under foot, and as he lies there, he seems to be crying. Next to the statue of Ísönd is what the narrator calls an amusing little touch (lítil skemtan) and this is Ísönd’s dog, made of pure gold. This little dog first appears in ch. 61, where we are told that while Tristram is in the service of a duke in Poland, he is disconsolate because he is far from Ísönd. He expresses his unhappiness through deep sighs, and to cheer him up, the duke has his dog brought in. This is a wondrous creature that had been given to the duke by an elf woman. The dog is chimeric in appearance, shifting in color depending upon the viewer or the viewpoint. Hanging around the dog’s neck is a bell and the sound of this bell, as the dog quivers, frees Tristram of his sorrow. He is bent on obtaining the dog for Ísönd and bargains with the duke, who has been subjected into paying an annual tribute to a giant named Urgan. Tristram promises to free him from the giant’s extortion and oppression in exchange for whatever reward he demands. Tristram succeeds in killing the giant and as reward receives the dog, which he sends to Ísönd. This dog is memorialized in the sculptural group as an animated statue that shakes its head and rings its bell. While the little dog plays a role in the narrative, it is also symbolic, traditionally representing fidelity in both sacred and secular art. Its tinkling bell brings joy to Tristram and Ísönd, but its memorialization in the sculptural group also symbolizes the fidelity of the lovers to each other. On the other side of Ísönd stands a small statue of Bringvet, the queen’s lady-in-waiting. The statue embodies her beauty and she is arrayed in the finest garments. Bringvet holds a covered goblet on which a text is inscribed and she extends this to Ísönd. The first figure one sees at the entrance to the hall is that of the onelegged giant who holds his iron staff over his shoulder and appears to be protecting the group. He wears a tunic of shaggy goatskin that reaches only to his navel. Like the little dog, he is animated and gnashes his teeth. The fierce look in his eyes suggests that he will kill anyone transgressing the space. On the other side of the entrance stands a large lion, cast in copper, who also appears to be alive. He has his tail wrapped around a figure representing King Markis’s evil counselor. The single most notable characteristic of the statuary is that the figures appear to be alive; they are automata. Moreover, the statue of Ísönd is remarkable in that a wonderful fragrance issues from her. Tristram had accomplished this by boring a small hole in the nipple of her left breast into which he has placed a container filled with a mixture of gold dust and sweet herbs. From this container lead two tubes, one to the back of the statue’s neck at the hairline, the other to its mouth. Thus, Ísönd exudes a
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remarkable fragrance. The perfume emanating from Ísönd is of mechanical origin, but it evokes fragrances associated with women and love, such as described in the Song of Solomon, where the scent of the garments of the beloved is compared to “the scent of Lebanon” (4:11) and the “scent of her breath” is likened to that of apples (7:8). In hagiography the state of sanctity is often associated with fragrance. A perfume-like scent, the odor of sanctity, symbolic of extraordinary virtue, emanates from the bodies of some saints during their lifetime or after death. The breath of saints in paradise is said to exude a sweet perfume,28 and the preeminent virtues and sanctity of the Virgin Mary are likened in the rhetorical language of the Church Fathers as well as medieval vernacular authors as giving off the sweet fragrance of spices and aromatic flora.29 The central figure in the sculptural group is Ísönd. She stands on a copper pedestal (the word used is fótkistill) in the shape of the evil dwarf, “er þau hafði rægt fyrir kónginum, ok hrópat” (p. 186). This dwarf’s machinations are related in chs. 54 and 55. The narrator refers to him as “hinn illi dvergr” who “jafnan lagði illt til Ísöndar dróttningar ok Tristrams” (p. 142). It is he who strews flour between Tristram’s and Ísönd’s beds the night after the lovers have been bled. Tristram’s exertion from vaulting from his bed into Ísönd’s to avoid leaving footprints on the floor reopens his veins and he leaves a trail of blood in the bed. This incident is the immediate cause of Ísönd’s having to undergo the trial by red-hot iron. Tristram has depicted Ísönd as triumphing over the couple’s nemesis, on whose breast she stands and who appears to be crying. Like the statues of the little dog and the giant, this statue that functions as would a pedestal is also conceived as an automaton. Ísönd’s crushing the chest of the dwarf is immediately comprehensible as reflecting previous events, for she did triumph over the dwarf when at the trial her ambiguous oath was understood to confirm her innocence. As noted above, the manner in which the various figures are depicted reflects Tristram’s understanding of events. A medieval audience might also have read the statue of Ísönd in the context of sacred iconography. One of the most popular of medieval saints was Catherine of Alexandria who according to legend was martyred by Emperor Maxentius and whose cult flourished in France. Beginning in the middle of the thirteenth century, Catherine was frequently represented as standing on the emperor, that is, triumphing over him.30 St. Olaf of Norway was similarly depicted, standing 28 29 30
See Schulze-Belli 2007, pp. 219–220. See Salzer 1967, pp. 157–161. See Lexikon der christlichen Ikonographie, vol. 7, col. 290.
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on a dragon with a crowned human head. This supine figure symbolizes paganism over which Olaf triumphed.31 In both instances, the saints tread on their enemy, and this is also Ísönd’s stance, but the immediate inspiration for her depiction might have been images of the Virgin Mary as Maria victrix, that is, the woman who thrones above the dragon, the woman who steps on the serpent. Such images go back as far as the twelfth and early thirteenth centuries.32 The trumeau of the cathedral of Amiens, 1220– 30, has a sculpture of the Madonna standing on a serpent with a human head.33 This postdates Thomas’s Tristran, but images of Mary standing on the serpent occur as early as the middle of the twelfth century, for example, in the Stammheim missal from around 1160.34 Ultimately, these images, and most likely also that of Ísönd, evoke the curse put upon the serpent in Gen. 3:14–15: “upon your belly you shall go, and dust you shall eat all the days of your life. I will put enmity between you and the woman and between your seed and her seed.” Whereas the sculptural group is comprehensible to an audience in its narrative context, that is, it reflects previous events, it might also have called forth the many sacred images surrounding those living in the twelfth century, most prominently those found on the outside and interiors of churches. Tristram’s sculptural group is placed at the entry to a vaulted building, and Ísönd stands directly under the arch. Whereas she is not placed on the trumeau of a portal, her position functions in similar fashion. She is the centerpiece of a hallowed space. If the depiction of Ísönd was intended by Tristram—and the author of the romance—to call to mind Mary and her triumph over the serpent, then this is the ultimate irony: Ísönd the adulteress calls to mind the pure Virgin who was conceived without the stain of original sin. The dwarf, like the serpent, is understood as evil incarnate, which he is from the perspective of the lovers whose adultery he wishes to expose. Not only the appearance of Ísönd is reminiscent of sacred iconography. We are led into the composition of which she is the center by two figures whose function seems to be that of guardians, namely the giant, who together with Tristram had fashioned the statues, and a copper lion whose coiled tail holds the figure of the royal counselor, “er hrópaði ok rægði 31 32
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See Lexikon der christlichen Ikonographie, vol. 8, col. 81. See Schiller 1966–1980, vol. 4,2: Maria, p. 174. The antithesis Mary–Eve is reflected in sculptures of Mary standing on a pedestal that depicts Eve’s fall and the tree of knowledge and the serpent (vol. 1, p. 51). Schiller 1966–1980, vol. 4,2, pl. 803. Schiller 1966–1980, vol. 1, p. 51.
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Tristram fyrir Markis kóngi” (p. 188). The only figure in the sculptural group who plays no role in the narrative proper is the lion; its appearance in the ekphrasis, like the supine figure of the dwarf, evokes sacred iconography, where the lion not only symbolizes kingship and judgment,35 but is also depicted as the guardian of portals. Frequently the animal is pictured in front of or under the feet of Mary, the queen of heaven and the Sedes Sapientiae.36 Moreover, the lion is the first animal to be depicted in medieval bestiaries, and in turn is depicted and associated in psalters with Psalm 1.37 This psalm opens with the verse “Blessed is the man who walks not in the counsel of the wicked” and this is contrasted with the wicked who “are like chaff which the wind drives away” (v. 4). “The Lord knows the way of the righteous, but the way of the wicked will perish” (v. 6). However a medieval audience may have associated the lion, it most likely understood the animal as an instrument of divine justice. The lion in Tristram’s sculptural group evokes multiple associations, with the sacred, with justice and punishment, and also in relation to the Virgin Mary. This could not have failed to strengthen the perception of Ísönd in the role of Mary victrix, thereby increasing the irony of her image in the context of her adultery. King Markis’s counselor, around whom the lion has coiled its tail, is named Maríadokk. His relationship to Tristram is described as being one of complete trust (með öllum trúnaði) and excellent comradeship (fögrum félagskap) (p. 132). One night he dreams that a boar rushes out of the forest and into the king’s bedchamber where he gashes the king between the shoulders so that the whole bed is soiled by the king’s blood and the foam from the boar’s jaws (ch. 51). When Maríadokk awakens and does not find Tristram at his side, the counselor follows him and discovers the two lovers. He does not reveal this initially, for, we are told, he was afraid of slandering the couple (hann hræddiz at hrópa þau [p. 134]). Eventually, Tristram’s enemies reveal his secret to the king, and it is here that we now learn that the counselor “illt vildi dróttningu” (p. 134). Subsequently, he repeatedly advises the king as to how he can trip up Ísönd into revealing the adultery (chs. 52–53). Whereas the manner in which the several figures are depicted reveals Tristram’s perception of past events, the two inscriptions, on the goblet and the ring, recall the source of the love between Tristram and Ísönd and Tristram’s understanding of the consequences of this love. The goblet in 35 36 37
Lexikon der christlichen Ikonographie, vol. 3, col. 118. Lexikon der christlichen Ikonographie, vol. 3, col. 183. The source for this is a plenary lecture by Christopher de Hamel (2008).
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Bringvet’s hand is covered and bears the inscription: “Ísönd dróttning, tak drykk þenna, er ger var á Írlandi Markis kóngi” (p. 186). The reference is to the potion prepared by Ísönd’s mother, a potion “that made people fall so madly in love that no man who drank of it could resist loving his whole life long the woman who drank of it with him” (p. 119). The inscription is odd, inasmuch as it suggests that only Mark was to drink of it, and this is what actually occurs on the wedding night. This is, of course, the potion that Tristram and Ísönd inadvertently drink on the ship, and the narrator comments that the mistake made by the servant who gave them the potion condemned “them both to a life of sorrow and trouble and anxiety caused by carnal desire and constant longing,” but “there was nothing they could do about it” (p. 121). On the wedding night Bringvet takes Ísönd’s place in the marital bed, and then, once Markis has fallen asleep, Isönd replaces her. When Markis wakes up at Ísönd’s side and asks for some wine, Bringvet gives him the wine that Ísönd’s mother had concocted—but Ísönd, the narrator comments, did not drink any of this. The wedding night scene is transmitted in the Carlisle fragment, and the French version differs substantially in one significant point from what we read in Tristrams saga. In the Carlisle fragment Brangain leaves the bed after Mark has satisfied his desire; Yseut takes her place, and “après le vin” (after the wine [v. 149, p. 182]) had been served, Mark sleeps with her. There is no indication that the wine is actually the magic potion that Yseut and Mark were to drink, but I suspect that the saga does preserve Thomas’s text faithfully, that is, as rendered in the redaction that was the source of Brother Robert’s translation.38 If that is the case, then the manner in which Mark’s desire for Yseut is depicted can be understood as a result of his partaking of the magic potion on his wedding night. The Turin fragment re38
Alison Finlay, however, does not believe that the wine is the love potion and declares “that Thomas is eliminated as the source for the detail” (“‘Intolerable Love’: Tristrams saga and the Carlisle Tristan Fragment,” Medium Ævum, 73.2 (2004), 211. Similarly, Vera Johanterwage asserts that Brother Robert “wollte seinem Auftraggeber Hákon eine positivere Königsfigur präsentieren und er erreichte dies durch die Minnetrankszene in der Hochzeitsnacht” (“Minnetrank und Brautunterschub in der Tristrams saga ok IsÄndar. Ein Vergleich mit dem Text des Carlisle-Fragments,” in: Übersetzen im skandinavischen Mittelalter, ed. Vera Johanterwage and Stefanie Würth, Studia Medievalia Septentrionalia, 14 [Vienna: Fassbaender, 2007], p. 217). In other words, his drinking of the love potion explains King Markis’s inordinate love for Ísönd despite her adultery. Such an interpretation is based on the assumption that the text of the Carlisle Fragment represents the text of Brother Robert’s source. If this is indeed the case and the translator modified the text, then it is at odds with Brother Robert’s otherwise consistent approach to translation: he may omit text but he does not modify.
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lates that even while he suspected that Yseut had betrayed him, Mark was in torment, for Yseut was “his only love, his only heart’s desire” (v. 1022). In the saga, after Ísönd has been found innocent in the ordeal, the narrator comments that Markis “unni henni ór hófi, svá at engi önnur guðs skepna var sú, er honum líkaði svá mjök sem hin fríða Ísönd” (p. 152). The comment that Markis loves Ísönd ór hófi suggests that the king’s immoderate, excessive love might have been attributed by a medieval audience to the fact that Markis, like Tristram, had drunk of the magic potion. Here Gottfried von Strassburg’s version is intriguing: both Mark and Isolt drink wine, because, we are told, this is the custom after a marriage has been consummated. In an aside the narrator comments: “ouch sagent genuoge mære, / daz ez des trankes wære, / von dem Tristan unde Îsôt / gevielen in ir herzenôt.” But he immediately rejects this and says: “nein des trankes was niht mê: / Brangæne warf in in den sê.”39 The question thus remains who the “many” (genuoge) were who identified the wine that Mark drank as the love potion; the saga suggests that Thomas himself was one of those, even though the Carlisle Fragment does not do so. In light of the above, the inscription on the goblet—“Ísönd dróttning, tak drykk þenna, er ger var á Írlandi Markis kóngi”—which Tristram himself had composed, is strange. It reveals that Tristram is aware of the source of his love for Ísönd and that Ísönd should instead have been bound in love and desire to Markis. A second text in the ekphrastic chapter is inscribed on a ring that Ísönd holds. On it are engraved the words that Ísönd had spoken at their parting. “‘Tristram,’ kvað hún, ‘tak þetta fingrgull í minning ástar okkarrar ok gleym ekki hörmum okkrum, válki ok vesöldum, er þú hefir þolat fyrir mínar sakir ok ek fyrir þínar’” (p. 186). The inscription on the ring does not quite match what Ísönd had actually said when she gave him the ring. She tells him that the ring “skal vera bréf ok innsigli, handsöl ok huggan áminningar ástar okkarrar ok þessa skilnaðar” (p. 166). Tristram’s memory of Ísönd’s parting words is only one of sorrow; the inscription is to remind him of “hörmum okkrum, válki ok vesöldum” (p. 186) that they endured for each other. Ísönd, however, had given him the ring to be “huggan áminningar ástar okkarrar ok þessa skilnaðar” (p. 166). Through the inscription on the ring Tristram solely memorializes the pain of separation, not the comfort it is to bring. This is also expressed by the garments with which Tristram has robed Ísönd. She is dressed in purple, since purple, we 39
Gottfried von Strassburg, Tristan, vol. 1, vv. 12,655–660. Thomas, too, refers to the many story-tellers who recount the tale of Tristan in varying ways (vv. 2110– 2113), but his remark occurs in the context of Tristran’s and Kaherdin’s visit in disguise to King Mark’s court.
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are told, signifies “harm, hryggð, válk, ok vesöld” (p. 186), and this is what Ísönd suffered because of her love of Tristram. The visual representation of the characters in the legend, especially of Ísönd, in the sculptural group not only recapitulates the plot but also expresses Tristram’s understanding of past events. The two inscriptions focus on the source of the conflict in the narrative and its effect on Tristram. The inclusion of the two who plotted against the lovers and the manner in which they are depicted reveals Tristram’s perception of himself and Ísönd as innocent victims of evil. And Ísönd herself is portrayed as the epitome of virtue who crushes underfoot her enemy. Lacking in this ekphrastic narrative is any awareness of the couple’s guilt. And of course they are not guilty inasmuch as they unwittingly drank of the potion guaranteed to ensure everlasting love. The ekphrasis in Tristrams saga is reminiscent of one on a tomb in Floire et Blancheflor and in its German version, Konrad Fleck’s Flore und Blanscheflur (ca. 1220).40 In Fleck’s romance this is a spectacular sarcophagus that rests on four lifelike lions. On this monument are sculptures of the two children, Flore and Blancheflur, who laugh as they play and exchange a rose and a lily. Vulcan and Orphanus have with their magic created winds and these enable the statues to move and converse with each other; they kiss each other repeatedly. The sarcophagus is surrounded by trees, the fragrance of whose blossoms fills the air. Additionally, the air is filled with the song of birds and this causes everyone to overcome sorrow and become cheerful. The tomb was created to convince Flore that his beloved Blanscheflur has died; it memorializes their love. The sculptural group in Tristrams saga, which memorializes living individuals, fulfills a quite different function. At the same time that it provides Tristram with access to his beloved Ísönd, it permits him to comment on and interpret past events. The manner in which the chief actors in the legend are fashioned presents the reader with Tristram’s understanding of the past. That the source of the ekphrasis is Thomas’s romance is attested by the Turin fragment. While the Hall-of-Statues episode is repeatedly mentioned in scholarship—and ascribed to Thomas—its significance has not been recognized for the simple reason that no one has ever analyzed ch. 80 of Brother Robert’s translation. The sculptural group not only supports Thomas’s portrayal of Tristan as a visual artist but it also provides a key to understanding the romance, that is, from Tristan’s perspective. The tale that Thomas fashioned into the courtly version of the Tristan legend has traditional antecedents. One wonders whether the inspiration for 40
Floire et Blancheflor, vv. 542–652. In the German version the depiction of the tomb extends to 170 verses. See Flore und Blanscheflur, vv. 1947–2117.
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the sculptural group in Thomas’s romance was his invention or whether the oral accounts on which he based his romance had already depicted Tristan as sculptor. That recourse to art by a frustrated lover is older than courtly romance is suggested by the aforementioned story of TjÄrvi in Landnámabók, who mourns the loss of Ástríðr and at the same time evokes her presence by depicting her on a plain but indispensable implement.
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Law Terms in Saga and Translation by DORA MAČEK The Laws of medieval Iceland are not unlike the country itself: “Der Fremde, der ohne Kenntnis der Historie das Land durchwandert, hat nicht nur weniger gesehen als der, der mit ihr vertraut ist. Ihm geht das Wesen des Landes verloren, er sieht die Filmaufnahme eines Konzertes ohne Ton.“ Kurt Schier, 1960
1. Society and law terminology The rules that distinguish between socially acceptable and unacceptable behaviour have been important in the control of disruptive individuals or groups in order to ensure the functioning and preservation of society. Punishment has been an important element ever since. It is only recently that new attitudes in penal law are found in modern societies, such as in Sweden. During the past three decades these attitudes are reflected in a shift in terminology1 from straff ‘punishment’ to påföljd ‘consequence’. Law terminology as well as various modes of expression are formalized and often incomprehensible to the average speaker, who feels “legalese” to be a twisted and incomprehensible language. Modern legal terminology has, like the rules and practices themselves, developed from traditional and customary ways of settling disputes and punishing offence without a set of standardized laws.2 The first step towards standardization can be seen in the early medieval Nordic societies, where the institution of “lawspeaker” ensured a relatively constant transmission of laws. The fully standardized laws appear in early written law
1 2
Landquist 1997. For example, in Southern Slavic extended families of the 19th and early 20th centuries (D. Rihtman-Auguštin 1984).
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collections, like those applied in Iceland, which imply standardized terminology, too. As society changes, so does its legal system, apparently showing two types of adjustment: with the first type the institutions, rules etc. change, but not the terminology, e.g. Alþing in the modern Icelandic republic, whose structure and functions are different from the medieval institution of the same name; with the other, new terms are introduced with social and legal innovations3 e.g. stjórnarbót for constitution. Needless to say, it can be expected that these rules and procedures differ in societies distant in space or time as does the standard terminology. This has a bearing on modern translations of the Icelandic sagas, which will be the subject of the present reflections. This paper will examine some examples of the legal terms used in the sagas, basically Hrafnkels saga Freysgoða,4 and its modern Swedish and English translations (see References), with some notes on a Croatian version. It will also try to show how law terms have changed from an originally iconic meaning, that is to say, a description of a “thing” or “doing” through various stages of linguistic economizing and metaphoric transfer,5 finally resulting in polysemy6 of the original word. Roman legal practices have had an influence on European law generally, most visible in the English terminology, which is characterized by loan-words from Latin, often via French. In other Germanic languages, and also Croatian, most of the terminology contains vernacular words for Latin terms. In their modern version, as in Swedish, traditional terms are as it were recycled with new meanings. These terminological changes obviously mirror social changes, as the recent alterations of the Swedish example above show. The medieval Icelandic legal procedure7 occupies a considerably important place in classical Icelandic sagas but, as Breisch 1994 has shown, the treatment of the legal practices as described in the sagas, is not always in accord with documents, e.g. Grágás. What they do show is that the Icelandic society had been modified by the time of saga writing and with it the legal concepts too. That is why in the sagas many terms do not refer to the same matter as they used to during the course of settlement, which is the theme of many sagas. So there is a temporal discrepancy between the saga 3 4 5 6 7
See Landquist 1997. Some examples will be taken from Gísla saga Súrssonar and Brennu-Njáls saga. “…most of our ordinary conceptual system is metaphorical in nature” (Lakoff/ Johnson 1980, p. 4). “multiplicity of meaning” (Webster’s Third New International Dictionary, 1966). Discussed by e.g. Byock 1993 and Breisch 1994.
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text and what it describes, which can be expected to increase in modern translations.
2. The terminology From a wealth of “law words”8 only a small selection will be examined here and it will be divided into those that refer a) to institutions, b) to individuals involved in a legal process, c) to procedures, d) offences, e) verdicts. 2.1 Institutions The most important institution is the alþingi ‘the general assembly of the Icel. Commonwealth’.9 This meaning is very near the apparently original Germanic concept of a tribal legal ‘assembly recurring at an appointed time’10 the þing, as it is referred to in the sagas. The metaphoric development from a recurring period of time, to the institution meeting at these periods can be seen already in the ancient Germanic laws. In the Swedish translations the cognate word ting is used, in English the Anglicized Icelandic term as a proper noun Althing. The Swedish translation infers the word’s historical meaning ‘sammankomst (särsk. för rättegångsärenden)’11 which an average modern reader may not be familiar with, but will understand [it] in its modern sense of ‘sammanträde i allmän underrätt’.12 In the English translation no possible modern English equivalent terms are used, such as Parliament or General Assembly, but the original term Althing, which shows an ancient practice for terms difficult to translate for lack of real equivalent. Its function is either understood from the context or explained in notes. The fact that it is an assembly attended by practically all free men, particularly chieftains and their thingmen, makes it noticeably different from modern judiciary courts, and parliamentary institutions. The other institution is the lǫgrétta (as a law term ‘the legislature of the Icel. Commonwealth; the body and place’13), which is in a law suit, as described in the sagas, approached by the litigating parties. It is often ex8 9 10 11 12 13
As found for example in Cleasby/Vigfusson 1957, which is the source for all quotations concerning the meaning of Icelandic law terms. Cleasby/Vigfusson 1957, s.v. Green 1998, p. 35. Hellquist 1980, s.v. Svensk Ordbok, s.v. Cleasby/Vigfusson 1957, s.v.
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pressed as approaching the lǫgbergi), the place where the judges sat (lǫgberg, …þar dómr settr) and the translations render it as Lagberg and Law Rock respectively, cognate words of the Old Norse lǫg, used as proper name.14 This can probably be regarded as a case of metonymy, since it is actually the judges that are being approached, not just the place.15 Dómr is one of the essential terms for the institution that delivers judgment, and it is the body as well as the place, in the sagas more frequently implying the body of judges. Into Swedish it is translated as rätta (‘domande myndighet’16) since dom denotes only ‘judgment’. The Engl. court (of justice) as a law term meaning ‘a tribunal with the power to adjudicate’ and ‘the regular sitting of such a judicial tribunal’,17 is characteristic of English legal terminology borrowed from French, with the same metonymical reference to the place and the body.18 The Icelandic and Swedish terms derive from a Common Germanic legal term in its own right, originally meaning ‘to have or express an opinion’,19 where this general meaning was reduced to just expressing opinion on a matter that is brought before the judges. This kind of development, where only a reduced range of the general, prototypical, meaning remains, is frequent in language history. English has lost this connection with early Germanic law terms with the acquisition of the French (ultimately Latin) legal language together with the medieval French/Roman laws. The English word court is highly polysemous, probably first calling forth the concept of place, possibly ‘yard’, hence the frequent modification by e.g. the phrase ‘of justice’. The Swedish rätta and rätt (‘law’) is, of course, cognate with the Icelandic rétta, originally from the Common Germanic word for ‘right, correct’, one of the many terms introduced from Low German and with a specialized legal development from a general sense of ‘correcting; controlling’,20 used in Old High German to translate the Latin iudicium, iudicare.21 14 15 16 17 18
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The translation can only interpret and paraphrase the word as ‘a hill/rock called Lögberg, where the judges sat’ . Metonymy is “one entity is used in stead of another that is related to it” (Lakoff / Johnson 1980, p. 35), in this case “place for institution/people”. Svensk Ordbok, s.v. Collins Dictionary, s.v. Croatian sud (‘the court’) derived from the verb ‘to judge’ (suditi), for Latin iudicium, an equally polysemous word means the institution as well as the building where it is situated and also «judgement» in a general sense. Green 1998, p. 44. Hellquist 1980, s.v. Green 1998, p. 48. Similarly in the Croatian word pravo means both ‘right’ and ‘law’ for Latin lex.
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2.2 Actors Of the individuals involved in the legal process, highest in the hierarchy is the judge – dómari or dómandi, in Swedish domar, which are derivatives of dómr, discussed above.22 Next there are the plaintiff and the defendant, possibly with their legal representatives or advisers, witnesses, and supporters. These are the rank and file of the free men, since women and marginal members of society could not play the same role in public processes.23 One of the basic relationships is called by Byock “advocacy”.24 It includes the representation of a case in court, not by a professional lawyer, but by men who are knowledgeable in the country’s laws, i.e. lǫgkenn (Samr in Hrafnkels saga), lǫgmaðr mikill (Njáll in Brennu-Njáls saga), Swedish lagklok and lagkunnig respectively, and in English translated as lawyer and skilled in law. The use of the term lawyer is natural in modern usage, except that it is not a true equivalent to lǫgmaðr, a person without the formal education and practice of a modern lawyer. It is a relationship primarily sought among relatives or friends, whose duty it was to support members of the family or neighbourhood, a most obvious rule that shows the discrepancies between the early Icelandic and modern societies. As in modern legal cases witnesses are named, the word being váttr25. The Swedish vittne and English witness, derive from the same Germanic root wit- with its original sense ‘to know, be conscious’.26 Like many other words, the law term develops through shifts of meaning, from a very common metaphor, where the physical phenomenon of vision is transferred to the mental domain, meaning ‘knowledge’27 i.e. ‘seeing is knowing’. As a legal term, the witness is someone who knows, or has seen the particular matter treated in court. In the case of Icelandic vitni, Swedish vittne and English witness, moreover, the abstract meaning of ‘testimony’ is by way of personification transferred to the person who has the required knowledge. The interesting cultural difference between Icelandic and modern 22 23 24 25 26
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All examples mentioned in this paper were found in Cleasby/Vigfusson as used in ON texts, in this particular case in e.g. Snorra Edda or Konungs Skuggsjá. Breisch 1994, p. 31. Byock 1993, p. 104. Meaning the person, probably cognate with vitni ‘testimony’, with which it is sometimes confused. The root is even broader Indo-European as found in Latin videre or Slavic vidjeti ‘to see’, where the latter also developed the meanings ‘understand’ or ‘know’. It also appears in the word for witness (Croatian) svjedok. Kövecses 2002, p. 218.
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witnesses is that the former are neighbours, who have been told about the offence either by the offender himself or by the plaintiff, who are, accordingly, supposed to support the one who told him about the offence to be brought before the court. Modern witnesses, on the contrary, are supposed to have first hand knowledge of the matter of a law suit. So the seemingly unchanged terminology, stumbles over the mismatch of the legal practices. The supporters of either party are extremely important for the outcome of the law suit. They can be any free men that can be gathered, equipped for and fed on their journey to the þing. For example, it is said of Samr (Hrafnkels saga, p. 109): Fær hann mest til reiðar með sér einhleypinga ok þá, er hann hafði samman kvatt. In Swedish translation ‘… samlar Såm till sig folk. Mest får han löskarlar, som han hade sagt till förut.’ (Hravnkel Freysgodes saga, p. 82), in English translation, ‘Sam gathered forces, and the neighbours he had already cited were the only farmers to accompany him; the rest were vagrants.’ (Hrafnkel’s Saga, p. 46 f.). His opponent Hrafnkell, however, rides to the thing with “seventy men from his district” (ibid. p. 46), i.e. his þingmenn, which is to give him an advantage at the þing, because both he and his followers are more powerful than Samr’s. Most powerful support can be given by goðar and hǫfðingjar, Swedish ‘godar’ and ‘hövdingar’, English ‘chieftains’ for both terms. Only when it is important to refer to the religious function of the goði, ‘priest’ is used as a translation equivalent, e.g. Hrafnkel Frey’s Priest, or else, the combined terms chieftain and priest. It is on the other hand relatively unproblematic to translate hǫfðingi since ‘chieftaincy’, i.e. group leadership without religious function has survived much longer in Christian societies and there are relatively adequate terms for it in modern languages. A goði, ‘someone who has to deal with the gods’,28 has no equivalent and is thus difficult to translate. While the Swedish translation applies the historical word gode, English uses ‘chieftain’, the equivalent of hǫfðingi. Both words derive from ‘head’, though in English the connection is not transparent because of its Latin/French origin. These are examples of a common metaphor in which leadership is conceptualized as the highest part of the human body and the seat of intellect and power.29 What can be observed here is a so called ontological metaphor,30 where a function is seen as an “entity, bounded by surface” combined with per-
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Green 1998, p. 34. In Croatian poglavica or poglavar (derived from glava ‘head’), of which the first is used only in reference to tribal chieftains, the second one in a broader sense. Lakoff / Johnson 1980, p. 25 f.
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sonification. The English ‘chieftain’ = ‘head of a tribe or clan’31 does not imply religious function, so it is necessary to add the word priest. The Icelandic prestr, a loan-word from Old English prēost,32 unambiguously refers to a Christian priest, while the English priest must cover both the heathen and the Christian senses. When such discepancies occur, translation will have to be complex interpreting simple Icelandic terms as for example ‘He became their priest and chieftain’ (Hrafnkel’s Saga, p. 36) for Hrafnkell … tok goðorð (Hrafnkels saga, p.100).33 2.3 Procedures Most interesting in the early Icelandic legal system are the various procedures. A ‘case’ or mál is presented to the court by the plaintiff or his lawyer. The Swedish translation of the term is the cognate ‘mål’ (“juridiskt ärende som prövas inom domstol”34). This term has undergone a series of semantic shifts from ‘speech’ to speech in a particular legal context and consequently action taken on a subject in court. The English term case derives, in keeping with most of its legal terminology, from the Latin legal phrase actio causae.35 Another term is sǫk ‘a charge; offence’36 and as a law term ‘a suit, case at court’37, frequently in the phrase ‘to plead a case’, i.e. sækja mál or sækja 38sǫk. The Swedish legal expression here is ‘framföra 39 käromål‘ ‘formellt uttala’, ‘kärandes yrkande i rättegång’.40 The Icelandic and Swedish terminologies only partly correspond because of the German influence on Swedish terms, which, to a lesser extent than the 31 32 33
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Collins Dictionary, s.v. A further loan-word from Latin presbyter (Skeat 1882, s.v.). In Croatian, two words have been used in different contexts where one or the other meaning seemed to be more prominent, i.e. both ‘chieftain’ (starješina [elder], poglavar) and ‘priest’ (svećenik), in Saga o Hrafnkelu Freyevu 1998, p. 8. Svensk Ordbok, s.v. The Croatian parnica or parba (from prěti v. ‘to quarrel, dispute’, Karadžić) is the South Slavic vernacular for the Latin litis (from litigo ‘quarrel, dispute’). Cleasby / Vigfusson 1957, s.v. Cleasby / Vigfusson 1957, s.v. From ‘seek, fetch; pursue; attack; proceed, advance’ (Cleasby / Vigfusson 1957, s.v.). From German ‘vorführen’, ‘zur Untersuchung, Begutachtung vor jemdn. bringen’ (Duden, s.v.) Svensk Ordbok, s.v. In there is no specific phrase to be used, but a more general ‘speak in court in favour/against a case’ or literally ‘lead a case’ (Croatian voditi parnicu).
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Latin/French in English, dissociates the modern text from the original. The interesting point about pleading a case is that it has to be done in accord with the laws of the land and ‘without a slip in the pleading’ (miskviðalaust – ‘utan felsägning’) and ‘boldly in a manly way’ (með skǫruligum flutningi – ‘med kraft i talet’). The first of these qualities is certainly necessary in modern practice as well, whereas the second and third are desirable, though not essential. The legal procedure formally begins when notice is given of the charges against the offender at neighbouring farmsteads in the presence of farmers who are to be witnesses and it is later repeated at the court of justice. The term is lýsa e.g. Sámr …ríðr á bœ einn ok lýsir víginu (Hrafnkels saga freysgoða, p. 108). In Swedish the word is also ‘lysa’, with the still current meaning of ‘offentligt kunngöra’,41 i.e. give an important public notice: ‘Såm … rider … till en gård och lyser Hravnkel saker till dråpet’ (Hravnkel Freysgodes Saga, p. 80). The idea that underlies this metaphor is that to cast light upon something or bring it to light in the concrete sense means to make known, in keeping with the metaphor “seeing is knowing”. The English expression ‘give notice’ is used in the translation: ‘Sam ... rode … to a certain farm, and there he gave notice of the charge against Hrafnkel for the killing’ (Hrafnkel’s Saga, p. 46). The meaning ‘make known’ derives from Latin (via French) noscere ‘to know’, but the connection with the sense of knowing is not transparent to the average native speaker.42 In modern terms the procedure is perhaps comparable with a newspaper report rather than with a formal accusation. In the Icelandic context, however it is part of the formal procedure. The next step is to bring all parties involved to court and present the case there, which is done during a special period, the stefnudagar, Swedish ‘stämningsdagar’, English ‘summons days’, when the culprit is ‘summoned’ to the Althing. The Icelandic stefna as a law term, denoting ‘to command someone to appear in court’, seems to have developed from the sense of ‘point with a staff’.43 The Swedish cognate term ‘stämma’ ‘låta åtala’44 actually corresponds to the Icelandic lýsa through which an accusation is expressed, which is the sense of the Swedish expression today. The French/Latin term ‘summon’ (from Lat. summonere ‘to remind privily’) ‘order to come’ and the noun ‘summons’ is an official notice to come to court, though quite different in linguistic form is closer to the Icelandic 41 42 43 44
Svensk Ordbok, s.v. The equivalent obznaniti (from znati ‘to know’) is a loan translation from Latin. Cleasby / Vigfusson 1957, s.v. Svensk Ordbok, s.v.
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meaning.45 The specificity of the Icelandic procedure is that the summons is served by the “lawyer” of the plaintiff, not the court itself or any official body. At the Law Rock witnesses are named who have to ‘swear oaths’, vinna or sverja eið. Eiðr, Swedish ‘ed’ and English ‘oath’, all cognate words,46 connected with ancient Germanic social organization,47 have shown remarkable durability by remaining in use for a similar practice in modern legal procedures. The culprit has a right to defend himself, or have someone else do it, i.e. verja mál, or vara boðit til varnar (Hrafnkels saga, p. 116) in the Swedish translation ‘framföra värjemål’ (Hravnkel Freysgodes Saga, p. 90) and in the English ‘to take over the defence’ (Hrafnkel’s Saga, p. 54). The term used in law with the sense of “a defendant's denial of the truth of the allegations or charges against him”48 is a metaphor from the material world where someone or something is protected from danger by weapons or shelter, in a legal suit however, by words. The Germanic vocabulary of Icelandic and Swedish, and the French/Latin of English represent a metaphorical transfer from a physical to a verbal/legal sense and developing polysemy of the words verja ‘defend’.49 The final legal procedure, which makes the sentence of outlawry effective, is the féránsdómr (from fé ‘property’ + rán ‘robbery’), in other words a legal “robbery” of the sentenced individual’s property by the winning party. The procedure is formal, hence termed dómr, in the Swedish translation ‘beslagsdomen’ (from beslag, a Low German loan-word50) ‘åtgärd som innebär att föremål eller värde tas i besittning av myndighet för säkrande av fordran, bevismaterial osv. eller som första stadium av konfiskation.’51 Breisch52 terms it ‘exekutionsdom’, which gives the more general function of it, i.e. making the sentence going into effect. The important distinction between the Icelandic and modern terms is that the latter 45 46 47 48 49 50
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In the general verb / noun Croatian pozvati / poziv (from zvati ‘to call’) is specified by a phrase ‘call to court’ (poziv na sud ). Croatian prisegnuti or zakleti se for Latin juro. Green 1998, p. 158. Collins Dictionary, s.v. This applies to the Croatian equivalent obrana too. German ‘B e s c h l a g n a h me / b e s c h l a g n a h me n 1. in amtlichem Auftrag wegnehmen, der privaten Verfügungsgewalt entziehen; sicherstellen; konfiszieren: jmds Vermögen’ (Duden 2001, s.v.). Svensk Ordbok, s.v. Breisch 1994, p. 135.
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involve ‘myndighet’ ‘legal authority’, while in early Icelandic society the procedure was performed by the winning party. The English translation equivalent ‘court of confiscation’ from French/Latin ‘to forfeit; transfer to a treasury’ (Lat. fiscus) in Swedish today has the sense of a higher act of ‘beslag’.53 Our contemporary acts of confiscation are, like the Icelandic ones performed at the sentenced person’s ‘legal domicile’ – ‘hemili’ – ‘hemvist’. Confiscation is, on the other hand, not performed by a court, -dómr, nor ‘fourteen days after the weapontake’ (Hrafnkel’s saga, p. 55) i.e. fjórtán nóttum eptir vápnatak (Hrafnkels saga freysgoðar, p. 118), in Swedish ‘fjorton dygn efter vapentagandes’ (Hravnkel Freysgodes Saga, p. 91). The easily solved translation problem of vápnatak in Modern Swedish and English, which both have historical cognate words, in other languages (including Croatian), needs interpretation. It was obviously an obsolete or little known term for the author’s audience too, because he felt the necessity to explain it. The peculiarity is the place where the court is to be held í ǫrskotshelgi við bœin. Helgr as a law term means ‘sanctuary; asylum’,54 hence in a sanctuary at a distance within “arrowshot” of the farmstead of the convicted; Swedish ‘ett pilskotshåll bort från garden’. This terminology has a wider application and significance in the Icelandic system,55 but no equivalent in modern practice. So the words and the phrasing, when translated into modern languages, do not have any legal connotation. Another widespread ritual that accompanies any agreement is shaking hands, or rather taka i hǫnd, ‘join hands’, firmly strike someone’s hand with one’s palm seen even today from statesmen to cattle traders, which now has a more social then legal significance. In the Icelandic society, handfestr or handfesta, however, was a law term56 with the meaning ‘to strike a bargain by shaking hands’. Be it performed by shaking, striking, gently or otherwise gripping the other’s hand, it is a recognizable gesture, which the reader of a translation will visualize depending on the translator’s choice of words: Swedish ‘handslag’ (striking), English ‘shaking hands’57 or Icelandic taka i hǫnd, which is unclear as to the actual performance but 53
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Croatian ovrha, from ‘finish doing, performing’ (from the verb vršiti) or pljenidbeno ročište (pljenidba = confiscation), originally from ‘loot, booty’ (plijen), performed by a legal authority, + ročište (from rok ‘time, term’ of the action, a legal term (Mažuranić 1908–1922). Cleasby / Vigfusson 1957, s.v. Breisch 1994, p. 135. Cleasby / Vigfusson 1957, s.v. Croatian rukovati se ‘to hand’.
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certainly unequivocal as to its social significance. The not unimportant distinction, which will escape the more superficial modern reader, is that it carries much more weight than our contemporary handshaking rituals do, suggesting the modern signature. 2.4 Transgressions The offences or, in Breisch’s discussion, 58 “transgressions” of social norms and values, committed in early Icelandic society are as manifold as anywhere or at anytime, and most quite typical even today. They range from verbal offence, over various transgressions against property to murder. For all of them there are rules for punishment, which again may range from settlement over fine to outlawry. For example, the offence that started the ill-fated events in Hrafnkel’s Saga, is a transgression against property, i.e. riding someone’s horse not only without permission, a punishable act in itself, but against explicit prohibition. It is interesting from our contemporary point of view that in Medieval Iceland the fine for such conduct, according to the laws, could be anything between four marks and outlawry, depending on the seriousness of the offence.59 The latter would certainly be considered excessive by modern standards, especially because the magnitude of the offence is estimated by the owner of the horse if he is powerful enough, not by an unbiased judge. Much more serious is the death blow which the unfortunate culprit received because the owner of the horse had sworn “a great oath” that he would do so if such an offence took place (Hrafnkel’s Saga, p. 42) i.e. svá mikit um mælt (Hrafnkels saga Freysgoða, p. 105). The most serious offence, as in present times, is killing, which has, as in modern law, two definitions and terms: víg (derived from the sense of armed conflict, fight) i.e. ‘homicide, any slaughter with a weapon’60 and morð, i.e. ‘murder’. The distinction between these two offences in early Iceland compared to modern legal practice is, however, considerable. Manslaughter in Iceland was defined as a killing in armed conflict provided it has been openly admitted immediately after the event. This makes it possible for the offence to be brought to court or even settled outside it. A killing concealed, was regarded as murder and the killer became an outlaw outright. So any translation with the seemingly equivalent terms will obscure the differences between the meanings they had at the time the original was 58 59 60
Breisch 1994, pp. 143–148. Breisch 1994, p. 144 f. Cleasby / Vigfusson 1957, s.v.
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written and of the modern translation. The Swedish translation has ‘dråp’ (from the verb drepa), a common Germanic word (German ‘treffen’, but lost in English), used also in Icelandic in a number of senses connected with the original meaning ‘to strike’. Thus beside a stroke it can, as in the Swedish development, mean, through a metonymical transfer, the ultimate stroke – the death stroke, or any act causing death. This is the only meaning of drepa in modern Swedish (‘det att oöverlagt döda ngn’61) as against mord, which contains the important element of intentional killing (‘brott som består av avsiktligt dödande av person vanl. överlagt’).62 The Engl. translation equivalent is ‘killing’ (from OE/Germanic cwellan ‘to kill’) in a general sense, or ‘manslaughter’ for the Latin/French ‘homicide’, which is rightly avoided in the translations, as a very specialized modern legal term. ‘Murder’ translates the cognate Icelandic word, but of course the definitions do not agree. 2.5 Settlement and punishment Some of the most frequent ways of settling a conflict are settlement by means of compensation, fines or outlawry. The most desirable resolution of a conflict is a settlement to which both parties agree. The terms used are sætt n. / sættask, v. implying a reciprocal act. The Norse word derives63 from Germanic saht, meaning peace, (Lat. sancium), which as a loan-word into Old English has later developed into ‘settlement’, the word used in translations. The Swedish has a different word ‘förlikning / förlika’, of which the original connotation is somewhat different, i.e. ‘make even’.64 But whatever the source of the word it has a sense of making good, ‘godtgöra’65 of one’s own free will. The most usual settlement is by compensation.66 The Icelandic term bót is ‘a cure, remedy’, both in a medical, and in a more general sense, as a law 61 62
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Svensk Ordbok, s.v. Svensk Ordbok, s.v. Precisely, this distinction is made in Croatian although not in one single word. There are nominal derivatives of the verb biti ‘to strike’ or moriti ‘kill’ (ubojstvo / umorstvo) that are used to mean ‘killing’ in a general sense; in legal terminology, therefore, they have to be specified as intentional, planned (s predumišljajem), by negligence (iz nehata), in self defence (u samoobrani) etc. Cleasby / Vigfusson 1957, s.v. In Croatian nagodba ‘agreement’ indicates making something agreeable (from the stem -god-). Svensk Ordbok, s.v. It can be offered, as in Hrafnkels saga, outside the court, which happens in modern practice, is not uncommon at a higher, even international level, as one can read in
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term it means ‘atonement, compensation’.67 The Swedish translation is, of course, the related word ‘bot’, with the same general and medical meaning,68 but as a law term it denotes ‘straff som utgår i pengar’,69 somewhat like the explicit Icelandic fégjald or it can be expressed in the phrase bœta fé (e.g. Hrafnkels saga Freysgoða, p. 105 – ek vil engan mann fé bœta). Bót, however, is in medieval Iceland a more general term for atonement because it can consist of, for example, lifelong upkeep of old people and children. The English has, as so often the case, two Latin/French terms to distinguish between two types of amendment, i.e. ‘compensation and fine’,70 the latter meaning a payment in money.71 An unusual settlement is by ‘self-judgement’ sjálfdæmi, also as a verb phrase dæma sjálf: Sjálfr skalt þú dæma (Brennu-Njáls saga, p. 94), ‘Du själv skall döma in den här saken’ (Njals Saga, p. 59), ‘Name your own terms of compensation’ (Njal’s Saga, p. 100), and Eigi er at níta sjalfdœminu (Brennu-Njáls saga, p. 51), ‘Självdomen skall du inte säga nej till’ (Njals Saga, p. 132), ‘You should not refuse the offer of self-judgement’ (Njal’s Saga, p. 130). The term is an iconic one, self explanatory and shared by all three languages, though in English the possible phrase “you can pronounce a judgment” was avoided for a more explicit interpretation of the judgment. The plaintiff may on his ‘own terms of compensation’ achieve even full manngjǫld ‘payment for a person’,72 in English the historical word is weregild. The Icelandic term is explicit too, because it includes the words ‘payment’ and ‘man’, also evident in the Swedish mansbot, whereas the English translation opted for an interpretation, more comprehensible to the modern reader: …ok gerði hann full manngjǫld (Gísla saga Súrssonar, p. 116), ‘… och Eyjolv tilldömde sig full mansbot’ (Gisle Surssons saga, Alving, p. 74), ‘... och han krävde full mansbot’ (Gisle Surssons saga,
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reports from the world’s armed conflict areas. See for example Fisk 2004 on the killing of Baha Mousa by the British in Basra, The Independent, 4th January 2004, when the British offered to pay $ 3,000 to the family, which compensation was rejected and a court trial demanded. Cleasby / Vigfusson 1957, s.v. Both in Swedish and in Icelandic it is in this sense usually used in the plural (böter – bætr). Svensk Ordbok, s.v. Derived from the sense ‘weighing one thing against another’ (compensare) and ‘a final arrangement’ (finis) respectively (Skeat 1882). The Croatian odšteta (derived from šteta ‘damage’) corresponds to a more general term, whereas globa is a fine. Cleasby / Vigfusson 1957, s.v.
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Malm, p. 107), ‘Bork asked Eyjolf to make a self-judgement for this and he demanded full atonement, as for the death of a man’ (The Saga of Gisli, p. 59). Other settlements include single combat – hólmgangr, ganga á hólm – duell. The Icelandic noun metaphorically/metonymically transfers the meaning from the initial action of “going to an island” to the main action, i.e. a combat performed in that place: vill hann ganga á hólm við (Gísla saga Súrssonar, p. 5). The word is used in modern Swedish for ‘mycket hårdhänt eller blodig kamp’,73 a revived historical word used metaphorically: Och nu vill han gå holmgång (Gisle Surssons saga, Alving, p. 3). But since a modern reader is by no means familiar with the word, as can be seen from other texts,74 an interpretation would certainly be more appropriate, as the following translation demonstrates: Hann vill gå på holmen med Björn or kämpa …på holmen (Gisle Surssons saga, Malm, p. 17). Not only is this comprehensible, but it also agrees with such Icelandic phrasing as ganga [þeir] á hólm ok berjast (Gísla saga Súrssonar, p. 5). The English phrase single combat is not always adequate, because a hólmgangr can include groups of combatants. What lacks in any translation is the transmission of the fact that it is a technical term. Finally, the judges may find the offender guilty, sekr, sekt (from vb. sekja ‘to fine, sentence to a fine’,75 in the Icelandic laws in the sense of ‘convicted, outlawed, condemned to the lesser or greater outlawry’ (ibid.), depending on how serious the offence was judged to be. As Breisch76 explains, it primarily means exclusion from society, and in later practice even social downgrading. Partial exclusion refers to the expulsion from part of the country (e.g. herað) or for a certain period of time, with various variations.77 Full outlawry, however, means banishment from the entire country, hence the term alsekr, e.g. Hrafnkell var alsekr á þessu þingi (Hrafnkels saga freysgoða, p. 74). In Swedish this is ‘fredlös’, ‘fredlöshet’ and ‘full fredlöshet’ respectively: ‘Hravnkel på detta ting blev dömd till full fredlöshet’ (Hravnkel Freysgodes saga, p. 90). By ‘fred’ is meant ‘legal protection’.78 The Eng73 74
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Svensk Ordbok, s.v. For example in Lindström / Lindström (2008, p. 54) one can read the following: “Ett talande exempel är när missionärerna predikade på Island framträdde en gammal hednisk sierska, som hette Torunn, och förklarade att Tor hade bjudit Kristus til holmgång (alltså utmanat honom i ett slags vikingabrottning)...” Cleasby / Vigfusson 1957, s.v. Breisch 1994, pp. 133–143. Breisch 1994, pp. 133–143.. Svensk Ordbok, s.v.
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lish translation has ‘full outlawry’: ‘Hrafnkell was sentenced to full outlawry then and there at the Althing’ (Hrafnkel’s Saga, p. 55). The terms útlagr (‘outlawed’), útlagi ‘an outlaw’, útlegð ‘banishment’, úlægja ‘to banish, outlaw’ meant also ‘having to lay out fines’.79 Breisch80 says that the term is mostly used for outlawry in Norway. The example below shows that the term in the sagas applies to non-Icelandic circumstances, not only in Norway: Hann var ok útlagi bæði Danakonungs ok Svíakonungs af ránum ok manndrápum, er hann hafði gǫrt í hvárutveggja ríkinu (Brennu-Njáls saga, p. 17). ‘Han var gjort fredlös både av danakungen och sveakungen’ (Njals saga, p. 13). ‘He had been outlawed by the kings of Denmark and Sweden for his robberies and killings in their kingdoms’ (Njal’s Saga, p. 46). The phrase “to be on the outside of the law” meant, like the Swedish ‘fredlös’, to be without legal protection.81 It originally referred to a place outside society and its jurisdiction, hence without legal protection.82 The civilized society was understood to be within populated and socially organized areas. Outside these areas83 in the forests and wilderness of Iceland84 lived the outlaws. An outlaw is thus descriptively called skógarmaðr and outlawry skóggangr ‘going to the forest’. The expression has thus metaphorically come to mean a form of punishment which deprives the offender of legal protection, or of spatial and/or social mobility. Something of the concept surfaces in the present Swedish scolding expression ‘dra åt skogen’, which hints at the wilderness of the woods though, of course, without legal implication.85 79 80 81
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Cleasby / Vigfusson 1957, s.v. Breisch 1994, pp. 135 f. The Croatian term izvan zakona (it derives from the stem kon- ‘finish, end’ and then the end of a suit; the term for law zakon was originally used for ‘marriage’ (Mažuranić 1908–1922). Just as in modern time refugees and displaced persons without documents are, in fact, outside any legal protection. The Nansen passport, for example, had in the 1920ies the function of an internationally-recognized temporary document. http://original.britannica.com/eb/topic-333862/League-of-Nations-Passport (27k). Thus in the late Roman Empire, outside the cities the pagani in the “fields” were dissociated from the Christian society (Encyclopaedia Britannica Online) Breisch 1994, p. 131. It is curious that in the expression “have you come from the forest?” used for some decades in mid 20th century to imply uncivilized, rude, behaviour, hinting at the Second World War Partisans, who were considered to have come from uncivilized (rural) backgrounds or gone wild during the guerilla war they fought, hiding in the forests. But this has never had any legal connotations, of course.
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3. Some final considerations What we find interesting about legal terminology in the sagas, particularly as compared with the Swedish and English translation is that there is a great deal of common ground because the basic types of offensive social behaviour remain constant through time and space as do some of the remedies. The more organized a society is, the more standardized are the legal rules, procedures and the specific terminology that is used to express them. It is also interesting to see how the terminology developed from simple description of an act or process through metaphor and metonymy, “recycled” with new meanings whenever a development in the legal system occurred. The introduction of Roman law in Christian Europe of the Middle Ages certainly created this common basis which changed at various paces in the different parts of it up to the “humanitarian law”86 of modern Sweden. The Swedish law terminology still corresponds to the medieval Icelandic to a high degree, but the meaning of most terms is modified to express changes in law and society. Borrowing of specialized terminology was common in Swedish, though not to such a degree as in English. The German source makes it appear closer to the medieval Icelandic original than the Latinate English terminology, which contains only a small number of the common Germanic terms. Whatever the etymology of the law terms in the translations, they reflect the modern point of their semantic development, which does not accurately translate the early Icelandic term. This is a constant problem in translation, and is dealt with in different ways; one is relying on the understanding of the reader that a different cultural model is given that can be worked out from the context; the other is interpretation through paraphrase. Using modern terminology for medieval law may create a false impression that the meanings are the same, whereas the fit is only partial, yet being accustomed to metaphorical extensions the reader may be able to comprehend not only the new old meaning, but also recognize the changes that can be discerned underneath the familiar term.
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Landquist 1997, p. 37.
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Dora Maček
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 256–280 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Sighvatr Sturluson and the authorship of Víga-Glúms saga by RICHARD NORTH Víga-Glúms saga is a composite work, awkwardly joined in several places and with some expressions made elliptical by the drastic pruning of Möðruvallabók (c. 1350), its only redaction not in fragmentary form.1 As a story, however, the saga works well. Through its pacing and portrayal of Víga-Glúmr Eyjólfsson, the coal-biter who grows up to wield power over all Eyjafjörðr, the greatest chieftain there for twenty years and equal to the best for another twenty, this work even offers Egils saga a run for its money. A steady focus on the hero in each saga characterizes both works as biographies. There is also an implication in Víga-Glúms saga that Óðinn, god of poetry and war, is Glúmr’s patron, as he is Egill’s.2 Indeed, the comparison between these sagas extends beyond their heroes to the question of authorship. Scholars often link Egils saga with Snorri Sturluson, who lived in 1179–1241, treating this work as either his or that of a member of his family. This essay will try to strengthen, refine and extend the hypothesis that it was Snorri’s brother Sighvatr Sturluson, chieftain of Eyjafjörðr in 1217–38, who wrote the original version of Víga-Glúms saga.
1. Surviving form of Víga-Glúms saga A complete version of Víga-Glúms saga survives in Möðruvallabók of c. 1350 (AM 132 fol.). Fragments also survive in two remnants of PseudoVatnshyrna of c. 1400: partially covering chs. 7–9 in AM 445c, 4to; and partially chs. 14–15 (plus the first half of Ögmundar þáttr ok Gunnars helmings), 16–18 and 28 in AM 564a, 4to (formerly known as Vatns-
1 2
My prose text is taken mainly from Víga-Glúms saga, ed. [E. O.] G. Turville-Petre, with reference to Eyfirðinga Sögur, ed. Jónas Kristjánsson. North 2000.
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hyrna).3 The text preserved in these remnants of Pseudo-Vatnshyrna is longer and more detailed, and has been established as closer to the original than the Möðruvallabók version, which has been shortened and sometimes savagely cut.4 To date, the leading scholars of Víga-Glúms saga have argued for an initial version of this work, then a later version greatly expanded through interpolations in chs. 14–16 and 27–8, and lastly the curtailed version of Víga-Glúms saga in Möðruvallabók, now our fullest text. The story may be sketched as follows. Eyjólfr Ingjaldsson goes to Norway, suffers then reverses a series of insults and wins a wife, Ástríðr, from the high-born family of her father Vigfúss Sigurðarson Víkinga-Kárasonar in Norway (chs. 3–4). A generation later, Ástríðr and their son Glúmr fall on hard times, with Eyjólfr dead and their land at Þverá subject to the encroachment of neighbours, Sigmundr and his father Þorkell inn hávi (‘the tall’). These men are their in-laws, for Þorkell’s daughter is the widow of Eyjólfr’s son, while his son Sigmundr has married the daughter of Eyjólfr’s cousin Þórir á Espihóli. As a lad, Glúmr Eyjólfsson is unpromising, but after visiting Ástríðr’s father Vigfúss in Norway (ch. 6), he returns home with three talismans from his grandfather which give him unassailable luck. Resolving to win back his family land (chs. 7–8), Glúmr kills Sigmundr in Vitazgjafi, a field which the in-laws cheated out of Ástríðr while Glúmr was in Norway. The court case is arbitrated in Glúmr’s favour by some prestigious kinsmen on his mother’s side: Gizurr inn hvíti, Teitr Ketilbjarnarson from Mosfell and Ásgrímr Elliða-Grímsson (ch. 9). Hereafter Glúmr earns the name Víga-Glúmr (‘Glúmr of slayings’), gets married and becomes the greatest chieftain in Eyjafjörðr (ch. 10). Some light is thrown on Glúmr’s care for his household and family in a series of two (or three) stories which are held to be interpolated. In the first, Glúmr hires a southern Icelander, named Ingólfr, as his foreman and then proves the worth of his patronage by asking him to tell another potential patron that he has just killed Hlöðu-Kálf (‘Barn-Kálfr’ or ‘a barn-calf’). Ingólfr is thrown out, then outlawed for the killing of a real man by that name, whom Glúmr in fact has killed (chs. 13–15). Here the Pseudo-Vatnshyrna fragment adds a tale in which Glúmr compels a younger kinsman, Ögmundr dýttr (‘dent’), to take revenge for the blow that gave him his name. In the Möðruvallabók text once more, Glúmr narrowly escapes death at the hands of Víga-Skúta, 3 4
McKinnell 1993a. Víga-Glúms saga, ed. Jónas, pp. 21–32, 45–49, 101–108, 51–61, 96–98. Víga-Glúms saga, ed. Turville-Petre, pp. XXII–XXXII, esp. XXX; Víga-Glúms saga, ed. Jónas, pp. V–XXI.
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ex-husband of Glúmr’s daughter Þorlaug (ch. 16). Hereafter we are introduced to Glúmr’s sons Már and Vigfúss (ch. 17). Tensions rise in the district and one generation later, Vigfúss gets himself outlawed, though his father hides him, for killing Bárðr Hallason (ch. 19); and through a fatal falling-out between two foster-brothers, Glúmr and the Esphœlingar find themselves once more on opposite sides (chs. 20–1). A battle breaks out between between them in Hrísateigr near Glúmr’s farm (ch. 22). In this battle Vigfúss suddenly breaks out of hiding to help his father, who then kills his second cousin and archenemy Þorvaldr krókr Þórisson. Glúmr escapes his own outlawry by attributing this slaying to the twelve-year-old son of Þorvarðr, a local stirrer who had instigated the battle. That winter, however, a verse of Glúmr’s reveals that the killing was his (ch. 23), and Þorvarðr works out the meaning (ch. 24). Two more court cases end in the Alþing, where Glúmr’s first cousins and one Einarr Eyjólfsson, Bárðr’s foster-brother, force him to swear to his innocence in three temples in Eyjafjörðr (ch. 25). Glúmr fights on, however, by trying to circumvent the oath with a wording which says both that he killed and did not kill Þorvaldr krókr. There again, Glúmr loses his luck by giving his (remaining) talismans to Gizurr inn hvíti and Ásgrímr, his powerful kinsmen from the south. When Þorvarðr finds out the trick, Glúmr is at last forced to give Þverá to the Esphœlingar, who sell it on to Einarr as reward for his help; Einarr becomes known as Þveræingr (‘man of Þverá’, ch. 26). In the final two chapters, Glúmr lives in exile, still attempting to get the better of Einarr in a battle at a local autumn assembly (near Kaupangr, ch. 27) and through an abortive attempt on his life (ch. 28).
2. Esphœlinga saga and *Þveræinga saga: works of local history Jónas suggests that the first version of Víga-Glúms saga (i.e. its main body, answering to chs. 7–12 and 17–27) was fashioned out of a work which, though now lost, is known as Esphœlinga saga from a reference in the fourteenth-century Þórarins þáttr ofsa.5 Fragments of this lost saga are thought to survive in a late recension of Landnámabók, in Þórðarbók (based on the lost Melabók). Þórðarbók was written by the latest in 1670, but on the basis of some genealogies of the men of Melar, parts of Þórðarbók have been identified as text from Melabók, a recension from c. 1300 which was itself a copy of Styrmisbók (c. 1220), the second oldest version of Landnámabók. It is further believed that those parts of Melabók 5
Víga-Glúms saga, ed. Jónas, pp. XXVIII–XXXV; Ljósvetninga saga, p. 143.
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which answer to scenes in Víga-Glúms saga were copied out of Esphœlinga saga.6 Jónas concludes that Esphœlinga saga was sometimes used as a source by the author of Víga-Glúms saga, who, however, worked mainly with local tales.7 To see the shape of his likely debt to Esphœlinga saga, we must start with seven texts in Þórðarbók (Melabók) that can be traced to this work. The longest, in ch. 221, concerns the fight at the local autumn assembly (Vöðlaþing) between Glúmr and Einarr Þveræingr.8 This apparent remnant of Esphœlinga saga appears to be the source of ch. 27 of VígaGlúms saga. Though it differs in several ways, it includes two verses which are identical with verses 11 and 12 of this saga. Secondly, Þórðarbók, ch. 232, starts off with the marriage of the parents of Eyjólfr Valgerðarson, a powerful chieftain, continues with the killing of Bárðr Hallason by Vigfúss Glúmsson, and ends with a verse by Bárðr’s brother which matches verse 10 in Víga-Glúms saga and which appears to tell of Glúmr’s battle with Einarr at the Kaupangr assembly.9 That part of Esphœlinga saga from which this Melabók text is derived may have been a source for chs. 10, 17 and 27 of Víga-Glúms saga. The third section of Þórðarbók (Melabók) traceable to the lost saga is found in ch. 237, a relative clause to the effect that Þórðr fought bravely in Hrísateigr.10 The passage from Esphœlinga saga on which this clause was based may have been a source for chs. 22-3 of Víga-Glúms saga. As Jónas has shown, these three passages differ from their counterparts in Víga-Glúms saga in some important ways.11 Four other snippets apparently from Esphœlinga saga have been identified in Þórðarbók.12 In all, these seven texts traceable to Esphœlinga saga have much in common with, and would appear to represent the source material of, chs. 3–12, 17–23 and 27 of Víga-Glúms saga. All verses in Víga-Glúms saga are contained in these chapters, but for verse 3 (his ditty to Víga-Skúta in ch. 16) and verses 8 and 9 (Glúmr’s comments on moving from Þverá and later from Myrkárdalr in ch. 26).13 While ch. 16 is a later interpolation, I have argued elsewhere that verses 8 and 9 have been moved: verse 8 from 6 7 8 9 10 11 12 13
Jón Jóhannesson 1941, esp. pp. 64–66; Ólsen 1937–39, pp. 352–353; Íslendingabók. Landnámabók, pp. LI, LXXXIX–XC and CV–CVI. Víga-Glúms saga, ed. Jónas, pp. XXVIII–XXXV. Landnámabók: Melabók AM 106. 112 fol., p. 110.11–37. Melabók AM 106. 112 fol., p. 116.8–28; Víga-Glúms saga, ed. Jónas, p. XXIX. Melabók AM 106. 112 fol., p. 118.18–22. Víga-Glúms saga, ed. Jónas, pp. XXXI–XXXV. Jón Jóhannesson 1941, pp. 65–66. For the texts, see Víga-Glúms saga, ed. Jónas, p. XXX; and Melabók AM 106. 112 fol., pp. 117.10–11, 117.20, 117.26, 123.11–12. Víga-Glúms saga, ed. Jónas, p. 53 (verse 3); Reykdœla saga ok Víga-Skútu, p. 234.
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the immediate aftermath of Hrísateigr in ch. 23; verse 9, from the eviction verdict in the court case, not long afterwards.14 Whether or not my case for the revised prosimetrum is accepted, we can see from this distribution of verses that Víga-Glúmr’s identity as a poet was already established in Esphœlinga saga.15 In its prose shape, however, the first draft of Víga-Glúmr’s biography seems to have differed from Víga-Glúms saga as we have it now. There are three reasons for distinguishing a first from a second version of this work. One is a discrepancy in the placing of Freyr’s temples in Eyjafjörðr: in ch. 5 we learn that hof Freys var þar fyrir sunnan ána á Hripkelsstöðum (‘Freyr’s temple there was south of the river at Hripkelsstaðir’); in chs. 9, 19 and 25, however, we are left in no doubt that Þverá is where Freyr’s temple is based. Much depends on this location, for Þverá is where Þorkell offers Freyr an ox in exchange for the prospect of having Glúmr one day evicted from there; and Þverá is the local temple in which Glúmr, by swearing the ambiguous oath, brings the eviction about. Ch. 5 thus appears to survive from a draft which was overlooked by the author of the story of Glúmr’s false oath. Another sign of change is a chronological discrepancy between Glúmr’s story in the saga on one hand and as we work it out from the Icelandic Annals on the other. In verse 9, in ch. 26, Glúmr says that fjóra ... fullkátir vér sátum ... tigu vetra (‘happy as could be, we stayed in power for forty years’). The earliest Icelandic Annals, from the end of the thirteenth century, date Glúmr’s slaying of Sigmundr to 944 and the battle of Hrísateigr to 983.16 The figure of forty years is reached in the Annals’ case if we take them to have used a version of Glúmr’s story in which he is evicted from Þverá a year after the battle, effectively in 984. In Víga-Glúms saga as we have it, however, Glúmr is not evicted till effectively 985: that is, if we date the battle at 983, as in the Annals, Glúmr wins the first court case in the summer of 983; composes a verse about his trickery (no. 7) in the winter of 983–4; breaks up the court in Hegranes in the spring of 984; agrees to the oath in the Alþing and later swears it in the summer of 984; and is forced to admit his deceit in the Alþing of 985. Thus it seems that the Icelandic Annals are based on an older version of Víga-Glúms saga. A third indication of an older draft lies in a narrative recapitulation at the end: Glúmr varð gamall ok sjónlauss (‘became old and sightless’) at the end of ch. 26; takes part in a battle at the assembly in Kaupangr in ch. 27, rolling 14 15 16
North 2000, pp. 359–361. These verses are edited separately in Den norsk-islandske Skjaldedigtning, B I, pp. 112–114. Islandske Annaler indtil 1578, pp. 15, 16.
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down a bank with three spears in his shield; and is given once more as sjónlauss (‘sightless’) when he makes a vain bid for the life of his enemies, the brothers Einarr and Guðmundr Eyjólfssynir, in ch. 28. Turville-Petre regards chs. 27–8 as interpolated chapters which ‘give the impression of having been added by the author himself, after the biography was in other respects complete’.17 Whether or not by the same author, these chapters, as the matter of ch. 27 shows, appear to have been adapted from Esphœlinga saga in an intermediary text that led to Víga-Glúms saga. A name for this second draft is possibly given to us in a reference to the battle of Hrísateigr in Þórðarbók (Melabók), ch. 237, where it is said that Hrafn is f(adir) Þordar ad Stockahlodum er var á Hrijsateigi med Esphælijngum ok toldu Þueræingar hann hafa völl vijdann. enn Esphælijngar kuodu hann flesta særa ur Glumz lide (‘father of Þórðr at Stokkahlaðir, who was at Hrísateigr with the Esphœlingar, and the men of Þverá reckoned that he made space for himself on the field, but the Esphœlingar said he wounded most of Glúmr’s company’).18 Þórðr Hrafnsson is cited in the same battle in Víga-Glúms saga, but with nothing on his controversial role in the battle: either this was cut by the author who reworked the first draft of Víga-Glúms saga, or by the Möðruvallabók redactor. Whichever is the case, the fact that Glúmr’s version of events, in Melabók’s use of Esphœlinga saga, is called a tale from the men of Þverá is tantamount to Melabók’s acknowledging a now-lost *Þveræinga þáttr or saga in which Glúmr’s story was one in a line of episodes about Þverá the place. The chieftain Einarr Þveræingr Eyjólfsson, Bárðr Hallason’s foster-brother, is the man who inherits this estate from Glúmr: it follows that the second half of *Þveræinga saga would have contained Einarr’s story, particularly his brotherly feud with the chieftain Guðmundr inn ríki (‘the powerful’). Vigfúss Víga-Glúmsson has a role in this story, to judge from Ljósvetninga saga, chs. 6–7 (16–18), in which he is portrayed as Guðmundr’s friend, a man willing to fight Einarr in a duel.19
3. Víga-Glúms saga: a new biography In this way, it appears that Víga-Glúms saga is a reworking of both *Þveræinga saga, a work largely based on Esphœlinga saga, and another chapter of Esphœlinga saga itself, into a biography of the last master of 17 18 19
Víga-Glúms saga, ed. Turville-Petre, pp. XXXVIII–XXXIX. Melabók AM 106. 112 fol., p. 118.18–22. Reykdœla saga ok Víga-Skútu, pp. 37–44.
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Þverá before Einarr Þveræingr. This draft of the saga, properly a biography, is defined by its characterization of its subject as a joker, brave and cunning, antagonistic to Freyr and a follower of the god Óðinn.20 In Víga-Glúms saga it is clear that Glúmr makes Odinic eloquence into his main weapon. When Einarr sends men to evict him from Þverá, he orders them at þeir skyldi segja honum hvert orð, þat er Glúmr mælti (‘to tell him every word that Glúmr said’, ch. 26). Einarr can see that Glúmr, like a devotee of Óðinn, has been plotting to hang them on a washline. Glúmr’s way with words is already clear in Norway more than a generation earlier, when, on the night of his grandfather’s sacrificial feast, he proves his snilli (‘bravery’) by beating up an itinerant beserker who foolishly spurði, ef hann væri jafnsnjallr honum (‘asked Glúmr if he was just as brave as he was’, ch. 6). Here it seems likely that the word snjallr means ‘eloquent’ as well as ‘brave’: Glúmr first mocks the Norwegian as a fool, not wishing to be compared with him at all. It is as if the author of this interlude knew of Snorri’s claim in Ynglinga saga (ch. 6) that Óðinn talaði svá snjallt ok slétt, at öllum, er á heyrðu, þótti þat eina satt (‘talked so eloquently and smoothly that to all who listened only this seemed to be true’).21 The sight of Vigfúss with his gold-inlaid spear in the midst of a festive hall, in Víga-Glúms saga ch. 6, is reminiscent of the beings whom Gylfi sees in their carnivalesque hall at the start of Snorri’s Gylfaginning (ch. 2). In this context Vigfúss’s spear, the same one Glúmr uses to kill Sigmundr in Vitazgjafi, could remind us of Gungnir, the spear with which Óðinn is said to ride both in Gylfaginning (ch. 51) and Skáldskaparmál (ch. 35). There is another hint of Óðinn’s role in Víga-Glúms saga in three echoes of the gnomic poem Hávamál, with which, as Hávi (‘the (?) high one’), this god is associated.22 Stanza 30, which cautions against making fun of a stranger (at augabragði skala maðr annan hafa), appears to underlie the wry comment of Ívarr, a viking who has mocked Eyjólfr Ingjaldsson during his stay in Norway, that it is óvitrligt bragð at spotta ókunna menn (‘an unwise move to mock unknown men’, ch. 3).23 Two generations later, when Vigfúss Víga-Glúmsson, supposedly outlawed from Iceland, bursts into the battle of Hrísateigr in a cloaked disguise, his father Glúmr greets him as Þundarbenda (‘sign of Þundr [:?Óðinn]’, ch. 23): Þundr (Óðinn’s name in Grímnismál 46) is hailed in Hávamál 145/8-9 as having risen up when (or where) he came back (þar hann upp um reis er 20 21 22 23
North 2000, pp. 348–352. Heimskringla I, p. 17. von See 1972, pp. 16–18; North 1991. Hávamál, p. 45.
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hann aptr of kom).24 In these ways, in the early chapters of Víga-Glúms saga, the Norwegian experience in general, and Ástríðr’s father in particular, appear to connote an Odinic religion which helps Eyjólfr and his son Glúmr against the domineering men of Espihól. Working on behalf of the men of Eyjafjörðr, Freyr begins to oppose Glúmr perhaps from the moment Þorkell offers him an ox in the temple near Vitazgjafi, the field in which Glúmr destroyed Sigmundr, his son (chs. 8-9). Both Sigmundr’s family and that of Þórir á Espihóli reveal traces of a connection with the cult of this god;25 and throughout the saga it can be deduced that Freyr has several reasons to drive Glúmr out of Þverá.26 The biggest would be the false ring-oath: ‘segi ek þat Æsi, at ek vark at þar, ok vák at þar, ok rauðk at þar odd ok egg, er Þorvaldr krókr fekk bana.’ (Glúms saga, ch. 25) [‘I say to the god [:?Þórr] that I was not (/ was) there, and that I slew not (/ slew) there, and that I reddened not (/ reddened) point and blade there, where Þorvaldr Crook met his death’]
The word at is both a negative particle (in Skaldic poetry), by which Glúmr denies his killing of Þorvaldr; and part of an adverb of place, by which he admits it. The story of the ring-oath in Glúms saga suggests Óðinn’s nature as revealed in Hávamál 110: Baugeið Óðinn hygg ek at unnit hafi; hvat skal hans tryggðum trúa?27 [‘I think Óðinn has performed a ring-oath; how can his pledges be trusted?’] 24 25
26
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Hávamál, p. 70. (i) The name ‘Sigmundr’ is suggestive of the Eddic hero Freys vinr (‘Freyr’s friend’) Sigurðr Sigmundarson (Sigurðarkviða in skamma 24); (ii) Þorkell says that Freyr has long been his patron (lengi hefir fulltrúi minn, ch. 9); (iii) hof Freys (‘Freyr’s temple’) is near Þórarinn Þórisson in Hripkelsstaðir (ch. 5); (iv) Ingunn Þórisdóttir is married to Þórðr Freysgoði (‘Freyr’s chieftain’) in the southeast of Iceland (ch. 5); (v) Ingunn, the name of Þórir’s mother and daughter, and Ingjaldr, the name of his uncle (Glúmr’s grandfather), are philologically linked to Freyr’s prefixes Ingvi- or Yngvi- and Ingunar-. (i) the killing of Sigmundr in Vitazgjafi, a field probably dedicated to Freyr (ch. 8); (ii) that Glúmr condemns not himself, but Sigmundr as óheilagr (‘an outlaw’, literally ‘in a state of sacrilege against the gods’) in a court of law (ch. 9); (iii) the gift to Freyr from Þorkell, an old devotee (ch. 9); (iv) that Glúmr later hides his son Vigfúss in and around Þverá Vigfúss is outlawed for killing of Bárðr Hallason and despite the knowledge that Freyr leyfði eigi, er hof þat átti, er þar var (‘Freyr, who owned the temple that was there would not allow it’, ch. 19); (v) Glúmr’s perjury against Freyr in three temples (ch. 25). Hávamál, p. 61. Cf. Víga-Glúms saga, ed. Turville-Petre, pp. XIII–XIV.
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This scene with the ring-oath is the cause of Glúmr’s downfall. Not long before the general assembly in which Glúmr is forced to give up Þverá, he spies Freyr in a dream angrily refusing the petition of Glúmr’s forebears that he be allowed to stay there (ch. 26). Hitherto his protection against Freyr has lain in the three talismans (sword, cloak and spear), which his mother’s father Vigfúss gave him in Norway (ch. 6). But Glúmr has given them away (ch. 25). His eviction from Þverá is thus presented not only as the loss of a court case due to his revealing the killing in a verse, but also as the culmination of his experience with Vigfúss, his Norwegian grandfather, and this Odinic side of his family. By the same token, it seems that the author who reworked *Þveræinga saga into Víga-Glúms saga, partly by creating another year for Glúmr to dodge the consequences of Hrísateigr, is responsible also for all the Norwegian Odinic elements of the saga right back to the story of Eyjólfr, Glúmr’s father, and his visit to Norway in chs. 1–4. Integral to these elements in Víga-Glúms saga is a sense of humour with which the author of this biography made up at least five instances of puns or jokes based on word-play. As we shall see, these appear to have inspired two further sets of puns which provide the focus for Ingólfs þáttr and VígaSkútu þáttr, the interpolated stories in chs. 13-16. Where the original five puns are concerned, the first is enacted by Eyjólfr, Glúmr’s father, in Norway. Eyjólfr turns the scorn of Norwegians back on them: when the rowdy Ívarr and friends call him hrúga (‘lump’) and totabassi (‘snoutbear’), Eyjólfr mocks their expectations by bringing home a bear’s snout (ch. 3).28 Second, there is Glúmr’s wry remark, before killing Sigmundr, that Vitazgjafi, the field whose name means ‘guaranteed giver’ and which has delivered him Sigmundr, eigi brásk enn (‘hasn’t failed yet’, ch. 8).29 This implication, that Sigmundr is a crop to be harvested, may be linked with the Eddic hero Sigurðr Sigmundarson, whose widow Guðrún praises him sem væri geirlaucr ór grasi vaxinn (‘as if her were a leek grown out above the grass’, Guðrúnarkviða I, 18).30 Third, the name Þundarbenda, with which Glúmr announces the entry of his son Vigfúss into Hrísateigr (ch. 23), appears to hint that Óðinn, as Þundr, is about to turn the tide of battle.31 The fourth instance occurs later in ch. 23, with Glúmr’s pun to his men on the name of the place in which they have just fought a battle, that Hrísateigr (‘brushwood-meadow’) has been harðslœgr (either ‘hard28 29 30 31
As seen by Davið Erlingsson 1981, esp. pp. 85–86. Edda, p. 204. For the meaning of Vitazgjafi, see Holtsmark 1933. Olsen 1934.
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fought’, or ‘hard to mow’). In fifth place is the hubris of the ring-oath which Glúmr swears in three temples in Eyjafjörðr, with the formula we have seen (ek vark at þar, ch. 25). Of these five examples of word-play, three are supported by contexts in Hávamál;32 and two depend on the use of the placenames ‘Vitazgjafi’ and ‘Hrísateigr’. Glúmr’s play on Hrísa-teigr (‘brushwood meadow’), in particular, seems contrived to give his son Már a cue for a wordplay of his own, when he says nú muntu Þverárland hafa slegit ór hendi þér (‘now you must have mown / struck the land of Þverá out of your hands’, ch. 23). In these ways, five of the seven puns in VígaGlúms saga appear to be the work of the man who, I suggest, fashioned this work out of *Þveræinga saga.
4. Later drafts of Víga-Glúms saga Hence the first draft of Víga-Glúms saga proper, which underwent two or three interpolations some time before the whole ensemble was trimmed down in Möðruvallabók. It is now held that chs. 13–15 (Ingólfs þáttr) and ch. 16 (Víga-Skútu þáttr) of Víga-Glúms saga are interpolated.33 Már is cited as an adult in ch. 13 before the saga introduces him along with Glúmr’s other children in ch. 17; three main characters, Þorkell, Kálfr and Ingólfr himself, appear to be invented, their names not being recorded elsewhere; and the style is regarded as different to that of the surrounding saga.34 In addition, this tale is self-contained and precedes a chapter, in ch. 16, which is a clear interpolation, in that it appears to be adapted from a þáttr which later seems to have been developed into chs. 23–26 of Reykdœla saga.35 In short, Ingólfs þáttr seems especially written, VígaSkútu þáttr borrowed, into the saga at a later date in conscious emulation of its characterization of the hero through word-play. There are two new puns: 32
33 34 35
Eyjólfr’s nickname (already in Esphœlinga saga, to judge from Þórðarbók, ch. 234), on which he plays with a bear’s snout to match the name hrúga (‘lump’), leads Ívarr to echo Hávamál 30; Þundarbenda, Glúmr’s name for the suddenly returning Vigfúss, recalls Þundr’s movements in stanza 145; and Glúmr’s template for his false oath appears to lie in stanza 110. Víga-Glúms saga, ed. Turville-Petre, pp. X, XV, XXXII–XXXVIII (§ III); Víga-Glúms saga, ed. Jónas, pp. VIII, X–XXI (§ 1); McKinnell 1993b. Víga-Glúms saga, ed. Turville-Petre, p. XXXIII; Víga-Glúms saga, ed. Jónas, pp. X– XII. Víga-Glúms saga, ed. Jónas, pp. XII–XXI. McKinnell 1993a; McKinnell 1993b, p. 691. For this þáttr as borrowed from Víga-Glúms saga into Reykdœla saga, see Andersson 2006. For the reverse, Hofmann 1972.
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one is Glúmr’s play on Hlöðu-Kálfr (chs. 14–15); the other, Víga-Skúta’s on his own name when, having failed to kill Glúmr in a remote spot, he evades capture by giving Glúmr’s men a riddle, as if his name were skúti (‘cave’): in disguise, he tells them he is called Margr í Mývatnshverfi, en Fár í Fiskilœkjarhverfi (‘“Many” around Mývatn [: a lava-strewn area] and “Few” around Fiskilœk [: a low delta]’). The clearest sign that chs. 13–15 are interpolated is Már Glúmsson’s mature entry into ch. 13 before his birth-notice in ch. 17. Jónas concludes that both þættir were inserted at the same time, and by a later copyist.36 That they entered Víga-Glúms saga before the Möðruvallabók redaction of c. 1350, is clear from the PseudoVatnshyrna fragment AM 564a, 4to, which covers most of chs. 14–18, including chs. 13–15 (Ingólfs þáttr) and ch. 16 (Víga-Skútu þáttr).37 Between these stories, in addition, Pseudo-Vatnshyrna contains a version of Ögmundar þáttr dýtts, a story which is more fully preserved in Óláfs saga Tryggvasonar in mesta in the fourteenth-century Flateyjarbók.38 TurvillePetre suggests that Ögmundar þáttr was also included within the exemplar of the redactor of Möðruvallabók, who may have felt it, however, ‘to be little related to the life of Víga-Glúmr and expelled it from his text’.39 Ögmundr’s tale, as we have it here, does fit with the others. He is a poor kinsman of Glúmr whom a Norwegian humiliates with a dent of his axehead near Niðarós; seeing him afterwards, Glúmr forces Ögmundr to go back to Norway and regain his honour. Like the other two interpolated stories, this one shows Glúmr as a chieftain who takes care of his family and men; likewise, its focus is on the meaning of a name. The word-play in all three stories fits with the style of the rest of Víga-Glúms saga, even though none of the interpolations was so carefully worked in that it might remain undetected as a later composition or import of material from elsewhere. The combination of thematic fidelity with formal awkwardness in these stories is quite revealing. It suggests that they were added by one or more writers close to the author of Víga-Glúms saga.
36 37 38 39
Víga-Glúms saga, ed. Jónas, p. XX. For the text, see Víga-Glúms saga, ed. Jónas, pp. 45–61. Víga-Glúms saga, ed. Jónas, pp. 98–108; cf. Víga-Glúms saga, ed. Turville-Petre, pp. 96–98. Víga-Glúms saga, ed. Turville-Petre, p. XXXI.
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5. Ingólfs þáttr and the household of Sighvatr Sturluson It has long been argued that Ingólfs þáttr alludes to events of the early thirteenth century, with Glúmr being read as an allegory of Sighvatr Sturluson (1170–1238).40 The identification between these men becomes clearer if we look more closely at the story. Ingólfs þáttr begins with a wrestling tournament outside the Alþing, with Már Glúmsson, a young man before his birth-notice in ch. 17, making a friend in Ingólfr Þorsteinsson from Rangárvellir. Ingólfr helps the men from the Northern Quarter defeat their opponents from the Western Quarter, then he and Már go north to Þverá, where Glúmr hires Ingólfr as his foreman. Ingólfr owns a good horse and enters him for local horsefights, inciting the envy of Glúmr’s neighbour Kálfr of Stokkahlaða, alias Hlöðu-Kálfr, who strikes both the horse and Ingólfr at the end of a bout. Though Glúmr makes light of it, Már reassures Ingólfr that his father has no intention of forgetting the incident (ch. 13). Soon Ingólfr begins to make calls on the daughter of a local farmer named Þorkell of Hamarr. One evening Glúmr, who dislikes these visits, draws Ingólfr into a game with the rest of his men, taka fulltrúa (‘taking patrons’). Glúmr says that his patrons are his money-bag, axe and storehouse; Ingólfr chooses Þorkell of Hamarr. Glúmr is angry and both men go out to the barn, where Glúmr, to test out Ingólfr’s choice, kills a calf, hands him his bloody sword and sends him with the sword to see Þorkell with the message that he has killed Hlöðu-Kálfr, a name which also means ‘barncalf’. Þorkell shows him to the door. The next day, with the killing of Hlöðu-Kálfr announced, Þorkell reports Ingólfr and Glúmr arranges his foreman’s safe passage out of Iceland, promising to keep Þorkell’s daughter single until his return. Ingólfr in his absence is prosecuted by Þorvaldr krókr, one of three sons of Þórir of Espihóll (the others are Þórarinn and Þórgrímr). But the case folds when Glúmr reveals that he, not Ingólfr, killed Hlöðu-Kálfr. Glúmr keeps his word and frightens off a suitor (ch. 14). When Ingólfr comes back, he gives Glúmr a wall-hanging and kirtle, and later his horse; Glúmr, taking the hint, leads Ingólfr up to Hamarr and makes the suit to Þorkell for his daughter. Ingólfr wins his bride and becomes a householder (ch. 15). Interpolated into Víga-Glúms saga, Ingólfs þáttr has proved interesting for two other reasons. One of these is its likely derivation from a Latin parable contained in the Disciplina clericalis, a work written by the Spaniard Petrus Alphonsi in the early twelfth century.41 The parable is of a 40 41
Björn Sigfússon 1937; Ólsen 1937–39, esp. pp. 359–360. Cederschiöld 1890, pp. 12–15. Víga-Glúms saga, ed. Turville-Petre, pp. XXXIV–XXXV.
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dying Arab and his son. The son, on being asked by his father, says that he has made a hundred friends. His father asks him not to praise his friends until he has tested them. I have won only half a friend, he tells his son. When the son asks how, his father tells him to kill a calf, put its body in a sack and take the sack to each of friends, saying that he has killed a man and needs their help for a secret burial. The son does all this but is turned out of each house; in the end, only his father’s friend offers him help. This work is held to be the source of Ingólfs þáttr. In one way, its phrase integer amicus (‘full friend’) answers closely to fulltrúi, in a game for which there is no exact parallel in other Icelandic sagas. Two Icelandic translations of this work survive from a later period.42 Other potential sources, though from countries nearer Iceland, are thought to be less close to the þáttr than the Disciplina clericalis.43 This type of source material suggests that the author of Ingólfs þáttr was a man trained for the church. The other, more significant, reason for studying this interpolation is its resemblance to incidents in Sturla Þórðarson’s Íslendinga saga (1264 x 1284). According to this work of contemporary history, Sighvatr Sturluson (Sturla’s uncle and Snorri’s brother) was living in Grund in Eyjafjörðr in January 1222. He had been chieftain of Eyjafjörður since moving to Grund in 1217, and would remain so until his defeat and death in the Battle of Örlygsstaðir in northern Iceland in 1238. In 1222, in the farm at Hrafnagil nearby, lived a bailiff named Hafr, whose brother Einarr, a follower of Bishop Guðmundr Arason of Hólar, had killed Sighvatr’s son Tumi only a month before in the feuding between Sighvatr and the bishop. Hafr resented Sighvatr, one day threatening him by riding at him with two other men all fully armed. Not long before spring, a man named Gunnarr kumbi took up work at Hrafnagil. Some said that Hafr cheated him of his wages, others, that these were paid. Gunnarr complained to Sighvatr, who passed him on to his wife Halldóra. Gunnarr was kin with her and they talked in private, no-one knowing what was said. On 14 March a labourer named Jón Birnuson arrived at Hrafnagil and was put up in Stokkahlaðir (or Stokkahlaða), across the floor from the closet in which Hafr slept. Hafr had kept a dog by his door, but some time earlier the dog had disappeared. One night, Hafr was found there fatally wounded with his own axe. In the morning Gunnarr arrived at Grund and told Sighvatr that he had killed Hafr. Sighvatr, however, hafði mjög í fleymingi (‘made a big joke of it’), saying that it was unwise to withhold workmen’s pay.44 Halldóra protected Gunnarr, who 42 43 44
Víga-Glúms saga, ed. Jónas, p. XXXIX. Pace Ólsen 1937–39, esp. pp. 360–361. Víga-Glúms saga, ed. Turville-Petre, p. XXXV. Sturlunga saga, I, p. 275.
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died at sea that summer. Also in the summer, Jón turned up where Snorri was staying in Stafaholt, saying that Sighvatr had sent him. There he fasted, in atonement, it was rumoured, for having killed Hafr. Ten years later, Jón was killed in revenge for Hafr by two enemies of Sighvatr: by Kleppjárn Hallsson, whose mother owned Hrafnagil, and Kolbeinn inn ungi.45 The suggestion common to Björn Sigfússon and Björn M. Ólsen, that Sighvatr was behind Hafr’s murder, is plausible for three reasons: one, that Tumi Sighvatsson had recently been killed by Hafr’s brother Einarr skemmingr over Tumi’s seizure of the estate of Bishop Guðmundr (pallium 1203–37); another, that immediately after Hafr’s death, Sighvatr summoned his son Sturla from Dalir to lead a raid on the bishop’s men in Grímsey in revenge for Tumi; the third, that it can be worked out that Gunnarr kumbi, because he died on the return voyage from Grímsey, took part in Sighvatr’s attack.46 Every other clue points to Sighvatr, and, as Turville-Petre says, ‘the underlying suspicion against him is certainly felt’.47 Jónas also supports the idea that the core of Ingólfs þáttr was modelled on these events.48 Guðrún Nordal also, writing on the ethics of Sturlunga saga, treats Sighvatr’s role in this murder as obvious.49 The resemblances are not only clear, but striking; and the fact that the victim in Ingólfs þáttr is named Kálfr (‘calf’), rather than Hafr (‘billy-goat’), has been explained as the author’s ironic reference to a court case ten years earlier in which the men of Hrafnagil outlawed a certain Kálfr for killing one of their own.50 Ten years before, in 1212, Grund had been farmed by one Kálfr Guttormsson. Kálfr fell out with Hallr Kleppjárnsson of Hrafnagil, whose men then played on Kálfr’s name in some rude verses, calling him vetrungs efni (‘yearling calf material’) and kusli (‘baby calf’).51 This was when Sighvatr’s brother-in-law Arnórr Tumason, and wife’s stepfather Sigurðr Ormsson, asked him if he would like to take over the chieftaincy which they had earlier given his son Tumi. Kálfr came to see Sighvatr while was staying with Sigurðr in Möðruvellir in Hörgárdalr, and asked him for help. In a friendly manner, Sighvatr turned him down. A little later Kálfr killed Hallr just outside Munka-Þverá. In 1213, after an abortive attempt to kill Kálfr, Hallr’s family set their own terms for compensation, which Kálfr paid: two 45 46 47 48 49 50 51
Sturlunga saga, I, p. 324. Sturlunga saga, I, pp. 273, 276. Víga-Glúms saga, ed. Turville-Petre, p. XXXVII. Víga-Glúms saga, ed. Jónas, pp. XLI–XLII. Guðrún Nordal 1998, pp. 59–60 and 224–227. Björn Sigfússon 1937, pp. 66–69; Ólsen 1937–39, p. 359. Sturlunga saga, I, p. 229.
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hundred hundreds and his agreement to leave Iceland for three years, thereafter being outlawed from Eyjafjörðr. Sighvatr gained by Kálfr’s outlawry, for when he moved into the district himself two years later, he bought Grund off a priest who had held the estate in lieu of payment for settling Kálfr’s enormous debt.52 In 1217 Sighvatr settled in Grund and lived there until 1238, when he was killed in the battle of Örlygsstaðir. Hallr, Kálfr’s tormentor, was both killed and buried on the Benedictine estate in Þverá, the site where Glúmr lived in the tenth century and where a text of Disciplina clericalis, an ecclesiastical treatise, could have been available in the early thirteenth. Some Latin learning would be needed to recommend Petrus’ parable for application to the story of Hafr’s murder in 1222. Given the locality of Ingólfs þáttr, it seems likely that its author, trained in Latin, was a member of Munka-Þverá. This monastery lies a few miles from Grund, where Sighvatr lived from 1217–38. Sighvatr was connected to Munka-Þverá through Sigurðr Ormsson, the magnate who gave him the Eyjafjörðr chieftaincy in 1215. Sigurðr’s father Ormr had been a monk in Þverá in the late twelfth century, being sister’s son of Bishop Bjarni Kolbeinsson of Orkney; Sigurðr’s cousin Ormr was abbot of this monastery in c. 1191–1212; and Sigurðr himself renovated the monastery in 1204.53 One generation later, a monk or priest from this community could have allegorized Sighvatr’s role in the murder of Hafr with a tale in which Glúmr chooses word-play to veil his part in Kálfr’s death. Björn Sigfússon believes that Ingólfs þáttr was written after Sighvatr’s death in the Battle of Örlygsstaðir in 1238, because at this battle it is said that Þorvarðr of Saurbœr, an old retainer of Sighvatr, wore a mail-shirt named Fulltrúi, and fulltrúar (‘patrons’) is the game which Glúmr plays with his retainers in the þáttr.54 To Björn Sigfússon, the word fulltrúi in Ingólfs þáttr must allude to this event in history, and the þáttr was therefore written after 1238.55 This terminus a quo is ruled out, however, by the likelihood that fulltrúi in the tale was adapted from the words integer amicus in Petrus’ Latin parable. It seems likely, in turn, that Þorvarðr’s name for his mail-shirt was based on the game of taka fulltrúa which is told in Ingólfs þáttr; and that this story was written to amuse Sighvatr and his men some years after Hafr’s murder in 1222. Since the effects of Hafr’s death did not run their course until 1232, when Jón Birnuson was slain in revenge, it is reasonable to suppose that Ingólfs þáttr was written, and 52 53 54 55
Sturlunga saga, I, p. 245. Sturlunga saga, I, p. 210. Sturlunga saga, I, p. 420. Björn Sigfússon 1937, p. 67, n. 2.
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Víga-Skútu þáttr and perhaps Ögmundar þáttr borrowed into, Víga-Glúms saga in the early 1230s as a token of the bond between Sighvatr and the men of Eyjafjörðr.
6. Did Sighvatr write Víga-Glúms saga? All this begs the question of what relationship, if any, this saga had to Sighvatr Sturluson in his earlier career. Björn M. Ólsen believes that VígaGlúms saga was written after Sighvatr’s death in 1238, because of a scene in which Glúmr’s slaves cast themselves over his body in the battle of Hrísateigr, in ch. 23, sacrificing themselves to save his life.56 So, initially, did Sighvatr djákn come to the aid of Sighvatr Sturluson in the battle of Örlygsstaðir, and in Björn M.’s view the scene in Víga-Glúms saga was written with this incident in mind. The case for this dating, however, is undermined by Einar Ól. Sveinsson, who shows that the human shield was a literary motif, one of several in Sturla Þórðarson’s supposedly objective style.57 By the time of the Hafr-case, Sighvatr had been in Glúmr’s position as chieftain for little more than five years. He took over Eyjafjörðr in 1215, on behalf of his own son Tumi to whom Sigurðr Ormsson had originally given the chieftaincy.58 After a couple of years with Sigurðr in Hörgárdalr, Sighvatr moved to Grund and lived there until his death in 1238. Sturla Þórðarson says that there were many great householders in Eyjafjörðr when he arrived, og ýfðust þeir heldur við Sighvat (‘and they were rather provoked by Sighvatr’); þótti þeim hann eiga þar hvorki í heraði erfðir né óðul (‘to them it seemed he had neither inheritance nor ancestral property in the district’).59 To make matters worse in 1217, Sturla Sighvatsson, who was eighteen years old and high-handed, knocked out a neighbour in a quarrel over his right to borrow the man’s sword. Sighvatr stormed at his son, threatened to punish him, but then let him know privately the next morning that his anger was a front. Five years later, in 1222, there had been a change. Things were easier for Sighvatr: hafði mjög öfundarsamt setur fyrst er hann kom í Eyjafjörð, to be sure, en flestum bóndum líkaði því betur til hans er hann hafði lengur verið (‘much ill will was shown when he first 56 57 58 59
Ólsen 1937–39, pp. 360–361. Einar Ólafur Sveinsson 1969, esp. pp. 57–58. Cf. Víga-Glúms saga, ed. TurvillePetre, p. XXXVII, n. 2. Íslendingabók. Landnámabók, p. 269, n. 6. Cf. Guðrún Nordal 1998, pp. 117–118. Sturlunga saga, I, p. 246.
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moved to Eyjafjörðr and took residence there, but most farmers liked him better when he had been there longer’).60 There is a claim in Sturlubók, ch. 234, that Hvamm-Sturla Þórðarson, Sighvatr’s father, was the great-grandson of Már Víga-Glúmsson.61 This genealogy is a forgery, perhaps older than Sturla Þórðarson, HvammSturla’s namesake grandson who drafted this version of Landnámabók in the 1270s. If we connect this claim of ancestry with the resentment of Eyjafjörður in 1217, we see that it was Sighvatr, Sturla’s uncle, who then had the strongest reason to court the locals by tracing himself to Glúmr. The link was made through Már, who is foregrounded not only in Ingólfs þáttr, presumably in c. 1230 or later, but also in Víga-Glúms saga itself, finished perhaps in the early to mid 1220s: Már hears his father’s confidences about the dreams which presage Hrísateigr (ch. 21), brings reinforcements to the battle, questions Glúmr’s bullishness in the aftermath (ch. 23), and gathers support when his father swears the oath (ch. 25). Hvamm-Sturla’s claim to descend from Már in Sturlubók, together with the record in Íslendinga saga of Sighvatr’s initial rejection in Eyjafjörðr in 1215–17, gives a hint that Sighvatr started to shape Víga-Glúms saga out of *Þveræinga saga when he moved to Grund not far from Þverá in 1217. Things looked challenging in that year. When Sturla Sighvatsson mistreated his neighbour in 1217, his brother Tumi is said to have remarked to Sighvatr að bændur mátti eigi með góðu tryggja (‘that there was no way one could make quite sure of the householders’).62 For Sighvatr, perhaps there was a way, if we assume that he proved his local óðal by writing a biography of Víga-Glúmr, master of Þverá. If we compare the saga with the man, we find two areas of common ground. One is the chieftain’s sense of humour; the other, his alignment with Óðinn. In the first case, Sighvatr has been called ‘a man of fine words and ironic humour’.63 This quality may be observed in a number of stories, twice with Óðinn too. In June 1221, Snorri Sturluson was ready to join battle with Björn Þorvaldsson of the Haukdœlir, allies of his brother Sighvatr. The Haukdœlir had mocked Snorri’s (now-lost) praise poem in honour of Skúli Jarl of Norway, copying his refrain Harðmúlaðr vas Skúli (‘stern-jawed was Skúli’) in a verse of their own, and adding that the Earl was illr at kyssa (‘unpleasant to kiss’) because vörr es til hvöss (‘his lips
60 61 62 63
Sturlunga saga, I, p. 274. Íslendingabók. Landnámabók, p. 269. Sturlunga saga, ed. Örnólfur, I, pp. 246–247. Whaley 1991, p. 29.
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are too sharp’).64 Sighvatr talked to Snorri in Reykholt, softening his stance with a joke which he related to the men of his chieftaincy back in Eyjafjörðr. According to Sturla Þórðarson, Sighvatr said that Snorri was resting an axe on his shoulders, svo hvassa að hann ætlaði að hvaðvetna myndi bíta (‘so sharp that he thought it could cut through anything’); ‘Síðan tók eg hein úr pússi mínum,’ Sighvatr said, ‘og reið eg í eggina svo að öxin var svo slæ að hló á móti mér áður við skildum’ (‘then I took a whetstone out of my pouch and rubbed it along the edge, so that the axe was so blunted, that before we parted, it was shining at me’).65 Sighvatr’s words not only echo the mockery of Snorri in the Haukdœlir’s lampoon, but also identify Sighvatr with Óðinn on his way to Suttungr: as Snorri tells this story in Skáldskaparmál (ch. 6), Óðinn uses a whetstone to hone the scythes of nine slaves who then kill each other, while he eventually gets the mead of poetry.66 In 1227, ten years after Sighvatr moved to Grund in Eyjafjörðr, he witnessed the beginning of a more serious rift with his brothers, Snorri and Þórðr, who had ousted Sturla Sighvatsson from the Snorrungagoðorð, the family chieftaincy in Hvammr. Sighvatr had given this to Sturla as a marriage endowment. On 24 June, Sturla rode into Hvammr with forty men and asked to speak to his uncle Þórðr, who had locked himself in. When he got no answer, tóku þeir einn hlöðuás og báru að durum og brutu upp hurðina (‘they took a beam from the barn, carried it to the doorway and broke through the door’).67 They failed to get Þórðr, however, even while they badly wounded two of his men, Þorsteinn Finnbogason and Óláfr Brynjólfsson. Hearing the news, Sighvatr responded with a pun: hafði í fleymingi og sagði svo er hann fann bændur í Eyjafirði að sveinninn Sturla hefði riðið í Hvamm og kastað daus og ás (‘he made a joke of it, and whenever he met householders in Eyjafjörðr, he said that the boy Sturla had ridden into Hvammr to cast a deuce-ace’).68 The words daus og ás, an expression for two aces, the lowest score in dice, refer also to ‘two’ men wounded and a ‘beam’ thrown at the door. Once again, this record shows Sighvatr not only playing on words, but doing so to win the approval of his goðorð. In 1234, Sighvatr’s chieftaincy was threatened by the Ásbirningar, particularly by their leader Kolbeinn ungi Arnórsson whose father had 64 65 66 67 68
Guðrún Nordal 1998, pp. 175–176. Sturlunga saga, I, pp. 276–270. Guðrún Nordal 1998, pp. 81–82. Sturlunga saga, I, p. 301. Sturlunga saga, I, p. 302.
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originally offered Sighvatr the goðorð in 1215. Kolbeinn’s men, whom he sent to spy on Sighvatr ahead of an attack, were pleased to find him sitting on his own í rúmi sínu ok hafði tuglaskinnfeld á herðum ok lambskinnskofra á höfði sér svartan (‘on his bed, and he had a fastened leather cloak on his shoulders and a black hood made of lambskin on his head’). Sighvatr gave the impression of making no defence at all, even when egged on by Halldóra, his wife. This was a bluff, however, for when Sighvatr’s followers arrived the next morning, they found him waiting in a blue cloak, with a steel hat and a silver-laid axe in his hand: var hann þá miklu hermannligri en um kveldit, er njósnarmenn kómu (‘he was much more like a warrior than the evening before when the spies had come’).69 As Guðrún says, Sighvatr hides his intentions ‘like some Odin figure wearing a black hood’.70 Sighvatr’s last recorded jest was in 1237, again at the expense of Sturla, his son, who declared war on Snorri and his son Órækja when he returned from Rome and Norway in 1235. In 1236 Sturla drove his uncle out of Borgarfjörðr and overcame his cousin in a battle for control of Reykholt. Sighvatr reacted to this victory með eljaraglettu nökkurri (‘with some sense of irony’), praising Sturla for this achievement until his son believed him, yet proposing more and more prominent men as Sturla’s servants until, when Sighvatr recommended Gizurr Þorvaldsson as Sturla’s merchant, Sturla finally got the joke.71 One year later, in 1238, Gizurr defeated Sighvatr and Sturla and killed both of them. Gizurr’s army was twice the size of Sighvatr’s, who had failed to match his numbers from the men of Eyjafjörðr although this district was populous enough for him to have done so.72 In this light, it looks as if he never won all the goðorð over to his side. For his cruelty and treachery, Gizurr himself drew an Odinic comparison, in 1261, from Sturla Þórðarson in Íslendinga saga.73 What is significant about Sighvatr’s identification with this god, however, is that it seems to have come from himself. In one way this was inherited from his father, Hvamm-Sturla, one of whose enemies tried to put out his eye in 1181: Hví skal eg eigi gera þig þeim líkastan er þú vilt líkastur vera en þar er Óðinn (‘Why don’t I make you look like Óðinn? He’s the one you most want to be like’).74 There are other characterisations: elsewhere in 69 70 71 72 73 74
Guðrún Nordal 1998, pp. 118–119. Guðrún Nordal 1998, pp. 117–118. Guðrún Nordal 1998, pp. 62–63. Magnús Stefánsson 1993, esp. p. 317. Guðrún Nordal 1998, p. 26. Sturlunga saga, I, p. 94 (Sturlu saga).
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Íslendinga saga, Sturla records that Bishop Guðmundr of Hólar typified Sighvatr as the ambitious Norwegian king Haraldr harðráði Sigurðarson; and, as Guðrún also shows, there is no doubt that Sturla wished to draw an Óðinn-Freyr comparison in his account of the younger Gizurr and Sturla Sighvatsson, whom Gizurr’s brothers twice nicknamed ‘Dala-Freyr’ (‘Freyr of the dales’, in 1229 and 1232): as if they took Sturla for a ladies’ man and coward.75 In all these cases, however, Sighvatr stands out, because unlike the other men, he identified himself with Óðinn, and did so apparently from 1221 to 1234. This is when Sighvatr could have been writing Víga-Glúms saga. There is no proof that it was he who started to draft this work out of *Þveræinga saga and Esphœlinga saga when he became chieftain of Eyjafjörðr in 1217. On the other hand, his trouble with the locals at this time, together with Sturlubók’s claim of his father’s descent from Glúmr of Þverá, is circumstantial evidence that Sighvatr may well have started to write a biography of this tenth-century chieftain in the first five years of his chieftaincy, in 1217–1222. In the first half of this essay I have argued that Víga-Glúms saga was written by an author who stylized the saga-hero as more powerful and clever than before, as a man of jokes and word-play and an hypostasis of Óðinn.76 These innovations are closely matched by Sighvatr’s qualities as we see them in Íslendinga saga. Starting with Ingólfs þáttr, the interpolations of Víga-Glúms saga, chs. 13-16, seem to be in keeping with the five instances of word-play in the saga’s older draft. This, with the same þáttr’s likely allusion to Hafr of Hrafnagil in 1222, suggests that VígaGlúms saga was improved in the early 1230s by a man of Sighvatr’s household who was affiliated with Munka-Þverá.
7. Víga-Glúms saga and Egils saga: Sighvatr versus Snorri? At first it might seem that Snorri Sturluson read a version of Víga-Glúms saga, for in Skáldskaparmál he cites the first half of Glúmr’s verse 8 and the two halves of verse 12 separately.77 In addition, when King Haraldr Gormsson sends a scout to Iceland ahead of a planned invasion, in Óláfs saga Tryggvasonar (ch. 33), to be repelled (i.a.) by a monstrous bird in Eyjafjörðr, Snorri says the bird was svá mikill, at vængirnar tóku út fjöllin tveggja vegna (‘so big that its wings touched the mountains on both 75 76 77
Guðrún Nordal 1998, pp. 221–222; 178–180. North 2000. Snorri’s Edda: Skáldskaparmál, pp. 73; 7, 67, 91.
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sides’).78 These words come close to a phrase in Víga-Glúms saga, ch. 9, in which Glúmr dreamt of a woman svá mikil, at axlirnar tóku út fjöllin tveggja vegna (‘so big that [the arms on] her shoulders touched the mountains on both sides’). The primacy of Glúmr’s phrase in this case is proved by his claim in verse 2 that he dreamt of felli-Guðr með fjöllum (…) standa (‘a battle-goddess standing between (or: among) the mountains’).79 But it is unlikely that Snorri read of Glúmr’s hamingja in Víga-Glúms saga: in his description of Eyjafjörðr in the same chapter of Óláfs saga Tryggvasonar, he refers to Eyjólfr Valgerðarson, Einarr Þveræingr’s father, as the greatest chieftain there. Snorri’s omission of Glúmr from this role suggests that he quoted Glúmr’s verses from a text of Esphœlinga saga, or at least from a source other than Víga-Glúms saga. Snorri’s apparent ignorance of Víga-Glúms saga in the 1220s and 1230s would imply that this work, if written during this time, was circulated in Eyjafjörðr outside his domain. Snorri and Sighvatr were in ever-shrinking contact through the 1220s. They were still friends in 1221, when Sighvatr stopped him from attacking the Haukdœlir.80 In 1223 Sighvatr just managed to broker a deal between Snorri and Þorvaldr Vatnsfirðingr, then a friend of his son Sturla (whom Snorri resented for marrying Solveig Ormsdóttir).81 Relations were more strained in 1224, when Snorri conspired with his brother Þórðr to take Sturla’s goðorð;82 and they cannot have improved in 1225, when Sturla fortified his farm in Dalir.83 At the Alþing of 1226 Sturla and his father were talking to Snorri through intermediaries.84 In the winter of 1226–27, while Snorri feasted in Norwegian style at Reykjaholt, it is said that a fæð mikil (‘great coldness’) divided him and Þórðr from Sturla.85 Sighvatr patched it up between Þórðr and Sturla after the young man’s raid on Hvammr in 1227, but it appears that neither Snorri nor Sighvatr were speaking to each other when the Alþing ended on 6 July 1228.86 The further into this decade, in this way, the less likely Snorri could have read a new saga of Glúmr Eyjólfsson, if Sighvatr was working on it. 78 79 80 81 82 83 84 85 86
Heimskringla I, p. 271. Víga-Glúms saga, ed. Turville-Petre, pp. 15–16 and 64. Sturlunga saga, I, pp. 269–270. Sturlunga saga, I, pp. 286–287. Sturlunga saga, I, pp. 288–289. Sturlunga saga, I, p. 295. Sturlunga saga, I, p. 296. Sturlunga saga, I, p. 300. Sturlunga saga, I, pp. 304–305.
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It has long been thought that Snorri wrote Egils saga Skalla-Grímssonar. Sigurður may be right to suggest that Snorri gathered material on Egill Skalla-Grímsson when he lived 1201–1206 in Borg, Egill’s home in the tenth century; and that he would have written Egils saga in 1220–35.88 Jónas’ argument, that Snorri finished this saga in 1239–41, when he returned from his second visit to Norway, can be reconciled with Sigurður’s dating if what Snorri did in 1239 was then to revise the saga into its final form.89 Snorri, if he wrote Egils saga, was probably collating its material in drafts 1220–37, at much the same time as his brother would have been working on a new version of Víga-Glúms saga. Each work is a biography, fixing on a tenth-century ancestor, poet and chieftain in whom a worship of Óðinn is variously indicated. While there is no sign that Snorri knew (of) Víga-Glúms saga, some influence may have gone the other way: in 1230 a deal was reached between Snorri and Sturla Sighvatsson, og var Sturla löngum þá í Reykjaholti og lagði mikinn hug á að láta rita sögubækur eftir bókum þeim er Snorri setti saman (‘and Sturla spent long periods in Reykholt, setting great store by having saga-books copied from the books Snorri had put together’).90 Although Sturla lived then in Dalir, he was always close to Sighvatr. As a hot-headed liability for his father, Sturla looks much like a model for Vigfúss Víga-Glúmsson. Where Snorri was concerned, not friendly contact but brotherly rivalry would have given rise to the style of Víga-Glúms saga at this time, if Sighvatr did emulate the Óðinn-cult in the verses and background of Egils saga. If Snorri, in his work, could endow Egill with the poetry, magic and warfare of Iceland’s most fascinating god, so could Sighvatr turn Glúmr into a man with enough help from Óðinn to hold off the adherents of Freyr for forty years. Each hero’s stamping ground, Egill’s in Borgarfjörðr and Glúmr’s in Eyjafjörðr, was at one stage the ríki (‘domain’) in which Snorri and Sighvatr respectively ruled. Whether through Egill or Glúmr, each brother could claim descent from a locality to which the Sturlungar had never belonged. Snorri could trace himself to Egill in a male line from his mother’s father Böðvarr.91 As we have seen, in Sturlubók, ch. 234, it is alleged that Már 87
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Egils saga, esp. pp. LXX–LXXII. Ólsen 1905; Vésteinn Ólason 1968; West 1980; Tulinius 2004; Axel Kristinsson 2002. Egils saga, p. XCIII. Jónas Kristjánsson 1992, pp. 25–26. Sturlunga saga, I, p. 329. Egils saga, pp. 276 and 303, n. 1. There was a story in Borg that a servant dreamt of Egill protesting against the departure of Snorri frændi vor (‘our kinsman Snorri’) to Reykholt. See Sturlunga saga, I, pp. 211–212.
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was the ancestor of Hvamm-Sturla, who was Sighvatr’s father.92 It is Már Víga-Glúmsson with whom Víga-Glúms saga finishes, as the son who built the region’s only church (in Fornhagi) and buried his father there not long after he was confirmed, allegedly by Bishop Kolr (ch. 28). Glúmr at least would win salvation where Egill did not. But at the same time one could only wish that Sturla Þórðarson had been more open about his family’s literary endeavours. As yet it is no more than a hypothesis that in c. 1220– c. 1230, for the loyalty of his thingmen in Eyjafjörðr, and in rivalry with Snorri’s power in Borgarfjörðr, Sighvatr Sturluson wrote the original version of Víga-Glúms saga.
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 281–327 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
How many are the unipeds’ feet? Their tracks in texts and sources by TERESA PÀROLI
The presence of one-footed creatures is well known in the field of the Old Icelandic literature: the reader of the famous Eríks Saga will remember his meeting with a uniped in Vínland. The source of this myth is often attributed to Isidore of Seville, or sometimes even earlier to Pliny. The genesis of these strange creatures is actually far more ancient and complex: the terminology used to describe them is far from univocal. Along with Sciapodes (but also Sciopodes or Scinopodae), terms usually suggesting an ethnic group, we find monocóli, monopedes, unipedes, sometimes used as synonyms for that people, sometimes with reference to different entities and/or objects totally unrelated to them. For instance, the unipedes mentioned in Christian texts have little to do with the Sciapodes. We will try to identify the most telling references to these peculiar beings/objects starting from the most ancient Greek fragments and following up their traces through the Latin, classic and medieval, and Nordic medieval texts. Obviously the picture sketched here is far from exhaustive. We cannot retrace step by step the history of these peculiar beings, fascinating as it is, in all its linguistic and historic developments. Our research is perhaps more like a puzzle, only partly reassembled, with the role of many tesserae yet to be identified. After a short outline of Sciapodes’ iconographic typology we could not refrain from giving a few hints of the persistence of this literary (and not only) motif in the present time. The patchwork we present here will at the least find its use in offering ancestors and posterity to the uniped that proved so fateful to Vínland’s explorers.
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1.1 Sciapods as people in Greek texts and culture P. Aelius Aristeides,1 a Greek orator of the 2nd century A.D., hints at Lacaedemonian (or Spartan) man, i.e. the ancient lyric poet Alcman (second half of 7th century B.C.), ironically states that Alcman had listed such a number of strange peoples that the school teachers, still in Aristeides’ times, tried to understand where on earth they were living, though it is not worth while striving so much with regard to Sciapods (Ski£podej), and what’s more without any outcome. More lenient appears to be the geographer Strabo (c. 63 B.C.–19 A.D.). According to Strabo, if it is not legitimate censuring Hesiodus, who deals with the cynocephali, the macrocephali, and the pygmies, which are remembered even by Homerus,2 one has to forgive also the ancient Alcman, when he mentions the steganÒpodaj “broad-footed, palmiped”. This lexeme, which is apparently the only word surviving from an Alcman’s lyric composition3 thanks to the Strabo’s quotation, is – in my opinion – the term actually used by the archaic poet, although Ski£podej is the more current, but perhaps later term, and was the most usual in Aristeides’ times. Of the historical work of Hecataeus Milesius, who writes the Peri»gesij,4 in the last years of the 6th century B.C., are left only fragments from later scholars, who read and appreciated him. His work is composed of two parts, which treat, respectively, of Europe and Asia, where are also located Egypt and Libya. According to Hecataeus the Ski£podej are an Ethiopian people (œqnoj A„qiopikÒn), following both the grammarian and rhetorician Aelius Herodianus (second half of the 2nd century A.D.) in a fragment5 of his De prosodia catholica6 (Kaqolik» proswd…a), and the
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The names of Greek and Latin authors and the titles of their works are (generally) given in their Latin form. In Iliad 3,6 ¢ndr£si Pugma…oisi; the Trojan army, which is moving against the enemies arrived from Hellas, is compared (in the Homeric passage) to the cranes’ flight, which migrate every winter towards warmer lands and bring slaughter and death to Pygmies. Aristoteles deals with the Pygmies (in De animalibus historiae, book VIII, chap. 12, and passim; cf. in Aristoteles, Opera Omnia Graece et Latine, vol. III, ed. C. Bussemaker, Paris 1854, repr. Hildesheim/New York 1973), and asserted that they existed, cf. from the Latin translation “non enim fabula est, sed exstat revera” (ibid., p. 156). According to D.L. Page, ed., Poetae Melici Graeci, Oxford 19672, p. 80, number 148, where the passages of Aristeides and Strabo are quoted. A geographical description of the world. Cf. in Grammatici Graeci, vol. III,I,1, ed. A. Lentz, Lipsiae 1857, repr. Hildesheim 1965, p. 244, lines 1–2.
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grammarian Stephanus (6th century A.D.) in his Ethnica,7 a useful lexicon of place-names. In a quite different biting tone, Aristofanes in his Aves8 (”Orniqej), that was exhibited in 414 B.C., mentions the Sciapods (Ski£podej) at v. 1553; near them there is a marsh, where an unwashed Socrates is leading the souls. This passage occurs, with precise quotation of author’s name and work, by the Suda 9 (or Souda), the greatest encyclopaedic Byzantine Greek dictionary, compiled in the 10th century. In his scholia to these few verses, Iohannes Tzetzes (12th century) asserts that the syntagm “near the Sciapods” would hint at dark and unknown places, and that the Sciapods are connected with the philosophers, because they are wretched and stern.10 We are not so much acquainted with a poet of the Old Comedy, the Athenian Archippus (end of the 5th century B.C.), who mentions the Ski£podej, as a Libyan tribe, in one of his few fragments11 left. Also in fragments is the relation of the historian and physician, Ctesias of Cnidus (end of the 5th – beginning of the 4th century B.C.), who was very interested in far-away people and lands, and wrote histories of Persia (Persik£) and India (Ἰνδικά). According to Tzetzes (in his Chiliades12), who is following a passage of Skylax, in Ctesias’ work (“a certain book on India”) the author – whose name is never mentioned – takes for granted that men-like Sciapods were living in India. We must wait until a Ctesias’ fragment, to get wider information about the Sciapods: they have very broad feet (k£rta platšaj), like geese (ésper oƒ cÁnej), a detail which reminds us of ancient Alcman’s compound word (“broad-footed”). Moreover, when it is very hot, they raise up their legs (in plural; t¦ skšlh) and shade themselves with their feet (in 6 7 8
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The work deals with the general pronunciation of the Greek language and is dedicated to the emperor Marcus Aurelius. Ed. A. Meineke, Berlin 1849, p. 574. Ed. with English version by B.B. Rogers, vol. II, London/Cambridge (Mass.) 1959. In the comedy the chorus begins its comment: “Next we saw a sight appalling, / Socrates, unwashed, was calling / Spirits from the lake below, / (‘Twas on that enchanted ground / Where the Shadow-feet are found)” (ibid., p. 273). Suidae Lexicon, Graece et Latinae, vol. II, ed. G. Bernhardy, Halle 1853, s.v. yucagwge‹. Cf. in Scholia in Aristophanem, II,3, ed. D. Holwerda, Groningen 1991, ad vv. 1553–1555, pp. 221–222. Cf. The Fragments of the Attic Comedy, vol. I, ed. J.M. Edmonds, Leiden 1957, p. 808 (with English translation, p. 809). Iohannis Tzetzae Historiarum variarum Chiliades, ed. Th. Kiessling, Leipzig 1826, repr. Hildesheim 1963, Chil. 7, vv. 629–631 (p. 264).
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plural, too; to‹j pos…n). Ctesias’ passage is quoted ad verbum, with the name of the author and the work (™n per…plJ 'As…aj), by the grammarian Valerius Harpocration (2nd century A.D.) in his Lexicon in decem oratores Atticos,13 by the lexicographer and theologian Photius (9th century A. D.) in his Lexicon,14 and also by the Suda15 in the 10th century. Only fragments we have of the work of the geographer Scylax of Karianda (6th century B.C.). In one of them he states that the Sciapods (like the Macrocephali) may survive only in India (™n 'Indo‹j).16 This information is taken and ascribed to Scylax by the sophist Flavius Philostratus (2nd – 3rd century A.D.) in his Vita Apollonii.17 From a brief section of Tzetzes’ wide poem (more than 12.000 verses), called Chiliades o Historiae,18 more information is drawn: Scylax wrote a book on India, in which he mentions the Sciapods, stating that they have very large feet (plate‹j ... ¥gan), so that at midday they lie on their backs, lift up their feet (in plural; toÝj pÒdaj) and shade themselves. Flavius Philostratus also mentions the Sciapods in two more passages of his cited work:19 in the first one, he inquires about them and about the Pygmies and other world mirabilia; in the second one, he declares that people, like the Anthropophagi, Pygmies and so on, are Ethiopian, and their land extends to the Ethiopian Ocean, where men arrive by ship only if driven there against their will. The first passage is quoted by Eusebius Caesariensis, theologian and bishop (c. 260–339 A.D.), in his Contra Hieroclem.20 In the 9th century, Photius21 takes ad verbum the second information about the Sciapods’ land in Ethiopia.
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Ed. W. Dindorf, Oxford 1853, repr. Groningen 1959, p. 276. The Lexicon (Λέξεων συναγωγή) was written as a help for reading the works of ancient authors and the Holy Scriptures. For this passage, cf. Lexicon, vol. II, ed. S.A. Naber, Leiden 1864–1865, repr. Amsterdam 1965, p. 162. Ed. cit., col. 791 (alphabetic letter sigma). Cf. Die Fragmente der griechischen Historiker, vol. III C, ed. F. Jacoby, Leiden 1958, n. 709, fragment 7a. That is of Apollonius of Tyana , philosopher of the 1st century A.D. Cf. Philostratus, The Life of Apollonius of Tyana, Latin text with an English translation by F.C. Conybeare, vol. I, London/Cambridge (Mass.) 1912, repr. 1948, book III, chaps. 45 and 47; book VI, chap. 25. Ed. cit., Chil. 7, vv. 629–634 (p. 264). Ed. cit., book III, chap. 45; book VI, chap. 25. Cf. Eusèbe de Césarée, Contre Hiéroclès, ed. E. des Place, Paris 1986, chap. 34, p. 176. Bibliothèque, ed. R. Henry, Paris 1959, book IV, section 241.
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The Lexikon of Hesychius of Alexandria (5th century A.D.) seems a precious reference especially regarding the items of ancient authors’ lost books. Under the letter ‘sigma’, two items related to our topic, even if they, though contiguous, give different information.22 Under Ski£podej (pl.) we read that the Sciapods live in Libya, have large (plate‹j) feet, with which they shade themselves under the sun blaze. But the item Ski£pouj (sg.) states that they are people residing somewhere in Ethiopia and provided with wide feet (platÚpoun). The first item is copied, almost without any essential variation, by the Suda.23 In the Lexicon called Suda we find many references to the Sciapods; in three of them are registered the passages or opinions of Aristophanes, Ctesias, Hesychius, already quoted. On other occasions, the Suda’s testimony seems more out of the chorus, and therefore more interesting. The Sciapods would dwell by the western ocean and in a very hot zone; it is said that their legs have a spread which is greater than their own body; they have no houses and walk on four feet (tetrapodhdÒn), but, in hot weather, they raise up one foot (tÕn ›teron tîn podîn), in order to shade their whole body. This nature’s gift has been offered them because their land is stony and lacking shelters from the sun’s blaze.24 Under the letter ‘tau’, the item tetrapodhdÒn25 (“having four feet, quadruped”) has the following explanation: in Libya, the Sciapods walked in this way; they had large feet (platÚpodej Ôntej) and, raising one of them, they shaded the rest of they body in order to escape the heat of their homeland. The data gathered from the Greek sources therefore seem to be not univocal. The Sciapods are considered as human beings (¢nqrèpouj), though of a particular kind like the Macrocephali, by Scylax (followed by Flavius Philostratus); they are considered as people (œqnoj) by Aristeides in his passage on Alcman, by Hecataeus (later cited by Herodianus and Stephanus) and by Hesychius (in his item in singular). As for their homeland, three locations are mentioned: India, as their only place of residence in Scylax (cited by Philostratus and Photius); Ethiopia, according to Hecataeus (quoted by Herodianus and Stephanus), to Flavius Philostratus (and later to
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Hesychii Alexandrini Lexicon, vol. III, ed. P.A. Hansen, Berlin/New York 2005, p. 307. Lexikon, ed. cit., vol. II, col. 791, s.v. Ski£podej (second item). Ibid. Lexikon, ed. cit., vol. II, col. 1087, s.v.
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Photius), to Hesychius (in his item in singular); and lastly Libya, which is present in Hesychius (item in plural), followed by the Suda.26 As regard their looks and customs, the most relevant feature are their feet, which are also used as sunshade, as shown from their most common name, Ski£podej, Sciapods, the people with the “feet which make shadow”. Alcman calls them palmipeds (steganÒpodaj); but the mention of the feet is generally connected with the adjective platÚj (‘large’), always in plural and in the case required by the context: as in Ctesias (followed by Harpocration, Photius, Suda), who adds “as geese” (ésper oƒ cÁnej); in Skylax (and later Flavius Philostratus); in Hesychius, in the plural item (taken by the Suda). The item in singular in the same work, on the contrary, contains the unusual adjective platÚpouj ‘large-footed’. Sciapods’ main peculiarity consists in lying on their backs, raising up their legs and shading themselves with their feet; this posture, which is essential because of the heat of their country, is attested with small, irrelevant variations in Ctesias, Skylax (followed by Flavius Philostratus), Hesychius (from which, later, the Suda). According to these authors, we are in front human beings or creatures very similar to men, which are peculiar for two very large feet, used as a shelter. But, the Suda adds some more information: the Sciapods would be quadrupeds, and therefore more like to animals than to the human race; hence they have no houses, as it is usual for man; but the nature has given them the possibility to shade themselves with their large feet as an antidote to the roughness of heir homeland. 1.2 People, men, objects, poetry: Greek monopods in their polysemic lexical family A mere glance at a dictionary shows how much it is productive, in the Greek compound nouns, the first element mono- (from the adjective mÒnoj ‘one, a single’), which is found in the lexemes we are going to examine. The adjective monÒ-pouj ‘with but one foot, one-footed, monopod’ (used also as substantive) is present with different contextual or situational meanings, from which some instance will be cited. The neo-platonic philosopher Damascius (second half of the 5th century A.D.), in a preserved fragment of his Vita Isidori,27 hands down the exis26
27
In Suda (ed. cit., vol. II, p. 791), we read that the Sciapods location in Libya was also accepted by the Athenian Sophist Antiphon (5th century B.C.), in his treatise “On Concord” (Perˆ Ðmono…aj). Isidorus was his master and predecessor as rhetorician in Alexandria.
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tence of monÒpodaj ¢nqrèpouj ‘monopod men’, also present, four centuries later, in Photius.28 The philologist Eustathius, archbishop of Thessalonica (12th century A.D.), in his Commentarium in Dyonysii periegetae orbis descriptionem,29 relates an amusing mythological curiosity. He tells of a stone, that has the power to keep off the ghosts, among them also Empusa (a hobgoblin sent by Hecate), who would stand on a single foot, whence her name (”Em-pousa). Empusa was called also monÒpouj ‘one-footed, monopod’ due to her animal leg, whereas the other leg is, according to the legend, bronze made. The ¢skèlia, or Dionysia, were a festival of Dionysus (or Bacchus), which was celebrated in Greece every three years. On this occasion, people had to hop on greased wineskins, and the winner was the one who was able to stand on them. From this competition derives the verb ¢skwli£zw, that means ‘hop on one leg; stand on one leg’, which is found in connection with monÒpoun (dative in the context) in the Scholia in Lucianum.30 The presence of men with one foot in the Gospels has been never remarked, as far as I know. But it is worth to be also stressed because of the consequences this reference has had in the religious literature of ancient and especially of medieval times. In the Gospels,31 we find a few passages where, as a paradox, man is exhorted to cut one of his own organs or limbs off, if it is cause of scandal and therefore of eternal damnation. In Matthew the first passage (5,29–30) deals only with the right hand and the right eye; in his chap. 18,7–9 are more diffusely mentioned hand, foot, and eye. It is said that it is better for man to enter in the eternal life kullÕn ¿ cwlÒn (translated in the Vulgate as ‘debilem vel claudum’), or mon-Òfqalmon (in Latin ‘uno oculo’), than to be thrown into the eternal fire (‘mitti in ignem’) with two hands or feet or eyes. Actually, the Greek adjective kullÒj has as its first meaning ‘club-footed and bandy-legged’, hence more extensively ‘deformed, contracted’. Similar is the case of debilis (in the Latin version), which moves from the wider sense ‘feeble, frail, weak’ towards the more specific ‘lame, disabled, crippled’. Likewise the Greek cwlÒj, that means ‘lame (in the feet), halting, limping’, is found, in connection with the accusative, in contexts which specify its function, as cwlÕj ›teron pÒda ‘lame in one foot’, 28 29 30 31
Bibliotheca, vol. VI, ed. R. Henry, Paris 1971, p. 22 (section 340b). Geographi Graeci Minores, vol. II, ed. E. Müller, Paris 1861, repr. Hildesheim et al. 1990, pp. 344–345. Cf. Scholia in Lucianum, ed. H. Rabe, 1906, repr. Stuttgart 1971, n. 46 Scholia in Luciani Lexiphanes, 2, p. 192, ll. 1–4, s.v. ¢skwli£zw. Novum Testamentum Graece et Latine, edd. E. Nestle / K. Aland, Stuttgart 196322.
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cwlÕj ce‹ra ‘maimed in one hand’. The Latin claudus corresponds to ‘limping, halting, lame’, in a broader sense to ‘imperfect, defective’, and the syntagm claudus altero pede specifies ‘lame in one foot’. The synoptic passage of Mark 9,43–46 uses, for hand and foot, the same Greek and Latin adjectives found in Matthew 18,8. For the eye, Mark too presents the plain compound mon-Òfqalmon ‘one-eyed’,32 already seen in Matthew, but here the Latin answers with luscum ‘one-eyed’. Some ecclesiastical texts, referring to these Gospels’ passages, quote and/or enlarge and comment them, introducing a few lexical innovations. For instance, in a homily of Pseudo-Macarius33 (4th–5th century A.D.), the unknown author says that it may happen that man, created by God, become mon-Òfqalmon ¿ monÒ-ceira ¿ monÒ-poun ‘one-eyed or with one hand or monopod’, if he does not conjoin the divine nature and the impure human one. This lexical triad reappears in the allegoric exegesis of Photius:34 one must reject the evil and instead look, behave, move towards the good, as are to do the monÒ-ceiraj, mon-ofq£lmouj, monÒ-podaj ‘(persons) with one hand, one-eyed, one-footed’, who are looking forward to the Kingdom of Heaven. Much more simple and direct is the reference to the passage in Ephraem Syrus35 (4th century): our Lord says that it is better to be monopod (monÒpodoun) or with only one hand (monÒceira), because only those who know how to fight can reach the Kingdom. The term “monopod” can be also used with a technical meaning connected with furnishing. A grammarian of the 2nd century A.D., Iulius Pollux, in his dictionary called Onomasticon,36 writes that a table, on which are placed cups, may be called “four-footed” (tetr£-poun), if it has four legs, or monopod (monÒ-poun), if, with a more original solution, it stands on a single support.37 32
33 34 35 36 37
In Greek there are many compound names with a different second element, but with a similar meaning, as monÒ-glhnoj adj. ‘one-eyed’ (cf. gl»nh ‘eyeball, eye’); mono-dšrkthj ‘one-eyed’ (cf. dšrkomai ‘I see’), said also of the Cyclops; monÒmmatoj adj. ‘one-eyed’ (cf. Ômma ‘eye’). Homiliae spirituales 50 (collectio H), Homily 32, line 82, in eds H. Dörries / E. Klostermann/M. Krüger, Die 50 geistlichen Homilien des Makarios, Berlin 1964. Bibliotheca, Codex 242, ed. I. Bekker, Berlin 1824–1825, p. 340v. Adhortatio ad fratres, in the edition of his works by K.G. Phrantzolas, vol. V, Thessalonicē 1994, p. 256. A work of great weight for the history of theatre and music in Athens pre-classic period. Cf. Pollvcis Onomasticon, vol. II, ed. E. Bethe, Stuttgart 1967, book 10, section 69, p. 209.
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In a specialist milieu is used the derived noun mono-pod…a38 (Lat. monopodia), a metrical term39 which refers to the scanning of a verse, in this case by single foot. So we read in the Prolegomena de Comoedia of Hephaestion40 (2nd century A.D). So should be scanned the hexameter, the grammarian Georgius Choeroboscus (first third of the 9th century A.D.) explains in his Scholia in Hephaestionem,41 confirming that the hexameter has to be divided by single foot, unlike, for instance, the iambic meter, which has to be scanned by couples of verses, i.e. by dipody. References to the term mono-pod…a are found in many metrical analyses in the scholia to many Greek authors, such as, among others, Aeschylus, Aristophanes, Pindarus, Sophocles etc.
2. The evidence of Latin texts Latin authors of Roman period – classic, post-classic, of earlier Christianity – base themselves, in regards to this strange people, on Greek sources, which (as we have seen) are often not univocal. Moreover, in the transposition into Latin, the Greek data are often revised, modified or adapted as regard the terminology. In the Middles Ages, on other hand, the authors draw from Latin sources. Sometimes they take up a sentence and modify it in their written, sometimes they ‘steal’ a passage without any hint at quoting neither the author nor the work it comes from, that was a quite usual in their times (it may happen sometimes also nowadays, for different reasons). Information about strange people seems, therefore, spreading along the time as a chain, connecting the Greek and Latin world with the medieval one, and also periods on. Now we will try to analyse some rings of this chain and to investigate (as far as possible) if, how and why a ring is linked to the next one.
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40 41
Cf. “measurement by single foot”, in H.G. Liddell / R. Scott, A Greek-English Dictionary, Oxford 19539, s.v. In the same metrics field, other technical compound nouns are formed with the same first element, as monÒ-sticoj ‘consisting of a single verse’, mono-strofikÒj ‘consisting of a single strophe’. Cf. Prolegomena de Comoedia, vol. I,1A, ed. W.J.W. Koster, Groningen 1975, p. 53. Cf. Commentarius Georgii Choerobosci in Hephaestionem, ed. M. Consbruch, Leipzig 1906, repr. 1971, p. 223.
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2.1. Sciapodes (and monocóli) as people Plinius maior (Gaius Plinius Secundus; 23–79 A.D.), the famous author of the Naturalis Historia, is the more ancient Latin writer to mention the Sciapods. In the 7th book, chap. 2, of his work, Plinius deals with exotic beings and describing people in particular according to their physical conformation and/or behaviour. He cites Ctesias as his source (Ctesias scribit) both for the Cynocephali (men with dog-heads) and perhaps also for the women who, in India, “bear children only once in their life-time and the children begin to turn grey directly after birth”. The passage (at section 23), we are most interested in, is the following: Idem hominum genus, qui Monocoli vocarentur, singulis cruribus, mirae pernicitatis ad saltum; eosdem Sciapodas vocari, quod in maiore aestu humi iacentes umbra se pedum protegant.42
But we must note that there is no sure evidence that this passage is based only on Ctesias or on other sources. The race of men or beings in question is called by Plinius Mono-cṓli. The ethnonym comes from the Greek adjective mono-kîloj ‘with one part; with one limb’, hence ‘one-legged’ (formed by mono- and kîlon ‘limb’). The Latin lexeme keeps the long (and therefore stressed) vowel in the penultimate syllable; in the authoritative Thesaurus linguae latinae,43 under the item monocṓli one reads the following exegesis: “de genere cursorum singulis cruribus prosilientium”, i.e. a kind of creatures which move in jumps with a single leg. Plinius adds that these jumpers are also provided with a prodigious speed. The Latin loan word is unusual, because the Greek adjective is generally used in very different contexts, in order to indicate, for instance, a single period of time, a single kind of items, a single floor of a house. Monocṓli as an ethnonym seems to cause not a few perplexities also to posterity, in particular among the scribes, as attested by the variegated manuscript tradition related to Plinius and his Latin followers. Here it is possible only to mention the question. For the Naturalis historia, the ms R2 reads monosceli, that might be connected with the Greek adjective mono-skel»j ‘on one leg’.
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Cf. ed. and trans. H. Rachkham, vol. II, London/Cambridge (Mass.) 1961, p. 520, with English version: “a tribe of men called Monocoli who have only one leg, and who move in jumps with surprising speed; the same are called the Umbrella-foot tribe, because in the hotter weather they lie on their backs on the ground and protect themselves with the shadow of their feet” (p. 521). Cf. vol. VIII, p. 1424, s.v.
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Aulus Gellius (2nd century A.D.), in his Noctes Atticae, speaking of India,44 also hints at monocṓli singulis cruribus saltuatim currentes (book IX, chap. 4), that is, who run jumping on a single leg. But monocṓli is the lecture of ms N, while most manuscripts shift to mon-óculi ‘one-eyed men’, an evident lectio facilior, but meaningless in the context. In the same chapter, Gellius tells that he has read many Greek authors, among them also Ctesias (section 12), from whom he has taken the information about extraordinary creatures and/or people. As for the monocṓli, he locates them in India and declares he is following Plinius’ book: atque esse alia aput ultimas orientis terras miracula, homines qui monocṓli appellentur, singulis cruribus saltuatim currentes, vivacissimae pernicitatis [sect. 9].
Gellius therefore mentions only their fast running with their single leg, but without hinting at their sheltering from the sun. He seems very sceptical about the existence of such creatures, or at least about the usefulness of dealing with them. He does so because a man of so great authority, as Plinius, declares he did not read of such a people in books, but “scire sese atque vidisse” (‘he knew and saw’ them). Though the respect for Plinius is expressed in lavish rhetoric, Gellius’ implied irony gleams through the eulogy’s lines. The variant mon-óculi for monocṓli is also found in many manuscripts of Solinus (Gaius Iulius Solinus; 3rd century A.D.), who, in his Collectanea rerum memorabilium,45 speaks of the Sciapods and also uses the term Monocṓli,46 that his copyists don’t seem to like very much. Coming back to Plinius, in the second part of the quoted passage, we learn that the Monocṓli may be also called Sciapodes, because in the heath they throw themselves backwards on the ground and shelter themselves with the shadow of their feet (umbra pedum). The plural pedum seems surprising. In Greek we found such a plural in Ctesias, in Skylax, in their followers, and later in Hesychius, and partly in the Suda (which sometimes speaks of two umbrella-feet, sometimes gives the Sciapods no less than four feet, only one raising against the sun). 44 45
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Cf. ed. and trans. J.C. Rolfe, vol. II, London/Cambridge (Mass.), 1960, pp. 164 and 166. Cf. ed. Th. Mommsen, 18952, repr. Berlin 1958, pp. 187, l. 22–188, l. 2. According to this edition, manuscripts C, N, H, P read monocolos, but ms R monoscolos, and six manuscripts monoculos (mss L, M, Q, G, S, A); cf. ed. Mommsen, ad locum. “Legimus monocolos quoque ibi [scil. in India] nasci singulis cruribus et singulari pernicitate, qui ubi defendi se velint a calore, resupinati plantarum suarum magnitudine inumbrentur” (ed. Mommsen, loc. cit.).
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However Greek texts don’t present Sciapods as monopods. Plinius’ plural might be explained as referring to all the members of the people, whose name is in plural, and not to a single Sciapod. This easy and predictable explanation might hit the mark, though it seems to me little convincing in the same moment I am putting it forward as a hypothesis. Moreover, it should be emphasized that Plinius omits every reference to the feet’s wideness, a constant in Greek texts. No width, no umbrella. On the whole, it seems that Plinius has roughly put together different sources and assimilated different peoples in one. He bereaves Sciapods of a leg, raising the equation Sciapods = Monocóli, and hence = Monopods, deprives them of their feet’s width and in compensation gives them the swiftness in running and jumping on a single leg. His renowned as (in my opinion) problematic passage is responsible of a meaningful, painful and grievous mutilation, that the Sciapods will be obliged to carry during the following centuries in the earthly space and not only. The nice mess he has made will not be without consequences, and not only in the Latin world. One author of earlier Christianity, Tertullianus47 (c. 160–c. 240 A.D.), is deeply involved in defending the human dignity of Christians, who were, in those times, object of brutal persecutions under Septimius Severus (emperor between 193–211) and considered, because of their faith, as a particular race, different from the human one. Therefore Tertullianus mentions twice the Sciapods in the syntagm “cynopennae aut sciapodes”, where the first term is perhaps equivalent to Cynocephali (dog-headed people). But the Christian apologist seems not interested at all in describing these strange races. They are only mentioned with contempt and implicitly relegated among the superstitions which soiled and stained the romanum genus, so haughty and proud of his own identity. Hence, in his Apologeticum adversus gentes (197 A.D.), Tertullianus strongly asserts that the Christians’ nature has nothing to do with “cynopennae aut sciapodes”,48 and later declares: “homo es et ipse, quod et christianus”.49 Again, in Ad Nationes (written also around 197), he resolutely affirms that Christians are not a different and inferior race as cynopennae vel sciapodes.50 47 48 49 50
Quintus Septimius Florens Tertullianus. Apologeticum, chap. 8, PL 1, 312. Ibid., PL 1, 313. “Satis enim est nobis sola veritate a vestra positione discerni. Tertium genus dicimur, cynopennae aliqui, vel sciapodes, vel aliqui de subterranea antipodes” (Ad Nationes, book 1, chap. 7; PL 1, 570).
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The eminent Aurelius Augustinus Ipponensis (354–430 A.D.) honours the Sciapods with no less than two quotations in his greatest work, De civitate Dei (composed between 413 and 426). With Augustinus, a shrew scholar skilled in secular literature as well as a first rank theologian, the climate has greatly changed. In the book XVI of De civitate Dei, at the end of chap. 8, titled “An ex propagine Adam vel filiorum Noe quaedam genera hominum monstrosa prodierint”, we read: Item ferunt esse gentem, ubi singula crura in pedibus habent, nec poplitem flectunt, et sunt mirabilis celeritatis; quos Sciopodas vocant, quod per aestum in terra jacentes resupini umbra se pedum protegant; quosdam sine cervice oculos habentes in humeris; et caetera hominum, vel quasi hominum genera, quae in maritima platea Carthaginis musivo picta sunt, ex libris deprompta velut curiosioris historiae.51
The passage is rich in information. We knew about one-legged people gifted with exceptional speed, but we didn’t know that they cannot bend their knees. Perhaps it is only Augustinus’ deduction because the Sciapods move jumping, although jumping is not mentioned. The feet (in plural), used as shelters from the sun, tell us nothing new, but new is the form of their name: Sciopodas, instead of the usual Greek Sciapodas, that did not certainly create any problems to such a cultivated author. After quoting beings bearing eyes on their shoulders, Augustinus goes on to say that there are other kinds of men or “quasi hominum”, foreshowing a theme that will be treated soon after, but concludes with a personal remembrance: these “almost men” are represented in a mosaic in the square near the sea in Carthago, in pictures drawn from books.52 Augustinus talks in his chapter about different kinds of monstrous people, some of whom were represented on the mosaic, without any specific reference to the Sciapods. It is not sure that they indeed are Sciapods. Therefore the ‘portrait’ of one or more Sciapods could or could not be present in the Carthago square; in any way, our fantasy cannot prevail over the author’s testimony. Augustinus seems to be perfectly conscious that this point is hardly believable, since he concludes: “Sed omnia genera hominum quae dicuntur
51 52
De civ. Dei, book XVI, chap. 8, in PL 41, 485–486. The passage “ex libris deprompta velut curiosioris historiae” means that the books, which are the pictures’ sources, contain fabulous narrations. Augustinus considers “curiositas” a vice in many of his works, and he defines as a knowledge of what cannot be certain (cf. “cognitio quae certa esse non potest”, in his De vera religione, chap. 52, PL 34, 167).
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esse, credere non est necesse”.53 Until now the erudite man has amused himself, with ironic superior air, showing off his learning of more or less ethnological curiosities. But the problem concerning the origin of such monstrous peoples remains unsolved, a problem that the theologian cannot fail to notice. Augustinus relates that, sometimes also among men, some inexplicable bodily anomalies (today we would call them congenital) are found, for instance in order to the number of fingers or toes, the limbs configuration, or even the sexual ambiguity in genitals. However, as he has taken care to state earlier in the text, man has just a partial view of reality, while only God can enjoy the knowledge of the whole: Deus enim creator est omnium, qui ubi et quando creari quid oporteat vel oportuerit, ipse novit, sciens universitatis pulchritudinem quarum partium vel similitudine vel diversitate contexat.54
We may then conclude that the unlucky Sciapods, with their only knee stiffened by Augustinus, might perhaps have also had a rather small and mysterious part in the great project of Lord’s creation. With Isidorus Hispalensis (c. 560–636 A.D.) we meet a different personality. Ecclesiastic, bishop, writer of religious treatises, Isidorus is chiefly known for his huge work Etymologiarum sive originum libri XX,55 which shows his many talents, as antiquarian, ethnologian, philologist and also linguist ante litteram. In the book XI “De homine et portentis”, in chap. 3, “De portentis”, Isidorus frees himself from theological problems in a few lines, where he asserts that the portenta are not against nature “quia divina voluntate fiunt”, but are against what we understand of the nature.56 After a linguistic analysis of the terms relating to this topic (portenta, ostenta, monstra and so on), he tries to build a sort of classification of these phenomena, offering many examples of the different monstra. At section 23, he says: Sciopodum gens fertur esse in Aethiopia singulis cruribus et celeritate mirabili: quos inde SkiÒpodaj Graeci vocant, eo quod per aestum in terra resupini iacentes, pedum suorum magnitudine adumbrentur.
As Augustinus, Isidorus makes use of name’s form Sciopodes, locates them in Ethiopia according to a tradition we have recorded for many Greek authors from Hecataeus on; provides Sciapods with a single but swift leg (like 53 54 55 56
Ibid., PL 41, 486. Ibid. Cf. ed. W.M. Lindsay, 2 vols, Oxonii 1911. Cf. vol. II, Etym. 11,3,1–2, ed. Lindsay; and also in PL 82, 419 (for the Sciapods see ibid., col. 422).
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Plinius) and wide feet useful for the shadow, following the most vulgata opinio. Isidorus’ sentence is quoted ad verbum by Rabanus Maurus (780–856), the famous abbot of Fulda and later bishop of Mainz, in his De Universo, book 7, chap. 7; actually the whole chapter, not by chance titled “De Portentis”, comes from Isidorus, whose name, though, is never mentioned. Rabanus’ short passage about Sciapods57 differs from his source only in two details: the name Sciopodas is written with Latin instead of Greek letters; and the last word is formed by abumbrantur (indicative) instead of the usual and correct subjunctive (adumbrentur) of the source. With the nominal form Scinopodae, Honorius Augustudunensis (c. 1080–c. 1137) refers to the wide-footed people, who live in India according to his De imagine mundi, 1st book, chap. 12 (“De monstris”), which follows chap. 11 on India. In the chap. 12, we read: Sunt [scil. in India] et Scinopodae, qui uno tantum fulti pede auram cursu vincunt, et in terram positi umbram sibi planta pedis erecta faciunt.58
For Honorius then the Scinopods, though standing on a single foot, run swifter that the wind, and, when lying upon the ground, they shade themselves raising the sole of their foot (in singular). The foot’s width is not mentioned, but it may be inferred from the foot’s function as umbrella. 2.2. Monopods and their family The consequences of the equation Sciapods = Monopods are evident in Hugo de Sancto Victore (c. 1096–1141), who, in his Descriptio mappae mundi, mentions this people twice, calling them Monopodes. In chap. 2 (“De insulis occeani [sic] maris”), we read: Inter austrum et austroafricum est insula in qua sunt Monopodes, unum pedem habentes mirae celeritatis.59
The velocity of the single foot is well known already, while the tribe’s home in an isle adds a new feature. In chap. 9 (“De prouinciis et civitatibus Asiae ad ortum solis”), the novelties are two:
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For this passage cf. De universo, book 7, chap. 7, in PL 111, 197. PL 172, 124. Cf. P. Gauthier-Dalché, La Descriptio mappe mundi de Hugues de Saint-Victor, Paris 1988, p. 135.
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Sunt ibi [scil. in India] Blemii, effigies sine capite, in pectore oculos habentes, et Monopodes, unum oculum et unum pedem habentes.60
Not only the Monopods are here located in India, but they are even shown exceptionally as one-eyed, beside being as usual one-footed. On the basis of the previous witness, I suppose it is working here an influence of the well known manuscript tradition’s to a substitution of the difficult reading (Plinius’ Mono-cṓli ‘with a single limb’) with a more usual one (Mon-óculi ‘one-eyed’). This leads to the attribution to the one-legged people that of being also one-eyed. The mention of the Blemii, with eyes on their breast, which comes immediately before, has probably helped in connoting also Monopods as one-eyed. An occurrence is found as well in the poem, in hexameters, Ernestus, seu Carmen de varia Ernesti, Bavariae (sic) ducis, fortuna, which deals with the legendary adventures of the duke Ernest of Swabia, composed (around 1206) by the cleric Odon of Magdeburg, very familiar with the ancient sources. In the poem’s seventh book we read: Sunt homines uno tantum fulti pede, cursu auram vincentes, qui recto nomine dicti Monopedae, faciunt umbram sibi tegmine plantae.61
The first part of the verses repeats, almost ad verbum with only slight adaptations metri causa, the above quoted passage (about Scinopodae) of Honorius Augustodensis (uno tantum fulti pede auram vincunt). The hybrid compound monopedae is preferred to the noun of Greek origin, because the reader can understand more easily the reason why they are so called recto nomine. The last verse too is built as a fast poetic adaptation of what Honorius has described more diffusely in his prose context (et in terram positi umbram sibi planta pedis erecta faciunt). We may infer that Odon knows and follows Honorius. But what should be stressed is that the one-footed people reach here the honour of poetry. Quite different appears the use of the adj. monopodius in the Vita of Commodus Antoninus,62 the depraved eldest son of Marcus Aurelius, by Aelius Lampridius (perhaps 5th century), one of the Scriptores Historiae 60 61
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Ibid., p. 141. Up today there is only one edition of this poem, cf. in E. Martène / U. Durand, Thesaurus novus anecdotorum, vol. III, Paris 1717, cols 307–376; the three cited verses had to be at col. 362. Due to the impossibility of finding this edition, I am quoting from what is reported in C. Du Cange, Glossarium Mediae et Infimae Latinitatis, vol. V, Niort 1885, repr. Graz 1954, s.v. Monopedae. Born in 161 A.D., emperor between 180–192.
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Augustae. Among the various wickedness of this emperor, who was killed by strangling, his biographer (in chap. 10) informs that Monopodios et luscinios eos, quibus aut singulos oculos tulisset aut singulos pedes fregisset [scil. Commodus], appellabat.63
The single footness here is not due to ethnicity, but to maiming (of a foot or an eye) from a sadist, who, only for amusement, delighted in every sort of crimes, cruelties and violence, according to Lampridius’ detailed narrative. Since Commodus, always looking for fun, was so fond of disguising, we may surmise that he aimed at imitating mythical one-legged or one-eyed peoples, even creating them himself by the violent extirpation of an organ or limb from the body of some of his wretched subjects. A particular form mono-pedam (acc. sg.), that seems a hybrid GreekLatin compound, is present in a curious sermon, one of so many ascribed to Augustinus, commenting the episode of Christ walking on the water in Matthew 14,22 ff. As a swallow takes care that its chicks are not in danger while they learn how to fly, so Christ sends his disciples by sea, but does not leave them. The sermon begins with this comparison. From the Gospel we know that Christ, walking on the water, approach his men. Then the homilist goes on to say that when a storm is arriving: ipse [i.e. Iesus Christus] potens est sequi navigio qui imperat vento. Fecit sibi potentissimam monopedam, singularem quadrigam, mirandam suis vestigiis plateam componens, non marmoribus ornatam sed fluctibus pictam, non saxis sed plantis.64
Approaching of the storm, Christ follows the ship, and, swift as a monopod, with his feet opens a large, safe way among the floods. As a loan from the Greek is shaped also monopodium (‘single-leg table’), a piece of furniture of Asian origin, which was considered, alike other furnishings, too precious and refined compared to the traditional sobriety of the Romans’ houses. In his Ab urbe condita, Titus Livius (59 B.C.–17 A.D.), while censuring the men who have brought those items to Rome, offers also a rather detailed and interesting description of them: Luxuriae enim peregrinae origo ab exercitu Asiatico invecta in urbem est. Ii65 primum lectos aeratos, vestem stragulam pretiosam, plagulas et alia texilia, et
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Cf. in Scriptores Historiae Augustae, with an English translation by C. Magie, vol. I, London/Cambridge (Mass.) 1963, p. 290. Latin text in PL 47, 1141. I.e. the Roman winners in the Asia Minor campaign, 187 B.C.
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quae tum magnificae supellectilis habebantur, monopodia et abacos Romam advexerunt.66
Those luxurious items, goods of foreign origin, are brought from Asia to Rome by the army. Soldiers were the very first to make Romans acquainted with beds decorated with bronze, precious bedspreads, curtains and other stuff, and a lot of furniture, considered sumptuous at that time, among them one-leg tables and sideboards. That same shock for such a luxury, so inconsistent with Roman sobriety, echoes in a page of the Naturalis historia by Plinius maior: Nam triclinia aerata abacosque et monopodia Cn. Manlius Asia devicta primum invexisse triumpho suo, quem duxit anno urbis DLXXVII, L. Piso auctor est.67
Plinius’ source is here Lucius Calpurnius Piso,68 who praised the old virtues against the modern vices. He tells that Cneus Manlius Vulso, after the Asia Minor campaign, which also bore a rich booty, brought to Rome at his triumph (187/6 B.C.) “dinner-couches and panelled sideboards and one-leg tables decorated with bronze”, very opulent furniture compared to the plain Roman one. The term monopodia, in its metrical meaning, is also a loan from Greek in the works of Latin grammarians and particularly in the treatises on versification. It is used more than once, for instance, in De metris omnibus, by Aphtonius69 (perhaps 4th century A.D.), who explains clearly the connection between monopodia and dactylic verse: Metra autem quaedam singulis pedibus, quam monopodiam [...] vocaverunt, scandi moris est [...]; et per monopodiam quidem sola dactylica.70
In this work, the term recurs in two more passages;71 in the second one with the Greek form of accusative (monopodian).
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Ab urbe condita, book 39, chap. 6, section 7, cf. Latin text with English translation by E.T. Sage, London/Cambridge (Mass.) 1959. Nat. hist., book 34, chap. 8, sections 13–14, vol. V, ed. H. Rackham, London/ Cambridge (Mass.) 1961, p. 136, with English version, p. 137. Consul in 133 B.C., author of Annales (ab urbe condita until 146 B.C.). “Aelius Festus Aphtonius uel Asmonius, id est: Marius Uictorinus (pseudo)”, in Grammatici Latini, vol. VI, ed. H. Keil, Leipzig 1874, repr. Hildesheim 1961, where the work is edited. Ibid., book 1, p. 53. Ibid., book 1, pp. 61 and 70.
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2.3 Unipes and unipedes Latin uni-pes (pl. uni-pedes) is a loan translation or calque on the Greek monÒ-pouj (pl. monÒ-podej), but it is found in contexts which are not directly related to the one-footed men. We will quote some examples, divided in sections according to themes and following the chronological order inside every section. In his De nuptiis Philologiae et Mercurii, a secular work composed in prosimetrum, (finished by 439 A.D.), which had a great renown and a large circulation also in the Middle Ages,72 Martianus Capella suggests (in the 4th book, section 346) various ways of classification for animals, by sex, age, size, way of moving (into water, on air, on earth) or dwelling place, and also by the number of their feet (from footless, on): in pedum multitudinem, quod alia sunt sine pedibus, alia bipedia, alia quadrupedia, alia sepedia, alia unipedia.73
Those possessing just one foot, are indicated with the adjective unipedius, ‘one-footed’. A venerable monk and later abbot, Guibertus S. Mariae de Novigento (1053–1124), in a theological work (De virginitate), offers in chap. 1074 (“Elegantiae vultus et vestium cultui minime incumbendum”) a very pleasant passage about the way in which is presented and represented “apud veteres ethnicos” the famous “Cupido, Veneris ex Vulcano filius”. Because of his father’s fire, the god inflames his victims with lust and excites them beyond any control, hence he is shown with wings (alatus).75 But loves of this kind are ephemeral, therefore “unipes etiam pingebatur, quo talium amorum instabilitas76 signabatur.” 72
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For the Germanic milieu, we should remember at least the translation by Notker III (Teutonicus, Labeo; † 1022), of which the first two books survive (ms St. Gallen 872, 11th century, pp. 4–170); cf. the edition in Die Werke Notkers des Deutschen, vol. IV, ed. J.C. King (Altdeutsche Textbibliothek 87), Tübingen 1979. Cf. ed. J. Willis, Leipzig 1983, p. 112. Cf. PL 156, 597. Marcus Fabius Quintilianus in his Institutio oratoria remembers that, when he was a boy, his school teachers gave pupils to solve fictitious lawsuits of this kind: “quid ita creditur Cupido puer atque volucer et sagittis ac face armatus” (book 2, chap. 4, sect. 26). In the title of this case are listed almost all the characteristics of this god. The grammarian Maurus Servius Honoratus (4th century A.D.), in his commentary to v. 69 of the 4th book of Vergilius’ Aeneis, on the hot passion of Dido, hints at the instability of the god: “Cupido puer inducitur, quasi instabilis et infans, qui non potest fari” (eds G. Thilo / H. Hagen, vol. I, Leipzig 1881, repr. Hildesheim 1961, p. 476).
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Cupido is shown as one-footed, perhaps to emphasize the instability of loves due to his influence. This might be a Guibertus’ innovation. Since, as far as I know, Cupido has never been called “unipes” anywhere else, neither in classic nor in later literature in Latin. And besides, the other Guibertus’ information is based on easy, usual sources. Cupido is blind since he behaves without any foresight (providentia) and childlike77 because he speaks and acts without reasoning. (nulla ratione). He carries a torch and an arrow, in order to strike, wound and set fire to the hearts.78 This delicious picture of the old god of passion more than of love,79 whose divinity did not scare even the monks,80 give Guibertus the chance of showing his profane erudition and, at the same time, of warning his readers against surrendering to Cupido, whose single foot does not symbolize swiftness but unsteadiness. Another ecclesiastic of high rank introduces unexpectedly a uniped in verses about the science of numbers. Baldericus Burguliensis (or Dolensis; 1046–1130) was abbot of Bourgueil (whence ‘Baudri de Bourgueil’) from 1079, and then bishop of Dol-en-Bretagne (whence ‘Baldric of Dol’) from 1107. Baldericus, a humanist ante litteram, when he was abbot, composed many poems; the longest (1368 vv.) is dedicated to Adela of Normandy
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Persons of ripe age may fall in love, though their body feels the passing years, but in their mind Cupido is ever young as a child: “habitat puer sub fronte Cupido” (Marcus Manilius, 1st century A.D., in his poem in hexameters, Astronomica, book IV, v. 151, ed. G.P. Goold, Stuttgart 19982). References might be almost endless. The most brilliant synthesis in Quintus Horatius Flaccius, Carmina, book 2, carm. 8, vv. 14–16 “[Ridet] ferus et Cupido / Semper ardentes acuens sagittas / Cote cruenta”. Furthermore in Amores by Publius Ovidius Naso: “abeas, pharetrate Cupido” (book 2, el. 5, v. 1), “Cur tua fax urit, figit tuus arcus amicos?” (book 2, el. 9. v. 5). As warns already the wise, old Marcius Porcius Cato (234–149 B.C.), in a short but meaningful fragment preserved from his Orationes: “aliud est, Philippe, amor, longe aliud est cupido. Accessit ilico alter, ubi alter recessit; alter bonus, alter malus” (cf. Oratio in L. Quinctium Flamininum, in Oratorum Romanorum Fragmenta Liberae Rei Publicae, vol. I, ed. Enrica Malcovati, Augustae Taurinorum 1953, fragment 71). By some authors of earlier Christianity Cupido was identified with the devil, as we read in Zeno Veronensis (bishop of Verona around 380 A.D.). He presents the devil, who, through concupiscence, insinuates himself into men’s minds, who, like his followers, begin calling him ‘Cupido’: “Per hanc [id est concupiscientiam mundi] enim diabolus cum diversas hominum mentes capit et decepit, sic Cupido vocitari a luxuriosis suis sibi cultoribus coepit” (Tractatus, book 1, sermo 36, sect. 27; ed. B. Loefstedt, Turnhout 1971).
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(“Adelae Comitissae”;81 † 1137), a cultivated princess and generous patron of writers, who was the daughter of William the Conqueror and the wife of Étienne-Henri, count of the Blois-Champagne. In his poem Baldericus describes an imaginary suite of the Princess. On its floor there is a mappa mundi (v. 719 ff.); in the Africa continent are shown monstrous animals (“plurima monstra ferarum”, v. 927) and wild men (“silvestres homines”, v. 934), but without any details about the people. Near Adela’s bed, groups of ivory statues with a symbolic meaning: philosophy and the seven liberal arts. Like a beautiful maid (“virgo speciosa”, v. 1005) is shown the Arithmetic, who is counting with her fingers, while the numbers are summed, subtracted, multiplied or divided. At this point, Baldericus confronts a complex problem about a typology of the even numbers, but in a few and very unclear verses. His source, on this subject, is Boethius’ (c. 480–524) De arithmetica, whose prose treatment is not easy but at least intelligible. Boethius divides the even number in three types.82 An even number is called superfluus (i.e. overflowing), when the sum of the parts in which it can be divided is greater than the number itself; for instance, the number 12 is lower than 16, the addition of its possible divisions (6+4+3+2+1 = 16). On the contrary, an even number is called diminutus (i.e. lessened), when the sum of the parts in which it can be divided is lower than the number itself; for instance, the number 8 is greater than 7, the addition of its possible divisions (4+2+1 = 7). For the first case, Boethius quotes the example of the hundred-handed (centimanus) giant Briareus, “multis super naturam manibus natus”; for the second, the one-eyed Cyclops, who lacks something necessary for nature (“naturaliter quadam necessaria parte detracta”). The third even type is the numerus perfectus, which is equal to the sum of its possible divisions, like the number 6 is equal to 3+2+1 = 6. Boethius’ passage becomes Baldericus’ verses: Centipedes est esse homines modus immoderatus Necnon unipedem non modus et modus est; Alter enim parium nimium crassatur abundans, Alter inops et egens deficit a quod erat. (vv. 1015–1019) 81 82
Cf. Boudri de Bourgueil, Poèmes, vol. II, ed. J.-Y. Tilliette, Paris 2002, pp. 1–43. Cf. De arithmetica, book I, chap. 19, in PL 63, 1097–1098. A similar division in De Genesi ad litteram by Augustinus, who calls the first type’s even numbers plus quam perfecti, and those of the second type imperfecti (in PL 34, 298, book IV, chap. 2, section 5); the perfect number is the number six, the creation’s number, cf. “Perfecto ergo numero dierum, hoc est senario, perfecit Deus opera sua quae fecit” (ibid., section 6). This typology actually starts from the number six, which as God’s work number must be perfect.
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A literal translation is impossible, but a paraphrase may be offered. Being hundred-footed is an excessive measure, also being one-footed is a measure, but not the right one. The first even number is too much thick because of superabundance; the second one, needy and poor, loses its own nature. Baldericus replaces Boethius’ classical mythology by a uniped being (from which also centipedes instead of centimanus), which he may know from one of the sources used for his poems, like Plinius, Isidorus or perhaps also Martianus Capella with his animals’ classification (as seen above). “Wer Hugo von Mâcon [de Matiscone] war, ist nicht bekannt”, is written at the beginning of the introduction by the excellent editor83 of his poem, Gesta militum (or De militum gestis memorabilibus), composed (middle of 13th century) in elegiac distiches and formed by nine books. In the seventh book, the knight, the poem’s protagonist, and his squire meet a town’s warder, who has a wooden foot, shows a terrific look and holds a wooden club with three knots. In a field nearby the knight sees many hens picking up corn: all the birds are uniped! The brave knight becomes terrified in front of this abominable “unipedness”, for which he creates a new adjective (unipedalis): Ianitor occurrit illis, pes ligneus illi, terribilis visus, clava trinodis erat. Area lata fuit, iacet illic farris acervus. gallorum proles plurima grana legit. Unipedis fuit omnis avis; previsa perhorret miles, formidat unipedale nefas. (vv. 242–248)
After a sleepless night, our hero receives an explanation from the man who has given him hospitality. The warder was once a fearless knight, who lost his foot in a unlucky struggle,84 like some warriors we will find in the Icelandic sagas. As for the hens (gallinacea proles, v. 269), which can only move limping or lie (pedibus iambicat, egra iacet, v. 270), the host stresses the usefulness of such a condition: the hens become fat quickly, eat quickly, and lie quickly after eating; that is their only “labour”!85 We can therefore an-
83
84 85
Cf. E. Könsgen, Die Gesta Militum des Hugo von Mâcon. Ein bisher unbekanntes Werk der Erzählliteratur des Hochmittelalters, 2 vols., Leiden et al. 1990. Quotation, vol. I, p. 1. Cf. vv. 265–266 “sub iniquo sidere bellans / fit pede correptus”. Cf. vv. 271–272 “cito pinguescit [scil. gallinacea proles], cito sumitur, esum / festinat recubans, hic labor unus adest”.
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ticipate the profit from the battery hens at last to the 13th century: the Middle Ages are full of surprises. In the field of Christian commentaries of the Old Testament, we find a unusual etymology. The treatise Quaestiones Hebraicae in Libros Regum et Paralipomenon has been ascribed, but with scarce probability, to Hieronymus Stridonensis (c. 350–420). There, in the comment of the first book of Paralipomeni (o Chronicles), for the passage 1,40, we read that the name Sephi, Sobal’s son, has to be interpreted as unipes;86 in the same work is also quoted the meaning of his father’s name: “Sobal interpretatur, spica”.87 The etymological proposal related to Sephi is not confirmed by any of the authentic Hieronymus’ work, like, for instance, his De nominibus Hebraicis,88 where only the name of Sobal occurs, but with a different interpretation: “Sobal, vana vetustas, vel vectes ad portandum”.89 The etymon of Sephi as “unipes” is repeated ad verbum in two medieval commentaries of Paralipomena. Rabanus Maurus, in his Commentaria in libros II Paralipomenon, says: “Sephi autem filius Sobal in Paralipomenon legitur unipes”;90 likewise Walafridus Strabo, in his Liber Paralipomenon Primus (chap. 1): “Sephi. Id est, unipes”.91 Not by chance, the explanation of this name, which was clearly in fashion in the 9th century, is missing in later commentaries. A better luck seems to have had the etymon (or better the etymons) of Sobal. Already Augustinus, in his comment of Ps 59, notes “Sobal interpretatur Vana vetustas”92 and, in contrast with “old age” of the etymon, explains diffusely that only Christ gives a new life. Rabanus Maurus accepts also the etymology of the true Hieronymus, though with a lectio facilior (“vestes” instead of “vectes”), to whom he adds the Augustinus’ christological exegesis; in Rabanus the etymon is: “Mystice autem Sobal iste, qui interpretatur vana vetustas, vel vestes ad portandum”.93 Walafridus 86 87 88 89
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Cf. PL 23, 1328. Commentary to I Paralip. chap. 4, vers. 1, in PL 23, 1371. A kind of onomastic dictionary with the meaning for every item. So in PL 23, 785. The work has been edited, in later years, with the title Liber interpretationis hebraicorum nominum, by P. de Lagarde, Turnhout 1959. Therefore Sobal may be interpreted as “useless / fruitless old age”, or as “a carrying pole”. Vana vetustas seems an echo of the Latin classics, because it appears, for instance in M. Annaeus Lucanus, Bellum civile, book 4, v. 590 and book 10, v. 239; repeated also by Augustinus, Enarrationes in Psalmos, PL 36, 723, “vana vetustas”. PL 109, 286. PL 113, 663. Enarrationes in Psalmos, (in Ps 59, vv. 1, 2), PL 36, 715. Commentaria in Libros II Paralipomenon, PL 109, 294–295.
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Strabo hands down more faithfully Hieronymus’ passage (but with “vectis” instead of “vectes”) and follows too a mystic interpretation: “Mystice autem Sobal, id est vana vetustas, vel vectis ad portandum”. But later on, in the same treatise, Walafridus quotes both the etymons, supposed, at the time, to be both by the Hieronymus’ hand: “Interpretatur autem Sobal spica, vel vana vetustas”.94 Again in the first half of the 9th century and in the Fulda cultural milieu, worked Haymo Halberstatensis,95 who in the comment of Ps 59 quotes one of the etymons: “Sobal namque vana vetustas interpretatur”.96 This tradition goes on for centuries, since, Rupertus Tuitiensis (c. 1070–1129/30) repeats the same etymology (always about Ps 59), with the addition of a significant noun for his symbolic interpretation: Hoc fecit eis cum prius fuerint Syria Sobal id est sublimitas uanae uetustatis. Et conuertit inquit Ioab. Ioab interpretatur inimicus quod uidelicet et nos omnes fuimus sed conuersi sumus in amicos quia per Christum reconciliati sumus.97
We may conclude that Sephi, Sobal’s son, is mentioned in the Bible only as progeny of Sobal who is far more important than his son. The etymology of Sephi as “unipes”, though uncommon and intriguing, seemed not so very interesting to all the commentators but to the diligent students as Rabanus and Walafridus. In the section about Greek texts, we mentioned a few Gospels’ passages related to “man with one foot” (claudum Mt 18,8; Mk 9,45). In an epistle (probably 13th century) there is a precise reference to this terminology. The author is dealing with the difficulty of conciliating this world with God’s Kingdom; in this situation, people have to choose in the present the heavenly Kingdom, and therefore: sit que uobis satius luscum, mancum et unipedem ire in regnum celorum quam duos uel oculos uel manus uel pedes habentem mitti in gehennam.98
The free reference to the Gospel contains the very uncommon term unipes, also unusual is the quotation of all the three bodily impairments at the same time. 94 95
96 97 98
Cf. Liber Paralipomenon Primus, PL 113, 636 and 638. Disciple of Alcuin and after of Rabanus Maurus, who was his friend and to him dedicated his De Universo; monk in Fulda, after abbas Hersfeldelsis in 839; at last bishop of Halberstadt between 841–853. In Psalmum LIX, PL 116, 393. De sancta trinitate et operibus eius, ed. R. Haacke (Continuatio Mediaevalis 22), Turnhout 1972, book 25, p. 1369. Cf. Epistularium Guiberti – Epistulae Guiberti, eds A. Derolez / E. Dekkers / R. Demeulenaere (Continuatio Mediaevalis 66–66A), Turnhout 1988–1989, epist. 10, line 230 ff.
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The loss of a leg had not the same inspiring gift as the loss of an eye. In the monastic field we find a particular spread of the hybrid term monoculus, related to the Gospel’s passage, but developed in a metaphorical and mystic sense. Only two examples will be quoted. Philippus de Harveng, Premonstratensian monk (dead in 1182), in his De institutione clericorum, chap. 78, tries to explain who and what is a ‘monk’: Monos enim unus sive singularis interpretatur, unde qui a pluralitate populi, quietis gratia separatur, recte monachus appellatur. Sive ut quidam volunt monachus quasi monoculus dicitur, id est unum tantum oculum habens. Qui enim prius quasi gemino oculo utebatur, dum et mundum appetere, et tamen Deum diligere specialiter videbatur, nunc rejectis omnibus quibus temporaliter solebat delectari, sola coelestia indiviso desiderio diligit contemplari. Et quia clausit, imo eruit et projecit oculum, quo ea quae mundi sunt, avidius appetuntur, eum autem retinuit et mundavit, quo coelestia cognoscuntur, recte monachus quasi monoculus meruit 99 appellari, qui bonae caecitatis ignominia non abhorruit gloriari.
Monk (monachus) is linked with one (monos) or single, since he decided to separate himself from the other people; and monachus is also said one-eyed (monoculus). Men have two eyes, because one eye looks at the world, and the other one at the heaven; only the latter is useful to the monk, who does not look anymore at this world, but chooses with joy for himself the “bona caecitas”. In this passage, like in the Epistula Guiberti, the focus is on the opposition, already so clear in the Gospel. In the same direction, but more in the form of an apologue than of a treatise, develops the narration of Helinandus Frigidi montis, who in his Chronicon (among the events of 1184) tells the story of Petrus, an abbot happy for being one-eyed. The narration begins like a fairy-tale, “Florebat hoc tempore Petrus monoculus abbas Claraevallensis”.100 Many pages are devoted to the life of this holy Cistercensian monk and later abbot. When he was already an abbot, he caught a strong headache, and became blind in an eye: et factus est monoculus. Qui postea iocando dicere solebat, unum se de inimicis suis evasisse, et se a residuo magis quam a perdito formidare.101
The holy man’s pun is witty, but the topic is very serious: even if a man is one-eyed, he must be very careful that his only eye looks towards God and not towards the world. 99 100 101
PL 203, 770. Italics mine. PL 212, 1070. PL 212, 1077.
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We can conclude that, both in the ethical exhortation and in the hagiography, the monoculi overcome the unipedes, who were perhaps felt as too much connected with an old myth.
3. One-footed men and beings in Old Icelandic literary tradition One-footed men and/or beings are referred to in some Old Norse texts. For them may be used the compound noun ein-fǿtingr ‘uniped, person with one foot’ or other lexemes of the same lexical family (like the adjective ein-fǿtr or the compound etnonym Ein-fǿtinga-land ‘Uniped Land’), that are loan translations or calques from Latin. Sometimes the physic characteristic is stressed with a circumlocution without using one of the traditional terms. The more relevant passages,102 we are about to analyse, have been divided according to their typology. Some passages come directly from Latin sources, more or less faithfully translated. For instance, the few lines we read in a section about gigantic and in some way exotic peoples, preserved in an anthological old work (cod. AM 194, perhaps from 1387), where it is also quoted the Greek name of the one-footed people: Grikir kalla einfẻtinga Skioppodas, þa er med féti sinum skyGia ser vid solo, þeir ero skiotir sem dýr.103
Hence Greeks calls them Sciopodes (and not Sciapodes), because they shade themselves with their feet from the sun; they are also swift as animals. The passage reminds the above quoted Isidorus’ sentence, but in the Latin text the comparison with animals is missing. Very similar appears their presentation in one of the didactic text of the Hauksbók: Ein foetíngar hafa sua mikinn fot við iorð at þeír skykgia ser i suefní við solo.104
Here the foot’s width is stressed, like in the Latin sources, but the latter do not say that the uniped shade himself while he is asleep. The same Norse text, a little later, adds that “this people is in Africa” (su þioð er i Afrika). 102
103 104
My thanks to dr. Simonetta Battista, who sent me, from Copenhagen, a copy of the index-cards from the archive of the “Ordbog over det norrøne prosasprog”. Only a part of this material has been used for the items ein-fǿtingr and ein-fǿtr (third volume of this dictionary). Cf. Alfræði íslenzk. Islandsk encyklopædisk litteratur, vol. I, ed. Kr. Kålund (STUAGNL 37), København 1908, p. 35, lines 15–17. Hauksbók, eds Eiríkur Jónsson/Finnur Jónsson, København 1892–1896, p. 166.
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A different typology is attested in other texts in reference to maimed human beings, who have lost a foot or a leg in an accident, in occasion of a strife or a war conflict. The Old Norse laws, when inflicting a penalty, considered the previous conditions of the victim. The penalty, therefore, changed in the case of the cutting a hand to a man who already has only one hand or foot.105 In the sagas, the theme of losing a foot in a fight is attested more than once, though in different narrative contexts. In the Grettis saga Ásmundarsonar,106 one of the most famous among the Sagas of Icelanders, Önundr (forefather of Grettir), who took part in the colonisation of Iceland around 900, loses a leg, cut off under his knee, in the Battle of Hafrsfjörðr against Harald Fairhair, king of Norway. Önundr’s wound heals and he was able to walk using a wooden prosthesis, hence his nickname tréfótr ‘Tree-foot’ (chap. 2). He was so brave that only a few of the two-legged persons were able to equal him (chap. 10), so that, when he died of old age, the saga praises him with the following funeral eulogy: “hann hefir frœnastr verit ok fimastr einfœttr maðr á Íslandi.” The praise of his courage was obvious, while more unusual is being remembered as the swiftest uniped in Iceland. In the later Hectors saga, an Icelandic riddarasaga (between 14th and 15th century), Alanus, one of the seven knights of the story, fights against the queer Elvidius, devoted to magic art.107 A noise so great that the earth shakes, announces that Elvidius, riding a camel, is coming to the struggle. In the very dangerous combat, Alanus succeeds in striking, with his sword, his enemy under his thigh, so that Elvidius falls down ‘one-footed’ (einnfęttur) from his camel. In the Tristams saga ok Ísöndar108 (composed in 1226, but preserved by very much later manuscripts), the protagonist inflicts the same maiming to the giant Moldagóg, who pretends to be the owner of the forest (chap. 73). Tristam invades this wood and in the fight against Moldagóg, cut him, with his sword, a leg under his knee. The giant succeeds in saving his own life, 105
106 107
108
Cf. Norges gamle Love indtil 1367, vol. I, eds R. Keyser / P.A. Munch, Kristiania 1846, p. 307 (ein-hendr; ein-foettr); Norges gamle Love indtil 1367, vol. IV, ed. G. Storm, Kristiania 1885, p. 77 (ein-hendur; ein-fættur). For the text of the saga, composed in the earlier decades of 14th century, cf. ed. Guðni Jónsson (Íslenzk fornrit VII), Reykjavík 1936 (repr. 2001). Cf. the text of the saga in Late Medieval Icelandic Romances, vol. I, ed. Agnete Loth (Editiones Arnamagnæanæ, Series B, vol. 20), Copenhagen 1962, p. 117; for the struggle, ibid., p. 120. Cf. Die nordische und die englische Version der Tristan-Sage, vol. I, Tristam saga ok Ísondar, ed. E. Kölbing, Heilbronn 1878, repr. Hildesheim/New York 1978.
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but is obliged to give Tistam the right of entering the forest, where Tristam builds a kind of temple in honour of his sweetheart Ísondar. First, Tristam made a wooden leg for the giant (chap. 76); the problem is solved in the same way of the Grettis saga. Afterwards Tristam puts at the entrance of his building, and therefore for its defence, a statue of the giant standing on his single foot (chap. 80). In the Saga of Yngvarr,109 a giant too, but this time an anthropophagous one, is actually killed by Yngvarr and his companions, who cut off his foot, hard as wood, with axes, when the giant laid completely buried under his fallen house’s ruins. Later the Vikings carried his leg on their ship and preserved it with salt (chap. 6). Quite a different tone is found in a Christian work, the pages about life and martyrdom of proto-deacon s. Laurentius110 (Lavrencius, in the Icelandic text), where is also told the story of Hippolytus (Ypolitus), who had been Laurentius’ warder in jail, but later converted and baptized by him, and martyr himself. Chap. 11 is dedicated to a miracle ascribed to s. Hippolytus, like in the Latin source,111 which is followed by the Nordic text, but with considerable abbreviations and some variations. It is said that a man (called Petrus in the source) who sinned ploughing his fields in a festival day, when it was forbidden, so that he was hit by a fire coming down from height, which burned up his foot and leg for heavenly punishment. But when the unlucky sinner asks forgiveness and help in a church (not far from Arles, according to the Latin source) dedicated to the Virgin Mary, a miracle happens. The Virgin herself appears together with s. Hippolytus, who, by her order, joins the leg to the man’s body, so that everybody can see that the man, who was uniped a little before (er fyrre lytle var einfættur112), has again two legs and two feet. The Nordic paraphrase adds einfættur (‘one-footed’) that is not specified in the Latin source.113 109
110 111
112 113
For the text of the saga, perhaps composed in the 13th century, cf. Yngvars saga víðförla, in Fornaldarsögur Norðurlanda, vol. III, eds Guðni Jónsson / Bjarni Vilhjálmsson, Reykjavík 1944, pp. 365–394. For the text cf. Reykjahólabók. Islandske Helgenlegender, vol. I, ed. Agnete Loth (Editiones Arnamagnæanæ, Series A, vol. 15), København 1969, pp. 247–272. For the source cf. Acta Sanctorum, Aug. III, pp. 14–15. The story of the two martyrs is present (between the 8th and the 10th century) in the Martyrologia of many authors of great renown and often in the Germanic (English and German) milieu, like in the Martyrologia by Beda, Rabanus Maurus, Ado Viennensis, Usuardus (Huswardus), Notkerus Balbulus. Cf. ed. Loth, cit., p. 270, line 2. The term ‘uniped’ is missing in the Latin source, cf. “duos habere pedes, et duo crura Petrum reperiunt” (AASS, Aug. III, p. 15, col. 15C).
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The sagas show also the existence of beings born monopod, and therefore belonging to a group different from the human race. In this respect, the Vilhjálms saga sjóðs114 seems very rich of novelties, especially at the beginning of chap. 25, where the unipeds are also oneeyed like cyclops. A great noise shakes the earth (like in the Hectors saga) and soon after appear two strange beings with a single eye in the middle of their forehead and with a single foot (foturenn), very long and standing on a wide base from which the toes spring out. The two creatures walk jumping and leaning themselves to a pole. Everything dies where they are passing through. The lion, companion of the protagonist, breaks one of the unipeds (einfætingurenn) to pieces. Vilhjálmr defeats the other one, but when he asks for mercy, he is saved and, in exchange, must give Vilhjálmr a stone, which has the power of making people invisible. From the careful, detailed description of the two fights we infer that the strategy against unipeds consists in breaking as soon as possible their pole, so that they fall down and can easily be crushed. Some narrative unipeds’ topoi are lacking here: they are represented standing; the foot’s width seems useless both for moving and for shading. On the other hand, more space is given to magic: the noise and the earthquake before unipeds appear; their destructive power; their stone with extraordinary faculty. The use of a pole as a support for walking is also attested (as we will see) by some medieval unipeds’ representations. The Eiríks saga rauða has been purposely left as the last one, because is the most interesting for our topic. The well-known episode of the encounter with a uniped (at the beginning of its chap. 12115) is located in Vínland (soon after 1000 A.D.), when Þorfinnr karlsefni, the leader of the expedition, has already decided (chap. 11) to leave the new land and come back to Greenland after the last, bloody conflicts against the natives called Skrælingar. Karlsefni with a few companions leaves the main body of the expedition and sails in search of Þórhallr veiðimaðr (i.e. the Hunter). They go northwards, until they enter a river-mouth and cast anchor on the southern shore. 114
115
This saga (late 14th–15th century) is edited in Late Medieval Icelandic Romances, vol. IV, ed. Agnete Loth (Editiones Arnamagnæanæ, Series B, vol. 23), Copenhagen 1964, pp. 3–136; for chap. 25, ibid., pp. 57 ff. For the saga cf. the editions: Eiríks saga rauða, ed. Matthías Þórðarson (Íslenzk fornrit IV), Reykjavík, 1935, repr. 1985, pp. 195–237 (our passage, pp. 231–232); Eiríks saga rauða. Texti Skálholtsbókar AM 557 4to, ed. Ólafur Halldórsson (Íslenzk fornrit IV), Reykjavík 1985, pp. 403–434 (the first section of chap. 12, pp. 431–432).
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At this point, begins the narration we are interested in, with a fairytale incipit. “It happened one morning” (Þat var einn morgin) that Karlsefni and his men, being at anchor on the river’s shore, saw a bright fleck moving toward them. They shout against it and, when it approaches, they perceive it is a uniped (einfœtingr), moving with great speed towards the shore. The uniped shoots an arrow, which hits, at the lower adbomen, Þorvaldr, son of Eiríkr the Red, who is at the rudder. For the swiftness of both the uniped’ motion and of the arrow are used two forms of the same verb (skjóta). Þorvaldr pulls out the arrow, comments his wound and, before dying, prophesies that they will not be able to enjoy the fruitful land they have discovered. The wise Þorvaldr’s consideration116 has here a quite specific narrative function: in such a solemn context, just before his death, Þorvaldr’s words enhance Karlsefni’s decision of coming back home, a choice not shared by all the members of the expedition. Only here a uniped is presented not only as a swift, but as an aggressive being with a dangerous arm, he is skilful in throwing. The uniped’s figure, which appears like a vision, kills and disappears at the same speed, stresses this land’s risks, adds to the Skrælingar a new dreadful element, which is also involved in a mysterious air of magic, so that he strengthens the ineluctable necessity of leaving Vínland. The story goes on narrating that the uniped fled away in jumps (two forms of the verb hlaupa ‘to jump’ are used twice in three lines). Karlsefni and his men follow him, lose often sight of him because of his swiftness, the last time they see him he is jumping towards the bay. At this point, Karlsefni, always prudent, decides to leave him go and go back to the ship. At this point, too, one of these men sings (and therefore improvises) a ditty, formed by four long verses. The poetic composition summarize the outlines of the adventure: men went chasing (v. 1a); a uniped (einfœting) from above to the shore (v. 2), extraordinary man takes running (v. 3) swiftly on uneven ground (4a).117 The narrative trend of the ditty is broken, in the beginning, by a parenthetic clause with a protestation of truth from the poet (allsatt var þatt ‘this is true at all’, v. 1b), and is closed by a warning: heyr, Karlsefni, that does not mean only “ear me”, but also “consider, Karlsefni” what has happened. 116
117
His last words may be compared with passages of other Nordic texts, as proposed by R. Perkins, The Furðurstrandir of Eiríks saga rauða, Mediaeval Scandinavia, 9 (1976), p. 87, footnote 46; for our passage cf. ibid., pp. 85–87. In 4a (hart of stopir), stopir is a hapax (cf. ed. Ólafur Halldórsson, Formáli, p. 363), for which have been advanced various interpretations.
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The appearance of a strange being, endowed with hidden powers and source of fatal consequences, must be a serious warning for the responsible of the expedition. The saga’s author, who has always presented Karlsefni in a very positive way, shares with him also the sad but necessary giving up of the adventure, and supports him too with this last poetic warn. In this perspective it is no more so indispensable deciding if these verses belongs to the saga’s author, if they come from an other text, or if this ditty was originally about a man without a foot and later transformed into a uniped.118 From an ancient legend, seventeen centuries old, a one-footed, very swift creature has moved to this saga’s pages, and here too – as sometimes in Latin, as perhaps earlier in Alcman’s Greek – he is raised to the honour of poetry. The einfœtingr of Vínland becomes here violent and dangerous with a mortal blow to a foreigner; more emphasis is given to his extraordinary speed jumping on a single foot, which loses his sunshade’s function. Vínland conquers a new region, called Einfœtingaland, where the sun is warmer than in Greenland, even if not so hot as in Africa. Karlsefni and his men come back (the saga’s prose continues), going north, and, though they believe to have seen the “Uniped Land” (Einfœtinga-land), they do not want to expose their group to risks. As Einfætinga land this region is mentioned also in the Þjalar-Jóns saga119 (perhaps 14th century), in a long list of exotic countries, among whom also the lands of the giants and the pygmies. For some critics it seems to be matter much to stress that the Uniped Land of the Eiríks saga it is a mere fantasy. Actually is a matter of perspective. Karlsefni (or the saga’s author) seems to be a second Adam in that he is a ‘names’ giver’. He takes care to give a name to so many places of the new world they are seeing and, in small part, exploring. If (as chap. 12 tells) Karlsefni and his men believe they have met a uniped, it is not strange at all that they have given the name of the uniped to a region or district. Obviously, from our point of view, neither unipeds nor unipeds’ land existed, but this legendary creature and people have existed for centuries in literature, in stories and in the tradition. Many explanations may be advanced. Perhaps a native, swift in running and skilled in shooting arrows, has been mistaken by Karlsefni and his men as one of the fabulous creatures they have heard of. Perhaps the saga’s au118 119
A list of hypotheses on the origin of the text can be read in the cited article by Perkins, p. 86. Cf. ed. Louisa Fredrika Tan-Haverhorst, Haarlem 1939, p. 12.
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thor introduces this strange being for creating more suspense or because he believes that Vínland has something to do with Africa. But, if we wish to find an explanation, we must go back to a primary question: why and how is the unipeds’ myth born? As we have already seen, the unipeds have been located in Asia or Africa, with a meaningful geographic perplexity, along with many other people with unusual physical traits. Some of them, as pygmies or men of uncommon height, have real equivalent among African peoples. Perhaps the forced extension of some part of the face (as ears and lips), which take a singular look due to inserting something from a young age, may be ascribed to ethnic usages of other tribes. In relation to shading oneself with a part of one’s own body in lands with strong daily heat, a naturalistic notation may be useful. In the Kalahari desert (among South Africa, Botswana, and Namibia), one of the world zones with the highest thermic excursion, lives the diurnal ground squirrel (Xerus inauris), which shades itself with his long, thick tail, that it keeps folded and parallel to the ground, covering its back and head. It may be a chance, but the Greek word σκίουρος, which means ‘squirrel’, is formed by σκιά ‘shade’ and a derivative from οÙρά ‘tail’, and therefore, literally means the animal ‘which shades itself with its tail’. This animal’s peculiarity is also stressed in the few hexameters dedicated to it by Oppianus (late 2nd century A.D.), in his poem Cynegetica.120 A loan from the Greek σκίουρος is the Lat. scǐūrus ‘squirrel’; in Vulgar Latin, from its derivative form *scurǐus, comes the diminutive scuriulus121 (with dissimilation from *sciūriolus) and hence Engl. squirrel (ME squirel 122) and, in Romance languages (from a base *skiuru or *scuriu), Fr. écureuil (O.Fr. escurol, escuireul), It. scoiattolo.
120
121
122
“Relinquo etiam hirtum genus imbellis / sciuri, qui quidem aetatis mediae fervido / tempore caudara erigit velut tegumentum / nativae domus”, cf. Cynegetica, book 2, vv. 586 ff., ed. M. Papathomopulos, Monachii et Lipsiae 2003. Attested in the glosses, like in Hermeneumata codicis vaticani reginae Christinae 1260 seculi X, in Hermeneumata Pseudodositheana, ed. G. Goetz, Corpus Glossariorum Latinorum, vol. III, Lipsiae 1892, repr. Amsterdam 1965, p. 569, line 76. The loan takes the place of the older Germanic form, cf. OE ācwern (-weorn) (m); OHG eichhurn(o) and eichhorno, ModG Eichhorn (n.) and Eichhhörnchen (n.), OIc (and ModIc) íkorni (m.), from Germanic *aikurna- (m./n.), a compound noun of difficult and discussed interpretation.
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4. Sciapods’ iconography The Eiríks saga adds to the characterization of the Sciapods (single foot, shadowing and swiftness) the element of aggressiveness. But they are never described as “ugly” or “repulsive”, not even in this saga, which is not too kind in the presentation of the native people (Skrælingar), gifted with two feet but also uncharming looks (chap. 10). The unipeds’ representations, that are found from the Middle Ages on, are very useful in that they give us an idea of how they were imagined in those times. A number of Sciapods’ picture (around twelve) have been published by J. B. Friedman in his well-known book123 (1981), who seems more concerned to analyse the development of the monstrous races rather to a close reading of the photographic documents he has collected. With the help of this book’s illustrations and some others, we will try to elaborate a typological outline of the Sciapods’ representations. Friedman’s illustrations relate mainly to the 11th and the 13th centuries. Most of them are taken from manuscripts, where they are present as drawings on marginalia or inserted in a page; as an ornament of capital letters; as miniatures of various size; as a (small) image in the world maps;124 rarer, but clearer, are the uniped’s representations in stone carvings of medieval churches (in door, basement wall, pillars etc.). In most cases, the sciapod is not presented alone, but among people of other monstrous races. As far as the typology is concerned, the Sciapods have generally not a so ‘monstrous’ look. They are mostly naked; only a few times they wear a short tunic.125 Sometimes the sciapod is lying down,126 but, due to the tightness of page space, usually is shown sitting down with his leg stretching high. The uniped holds up his vertical leg with one or two hands, so that his foot, almost always huge, covers his head. In a few, but interesting occasions, the sciapod is standing. For instance, in a manuscript,127 in a panel, two sciapods are shown. One of them, younglooking and with short, wavy hair is sitting, holding up his leg with his left 123
124 125 126 127
J.B. Friedman, The Monstrous Race in Medieval Art and Thought, Cambridge (Mass.)/London 1981. Cf. ibid. photo on the front cover of the volume, and illustrations nn. 7, 9, 11, 19, 22, 35a, 36, 37, 39, 49, 50, 60. For a list of other pictures not edited in the volume, cf. p. 245, footnote 8. We can quote here the maps, published in Friedman’s book, only when the sciapod’s figure can be seen clearly in the illustration. Illustrations nn. 22, 38; in n. 60, a fresco of Råby Church (Denmark; c. 1500). the sciapod is “clothed in a scholar’s robe” (Friedman, p. 205). Illustrations nn. 7, 11, 37, 39, 49. Sion College Bestiary, London, f. 118 (Friedman, illustration n. 9, p. 17).
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hand and (with his right hand) his foot, over which shines the sun: a plain, coloured circle. Behind his shoulders the older second sciapod with a short beard and longer hair, stands on his single leg and his hands have such a position (left hand’s forefinger lifted up towards the sun, right hand raised and open as for warning) that he seems to be teaching the younger why and how he has to take this position and, at the same time, to approve his companion’s posture. In an Oxford manuscript128 too, among other monstrous races, the sciapod is set in the middle of the scene, standing on his single, long foot, naked, with long hair, long beard, and hairy body; with his left hand he holds a staff leaning on his left shoulder. He is the only sciapod carrying a weapon in Friedman’s selection of images. A sciapod’s foot is obviously of a larger size than his body; likewise his five toes, carefully delineated like his toe-nails, are thick and often jutting out as in a circle. As for the hair, it is usually short, but sometimes wavy and even crisp. The beard is present, besides the two already quoted instances, only once, in a pen drawing, on a leaf’s margin, where a notation on the right might be read as “monopes”.129 Does it refer to the name of the creature? If so, the noun form is interesting. In the previous texts we have met the plurals monopodes and monopedae; in singular the hybrid noun unipes in three instances. But never before “monopes” in singular. It could be the case of a hapax form. Ugly or monstrous details are rare. Most unattractive seems to be the only picture of a female sciapod, which is represented, contracted in the upper corner of a Psalterium’s page (13th century), with a huge foot and long, dark hair. An excess of sexual vitality is proved by the already quoted fig. 60, showing a sciapod clothed as a scholar, but with “prominent sexual organs”.130 The monopod is not seldom pictured like a good-looking young creature, much more pleasing than other monstrous races (one-eyed, dogheaded and so on). For instance, in fig. 11, where many strange people are represented, the sciapod is larger in size than other people, and appears like a young creature with curly hair, lying languidly and holding his cheek with his right hand, while his leg folded up with the left one.131 128 129
130 131
Bodleian Library MS Bodley 264, f. 260 (Friedman, illustration n. 50, p. 156). As far as I can read in Friedman’s illustration n. 7, p. 14: “Thomas of Cantimpré, De Naturis Rerum, London, formerly in the A. Chester Beatty Collection, MS 80, fol. 9, 1425”. Friedman, p. 206. Friedman, illustration n. 11, p. 20: “Bestiary, Oxford, Bodloeian Library MS Douce 88, Part 2, fol. 70r, thirteenth century”.
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Very similar in age and position seems the monopod’s figure shown in a page of another Bestiary of the same period:132 here he wears a funny cap on his head, and looks so pretty in his serene face that he could easily win the competition for the finest sciapod in the collection. The ugliest is undoubtedly the female figure we met before: the consequence of Eve’s sin is perhaps reflected also on the wrong sex’ sciapods. One of the oldest representations (dated 1150), which is also one of the few stone carvings133 is worth mentioning. The lying figure has great eyes, a short hair fringe; he holds up his right leg ending with a huge foot and supported by his two hands. But this peudo-sciapod shows also a second leg, the left one, ending with a foot of normal size, with the knee folded up near his left temple. If a sciapod is represented here, he is at least a very strange one with two legs and two feet, though of different sizes. We have to add at least a new document to Friedman’s rich selection. In a page of the fragmentary manuscript of the Icelandic Physiologus134 (about 1200), we find a “portrait” of a sciapod among many figures of other monstrous peoples. The page (AM 673 a I 4o, f. 2v) is not so easy to read,135 but the sciapod is clear enough. He is the second (from the right) in the second row of the picture page. The sciapod is drawn as a human figure: he is standing, clothed with a long sleeved tunic, fasted around his waist, bearing some ornaments on his wristbands, neck-opening and skirt. He has (perhaps long) hair and a short beard. This sciapod actually shows two legs, which come together on a large, solid basis or support (not in the shape of a foot) upon the ground. In his hands (left hand in the top and right one in the middle), he grips a long pole, diagonal across his body. In the pictures, previously examined, we have already found standing sciapods, or sciapods holding a pole or sciapods with two legs (and also without a single support). The figure of the sciapod in the Physiologus’ manuscript might be compared, in the context of the Old Icelandic texts, with the statue of the giant standing (but on a single foot) in the Tristams saga, and with the two sciapods holding poles in the Vilhjálms saga sjóðs.
132 133 134
135
Friedman, illustration n. 35a, p. 113: “Bestiary, Westminster Abbey Library MS 22, fol. 1v, thirteenth century”. Friedman, illustrations n. 37, p. 136: “Sciopod. Church of Anzy-le-Duc, Burgundy, 1150”. Cf. The Icelandic Physiologus, Facsimile edition with an introduction by Halldór Hermannsson (Islandica 27). Ithaca/New York 1938, repr. New York 1966, with photographs of the manuscript’s pages. Cf. ed. Halldór Hermannsson, Introduction, p. 14.
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5. Monopods/unipeds and Sciapods today The terms “uniped” and “monopod” (adjectives and nouns) are still used nowadays in very different contexts, often in a technical speech. “Uniped” may be related to people who have lost one foot (or also one leg) in an accident or in the war, or were born without a limb or part of it. The remedy for this loosing is prosthesis. Modern fantasies, born out old roots, are expressed by people who state they have seen the UFOs and sometimes describe them as unipeds. If referred to an object, “monopod” or “unipod” are called the single-leg stand (for a camera or film or TV camera). “Monopod” follows his career as technical term for metrical studies. In the field of archaeology, are called “monopod birds” the series of birds, pictured in profile and standing on a single foot (type “wire-birds”), like, for instance, the birds decorating the edge of a Greek kotyle (“small vessel” or “cup”), a piece of very valuable workmanship, preserved in the National Archaeological Museum of Naples.136 In the field of the art objects, again, the term “monopod” refers to a particular kind of small table with a single bronze foot (so disliked by Titus Livius as we have seen137), but apparently fashionable again in neo-classic furnishings. The great Italian literary critic Mario Praz (1896–1982) has been a passionate collector of furniture and objects especially of the neoclassic and Biedermeier periods for more than sixty years, and he furnished his house,138 now Mario Praz Museum,139 with the pieces collected in many places and countries. In his book La casa della vita140 tells the story of his collection’s gradual formation. In this highly original and important volume, where history and autobiography are mutually linked, no less than ten monopod objects are carefully described. Many of them have something to do with bronze and with more or less fabulous birds. Three bronzed wooden monopod swans support a small table or guéridon (p. 186); and monopod swans are the feet of a small tripod scent burner 136 137 138 139 140
The kotyle, a piece of pottery found in a necropolis near Maddaloni (Caserta), dates from the last quarter of the 8th century B.C. Cf. here above, 2.2, footnote 66 and its context. In Rome, Mario Praz lived at Palazzo Ricci, Via Giulia 147, from 1937 until 1969, when he moved to Palazzo Primoli. Palazzo Primoli, Via Zanardelli 1, Rome. Published in 1958, and later in an enlarged edition, Milano 1979 (from which I am quoting). The English version (The House of Life, 1964) is a translation of the first edition.
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in gilded bronze (p. 247). Winged and monopod feminine figures support a gilt bronze stand (p. 238) and a bronze scent burner (p. 341). Decorating the writing-desk are four couple of bronze monopod gryphons (p. 354) and the feet of two gilded stools are shaped as monopod griffons (p. 384). The lion too becomes uniped, a consolle is supported by monopod lions (p. 363), and a gilded bronze tripod is formed by three monopod lions (p. 366). And, like a symbol of the species, a bronze candlestick in foot shape decorates the reception hall (p. 326). Because of Praz’s devoted affection in collecting and describing these pieces from which he is surrounded, the monopod objects seem to become alive, like amiable and hospitable presences of his “House of life”. The modern literature could not resist the charming call of one-footed creatures. I will quote only two authors, who not by chance are (and perhaps have earlier been) scholars also in medieval field. The Voyage of the Dawn Treader141 (the third volume, in order of publication, 1952), of the series “The Chronicles of Narnia”, is a fantasy novel, “a story for children”, by the world famous writer and scholar C. S. Lewis (1898–1963). The human protagonists of the story are three children, Edmund and Lucy Pevensie, and their cousin Eustace Scrubb. In chap. 11 (“The Dufflepuds made happy”) of The Voyage, Lucy meets the Duffers (later called Dufflepuds), which were once “common little dwarfs”, afterwards made invisible and finally transformed into Monopods by Coriakin the Magician. At the beginning, being asleep, they appeared to Lucy as “very like to mushrooms, but far too big” (p. 141). But when The clock struck three. Instantly a most extraordinary thing happened. Each of the ‘mushrooms’ suddenly turns upside-down. The little bundles which lain at the stalks were head and bodies. The stalks themselves were legs. But not two legs to each body. Each body had a single thick leg under it .[....] and at the end of it, a single enormous foot – a bread-toed foot with toes curling up a little so that it looked rather like a small canoe (p. 142).
The first time Lucy saw them: They had been lying flat on their backs each with its single leg straight up in the air and its enormous foot spread out above it. She [Lucy] learned afterwards that this was their ordinary way of resting; for the foot kept off both rain and sun and for a Monopod to lie under its own foot is almost as good as being in a tent (pp. 142–143).
A description of their walking cannot be omitted: 141
Quotations from the edition in Peguin Books, Harmondsworth 1972.
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Of course these little one-footed men couldn’t walk or run as we do. They got about by jumping, like fleas or frogs. And what jumps they made! – as if each big foot were a mass of springs (p. 143).
In short, Lucy thinks that Monopods are “very nice” and that they should not change again. These Monopods, who are not the cleverest in the world, learn even moving on water with the aid of rude paddles, but mainly thanks to their foot: “The huge single foot of a Monopod acted as a natural raft or boat” (p. 147). Their name gives them problems. “They were also very pleased with the new name of Monopods”, “though they never got it right”. After having tried many names, they at last decide “to calling themselves the Dufflepuds; and that is what they will probably be called for centuries” (pp. 147– 148). This solution is not at all meaningless. These Lewis’ creatures have undergone a series of transformations on the Magician’s initiative, who is amusing himself in this way. The former dwarfs accept easily every transformation, but their essential nature is to be “duffers”, i.e. stupid and incompetent. They become monopod or one-footed by chance, but they are not born Monopods, therefore the name Lewis has chosen for them is representative both of their true nature and of their last and definitive mutation. Under the lightness of a fairytale, we are confronting the centuries old, philosophical and theological problem of the connection between substance and accidents. Plinius and/or St. Augustinus have been proposed as Lewis’ sources by da P.F. Ford, who mentions also one of his poems quoting the Monopods,142 written in the same period of the novel (second half of 1949). Lewis has certainly read the two authors, but it is well known how much he owes to his vast and deep knowledge of medieval culture, Germanic and not. The vessel of The Voyage is represented like a Viking ship143 “with the prow shaped like the head of a dragon” (chap. 1, p. 11), likewise it is a Viking custom to “hang out all the shields” at the ship’s broadsides (chap. 3, p. 47); and the bay the vessel is passing through “was like a Norwegian fjord” (chap. 5, p. 68). 142
143
Cf. P.F. Ford, Companion to Narnia, San Francisco 1983, s.v. Duffers, footnote p. 153. The poem is “The Adam Unparadised” cf. Lewis’ Poems, ed. W. Hooper, New York/London 1977, verses with Monopods, p. 43: “Or, some prodigious night, waked by a thumping / Shock as of piles being driven two miles away, / Ran till the sunrise shone upon the bouncing / Monopods at their heels”. At the beginning of The Voyage, and passim in the following chapters.
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In the field of Germanic mythology, when “Caspian winded his horn” (chap. 3, p. 668), reminds immediately the magic horn of the god Heimdallr;144 “the great Sea Serpent”, which encircles the boat and endangers it (p. 102), like the serpent’s later behaviour (chap. 8), are clear references to Miðgarðsomr or the World Serpent.145 At Aslan’s table, the food “is eaten and renewed, every day” (chap. 13, pp. 170–171). This passage has a double connection: it starts from a mythological information about the food of the einheriar in the Vallhöll, where they eat the meat of the boar, called Sæhrímnir, which is cooked (and eaten) every day, but at the evening is whole again and ready for the next meal;146 but the point of arrival is a metaphoric allusion to the Christian food of the Eucharist. We are introduced in the world of Beowulf by the adventure of Eustace with the dragon (chap. 6). The treasure’s description in the dead dragon’s lair (p. 78 ff.) reminds an analogue description of the dragon’s treasure, which is seen and partly collected by Wiglaf by order of the dying Beowulf.147 The loan from the old poem is not restricted to the mere description, but goes farther to the deepest meaning of the episode. In the Old English text, the poet inserts in the description his warning against the treasure’s danger: “Treasure, gold in the ground, can easily turn man’s head, hide it who will”.148 At the end of his adventure, Eustace understands the treasure’s vainness, slips from his arm the magic bracelet he has found in the dragon’s lair, and says (perhaps echoing Beowulf’s verses): “There it is, and anyone who likes can have it as far as I am concerned” (chap. 7, p. 94). The reader is introduced to the medieval world by the description of a manuscript with a full and detailed account also of his decorative aspects: “and round the big coloured capital letters at the beginning of each spell, there were pictures” (chap. 10, p. 130). The connection with Dante is, in my opinion, of greater consequence. I have found in the novel at least three direct references to the episode of Ulysses in the Divine Comedy.149 The second sleeper wakes for a moment
144 145 146 147 148
149
Cf. Snorra Edda, I, chs. 37 and 51. Cf. Snorra Edda, I, chs. 33, 46, 47, 50, 52. Cf. Snorra Edda, I, chap. 38. Cf. Beowulf, vv. 2752–2790a. I am quoting from my edition of this section of the poem in La morte di Beowulf, Roma 1982, pp. 35–37. Translation by S.A.J. Bradley, Anglo-Saxon Poetry, London et al., 1982, p. 484. Cf. Beowulf, vv. 2764b–2766 “Sinc ēaðe mæg, / gold on grund‹e›, gumcynnes gehwone / oferhīgian; hӯde sē ðe wylle”. Inferno, canto 26, vv. 85–142; cf. ed. N. Sapegno, Firenze 1960, pp. 297–302. In The Voyage, we find also a hint to the Homeric Ulysses: “‘Quite right’ said Ed-
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and says: “Weren’t born to live like animals” (chap. 13, p. 165), that is a (perhaps too) literal translation of a famous verse of the Ulysses’ speech to his company before the last voyage: “Fatti non foste a viver come bruti”.150 The possibility that the ship sinks at the world’s edge (as it was imagined in these times) and that the boat might climb up before falling for ever into the sea-abyss, echoes in The Voyage (chap. 15, p. 195) the last verses of the Dantesque episode (vv. 139–142). The voyage’s purpose is specified (in The Voyage) like wish of adventure and glory, with no material interest (chap. 12, p. 152); in the Divine Comedy Ulysses incites his men to the voyage “per seguir virtute e conoscenza”.151 Actually, the whole voyage of the three children appears like a transposition of the Dantesque text, in particular the last three chapters with so meaningful titles:152 it is a way through the land without people, toward a land no man knows until the very end of the world. Ulysses too urges his crew: “Non vogliate negar l’esperienza, / di retro al sol, del mondo senza gente”.153 “A long, tall wave” (p. 205), like a wall, leads the children’s ship beyond the sun, hence they see “a range of mountains. It was so high either they never saw the top of it or they forgot it”; “And the mountains must really have been outside the world” (p. 206). Also to Ulysses “n’apparve una montagna, bruna / per la distanza, e parvemi alta tanto / quanto veduta non ne avevo alcuna”.154 The Greek hero, though driven by and longing for knowledge, does not succeed in overcoming the obstacle and discovering what there is “behind the sun” (“di retro al sol”, v. 117); his ship, beaten by a whirl, turns three time around itself, then climbs up and sinks: “infin che ‘l mar fu sopra noi rinchiuso”.155 On the contrary, in the mystic Lewis’ perspective: “No one in that boat doubted that they were seeing beyond the End of the World into Aslan’s country” (p. 206), i.e. the land of God, the land of Christ.
150 151 152 153 154 155
mund, ‘like they did with Ulysses when he wanted to go near the Sirens’” (chap. 16, p. 203). “You were not born to live like mindless brutes”. (The English translation here quoted is by M. Musa, 1971, repr. 2003). Inferno, canto 26, v. 120; “but to follow paths of excellence and knowledge”. “The Beginning of the End of the World” (chap. 14), “The Wonder of the Last Sea” (chap. 15), “The Very End of the World” (chap. 16). Inferno, canto 26, vv. 116–117; “do not deny / yourself experience of what there is beyond, / behind the sun, in the world they call unpeopled”. Ibid., vv. 133–135; “when there appeared a mountain shape, darkened / by distance, that arose to endless heights. / I had never seen another mountain like it”. Ibid., v. 142, which is the last verse of this canto; “And then the sea was closed again, above us”.
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In the land the children meet a Lamb, a common symbol for Christ; he was “so white … that even with their [i.e. children’s] eagles’ eyes they could hardly look at it” (p. 208). “I am the light of the world”, Christ himself declares in John’s Gospel.156 This unbearable brightness is the sign of Christ’s divinity, which men’s eyes and mind cannot penetrate. At the end of his long travel through the three lands – of sin, penitence and holiness – Dante (again) goes through the same experience in the last verses of his Comedy. In the light of Paradise he perceives how the two natures, the human and the Divine, are united in Christ, but he cannot ‘see’ it: “At this point power failed high fantasy”.157 He reaches his goal, but only through an intimate contemplation of the mystery. In the novel, the Lamb, as in a Gospel, offers fish for meal to the children, but he tells them that there is a way into Aslan’s country from all the worlds; from our world “it lies across a river. But do not fear that, for I am the great Bridge Builder” (p. 209). In a famous passage of John’s Gospel, Christ announces that He is the way, the truth and the life158 and “no man cometh unto the Father, but by me”. Hence Christ is the bridge towards the Father. Only Christ (under the names of Aslan/Lion or Lamb) can show and create that salvation’s way, which Ulysses alone was not allowed and therefore could not perceive nor follow. Hence for the funny creatures called monopods, a specialist in Middle Ages like Lewis draws on perhaps other sources from the Old Germanic tradition, with whom he was so familiar, aiming – like Dante – at a higher goal. In such a view, the amusing adventure with the Monopods should be considered only like one of the experiences, the children – like every man – ought to go through their way towards higher aims and aspirations. In the times of Frederick I (Barbarossa; c. 1123–1190) and of the Fourth Crusade (1202–1204), is located the novel Baudolino159 by Umberto Eco. In his novel the monstrous races take up the last half of the book and are also quoted the names of authors – like Plinius and Isidorus – who wrote about them. During Baudolino’s dangerous and entangle travel toward Prester John’s kingdom, from a sea of high ferns, difficult to crossing, a one-footed crea156 157 158 159
Cf. Jo 8,12 “Ego sum lux mundi; qui sequitur me, non ambulat in tenebris, sed habebit lumen vitae”. “All’alta fantasia qui mancò possa”, Paradise, canto 33, v. 142 ; English translation by M. Musa. Jo 14,6 “Ego sum via et veritas et vita, nemo venit ad Patrem, nisi per me”. Milano 2000. English translation, with the same title, by W.Weaver, London 2003 (where the form ‘skiapod’ is preferred).’
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ture appears,160 which is fully described according to the pattern we have found in classic texts and in pictures. His single foot “was at least twice the size of a human foot”, “with square nails, and five toes that seemed all thumbs, squat and sturdy”. But unusually the one-footed creature is small: “he was the height of a child of ten of twelve years; that is he came up to a human waist”. The description of his head and face agrees with the positive impression we get from the pictures. The sciapod speaking a rough Greek says that his name is Gavagai.161 He has already eaten and hence he declines food, but lies down in the sciapods’ usual posture.162 In the following pages Gavagai becomes a good friend of Baudolino and his companions, and their guide in a world, of which he explains, in a “language all his own”, strange customs, inhabitants and secrets. We learn that there are also sciapod females, the only ones Gavagai is interested in.163 More complex topics are also treated, like the remarkable theological discussion between Gavagai and Baudolino about the nature of the Father and of the Son.164 The sciapods may be useful also for the war: they fight barehanded, but for their swiftness they can be used as assault squads.165 Gavagai takes part in Baudolino’s adventures, like the one with the satyrs-that-are-never-seen. When Baudolino falls in love with the handsome Hypatia (Ipazia, in the original text), but “from belly down” “with goatslike forms”, Gavagai acts as their go-between.166 In Baudolino’s struggle against the White Huns,167 the sciapods, trained by Gavagai, are chosen for bringing very quickly messages to the various squad. But, when the enemies come, the sciapods give no help at all, since, due to their atavistic instinct, they lie down on the ground and care only to shade themselves with their foot. Only Gavagai helps in defending, but things go very bad, because the monstrous races, which form the various squads, begin fighting among themselves instead of against their enemies. 160 161
162 163 164 165 166 167
Chap. 29, Italian text, p. 370; English translation, p. 363. The name ‘Gavagai’ is borrowed from Word and Object, Cambridge (Mass.) 1960, by Willard Van Orman Quine, who uses it like example of the indeterminacy of the translation. Quine’s invention becomes also the title of a book by D. Premack, Gavagai! or the Future History of the Animal Language Controversy, Cambridge (Mass.) 1986. Italian text, p. 371; English translation, p. 364. Italian text, p. 381; English translation, p. 374. Chap. 31, Italian text, pp. 404–405; English translation, pp. 398–399. Chap. 32, Italian text, pp. 416–417; English translation, pp. 410–411. Chap. 34, Italian text, pp. 447–448; English translation, pp. 442–443. Chap. 35, Italian text, pp. 452 ff.; English translation, pp. 447 ff.
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Baudolino flees from the town, but the faithful Gavagai informs him that Hypatia is safe.168 He remains his friend also when Baudolino is taken prisoner, for a long time, by the cynocephali;169 his visits are “the only moments of consolation” for Baudolino and his men.170 Gavagai contrives a means of escape for his friend, but in the meantime he is getting old, though Baudolino does not know how long may be a sciapod’s life. He sees that Gavagai does not run so quickly as he did, and “at the end of his run he is panting”.171 Gavagai prepares everything for his human friends’ flight, but, for a misunderstanding, he is not able to follow them. He stops against the enemies, succeeds in killing some cynocephali with the darts he throws while he is laying on the ground, in his people’s well known position. When his darts are over, Gavagai is pierced by his foes’ swords and dies.172 The sciapod is present in around a fifth of the novel. At his appearance in the book, he is introduced according to the usual topoi – single foot, swiftness, and shading. But, in the course of the narration, Gavagai gradually shifts from stereotype to the status of a person. His first meeting with Baudolino begins under favourable auspices, then is developed in ever deeper attachment for the man, whom Gavagai informs, guides, protects, helps, serves and lastly saves giving up his own life. Baudolino is affectionate to him, but always with a certain detachment and kind of superiority, very far from the spontaneous and sincere sentiment of Gavagai. At the sunset of the second millennium,173 we meet also a sciapod, who lived as a faithful companion and, for his friend, dies as a hero.
References Acta Sanctorum, ed. J. Bollandus et al. 18633–. Alfræði íslenzk. Islandsk encyklopædisk litteratur, vol. I, ed. Kr. Kålund (STUAGNL 37), København 1908. Aristofanes, Aves, vol. II, ed. with English version by B.B. Rogers, London/ Cambridge (Mass.) 1959. 168 169 170 171 172 173
Chap. 35, Italian text, p. 460; English translation, p. 455. Chap. 36, Italian text, pp. 464 ff.; English translation, pp. 459 ff. Chap. 36, Italian text, p. 467; English translation, p. 462. Chap. 36, Italian text, p. 469; English translation, p. 464. Chap. 36, Italian text, p. 471; English translation, pp. 466–467. The novel has been published in November 2000.
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Bechelaren contra Gnîtaheide. Zur Nibelungenrezeption in nordischen Liedern und im österreichischen Epos von ALOIS WOLF Obgleich die Nibelungensagen kontinentalgermanischen Ursprungs sind, haben sie im alten Norden in Dichtungen, Erzählungen, Bildzeugnissen und Anspielungen unterschiedlicher Art eine breitere Spur hinterlassen als auf dem Kontinent. Seit ihren Anfängen greift die Germanistik immer wieder auf diese reiche Überlieferung zurück, die im Norden eine dominierende Stellung erringen konnte. Füllten diese von außen kommenden Sagen eine Lücke, verdrängten und überlagerten sie Eigenes, und in welcher Bahn verlief die Entwicklung im Süden? Die Schlüsselstellung Islands ist evident. Auf der menschenleeren Insel konnte ab 900 ein neues bäuerliches Gemeinwesen entstehen, einmalig in seiner Art. Wie sich zeigen sollte, bot dieses Gemeinwesen günstige Voraussetzungen für die Bewahrung von Überlieferungen und die Auseinandersetzung mit ihnen. Die regsame Bevölkerung wandte sich früh der eigenen noch jungen Geschichte zu, um sich ihrer selbst zu vergewissern. Dabei rückten die einzelnen Siedler in den Mittelpunkt, wie die Fassungen der Landnámabók beweisen, was mit der Geschichtslosigkeit, die die Landnahme der südlichen Germanenstämme etwa im Alpenraum kennzeichnet, kontrastiert. Vom Selbstbewusstsein der isländischen Bevölkerung zeugt schon das erste Wort von Aris kleinem Geschichtswerk, der Islendingabók. – Nordals isländische Kulturgeschichte – Íslenzk menning – rückte demnach auch den einstakling, das Individuum, in den Mittelpunkt.1 Das lebhafte Interesse an Geschichte und Einzelschicksalen sollte nicht auf Isländisches beschränkt bleiben. Diese Entwicklung wurde auch dadurch begünstigt, dass die Isländer nach einem norwegischen Vorspiel im ausgehenden 9. Jahrhundert das Monopol in der skaldischen Dichtung übernahmen. Die Grundlage der elaborierten Metaphorik der Skaldensprache war der Mythos 1
Sigurður Nordal 1942.
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und das was wir Heldensage nennen. Die Dichter mussten daran interessiert sein, ihr Repertoire zu pflegen, was ein breites Einverständnis zwischen Skalden und Hörern voraussetzt. Davon profitierten auch außernordische sagenhafte Überlieferungen. Die Skaldendichtung, die sich auch aufgrund ihrer bewundernswerten Kunstfertigkeit großen Prestiges erfreute, wurde so zu einer wichtigen Stütze alter Sagen. Dass die Skaldik diese bevorzugte Stellung behaupten konnte, als das Christentum ins Land kam, hängt mit den besonderen Bedingungen, die auf Island gegeben waren, zusammen. Dazu gehören der – anders als im norwegischen Mutterland – friedlich vollzogene Übergang zum Christentum, auf Thingbeschluss hin, im Jahre 1000, und die bald darauf einsetzende gründliche Literarisierung. Dies bewirkte keinen Bruch mit den Überlieferungen aus der heidnischen Vorzeit. Die Götter und ihre Mythen büßten zwar ihre religiöse Bedeutung ein, sie blieben aber zusammen mit heroischen Überlieferungen zentrales Bildungsgut der Isländer. Snorri sollte noch im 13. Jahrhundert daraus ein Bildungsprogramm machen. Zwei Belege, die die Jahrhunderte überspannen und unmittelbar unser Thema betreffen, seien beispielhaft vorangestellt: die Ragnarsdrápa aus dem 9. Jahrhundert und zwei vísur aus dem Umfeld des norwegischen Königs Haraldr harðráði aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts.2 Setzen wir beim späten Beleg ein. Er findet sich in dem Geschichtswerk Morkinskinna, das um 1200 entstanden sein wird und norwegische Königsgeschichte behandelt. Es heißt da, dass der isländische Skalde Þjóðólfr, der sich am norwegischen Hof befand, gekk at strete með konungi. Die beiden werden Zeugen eines Streits zwischen einem Gerber und einem Schmied, der in Tätlichkeiten ausartet. Der König verlangt vom Skalden, er möge diesen Streit in einer Strophe gestalten und dabei auf Göttermythen anspielen: lát annan (der Streitenden) vera Geiröðr en annan Þór. Der Skalde entledigt sich dieser Aufgabe, der König, der offenbar etwas verstand von der Skaldenkunst, ist zufrieden. Hierauf verlangt er dasselbe noch einmal, nun auf heroische Traditionen bezogen, auf den Kampf zwischen Sigurd und dem Drachen Fáfnir, womit wir bei der Nibelungensage sind, was von deren Prestige zeugt, wenn Sigurd neben Thor stehen konnte. Man sieht auch, wie sehr sich die nibelungische Sage vom Drachenkampf dem Gedächtnis der Nordleute eingeprägt haben muss, was uns noch beschäftigen wird. Halten wir gleich fest, dass im Gegensatz dazu das Nibelungenepos sich weitgehend von der Drachentötung zu lösen vermochte und andere Schwerpunkte setzte.
2
Den norsk-islandske Skjaldedigtning, B1, S. 1 ff. Morkinskinna, S. 235 ff.
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Der andere Beleg, aus der Ragnarsdrápa, zielt auf das Ende der Nibelungensage ab. Auch da fällt auf, dass im Bewusstsein der Nordleute Heldensagen und Göttermythen sich auf einer Ebene befanden. Wenn die Ragnarsdrápa tatsächlich so früh anzusetzen ist, wäre diese Bewertung der alten Überlieferungen bereits der heidnischen Zeit zuzutrauen. Zusätzliches Gewicht gewinnen die Aussagen der Ragnarsdrápa dadurch, dass es sich um ein Schildgedicht handelt, d. h. dass bildlich Dargestelltes in Poesie übertragen wurde, die betreffenden Sagen und Mythen also über eine doppelte Verankerung in der Vorstellungswelt verfügten, was ihren Rang unterstreicht. Der germanische Süden hat auf diesem Gebiet nichts Nennenswertes aufzuweisen. Vier Szenen waren auf dem Schild dargestellt: Zwei aus dem Mythos, Thor, der die Midgardschlange herausfischt, und Gefjon, die Seeland von Schweden lospflügt; zwei aus der Heldensage, der nordischen Hildesage und der südlichen Jörmunrek-Überlieferung. Das besondere Interesse scheint dabei letzterer Sage gegolten zu haben, der Gestaltung der tumultuösen Szene in der Halle Jörmunreks, wie man das auch aus den nicht genau datierbaren Hamðismál kennt; die Sage war also im Norden bestens bekannt. Diese Szene stellt das Endglied in der Abfolge der Ereignisse der Nibelungensage dar, wie sie der Norden festgehalten und weiterentwickelt hat zum größeren Zyklus; wie weit der Süden da vorgearbeitet haben könnte, sei dahingestellt. Der Skalde, der im stef, Str. 7 betont, dass Ragnarr ihm den Schild und fjölð sagna übergeben habe, stellt diese Szene an den Anfang seiner dichterischen Umformung und widmet ihr vier ausgefeilte Strophen. Bei den Nibelungenstrophen der Ragnarsdrápa überrascht der hohe Anteil der offenbar als wertvoll empfundenen Eigennamen auf engem Raum: Jörmunrek, Randvér, Erpr, Sörli, Hamðir, Gjúki, Jónakr und die Umschreibung foglhild für Svanhildr. Es handelt sich dabei nicht nur darum, Fehldeutungen des stummen Bildzeugnisses auszuschließen. Diese Namen haben Eigengewicht. In ihnen wird Wirklichkeit gegenwärtig. Bedenken wir in diesem Zusammenhang auch den Nachdruck, den der Nibelungenepiker auf die kostbaren Namen legt; es beginnt schon in der ersten aventiure und findet seine Erfüllung in Hagens triumphierender Schlussaussage. Lenken wir zurück zu der Strophe, die König Harald von seinem Skalden verlangte, so fassen wir die beiden Eckpunkte der Nibelungensage, den Beginn mit Sigurds Drachenkampf und das Ende der Heldensippe in der Halle Jörmunreks und wir umspannen gut zwei Jahrhunderte Überlieferung. Der südliche Einfluss muss also erheblich gewesen sein. Wie stehen die autochthonen nordischen Überlieferungen dazu? Das Beowulf-Epos mit seinem dänisch-schwedischen Hintergrund hat im Norden keine Spuren
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hinterlassen. Interessant für uns die Bjarkamál, die auf die dänische Heldensage – Rolf kraki – Bezug nehmen und die Krieger am frühen Morgen auf den Kampf einstimmen. Die paar überlieferten Strophen enthalten nicht weniger als fünf Umschreibungen für das Nibelungengold.3 Von authentisch nordischen Traditionen hat sich kaum etwas in nordischen Liedern erhalten, was mit den südlichen Stoffen, vor allem aus dem Nibelungenkreis vergleichbar wäre. Das Zeugnis des Saxo weist zwar auf beachtliche eigennordische Überlieferungen hin, doch wie fest deren liedhafte Ausformung war, ist nicht zu sagen. Es scheint, dass die im Norden sich stark ausprägende Erzählform der Saga das Liedhafte verdrängt hat in den fornaldarsögur. Diese Entwicklung setzte offenbar schon früh ein, wie der Bericht über das Fest auf Reykjahólar zum Jahr 1119 zeigt.4 Es gerieten auch südgermanische Stoffe in den Bannkreis dieser Gattung Saga, wie das trümmerhaft überlieferte Hunnenschlachtlied in der Hervararsage belegt. In der erwähnten Episode vom Skalden am Hof des Königs Harald ist ein antiquarisches Interesse erkennbar und macht die Kunde von Altvergangenem zum dichterischen Spielmaterial. In diesem Zusammenhang ist auch auf einen typisch eddischen Liedeingang hinzuweisen, der ebenfalls Götter- und Heldenlieder auf ein und derselben fernen Vergangenheitsebene ansiedelt. Es ist der Liedeinsatz ár var alda, ár var …, der die Völuspá über weitere Helden- und Götterlieder hinweg, mit den abschließenden Hamðismál verbindet – dort leicht variiert in der Str. 2. Mit dem antiquarischen Interesse war es aber nicht getan. Die alten Mythen und Sagen saßen tiefer. Es gab auch einen gewissermaßen existenziellen Bezug dazu. Ein ergreifendes Beispiel bietet die Gísla saga. Der isländische Bauer vergleicht darin das für ihn verderbenbringende Verhalten seiner Schwester mit dem der Gudrun aus der nordischen Variante vom Burgundenuntergang. Die Bedeutung dieser Aussage wird dadurch erhöht, dass sie als Antwort auf eine einfache prosaische Mitteilung erfolgt, aus bedeutsamem Schweigen des Betroffenen emporsteigt und die feierliche Gültigkeit der Skaldenstrophe beansprucht. (Nebenbei bemerkt, ein Beleg für den hohen Rang der Skaldik im Bewusstsein der Nordleute.) Unmöglich, sich einen deutschen Bauern dieser Zeit an Gíslis Stelle vorzustellen! Unausgesprochen, aber deutlich erkennbar, bestimmt die nibelungische Problemkonstellation auch die heillosen Verhältnisse in den ehelichen Verbindungen der Laxdœla saga, Kjartan – Hrefna, Bolli – Gudrun. Und auch die historische Sturlunga saga weiß von einem Eingreifen der nibelungischen Gudrun in die isländische Bauernwelt zu berichten. Es heißt da zum 3 4
Den norsk-islandske Skjaldedigtning, B1, S. 170. Þorgilssaga ok Hafliða, S. 13 und 23.
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Jahr 1255 – man befindet sich in der Zeit bürgerkriegsähnlicher Verhältnisse –, dass der 16-jährigen Jóreiðr í miðjumdalr mehrmals eine Frauengestalt im Traum erschien á grám (!) hesti und Unheil voraussagte. Sie gibt sich schließlich zu erkennen als Guðrún Gjúkadóttir.5 Auch heidnische Göttergestalten konnten noch im hochmittelalterlichen Island ‘instrumentalisiert’ werden wie Vorzeithelden und -heldinnen. So berichtet die Sturlunga saga zum Jahr 1180, dass eine gewisse Þorbjörg, grimmúðig í skapi, sich mit einem Messer auf Sturla stürzte, um ihm das Auge auszustechen. Dabei sagte sie: hví skal ek eigi gera þik þeim líkastan, er þú vill líkastr vera – en þar er Óðinn! Es ist, als hielten die Nibelungensagen in der Vorstellungswelt dieser Menschen gleichsam das Monopol für spektakulär Unheilvolles und boten sich als Bezugskomplex dafür an. So ist auch Sigurd Nordals Vermutung zu erwägen, wonach die Untergangsbezogenheit, die die eddischen Götter – wie Heldenlieder bestimmt, nibelungischen Einfluss aufweisen könnte. Auch bei den Göttern geht es um Gold, das die Atlakviða rógmálm skatna nennt, um Eidbruch und Mord, was die Götterwelt ins Verderben stürzt.6 Ragnarök einerseits, die Halle Jörmunreks andererseits! Auch der andere Schwerpunkt der Nibelungensagen, die Sigurdgeschichte, hat weit hinaus über die Edda gewirkt, ebenfalls bis hinein ins bäuerliche Milieu. So ist z. B. in der Fóstbrœðra saga im Rahmen einer Aufzählung von Ahnen von einer Þóra die Rede, der Tochter Sigurðs orms-í-auga, dessen Mutter Áslaug war, die Tochter Sigurðs Fáfnisbani. Dass man Nibelungisches als wertsteigernd empfand, zeigt sich auch daran, dass sogar die dominierende norwegische Königssippe sich daran orientieren konnte. Der Osebergfund ist ein bildliches Zeugnis. Die Eiriksmál aus dem 10. Jahrhundert werten den ältesten Haraldssohn dadurch auf, dass Odin zwei Helden aus dem Umfeld der Nibelungensage, Sigmund und Sinfjötli, auswählt, dass sie den gefallenen König – der freilich bereits Christ war – nach Walhall geleiten. Betrachtet man die beachtlichen bildlichen Zeugnisse aus dem Norden, so konzentriert sich das Interesse auf die beiden Schwerpunkte der Nibelungensagen, auf Sigurd und den Burgundenuntergang: Sigurd in der Schmiede, Drachentötung, Tötung des Schmieds, Tod Högnis und die Darstellung Gunnars in der Schlangengrube. Das deckt sich mit der Anlage der Lieder in der Edda. Die Frauengestalten scheinen in den Bildzeugnissen zu fehlen, desgleichen der Mord an Sigurd. Aus der Mitte des 12. Jahrhunderts stammen die entsprechenden Hinweise, die der isländische Abt Nikolás
5 6
Meulengracht Sørensen 1988, S. 183, 197. Völuspá, S. 89.
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Bergsson in seinem Bericht über seine Pilgerfahrt ins Heilige Land gibt.7 Er nennt ebenfalls die beiden Schwerpunkte, die Drachentötung und Gunnars Schicksal im Schlangenturm. Den Drachenkampf lokalisiert er auf der westfälischen Gnítaheide. Ebenfalls aus der Mitte des 12. Jahrhunderts stammt der Háttalykill des Jarl Rögnvaldr, desselben Jarl, der auf seiner Südlandreise mit der Dichtung der Troubadours in Kontakt kam. An den Beginn seiner Exempla stellt er die wichtigsten Etappen aus der Nibelungensage: Drachenkampf, Tötung Högnis, Gunnarr, der den Hort im Rhein versenkt (nicht Högni!). Erst dann folgen die nordischen Stoffe: Fróði, Hilde, Rolf kraki …, was – aufschlussreich für das Geschichtsbewusstsein – nahtlos übergeht in die reale skandinavische Geschichte im Hinweis auf Harald Schönhaar.8 Rögnvald bezeichnet das von ihm Dargelegte ausdrücklich als forn fraeði und will damit Leute, die an nýtt mál interessiert sind, skemta. Es geht also um Wissen, fraeði, aus Vor- und Frühzeit. Die Seherin in der Völuspá präsentiert ihren Stoff ebenfalls als altes Wissen – forn spjöll fira, und von ihr heißt es, Str. 44 und 58: fjölð veit hon fraeða, was also Mythos, Heldensage und frühe reale Geschichte umfasst. Die südlichen Überlieferungen zum Drachenkampf und Hortgewinnung haben die Kunde über einheimisch skandinavische Untierkämpfe praktisch zum Schweigen gebracht, dabei werden im Beowulf zwei Seeungeheuer und ein Drache mit Goldhort liquidiert. Die Sage von Grettirs Unterwasserkampf gibt vielleicht ein schwaches Echo davon. Nun greift aber selbst der Sänger im Beowulf auf den Welsungen Sigmund und dessen Drachenkampf zurück, V. 870 ff. Er weist dabei ausdrücklich auf die Hortgewinnung hin, die im Beowulf nur sekundär hereinspielt. Die herausragende Stellung von Sigurds Drachenkampf ist im Norden auf beeindruckende Weise dokumentiert. Hinzu kommt, dass der Codex Regius, die eddische Hauptquelle, um 1270 geschrieben, auf eine Vorlage aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückgehen dürfte, womit man in die Zeit käme, in der Snorri Sturluson seine Edda verfasste, in der dieselben Überlieferungen einen prominenten Platz einnehmen; kaum zufälliges Zusammentreffen. Man kann darüber spekulieren, wie es zur Herausbildung des Mehrwerts dieser südlichen Traditionen kommen konnte. Die im Frühmittelalter sich abzeichnende Dynamik des fränkisch-burgundischen Raums, die das kontinentale Europa neu gestalten sollte, und als deren Folge spektakuläre und sagenverdächtige Ereignisse nicht fehlten – siehe Gregors Frankengeschichte – wird zur Aufwertung entsprechender Überlieferungen beigetragen haben. Das Zeugnis der bedeutenden Namen 7 8
Alfræði íslenzk, S. 13 und 17. Rögnvaldr jarl, S. 487 ff.
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spricht dafür. Die Verbindung von Mord und Intrigen, Gold, Verrat und gebrochenen Eiden war in der historischen Realität gegeben und konnte nach heldenepischen Mustern geordnet werden. Die Projektion der Geschehnisse auf eine einzige Vergangenheitsebene ermöglichte die Einbeziehung weiterer Überlieferungen, z. B. aus dem Ostgotischen. Die bevorzugte Stellung des Südens zeigt sich in der Anlage der Edda und in der Prosa, die von den Helgiliedern zur dann dominierenden Nibelungensage führt. So heißt es von Sigmund, dass er Dänemark verlässt und suðr í Frakkland zieht. An einem Punkt der Entwicklung trat zu dem fränkisch-burgundischen Stoff das Motiv der Drachentötung hinzu. Dass Sigfrid/Sigurd dieser Ruhmestitel zuteil wurde, können wir nur akzeptieren und uns auf die archaischen Muster zurückziehen, worin der Sieg über ein Ungeheuer ein wesentlicher Bestandteil des Heldenlebens ist. Mit Arminius hat das nichts zu tun. Weitere Angaben erhärten den fränkischen Hintergrund: Sigmund gewinnt Hjördís in Frakkland; ihr Sohn Sigurd wächst bei Hjálprekr (Chilperich) auf. Von ihm heißt es: oc hann kalla allir menn í fornfrœðum um alla menn fram oc göfgastan herkonunga. Der Vorrang Sigurds bestimmt auch die Anlage der Liedersammlung. Der Sammler hat eine beachtliche Anzahl von Liedern zusammengetragen; dazu kommt die Wirkung Sigurds in einem weiteren Umfeld. Die breite zeitliche Streuung der Lieder und der Anspielungen auf Sigurd erhöhen die Bedeutung dieser Überlieferungen. Der Sammler bietet viel auf, um Sigurd in Szene zu setzen; keiner anderen Gestalt der Edda wird diese Sorgfalt zuteil. So kommt es zu einer ausführlichen Einstimmung auf das Schicksal Sigurds in der Grípisspá.9 Man hat sich daran gewöhnt, den zweiten Teil der eddischen Sammlung unter den Titel Heldenlieder zu stellen; als Maß dient der Begriff heroisches Ereignislied. Für die Dichter, den Sammler und das Publikum bedeutete dieser germanistische Begriff aber kaum etwas und in ihren Vorstellungen von ‘Helden’ hatte ungleich mehr Platz. So stehen gleichwertig neben Atlakviða und Hamðismál Wissensdichtung, Elegien und anderes, wobei neben den männlichen Protagonisten die Frauen eine bevorzugte Stellung einnehmen. Damit sind Perspektivenverschiebungen verbunden, worin man nicht nur späte Auflösungserscheinungen sehen soll. Im Laufe der Entwicklung hat auch das Interesse am Psychologischen zugenommen; es ist aber schon früh neben dem ‘Echtheroischen’ in die Betrachtung einzubeziehen. Schon das alte Hildebrandslied, ist ein erschütterndes psychologisches Dokument, wenn es aus dem Mund des Vaters hervorbricht: nu skal mih suasat chint suertu houwan … Auch Egils Sonatorrek wäre in diesem Zusammenhang zu nennen. 9
Edda 1962.
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Die Grípisspá ist kein Meisterwerk, doch die harsche Kritik, die z. B. Jan de Vries daran übt, unterschätzt den Stellenwert und die Funktion dieses prophezeienden Textes, der an die Voraussagen der Völva zu Beginn der Sammlung denken lässt. Hier wie dort geht es um ‘altes Wissen’, nun auf die Nibelungensagen bezogen. Man erfährt, dass es sich um die Entfaltung eines unausweichlichen Geschehens handeln wird, wie die abschließende plakative Äußerung Sigurds bestätigt: munat scöpum vinna (Str. 53). Dass die Grípisspá sich vor allem an Leser und Hörer richten, kann man auch daraus schließen, dass der Sammler/Dichter einen Sigurd zeigt, der offenbar bereitwillig sehenden Auges ins Unheil rennen wird; keine Spur eines Versuches, dagegen anzugehen. Man vergleiche damit die Gísla saga. Gísli erhält die klare Voraussage, dass der angestrebte Zusammenhalt der erweiterten Sippe innerhalb von drei Jahren auseinanderbrechen wird. Er stemmt sich dagegen, erfolglos, aber immerhin. Dem Dichter/Sammler der Spätzeit lag auch daran, die totale Schicksalsverfallenheit als Merkmal der Menschen dieser Vorzeit vorzuführen. Die Grípisspá, womit nach den einleitenden Helgiliedern der Teil der Sammlung beginnt, der zur Gänze auf Nibelungisches aufbaut, verleiht der Sigurdgestalt eine Sonderstellung. Das bedeutet nicht, dass alles ‘stimmig’ sein müsste – man denke an die seltsamen Sigrdrífumál und deren Verhältnis zur Brynhildfabel – aber es ergibt sich eine klare Strukturierung, die die Grundlage des weiteren bildet. Die berühmte Lücke in der Handschrift setzte der Interpretation schmerzliche Grenzen; alle geistreichen Kombinationen, den Bestand zu rekonstruieren, sind im Grunde wertlos, da sie über das Grob-Stoffliche nicht hinausführen und nichts über die Gestaltung im einzelnen aussagen können. In Gríspis Weissagung wird zu Beginn der Drachenkampf erwähnt (Str. 11), in den beiden folgenden der Goldhort, und es kündigt sich an, dass Sigurd zu Gjúci kommen wird, was Sigurd in der Antwortstrophe aufgreift. Alles Weitere spielt sich nun in diesem Umfeld ab. Str. 31 fällt erneut der Name Gjúci, desgleichen nochmals am Schluss (Str. 50), wo die synir Gjúcis genannt werden. Dieser Name, mit dem keinerlei Geschehen verbunden wird, der aber den historischen fränkisch-burgundischen Hintergrund evoziert, muss sich dem Norden besonders tief eingeprägt haben – man denke u. a. an die Ragnarsdrápa: Mit Str. 15 tritt man in die andeutungsweise Schilderung der Ereignisse ein, die zu Sigurds Tod führen. Dabei stehen die Frauengestalten im Mittelpunkt, doch nicht nur das, der Eros wird damit – wie Grípir es darstellt – zur bestimmenden Macht, die sich also – ohne die geringsten altgermanistischen Skrupel – die heroische Überlieferung zu unterwerfen beginnt. Das geht so weit, dass Grípir voraussagen kann, das schöne Mädchen, das bei Heimir aufgezogen wird – es
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handelt sich also um Brynhild – werde Sigurd den Schlaf rauben und ihn dazu bringen, seine Pflichten total zu vernachlässigen und sich um niemanden mehr zu kümmern (Str. 29). Der Eddakommentar spricht zu Recht von Liebesbesessenheit und verweist auf das Beispiel von Harald Schönhaar und Snæfríðr.10 Man ist im europäischen Mittelalter angekommen. Die Texte, die nach der Lücke auf das Brot folgen, entsprechen dieser weitgehenden Erotisierung der Nibelungensage und unterstreichen die sich vollziehende ‘Europäisierung’ des germanischen Sagenstoffes, die im Nibelungenepos ihren Höhepunkt erreichen wird. Neben dieser Schwerpunktverlagerung geht es um die gebrochenen Eide. Viermal weist Grípir darauf hin, und die folgenden Texte werden das erhärten. Darin kommen Beweggründe zur Geltung, die in der archaischen Vorstellungswelt Bedeutung besaßen; siehe die Völuspá. Das Nibelungenepos wird davon abrücken und anderes an dessen Stelle setzen. Mit dem Brot af Sigurðarkviðu und dem folgenden Prosastück schließt der Sigurdteil, der ausführlich den Drachenkampf behandelt. Dieses überleitende Prosastück ist auch deshalb wichtig, weil darin der späte Kompilator in aller Selbstverständlichkeit die offenbar lebhaften Kontakte mit dem deutschen Raum erwähnen kann, und weil es selbst in einer so zentralen Frage wie der Ermordung des Protagonisten unterschiedliche Überlieferungen gab. Den Aussagen þýðverskir menn, die von der Ermordung úti í skógi sprechen, scheint er dabei den Vorzug zu geben. Der Kompilator weiß auch zu berichten, Gudrun habe vom Herzen Fáfnis gegessen und dann die Stimmen der Vögel verstanden. Die Forschung pflegt das Brot zu den sogenannten fünf alten Heldenliedern der Edda zu rechnen. Es geht dabei darum, Einsicht in die zeitliche Schichtung der erhaltenden Denkmäler zu gewinnen, wohl auch mit dem Hintergedanken, aus dem Geschiebe der Überlieferung das Alte als das Eigentliche herauszufiltern. Das ist keineswegs ohne Interesse, doch wie verhielten sich die Menschen des Mittelalters dazu, besonders die Leute im Norden? Die an das Brot anschließenden Lieder der Sammlung – zum Teil sicherlich jung – werden mittels der oben erwähnten Eingangsformen ár var … ebenfalls e i n e r fernen Vergangenheit zugeordnet, und es gibt keinerlei Anzeichen einer zeitlichen Differenzierung. Und so bezogen die Nordleute ihr Bild von den Nibelungensagen aus den Hamðismál genauso wie aus der Sigurðarkviða skamma. Wenn für den Liederkompilator mythologische und heroische Überlieferungen auf einer zeitlichen Ebene angesiedelt werden konnten, so blieb ein gravierender Unterschied bestehen: Die eddischen Götterlieder sind jeweils in sich geschlossene, klar gebaute 10
Kommentar zu den Liedern der Edda, S. 185 f.
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und keiner zeitlichen Abfolge unterworfene Mininovellen, während die heroischen Lieder nibelungischer Provenienz einer Chronologie des Geschehens folgen. In diesen Liedern verlagert sich der Schwerpunkt auf die beiden weiblichen Hauptgestalten, Gudrun und Brynhild, und es geht um zerstörte bzw. enttäuschte Liebe. Der Anteil des Nordens ist dabei hoch zu veranschlagen, da aufgrund der erst späten Zurückdrängung des Heidentums das Mythologische – etwa im Walkürenmotiv – größere Einflussmöglichkeiten auf heroische Überlieferungen hatte als im Süden. Die tolerante Haltung gegenüber der heidnischen Vergangenheit ermöglichte eine Koexistenz zwischen alten mythologischen Elementen und solchen aus dem christlichen Süden. Die fränkisch-burgundische Geschichte, woraus die Nibelungensagen auch die kostbaren Namen bezogen, enthielt Fakten über fatale eheliche Verbindungen und bot insofern auch Ansätze für die Entfaltung des Themas Liebe – aber kaum mehr. Zu dieser Entfaltung bedurfte es neuer Anstöße. Diese kamen aus dem Mittelalter. Dieser Vorgang griff in die Substanz der alten Ereignislieder ein. Bei diesen Anstößen aus dem Süden geht es nicht nur um Einwirkungen von Balladen, chansons à toile u. a., was vor vielen Jahren Wolfgang Mohr herausgearbeitet hat.11 Entscheidend war der europäische Erotisierungsschub, der auf eine offene isländische Kultur traf und der sich aus der matière de Bretagne, der Tristansage vor allem, der Troubadourpoesie und Werken der Antike speiste. Die frühe Rezeption Ovids auf Island ist gut belegt, es sei auch an den erwähnten Jarl Rögnvaldr erinnert. Sieht man von den paar rein heroischen Szenen in der Atlakviða und den Hamðismál ab, so konzentrierte der Kompilator die Nibelungensagen nach dem ausführlich dargestellten Sigurdabschnitt auf die Darstellung der Reaktionen der beiden Frauengestalten. Mit dieser Konzentration auf das Verhalten der beiden Frauen angesichts der ermordeten Sigurd – und darüberhinaus – muss der Sammler einem Verlangen entsprochen haben. Das Bild von Grímhildr als der heimtückischen Verräterin ihrer Brüder, das im Jahre 1131 aus dem Mund eines sächsischen Sängers am dänischen Hof – also nicht bei irgendwelchen rustici – als abschreckendes Beispiel herangezogen werden konnte, ist im Norden auf Gudruns Mutter verlagert. Dieser Grímhildr werden Trug und Heimtücke angelastet, wie schon Grípir voraussagt (Str. 33, 35, 51). Das Nibelungenepos, das diese Verlagerung nicht kennt, musste sich mit der schweren Hypothek einer verräterischen Kriemhild als Schwester auseinandersetzen; doch das kam dem Tiefgang des Epos zugute. 11
Mohr 1938.
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Mit der Konzentration auf die Frauengestalten wird die Sigurdgeschichte immer wieder vergegenwärtigt, was ihren Vorrang bestätigt, denn alles Folgende geht daraus hervor. (Das Nibelungenepos stellt bekanntlich nur die eine Frau in den Mittelpunkt und zieht die entsprechenden Konsequenzen daraus.) Das erste auf die Lücke in der Handschrift folgende Lied, das mit den Worten saca unnit einsetzt, pflegt man seit S. Bugge als Brot af Sigurðarkviðu zu bezeichnen. Das führt in die Irre. Im vorliegenden Text geht es um ein Gudrun- und vor allem um ein Brynhildlied, was sich in den anschließenden Liedern fortsetzt, wobei Gudrun präsent bleibt bis zur Atlakviða und den Hamðismál. Was die Umstände der Ermordung Sigurds betrifft, konstatiert die Sammlung nur, dass Sigurd sunnan Rínar auf heimtückische Weise ums Leben kam. Der Text des Brot bietet eine zerrüttete Version der Tötungsszene, was nicht für das hohe Alter dieses sogenannten alten Liedes spricht. So berichtet Str. 4 von der Präparierung Gothorms des Mörders mittels spezieller Nahrung, was man aus anderen Versionen kennt und sich dort auf die Tötung Sigurd im Bett bezieht. Die folgende Strophe zeigt aber eine Gudrun, die draußen auf Sigurd wartet und nun von Högni erfährt, dass Sigurd mit dem Schwert entzwei gehauen wurde, und dass das Pferd mit gesenktem Kopf sich über ihn neige. Wie man aus der Sigurðarkviða skamma (Str. 20 f.) weiß, bezieht sich das auf die Tötung im Bett; der Sterbende kann den Mörder noch entzweischlagen und die Körperhälften fallen innerhalb und außerhalb der Schwelle zu Boden. Mit Str. 8 rückt dann im Brot Brynhildr ins Zentrum, was der doppelte Einsatz unterstreicht: Þá qvað þat Brynhildr … Hló þá Brynhildr. Gudrun kommt nur Str. 11 zu Wort, und dann geht es nur um Brynhild und Gunnarr. Noch kommt es nicht zu einem ausgedehnten Wortwechsel zwischen den Eheleuten wie dann in der Atlamál zwischen Gudrun und Atli, der Ansatz dafür ist aber schon hier gegeben, was die Natur dieser Lieder grundsätzlich vom heroischen Ereignislied entfernt. Dazu setzt sich immer mehr – im Gegensatz zu der helleren Grípisspá – die Tendenz zur Schaffung einer düsteren Atmosphäre durch, was an die Effekte gröberer fornaldarsögur denken lässt. So werden zweimal hintereinander die unheilverkündenden Raben im Geäst erwähnt (Str. 5 und 13). Str. 11 werden die Mörder verflucht. Die zweite Reaktion der Brynhildr ist eingebettet ins Dunkel der Nacht (Str. 12 ff.). Es folgt die düstere Ankündigung von Gunnars Tod und die Voraussage vom Untergang der ætt Niflunga (Str. 16). Der Hinweis in der überleitenden Prosa – frá dauða Sigurðar – worin es, wie erwähnt, heißt: það er sögn manna, dass Gudrun vom Fleisch Fáfnirs gegessen habe – fügt sich ein in diese Tendenz hin zu grelleren Effekten. Das isländische Publikum des Hochmittelalters fand offenbar nichts Anstößiges daran; den Ab-
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stand zum Nibelungenepos illustriert das auf drastische Weise; es betont überdies die Bedeutung der Drachentötung für die nordische Nibelungenrezeption. Es ist festzuhalten, dass im Brot aus Strophenmaterial unterschiedlicher Herkunft und Eigenart eine holprige Geschehensabfolge zusammengestückelt wird. Auch der Stimmungsumschwung der Brynhild weist auf unterschiedliche Schichten hin. In Str. 8 die Genugtuung über den Mord und dessen positive Folgen und das triumphierende Lachen (Str. 10). In scharfem Kontrast dazu die nächtliche Szene zwischen Brynhild und Gunnarr (Str. 12 ff.), die in die Öffentlichkeit des Gefolges eingeblendet erscheint – þögðu allir … (Str. 15) und worin die schmerzerfüllte Brynhildr gezeigt wird, die den Ruhm des Ermordeten verkündet, der die Eide nicht gebrochen hat, wie der Hinweis auf das Schwert zwischen ihr und Sigurd beweist. Von der Zerrüttung in der Darstellung der Geschehensabfolge zeugt auch die Str. 15, die in das Bettgespräch zwischen Brynhild und Gunnarr hineingeschneit kommt und worin sich der Dichter wohl von der Antithese weinen/lachen einen besonderen Effekt versprochen haben könnte und dabei vergaß, dass das fatale Lachen erst nach Ausführung der Mordtat und mit Blick auf Gudrun seinen Platz hat und nicht der Aufreizung dazu diente. Für die Beurteilung dessen, wie die Nordleute sich zu den Nibelungensagen stellten, sind die ‘Frauenlieder’, die die Sammlung beherrschen, von ungleich größerer Bedeutung als die seit Heusler sakrosankt erklärten fünf sogenannten ‘alten’ Heldenlieder, unter denen sich zweifellos einiges ‘Urgestein’ befindet. Man stelle dem aber nur die Sigurðarkviða skamma mit ihren 71 und die Atlamál mit ihren 104 Strophen gegenüber – und man sollte das quantitative Moment nicht unterschätzen, auch wenn die viel knappere Atlakviða uns Germanisten stärker beeindrucken mag; dem isländischen Publikum stellte sich das anders dar und darauf kommt es an, wenn man die altnordische Nibelungenrezeption angemessen beurteilen will. Mittelalterliches macht da dem ‘Altgermanischen’ erfolgreich Konkurrenz, für Kompilator wie Publikum ohne Problem. Was die ‘Frauenlieder’ der Edda betrifft, hat Ulrike Sprenger einen entscheidenden Beitrag zu deren Neubewertung geleistet, hinter den man nicht mehr zurückgehen kann.12 Das Interesse konzentriert sich auf das Befinden der beiden Frauen, das seinerseits vom Schicksal Sigurds abhängt. Neben diesen beiden klagenden Frauen drängen auch andere in den Vordergrund, die keinerlei nibelungischen Hintergrund haben und treiben diese Schwerpunktverlagerung voran. Das Auftreten Dietrichs fällt im Vergleich damit, kaum ins Gewicht.
12
Sprenger 1988.
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Einiges aus diesen ‘Frauenliedern’ sei herausgegriffen. So stellt das erste Gudrunlied, das auf das Brot folgt, die trauernde Gudrun dar, über die Leiche Sigurds gebeugt. Das bildet den Mittelpunkt, was bereits an südlichmittelalterliche Szenen denken lässt. Bei der darauf aufbauenden Rühmung des Ermordeten kommen Bilder und Vorstellungen zur Geltung, die nicht vorrangig im Altgermanischen anzusiedeln sind, so z. B. in Str. 18, die im zweiten Gudrunlied (Str. 2) ebenfalls verwendet werden: Beim Vergleich Sigurds mit dem Hirsch erwägt Klaus von See eine Parallele aus dem Hohenlied, wo es ebenfalls um den Geliebten geht.13 Das hinderte den Dichter nicht, Gudrun in der Str. 19 des ersten Liedes durch eine Assoziation mythologischer Art auszuzeichnen, wenn sie von sich sagt Ec þóttac … hverri hærri Herians dísi, was sich, siehe Völuspá Str. 30, auf Odin und die Walküre bezieht. Im selben Atemzug dann der Vergleich mit dem winzigen Laubblatt am Weidenbaum, was nicht altgermanisch anmutet, sondern an biblische Vergänglichkeitsbilder erinnert.14 (Davon zu trennen ist die Baummetaphorik, die Gudrun Hamðismál (Str. 5) mit Egils Sonatorrek verbindet.) Nebenbei sei erwähnt, dass die Einleitung des 2. Gudrunliedes eine Variante der Situation der Gudrun bietet, die nichts mit nibelungischer Tradition zu tun hat. So wäre es, nach Str. 1, Gjúki gewesen, der Gudrun gulli reifði (ungeschickt repetierter Halbvers!) gaf Sigurði, und ohne jeden Bezug auf Brynhilds hvöt wird ihren Brüdern untergeschoben, dass sie ihr diesen überragenden Gemahl nicht gegönnt hätten (Str. 3). Nibelungisches wird in diesen Liedern zu relativ frei verfügbarem Material, das unter Ausnützung verschiedener Anregungen mehr oder weniger beliebig ausgestaltet werden konnte. Einige Fixpunkte tauchen dabei immer wieder auf, so z. B. das Pferd Sigurds nach dessen Ermordung oder die Hinweise auf die Eide, dazu noch die unheilvollen Vorausdeutungen. Im Grunde aber hat man sich von den alten Sagen gelöst und zieht in assoziativer Ausgestaltung Motive und Themen unterschiedlicher Art heran, was dann im Gesamt der Sammlung gleichwertig neben dem sogenannten Altehrwürdigen steht. Am Schluss des ersten Gudrunliedes, Str. 23, kommt Brynhild zu Wort und man erfährt zur Überraschung, dass Atli an allem Schuld sei, was weiter nicht erklärt wird; der im Norden negativ besetzte Name Atli reicht dazu aus und ist, wie anderes auch, beliebig einsetzbar. Dieser Auftritt der Brynhild leitet über zur Sigurðarkviða skamma, worin es um Brynhild geht und um ihre Liebe zu Sigurd. Der Selbstmord der Brynhild ist ein Glied in der andeutungsweisen Schilderung einer chronologischen Abfolge innerhalb dieser Vorzeit, endend mit den Hamðismál. Darin eingebettet die beiden 13 14
von See 1971, S. 40. Psalm 37,2; 103,15; Jes. 40,60.
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umfangreichsten Texte der Sammlung, Skamma und Atlamál. Dass es zu diesen Texten kommen konnte, illustriert das breite Spektrum der Auseinandersetzung mit den Nibelungensagen im Norden; es ist nicht minder ernst zu nehmen wie das Vorhandensein der sogenannten alten Lieder. Mit Blick auf Skamma und Atlamál stellt sich auch die Frage nach der Gattung. So steht die handlungsarme aufs Innerliche bezogene Skamma neben den stark geschehensorientierten Atlamál. Besteht überhaupt noch ein Zusammenhang mit der Form des alten heroischen Ereignisliedes oder liegt nicht eher eine formale Annäherung an die umfangreiche geistliche strophische Dichtung vor, wie man sie aus Geisli, Leiðarvisan, Harmsól kennt? Bei den Sagenstoffen sollte sich freilich, wie die Völsunga saga zeigt, die Prosa als stärker erweisen, so dass es bei diesen eddischen Experimenten blieb. Heusler und Genzmer charakterisierten die Skamma durchaus zutreffend, ziehen aber daraus keine Konsequenzen. Diese 71 Strophen, in denen der ästhetisch ungemein sensible Andreas Heusler einen ‘Herzenslaut’ vernimmt, stellen einen eigenständigen und anspruchsvollen Beitrag zur ‘Aufarbeitung‘ von Nibelungensagen dar. Die germanistische Forschung pflegt von den – erschlossenen – Ansätzen zur Entstehung heroischer Ereignislieder von der Völkerwanderungszeit auszugehen und von da aus nach vorne zu blicken, der Entwicklung folgend. Die Blickrichtung ist aber auch umzukehren, vom hochmittelalterlichen Island zurück. Der Kompilator der Edda und dessen Publikum versuchten zurückzublicken in eine Vorzeit – ár var … – und legten sich diese Vorzeit nach ihrem Wissensstand, Empfinden und ihren Interessen zurecht. Personen und Ereignisse konnten so in neuem Licht erscheinen. Das Herausgreifen bestimmter Aspekte und Personen zu deren Ausgestaltung in eigenständigen Dichtungen ist, wie eben angedeutet, auch im Hinblick auf die Gattungsproblematik zu sehen. Diese zeigt sich im Zerdehnen der alten Liedform, von der man sich aber noch nicht grundsätzlich zu lösen vermochte. Anfang und Schluss der eddischen Nibelungendichtungen sind stark geschehensbezogen – Drachentötung und Untergang der Burgunder bis hin zu Jörmunrek. Das große Mittelstück, das von den beiden Frauen handelt, öffnet den Blick für das Innermenschliche in seinen dunklen Seiten des Leidens und lässt männlich bestimmtes Heroentum zurücktreten; dies zeigt sich sogar noch in den Hamðismál. Das Nibelungenepos, das sich auf die eine Frauengestalt konzentriert, wird auch das heroische Kämpfertum, vor allem durch die Gestalt des Spätkömmlings Rüdiger, seelisch anzureichern wissen und damit grundsätzlich ein Gleichgewicht herstellen, das freilich im einzelnen ‘gestört’ sein kann – etwa durch die válandinne Kriemhilt!
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Hier wie dort hat man der heldenepischen Überlieferung das Potential für eine Vertiefung zugetraut. In den ersten beiden Strophen gibt die Skamma Informationen über Sigurd. Es geht dabei um die Betonung der Beziehungen der betreffenden Menschen zueinander, so der Hinweis auf die Eide, die Sigurd, der bei Gjúki angekommen ist, mit dessen Söhnen verbinden, eiðr und trygð. Die zweite Strophe verstärkt das Menschliche dieser Beziehung, wenn, ohne ins Detail zu gehen, festgestellt wird, dass die Söhne Gjúkis hánom (=Sigurd) mey buðo oc meiðma fjölð, und dass man in bestem Einvernehmen lebt. Die Völsunga saga wird darüber ausführlicher berichten; in der Skamma ist keine Rede vom Vergessenheitstrank, der Sigurd von Grimhildr gereicht wird, um die Vermählung mit Gudrun zu ermöglichen. Es lässt sich nicht sagen, ob die Skamma bewusst auf die Erwähnung dieses magischen Requisits aus dem Süden verzichtet hat. Die folgende Strophe, die von der bedenklichen Brautwerbung Gunnars handelt, verzichtet ebenfalls darauf, das Fragwürdige dieses Unternehmens zu nennen. Es wird nur festgehalten, dass Sigurd sich nicht an der Jungfrau Brynhildr vergangen habe. Das Schwert zwischen den beiden wird sich als starkes Symbol dem Hörer einprägen. Wiederum eine konsequente Verlagerung ins Innermenschliche. In Str. 5 entwirft der Erzähler ein ungetrübtes Bild der Brynhild. Er beansprucht dabei, über das Innenleben seiner Heldin Bescheid zu wissen: hon sér at lífi löst né vissi … Auch das eher eine mittelalterlich Errungenschaft! Mit diesem heilen Bild kontrastiert wirkungsvoll der Schlussvers mit seiner unheilvollen Vorausdeutung. Schicksalsmächte werden bewirken, dass es anders kommen wird: gengo þess á milli grimmar urðir. Das Betrugsmanöver bei der Werbung Gunnars, das die Ursache des Unheils ist, wird übergangen und überlagert vom Wirken grimmar urðir, dem aus der Sicht mittelalterlichen Dichters die Vorzeit unterworfen war. (Man denke an die Schicksalsverfallenheit der Gísla saga; auch dort ein Wesensmerkmal noch der isländischen Frühzeit.) Das Ausblenden des äußeren Geschehens um den Werbungstrug ermöglicht die Konzentration auf das, was in Brynhild vor sich geht. Eine Überraschung bieten die Str. 6 ff, die in wenigen Versen ein seltsam komplexes und unnibelungisches Bild der Brynhild zeigen. Es beginnt noch im Sinn archaischer Vorstellungen, wenn es heißt ein sat hon úti.15 Es ist dies die bedeutsame vera úti-Situation, die in mythische Zusammenhänge führt und der Frau eine Sonderrolle zuteilt. In der Völuspá erscheint die Seherin (Str. 28), in derselben Position! Aus dieser privilegierten Stellung heraus äußert Brynhild die verhängnisvollen Worte, die den Tod Sigurds besiegeln: hafa scal ec Sigurð eða þó svelti. Und dann die 15
Wolf 1965, S. 163 ff.
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Überraschung. Brynhild gesteht, diese Äußerung zu bereuen – dem Altgermanischen absolut fremd – und scheint zu akzeptieren, dass qván er hans Guðrún enn ec Gunnars und schiebt (Str. 7), dem Schicksal die Verantwortung zu: ljótar nornir scópo oss langa þrá. Was unmittelbar zuvor (Str. 5), der Erzähler feststellte, kommt nun aus dem Mund der Betroffenen. Auffallend dabei der Plural oss, wodurch die gesamte Nibelungensippe ins Unheil einbezogen wird. Diese umfassende Prophezeiung passt zur Position der Frauengestalt in der vera úti-Situation. In der folgenden 8. Strophe wird diese Position abgelöst von einem anderen Bild. Es heißt, dass Brynhild, während sich Gudrun der ehelichen Liebkosungen durch Sigurd erfreuen kann, sich hinaus begibt, und zwar illz um fyld. isa oc iöcla. Da bewegt man sich, wie Ulrike Sprenger gezeigt hat, in christlichen Bahnen. Diese Bilder besagen, dass das Böse über Brynhild Macht gewonnen hat und nicht, dass sie nächtens auf dem Vatnajökull umhergeistert. Nicht minder ungewöhnlich ist dann, wie Brynhild (Str. 9) ihren Zustand und ihre Reaktion darauf kommentiert, gleich wie man das Verb gœla versteht. Die folgenden Gesprächssituationen, die immer mehr Raum gewinnen, leitet der Erzähler damit ein, dass er wiederum vorgibt (Str. 10), genau zu wissen, was in Brynhild vorgeht: ... hvetiaz at vígi. Kennzeichnend dafür, wie Dichter, Sammler und Publikum aus ihrer mittelalterlich-isländischen Sicht an den nibelungischen Stoff herangehen, ist auch der folgende Kontrast: Auf die massive Beschwörung düsterer Schicksalshaftigkeit in den Str. 5 und 7 – urðir, nornir – folgt nun (Str. 10) die gleichsam ‘bürgerliche’ Drohung mit der Scheidung und der Ankündigung, in diesem Fall zu den Verwandten zurückzukehren und ein friedliches Dasein zu führen. (Auch die Gudrun der Laxdœla saga stellt ihren Mann Bolli vor diese Alternative: … ok mun lokit okkrum samförum, ef þú skersk undan (Kap. 48).) Dem entspricht Gunnars Festhalten an seiner Gemahlin Brynhild (Str. 13 ff.). Nur die Versform, die aber ebenfalls bereits aus den Fugen gerät, lässt noch an die Liedtradition denken. Wir überschlagen das angetippte Mordgeschehen. Mit Brynhilds unheilvollem Lachen fasst man wieder die mehr heroische Überlieferung, und nun beherrscht Brynhild die Szene, wobei wiederum Unterschiedliches zur Sprache kommen kann, was ohnehin ein Wesensmerkmal dieses Textes ist. Gunnarr deutet das Lachen der Brynhild richtig; er bemerkt auch, dass sie hafnar inom hvíta lit, hygg ec, at feig sér (Str. 31). Ist diese Beobachtung Gunnars so selbstverständlich? Bedenkt man Th. Anderssons interessante Vermutung, dass die Schilderung von Brynhilds Selbstmord auf dem Hintergrund des berühmten Selbstmords der antiken Dido zu sehen sei, so könnte in der Bemerkung Gunnars ein versprengtes Echo aus der Aeneis vorliegen. Dort steht (IV. Buch V. 644 f), dass Dido ins Haus stürzt san-
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guineam volvens aciem, maculisque trementis interfusa genas e t p a l l i d a m o r t e f u t u r a . Und wie sie dann das Schwert zieht, heißt es, dass sie incubuitque toro (V. 650). Von Brynhild, die das Schwert gezogen hat, wird gesagt: hné við bolstri (Str. 48). Angesichts eines so heterogenen Textes wie der Skamma sollte man das nicht unbedingt als überholte Parallelenjägerei abtun. Str. 32 meint Gunnarr, Brynhild wäre es wert, dass man ihren Bruder Atli töte, womit Brynhild etwas unbeholfen ein wichtiges Stichwort geliefert wird für die Rekapitulation ihres Lebens und für ihre Prophezeiungen bis hin zum Geschehen um Jörmunrek. Str. 40 deutet sie ihren Selbstmord an. Sie meint, dass eine Frau sich nicht mit einem nichtadäquaten Mann verbinden solle. Das provoziert eine Reaktion Gunnars, die man in einem heroischen Kontext nicht vermuten würde: up reis Gunnarr, dem hier, etwas deplatziert, die Apposition gramr verðungar zuteil wird, oc um háls kono hendr um lagði, was sie brüsk zurückweist. (Die Gísla saga kennt so eine Geste – hier allerdings sinnvollerweise auf die Ehefrau bezogen, wenn es von Ásgerðr, der Gattin Þorkels, heißt, sie wisse, wie sie ihren Mann beschwichtigen könne.16 Sie sagt: leggja upp hendr um háls Þorkatli, er vit komum í rekkju.) Unmittelbar zuvor hatte Gunnarr seine Gemahlin noch hart angefahren (Str. 32). All das hat Platz in der Ausgestaltung nibelungischer Vergangenheit in der Skamma. Als Höhepunkt seiner Deutung der Brynhildgestalt hat der Dichter ihren Selbstmord angesehen, wofür es in der Nibelungentradition keinerlei Anhaltspunkte gibt. Er lässt ihr ein Ende zuteil werden, das sich an Fürstenbestattungen orientiert, wo es aber um Krieger geht, siehe Beowulf. Str. 64 prophezeit sie den Untergang der aett Sigurðar in der Halle Jörmunreks, und dann geht es um ihr eigenes Ende. Dass sie ausdrücklich vom Untergang der Sippe Sigurds spricht und nicht von Gjúki oder den Nibelungen, fügt sich in den Zusammenhang, denn es geht Brynhild nur um Sigurd. Viel muss aufgewendet werden, um einen Scheiterhaufen zu bilden, der sie aufnehmen kann (Str. 65–68). Im Mittelpunkt soll sich das Schwert befinden, das einst zwischen ihr und Sigurd lag und dessen Unschuld beweist. Es fällt einem schwer, nicht an die Tristanmythe zu denken; übrigens dient ja das trennende Schwert Sigurd ebenfalls einem Betrugsmanöver, der Brautwerbung Gunnars! Die Tatsache, dass die Skamma den Selbstmord Brynhilds, der liebenden und enttäuschten Frau, derart als Höhepunkt herausstellt, kann nicht genug gewürdigt werden, handelt es sich doch um eine kühne Innovation. Der Selbstmord der Signy in der Völsunga saga und der Gudrun in der Atlakviða, und die Weigerung Njáls und seiner Frau und des 16
Gísla saga, Kap. 9.
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Jungen das brennende Gehöft zu verlassen, worauf Andersson zur Erklärung verweist, haben damit nichts gemeinsam.17 Die Annäherung an den berühmtesten Selbstmord einer Liebenden aus der Antike bedeutet doch den Versuch einer Aufwertung Brynhilds und damit der alten Sagen. Dass der Dichter Brynhild auch noch in die Rolle der Seherin einrücken lässt, was in der Schlussstrophe sogar mit möglichen Anklängen an die Völuspá erhärtet wird – satt eitt sagðac, svá mun ec láta (Str. 71, vgl. Völuspá 66) – führt zu einer Häufung gewichtiger Motive. Der Dichter hatte es auf die Ballung wirkungsvoller Effekte abgesehen. Das ist bezeichnend für die freie Einstellung gegenüber diesen alten Sagen und für das Bedürfnis, diese mittels Einsatz unterschiedlicher Themen, Motive und Anspielungen auszugestalten und wohl auch aufzuwerten. Das bestätigt einerseits den Rang, den diese Stoffe im Bewusstsein der Nordleute innehatten, man kann darin aber auch das Bemühen sehen, einer gegenüber den südlichen mittelalterlichen und moderneren Stoffen ins Hintertreffen geratenden Überlieferung neue Impulse zu geben. Das gilt ja auch für Snorris Edda, die man als Rückzugsgefecht bezeichnen könnte. Der folgende Text, Helreið Brynhildar, führt die Einbeziehung des ‘Heroischen’ ins Mythologische weiter und zeigt, wie weit im Norden die Verfügbarkeit dieser heroischen Überlieferungen gediehen war. Noch ein rascher Blick auf die drei sehr unterschiedlichen Texte, Atlamál, Atlakviða und Hamðismál. Die Eddaforschung pflegt Atlakviða und Hamðismál zumindest in repräsentativen Teilen als beredte Zeugnisse altgermanischer Heroik zu feiern; dafür gibt es auch Gründe, doch sollte man sich nicht minder von der Anlage der Liedersammlung leiten lassen. Neben der heroischen Hortverweigerung und dem Kampf der letzten Abkömmlinge der Nibelungen kommt es auf die Frauengestalt Gudrun an; sie vor allem hat das Geschehen in der Hand und erlebt in diesen Liedern ihre Apotheose, vergleichbar der Brynhild in der Skamma. Die verbindenden Prosaeinschübe sind ebenfalls zu beachten und unterstreichen diese Perspektivenverschiebung. So stellt die Prosa Dauði Atla Gudrun als Rächerin in den Mittelpunkt und folgt darin der Atlakviða, deren zweiter Teil – als Hauptteil konzipiert – Gudrun in barbarischer Größe als unerbittliche Rächerin ihrer Brüder vorführt. In den abschließenden Strophen der Atlakviða steigert sich der Dichter in fast rauschhafte Ekstase hinein, und das Resümee der 43. Strophe kennt nur die rächende Frauengestalt: fullroett er um þetta … In der Guðrúnarhvöt und in den Hamðismál – auf die Atlamál ist gesondert einzugehen – setzt sich das fort, wenn auch etwas weniger rabiat. Wenn man immer wieder lesen kann, 17
Andersson 1980, S. 241.
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dass in dieser nordischen Überlieferung das Sippendenken – Rache für die ermordeten Brüder – über die Gattenliebe hinweggehe, so ist das nur die halbe Wahrheit; Sigurd bleibt durchaus präsent. Die rächende Gudrun erscheint überdies an die Gestalt der Brynhild in der Skamma angenähert, besser gesagt, auf beide Gestalten wird dasselbe Verhaltensmuster übertragen. So rüstet Gudrun unter gellendem Lachen – vergleichbar der Brynhild – ihre Söhne zur Rachetat aus (Str. 7). Zwei Strophen weiter sitzt dieselbe Gudrun weinend vor dem Tor, was an die vera-úti-Situation der Brynhild erinnert, und damit stellt sich auch der Name des Geliebten Sigurd ein, die Rache-hvöt wird zum schmerzlichen Rückblick. Die Parallele zu Brynhild geht dann so weit, dass Gudrun ebenfalls auf einem Scheiterhaufen verbrannt werden will. Die zweite Hälfte der Guðrúnarhvöt ist dem Gedenken an Sigurd gewidmet. Die beiden Frauenschicksale werden also ohne jeden Ansatz in der Nibelungentradition einander angenähert; ein radikaler Eingriff. Auch wenn man bedenkt, dass Frauen in der Germania – siehe Tacitus – einen hohen Rang einnahmen, die Merowingergeschichte weiß ja auch davon, ist der Einfluss der mittelalterlichen Kultur nicht zu unterschätzen, womit sich das Bemühen verbinden konnte, das Bild der Menschen der Vorzeit zu gestalten und nicht nur Überliefertes zu bewahren. Die Hamðismál, der letzte Text der Sammlung, rufen mit Nachdruck ins Bewusstsein, dass es sich um ein Geschehen in einer fernen Vorzeit handelt. Es beginnt mit einer ergreifenden Selbstdarstellung der Gudrun (Str. 5), worin sie sich – eine Strophe füllend – im Bild des entlaubten und windzerzausten Baumes sieht – vergleichbar Egill in dessen Dichtung Sonatorrek. Es folgen die Äußerungen Hamðirs (dass die Str. 6 in der Luft hängt und die 3. Strophe der Guðrúnarhvöt voraussetzt, sei nur erwähnt). Darin erhalten die Ermordung Sigurds und Gudruns Reaktion Priorität, was sich in der aufwendigen Ausgestaltung zeigt, so im grellen Bild der blutbespritzten Bettlaken. Zweimal fällt der Name Sigurd, und Hamðir erinnert seine Mutter, wie wenig sie damals Högnis Mordtat gerühmt habe. Noch in diesem Lied ist die Liebe der Frauengestalt Gudrun nicht minder wichtig wie die heroisch-lakonische Feststellung am Schluss vel höfum vegit … (Str. 30). Gattenliebe und Heroik sind nun auch Leitthemen des Nibelungenliedes – bei allen Unterschieden zwischen Edda und Epos. Doch rasch noch ein Blick auf die Atlamál, die in 105 Strophen, epischen Dimensionen sich annähernd – ein Vorzeitbild besonderer Art entwerfen. Die Erzählung tritt an die Stelle der großen Szene – so gibt es epische Kampfdarstellungen – und die Dialoge ufern aus. Der ausführlich geschilderte Untergang ist als eine durchgehende zeitliche Abfolge konzipiert. Die Liebe als movens tritt in den Hintergrund. Nur im Rahmen einer Aufzählung wird, mehr nebenbei,
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auf die Ermordung Sigurds angespielt: dauðr varð inn húnsci (Str. 100). Dafür wuchert Derb-Spektakuläres, so etwa in der ausführlich geschilderten Hjalli-Episode, der Tötung der Kinder oder in dem verbalen Schlagabtausch der Eheleute Gudrun und Atli. So muss Atli erfahren, dass er seine eigenen Kinder verspeist hat als þitt erfi (Str. 86). Atlis Antwort stempelt Gudrun zur Hexe und Zauberin, die – gut mittelalterlich – gesteinigt und verbrannt werden sollte, worauf Gudrun ihren Tod in christliches Licht taucht: fara í ljós annat (Str. 87). Es dominiert ein buntscheckiges und grässliches Bild der nibelungischen Vorzeit; auch das hatte also seinen Platz in der aktiven nordischen memoria. In den Atlamál und deren Annäherung an die typisch isländische Form der fornaldarsaga erweiterte sich also das Spektrum nochmals. Im alten Norden haben die kontinentalgermanischen Nibelungensagen quer durch die Jahrhunderte tiefe und unterschiedliche Spuren hinterlassen. Die reiche Sammlertätigkeit des 13. Jahrhunderts, der man die Bewahrung vieler Texte verdankt, war dazu bereits antiquarischer Natur, was auch für Snorri gilt. Die seit der Karolingerzeit auf dem Kontinent herrschenden kulturpolitischen Verhältnisse hatten dort die Daseinsbedingungen für diese alten Sagen grundlegend verändert. Die besonders aussagekräftigen bildlichen Zeugnisse fehlen. Die Voraussetzung für eine Sammlertätigkeit war nicht gegeben, was nicht nur die mythologischen Überlieferungen betrifft. Wenn nun um 1200 dennoch sogar ein Großepos entstehen konnte, das, wie sich zeigen wird, den Anspruch einer Auseinandersetzung mit diesen Sagen erhebt, so kann man darin nur eine ungewöhnliche Bereicherung der Literatur um 1200 sehen. Das Hildebrandslied aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts – vielleicht eine Spätfolge des Interesses Karls des Großen an Theoderich – blieb eine isolierte Erscheinung. Etwa um die gleiche Zeit, was nicht Zufall sein müsste, oder etwas später, entstand das Epyllion Waltharius, worin ein gewiefter Clericus sich auf parodierend-heitere Weise mit Sagenüberlieferungen auch aus dem Nibelungenkreis auseinandersetzt und ‘bewältigt’. Man kann daraus schließen, dass derartige Überlieferungen auch in höheren Kreisen nicht unbeliebt waren. Der lateinische Waltharius könnte aber den weiteren Aufstieg dieser Sagen in die Literatur verhindert haben, die ohnehin geistlich-biblisch besetzt war. Das negative Bild der Franci nebulones (!) konzentriert in der Goldgier des feigen Gunther oder der Eindruck des vom Katzenjammer gequälten König Etzel waren dazu angetan, in Kreisen der Gebildeten diesen Überlieferungen zusätzlich die Seriosität abzusprechen. War auf dem Kontinent in diesen Jahrhunderten diese Sagenüberlieferung der Mündlichkeit überlassen, so beschränkte sich ihre Pflege doch nicht nur auf die rustici. Das geht aus dem Tadel hervor, den sich Bischof Gunther vom Bamberg zuzog, weil er sich auf seinen
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Kärntner Gütern mehr mit Amelungen und Attila als mit den Kirchenvätern beschäftigte; das war um 1060. Hundert Jahre später kann man den Angaben des Metellus von Tegernsee in seinen Quirinalien entnehmen, dass in der Wachau carmina über den Grafen Rogerius und tetricus vetus im Umlauf waren.18 Halten wir fest, dass in beiden Fällen, man ist im Südosten des deutschen Sprachraums, wo nach Ansicht der Germanisten die Heldensagen ihr Kerngebiet gehabt haben sollen, von den Nibelungen keine Rede ist; eine Anmerkung e silentio, aber immerhin. Die Ansicht von Österreich als Hort der Heldendichtung zieht sich unausrottbar auch durch die neuesten Literaturgeschichten. Dahinter steht W. Scherers Äußerung, dass germanische Heldenrecken an der Grenze zu Österreich den westlichen Artusrittern den Eintritt verweigerten.19 Dabei blühte damals in Wien der westliche Minnesang, Walther von der Vogelweide vergleicht den Wiener Hof mit dem des Königs Artus, auf Schloss Rodenegg entstehen die großen Iweinfresken. Niederdeutschland, das der Thidrekssage die stofflichen Grundlagen bot, müsste demnach ebenfalls den Titel der Artusfeindschaft beanspruchen. Literaturgeographie dieser Art ist Willkür. Sollte der Südosten nämlich keine bevorzugte Nibelungengegend gewesen sein, so hätte das gravierende Folgen für die Deutung des Nibelungenepos. Der Verfasser der Regensburger Kaiserchronik – ein halbes Jahrhundert vor dem Nibelungenlied und ebenfalls aus dem Südosten stammend – der sich in scharfer Form mit der historischen Unzuverlässigkeit solcher Sagen auseinandersetzt, geht ebenfalls nur auf Theoderich, ein (V. 1384 f., 14 176 f.). Island zeigt das Gegenteil. In den eddischen Liedern ist Dietrich ein nebensächlicher Spätkömmling, und die Amelungensage hat auch in den Kenningar der Skalden keine Spuren hinterlassen, im Gegensatz zur Nibelungensage. Auch Snorri geht nicht darauf ein. Erst mit der Thidrekssage ändert sich das. Die nordischen Quellen kümmern sich wenig um geographische Angaben. In der Edda ist die Rede von sunnan Rînar, die Burgunder werden erwähnt und der Abt Nikolás Bergsson spricht in seinem Reiseführer von der westfälischen Gnîtaheide, die Þidreks saga nennt als Heimat Atlis ein Frísland, von wo aus er ein Húnaland eroberte und sich in Susam – sú er nú kölluð Susakk (= Soest) niederließ, was alles im Unklaren bleibt. Dem stellt das südöstliche Nibelungenepos ein geographisch glasklares und räumlich kohärentes Bild entgegen und entreißt damit diese Sagen der Dumpfheit alter Überlieferungen, indem sie diese in der Wirklichkeit von Rhein und Donau ansiedelt. Schon die erste aventiure des Nibelungenliedes besteht auf dem real erlebbaren Raum. Zentrum der Burgunderherrschaft ist 18 19
Grimm 1957, S. 49. Scherer 1874.
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Worms – man achte auf die leitmotivisch eingesetzte Formel bî dem Rîne!20 Tronege, Metz, Alzey kommen hinzu, dann der Hinweis auf das Land Etzels, das im zweiten Teil eben nicht als vages Húnaland figuriert, sondern wohin der Heerzug der Burgunder die Donau abwärts mit penibler Präzision von Ort zu Ort, mit Bechelaren als Zentrum, geführt wird. Eine solide Grundlage für ein Epos, das die alten Sagen neu erzählen will. Mit derselben Entschiedenheit, mit der das Epos den realen Raum beansprucht, legt es die feudalen Verhältnisse fest, worauf gleich einzugehen ist, und propagiert das, worum es in diesen Sagen wirklich geht: Minne, zweier edeler vrouwen nìt, Kämpfe, bedingt durch die furchtbare Rache innerhalb der Dynastie. Die große Attraktion der Nibelungensagen, die Tötung des Drachen und die Gewinnung des Goldhorts, wird dabei auf provozierende Weise ignoriert. Der Epiker, dem an einer Neubewertung der alten Sagen liegt, setzt dabei hoch an. Das Epos beginnt mit der Helena-Formel, wie es Heinzle nennt und knüpft somit unüberhörbar an die Antike an. In der 6. Strophe, nachdem eben ein Bild burgundischer Macht geboten wurde, wird sogleich auf die furchtbare Katastrophe hingewiesen, die diese Herren, die mir ir kraft bî dem Rîne ze Wormez herrschen, treffen wird. Ursache ist der erwähnte nît zweier edeler vrouwen. In der Edda liest sich das anders! F. P. Knapp hat höchst bemerkenswert in diesem Zusammenhang auf das pessimistische Epos Lukans, die Pharsalia, hingewiesen, wo es der Hass zweier Herrscher ist, der das Unheil herbeiführt. Lukan war im Mittelalter Schulautor.21 Im Minnegespräch zwischen Kriemhilt und Ute wird auf den Minnedisput zwischen Lavinia und Amata aus dem mittelalterlichen Aeneasroman angespielt und damit erneut ein großer epischer Hintergrund evoziert. Kriemhilts Minnefeindlichkeit, von der die nordischen Quellen nichts vermelden, wird zunächst damit begründet, dass sie ihre Schönheit nicht beeinträchtig wissen möchte. Bei Heinrich von Veldeke heißt es in einem Lied von der Dame: ich vil behalten mînen lîp. ich hân vil wol genomen war, daz dicke werdent schoeniu wîp von solheme leide (= Liebesleid) missevar. Wenn Kriemhilt dann (Str. 17) auf die vielen tragischen Frauenschicksale hinweist, lässt das an Ovids einschlägige Dichtungen denken. Das 12. Jahrhundert galt als aetas ovidiana. Pointiert formuliert, ginge es in dieser prologhaften ersten aventiure um die drei großen römischen Epiker; vielversprechend für ein mittelalterliches Epos. Von Sigfrids Unverwundbarkeit und seiner Qualität als uneinholbarer Läufer – beides Merkmale Achills – weiß die altnordische Überlieferung nichts. Wenn am Schluss des Nibelungenliedes auch noch ein Szenenzitat aus dem Schluss der Aeneis 20 21
Thomas 1990. Knapp 1987.
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vorliegt, den großen Rahmen schließend, der in der ersten aventiure geöffnet wurde, so brauchten die auf diese Weise eingeführten alten Sagen die Missachtung durch die literati nicht mehr zu scheuen.22 Für die Tötung Hagens, wie sie im Nibelungenlied vorliegt, gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte in den alten Sagen. Dass die Version des Nibelungenliedes reines Phantasieprodukt des Autors gewesen sein soll, leuchtet nicht ein. Aeneas erschlägt den wehrlos gewordenen Turnus, weil er an dessen Seite das Wehrgehenk des Pallas’ erblickt, den Turnus getötet hat. Kriemhilt wird durch den Anblick von Sigfrids Schwert an Hagens Seite dazu veranlasst. Angesichts dieser Anspielungen auf antike Epik, die überdies an so prominenten Stellen im Text angebracht sind, muss es auch erlaubt sein zu fragen, ob sich die alten maeren, von denen die erste Strophe spricht, nur auf alte germanische Sagen beziehen müssen, wie es die herrschende Ansicht will. Man verweist in diesem Zusammenhang gerne auf den Prolog des 100 Jahre älteren Annoliedes, wo es heißt: wir horten ie dikke singen / von alten dingen / wie snelle helide vuhten / wi si veste burge brechen / wi sich liebin vuiniscefte schieden … / Nu ist zit daz wir denken …23 Man pflegt diese Angaben auf germanische Sagen zu beziehen, ohne sich zu fragen, ob da irgendwo von der Belagerung und Zerstörung von Städten die Rede ist und von der spektakulären Trennung Liebender. Das kann sich doch nur auf Troja und Dido beziehen, was nun (nu ist zit) gegenüber der Vita Annonis gegenstandslos wird. Bedenkt man die antithetische Struktur der ersten Strophe des Nibelungenliedes und ersetzt man das Komma nach dem zweiten Langvers durch einen Punkt, so stellt sich die zweite Strophenhälfte als Überbietung der ersten dar. Den heleden und der arebeit stehen nun gegenüber: fröuden, hochgezîten, weinen, klagen, küener recken strîten. Es ist das bedeutsame nû, das wir aus dem Annolied in ähnlicher Position kennen. Es fällt einem der Beginn der Aeneis ein, wo von arma … und labores (= arebeit) die Rede ist. In Gottfrieds Tristan lässt die mittelalterliche irische Isolde als niuwe sunne die griechische Helena auch hinter sich! Wenn der erwähnte Hass zweier edeler vrouwen als Ursache des Untergangs der zuvor genannten mächtigen Burgunderherrscher genannt wird, so kann sich dieser nît als hohes episches Movens durchaus sehen lassen neben der verderblichen ira des Achilles, mit deren Nennung z. B. die Ilias 22
23
Werner Fechter (1964, S. 123) hat schon vor Jahren auf die Übereinstimmung der Tötung Hagens mit der Tötung des Turnus am Schluss der Aeneis hingewiesen. Altnibelungisch ist das auf keinen Fall und an einen glücklichen Einfall des Nibelungendichters zu denken, überfordert dessen Imagination. Das Annolied, 1961. Das Nibelungenlied, 1957.
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latina einsetzt. Dieser Hass zieht die Ermordung Sigfrids nach sich und löst die Katastrophe aus. Es ist festzuhalten, das nicht so sehr diese Tat als vielmehr deren Ursache, der nît der vrouwen, als Ursache des Unheils genannt wird. Im Gegensatz zur nordischen Version ist die Ermordung Sigfrids nicht in der unerfüllten Liebe der Brynhild begründet, sondern im vermeintlichen Standesunterschied der beiden vrouwen, ist also Teil der herre / man-Thematik, womit man sich grundsätzlich von der alten Überlieferung entfernt und auf die hochmittelalterliche Wirklichkeit einschwenkt. Die erste aventiure hat die Hauptattraktion der alten Sagen, Drachentötung und Horterwerb, ostentativ ausgeklammert; Hagen liefert bekanntlich die geschrumpften Informationen dazu nach. Stattdessen bewegt man sich in den genannten realen Schauplätzen mit den entsprechenden zeitgenössischen sozialen Verhältnissen. Vor dem Hintergrund der Anspielungen auf hohe epische Exempla aus der Antike erhöhte sich die Bedeutung die realen mittelalterlichen Schauplätze, woran dem Dichter offenbar gelegen war. Die auf diese Weise präsentierten Nibelungensagen mussten dadurch an Prestige gewinnen. Bei dieser auffallend präzisen Lokalisierung der Burgundermacht bî dem Rîne geht es vorrangig, wie das Geschehen zeigen wird, um Vasallität, die sich auf tragische Weise mit dem unheilvollen nît zweier edeler vrouwen verbindet. Es ist vorbildliche Vasallität, was mit Blick auf Chansons de geste, wo das Verhältnis Herr/Mann vielfach verhängnisvoll gestört erscheint, zu sehen ist. Schon in der 5. Strophe werden die mächtigen Burgunderkönige als herren bezeichnet, was sich dann durch den ganzen Text zieht – vor allem in bezug auf Hagen – bis hin zum Schluss (Str. 2 368, 2 370), wo Hagen sich weigert, den Hort auszuliefern die wîle daz si leben deheiner mîner herren. Als Herzstück der Vasallenthematik wird sich dann die Rüdigertragödie erweisen, die keine Wurzeln in den alten Sagen hat. Reale und nahe Geographie – St. Denis, Aachen, Laon, Orange etc. – und bedrängende Vasallenproblematik bilden das Gerüst vieler Chansons de geste. Der Nibelungenepiker, könnte man sagen, hätte von sich aus darauf verfallen können, seine Neuerzählung der alten Sagen auf diese Grundlage zu stellen. Wenn man aber bedenkt, dass die Chansons de geste um diese Zeit als mächtige Gattung jener Literatur angehörten, der nachzueifern sich alle maßgebenden deutschen Autoren bemühten, so erscheint mir diese Annahme fragwürdig, auch wenn sie marktbeherrschend sein mag. Dazu gibt es Indizien, die man nicht ignorieren sollte. Ich habe darüber mehrfach in Weiterführung der Forschungen Friedrich Panzers gehandelt und begnüge mich hier zunächst mit der Aufzählung dessen, was nicht nibelungische Überlieferung ist, wohl aber in Chansons de geste vorliegt, indem ich dem
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Geschehen folge.24 Da ist z. B. der Sachsenkrieg, von dem die Chanson Renaus de Montauban in ähnlicher Weise berichtet wie das Nibelungenlied, da ist die Schilderung von Sigfrids Tod. Im Nibelungenlied eingebettet in eine locus amoenus-Szenerie wie sie das Wilhelmepos Aliscanz für den Tod des Viviens bietet. Die letzte Krafttat Sigfrids – er schlägt Hagen mit dem Schild zu Boden, dass die Edelsteine heraussplittern – erinnert an den sterbenden Roland, der mit seinem kostbaren Horn den Sarazenen erschlägt; auch da brechen die Edelsteine aus dem Horn heraus. Da ist der tödliche Fausthieb Rüdigers, womit er den Hunnen, der ihn schmäht, niederstreckt. In der Wilhelmsepik und darüberhinaus gibt es in Chansons de geste reichlich Belege dafür, nicht aber in der Nibelungentradition. Da ist das epische Zeitsignal Der tac der hete nu ende und nahet in diu naht, das sich wörtlich an vielen Stellen der Chansons de geste findet, li jors va a decliu, si aprocha la nuit. Da ist die Zerstückelung der vâlandinne Kriemhilt am Schluss, die im Zerreißen Geneluns, der ebenfalls die menschlichen Bindungen zerriss, ihre Entsprechung hat. Als strukturelle Anlehnung an das Rolandslied wäre auch zu erwägen, wie der Dichter die Vernichtung der Burgunder erzählerisch bewältigt. Hier wie dort die stufenweise Dezimierung mit Abfolgen von Sieg und Niederlage, bis am Schluss nur einer, im Tod triumphierend, übrig bleibt. Darüber hinaus wird der große Rahmen, der die erste und letzte aventiure umspannt und bedeutsam auf hohe antike Epik rekurriert, parallel dazu gestützt durch das Herrschafts- und Vasallitäts-Thema, das eben aus den Chansons de geste stammt. So setzt die 5. Strophe bereits einen starken Akzent in diesem Sinn, wenn von den herren die Rede ist und deren Waffentaten im Lande Etzels, was auf den Schluss verweist, auf den es also ankommt. Wenn Hagen sich am Schluss (Str. 2 368), zu seinen herren bekennt und deren Namen pathetisch beschwört (Str. 2 371), so wird das eingelöst, was in den Str. 4 ff, vorbereitet ist. Der Dichter des Nibelungenepos hat sich mit punktuellen Anleihen bei Chansons de geste zur Aufbesserung seines Werkes nicht begnügt, er hat sich grundsätzlich mit der Thematik Herr/Vasall auseinandergesetzt und sich bemüht, dieses Verhältnis in einem helleren Licht erscheinen zu lassen, als dies vielfach in den Chansons de geste der Fall ist. Ich zögere nicht, auch darin die Überbietungstendenz am Werk zu sehen, die für die maßgebende Literatur um 1200 ohnehin charakteristisch ist. Wir greifen zwei Episoden heraus, die den grundsätzlichen Unterschied zwischen der altnordischen und der österreichischen Nibelungenrezeption verdeutlichen, die 29. aventiure und den Rüdiger-Erzählstrang. In beiden 24
Panzer 1955.
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Fällen geht es um exemplarisches Vasallentum, dem neben Kriemhilt zusehends das Interesse des Dichters gilt. Zur 29. aventiure. In der holzschnitthaften Szene der Wilhelmsepik, auf die M. Wynn aufmerksam gemacht hat, geht es mittels der derb gestalteten Schwertgestik darum, den Lehnsherrn an seine Pflichten zu erinnern.25 Der Dichter scheut dabei, typisch für den Stil der meisten Chansons de geste, nicht vor grotesk schwankhaften Effekten zurück. Wilhelm, der robuste Choleriker, heizt dem Herrscherpaar ordentlich ein, und damit hat es auch sein Bewenden. Vor diesem Hintergrund ist das, was der Nibelungenepiker bietet, ein großartiges Beispiel hohen epischen Stils, dessen Möglichkeiten souverän genutzt werden. Dazu hat der Dichter erkannt, welcher Stellenwert in der Vorbereitung des folgenden tragischen Geschehens dieser Episode zukam. Er nahm dabei in Kauf, den Ablauf des Empfangsrituals am Hunnenhof durcheinander zu bringen, um die Weichen für das Folgende zu stellen. Nach dem Empfang durch Dietrich, inklusive Warnung vor Kriemhilt, und der ersten verunglückten Begrüßung durch Kriemhilt (Str. 1 737 ff.) stünde eigentlich der Empfang durch König Etzel an, doch es kommt anders. Dieser Empfang wird erst später und mehr als Nebensache erwähnt. Das Entscheidende vertraut der Dichter der 29. aventiure an, in der auf anspruchsvolle Weise Hagen und Kriemhilt in Szene gesetzt werden. König Etzel scheint die Ankunft der Burgunder zu beobachten, obgleich es, wie gesagt, erst Str. 1 809 ff zum offiziellen Empfang kommt. Dieses vorgezogene Zwischenspiel dient der Heraushebung Hagens. Das zeigt sich bereits in dessen enger Verbundenheit mit Dietrich – an sich würde man den Burgunderkönig Gunther in dieser Position erwarten! Es wird damit die Amelungensage einbezogen, wobei zu fragen ist, welcher Stellenwert ihr zuerkannt wird. Die Einbeziehung der Walthersage kommt hinzu, so dass diese beiden Sagenkreise nun von der dominierenden Nibelungensage vereinnahmt erscheinen. Die anschließende 29. aventiure löst diese punktuelle Einbeziehung der Amelungensage etwas gewaltsam – ein Signal an den Leser! – wieder auf, denn es heißt, dass Hagen und Dietrich sich trennen, Str. 1758, und dass Hagen nach einem hergesellen Ausschau hält, der also wichtiger ist für ihn als der Herrscher der Amelungen. Es ist Volker, und damit wird es auch möglich, die folgende Episode auf die Grundlage der Kriegerfreundschaft zu stellen, wofür es in der Nibelungentradition keine Anhaltspunkte gibt. Kriegerfreundschaft ist kein markantes Merkmal altgermanischer Dichtung; man kennt das aus der Antike und dem Rolandslied, und was die Freundschaft zwischen Hagano und Waltharius 25
Wynn 1965. Frau Kropiks Hinweis auf die Egils saga hilft kaum weiter (Kropik 2008).
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betrifft, wird man eher an antike Vorbilder zu denken haben. Die Einbeziehung des Spielmanns Volker ermöglichte es, der Konfrontation mit der Königin Kriemhilt eine zusätzliche Pointe zu verleihen, wenn es vom galanten Spielmann heißt; er wolle sich angesichts der heranschreitenden Königin von der Bank erheben, um ihr seinen Respekt zu erweisen. Eine deutliche Distanzierung vom grobschlächtigen Verhalten Wilhelms seiner königlichen Schwester gegenüber. Der Dichter holte noch mehr aus der rein feudalrechtlichen Szene der Wilhelmsepik heraus. Es betrifft Hagen und Kriemhilt und markiert das hohe epische Niveau, dem er gerecht zu werden sich bemüht. Kriemhilt, eben noch als vâlandinne bezeichnet, den furchtbaren Schluss vorwegnehmend, erscheint nun in anderem Licht. Sie ist im Begriff mit ihrer kleinen Streitmacht vor Hagen hinzutreten und da gebietet sie innezuhalten, denn sie will under krône zuo mînen vîanden gân (Str. 1 7709, worauf sie die ‘schreckliche Stiege’ herab schreitet. Angesichts dieser Bedrohung nun die Gegenbewegung. Hagen und Volker versichern sich ihrer unverbrüchlichen Freundschaft unter deutlicher burgundischrheinischer Geringschätzung der hunnischen Krieger: vor den möht ich gerîten noch in der Burgonden lant (Str. 1 776). Dann kommt es zum großen Schwertgestus. In zwei Strophen vergegenwärtigt mit visueller Eindringlichkeit der Dichter die Waffe Sigfrids, und es vollzieht sich eine Verlagerung der Symbolik aus der Sphäre des Rechts des Vasallen ins zutiefst Menschliche. Ein rechtlicher Nebenaspekt könnte insofern noch im Spiele sein, als kurz zuvor Volker auf die verräterische Einladung der Kriemhilt verweist: diu uns âne triuwe ins lant geladet hât (Str. 1 773); vom herren und dessen Gattin kann man triuwe fordern! Kriemhilt bricht angesichts des Schwerts in Tränen aus. Im Wortwechsel mit Kriemhilt insistiert Hagen auf seinem Status als Vasall: man ladete her ze lande drîe degene, die heizent mîne herrern, sô bin ich ir man … (Str. 1 788). Doch nun kommt es zu ergreifenden Äußerungen, die in beiden Gestalten das Menschliche offenbaren, wenn Kriemhilt ihren Todfeind beschwört: nu saget mir mêre, zwiu tâtet ir daz, daz ir daz habt verdienet, daz ich iu bin gehaz? ir sluoget Sifrîden den mînen lieben man … (Str. 1 789) und wenn der Mörder Hagen nun gesteht: ich hân iu leides vil getân (nach der Ermordung Sigfrids las man es anders). Eben hatte es noch geheißen: der übermüete Hagene leit über sîniu bein / ein vil liehtez wâfen … (Str. 1 793). In der Bezeichnung übermüete schwingt mit, dass Hagen selbst seinen Untergang mit herbeiführen wird. Dieser wird dann mit ebendiesem Schwert vollzogen. Diese Szene mit Sigfrids Schwert als dem faszinierenden Mittelpunkt hat eine zentrale Funktion im weit gespannten Aufbau des zweiten Teils des Epos, wobei der Unterschied zur Atlakviða, jener für die nordische Nibelungenrezeption repräsentativen Dichtung, sich auf besonders eindring-
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liche Weise zeigt. In der exemplarisch ins Königliche überhöhten Atlakviða geht es nur um den Goldhort, die Hortforderung, die grell triumphierende Hortverweigerung und den Tod. Im Nibelungenepos hat der Hort, wie schon der Drache erheblich an Bedeutung eingebüßt. Von Kriemhilt heißt es, dass sie alles gegeben hätte, wäre nur ihr Geliebter am Leben geblieben (Str. 1 126). Doch war, wie die Atlakviða zeigt – die Atlamál können außer Betracht bleiben – gerade vom Ende der Sage her kein Vorbeikommen am Goldhort. Die Forschung, die nicht ganz zu unrecht ihr Unverständnis gegenüber dem Schluss des Nibelungenliedes äußert, wo es ja heißt, dass Kriemhilt Hagen um des Goldes willen verschonen würde, greift doch zu kurz. Sieht man sich im Text um, so erkennt man, dass der erste Teil mit der Versöhnung Kriemhilts mit ihren Brüdern endet, Hagen freilich ausgeschlossen bleibt. Von ihm wird an dieser Stelle gesagt, dass er den Hort im Rhein versenkt. Es wird also eine Verbindung hergestellt zwischen Hagen und Goldhort, die der erste Teil dem zweiten auf den Weg gibt als Hypothek. Seit diesem Ende des ersten Teils fragt man sich ja auch, wann es denn zur entscheidenden Konfrontation zwischen Kriemhilt und Hagen kommen wird. Man wird feststellen, dass dann jedesmal auch das Gold im Spiel ist. (Nebenbei, diese Erwartung auf die endgültige Konfrontation ist in der Aeneis vorgebildet. Auch dort wartet man im zweiten Teil darauf, wann denn Aeneas und sein Todfeind Turnus aufeinandertreffen werden. Reiner Zufall natürlich?) Nach Ankunft der Burgunder aufgrund der verräterischen Einladung ist es soweit. Blickt man zurück auf den Schluss des ersten Teils entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass Kriemhilt nach der Begrüßung der Burgunder durch Dietrich Hagen nach dem Goldhort fragt (Str. 1 741) und eine schmähliche Abfuhr erfährt. Nach dieser punktuellen Konzession an das alte Hortmotiv wendet sich der Dichter in der folgenden 29. aventiure seinem eigentlichen Thema zu, Sigfrids Schwert und damit Kriemhilts Minne und herzenjâmer. Was hier bei der Ankunft der Burgunder auf zwei Teile auseinandergelegt ist, wird am Schluss des Epos in eine Szene zusammengedrängt, die verglichen damit überraschend knapp ausfällt. Die Frage nach dem Hort wird abschließend aufgegriffen, doch darüber erhebt sich (Str. 2 372) das Schwert Sigfrids, worauf man in der 29. aventiure (Str. 1 783 f.) mit Macht verwiesen worden war und wo das Gold keine Rolle spielte. Mit dem Erzählstrang, der vom Markgrafen Rüdiger handelt, hat sich der Epiker einen neuen Schwerpunkt geschaffen, der, gewichtiger als die altnibelungische Glanzstelle, die triumphale Hortverweigerung, das Geschehen im zweiten Teil bestimmt und ihm eine neue Richtung verleiht. Rüdiger, sowie der minutiös vergegenwärtigte Donauraum mit Zentrum Bechelaren sind ein Novum in der Nibelungentradition und repräsentieren
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überzeugend die spezifisch hochmittelalterlich-österreichische Nibelungenrezeption. Man braucht nur einen Blick in die Thidrekssage zu werfen, um den Abstand zu erkennen. Die Saga mit ihren niederdeutschen Wurzeln kennt zwar einen markgreifi Roðingeirr, der in Bakalar am Rhein angesiedelt wird, eine Angabe, der keine weitere Bedeutung zukommt; sie gehört zu den ziemlich wirr erwähnten Lokalitäten wie Susat und Húnaland. Roðingeirr wird von Giselher erschlagen. Im Nibelungenlied ist es diskreterweise Gernot, der diese Tat vollbringt. Wie konnte es zu dieser auffallenden und programmatischen Verlagerung in den Donauraum kommen und zu der herausragenden Stellung des in Bechelaren residierenden Rüdiger? Die ungewöhnliche Präzision der Lokalisierung und das Interesse an dieser Gestalt lassen vermuten, dass der Dichter bei dieser Verlagerung, die auf eine identitätsstiftende Aktualisierung und Aufwertung dieser Gegend abzielt, eine bestimmte kulturpolitische Absicht hatte, die sich freilich im einzelnen unserer Einsicht entzieht. Dass sich das überdies im Rahmen eines Großepos vollzog, verleiht zusätzliches Gewicht und könnte unserem Bild von der Literatur um 1200 ein schärferes Profil verleihen. Passau mit Bischof Pilgrim und Bechelaren mit Rüdiger haben nun einmal einen anderen Realitätswert als Bakalar und Susat. Nach Andreas Heusler ist Rüdiger eine der großartigsten Schöpfungen der mittelalterlichen Literatur – und das in engster Verbindung mit der alten Nibelungensage, die von einem donauländischen Rüdiger nichts weiß. Wie schon das Insistieren auf Wormez am Rîne, so müsste dieses Bechelaren die moderne Fiktionalisierungsdiskussion gehörig durcheinanderbringen. Der entscheidende zweite Teil des Epos, der mit der Kunde vom Tod der Hunnenkönigin einsetzt (Str. 1 143), bringt schon nach wenigen Strophen den Markgrafen Rüdiger ins Spiel und das nicht nur punktuell, sondern in zentraler Position, was sich im weiteren Verlauf der Handlung erhärten wird: Rüdiger zuerst als Brautwerber, dann als Gastgeber in Bechelaren und schließlich als die große tragische Gestalt im Kampf mit den Burgundern, die dem heillosen Geschehen eine unerwartete Perspektive eröffnet. Das herkömmliche Nibelungenpersonal genügte dem Epiker offensichtlich nicht mehr in seinem Bemühen, den Stoff menschlich anzureichern und zum Träger einer neuen großepischen Botschaft zu machen, die die maeren von der spektakulären Drachentötung auf der Gnîtaheide in den Hintergrund treten ließ. Dieser Rüdiger ist der mächtigste Vasall der doch gewalt den meisten hie bî Etzelen hât (Str. 2 138), Unt dem ez allez dienet, liut unde lant (Str. 2 139). Er wird gar, wie Dietrich, der vürste Rüdiger genannt (Str. 1 231), ist in diesem konkreten Raum verwurzelt; es wird sogar von Rüdigeres lant gesprochen (Str. 1 299). In der Begründung seiner Rolle als Brautwerber heißt es, dass er die Burgunder von klein auf
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kennt, und immer wieder ist die Rede bî dem Rîne, womit mit respektvollem Unterton der andere reale Raum vergegenwärtigt wird. Auf den Rhein und die Donaugegend mit Zentrum Bechelaren – diesem nicht nibelungischen, eher amelungischen Raum – kommt es an. Man hat sich daran gewöhnt, vom sogenannten Idyll von Bechelaren zusprechen. Sicherlich handelt es sich um eine gut platzierte Atempause vor der Katastrophe, doch das Wort Idylle verniedlicht das Humanisierungspotential, das mit Rüdiger und der Lokalisierung im realen Südosten den alten Stoff wie Sauerteig durchsetzt. Rüdiger ist es, dem es gelingt Kriemhilt als neue Hunnenkönigin zu gewinnen. Dazu wird die dynastische Verbindung angebahnt zwischen Giselher, dem Burgunderkönig, und der Markgrafentochter. Was historisch im 3. Kreuzzug sich am ungarischen Hof mit Barbarossas Sohn abspielte, wird abgewandelt, für Bechelaren beansprucht. Das weiß man längst, doch wo sind die Konsequenzen daraus? Freilich ist uns verborgen, was man sich um 1200 im babenbergischen Südosten dabei dachte, es dürfte aber klar sein, dass hiermit ein prestigiöser Sagenstoff durch die Gestalt Rüdigers zu einem erregenden Bestandteil der eigenen Geschichte stilisiert wurde. Als Parallele dazu kann man Klosterchroniken heranziehen, in denen versucht wird, die Vergangenheit durch Inanspruchnahme bedeutender Gestalten und Ereignisse aufzuhöhen. Fiktion ist das bloß aus unserer Sicht. Ist Hagen der sich stolz zu seinen herren bekennende man, so könnte man Rüdiger den leidenden Vasallen nennen, der unter dieser Bindung zu zerbrechen droht, über das hinausgehend, was Chansons de geste an Vasallenproblematik zu bieten haben. Der Epiker versteht es, beide Vasallentypen auf überraschende Weise zu vereinen. In der pathetischen Szene der 29. aventiure geht es um die Besiegelung der martialisch geprägten Kriegerfreundschaft Hagen/Volker (Str. 1 800, 1 801). Gegen Ende des Tötens, als Rüdiger in den Kampf eingreifen muss, stehen dann Hagen und Rüdiger einander als Gegner gegenüber, doch das löst sich auf in einer unerwarteten Form von Kriegerfreundschaft, nun weniger martialisch als bei Volker, sondern aus tiefster Menschlichkeit heraus in der Schildbitte Hagens, die Rüdiger erfüllt. Das epische Genus Kampfschilderung, das sich großer Beleibtheit erfreut haben muss, wird damit in seinem Wesen verändert und geadelt. Überhaupt ist zu sagen, dass sich die Kampfschilderungen grundsätzlich von dem abheben, was um diese Zeit in der Erzählliteratur geboten wurde. Gewiss, das Hinauswerfen der Toten aus dem Saal und die Aufforderung, den Durst in der brennenden Halle mit dem Blut der Erschlagenen zu löschen, muten brutal an. Sieht man sich aber in vergleichbaren Dichtungen um, so konstatiert man, dass sich der Dichter bei seinen Kampfschilderungen sehr zurückhält und sich z. B. von den Chansons de geste abhebt. Dort wühlen die Kämpfer in den Eingeweiden herum, lassen das
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Hirn verspritzen, die Augen herausspringen, und die Dichter führen vor, wie Krieger gespalten werden und die Kämpfer im Blut waten. Im Nibelungenlied heißt es nur: daz bluot allenthalben durch die löcher vlôz unt dâ zen rigelsteinen (Str. 2 078). Man vergesse nicht, dass auch die höfischen Romane nicht zimperlich sind, wenn man erfährt, dass so manche herumreitende Dame den abgeschlagenen Schädel eines lästigen Ritters an ihren Sattel heftet. Auch grässlich manieristische Details, wie sie bei Lukan zu finden sind – dass z. B. eine abgeschlagene Zunge noch Flüche ausstößt – fehlen. Stattdessen sind im Nibelungenlied die Kämpfer ständig in Gespräche verwickelt. Diese Art der Kampfschilderung betrifft auch deren Übersichtlichkeit in Raum und Zeit, die Einbeziehung der einzelnen prominenten Kämpfer und der menschlichen Bindungen – man denke an Giselher und Kriemhilt – und die Hagen/Rüdigerszene. Man muss auch sehen, dass der Epiker diese Szene in ungewöhnlicher Breite von Str. 2 148–2 221, entfaltet; die Schlussszene – Hortforderung an Hagen und dessen Triumph im Tod – steht mit ihrer auffallenden Kürze dazu in einem Missverhältnis, gerade ein Dutzend Strophen verwendet er darauf! Man kann daraus schließen, worauf es dem Epiker ankam; der Unterschied zur Atlakviða springt ins Auge. Doch der Reihe nach: Zuerst beschwört Kriemhilt den Markgrafen, in den Kampf einzugreifen. Es geht dabei um das privat-persönliche Versprechen Rüdigers; dann wird das Herrscherpaar einbezogen, das den Vasallendienst einfordert. Etzel und Kriemhilt werfen sich ze füezen für den man (Str. 2 152), wobei das feudale Ritual zu seinem Recht kommt.26 Rüdiger kann sich dem nicht entziehen. In epischer Ausführlichkeit kommt dabei das gute Verhältnis zwischen herr und man zur Sprache, desgleichen die enge Verbindung zu den Burgundern. Damit nicht genug. Rüdiger erlebt dieses Dilemma der Feudalgesellschaft zugleich als religiöse Bedrohung (Str. 2 150 ff.), wenn er sein Seelenheil in Gefahr sieht. Die de profundis-Gottesanrufungen gewinnen existenzielle Macht (Str. 2 150, 2 153 ff.). Die alten Sagen erhalten dadurch Tiefgang, wofür überzeugende Parallelen fehlen, was die besondere Leistung des Epikers und die Sonderrolle des Nibelungenliedes unterstreicht. Ungewöhnlich aufwendig wird die Vorbereitung zum Eintritt Rüdigers in den Kampf geschildert, Bewaffnung, Reaktion der Burgunder, Reden vor dem Kampf, die auch auf dem Hintergrund der in solchen Situationen üblichen Reizreden zu sehen sind. All das gibt dichte epische Substanz und man muss bedenken, wofür das eingesetzt wird. Diese Krieger eine ‘Meute’ zu nennen, zeugt von einem merkwürdigen Textverständnis.27 Die Reden, 26 27
Althoff 2003. Dazu gehört natürlich auch der berühmte Stratordienst Sigfrids. Müller 1998, S. 445.
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in denen die Freundschaft aufgekündigt werden muss, münden ein in die hilflose Gottesanrufung Nu müez’uns got genâden … (Str. 2 192). Der Kampf könnte beginnen, der Schild in Position gebracht. Und da geschieht das Unerwartete, das unmittelbar auf die ebenerwähnte Gottesanrufung folgt. Das Morden ist zwar nicht aufzuhalten, es wird aber doch für kurze Zeit unterbrochen, so dass sich ein Freiraum auftun kann, in dem das Menschliche eine Chance erhält. Es ist Hagen, der dies bewirkt und er spricht wieder als Vasall – ich und mîne herren … (Str. 2 193 ff.) – worauf er auf seinen zerhauenen Schild hinweist und Gott beschwört, ihm doch einen Schild zu geben wie Rüdiger noch einen hat. Und das Wunder geschieht, Rüdiger gibt Hagen seinen Schild, indem er sich über seine Lehnsherrin hinwegsetzt, der diese Unterstützung des Feindes ja missfallen muss. Der grimme Hagen wird von Erbarmen erfüllt (Str. 2 198) und ruft seinerseits Gott an, er möge Rüdiger diese Tat vergelten und bewirken, dass das Wissen um Rüdigers edles Verhalten lebendig bleibe (Str. 2 199). Die Gottesanrufung Hagens rahmt die Strophe ein und kann nicht als leere Floskel abgetan werden. Sie greift auf Rüdigers Anrufung (Str. 2 192) zurück und erfüllt sie. Hagen und Volker, die besonders martialischen Kriegerfreunde, nehmen nicht am Kampf teil, das Morden ist symbolisch also doch, was die Hauptakteure betrifft, gestoppt. Diese Nichtbeteiligung am Kampf ist anderer Art als Hagens anfängliche Abstention im Waltharius oder des Achilles Weigerung zu kämpfen. Der hohe epische Stil war für den Nibelungenepiker kein leerer Anspruch. Mit der Einbeziehung Volkers ergibt sich die Entsprechung zur 29. aventiure und zugleich deren Erfüllungen. Der Rückbezug auf den Aufenthalt in Bechelaren kommt hinzu und gibt weitere menschliche Fülle. (Mit Blick auf Rüdigers Verhalten von germanischer Schicksalsüberwindung zu sprechen wie de Boor in seiner Anmerkung zum Text, hat mit unserem Epos nichts zu tun. Wie zählebig diese Germanenideologie sein kann, zeigt sich auch noch in der Literaturgeschichte Peter Johnsons. Dort kann man lesen: „Es gibt nichts in dem Werk, das für das Schicksal eines germanischen Helden typischer wäre als Rüdigers moralisches Dilemma.“28) Die Rüdigergeschichte ist damit nicht zu Ende. Sie erstreckt sich noch tief hinein in die Schlussepisode vom Kampf mit den Amelungen. Sie ist der neue großepische Höhepunkt, der die liedhafte Glanzpassage von der triumphalistischen Hortweigerung in der Atlakviða, worin die nordischen Nibelungenrezeption gipfelt, hinter sich lässt, wie der erwähnte betont knappe Schluss der entsprechenden Episode im Nibelungenepos nahelegt. Mit seiner kühnen Rezeption der alten Sage hat das Epos seine Würde gefunden. 28
Johnson 1999, S. 303. Zu Rüdiger auch Splett 1968.
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Von der Rüdigerepisode aus ist auch die seit Goethe vielberufene Religionslosigkeit des Nibelungenlieds in Frage zu stellen. Im Verlauf der Entwicklung seither hat die Gleichsetzung von Nibelungenlied und Altgermanisch sich auch in diesem Zusammenhang als Hypothek erwiesen. Die Artusromane zeichnen sich keineswegs durch Religiosität aus, erst über das Eindringen der Gralsmythe sollte sich das ändern. Der Lancelot des Karrenritterromans Chrétiens hat keinerlei religiöse Schuldgefühle, genauso wenig wie Gottfrieds Tristan. Die antiken Romane begnügen sich mit wenigen punktuellen Hinweisen. So wird z. B. im Thebenroman das Übel, das sich entfalten kann, am Anfang und am Ende andeutungsweise auf die Ödipussünde zurückgeführt und im Aeneasroman Heinrichs von Veldeke der Selbstmord Didos auf das Einwirken des Teufels, was den paar isolierten Teufelsbelegen im Nibelungenlied entspricht. Die Lais der Marie de France spielen in einem absolut religionsfreien Raum und wenn man bei den Chansons de geste vom Thema Heidenkampf absieht, ist von religiöser Problematik wenig zu spüren. Selbst im Prosalancelot tut sich auf weite Strecken hin kein Himmel auf und das ritterliche Töten folgt seinen eigenen Gesetzen. Im Gegensatz dazu kommt es bei Rüdiger zu einem echten religiösen Aufbruch, wenn überzeugend das Seelenheil beschworen wird. Das Humanum, das sich da entfalten kann, ist religiös fundiert und episch überzeugend dargelegt. Der Rüdiger-Erzählstrang, mit dem der zweite Teil einsetzt und der gegen Ende sich immer mehr verdichtet, muss auch im Hinblick auf die Einverleibung der Amelungensage gesehen werden. Der Nibelungenepiker hat sich damit – etwas forsch formuliert – einer mächtigen Konkurrenz entledigt. Eine sagenhistorisch alte Verbindung der Nibelungensagen mit der Dietrichsage gab es wohl nicht. Die eddischen Zeugnisse, von den späten abgesehen, wissen, wie erwähnt, nichts von ihm, auch in den Kenningar der Skalden hat sie keine Spuren hinterlassen. Im deutschen Südosten muss diese Sage eine dominierende Rolle gespielt haben, denken wir an Gunther von Bamberg, die Kaiserchronik, Metellus von Tegernsee. Diese im 6. Jahrhundert wurzelnde Tradition hat das negative Attilabild der im 5. Jahrhundert anzusetzenden burgundischen Überlieferung, das die nordischen Quellen bewahrt haben, durch das jüngere gotische und freundliche ersetzt. Der Nibelungenepiker hat sich souverän dieser mächtigen Überlieferung gestellt und sich zugleich ihrer entledigt. Gemessen an den Burgunderkönigen, ihren mächtigen Vasallen und vor allem an der den zweiten Teil beherrschenden Figur des Markgrafen Rüdiger kommt Dietrich nur die Rolle einer Nebenfigur zu. Er begrüßt zwar die Burgunder am Hof Etzels (Str. 1 718 ff.), muss aber gleich darauf geradezu ostentativ dem rheinischen Spielmann Volker den Vortritt lassen (Str. 1 758 f.) Er weigert sich, Kriem-
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hilt zu unterstützen, hält seine Leute vom Turnier fern (Str. 1 874), muss aber angesichts der Saalschlacht seine Ohnmacht eingestehen: wie sol ich iu gehelfen, sprach her Dietrich, edeliu küneginne, nu sorge ich umbe mich … (Str. 1 984)! Gerade, dass er das Herrscherpaar aus der Halle geleiten kann. Als er am Schluss in den Kampf eingreifen muss, kann er nur mit äußerster Mühe die beiden erschöpften Burgunderhelden niederringen, die er nun Kriemhilt übergibt und gleichsam durch die Hintertür abtritt. Wahrlich keine glanzvolle epische Karriere. In der Dietrichsepik verliert Dietrich seine Mannen im Kampf mit dem heimtückischen Ermanrich. Der Nibelungenepiker hat also großzügig und resolut in die Amelungentradition eingegriffen vor allem ad maiorem gloriam Rüdigers und der Burgunder. Wie mehrfach betont, verweisen die zentralen Chansons de geste auf einen nahen realen Raum, dessen Herzstück la douce France bildet; man bedenke nur die Belegdichte dieser Fügung in den einschlägigen Texten. Vergleichbares gibt es im Hl. römischen Reich nicht. Die Basis für diesen la France-Kult lag im Westfränkischen, wo außerhalb des weit gespannten ins Imperiale ausgreifenden Ostteils der Karlsmythos auf engerer nationaler Grundlage gedeihen konnte. Das Annolied rühmt zwar die Franken als Stamm ob ihrer trojanischen Herkunft, ihr Land wertet das aber nicht auf; nur zweimal wird auf ‘deutsche Länder’ hingewiesen! Einen allerdings isolierten und folgenlosen Vorstoß im Sinn der Lokalisierungstendenz der Chansons de geste bietet das Nibelungenepos mit seiner ungewöhnlich präzisen Festlegung des Geschehens im realen Raum, dem Donauraum vor allem, der als das Land Rüdigers, des mächtigsten Vasallen, erfahren wird. Man muss sich doch fragen, ob nicht die außerordentliche politische Aufwertung der Markgrafschaft Österreich durch das von Friedrich I. verliehene privilegium minus anregend gewirkt haben könnte, rheinischburgundische ruhmvolle Überlieferungen für dieses aufgewertete Land zu ‘instrumentalisieren’, so wie die Chansons de geste ihre einheimischen Überlieferungen für la douce France einsetzten. (Friedrich I. war ja auch mit Beatrix von Burgund verheiratet.) Ob man beim Nibelungenlied von einem Ansatz zu einem Babenbergerepos sprechen soll, sei dahingestellt. Auf die Thematik des vorliegenden Beitrags bezogen, lässt sich sagen, dass die reiche nordische Nibelungenrezeption diese Stoffe – wie anderes auch – als forn fræði bewahrte, während der Nibelungendichter erkannte, dass diese Überlieferungen ein Kapital enthielten, aus dem Höheres zu gestalten sein könnte, und so schuf er daraus d a s große und aktualisierte Minneund Vasallenepos des volkssprachlichen Mittelalters. Es sollte als solches und weniger als ‘Heldendichtung’ in die Literaturgeschichte eingehen.
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II. Religion und Mythologie
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 367–391 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Des sacrifices humains lors du lancement des navires dans la Scandinavie ancienne ? Remarques sur le composé norrois hlunnroð par FRANÇOIS-XAVIER DILLMANN
Alors que la navigation a joué un rôle fondamental dans l’histoire et la civilisation des peuples de l’Europe du Nord depuis les temps les plus reculés, dans leur expansion au cours des siècles comme dans leur vie quotidienne, très rares sont les recherches qui ont été consacrées jusqu’à présent à la mythologie de la mer dans la Scandinavie ancienne 1, et plus généralement aux croyances et pratiques magico-religieuses concernant le navire et les traversées maritimes des Scandinaves à l’époque préchrétienne, à la différence de ce que l’on peut observer dans l’historiographie de l’Antiquité classique 2. Les sources écrites, qu’elles soient norroises ou latines, contiennent cependant la mention d’assez nombreux sacrifices qui auraient été organi1
2
Une exception notable est cependant constituée par la contribution aussi pénétrante qu’érudite de Kurt Schier, « Die Erdschöpfung aus dem Urmeer und die Kosmogonie der Völospá », dans Märchen, Mythos, Dichtung. Festschrift zum 90. Geburtstag Friedrich von der Leyens am 19. August 1963. Herausgegeben von Hugo Kuhn und Kurt Schier, Munich, Beck, 1963, pp. 303–334 – repris dans Kurt Schier, Nordlichter. Ausgewählte Schriften 1960–1992. Herausgegeben von Ulrike Strerath-Bolz et al., Munich, Diederichs, 1994, pp. 15–52. Nous nous permettons de renvoyer à notre étude récente : « Navigation et croyances magico-religieuses dans la Scandinavie ancienne : quelques observations au sujet des figures de proue », dans Comptes rendus de l’Académie des Inscriptions & Belles-Lettres. Séances de l’année 2007, janvier-mars, Paris, 2008, pp. 383–420 – voir aussi nos deux publications parallèles : « Les figures de proue de la Tapisserie de Bayeux et les traditions nautiques de la Scandinavie ancienne », dans La Tapisserie de Bayeux : une chronique des temps vikings ? Actes du colloque international de Bayeux, mars 2007, réd. Sylvette Lemagnen, 2009 (sous presse) ; « Om stävprydnader på vikingatida skepp », dans Saga och Sed. Kungl. Gustav Adolfs Akademiens årsbok 2009, Upsal, 2009 (en cours d’édition).
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sés à l’occasion des entreprises navales des anciens Scandinaves. Le plus souvent, les auteurs font état de telles pratiques avant l’embarquement : c’est le cas, par exemple, dans un chapitre de la rédaction de la Landnámabók transmise par la Hauksbók au sujet de Flóki Vilgerðarson, qui aurait fait « un grand sacrifice » avant de quitter le Rogaland, en Norvège, pour partir à la recherche du pays alors appelé Snjóland 3 ; ou dans le passage, fort discuté, au cours duquel le chroniqueur Dudon de SaintQuentin attribue aux Normands encore païens la coutume de sacrifices humains offerts au dieu Thur 4. Le cas le plus fréquent est néanmoins celui du navire empêché de prendre la mer en raison du mauvais temps : le sacrifice qui était alors organisé avait pour dessein de calmer la tempête et de faire se lever un vent favorable (le byrr) afin que les navigateurs puissent appareiller. L’épisode du roi Víkarr au chapitre VII de la Gautreks saga 5, avec le passage correspondant au livre VI, chapitre V, 7, des Gesta Danorum de Saxo Grammaticus 6, en fournit un exemple célèbre. 3
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5 6
Landnámabók, chapitre H 5, éd. Jakob Benediktsson (Íslenzk fornrit, I), Reykjavik, 1968, p. 37 – sur cet épisode et sur les différences relevées entre le texte de la Hauksbók et celui de la Sturlubók (chapitre S 5, éd. cit., p. 36), voir notamment Jón Hnefill Aðalsteinsson, « Blótminni í Landnámabók », dans Heiðin minni. Greinar um fornar bókmenntir, réd. Haraldur Bessason et Baldur Hafstað, Reykjavik, Heimskringla / Háskólaforlag Máls og menningar, 1999, pp. 258–265. De moribus et actis primorum Normanniae ducum, livre I, chapitre II, éd. Jules Lair, Caen (Mémoires de la Société des antiquaires de Normandie, XXIII), 1865, pp. 129–130, cf. Dudo of St Quentin, History of the Normans. Translated into English by Eric Christiansen with introduction and notes, Woodbridge, The Boydell Press, 1998, pp. 15–16. – Sur ce passage, voir notamment Lucien Musset, « L’image de la Scandinavie dans les œuvres normandes de la période ducale (911–1204) », dans Les relations littéraires franco-scandinaves au Moyen Âge. Actes du colloque de Liège (avril 1972), Paris, Les Belles Lettres (Bibliothèque de la faculté de philosophie et lettres de l’université de Liège, CCVIII), 1975, p. 196 – repris dans Lucien Musset, Nordica et Normannica. Recueil d’études sur la Scandinavie ancienne et médiévale, les expéditions des Vikings et la fondation de la Normandie, Paris, Société des études nordiques (Studia nordica, I), 1997, p. 216 ; Richard Perkins, Thor the wind-raiser and the Eyrarland image, Londres, Viking Society for Northern Research (Text Series, XV), 2001, pp. 20 sq. ; et Anders Hultgård, « Menschenopfer », dans Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Begründet von Johannes Hoops. Zweite, völlig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage […] herausgegeben von Heinrich Beck et al., Berlin / New York, de Gruyter, XIX, 2001, pp. 538–539. Die Gautrekssaga in zwei Fassungen herausgegeben von Wilhelm Ranisch, Berlin, Mayer & Müller (Palaestra, XI), 1900, pp. 27 sq. Saxonis Gesta Danorum. Primum a C. Knabe & P. Herrmann recensita. Recognoverunt et ediderunt J. Olrik & H. Ræder. Tomus I : Textum continens, Copenhague,
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L’examen approfondi de chacune des mentions de semblables sacrifices qui sont relevées dans le corpus des sources littéraires et historiques – que ces sacrifices soient ou non décrits comme sanglants, qu’ils reflètent plausiblement des usages réels ou qu’ils soient fabuleux, voire inventés de toutes pièces à des fins polémiques par des auteurs chrétiens – réclamant à l’évidence un cadre beaucoup plus vaste que celui de la présente contribution 7, nous ne nous pencherons ici que sur un seul mode de sacrifice humain en relation avec l’embarquement : un sacrifice d’un type particulier, la “Rollenrötung” (traduction habituelle du composé norrois hlunnroð), pratique qui, si l’on en croit plusieurs germanistes de grand renom, aurait été largement répandue lors du lancement des navires en Scandinavie à l’époque ancienne. * Histoire de la recherche C’est dans l’une des riches annexes du tome I du Corpvs Poeticvm Boreale, qui fut établi par Guðbrandur Vigfússon et Frederick York Powell vers la fin du XIXe siècle 8, que nous relevons la première description du hlunnroð comme sacrifice humain 9 :
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Levin & Munksgaard, 1931, p. 153 ; cf. Saxo Grammaticus, Gesta Danorum. Danmarkshistorien. Latinsk tekst udgivet af Karsten Friis-Jensen. Dansk oversættelse ved Peter Zeeberg, I, Copenhague, Det Danske Sprog- og Litteraturselskab / Gads Forlag, 2005, pp. 382–383. Cette enquête est menée dans notre ouvrage, La mer et le sacré. Études sur la mythologie de la mer et sur les croyances et pratiques magico-religieuses relatives au navire et à la navigation dans la Scandinavie ancienne (en préparation). Sur cet ouvrage, voir en particulier le bel article d’Ursula Dronke, « The scope of the Corpvs Poeticvm Boreale », dans Rory McTurk et Andrew Wawn (dir.), Úr Dölum til Dala. Guðbrandur Vigfússon Centenary Essays, Leeds (Leeds Texts and Monographs. New Series, XI), 1989, pp. 93–111. Corpvs Poeticvm Boreale. The poetry of the Old Northern tongue from the earliest times to the thirteenth century. Edited, classified and translated with introduction, excursus, and notes by Gudbrand Vigfusson and F. York Powell, vol. I : Eddic Poetry, Oxford, Clarendon Press, 1883, p. 410 – ce paragraphe fait partie d’un développement au sujet des sacrifices humains (pp. 409 sq.) dans l’Excursus I, intitulé Beliefs and Worship of the Old Northmen (pp. 401 sq.). – La référence au vol. II, p. 349, l. 56, est celle de la strophe d’Áslaug dans la Ragnars saga loðbrókar, que nous citons infra, p. 384. – La mention de [t]he old legend of Hedin and Hagena renvoie manifestement au Sǫrla þáttr (cf. infra, pp. 385 sq).
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The ‘hlunn-rod’ or ‘roller-reddening’ of the Wickings (in ii. 349, l. 56) is the last Northern instance of a practice Cook found in full vogue in the South Seas. The victims were bound to the rollers, over which the war-galley was run down to the sea, so that the stem was ‘sprinkled with their blood.’ Such sacrifices took place at a launch of a new war canoe, or when an important expedition was setting out. The old legend of Hedin and Hagena, like that of Iason, has preserved mangled accounts of this sacrifice. The last trace of such ‘consecration’ with us we take to be the breaking of a wine-bottle over the ships’ bows. The analogous custom of consecrating a big building by burying a human victim under the main posts or by the corner-stone (of which there are many mediæval traditions) we find no trace of in our Sagas or poems ; like the ‘hlunnrod,’ it obtained in the South Seas.
Dans son important manuel de mythologie germanique qui fut publié douze ans plus tard 10, le savant allemand Wolfgang Golther, après avoir mentionné l’allégation de Dudon de Saint-Quentin au sujet des sacrifices humains auxquels les Normands se seraient livrés avant leur départ en expédition, écrivait pour sa part 11 : Die Ragnarssaga (Fornaldarsögur 1, 264) gedenkt des hlunnroð, der Rollenrötung. Wenn ein Schiff vom Stapel gelassen wurde, lief es über Rollen und den Leib eines Menschen, der mit seinem Blute den Kiel rötete. Dies Sühnopfer bezweckt wol, das Schiff gegen Gefahr zu feien. Denselben Gedanken enthält der Sǫrla-þáttr Kap. 7, wenn Hedin sein Drachen- | schiff über den Leib der Königin, der Gattin Hognis in See gehen lässt.
Reprise partiellement par Paul Herrmann (Nordische Mythologie in gemeinverständlicher Darstellung 12), auteur qui interprétait certes de manière différente le passage de la Ragnars saga loðbrókar cité par Golther mais qui voyait lui aussi dans l’épisode du Sǫrla þáttr un sacrifice sanglant qui aurait été destiné « à protéger les navires contre le vent et les vagues 13 », puis évoquée de façon apparemment plus prudente par Elard 10 11
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Handbuch der germanischen Mythologie, Leipzig, Hirzel, 1895, XI + 668 p. Op. cit., pp. 562–563, au paragraphe 4 (Gebet und Opfer) du chapitre intitulé Der Götterdienst im allgemeinen und das Opferwesen, sous le titre courant Menschenopfer. Leipzig, Engelmann, 1903, XII + 634 p. – voir ici pp. 467 (à propos des divers sacrifices humains) et 481–482 (au paragraphe Der Götterdienst im Kriege). Op. cit., pp. 481–482 : « Man hielt es für bedeutungsvoll, daß es glücklich von statten ginge, wenn die Schiffe ins Meer geschoben werden sollten. Als einmal ein Mann unter die Rollen geriet, auf denen die | Schiffe vom Lande ins Meer gerollt wurden, und den Tod dabei fand, däuchte die Dänen diese „Rollenrötung“ kein guter Anfang (FAS I264). Hedin findet im Walde ein großes schönes Weib Göndul, das ihm einen Vergessenheitstrank reicht und ihn anspornt, er solle, um Ruhm zu
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Hugo Meyer dans son traité de mythologie germanique 14, la thèse selon laquelle la mise à l’eau des navires dans la Scandinavie ancienne s’accompagnait de sacrifices humains fut exposée de la manière la plus claire, la plus résolue aussi, par Eugen Mogk dans la monographie intitulée Die Menschenopfer bei den Germanen 15. Après avoir développé l’idée selon laquelle, placé face à un danger existentiel, l’homme ne pouvait sauver sa vie qu’en sacrifiant celle d’un être humain, et cela en particulier lors des expéditions maritimes 16, Mogk poursuivait en ces termes 17 : Diese Furcht von der Rán, vor dem Tode auf dem Meere gab Veranlassung zu prophylaktischen Opfern, die bei Ausfahrt stattzufinden pflegten. Der Meeresdämon forderte Menschen, also konnten auch hier die prophylaktischen Vorkehrungen nur Menschenopfer sein. Wenn das Schiff von dem Land auf den Rollen hinaus aufs Wasser geschoben wurde, da legte man einen Menschen un-
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gewinnen, Hild, die Tochter seines Blutsfreundes Högni rauben und dessen Gemahlin unter sein Schiff legen, wenn es in die See gezogen werden. Hedin läßt auch sein Drachenschiff über den Leib der Königin hinweg in die See schieben (FAS I394): es sind Sühnopfer, wohl eine Art Bauopfer, die die Schiffe gegen Wind und Wellen schützen sollen. » Mythologie der Germanen gemeinfaszlich dargestellt, Strasbourg, Trübner, 1903, 527 p. – voir ici p. 337 (dans la conclusion du développement sur les sacrifices, à la fin du chapitre intitulé Das Götterleben und der Götterdienst) : « Sagenhaft klingt die nordische sogennante „Rollenrötung“, d. h. der Stapellauf eines Schiffs über den Leib eines Menschen hinweg, dessen Blut dann den Kiel sühnend netzte. » Cette réserve était cependant contrebalancée aussitôt par le rapprochement suivant : « Aber man hat oft beim Niederreißen alter deutscher Bauten, Stadtmauern und Brücken und Deiche, Gerippe mit Särgen und ohne sie gefunden, die die Wahrheit der häufigen noch jetzt vom Volk geglaubten Geschichten vom Einmauern lebendiger Menschen in den Grundstein wichtiger Schutzbauten bezeugen. » Dans Abhandlungen der philologisch-historischen Klasse der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, XXVII, 17, 1909 (Leipzig, Teubner, 1909), pp. 601–643. Op. cit., pp. 616–617 : « Der Grundgedanke: „Dein Leben ist verwirkt oder arg gefährdet, du kannst es nur durch Menschenleben retten“ erklärt auch die andern Menschenopfer, denen wir neben den Kriegs- und Lebensopfern öfters begegnen: die Opfer bei Teuerung und die Menschenopfer bei der gefährlichen Fahrt auf der See. […] Die meiste Ähnlichkeit mit den Opfern in Kriegsnöten haben die Menschenopfer bei Unternehmungen zur See. Wir finden sie besonders bei den germanischen Stämmen an der Nordsee, bei den Sachsen, Friesen, Dänen. Das Meer war ein gefährlicher Boden; viele, die sich ihm anvertraut hatten, waren auf ihm zu Grunde gegangen. So war der Glaube entstanden, daß im Meere ein männerholender Dämon hause, der mit seinem Netze die Schiffer zu fangen suche. Das war nach nordischer Mythe die Göttin Rán […]. » Op. cit., p. 618.
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ter die Rollen: das war das hlunnroð ‘die Rollenrötung’, von der die Ragnars Saga loðbrókar Zeugnis gibt (Ausg. Magn. Olsen 137 20 ff.) und die nach de[n] älteren Gulathinglǫg mit Buße gesühnt werden soll (Nú draga menn skip upp eða út ok verðr maðr at lunnroði, þá skulu þeir gjalda hann gjǫldum aptr NgL. I, 65. § 173).1)
Avec cette note de bas de page : 1) Vgl. auch Sǫrlaþáttr (Fas. I, 40211) : Síðan gekk Heðinn til strandar; var þar settr fram drekinn; skaut hann þá dróttningu niðr fyr barðit; lét hon þar líf sitt.
Deux ans après sa publication, l’étude de Mogk fut soumise à une sévère critique de la part de Wilhelm Ranisch 18. Au cours de son compte rendu, le philologue allemand pointa nombre d’erreurs, de lacunes et d’interprétations hasardeuses sous la plume de Mogk, plusieurs d’entre elles portant sur le passage concernant les sacrifices humains qui auraient été offerts au « démon de la mer ». Selon Ranisch 19, la “Rollenrötung” serait en fait mentionnée dans la Ragnars saga loðbrókar comme « un accident de mauvais présage » (als Unglücksfall von übler Vorbedeutung) et dans le Sǫrla þáttr comme « un crime monstrueux, honteux » (als schändliche Untat), et l’auteur de conclure au sujet de la dite “Rollenrötung” : sie muß nach den älteren Gulaþingslǫg mit Buße gesühnt werden; nirgends wird sie als ein Opfer bezeichnet.
Le compte rendu de Ranisch donna lieu quelques semaines plus tard à une vive réplique de la part d’Eugen Mogk 20 : l’auteur y déclarait qu’il repoussait sur tous les points (à une exception près 21) la critique qui avait été faite de son étude et annonçait qu’il lui apporterait une réponse dans la revue Archiv für Religionswissenschaft 22. 18 19 20 21
22
Dans la Deutsche Literaturzeitung, XXXII, 10, 11 mars 1911, col. 592–597. Article cit., col. 595. Publiée sous le titre Erklärung, dans Deutsche Literaturzeitung, XXXII, 17, 29 avril 1911, col. 1047. Il concédait n’avoir commis qu’une seule erreur : elle concernait l’interprétation de la kenning d’Egill Skalla-Grímsson, Viðurs þýfi (strophe I du Sonatorrek), cf. E. Mogk, Menschenopfer, 1909, p. 613 ; id., dans Archiv für Religionswissenschaft, XV, 1912, p. 428, n. 1 ; W. Ranisch, art. cit., col. 594. Mogk ajoutait à l’intention de son critique : « Es ist zu bedauern, daß Herr Ranisch, der auf philologischem Gebiete manches Tüchtige geleistet hat, in religionsgeschichtlichen Dingen ganz in dem Banne wortphilologischer Einseitigkeit steht. » – Sur la brève réponse de Ranisch, qui fut imprimée sous la déclaration de Mogk dans le même fascicule de la Deutsche Literaturzeitung, et plus généralement sur le débat entre les deux savants, nous nous permettons de renvoyer à notre commentaire dans l’étude annoncée supra, n. 7.
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Dans cet article qui fut publié l’année suivante 23, Mogk revint de manière fort instructive sur sa conception de l’étude des sacrifices humains chez les anciens Germains, en précisant plusieurs aspects de sa méthode, mais il ne réfuta pas chacune des critiques ponctuelles que lui avait adressées Ranisch. Avec d’autres questions, celle de la “Rollenrötung” était ainsi passée sous silence dans cette réponse 24. Il serait cependant erroné de conclure de cette absence que l’auteur aurait été ébranlé par les observations de Ranisch. De fait, dans l’article de synthèse sur les sacrifices humains que Mogk publia peu après dans le tome III du Reallexikon der Germanischen Altertumskunde de Johannes Hoops 25, Mogk revint sur ce type de sacrifice 26 : Prophylaktischer Art waren die Menschenopfer, die von den an der See wohnenden Germanen vor Ausfahrten oder bei Stürmen dem Meerdämon gebracht wurden. In Norwegen pflegte ein Mensch unter die Rollen gelegt zu werden, auf denen das Schiff hinaus in das Meer gestoßen wurde (NgL. I 65, § 173).
Le même point de vue fut adopté par Jan de Vries dans son manuel Altgermanische Religionsgeschichte. Au cours de l’étude du mythe de Baldr, le savant néerlandais s’arrêtait sur l’épisode des funérailles de ce dieu dans le récit de Snorri Sturluson et écrivait notamment 27 : Nebenfiguren wie Hyrrokkin und der Zwerg Litr sind wohl poetische Ausmalung des Leichenbrandmotives. Als Thor den vor seinen Füßen herlaufenden Zwerg in das Feuer schleudert, braucht man dabei kaum an eine rituelle Handlung wie d[as] hlunnroð, das Menschenopfer beim Vomstapellaufen eines Schiffes3, zu denken, umso weniger als beide Motive grundverschieden sind.
Avec la note 3 (p. 246) : D[as] hlunnroð wird erwähnt Ragn 10, Sǫrlaþáttr (Flat I, 280) und Gulathings Gesetz § 173.
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Sous le titre « Ein Nachwort zu den Menschenopfer bei den Germanen », Archiv für Religionswissenschaft, XV, 1912, pp. 422–434. Voir aux pp. 432–433 le développement de l’auteur sur les sacrifices humains qui auraient été organisés par les Frisons le long du littoral. Strasbourg, Trübner, 1915/1916, pp. 213–215 (sous le titre Menschenopfer). Article cit., p. 214, § 3. Altgermanische Religionsgeschichte. Band II : Religion der Nordgermanen, Berlin / Leipzig, de Gruyter (Grundriss der germanischen Philologie, XII, 2), 1937, p. 245 – ce passage fait partie du § 208, intitulé Religiöse Elemente der Baldermythe.
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Reprise à l’identique dans la seconde édition du même manuel 28, cette interprétation du hlunnroð, qui procède directement de l’étude de Mogk de 1909, se retrouve dans nombre d’autres publications de date plus ou moins récente, par exemple dans la riche thèse de doctorat de Dietrich Wachsmuth sur les pratiques religieuses de l’Antiquité méditerranéenne en relation avec les expéditions maritimes 29 : faisant référence aux travaux de Mogk sur ce sujet, l’auteur y mentionnait la “Rollenrötung” parmi les sacrifices humains qui auraient été pratiqués par les navigateurs nordiques 30. Selon le même savant allemand, la réalité de ce sacrifice sanglant serait donc bien établie, du fait notamment de l’existence de divers « parallèles ethnographiques 31 ». Avant de revenir sur les trois sources écrites dont Eugen Mogk – avec plusieurs auteurs d’ouvrages de référence – a produit le témoignage, à l’appui de son affirmation sur l’existence de sacrifices humains qui auraient accompagné le lancement des navires scandinaves à l’époque ancienne, 28
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Jan de Vries, Altgermanische Religionsgeschichte. Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage, II, Berlin, de Gruyter (Grundriss der germanischen Philologie, XII, 2), 1957, p. 227 (§ 484). ΠΟΜΠΙΜΟΣ Ο ΔΑΙΜΩΝ. Untersuchung zu den antiken Sakralhandlungen bei Seereisen. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie der Philosophischen Fakultät der Freien Universität Berlin, 1967, 485 p. Voir pp. 119–121, avec la note 192. Ibid. – l’auteur faisait ici état de pratiques attribuées aux Polynésiens et aux Carthaginois, en rappelant au sujet de ces derniers un passage des Facta et dicta memorabilia de Valère Maxime (M. Valerius Maximus) : au chapitre II du livre IX de son recueil, après avoir décrit les tourments dans lesquels Atilius Regulus mourut à Carthage pendant les guerres puniques, l’historien mentionna en ces termes le supplice que les Carthaginois auraient fait subir à des soldats romains, « placés comme des rouleaux sous leurs navires afin de les écraser sous le poids des carènes » : eadem usi crudelitate milites nostros + quos + maritimo certamine in suam potestatem redactos nauibus substrauerunt, ut earum carinis ac pondere elisi inusitata ratione mortis barbaram feritatem satiarent, taetro facinore pollutis classibus ipsum mare uiolaturi (édition John Briscoe, Stuttgart / Leipzig, Teubner [Bibliotheca Teubneriana], II, 1998, p. 580 ; édition Karl Kempf, ibid., 1888, p. 430 ; édition et traduction Pierre Constant [Valère Maxime, Actions et paroles mémorables], Paris, Garnier, 1935, pp. 294–297). – Cité par Valère Maxime au chapitre intitulé De crudelitate, cet exemple de supplice a parfois été interprété comme « une cérémonie religieuse », selon l’expression de H[enri] Gaidoz (« Un sacrifice humain à Carthage », Revue archéologique, 3e série, VIII, 1886, pp. 192– 193), qui y voyait plus précisément « un rite propitiatoire lors du lancement des navires de la flotte carthaginoise », avant d’ajouter : « Les Wikings scandinaves pratiquaient un sacrifice analogue », en s’appuyant sur le Corpvs Poeticvm Boreale, I, p. 410 (passage cité supra, p. 370).
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commençons par examiner le composé norrois qui est censé désigner cette pratique sacrificielle. Le mot composé hlunnroð Observons tout d’abord que le terme hlunnroð est d’emploi très rare. Dans l’ensemble des sources écrites, on n’en relève que trois occurrences : deux dans les textes en prose (la première dans un article de l’ancienne Loi du Gulathing 32, la seconde au chapitre X de la Ragnars saga loðbrókar 33) et une seule en poésie (dans une strophe citée au cours du même chapitre de la Ragnars saga 34). Le premier élément de ce mot composé ne soulève pas de difficultés : c’est le thème du substantif masc. hlunnr (plur. hlunnar), terme qui désigne proprement chacun des rouleaux de bois (ou plus fréquemment, semble-t-il, à l’époque ancienne, des os de baleine 35) sur lesquels la quille reposait lorsque le navire était tiré vers le haut du rivage ou, au contraire, lorsqu’il était mis à flot 36. Le singulier hlunnr est également employé comme col32
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Den ældre Gulathings-Lov, § 173 (dans Norges gamle Love indtil 1387 [abrégé ciaprès : NgL], éd. R. Keyser et P.A. Munch, I, Christiania, 1846, p. 65 – cf. Den eldre Gulatingslova, éd. Bjørn Eithun et alii, Oslo, Riksarkivet (Norrøne tekster, VI), 1994, p. 116. Édition Magnus Olsen (Samfund til udgivelse af gammel nordisk litteratur, XXXVI, Copenhague, 1906–1908), p. 137. – Les dictionnaires usuels de la prose norroise ne donnent que ces deux exemples, et les collections de l’Ordbog over det norrøne prosasprog, à Copenhague, ne contiennent pas d’autres occurrences du mot, comme a bien voulu nous le confirmer M. Bent Chr. Jacobsen. Édition citée, p. 141, cf. Den norsk-islandske Skjaldedigtning, éd. Finnur Jónsson, A, II, Copenhague, 1912–1915, p. 235 (strophe V, V). – C’est le seul exemple qui soit donné par Finnur Jónsson dans le Lexicon poeticum antiquæ linguæ Septentrionalis, 2e édition, Copenhague, 1931, s.v. hlunnroð. Au moins en Islande, cf. Lúðvík Kristjánsson, Íslenzkir sjávarhættir, II, Reykjavik, Menningarsjóður, 1982, pp. 187 sq. – l’auteur précise que les premières mentions de hlunnar en bois n’apparaissent dans les sources islandaises qu’à partir, semblet-il, de la première moitié du XVIIe siècle. Johan Fritzner, Ordbog over Det gamle norske Sprog, 2e édition, Kristiania, 1883– 1896, s.v. hlunnr, avec cette définition : « en af de Stokke, som lægges paa Jorden i en passende Afstand fra hinanden for derover at kunne drage et Fartøi saaledes, at det ikke kommer til at berøre selve Grunden […] », cf. Richard Cleasby et Gudbrand Vigfusson, An Icelandic-English Dictionary, 2e édition, Oxford, Clarendon Press, 1957, s.v. hlunnr : « a roller for launching ships […], also of the pieces of wood put under the keel of ships when ashore (during the winter ships used to be dragged ashore, called ráða skipi til hlunns) […] » ; Finnur Jónsson, Lexicon poe-
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lectif pour désigner l’ensemble formé par ces rouleaux de bois (ou ces os de baleine), disposés à une certaine distance les uns des autres, à un endroit donné du rivage. Le terme hlunnr est bien attesté dans la littérature norroise, à la fois en poésie et dans les textes en prose ; parmi ces derniers, on le relève dans tel récit mythologique haut en couleur (la description par Snorri Sturluson des funérailles du dieu Baldr 37), mais aussi dans des épisodes de la vie quotidienne relatés par les sagas et dans plusieurs dispositions des recueils juridiques d’Islande 38 et de Norvège 39. Nombre de périphrases scaldiques servant à désigner le navire ont été formées à l’aide de ce mot employé comme déterminant, le second élément de la kenning (le mot de base) étant en général un nom d’animal (hlunnbjǫrn, hlunndýr, hlunnfákr, hlunngoti, hlunnjór, hlunnvigg, hlunnvisundr, hlunnvitnir 40), tandis qu’au moins deux locutions islandaises d’usage courant ont été construites sur ce même mot 41, autant de faits qui illustrent l’importance des hlunnar dans cette civilisation largement tournée vers la mer. La signification du second élément du composé hlunnroð, le nt. roð, est plus discutée. Deux explications ont été avancées à son sujet : dans son dictionnaire de la poésie norroise, Sveinbjörn Egilsson en donnait la définition suivante 42 : « rubefactio (rjóða), in composs. : eggroð, fólkroð, hlunnroð, sólroð, vallroð, vángroð », et il traduisait par conséquent le composé hlunnroð par « rubefactio phalangæ, scutulæ (hlunnr, roð 43) ».
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ticum, op. cit., s.v. hlunnr : « rullestok, cylindrisk stok, hvorover skibene trækkes (op fra og ned til søen), og hvorpå de står (på land, når de ikke bruges, især om vinteren) ». Au chapitre XLIX de la Gylfaginning (Edda Snorra Sturlusonar, éd. Finnur Jónsson, Copenhague, Gyldendalske Boghandel / Nordisk Forlag, 1931, p. 65). Voir p.ex. le chapitre XIII de l’Erfðaþáttr et les chapitres LXI et LXIII du Festaþáttr dans la Grágás, éd. Gunnar Karlsson et alii, Reykjavik, Mál og menning, 1992, pp. 65, 150 et 152. Voir p.ex. les §§ 47 et 102 dans l’ancienne Loi du Gulathing (éd. NgL, I, pp. 26 et 48). Cf. Lexicon poeticum, op. cit., p. 265 ; Rudolf Meissner, Die Kenningar der Skalden. Ein Beitrag zur skaldischen Poetik, Bonn / Leipzig, Schroeder (Rheinische Beiträge und Hülfsbücher zur germanischen Philologie und Volkskunde, I), 1921, p. 215. Voir p.ex. Jón G. Friðjónsson, Mergur málsins. Íslensk orðatiltæki. Uppruni, saga og notkun, 2e édition, Reykjavik, Mál og menning, 2006, pp. 355–356. Lexicon poëticum antiquæ linguæ Septentrionalis, Copenhague, 1860, p. 673. Op. cit., p. 360.
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Le philologue islandais, suivi par plusieurs lexicographes 44, rattachait donc le mot roð au verbe rjóða (rendre rouge, rougir). Cette interprétation fut repoussée par Hjalmar Falk 45, qui allégua l’existence d’un mot rod, au sens de Ausgleitung 46, dans les dialectes norvégiens, mot qu’il rapprocha du verbe homonyme rjóða (éclaircir, disperser, etc. 47) – dans cette hypothèse, le composé hlunnroð désignerait le fait pour le navire de glisser subitement sur les hlunnar, de façon inattendue, voire de verser, et donc de provoquer un accident alors que les hommes étaient affairés à tirer l’embarcation vers la mer ou vers le haut du rivage. La signification attribuée par Falk à l’élément roð, et partant au composé hlunnroð 48, exclut naturellement l’hypothèse d’un sacrifice humain qui se serait déroulé sur les hlunnar avant la mise à l’eau d’un navire. Mais cette explication étymologique s’impose-t-elle ? Rappelons en premier lieu que le vieux norrois connaît d’autres composés dont le second élément est roð, dans lesquels ce mot est certainement une forme dérivée du verbe fort rjóða, participe passé roðinn (rendre rouge, rougir 49) : c’est le cas notamment de sólarroð (avec la forme parallèle sólroð 50), qui signifie littéralement « rougeur du soleil, lueur rouge produite par le soleil 51 » et qui désigne le point du jour (cf. la locution í sólarroð 52), et de vallroð 53, 44
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Voir notamment Johan Fritzner, Ordbog, s.v. hlunnroð ; Ebbe Hertzberg, NgL, V (Glossarium), s.v. lunnroð (cf. infra, n. 71) ; Finnur Jónsson, Lexicon poeticum, s.v. hlunnroð. Altnordisches Seewesen (dans Wörter und Sachen, IV, 1912), p. 28. Entendons : glissade, dérapage, perte de l’équilibre (cf. le verbe allemand ausgleiten). À l’appui de ce rapprochement, Falk produisait la phrase norroise gerðist mikit flótta roð í líði hans, phrase que l’on relève au chapitre XXXIII de la Gǫngu-Hrólfs saga (dans Fornaldarsögur Norðurlanda, édition Guðni Jónsson et Bjarni Vilhjálmsson, II, Reykjavik, Forni, 1944), p. 442. Elle a été reprise par Ásgeir Blöndal Magnússon, Íslensk orðsifjabók, s.l. [Reykjavik], Orðabók Háskólans, 1989, s.v. hlunnur (hlunnroð) et roð (1), encore que le lexicographe islandais paraisse marquer une hésitation (à moins qu’il ne s’agisse que d’une simple erreur typographique) dans le rapprochement qu’il propose entre le mot roð (1) et l’un ou l’autre des deux verbes homonymes rjóða (1) et rjóða (2). Ásgeir Blöndal Magnússon, Íslensk orðsifjabók, op. cit., s.v. rjóða (1). Háttatal, strophe LXXVII (cf. Edda Snorra Sturlusonar, éd. cit., 1931, p. 246). Cf. Richard Cleasby et Gudbrand Vigfusson, Dictionary, s.v. sól (sólarroð) ; Johan Fritzner, Ordbog, s.v. sólarroð. Ibid., cf. p.ex. Óláfs saga Tryggvasonar eptir Odd munk Snorrason, réd. A, chapitre XVI, éd. Ólafur Halldórsson (Íslenzk fornrit, XXV), Reykjavik, 2006, p. 182.
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composé attesté en poésie, qui désigne le fait de rougir la plaine, et plus précisément d’asperger de sang le champ de bataille 54. Comme l’a bien observé Magnus Olsen 55, la construction syntaxique de l’article de la Loi du Gulathing qui contient le mot hlunnroð est identique à celle de la strophe XXXIII de la Merlínússpá 56, dans laquelle on relève le composé vallroð : ici verðr víða lið at vallroði, là verðr maðr at hlunnroði, observation qui confirme de façon décisive l’interprétation du mot hlunnroð proposée par Sveinbjörn Egilsson de préférence à celle de Hjalmar Falk 57. Ce composé doit par conséquent désigner le fait de rougir les rouleaux de bois (ou les os de baleine) placés sous la quille du navire. Dans le cas présent, de même que pour le composé vallroð, la coloration en rouge de l’objet (ici le vǫllr, la plaine, là le hlunnr) est à l’évidence celle du sang répandu. Faut-il dès lors aller plus loin et supposer – comme le fit Magnus Olsen au cours de son étude du toponyme norvégien Roðvangr 58 – que, dans le 53 54
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Merlínússpá, I, strophe XXXIII (cf. Den norsk-islandske Skjaldedigtning, éd. cit., A, II, p. 16). Sveinbjörn Egilsson, Lexicon poëticum, s.v. vallroð, avec cette traduction : « cruentatio campi (völlr, roð) » ; Finnur Jónsson, Lexicon poeticum, s.v. vallroð : « rødfarvning af jorden (med blod) ». Hedenske kultminder i norske stedsnavne, Kristiania (Videnskapsselskapets Skrifter. II. Hist.-filos. Klasse. 1914, IV), 1915, p. IV, en réponse à une remarque que lui avait adressée Hjalmar Falk (dans un rapport rédigé, avec Alf Torp, sur cet ouvrage pour un prix décerné par la Société des sciences de Kristiania : Indstilling om Fridtjof Nansens pris 1910–14, dans Forhandlinger i Videnskapsselskapet i Kristiania aar 1914, Kristiania, 1915, p. 62 [document aimablement communiqué par Mme Jadwiga Kvadsheim, de la Bibliothèque nationale d’Oslo]). On notera que dans le rapport signalé à la note précédente Falk lui-même avait envisagé le rapprochement avec la tournure employée à la strophe XXXIII de la Merlínússpá, I. Cette dernière supposerait en outre une construction telle que verða fyrir hlunnroði, comme l’a bien vu Magnus Olsen, Hedenske kultminder i norske stedsnavne, op. cit., p. IV. Hedenske kultminder i norske stedsnavne, op. cit., pp. 134–135 – tout en mentionnant les réserves exprimées à ce sujet par Wilhelm Ranisch (art. cit., col. 595), Olsen s’appuyait sur l’étude d’Eugen Mogk (Menschenopfer bei den Germanen, op. cit., p. 618) pour estimer que le composé hlunnroð permettait de supposer l’existence d’un terme roð qui aurait été utilisé pour désigner l’aspersion de sang provenant d’un sacrifice (« […] vil man iafald finde, at det ikke er forbundet med nogensomhelst betænkelighed at forudsætte et ord roð n., brugt om bestænkning med blod af et offer »). – Sur l’interprétation sacrificielle donnée par Olsen au toponyme Roðvangr, voir les réserves émises par Hjalmar Lindroth (dans Indogermanische Forschungen, XXXVIII, 1917/1920 [Anzeiger, XXXVIII/ XXXIX], 1920, p. 45) et Elof Hellquist (dans Namn och bygd, V, 1917, p. 167).
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composé hlunnroð, l’élément roð fait référence à une pratique sanglante de type sacrificiel ? Du point de vue de l’évolution sémantique, une telle conclusion n’est pas contraignante : qui dit sang ne dit pas nécessairement sacrifice. Seule l’étude du contexte dans lequel hlunnroð est utilisé pourra permettre de décider si ce terme renvoie à la conséquence matérielle d’un acte sacrificiel qui se serait déroulé sur les hlunnar, plutôt qu’à celle d’une chute accidentelle, sanglante, survenue lors de l’action collective qui consistait à tirer le navire sur le rivage ou à le mettre à l’eau. Les emplois du mot hlunnroð a) L’article 173 des Gulaþingslǫg Dans son étude de 1909, Eugen Mogk produisit le témoignage des Gulaþingslǫg à l’appui de sa thèse sur l’organisation de certains sacrifices humains chez les anciens Germains : en soutenant que les sacrifices désignés par le mot hlunnroð donnaient lieu à une indemnité (Buße), le chercheur allemand citait le début de l’article 173 de l’ancienne Loi du Gulathing 59. Cette affirmation, qui ne fut pas réfutée par Wilhelm Ranisch 60, fut sensiblement modifiée – et en définitive considérablement aggravée – dans l’article de synthèse que Mogk publia sur le même sujet dans le Reallexikon der Germanischen Altertumskunde : ici il n’était plus question d’une indemnité qui devait été versée à la suite d’un sacrifice sanglant, mais de l’acte sacrificiel lui-même, qui était présenté par ce savant comme un fait habituel en Norvège 61 ; à l’appui de son propos, Mogk faisait référence à l’article 173 des Gulaþingslǫg, à l’exclusion de toute autre source. D’emblée, le recours à un passage des Gulaþingslǫg afin de tenter de prouver le caractère habituel, ordinaire même, de ce type de sacrifices humains en Norvège soulève l’étonnement. Non que les lois qui furent en vigueur au début du Moyen Âge chrétien 62 dans l’ensemble des provinces 59 60
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Die Menschenopfer bei den Germanen, 1909, p. 618, cf. supra, pp. 371 sq. Deutsche Literaturzeitung, XXXII, 10, 1911, col. 595, cf. supra, p. 372, la citation dans laquelle Ranisch reprend, au mot près, la formulation employée par Mogk au sujet des Gulaþingslǫg, sans la discuter d’aucune manière. Art. cit., p. 214, cf. supra, p. 373, avec cette déclaration explicite : In Norwegen pflegte ein Mensch unter die Rollen gelegt zu werden… Sur la discussion concernant l’époque (peut-être la première moitié du XIe siècle) à laquelle le recueil des Gulaþingslǫg fut mis par écrit, voir notamment Magnus Rindal, « Innleiing », dans Den eldre Gulatingslova, éd. cit., pp. 9–12.
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qui relevaient du Gulathing 63, ne contiennent des dispositions relatives à certaines survivances des coutumes dites païennes, mais c’est naturellement pour condamner ces pratiques (parmi lesquelles n’est d’ailleurs mentionné aucun sacrifice sanglant) que le législateur en fait état au cours de la première partie du recueil, dans le Kristenréttr 64. Il était dès lors doublement improbable que, au moins sous la forme qui en a été conservée par la tradition manuscrite, les Gulaþingslǫg aient pu contenir, dans une autre partie du recueil, un article relatif à des sacrifices humains, lesquels n’auraient de surcroît été sanctionnés que par le versement d’une indemnité à la famille de la victime, alors que de tels actes faisaient unanimement – et depuis fort longtemps – l’objet de la plus vive réprobation de la part des auteurs chrétiens. Examinons néanmoins le texte de l’article 173 des Gulaþingslǫg. Sous la rubrique Ef maðr verðr at Lunnroðe, il contient les deux dispositions suivantes 65 : Nv draga menn ſkíp upp. æða út. oc verðr maðr at lunnroðe. þa ſcolo þeír giallda hann giolldum aptr. en konongr a ecki a því. Nu bera menn ſkipviðu. æða draga langviðu. oc fær eínn bana af. Giallde hann giolldum fullum aptr. þvi mínna at hann var ſialfr at. en ecki a konongr a því.
La première phrase, que vise directement le titre de l’article, a été traduite comme suit par le philologue Rudolf Meissner 66 : 63 64
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Sur l’étendue du Gulathing, dans le sud-ouest du pays, voir notamment Knut Helle, Gulatinget og Gulatingslova, Leikanger, Skald, 2001, pp. 23 sq. Ces condamnations visent non seulement la divination et la magie sous plusieurs formes (cf. les articles 28 et 32 – à leur sujet, voir notamment Gunhild Kværness, Blote kan ein gjere om det berre skjer i løynd. Kristenrettane i Gulatingslova og Grágás og forholdet mellom dei, Oslo, Noregs forskingsråd, KULTs skriftserie, LXV, 1996, pp. 143–147 ; voir aussi nos observations dans Les magiciens dans l’Islande ancienne. Études sur la représentation de la magie islandaise et de ses agents dans les sources littéraires norroises, Upsal, Kungl. Gustav Adolfs Akademien för svensk folkkultur [Acta Academiae Regiae Gustavi Adolphi, XCII], 2006, pp. 42–43 et passim), mais le sacrifice en général : intitulé Um blót, l’article 29 fait interdiction de pratiquer tout sacrifice, et plus précisément de vénérer les dieux païens (littéralement : le dieu païen [heiðit guð]) et de rendre un culte aux tertres (haugar) et aux sanctuaires (hǫrgar). – Sur l’absence de toute mention de sacrifices humains dans les dispositions des Gulaþingslǫg concernant les pratiques païennes, voir également Anders Hultgård, « Menschenopfer », art. cit. (supra, n. 4), p. 545. Den eldre Gulatingslova, éd. cit., p. 116, cf. éd. NgL, I, p. 65. Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, Weimar, Verlag Herm. Böhlaus Nachf. (Germanenrechte. Texte und Übersetzungen, VI), 1935, p. 114, sous le titre : Wenn ein Mann Schiffsrollenrötung verursacht.
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Nun ziehen Männer ein Schiff an Land oder lassen es in See und ein Mann verursacht Schiffsrollenrötung (verunglückt dabei), da sollen sie für ihn das Wergeld bezahlen, aber der König bekommt nichts dabei.
Et par l’historien du droit Knut Robberstad 67 : No dreg folk skip upp eller ut, og ein mann vert lunnefarge,1 då skal dei bøta mannsbot for han, men kongen eig ikkje noko for dette.
Avec cette note explicative : 1. Verðr at lunnroðe, kjem under skipet, so blodet hans fargar lunnane raude.
Il est manifeste que cette disposition ne vise, ni explicitement ni implicitement, un sacrifice humain. Elle concerne uniquement le versement d’une indemnité, dans le cas où un accident survient dans des circonstances définies (« lorsque les hommes tirent un navire vers le haut [du rivage] ou vers le large »), en spécifiant que le roi ne perçoit aucune part sur ce wergeld. Le fait que le mot hlunnroð désigne un accident (sans nul doute une chute), à la suite duquel le sang de l’un des hommes qui tiraient le navire se répandait sur le hlunnr (au sens collectif), est confirmé par la seconde partie de l’article 173. Une autre compensation y est prévue pour un accident d’un autre type, mais qui survenait lui aussi autour du navire, ou à tout le moins au cours de la construction d’un bâtiment : si un homme trouvait la mort alors qu’avec ses compagnons de travail il portait de lourdes pièces de bois destinées à la charpente du navire (skipviðir) ou qu’il tirait avec eux des madriers (langviðir), il était fait obligation de verser pour cet homme une indemnité complète, sur laquelle le roi ne percevait rien non plus. Et le texte de loi de préciser que le montant de cette indemnité devait être calculé selon la part de responsabilité que la victime avait eue elle-même dans l’accident 68. 67
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Gulatingslovi, Oslo, Norrøne Bokverk, XXXIII, 1937, p. 168, sous le titre : Um ein mann vert lunnefarge. – Dans la seconde édition de cette traduction (Oslo, Det Norske Samlaget [Norrøne Bokverk, XXXIII], 1952, p. 184 [cf. troisième édition, ibid., 1969, p. 184]), le terme lunnefarge fut remplacé par lunnevæte, avec cette note explicative (p. 345) : « Lunnevæte, gn. lunnroð, lunnar er dei stokkane som skipet vert dregne yver, roð heng saman med raud; verta til l. var å koma under skipet dei drog, so blodet farga lunnane. » Dans les deux cas, il doit être question de formations ad hoc du traducteur pour un composé qui ne semble pas avoir survécu en norvégien, pas plus qu’en islandais. – Nous adressons nos remerciements à MM. Jan Ragnar Hagland, professeur à l’université de Trondheim, et Ola Mestad, professeur à l’université d’Oslo, pour les précisions et l’aide matérielle qu’ils nous ont apportées au sujet de la traduction de Knut Robberstad. Cf. Rudolf Meissner, traduction citée, p. 114 : « Nun tragen Männer Schiffsplanken oder Langhölzer und der eine wird dabei getötet, so soll[en] [sie] das volle
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Située parmi d’autres articles qui prévoient des indemnités, d’un montant variable selon les circonstances, en cas d’accidents mortels survenus tant sur mer que sur terre 69, la disposition de l’article 173 des Gulaþingslǫg au sujet du hlunnroð ne relève donc à aucun titre du domaine religieux. Elle règle simplement les conséquences d’un fait de la vie quotidienne le long des côtes de Norvège, laquelle comportait, parmi d’autres tâches collectives, celle certainement rude et périlleuse qui consistait à tirer une lourde embarcation vers le haut du rivage ou à la mettre à l’eau 70 – avec le risque permanent pour chacun des hommes de trébucher sur les rouleaux de bois ou les os de baleine, d’être écrasé par le navire, et par conséquent de « rougir le hlunnr 71 ». b) Le chapitre X de la Ragnars saga loðbrókar Que le lancement à la mer d’un navire à partir des hlunnar ait été une entreprise grosse de dangers, parfois mortels, est relaté également par l’auteur de la Ragnars saga loðbrókar lorsqu’il décrit les préparatifs de
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Wergeld für ihn bezahlen, um so viel weniger, als er es selbst verschuldet hat. Aber der König erhählt nichts dabei. » – Nous corrigeons ici la méprise commise lors de la traduction de la phrase gialdi hann […], cf. Knut Robberstad, traduction citée, 1937, p. 168 (cf. éditions de 1952 et 1969, p. 184). Voir ainsi les articles 174 et 175, Den eldre Gulatingslova, éd. cit., pp. 116–117, cf. NgL, I, p. 65. Citons à ce propos la constatation émise par l’un des principaux spécialistes contemporains de la construction navale en Norvège à l’époque viking, M. Arne Emil Christensen (dans id. et al., Oseberg-dronningens grav. Vår arkeologiske nasjonalskatt i nytt lys, 2e éd., Oslo, Schibsted, 1993, p. 147 [à l’article Skipet]), en légende d’une photographie représentant le lancement laborieux d’une copie du navire d’Oseberg : « Vi må tenke oss at det har vært like mye folk og travelhet når skip skulle sjøsettes i vikingtiden, som da Oseberg-kopien blev sjøsatt i 1989. » – Sur les accidents qui pouvaient survenir dans ces circonstances, voir aussi Detlev Ellmers, Frühmittelalterliche Handelsschiffahrt in Mittel- und Nordeuropa, Neumünster, Wachholtz (Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums, III / OffaBücher, XXVIII), 1972, p. 144, et déjà Hjalmar Falk, Altnordisches Seewesen, op. cit., p. 28. Comme cela avait été bien vu par Ebbe Hertzberg, dans le glossaire de l’édition des Norges gamle Love (V, 1895, p. 411, à l’article lunnroð), avec cette définition précise : « vaadesdød, foranlediget ved, at nogen blev liggende under skibet, naar det blev trukket over lunnestokkene, og disse saaledes farvedes røde af blodet […]. »
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l’expédition que les deux fils de Ragnarr, Eiríkr et Agnarr, entreprirent contre le roi Eysteinn de Suède 72 : Ok nu draga þeir saman lid mikit ok bua skip sin, enn þotti mikit undir, ath vel tękist til, þa er skip skylldi fram setia. Nu verdr þat, at skip Agnars skauzt af lunne, ok vard þar madr fyrir, ok fęR sa bana, ok kaulludu þeir þat hlunrod. Nu þotti þeim eigi vel til takazt i fystu, ok villdu ecki lata standa þat fyrir ferd sinne.
Soit dans traduction aussi littérale que possible : À présent, ils réunissent une grande troupe et arment leurs navires. On attachait une grande importance à ce que cela se déroulât bien lorsque les navires devaient être mis à l’eau. Il se fit alors que le navire d’Agnarr glissa du hlunnr et rencontra un homme, qui trouva la mort. On appelait cela le hlunnroð. Il leur sembla que cela commençait mal, mais ils ne voulurent pas pour autant renoncer à leur expédition.
Comme l’indique clairement l’auteur de ce récit, un accident qui survenait dans ces circonstances passait pour un présage funeste 73. La suite du chapitre le confirme : l’expédition des deux frères fut malheureuse, l’un et l’autre trouvèrent la mort en Suède. Soulignons à ce propos que ce fut Agnarr, dont le navire avait provoqué le hlunnroð, qui fut tué le premier,
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Chapitre X, édition Magnus Olsen, dans Vǫlsunga saga ok Ragnars saga loðbrókar (Samfund til udgivelse af gammel nordisk litteratur, XXXVI), Copenhague, 1906– 1908, p. 137 ; cf. édition Guðni Jónsson et Bjarni Vilhjálmsson (dans Fornaldarsögur Norðurlanda, I, Reykjavik, Forni, 1943, p. 117 ; édition Örnólfur Thorsson, dans Völsunga saga og Ragnars saga loðbrókar, Reykjavik, Mál og menning, 1985, p. 122. Ce point a été relevé notamment par Paul Herrmann, Nordische Mythologie, op. cit., pp. 481–482 ; Wilhelm Ranisch, art. cit., col. 595 ; Jan de Vries, « Die westnordische Tradition der Sage von Ragnar Lodbrok », Zeitschrift für deutsche Philologie, LIII, 1928, pp. 257–302 (repris dans id., Kleine Schriften, Berlin, de Gruyter, 1965, pp. 285–330, voir ici p. 307), et Rory McTurk, Studies in Ragnars saga loðbrókar and its Major Scandinavian Analogues, Oxford, The Society for the Study of Mediæval Languages and Literature (Medium Ævum Monographs. New Series, XV), 1991, p. 100. – On observera qu’à l’article hlunnr de l’IcelandicEnglish Dictionary, le philologue islandais Guðbrandur Vigfússon définissait comme suit le composé hlunnroð : « reddening the h., so called when a person was killed in launching a ship (in the spring), Fas. i. 264, N.G.L. i. 65 : this was taken to be a bad augury, see Ragn. S. ch. 9 (Fas. i. 259, 260) », définition que l’on rapprochera du développement sur le même mot dans le Corpvs Poeticvm Boreale, I, p. 410 (cf. citation supra, p. 370 ; voir aussi infra, n. 75).
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lors de la bataille que le roi Eysteinn livra aux deux princes danois, la mort d’Eiríkr n’étant en définitive que la conséquence de celle d’Agnarr 74. Lorsque l’on vint apporter au Danemark la nouvelle du drame, la reine Áslaug (la belle-mère des deux princes) déclara 75 : Hvat segið ér ór yðru (eru Svíar í landi eða elligar úti ?) allnýs, konungs spjallar ? Fregit hefk hitt, at fóru, en fremr vitum eigi, ok hildingar hǫfðu hlunnroð, Danir sunnan.
La même interprétation de la mort d’un homme lors du lancement des navires est ainsi donnée par Áslaug, qui fait ce sobre constat : hildingar hǫfðu hlunnroð (« les princes avaient [de fait] rougi le hlunnr »). Pour la reine, comme pour tout un chacun à n’en pas douter, les préliminaires de l’expédition avaient été de mauvais augure. Si cet épisode est assurément instructif au sujet de certaines croyances qui s’attachaient à la navigation – en particulier aux signes, favorables ou funestes, qui accompagnaient le lancement d’un navire 76, il ne présente aucun élément qui pourrait autoriser à envisager l’hypothèse d’un sacrifice humain. La mort de l’un des hommes qui s’affairaient autour du bâtiment d’Agnarr fut à l’évidence accidentelle. Loin d’avoir la valeur prophylactique qu’Eugen Mogk attribuait aux sacrifices sanglants qui auraient été organisés en semblables circonstances, cet événement fut ressenti comme préjudiciable au succès de l’expédition des deux princes danois.
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Après la mort d’Agnarr, Eiríkr refusa fièrement la double proposition que lui adressait Eysteinn, celle de lui accorder la vie sauve et celle d’épouser sa fille ; il déclara qu’il préférait mourir à présent, cf. éd. Olsen, p. 139, avec la strophe XI. Édition citée, p. 206, ici sous une forme normalisée (avec une émendation au vers 4), cf. ibid., p. 141. – C’était sur le témoignage de cette seule strophe que les auteurs du Corpvs Poeticvm Boreale s’appuyaient (au tome I, p. 410, cf. tome II, p. 606) pour formuler la thèse d’un sacrifice humain qui aurait été désigné par le terme hlunnroð (cf. supra, p. 370, et n. 9), tandis qu’au tome II, p. 349, la phrase norroise hildingar hfðo hlunn-roð était traduite par the kings had a sacrificiallaunch. Nous nous permettons ici également de renvoyer à notre ouvrage en préparation La mer et le sacré (cf. supra, n. 7), dans lequel nous étudions ces signes, de même que la narration des chutes survenues après le débarquement et l’interprétation qui en était donnée selon les circonstances.
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De l’examen du contexte des trois occurrences connues du composé hlunnroð dans les textes norrois, que ce soit à l’article 173 des Gulaþingslǫg ou au chapitre X de la Ragnars saga loðbrókar, il résulte que rien ne permet de supposer que ce terme ait désigné autre chose qu’un accident grave, sanglant, le plus souvent mortel, qui survenait alors qu’une embarcation était tirée sur l’estran. Il est cependant une autre source dont le témoignage a été allégué à plusieurs reprises 77 à l’appui de la thèse de sacrifices humains qui auraient été offerts par les anciens Germains au Meerdämon : il s’agit du Sǫrla þáttr, récit à la fois légendaire et tardif qui est appelé également Heðins saga ok Hǫgna et qui est connu par le seul recueil de la Flateyjarbók 78. c) L’épisode du chapitre VII du Sǫrla þáttr Après avoir présenté les deux héros de son récit, Hǫgni, qui avait succédé à son père sur le trône du Danemark, et Heðinn, qui était le fils de Hjarrandi, roi du pays appelé Serkland, et avoir indiqué qu’ils avaient conclu un pacte d’amitié fraternelle 79, l’auteur du þáttr relate au chapitre VII qu’en l’absence de Hǫgni, qui était alors parti en expédition, Heðinn rencontra dans une forêt du Danemark, au milieu d’une clairière, une femme mystérieuse qui s’appelait Gǫndul. Cette dernière lui fit boire un breuvage d’amnésie, puis elle l’incita à enlever la fille de Hǫgni et à tuer la reine en la plaçant devant l’étrave de son navire de guerre (dreki) et en faisant en sorte que ce dernier tranche en deux le corps de la femme lorsqu’il serait mis à l’eau 80. 77
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Notamment par Wolfgang Golther, Handbuch der germanischen Mythologie, op. cit., pp. 562–563 ; Paul Herrmann, Nordische Mythologie, op. cit., p. 482 ; Eugen Mogk, Die Menschenopfer bei den Germanen, op. cit., p. 618 ; Jan de Vries, Altgermanische Religionsgeschichte, II, op. cit., p. 246 (cf. 2e éd., II, p. 227). Édition Guðbrandur Vigfússon et C.R. Unger, I, Christiania, 1860, pp. 275–283, cf. édition Guðni Jónsson et Bjarni Vilhjálmsson (dans Fornaldarsögur Norðurlanda, II), Reykjavik, Forni, 1944, pp. 95–110. Ils avaient passé entre eux un fóstbrœðralag et s’étaient engagés à tout partager équitablement (éd. Guðni Jónsson et Bjarni Vilhjálmsson, p. 104). L’auteur précise que Hǫgni était un peu plus âgé que Heðinn, et qu’à la différence de ce dernier qui était encore garçon, Hǫgni était marié et que sa femme, la reine Hervǫr, lui avait donné une fille du nom de Hildr, décrite comme étant d’une très grande beauté et très intelligente. Chapitre VII, éd. cit., p. 105 : « “Minnkast þá metnaðr þinn, segir hún, ef þú biðr Högna mægða. Hitt væri heldr til, ef þik skyrti hvárki hug né hreysti, sem þú lætr at sé, at nema Hildi í burtu, en drepa drottningu með því móti at taka hana ok
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Sous l’effet de la boisson que lui avait offerte Gǫndul, Heðinn oublia les liens d’amitié qui l’unissaient à Hǫgni. Il se prépara alors à partir pour le Serkland à bord de son navire et s’empara de Hildr ainsi que de la reine. En dépit des protestations de la jeune fille, qui le supplia d’épargner au moins sa mère en lui représentant que, s’il commettait un tel crime, Hǫgni n’accepterait jamais de se réconcilier avec lui, Heðinn emmena les deux femmes sur le rivage et, là, il projeta la reine contre l’étrave du navire, qui avait déjà été mis à l’eau. La malheureuse trouva aussitôt la mort, puis Heðinn monta à bord 81. Mais il fut bientôt rejoint par le roi Hǫgni, qui rentrait d’expédition. Après l’échec d’une tentative de conciliation de la part de Heðinn, qui se rendait compte qu’il avait agi sous l’emprise d’une malédiction, les deux hommes gagnèrent la terre ferme et s’affrontèrent. Leur combat fut sans fin, car dès qu’ils tombaient, Hildr les ramenait à vie. Ils se relevaient alors et recommençaient à échanger des coups. Heðinn et Hǫgni se battirent de la sorte jusqu’au moment où Óláfr Tryggvason monta sur le trône de Norvège : au cours de la première année du règne de ce prince évangélisateur, l’un de ses compagnons, Ívarr ljómi, qui était lui aussi un grand chrétien, parvint à faire cesser le combat entre les deux hommes, en les tuant l’un après l’autre… À côté de nombre de traits récents (par exemple la mention d’un tournoi auquel Hǫgni et Heðinn auraient participé 82, et l’allusion à la ville de París, jusqu’à laquelle se serait étendue la renommée de Hǫgni 83), traits dont la présence s’explique aisément dans un recueil qui fut composé à la fin du XIVe siècle, on relève dans ce þáttr des motifs certainement anciens, comme celui du Hjaðningavíg, de la « guerre éternelle 84 ». Mais si Hildr joue ici le même rôle que celui qui est attribué au personnage féminin du même nom dans les Skáldskaparmál 85 et dans les Gesta Danorum 86, le
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leggja hana niðr fyrir barðit á drekanum ok láta hann sníða hana sundr, þá er hann er fram settr.” » Édition cit., p. 106 : « Síðan gekk Heðinn til strandar. Var þá settr fram drekinn. Skaut hann þá drottningu niðr fyrir barðit. Lét hún þar líf sitt, en Heðinn gengr út á drekann. » Chapitre VI, éd. cit., p. 104, avec le mot d’emprunt burtreið, fém. Chapitre IV, éd. cit., p. 102. Voir notamment Ch. Landolt, « Hildedichtung und Hildesage », dans Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2e éd., XIV, 1999, pp. 564–565. Chapitre LXII, dans Edda Snorra Sturlusonar, éd. cit., 1931, pp. 153–155, cf. Snorri Sturluson, L’Edda. Récits de mythologie nordique. Traduit du vieil islandais, introduit et annoté par François-Xavier Dillmann, 10e réimpr., Paris, Gallimard (L’aube des peuples), 2008 (1e éd. : ibid., 1991), pp. 131–132.
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récit des prolégomènes du combat sans fin entre les deux héros comporte plusieurs innovations par rapport à la version qu’en donnent respectivement Snorri Sturluson et Saxo Grammaticus : ni l’un ni l’autre des deux historiens du début du XIIIe siècle ne fait venir Heðinn de la contrée lointaine (et passablement fabuleuse) appelée Serkland, et s’ils relatent bien que Hildr fut enlevée par Heðinn, ils ne soufflent mot de la mère de la jeune fille. Manifestement, l’auteur du Sǫrla þáttr a brodé divers épisodes de son cru (ou d’une source de date récente) sur une vieille légende. Dans cette perspective, la valeur du témoignage que pourrait posséder le chapitre VII du Sǫrla þáttr dans la discussion relative aux pratiques rituelles des anciens Germains apparaît dès l’abord des plus douteuse. Mais cet auteur at-il véritablement décrit le déroulement d’un sacrifice humain dont la reine Hervǫr aurait été la victime ? Avant de répondre à cette question, soulignons que non seulement le mot hlunnroð n’est pas utilisé dans ce þáttr (à l’inverse de ce qui a été écrit à plusieurs reprises 87), mais qu’il n’est pas question de hlunnar dans l’épisode de la mort de Hervǫr. Si la femme appelée Gǫndul conseilla à Heðinn de placer la reine devant l’étrave de son navire afin que le dreki disloque le corps de la malheureuse au moment où il serait propulsé dans les flots, Heðinn agit finalement d’une autre manière. Comme le navire avait déjà été mis à l’eau lorsqu’il arriva sur le rivage avec ses deux proies, le héros projeta la reine contre l’étrave du bâtiment, et elle trouva aussitôt la mort. Mais le point capital est ici l’absence de toute motivation d’ordre religieux dans l’acte accompli par Heðinn. En dépit du fait qu’elle porte un nom que l’on a parfois voulu expliquer par l’un des nombreux heiti du dieu Óðinn 88, la femme mystérieuse que Heðinn rencontra à trois reprises n’in86 87
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Livre V, chap. IX, éd. Olrik et Raeder, I, pp. 133–134 ; cf. éd. et trad. Friis-Jensen et Zeeberg, I, pp. 340–343. Voir ainsi Inge Beck, Studien zur Erscheinungsform des heidnischen Opfers nach altnordischen Quellen. Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München, 1967, p. 100 ; et Jan de Vries, Altgermanische Religionsgeschichte, II, op. cit., p. 246 (cf. 2e éd., II, p. 227). Ainsi Stefanie Würth (Elemente des Erzählens. Die þættir der Flateyjarbók, Bâle / Francfort-sur-le-Main, Helbing & Lichtenhahn [Beiträge zur nordischen Philologie, XX], 1991, p. 96, n. 38) : « Gǫndul ist die weibliche Form eines Beinamens von Odin. » Mais Gǫndul est bien plutôt un nom de valkyrie (cf. Vǫluspá, strophe XXX, et Hákonarmál, strophes I et X), formé sur le substantif masc. gǫndull, qui est lui-même une formation sur le mot gandr, tandis que le nom Gǫndlir, qui est donné au dieu Óðinn à la strophe XLIX des Grímnismál (parmi d’autres appellations), est une formation parallèle au féminin Gǫndul, cf. Ásgeir Blöndal Magnússon, Íslensk orðsifjabók, op. cit., s.v. Göndul et göndull.
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cita pas ce dernier à lui offrir une victime en sacrifice – que ce fût pour obtenir un vent favorable, pour garantir le succès de son expédition, ou pour tout autre motif. Elle l’engagea, en tuant la reine, à commettre un crime infiniment plus grave que l’enlèvement de la jeune Hildr, afin de rendre vaine toute tentative de réconciliation avec Hǫgni, et par conséquent de créer les conditions nécessaires au déroulement du combat sans fin qui devait opposer les deux anciens amis. Le récit du supplice infligé à la reine Hervǫr, qui ne présente aucune des caractéristiques d’un acte religieux, doit être dissocié de la discussion sur la réalité des pratiques sacrificielles dans la Scandinavie ancienne. Conclusion De l’examen des sources norroises dont le témoignage a été produit, depuis plus d’un siècle, afin d’établir l’existence dans la Scandinavie préchrétienne de sacrifices d’un type particulier, désigné à l’aide du vocable expressif Rollenrötung, il ressort qu’aucune d’entre elles ne décrit l’immolation d’une victime à une divinité du panthéon scandinave ni à un génie du folklore nordique. Dans la formation de cette légende historiographique qu’est en définitive la thèse de rites sanglants que les anciens Scandinaves auraient accomplis avant de prendre la mer, en faisant écraser des êtres humains sous les hlunnar tandis qu’un navire était tiré vers les flots, le renom scientifique d’Eugen Mogk a joué manifestement un rôle décisif, d’autant plus que sa monographie Die Menschenopfer bei den Germanen constitue l’enquête la plus complète, la plus systématique aussi, qui ait été conduite sur ce sujet 89, avec sa collection de quelque cinquante cas de sacrifices 89
On observera qu’en dépit des réserves émises par Wilhelm Ranisch dans son compte rendu paru dans la Deutsche Literaturzeitung, XXXII, 10, 1911 (cf. supra, p. 372), l’ouvrage de Mogk s’est imposé au sein des études germaniques — voir ainsi la description qu’en donnent E.O. G[abriel] Turville-Petre, Myth and Religion of the North. The Religion of Ancient Scandinavia (Londres, Weidenfeld and Nicolson [History of Religion], 1964), p. 328 : « A useful survey of human sacrifice among Scandinavians and other Germanic peoples », et John Lindow, Scandinavian Mythology. An Annotated Bibliography (New York / Londres, Garland [Garland Folklore Bibliographies, XIII], 1988), p. 285 : « On human sacrifice among the Germanic peoples, stressing the importance of careful text criticism. » – Il est vrai que le compte rendu de Ranisch, qui présentait lui-même certaines faiblesses (à ce sujet voir les remarques qu’adressa Andreas Heusler à son auteur dans une lettre datée du 14 avril 1911 [cf. Andreas Heusler an Wilhelm Ranisch. Briefe aus den Jahren 1890–1940. In Zusammenarbeit mit Oskar Bandle, herausgegeben von
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humains que l’auteur avait relevés à travers l’ensemble du domaine germanique 90. Instructive sur nombre de points – nous pensons en particulier aux remarques concernant le caractère sacral ou non des peines de mort chez les anciens Germains (débat qui, on le sait, revêtit une grande importance au cours du XXe siècle, et qui n’est pas clos) et à l’examen des sources littéraires décrivant l’immolation de certains souverains tels que le roi Dómaldi, question sur laquelle l’auteur adoptait déjà un point de vue très critique qui laissait présager du scepticisme dont il fit montre par la suite, dans plusieurs travaux mémorables, au sujet de l’œuvre de Snorri Sturluson –, la monographie d’Eugen Mogk présentait sur d’autres versants de si graves faiblesses qu’une étude renouvelée du sacrifice humain dans la Germanie ancienne, qui s’inspirerait notamment des réflexions méthodologiques formulées par M. Anders Hultgård 91, paraît constituer à l’heure actuelle l’un des principaux desiderata au sein de la Germanische Altertumskunde.
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Klaus Düwel und Heinrich Beck. Mit einem Geleitwort von Hans Neumann, Bâle / Francfort-sur-le-Main, Helbing & Lichtenhahn (Beiträge zur nordischen Philologie, XVIII), 1989, p. 311] – voir aussi Heinrich Beck, « Andreas Heusler und die zeitgenössischen religionsgeschichtlichen Interpretationen des Germanentums », dans Altnordistik. Vielfalt und Einheit. Erinnerungsband für Walter Baetke (1884– 1978). Herausgegeben von Ernst Walter und Hartmut Mittelstädt, Weimar, Hermann Böhlaus Nachfolger, 1989, p. 36 – nous reviendrons dans l’ouvrage annoncé supra, n. 7, sur le débat entre Ranisch et Mogk), n’est pas mentionné dans les grandes bibliographies d’histoire des religions germaniques, cf. p.ex. les ouvrages de Jan de Vries, Altgermanische Religionsgeschichte, op. cit. ; Åke V. Ström, « Germanische Religion » (dans id. et Haralds Biezais, Germanische und Baltische Religion, Stuttgart, Kohlhammer [Die Religionen der Menschheit, XIX, 1], 1975), et de John Lindow, Scandinavian Mythology. An Annotated Bibliography, op. cit. Cf. Heinrich Beck, « Germanische Menschenopfer in der literarischen Überlieferung » (dans Vorgeschichtliche Heiligtümer und Opferplätze in Mittel- und Nordeuropa. Bericht über ein Symposium […]. Herausgegeben von Herbert Jankuhn, Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht [Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-historische Klasse, III, 74], 1970), pp. 252– 253, avec la note 47. Dans l’article Menschenopfer (supra, n. 4), pp. 533–534, § 1.
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Deutsche Zusammenfassung (von Mathias Kruse) Gab es, wie in der älteren Forschung behauptet wird, im wikingerzeitlichen Skandinavien Menschenopfer anlässlich des Stapellaufs von Schiffen? Diese Frage stellt François-Xavier Dillmann und beschäftigt sich dabei mit dem im Zentrum dieser Theorie stehenden Begriff des hlunnroð, zumeist als ‘Rollenrötung’ übersetzt und damit das ‘Rotwerden’ der zum Bewegen der Schiffe an Land benutzen Rollen durch Blut bezeichnend. Ein ausführlicher Überblick über die Forschungsgeschichte und das Entstehen der Theorie – von der ersten Erwähnung des hlunnroð als Menschenopfer bei Guðbrandur Vigfússon und Frederick York Powell (im Corpvs Poeticvm Boreale), über Wolfgang Golther, Paul Herrmann, Elard Hugo Meyer und besonders Eugen Mogk, der die Theorie vielleicht am einflussreichsten vertrat und für ihre Verbreitung sorgte und dessen Ansicht etwa auch Jan de Vries übernahm – verdeutlicht, dass die Theorie über lange Zeit hinweg weitgehende Akzeptanz gefunden hat. Eine kritische Betrachtung findet sich lediglich bei Wilhelm Ranisch. In der neueren Forschung fand das Thema bisher erstaunlich wenig Beachtung. Ein erneuter kritischer Blick auf das Phänomen hlunnroð und auf die Quellen, auf denen die Theorie fußt, scheint daher mehr als angebracht. Zunächst muss der Begriff hlunnroð selbst näher betrachtet werden: hlunnr bezeichnet eindeutig die sogenannten Schiffsrollen, Rundhölzer (oder auch Walknochen), auf denen ein Schiff an Land oder ins Wasser gezogen wird; die Bedeutung von roð dagegen ist weniger klar. Entweder kann es als ‘Rötung’ verstanden werden, mit eindeutigen Parallelen in Wortbildungen wie vallroð oder sólroð, oder aber (nach Hjalmar Falk) als ‘Ausgleitung’, wobei hlunnroð in diesem Fall das Ausgleiten der Schiffsrollen bezeichnen würde, also einen Unfall beim Transport von Schiffen, in diesem Fall jedoch nicht zwangsweise auch von blutiger Art. Insgesamt ist jedoch die Übersetzung mit ‘Rötung’ zu bevorzugen. Dass ‘Rötung’ durch Blut jedoch auch einen Hinweis auf eine Form von Opfer impliziert, muss entschieden zurückgewiesen werden, denn „(…) qui dit sang ne dit pas nécessairement sacrifice“ – wer ‘Blut’ sagt, sagt nicht unbedingt gleich ‘Opfer’. Hlunnroð bezeichnet neutral betrachtet also viel eher einen Unfall, in dessen Zusammenhang Blut vergossen wird, welches die Schiffsrollen rot färbt. Unterstützt wird diese Interpretation auch durch einen erneuten Blick auf die Quellen: Der Begriff hlunnroð selbst taucht lediglich in den Gulaþingslǫg und der Ragnars saga loðbrókar auf, wohingegen der Sǫrla þáttr nach gängiger Meinung ein ähnliches Vorkommnis erwähnt, das Wort selbst jedoch nicht enthält. In den Gulaþingslǫg allerdings ist es äußerst unwahrscheinlich, dass sich der entsprechende Artikel des Gesetzes, der für
Des sacrifices humains lors du lancement des navires ?
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den Fall von hlunnroð eine Entschädigungszahlung festlegt und sich inmitten ganz ähnlicher Bestimmungen zu Buß- und Entschädigungsgeldern bei Arbeitsunfällen findet, tatsächlich einen lapidaren Hinweis auf zu jener Zeit anscheinend ganz übliche Menschenopfer enthalten soll – zumal in einem Gesetz aus christlicher Zeit. Die Ragnars saga loðbrókar daneben kennzeichnet den entsprechenden Todesfall sogar explizit als tödlichen und noch dazu Unglück verheißenden Unfall. Eine hier möglicherweise zugrunde liegende Vorstellung von entsprechenden Menschenopfern ist also ebenfalls abzuweisen. Der Sǫrla þáttr schließlich erwähnt, so zeigt Dillmann, lediglich einen als abscheulich gekennzeichneten Mord. Von einem Opfer ist somit in den Quellen tatsächlich nirgendwo die Rede. Hlunnroð bezeichnet daher eindeutig einen Unfall, kein Menschenopfer. Das Beispiel zeigt, dass allgemein eine erneute, kritische Betrachtung der (inzwischen lange Zeit vernachlässigten) bisherigen Theorien über Menschenopfer bei den Germanen wünschenswert ist.
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 393–466 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Keltisch-mediterrane Perspektiven auf die altnordischen Walkürenvorstellungen von MATTHIAS EGELER* Im Museo Guarnacci in Volterra befindet sich eine etruskische Alabasterurne, die in das 2. Jh. v. Chr. datiert wird (Fig. 1). Das Relief der Vorderseite der Urne zeigt den Kampf eines gepanzerten ionischen Reiters gegen plündernde Galater – drei der Barbarenkrieger sind bereits zu Boden gegangen, während ein vierter dem Griechen frontal entgegentritt, den Arm zum Stoß mit der (verlorenen) Lanze erhoben und seinen nackten Körper mit dem keltischen Langschild gedeckt. Diese Schlachtenszene flankieren zwei dämonisch-halbgöttliche Gestalten: Zwei Vanth-Figuren bilden den Rahmen des Gemetzels, Todesdämoninnen, die ihre geflügelten Pferde an den (verlorenen) Zügeln neben sich halten und darauf warten, die Gefallenen ins Jenseits zu geleiten. Betrachtet man dieses Relief, drängt sich die Szene der Hákonarmál 9–13 auf, in der die beiden Walküren GÄndul und SkÄgul dem gefallenen König Hákon zu Pferde entgegentreten, um ihm seine Berufung nach Walhall zu verkünden, nachdem sie ihm zugleich den Sieg und den Tod in der Schlacht bestimmt haben. Zwei berittene Todesdämoninnen bilden in beiden Szenen das übernatürliche Element der Schlacht, und wie die Walküren in den Hákonarmál werden auch die beiden VanthFiguren ihre Rolle im Übergang der Gefallenen ins Jenseits spielen, wie reiches etruskisches Vergleichsmaterial zeigt.1 *
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Dieser Artikel wurde mit Unterstützung eines DAAD Doktorandenstipendiums verfaßt. Teile des Artikels stellen eine überarbeitete und erweiterte Fassung von Gedanken dar, die ich bereits an anderer Stelle vorgetragen habe (Egeler 2008), und die ich hier nun spezifisch im Sinne der Nordistik fruchtbar zu machen versuche. Dank für vielfältige Unterstützung schulde ich insbesondere Thomas CharlesEdwards, Wilhelm Heizmann, Mario Iozzo und Heather O’Donoghue. Dies impliziert selbstverständlich nicht, daß diese Gelehrten notwendigerweise meinen Vorschlägen zustimmen, und für eventuelle Fehler trage ich die alleinige Verantwortung. Zu dem etruskischen Relief vgl. Körte 1916, S. 150 f. mit Tafel CXV Nr. 2; Paschinger 1992, S. 91 f., 94 f., 310 mit Abb. 161 und 166b. Die Zügel waren mögli-
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Fig. 1: Etruskische Alabasterurne, 2. Jh. v. Chr. Relief: Geflügelte Todesdämoninnen flankieren eine Gallierschlacht; Deckel: Die gelagerte Verstorbene.
Ein Vergleich zwischen den Hákonarmál und einem tausend Jahre älteren etruskischen Urnenrelief klingt zunächst natürlich weithergeholt. In der Etruskologie hat man jedoch die – wirkliche oder scheinbare – Ähnlichkeit zwischen der etruskischen Todesdämonin Vanth und den Walküren schon mehrfach erwähnt.2 Und Etrurien mag nicht die einzige Region des frühen Europa sein, die Parallelen zu den Walküren kennt. So wurde von Seiten der Keltologie auf Ähnlichkeiten zwischen den Walküren und dämonischen Gestalten insbesondere der frühen irischen Literatur hingewiesen: Bereits im Jahre 1870 hat Lottner enge Parallelen zwischen den Walküren und den
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cherweise aus Metall und sind daher nicht erhalten. Zwischen dem griechischen Reiter und der linken Todesdämonin befindet sich eine weitere Halbfigur, die jedoch bei der Restaurierung der Urne ergänzt wurde und deren ursprüngliche Gestalt heute nicht mehr greifbar ist (Paschinger 1992, S. 95). Für Belege für VanthFiguren als Totengeleiterinnen siehe unten. Enking 1943, S. 65; Richardson 1964, S. 243; de Grummond 2006, S. 223 f.
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irischen Bodbs hervorgehoben, und von Seiten der keltischen Philologie sind diese seitdem wiederholt besprochen worden, am ausführlichsten in einer Monographie von Gulermovich Epstein im Jahre 1998. Aus germanistischer Perspektive wurde der germanisch-irische Komplex von Birkhan 1970 behandelt. Wo eine Bewertung der nordisch-irischen Parallelen stattfand, wurde – von einer kurzen Polemik durch Herbert abgesehen3 – durchgehend der Schluß gezogen, daß sich die Ähnlichkeiten zwischen Walküren und irischen Schlachtfelddämoninnen am besten im Sinne einer gegenseitigen Abhängigkeit oder Beeinflussung interpretieren lassen.4 Die Walküren sind also im weiteren Bereich Europas möglicherweise kein isoliertes Phänomen. Es scheint daher vielleicht der Mühe wert, der Stellung der Walküren in der frühen europäischen Dämonologie des Todes etwas weiter nachzugehen, und in diesem Sinne sollen hier nordische, irische, kontinentalkeltische, etruskische und griechische Vorstellungen und Rituale betrachtet werden. Daß dies nur in Umrissen und anhand ausgewählter, repräsentativer Beispiele geschehen kann, ist in Anbetracht der Materialmenge unvermeidbar. Dabei soll die Frage untersucht werden, ob der ‘Kontext’ der nordischen Walküren möglicherweise weit über den Bereich Skandinaviens hinausreicht und ob die Walküren eine nordische Variante eines paneuropäischen Motivkomplexes darstellen. Abschließend und als wesentliches Ziel des vorliegenden Artikels sollen Überlegungen angestellt werden, welche möglichen Folgen eine solche Zugangsweise für die Interpretation der eigentlich nordischen Überlieferung haben könnte. Das Material, das zu diesem Zweck herangezogen werden wird, zeichnet sich dabei sowohl in Quellengattung als auch geographischer und chronologischer Verbreitung durch eine ausgesprochene Diversität aus. Die folgenden Überlegungen ziehen gleichermaßen textliche und ikonographische Quellen heran, die sich geographisch von der Westküste Kleinasiens bis nach Island und chronologisch vom 8. Jh. v. Chr. bis ins Hochmittelalter erstrecken. Dem liegt die Annahme zugrunde, daß eine Untersuchung eines Motivs der frühen Religionsgeschichte Europas von den frühesten greifbaren Quellen ausgehen muß; die chronologische Spanne der herangezogenen Quellen spiegelt dabei notgedrungen das Einsetzen einer aussagekräftigen Überlieferung wieder, das in unterschiedlichen geographischen Bereichen zu unterschiedlichen Zeiten erfolgt. Es wird hier also trotz 3 4
Herbert 1996, S. 149. Lottner 1870; Donahue 1941; Birkhan 1970, S. 509–515, 583; Gulermovich Epstein 1997, 1998a, 1998b; auch Ellis Davidson (1988, S. 97–100) hat Ähnlichkeiten zwischen den irischen und nordischen Gestalten zusammengestellt, aber keine klaren ausdrücklichen Schlußfolgerungen aus ihnen gezogen.
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der erheblichen absoluten chronologischen Abstände insofern Gleiches mit Gleichem verglichen, als jeweils auf die Quellen zurückgegriffen wird, die dem Beginn der historischen Überlieferung in den jeweiligen Regionen am nächsten stehen. Der erste Teil der Arbeit wird sich der Frage widmen, inwiefern sich die Todesdämoninnen des frühen und frühmittelalterlichen Europa möglicherweise als Teile eines historisch verbundenen Komplexes betrachten lassen. Zur Beurteilung der Frage nach einem historischen Zusammenhang zwischen solchen Figuren schlage ich folgende methodische Richtlinien vor: (1) Das betrachtete Motiv muß eine signifikante Komplexität aufweisen, wenn seine Wiederkehr in einer anderen Kultur die Folgerung einer historischen Verbindung nahelegen soll. Je mehr Züge verschiedene Gestalten teilen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer gegenseitigen Abhängigkeit. (2) Historische Kontakte zwischen den jeweiligen Kulturräumen müssen auch anderweitig bezeugt sein, um gangbare Theorien über einen Vermittlungsweg vorlegen zu können. (3) Soll eine solche Abhängigkeit in der heidnischen Frühzeit verortet werden – und damit nicht nur eine literarische, sondern tatsächlich eine religionsgeschichtliche Abhängigkeit vorliegen – so muß das Motiv schon in den frühesten vorhandenen Quellen greifbar sein. Ferner wäre es zwar nicht logisch notwendig, aber (4) es würde die These eines historischen Zusammenhangs zwischen den jeweiligen Gestalten stärken, wenn die Belege in einem geographischen Kontinuum verteilt wären und sich somit eine bruchlose Kette von Entlehnungen annehmen ließe. Um die folgende Diskussion ausgewählter halbgöttlich-dämonischer Figuren klarer zu gestalten, wird jede von ihnen unter denselben Gesichtspunkten betrachtet werden. Zunächst wird ihr Charakter als Kollektiv angesprochen, sowie ihre Beziehung zum Tod und zu Vögeln. Ferner wird die Frage behandelt, inwieweit sie mit dem Motiv des Verschlingens von Leichen verbunden sind, und ob die Dämonen eine Rolle beim Übergang des Toten ins Jenseits spielen. Schließlich wird ihre Beziehung zu Krieg und Gewalt sowie ihre Sexualität beschrieben. Die Walküren ordnen sich hier als Wesen ein, die einerseits als Einzelgestalten mit ausgeprägtem individuellem Charakter, aber andererseits auch als Kollektiv auftreten, dessen einzelne Mitglieder untereinander kaum oder nicht differenziert werden.5 Sehr individuell erscheinen etwa die Walküren
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Allgemein zu den Walküren vgl. etwa: Golther 1890; Kaufmann 1892; Neckel 1913, S. 74–89; Ellis 1943 (vgl. den Index); Ström 1954, S. 70–79 et passim; Boyer 1980; Steblin-Kamenskij 1982; Lorenz 1984, S. 448–451; Ellis Davidson 1988, S. 92–97; Price 2003, S. 331–346; Zimmermann 2007.
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der Helgi-Lieder6 oder die Walküre der Sigrdrífomál,7 die sich selbst dem Willen Odins widersetzte; in der früheren Literatur tritt auch die Walküre der Hrafnsmál 1 f. allein auf.8 Den Gegenpol hierzu bilden die Walküren etwa der Grímnismál 36,9 der Eiríksmál 1,10 der Vǫlospá 3011 oder des Darraðarljóð,12 die jeweils als eine Gruppe von Wesen erscheinen, deren Mitglieder gemeinsam handeln und in ihrem Handeln keinerlei Individualisierung zeigen. Dieses Handeln der Walküren ist auf verschiedene Weisen aufs Engste mit dem Tod verbunden. Als val-kyrjur sind sie die Wählerinnen des valr, der Schlachtentoten; der Begriff ist dabei ambivalent und mag einerseits ausdrücken, daß sie wählen, wer auf dem Schlachtfeld fallen soll (so faßt Snorri Sturluson (1179–1241) die Walküren in der Gylfaginning 36 auf),13 6
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Die Strophen der Helgaqviða Hiǫrvarðzsonar datieren wohl ins 12. Jh., das Gedicht als Gesamtgebilde aus Strophen und Prosastücken ist dem Redaktor des Codex Regius zuzuschreiben: von See et al. 2004, S. 404. Die Helgaqviða Hundingsbana ǫnnor ist als Gebilde aus Strophen und Prosapassagen ebenfalls dem Redaktor des Codex Regius zuzuschreiben. Die Strophen sind älter als die Prosastücke, aber aus wie vielen verschiedenen Vorlagen sie stammen, läßt sich nicht klären; jedenfalls ist für weite Teile eine späte Entstehungszeit anzunehmen: von See et al. 2004, S. 636 f. Die Helgaqviða Hundingsbana in fyrri datiert vor ca. 1250, aber wohl nicht früher als das 12. Jh., wobei die Bestimmung des terminus post quem problematisch ist: von See et al. 2004, S. 163 f. von See et al. 2006, S. 529 f. datieren die Sigrdrífomál als Kombination von Strophen und Prosa auf vor etwa 1250. Der erste Teil der Hrafnsmál (oder Haraldskvæði) datiert wohl ins 9. Jh.: de Vries 1964, § 62; Simek / Hermann Pálsson 2007, S. 160. Die Grímnismál sind wohl noch der spätheidnischen Zeit zuzurechnen: de Vries 1964, § 24; Simek 1993, S. 119. Die Eiríksmál werden traditionell kurz nach 954 datiert: de Vries 1964, § 63. Das Gedicht geht im Wesentlichen wohl etwa auf die Zeit um das Jahr 1000 zurück; für einen Abriß der Geschichte des Textes vgl. Dronke 1997, S. 63–65. Das Darraðarljóð datiert ins 10. oder 11. Jh. (Poole 1991, S. 120–125); Poole tendiert zu einer Datierung in das frühe 10. Jh., hält dies jedoch beim gegenwärtigen Stand des Wissens für nicht beweisbar. þær kiósa feigð á menn – ‘sie bestimmen den Männern das Todesschicksal’ (S. 30 Z. 34 f.). Für eine Zusammenfassung der divergierenden Meinungen der älteren Forschung über den Anteil Snorris an der Entstehung des Textes bzw. der erhaltenen Texte der Gylfaginning vgl. Lorenz 1984, S. 5 f. Für den letzten Herausgeber des Textes scheint die Frage in Übereinstimmung mit der Zuschreibung der Autorenschaft an Snorri in einer der Handschriften – wohl der ältesten – keine Rolle mehr zu spielen: Faulkes 2005, S. XIII. Dabei läßt die Handschriftensituation jedoch die sichere Rekonstruktion des Textes in der exakten von Snorri intendierten Form nicht zu: Lorenz 1984, S. 2–4; Faulkes 2005, S. XIV, XXVIII–XXX. Im gegenwärtigen Zusammenhang ist letztlich nur wichtig, daß diese Auffassung der valkyr-
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oder andererseits, daß sie diejenigen unter den toten Kriegern auswählen, die sich zur Schar der Einherjer Odins in Walhall gesellen dürfen.14 In den Hákonarmál stellen sie den Tod von König Hákon sicher.15 Im Kriegerjenseits angekommen, treffen die toten Helden die Walküren erneut: Dort erscheinen sie als diejenigen, die in Walhall Wein und Met kredenzen (so etwa Grímnismál 36; Eiríksmál 1) – auch hierin zeigen sich die vielfältigen Bezüge der Walküren zum Tod und zum Totenreich. Ebenso vielfältig sind ihre Assoziationen mit Vögeln: In den Hrafnsmál führt eine Walküre ein Gespräch mit einem Raben, dessen Atem noch nach Aas stinkt, und an dessen Krallen noch die Leichenteile der Toten hängen, von denen er kurz zuvor gefressen hat – er kommt eben vom Festmahl nach der Schlacht (Str. 1–4). Kenningar für den Raben als Aasvogel des Schlachtfelds können mit Walkürennamen gebildet werden, wie Gunn-mǫr, ‘Gunns Möwe’ in der Glymdrápa 6,2 des ÞórbjÄrn hornklofi.16 Ferner findet sich die Assoziation von Walküren mit Vögeln in der Vǫlsunga saga (S. 4),17 wo eine Walküre mit Hilfe eines Krähenhemds (krákuhamr) fliegt. In der Vǫlundarqviða verfügen die Walküren über Schwanenhemden (álptarhamir, einleitende Prosa) und Schwanenfedern (svanfiaðrar, Str. 2).18 Das Entwenden wohl solcher Gewande bildet in Helreið Brynhildar 6 den Hintergrund der Verlobung Brynhilds.19 In den mit Walkürennamen gebildeten Aasvogelkenningar liegt zugleich das Bild des Verschlingens der Leichen nicht fern; denn die Schlacht ist das ‘Festmahl des Raben’ (hugins jól),20 wie das ja auch die Hrafnsmál in der
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jur als Bestimmerinnen des Todesschicksals in der einheimischen mittelalterlichen Tradition explizit bezeugt ist. Vgl. Ellis 1943, S. 67. Üblicherweise werden die Hákonarmál als direkt von den Eiríksmál (traditionell kurz nach 954) abhängig betrachtet (Hákon, dessen Tod hier besungen wird, starb 961), etwa: de Vries 1964, § 64. von See (1963) hat jedoch aufgrund inhaltlicher Überlegungen v. a. zu den Vorstellungen von Walhall in den beiden Gedichten diese Reihenfolge umkehren wollen; für eine alternative Interpretation der Beobachtungen von Sees unter Beibehaltung der traditionellen Datierung vgl. Marold 1972. Meissner 1921, S. 121. Das Gedicht datiert wohl an den Anfang des 10. Jh.: Simek / Hermann Pálsson 2007, S. 118, vgl. de Vries 1964, § 65. Die Entstehung der Saga datiert de Vries auf wohl um 1260 (1967, § 274). Die Vǫlundarqviða datiert wohl in das 12./13. Jh.: von See et al. 2000, S. 116 f. Das Gedicht datiert wohl erst ins 13. Jh.: Simek / Hermann Pálsson 2007, S. 176; de Vries 1967, § 178 datiert es auf die Zeit um 1200. Turville-Petre 1964, S. 58; Finnur Jónsson 1912, A, S. 387; 1912, B, S. 357 (ein Gedicht des Grani skáld, 11. Jh.).
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Beschreibung des Raben drastisch ausmalen, mit dem die Walküre ihr Gespräch führt. Im Altenglischen ist wælcēasig als Rabenepithet belegt.21 Somit werden Walküren zwar mit Aasfressern assoziiert; aber nirgends erscheint eine Walküre selbst ausdrücklich als Leichenfresserin oder Blutsaugerin.22 Neckel hat eine Anzahl von Assoziationen zwischen Walküren und leichenfressenden Wesen zusammengestellt, aus denen er geschlossen hat, daß Walküren das Blut der Leichen trinken;23 die Tragfähigkeit des von ihm zusammengestellten Materials scheint jedoch problematisch.24 Sein interessantester Beleg findet sich wohl in der Vǫlsunga saga (S. 73), wo Brynhild indirekt, aber deutlich vorgeworfen wird, daß sie kvaldi dauða menn ‘tote Männer gequält hat’. Das Wort kvelia wird auch noch an einer anderen Stelle von Toten gebraucht: In Gylfaginning 52 (S. 53) heißt es über Hvergelmir, den schlimmsten Ort im Totenreich, daß dort NíðhÄggr die Leichen der Gestorbenen quält (Þar kvelr Níðhǫggr / nái framgengna). Hier wird ein Vers aus Vǫlospá 39 zitiert; jedoch steht das Verb kvelr nur bei Snorri: Die übrige Überlieferung der Vǫlospá hat saug ‘er saugte aus’.25 Neckel faßt das Verhältnis zwischen kvelia ‘quälen’ und súga ‘aussaugen’ so auf, daß hier jeweils dieselbe Tätigkeit ausgedrückt sei: Der Drache NíðhÄggr quält die Toten, indem er ihr Blut aussaugt, und dasselbe sei mit der Anschuldigung gegen Brynhild gemeint.26 So unsicher dies sein mag, so gut ist eine andere Art der Beziehung der Walküren zum Toten bezeugt: Ihre Verbindung mit dem Übergang des Toten ins Jenseits. In den Hákonarmál sendet Odin zwei Walküren, um König Hákon nach Walhall zu holen. Dabei treten die Walküren weniger als Seelengeleiter im klassischen Sinne als vielmehr als Wegweiser ins Jenseits auf: Sie geleiten Hákon nicht zu Odin (vielmehr reiten sie zu Odin voraus), aber sie treffen den Toten und weisen ihn anscheinend an, sich 21
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Neckel 1913, S. 16, 78; Philippson 1929, S. 67 f.; de Vries 1957, § 370; Boyer 1980, S. 44, 48. Vgl. Osborns These, daß der Rabe bei den Angelsachsen sowohl als Aasvogel, der die gefallenen Krieger frißt, als auch als Seelengeleiter fungierte: Osborn 1970. In der Helgaqviða Hundingsbana ǫnnor 43 f. freut sich Sigrún wie ein hungriger Habicht beim Anblick von warmem Fleisch über das Kommen des lebendigen, blutigen Leichnams ihres Geliebten. Die Deutung Sigrúns als einer Art von Leichenfresserin ist hier zwar verführerisch, aber von See et al. (2004, S. 782) haben Belege für solche Vergleiche in ähnlichen Szenen in der altnordischen Literatur zusammengestellt, die eine derartige Deutung unnötig machen. Neckel 1913, S. 75–82. Vgl. von See et al. 2004, S. 783. Neckel / Kuhn 1983, var. lect.: H: saug; R: svg. Neckel 1913, S. 77.
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nach Walhall aufzumachen (Str. 1,9–13). In den Krákumál 29 scheinen sie den sterbenden Helden abzuholen.27 In den Atlamál in grœnlenzco 28 erscheinen vier ‘tote Frauen’ in einem Traum, um einen Todgeweihten zu sich zu rufen.28 Die Hákonarmál illustrieren dabei nicht nur die Funktion der Walküren beim Übergang ins Jenseits, sondern auch ihre enge Verflechtung ins Kriegsgeschehen: Sie bestimmen dem König nicht nur den Tod, sondern schenken ihm zugleich auch den Sieg; ferner treten sie in Waffen auf (Hákonarmál 10, 12). Im Darraðarljóð greifen sie auf Seiten einer der Kriegsparteien in die Schlacht ein (Str. 4–6). Die Walküre der Sigrdrífomál hatte dem jüngeren von zwei kämpfenden Königen gegen den Willen Odins den Sieg geschenkt (Abschnitt zwischen Str. 4 und 5); auch sie hatte also Macht über den Kampfverlauf. Die Gestalt der Sigrdrífa leitet damit zugleich zum letzten hier wichtigen Motiv über, dem sexuellen Aspekt der Walküren; denn die entsprechende Episode der Vǫlsunga saga endet mit der Verlobung dieser Walküre mit Sigurd (S. 55). Generell erscheinen Walküren häufig als Geliebte von Helden, wie die Schwanenwalküren der Vǫlundarqviða, die Walküren der Helgi-Lieder, oder die Walküre, die eine Beziehung mit VÄlsungr eingeht (Vǫlsunga saga, S. 5). Dabei liegt die Initiative meist bei den Frauengestalten. Die vier ‘toten Frauen’, die Gunnarr in einer Traumerscheinung in Atlamál in grœnlenzco 28 den Tod ankündigen, rufen diesen zu ihren Bänken. Daß dieses ‘zu den Bänken rufen’ wohl einen sexuellen Unterton hatte, legt die Paraphrase dieser Episode in der Vǫlsunga saga Kap. 35 nahe, wo die Frauen sich den Todgeweihten zum Mann wählen. Daß auch das Verhältnis der Walküren zu den toten Kriegern in Walhall nicht frei von Liebeshändeln war, impliziert Helgaqviða Hundingsbana in fyrri 38: Dort wird jemandem neben anderen Anschuldigungen sexuellen Fehlverhaltens auch vorgeworfen, er sei eine schändliche Walküre gewesen, um welche die Krieger in Odins Halle sich rauften. Ein starkes sexuelles Element ist mit der Walkürengestalt ferner etwa in den verschiedenen Fassungen der Sage von der Ewigen Schlacht oder dem Hjaðningavíg verbunden (etwa in den Skáldskaparmál 50, S. 72, und dem Háttatal 49 des Snorri Sturluson,29 in Saxo Grammaticus, Gesta 27 28 29
Die Krákumál wurden wohl im 12. Jh. verfaßt: Simek / Hermann Pálsson 2007, S. 236 f.; de Vries 1967, §144: „frühestens gegen Ende dieses [des 12.] Jahrhunderts“. Die Atlamál sind wohl dem 12. oder 13. Jh. zuzurechnen: de Vries 1967, § 180. Snorri verfaßte das Háttatal vielleicht 1222 oder 1223 (Faulkes 1991, S. XII), oder nach Hermann Pálsson (1998, S. 53 f.) etwas früher (1220–1221). Die Skáldskaparmál wurden vielleicht kurz darauf begonnen und stammen wohl größtenteils aus Snorris Feder, mögen aber bei seinem Tod noch unvollendet und späteren Eingriffen unterworfen gewesen sein: Faulkes 1998, S. XI f.; anders Hermann Pálsson
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Danorum V,vii,–V,ix30 und in interessanter Variation im Sǫrla þáttr, S. 281 f.).31 In der Sage von der Ewigen Schlacht wird eine Frauengestalt mit dem Walkürennamen Hildr entführt.32 Sie täuscht einen Vermittlungsversuch zwischen ihrem Entführer und ihrem Vater vor, stellt dabei jedoch selbst sicher, daß diese Vermittlung scheitert und es zur Schlacht kommt. Die Toten der Schlacht erweckt sie jeden Tag zu neuem Leben, damit sie den Kampf fortführen, der so bis zum Weltuntergang dauert.33 Schon die Basis dieser Sage – das Motiv des Frauenraubs – ist erotisch aufgeladen, und die aus einer menschlichen Perspektive gänzlich unmotivierte Anstachelung der Parteien zur Schlacht sowie der durch die Totenerweckung implizierte übernatürliche Charakter der Hildr deuten darauf hin, daß es sich bei Hildr um eine Walküre oder stark walkürenähnliche Gestalt handelt. Auch ihr Name deutet auf eine Walkürennatur.34 Das Erzählelement des Frauenraubs und das walkürenhaft-dämonische Handeln der Hildr gehören zur Grundstruktur der Sage und sind daher wahrscheinlich bereits für ihre früheste Form anzunehmen. Der früheste Beleg der Sage
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(1998, S. 53 f.), der es für keineswegs unwahrscheinlich hält, daß die Skáldskaparmál vor dem Háttatal abgefaßt wurden. Die Gesta Danorum entstanden um 1200, vgl. Friis-Jensen 2004, S. 550. Der Sǫrla þáttr datiert ins späte 14. Jh.: Landolt 1999, S. 561. Für die Hauptquellen des Hjaðningavíg vgl. etwa Malone 1964, S. 35–38. Allgemein zur Hildesage vgl. Landolt 1999. Für Belege von Hildr als Walkürenname vgl. etwa Grímnismál 36, Vǫlospá 30 oder die Strophe Finngálkn í Jómsborg (10. Jh.): Finnur Jónsson 1912, A, S. 186 f.; 1912, B, S. 176; von See et al. 2004, S. 296. So nach der ältesten literarischen Quelle, der Ragnarsdrápa 8–11, und der Zusammenfassung Snorris in den Skáldskaparmál 50. (Die Ragnarsdrápa wurde früher in das 9. Jh. datiert, wird aber jetzt eher dem Ende des 10. Jh. zugeschrieben. Für die neuere Datierung vgl. Simek / Hermann Pálsson 2007, S. 309 f.; McTurk 2003, S. 114–116.) Das erotische Moment des Hjaðningavíg tritt in Snorris Háttatal 49 ganz in den Vordergrund (vgl. dazu Hermann Pálsson 1998, bes. S. 49–53; Quinn 2007), und spielt – wenngleich auf etwas andere Weise – auch in der Fassung bei Saxo Grammaticus, Gesta Danorum V,vii,8–V,ix eine zentrale Rolle sowohl als Ursache des Kampfes als auch als Motiv für seine Verlängerung über den Tod hinaus. Die späte Bearbeitung im Sǫrla þáttr trennt Hildr und die Walkürengestalt, wobei die neu eingeführte Walküre interessanterweise wiederum ihre Ziele teilweise durch ihre erotische Ausstrahlung erreicht: Ihr Opfer verliebt sich in sie und wird so zur leichten Beute (S. 281 f., vgl. S. 278 f.; die Abweichungen des Sǫrla þáttr von den übrigen Belegen für die Tradition vom Hjaðningavíg konnten von Quinn als Versuch erklärt werden, heidnische Vorstellungen von der Macht übernatürlicher Frauen über den Tod in Mißkredit zu bringen und solche Frauengestalten zu dämonisieren: Quinn 2006, bes. S. 812–815). Zur Walkürennatur der Hildr vgl. ferner Müller 1976, bes. S. 351 Anm. 8.
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findet sich auf gotländischen Bildsteinen des 8. Jh. (Lärbro Stora Hammars I; Stenkyrka Smiss I),35 was wohl auch für die fraglichen Elemente der Sage und damit für den erotischen Zug im Charakter der Walküren auf großes Alter hinweist. So überrascht es nicht, daß in einer angelsächsischen Glosse Venus als wælcyrie erklärt wird.36 Wendet man sich nach Irland, so trifft man dort in der mittelalterlichen literarischen Überlieferung (und damit den frühesten aussagekräftigen Zeugnissen) auf halbgöttlich-dämonische Gestalten, deren Charakter aus sehr ähnlichen Zügen aufgebaut ist. Die Gestalten der Bodb, Morrígan, Némain und Macha bilden eine Gruppe von Figuren, deren Mitglieder in der irischen Überlieferung immer wieder miteinander identifiziert werden, so daß sich ihre Charaktere kaum scharf unterscheiden lassen. So erklärt eine Glosse in O’Mulconrys Glossar die Gestalt Macha als Bodb und „eine der drei Morrígans“,37 und in der ersten Rezension der Táin Bó Cúailnge wird Némain in den Glossen zweier Handschriften als badb erklärt.38 Es handelt sich hier also um eine Gruppe von Gestalten, die in einem Teil der Belege kaum als Individuen von einander abgesetzt sind. Wie in O’Mulconrys Glossar treten sie gerne zu dritt auf; im Lebor Gabála erscheinen sie mehrmals in der Trias der „drei Töchter von Ernmas“. Dabei werden oft mehr als drei Namen genannt, aber überzählige Namen für Mitglieder der Trias werden von den irischen Schreibern als alternative Namen erklärt, so daß trotz der überzähligen Namen der triadische Charakter der Gruppe erhalten bleibt.39 Neben dieser Identität als Kollektiv können diese Figuren 35 36
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Lindqvist 1941, S. 105–107; Hauck 1976, S. 593 f.; Nylén / Lamm 1988, S. 16, 52, 63, 105; Landolt 1999, S. 562. Ellis 1943, S. 71; Napier 1900, S. 115. Es gibt in Anbetracht des auch anderweitig gut belegten sexuellen Aspekts der Walküren keinen Grund, diese Glosse mit Philippson 1929, S. 67 für einen Fehler zu halten. Nr. 813; hg. von Stokes 1900. Falls es sich bei ihr nicht um einen späteren Einschub handelt, gehört diese Glosse nach Mac Neills Analyse zur zweiten Schicht der Kompilation von O’Mulconrys Glossar, die in die altirische Zeit datiert (Mac Neill 1932, bes. S. 113, 116, 119), also in die Zeit vor etwa 900. Glossen zu Z. 210; hg. von O’Rahilly 1976. Der o/a-Wechsel im Namen der Bodb/Badb ist chronologisch bedingt (Bodb ist die ältere Form): Royal Irish Academy Dictionary s.v. ‘badb’. So Lebor Gabála (hg. von Macalister 1941), §§ 314, 316, 338, 346, oder vgl. Gedicht LIII, Str. 11. In diesen Passagen, die zu verschiedenen Rezensionen des Textes gehören (vgl. Scowcroft 1987, S. 139 f.), werden Gestalten ohne jede Konsistenz bald identifiziert, bald als getrennte Personen behandelt. Die genaue Zusammensetzung der Triade bleibt somit unsicher; die Dreizahl jedoch wird nicht angetastet. Zur hochproblematischen, aber noch nicht ersetzten Ausgabe Macalisters vgl. Carey 1993. Die Bodb gehört schon in der ältesten erhaltenen Fassung des Le-
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jedoch auch ganz individuell auftreten, wie die Morrígan bei ihrem Zusammenstoß mit dem Helden Cú Chulainn in der ersten Rezension der Táin Bó Cúailnge (Z. 1845–2055)40 oder bei ihren Auftritten in Cath Maige Tuired (§§ 83–85, 106 f., 137, 166 f.),41 worauf teilweise noch zurückzukommen sein wird. Diese dämonischen Gestalten erfreuen sich am Tod. Ein blutiges Massaker wird in der Erzählung Bruiden Meic Dareó § 5 folgendermaßen kommentiert: ba forbhāilidh Badhbh derg dāssachtach ba brōnach banchuire don treas sin ‘die rote, rasende Bodb war froh, und die Frauen waren betrübt über diesen Kampf’.42 Ihre Freude über den (stets gewaltsamen) Tod ist eng mit einer der beiden hauptsächlichen Erscheinungsformen der Bodbs verbunden. Denn eine Bodb kann als Frauengestalt auftreten, aber häufig erscheint sie auch als Vogel. So verwandelt sich die Morrígan in der Erzählung Táin Bó Regamna §§ 2–5 von einer dämonischen roten Frau in einem Streitwagen in einen schwarzen Vogel.43 Das Wort bodb ist auch die Bezeichnung für eine Nebelkrähe, den einheimischen Aasvogel Irlands.44 Die dämonische Bodb ist dabei nicht nur wie in Bruiden Meic Dareó § 5 allgemein derg ‘rot’, sondern häufig spezifisch bélderg ‘lippen-rot’ (d. h. in ihrer Krähengestalt wohl ‘rotschnäbelig’).45 Was es hiermit auf sich hat,
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bor Gabála im Buch von Leinster aus dem 12. Jh. zu den drei Töchtern von Ernmas, so Best / Bergin / O’Brien 1954, Z. 1120 f., vgl. Z. 1230–1233 (teilweise verderbt). Zu Ernmas vgl. Gray 1982, S. 124 mit Belegstellen. Vgl. ferner Sjœstedt 1940, S. 43 f.; Clark 1987, S. 226; detailliert zu diesen Figuren im Lebor Gabála: Gulermovich Epstein 1998a, S. 61–67. Hg. von O’Rahilly 1976. Thurneysen datiert diese Passage ins 9. Jh. (1921, S. 112 f., 169–176). Hg. von Gray 1982. Der Text ist wohl eine Rezension des 11. Jh. auf der Grundlage von Material des 9. Jh.: Gray 1982, S. 11. Hg. in Thurneysen 1917, S. 59–69. Thurneysen gibt keine nähere Datierung dieses Textes, der sich u. a. im Buch von Fermoy findet (ibid., S. 59); diese Handschrift stammt aus dem 15. Jh. Hg. von Corthals 1987. Thurneysen stellt die Erzählung ins 9. Jh. (1921, S. 667); Corthals (1987, S. 15) stuft den Archetypus als ‘frühmittelirisch’ ein. Vgl. Hennessy 1870, S. 33–35; Gulermovich Epstein 1998a, S. 308–310. So in: Bruiden Da Choca Rezension A, § 33 Z. 261 (hg. von Toner 2007; Hennessy 1870, S. 38); Táin Bó Cúailnge Rezension II Z. 3431 (hg. von O’Rahilly 1967); Cath Almaine B Z. 97, Y Z. 84 (Ó Riain 1978, S. 8, 23; Hennessy 1870, S. 43); Cath Catharda Z. 4356 (Stokes 1909, S. 326; auch zitiert bei Gulermovich Epstein 1998a, S. 207, 250 f.); in der Erzählung von der Jagd vom Síd na mBan Finn und vom Tod des Finn, S. 94 Z. 25 (Meyer 1910, S. 94; zitiert bei Gulermovich Epstein 1998a, S. 230 f. Anm. 74); Togail na Tebe Z. 194, 1369, 1875, 2742, 3018 (Calder 1922, S. 12, 86, 120, 174, 194; Togail na Tebe wird mit allen diesen Stellen besprochen von Gulermovich Epstein 1998a, S. 252–265).
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geht aus der Erzählung Tochmarc Ferbe (Z. 623 f.) hervor, wo zu einer Gruppe von Kriegern gesagt wird, sie hätten die Bodb mit ihren Waffen gefüttert.46 Dies macht deutlich, daß das Futter der Bodb aus den Gefallenen besteht: Als dämonischer Aasvogel nährt sie sich von den Leichen und rötet ihren Schnabel in deren Blut. Zum selben Ideenkreis gehört auch die zweite Hälfte der schon erwähnten Glosse zu Macha in O’Mulchonrys Glossar (Nr. 813): mesrad Machæ .i. cendæ doine iarna n-airlech: ‘mesrad Machæ ‘Machas Mast’, das sind die Köpfe von Menschen, nachdem sie getötet worden sind’. Der Begriff mesrad bezeichnet sowohl ‘Ernte, Mast’ als auch das Füttern mit Mast; die abgetrennten Schädel der Krieger sind also wohl nicht nur die Ernte, sondern auch das Futter der Bodb.47 Diese Beispiele zeigen zugleich die enge Einbindung der Bodb in gerade die blutige Seite des Krieges; in der Erzählung Tochmarc Emire § 50 (Fassung III) wird sie als bandé in chatha ‘Göttin der Schlacht’ bezeichnet.48 Diese enge Beziehung der Bodb zu Krieg und Tod verbindet sich dabei zugleich mit einem starken sexuellen Zug. Die Táin Bó Cúailnge schildert einen Raubzug der Armee der irischen Provinz Connacht gegen die Provinz Ulster, die vom Helden Cú Chulainn nahezu allein verteidigt wird. In einer Episode der ersten Rezension (Z. 1845–2055) hat Cú Chulainn schon so viele Einzelkämpfe gegen Helden der Provinz Connacht gewonnen, daß es für das Königspaar von Connacht schwierig wird, Krieger zu finden, die noch gegen ihn antreten wollen.49 In dieser Situation erscheint die Morrígan in Gestalt einer schönen, reichen Prinzessin. Sie gesteht Cú Chulainn ihre Liebe und bietet ihm sich selbst, Reichtümer und ihre Hilfe in der Schlacht an. Cú Chulainn weist sie grob zurück – er habe all dies nicht für den Hintern einer Frau auf sich genommen – und der Held und die Schlachtengöttin tauschen allerlei Drohungen aus. Als Cú Chulainn wenig später gegen einen hervorragenden Gegner kämpft, greift die Morrígan zu seinen Ungunsten in den Kampf ein. Dies führt beinahe zu seinem Tod und läßt Held und Dämonin erschöpft und verwundet zurück, bis die Morrígan Cú Chulainn überlistet und die beiden sich gegenseitig heilen und erfrischen. Anders verläuft das Treffen der Morrígan mit dem Dagda in Cath Maige Tuired §§ 84 f.50 Auch dieses Treffen findet vor dem Hintergrund eines 46 47 48 49 50
Hg. von Windisch 1897. Thurneysen stellt die Erzählung in die Mitte des 12. Jh. (1921, S. 669). Gulermovich Epstein 1998a, S. 48 Anm. 10; Royal Irish Academy Dictionary s.v. ‘mesrad’. Hg. von van Hamel 1933, S. 16–68. Thurneysen datiert diesen Text in die Mitte des 12. Jh. (1921, S. 669). Hg. von O’Rahilly 1976. Datierung s.o. (9. Jh.). Hg. von Gray 1982. Datierung s.o. (9./11. Jh.).
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Krieges statt. Der Dagda jedoch weist die Morrígan nicht zurück, sondern hat mit der Schlachtengöttin Verkehr;51 darauf greift sie zu seinen Gunsten in den Krieg ein, schwächt seine Feinde und überläßt ihm geheime Informationen über ihre Pläne. Auf nochmals andere Weise erscheint die Todesdämonin in Togail Bruidne Da Derga §§ 61–63, wo der Aufstieg und Fall des Königs Conaire des Großen erzählt wird.52 Der König unterliegt einer Reihe von Verboten, deren Bruch seinen Tod ankündigt. Deren letztes ist, daß es ihm untersagt ist, eine einzelne Frau nach Sonnenuntergang in sein Haus aufzunehmen. Am Vorabend seines Todes erscheint eine solche einzelne Frau an der Halle, in der er die Nacht verbringen will, und verlangt Einlaß. Ihre Lippen befinden sich an der Seite ihres Kopfes, und ihr Schamhaar reicht ihr bis zu den Knien. Sie stellt sich als Cailb vor, und auf die Nachfrage des Königs fügt sie eine lange Liste von Namen hinzu, darunter Badb und Nemain, zwei klassische Namen der Schlachtfelddämonin. Auf die Frage des Königs, was sie wolle, ist ihre Antwort: A n-as áil daitsiu didiu ‘das, was dir angenehm ist’. Dies mag reiner Sarkasmus sein, da nichts an ihr dem König angenehm ist. In Anbetracht der Betonung ihres Schambereichs in ihrer Beschreibung mag man hier jedoch auch eine Aufforderung zum Geschlechtsverkehr sehen können.53 Schließlich zwingt sie den König bei seiner Ehre sie einzulassen, und er wird noch in derselben Nacht bei einem Angriff von Plünderern getötet. Außerhalb Irlands könnte die Bodb auf einem gallorömischen Weihestein aus der Gallia Narbonensis bezeugt sein (C[orpus]I[nscriptionum] L[atonarum] XII 2571, aus Haute-Savoie). Dieser Altar ist der [...]athubodua geweiht; der Anfang des Namens ist verloren. Als Rekonstruktion wurde [C]athubodua vorgeschlagen; in diesem Fall könnte das Element -bodua der irischen Bodb entsprechen, während das Vorderglied catu‘Schlacht’ den Charakter der Bodb widerspiegeln würde. Zugleich ist im Irischen zufällig auch die ganz entsprechende Benennung Bodb chatha ‘Bodb der Schlacht’ belegt, etwa in der mittelirischen Erzählung Tochmarc
51
52 53
Hierin hat man einen Fruchtbarkeitsaspekt dieser irischen Gestalten sehen wollen (etwa Clark 1987, S. 228–230, vgl. Herbert 1996, S. 142 f.). Dagegen haben Gulermovich Epstein und Bauer-Harsant gezeigt, daß die Sexualität der Morrígan in keiner Weise auf ‘Fruchtbarkeit’ hinweist: Der Geschlechtsverkehr der Morrígan führt nicht zur Schöpfung, sondern zur Vernichtung von Leben, und wo sie gebiert, gebiert sie tödliche Geschöpfe: Bauer-Harsant 1996, S. 105 f.; Gulermovich Epstein 1998a, S. 80–86, 183–185. Hg. von Knott 1936. Der Text stellt wohl eine Kompilation des 11. Jh. auf der Grundlage von Material des 9. Jh. dar: Thurneysen 1921, S. 626 f. So Rees / Rees 1961, S. 338; Bhreathnach 1982, S. 250 f.; Clark 1991, S. 124.
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Emire § 50.54 Ferner ist eine der irischen Bodb etymologisch entsprechende Göttin Bodua vielleicht in einer Inschrift aus Quincey belegt (CIL XIII 2853).55 In Herbitzheim wurde eine Weihung für Victoria [C]assi[b]odua dargebracht (CIL XIII 4525).56 Auch auf gallischen Münzen hat man die Bodb finden wollen.57 Insbesondere die epigraphischen Belege werfen die Frage auf, ob es sich bei der Bodb um eine auch im kontinentalkeltischen Bereich bekannte, vielleicht sogar pan-keltische Gestalt gehandelt hat. Faßt man das bisher Gesagte kurz zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Sowohl die Walküren als auch die Bodbs können einerseits als Kollektiv von wenig oder nicht individualisierten Gestalten auftreten. Andererseits erscheinen Vertreter beider Gruppen auch als selbständig handelnde, alleine auftretende Individuen. Beide Gruppen sind aufs Engste mit dem Tod verbunden, wobei es sich in beiden Fällen stets um gewaltsamen Tod handelt. Die Walküren werden mit den Aasvögeln des Schlachtfelds assoziiert und verwenden in späteren schriftlichen Quellen mitunter auch selbst einen Vogel-hamr; sie erscheinen dabei wohl in Vogelgestalt. Die Bodbs erscheinen häufig als Nebelkrähen; in dieser Gestalt fressen sie die Leichen der gefallenen Krieger, während Neckels Assoziationen zwischen den Walküren und einem solchen vampirhaften Verhalten fraglich bleiben müssen. Eine der wichtigsten Rollen der Walküren scheint mit dem Übergang des Toten ins Jenseits verbunden zu sein, wo sie gleichsam als Wegweiser und vielleicht Seelengeleiter fungieren können. Ein solcher Zug fehlt den Bodbs in den überlieferten Zeugnissen. Sowohl die irischen als auch die skandinavischen Gestalten sind gänzlich im Bereich des Krieges beheimatet, und beide Gruppen zeigen einen betont sexuellen Charakter im Umgang mit den Helden, deren Weg sie kreuzen. 54
55 56
57
Pictet 1868, bes. S. 11, 15–17; Hennessy 1870, S. 32 f.; Gulermovich Epstein 1998a, S. 220 f.; vgl. Donahue 1941, S. 8; Birkhan 1970, S. 492; Green 1995, S. 43. Die Orthographie des Steins ist ungewöhnlich: Zu erwarten wäre [C]atubodua. Das Problem wird jedoch allgemein als nicht signifikant betrachtet (zusätzlich zur eben genannten Literatur vgl. Gulermovich Epstein 1998a, S. 227, insbesondere Schmidt 1957, S. 100, 136 Anm. 2, 167). Eine Überprüfung am originalen Stein wäre erstrebenswert, aber mehrere Anfragen beim Musée-Château d’Annecy über den Verbleib des Steins wurden nicht beantwortet. Jufer / Luginbühl 2001, S. 30; das CIL zweifelt jedoch an der Verläßlichkeit der Beschreibung der Inschrift. Jufer / Luginbühl 2001, S. 33; Birkhan 1970, S. 492. Zur (unsicheren) Deutung des Namenselements cassi- vgl. Birkhan 1967, S. 121 f. mit den dortigen Querverweisen; vgl. auch Delamarre 2003 s.v. ‘cassi-, -casses’. Für den Hinweis auf Literatur zu cassi- danke ich Nicholas Zair. Allen 1980, S. 142 f.; vgl. Pictet 1868, S. 15.
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Die Walküren
Die Bodbs
Weiblicher Dämon
X
X
Kollektivcharakter
Auftreten als Individuum oder als Gruppe
Auftreten als Individuum oder als Gruppe
Tod
„Wählerinnen der Schlachtentoten“
Freude am Massaker
Vögel
Schwan, Krähe
Nebelkrähe
Verschlingen
? vgl. Brynhilds „Quälen der Toten“
rot-schnäbelig; Schädel als Mast
Übergang des Toten ins Jenseits
weisen die Gefallenen nach Walhall
–
Krieg und Gewalt
entscheiden über den Sieg
Eingreifen in den Verlauf des Kampfes
Betonte Sexualität
Beziehung zu Helden; Tod als Hochzeit
Beziehung zu Helden
Damit zeigen Walküren und Bodbs einige bedeutende Gemeinsamkeiten. Zudem gehören beide Gruppen von Dämoninnen zu nahezu gleichzeitigen Kulturen in engem, wenngleich nicht unbedingt friedlichem Kontakt – was freilich dem Charakter der Gestalten gut entspricht. Von daher läge es nahe, daß diese Gemeinsamkeiten vielleicht nicht auf Zufall beruhen. An dieser Stelle scheint ein weiterer Blick auf einen der (vielleicht nur vermeintlichen) Unterschiede zwischen Bodbs und Walküren interessant. Die Walküren erscheinen, jedenfalls im weiteren Sinn, als Seelengeleiter. Den krähengestaltigen Bodbs Irlands fehlt ein solcher Zug. Zumindest in einem keltischen Kulturbereich spielten die Aasvögel des Schlachtfelds jedoch sehr wohl eine Rolle beim Übergang des Toten ins Jenseits.58 So berichtet Silius Italicus, Punica III,341–343 über die Keltiberer: his pugna cecidisse decus, corpusque cremari tale nefas. caelo credunt superisque referri, impastus carpat si membra iacentia uultur. Für diese ist es eine Ehre, im Kampf gefallen zu sein, ein Frevel, wenn ein solcher Leichnam verbrannt wird: Sie glauben, daß er zum Himmel und den Göttern getragen wird, wenn ein hungriger Geier die darniederliegenden Glieder packt.
58
Marco Simón 1998, S. 125–128 et passim; Sopeña Genzor 1995, S. 184–262 et passim.
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Nach Silius Italicus erfahren die Leichen der im Kampf Gefallenen somit eine gesonderte Behandlung und werden nicht verbrannt, sondern den Geiern zum Fraß vorgeworfen, die den Toten in den Himmel und zu den Göttern bringen. Aelian, De natura animalium X,22 fügt dem hinzu, daß eine solche Behandlung ausdrücklich Vorrecht der gefallenen Krieger ist und als Ehre gilt, sowie daß die Geier den Keltiberern heilig waren.59 Die historische Existenz eines solchen keltiberischen Rituals wird vielleicht auch durch archäologische Befunde gestützt.60 Die Geier dieses keltiberischen Bestattungsrituals teilen mit der irischen Bodb somit nicht nur den Bereich des Todes und die Erscheinungsform als Aasvogel, sondern auch die spezifische Vorliebe für das Schlachtfeld. Das keltiberische Geierritual ist auf die Schlachtentoten beschränkt, ganz entsprechend der Bodb, die gerade die Gefallenen zu ihrem Festmahl macht.61 Über das keltiberische Ritual ist zwar nicht viel bekannt, aber was bekannt ist, findet eine so enge Entsprechung im Verhalten der Bodb, daß es vielleicht möglich ist, zwischen beiden eine Verbindung zu sehen. Dies ist in keinem Fall zwingend. Aber die möglichen Belege der Bodb auf gallorömischen Weihesteinen legen nahe, daß es sich bei der Bodb vielleicht um eine Gestalt handelt, die auch über Irland hinaus eine weitere Verbreitung bei keltischen Völkern hatte. Diese Möglichkeit eines pan-keltischen Charakters der Bodb macht es verführerisch, die keltiberischen heiligen Geier als mögliche Entsprechung im keltiberischen Ritus zur Bodb als der dämonischen Nebelkrähe der irischen Sage zu sehen.62 Im Zusammenhang mit dem Vergleich von Bodbs, keltiberischen Geiern und Walküren ist da59 60 61
62
Ausführlich zu dieser Textstelle: Sopeña Genzor und Ramón Palerm 2002. Marco Simón 1998, S. 120 f., 126 f.; Sopeña Genzor 1995, S. 198–262. Diese Einschränkung des Rituals der Aussetzung auf die Schlachtentoten bei gleichzeitiger positiver Wertung ist besonders hervorzuheben. Die Toten für die Aasvögel auszusetzen ist als eine Form der regulären Bestattung auch anderswo belegt, insbesondere bei den Parsen und in Tibet. Sopeña Genzor hat nach einer Besprechung dieser Beispiele (Sopeña Genzor 1995, S. 186–196) den wichtigen Hinweis gegeben, daß sich der keltiberische Ritus durch seinen selektiven Charakter völlig von den bekannteren iranischen und tibetischen Beispielen solcher Rituale unterscheidet, wo die Bestattung mit Hilfe von Geiern die allgemeine Regel ist (ibid., S. 197, 269). Diesem Aspekt ist daher unter typologischen Gesichtspunkten besondere Bedeutung beizumessen. Auf Parallelen zwischen der Bodb und dem keltiberischen Geierritual wurde bereits von Marco Simón (1998, S. 128 Anm. 36) hingewiesen; vgl. auch Sopeña Genzor 1995, S. 222 f., 239. Eine Verbindung zwischen beiden wurde auch von Gulermovich Epstein (1998a, S. 228 f. et passim) betont. Gulermovich Epstein schlägt auch eine Verbindung zwischen diesem keltiberischen Ritual und den Walküren vor (1998a, S. 281 f.), worauf später noch eingegangen werden wird.
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bei vor allem von Interesse, daß die heiligen Geier der Keltiberer eben die Funktion als Seelengeleiter erfüllen, die der Krähendämonin der irischen Sage fehlt. Nimmt man an, daß solche Vorstellungen von einem seelengeleitenden, vielleicht dämonischen Aasvogel bei keltischen Völkern weiter verbreitet waren, so könnte dies auch erklären, warum die Kelten des Brennus bei ihrem Einfall in Griechenland im Jahre 279 v. Chr. nach der Schlacht bei den Thermopylen ihre Gefallenen nicht bestatteten (Pausanias 10.21.6 f.).63 Blickt man vom ehemals keltischen Teil Norditaliens nach Süden, so sind die Etrusker das erste Volk südlich des keltischen Gebiets. Eine der dominierendsten Gestalten der etruskischen Jenseitsikonographie ist die Dämonin Vanth. Vanth ist in wohl Hunderten von Darstellungen bezeugt, während textliche Belege abgesehen von einer geringen Zahl von Darstellungen mit Namensbeischrift und einer umstrittenen Weiheinschrift gänzlich fehlen. Die wenigen Darstellungen mit Namensbeischrift bilden die Grundlage für die Definition Vanths und ihre Abgrenzung von anderen Gestalten des etruskischen Pantheons. Die fragliche Weiheinschrift entstammt dem 7. Jh. v. Chr.; ikonographisch ist Vanth auf der Grundlage der Darstellungen mit Namensbeischrift ab dem 5. Jh. v. Chr. mit einiger Wahrscheinlichkeit identifizierbar. Sie erscheint in Darstellungen aus dem Sepulkralbereich und mit Bezug zum Tod und wird als Frauengestalt mit zumeist großen Schulterflügeln oder kleinen Flügeln an der Stirn dargestellt. Dabei begleitet sie oft den Toten auf der Reise ins Jenseits. In einer Vielzahl von Darstellungen erscheint sie in einer Ikonographie, die auf derjenigen der griechischen Erinyen basiert, mit nackten Brüsten, Jagdstiefeln und Kreuzbändern über der Brust. In anderen Beispielen wird sie in ganz etruskischer Weise nackt dargestellt.64 Mehrere Gestalten vom ikonographischen Typ der Vanth können dabei in derselben Szene nebeneinander dargestellt werden, was zeigt, daß es sich auch hier wieder um eine Gruppe von Dämonen handelt. So auf dem Alabastersarkophag der Hasti Afunei aus Chiusi aus dem 3.–2. Jh. v. Chr. (Fig. 2):
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Marco Simón 1998, S. 127 f. mit weiteren möglichen kontinentalkeltischen Parallelen; Sopeña Genzor 1995, bes. S. 198–209. Allgemein zu Vanth vgl. etwa von Vacano 1962; Pfiffig 1975, S. 327–330 et passim; Krauskopf 1987, bes. S. 78–85; Paschinger 1992; Weber-Lehmann 1997a; de Grummond 2006, S. 220–225 et passim. Allgemein zu etruskischen Todesgöttern und -dämonen vgl. Krauskopf 1987.
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Fig. 2: Etruskischer Alabastersarkophag der Hasti Afunei, 3.–2. Jh. v. Chr. Relief: Die Hadespforte, der Abschied der Verstorbenen von ihrer Familie und drei Todesdämoninnen (rechts außen beim Fortführen der Verstorbenen sowie links aus der Hadespforte heraustretend und neben der Hadespforte stehend); Deckel: Die gelagerte Verstorbene.
Die auf der Seitenfläche des Sarkophags dargestellte Szene stellt den Abschied der Verstorbenen von ihrer Familie dar.65 Hinter der Toten, die am rechten Bildrand Abschied nimmt, steht eine Dämonin mit großen Schulterflügeln und faßt sie an der Taille. Am gegenüberliegenden Ende des Bildfeldes ist das Hadestor dargestellt, aus dem eben eine weitere Dämonin tritt. Eine dritte Dämonin steht neben dem Hadestor. Sie scheint auf einen langen, stabartigen Gegenstand mit drei Zinken am unteren Ende gestützt – vielleicht den Riegel oder Schlüssel des Hadestors66 – der jedoch nicht auf 65
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Weber-Lehmann 1997a Nr. 6; Herbig 1952, S. 41 f. und Tafeln 55–57a; von Vacano 1962, bes. S. 1536–1540; de Grummond 2006, S. 222–224 mit Abb. X.18 (diese Abb. ist jedoch unzuverlässig, siehe unten Anm. 68). Riegel oder Schlüssel: Herbig 1952, S. 42; Weber-Lehmann 1997a, Bd. 1, S. 174; de Grummond 2006, S. 222 f. Schlüssel: von Vacano 1962, S. 1537, 1539; Pfiffig 1975, S. 327 (mit Vergleichsmaterial); Paschinger 1992, S. 23 mit Anm. 76 (S. 225). Riegel: Krauskopf 1986, S. 158 mit Anm. 26 (S. 162 f.).
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dem Boden aufsteht. Diese dritte Dämonin ist durch eine Namensbeischrift als Vanth benannt. Sie hat kleine Flügel an der Stirn,67 trägt Laschenstiefel und wohl einen Brustschmuck. Ferner trägt sie einen Mantel so um ihre Knie und an ihrer Seite entlang über die Schulter geschlungen, daß er allem Anschein nach ihren Schambereich nicht bedeckt, sondern im Gegenteil einrahmt und dadurch betont.68 Arme, Oberkörper und Unterleib bis zu den Oberschenkeln sind entsprechend nackt. Auf diesem Sarkophag erscheint Vanth als Mitglied einer Dreiergruppe von ikonographisch ähnlichen und dem Kontext nach wohl funktional zumindest eng verwandten Todesdämoninnen. Auch bei dieser Gestalt hat man es also nicht mit einem isolierten Individuum zu tun, sondern wie bei den Walküren mit einer ganzen Klasse zusammengehöriger Gestalten oder einem Mitglied einer solchen Klasse. Daß Vanth auch als Einzelgestalt erscheinen kann, illustriert eine Wandmalerei aus der Tomba François in Vulci aus dem 3. Viertel des 4. Jh. v. Chr.,69 in der zugleich die Enge der Beziehung Vanths zum Tod auf vielschichtige Weise zum Ausdruck gebracht wird (Fig. 3).
67 68
69
von Vacano (1962) schlägt vor, daß die Ersetzung der großen Schulterflügel durch Kopfflügel raumbedingt sein könnte, S. 1539 Anm. 3. Vgl. von Vacano 1962, S. 1537 f.; durch einen Riß im Stein ist der genau Verlauf des Gewands unerheblich verunklart. Die Darstellung des nackten Schambereichs wird von Paschinger (1992, S. 166 mit Zeichnung Abb. 5) abgelehnt. Die Zeichnung bei Paschinger stellt Vanths Schambereich bekleidet dar und beruht allem Anschein nach auf dem Stich in Körte (1916 Tafel LIV Nr. 1), da etwa der Faltenwurf von Vanths Gewand in beiden Zeichnungen in identischer Weise von der Photographie bei Herbig (1952 Tafel 55 Abb. b) abweicht. Nach der großformatigen photographischen Tafel bei Herbig ist mir eine solche bekleidete Darstellung nur schwer nachvollziehbar; ich folge daher der Tafel Herbigs und der Beschreibung von Vacanos, gerade in Anbetracht der auch heute noch weithin verbreiteten Unsitte, bei Umzeichnungen sexuelle Züge zu kaschieren. (Für ein peinliches Beispiel aus neuester Zeit vgl. den Katalog zur großen Hethiterausstellung in der Bundeskunsthalle 2002; dort wird die Inandik-Vase mit Darstellungen hethitischer Rituale sowohl in Photographie als auch in Umzeichnung abgebildet. Man beachte, wie die Umzeichnung bei der Darstellung eines kopulierenden Paares im obersten Bildfeld den Penis des Mannes fortläßt, obwohl dieser auf der Photographie deutlich zu sehen ist: Özgüç 2002, S. 250 Abb. 4 und S. 252 f. Abb. 7.) Eine Überprüfung am originalen Sarkophag war zur Zeit der Abfassung des Artikels nicht möglich, da dieser aus ungenannten Gründen z. Zt. nicht zugänglich ist (briefliche Mitteilung des Museo Archeologico “A. Salinas”, Palermo, vom 7.5.2008; der Sarkophag hat dort die Inventarnummer Sammlung Casuccini 24). Ohne Korrektur ist der Stich Körtes auch in de Grummond (2006 Abb. X.18, S. 224) reproduziert. Weber-Lehmann 1997a Nr. 3; Andreae 2004, S. 193–196 mit Abb. (S. 192 f.); Poulsen 1922, S. 51 f. et passim mit Abb. 39.
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Fig. 3: Etruskisches Wandgemälde aus der Tomba François in Vulci, 3. Viertel des 4. Jh. v. Chr.: Trojaneropfer mit Todesdämonen. Von links nach rechts: Agamemnon, der Schatten des Patroklos, Vanth, Achilles bei der Opferung eines Trojaners, der Todesdämon Charun, die beiden Ajax beim Herbeiführen zweier weiterer Trojaner.
Die Szene zeigt die Opferung trojanischer Gefangener durch Achilles bei der Bestattung des Patroklos, wobei die Namen der beteiligten Personen – einschließlich Vanths – durch Beischriften gesichert sind. Im Zentrum der Szene befindet sich Achilles; er zertrennt eben mit dem Schwert einem Trojaner die Halsschlagader, der nackt vor ihm auf dem Boden kauert. Achilles wird von Vanth und dem Todesdämon Charun eingerahmt. Vanth trägt einen langen Peplos und hat große, in blau, weis und rotbraun ausgeführte Schulterflügel. Sie steht hinter Achilles und entfaltet ihre Flügel zu beiden Seiten hin, so daß ihr linker Flügel über Achilles und der Tötung des Trojaners ausgestreckt ist. Ihr rechter Flügel ist über und hinter dem Schatten des Patroklos entfaltet, der seiner eigenen Bestattung beiwohnt. In dieser Bildkonzeption entfalten sich die vielfarbigen Flügel Vanths also über einem vergangenen, einem gegenwärtigen und einem zukünftigen Tod: Patroklos ist bereits gefallen, dem Trojaner sprudelt eben das Blut aus der tödlichen Wunde an seinem Hals, und Achilles wird den Fall Trojas nicht mehr erleben.70 Vanths Flügel werden vom Künstler hier allem Anschein nach benutzt, um die universelle Bedeutung der Gestalt für das Ereignis des Todes darzustellen. Zugleich erscheint Vanth dadurch als ein Mischwesen zwischen Mensch und Vogel. Während die Walküren und die irischen Bodbs zwischen den Gestalten von Mensch und Vogel in einem Akt der Metamorphose wechseln, erscheinen die Elemente von anthropo70
Vgl. Krauskopf 1987, S. 79; de Grummond 2006, S. 198 f. Zur Farbigkeit von Vanths Flügeln vgl. Pfiffig 1975, S. 330.
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morpher Form und Vogelgestalt in Vanth in einer Bildformel vereint, welche ihre Natur als Frau und ihre Beziehung zur Vogelgestalt gleichzeitig festhalten kann. Schon auf dem eingangs angesprochenen Sarkophag der Hasti Afunei war der Übergang der Toten ins Jenseits das zentrale Bildthema. Eine geflügelte Dämonin faßt dort die Verstorbene an der Taille, um sie durch das Hadestor am gegenüberliegenden Ende des Bildfeldes ins Totenreich zu geleiten, während Vanth den Schlüssel oder Riegel zu dieser Jenseitspforte verwahrt. Auf andere Weise wird die Funktion der Vanth-Gestalten als Seelengeleiter auf den Wandmalereien der Tomba Golini I bei Orvieto zum Ausdruck gebracht, die in das 3. Viertel des 4. Jh. v. Chr. datieren.71 Diese Grabkammer wird durch eine Zwischenwand in zwei Hälften geteilt. Die Wandmalereien der linken Kammer zeigen Arbeiten in einer großen Küche: In einem Ofen und auf mehreren Tischen werden Speisen bereitet und wird mit Geschirr hantiert. Die Eingangswand stellt den Vorratsbereich dar: Wild, Geflügel und ein ganzes Rind hängen dort aufgereiht und lassen zusammen mit dem regen Küchenbetrieb auf ein rauschendes Fest schließen. Dieses Fest wird in den Malereien der rechten Kammer dargestellt: Männer liegen zum Trunk auf Klinen gelagert, mehrere große Gefäße lassen die vorhandene Menge an Wein erahnen, und Musikanten spielen Aulos und Leier. Über dieser fröhlichen Versammlung von Zechern thronen, durch Namensbeischriften identifiziert, die Herren des Festes: Hades und Persephone. Hier wird das jenseitige Fest der Toten dargestellt und so das Grab durch sein Bildprogramm mit der Unterwelt identifiziert. Die Eingangswand zeigt den wohl zuletzt Verstorbenen auf einem Streitwagen, als würde er durch die Grabtür in das Grab einfahren. Neben ihm läuft wieder Vanth; sie hat große Schulterflügel über dem Gespann und seinem Lenker entfaltet. Vanth scheint hier also den Toten auf seinem Weg in das GrabJenseits zu geleiten, wo ihn das Fest seiner verstorbenen Vorfahren erwartet, dem der König und die Königin der Unterwelt vorsitzen. Weder in der Tomba Golini I noch auf dem Sarkophag der Hasti Afunei ist die Funktion Vanths als Seelengeleiterin spezifisch auf einen Kriegskontext bezogen. Gerade der Frauensarkophag legt nahe, daß die Seelengeleiterin Vanth auch den friedlich Verstorbenen den Weg in das Jenseits weist, und dies ließe sich noch durch eine Vielzahl weiterer Denkmäler belegen. Anders als im Fall der Walküren und der Todesdämoninnen Irlands erstreckt sich der Wirkungsbereich Vanths nicht nur auf die Helden 71
Weber-Lehmann 1997a Nr. 21; mit Abbildungen und Plänen dieses Grabs vgl. Feruglio 1982, bes. S. 23 f. und Abb. 2–4, 6–10, 20–29, 32–38 auf S. 29–64; ferner vgl. Paschinger 1992, S. 44 mit Abb. 64; Poulsen 1922, S. 40–43 mit Abb. 33.
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und Schlachtentoten; sie wacht über den Tod in seiner Gesamtheit. Dabei nimmt allerdings der gewaltsame Tod eine wichtige Stellung ein, wie schon die Trojaneropferung der Tomba François zeigt. Ein anderes und sehr häufig dargestelltes Sujet ist der Tod der Brüder Eteokles und Polyneikes, die sich vor den Toren Thebens gegenseitig töten. Dieser Zweikampf ist wohl auf einer Alabasterurne aus Chiusi aus dem 2. Jh. v. Chr. dargestellt (Fig. 4).72 Dort stehen sich zwei Krieger mit Schwertern, Rundschilden und Rüstungen zum Kampf gegenüber. Zwischen ihnen taucht Vanth mit halb ausgebreiteten Schulterflügeln aus der Erde auf; oberhalb der Taille ist sie nackt, mit der Linken hält sie eine Fackel geschultert und in der Rechten hält sie eine entrollte Schriftrolle, auf der ihr Name geschrieben war.73
72 73
Weber-Lehmann 1997a Nr. 7; Sarian 1986 Nr. 95. Die Namensinschrift wird in der Darstellung bei Körte (1890/1896 Tafel XXXVI (unten) und ibid., S. 31) mitgeteilt. Sowohl von Vacano (1962, S. 1531 Anm. 1) wie auch von Freytag (1986, S. 143 Anm. 562) weisen sie zurück. Die kleinformatige Photographie bei Sarian 1986 Nr. 95 erlaubt keine eindeutigen Schlußfolgerungen; im Kommentar gibt Sarian die Inschrift als [Vanth] an. Eine Autopsie im Juli 2008 ergab, daß heute nur noch das Digamma (Ϝ) lesbar ist, der erste Buchstabe des Dämonennamens; der Buchstabe ist ohne Vorritzung aufgemalt. Seine Erhaltung hängt wohl damit zusammen, daß er sich unmittelbar unter der Hand Vanths befindet, mit der die Dämonin die Schriftrolle hält; so ist der Buchstabe wie durch ein kleines Vordach geschützt. Der Rest der Inschrift ist heute gänzlich vergangen und mag einer ‘Reinigung’ der Urne zum Opfer gefallen sein; Dr. Iozzo, der Direktor des Chiusiner Museums, weist mich freundlicherweise darauf hin, daß es nicht auszuschließen ist, daß die Urne seit den Tagen Körtes gewaschen wurde, ggf. sogar mit Säure. Dies würde erklären, warum nur der erste, durch das ‘Vordach’ der Hand Vanths geschützte Buchstabe noch erhalten ist. Für eine Detailaufnahme vgl. Fig. 5. Die teilweise an Buchstaben erinnernden Verdunkelungen unterhalb des Digammas sind keine Schriftreste, sondern nur Kratzer, die durch Schatteneffekte hervortreten (während das Digamma ohne Vorritzung auf der glatten Fläche aufgemalt ist). Für Zweifel an der durch Körte mitgeteilten Lesung besteht somit m. E. kein Grund. Sie wird dadurch gestützt, daß auch das alte handschriftliche Inventar des Museums die Lesung Vanth mitteilt (Comune di Chiusi: Inventario delle suppellettili antiquarie che si trovano nel Museo Civico e che sono di proprietà del Comune suddelto, Band I, dort Nr. 984; der Band wurde nach dem Kolophon auf der letzten Seite wohl am 29.12.1918 abgeschlossen – die letzte Ziffer ist etwas unleserlich – und befindet sich heute im Chiusiner Museo Archeologico Nazionale); vgl. Fig. 6. Die Urne befindet sich heute als Dauerleihgabe des Museo Archeologico Nazionale di Chiusi in der Dauerausstellung des neuen Museo Civico von Chiusi, Inv.-Nr. 984. Sie hat auch abgesehen vom Verlust des größten Teils der Inschrift seit den Tagen Körtes gelitten. So ist etwa die rechte Hand Vanths, die Körte noch vollständig darstellt, heute stark beschädigt, wie auch andere Stellen des Reliefs Schaden genommen haben.
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Fig. 4: Etruskische Alabasterurne aus dem 2. Jh. v. Chr.: Vanth zwischen Eteokles und Polyneikes.
Fig. 5: Detail derselben Urne: Die Reste der Inschrift. Nur noch das Ϝ ist erhalten.
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Fig. 6: Der Eintrag zur Urne aus dem Inventar des ehem. Museo Civico von Chiusi.
Auf anderen Darstellungen ist Vanth selbst bewaffnet. So auf einem Nenfrosarkophag aus Bomarzo aus der Zeit um 300 v. Chr.74 Dort erscheint sie mit nacktem Oberkörper und großen Schulterflügeln, einem gezogenen Schwert in der Rechten und der Scheide in der Linken.75 Auf einem Urnenrelief aus Volterra aus dem 2. Jh. v. Chr.,76 das die Plünderung eines Tempels durch Gallier darstellt, ist Vanth mit Kreuzbändern über den nackten Brüsten, Kopf- und Schulterflügeln, einem gezogenen Schwert in der Rechten und einer Schwertscheide in der Linken dargestellt. Sie scheint kurz davor zu stehen, sich auf einen Gallier zu stürzen, der sich eben am Kultbild vergreift, während sein Gefährte Kultgerät fortschleppt. Schon wiederholt ist die oft sehr leichte Bekleidung Vanths angesprochen worden. Aus der Gegend von Orvieto stammen drei Vasen aus der Hand eines einzigen Malers aus der Zeit um 330 v. Chr., auf denen dieser Zug noch weiter geführt ist.77 Auf ihnen wird die Reise eines Toten in die Unterwelt dargestellt, wobei Todesdämonen vom Charun-Typ, Hades und Persephone, Kerberos und Vanth auftreten. Auf zweien dieser Vasen erscheint Vanth 74 75
76 77
Weber-Lehmann 1997a Nr. 36; Herbig 1952, S. 35 f. und Tafel 6. Im heutigen Zustand des Sarkophags hält Vanth aufgrund einer fehlerhaften Restaurierung einen Hammer und eine Schwertscheide. Anstelle des Hammerkopfes wäre in Anbetracht der Schwertscheide eine Schwertspitze zu ergänzen gewesen. Im Original ist diese Stelle durch einen Sprung verloren: Herbig 1952, S. 35. Paschinger 1992, S. 95 f., 310 (Nr. 167) mit Abb. 167; Körte 1916 Tafel CXIII Nr. 1. Weber-Lehman 1997a No. 2; Beazley 1947, S. 169; Pfiffig 1975, S. 176–178 mit Abb. 73; detaillierte Edition: Cappelletti 1992, S. 180–193.
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nahezu gänzlich nackt; sie trägt nur ein um die Taille geschlungenes Band, Halsschmuck und leichte Schuhe. In beiden Fällen hat sie große Schulterflügel. Ikonographisch entspricht sie ganz den Darstellungen von lasas, nackten Flügelfrauen aus dem Gefolge der etruskischen Liebesgöttin mit starken erotischen Assoziationen.78 Als Vanth sind diese schlanken nackten Flügelfrauen nur dadurch mit Sicherheit erkennbar, daß beide in ihren Händen entrollte Schriftrollen tragen, auf denen ihr Name geschrieben steht. Noch deutlicher erotisch konnotiert ist die sog. Vanth von Tuscania, ein Fragment eines Hochreliefs aus der 1. Hälfte des 3. Jh. v. Chr. (Fig. 7).79 Bei dieser Figur handelt es sich um eine aus einem Grabrelief stammende Frauengestalt mit großen, wenngleich heute weitgehend zerstörten Schulterflügeln.80 Diese Gestalt ist bekleidet, aber entblößt ihren Schambereich: Ihr Gewand ist bogenförmig eingeschnitten oder wird von ihr beiseite gezogen, so daß Bauch, Unterleib und Schenkel nicht mehr bedeckt sind. WeberLehmann hat eine Vielzahl von Parallelen zu diesem Gestus zusammengestellt und konnte dabei zeigen, daß eine solche bewußte Entblößung des Schambereichs einer ansonsten bekleideten Frauengestalt in der etruskischen Kunst eine Geste der sexuellen Provokation darstellt, die weit über bloße Nacktheit hinausgeht.81 Weber-Lehmann hat zugleich jedoch die Deutung dieser Figur als Vanth in Frage gestellt und eine Interpretation als Sirene vorgeschlagen, die ebenfalls als Todesdämonin in einem Grabkontext erscheinen kann; dabei zieht sie einen Synkretismus zwischen Vanth und den Sirenen in Erwägung.82 Dies scheint in Anbetracht der Materiallage zwar nicht gänzlich auszuschließen, aber die vorgebrachten Argumente sind nicht zwingend.83 Festzuhalten ist in jedem Fall, daß sich hier im Kontext der etruskischen Dämonologie des Todes eine Flügelfrau von betont sexuellem Charakter findet, die sich harmonisch zu einer Vielzahl von weiteren Belegen für Vanth fügt, die sexuell konnotiert scheinen – wie etwa den Vanths der Vasen von Orvieto, die in ihrer eleganten Nacktheit ikonographisch den Flügelfrauen aus dem Gefolge der Liebesgöttin entsprechen, aber inschriftlich als Darstellungen Vanths gesichert sind.
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Zu den lasas vgl. etwa Lambrechts 1992. Weber-Lehmann 1997a Nr. 57; Weber-Lehmann 1997b. Zu den Problemen der Herkunftsbestimmung vgl. Weber-Lehmann 1997b, S. 191– 193, 196–201. Der sepulkrale Kontext des Reliefs steht jedoch außer Frage: Weber-Lehmann 1997b, S. 224. Weber-Lehmann 1997b, S. 214–223. Ähnlich zuvor schon Krauskopf 1987, S. 82. Weber-Lehmann 1997a Nr. 57; Weber-Lehmann 1997b, S. 224–234. de Grummond 2006, S. 224–226 mit Abb. X.21, S. 254 Anm. 25.
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Fig. 7: Sog. S Vanth voon Tuscania, 1. 1 Hälfte des 3. 3 Jh. v. Chr.: Sich entblößeende Flügelfrau aus dem Reliefschmuck eines Grabes. Ihre Flügel sinnd bis auf die Ansätze sind Reüber denn Schultern weitgehend w zerrstört. Neben dem linken Oberschenkel O ste von drei Schwunggfedern erhalteen.
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Insbesondere ist an die Vanth auf dem Sarkophag der Hasti Afunei zu erinnern, die ihren Mantel so drapiert hat, daß er ihren Schambereich nicht verhüllt, sondern umrahmt und so betont. Ein starker erotischer Zug scheint somit ein wesentliches Element von Vanths Charakter zu bilden. Damit zeigt Vanth eine Reihe von Zügen, die auch für die Dämoninnen Nordwest-Europas charakteristisch gewesen waren. Der Vergleich der Walküren und der Schlachtfeld- und Todesdämoninnen Irlands hatte einen Fragenkatalog vorgegeben. Ins Zentrum der Betrachtung der Dämoninnen traten ihr Charakter als Kollektiv, ihre Beziehung zum Tod, zu Vögeln, zum Motiv des Verschlingens von Leichen, dem Übergang des Toten ins Jenseits, Krieg und Gewalt und ihre Sexualität. Vanth fehlt von diesen Aspekten nur der vampirische Zug des Verschlingens der Leichen, auch wenn ihre Beziehung zu Krieg und Gewalt – obwohl vorhanden – weit weniger im Zentrum ihres Charakters steht, als dies bei den nordeuropäischen Gestalten der Fall ist. Wirft man einen weiteren Blick auf die mit dem Tod verbundenen Dämonen der Mittelmeerwelt, kehren solche Züge auch anderswo wieder. Auf dem Sarkophag der Hasti Afunei erschien Vanth mit dem Schlüssel oder Riegel des Hadestors; so überrascht es nicht, daß die Furien der mit der etruskischen so eng verbundenen römischen Welt ebenfalls als Torwächter erscheinen: In der Äneis VI,548–558 bewacht eine von ihnen das Tor der Festung in der Unterwelt, in der die Frevler ihre Strafe finden. Ihre ‘eisernen Kammern’ (ferrei Eumenidum thalami) befinden sich am Eingang zum Orcus (Äneis VI,273–281). In humoristischer Brechung erscheint ihr Aufenthalt und Wächteramt an der Unterweltspforte auch bei PseudoVergil, Culex 214–222 und bei Ovid, Metamorphosen IV,449–456. Als Torwächter besetzen sie eine Schlüsselposition beim Übergang der Seelen in die Unterwelt. Die isoliert dastehende Passage Statius, Thebais VIII,9– 11 scheint auf eine Rolle dieser Gestalten bei der rituellen Eingliederung des Toten in das Jenseits hinzuweisen. Ferner erscheinen sie als Todesdämonen in der Schlacht (Horaz, Carmina I.28.15–18). Auch die Furien sind ein Kollektiv von Gestalten, und wie die etruskischen Todesdämoninnen erscheinen auch sie geflügelt (Äneis VII,476). Ein in ihren Kammern gezeugtes Monstrum frißt Kinder (Statius, Thebais I,596–604). Und keine der nordeuropäischen Dämoninnen ist mehr darauf aus, Blutvergießen herbeizuführen, als die Furie Allekto (vgl. etwa Äneis VII,323– 326).84
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Allgemein mit reichen Belegstellen zu den Furien vgl. Rapp 1884–1890; Waser 1910.
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Griechenland ist die Heimat gleich mehrerer Gestalten, die sich in ähnlichen Kategorien beschreiben lassen wie die Schlachtfeld- und Todesdämoninnen Nordeuropas. Die Keren sind ein Synonym für Verderben (etwa Ilias XXIII, 78 f.), fliegen (Argonautica IV,1665–1667), erscheinen in der Schlacht (Ilias XVIII,535–540), schleppen ihre Opfer zum Hades (Odyssee XIV, 207 f.) und trinken das Blut der Gefallenen (Hesiod, Scutum 248–257).85 Die Erinyen sind schon in der ältesten Überlieferung in der Unterwelt beheimatet (Ilias XIX,258–260, später etwa bezeugt bei Aischylos, Eumeniden 71–73 oder im Orph. Hymn. 69,1–4 und 8 f.). Auch sie sind geflügelt (Euripides, Orestes 275 f.),86 und Aischylos betont ihren Appetit auf Menschenblut (Eumeniden 179–192, 253, 264–266). Sie sind die Seelengeleiter der Verdammten, die sie zu ihrer Strafstätte führen (PseudoPlaton, Axiochos 371E) oder lebend in die Unterwelt schleppen (Aischylos, Eumeniden 267 f.). Die spätere Literatur weist ihnen einen Platz unter den Dämonen des Schlachtfelds an (Quintus Smyrnaeus V,25–37).87 Auch die Harpyien entführen ihre Opfer in das Totenreich: In der Odyssee I,241 und XIV,371 wird das Verschwinden des Odysseus mit einer Entführung durch die Harpyien umschrieben. Durch die Harpyien verschleppt zu werden beschreibt dort ein schlechteres Äquivalent des Todes: Ruhmlos verschollen zu sein. Wohin das Opfer verschleppt wird und ob diese Verschleppung mit dem Tod gleichzusetzen ist, wird dort nicht gesagt. Die Assoziation zwischen der Verschleppung durch die Harpyien und dem Tod wird jedoch von einer anderen Stelle der Odyssee nachgetragen: In der Odyssee XX,61– 81 betet Penelope, vor einer Hochzeit mit einem der Freier lieber zu sterben oder von Sturmwinden (die hier mit den Harpyien identifiziert erscheinen: Beide Begriffe – θύελλαι und ρπυιαι – wechseln sich ab) an den Okeanos verschleppt zu werden, wie die Töchter des Pandareos, die von den Harpyien entführt und den Erinyen übergeben worden sind. Da die Erinyen in der Unterwelt beheimatet sind und der Eingang zum Totenreich sich jenseits des Okeanos befindet (vgl. Odyssee X,508–512), bedeutet eine Entführung durch die Harpyien also eine Entführung ins Totenreich. Ikonographisch erscheinen die Harpyien als Frauen mit großen Schulterflügeln, und Vergil betont in der Harpyien-Episode der Äneis ihren Hunger (Äneis III,209–269). In Anbetracht des Aasvogelcharakters der nordeuropäischen Gestalten mag hier auch interessant sein, daß die Harpyien in
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Allgemein zu den Keren vgl. Crusius 1884–1894 Malten 1924; Vollkommer 1992. Die Darstellung mit großen Schulterflügeln ist ein häufiges Element ihrer Ikonographie, vgl. Sarian 1986 mit vielen Beispielen. Allgemein zu den Erinyen vgl. Rapp 1884–1886; Wüst 1956; Sarian 1986.
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Vergils Schilderung starke Züge von Geiern zeigen.88 Und wie alle diese Gestalten sind die Harpyien wiederum Figuren, die als Gruppe erscheinen.89 Schon dieser kurze Abriß zeigt, daß Motive, die in Nordeuropa auf das engste miteinander verbunden sind, auch im Mittelmeerraum immer wieder zusammen auftauchen. Als letztes und zugleich östlichstes Beispiel des hier behandelten Motivkomplexes seien abschließend die Sirenen angesprochen.90 Weite Bekanntheit genießen diese Gestalten heute nur noch durch ihren mißglückten sängerischen Versuch, Odysseus zu ihrer Insel zu locken (Odyssee XII,39–55, 158–200; XXIII,326). Dabei erscheinen die Sirenen bei Homer teils im Plural (Odyssee XII,39, 42, 44, 158, 198; XXIII,326), teils im Dual (XII,52, 167; vgl. XII,185);91 schon in der ältesten literarischen Quelle sind die Sirenen ein Kollektiv von Gestalten, was die spätere Überlieferung beibehält. Weniger bekannt als das erfolglose Sängerstück ist der reich bezeugte sepulkrale Aspekt der Sirenen. Spätestens vom späten 5. und 4. Jh. v. Chr. an erscheinen Sirenendarstellungen in großer Zahl in der attischen Grabkunst.92 Aus dem Attika des 4. Jh. v. Chr. sind acht Statuen und über 80 Reliefs von Sirenen als Teil von Grabmonumenten bekannt.93 Schon ein attischer Pinax aus den Jahren um 590/80 v. Chr. zeigt eine Sirene unter einer aufgebahrten Toten, während um diese die Totenklage abgehalten wird.94 Dieser Aspekt der Sirenen erscheint auch in der literarischen Überlieferung; so leben sie in Platons Kratylos (403D–403E) im Hades. Die der Menge nach dominierende Gattung von Quellen für die Verbindung der Sirenen mit Grab und Tod ist jedoch das ikonographische Material. Dort wird auch der Vogelaspekt der Sirenen am deutlichsten sichtbar, indem die Sirenen als Mischwesen zwischen Frau und Vogel dar-
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Roscher 1896, S. 71–75. Roscher trägt reiches Material zusammen, um zu zeigen, daß die Harpyien und die Sirenen „eine Reihe von charakteristischen Zügen aufweisen, die sich nur aus ihrer ursprünglichen Identificierung [sic] mit den Aasgeiern erklären lassen“: Roscher 1896, S. 68–78, 82–86, Zitat S. 68. Allgemein zu den Harpyien vgl. Sittig 1912; Engelmann 1884–1937; Kahil / Jacquemin 1988. Zu diesen allgemein vgl. Weicker 1909–1915; Zwicker 1929; Buschor 1944; Hofstetter 1990; Hofstetter 1997. Vgl. Hofstetter 1990, S. 13 mit Anm. 12 und 13 (S. 304). Hofstetter 1990, S. 26–28, 151–186 und öfters. Für einen literarischen Niederschlag dieses Grabbrauchs vgl. Anthologia Graeca VII,710. Hofstetter 1990, S. 152 f. Hofstetter 1990, S. 81, 88 f. (A 55).
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gestellt werden.95 Die Entwicklung geht dabei von einer Darstellung als Vogel mit Frauenkopf aus. Im Laufe der Zeit gleitet die Grenze zwischen Frauen- und Vogelkörper immer weiter nach unten und entwickelt sich zu einer Darstellungsweise, bei der eine Sirene als Frau mit Vogelbeinen, Vogelschwanz und großen Schulterflügeln erscheint.96 Sogar der Vogelschwanz kann im Zuge dieser Vermenschlichung des Sirenenbildes verlorengehen.97 Bei Homer sitzen die Sirenen auf einer Insel inmitten der faulenden Reste ihrer Opfer (Odyssee XII,45 f.). Daß sie diese Opfer verschlingen, wird bei Homer nicht erwähnt. Erst die Scholien zur Odyssee berichten ausdrücklich vom Appetit der Sirenen auf Menschenfleisch (Scholion Q zu Odyssee XII,184). Zumindest in späterer Zeit scheint die Vorstellung von menschenfressenden Sirenen jedoch weit verbreitet gewesen zu sein – so weit, daß Plinius es für angebracht hielt, die Existenz von Sirenen in Indien ausdrücklich zurückzuweisen, die ihre Opfer erst mit ihrem Gesang einschläfern und dann zerreißen sollen (Naturalis historia X,136; vgl. ferner etwa Tertullian, Apologeticus 7,5). Kehrt man zur Grabkunst zurück, ragt das Sirenenmonument in Xanthos heraus. Hierbei handelt es sich um ein Pfeilergrab in Lykien in Kleinasien, das im 2. Viertel des 5. Jh. v. Chr. zur Bestattung eines lokalen Dynasten errichtet wurde.98 Dieses Grabmal, das mehr als 8,5 m über dem gewachsenen Fels aufragt, besteht aus einem monolithischen Pfeiler, der von marmornen Reliefplatten und schweren Decksteinen bekrönt wird; die Grabkammer befindet sich in der Spitze des Pfeilers, teilweise hinter den Reliefplatten, teilweise in den Monolithen eingetieft.99 Die Reliefplatten100 zeigen wohl vor allem heroisierte Verstorbene,101 vielleicht teilweise auch Totengötter.102 Im gegenwärtigen Zusammenhang ist in beiden Fällen festzuhalten, daß es sich wohl vor allem um Szenen mit direktem Jenseitsbezug handelt. Die eigentliche Bedeutung dieses Grabmonuments liegt in vier 95
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Männliche Sirenen sind selten, kommen aber vor, vgl. etwa Hofstetter 1990, S. 26; Hofstetter 1997, Bd. 1, S. 1093, 1103. Im Mythos sind Sirenen stets weiblich (Hofstetter 1997, Bd. 1, S. 1093). Vgl. Hofstetter 1997, Bd. 1, S. 1103 f. Vgl. das Stück Hofstetter 1997 Nr. 89b aus hadrianischer Zeit. Hofstetter 1990, S. 243 (O 61); vgl. Gabelmann 1984, S. 43. Allgemein: Zahle 1975; Hofstetter 1990, S. 245–248. Details: Zahle 1975, S. 12–17. Zahle 1975 Tafeln VI–X. Vgl. Gabelmann 1984, S. 40–43; Hofstetter 1990, S. 248. Vgl. Berger (1970, S. 138–142), der für Figuren der Ost- und Westseiten eine Deutung als Hades, Demeter und Persephone vorschlägt.
Keeltisch-mediterrrane Perspektivven auf die altno ordischen Walkkürenvorstellunggen 423
Reliefpplatten an deen Ecken dees Nord- un nd Südfrieses (Fig. 8).1003 Diese und den Armen, zeigen Sirenengesttalten mit Vogelleibern V A Brüstten und Köpfenn von Frauenn.
Fig. 8: Eckkplatte des Noordfrieses des Sirenennmonuments in Xanthos, Lykienn, 2. Viertel ddes 5. Jh. v. Chr.: Einne Sirenengesstalt trägt einen Versttorbenen ins Jeenseits.
Jede voon ihnen träägt – der Darstellung D nach n mit gröößter Vorsiccht, wie kleine Kinder K – einne kleine mennschliche Geestalt mit denn Proportioneen eines Erwachhsenen, die keinerlei k Anzzeichen von Gegenwehr erkennen läßßt. Dem Kontexxt nach handeelt es sich hiier wohl um die Art, wie das auf den übrigen lten traReliefpplatten dargestellte Jenseiits erreicht wird: w Diese Sirenengesta S gen diee Seelen der Verstorbenen V n in ihr Lebeen nach dem m Tod.104 Daßß es sich 103 104
Berger 1970, S. 130 Abb. 146 f.; f Zahle 1975 Tafeln VI, X; Hofstetter 19990 Tafeln 22 f. f Hoffstetter 1990, S. 247 f.; Zahhle 1975, S. 75; 7 Buschor 19944, S. 36–388; Berger 1970, S. 136.
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bei dieeser Funktioon der Sirennen als Seeelengeleiter nicht nur uum eine isolierte lykische Vorstellung V gehandelt hat, h wird vieelleicht durch großgriechische Terrakoottastatuettenn des 4. Jh. v. Chr. naheegelegt, die Sirenen n tragen (Fig.. 9).105 darstelllen, die kleinne menschliche Gestalten
g. 9: Großgrriechische TeerrakottaFig staatuette, 4. Jh. v. v Chr.: Eine Sirenengesstalt trägt einee menschlichee Figur.
Dasselbbe Motiv ersscheint schonn auf Gemmen des 6. Jh.. v. Chr.,106 uund eine Vielzahhl von weiteeren Bildweerken läßt sich in ähnlicchem Sinne deuten, auch wenn w eine sollche Interpreetation nicht notwendigerrweise zwinggend ist. So etw wa im Falle des d oben erw wähnten attisschen Pinax mit der Darrstellung der Sirene unter deem Totenbettt: Vielleicht wird diese Sirene S die Seeele der Verstorrbenen ins Jeenseits tragenn.107 Diee Beziehung der Sirenenn zu Krieg und u Gewalt ist – wie scchon im Falle Vanths V – vorrhanden, abeer bei weitem m nicht so zentral z wie bei den Todesddämoninnen Nordeuropas N s. Die Bezieh hung der Sirrenen zum T Tod geht weit übber den Schllachtentod hinaus. h Denn noch erscheinnen auch Sirrenen in Kriegskkontexten unnd Szenen geewaltsamen Todes. So flliegt eine Sirrene auf einer attischen a Am mphora aus der d Zeit um m 540 v. Chhr. über dem m Streitwagenggespann einees gerüstetenn Kriegers her, der ansscheinend ebben zur
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Hoffstetter 1990, S. S 255 f. (W 20) 2 mit Tafel 31,1; 3 ibid., S. 302; Buschor 1944, S. 35 f. f mit Abb. 26. Hoffstetter 1990, S. S 293–295 (V 33 und V 35), S. 390 Anm. 1131. 1 Zur Frage vgl. miit weiterem Veergleichsmaterial Zahle 19755, S. 75; Buschhor 1944, S. 35 3 f.
Keeltisch-mediterrrane Perspektivven auf die altno ordischen Walkkürenvorstellunggen 425
Schlachht auszieht.1008 Auf einem m korinthischen Skyphos aus der Zeit um 580 v. Chr. rahmen zweei Sirenen deen Zweikamp pf zweier Krrieger.109 Auuf einem m 440–430 v. Chr. flatteert eine Sireene über attischeen Krater auus der Zeit um der sterrbenden Prokris, die ebeen vom tödliichen Speer getroffen zuu Boden fällt, unnd blickt auff die Todesszzene hinab (F Fig. 10).110
Fig. 10: Attischer Kraater, um 440––430 v. Chr.: Tod T der Prokriis mit Sirenenngestalt.
In der Odyssee O verrsuchen die Sirenen, S Ody ysseus zu sicch zu lockenn, indem sie ihm m tieferes Wissen W insbeesondere übeer den trojaanischen Kriieg versprecheen (Odyssee XII, 184–1991; freilich wissen w sie abeer auch alles andere, was sicch auf der Erde ereignet).. Einee besonders wichtige Darstellung D dieser d Szenee befindet ssich auf einem attischen a rottfigurigen Sttamnos aus den d Jahren um u 480 v. Chhr. (Fig. 111 11). Dessen einne Seite zeiggt Odysseuss an den Mast M seines S Schiffes gebundden, seine ruudernden Geffährten und drei Sirenenn, die als Vöögel mit Frauenkköpfen dargeestellt sind. Eine der Sirrenen trägt diie Namensbeeischrift Iμε(ρ) πα – ‘Stimm me des Verlaangens’.112 108
109 110 111 112
Hoffstetter 1990, S. S 93 (A 80; Hofstetter schläg gt für Sirenen in solchen Szeenen eine Deuutung als Vorzzeichen kommeenden Unheilss vor: ibid., S. 113 f.); Buschhor 1944, S. 29 2 Abb. 18 (Buuschor sieht hieer ein Vogelzeichen: ibid., S.. 27 f.). Hoffstetter 1990, S. S 49, 52 (K 64); 6 Payne 193 31, S. 309 (Nr. 950); Hofstettter 1997 Nr. 71. Hoffstetter 1990, S. S 123, 135 f. (A A 182); Busch hor 1944, S. 500 Abb. 37, vgl. S. 27 f. Hoffstetter 1990, S. S 122 (A 178);; Palais de Beaaux-Arts 1982,, S. 119 f. Vgll. Harrison 19008, S. 201 f. miit Abb. 37.
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Fig. 111: Attischer Sttamnos, um 480 v. Chr.: Od dysseus und die d Sirene Ἱμε((ρ)πα.
Rein spprachlich ist zunächst unnklar, um weelche Art vonn Verlangenn es sich hier hanndelt – μερooς bezeichneet in der hom merischen Sprache spezifi fisch das sexuellle Verlangenn, aber in Annbetracht dess weiteren Sprachgebrau S uchs des zeitlichh näherstehennden Herodoot kann diess für den Siirenenstamnoos nicht mehr als a selbstverrständlich anngenommen werden.113 Hier H ist jeddoch die andere Seite dessellben Gefäßes zu berückssichtigen. Doort sind dreii Eroten dargesttellt, die mitt klassischenn Werbegescchenken überr eine Wasseerfläche fliegen.114 Ihre Naamen sind καλς, κ καλ ς, μερoς ‘schön, schöön, Verm daß beeide Szenen sich auf deem Meer abbspielen, langen’’. Bedenkt man, sowohll Eroten als auch Sireneen zu dritt auftreten, a diie Eroten W Werbegeschenke tragen undd der Name eines e der Ero oten im Nameen einer der Sirenen gespieggelt wird, istt die Vermuttung mehr alls naheliegennd, daß diesee beiden Szenenn direkt auf einander bezogen sind und die Erooten zu den Sirenen fliegen, um sie zu umwerben.115 Auch ist sicherlich s geerade sexuellles Ver113
114 115
Vgll. Leumann 19550, S. 313 mit Anm. 90. Diesses chronologiische Problem wird von Webber-Lehmann (1997b, S. 2300 mit Anm. 184) übersehenn, die mit Beruufung auf den homerischen Sprachgebraucch als ‘Stimmee, die sexuelle Begierde B auslööst’ übersetzzt, was unter reein sprachlichen Gesichtspun nkten nicht gereechtfertigt ist. Hoffstetter 1990, S. S 131. Vgll. ibid., auch zuum Stück A 1881; Harrison 19 908, S. 202.
Keltisch-mediterrane Perspektiven auf die altnordischen Walkürenvorstellungen 427
langen gemeint, wenn das Wort μερoς von einem Eroten gebraucht wird; und wenn das Wort auf einer Seite der Vase eine vor allem sexuelle Bedeutung hat, dürfte das auch seine Auffassung auf der anderen Seite beeinflussen. So erscheint es aus ikonographischen Gründen gerechtfertigt, den Sirenennamen ε(ρ)πα als ‘Stimme des sexuellen Verlangens’ zu übersetzen. Dies weist auf einen starken sexuellen Aspekt im Charakter der Sirenen schon für das frühe 5. Jh. v. Chr. hin.116 Dieser Eindruck wird durch eine große Zahl weiterer Zeugnisse erhärtet. Hierher gehört etwa ein bronzener attischer Standspiegel aus der Zeit um 460–450 v. Chr.117 Bei diesem Stück ist die Spiegelscheibe auf einer Statuette der Aphrodite befestigt: Die Statuette ist eine Frauengestalt, die als Attribut eine Taube in der Hand hält, was sie als Aphrodite ausweist. Zwei Tauben verzieren ferner den Rand der Spiegelscheibe, und am Verbindungsstück zwischen Statuette und Spiegelscheibe sind zwei Eroten befestigt, die wie die Tauben zum Gefolge der Aphrodite gehören. Zentral auf dem oberen Rand der Scheibe sitzt eine Sirene und bildet den höchsten Punkt des Standspiegels. Da die übrigen Elemente des Figurenschmucks des Spiegels sämtlich dem Bereich der Aphrodite entstammen, weist diese dominante Anbringung der Sirene wohl auch diese dem Gefolge der Liebesgöttin zu.118 Auf einer attischen Bandschale flankieren zwei Sirenen schon um 540 v. Chr. ein kopulierendes Paar zwischen zwei nackten Tänzern.119 Selbst zum Akteur expliziter sexueller Aktivität werden Sirenen spätestens in der römischen Zeit: Auf einem späthadrianischen Relief läßt sich eine Sirene auf dem erigierten Glied eines Silens nieder.120 Faßt man das zu den Sirenen Gesagte somit kurz zusammen, so erscheinen sie als eine Gruppe von Vogel-Frau-Mischwesen mit einer ausgeprägten Beziehung zum Tod in verschiedenen Formen, einschließlich der kriegerischen, von betont sexuellem Charakter und mit einem Appetit auf Menschenfleisch; zugleich fungieren sie als Seelengeleiterinnen. Sie zeigen somit Charakteristika, die ganz den Leitmotiven entsprechen, denen dieser 116
117 118 119 120
Dieser frühe textlich-ikonographische Beleg der sexuellen Seite der Sirenen ist insbesondere wichtig, weil die spätere textliche Überlieferung ab der hellenistischen Zeit die Vorstellung kennt, die Sirenen hätten die Jungfräulichkeit gewählt und würden daher von Aphrodite gehasst; Hauptbeleg sind die Scholia H.Q.T. und V. zur Odyssee XII,39. Diese Vorstellung ist allerdings sowohl spät als auch selten, während die Ikonographie den sexuellen Aspekt der Sirenen früh und häufig bezeugt. Hofstetter 1990, S. 145 (A 199); Delivorrias et al. 1984 Nr. 118. Vgl. Hofstetter 1990, S. 149, 150 f. Hofstetter 1990, S. 98 (A 117) und Tafel 13,3. Hofstetter 1997 Nr. 89b.
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kurze Überblick über einige Todesdämoninnen des frühen Europa nachgegangen war: Dem Charakter der Dämoninnen als Kollektiv, ihrer Beziehung zum Tod, zu Vögeln und zum Motiv des Verschlingens von Leichen, ihrer Funktion beim Übergang des Toten ins Jenseits, ihrer Beziehung zu Krieg und Gewalt und ihrer Sexualität. Insgesamt läßt sich das bisher Gesagte in einem kurzen tabellarischen Abriß etwa folgendermaßen zusammenfassen: DIE WALKÜREN
DIE BODBS
KELTIBERISCHE GEIER
VANTH
X
X
–
X
X
X
X
X
TOD
Wählerinnen der Schlachtentoten
Freude über Massaker
verschlingen gefallene Helden
Erscheinen in Szenen des Todes
VÖGEL
Schwan, Krähe
Nebelkrähe
Geier
geflügelt
VERSCHLINGEN
?vgl. Brynhilds Quälen der Toten
rot-schnäbelig; Schädel als Mast
verschlingen gefallene Helden
–
weisen die Gefallenen nach Walhall
–
tragen durch Verschlingen zum Himmel
Geleit des Toten ins Jenseits
entscheiden über den Sieg
Eingreifen ins Kriegsgeschehen
Ritual auf Kriegshelden beschränkt
in Szenen von Gewalt und Tod
Beziehung zu Helden; Tod als Hochzeit
Beziehung zu Helden
–
Nacktheit; Zurschaustellung der Scham
WEIBLICHER DÄMON KOLLEKTIVCHARAKTER
ÜBERGANG DES TOTEN INS JENSEITS
KRIEG UND GEWALT
BETONTE SEXUALITÄT
Die Häufigkeit der Wiederkehr von Varianten dieser immer wieder gleichen Motive scheint auffällig. Ihre Verbindung taucht im Bereich der klassischen Kulturen des Mittelmeerraums in mehreren Gestalten in unterschiedlicher Vollständigkeit auf.
Keltisch-mediterrane Perspektiven auf die altnordischen Walkürenvorstellungen 429
Furien, Keren, Erinyen, Harpyien, Sirenen und die etruskische Totengeleiterin Vanth ähneln sich in ihrem Aspekt als Todesdämoninnen und einer Vielzahl von immer wieder hiermit in unterschiedlichen Varianten kombinierten Motiven so sehr, daß es nicht verwundert, wenn die antike Überlieferung selbst die Trennung zwischen diese Figuren nicht immer konsequent durchführt.121
DIE FURIEN
DIE KEREN
DIE ERINYEN
DIE HARPYIEN
DIE SIRENEN
X
X
X
X
(selten männlich)
X
X
X
X
X
Torhüter des Tartarus
Synonym für Verderben
Wesen der Unterwelt
geflügelt
?vgl.: fliegen
geflügelt
geflügelt
Vogel-FrauMischwesen
–
trinken das Blut der Gefallenen
trinken das Blut ihrer Opfer
?vgl. ihren Hunger in der Äneis
verschlingen ihre Opfer
schleppen zum Hades
schleppen zum Hades; verschleppen führen Seein die Unlen zur Beterwelt strafung
am Tor zum Tartarus
Anstacheln Erscheinen in von BlutverSchlachtenszenen gießen
–
121
–
verschleppen Aufenthalt im Hades; in die Unin der Sepulkralkunst terwelt
tragen Seelen ins Jenseits
in späterer Literatur auf dem Schlachtfeld
–
beim Auszug zum Kampf; Kunde vom trojanischen Krieg
–
–
„Sehnsuchtsstimme“; Verbindung mit Aphrodite
Vgl. Rapp 1884–1886, Sp. 1311; Crusius 1884–1894, Sp. 1162 f.; Waser 1910, bes. Sp. 314; Wüst 1956, Sp. 88 f.; Roscher 1896, S. 70. So bezeichnet sich die Harpyie Celaeno in Vergil, Äneis III, 252 selbst als Furiarum maxima.
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Daß diese Ähnlichkeiten von Gestalten innerhalb der klassischen Mittelmeerwelt und ihres engsten Einflußbereichs in Etrurien nicht auf bloßem Zufall beruhen werden, sollte keiner weiteren Diskussion bedürfen.122 Eine ganz andere Frage ist jedoch, wie es zu beurteilen ist, daß dieselben Motive auch in Verbindung mit den Walküren und den Schlachtfeld- und Todesdämoninnen Irlands erscheinen. Um die Frage zu bewerten, ob hier ein historischer Zusammenhang bestehen könnte, wurden am Anfang des Artikels einige methodische Maßstäbe vorgeschlagen: (1) Um auf einen historischen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Belegen hinzuweisen, sollte eine Motivverbindung eine signifikante Komplexität aufweisen. Bei der vorliegenden Verbindung der Motive der weiblichen Dämonin, ihres Kollektivcharakters, ihrer Beziehung zum Tod, zu Vögeln, dem Verschlingen der Toten, dem Übergang des Toten ins Jenseits, zu Krieg und Gewalt und einer betonten Sexualität scheint diese Forderung erfüllt. (2) Ferner müssen historische Kontakte zwischen den jeweiligen Kulturräumen auch anderweitig bezeugt sein, um eine gangbare Theorie zur Vermittlung der Motivverbindung zu ermöglichen. Im Falle eines Motivkomplexes, der sich von der Ägäis bis nach Skandinavien zu erstrecken scheint, ist hier in der neuesten Forschung etwa auf die Theorien von Kristiansen und Larsson zur nordischen Bronzezeit hinzuweisen. Kristiansen und Larsson haben einen Versuch unternommen, die nordische Bronzezeit als eine Epoche zu charakterisieren, in deren Zentrum eine Hochschätzung von Reisen als Basis für den Erwerb von Metallen, Wissen und damit Prestige durch eine Kriegeraristokratie steht. Dies habe direkten Kontakt zwischen den skandinavischen Eliten und dem Ostmittelmeerraum einschließlich entsprechender Einflüsse beinhaltet.123 In der archäologischen Forschung wurde dieser Ansatz unterschiedlich und mitunter sehr kritisch aufgenommen;124 für den textbasiert arbeitenden Forscher wird es von Interesse sein, das langfristige Ergebnis der archäologischen Debatte abzuwarten. Mögliche Beispiele für nordisch-ägäische Kontakte während der Bronzezeit werden schon seit längerem diskutiert; so ist hier an das Grab von Kivik in Schweden zu erinnern, dessen Ikonographie möglicher122 123 124
Vgl. Waser 1910, passim. Kristiansen / Larsson 2005. Für Besprechungen vgl. Harding 2006; Vander Linden 2007; Nordquist / Whittaker 2007 (wozu vgl. die Antwort von Kristiansen / Larsson 2007); Jones-Bley (2006) hat sich zum Buch aus einer indogermanistischen Perspektive mit berechtigter Kritik – aber insgesamt positiv – geäußert.
Keltisch-mediterrane Perspektiven auf die altnordischen Walkürenvorstellungen 431
weise auf Kontakte mit dem ägäischen Raum hinweist.125 In eine ähnliche Richtung weist möglicherweise das Vorkommen von baltischem Bernstein in mykenischen Schachtgräbern, auch wenn im Detail unsicher bleibt, auf welche Weise dieser Bernstein die Ägäis erreicht hat.126 Die Möglichkeit einer Vermittlung eines religionsgeschichtlichen Motivkomplexes zwischen Skandinavien und der Ägäis scheint somit nicht grundsätzlich problematisch. (3) Falls eine motivgeschichtliche Abhängigkeit in der heidnischen Zeit verortet und als tatsächlich religionsgeschichtliche – und nicht nur literarische – Abhängigkeit interpretiert werden soll, sollte der fragliche Motivkomplex bereits in den frühesten aussagekräftigen Quellen belegt sein. Insgesamt ist dies weitgehend der Fall. Wenn nicht jeder einzelne Punkt des Motivkomplexes in jedem der betrachteten Kulturbereiche schon in den frühesten Zeugnissen erscheint, läßt sich dies leicht mit den Zufällen der Überlieferung erklären, verdient aber eine weitere Besprechung, die im Folgenden für das Beispiel der nur spät bezeugten Vogelerscheinung der Walküren versucht werden soll. (4) Falls die Belege in einem geographischen Kontinuum verteilt wären, würde dies die Annahme eines historischen Zusammenhangs unterstützen, da sich dann eine ungebrochene Kette von Entlehnungen zwischen benachbarten Gebieten annehmen ließe. Im vorliegenden Fall finden sich die besten Zeugnisse für den betrachteten Typus von Todesdämoninnen in Skandinavien, Irland, Etrurien und dem griechischen Kulturraum zuzüglich Lykien. Eine Beleglücke besteht also nur für Kontinentaleuropa nördlich der Alpen. Auch dort finden sich jedoch Andeutungen für mögliche Entsprechungen zu den irischen Schlachtfeld- und Todesdämoninnen in Weiheinschriften, was sich vielleicht durch Überlegungen zum keltiberischen Bestattungsritual ergänzen läßt. Damit ist zwar über ganz unsichere Möglichkeiten nicht hinauszukommen, aber dies gilt für diesen Bereich der Religionsgeschichte grundsätzlich. Die Bereiche, in denen für den hier betrachteten Typus von Todesdämoninnen keine eindeutigen Belege vorliegen, sind nicht willkürlich verteilt, sondern entsprechen den Regionen, für die allgemein nur äußerst beschränktes religionsgeschichtliches Quellenmaterial zur Verfügung steht. Dasselbe gilt für die zeitliche Verteilung der Belege. Während die Quellen für den Mittelmeerraum aus der Antike stammen, setzen die Quellen für Nordeuropa im Frühmittelalter ein. In 125 126
Müller-Karpe 1980, S. 700; Randsborg 1993, S. 108, 112–117, 126–131, 136–139; Kristiansen / Larsson 2005, S. 186–199 et passim. Hughes-Brock 1985, S. 257–259.
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absoluten Jahreszahlen gemessen liegt eine erhebliche Zeitspanne zwischen den südlichen und nördlichen Zeugnissen. Betrachtet man das Alter der Zeugnisse jedoch im Verhältnis zum Beginn einer aussagekräftigen Überlieferung in den jeweiligen Regionen, rücken sie deutlich näher zusammen: Denn die nördlichen wie die mediterranen Belege stehen jeweils am Beginn der Überlieferung in den jeweiligen Kulturbereichen. Insgesamt scheint daher als eine Arbeitshypothese die Schlußfolgerung legitim, daß die Walküren und die Schlachtfeld- und Todesdämoninnen Irlands mit einiger Wahrscheinlichkeit mit den Todesdämoninnen der Mittelmeerwelt historisch verbunden sein könnten. Damit scheint es an der Zeit, in den Norden zurückzukehren und die Frage zu stellen, was ein solcher Befund für die Interpretation des eigentlichen skandinavischen Materials bedeuten könnte. Die folgenden Überlegungen sind dabei weitgehend unabhängig davon, ob man die These eines historischen Zusammenhangs zwischen den Walküren und den irischen und mediterranen Todesdämoninnen akzeptiert. Denn in Anbetracht der erheblichen Motivähnlichkeiten zwischen diesen Gestalten scheint es möglich, sie in jedem Fall für einen typologischen Vergleich mit den Walküren heranzuziehen. Die erste und allgemeinste Konsequenz der hier versuchten Zugangsweise ist eine Neudefinition des ‘Kontextes’ der altnordischen Walkürenvorstellungen. Die Walküren sind als Mitglieder seines Gefolges mit Odin verbunden, erscheinen als Figuren der Heldensage und in Walhall als Teile der Mythologie des Jenseits. Sie sind somit in eine Vielzahl von Kontexten innerhalb der altnordischen Literatur- und Religionsgeschichte eingebunden. Dazu treten unstrittig die wenigen angelsächsischen Belege, sowie vielleicht noch die idisi des Ersten Merseburger Zauberspruchs.127 Damit ist aber schon erschöpft, was für gewöhnlich als der ‘Kontext’ der Walküren gilt; denn üblicherweise scheint nicht-germanisches Material für die Betrachtung dieser Figuren als irrelevant zu gelten. Explizit wurde diese Haltung von Golther zum Ausdruck gebracht, der am Anfang seiner Besprechung des Walkürenmythos eine Reihe von ‘indogermanischen’ Parallelen zu den Walküren anführt – einschließlich der auch hier angesprochenen griechischen Keren und der etruskischen und irischen Todesdämoninnen – um dann zu schlußfolgern: an verschiedenen orten also treffen wir unter den indogermanischen völkern auf die vorstellung von weiblichen kampfgottheiten, die am geschicke der krieger tätigen anteil nehmen; die sagen sind von einander unabhängig und es ist kein 127
Vgl. de Vries 1956, § 193 mit Anm. 2 (S. 273).
Keltisch-mediterrane Perspektiven auf die altnordischen Walkürenvorstellungen 433
grund vorhanden, ihre selbständige entstehung und ausbildung irgendwo in zweifel zu ziehen.128
Diese Behauptung erlaubt es Golther, im Folgenden die Walküren ganz ohne Rücksicht auf religionsgeschichtliche Wahrscheinlichkeiten zu behandeln. Was Golther hier offen und ausdrücklich zum Programm erklärt, wurde später oft in der Praxis fortgeführt, ohne auch nur die Existenz der schon von Golther bemerkten Parallelen anzuerkennen.129 Die detaillierte
128 129
Golther 1890, S. 403 f., Zitat S. 404. Ausgenommen hiervon ist natürlich die schon eingangs erwähnte Debatte über den historischen Zusammenhang zwischen den Walküren und den irischen Schlachtfeld- und Todesdämoninnen, die jedoch fast ausschließlich in der Keltologie geführt wurde. Ferner wurden keltische Einflüsse auf Walkürenvorstellungen auch in der Diskussion des Darraðarljóð angenommen (Krappe 1928; Goedheer 1938, S. 74–87). Die hier von Krappe postulierten ‘Parallelen’ zwischen irischen Motiven und dem Darraðarljóð sind jedoch gänzlich unspezifisch, und eine ähnliche Zugangsweise verbindet sich bei Goedheer mit einer durchaus problematischen Deutung der Fedelm-Episode der Táin Bó Cúailnge (hg. von O’Rahilly 1967, Z. 183– 275, und O’Rahilly 1976, Z. 29–113), auf die hier im Detail einzugehen jedoch zu weit führen würde und auf die ich an anderer Stelle zurückzukommen gedenke. Die zweite Rezension der Táin (O’Rahilly 1967) enthält dort in Verbindung mit der Seherin Fedelm ein Webemotiv, das Goedheer mit dem Weben der Walküren des Darraðarljóð verbindet. Dies ist bestenfalls keineswegs zwingend, da dieses Webemotiv erst in dieser späteren Fassung der Táin erscheint. Zeitlich steht dem Darraðarljóð jedoch die erste Rezension (O’Rahilly 1976) näher. Dort erscheint das Webemotiv nur insofern, als Fedelm ein claideb corthaire in der Hand hält. Über diesen Gegenstand läßt sich mit einiger Sicherheit nur sagen, daß es sich um ein Webwerkzeug handelt, dessen genaue Natur uns nicht mehr greifbar ist (abgesehen von dieser Stelle erscheint es nur noch einmal mit einer nichtssagenden Glosse in einer Liste von v. a. Web- und Spinnwerkzeugen in einem Gesetzestext, Corpus Iuris Hibernici [Binchy 1978] 379.7=Ancient Laws of Ireland, S. 150). Das claideb corthaire scheint an dieser Stelle einen gewissen Symbolwert zu besitzen; auch dieser entzieht sich uns jedoch im Detail. Jedenfalls webt Fedelm nicht. Das Weben wird erst in der Fassung dieser Stelle in der späteren zweiten Rezension eingeführt. Der Wortwahl nach zu urteilen, scheint es dort einem Versuch des mittelirischen Redaktors zu entspringen, der anscheinend schon zu seiner Zeit unverständlichen Stelle der ersten Rezension einen Sinn abzugewinnen. Das Webemotiv im Darraðarljóð aus dem Irischen abzuleiten hat also mit dem Problem zu kämpfen, daß es dort keineswegs sicher bezeugt ist – ganz abgesehen davon, daß es sich auch gänzlich innerhalb der Bilderwelt der altnordischen Dichtung verstehen läßt (vgl. von See 1959). Ferner hängt Goedheers These wesentlich von seiner Verbindung der Seherin Fedelm mit der Bodb/Morrígan ab, die in Irland aber nirgends assoziiert erscheinen. Die Bodb/Morrígan kann als Prophetin auftreten – vgl. Cath Maige Tuired §§ 166 f. (hg. von Gray 1982) – aber dies gilt auch für andere weibliche Figuren, und keine von diesen webt. – Der kuriose Versuch von Krappe
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Betrachtung der Enge der Parallelen zwischen den Walküren und anderen Todesdämoninnen des frühen Europa legt jedoch eine andere Zugangsweise nahe. Die Walküren scheinen die spezifisch nordische Variante eines pan-europäischen Komplexes zu sein. Das äußerst bruchstückhafte und teilweise erst weit in der christlichen Zeit verfaßte Quellenmaterial zu den Walküren läßt in vielen Aspekten eine große Zahl möglicher Interpretationen zu. Die Entscheidung zwischen solchen konkurrierenden Deutungsmöglichkeiten sollte das europäische Gesamtbild berücksichtigen, um die Wahrscheinlichkeit dieser oder jener Deutung auf einer breiteren Grundlage beurteilen zu können. Ein Beispiel für solche konkurrierende Deutungsmöglichkeiten ist die Frage nach dem Hintergrund des Schenkenamts der Walküren in Walhall. Nach den Eiríksmál 1, Grímnismál 36 und Gylfaginning 36 (S. 30) schenken die Walküren in Walhall den Einherjern und Odin Bier und Wein aus. Diese Assoziation zwischen Walküren und dem Ausschenken von Trünken wird vielleicht auch dadurch unterstrichen, daß das Motiv in den Sigrdrífomál wiederkehrt, wo die eben von Sigurd aus ihrem Zauberschlaf aufgeweckte Walküre Sigrdrífa dem Sigurd einen Trunk reicht (Prosa nach Strophe 2) – was in Anbetracht der Situation nicht unmittelbar einleuchtet, da nicht klar ist, wie die eben aus ihrem Zauberschlaf Erwachte ein Trinkhorn zur Hand haben kann. In jüngster Zeit hat nun Zimmermann eine originelle Interpretation dieses Schenkenamts der Walküren in Walhall vorgelegt. Sie betont die Verankerung des Motivs des Ausschenkens von Trünken in den nordischen Jenseitsvorstellungen, indem sie darauf hinweist, daß auch anderswo im Bereich der Jenseitsvorstellungen Trünke vorkommen, die dabei mitunter mit übernatürlichen Frauengestalten in Verbindung stehen. So in Baldrs draumar 7, wo das Bereitstellen von Getränken unter den Vorbereitungen vorkommt, die für Balders Ankunft in der Hel getroffen werden. In den Atlamál 28 wird ein Tod durch eine Traumerscheinung von Frauen angekündigt, die den todgeweihten Mann ‘zu ihren Bänken bitten’; Zimmermann deutet dies als eine Einladung dazu, bewirtet zu werden. Ähnlich deutet sie Freyja auf der Basis von Grímnismál 14 und Skáldskaparmál 17 130 als die Herrin eines eigenen Totenreiches, in dem sie die toten Krieger empfängt und bewirtet. Daraus schließt Zimmermann, daß es sich beim Trankspenden mythischer Frauenfiguren im Jenseits also um ein weiter verbreitetes Motiv zu handeln [scheint], das kaum ausschließlich auf die
130
(1926), die Walküren mit den Dioskuren zu verbinden, ist wohl nur noch von wissenschaftsgeschichtlichem Interesse. Faulkes 1998, S. 20 Z. 35 f. und S. 21 Z. 2 f.
Keltisch-mediterrane Perspektiven auf die altnordischen Walkürenvorstellungen 435
Funktion weltlicher Frauen bei der Trinkzeremonie in der Halle zurückzuführen ist.131 131
Zimmermann 2006, S. 47–50 (Zitat S. 50), wo sie auch auf die Möglichkeit und die Grenzen einer auf Enright 1996 aufbauenden Zugangsweise sowie die Deutung von Nordberg 2003 eingeht. – Für das Ausschenken von Getränken durch übernatürliche Frauen in einem Kontext des Todes existieren reiche mögliche ikonographische Belege. Zimmermann (2006, S. 50 f.) verweist auf Darstellungen gotländischer Bildsteine, auf denen eine Frau mit einem Trinkhorn zu einem Reiter tritt; hier mag eine Walküre dargestellt sein, die einen Toten begrüßt, der zu Pferde in Walhall ankommt. Eine Zusammenstellung von Belegen des Motivs auf gotländischen Bildssteinen findet sich bei Nylén / Lamm (1988, S. 68–73). Schon Helm (1913, S. 212 f. mit Abb. 37) sah in diesen Reitern Darstellungen des im Jenseits ankommenden Toten und lehnte eine Deutung als Odin wegen der Anbringung auf einem Grabstein ab; für noch ältere Literatur siehe dort. Ebenso deuten den Reiter etwa Nylén / Lamm (1988, S. 14); Steinsland (1991, S. 426) denkt an Odin oder den Toten auf Odins Pferd. Lindqvist (1941, S. 96–98) sah in den horntragenden Frauen Walküren und nahm einen Einfluß der klassischen Victoria-Ikonographie an. Für die Deutung dieser Darstellungen auf den Bildsteinen als Walküren vgl. auch etwa Ellis Davidson 1988, S. 92; Graham-Campbell 1980 Nr. 480 („perhaps to be identified with a valkyrie“). Ganz ähnliche Frauengestalten mit Trinkhörnern/Bechern finden sich auch als Anhänger, etwa Graham-Campbell 1980 Nr. 517 (Bronze, keine Datierung) oder ibid., Nr. 518 (Silber, aus einem Hort des späten 9./10. Jh.); zur Deutung vergleicht Graham-Campbell jeweils die üblicherweise als Walküren interpretierten Frauen auf den gotländischen Steinen. Die Deutung der Frauen auf den Bildsteinen, den Anhängern und einer Anzahl weiterer Bildwerke als Walküren wurde von Price (2003, S. 336 f.) unter Vorbehalt akzeptiert. Orchard (1997, S. 172) referiert die Deutung der Anhänger als Walküren ohne eigene Stellungnahme, ebenso Lindow 2001, S. 96 („believed to represent valkyries or dísir“). Ob die kontextlosen Darstellungen von Frauen mit Trinkgefäßen auf Anhängern jedoch mit irgendwelcher Sicherheit mit Walküren in Verbindung gebracht werden können, scheint mir in Anbetracht eines silbernen Toilettengegenstandes aus Birka aus dem späten 9./10. Jh. fraglich (Graham-Campbell 1980 Nr. 176). Graham-Campbell deutet den Gegenstand plausibel als Ohrlöffel und weist selbst auf die Ähnlichkeit einer auf seinem Griff dargestellten Frau mit Trinkhorn zu den Darstellungen auf den Steinen und den Anhängern hin (siehe seinen Kommentar zu Nr. 176, 517). Dies läßt es als fraglich erscheinen, ob insbesondere die Anhänger als Walküren gedeutet werden dürfen. Auf einem Ohrlöffel mag eine Schankmaid als Verzierung angebracht sein, aber eine Walküre scheint hier fehl am Platz; und wenn eine solche Frau auf dem Ohrlöffel nicht als Walküre gedeutet wird, besteht für die ikonographisch gleiche Gestalt als Anhänger dazu zunächst ebenfalls wenig Anlaß. Ferner weist Zimmermann darauf hin, daß die von ihr zusammengestellten Parallelen zu den Walküren als Trankspenderinnen im Jenseits zeigen, daß der Schluß nicht gerechtfertigt ist, daß es sich bei einer jenseitigen Trankspenderin notwendigerweise um eine Walküre handelt, auch wenn die Figur als jenseitige Trankspenderin akzeptiert wird (Zimmermann 2006, S. 50 f.: „Die gotländischen Bildsteine können also lediglich als Zeugnisse für die Verbreitung der Vorstellung von Trankspenderinnen im Jenseits dienen, nicht als Zeugnis für
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Statt dessen zieht sie zur Deutung des Trankspendens im Jenseits heran, daß Odin nach der Gylfaginning 38 (S. 32) und den Grímnismál 19 auf ewig nur von Wein lebt. Auf dieser Grundlage deutet sie das von den jenseitigen Frauengestalten ausgeschenkte Getränk als Unsterblichkeitstrank. Hier hält sie es auch für wichtig, daß die Einherjer „wahrscheinlich nicht als Tote aufgefaßt wurden“, da in der Gylfaginning 52 (S. 53) erwähnt wird, daß sie nach dem Weltenbrand tot sind; sie müßten zuvor also gelebt haben.132 Der letztgenannte Grund ist nicht sehr tragfähig, da Tote in der altnordischen Literatur auch sonst sterben können; so kann man aus der Hel in die Niflhel hinaussterben,133 und der eigentlich ebenfalls schon tote Wiedergänger im Grabhügel kann nochmals getötet werden (wie in der Egils saga einhenda, Kap. 7,14). Ferner berichtet Gylfaginning 20 (S. 21) ausdrücklich, daß die Einherjer die im Kampf Gefallenen sind, denen Odin Walhall oder Vingolf als Wohnsitz anweist. Andererseits ist jedoch zu bedenken, daß schon Neckel gezeigt hat, daß die Einherjer anderswo nicht nur die Toten des Schlachtfeldes sind, sondern die Gefolgschaft Odins im Ganzen, daß der Begriff auch die Götter miteinschließt, und daß auch Einherjer, die ursprünglich Menschen waren, teilweise weniger als Tote denn als Ungestorbene erscheinen.134 Somit ist diese Spekulation Zimmermanns nicht ganz auszuschließen; aber da die Unsterblichkeit der Götter an den von Zimmermann angeführten Stellen nicht ausdrücklich und auch sonst
132 133 134
die Walkürenvorstellung.“). Frauen mit Trinkhörnern ähnlich den Darstellungen auf den Bildsteinen und den Anhängern kommen auch auf Goldgubbern vor: Watt 2002, S. 87 f., 89. Auf Goldbrakteaten kommen keine Darstellungen von Frauen vor, die als Walküren anzusprechen sind; vgl. die zusammenfassende Besprechung der Frauendarstellungen auf Brakteaten von Pesch 2002. Allerdings finden sich dort Darstellungen aus dem 4. und 5. Jh., die als Empfang eines Toten – des Gottes Balder – in der Unterwelt durch eine Totengöttin gedeutet werden könnten: Pesch 2002, S. 63–70, vgl. dort besonders Anm. 99. Simek (2002, S. 97) zieht mit Bezug auf Pesch 2002 jedoch in Zweifel, ob auf Brakteaten überhaupt Frauen dargestellt sind. Simek lehnt ferner die Deutung der Frauen mit Horn auf Goldgubbern und Schmuckstücken als Walküren ab und zweifelt diese Deutung für die gotländischen Bildsteine an; statt dessen schlägt er, von den Goldgubbern ausgehend, eine Deutung als Disen vor: Simek 2002, S. 109–118. Insgesamt ist die Deutung bildlicher Darstellungen von Frauen mit Trinkgefäßen als Walküren nicht mehr als eine Möglichkeit, und die so gedeuteten Darstellungen verraten uns nichts über den Charakter dieser Gestalten, das uns nicht schon aus der Literatur bekannt ist. Die ikonographischen Zeugnisse wären also vor allem in chronolgischer Hinsicht relevant, da sie älter sind als die textlichen Zeugnisse. Zimmermann 2006, S. 51 f. Vafþrúðnismál 43; de Vries 1957, § 581. Neckel 1913, S. 65–73.
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nirgends mit dem Trinken eines Unsterblichkeitstranks verbunden wird, scheint der Vorschlag dennoch kaum zwingend. Eine Abhängigkeit der Unsterblichkeit Odins und der Einherjer vom Trunk zu postulieren, den die Walküren ausschenken, ist um so problematischer, als die Unsterblichkeit der Götter von den Äpfeln Iduns abhängig gedacht wird,135 soweit die Überlieferung auf diese Frage überhaupt eingeht. Zwar stehen auch in der griechischen Mythologie Nektar und Ambrosia als Speisen der Götter nebeneinander, so daß sich auch im nordischen Bereich die Vorstellungen von Lebensäpfeln und Unsterblichkeitstrank nicht gegenseitig ausschließen müssen, aber für ein solches Nebeneinander gibt es im Norden keine Belege. Neckel hatte das Schenkenamt der Walküren in Walhall in seiner klassischen Abhandlung über das Kriegerjenseits in einen gänzlich anderen Zusammenhang gestellt: Er sah es in einem amourösen Kontext.136 Neckel sieht den Ausgangspunkt dieses Schenkenamts darin, daß die Liebende dem Geliebten einen Willkommenstrunk bereitet. Zum Vergleich mag man, abgesehen von den von Neckel beigebrachten Stellen, etwa eine Passage in der Ynglinga saga 37 (S. 41) heranziehen, auf die schon Frauer in seiner Abhandlung über die Walküren hingewiesen hatte:137 Dort kommt der Wikingerführer HjÄrvarðr zu einem Fest zu König Granmarr, und König Granmarr weist seine Tochter an, den Wikingern das Bier aufzutragen. Die Königstochter geht mit dem Silberbecher zu König HjÄrvarðr, spricht einen feierlichen Trinkspruch, leert den Becher zur Hälfte und reicht ihn dem König; danach trinken die beiden zusammen.138 Die mögliche amouröse Seite einer solchen Handlung zeigt sich darin, daß der Wikingerführer HjÄrvarðr am nächsten Tag um die Hand der Königstochter anhält und sie auch bekommt. Die Ynglinga saga bezeugt hier also eine zumindest mögliche Assoziation zwischen dem Ausschenken berauschender Getränke durch eine Frau von hohem Rang und einem darauf folgenden Liebesverhältnis. Aber nicht nur die Handlung des Ausschenkens von berauschenden Getränken kann sexuell konnotiert sein, sondern derselbe Zug findet sich auch im Charakter der Walküren, wofür in der Besprechung der Walküren im ersten Teil dieses Artikels Beispiele beigebracht worden waren, wie die häufigen Liebesverhältnisse zwischen Walküren und Helden oder die Beschimp135 136 137 138
Simek 1993, S. 18, 171 f.; de Vries 1957, § 559. Neckel 1913, S. 87 f. Frauer 1846, S. 45 f.; Zimmermann 2006, S. 47 f. Außerhalb des unmittelbaren nordischen Bereichs mag man auch an Königin Wealhtheow denken, die Beowulf feierlich den Trunk reicht, und die Damico in Parallele zu verschiedenen Walküren sieht: Damico 1984, S. 3–105, bes. S. 3 f., 18 f., 53 f.
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fungen in der Helgaqviða Hundingsbana in fyrri 38, in denen die Walküre als sprichwörtliche streitstiftende Verführerin mit zweifelhafter Sexualmoral erscheint. Neckels Vorschlag einer amourösen Deutung des Schenkenamts der Walküren bietet somit eine zwar alte, aber nichtsdestoweniger durchaus mögliche Lösung für die Frage, wie die Walküren dazu kommen, den Einherjern das Bier auszuschenken. Zimmermann will in dem von den Walküren ausgeschenkten Trunk einen Unsterblichkeitstrank sehen, der aber so nirgends belegt ist und von ihr erst auf dünner Datenbasis rekonstruiert werden muß, während Neckel ohne die Notwendigkeit einer solchen spekulativen Rekonstruktion als Zwischenschritt auskommt. Zwar kann Zimmermann auf eine Reihe von Parallelen zum Ausschenken von Getränken durch jenseitige Frauengestalten hinweisen; aber auch in den von Zimmermann angeführten Belegen für einen von einer jenseitigen Frau ausgeschenkten Trank liegen amouröse Konnotationen nirgends fern: Der Empfang des toten Balder durch Hel in Baldrs draumar kann in diesem Zusammenhang vielleicht vor dem Hintergrund des Auftretens Hels im Ynglingatal, den Gesta Danorum und der Fóstbrœðra saga gesehen werden. Denn im Ynglingatal erscheint das Motiv einer Liebesbeziehung zwischen dem Toten und einer jenseitigen Frauengestalt nicht in Verbindung mit Walküren, sondern als eine Liebesbeziehung zwischen dem Toten und Hel: In Ynglingatal 7 hat die Totengöttin139 den Leichnam (hrør) des toten Königs Dyggvi zu ihrem ‘Vergnügen’ (gaman), wobei der verwendete Begriff stark sexuell konnotiert ist.140 Auch die Umschreibung des Todes von König Hálfdan in Ynglingatal 32 benutzt eine sexuell aufgeladene Formulierung für die Darstellung der Beziehung zwischen dem Toten und Hel.141 Dasselbe Bild vom Verhältnis zwischen Hel und dem Toten zeichnet Saxo: Nachdem Balderus schwer verwundet worden ist, erscheint ihm Proserpina im Traum und erklärt ihm, daß sie binnen drei 139 140
141
Vgl. Ström 1954, S. 41 f. und Turville-Petre 1964, S. 56, 226 zu Glitnis gnÓ und jódís als Bezeichnungen der Totengöttin an dieser Stelle. Vgl. Steinsland 1992, S. 323; Ström (1954, S. 74) verbindet diese Stelle mit den Walküren der Krákumál und der Hákonarmál. Zu den starken sexuellen Konnotationen von gaman vgl. Kuhn 1968, s.v. gaman: „1. freude [...]. Insbes.: freude durch geschlechtlichen umgang mit einer frau od. dieser umgang selbst“, für die eddischen Belegstellen siehe dort. Der sexuelle Aspekt wurde schon von Ström (1954, S. 42) hervorgehoben. Dort bittet Hel (Hveðrungs Tochter = Lokis Tochter = Hel, vgl. Simek 1993, S. 166; Noreen 1925, S. 249) den König bei seinem Tod ‘zum þing’; das þing läßt sich als ‘Rendezvous’ deuten (Cleasby / Vigfusson, s.v. þing B3) und wurde auch öfters so aufgefaßt: Finnur Jónsson 1912, B, S. 13 (er übersetzt ‘elskovsmøde’); Noreen 1925, S. 209, 249; Steinsland 1992, S. 323.
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Tagen seine Umarmung genießen werde, post triduum se eius complexu usuram denuntiat – und wie vorhergesagt stirbt Balderus nach drei Tagen an seinen Wunden (Gesta Danorum III,iii,7). Das von Saxo gebrauchte Wort complexus bezeichnet wiederum oft geschlechtlichen Verkehr.142 In der Fóstbrœðra saga 4 wird ein Totschlag mit den Worten angekündigt, daß Hel den Todgeweihten als seine Frau umarmen wird.143 Ein weiteres der Beispiele Zimmermanns sind die Atlamál. In den Atlamál 28 wird der Tod Gunnars in einem Traumgesicht durch das Erscheinen von ‘toten Frauen’ (konor dauðar) augekündigt, die den Todgeweihten ‘zu ihren Bänken bitten’ (byði þér brálliga / til beccia sinna), was Zimmermann als Einladung zur Bewirtung interpretiert. Das Gedicht wird jedoch in der Vǫlsunga saga (S. 94) in Prosa paraphrasiert; dort heißt es an der entsprechenden Stelle, daß die Frauen sich den Todgeweihten zum Mann wählten.144 Dies deutet wiederum deutlich auf einen sexuellen Aspekt der Episode hin. Und wenn Zimmermann Freyja auf der Basis von Grímnismál 14 und Skáldskaparmál 17 145 als Herrin eines eigenen Totenreiches deutet, in dem sie die toten Krieger empfängt und bewirtet, dann ist zu bedenken, daß unter allen Gestalten der nordischen Mythologie die Sexualität und Promiskuität Freyjas wohl am meisten hervorgehoben wird146 – weshalb schon Neckel sie als Beleg für seine Verbindung zwischen Liebe und Schenkenamt anführte.147 Auch in diesen von Zimmermann angeführten Beispielen ist die Deutung Neckels keineswegs ferner liegend als Zimmermanns Vorschlag. Dies deutet darauf hin, daß das Schenkenamt der Wal142 143
144
145 146 147
Blatt 1957, s.v. complexus. Zur Stelle vgl. Herrmann 1922, S. 233 f. Die Stelle: [...] ok mun Hel, húsfreyja þín, leggja þik sér í faðm [...] (S. 138). In derselben Saga (S. 135), wird der drohende Tod durch Ertrinken damit umschrieben, daß die Töchter Ráns die Männer zu umarmen versuchen. (Rán ist die Frau des Meerriesen Ægir; ihr fallen die Ertrunkenen zu: Simek 1993, S. 260.) Diese Saga datiert ins 13. Jh.: Simek / Hermann Pálsson 2007, S. 100 f. In der Vǫlsunga saga heißt es, daß das seine Disen gewesen sein mögen. In den Atlamál heißt es am Ende dieser Strophe, daß seine Disen für ihn unfähig [zu helfen] (?)/untreu(?) geworden sind (vgl. Kuhn 1968, s.v. af-limi), wobei nicht ganz klar ist, ob diese Disen mit den toten Frauen zu identifizieren sind (vgl. Ström 1954, S. 97), wie das ja auch die Vǫlsunga saga nur zögernd tut. Turville-Petre (1964, S. 224 f.) deutet die ‘toten Frauen’ als ‘dead female ancestors’. Ström (1954, S. 96 f.) sieht in ihnen Walkürengestalten. Die Formulierung der Strophe ist in dieser Hinsicht nicht eindeutig, aber diese Frauen mögen bewaffnet sein, wie Neckel (1913, S. 86) annimmt. Faulkes 1998, S. 20 Z. 35 f. und S. 21 Z. 2 f. Vgl. de Vries 1957, § 534; Motz 1993, S. 93, 97 f., 100 f.; Heizmann 2001, S. 280 f. et passim. Neckel 1913, S. 87 f.
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küren dem neuesten Interpretationsansatz zum Trotz nach wie vor ein Teil der erotischen Assoziationen sein könnte, die diesen Figuren anhaften.148 Eine solche Deutung des Schenkenamts als Aspekt der erotischen Seite der Walküren würde diesen amourösen Charakterzug inmitten des Jenseitsreiches der toten Krieger ansiedeln. Das Kriegerparadies würde damit 148
Hierher mag vielleicht Helgis Bemerkung in der Helgaqviða Hundingsbana in fyrri 16 gehören. Als Helgi sich nach dem Kampf ausruht und die Walküren in ihren blutigen Rüstungen herbeikommen sieht, fragt er sogleich, ob sie in dieser Nacht mit den Kriegerfürsten heimziehen wollen. Darauf antwortet Sigrún, daß sie etwas anderes zu tun haben, als mit dem Fürsten Bier zu trinken (Strophe 17). Das gemeinsame Biertrinken hatte nach dem oben Gesagten wohl gewisse erotische Konnotationen (aber vgl. für alternative Parallelen: von See et al. 2004, S. 237 f.), und dies mag genau das sein, was Helgi im Sinn hatte – vielleicht kann man als Held von Walküren erwarten, daß derartige Annäherungsversuche erfolgreich sind. Jedenfalls wirkt dieses Gespräch wie die Umkehrung der Stelle in den Atlamál 28, wo die ‘toten Frauen’ den Todgeweihten zu ihren Bänken bitten: Neckel 1913, S. 86; vgl. von See et al. 2004, S. 232. – Unter den von Steinsland besprochenen Zeugnissen für erotische Aspekte der nordischen Todesideologie (vgl. Steinsland 1992, S. 321–331; Steinsland 1991; Steinsland 1997, S. 102–107, 109, 115–123) verdienen hier zwei Szenen auf den gotländischen Bildsteinen von Alskog Tjängvide I und Ardre VIII besondere Erwähnung. Beide Steine datieren ins 8. Jh.: Nylén / Lamm 1988, S. 69, 71; für Abbildungen vgl. ibid. oder Lindqvist 1941 Fig. 137–140 auf Tafeln 57–60 und Lindqvist 1942 Fig. 305, 311. Beide Steine zeigen das Motiv des Reiters auf einem achtbeinigen Pferd, das häufig (und so auch von Steinsland) als die Ankunft Odins oder des Toten in Walhall bzw. im Jenseits gedeutet worden ist. Auf Alskog Tjängvide I tritt diesem Reiter eine Frauengestalt mit einem Trinkhorn(?) entgegen; hier wird vielleicht der Tote im Jenseits willkommen geheißen. Solche Frauengestalten auf gotländischen Bildsteinen, die den Toten im Jenseits mit einem Trunk begrüßen, sind vielfach als Walküren gedeutet worden, siehe oben Anm. 131. Auf beiden Steinen steht dem Reiter eine Struktur von der Hüfte ab, die Steinsland als ‘phallisch’ deutet; entsprechend interpretiert sie die Szene als ein Treffen zwischen einem Neuankömmling im Totenreich und einer Frau, die ihn willkommen heißt, wobei dieses Treffen als erotische Vereinigung und Auftakt zu einer ‘Todeshochzeit’ (dødsbryllup) aufzufassen sei. Das naheliegendste Gegenargument gegen diese Deutung ist – wie Steinsland selbst sieht – die Möglichkeit der Deutung des ‘erigierten Gliedes’ des Reiters als Schwertgriff. Auf beiden Steinen sind im jeweils unteren Bildfeld auch Bewaffnete dargestellt, die ihre Schwerter am Gürtel tragen, und deren Schwertgriffe in Position und Gestaltung mit dem ‘Glied’ des Reiters genau übereinstimmen. Daher scheint diese von Steinsland (1991, S. 426 mit Fig. 1, S. 424, und Fig. 3, S. 427 und Steinsland 1997, S. 106 f. mit Abb. auf S. 105) vorgeschlagene Deutung jeder Grundlage zu entbehren. Der Reiter ist nicht nackt und sexuell erregt, sondern trägt ein Schwert an der Hüfte (ebenso schon Lindqvist 1942, S. 16, 23). Steinslands Behauptung, daß die ikonographische Identität von Schwert und Phallos wohlbekannt sei (sie nennt dabei kein einziges Beispiel: Steinsland 1991, S. 426; Steinsland 1997, S. 107), scheint interpretative Willkür.
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implizit als ein Ort der Liebesfreuden aufgefaßt.149 Ein solcher Aspekt wird innerhalb der altnordischen Überieferung mit eindeutigem Bezug auf Walhall nur selten deutlich angesprochen, was wohl der Grund ist, warum Neckels Ansatz nicht in der nötigen Weise gewürdigt wurde; aber Hinweise auf erotische Konnotationen der Walküren (und Hels) und damit des Todes des Kriegers zeigen sich in beträchtlicher Anzahl über die altnordische Literatur verstreut, so daß aus einer rein inner-nordischen Perspektive eine solche erotische Deutung im Vergleich mit anderen Ansätzen durchaus gleichwertig ist. Nach diesen rein nordischen Betrachtungen scheint es nun angebracht, zum Ausgangspunkt dieses Aufsatzes zurückzukehren und die Frage zu stellen, welchen Beitrag eine keltisch-mediterrane Perspektive zur Beantwortung dieser Frage leisten kann. Betrachtet man die Schlachtfeld- und Todesdämoninnen Irlands, so erscheint ein betont sexueller Zug und die Verbindung dieses Zuges mit kriegerischem Heldentum und gewaltsamem Tod als ein markantes Charakteristikum dieser Figuren. Ebenso scheinen sich die Todesdämoninnen Etruriens durch einen betont sexuellen Aspekt ausgezeichnet zu haben, und dasselbe gilt für die Sirenen, die gleichzeitig als Seelengeleiterinnen und im Gefolge der Aphrodite auftreten können. Darauf, daß eine dieser Gestalten ewiges Leben verleihen würde – zumal in Form eines Unsterblichkeitstranks – findet sich jedoch kein Hinweis. Unabhängig von der Frage einer konkreten historischen Verbindung zwischen Walküren, Bodbs, Vanth und Sirenen würde eine sexuelle Deutung der Rolle der Walküren im Jenseits also ganz einem in Europa sehr gängigen Typus von Todesdämoninnen entsprechen, während eine Deutung als Verleiherinnen von ewigem Leben ein äußerst ungewöhnlicher Zug wäre. Eine Rekonstruktion eines solchen ungewöhnlichen Zuges für die Walkürenvorstellungen würde daher guter Gründe und eindeutiger Belege bedürfen. Solche eindeutigen Belege konnte Zimmermann aber nicht vorlegen. Daher scheint aus der Perspektive des Kontextes der Walküren innerhalb der frühen Religionsgeschichte Gesamteuropas die Zugangsweise Neckels bei weitem vorzuziehen. Eine andere Frage, die aus einem komparatistischen Zugang vielleicht gewisse Anstöße erhalten kann, betrifft den Vogelaspekt der Walküren. In Textquellen ist das Erscheinen von Walküren in Vogelgestalt nur in späten Zeugnissen aus der Zeit lange nach der Christianisierung belegt.150 In 149 150
Vgl. Kauffmann 1892. Ältere ikonographische Belege wurden vorgeschlagen; vgl. Ellis Davidson 1969, S. 221 (zum Kästchen von Auzon); Hauck 1977, S. 12–16, 18–20 (v.a. zum Kästchen von Auzon, dem gotländischen Bildstein Ardre VIII – wo Hauck eine Darstellung von Wielands Walküre mit einem Krähenhemd sieht – und dem Gobelin
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Helreið Brynhildar 6 besitzen Walküren151 hamir, die dort wohl als Fluggewande aufzufassen sind, die eine Vogelverwandlung herbeiführen, wie das ebenso in der Vǫlsunga saga (S. 4) der Fall zu sein scheint, wo eine Walküre (óskmey) einen Botengang mit Hilfe eines krákuhamr verrichtet. Auch die Walküren der Vǫlundarqviða verwenden hamir, in diesem Fall Schwanen-hamir (álptarhamir, Prosaeinleitung; vgl. aber auch die Schwanenfedern einer der Walküren in Strophe 2).152 Ferner verwandelt sich eine Walküre in der späten Hrómundar saga Gripssonar (S. 373, 374) in einen Schwan.153 Diese Saga beruht auf den Griplur, einer Gruppe von Rimur aus
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Ia von Överhogdal; ferner nimmt Hauck einen Beleg von Krähen-Walküren auf einem Goldbrakteat an). Diese ikonographischen Belege würden die einzigen Zeugnisse für eine Vogelgestalt von Walküren aus der heidnischen Zeit darstellen. Diesen Deutungen haftet jedoch ein impressionistischer Zug an, der es problematisch erscheinen ließe, ihnen große Beweiskraft zuzumessen. So sieht etwa die ‘Walküre’ auf dem Kästchen von Auzon aus wie ein Mischwesen aus Mensch und Giraffe mit Eberhauern, was jede Deutung spekulativ und unsicher macht; dasselbe gilt entsprechend für die von Hauk aufgezeigten Analogien zu dieser Gestalt auf Goldbrakteaten und dem Gobelin. Bei der Struktur auf dem Bildstein Ardre VIII mag es sich um ein Fluggewand handeln, doch muß dies nicht notwendigerweise ein Fluggewand sein, das eine Walküre benutzt hat; ebenso könnte es sich um eines handeln, das Wieland für seine Flucht benutzen wird (vgl. Vǫlundarqviða 29; von See et al. 2000, S. 97, 230 f.). Bei den Krähen auf dem Goldbrakteat muß es dem persönlichen Ermessen überlassen bleiben, ob man hier tatsächlich Walküren in ihrer Vogelmetamorphose sehen will oder nicht einfach Krähen, die als Aasvögel des Schlachtfelds den blutig-gewaltbezogenen Aspekt des dargestellten Komplexes unterstreichen könnten. Hier Krähenwalküren sehen zu wollen setzt das Alter der Vogelerscheinung der Walküren als gegeben voraus, anstatt es zu beweisen. Hauk weist ferner auch auf Schwanendarstellungen hin, die eine Schwert- oder Saxscheide unter den Flügel gesteckt haben sollen. Diese Deutung der Bilder bleibt jedoch ganz impressionistisch und kann nicht mehr sein als eine unsichere Möglichkeit. Wenn man Brynhild und ihre Schwestern so auffassen darf; der Begriff Walküre wird nicht verwendet. Snorri bezeichnet Brynhild in den Skáldskaparmál 41 (S. 47) als Walküre. Im Oddrúnargrátr 16 wird der Begriff óscmey von ihr gebraucht; dieser bezeichnet sonst nur Walküren (Golther 1890, S. 424). Golther betont aber, daß dieses Lied jung und diese Stelle dem fehlenden Stabreim nach zu schließen verderbt ist. Er rechnet Brynhild gänzlich den Schildmaiden zu (Golther 1890, S. 423–425). Zu diesen hamir vgl. von See et al. 2000, S. 122 f. Die Figur wird dabei allerdings nicht ausdrücklich als Walküre bezeichnet; der verwendete Ausdruck ist fjölkynngiskona ‘Zauberin’. Die Frauengestalt trägt jedoch den Namen Kára (Lesung des Namens in Anlehnung an Kershaw 1921, S. 62 Anm. 1, vgl. Golther 1890, S. 428) und ist die Geliebte des Helgi, den sie in der Schlacht unterstützt. Nach der abschließenden Prosa der Helgaqviða Hundingsbana ǫnnor wurden Sigrún und Helgi als Helgi und die Walküre Kára wiedergebo-
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dem frühen 15. Jh.,154 wo die Walküre in der Schlacht í áltarham (= í álptarham) und als áltin (= álptin ‘der Schwan’) erscheint,155 wobei Letzteres auf eine körperliche Verwandlung hinweist (Griplur IV,43 f. und 58). Mit dieser kurzen Liste sind die Belege für das Auftreten von Walküren in Vogelgestalt bereits erschöpft.156 Die textlichen Belege für eine Metamorphose einer Walküre in einen Vogel sind also sowohl spät als auch selten. Dies ist um so problematischer, als das Motiv der Verwendung eines hamr als Flughilfe auch anderweitig gut bezeugt ist;157 so verwenden – um nur einige wenige Beispiele zu nennen – etwa sowohl Odin als auch der Riese Suttungr einen arnarhamr (‘Adlerhemd’),158 als Odin dem Riesen den Dichtermet entwendet. Ebenso verfügen sowohl Freyja als auch Frigg über einen valshamr (‘Fal-
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ren. Daher liegt es nahe, daß die Kára und der Helgi der Hrómundar saga letztlich auf Traditionen über Helgi und seine walkürische Geliebte zurückgehen (Kershaw 1921, S. 60). Ihre Schwanenverwandlung wird auf unterschiedliche Weisen ausgedrückt: Kára erscheint í álftar ham ‘im hamr eines Schwans’ und í álftarlíki ‘in Schwanengestalt’, oder einfach als álft ‘Schwan’ (von See et al. 2000, S. 123). Dies impliziert, daß es sich beim Anlegen des Schwanen-hamr um eine vollständige körperliche Verwandlung handelt. Foote 1985, S. 312. von See et al. 2000, S. 123. Ich lasse hier einige andere Zeugnisse beiseite, in denen walkürenähnliche Frauengestalten mit Schwänen assoziiert erscheinen, da es sich bei diesen Beispielen nicht um eindeutige Belege für die Vogelmetamorphose einer Walküre handeln würde. So trägt eine der Schwanenwalküren der Vǫlundarqviða den Namen Svanhvít ‘Schwanenweiße (d. h. wohl ‘weiß wie ein Schwan’)’ (von See et al. 2000, S. 137 f.; Ellis Davidson 1969, S. 221). Dazu vgl. die Svanhvít der Hrómundar saga, die Geliebte und Frau des Helden ist, ihm einen Schild schenkt und ihm durch magische Hilfe im Kampf beisteht (Hrómundar saga, Kap. 6). Ganz ähnliche walkürenhafte Züge zeigt die Suanhuita bei Saxo, Gesta Danorum II,ii,1–II,ii,9. Hier von Interesse ist vielleicht auch Ruta, die bei Saxo in einem Gedicht in die Schlacht gerufen wird, wobei sie ihr ‘schneeweißes Haupt’ (niveum caput) erheben soll. Die Farbe mag auf eine alte Frau hinweisen – oder auf einen Schwan. Ihr Name Ruta klingt in suggestiver Weise an den der Walküre Rota an (Gylfaginning 36), und Ruta verfügt über übernatürliche Kräfte, wodurch sie Odin für den Helden sichtbar machen kann (Gesta Danorum II,vii,26). All dies mag auf eine literarische Adaption einer Walkürengestalt hinweisen, auch wenn Ruta zuvor als Königstochter erscheint (Gesta Danorum II,vi,9, II,vi,11). Vgl. Gulermovich Epstein 1997, S. 130, 131 f.; Gulermovich Epstein 1998a, S. 284 f., 287; Kroesen 1997, S. 144–146. Vgl. auch Neckel 1913, S. 130 Anm. 14. Für eine Zusammenstellung und Besprechung von reichem Belegmaterial vgl. von See et al. 1997, S. 532–534. Skáldskaparmál G58 (S. 4 Z. 38, S. 5 Z. 1); von See et al. 1997, S. 533.
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kenhemd’),159 und der Riese Hræsvelgr sitzt í arnar ham.160 Dies wirft die Frage auf, inwiefern die Verwendung von hamir und die Metamorphose in eine Vogelgestalt einen Zug darstellen, der für Walküren als solche typisch und charakteristisch ist. Betrachtet man die Frage rein vor dem Hintergrund der relativ kleinen Zahl der Belege für die Vogelmetamorphose von Walküren, so ist es zunächst in Anbetracht der geläufigen Verwendung von hamir im allgemeinen nicht notwendigerweise gerechtfertigt, hier einen alten Zug im Charakter der Walküren zu sehen. Vielmehr scheint es sich bei der Verwendung von Vogel-hamir durch Walküren aus einer rein altnordischen Perspektive zunächst eher um einen späten und daher wohl sekundären und vielleicht rein literarischen Zug zu handeln. Wirft man auf die Frage jedoch einen zweite Blick, fällt auf, daß zwar nicht die grundsätzliche Verwendung von hamir für Walküren typisch ist, die spezifische Art dieser hamir aber sehr wohl. Die Walküre der Vǫlsunga saga verwendet einen krákuhamr, der so nur hier belegt zu sein scheint.161 Die Metamorphose in eine Aaskrähe ist ein m. W. singuläres Ereignis,162 und gerade dadurch vielleicht von einiger Signifikanz für das Verständnis der Walküren: Niemand sonst scheint eng genug mit der Aaskrähe assoziiert, um sich in sie zu verwandeln. Die Verwendung des krákuhamr findet sich dabei zwar nur in einer einzigen und zudem späten Quelle, aber eine enge Assoziation zwischen Walküre und Schlachtfeldvogel findet sich auf andere Weise vielleicht schon in den Hrafnsmál 1–4 in schillernden Farben ausgemalt, dem ältesten datierten nordischen Zeugnis, das den Begriff valkyrja verwendet.163 Dort unterhält sich eine Walküre mit einer Gruppe von Raben über den Ruhm eines Königs. Die Raben kommen eben vom Fraß auf dem Schlachtfeld – ihr Atem stinkt noch nach Aas, ihr Schnabel ist blutig und zwischen ihren Krallen hängt noch das Fleisch. Daß sich diese Walküre in solcher Gesellschaft wohlzufühlen scheint macht vielleicht mehr als verständlich, warum sie sich in der Vǫlsunga saga gerade in eine Krähe verwandelt. Ebenfalls zu dieser Assoziation von Walküre und Aasvogel mag die schon erwähnte Bildung von Rabenkenningar mit Walkürennamen gehören, wie Hlakkar haukr ‘HlÄkks Habicht’ in der Hryn-
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Skáldskaparmál G56 (S. 2 Z. 11), Skáldskaparmál 18 (S. 24 Z. 22 f.); von See et al. 1997, S. 533. Vafðrúðnismál 37; von See et al. 1997, S. 533. Vgl. die Belege bei von See et al. 1997, S. 532–534. Aber vgl. vielleicht die zum Kampf anstachelnde Krähe in der Rígsþula 47 f. und Dronke 1997, S. 235 f.; Birkhan 1970, § 242 Anm. 1543. Golther 1890, S. 428.
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henda 14,3 f. des Arnórr Þórðarson jarlaskáld aus dem 11. Jh.164 Strenggenommen ergibt sich hieraus allerdings noch nicht notwendigerweise eine direkte enge Verbindung zwischen Walküren und Schlachtfeldvögeln. Diese Beispiele einer Assoziation zwischen Walküren und Aasvögeln könnten auch aus der unabhängigen Assoziation beider mit dem Schlachtfeld sekundär erwachsen sein, ohne daß deswegen Walküren und Raben bzw. Krähen als solche miteinander besonders eng verbunden sein müßten. Andererseits hat die Betrachtung des irischen und griechischen Vergleichsmaterials zu den Walküren gezeigt, daß eine Assoziation mit einer Vogelgestalt und dem Verschlingen von Leichen – und damit dem Verhalten eines Aasvogels – in der frühen europäischen Religionsgeschichte ein äußerst gängiger Zug von Todesdämoninnen ist. Eine solche komparatistische Betrachtung legt nahe, daß Dronkes Annahme einer „sinister winged crow valkyrie“ vielleicht nicht zu schnell verworfen werden sollte, auch wenn das von ihr dafür vorgelegte Material diese These für sich genommen nicht stützen konnte.165 Die zweite Variante der Vogelerscheinung von Walküren ist die Benutzung eines Schwanen-hamr und ein Erscheinen als Schwan. Ausgehend von der Vǫlundarqviða hat Dronke diesen Aspekt von Walküren gänzlich verworfen. Zwar werden die Schwanenwalküren der Vǫlundarqviða in der Prosaeinleitung ausdrücklich als Walküren bezeichnet, aber Dronke weist dies als falsch zurück: Es handle sich nicht um Walküren, sondern um 164 165
Meissner 1921, S. 121. Meissner führt 22 verschiedene Bildungen von Rabenkenningar mit Walküren an. Dronke sieht zwei Typen von Walküren als authentisch an: Die „aristocratic mounted valkyrie“ und die „more sinister winged crow valkyrie“. Für die letztere verweist sie auf die zum Kampf anstachelnde Krähe in der Rígsþula 47 f. (dazu vgl. Dronke 1997, S. 235 f.; Birkhan 1970, § 242 Anm. 1543), den angelsächsischen Beleg für wælcēasig als Rabenepithet (siehe oben Anm. 21) und den Selbstvergleich Sigrúns mit Aasvögeln in der Helgaqviða Hundingsbana ǫnnor 43 f.: Dronke 1997, S. 301. Daß die Passage der Helgaqviða in diesem Kontext jedoch nichts beweist, haben die inzwischen bei von See et al. 2004, S. 782 zusammengestellten Parallelen gezeigt. Die Krähe in der Rígsþula kann mit Walküren zwar assoziiert werden, könnte aber auch ein Märchenmotiv sein, wie Birkhan anerkennt (Birkhan 1970 ibid.; als Alternative denkt er an eine Deutung als eine Erinnerung an eine dämonische Gestalt). Die angelsächsische Stelle spielt zwar wohl mit dem Walkürenbegriff; die genaue Art der dahinter stehenden Assoziationen muß jedoch unklar bleiben (vgl. aber Neckel 1913, S. 78). Auch dieses Material ist also zwar suggestiv, läßt aber für sich betrachtet keine sicheren Schlüsse zu. Zu erwähnen ist noch der in diesem Kontext bei von See et al. 2004, S. 783 gegebene Hinweis auf die Bezeichnung der fliegenden Walküren in der Helgaqviða Hundingsbana in fyrri 54 als sárvitr ‘Wunden-Wesen’, die Dronke zurückgewiesen hatte (Dronke 1997, S. 301), und vgl. Neckel 1913, S. 79.
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Schwanenmädchen.166 Warum sich die Kategorien von ‘Walküren’ und ‘Schwanenmädchen’ gegenseitig ausschließen sollen, wird von ihr nicht erläutert; Dronke begnügt sich damit, die vermeintliche Spannung zwischen den Schwanenmädchen und der Krähenassoziation der Walküren zu betonen. Schon aus diesem Grund scheint ihre Zurückweisung der Mehrzahl der Belege für Walküren in Vogelgestalt methodisch problematisch: Es gibt zunächst keinen Grund für die Annahme, ‘Walküren’ und ‘Schwanenmädchen’ seien Kategorien, die sich gegenseitig ausschließen.167 Dies gilt um so mehr, als die Walküren der Vǫlundarqviða mehrere typische Walkürencharakteristika zeigen, die ihre Deutung als Walküren auch ohne die explizite Aussage der Prosaeinleitung nahelegen würden.168 Dennoch scheint es angebracht, auf die von Dronke hervorgehobene Spannung zwischen Schwanen- und Krähenaspekt etwas näher einzugehen, um die Möglichkeit einer Deutung zu untersuchen, die beide Phänomene miteinander in Zusammenhang sehen kann. Dies ist um so wichtiger, als die oben zusammengetragenen Beispiele die einzigen Belege für den Gebrauch von Schwanenhamir in der altnordischen Literatur zu sein scheinen und sich die Verwendung von Schwanen-hamir somit als ein Zug darstellt, der für Walküren spezifisch ist.169 Diese spezifische Verbindung zwischen Walküren und Schwanen-hamir verlangt nach einer Erklärung, die den Schwanenaspekt der Walküren im Zusammenhang ihres Gesamtcharakters begreifen kann, und damit gerade auch in Beziehung zu ihrer anderweitigen Assoziation mit Corviden. Eine mögliche, wenngleich äußerst spekulative Erklä166 167
168
169
Dronke 1997, S. 301 f. Vgl. Golther 1890, S. 428 (seine Hervorhebung und Orthographie): „ e i n e v a l k y r j e k a n n g e l e g e n t l i c h e i n s c h w a n mä d c h e n s e i n , a b e r e i n schwanmädchen ist nicht notwendig eine valkyrje, sondern nur z u f ä l l i g h i e u n d d a i n d e r n o r d i s c h e n d i c h t u n g . “ (Golther stellt die nordischen Schwanenwalküren hier deutschen Sagen von Schwanenmädchen gegenüber, bei denen es sich nicht um Walküren handelt: ibid. Daneben weist er auf eine schwanengestaltige Fylgja hin: S. 427. Vgl. seine Ansicht S. 428: „im nordischen hat sich der valkyrjenmythus wie auf die fylgjur so auch auf die schwanmädchen ausgedehnt.“) Zusammengestellt bei von See et al. 2000, S. 123, 126 f., 129, 132, 135; zusammengefaßt sind diese: Ihre Flugfähigkeit, ihre Initiative im Umgang mit Männern, die Bezeichnung als alvitr, die kriegerischen Assoziationen zweier ihrer Namen (Hervǫr und Hlaðguðr) und ihre Tätigkeit, ‘Geschicke zu verrichten’ (ørlǫg drygia): von See et al. 2000, S. 123 mit den dort gegebenen Querverweisen. Die Zusammensetzung álptarhamr erscheint auch in Búalǫg 22282 (von See et. al. 2000, S. 123), bezeichnet dort dem Kontext nach aber kein mythologisches Fluggewand, sondern einen Schwanenbalg (vgl. Cleasby / Vigfusson, s.v. hamr ‘a skin, esp. the skin of birds flayed off with feathers and wings’).
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rung dieser Verbindungen mit Schwänen einerseits und Corviden andererseits und ihres Verhältnisses zu einander ist von Gulermovich Epstein vorgeschlagen worden. Gulermovich Epstein geht von einer Betrachtung des keltischen Materials aus. Die irische Bodb erscheint als Dämonin in Gestalt einer Nebelkrähe, um als Aasvogel von den Leichen der gefallenen Krieger zu fressen. Die Keltiberer hingegen warfen die Leichen ihrer gefallenen Krieger den Geiern zum Fraß vor, um ihnen so den Übergang ins Jenseits zu ermöglichen. Gulermovich Epstein postuliert eine Verbindung zwischen diesen beiden Phänomenen, wobei sie die Erscheinungsform der irischen Dämoninnen als Nebelkrähen mit der Beobachtung erklärt, daß Nebelkrähen die Vögel Irlands sind, die funktional dieselbe ökologische Nische ausfüllen, die der Geier im Süden einnimmt. Irland – wie die nordgermanische Welt – kennt keine Geier; der einheimische Aasvogel, der die Leichen der Gefallenen frißt, ist hier die Nebelkrähe, die daher den Geier funktional ersetzt. Auf dieser Grundlage schlägt Gulermovich Epstein als eine Erklärungsmöglichkeit für das Erscheinen von Walküren als Schwan vor, daß auch dieses auf einer Ersetzung des Geiers beruht, aber nicht funktional, sondern als Annäherung der Gestalt des Vogels. Geier und Schwan teilen den massigen Körper, langen Hals und die große Flügelspannweite. In einer Umgebung, in der keine Geier vorkommen, kann der Geier auf zwei verschiedene Weisen ersetzt werden, entweder funktional oder morphologisch. Die funktionale Entsprechung des Geiers in Nordwesteuropa sind die Corviden. Seine morphologische Entsprechung findet der große Vogel mit dem langen Hals im Schwan.170 Natürlich ist diese ebenso elegante wie gewagte Spekulation nicht die einzige mögliche Erklärung für das Erscheinen von Walküren in Gestalt von Schwänen.171 So weist etwa Birkhan auf die Aggressivität von Schwänen besonders während der Brutzeit hin und hebt ferner die Beziehung zwischen keltischem Kriegsgott und Gans hervor.172 Auch diese Überlegung kann die Assoziation mit dem Schwan aus der Einbettung der Walküren in die Gewalt des Kriegs erklären und muß sie damit nicht von der Assoziation der Walküren mit den Corviden trennen. Eine dritte Möglichkeit bietet die Grundstruktur der in Zusammenhang mit der Vǫlundar-
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Gulermovich Epstein 1998a, S. 297 f. et passim; Gulermovich Epstein 1998b, S. 95 f. Gulermovich Epstein selbst zieht alternative Erklärungen in Erwägung: Gulermovich Epstein 1998a, S. 294–297; Gulermovich Epstein 1998b, S. 93–95. Birkhan 1970, § 242 Anm. 1543; vgl. Gulermovich Epstein 1998a, S. 297; Gulermovich Epstein 1998b, S. 94 f.; Green 1992, S. 87, 88, 126, 214.
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qviða oft zitierten folkloristischen ‘Schwanenmädchenerzählung’.173 Diese endet typischerweise unglücklich – insbesondere damit, daß die Schwanenfrau ihren Geliebten verläßt.174 Damit läßt sich zu einem gewissen Grad vergleichen, daß auch Beziehungen zwischen Walküren und Helden oft unglücklich verlaufen oder zum Tod des Helden führen: Die Schwanenmädchen der Vǫlundarqviða verlassen Wieland und seine Brüder nach sieben Jahren, um Kampf zu suchen; Helgi stirb als Rache für eine Tötung, die er um seiner Walküre willen vollführt hatte; Sigurd fällt der Rache Brynhilds zum Opfer; die Entführung der Hildr in der Sage vom Hjaðningavíg führt zur Ewigen Schlacht. Im glücklos-blutigen Ende der Beziehungen mit diesen Walküren bietet sich ein Ausgangspunkt, sowohl die Aasvögel des Schlachtfelds als auch die Figur des Schwanenmädchens mit ihnen zu assoziieren. 173
174
Vgl. etwa Dronke 1997, S. 258 f., 285 f., 301 f.; Böldl 2004; zur Stellung der ‘Schwanenmädchenerzählung’ in der Forschungsgeschichte der Vǫlundarqviða vgl. zusammenfassend von See et al. 2000, S. 85–88, 99–101. Vgl. Hatto 1961. Die klassische, üblicherweise mit der Vǫlundarqviða in Verbindung gebrachte Fassung (Hattos Typ 2) definiert Hatto auf der Grundlage seines folkloristischen Materials folgendermaßen (Hatto 1961, S. 326): „There is a story woven from several motifs in which a man forces a bird-maiden to become his wife by stealing her feather-robe while she is bathing, thus preventing her from flying off. The pair have children, and one day the bird-woman recovers her feather-robe and flies away with them. As a sequel, the man may pursue her to the other place to which she has returned.“ Es ist festzuhalten, wie gering im Grunde die Ähnlichkeiten zwischen der Vǫlundarqviða und dieser typischen folkloristischen Schwanenmädchengeschichte sind (vgl. von See et al. 2000, S. 100; Dronke 1997, S. 258 f., 285 f.): In der Vǫlundarqviða werden die hamir weder gestohlen noch wiedererlangt, die Mädchen werden nicht gezwungen, sie baden nicht, sie haben keine Kinder, und Wieland bleibt zu hause und wartet auf ihre Rückkehr, anstatt ihnen zu folgen. Hatto nimmt an, daß der typischerweise unglückliche Verlauf der Beziehung zu einem Schwanenmädchen letztlich auf Naturbeobachtung beruht, nämlich auf der Beobachtung des Verhaltens von Zugvögeln, insbesondere großer migrierender Wasservögel wie Schwänen und Gänsen. Daß das Schwanenmädchen ihren Liebhaber verläßt, entspräche dem realen Verhalten von Zugvögeln, die nach der Paarung und der Aufzucht des Nachwuchses im Norden wieder fortziehen: Hatto 1961, bes. S. 333. Daher könnten solche Geschichten auf Basis dieser Naturbeobachtung auch unabhängig von einander immer wieder entstehen: Hatto 1961, S. 349. Insbesondere dieser Aspekt von Hattos folkloristischer Zugangsweise ist wichtig für die Beurteilung der Beziehung von Schwanenwalküren und Schwanenmädchensage: Auch Hatto nimmt keine Diffusion dieses Motivs an, das die ‘eigentliche’ Walkürensage überlagert hätte. Vielmehr wäre aus dieser Perspektive heraus anzunehmen, daß der Walkürenmythos sich des Schwanenmotivs bedient hat, um einen bestimmten Aspekt der Walküren zum Ausdruck zu bringen.
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Aus dem hier zum Schwanenaspekt der Walküren Gesagten ergibt sich somit Folgendes: Eine eindeutige Erklärung für den Schwanenaspekt läßt sich nicht finden, da zu viele Interpretationsmöglichkeiten ohne die Möglichkeit einer Entscheidung zwischen ihnen nebeneinander stehen. Der Schwanenaspekt läßt sich so etwa gleichermaßen als Ersetzung eines Geieraspekts oder als eine Anspielung auf den typischerweise glücklosen Verlauf einer Beziehung zu einer Walküre deuten. In jedem Fall läßt sich der Schwanenaspekt jedoch in Verbindung mit der Einbettung der Walküren in den Kontext von Gewalt und Tod und mit ihrer Beziehung zu Helden verstehen. Auch hier besteht aus inhaltlichen Überlegungen heraus somit – contra Dronke – keine Notwendigkeit, Authentisches von Sekundärem zu trennen. Das chronologische Problem der vergleichsweise späten Bezeugung dieses Schwanenaspekts wird dadurch jedoch nicht beseitigt. Für alle Vogelerscheinungen von Walküren – gleich ob als Krähe oder als Schwan – sticht das vergleichsweise späte Erscheinen des Motivs in den Textbelegen ins Auge. Früh belegt ist nur eine allgemeine Assoziation zwischen Walküren und Aasvögeln in den Hrafnsmál, vielleicht unterstrichen durch die mit Walkürennamen gebildeten Rabenkenningar. Die Frage nach der Beurteilung des ‘Vogelaspekts’ der Walküren muß also innerhalb des nordischen Materials problematisch bleiben. Betrachtet man die Walküren jedoch innerhalb des Rahmens früher europäischer Todesdämoninnen im Allgemeinen, stehen sie neben Figuren, die im Fall der Sirenen als FrauVogel-Mischwesen erscheinen, sich im Fall Vanths geflügelt zeigen und sich im Fall der irischen Schlachtfeld- und Todesdämoninnen häufig in Nebelkrähen verwandeln. Ein Vogelaspekt ist also ein äußerst typischer und weitverbreiteter Zug früher europäischer Todesdämoninnen. Dies legt nahe, daß die Vogelerscheinung der Walküren trotz der späten Bezeugung im Norden auch dort einen alten Teil ihres Charakters reflektiert, der nur aufgrund von Zufällen der Überlieferung erst in vergleichsweise späten Texten in eindeutiger Weise zu Tage tritt. An der Art, wie sich Traditionen über die Walküren bruchlos in den Kontext von Vorstellungen über Todesdämoninnen aus dem gesamten Bereich des frühen Europa einfügen lassen, zeigt sich zugleich, daß die Walküren trotz der vielfach späten Datierung und literarischen Natur des Quellenmaterials nichtsdestoweniger gewinnbringend als religionsgeschichtliches Phänomen betrachtet werden können. Dazu im Gegensatz steht neben der Einschränkung des Kontextes der Walküren auf den Bereich Skandinaviens auch eine Betrachtung als rein literarische Figuren,
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wie sie in jüngster Zeit etwa John Lindow vertreten hat.175 Eine solche Zugangsweise wird den Quellen nicht gerecht. Niemand wird bestreiten, daß der bei weitem größte Teil der vorhandenen Quellen einen primär literarischen Charakter hat. Hinter diesem literarischen Charakter steht aber eine religionsgeschichtliche Größe, und eine umfassende Würdigung der altnordischen Literatur- und Religionsgeschichte sollte diese religionsgeschichtliche Größe als Hintergrund der überlieferten Texte anerkennen. Damit will nicht gesagt sein, daß etwa die Helgi-Lieder in der uns überlieferten Form ungebrochene Zeugnisse lebendigen Glaubens wären. Hier liegen bewußte literarische Schöpfungen einer viel späteren Zeit vor. Auch diese späten Quellen zeigen uns jedoch die Walküren in einer Weise, die ganz dem Auftreten von Todesdämoninnen in anderen Teilen Europas entspricht. Dies stellt einen starken Hinweis auf ein Fortleben von authentischen Traditionen der heidnischen Zeit in solchen Werken dar, auch wenn diese Traditionen hier nur noch in literarischer Weise verwendet werden. Ehe man sich aber daran macht, diese literarischen Quellen nach eigenem Urteil zu sezieren, um Authentisches von rein Literarischem zu trennen, muß der weitere Kontext der Walküren innerhalb der europäischen Religionsgeschichte angemessene Berücksichtigung finden. So stellt etwa de Vries die Walküren des mythologischen Apparats der Heldendichtung, wie sie in den Helgi-Liedern auftreten, dem vermeintlich archaischeren Charakter der Walküren des Darraðarljóð gegenüber, die ein dämonischeres Wesen zeigen sollen, die er selbst als „Schreckensgestalten des Kampfes“ und „[s]chaurige Kriegsdämonen“ charakterisiert und die er mit den griechischen Keren und der irischen Badb vergleicht.176 Hätte de Vries jedoch über diesen ganz impressionistischen (obwohl ansonsten keineswegs unangebrachten) Vergleich hinaus dem Gesamtcharakter der Badb größere Aufmerksamkeit gewidmet, so wäre ihm aufgefallen, daß auch die irischen Schlachtfeld- und Todesdämoninnen dieselbe Dichotomie zeigen, die er zwischen den ‘literarischen’ und ‘archaischen’ Varianten der Walküren sieht: Einerseits Schreckensgestalten des Schlachtfelds, die sich am Gemetzel erfreuen und als Nebelkrähen vom Fleisch der Gefallenen fressen, aber andererseits auch Wesen in sexuellen Beziehungen mit Kriegshelden, die ihrem Liebhaber Hilfe in der Schlacht gewähren können 175
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Lindow 1989, S. 351: „Although some scholars have seen the Valkyries as goddesses of death, in the extant sources they are purely literary figures.“ Entsprechend widmet er ihnen in seinem Handbook of Norse Mythology (2001) keinen Eintrag. Ähnlich vgl. aber schon Turville-Petres Gesamtdarstellung der nordischen Religion (1964), welche die Walküren nicht einmal in den Index aufnimmt (für den Hinweis hierauf danke ich Heather O’Donoghue). de Vries 1956, § 193; ganz ähnlich auch Neckel 1913, S. 74 f., 79–81, 85, 89.
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und so dem Dagda in der Erzählung Cath Maige Tuired gegen seine Feinde beistehen. Ebenso erscheint die etruskische Todesdämonin Vanth inmitten von Szenen gewaltsamen Todes wie in der Tomba François, wo die Komposition des Künstlers sie als Herrin des blutigen, gewaltsamen Todes in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft erscheinen läßt, während sie an anderer Stelle ikonographisch von den lasas aus dem Gefolge der Liebesgöttin nicht zu unterscheiden ist oder ihre Scham herausfordernd zur Schau stellt. Ebenso erscheinen auch die Sirenen von Eroten umworben und in das Gefolge Aphrodites eingegliedert, während sie zugleich in der Unterwelt leben, auf ihrer Insel ihre Opfer verschlingen und die Seelen der Toten ins Jenseits tragen können. Das Postulat eines Gegensatzes zwischen den vermeintlich literarischen Walküren der Helgi-Lieder und den vermeintlich archaischen, dämonischen Walküren des Darraðarljóð ist nur so lange plausibel, als man die Betrachtung auf das nordische Material und die vom modernen Leser an dieses Material herangetragenen Vorurteile beschränkt. Zieht man jedoch die Todesdämoninnen Irlands, Etruriens und Griechenlands zum Vergleich heran, wird die grundlegende Geschlossenheit des Charakters der Walküren deutlich. Sowohl die ‘edle’ als auch die ‘dämonische’ Seite der Walküren stellen typische Züge europäischer Todesdämoninnen dar. Beide Seiten sind zusammengehörige Teile desselben Charakters und sind nicht unterschiedlichen Entwicklungsstufen zuzuweisen. Die Unterscheidung zwischen beiden ist nicht abhängig von der Chronologie, sondern von den unterschiedlichen Situationen, in denen unterschiedliche Seiten des Charakters derselben Figur in den Vordergrund treten können – ebenso wie sich der Krieg, in dessen Kontext diese Dämoninnen auftreten, aus Sicht des triumphierenden Siegers und des verblutenden Verlierers ganz unterschiedlich darstellt. Dasselbe gilt für den Unterschied zwischen Auftritten als Kollektiv versus Auftritten einzelner, dann mehr individualisierter Walküren, wie etwa wieder der Walküren Sigrún und Sváva in den Helgi-Liedern gegenüber der Gruppe von Walküren im Darraðarljóð. Auch dieses Gegenüber von Individuum und Gruppe findet seine Entsprechung im Vergleichsmaterial, wo in Irland die Morrígan als einzelne Bodb einem Helden sexuelle Avancen machen kann, während sie in einer altirischen Glosse als triadische Gestalt erscheint, welche die Schädel der Gefallenen frißt; oder wo in Etrurien Vanth bald als Einzelgestalt, bald zusammen mit anderen Dämoninnen ihrer Art auftritt, wie in der Tomba François gegenüber der dämonischen Trias auf dem Sarkophag der Hasti Afunei. Auch diese Unterschiede in den verschiedenen Quellen für den altnordischen Walkürenglauben lassen sich nicht chronologisch oder im Sinne einer Gegenüberstellung von archaischen versus rein literarischen Walküren interpretieren, sondern sind typische Züge solcher Gestalten.
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Eine breite komparatistische Perspektive, die den Kontext des Phänomens innerhalb der europäischen Religionsgeschichte berücksichtigt, sollte bei allen Versuchen herangezogen werden, über Alter und Authentizität eines Phänomens zu urteilen. Sieht man die Walküren vor ihrem Hintergrund unter den frühen europäischen Todesdämoninnen, so tritt dabei gegenüber manchen bisherigen Versuchen einer chronologischen oder motivgeschichtlichen Sezierung die grundlegende Einheit ihres Charakters hervor, der sich als typisches Phänomen der Religionen des frühen Europa und als ein geschlossenes Ganzes verstehen läßt, dessen Elemente bruchlos ineinander greifen. Tritt man von diesem Ergebnis wiederum einen Schritt zurück und betrachtet das Gesamtbild der europäischen Dämonologie des Todes von Island bis zur Westküste Kleinasiens, so zeigt sich diese Region zumindest in diesem religionsgeschichtlichen Themenbereich im Vergleich der Walküren, der irischen Bodbs, der Bestattungsbräuche der Keltiberer, der etruskischen Totengeleiterin Vanth und der Sirenen als ein durch starke Parallelen, Einflüsse und Kontinuitäten geprägter zusammenhängender Kulturraum. Wollte man es wagen, aus den Ähnlichkeiten zwischen den europäischen Todesdämoninnen eine allgemeine Schlußfolgerung zu ziehen, dann wäre diese wohl, daß die Religionsgeschichte des frühen Europa vom Norden bis zumindest zur Ägäis durch engste Kontakte geprägt gewesen zu sein scheint, welche die Ausbreitung von religionsgeschichtlichen Motiven über diesen gesamten Bereich erlaubt zu haben scheinen. Wie stark und regelmäßig solche Kontakte waren und wie früh sie zu datieren sind wird nur die weitere Forschung zeigen können. Ein interessanter Aspekt dieser Forschung könnte sein, ob sich die Grenzen dieses durch enge Kontakte verbundenen Bereichs der europäischen Religionsgeschichte noch über das westliche Kleinasien hinaus nach Südosten ausdehnen lassen, und ob im Zuge einer solchen Betrachtung vielleicht auch der Typus der ‘sterbenden Götter’ Balder und Freyr und die Frage nach ihrem Verhältnis zu den sterbenden Göttern Vorderasiens wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken werden.177
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Vgl. Schier 1968; 1976, bes. §§ 1 und 4; 1995, bes. S. 141–148.
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Quellenverzeichnis der Abbildungen und Museumsverzeichnis der abgebildeten Stücke Fig. 1:
Fig. 2:
Fig. 3: Fig. 4:
Fig. 5:
Urne mit Gallierkampf: Giulio Quirino Giglioli: L’Arte Etrusca. Milano: S. A. Fratelli Treves Editori 1935, Tafel CCCC.1. Volterra, Museo Guarnacci, Inv.-Nr. 427 (Giglioli, S. 74). Sarkophag der Hasti Afunei: Reinhard Herbig: Die jüngeretruskischen Steinsarkophage (Deutsches Archäologisches Institut: Die antiken Sarkophagreliefs 7), Berlin 1952, Tafel 57, a. Palermo, Museo Archeologico “A. Salinas”, Sammlung Casuccini 24 (Weber-Lehmann 1997a, S. 174). Trojaneropfer aus der Tomba François: Giglioli loc. cit., Tafel CCLXVI.1. Rom, Villa Albani (Weber-Lehmann 1997a, S. 174). Urne mit Zweikampf von Eteokles und Polyneikes: Eigene Photographie mit freundlicher Genehmigung der Museumsleitung des Museo Archeologico Nazionale di Chiusi, Dr. Mario Iozzo. Chiusi, Museo Archeologico Nazionale, Inv.-Nr. 984 (Weber-Lehmann 1997a, S. 174), jetzt als Dauerleihgabe im Museo Civico von Chiusi. Detail der Urne mit Zweikampf von Eteokles und Polyneikes: Eigene Photographie mit Genehmigung der Museumsleitung des Museo Archeologico Nazionale di Chiusi, Dr. Mario Iozzo.
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Fig. 6:
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Auszug aus dem Inventar des ehemaligen Museo Civico von Chiusi: Eigene Photographie mit Genehmigung der Museumsleitung des Museo Archeologico Nazionale di Chiusi, Dr. Mario Iozzo. Fig. 7: „Vanth von Tuscania“: Soprintendenza Archeologica per la Toscana – Firenze: Gabinetto Fotografico Fot. 51372/6. Florenz, Museo Archeologico Nazionale 75834 (Weber-Lehmann 1997a, S. 179). Fig. 8: Seitenplatte des Nordfrieses des Sirenenmonuments in Xanthos: Engelmann: „Harpyia,“ in: Wilhelm Heinrich Roscher (Hg.), Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Leipzig 1884, Sp. 1842–1847, dort Sp. 1846. London, British Museum, Inv.Nr. GR 1848.10–20.1 (Sculpture B 287). Fig. 9: Terrakottastatuette einer Sirene mit menschlicher Gestalt: Georg Weicker: Der Seelenvogel in der alten Litteratur und Kunst. Eine mythologisch-archaeologische Untersuchung. Leipzig 1902, Fig. 5 (S. 7). Berlin, Pergamonmuseum, Inv.-Nr. 8299 (Hofstetter 1990, S. 255). Fig. 10: Krater mit Tod der Prokris: Weicker loc. cit., Fig. 86 (S. 166). London, British Museum, Inv.-Nr. E 477 (Hofstetter 1990, S. 123). Fig. 11: Stamnos mit Odysseeszene: Weicker loc. cit., Fig. 85 (S. 165). London, British Museum, Inv.-Nr. 1843.11–3.31 (E 440) (Hofstetter 1990, S. 122).
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 467–501 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
The Rök Stone’s iatun and Mythology of Death by JOSEPH HARRIS My work on the Rök inscription, driven over the last decade largely by literary concerns, was conducted in relative isolation from what I now realize is a contemporary wave of fresh interest in this earliest Swedish masterpiece1 – though it was an isolation always in communion with the great tradition of scholarship going back to Sophus Bugge.2 The present article will be concerned with the myth “refracted”3 in Section 3 of the inscription; but since that reconstructed story is, I am convinced, a variant of the familiar Baldr myth, certain caveats are in order. I do not propose here to modify or even systematically to survey the conclusions of profound students of Baldr such as Kurt Schier, although I have appreciated and, I hope, assimilated much of his work on Baldr.4 Vésteinn Ólason felt called upon to begin a recent article with a similar caveat,5 but mine is more necessary since an obvious circularity inheres in my methods here, a circularity that potentially exceeds the limits of Spitzer’s “philological circle.” I have employed the Baldr story as an outside pattern to help make sense of the fragmentary references in Rök. To turn around and use the Rök narrative so constructed as the earliest attestation of the Baldr myth for the purpose of revising Baldr scholarship, while not ultimately prohibited, must await the development of a consensus on my Rök proposals. In the meantime, it seems legitimate to continue the study of Rök’s mythology of death against the backdrop of the Baldr myth. My own work on the inscrip1
2
3 4 5
But Andersson 2006, p. 9 rightly says in his English summary that the Rök inscription “is under permanent discussion.” Other important representatives of the recent “wave” include: Barnes 2007; Ralph 2007a, 2007b; Schulte 2008; Malm 2008. Harris 2006b, forthcoming a, b, c; see these bibliographies for the “great tradition” which extends from Bugge 1910 through von Friesen 1920, Höfler 1952, Wessén 1958, Lönnroth 1977, Grønvik 1983, 2003, and Widmark 1992, 1993, 1997. Cf. Glosecki 2007, pp. XV–XVI. The most relevant here: Schier 1976; 1992; 1995. Vésteinn Ólason 2003, p. 153.
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tion is the starting point for the present article on some details of this death mythology, but it seems necessary to begin with a summary account of the inscription as a whole, as I understand it.
The Rök inscription, overview The Rök stone is a tall block of granite bearing a long inscription – the longest of any rune stone – in about 750 runes, with a text of importance not only to runologists and linguists, but also to comparative mythologists and literary historians. It was raised as a memorial in the first half of the ninth century, as generally dated, or perhaps more precisely 810–820,6 and stands now on the western edge of East Gautland (Östergötland) near the great central lake Vättern. It may originally have been positioned beside a segment of the Swedish royal route, the Eriksgata, where it crossed a small stream just north of the stone’s present position in the church-yard of the hamlet of Rök, but a number of factors, including local place names apparently echoed in the inscription, make it unlikely that it has ever been moved far from its origin.7 The stone’s four sides are completely covered with runes, as is the top, which stands almost two and a half meters above the earth. The five faces (labeled A–E) are to be read, generally, in alphabetical order, though the order becomes more complicated as the inscription nears its end; I adopt the consecutive line numbering, 1–28, from Wessén, whose discussionedition of 1958 is the closest thing to a ‘standard’ in Rök scholarship. (Ultimately I argue, in Harris 2006b, for a reading order 1–26, 28–27, which more rigorously keeps face E for the conclusion.) Faces A–B and most of C are written in a variant of the 16-rune younger futhark known as short-twig runes and the sub-variant known as Rök runes. But beginning 6
7
Grønvik 2003, p. 92; 1983, pp. 139–140. The broader dating stems from Bugge 1910 and his earlier studies. Though one encounters other dates (c. 750, c. 900) in the literature and recently hints of a radically new dating, one careful contemporary linguistic-runological study supports Bugge (Barnes 2006). Grønvik and many other scholars see a connection between a part of the inscription and a famous bronze equestrian statue of Theodoric the Great and so use its removal by Charlemagne from Ravenna and installation in the courtyard in Aachen as a terminus post quem; since this occurred in 801, however, it is hardly useful in narrowing Bugge’s dating. See especially Cattingus 1930 and Strid 2004; but the placement of the stone is also touched on by many other scholars, e.g., Palm 2004, p. 25. The place names and some literature on them are cited in Harris 2006b, p. 72, n. 31, p. 73, n. 33, and p. 92, n. 71.
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with line 21 on face C the remainder of the inscription is predominantly in cipher. The reader is clearly meant to begin with the large vertical lines 1–8 of side A, progress to the horizontal lines 9–10 of A and go on to the syntactic and semantic continuation on line 11 of side B. This segment A– B also forms a complete sense unit. Next we are intended to continue reading the Rök runes in the similar arrangement on C with the vertical lines 12–19; lines 12–19 also form a separate and coherent sense unit. Line 20 is the only severely damaged part of the inscription, but almost certainly it constitutes an introduction to the cipher section, lines 21–28. The third section of the inscription, the cipher section, is written in three different types of cipher and distributed in a less transparent arrangement. First, lines 21–22 are in a uniquely modified version of the older, 24– character futhark, thus not a genuine cipher at all. Second, lines 23–24 and the beginning of 25 (25a) are basically in shift cipher, but alternating with ordinary unshifted Rök runes (24a and 25a). (In shift cipher each rune stands for the next rune in the standard order, as if A stood for B, B for C, and so on.) At 25b the inscription switches to the third type of cipher, coordinates cipher, which continues to the end of the inscription, sparsely interlarded with ordinary Rök runes. (The 16-rune futhark was arranged in three ‘families’, usually numbered 1–3, though often reversed, 3–1. In coordinates cipher [sometimes called numerical cipher] any rune can be designated by its position in a family, as ‘3–2’ for the second rune in the third family.) The coordinates-ciphered lines on Rök are realized in four different modes: 1) simple repetition of runes; 2) the number of twigs branching off an upright stave at top and bottom (I compared this sign to a medieval key in Harris 2006b and forthcoming a, but it is better understood as based on the pothook [Kesselhaken] used to hang a kettle over a fire and is known to runologists as hahalruna);8 3) the hahal-runes themselves repeated in a layered arrangement; and 4) the hahal-runes crossed to yield a bold ‘windmill’ figure. The runemaster seems to have arranged the cipher forms of 21–28 according to increasing difficulty of decipherment, and that difficulty is coordinated with the complex graphic design of the cipher section. The whole inscription is thus structured as an Introduction or Dedication (A 1–2) and three sections unified by graphic arrangement, runes used, and semantic content: Section 1: simple Rök runes, front and right side, A–B 3– 11; Section 2: simple Rök runes, back side, C 12–19; Section 3: cipher in increasingly difficult forms, back, left side, top, top of back C 21–25, D 26,
8
Derolez 1954, p. 133; cf. Düwel 1997, pp. 567–568.
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E 27–C289 or C 21–25, D26, C 28–E27.10 In addition, each of the three ‘narrative’ sections is structured as two questions or questioning hints followed by an answer. We turn now to content and its interpretation. The first two narrative sections deal with heroic material like that of Germanic heroic and eulogistic poetry found in West Germanic sources and elsewhere in North Germanic. While every aspect of Rök has been furiously debated, one can safely say that Sections 1 and 2 are less contentious than Section 3 and that they contrast with Section 3 in being drawn from the heroic, that is human, world. They also contrast with Section 3 in having item numbers attached to them, as if they represented selections from the same itemized repertoire of heroic lore, while the unnumbered Section 3 comprises mythic material and is drawn from a different store. This opinion, that Section 3 reflects sacred material, as opposed to heroic story, is a consensus position based on the belief that the function of cipher and the graphic arrangement was to veil a sacred mystery, but based also on generations of work on the content; however, neither the heroic nor the mythic sections are plainly labeled. Other Norse sources, notably the Poetic and Prose Eddas but also the Gotland picture stones and several mythicheroic sagas, evince a similar juxtapositioning of heroic and mythic narrative even while maintaining the distinction between human actions and sacred story. Thematically, however, all three sections make literary sense both individually and in juxtaposition, and it will come as no surprise that death-and-life is the unifying subject of this funeral or memorial inscription as a whole.11 The dedicatory lines tell us unambiguously that the stone was raised and the runes cut by Varinn, a father in memory of his “deathdoomed” (faigian, i.e., feigr) son Vámóðr.12 The body of the inscription in its three narrative sections is (in most interpretations since Wessén 1958) a small anthology of heroic-mythic stories or minni produced for Varinn’s mǫgr ‘descendant’, an emotion-laden word found in early poetry and at least once in an earlier funeral inscription. The stories, however, could not be related in detail on stone. Instead, they are evoked by hinting questions and brief answers in a version of a skaldic routine or game known as greppa-minni (cf. mǫg-minni).13 Vámóðr may have been very young (mǫgr 9 10 11 12 13
So Wessén 1958. So Harris 2006b. My interpretation in Harris 2006b is much indebted to Lönnroth 1977. I adopt this form of the name from Widmark 1993 and offer an etymology in Harris forthcoming a, n. 7. I have adopted this solution from Widmark 1992, pp. 29–31; Harris forthcoming a. The same solution was reached by Marez 1997 and earlier by Bugge (but later abandoned).
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also means “boy”); and the playful routine may be evoking some favorite tales as a kind of gift of story for the dead. But the thematic connections and sense of the whole are serious and religious in a sense deeper than cult. In an earlier publication I attempted to capture that sense, and I summarize here.14 The three sections of Rök agree on a thematics of death-andlife. The relationship of the treatment of theme in those three sections can be understood as a classic Lévi-Straussian exercise in reasoning with stories, but a reader does not have to accept the binary opposition with mediation in order to recognize the theme and its three different treatments. Section 1 features a great individual hero, Theodoric the Ostrogoth (454– 526), and the mystery of his continuing life despite death: “Who became without life (died) among the Hreið-Goths nine ages ago, and yet his affairs are still under discussion?” Section 2 is less well understood, but we hear there of twenty sea-kings, who had ruled in Zealand, lying dead upon a battlefield there; a name-list (or thula) shows that they shared four names and communal “fathers.” The form of life-after-death portrayed is thus corporate, the immortality of the Männerbund. Section 3’s story (as reconstructed) has the death of a Baldr-like figure and the birth of a new brother in his place; the replacement brother is sired by an aged Kinsman through a sacred rape. Life is thus renewed after death within the blood line, the family, but the Lévi-Straussian problem that is mediated involves the opposition of individual and community, mediated by the recyclable individual within the traditional community.
The myth in Section 3 After a study of lines 21–28, I arrived at the interpretative translation in the Appendix to this article and at the conclusion that the myth alluded to is a local, East Gautish version of the divine death we know best from the West Nordic Baldr myths. (I refer here to “western” versions by contrast to the postulated “eastern” variants in Sweden, but this relative point of view is not intended as comment on Schier’s “southern” Baldr variants, which are equally “western” from our point of view.) The main lines of that reasoning are summarized here. The western Baldr story can be analyzed as having five actors: 1) a bereaved father; 2) a beloved son dead before his time; 3) his slayer; 4) a brother born later and dedicated to a mission related to the slain brother; and 5) the mother of the late-born brother. Analogues of all these figures are alluded to in Rök 21–28, and their actions track, up to a 14
Harris 2006b, pp. 97–103.
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point, with those of the western versions of what we inevitably think of as the Baldr myth. But we consider first the a c t i o n s attested in the Rök inscription. On Rök the essential actions are the slaying of a (young) man (ll. 24–25) and the birth of a “descendant” (niðr; 23–24). The descendant is “engendered” (ol; 28) by a very holy Kinsman (27) at the age of ninety (28). We may go two steps further and say that the new niðr is born “for” a gallant young man (drængi, a dat. of advantage; 24) and that, since the “shrine-respecting Kinsman” (27) is a new (though very old) father, the newborn niðr is the (half) brother of the dead youth “for whom” he is born. Parallels in diction, content, and ritual function in Sonatorrek (st. 17) help to clarify these events as alluding to an ancient belief to the effect that the only recompense for a dead son is another engendered specifically to replace the lost one.15 We now consider the a c t o r s . In the western versions of Snorri, Saxo, and the verse tradition, the mother is called Rindr/Rinda; and to fulfill fate, the conception of the newborn brother will have to be accomplished by her (sacred) rape. This “backstory” makes good sense of Section 3’s first Question, according to which compensation for a dead youth is accomplished “by a woman’s sacrifice.” The inscription does not name Rindr, but a farm not far from Rök bore a name in the Middle Ages, which onomastic scholars interpret as “Rindr’s shrine.” This place name is widely taken as an independent witness to knowledge of the giantess/goddess Rindr and of her worship in Östergötland. Since the only actions involving Rindr known to surviving tradition consist of the story of her rape, motherhood, and ongoing relation to the god Óðinn, the ancient place name is also a witness to knowledge of the myth in the area of Rök. In the west the bereaved father is Óðinn. He is not named on Rök but referred to (as if in a noa-name) by a respectful periphrasis, “shrinerespecting Kinsman” (27). But old age is characteristic of Óðinn practically everywhere in the mythology. In the west the newborn brother, son of Rindr, is called Váli or (in Saxo) Bous (i.e., Danish Bo- + Latin -us);16 on Rök he is named Þórr (26). Þórr is of course not elsewhere known in this role, but he is a son of Óðinn by a figure closely associated with Rindr in the mythology (namely JÄrðr); and a few other features of his dossier are compatible with this variation. The Baldr-surrogate, the slain youth, in Rök’s provincial myth is named Vilinn, a name or nickname that undoubtedly takes us into the Odinic sphere (cf. the three brothers Óðinn, Vili, and Vé) and by its root meaning and structure suits a beloved young god, whose more usual name is, 15 16
Harris 2006b, pp. 58–61; 1994. For some sources on Bous and (probably) related figures see Harris 1999.
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after all, in origin quite possibly a title (cf. Freyr).17 Baldr was of course the darling of the gods; etymologically Vilinn might mean something like ‘lord of joy’, and in real life names were commonly compounded with vil-, even including ON Vilbaldr, OE Wilbeald, Willibaldus, etc. We take up a discussion of the fifth actor, the slayer, further on. The western Baldr myths contrast in two main (and linked) features with the minni, or narrative hints, in Rök’s Section 3, first in the matter of c o m p e n s a t i o n for the killing of the young god. In Snorri’s elaborate version, the events that immediately follow Baldr’s death are the magnificent funeral and an attempt to thwart death (Hermóðr’s ride; the effort to weep Baldr out of Hel); only when this attempt fails, does the narrative spotlight fall on revenge. In Snorri of course there are two slayers, Loki the intellectual author of the crime (ráðbani) and HÄðr the blind brother and hand-slayer (handbani). Though Snorri’s account follows only the revenge on Loki, he must have known of (and suppressed) the revenge on HÄðr (as a remark in ch. 28 [quoted below] and references in his verse sources make clear). The older strand is obviously Óðinn’s engendering of Váli to take revenge on his half brother, as attested in the Icelandic verse sources, and this revenge thread is followed exclusively in Saxo, where no Loki-figure is mentioned in connection with the slaying of Balderus and the two antagonists are not brothers. Saxo’s avenging newborn Bous is a character from Danish myth or folklore; seemingly as extraneous to the myth as we know it from Snorri as Þórr in the Rök version, Bous fulfills his role and immediately dies. Similarly, nothing more is told of Váli than that he took revenge for Baldr (Baldrs draumar 11 [name missing]; Hyndluljóð 29; Vǫluspá 32–33 [name missing]), except that he will return after RagnarÄk with the younger gods. (Confusingly Loki also had a son named Váli, according to some passages, who is also a fratricide in Gylfaginning, p. 49 [ch. 50].) Generally, then, the familiar western sources, the Poetic Edda, Snorri, and Saxo, offer three (or perhaps four) different versions of the myth with varying plots and names. The south Scandinavian (Danish) traces fruitfully studied by Schier add local details (e.g., a spring called Baldersbrønde 18 reflected in an episode in Saxo) and pull the story in the direction of heroic genealogy, without extensively contradicting the Norwegian/Icelandic sources or modifying their narrative. The Icelandic versions agree that a (half) brother of Baldr is born, one dedicated from birth to revenge and supporting no further narrative; this is the story also in Saxo except for the 17 18
For Baldr etymologies, Schier 1976, § 1. Schier 1992, p. 275 and n. 10; 1995, p. 134.
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absence of brotherhood. In Vǫluspá and Baldrs draumar, the newborn is an infant avenger, and Bous seems to have been a baby figure in the background folklore (but a fertility bringer, not an avenger). Hyndluljóð seems generally to belong with the verse tradition, but it does not give the age of Baldr’s avenger. In addition, by mentioning that the revenge falls on the handbani, Hyndluljóð may imply a background knowledge of a ráðbani and therefore knowledge of the Loki version. Gustav Neckel, in what I consider to be still one of the most exciting books on Baldr, speculated that Bous was originally a rebirth of Baldr;19 de Vries (summarized below) also sees Váli as a reborn Baldr, but only in the context of an initiation ritual. In general, scholarship has produced little or no speculation on non-revenge versions of the compensation for Baldr, though Liberman has expressed the opinion that “[a]t no moment in the history of the myth could the revenge be viewed as its central theme.”20 But the proverb from Sonatorrek has certainly never been applied to this (as usually conceived) archetypal revenge tale. Rebirth or heir-replacement would of course not logically preclude revenge. In any case, the East Nordic versions of the death of the beloved young god manage, despite a very similar narrative structure, not to focus exclusively on revenge. Exhibit One for this claim is, of course, the Rök story itself, where ‘compensation’ (vari guldinn ‘was compensated for’; 21–22) appears to consist in regeneration within the family, the engendering and birth of a new niðr in place of the lost one, rather than coming in the form either of wergild or of revenge. This interpretation is supported by Sonatorrek, st. 17, which speaks of an old proverb to the effect that there is no compensation for a dead son unless the father himself should be able to engender a new heir “in place of” the dead. Exhibit Two: The Baldr myth is reflected in a second Gautish, probably West Gautish, story, the Herebeald and Hæðcyn episode in Geatish (Gautish) history as told in Beowulf (ll. 2434–2470).21 Here Hæð-cyn (whose name reflects the same root as that of Hǫðr) accidentally (or ‘accidentally’) kills his brother Here-beald (cf. Baldr). Their father King Hreðel, occupying the structural slot of Óðinn, grieves like Óðinn but cannot take revenge or, obviously, get monetary compensation for a slaying within the family; no new son is engendered, either for revenge on his 19 20 21
Neckel 1920, pp. 211–12. Liberman 2004, p. 46. Beowulf is cited from the 2008 edition.
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brother or as a replacement, though the Beowulf poet does arrange to have the brother-bane soon slain in battle as if revenge were reserved to God or Fate. Hreðel’s grief leads swiftly to his death. Exhibit Three: Within this famous episode, the Beowulf poet has positioned a long, almost Homeric simile in which an unnamed old karl loses his son in circumstances which similarly prohibit any form of external compensation, wergild or revenge (2444–2462a) – the Old Man’s Lament, as the passage is called. In an allusion to the same proverb heard in Sonatorrek 17, the poet tells us that the old man does not care to await another heir (2451b–2454). We do not learn whether this father too dies of grief, but our last glimpse of him is taking to his bed to sing a lament.22 Beowulf’s narrative of a tragedy at the Geatish court – reinforced by the more distant simile – is, I believe, a further Gautish analogue of the Baldr myth.23 And while revenge is here a preoccupation of the narrative (in both analogues in Beowulf, the Herebeald story and its own mirror text,24 the Old Man’s Lament) or a potential turn of narrative (in Rök), these East Scandinavian versions do not end like the western myth in realized revenge. As for the East Gautish version about the death of Vilinn, we cannot be sure that some tellings might not have moved on from the dedicated new birth to revenge (a possibility discussed further on); but the version preferred by Varinn and inscribed on the Rök stone on the occasion of the death of Vámóðr was more interested in the ancient form of compensation in Sonatorrek’s proverb, which is also alluded to in the Beowulfian simile, namely regeneration of the family through replacement or rebirth of the slain lad.
Vilinn’s slayer The second major contrast between Rök’s myth and the western versions lies in the agent of the death of the young god, and here we take up the fifth actor, the s l a y e r . In Saxo, Høtherus’s enmity to Balderus is systematic 22 23
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Discussed in Harris 1994 and 2000. Though I find it hard to understand how students of the myth can doubt this, a long line of doubting scholars does exist, for example, Klaeber, through his 3rd ed., and apparently the editors of the 4th ed. (Beowulf, pp. XLVII–XLVIII), with ample bibliography. Lindow (1997, pp. 139–45) treats the Beowulf episode fruitfully as a legal analogue. Harris 2000.
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and overdetermined: unrelated to Balderus, the human Høtherus apparently simply hates the gods; in addition, the two are competing for the woman Nanna (in Snorri the name of Baldr’s wife) but also for the crown of Denmark – a typical Saxonian mishmash of a narrative.25 In the Icelandic verse tradition (Baldrs draumar 9, Vǫluspá 32, 62–63) HÄðr is Óðinn’s son, Baldr’s brother,26 and alone responsible for Baldr’s death (unless we press the passage Hyndluljóð 29 exceptionally hard, as hinted above), but he stands rather in the background of the story. Only in Snorri is he blind, and the whole famous tale of the game of shooting at Baldr and of Loki’s manipulations follows from that trait.27 Who is the slayer in the Gautish tradition? In Rök the relationship of the killer to the victim is not specified, and we will return to the description of him as a iatun. In Beowulf of course one brother “missed his mark and shot his brother” (miste merċelses ond his mæ¯ġ ofscēt; l. 2439); Hæðcyn is neither blind nor the cat’s paw of some Loki-like figure, so he resembles more his namesake in Vǫluspá and Baldrs draumar. On the other hand, the scene implicit in Herebeald’s death does seem to have the characteristics of a game, perhaps an archery contest. Neckel’s study of Baldr brings out the fratricidal aspect, and there are other Swedish stories of tragic brother slayings.28 Most students of the Baldr myth have considered Loki to be an interloper in the tradition; and von Friesen, whose early study of Rök also identifies allusions to the Baldr myth there, thought that Loki entered the Baldr complex as late as the eleventh century.29 Thus von Friesen’s view of 25 26
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Cf. Fisher / Davidson 1979, I, pp. 65–66 (Davidson’s introduction to Book III). Gade 2006 points out that Snorri does not mention this in Gylfaginning and that the places in Skáldskaparmál where Óðinn’s paternity of HÄðr are mentioned are suspect. Snorri’s silence on the parentage of HÄðr is also mentioned in passing by O’Donoghue 2003, p. 84. The point is well-taken, but the Vǫluspá passage, ably discussed by Gade (pp. 271–272) would seem to make it difficult for Snorri to have missed the relationship, even if his delicacy might lead him to suppress any direct mention of it (cf. Vésteinn Ólason 2003, p. 155). O’Donoghue (2003, pp. 88–89) astutely points out that since the knowledge of the danger inherent in the mistletoe is limited to Frigg and Loki, “any sighted god might throw it, even without persuasion, in innocent ignorance of its lethal potential.” And O’Donoghue goes on to build a strong case for regarding certain elements of Snorri’s telling not found in other sources, especially the blindness motif, as Christian borrowings. Lindow (1997, ch. 5, esp. pp. 137–145) has a thorough discussion of killing within the kin-group and the fratricides of Ynglingatal and Ynglingasaga. I am more inclined than he to see “relationship” among such stories, whether genetic or by contact. von Friesen 1920, pp. 60–61.
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HÄðr, like Saxo’s, held the killer at a distance from the “family romance.” It would be foolish to attempt here a full-fledged reconstruction of the “original” narrative in view of the many, many studies of the Baldr myth I have not read, but it should be obvious that Snorri, Icelandic verse, and Beowulf support the killer’s family relationship to the victim while Rök may be compatible with that analysis and Saxo’s deviance can be explained in many ways, perhaps beginning with his historicization of the story. This brings us to a consideration of the description of the killer on Rök as a iatun, a challenge to our hypothesis about the myth encoded there – its secrecy protected by cipher and a cryptic arrangement of text – but also an opportunity perhaps to look more deeply into the myth and into Old Norse myth generally. Liberman has recently commented on Baldr’s slayer in a manner that sounds prophetic in the context of our argument: The earliest name of the villain in the ancient myth is lost. Loki was originally a chthonic deity, and there were others, such as Hel. Still another may have been HÄðr. The name varied from community to community, and by the end of the first millenium A.D. no one knew for sure who killed Baldr.30
The word iatun can only be an early form of the later OWN jǫtunn, ModIc jötunn, which of course normally means “giant,” although the OE cognate eoten tends more toward “monster” and does not extend to the (goofy, amusing, rarely frightening) big fellows of later folklore. The respected dictionary of Clark Hall and Meritt registers the semantic range in OE as “giant, monster, enemy.”31 The word appears in Rök for the first time in the written record32 and poses the question how a jötunn should be integrated into the Baldr myth in its variants. (1) It is possible, perhaps just barely possible, that Jötunn is simply the name or, more probably, the nickname of the killer. E. H. Lind lists a Jötunoxi, brother of Night, as a fictional name from a mythic-heroic saga and also a semi-historical Iotunbiorn, a nickname which, like many others, would have become a regular name in the next generation.33 Hellquist recognizes that Old Swedish had this word as a name or nickname, citing
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Liberman 2004, p. 36. Clark Hall / Meritt 1962, s.v. Lindow 1995, p. 10 accords the honor of the first occurrence to Ynglingatal, st. 2 (jǫtunbyggðr); but if we give both early sources their traditional dates, Rök must precede by at least half a century. Cf. Schulz 2004, p. 41. Lind 1931, p. 540; 1920–21, p. 182.
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the example of a Iætunsbol, now Jätsbol, in Södermanland.34 In Rök literature itself we find a nearby hamlet named Jättingsta, which appears as Iætungstadh in the fourteenth century. Von Friesen traces this place name to a runic iatunstaþum and comments: Närmast till hands ligger kanske att här uppfatta iatun såsom ett vedernamn på en person. Men den möjligheten är måhända icke utesluten att till platsen en gang var knuten en mytisk lokalsägen om någon jätte, som så gifvit byn dess namn.35
If Jötunn is a name or nickname, the favored fratricidal model would be untouched in Rök’s variant of the myth. (2) It seems more likely that jötunn is used in this early text as a hostile epithet, as if in modern English we were to call someone a “monster.” This usage would make most sense in the context of a fraternal slayer, where perhaps it is painful, from the father’s point of view, to utter the real name of his son’s killer. Snorri happens to mention precisely this motivation in Gylfaginning, ch. 28: HÄðr heitir einn Ásinn. … En vilja mundu goðin at þenna Ás þyrfti eigi at nefna, þvíat hans handaverk munu lengi vera hÄfð at minnum með goðum ok mÄnnum ‘There is one god (Áss) called HÄðr … But the gods would wish that it was not necessary to name this god because his handiwork will long be kept in the memory of gods and men.’
We may see a parallel to this (imagined) situation in Beowulf’s Baldr-analogue, where the deed, though apparently accidental (“missed his mark”) is nevertheless a feohlēas ġefeoht (2441a) ‘a fight/feud that could not be compounded by wergild’ and fyrenum ġesyngad ‘wickedly and sinfully committed’ (2441b); Hæðcyn is flatly called his own brother’s “life’s bane” (feorhbana) and no longer dear to his father (þēah him lēof ne wæs, 2467b); the deed was a “hostile act” (fæ¯ghðe, 2465b; so Klaeber). Hæðcyn’s name is not used again after 2437, while Beowulf, narrating his memoirs, adopts a paternal viewpoint (roughly 2440–71), and is only named again when the narrative has resumed a more objective view as Hæðcyn is slain in battle 34
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Hellquist 1967, p. 428. An early modern Low German feminine (olde) eteninne ‘(alte) Hexe’ appears in the dictionaries; Karsten 1915, p. 117 attributes it to a 1652 publication by Laurenberg (Johann Lauremberg) via Tamm 1890–1905 and calls it a “Spitzname.” This comes from Tamm 1890–1905, p. 404: “= gammalt troll ss. skämtsamt vedernamn.” I am unable to check the context in Lauremberg, but if Tamm was right we have an instance of our appellative as a nickname. von Friesen 1920, p. 61.
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(2482b). In the stretch of text that shows what I am calling paternal narrative shading, Hæðcyn is once referred to as þone heaðorinċ (2466a); this is of course simply a periphrasis, avoiding the name and calling him “that warrior” but utilizing a noun that embodies the same first element as we find in Hæðcyn’s real name. Heaðorinċ is indeed an epithet substituting for the name of a brother-killer in a context of strong paternal disapproval, but in itself heaðorinċ does not carry the negative connotations of “monster” or jötunn. Beowulf does, however, offer other passages where eoten, the OE cognate of jötunn, may well be a negative epithet for “enemy.” In the course of another argument (on which below) Karsten commented on the New Norwegian senses of the by-form of our word with -l-, instead of n-, derivation, jøtul, jutul, “die, ganz wie die in Frage stehenden finnischen, als Schimpfwörter für Menschen angewandt werden.”36 A new study of the giant in ON gives some slight comfort to this point of view. Schulz comprehensively surveys “giants” under their several appellatives, but all her texts are later, most much later, than Rök. In her survey of words for “giants,” jötunn appears as the most neutral (among such terms as tröll, þyrs, skass, etc.),37 though it is used as a term of opprobrium, “als Beschimpfung,” a few times in traditional prose (Völsunga saga).38 But it is noteworthy that, according to Schulz, the characteristics of “giants” in the earlier texts do not include size,39 and even the humanoid character of later “giants” is not uniformly reflected in presumably early sources: thus the World Serpent, the Fenrisúlfr, Hel, Garmr, and also in Fáfnismál Reginn (a dwarf) and Fáfnir (a dragon) are jötnar.40 The Beowulfian passages supporting a negative metaphorical usage are well known, the Finnsburg Episode (1063–1159a) and the death of Heremod (901–915). Beowulf scholars have long argued inconclusively for either Jutes or giants in the two passages, where reference is made to eotenum and eotena (dat. pl., gen. pl.), ambiguous grammatical forms, which can be understood as belonging to eotenas (ON jötnar) or to Ēotan (Lat. Iuti). (Technically the gen. pl. is the only ambiguous form in the paradigm of i-stem folk names.41 The origin of the -na is obscure, but this was the point from which the weak inflection of such forms as Seaxan, Englan
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Karsten 1922, p. 30; 1943, p. 82; 1906, p. 7. Schulz 2004, pp. 41–50; summary chart for fornaldarsögur, pp. 51–52. Schulz 2004, p. 51 “p = perjorativ, als Beschimpfung.” Schulz 2004, pp. 24, 57, 62–64. Schulz 2004, p. 54, n. 136. See the full explanation in Campbell 1959, pp. 245–46.
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began.42) The result was that the n-stem revision of the originally i-stem folk name of the Jutes (*Ēote, *Īote, *Ȳte) could be confused with reflexes of our iatun. But in the two Beowulf passages the problem is not only whether to put the equivalents of Jute or iatun into the text but in what sense to understand the iatun word. As early as 1839, Heinrich Leo explained the OE forms as meaning “die älteren, risenhaften, untergegangenen einwoner des landes; dann überhaupt alleß, waß sich in wilder naturkraft feindselig entgegensetzt, alle widerwärtigen feinde”;43 and he settled on the last phrase, “widerwärtige feinde,” as his paraphrase of the eotenword in its later occurrences.44 Basically the same idea appears in a brilliant modern form by R.E. Kaske.45 Kaske demonstrates from skaldic sources that jötnar could be “an insulting figurative epithet for ‘enemies’” and also finds some looser parallels.46 This interchange between “giant” and “enemy” is not one of the canonical skaldic tropes but only an informal and ad hoc usage that could arise anywhere. Kaske works carefully through the ten Beowulfian instances of eoten and argues persuasively that the “enemy” connotation of eoten fits the five problematic instances in Beowulf.47 Not every reader has been convinced, but the only programmatic objection I know to Kaske’s main argument concerning the “hostile epithet” is our faith, inherited largely from Heusler and his scholarly tradition, that Germanic heroic poetry did not take sides, that its ‘epic’ narrative reported events objectively. (3) The possibility must remain a strong one, in the context of Old Norse myth and of the message of this part of Rök, that the iatun is a real “giant,” a creature that appears widely in later Norse verse and prose and constitutes 42 43 44 45 46
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Campbell 1959, p. 246. Leo 1839, p. 67, n. I owe the reference to Leo to the editors’ learned n. to l. 1072 in Beowulf, p. 181; the editors do not favor giants. Leo 1839, pp. 80, 81. Kaske 1967; cf. Stuhmiller 1999. Kaske 1967, esp. pp. 289–90; 294; Skáldskaparmál, ch. 31 (Faulkes I, p. 40): Mann er ok rétt at kenna til allra Ása heita. Kent er ok við jǫtna heiti, ok er þat flest háð eða lastmæli. This passage is also cited by Schulz (2004, p. 14, n. 3), who adds a citation of Gulaþingslǫg criminalizing similar insults (though the “giant” words used do not include jötunn). Kaske’s use of a fourteenth-century commentary on one apparent use of a “giant” word (miðjungi, dat., glossed as iotun) is circumspect (1967, pp. 289–90, 305, n. 14) and cites Meißner’s contrary opinion. I am less persuaded by his secondary arguments that the insult was traditionally applied especially to Frisians and by his biblical echoes and accompanying deeper reading; but the first part of Kaske’s article can stand without these further developments.
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an important segment of the very structure of Norse mythology. Sometimes the jötnar seem, Titan-like, to resemble an older race of gods, more often monsters; in early myths their universal defining trait seems to be hostility and contrast to the gods; but if the opposition between gods and giants is structural in Old Norse mythology, so too is their integration and interdependence. Loki, who is blood-brother to Óðinn and lives among the gods, is of giant ancestry, and of course the male gods happily practice exogamy with giantesses, while male giants would gladly reciprocate by abducting goddesses if they could. In fact, if Rindr was originally a giantess (Snorri says that she and JÄrðr are “enrolled” among the goddesses, as if added in a courtesy appointment), then Baldr’s precocious avenger Váli was a half-giant; and Þórr’s giant mistress Járnsaxa gave birth to a similarly precocious strong-baby, Magni. For that matter Þórr’s mother in the standard mythology is the giantess JÄrðr (‘earth’; however, she is also classified as a goddess, and the primary sources here are contradictory). Another coupling on this pattern (Óðinn with Gríðr) yields another avenging god of the younger generation, Víðarr, who avenges Óðinn at Ragnrök and is paired with Váli in Snorri’s accounts. The former giantesses Rindr and JÄrðr remain Nebenfrauen of Óðinn even after their narrative moment as his mistress, and the mythology seems to treat them, like Skaði, as converted to goddess status. The theme of giantess-exogamy in Old Norse myth and genealogy and more generally the role of giants in the mythology have been extensively discussed in recent works.48 If iatun in the Rök inscription designates a “giant” like those in the standard western mythological sources, then it will be difficult to separate him from Loki, who of course is in Snorri one of the slayers of Baldr. Von Friesen’s solution (though his reconstruction of the myths attested on Rök is quite different) was to suppose that HÄðr was originally a giant, hence his hostility to the gods in Saxo and his outsider status in Snorri.49 The iatun in Rök might then simply be an epithet for HÄðr and, we might add, the root of the later western version with Loki. But despite von Friesen, Rök’s iatun need not have borne the name HÄðr and of course could not literally have been Vilinn/Baldr’s full-brother if he was literally a giant. This model is thus not strong when considered in the context of the other versions, Saxo and the verse versions, for it would not be easy to imagine how the hostile jötunn of Rök could have evolved into the brother of Baldr. And conversely, severing Rök from the brother motif would separate it 48 49
See the studies of Gro Steinsland and of Margaret Clunies Ross, especially Steinsland 1991 and Clunies Ross 1994. von Friesen 1920, pp. 60–61.
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from the most constant aspect of the slayer in the Western versions. To satisfy the history of the story we still need the fraternal model and have to imagine the convergence of two related story patterns, which could be independent realizations of the same myth. Of these three explanations – in short hand, (1) name/nickname; (2) hostile epithet in a fratricidal model; (3) real giant – the first and second are scarcely mutually exclusive, and I find that explanation the least unsatisfying, at least at a superficial level. A real giant raises more problems in explaining the relation of the Rök myth to the western versions and especially to Beowulf, and I am still very taken with Neckel’s great construction (which I have not tried to summarize here) based on fratricide. Two features of Rök must be cited in favor of the third explanation of iatun, however. First, the newborn brother, replacement of Vilinn/Baldr, is here named Þórr, and Þórr’s enmity to giants is one of his most obvious characteristics throughout the mythology. Even though Varinn’s version of the Baldr myth (like the proverb cited in Sonatorrek 17) imagines compensation through replacement (or rebirth) within the family, it is undeniable that the coincidence of a “Þórr” and a “jötunn” in the same story raises expectations of violence. And, as I theorized above, other tellings with the same dramatis personae might have led straight to the jötunn’s death. The second feature favoring a real giant is the manner in which iatun killed Vilinn in my reconstruction: the verb knua, which like so many words in Rök is hapax legomenon, has been related to the words for knuckles and might imply a more primitive mode of killing than any of the other versions (making the slayer a literal handbani). One of the heroic/ historical fratricidal tales of Ynglinga saga has similar, more physical acts of violence,50 but the status of these stories in relation to the myth is not at all clear. All the other established texts of the myth proper allude to a missile or in Saxo to a sword thrust during a mysterious (or poorly told) night-time encounter on a path. The “real giant” plot is however rather thin and unsatisfying. One wants to ask, who was this giant and why did he want to kill “the lord of joy”?
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On the fratricidal brothers of Ynglinga saga, see Lindow 1997, pp. 139–140.
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iatun in the context of a mythology of death Many theories of the Baldr myth have been propounded and now ably surveyed in three recent publications.51 I can add nothing to their Forschungsbericht, except evaluation. In this respect, though, I still regard Jan de Vries’s 1955 article “Der Mythos von Baldrs Tod” (the main source of his interpretation of the myth in his Altnordische Religionsgeschichte)52 as the single richest interpretative study for my purposes. Lindow’s work, the most extensive recent book on Baldr, does command agreement as far as it goes; he writes about the mythic material around Baldr chiefly as it exists in thirteenth- and fourteenth-century Icelandic sources, asking what writers like Snorri saw in it.53 Not surprisingly, the answers chiefly relate to medieval society, especially to the feud as social institution. While it would be difficult to assert that this “contemporary” medieval view – medieval reception, in short – is not a reasonable mode of interpretation, it seems to me ultimately an exercise in demythologization. Perhaps to Snorri and the thirteenth century these were pretty or horrific tales of the ancients that could have a contemporary application (what kind of automobile would Jesus drive?), but at an older stage of belief, something darker and probably not accessible to reason (the Trinity; drinking the blood and eating the flesh of god) is to be expected. In any case, Rök’s version of the Baldr myth – always assuming a cautionary “if it is the Baldr myth” – is over two centuries earlier than any other and geographically marginal with respect to the later attestations. If I ask what is the Baldr story about as relatively early myth, de Vries’s article seems the place to start. Lindow also expresses admiration of de Vries’s ideas (“doubless the most lasting contribution to recent Baldr research”), but of course he also proceeds to criticize.54 I agree with those parts of Lindow’s criticism that focus especially on de Vries’s ritual of initiation; but while this is indeed foregrounded in de Vries’s theory, his background reading of the myth is not dependent on it. In the following I draw on de Vries without citing his support at every turn. Baldr’s death is, then, the First Death in this mythology, and as a whole his myth treats the problem of death. True, the primordial being Ymir was 51 52 53 54
Schier 1995; Lindow 1997; Liberman 2004. de Vries 1955; 1956–57, II, pp. 237–238. Contemporary reception is also the approach of Vésteinn Ólason 2003. Lindow 1997, p. 30, pp. 33–36. A somewhat more theoretical critique of de Vries 1955 is to be found in Schjødt 2000 and 2003; in 2000 Schjødt focused chiefly on the initiatory-ritual aspect but in 2003 brought out more fully the contradiction between the two parts of de Vries’s point of view.
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butchered to furnish body parts for the creation of the universe at the very beginning of the cosmic order, but Baldr’s drama stages the first tragedy of mortality relevant to humans. Baldr’s position as beloved member of a family and as a human-like god (demi-god in Saxo) separate him from Ymir and his death from any death-like phenomenon not grounded in a ‘society,’ the primeval society of the family, in mythological time before him. As source of the construction blocks of the universe, Ymir belongs to nature; Baldr belongs to culture. Óðinn’s grief is the paradigm of paternal grief; Baldr’s funeral is paradigmatic for human funerals, at least among the elite cults. It seems that grief was discovered on this occasion and perhaps the funeral elegy, the erfikvæði, invented. The effort to bring Baldr back from the realm of death (Hermóðr’s ride and the attempt to weep Baldr out of Hel) is almost successful, but not quite, and de Vries is right in comparing this motif across cultures to origin-of-death motifs. This motif might have carried various meanings in various times and places, but Lindow is probably right in associating the “near-miss” at preventing death with death’s inevitability in the world as we know it.55 Commentators have not in general noted a similarly paradigmatic quality in Baldr’s manner of death, but to me death in a game and at the hands of a relative seems quintessential.56 Further, Hreðel’s reaction in Beowulf, and the Old Man’s in the simile there, seem to me the quintessential reaction to death within the family.57 Rök and the ancient proverb provide a natural form of compensation – if only one could believe in it – and in general the myth can surely be said to concern the consequences of death, including the social consequences such as revenge. Lindow emphasizes this last element of the “mythologem,” supplementing de Vries’s breakdown into three parts (death; funeral; and attempt to overcome death) with two more parts, revenge and reconciliation.58 And indeed revenge may well have been the element that found the greatest resonance in the later reception of the myth in the age of its preservation in Snorri.59 I have argued that at an earlier period the Baldr paradigm was intimately tied to grief and its expression in the erfikvæði along the lines of 55 56 57 58 59
Lindow 1997, p. 32. On Baldr’s death and the divine pattern for the living, see Steinsland 1991, pp. 260–270 and Harris 1999b. See also Lindow’s discussion of Hreðel and of the problem of accident (1997, pp. 141–145). de Vries1955, p. 47; Lindow 1997, p. 32. Lindow scouts the subject of feud within the mythology in broader anthropological terms in Lindow 1994.
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Eliade’s famous exposition of reciprocal imitations between god and man.60 In Rök’s inscription, and to an extent in the Baldr-influenced compositions Sonatorrek and the Old Man’s Lament in Beowulf, compensation for death other than revenge is weighed, and at an early period, I hypothesize, the story of this First Death concerned the nature of death itself. Baldr does not return from death in the manner of a vegetation god. He returns only at the end of the present cosmic cycle, along with the other younger Æsir; they do not return like spring to the same world they left but instead will begin a new aeon. True, some features of the older culture (perhaps symbolized by chess men found in the grass) will exist in their memory, but the new world is not something the seeress of Vǫluspá can extensively preview or even conceive. The important thing about Baldr is precisely that he dies, that he is a dead god. Baldr’s death is foreshadowed by dreams; in his story, death is first of all the fated end of the beloved hero, and insofar as the god is a paradigm for man, it teaches that man cannot evade the fact of his own fated end. Death comes to Baldr too soon, but that too seems paradigmatic for the experience of men in the world. In the very first line of the Rök inscription, Vámóðr is described by the epithet “fated to die” (faigian); commentators have had some difficulty in justifying this epithet for a youth who is already dead.61 The point, I believe, is to associate Vámóðr with Baldr/Vilinn very much in the way Eliade’s famous theory would have predicted. After all, we are all fated to die (feigr) and, with few exceptions, to die too young by our own lights. What death actually does in the myth is not conceived in anatomical terms (as we moderns might describe death); instead it is a social fact: it removes Baldr from his family and the clan of the gods, breaching the circle of kin (so Sonatorrek). The famous funeral ritualizes this breach and causes the remains of Baldr to disappear, but Baldr himself continues to exist in the underworld home of Hel. Norse mythology of various periods knows various things about the lands of the dead,62 but etymologically Hel is the “covered,” hidden, invisible. And since Hel “lies downward and northward” (niðr ok norðr liggr Helvegr; Gylfaginning 47 [ch. 49]) according to Snorri, the concept of Hel is widely held to have been based on the communal passage graves of the late Stone Age, which opened to the south.63 It is also generally agreed of Hel that the covered realm came first 60 61 62 63
Harris 1999b and 2006a. Harris forthcoming a, n. 80 and associated main text; Bugge 1910, pp. 8–9; Harris 2006b, p. 89. The old survey of Ellis [Davidson] 1943 is still serviceable. de Vries 1956–57, I, p. 91, II, pp. 374–375; Simek 1984, p. 168.
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and the goddess (genealogically a giantess, of course, but respectfully treated by Snorri) followed as a personification;64 in any case, Hel as an individualized frightening human-like figure is firmly present already in the Sonatorrek of 961. In Kalypso, his highly original book of 1919, Hermann Güntert seemed to argue the contrary, so that Hel the individual preceded Hel the dismal hidden land of the dead, rather than the other way around;65 but as his argument develops, the person and the place seem to become rather co-developments from the fear of the communal grave.66 Güntert’s etymological exploration of the expressions of the PIE roots for the ideas “hide, cover, enwrap,” especially the derivatives of PIE *kol- / kel-, puts many aspects of Germanic death mythology into illuminating cross-cultural perspectives. To Güntert, Hel is “eine uralte, gemeingermanische Dämonin – eine Dämonin […] nicht eine persönlich gestaltete Göttin!”67 Her name and function are, he says, “pre-Indo-European,” presumably in the sense that they are shared with Finno-Ugric.68 Güntert cites the Finnish scholar E. N. Setälä: [N]ach ihm gab es eine allen finnisch-ugrischen Völkern gemeinsame, chthonische Gottheit Koljo, deren Name sich ergibt aus finn. koljo ‘Riese, riesenhaftes Geschöpf’ … [attestations]… Ich denke diese Belege genügen, um zu beweisen, daß diese finnisch-ugrische chthonische Todesgottheit Koljo identisch ist mit unserer nord. Hel < urgerm. *Halja, idg. *Kolso …69
Now, it must be said immediately that the field of Germanic-Finno-Ugric loanwords has been a controversial one over a long period of time, and I do not have credentials independently to support my enthusiasm for Güntert’s brilliant book or Setälä’s equation. The connection of Hel and Koljo is still accepted by some experts but generally is out of favor.70 Luckily the Finno64 65 66 67 68
69 70
Simek 1984, p. 168. Güntert 1919, pp. 35–40. Güntert 1919, p. 43. Güntert 1919, p. 39. Güntert 1919, p. 44: “wir können die Gestalt nicht nur in indogermanische, sondern gar in vorindogermanische Zeit sprachlich verfolgen, in eine Zeit, in deren tiefes, tiefes Dunkel bis jetzt nur in seltenen, besonders günstigen Fällen die Sprachwissenschaft hinunterzuleuchten ermöglicht.” Güntert 1919, pp. 52–53; Setälä 1912, pp. 170–183. An important witness to modern opinion is Klystra et al. 1991–96; on p. 105 (s.v. koljo) the editors report that, while the Uralisches etymologisches Wörterbuch (Rédei 1988, I, p. 173–174) recognizes the word as Finno-Ugric for “böser Geist,” various other authoritative sources cast doubt on the word itself. The editors summarize: “Setälä dachte an Herkunft aus einer noch indogermanischen Sprachstufe; ähnliches bei Pokorny. SKES [Suomen kielen etymolinen sanakirja] versieht
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Ugric connections of the mythological figures under discussion here, while they add color and depth, are not crucial in my overall argument. In Snorri, Hel is a daughter of Loki by the giantess Angrboða and one of the three great monsters of Norse mythology – the cosmic wolf Fenrir, the world-encircling serpent Jörmungandr, and the ghastly half-black mistress of the dead, Hel. But her treatment there is much more diplomatic than that of her monstrous siblings; she is for example barely mentioned in connection with Ragnarök where her brothers have their great moment of destruction (... en Loka fylgja allir Heljar sinnar ‘but all Hel’s folk will follow Loki’; Gylfaginning 50 [ch. 51]). Probably Güntert is wrong in his original emphatic dismissal of the “personification” of the grave, and indeed he hardly maintains his own claim.71 He is probably right, however, in seeing the creature Hel, a personification but not necessarily a late one, as originally a corpse-devouring demon rather than the sober administrator over the halls of the dead Snorri portrays (Gylfaginning 27 [ch. 33]), and in general the development of Norse religion – for example in the concepts of Valhöll and of valkyries – from a real terror of death in more primitive stages toward medieval bowdlerization is clear. Hel seems, then, etymologically to be a demon who “covers, hides, conceals” the corpses of the dead, but Güntert frequently refers to her with a different vocabulary: “menschenverschlingende Leichendämonin, wie ich sie für gemeingermanisch und vorgermanisch halte”; “in den Höhlen und Grüften, in welche die Toten gesenkt werden, haust die gierige, alle Menschenleiber verschlingende Leichendämonin…”72 This language implicitly identifies the “concealing” she-demon with one that actively (“gierig”) consumes its victims; and while a few images of Hel in ON seem to support this eater of the dead (e.g., Hel as a carrion-eating raven in Egill’s Hǫfuðlausn 1073), Güntert seems really to have in mind the wolf and hound which are associated with death:
71
72 73
die Herleitung von fi.-ugr.*kolja aus dem Indogermanischen mit einem Fragezeichen” and continue by mentioning three neutral or semi-positive studies. (The only one I have been able to consult is Loikala 1978, pp. 45–46.) Yet the editors’ extensive bibliography on this item apparently supports their final judgment: “Kein germ. LW.” An invaluable account of the complex field itself is Klystra 1961; I have not been able to acquire the continuation of this study in Hofstra 1985. Güntert finds it “strange” that even his main guide to earliest Finno-Ugric/IE relationships, Setälä, views the feminine OIc. Hel as a late personification (Güntert 1919, p. 53, n. 5; Setälä, p. 183, n.). Güntert 1919, pp. 40, 39. Cited by Güntert 1919, p. 42; Ellis [Davidson] 1943, p. 84.
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Mit diesem Garmr aber haben wir einen Beleg für die uralte Vorstellung vom Leichenfresser genannt, vom tierisch, gierig schlingenden Todesdämon, wie er gemeinsam dem ‘vieräugigen Hund’ der alten Inder, den beiden Höllenhunden des Awesta, die die Brücke Činvat- bewachen und dem Kerberos der Griechen zugrunde liegt.74
Güntert goes on to make what he calles “eine Proportion”, a proportional formula, out of the relationship of the goddess and the hell-hound such that Gottesgestalten und Dämonen, die auf Grund ähnlicher Vorstellungen entstanden waren, erscheinen in der Sprache des Mythos als leibliche Verwandte …: Hel : Fenrisulfr, Garmr = Hekate, Hekabe : Kerberos.75
A few of Hel’s jötunn relatives are explicitly associated with the eating of human flesh (hála nágrǫðug ‘carrion greedy giant-woman’ Helgakviða Hjǫrvarðssonar, st. 16 [Poetic Edda, p. 144]), the most impressive instance being the jötunn in eagle-form, Hræsvelgr (‘carrion-gulper’), who sits at the end of heaven creating the winds (Vafþrúðnismál, sts. 36–37 [Poetic Edda, pp. 51–52]; Gylfaginning, p. 20 [ch. 18]). But the category “jötunn” is casually used, and the development of Hræsvelgr from the “beasts of battle” is an easy one.76 The etymologies of Fenrisulfr and Garmr offer no connection with the sphere of death, despite their role in the mythology. (Fenrir has no satisfactory etymology; the connection with fen “swamp, water” suggests only a wilderness monster, but one related ethnic name does make probable a respectable age for the name.77 Garmr is derived from a root associated with noise, in this case his barking.) But these monsters were jötnar, and jötunn does have a widely accepted etymology that leads, I would argue, into the sphere of Hel’s (presumably corpse-devouring) canine kinsmen. De Vries reconstructs PGmc *etuna- from the root of *etan- ‘to eat’ and expands: “Wohl ein riesenname ‘der gewaltige fresser’, oder sogar ‘leichen74 75 76
77
Güntert 1919, p. 41. Güntert 1919, p. 41. de Vries (1956–57, I, p. 250 [§177]) comments: “Der Name ‘Leichenverschlinger’ hat zur Theorie Anlaß gegeben, daß die Riesen ursprünglich Totendämonen (sarkophagoi) gewesen wären ..., aber das ist sicherlich falsch. Der Gedanke, daß der Wind dem Flügelschlag eines Riesenvogels zur verdanken ist, kommt in allen Teilen der Welt vor; der Adler wird gerne als Sturmvogel gewählt, und weil er von Leichenfraß lebt, konnte man ihn in der nach Namen lechzenden nordischen Mythologie Hræsvelgr nennen. Seine riesenhafte Gestalt ließ ihn dabei als einen jÄtunn erscheinen.” Simek (1984, pp. 189–90) agrees. On the beasts of battle, see Harris 2007. de Vries 1977, s.v.
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verschlingender dämon.’”78 Within Germanic, n-stem derivatives from the root give OHG ezo, ezzo, glossing edax ‘glutton’, filu-frezo ‘Fresser’, and man-ezzo ‘man-eater’.79 If Finn. etona, etana ‘schnecke, würmchen; schlechter mensch’ is a Germanic borrowing, as some of the earliest scholars of Germanic-Finnic loanwords have claimed, then we have the old Germanic form more or less frozen in time and, perhaps, in the worm a reflection of original devouring death.80 The later forms in Danish and Swedish like jætte, jätte are attributed by Hellquist to hypocoristic gemination, but it seems more probable that they arose from forms in the paradigm which have the geminating combination *-dn- (PIE *édun-, *edn-´).81 Finno-Ugric or various Finnic languages have borrowed words derived from the root of jötunn several times. Among others, the dictionaries cite an -l- (instead of -n-) derivative in Finn. etolainen ‘repulsive’ from PrNordic *etula-, *etola-, which itself is directly attested in NNorw jøtul ‘giant’, as well as later Finn. borrowings from an OSw *iatul in Finn. jatuli ‘giant’.82 Old English also shows an -l-derivative, the adj. etol, glossing edax ‘voracious, gluttonous’, a compound ettul-man, glossing homo edax, and an abstract ettulnys, rendering edacitas.83 Thomsen, the nineteenth-century father of Germanic-Finnish loanword studies, listed also NorwSaami jetanas and SwSaami jættenes “giant” as equivalent to jötunn and derived from *etunas, while Finn. jätti, dial. jatuli are later borrowings.84 In the period from 1906 to 1943 Karsten published a great series of studies of Germanic-Finnish loanword relations, in each of which Finn. etona, etana 78 79 80
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de Vries1977, pp. 295–296. Karsten 1943–44, p. 82. “Även betydelseutvecklingen ‘jätte’ > ‘daggmask’ [earthworm] har en bekant parallell: i den nordiska jättebenämningen troll, vilken såväl i Sverige som i Norge även användes om krypande insekter; jämför redan finska lånordet turilas (se nedan) = 1) jätte, 2) skadlig trädinsekt” (Karsten 1943–44, p. 82). Hellquist 1967, s.v. jätte; Krahe / Meid 1969, pp. 114–15 [§ 99], cf. pp. 121–124 [§ 111]. Meid comments: “Nach anderer (und wahrscheinlich besserer) Auffassung sind die betreffenden Geminaten teils expressiver Natur, teils sind sie – in bestimmten Formationen – analogisch-morphologischer Natur” (p. 115). Schaffner, who doubts that this word is semantically likely to have been subject to hypocoristic gemination, provides the contemporary understanding of the phonological development (2005, p. 85); but essentially the same understanding has been long been standard (Karsten 1943, p. 82). Hellquist 1967, s.v. jätte. Karsten (1943–44, p. 82) notes that the NNorw words for jätte – jøtul, jutul, jutel – are used “som skymford för människor”; pp. 82–83 have the clearest discussion of etolainen (also eto, etosa, etoa), in my opinion. Bosworth / Toller 1898, s.v. Thomsen 1920/1869, p. 178.
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belongs to a group of Finno-Ugric words from Germanic that must have been borrowed before the first sound shift.85 In the twenties and thirties, however, Collinder made a strong case for all the forms related to etona that did not show breaking, i.e., showing et / ed-, as native.86 This whole territory, and our word in particular, remains controversial and forbidding to the non-linguist outsider, but the helpful modern works of Klystra seem to authorize the trespassing mythologist to proceed in the belief that etona may actually be a borrowing from (pre-)Germanic.87 In Old English, of course, we find that the cognate eoten is applied especially to the cannibalistic monster Grendel. Old English eoten has the variant eten, and in Middle and Early Modern English et(t)in is still common. OE also has a well-attested ent ‘giant’ where the usage approximates to gigas closely, especially as to size; I have not been able to find a satisfactory etymology of ent, which (as enz) is found, according to Grimm, in the Bavarian dialect of NHG.88 Falk and Torp also take *etuna- to *etan‘to eat’ and gloss it “also ‘vielfresser’ (oder ‘menschenfresser’)”.89 Alexander Jóhannesson extensively parallels his etymological gloss to valkyrja: Die walküren hatten urspr. vogelgestalt (vgl. Neckel, Walhall 79), und ags. wælcéasiga ‘rabe’ deutet auf die urspr. bed. von kjósa hin: ‘schmecken, geniessen.’ Demnach ist valkyrja urspr. ein vampyr oder bluttrinkender dämon, eine personification der aasvögel der walstatt, ebenso wie jǫtunn ein leichenfressender dämon, eine personification der vermoderung ist …90
De Vries expresses some doubt about the derivation of ON jǫtunn from *etuna- on two counts. First, is a u-stem *edu- likely? This seems to echo 85
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Karsten 1906, pp. 7–8; 1915, pp. 116–118 (a very accessible discussion); 1922, pp. 79–81; 1943, pp. 82–83 (his last word on the subject); see his bibliography for etona, 1943, p. 83. Collinder 1924, pp. 79–81; 1932–34, pp. 188–190. Klystra 1961 is very readable, but its detailed treatment does not lend itself to summary (but see p. 152). For etona, etana the Lexikon of Klystra et al. (1991–96, I, p. 57) is more quotable: “Die alte, noch vom Fennisten Setälä gutgeheißene Herleitung aus dem Germ. wurde von Collinder [...] abgelehnt und findet sich seitdem nur noch bei Skandinavisten (Hellquist, Karsten, Nielsen). [...] Zu erwägen wäre, ob nicht etana doch germ. Herkunft ist. Semantisch ist Entlehnung denkbar: die Gefräßigkeit von Schnecken ist ja bekannt. Für ein germ. Original von etana ist die Bedeutung ‘Fresser’, die im Ahd. vorliegt, eher denkbar als die Bedeutung ‘Riese’, die sich im Nordgerm. findet und wohl auch auf ‘Fresser’ zurückgehen könnte.” The editors’ concluding verdict is “? Germ. LW.” Holthausen 1963, s.v. eoten; Grimm 1854–1960, s.v. enz. Falk / Torp 1910, s.v. Jætte. Alexander Jóhannesson 1956, p. 322; basic etymology under ed-, pp. 53–54.
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Pokorny, who integrates jötunn, eoten into the large word-family under *ed- ‘essen’ with a question whether “ein alter u-St. edu-” may be assumed from Lat edulus ‘Esser’ and Lat edūlis ‘eßbar’.91 Pokorny’s display of derivatives includes many verbal forms and nominal stems, but most nouns are built on extended-grade roots. Our word seems to be the only agent noun built on the normal grade among this group of derivatives in Pokorny, but my linguistic consultants raise no serious objection.92 De Vries’s second doubt concerns (1) the suffix *-una- (as in Lat tribūnus) instead of the more common *-ana- and *-ina- and (2) the fact that words with this suffix are usually derived from collectives.93 To judge by Meid’s extensive study of “Das Suffix -no- in Götternamen,” the *-una-suffix, though common in Latin, may be rare in Germanic, but the material is not examined for this question. However, Meid’s paragraphs on the base word seem to demonstrate that while appellatives showing leadership (dróttinn to drótt, þēoden to þēod) are indeed based on a collective, divine names are not (Óðinn, not to, for example, the “Wild Hunt” but to óðr, with original u-stem exchanged for an a-stem; Ullinn to *wulþus, etc.).94 (De Vries, whose dictionary came out in 1962, does not cite Meid’s 1957 article.) The base word of jötunn would seem to qualify well if it meant here not so much simple “food” as a collective idea of food, especially “carrion, a collection of dead bodies for eating”; we find precisely this meaning in vocabulary based on the extended grade of the same root, *ēdes-, as in (*ēd-s-om) OE æ⎯s, OHG, OSax ās ‘carrion’.95 Using Meid’s semantics, then, the *-uno- derivative would originally have meant “the one who is equipped with carrion for eating.” Hellquist favors a simple “storätare” “big eater” (cf. Lat edax): “enl. somliga dock, sannol. felaktigt, med syftning på ursprungliga likdemoner: likätare.”96 But it seems unlikely that such an early mythological term would have taken its name merely from human gluttony or from its projection onto the appetite of “giants” such as we encounter in the comical forms of folktales; in the older Icelandic sources, for what it’s worth, the appetite 91 92 93 94 95
96
Pokorny 2002, p. 289; see Pokorny’s whole entry, pp. 287–289. I wish to thank Benjamin Fortson and especially Jeff Bourns for help with linguistic aspects of this article. The mistakes, of course, are my own. de Vries 1977, p. 296. Meid 1957, pp. 72–92, esp. 91–92 (conclusions), 85–87 (Óðinn and Ullinn). Cf. the display of variants of the extended grade in Pokorny 2002, pp. 288–289 and Alexander Jóhannesson 1956, p. 53, including ON át, OE æ¯t, OSax āt, OHG āz ‘food’, frequently ‘food for animals’. Hellquist 1967, p. 428.
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of giants is dwarfed by that of Þórr.97 Even if “big eater” were the original meaning of the form, an early religious-mythological context would in any case have lent a pregnant significance. It is negative evidence, of course, but Gothic may have invented its word for the concept “glutton,” namely af-etja, perhaps to avoid a demonic word.98 If Karsten is right and *etunawas borrowed by Finno-Ugric peoples well to the east of the Baltic in the pre-Germanic form *eduno-, the time might have been about the middle of the first millennium BC.99 That is of course speculative and disputable, but in any case this word must have a long history. The rarity of the construction with *-una-, when Óðinn and Ullinn use *-ana- even though they are built on u-stem base words,100 could be an argument for antiquity especially if the observations of Michael Janda are borne out. In the context of settling the etymology of Varuna, Janda gives a formal account of the earliest phase of the etymology of jötunn: Das ved. Suffix -una-, mit dem Varuna scheinbar gebildet ist, findet sich nur selten in Erbwörtern. Jedenfalls einmal in der Indogermania, im Fall der gemanischen Riesenbezeichung aisl. jǫtunn, ae. eoten, die aus uridg. *h1eduno‘Fresser’ hergeleitet wird, steht eine Bildung mit *-uno- neben einem uridg. Heteroklitikon *h1éd-tÖr ‘Essen’ (gr. ).101
Janda sets up this parallel with the derivation of Varuna’s name: Der Ableitungsprozeß war somit: *tél-tÖr ‘Einschließung, Umhüllung’ → *telun-ó- ‘mit einer Einschließung, Umhüllung versehen’. Das Adjektiv *telun-ó- mußte im Ai. *varuná- ergeben. Wie bei krsná- ‘schwarz’ → Kŕsna-, bekannter Personen- und Gottesname, brachte die Substantivierung *varuná→ Váruna- ‘der (Gott) mit der Umhüllung’ eine Akzentverschiebung auf die erste Silbe mit sich.102
97 98
99 100
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Schulz 2004, p. 69. Lehmann 1986, sub A15. Against this speculation about Gothic vocabulary is that OIc has an a/of-āt ‘gluttony’, which however is formed from the extended grade (ibid.); and Pokorny (2002, p. 288) gives the root vowel of the Go. word as long, afētja. Karsten 1922, p. 35 quoting Much. For more recent dating, Klystra et al. 1991–96, I, p. XXIII. Meid 1957, pp. 86–87, 117–118; but the various forms of Óðinn show all three (ablauting) forms, *-ana-, *-ina-, and *-una- (Meid 1957, p. 117; Noreen, p. 151 [§ 173, 5]; de Vries 1977, p. 416; Schaffner 1999, pp. 185–188). Janda 2000, pp. 110–111. Vegas Sansalvador 1993, p. 174 [§ 4 and n. 30], a citation I have from Janda, seems to support the rarity of the construction in question, yet cites quite a few examples; but these details exceed my linguistic grasp. Janda 2000, p. 111.
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It would appear, then, that the old Germanic word *etuna-, perhaps originally designating a demon who consumes (the dead), is constructed according to a pattern rare in Germanic and paralleled by one of the most original Indic gods and one who happens to share a semantic range with the Germanic Hel.103 Mythologies of the greater world beyond Germania offer many images of gaping Hell-mouths, cannibalistic death-embodying monsters, many demons that, like the early jötnar in ON, border on divine, but in the end I have limited comparison here largely to directly related material. We have not solved the problem of iatun in the Rök stone’s version of the (putative) Baldr myth. It is clear, however, that whether iatun was metaphorical – an unflattering nickname or a hostile epithet used to avoid the real name of the slayer – or literal – a hostile supernatural being designated by his species – we should clear our minds of the later images evoked by “giant.” This iatun is the earliest occurrence of the word and of the race in Scandinavia; the being evoked should be at least as monstrous as the contemporary eoten Grendel, but as part of the central myth in the ON mythic system, the Rök iatun may have carried even more archaic religious significance.
103
Janda (2000, p. 111, n. 245) extends his argument by reference to Johansson 1917 as follows: “Sollten jǫtunn und Vrtra – und damit auch Varuna (vgl. JOHANSSON 1917: 137) – tatsächlich mythologiegeschichtlich zusammengehören, wie Johansson 1917: 158 f. vorschlägt, dann mag die Wortbildungsparallele *h1eduno- ~ *teluno- nicht zufällig sein.” Johansson compares Scandinavian gods, their names, and functions extensively with Vedic and sets up very wide-ranging schemas of relationship between the two mythologies and within Vedic; a brief summary cannot do justice to Johansson’s complexities. But, having established an exchange relationship between Varuna and Vrtra through evolutionary differentiation, on pp. 137–138 he equates the name of Vrtra (*tÖltro-s) with Ullr (Go. wulþus from *tÖltus; OE wuldor from *tÖltro-) ‘glanz’. The section most relevant to our argument equates Þórr’s battle against iǫtnar with Indra’s against Vrtra; Ullr’s connection to giants seems to be through Skaði, and Þórr’s victory is reflected in the ascendance of his cult and the decline of Ullr’s. Johansson adds this footnote: “Die reale, wenn nicht ursprüngliche, verwandtschaft von iǫtnar (zu g. itan, idg. *edō) als ‘fresser’ der leichen (chthonische dämonen in iǫtunheimr hausend) und dem indischen Vrtra-Ahi könnte darin angedeutet sein, dass vom letzteren das verbum grasverwendet wird ...” (1917, p. 159, n. 1). [Pokorny glosses the root gras- as ‘fressen, knabbern’ (2002, p. 404).]
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Appendix: The Rök inscription, a reference text [The letters A–E refer to sides of the stone. The line numbering, however, is sequential 1–28, following Wessén 1958; OSw normalization also follows Wessén. Transcription of l. 20 (with underdotting indicating conjectural runes) is that of Grønvik 2003, p. 67. The reversal of Wessén’s order in lines 27–28 is argued for in Harris 2006.] Dedication (lines 1–2, side A): Aft Vamoð standa runaʀ þaʀ. / Æn Varinn faði, faðiʀ aft faigian sunu. In memory of Vámóðr stand these runes. But Varinn wrote them, a father in memory of his death-doomed son. Narrative Section one (3–11, A–B; Theoderic section): First Question/hint (3–5): Sagum mǫgminni þat: hværiaʀ valraubaʀ vaʀin tvaʀ / þaʀ, svað tvalf sinnum vaʀin numnaʀ at valraubu, / baðaʀ saman a ymissum mannum? I pronounce this hint for the lad: Which were the two warspoils which, both together, were taken twelve times in bootytaking from different men? Second Question/hint (5–8): Þat sagum anna/rt: hvaʀ fur niu aldum an urði fiaru / meðr Hraiðgutum, auk do/miʀ æn umb sakaʀ? This I pronounce as second: Who became without life (died) among the Hreið-Goths nine ages ago, and yet his affairs are still under discussion? Answer (A9–B11): Reð Þjoðrikʀ hinn þurmoði, stilliʀ / flutna, strandu Hraiðmaraʀ. Sitiʀ nu garuʀ a [B] guta sinum, skialdi umb fatlaðʀ, skati Mæringa. Þjóðrikr the bold, ruler of sea-warriors, (once) ruled the shore of the Gothic Sea. Now he sits outfitted on his Gothic steed, with his shield buckled on, prince of the Mærings. Narrative Section two (12–19; side C; the twenty kings): First Question/hint (12–14): Þat sagum tvalfta, hvar hæstʀ se Gu/nnaʀ etu vettvangi a, kunungaʀ tvaiʀ tigiʀ sva/ð a liggia? This I pronounce as twelfth: Where does the steed of Gunnr see food on the battlefield, which twenty kings are lying on?
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Second question/hint (14–17): Þat sagum þrettaunda, hvariʀ t/vaiʀ tigiʀ kunungaʀ satin at Siolundi fia/gura vintur at fiagurum nampnum, burn/iʀ fiagurum brøðrum? This I pronounce as thirteenth: Which twenty kings sat on Zealand for four winters under four names, sons of four brothers? Answer (17–19): Valkaʀ fim, Raðulfs sy/niʀ, Hraiðulfaʀ fim, Rugulfs syniʀ, Haislaʀ fim, Haruð/s syniʀ, Kynmundaʀ fim, Bernaʀ synir. Five Valkar, sons of Ráðulfr; five Hreiðulfar, sons of Rugulfr; five Haislar, sons of HÄrðr; five Kynmundar, sons of BjÄrn. Line 20: nukm!i"n!im!i£Ralu£s£akiainhuaR[...]ftiRfra Narrative Section three (21-26, 28, 27; C, D, C top, E): First Question/hint (21–22): Sagum mǫgminni þat: hvar Inguld/inga vari guldinn at kvanaʀ husli? I pronounce this hint for the lad: Who among the descendants of Ing-Valdr was compensated for through the sacrifice of a woman? Second Question/hint (23–24): Sagum mǫgminni: [h]vaim se burinn nið/ʀ drængi? I pronounce a (further) hint for the lad: To whom was a son born for a gallant young man? Answer (24–26, 28, 27): Vilinn es þat + knua knatt/i iatun. Vilinn es þat + nýti. / Sagum mǫgminni: Þor / ol nirøðʀ, / sefi via vari. Vilinn it is, whom the ‘enemy’ slew. Vilinn it is: may he enjoy (this). I pronounce the heir-memorial: At ninety, the Kinsman, respecter of shrines, engendered Þórr.
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Der Raub des Brísingamen, oder: Worum geht es in Húsdrápa 2? von WILHELM HEIZMANN Die mythologische Skaldendichtung zählt trotz ihres trümmerhaften und oft genug enigmatischen Charakters zu den Preziosen der altnordischen Überlieferung, erlaubt sie doch wie keine andere Quellengattung einen Blick auf die mythologischen Vorstellungen des Nordens, der nicht durch das Christentum gebrochen und gefiltert ist. Auch wenn sich inzwischen die Reihen derer merklich gelichtet haben, die im Gefolge von Eugen Mogk, Walter Baetke und anderen an einer überzogenen Skepsis gegenüber allen weiteren Quellengattungen, die über das Heidentum der Nordleute berichten, festhalten,1 bleibt es unbestreitbar eine schwierige Aufgabe, hinter den Schleier zu dringen, der sich seit der Annahme des Christentums in zunehmender Dichte auf die paganen Überlieferungen gelegt hat. Um diesen Schleier zu lüften, sind wir unausweichlich zu Rekonstruktionen gezwungen, deren Plausibilität sich nicht zuletzt am Prüfstein der alten Skaldendichtungen ermißt. Deren Hilfestellung wird jedoch durch eine Fülle von philologischen Problemen eingeschränkt, die für uns, wenn wir ehrlich sind, häufig nicht zu lösen sind. Dies ist jedenfalls der Schluß, der sich mir aus der Beschäftigung mit einer über 150jährigen Forschungsgeschichte aufdrängt, deren Beginn das Erscheinen des ersten Bandes der Kopenhagener Ausgabe der Snorra-Edda im Jahr 1848 markiert.2 Generationen von z.T. herausragenden Forscherpersönlichkeiten haben die Texte durchforstet und ihren ganzen Scharfsinn auf die Entschlüsselung schwieriger Wörter und Verse verwandt. Diese Herausforderung macht zugegebenermaßen einen nicht geringen Teil des intellektuellen Reizes der Skaldendichtung aus. Trotz aller unbezweifelbaren Fortschritte ist bis heute vieles im Dunkeln geblieben und oft genug sind wir von allgemein akzeptierten 1 2
Vgl. Düwel 1984, S. 3 f. Edda Snorra Sturlusonar/Edda Snorronis Sturlæi 1 (Jón Sigurðsson 1848).
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Lösungen noch weit entfernt. Die Anstrengungen der Vergangenheit sollten uns jedoch insofern zu einer gewissen Demut bewegen, als wir nicht als sicher ausgeben sollten, was zu sichern bislang offensichtlich nicht gelungen ist und vielleicht auch nie gelingen wird. Als ein Musterbeispiel für die genannten Schwierigkeiten der mythologischen Skaldendichtung kann die in Finnur Jónssons Skjaldediktning als Nr. 2 deklarierte Strophe der Húsdrápa (Skj. A:1, S. 136 f./ B:1, S. 128) aus den 80er Jahren des 10. Jahrhunderts gelten. Obwohl inzwischen buchstäblich jedes einzelne Wort schon mehrfach auf die Waagschale gelegt wurde, ist das Assoziationspotenzial der Strophe offenbar noch immer nicht ausgereizt, denn sie provoziert bis heute Deutungsversuche. Das traditionell dem isländischen Skalden Úlfr Uggason zugeschriebene Gedicht beschreibt Schnitzereien in der von Olaf Pfau erbauten Halle in Hjaðarholt (Laxd c. 29). Wie ein Großteil der mythologischen Skaldendichtung auch sonst, sind die erhaltenen Strophen exklusiv in verschiedenen Handschriften der Snorra-Edda überliefert, deren stemmatisches Verhältnis zueinander bis heute nicht entschlüsselt werden konnte. Dennoch bereitet die Rekonstruktion der Strophe im Grunde keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, so daß deren Einrichtung in Anthony Faulkes maßgeblicher Edition (Skáldsk) heute als konsensfähig angesehen werden kann: Ráðgegninn bregðr ragna rein- at Singasteini frægr við firna *slœgjan Fárbauta *mo˛ g -vári. Móðo˛ flugr ræðr mœðra mo˛ gr hafnýra fo˛ gru – kynni ek – áðr *ok einnar átta – mærðar þáttum.3
Dem Verständnis dieser Strophe stehen eine Reihe gravierender philologischer Probleme unterschiedlicher Gewichtigkeit entgegen, die sich vornehmlich auf den ersten Helming konzentrieren. Es sind dies insbesondere die Bedeutung von Singasteinn, vári und bregða (við) sowie im Fall von vári dessen Anschluß an andere Versglieder. Im zweiten Helming beschränken sich die Fragen auf das Verständnis von hafnýra sowie die 3
Faulkes 1998,1, S. 20. Besserungen sind mit einem Asterisk gekennzeichnet. Warum Sebastian Cöllen auf diese meisterliche Edition in seiner 2007 erschienenen Untersuchung „Der Ursprung des Feuers in [der] nord-germanische[n] Mythologie. Studien zu Húsdrápa 2“ verzichten zu können meint, ist schwer nachvollziehbar.
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Bedeutung von áðr. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, die unterschiedlichen Deutungsvorschläge im Einzelnen zu dokumentieren. Das haben andere vor mir oft genug getan. Ich konzentriere mich statt dessen zunächst auf das, was vom Verständnis des Restlichen zu sichern ist. Unmittelbar zu identifizieren ist die Sequenz mo˛ gr Fárbauta ‘Sohn des Fárbauti’. Daß es sich dabei um eine Bezeichnung Lokis handelt, belegen die gleichfalls zur ältesten Schicht der mythologischen Skaldengedichte gehörende Haustlo˛ ng (Str. 5)4 des Þjóðólfr ór Hvíni sowie die Snorra-Edda (Gylf 26/36). Die Húsdrápa versieht Loki zudem mit der Charakterisierung firna slœgr ‘überaus listig’. Daß diese zutrifft,5 gehört zum mythologischen Grundwissen und bedarf hier keines weiteren Nachweises. Eine zweite handelnde Person verbirgt sich hinter dem Ausdruck mo˛ gr átta mœðra ok einnar ‘Sohn von acht Müttern und einer’. Auch diese Angabe ermöglicht eine eindeutige Identifikation. Snorri berichtet unter Berufung auf das sonst unbekannte Gedicht Heimdallargaldr über die eigentümliche Herkunft des Gottes Heimdallr, daß ihn neun Schwestern zur Welt gebracht hätten (Gylf 26/9f.; Skáldsk 19/9, 20/16; vgl. Hdl6 35 u. 37).7 Die Húsdrápa schmückt ihn an dieser Stelle mit dem Epitheton móðo˛ flugr ‘kühn’ und es heißt weiter von ihm, er verfüge bzw. herrsche über eine ‘schöne Meer-Niere’ (fagrt hafnýra). Was damit genau gemeint sein könnte, ist Gegenstand der Diskussion und soll weiter unten erläutert werden. Schließlich spricht in dem Helming der Dichter der Strophe selbst: „Ich sage das in Abschnitten des Preisgedichts“ (kynni ek mærðar þáttum).8 Ohne an dieser Stelle schon ins Detail gehen zu wollen bleibt also festzuhalten, daß in der Strophe die Götter Loki und Heimdallr zusammen auftreten. Welches Material bieten zu einem solchen gemeinsamen Auftritt die übrigen Quellen? Der imaginären Chronologie nordischer Mythologie folgend wäre hierzu an erster Stelle die Þrymsqviða zu nennen. Es ist Heimdallr, der den Rat gibt, Þórr als Freyja zu verkleiden und ihn mit Brautlinnen, Brísingamen, Schlüsseln und Haube zu drapieren (Str. 15/16). 4 5 6 7
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Skj. A:1, S. 17, B, S. 15; Faulkes 1998,1, S. 31 (v96/2). Vgl. Snorris Bezeichnung als hinn slœgi Áss (Skáldsk 20/5). Eddische Lieder werden zitiert nach Neckel / Kuhn 1983 mit den dort verwendeten Siglen. Zur Deutung der neun Mütter als riesische Personifikationen der rätselhaften neun íviðjur in Vsp. 2 vgl. Pipping 1925, S. 45 ff.; Dronke 1992, 667 f.; 1997, S. 32, 109; North 1997a, S. 285. Folgt man dieser Auffassung, dann wären die beiden Gegner hier in auffälliger Parallelität als Söhne mit riesischer Abstammung gekennzeichnet (vgl. Krömmelbein 1983, S. 224). Zwar fehlt dem Satz ein Objekt (vgl. NN, §1890), doch ist für dieses gedanklich die Aussage der Strophe einzusetzen (vgl. Cöllen 2007, S. 62).
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Und es ist Loki, der Þórs aufbrausenden Protest (Str. 17) im Keim erstickt (Str. 18). Eine verbale Konfrontation der beiden Götter schildert die Locasenna. Dort kommt Heimdallr dem übel geschmähten Byggvir zu Hilfe (Str. 47) und handelt sich dafür Lokis beißenden Spott ein (Str. 48). Von einer dritten Begegnung schließlich weiß allein Snorri zu berichten. In den Ragnarök kommt es zur tödlichen Konfrontation: Heimdallr und Loki töten sich gegenseitig (Gylf 51/3f.). Mit Ausnahme der Þrymsqviða ist ihr Aufeinandertreffen jeweils antagonistisch geprägt. Zwar bleibt die Nachricht vom Endzeitkampf allein Snorri vorbehalten, doch zeugen von einer tief verwurzelten Feindschaft auch die Kenningar Loka dólgr ‘Feind Lokis’ für Heimdallr (Skáldsk 19/10) und þrætudólgr Heimdalar ‘Zwistfeind Heimdalls’ für Loki (Skáldsk 20/6). Wenngleich Snorri in beiden Fällen den Nachweis seiner Quelle schuldig bleibt, so ist dennoch plausibler, er habe diese Kenningar uns unbekannter skaldischer Überlieferung entnommen, als daß er sie selbst fabriziert hätte. Daß Heimdallr und Loki auch in der Húsdrápa einen Strauß auszufechten haben, ist damit eine nahe liegende Annahme. Es gilt an dieser Stelle fest zu halten: Um bis hierher zu gelangen, genügten zum einen das sicher verstehbare Wortmaterial von Húsdrápa 2 und zum andern Informationen, die wir zwar überwiegend Snorris Vermittlung verdanken, aber eben nicht seiner Deutung. Jeder weitere Schritt beruht dann auf drei Voraussetzungen: 1. der Interpretation des restlichen Wortmaterials der Strophe, 2. der Deutung der Strophe durch Snorri und 3. dem Beiziehen mythologischer Überlieferung fremder Kulturen. Dabei bieten die Punkte 1 und 3 ungleich schlechtere Aussichten auf Erfolg als Punkt 2. Die Gründe liegen auf der Hand. Jedwede Rekonstruktion von Mythen mittels Vergleichsmaterials fremder Kulturen lässt sich auf ein unsicheres Spiel mit Assoziationen ein, wenn diese Mythen in der zu untersuchenden Kultur sonst nicht belegt oder nur auf rein hypothetischem Wege zu erschließen sind. Es handelt sich dann um ein argumentum e silentio, das nie zu zwingenden, zumeist aber zu beliebigen und damit austauschbaren Ergebnissen führt.9 Daß die philologischen Probleme der 9
Es liegt mir fern, den Wert ethnologischer und folkloristischer Parallelen, der nirgends treffender formuliert ist als bei Ursula Dronke (1992, S. 657), grundsätzlich infrage stellen zu wollen. Ohne die lappischen und anderen nord-eurasischen Parallelen zu den Vorstellungen einer Himmelssäule etwa, um ein schlagendes Beispiel anzuführen, an der das Firmament mittels des Polarsterns, des Nagelsterns, befestigt ist, hätten wir keine Möglichkeit, die Überlieferung der reginnaglar in der Eyrbyggja saga (Eb c. 4) zu verstehen (vgl. dazu neuerdings Böldl 2005, S. 166 ff.). Die reginnaglar allerdings, müssen nicht erst vermittels einer waghalsigen Rekonstruktion erschlossen werden. Zudem stehen sie in der
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Strophe mit rein philologischen Mitteln offenbar nicht zu lösen sind, ist ein Schluß, der sich aus den vergeblichen Bemühungen der Vergangenheit aufdrängt.10 Sie haben trotz des affirmativen Gestus, mit dem sie zuweilen vorgetragen werden, schlichtweg zu keinen konsensfähigen Ergebnissen geführt. So führt letztlich kein Weg an Snorri vorbei. Er präsentiert in seinem Prosatext der Skáldskaparmál eine Deutung der Strophe, und er wird damit gleichsam zu unserem Forscherkollegen.11 Als Interpret bewegt er sich auf derselben Ebene wie ein Finnur Jónsson oder ein Ernst Albin Kock. Er versucht wie wir, die Strophe aus seinen Voraussetzungen heraus zu verstehen. Sein Rüstzeug war dabei in manchen Punkten sicherlich schlechter als unseres, namentlich im Bereich seiner Einsichtsmöglichkeiten in sprachwissenschaftliche und sprachgeschichtliche Zusammenhänge. Ebenso sicher aber müssen wir seine Überlegenheit in Bezug auf Metrik, Lexik und Kenntnis der Skaldendichtung generell einräumen. Daraus ergibt sich für mich zwingend der methodische Grundsatz, daß von Snorri nur dann abgewichen werden darf, wenn sich dies philologisch zweifelsfrei begründen läßt. Natürlich sind auch Snorris Deutungen nicht frei von Fehlinterpretationen und Mißverständnissen, aber die Beweislast liegt immer bei uns. Sich andere Deutungsmöglichkeiten vorstellen zu können allein genügt nicht, um gegen Snorris Auffassung zu opponieren. Folgt man Snorris Darstellung, so hat Loki Freyjas berühmtestes Kleinod, das Brísingamen, geraubt. Er wird von dem Gott Heimdallr verfolgt, und es kommt zum Kampf.12 Als Schauplatz des Kampfes werden Vágasker und Singasteinn genannt.13 Weiter heißt es, daß die beiden
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nordischen Überlieferung nicht vereinzelt da und auch die Vorstellung von einer Himmelssäule ist sowohl in der nordischen (himinsjóli) wie der germanischen (Irminsûl) Überlieferung auch sonst belegt. Oft genug aber bleibt es beim Vergleichen allein, das zu nichts führt. Hier gilt Anatoly Libermans bedenkenswerter Satz „The broader the background of a myth, the more similarities present themselves, and the path is lost in the wilderness.“ (2004, S. 17; vgl. dort auch S. 17 f. mit Beispielen.) Wobei es keineswegs meine Absicht ist, die Forschung zur Húsdrápa über einen Leisten zu schlagen. Hier sind sehr wohl beträchtliche Qualitätsunterschiede auszumachen. Vgl. Cöllen 2007, S. 60 f. þá deildi hann [=Heimdallr] við Loka um Brísingamen (Skáldsk 19/15). Hann [=Heimdallr] er ok tilsœkir Vágaskers ok Singasteins (Skáldsk 19/14 f.). Die Deutung von Singasteinn und Vágasker als Örtlichkeit sieht Marold durch das folgende þá gestützt (2000b, S. 296). Für de Vries ist dies ein Argument für das Gegenteil (1933, S. 129 Anm. 2).
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Gegner diese Auseinandersetzung in Gestalt von Seehunden ausgetragen hätten.14 Soweit Snorri, dessen Text keine Verständnisprobleme bereitet. Versucht man Snorris Interpretation mit dem Inhalt der überlieferten Strophe in Deckung zu bringen, so ergibt sich zunächst eine Übereinstimmung bezüglich des involvierten Personals. Hier wie dort ist von Heimdallr und Loki die Rede. In der Strophe konnten beide je einmal (mo˛ gr átta mœðra ok einnar – mo˛ gr Fárbauta) unzweifelhaft nachgewiesen werden. Ernsthaft zu diskutieren wäre allerdings, ob Heimdallr nicht noch ein zweites Mal im ersten Helming genannt wird. Anthony Faulkes setzt eine Kenning ragna reinvári ‘der Weg-Wächter15 der Götter (Weg der Götter = Himmelsbrücke)’ voraus.16 Ausgehend von der Bedeutung des Wortes rein (‘Rain, Grenzlinie, Grasstreifen’),17 wäre es aber durchaus naheliegend, das Wort im Sinne von ‘Land’ oder sogar ‘Grenzland’ zu verstehen. Das ergäbe eine Kenning ‘Landwächter der Götter’18 oder besser noch ‘Grenzwächter der Götter’.19 Dies zwingt allerdings zur Annahme einer nicht unproblematischen Tmesis (rein-vári), die in der
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er þess þar getit er þeir váru í sela líkjum (Skáldsk 19/17). Der Hinweis auf einen Kampf lappischer Schamanen in Seehundgestalt in der Historia Norvegiæ bei Dronke (1992, S. 669) läuft insofern ins Leere, als an der angegebenen Stelle (HistNorv 85 f.) nicht von Seehunden, sondern von Walen (in cetinam effigiem) die Rede ist. Über die Bedeutung des hapax legomenon vári besteht kein Konsens (vgl. Marold 2000a, S. 284; 2000b, S. 295). Zumeist wird das Wort von verja ‘schützen, verteidigen’ bzw. varr ‘vorsichtig’ abgeleitet und mit ‘Wächter’ bzw. ‘Verteidiger’ übersetzt (vgl. Jón Sigurðsson 1848, S. 269; Vigfusson / Powell 1883, S. 24; Wisén 1889, S. 232; Kock / Meissner 1921:2, S. 189; Meissner 1921, S. 255; Finnur Jónsson 1931, S. 598; NN, §420; Krause 1997, S. 107; Faulkes 1998,2, S. 421; Cöllen 2007, S. 64). Der lange Vokal muß aufgrund des Binnenreims (zu Fárbauta) sowie der Schreibweise uáarí im Codex Wormianus (SnEW 62/3) als gesichert gelten. Bei der genannten Ableitung wäre allerdings ein kurzer Vokal zu erwarten. Faulkes 1987, S. 77 (‘defender of powers’ way [Bifrost]’); 1998;2, S. 375; vgl. Jón Sigurðsson 1848, S. 269 (‘custos semitæ divinæ’); Vigfusson / Powell 1883, S. 24 (‘Warder of the Path of the Powers [rainbow-bridge]’); Wisén 1889, S. 232 (‘custos via deorum, i. e. arcus pluvius, iris’); Finnur Jónsson 1912:B, S. 128 (‘gudevejsvogter’); Krause 1997, S. 107 (’Wächter des Götterweges’). Fritzner 1896, S. 66; Finnur Jónsson 1931, S. 462; de Vries 1962, S. 438; Faulkes 1998,2, S. 375. Finnur Jónsson 1931, S. 462 (‘landstribevogter’); North 1997a, S. 281; 1997b, S. 40 (‘land-guardian’). So Kock / Meissner 1921,2, S. 139; vgl. de Vries 1933, S. 126 (‘the defender of the borderland of the gods’).
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Forschung jedoch überwiegend akzeptiert wurde.20 Snorri selbst nennt Heimdallr an anderer Stelle vo˛ rðr goða ‘Wächter der Götter’ (Gylf 25/36; Skáldsk 19/10; vgl. Grm 13; Ls 48; Skm 28), der die Himmelsbrücke Bifrǫst bewacht (Gylf 25/35ff.). Keine Stütze in den überlieferten Strophen der Húsdrápa findet dagegen Snorris Angabe, daß die beiden Gegner in Gestalt von Seehunden kämpften.21 Von der Logik der Geschichte her gesehen trägt die Seehundsgestalt jedoch in geradezu idealer Weise dem liminalen Charakter des Schauplatzes an der Grenze von Land und Meer Rechnung. Allerdings ist nur schwer vorstellbar, daß Snorri dieses auffällige Detail gänzlich erfunden hat. Zwar wäre denkbar, daß es auf unmittelbarer Anschauung der Schnitzereien beruht,22 doch könnte Snorri diese Information auch Strophen des Gedichts entnommen haben, die er nicht überliefert.23 Ausdrücklich spricht er ja davon, daß die Seehundsgestalt der Kämpfer in der Húsdrápa selbst genannt wird (ok er þess þar [=Húsdrápa] getit). Die Annahme, daß die von Snorri mitgeteilten neun Strophen der Húsdrápa nur den Teil einer umfangreicheren Dichtung ausmachen, findet schließlich auch in dem Hinweis eine Stütze, Úlfr Uggason hätte sich über diesen Kampf in seiner Húsdrápa lang und breit ausgelassen.24 Die eine von ihm überlieferte Strophe läßt sich kaum als langa stund bezeichnen.25 Daß Snorri mehr Strophen kannte, lässt sich zwar nicht mit letzter Sicherheit beweisen, ist aber plausibel. 20
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Jón Sigurðsson 1848, S. 269; Sveinbjörn Egilsson 1860, S. 651; Vigfusson / Powell 1883, S. 24; Wisén 1886, 29; 1889, S. 232; Kock / Meissner 1921,1, S. 11; 1921:2, S. 139; Meissner 1921, S. 255; Finnur Jónsson 1931, S. 462; Krömmelbein 1983, S. 222; Tolley 1996, S. 83, 93; Krause 1997, S. 107; North 1997a, S. 281; 1997b, S. 40); ablehnend: NN, §420 (Kocks Emendation zu reinar bietet aus metrischen Gründen [Marold 2000a, S. 284; 2000b, S. 295] trotz gelegentlicher Zustimmung [de Vries 1933, S. 127; Schier 1976, S. 580; Cöllen 2007, S. 66, 67, 69] keine akzeptable Alternative), §1952 (ambivalent); Lindquist 1937, S. 82; Marold 2000a, S. 284; 2000b, S. 295. Die Ablehnung dieses Vorschlags allein mit dem Hinweis auf die Entfernung der beiden Versglieder zu begründen, reicht nicht aus. Zu unsicher bleibt der Vorschlag Lindquists, das rein der Strophe unter Hinweis auf litauisch rùinis ‘Seehund’ auf ein erschlossenes *reinn in der Bedeutung ‘Seehund’ zurückzuführen (1937, S. 84 f.); für Kritik vgl. Ström 1956, S. 133. Vgl. Schier 1976, S. 585; Marold 2000a, S. 283. Vgl. Pering 1941, S. 211; Ström 1956, S. 134; Klingenberg 1978, S. 464; Marold 2000a, S. 284; Cöllen 2007, S. 63. Úlfr Uggason kvað í Húsdrápu langa stund eptir þeiri fráso˛ gu (Skáldsk 19/16f.). Vgl. de Vries 1933, S. 128; Ström 1956, S. 134; Marold 2000a, S. 284; Cöllen 2007, S. 63 Anm. 12.
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Schwierigkeiten bereitet es, denjenigen oder diejenigen Begriffe zu identifizieren, womit in der Húsdrápa der Ort des Kampfes bezeichnet wird. Als augenfälligste Möglichkeit bietet sich an, diesen in Übereinstimmung mit Snorri ebenfalls in dem Singasteinn zu suchen (at Singasteini).26 Allerdings wurde auch vorgeschlagen, in Singasteinn die Sache, um die gekämpft wird, zu verstehen und zwar als Bezeichnung des Brísingamen.27 In diesem Falle müßte jedoch angenommen werden, daß Snorri die Stelle falsch verstanden habe. Die Etymologie des Wortes hilft nicht weiter, denn sie ist zu unsicher.28 Als weitere Möglichkeit wurde erwogen, ob in Úlfs Gedicht der Kampfplatz nicht in dem Ausdruck ‘schöne Meer-Niere’ (fagrt hafnýra) zu suchen sei, da sich hafnýra analog zur Bildung lagar hjarta ‘Herz des Meeres’ verstehen ließe, die in dem Gedicht Ynglingatal (Str. 25)29 als Kenning für ‘Stein, Fels, Klippe’30 für den Ortsnamen Steinn eintritt. Unter dieser Voraussetzung würden in der Húsdrápa (Singasteinn, hafnýra) und bei Snorri (Singasteinn, Vágasker) neben einem gemeinsamen auch jeweils ein unterschiedlicher Ausdruck zur Bezeichnung des Kampfplatzes verwendet. Erklärungsbedürftig wäre in diesem Fall das Verhältnis von Vágasker und hafnýra. Zwar wäre grundsätzlich auch denkbar, daß Snorri das Vágasker in von ihm nicht überlieferten Strophen vorgefunden hat,31 womit dann aber drei Bezeich-
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So Jón Sigurðsson 1848, S. 269 (‘apud Singasteinem’); Sveinbjörn Egilsson 1860, S. 707; Vigfusson / Powell 1883, S. 24 (‘at Singastone’); Wisén 1889; S. 250 (‘scopulus quidam, ubi Lokius et Heimdallius de torque Brísingamen certarunt’); Much 1898, S. 52; Kock / Meissner 1921,2, S. 151 (‘die klippe, auf der Heimdall mit Loki um das Brisingamen kämpft’); Finnur Jónsson 1931, S. 496; NN, §1952; Lindquist 1937, S. 83, 85; Turville-Petre 1964, S. 129; Schier 1976, S. 579 f.; Schjødt 1981, S. 62 Anm. 52; Krömmelbein 1983, S. 222; Marold 2000a, S. 284; 2000b, S. 295, 296. de Vries 1933, S. 127, 134, 135, 140; 1957, S. 260; Pering 1941, S. 219 f.; Ström 1956, S. 134; Meaney 1983, S. 33; Brodersen 1984, S. 106; North 1997b, S. 40; Cöllen 2007, S. 68 f., 72; vgl. auch Tolley 1996, S. 87 f. Für Kritik vgl. Schjødt 1981, S. 62 Anm. 52. Zur Etymologie vgl. Finnur Jónsson 1931, S. 496; Pering 1941, S. 219 f. Anm. 31; de Vries 1962, S. 477; Schier 1976, S. 584; Brodersen 1984, S. 107; Tolley 1996, S. 87 f. Skj. 1:A, S. 12/ B, S. 11. Meissner 1921, S. 90; Finnur Jónsson 1931, S. 219; Lindquist 1937, S. 80 f.; Schier 1976, S. 581, 583 ff.; Marold 2000b, S. 296. Dies vermutet z. B. de Vries (1933, S. 127).
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nungen des Kampfplatzes im Umlauf gewesen wären oder aber Snorri beabsichtigte, die Kenning hafnýra durch Vágasker gleichsam aufzulösen.32 Das Brísingamen wäre damit aus dem Gedicht eliminiert und Snorri somit unterstellt, er habe es falsch verstanden. Was aber könnte dann Snorri veranlaßt haben, die Húsdrápa mit dem Raub des Brísingamen in Verbindung zu bringen? Daß Snorri den Kampf zwischen Loki und Heimdallr mit dem Schmuckstück in Verbindung bringt, erklärt Schier damit, daß einerseits Freyja als Besitzerin des Brísingamen gut bezeugt sei und ebenso, daß Loki ihr dieses gestohlen habe. In den Skáldskaparmál führt Snorri die Kenning þjófr Brísingamens ‘Dieb des Brísingamen’ für Loki auf (Skáldsk 20/3f.). Andererseits sei die Gegnerschaft zwischen Loki und Heimdallr ein bekanntes Motiv (Gylf 51/3f.).33 Zudem belege Snorri für Heimdallr die Kenning mensækir Freyju ‘Freyjas Geschmeideholer’ (Skáldsk 19/10f.). Diese unterschiedlichen Traditionen sind für Schier gleichsam die Zutaten eines Gerichts, das erst Snorri serviert. Seiner Meinung nach wird in der Húsdrápa ein Mythos überliefert, der mit dem Brísingamen überhaupt nichts zu tun hat. Vielmehr ginge es bei dem Kampf um den Besitz einer Insel. Diesen Kampf sieht er in Zusammenhang mit einem speziellen, über weite Teile Eurasiens verbreiteten dualistischen Typ eines Mythos, der von der Schöpfung der Erde aus dem Urmeer erzählt, bei dem ein Schöpfergott (in der Húsdrápa vertreten durch Heimdallr) und sein Widersacher (Loki) beteiligt sind.34 Diese These hat in der Folge sowohl Zustimmung35 als auch Ablehnung erfahren.36 Schiers Deutung setzt, wie gesagt, voraus, daß hafnýra als Kenning für ‘Insel’ aufgefaßt wird. Philologisch ist dagegen nichts einzuwenden. Während aber Schier bregða við im Sinne von ‘sich gegen jmd. wenden’, ‘streiten mit’ versteht37 und sich damit in guter Gesellschaft befindet,38 geht
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Den umgekehrten Weg schlägt de Vries vor. Er interpretiert Vagaskér als Kenning für hafnýra in der Bedeutung ‘a kind of precious stone’ (1933, S. 129). S. auch die oben genannten Kenningar Loka dólgr ‘Feind Lokis’ und þrætudólgr Heimdalar ‘Zwistfeind Heimdallrs’. Schier 1976, S. 586. Dronke 1969, S. 324; 1992, S. 669 f.; Tolley 1996, S. 89, 93; Marold 2000b, S. 297 ff. Heizmann 2001, S. 289 ff.; Cöllen 2007, S. 65 f. Schier 1976, S. 580, 581. Jón Sigurðsson 1848, S. 269 (‘opponit’); Vigfusson / Powell 1883, S. 24 (‘wrestled with’); Wisén 1889, S. 34 (‘contendere cum aliquo’); Kock / Meissner 1921,2, S. 19 (‘sich auf jem. zu bewegen [feindlich]’); NN, §1952 (‘drager mot’); Faulkes 1987, S. 77; 1998,2, S. 250 (‘act against, compete with’). Mit philologischen Ein-
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Marold im Anschluß an de Vries39 von einer Bedeutung ‘wegnehmen von’ aus.40 Als Objekt dieses Verbs bestimmt sie rein ‘Rain, Land’. Marolds Auffassung benötigt allerdings mit rein ein Objekt, dessen Bedeutung (‘Rain, Grenzlinie, Grasstreifen’) nicht recht zu den angeführten Taucherkosmogonien paßt.41 Dort ist entweder davon die Rede, daß der Widersacher des Schöpfergottes versucht, diesen von einer Urinsel ins Meer zu rollen42 (dazu stimmt nicht ‘wegnehmen von’), oder aber er behält ein Stückchen Erde im Mund zurück, das er schließlich dennoch hergeben muß43 (paßt nicht zu rein). Man müßte für den Norden folglich eine weitere Variante voraussetzen. Zudem hat diese Interpretation nicht zuletzt auch Snorris Verständnis von bregða við gegen sich, denn er spricht ausdrücklich von einem Kampf ([Heimdallr] deildi við Loka). Es bleibt also festzuhalten, daß es eine philologisch problemlose Deutung der Strophe nicht gibt. Um sich bei dieser Ausgangslage gegen Snorri zu entscheiden, bedarf es starker Argumente. Die kann ich nicht erkennen. Hinzu kommt, daß Snorris Deutung zugunsten einer überaus hypothetischen Mythenrekonstruktion aufgegeben wird. Schon die Existenz eines aquatischen Schöpfungsmythos ist für den Norden nicht wirklich eindeutig belegt, sondern beruht letztlich auf dem kombinatorischen Rückschluß dreier Stellen der Vo˛ luspá (Str. 4, 57, 59): In der Urzeit hoben Burs Söhne die Erde empor (Áðr Burs synir bioðom um ypþo), bei den Ragnarök versinkt die Erde ins Meer (sígr fold í mar), sie kommt anschließend ein zweites Mal aus dem Meer empor (Sér hon upp komma o˛ ðro sinni io˛ rð ór ægi). Schier hat aus diesen fragmentarischen Angaben umsichtig auf eine ‘Erdschöpfung aus dem Urmeer’ im Rahmen eines zyklischen Weltbildes geschlossen44 und dafür breite Zustimmung erfahren. Von einem irgendwie
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wänden ist dieser Auffassung nicht beizukommen, doch muß eingeräumt werden, daß es sonst keine weiteren Belege für bregða við in dieser Bedeutung gibt. de Vries 1933, S. 127 (‘to take suddenly away’); vgl. auch Ström 1956, S. 134 (‘auf einmal abnehmen’); North 1997a, S. 281; 1997b, S. 40 (‘wrests away’). Alternativ wird von Marold die Bedeutung ‘über etwas sprechen’ erwogen (2000b, S. 296). Für Konsequenzen, die sich aus der jeweiligen Auffassung des Verbs ergeben, vgl. Marold 2000b, S. 296 Anm. 16. Vgl. Cöllen 2007, S. 65 f.; Cöllens weiterer Einwand, rein verlange als ein f. ōStamm im Dativ Singular eine Endung -u (2007, S. 65) zieht dagegen nicht (vgl. Noreen 1923, §376). Vgl. Schier 1976, S. 586; Marold 2000b, S. 298 nach Eliade 1961, S. 157–162; siehe auch Dähnhardt 1907, S. 2; Dragomanov 1961, S. 2. Marold 2000b, S. 298 nach Eliade 1961, S. 163 ff.; Dähnhardt 1907, S. 4; Dragomanov 1961, S. 8. Schier 1994; vgl. Dronke 1992, S. 670; 1997, S. 33 f.
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gearteten Antagonismus kann hierbei aber nicht die Rede sein.45 Es gibt weder in der altnordischen noch in der germanischen Überlieferung einen einzigen gesicherten Beleg für eine aquatische Kosmogonie antagonistischen Charakters wie sie in weiten Teilen Eurasiens sehr gut dokumentiert ist. Dies sind keine guten Voraussetzungen wider Snorris Stachel zu löcken. Wie ließe sich umgekehrt Húsdrápa 2 mit Snorris Deutung zur Deckung bringen? Voraussetzung dafür ist zunächst einmal, daß man von der Parallelität Singasteinn/Vágasker – Singasteinn/hafnýra Abstand nimmt, Vágasker also nicht als Auflösung der Kenning hafnýra betrachtet. Als Alternative böte sich an, Vágasker als synonyme Bezeichnung der sonst Singasteinn genannten Örtlichkeit zu verstehen. Diese fand sich entweder in den nicht überlieferten Strophen oder aber sie stellt, was ich für wahrscheinlicher halte, Snorris Deutung des wohl auch für ihn dunklen Singasteinn dar. Will man nicht annehmen, daß Snorri den Hinweis auf das Brísingamen den nicht überlieferten Strophen entnommen hat, dann bietet sich in Úlfrs Strophe nur mehr der Ausdruck hafnýra zur Identifikation als Bezeichnung des Streitobjekts an. Dabei kann die Meerniere sowohl als Kenning für ‘Stein’ im Sinne von ‘Schmuckstein’46 als auch appellativisch verstanden werden. Es ist nämlich verschiedentlich darauf hingewiesen worden, daß der Golfstrom zuweilen Früchte und Samen westindischer Pflanzen an die Küsten Europas und Skandinaviens transportiert.47 Einige von ihnen sind von kastanienbrauner Farbe mit einem rötlichen Schimmer und haben die Form von Nieren. Deshalb wurden sie auf den Färöer und gelegentlich auch in Norwegen vettenyrer ‘Wichtnieren’ genannt.48 Sie finden insbesondere in der Volksmedizin als Amulette Verwendung, um die Wehen von Gebärenden zu lindern und die Geburt zu befördern.49 Deshalb heißen sie auch løsningsstene oder isl. lausnarsteinar.50 Aufmerksamkeit verdient daneben auch die von de Vries vorgetragene, aber nicht weiter begründete Ansicht, daß fagrt hafnýra auf Bernstein zu 45 46
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So deutlich auch von Schier formuliert (1994, S. 27). So Sveinbjörn Egilsson 1860, S. 286 (‘lapis, lapillus’); Vigfusson / Powell 1883, S. 24 (‘necklace of stones’); Wisén 1889, S. 111 (‘monile Freyæ gemmis ornato’); Meissner 1921, S. 91; NN, §1952; de Vries 1933, S. 128 f. Zu den in Frage kommenden Arten vgl. Meaney 1983 sowie Alm 2003. Alm 2003, S. 231 mit genauen Nachweisen. Brodersen 1984, S. 106 f.; Alm 2003, S. 242 ff. Vgl. Pering 1941, S. 217 ff.; de Vries 1957, S. 260; Klingenberg 1978, S. 464 f.; Krömmelbein 1983, S. 222 f.; Dronke 1969, S. 324 f.; 1992, S. 669; Brodersen 1984, S. 106 f.; Tolley 1996, S. 89; Alm 2003, S. 237.
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beziehen sei.51 Dafür könnte sprechen, daß Bernstein seit der Antike als Amulett getragen wurde (NatHist XXVII, 51) und auch als geburtsförderndes Mittel Verwendung fand.52 Möglicherweise eröffnet sich hier eine Verbindung zu Freyjas Namen Mardo˛ ll und ihren goldenen Tränen, die sie laut Snorri auf der Suche nach ihrem verschwundenen Gatten Óðr vergießt (Gylf 29/26ff.).53 Zwar behauptet Snorri, daß sich Freyja auf dieser Suche verschiedener Namen bedient,54 doch zeigt ein Blick auf die skaldische Überlieferung, daß dies so allgemein nicht zutrifft. Vielmehr ist vor allem der Name Mardo˛ ll mit den goldenen Tränen der Göttin verbunden. An diesen Mythos knüpft die Skaldendichtung an, um Kenningar für Gold zu bilden (Skáldsk v145/1, v189/6).55 Diese Verbindung könnte damit auf einen engeren Zusammenhang zwischen dem Namen Mardo˛ ll und dem Mythos von den goldenen Tränen der Göttin verweisen. Dieser Mythos gehört zu jenem Typ von Sagen, bei dem Perlen, Edelsteine, Bernstein etc. mit den Tränen von Gottheiten oder mythischen Gestalten in Zusammenhang gebracht werden.56 Was die Bedeutung von Mardo˛ ll betrifft, so wird das erste Glied zumeist zu awestn. marr ‘Meer’ gestellt.57 Die Bedeutung des Zweitgliedes -do˛ ll ist umstritten.58 Es tritt jedoch in maskuliner Form auch im Namen des Gottes Heimdallr auf, der mit Freyja durch den Mythos vom Raub des Brísingamen, dem kostbarsten Besitz der Göttin, verbunden ist.59 Zumeist wird ein Zusammenhang mit aengl. deall ‘leuchtend’ angenommen. Dann könnte der Name soviel wie ‘die über das Meer Leuchtende’ bedeuten.60 Im 51 52 53 54 55
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de Vries 1933, S. 129, 133, 134, 135, 139. Olbrich 1927. Óðr fór í braut langar leiðir, en Freyja grætr eptir, en tár hennar er gull raut. Vgl. de Vries 1957, S. 328; Heizmann 2001, S. 276 f. Freyja á mo˛ rg no˛ fn, en sú er so˛ k til þess at hon gaf sér ýmis heiti er hon fór með ókunnum þjóðum at leita Óðs. Zwar wird dazu anderswo auch der Name Freyja selbst verwendet (Skúli 1, 5; ESk 11, 2. 3. 9), einmal auch Sýr, wenngleich nur in einer jungen Strophe der Grettis saga (Grettis 53), doch ist am verbreitetsten der Name Mardo˛ ll (Bjark 5; Óhelg 11; ESk 11, 1; Mhkv 8; Ht 2). Ich verwende hier die Siglen skaldischer Gedichte nach Finnur Jónsson 1931. Vgl. Thompson 1955–1958: D475.4.5 (tears become jewels), F239.6 (fairy’s tears pearls), D1454.4.2 (jewels from tears), H31.7.1 (pearls shed for tears). de Vries 1962, S. 379; Polomé 1995, S. 584. de Vries 1962, S. 219; Lorenz 1984, S. 439 f.; Tolley 1993, S. 328 f.; Näsström 1995, S. 85. de Vries 1957, S. 328. Turville-Petre 1964, S. 178; Polomé 1995, S. 584.
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Anschluß an Hugo Pipping bevorzugt Ursula Dronke dagegen eine Deutung, die Heimdallr als Weltenbaum interpretiert.61 Dazu könnte passen, daß der Codex Upsaliensis der Snorra-Edda die Variante Marþo˛ ll verzeichnet (SnEU 19/15, 61/23, 106/10). Das Wort þo˛ ll ist in der Bedeutung ‘junge Kiefer’ reich bezeugt.62 Dies könnte dafür sprechen, daß der Name auf irgendeine Weise mit ‘Baum’ in Verbindung gebracht wurde.63 Sollte im Zweitglied -do˛ ll tatsächlich ein Baum-Element stecken, dann liegt hier möglicherweise eine Parallele zum antiken HeliadenMythos vor.64 Diesem zufolge verwandelten sich die Töchter des Sonnengottes Helios, während sie über den Tod ihres Bruders Phaëton trauerten, in Pappeln. Ihre Tränen fallen als Bernstein in den Fluß Eridanos (NatHist XXXVII, 31 f.). Gleichgültig für welche Deutung man sich aber entscheidet, in beiden Fällen wäre ein solches Amulett für eine Göttin, die bei der Geburt angerufen wird (Od 9), zweifellos ein passendes Attribut.65 In diesen Zusammenhang fügt sich auch, daß Þjóðólfr ór Hvíni Loki in seinem Gedicht Haustlǫng (9. Jh.) mit Brísings girðiþjófr ‘Dieb von Brísingrs Gürtel’ (Haustl 9) umschreibt. ‘Brísingrs Gürtel’ ist hier vielleicht weniger als Ausdruck skaldischer Variationsfreude,66 sondern als ein Hinweis darauf zu verstehen, daß wir mit Überlieferungsvarianten67 zu rechnen haben, der zufolge Freyjas Schmuckstück ein Gürtel war, an dem Amulettsteine befestigt waren.68 Gerade der Gürtel ist ein eminent erotisches Symbol und als Attribut verschiedener Liebesgöttinnen gut belegt.69 61 62 63 64
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Pipping 1925, S. 7 ff.; Dronke 1992, S. 667; 1997, S. 107; Tolley 1993, S. 326 ff.; North 1997a, S. 283 f. Heizmann 1993, S. 69, 88 f. Vgl. Tolley 1993, S. 329 Anm. 434. Den Heliaden-Mythos zur Deutung von Freyjas goldenen Tränen herangezogen hat im übrigen schon Werlauff 1835, S. 192 ff.; vgl. Heinzel 1885, S. 681; Much 1898, S. 68 f. Auf die durch den Halsbandmythos bezeugte Affinität von Heimdallr und Freyja, die möglicherweise durch die Parallelität des zweiten Kompositionsglieds -dallr/-do˛ ll unterstrichen wird, fällt vielleicht durch die von Sverrir Tómasson in diesem Band mitgeteilte feminine Namensvariante Heimdöll (S. 671 f.) ein neues Licht. Pering 1941, S. 222. Vgl. Holtsmark 1949, S. 29; Marold 1983, S. 165. Vgl. de Vries 1933, S. 134; Ström 1956, S. 138 f. Pering 1941, S. 223. Vgl. Jungbauer 1930/31, Sp. 1213. Berühmtestes literarisches Beispiel ist die Beschreibung des Gürtels der Aphrodite bei Homer (Ilias XVI, 153ff.). Als Hera ihren Göttergatten zum Stelldichein auf dem Ida verlocken will, leiht sie sich von Aphrodite deren Gürtel: Sprach’s und löste vom Busen den wunderkräftigen
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Daneben spielt der Gürtel insbesondere im Zusammenhang mit der Geburt eine wichtige Rolle. In Athen lösten die Frauen den Gürtel bei der ersten Geburt und legten ihn im Tempel der Artemis nieder. Diese Göttin gehörte zu den sog. ‘gürtellösenden’ (λυσίζωνοι) Gottheiten, und sie wurde als Artemis Eileithiya von den Frauen bei der Geburt angerufen.70 Ob Hals- bzw. Brustschmuck oder Gürtel, Freyjas Schmuckstück erscheint aufs engste mit dem Komplex Geburt und damit Regeneration verbunden. Vorderorientalische Mythenparallelen belegen das hohe Alter dieser Vorstellung. Der in mehreren Rezensionen aus dem 1. Jahrtausend vor Chr. überlieferte akkadische Mythos von Ischtars Fahrt in die Unterwelt – die längere sumerische Version ist mehr als ein Jahrtausend älter71 – erzählt, wie Ischtar (im sumerischen Text Inanna) in die Unterwelt zu ihrer Schwester Ereschkigal hinabsteigt, von dieser gefangen genommen wird, aber schließlich wieder freigelassen werden muß.72 Die Parallele, auf die es hier besonders ankommt,73 besteht darin, daß Ischtar beim Eintritt in die Todeswelt ihre sieben königlichen Insignien (Kleidung, Schmuck, darunter der Gürtel mit den Geburtssteinen), abgenommen werden.74 Auf diese Weise wehrlos gemacht, gerät sie in die Gewalt ihrer Schwester. Dies hat verheerende Folgen für die Welt der Lebenden, denn dort kommt jeglicher Geschlechtstrieb zum Erliegen. Erst die gewaltsame Befreiung der Göttin bringt diese notwendige Voraussetzung für Fruchtbarkeit zurück. Im nordischen Mythos ist es zwar nicht Freyja selbst, die verschwindet, wohl aber wird ihr das Regenerationskleinod geraubt. Und auch hier bedarf es erst einer gewaltsamen Auseinandersetzung, um dieses wieder zurückzuerlangen. Dieses Kleinod ist unbestritten der berühmteste Besitz Freyjas (Gylf 29/30; Skáldsk 30/13f.; Þrk 13, 15, 19). In der überlieferten Form Brísinga
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Gürtel; / Farbig waren darin die Reize des Zaubers gewoben / Alle: Liebe, Begierde, betörendes Liebesgeflüster, / Schmeichelnde Bitte, die selbst dem Verständigsten raubt die Besinnung. / Diesen reichte sie Heren und sprach sie an mit den Worten: / Da, befestige nur den Zaubergürtel am Busen; / Bunt ist alles hineingewirkt; ich glaube, du kehrest / Nicht erfolglos zurück, was immer du planest im Herzen! (Vss 214–221) Jungbauer 1930/31, Sp. 1217 ff. Ungnad 1921, S. 142; Mendelsohn 1955, S. 119; Kramer 1961, S. 83 ff. Ungnad 1921, S. 142 ff.; Gressmann et al. 1928, S. 206 ff.; Mendelsohn 1955, S. 120 ff.; Kramer 1961, S. 88 ff.; vgl. Mendelsohn 1955, S. 119; Kramer 1961, S. 86 ff.; Edzard 1965, S. 87 ff.; Diakonoff 1995, S. 181 ff. Vgl. Dronke 1992, S. 669 f.; Tolley 1996, S. 90. Ungnad 1921, S. 144/54 ff.; Gressmann et al. 1928, S. 208/54ff.; Mendelsohn 1955, S. 121/54 ff.; vgl. Motz 1998, S. 34.
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men bzw. men Brísinga bedeutet das Wort ‘Halsschmuck der Brisinge’, ohne daß jedoch letztliche Klarheit darüber zu gewinnen wäre, was es mit diesen Brisingen (Brísingar) auf sich hat. Häufig wurden sie mit dem Breisgau und der Harlungensage in Verbindung gebracht.75 Möglich wäre auch, daß sich dahinter eine Bezeichnung der Zwerge verbirgt, die nach der späten Überlieferung des Sǫrla þáttr das Schmuckstück herstellten (So˛ rla 275).76 Ein solcher Zwergenname ließe sich mit dem sonst nur einmal unter den Feuer-heiti belegten brísingr77 (Þul IV kk 4) verbinden – vielleicht nach der Tätigkeit des Schmiedens mit Feuer oder nach den glänzenden Gegenständen, die sie herstellen.78 Dies könnte man auch für Brísingr voraussetzen, das im ältesten literarischen Zeugnis (Brísings girði) als Genitiv Singular auftritt (Haustl 9). Daß es sich dabei lediglich um eine reimtechnisch bedingte Variation zu Brísinga handelt, ist denkbar. Bei einer Pluralform wäre das homonyme brísingr ‘Feuer’ problematisch.79 Das Wort gehört jedoch etymologisch zu norw. dial. brisa ‘leuchten, flammen, glimmern, glitzern’,80 an das sich sowohl Brísings girðir als auch Brísinga men anschließen ließe.81 Mehrfach berichten nun verschiedene Quellen von einem Diebstahl des Brísingamen. Am ausführlichsten und zusammenhängend erzählt davon eine relativ späte Quelle, der nur in der Flateyjarbók (14. Jh.) überlieferte Sǫrla þáttr (Sǫrla). Dieser Erzählung zufolge ist Freyja die Geliebte Óðins. 75 76
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Simrock 1869, S. 376 f.; Müllenhoff 1886, S. 221 ff.; Bugge 1887, S. 72 ff.; vgl. von See et al. 1997, S. 544. Finnur Jónsson 1931, S. 65; Klingenberg 1978, S. 464; Tolley 1996, S. 91. Allerdings ist gerade im Sǫrla þáttr nur allgemein von einem goldenen Halsschmuck (gullmen) die Rede. Bugge 1887, S. 75; Much 1898, S. 54 f.; Pering 1941, S. 213 f.; de Vries 1962, S. 57; Arrhenius 1969, S. 55; Klingenberg 1978, S. 464; Ásgeir Blöndal Magnússon 1989, S. 82. Vgl. Tolley 1996, S. 91. von See et al. 1997, S. 544. Aasen 1873, S. 81; de Vries 1962, S. 57. Birgit Arrhenius weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß in der germanischen Einlegekunst seit dem 4. Jh. rote, demnach Feuer assoziierende Edelsteine deutlich bevorzugt wurden. Sie hat deshalb die literarischen Angaben über das Brísingamen auf Rückenknopfspangen bezogen, die sowohl auf frühmittelalterlichen skandinavischen Frauendarstellungen als auch in zeitgenössischen Funden nachzuweisen sind und die auf der Vorderseite häufig mit Granaten eingelegt waren (Arrhenius 1969). Die Bedeutung von men lässt diese Interpretation kaum zu (vgl. Hauck 1992a, S. 534 Anm. 99 mit Hinweis auf eine mündliche Mitteilung von Dietrich Hofmann). ‘Feuer’ assosziieren im übrigen auch die rötlich schimmernden Früchte, die durch den Golfstrom angetrieben werden.
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Bei einem Spaziergang kommt sie zu einem Stein, der von vier Zwergen bewohnt wird. Diese sind überaus geschickte Schmiede, die gerade einen kostbaren goldenen Halsschmuck (gullmen) angefertigt haben. Dieser gefällt Freyja nicht minder als sie selbst den Zwergen. Um in den Besitz des Schmuckstücks zu gelangen, bietet sie Gold und Silber. Die Zwerge haben jedoch eine ganz andere Art von Bezahlung im Sinn und verlangen von Freyja, daß sie je eine Nacht mit ihnen verbringt. Freyja ist einverstanden und kommt auf diese anrüchige Weise in den Besitz des Kleinods. Der Handel bleibt allerdings nicht verborgen, denn Loki, der kluge Ratgeber Óðins, erfährt davon und erzählt es prompt weiter. Óðinn zeigt sich darüber wenig erfreut und verlangt von Loki, daß er ihm das Schmuckstück verschaffe. Freyja bewohnt jedoch ein besonderes Frauengemach, das sowohl schön als auch stark befestigt ist. Ohne ihre Zustimmung kann niemand hineingelangen, wenn die Türen erst geschlossen sind. Loki verwandelt sich daraufhin in eine Fliege und zwängt sich durch ein winziges Loch. Im Gemach liegt Freyja mit dem Schmuckstück um den Hals auf ihrem Bett. Unglücklicherweise liegt sie aber so, daß sie den Verschluß in die Kissen drückt. Loki weiß auch hier Abhilfe. Er verwandelt sich in einen Floh und sticht so unbarmherzig in Freyjas Backe, daß sie sich umdreht. So kann Loki den Halsschmuck abnehmen und das Frauengemach durch die Tür verlassen. Als Freyja am nächsten Morgen den Verlust bemerkt, will sie ihr so teuer erkauftes Kleinod unbedingt wiederhaben. Óðinn fordert nun seinerseits einen enormen Preis als Entschädigung für die zugefügte Schmach. Freyja soll zwischen zwei Königen einen endlosen Streit entfachen, bei dem sich die Gefallenen immer wieder erheben, um von neuem zum Kampf zu schreiten, den erst in fernen Tagen ein Christ beenden wird. Der zweite Teil des þáttr erzählt dann, wie Freyja diese gespenstische Schlacht zustande bringt. Es handelt sich dabei um den legendären Hjaðningavíg, also die Schlacht der Hjaðningen, den schriftliche (Skáldsk 72; Rdr 7–12; Hál 11; Hl 23a–b; GestDan V,VII, 8ff.) und bildliche82 Quellen bezeugen und der schließlich auch in dem mhd. Kudrun-Epos ein fernes Echo gefunden hat (Vss 847–918).83 Auf eine mögliche Variante des Halsschmuck-Mythos hat Richard North aufmerksam gemacht.84 Zu den Vorwürfen, die sich Gefjon in der Locasenna von Loki gefallen lassen muß, gehört nämlich, sie habe als Gegengabe für ein Schmuckstück ihre Schenkel über einen weißen
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Lindqvist 1968; Hauck 1976, S. 593 f. Vgl. Bartsch / Stackmann 1980, S. LII ff. North 1997a, S. 226, 281.
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Jüngling gelegt (Ls 20).85 Die Berechtigung, beide Überlieferungen miteinander in Beziehung zu setzen, ergibt sich zunächst, ohne nun den von mir ungeliebten Begriff Hypostase strapazieren zu wollen, aus einer Reihe von Zügen, die der Zuordnung von Gefjon und Freyja zum Bereich Fruchtbarkeit, Sexualität und Zauber folgen.86 Beide Göttinnen verbindet ferner das Thema ‘Sex für Schmuck’,87 wie der eben genannte Sǫrla þáttr für Freyja zur Genüge zeigt. Ob sich hinter Gefjons ‘weißem Jüngling’ tatsächlich der ‘weiße Ase’ Heimdallr verbirgt,88 wird sich zwar nie mit letzter Sicherheit zeigen lassen, ist aber eine naheliegende Schlußfolgerung. Daß der Diebstahl des Brísingamen auch außerhalb Skandinaviens bekannt war, zeigt eine Stelle aus dem Beowulf. Dort wird der Halsschmuck, den Beowulf als Lohn für seine Heldentaten gegen Grendel erhält, mit dem berühmten Brôsinga mene verglichen. Von ihm wird erzählt, Hâma habe es auf der Flucht vor Eormenrîcs Feindschaft zur glänzenden Stadt (to þære byrhtan byrig) gebracht und ewiges Heil gewählt (Vss 1197–1201). Auch wenn die Zusammenhänge weitgehend im Dunklen bleiben, so wird man diese Angaben doch nicht grundsätzlich von der Heimir-Geschichte in der altnorwegischen Þiðriks saga trennen können.89 Dort wird von Heimirs Flucht vor Erminríkr (ÞiðrII 177) sowie seinem Klostereintritt berichtet, den er den Mönchen mit einem beträchtlichen Vermögen versüßte (ÞiðrII 375 ff.).90 Offenbar überlagern sich hier aber, wie auch sonst,91 eine heroische und eine mythische Schicht, denn es besteht andererseits auch kein Grund, das Brôsinga mene vom Brísingamen fernzuhalten, wenngleich beide Namen nicht völlig identisch sind.92 Helen Damicos Versuch, diese Episode mit dem Sǫrla þáttr zu verbinden, indem sie Hâma zu aengl. hâma ‘cricket’ stellt – ein Wort, das auf assoziativem 85 86 87
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þess mun ec nú geta,/ er þic glapþi at geði:/ sveinn inn hvíti,/ er þér sigli gaf,/ oc þú lagðir lær yfir. Vgl. Heizmann 2001, S. 280, 292 ff., 295 f.; 2002, S. 223 ff., 230 f. Dieses Thema klingt auch an im Gefjon-Mythos der Gylfaginning (c. 1), denn dort erhält die Göttin als Gegengabe für ihre sexuelle Dienste (at launum skemtunar sinnar) die Insel Seeland (vgl. Heizmann 2002); so gesehen schon von Clunies Ross (1978, S. 154); vgl. Dronke 1997, S. 261. Vgl. hvíti Áss ‘weißer Ase’ (Gylf 25/32; Skáldsk 19/10); hvítastr ása ‘weißester der Asen’ (Þrk 15). Für Einwände vgl. Damico 1983, S. 223 ff. Vgl. Bugge 1887, S. 69 ff.; Klaeber 1936, S. 178 f.; North 1997a, S. 196 ff. So etwa das schwache Echo des Baldermythos im Beowulf (Vss 2426–2472); vgl. Dronke 1969, S. 322 ff.; North 1997a, S. 198 ff. Vgl. Bugge 1887, S. 75; Pering 1941, S. 216; Klingenberg 1978, S. 464; Damico 1983, S. 222; von See et al. 1997, S. 544.
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Weg über aengl. hama ‘covering’93 (vgl. awnord. hamr) zugleich auch auf Lokis Fähigkeit zum Gestaltwandel anspiele – und damit Lokis Verwandlung in ein Insekt vergleicht, erscheint ebenso phantasievoll wie gesucht.94 Schon Bugge hat aber im Zusammenhang mit Hâma auf den Namen des Gottes Heimdallr hingewiesen,95 eine Spur, die sich möglicherweise mit weiteren Beobachtungen stützen läßt.96 Hâma, Heimir, Heimdallr scheinen demnach als Namensdubletten im Rahmen eines verblaßten Mythos zu fungieren. Problematisch sind daneben Versuche, dem Kampf um Freyjas Kleinod zusätzlich eine eschatologische97 oder eine kosmogonische Perspektive98 abzuringen bzw. ihn mit dem Mythos vom Feuerraub99 in Verbindung zu 93 94 95 96
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Bosworth / Toller 1898, S. 506. Damico 1983, S. 226 ff. Bugge 1887, S. 73 f. Seinen halsbrecherischen Rekonstruktionsversuchen wird heute allerdings niemand mehr folgen wollen. So sieht Ursula Dronke in dem Ausdruck ‘glänzende Stadt’ eine Reminiszenz an Heimdalls Bezeichnung als ‘weißer Ase’ und vergleicht dessen Epitheton ráðgegninn mit dem Ausdruck geceas ecne ræd ‘[Hâma] wählte ewiges Heil’ (Dronke 1969, S. 322 ff.; vgl. Tolley 1996, S. 85; North 1997a, S. 197). So Klingenberg, der sich die Frage stellt, ob es bei diesem Kampf um das magische Substrat gehe, „das dem einen oder andern [...] die Geburt derer verstärken oder vermindern konnte, welche die Zeit bis zur Endzeit erfüllen“ (1978, S. 465); vgl. Krömmelbein 1983, S. 223 f. Auf Richard North (1997a, S. 224) aufbauend, versucht Tolley aus Húsdrápa 2 einen kosmogonischen Mythos zu rekonstruieren, indem er Freyjas Halsschmuck als Symbol der aus dem Meer steigenden fruchtbaren Erde identifiziert (1996, 85 f., 87 ff., 94 f.; vgl. auch Dronke 1989, S. 37 f.; 1992, S. 669 f.; 1997, S. 115) und damit in die Nähe von längst überholt geglaubten naturmythologischen Deutungen – das Brísingamen als Sonne oder Morgenröte etc. (Nachweise bei Pering 1941, S. 214; Schier 1976, S. 582) – rückt. Ohne Tolleys Auffassung grundsätzlich ausschließen zu wollen, ist jedoch darauf hinzuweisen, daß sie mit problematischen Etymologien (etwa zum dunklen Singasteinn) arbeitet und sich auf gewagte Wortspiele stützt, bei denen zentralen Begriffen ein mehrfacher Wortsinn unterstellt wird. Zwar ist dies gerade in der Skaldendichtung nicht auszuschließen, doch methodisch nur schwer abzusichern. So landet Tolley schließlich bei einer Komposit-Deutung, die neben der Geburtsthematik zugleich auch die Kosmogonie aus dem Meer und den Feuerraub-Mythos mehr oder weniger gleichberechtigt einbezieht. Diese alte Deutung Muchs (1898, S. 54 f.) versucht in jüngster Zeit Cöllen zu revitalisieren (2007, S. 72 ff.; vgl. Tolley 1996, S. 92). Ausgehend von brísingr in der Bedeutung ‘Feuer’ weist er darauf hin, daß dieses Element in vielen Kulturen mit dem Komplex Zeugung verbunden sei. Zahlreiche Mythen berichteten, wie das Feuer erst den Göttern entwendet werden musste und der Räuber dafür bestraft wurde. Eine solche ‘Prometheus’-Gestalt vermutet Cöllen in Loki. Andererseits
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assoziiert er Heimdallr über das vorausgesetzte Namenselement -dallr in der Bedeutung ‘glänzend’ mit Zeus, sieht in ihm also einen Himmelsgott, dem er Züge eines deus otiosus zuschreibt. Eine wichtige Rolle spielt dann Cöllens Auffassung von áðr im Sinne von ‘bis jetzt’ (S. 62, 63, 75). Dies (will sagen: der Gott beherrscht bis jetzt die Meerniere) ermöglicht ihm nämlich die Annahme, Heimdallr erhalte den Feuer-Stein gar nicht zurück, vielmehr verbleibe er in der Welt der Menschen. Daß der unterstellte ‘chaotische’ Charakter des Steins für Cöllen schließlich noch Anlaß zur Vermutung bietet, hier läge eine Parallele zum Pandora-Mythos vor, wird man eher als Kuriosität verbuchen müssen. Auch sonst beruht fast jedes Element dieser Deutung auf problematischen Annahmen. Dazu zählt in sprachlicher Hinsicht zunächst Cöllens Verständnis von áðr. Zu diesem áðr finden sich in der Forschung divergierende Auffassungen. Überwiegend wurde dabei von der Bedeutung ‘zuerst’ ausgegangen: Jón Sigurðsson 1848, S. 269 (‘prior potitur splendido pelagi globulo’); Vigfusson / Powell 1883, S. 24 (‘before the sturdy Son of Nine Mothers won the fair necklace’); Wisén 1889, S. 19 (‘antea, olim’); Finnur Jónsson 1912, S. 128 (‘kommer først i besiddelsen af’); Faulkes 1987, S. 77 (‘is first to get hold of’); 1998,2, S. 232 (‘was the first to’); Krause 1997, S. 107 (‘erhält zuerst die glänzende Meeresniere’); North 1997a, S. 281; 1997b, S. 40 (‘is first to take possession’). Schier hat sich dagegen für die Bedeutung ‘früh, bald’ (‘bald beherrscht der mutig-kraftvolle Sohn von acht Müttern und einer die schöne Meerniere’) ausgesprochen (1976, S. 581). Marold lehnt diese Deutung aus lexikalischen und metrischen Gründen ab und plädiert trotz Bedenken dafür, áðr in den Klammersatz zu ziehen: ‘ich verkünde (das) zuvor in den Abschnitten des Lobgedichts’ (2000b, S. 297 Anm. 20). Kock versucht sich an einer Emendation zu óð ‘Dichtkunst’ (NN, §1890), ist dabei aber trotz gelegentlicher Zustimmung (de Vries 1933, S. 127) zumeist auf Ablehnung gestoßen (vgl. Schier 1976, S. 580). Unter Verweis auf Kuhns ‘Kurzes Wörterbuch’ zur Edda (1968, S. 12) wäre zu erwägen, ob sich áðr hier nicht auch in der Bedeutung ‘dann aber’ (Kuhn verweist u. a. auf Vsp 4: Áðr Burs synir bio˛ þom um ypþo) verstehen ließe. Wie dem auch sei, mit seiner Auffassung von áðr steht Cöllen ziemlich allein da. Problematisch ist ferner die vorausgesetzte Bedeutung von -dallr. Nur sie ermöglicht überhaupt den Vergleich mit Zeus. Entscheidet man sich, und dafür gibt es gute Gründe, für die oben angeführte alternative Deutung Pippings, dann stürzt der Vergleich in sich zusammen. Um Loki mit Prometheus vergleichen zu können (ältere Vertreter dieser Auffassung verzeichnet Pering 1941, S. 214 f.), müssen seine angeblichen Trickster-Qualitäten bemüht werden. Obwohl de Vries, der Schöpfer dieses Gedankens (1933, Kap. XII), seine diesbezügliche Meinung schon längst relativiert hat (1959, S. 2, 9), scheint die Vorstellung von Loki als Trickster für viele geradezu zwingend. Dabei steht sie auf wackeligen Füßen. Zum einen gilt es festzuhalten, daß der Begriff Trickster ganz unterschiedlich definiert wird. Da Cöllen Loki mit Prometheus vergleicht, scheint ihm eine Auffassung vor Augen zu schweben, die Trickster und Kulturheros nicht unterscheidet. So verstanden gehört es aber zu den wichtigsten Eigenschaften eines Tricksters, daß es die Menschen sind, die von seine Schläue und seinen Normverstößen profitieren. Auf Loki trifft das nicht zu. Daß die Götter durch ihn in den Besitz ihrer charakteristischen Kleinodien gelangen, gehört nicht hierher. Selbst die viel strapazierte Erfindung
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bringen. Sie müssen durchweg mit beträchtlichem Aufwand in das Belegmaterial hineininterpretiert werden. Als Ergebnis meiner Bemühungen um die schwierige Strophe schlage ich folgende Übersetzung vor: Der ratkluge, berühmte Grenzwächter der Götter [Heimdallr] kämpft mit Fárbautis überaus gerissenem Sohn [Loki] beim Singasteinn [eine Schäre]. Dann aber besitzt der mutig-kraftvolle Sohn von acht Müttern und einer [Heimdallr] die schöne Meerniere [das Brísingamen]. Das tue ich in Abschnitten des Gedichts kund. Die von mir favorisierte Interpretation von Húsdrápa 2 orientiert sich programmatisch an Snorris Deutung und versucht diese mit dem von Snorri überlieferten Text der Strophe in Einklang zu bringen. Sie kommt ohne Emendationen und ohne Stütze durch problematische Etymologien aus, auf die, so mein methodisches Credo, nur als ultima ratio zurückgegriffen werden darf, wenn alle anderen Bemühungen philologisch einwandfrei zurückgewiesen werden mußten. Es bleiben zwar im einen oder anderen Fall philologische Bedenken, die aber nicht unüberwindlich sind. Die Rollen der Protagonisten lassen sich im Rahmen dieser Interpretation ohne Probleme erklären. Heimdallrs Part ergibt sich aus seiner Funktion als Wächter der Götter und Ahnherr des Menschengeschlechts (Vsp 1; Rþ), der das Regenerationskleinod nicht unbefugten Händen überlassen darf. Dem entspricht auf der anderen Seite Loki, der in den Quellen mehrfach als Gegner der Götter sowie insbesondere als dezidierter Feind der Regeneration auftritt. Diese Rolle bleibt in den zahlreichen Versuchen, das Wesen Lokis zu ergründen,100 eigentümlich unterbelichtet. Sie reicht aber nach Ausweis der Ikonologie der völkerwanderungszeitlichen Goldbrakteaten bis in die älteste Überlieferungsschicht nordgermanischer Mythen, die für und greifbar wird, zurück, wenn Loki dort in der Viktoria-Nachfolge die Tötung Balders inszeniert.101 Für Balders Tod machen ihn auch die nordischen Quellen verantwortlich (Gylf 45 ff.; Ls 28). Zugleich wird ihm unterstellt, dessen mögliche Wiederkehr in Gestalt der tränenlosen Riesin Þo˛ kk perfide zu hintertreiben (Gylf 46/3ff., 48/2ff.; Ls 28).102 Es ist Loki,
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102
des Netzes steht in der überlieferten Form (Gylf c. 50) ohne Zusammenhang mit den Menschen. Vgl. u. a. de Vries 1933; Ström 1956; Rooth 1961; zuletzt Liberman 1994. Vgl. dazu die zahlreichen Studien von Karl Hauck, insbesondere 1970, S. 182 ff., 249 ff., 309 ff.; 1974; 1985, S. 166 ff.; 1992a, S. 475 ff.; 1992b, S. 129 ff.; 1998, S. 515 ff.; Beck / Hauck 2002 sowie demnächst Heizmann 2007 (2009). Vgl. Schjødt 1981, S. 66 ff.
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der den Göttern rät, auf das Angebot des anonymen riesischen Baumeisters zum Bau Valho˛ lls einzugehen (Gylf 34 f.; Hdl 40), damit aber zugleich den Verlust von Freyja sowie von Sonne und Mond riskiert und so die kosmische Ordnung aufs Spiel setzt.103 Er stiehlt mit dem Haar von Þórs Gattin Sif (Skáldsk 20/5, 41/29f.) ein Regenerationssymbol par excellence, denn Haar gilt praktisch überall auf der Welt als Träger der Lebenskraft.104 Ihm wird zugeschrieben, daß die Regeneration von Þórs Böcken nicht einwandfrei gelingt (Hym 37).105 Er raubt schließlich die Göttin Iðunn samt ihren Äpfeln, um sie dem Riesen Þjazi zuzuführen (Haustl 9).106 Loki wird genau in diesem Augenblick mit der Kenning Brísings girðiþjófr ‘Dieb von Brísingrs Gürtel’ umschrieben.107 In der Haustlo˛ ng werden so im Sinne einer mehrdimensionalen Gestaltung108 mittels der Kenningtechnik zwei verwandte Mythen miteinander in Verbindung gebracht. Als Folge der Entführung Iðunns durch Loki verschwinden Jugend und Fruchtbarkeit aus der Götterwelt.109 Dieser Raub wird durch die Kenning mit einem anderen Raub Lokis gleichgesetzt: dem Raub von Freyjas Brísingamen. Und auch hier, so darf man auf Grund der Parallelität vermuten, hat dieser Raub katastrophale Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit. Dies wird umso verständlicher, wenn es sich bei Freyjas Schmuckstück nicht um ein gewöhnliches Schmuckstück, wie kostbar auch immer, handelt, sondern um ein Kleinod, das in engstem Bezug zur Geburt und somit zur Regeneration steht. Dies beantwortet die Frage, warum Loki das Brísingamen raubte, zur Genüge.110 Von daher fällt schließlich auch ein bezeichnendes Licht auf die Þrymsqviða, in dem die beiden Protagonisten der Halsschmuck-Mythe als Nebenfiguren auftreten. Es ist sicherlich kein Zufall, daß gerade Heimdallr den entscheidenden Ratschlag gibt, man solle den bärtigen Riesentot103 104 105 106
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Ebd., S. 63 f. Vgl. Frazer 1919, S. 484 ff.; Bächtold-Stäubli 1930/31, Sp. 1258 ff. mit zahlreichen Literaturhinweisen. Vgl. Schjødt 1981, S. 66. Der Mythos vom Raub Iðunns ist Inhalt der Strophen 1–12 der Haustlo˛ ng (North 1997b, S. 2–7 (Text und Übersetzung), S. XIV–XIX (Einleitung), S. 13–55 (Kommentar). North bevorzugt hier eine Kenning Brísings goða girðiþjófr ‘the thief of the gods’ Brísing-girdle’ als Ausdruck dafür, daß der Schmuck sich jetzt im Besitz der Götter und nicht mehr im Besitz seiner zwergischen Hersteller befindet (1997b, S. 40). Vgl. Marold 1983, S. 191 ff., bes. S. 214. Zu Iðunns Bild als Göttin von Fruchtbarkeit, Wachstum und Gedeihen in Haustlǫng vgl. North 1997b, S. XXIX f. sowie S. 37 ff. Die Frage nach dem „rätselhaften“ Warum stellte Klingenberg (1978, S. 465).
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schläger Þórr als Freyja verkleiden, und Loki die Göttin dem Riesen Þrymr als Braut zuführt. Beide werden so ihren angestammten Rollen gerecht: Heimdallr als kluger Ratgeber, der einerseits Freyja aus der Schußlinie nimmt und damit den Fortbestand der kosmischen Ordnung gewährleistet, der andererseits aber diese Ordnung schützt, indem er deren kraftvollsten und effektivsten Verteidiger ins Feld schickt. Loki tritt als (Ent-)Führer der ‘Göttin’ auf, bleibt aber auch seiner Rolle als Täuscher treu, indem er den Riesen Þórr als Freyja ‘verkauft’. Die Þrymsqviða ließe sich somit als zwar ins Schwankhaft-Parodistische transponierte, in ihrem Kern doch gleichwohl bitter ernste Variante des gleichen Themas verstehen, um das auch die Mythen vom Raub Iðunns und dem Diebstahl des Brísingamen kreisen: die Bedrohung der göttlichen Regenerationskraft und damit der kosmischen Ordnung durch die Chaosmächte.
Literaturverzeichnis Abkürzungen ANF Eb GestDan Gylf HdA HistNorv Laxd NatHist NN RGA SnEU SnEW So˛ rla ÞiðrII
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 531–539 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
The wisdom contest in Vafþrúðnismál by ANDERS HULTGÅRD The eddic poems Vafþrúðnismál and Grímnismál composed in the metre of ljóðaháttr are usually referred to as the most reliable sources for preChristian cosmology and mythology.1 Unlike the Vǫluspá these poems have not been considered to reflect any perceptible Christian influence and in the discussion on the dating of the eddic poems, the inclusion of Vafþrúðnismál and Grímnismál in the group of pre-Christian 10th cent. poems is the predominant opinion.2 Grímnismál has a frame story which is told in prose as an introduction and epilogue. The poem itself is a monologue by Odin and the framing story cannot immediately be derived from the poem although some elements of it can be found in the first three stanzas. By contrast the Vafþrúðnismál is cast in the form of a dialogue between Odin and the giant Vafþrúðnir and the framework, a contest in mythic wisdom, is part of the poem proper. I shall briefly recall the main points of this didactic framework. In a sort of prologue (st. 1–4) we are told that Odin desires to go to Vafþrúðnir in order to rival the giant’s knowledge of ancient lore. Frigg prefers to have Odin at home because there is no other giant more powerful than Vafþrúðnir, and apparently she is not quite sure that her husband will succeed in defeating the giant. The word for ‘powerful’ rammr suggests also magical power. Odin insists, however, and Frigg wishes him good 1
2
In more recent publications this is emphasized by Larrington 2002, Gísli Sigurðsson 2006, Hultgård 2008. See for example the overviews by Kurt Schier 1986, Joseph Harris 1985 and Bjarne Fidjestøl 1999. Some scholars stress the possibility of a later dating, however. Sprenger (1985) regards the poem as a “Schöpfung jüngeren Datums”. Simek (1984) points to the dialogue form and the interest taken by the Icelandic ‘Renaissance’ of the 12th and 13th cent. in the ancient mythology, and in his “Religion und Mythologie der Germanen” (2003, pp. 267–268) he considers the late dating to be more probable; cf. also Holm-Olsen 1985, p. 317.
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Anders Hultgård
luck. When entering the hall of the giant, Odin immediately provokes Vafþrúðnir by questioning his knowledge and the giant replies by asking who the man is who dares to speak in that manner and declares that he will not escape from the hall unless he proves wiser than the giant. Odin presents himself as Gagnráðr (or with a variant reading Gangráðr)3 and says he has travelled a long time to be the guest of Vafþrúðnir. The giant, now in a more hospitable mood, invites Gagnráðr/Odin to take his seat in the hall for the contest to begin. Vafþrúðnir introduces his questions with the formula: segðu mér (þat st. 13, 15 and 17), Gagnráðr, allz þú á gólfi vill þíns um freista frama hvé … ‘Tell me (or ‘this’), Gagnráðr, since on the floor you will try your prowess, how …’
As the refrain shows, Gagnráðr is still standing on the floor when the giant puts his questions. After having listened to the answers of Gagnráðr, Vafþrúðnir declares that the guest is indeed a wise person: fróðr ertu nú, gestr and invites him again, now to take his seat and compete with the giant in wisdom (geðspeki).4 We now learn the condition of the contest, life itself is at stake, the pledge is the head: hǫfði veðia vit skolom hǫllo í (st. 19). Thus the meaning of Vafþrúðnir’s words to Odin in stanza 7: “you will not get out from our halls unless you are the wisest one” is more serious than appeared when first uttered. Gagnráðr in his turn raises twelve questions about mythic wisdom, the last one concerns the source of the giant’s knowledge. The formula used to introduce the questions also numbers them: segðu þat it eina (annat, it þriðia etc.) ‘tell that first (second, third…)’
Then it refers to the giant’s wisdom by varying the wording according to the following scheme: a) ef þitt ǿði dugir (st. 20, 22) ‘if your knowledge is sufficient’ b) allz þik svinnan (or fróðan) kveða (st. 24,30, 32, 34, 36) ‘since they say you are wise’.
3 4
For a discussion of this reading, see Ejder 1960, pp. 11–13. In view of the mythic character of the contest it is tempting to emend the hapax legomenon geðspeki to goðspeki ‘knowledge of the gods’, in modern terms ‘mythology’.
The wisdom contest in Vafþrúðnismál
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Both these variants have as concluding element the phrase ok þú, Vafþrúðnir, vitir ‘and you, Vafþrúðnir, know’. In the third variant we find the following formulation: c) allz þú tíva røk ǫll, Vafþrúðnir, vitir (st. 38, 42)5 ‘since you know, Vafþrúðnir, all the (significant) events of the gods’. The formula scheme could be seen as revealing a progressive appreciation of the giant’s wisdom by Odin where he is rather sceptical in the beginning. He questions the giant’s capacity, “if your knowledge is sufficient”, but ends up with a full recognition stating that Vafþrúðnir knows all the grand events (røk) pertaining to the gods. When eschatological myth is addressed in the final part of the poem (st. 44 to 53) a third refrain is introduced which refers to Odin and where he indicates the sources of his knowledge: fiǫlð ek fór, ‘I travelled much’ fiǫlð ek frestaðak ‘I experienced much’ fiǫlð ek reynda regin ‘I enquired much of the gods’
The giant answers all of Gagnráðr’s questions successfully but the final question turns out to be fatal to him. When Gagnráðr asks what Odin whispered in the ear of his son before climbing the funeral pyre, the giant suddenly realizes that he has to do with the god himself. He understands that he has presented all his mythic knowledge as a person already marked by death: feigom munni mælta ek mína forna stafi ok um ragna røk . Vafþrúðnismál is thus a skilfully composed poem showing the art with which poets in an oral culture produced texts. Scholars usually find a well articulated structure in the poem.6 The framework consists of two parts, the introduction (st. 1–4) giving the reason why Odin wants to visit the giant and the reaction expressed by Frigg. The other part is the wisdom contest itself which is the carrying structure of the poem. As scholars have pointed out the questions can be divided into three groups. First (A) the four questions asked by the giant (st. 11 to 18), then the twelve questions (st. 20 to 43 asked by Odin with an introductive numerical formula (group B) and the last six questions raised by the god (st. 44 to 55, group C).
5 6
Probably also in stanza 40 which is incompletely transmitted, however. For analyses of the structure see de Vries 1934, pp. 11–13; McKinnell 1994, pp. 87–95; Ruggerini 1994 which is the most penetrating analysis; Larrington 2002, pp. 64–65; Gísli Sigurðsson 2006. By contrast, Sigurdur Nordal (1970–71, p. 104) regards the poem as “a jumble of odd fragments of erudition without any proper organisation, and no attempt is made to trace the causal connection of events”.
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The overall genre of Vafþrúðnismál is apparently the dialogue in its form of questions and answers, the erotapokrisis type which was often used in classical and medieval Christian literature as in other literatures. In looking for parallells Anne Holtsmark7 referred to conversations in medieval literature between a magister and his discipulus as we have them in Elucidarius for example. Rudolf Simek8 suggested that the dialogue form in Vafþrúðnismál might have been taken over from medieval learned tradition Vafþrúðnismál. The comparisons with the genres mannjafnaðar and the senna that have been made are less appropriate for the Vafþrúðnismál.9 Other scholars have pointed to more relevant parallels and genres, however. The riddle contest between Gestumblindi and King Heiðrekr preserved in Hervarar Saga chapter 10 is more close to Vafþrúðnismál than the didactic dialogues of medieval origin.10 Gestumblindi, an adversary of Heiðrekr, is summoned to the king to make terms with him, otherwise he will lose his life. Realising his inferiority in a possible discourse with the king and his counsellors, Gestumblindi sacrifices to Odin for support and the god arrives one evening on the farm. They change clothes and Gestumblindi/Odin comes to the king and they agree to ‘bring up riddles’ (bera upp gátur) to settle the dispute. Gestumblindi asks a number of riddles and the king solves them all except for the last one which is not a riddle but the same question as the final one in Vafþrúðnismál 54. What did Odin whisper in the ear of his son before Baldr was carried onto the funeral pyre? This last question discloses the real identity of Gestumblindi who alone can know the answer and the king replies: þat veiztu einn, rǫg vættr, ‘Only you know that, wicked creature’11 and strikes at Gestumblindi/Odin. But Odin changes his shape into a falcon and flies away, uttering the prediction that Heiðrekr shall be killed by evil slaves. How this comes about is told in the following chapter of the Hervarar Saga (ch. 11). The way in which the riddle contest of Gestumblindi and Heiðrekr ends seems secondary, since one expects the death of the king to follow directly upon the disclosure of Odin’s identity as in the frame story of Grímnismál and as alluded to by the
7 8 9 10
11
Holtsmark 1975. Simek 1984. Ejder (1960) rightly rejects these genres as parallels. The riddles of Gestumblindi are referred to as a parallel of Vafþrúðnismál by Ejder 1960; Ruggerini 1994; Larrington 2002; Gísli Sigurðsson 2006 and discussed in more detail by McKinnell 1994. English translation by McKinnell 1994, p. 96.
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last words of the giant in Vafþrúðnismál.12 The contest of Gestumblindi and Heiðrekr is over actual riddles that are quite different from the mythic subject matter presented in Vafþrúðnismál.13 The contest in Alvíssmál between the god Thor and the dwarf Alvíss ‘all-knowing’ can broadly be put in the same didactic dialogue genre as Vafþrúðnismál and the riddles of Gestumblindi in Hervarar Saga. There is no actual contest, however. Thor exposes the dwarf to a ‘questionnaire’ of poetic synonyms without having to respond himself to similar questions. Elements of the fairy tale genre are also present in Alvíssmál.14 Fáfnismál stanzas 12 to 15 are cast in the form of questions and answers pertaining to mythic themes.15 The formula with which Sigurðr addresses Fáfnir runs: Segðu mér þat, Fáfnir, ‘Tell me this, Fáfnir’ allz þik fróðan kveða, ‘since they say you are wise’ ok vel mart vita, ‘ and know well many things’
and is clearly reminiscent of the one used by Odin in Vafþrúðnismál to address the giant. For medieval Europe reference has been made to works like the Old English Solomon and Saturn II and the Old Irish Colloquy of the Two Sages, both showing a similar form of didactic dialogue framework as the wisdom contest in Vafþrúðnismál.16 The Irish work was propably composed in the ninth or tenth century and is presented as a dialogue (immacaldam) between Néde, a young poet (fili), and his older colleague Ferchertne.17 The questions they exchange pertain in the first part to their travels, family background, name and profession and the answers are given by listing a number of poetic periphrastic expressions for that which was asked.18 It is a show of poetic synonym repertoire rather than a wisdom contest. The second part is made up of prophecy, and here too the element of contest is put in the background. Upon the question of Ferchertne whether Néde has some tidings (scéla), the latter replies that he has indeed good tidings. Néde brings a short prediction revealing the good time that is 12 13 14 15 16 17 18
McKinnell 1994, p. 96. McKinnell 1994, p. 95. See Ruggerini 1994. For these stanzas and their significance for interpreting Vafþrúðnismál, see Kragerud 1981. Larrington 2002, p. 63. Edition and translation in Stokes 1905. Stokes uses the Old Norse word kenningar to denote these strings of periphrastic expressions.
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to come and then returns the question to Ferchertne: ‘do you have some tidings’? He answers with an extensive prophecy predicting the evil times that will be. Then follows the epilogue telling how Néde recognizes Ferchertne as his master and they part in friendship. In its actual form the Colloquy of the Two Sages is a Christian composition, but the framework and some of the contents reflect ancient pagan tradition. Compared with the wisdom contest in Vafþrúðnismál and in Hervarar Saga, the Old Irish counterpart appears less appropriate as a parallell mainly because the element of dispute plays an insignificant role and because there is in the end no hostility between the two interlocutors. It has been proposed by John McKinnell that the wisdom dispute in Vafþrúðnismál and the riddle contest between Gestumblindi and king Heiðrekr embody independent expressions of a received story pattern telling about a contest between Odin and a mythic or legendary opponent.19 I believe he is right in assuming ancient tradition behind Vafþrúðnismál and Hervarar Saga. I would go a step further and suggest that the Old Norse tradition of a wisdom and riddle contest has roots far back in time and that it might ultimately represent Indo-European mythic patterns. In the Old Iranian collection of ritual praise poems, the yašts, one of the major hymns (yašt 5), dedicated to the goddess Anāhitā, contains an allusion to a mythic wisdom contest. The main part of the hymn is structured as a list with recurrent formulas enumerating the persons who sacrificed to the goddess in the past, also indicating the place of worship and what the worshippers asked of her. Stanzas 81 and 82 refer to a wisdom contest between a worshipper of the goddess named Yōišta and his opponent, the distrustful Axtya. Both are legendary figures belonging to the mythic history of Iran. The two stanzas run as follows: To her sacrificed (yazata) Yōišta of the Fryāna family a hundred stallions, a thousand oxen and ten thousand sheep on the wave-breaking island of the Ranghā river. Then he invoked her: ‘give me this favour, good and most powerful Ardvī Sūrā Anāhitā, that I may overcome the evil and dark Axtya, and that I may answer the ninety-nine difficult and malevolent questions (frašna-) which the evil and dark Axtya will ask me’. Ardvī Sūrā Anāhitā granted him that favour. 19
McKinnell 1994, p. 95–98; cf. also Holtsmark 1964. McKinnell further thinks it is unlikely that the tale in Hervarar Saga “originated with King Heiðrekr”.
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We do not know the contents of the questions and the details of the performance situation to which the Avestan text refers. Fortunately a later text, in Middle-Iranian language, probably redacted in the Sasanian period, that is the 3rd to 6th centuries of our time, describes in fact a wisdom contest between the two legendary figures alluded to in the Avesta. The text is known as Mādayān ī Yōšt ī Friyān, ‘The Book of Yōšt of the Friyān family’ (Yōšt is the Middle-Iranian form of Yōišta).20 The plot of the framing story is roughly as follows. The evil Axt (Middle-Iranian form of Axtya) appears with an army before the gates of a town called “the city of those who explain questions”, šahr ī frašn vizārān. He demands correct answers to the questions he shall present, if not, he threatens the inhabitants with death and the town with destruction. One person, the righteous Yōšt, offers himself to answer the questions. Axt invites him to his palace (dar) and states the rules of the contest. If Yōšt is not able to answer the questions, he will be put to death. Axt then asks 33 questions mainly concerning religious and mythic matters. Yōšt succeeds with divine help to answer all the questions, and in turn he asks the evil Axt three difficult questions. Axt does not know the answers but rushes to his spiritual master, Ahreman, the prince of evil, but he refuses to reveal to Axt the right answers, because that would imply the end of the reign of evil. Axt returns and admits he is defeated, and Yošt has him killed by pronouncing a ritual formula. The repetitions and the formulaic style indicate that behind the MiddleIranian prose text there is a poetic substrate. We may note in particular the refrain with which Yoišt addresses his adversary each time he answers: “may you be in misery whilst living, cruel and evil tyrant, and fall to hell when dead”. The Middle-Iranian version certainly reflects the literary taste and the religious ideas current among Zoroastrians in the Sasanian empire, and the contents of the questions were probably somewhat different from those which the Avestan myth told, but the frame story represents, as we have seen, ancient tradition. Despite the differences there are clear analogies between the Iranian and Scandinavian versions of the wisdom contest. In both cases a divine figure, or a person acting on behalf of the gods, engages in a contest of mythic 20
Inger Boberg used Yōišt ī Friyān in interpreting later European riddle tradition. She got to know this text through the Danish specialist in Iranian languages Kaj Barr who also communicated to her remarks on the Iranian text (see Boberg 1945, p. 192 note 1). Boberg (p. 206) also noted in passing that Vafþrúðnismál and Alvíssmál just as Yōišt ī Friyān were riddle contests where life itself was at stake but made no further comparisons.
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knowledge which, according to the conditions, is for life or death. The opponent is a figure hostile to gods and men and he begins the questioning, but the initiative is then taken by the god or his representative and the last question or questions are in fact impossible to answer without divine knowledge. The contest ends in the same way by the death of the defeated part. Much in this comparison is applicable also to the riddle contest in Hervarar Saga. The information that Gestumblindi sacrificed to Odin for help and promised the god great gifts, may derive from the received story pattern: þat ráð tekur Gestumblindi, at hann blótar Óðin til fulltings sér ok biðr hann líta á mál ok heitr honum miklum gæðum.
This clearly recalls the situation in the Old Iranian yašt where Yōišta sacrifices to the supreme Iranian goddess to receive her help in the contest with Axtya. If it were not for the Avestan evidence, a possible connection between the Iranian and Scandinavian stories would be more difficult to argue. But the yašt to Anahita dates at least from the 6th cent B.C.E., and the mythical contest between Yōišta and Axtya is there referred to as well known tale. We have to do with oral tradition reaching far back in time. The comparison with the Iranian evidence leads me to suggest that the frame story of Vafþrúðnismál and largely also that of the riddles of Gestumblindi, is not a medieval invention but represents inherited mythical tradition with roots in an Indo-European past.
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 540–566 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Wieland der Schmied auf dem Kistenstein von Alskog kyrka und dem Runenstein Ardre kyrka III Zur partiellen Neulesung und Interpretation zweier gotländischer Bildsteine von SIGMUND OEHRL Bereits 1980 hat der Jubilar in seinem Beitrag „Zur Problematik der Beziehung zwischen Bilddetail und Bildganzem“ auf grundsätzliche Schwierigkeiten bei der Interpretation von germanischen Bilddenkmälern aufmerksam gemacht. Er stellte fest, dass zunächst Vergleichsmaterial herangezogen muss, das zeitlich und räumlich dem untersuchten Bildwerk nahe steht und auch den gleichen kulturellen und religiösen Quellen entspringt wie dieses.1
Um eine adäquate Grundlage für diese Methode zu schaffen, regte Kurt Schier den Aufbau eines Bildarchivs bzw. einer Datenbank an, die „das gesamte Bildmaterial des Nordens innerhalb eines umgrenzten, aber doch großen Zeitraumes“2 erfasst. Diese Datenbank müsse insbesondere eine Sammlung einwandfreier Fotografien sowie einen ikonographischen Index und eine Bibliographie der Bilddenkmäler enthalten. Ein derartiges Archiv sei auch als Ausgangspunkt späterer kritischer Editionen geeignet. Erfreulicherweise ist seit 1980 ein Teil der wichtigsten Bilddenkmälergruppen in Buchform ediert und verstreut veröffentlichtes Material zusammengetragen worden.3 Die Vorteile eines Archivs, wie es Kurt Schier vorschwebte, liegen auf der Hand: In einer im Internet zugänglich gemachten Datenbank können Bildarchiv, Index, Bibliographie und sonstige Daten ständig erweitert und aktualisiert, Fotografien in nahezu unbegrenzter Größe, Qualität und Menge verfügbar gemacht werden. Suchfunktionen er1 2 3
Schier 1980, S. 179. Schier 1980, S. 180. Z. B. Cramp et al. 1984–2008, Bergendahl Hohler 1999 und insbesondere Hauck et al. 1985–1989.
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leichtern und beschleunigen die gezielte Recherche. Die technische Realisierbarkeit eines solchen Projektes ist heute durchaus gegeben. Die damalige Forderung des Jubilars kann also nur ausdrücklich unterstrichen werden. Tatsächlich wird eine derartige Datenbank für die Bildsteine Gotlands inzwischen vorbereitet.4 Kurt Schier nennt in besagtem Beitrag die systematische Sammlung technisch einwandfreier Fotos als dringendste Aufgabe eines solchen Archivs. Er stellt fest, dass die kritische Überprüfung der Originale unverzichtbar ist. Dem schließe ich mich an. Schier betont, dass die Publikation von Bildern vor allem in älteren Ausgaben oft unter der mangelnden technischen Qualität der Wiedergabe leidet, so dass Einzelheiten, die für die Analyse wichtig sind, zuweilen nur unzulänglich wiedergegeben werden.5
Insbesondere im Fall der gotländischen Bildsteine ist diese Problematik ausgeprägt. Die Bild tragenden Oberflächen der Kalksteinplatten sind häufig aufgrund von Verwitterung und sekundärer Nutzung in beklagenswertem Zustand. Die z. T. feinen Ritzungen bzw. das flache Relief sind mitunter so abgetreten, dass die Bilddarstellungen kaum einwandfrei zu identifizieren sind. In Sune Lindqvists einschlägiger Publikation von 1941/1942 werden auch Zeichnungen und Fotografien der nackten Bildfläche geliefert. Im Wesentlichen handelt es sich jedoch um Ablichtungen der schwarz eingefärbten Ritzungen bzw. Hintergrundflächen. Diese Abbildungen, die dem überwiegenden Teil der Forschungsliteratur zugrunde liegen, geben die – naturgemäß z. T. sehr subjektive – Lesung des Einfärbers wieder. Auch wenn Lindqvist viel Zeit und Mühe in die Autopsie, die Ausleuchtung und Einfärbung der Steine investiert hat, bleibt zu konstatieren, dass die zur Verfügung stehenden Abbildungen, sofern es schlecht bewahrte Partien betrifft, fehlerhaft bzw. irreführend sein können, da abweichende Lesungen möglich wären. Wie Karl Hauck bereits 1957 durch die Anfertigung von Latexabgüssen demonstrieren konnte, sind zuweilen Darstellungsdetails vorhanden, die mit dem bloßen Auge gar nicht wahrzunehmen sind.6 Jüngst sind durch 3D-Laserscanning spektakuläre Ergebnisse erzielt worden.7 Allerdings hat sich gezeigt, dass auch mit konventionellen Untersuchungsmethoden – also unter Verwendung von 4 5 6 7
Widerström 2004, S. 83. Allein der beträchtliche Material-Zuwachs (Nylén / Lamm 2003, S. 180–206) macht eine neue Edition erforderlich. Schier 1980, S. 180. Gauert 1958a; 1958b; 1958c. Für diesbezügliche Auskünfte und aufschlussreiches Bildmaterial bin ich Per Widerström und Laila Kitzler Åhfeldt zu herzlichem Dank verpflichtet.
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Taschenlampen, Scheinwerfen und Vergrößerungsgläsern – Bildbestandteile ausfindig gemacht werden können, die Lindqvist falsch interpretiert, anders bewertet oder schlicht übersehen hat.8 Im vorliegenden Beitrag möchte ich anhand zweier Exempel veranschaulichen, wie folgenschwer die unzureichende Dokumentation und wie erkenntnisreich eine Neuuntersuchung des Materials sein kann. 1850 wurde in der Kirche von Alskog ein Bildstein aufgefunden, der in sekundärer Verwendung als Bodenplatte diente. 1873 ist der Stein in das Staatliche Historische Museum in Stockholm verbracht worden. Heute ist er im großen Archiv des Staatlichen Historischen Museums in Tumba aufbewahrt (SHM 5038). Die 15 cm dicke Kalksteinplatte ist nachträglich rechteckig zugehauen und mit einer schalenförmigen Vertiefung mit durchgehendem Loch versehen worden, um als Unterlage eines Taufbeckens verwendet werden zu können. Der Stein ist 105–108 cm hoch und 112–114 cm breit. Es handelt sich um einen Kistenstein aus dem Abschnitt D, den Sune Lindqvist in das späte 8. Jahrhundert datiert. Der Stein zählt zu einer kleinen Gruppe von Steinen, die Lindqvist als Tjängvidegruppe bezeichnet.9 Die mitunter sehr figurenreichen Steine dieser Gruppe, zu denen auch die prominenten Bildsteine Ardre VIII10 und Tjängvide I (Runenwerk G 110)11 gehören, zeichnen sich durch stark herausgemeißelte Hintergrundflächen, scharfe Bildkonturen, spezielle Bortenmuster und fehlende Registeranordnung aus. Jüngst hat Lisbeth M. Imer neue Überlegungen zur Datierung der Abschnitte C und D angestellt.12 Imers Datierungen liegt insbesondere eine neue Auswertung der RandbortenOrnamentik und der Runeninschriften zugrunde. Sie datiert die Bildsteine der Abschnitte C und D von etwa 750 bis in das 10. Jahrhundert und schließt somit die von Lindqvist konstatierte Lücke zwischen den Abschnitten C/D und E. Den Kistenstein von Alskog kyrka ordnet Imer dem 10. Jahrhundert zu. Da der Stein mit der Schauseite nach oben verarbeitet wurde, sind die im Flachrelief dargestellten Figuren durch zahlreiche Fußtritte stark abgeschliffen. Dankenswerterweise liefert Sune Lindqvist eine Fotografie der uneingefärbten Bildfläche (Abb. 1). Was Details anbelangt, ist diese Ablichtung jedoch wenig brauchbar. Für eine optimale Fotodokumentation bedürfte es verschiedener Makroaufnahmen jeder einzelnen Figur bei spe8 9 10 11 12
Oehrl 2007; 2008; Oehrl in Vorbereitung a. Lindqvist 1941, S. 49 f. Lindqvist 1941, Fig. 139. Lindqvist 1941, Fig. 137. Imer 2004.
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zieller Beleuchtung. Die Zeichnung von Per Arvid Säve aus dem Jahr 1852 ist ungenau und liefert keinerlei Aufschlüsse.13 Offenbar ist das Relief gar nicht gründlich untersucht und ausgeleuchtet worden. Die Zeichnung gibt lediglich das wieder, was auch auf den ersten flüchtigen Blick erkennbar ist. Die 1853 veröffentlichte Beschreibung des Steins von Carl Säve entspricht dieser Sichtweise weitgehend und ist daher ebenfalls unzureichend.14 Die spätere Zeichnung von Olof Sörling erweist bessere Dienste, ist aber in einigen Punkten dennoch zu unpräzise (Abb. 2). Am differenziertesten ist die Einfärbung der Bildfläche, die Lindqvist veröffentlicht hat (Abb. 3). Weitere Abbildungen des Steins sind mir nicht bekannt. Lindqvist hat die Darstellungen in 11 Figurengruppen eingeteilt und relativ ausführlich beschrieben.15 Unten links, neben der Durchbohrung, befinden sich zwei Personen in einem vierrädrigen Wagen, der von einem Pferd gezogen wird. Rechts neben der Durchbohrung sitzt eine Frauengestalt neben den Beinen einer liegenden Figur auf einem Stuhl. Diese Szene scheint sich innerhalb eines Gebäudes abzuspielen. Eine Schlange oder ein Vogel steckt seinen langen Hals durch das Dach des Gebäudes und streckt das weit aufgerissene Maul bzw. den Schnabel dem Liegenden entgegen. Weiter rechts, in der rechten unteren Ecke der Bildfläche, sind drei Männer zu sehen, die verschiedene nicht näher zu bestimmende Gegenstände tragen und sich nach außen bewegen. Oberhalb des Wagens, scheinbar auf den Zügeln des Pferdes ruhend, befindet sich innerhalb eines Ovals eine männliche Gestalt, die auf dem Rücken liegt. Links neben dieser Figur sitzt eine Frau mit einem Vogel. Über dieser Szene ist ein Zweikampf abgebildet. Zwei Männer bewerfen sich mit Spießen. Einige Spieße stecken bereits in den Schilden der Kontrahenten. Zwei weitere Figuren – ein Mann und eine Frau – befinden sich hinter dem linken Krieger am Rand der Bildfläche. Hinter dem rechten Krieger ist ein Mann innerhalb einer Art Schutzmauer zu sehen, der einen Hammer oder eine Axt emporhebt. Rechts von jenem Axtkrieger befindet sich eine fünfeckige Einfriedung. Die Seiten überkreuzen sich an den Ecken und sind am Ende mit einem Tierkopf mit offenem Maul versehen. Innerhalb dieser Begrenzung sind wenigstens zwei Vögel positioniert. Unterhalb dieses Gebildes, das offenbar einen Teich oder See repräsentieren soll, stehen sich zwei Frauen gegenüber. Zwischen den beiden Frauen sind vier Vögel und ein annähernd trapezförmiges Objekt mit zwei kleinen Fortsätzen dargestellt. Rechts von dieser Figurengruppe befindet sich eine hufeisenförmige Umrahmung, die ein 13 14 15
Säve 1993 (1845/1853), S. 71; Lindqvist 1942, Fig. 303. Säve, 1993 (1845/1853), S. 67–81. Lindqvist 1942, S. 13–15.
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Gebäude anzudeuten scheint. Innerhalb des Gebäudes knien sich zwei männliche Gestalten gegenüber. Unterhalb dieses Paares ist eine weitere kniende Männerfigur auszumachen. Sie streckt ihre Arme nach vorn und berührt ein ganz unförmiges Gebilde. Eine weitere Figur liegt links neben dem Knienden auf dem Bauch.16 Im Sommer 2006 hatte ich die Gelegenheit, den Bildstein von Alskog kyrka im Archiv von Tumba persönlich in Augenschein zu nehmen.17 Verschiedene Taschenlampen und Vergrößerungsgläser standen mir für meine Autopsie zur Verfügung. Die Bild tragende Oberfläche weist nach wie vor die schwarze (inzwischen etwas verblasste) Einfärbung auf, was 16
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Sune Lindqvist schlägt Deutungsansätze für einige der Figuren vor (Lindqvist 1941, S. 96; 1942, S. 14; 1964, S. 69): In der Gestalt mit der Axt bzw. dem Hammer sieht er einen geflügelten Gott (Thor). Die in einem Oval liegende Gestalt hält er für einen Toten im Grab, um den eine Frau trauert. Die rechts von der Durchbohrung dargestellte Szene deutet er als Lokis Bestrafung. Sigyn sitze bei ihrem liegenden Gatten, über dem eine Schlange ihr Maul aufreiße. Das trapezförmige Gebilde mit den Fortsätzen an der Seite, das sich zwischen vier Vögeln und zwei Frauen befindet (Szene 6), spricht Lindqvist als Amboss an. Vorsichtig vermutet er eine Szene aus der Wielandsage, äußert sich aber nicht weiter dazu. Beata Böttger-Niedenzu greift diesen Gedanken erneut auf, hält die Interpretation aber für zu kühn (Böttger-Niedenzu 1982, S. 82). In der vermeintlichen Lokiszene erblickt sie das auch auf dem Kistenstein Sanda kyrka I (Lindqvist 1941, Fig. 171, 177) auftauchende Motiv „Szenerie mit Gebäude, in das langhalsiger Vogel blickt“ (Böttger-Niedenzu 1982, S. 70–73). Es scheint sich um die Darstellung einer Jenseitsreise bzw. der Ankunft eines Verstorbenen im Totenreich zu handeln (Jungner 1930; Oehrl in Vorbereitung b). Josef Otto Plassmann (1959, S. 251–258) versucht fast alle auf dem Kistenstein von Alskog dargestellten Figuren mit den in Saxos Gesta Danorum (sowie der Hervarar saga und der Örvar-Odds saga) überlieferten Erzählungen von Starkaðr und dem Kampf auf Samsey zu verknüpfen. Diese Gesamtdeutung ist wenig überzeugend. So bringt Plassmann z. B. die einzelne kniende Gestalt ganz rechts (Szene 7) mit Hjalmar in Verbindung, der sich gegen einen Stein oder Hügel lehne. In der Örvar-Odds saga macht es jedoch eher den Anschein, als sitze der schwer verwundete Hjalmar auf dem Boden und lehne sich mit dem Rücken an. Dass er kniet und sich mit ausgestreckten Armen anlehnt, ist wenig plausibel: „[…] ok síðan gengr Hjálmarr til þúfu einarr ok sez niðr ok hnígr at upp“ (Boer 1892, Kap. XXX,3). Sonst sind mir keine Interpretationen des Bildsteins von Alskog kyrka bekannt geworden. Häufiger wird die Wagendarstellung unten links wegen ihrer konstruktiven Details angesprochen (z. B. Almgren 1946, S. 88 und Christensen jr. 1964, S. 79). Gerd Wolfgang Weber hält das Gefährt für einen Totenwagen (Weber 1973, S. 97). An dieser Stelle möchte ich Gunnar Andersson vom SHM für seine Hilfe und Betreuung herzlich danken. Ferner habe ich meiner Frau Sofiya zu danken, die mich auf jener Forschungsreise 2006 begleitet und bei der Autopsie der Bilddarstellungen mit wachsamen Augen kritisch unterstützt hat.
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eine unvoreingenommene Beurteilung des Befundes durchaus erschwerte. Als besonders aufschlussreich erwies sich die Untersuchung der neben dem unförmigen Klotz knienden Männerfigur und der daneben liegenden Gestalt, die Teil der von Lindqvist als Szene 7 bezeichneten Figurengruppe sind (Abb. 4–6). Wie bei unterschiedlicher Ausleuchtung (Schräglicht mit Taschenlampe) und zweifacher Vergrößerung zu erkennen war, sind die zunächst überlang wirkenden ausgestreckten Arme der knienden Figur gleich vor deren Brustbereich miteinander verbunden. Die Person scheint mit beiden Händen einen länglichen Gegenstand zu halten. Dieser nach vorn gerichtete Schaft mutet auf Lindqvists Abbildung wie eine Verlängerung der Arme an. Am Ende des Schaftes befindet sich eine nach unten gerichtete Spitze. Es scheint sich um ein Werkzeug – vermutlich eine Art Hammer – zu handeln. Das auf Lindqvists Abbildung sehr unförmig anmutende Objekt vor der knienden Figur erscheint annähernd trapezförmig. Eine kleine Spitze geht vom oberen Bereich des Objektes nach links ab. Besonders überraschend ist die Tatsache, dass Lindqvist einen ringförmigen Gegenstand an der rechten Seite des trapezförmigen Gebildes übersehen zu haben scheint. Es handelt sich um einen durchaus gründlich herausgearbeiteten regelrechten kleinen Krater. Er wurde wie der eingemeißelte Hintergrund behandelt und einfach schwarz gefärbt.18 Somit verschwindet der Ring in der ebenfalls schwarz eingefärbten Hintergrundfläche und ist auf Lindqvists Abbildung fast unsichtbar. Verblüfft ob dieser unerwarteten Entdeckung zog ich die übrigen zur Verfügung stehenden Abbildungen des Kistensteins zu Rate und stellte fest, das der Ring – sofern man von dessen Existenz Kenntnis hat – auf Lindqvists Fotografie des uneingefärbten Steins zumindest erahnt werden kann. Durch die Schattenwirkung ist eine kleine Vertiefung erkennbar. Schließlich war der abgetretene Überrest eines weiteren Rings oberhalb des trapezförmigen Objektes auszumachen. Er befindet sich vor dem Schaft des hammerartigen Werkzeugs. Die kniende Figur dürfte demnach als eine Art Goldschmied 18
Möglicherweise hielt Lindqvist diesen Ring für eine natürliche Beschaffenheit des Kalksteins. Dies ist meiner Einschätzung nach jedoch wenig wahrscheinlich. In diesem Fall hätte der Künstler die auffällige Partie sicherlich entfernt und wie den Rest der Hintergrundfläche ausgemeißelt. Stattdessen sind die unmittelbar oberhalb und unterhalb befindlichen Teile der Reliefdarstellung bewusst so ausgeführt, dass sie das ringförmige Gebilde nicht stören. Bei der Gestaltung des „Ambosses“ hat der Künstler dem Ring sogar ausweichen und eine kleine Ausbuchtung an der rechten Seite in Kauf nehmen müssen, um den Krater zu erhalten. Sollte es sich aber tatsächlich um eine Art Einschluss im Kalkstein handeln, so hat der Steinmeister den kleinen Krater offenbar bewusst stehen gelassen und in die Bilddarstellung einbezogen.
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anzusprechen sein, der mit einem Hammer oder sonstigen Werkzeug auf einem Amboss Ringe fertigt. Erkenntnisreich war auch die Betrachtung der neben dem Schmied liegenden anthropomorphen Gestalt (Abb. 7). Wie bereits die Einfärbung des Steins vermuten lässt, ist der Kopf der Gestalt verhältnismäßig winzig und verfügt über keinerlei Gesichtsmerkmale oder Anzeichen von Haartracht. Dies ist auffällig, da sämtliche Figuren auf dem Stein derartige Kennzeichen aufweisen. Es handelt sich um den Kinnbart, die Nase und das lange Haar im Nacken bei den männlichen Figuren sowie einen langen Haarzopf bei den weiblichen Figuren. Tatsächlich ist das verkümmert anmutende Köpfchen des Liegenden ganz ohne Profil dargestellt. Es scheint sich weniger um einen vollständigen Kopf als vielmehr um einen Halsstumpf zu handeln. Möglicherweise ist dieser Halsstumpf in Wahrheit noch kürzer gewesen, als es auf Lindqvists Abbildung den Anschein macht. Die offenbar als Kopf betrachtete und bei der Einfärbung entsprechend ausgesparte Fläche ist sehr unregelmäßig strukturiert und ihr Verhältnis zu dem hufeisenförmigen Rahmen darüber recht unklar. Was das trapezförmige Objekt links neben dem Enthaupteten anbelangt, so war festzustellen, dass es innerhalb der fünfeckigen Einhegung darüber ein weiteres Mal auftaucht (Abb. 8). Der untere Teil ist stark abgetreten, die Fortsätze an den Seiten sind etwas länger und mehr angewinkelt. Vergleichbare Darstellungen habe ich auf einer Gruppe wikingerzeitlicher (etwa 10. Jahrhundert) Bronzeschlüssel mit Vogelverzierungen (Typ III A:2) ausfindig machen können. Einige dieser Schlüssel stammen aus Birka und Hitis in Finnland, die meisten Exemplare wurden jedoch auf Gotland gefunden.19 Mehrere simplifizierte, scheinbar kopflose Vögel sind übereinander auf dem Schlüsselgriff zu sehen (Abb. 9). Sie ähneln in gewisser Weise den beiden Gebilden auf dem Stein von Alskog (Abb. 10). Die Flügel sind etwas länger als die Fortsätze auf dem Kistenstein und liegen dicht am Körper. Oben befindet sich – ganz wie auf dem gotländischen Bildstein – eine kleine Ausbuchtung. Vermutlich ist auch auf dem Steindenkmal eine Art Vogel oder Vogelkostüm gemeint. Schon die Tatsache, dass ein Goldschmied unmittelbar neben einer enthaupteten Gestalt zur Darstellung gekommen ist, macht eine Verbindung zur Wielandsage erwägbar. Laut V™lundarqviða muss der gelähmte Wieland in seiner Gefangenschaft bei König Nidud Kleinode für seinen Peiniger fertigen. Der Edda-Prosaist formuliert wie folgt: Svá var g™rt, at scornar vóro sinar í knésfótom, oc settr í hólm einn, er þar var fyrir landi,
19
Thunmark-Nylén 1995, S. 313a–b:3, 314a:3; 1998, Taf. 212; Ambrosiani 2001, S. 19; Westerholm 2001/2002, Fig. 3, S. 15–17, Tab. 3.
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er hét Sævarstaðr. Þar smíðaði hann konungi allz kyns gorsimar.20 Dass es sich bei diesen Kleinoden (gorsimar) insbesondere um (Arm-) Ringe (baugar) handeln dürfte, zeigt der Ausruf der neugierigen Königssöhne: „G™ngom baug siá!“21 Möglicherweise handelt es sich sogar um den scheiben- bzw. ringförmigen Brustschmuck (brióstkringlor),22 den Wieland für Niduds Tochter Bödwild aus den Zähnen der getöteten Brüder fertigt oder aber um jenen Goldring,23 den Wieland für Bödwild reparieren soll. Das Knien könnte als bildlicher Hinweis auf Wielands Lähmung aufzufassen sein. Bereits auf Franks Casket scheint ein auffällig angewinkeltes Bein auf das Handykap des mythischen Schmiedes anzuspielen.24 Auf den Bilddenkmälern der Sigurdsage wird der Schmied Regin zwar stets (auf einem Stuhl) sitzend dargestellt, kniend taucht er jedoch nie auf.25 Die liegende Figur repräsentiert die von Wieland enthaupteten Königssöhne. Dass auf dem Stein von Alskog kyrka nur eine enthauptete Figur zur Darstellung gekommen ist, während auf Ardre VIII (Abbildung 11)26 beide Königssöhne aufgeführt sind, kann kaum als glaubhafter Einwand angeführt werden. Auch auf Franks Casket wird nur ein Enthaupteter zu Füßen Wielands abgebildet.27 Er steht stellvertretend für beide Königssöhne. Platzökonomische Gründe mögen zu dieser Abbreviatur geführt haben. Für eine chiffrenartige Vergegenwärtigung der Rachefabel und eine entsprechende Assoziation des Betrachters war die Darstellung einer einzelnen Leiche offenbar hinreichend. Ein weiteres Darstellungsdetail, das die kopflose Figur von Alskog kennzeichnet, macht diese Interpretation plausibel. Die Figur liegt unter einem langen, leicht gebogenen Gebilde, das von der hufeisenförmigen Umrahmung der Szene darüber ausgeht. Über dieser „Überdachung“ der Leiche befindet sich ein weiterer, wesent20 21 22 23 24
25 26 27
Vkv. Prosa nach Str. 17, Neckel / Kuhn 1983, S. 120. Vkv. Str. 23, Neckel / Kuhn 1983, S. 121. Vkv. Str. 25, Neckel / Kuhn 1983, S. 121. Vkv. Str. 26 und 27, Neckel / Kuhn 1983, S. 121. Betz 1973, S. 99; Becker 1973, S. 79, 88, Abb. 1; Nedoma 1988, S. 20; 2005, S. 182; von See et al. 2000, S. 97. Es ist auch erwogen worden, dass es sich um eine für Schmiede typische Sitzhaltung handelt. Neben den Werken von Becker und Nedoma gehört auch Haucks Artikel im Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (Hauck 1973) zu den einschlägigen Publikationen über Franks Casket. Jüngst sind fünf Aufsätze über Franks Casket von Ute Schwab in der Reihe Studia Medievalia Septentrionalia erschienen (Schwab 2008). Düwel 1986, Abb. 13a–b, S. 14–17. Zur Wielandszene auf Ardre VIII siehe insbesondere: Buisson 1976, S. 70–80; Hauck 1977; Nedoma 1988, S. 27–31. Becker 1973, Abb. 1.
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lich kleinerer Fortsatz. Offenbar wird eine spezielle Deponierung des Toten auf diese Weise veranschaulicht. Der Leichnam liegt unter oder in irgendetwas und scheint verborgen zu sein. Tatsächlich ist in V™lundarqviða vom Verbergen der Toten die Rede: […] oc undir fen fioturs fœtr um lagði […].28 Dass Wieland lediglich die abgetrennten Füße entsorgt, ist unwahrscheinlich, fœtr dürfte als pars pro toto zu verstehen sein. Die genaue Bedeutung von fen fioturs (wörtlich etwa ‘Sumpf der Fessel’) ist durchaus umstritten, doch muss es sich um eine feuchte, schlammige Stelle in der Schmiede handeln.29 Aufschlussreich ist ein Blick auf den entsprechenden Abschnitt in der Þiðreks saga: […] en siðan drepr hann sveininn hvarntveggia oc skytr vndir smiðbelgi sina igrof eina divpa.30 Eine derartige Grube, in der die enthaupteten, aber ansonsten vollständigen Leiber der Königssöhne verborgen werden, dürfte auch der V™lundarqviða-Dichter im Sinn gehabt haben. Tatsächlich wird auf dem Bildstein VIII von Ardre kyrka31 die Deponierung der Leichen auf ganz ähnliche Weise ins Bild gesetzt, wie auf dem Kistenstein von Alskog. Zwei lange, leicht gebogene Gebilde befinden sich unmittelbar rechts neben dem Schmiedegebäude. Die enthaupteten Körper der Königssöhne liegen direkt darüber. Auf dem Stein von Alskog liegt der Leichnam unter der schalenartigen Konstruktion und wird von ihr „überdacht“ und offensichtlich verborgen, auf dem Bildstein von Ardre liegen die Toten darin. Beide Denkmäler zählen zur Tjängvidegruppe und scheinen aus derselben Schule oder Werkstatt, vielleicht sogar aus der Hand desselben Meisters zu stammen.32 Daher ist es durchaus denkbar, dass auf beiden Bildsteinen die gleichen Sagenkreise und Motive thematisiert und ähnliche Bildchiffren und Kompositionen verwendet wurden. Auch die zwei sich gegenüber knienden Männer im hufeisenförmigen Rahmen sind auf beiden Steinen vorzufinden. Überschneidungen gibt es ferner mit dem Bildstein Hunninge I in Klinte sn.,33 auf dem bereits einige Forscher meinten, Darstellungen der Wielandsage identifizieren zu können (Abb. 12).34 Sune Lindqvist datiert ihn in das 8. Jahrhundert, Lisbeth M. Imer hingegen in das 9./10. Jahrhundert. 28 29 30 31 32 33 34
Vkv. Str. 24, vgl. Str. 34, Neckel / Kuhn 1983, S. 121 und 122. von See et al. 2000, S. 214–216. Bertelsen 1905–1911, Bd. I, S. 117. Buisson 1976, S. 75 f.; Müller-Wille 1977, S. 130 f., Fig. 1; Nedoma 1988, S. 29 f.; von See et al. 2000, S. 214. Lindqvist 1941, S. 49. Lindqvist 1941, Abb. 128; 1942, S. 80 f. von See et al.. 2000, S. 96 f., 230. Robert Nedoma macht Einwände geltend (1988, S. 34).
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Wenn auf dem Kistenstein von Alskog Wieland der Schmied neben einem enthaupteten Königssohn dargestellt ist, stellt sich die Frage, ob noch weitere Figuren oder Figurengruppen diesem Komplex zuzuordnen sind. Vor diesem Hintergrund fallen das unmittelbar neben der WielandSzene dargestellte, aus zwei Frauen und mehreren Vögeln bestehende Ensemble (nach Lindqvist Szene 6) sowie der vermeintliche See darüber (nach Lindqvist Szene 10) ins Auge. Es könnte sich um einen Hinweis auf die in V™lundarqviða Str. 1–535 überlieferte Vorgeschichte handeln. Der Edda-Prosaist berichtet zusammenfassend: Þar er vatn, er heitir Úlfsiár. Snemma of morgin fundo þeir [Wieland und seine beiden Brüder] á vatzstr™ndo konor þriár, oc spunno lín. Þar vóro hiá þeim álptarhamir þeira. Þat vóro valkyrior. […] Þeir h™fðo þær heim til scála með sér. […] Þau bioggo siau vetr. Þá flugo þær at vitia víga oc qvómo eigi aptr.36
Die fünfeckige Einhegung (Szene 10) könnte den Wolfssee repräsentieren. Möglicherweise sind die Tierköpfe, welche die Ecken des Gebildes zieren, als Wolfsköpfe und somit als Hinweis auf die Bedeutung des Sees zu verstehen. Die innerhalb der Einhegung befindlichen Vögel scheinen den See als solchen kennzeichnen zu sollen. Sie könnten jedoch auch als Schwanepiphanie der Walküren-Schwestern aufzufassen sein. In der Figurengruppe darunter (Szene 6) wären zwei der Walküren in anthropomorpher Erscheinung vorgeführt. Die Wasservögel kennzeichnen vermutlich das Seeufer oder verweisen attributartig auf die Mischwesennatur der beiden Frauenfiguren. Das merkwürdige vogelartige Gebilde zwischen den beiden weiblichen Gestalten könnte vor diesem Hintergrund als Vogelhemd (alptarhamr 37 oder svanfiaðrar 38) zu deuten sein. Die nach unten hin breiter werdende Kontur des Gebildes verweist auf ein hemd- oder tunikaartiges Kleidungsstück, während die von den Seiten abgehenden Fortsätze an kleine Flügel erinnern. Dieses „Gewand“ taucht inmitten des vermeintlichen Sees erneut auf. Sollte auf dem Kistenstein von Alskog neben Wieland als Zwangsarbeiter und seiner Rachetat tatsächlich auch der Schwanjungfrau-Mahrtenehe-Komplex aus der Vorgeschichte vergegenwärtigt sein, dann wäre der gotländische Bildstein für die Überlieferungsgeschichte von nicht geringer Bedeutung. Neben V™lundarqviða wäre er
35 36 37 38
Vkv. Str. 1–5, Neckel / Kuhn 1983, S. 117 f. Vkv. Prosa-Einleitung, Neckel / Kuhn 1983, S. 116. Vkv. Prosa-Einleitung, Neckel / Kuhn 1983, S. 116. Vkv. Str. 2, Neckel / Kuhn 1983, S. 117.
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das einzige39 Denkmal, das die Zusammengehörigkeit beider Komplexe tradiert.40 Ich möchte einen weiteren gotländischen Bildstein vorstellen, auf dem ich eine Wielanddarstellung vermute. Es handelt sich um den Stein III von Ardre kyrka, der zu den Runensteinen des Abschnitts E zählt und in das 11. Jahrhundert datiert (SHM 11118:III, Runenwerk G 113)41. Die etwa 5–6 cm dicke Sandsteinplatte ist ohne die Wurzel nur 65 cm hoch und max. 60 cm breit. Das Flachrelief ist sehr präzise und scharfkantig, die Bodenfelder sind 3–4 mm tief und glatt geschliffen. Die Bildfläche wird fast vollständig von zwei symmetrisch angeordneten schlangenartigen Kreaturen im Ringerike-/Urnesstil eingenommen. Zwischen den beiden Tieren und in der Ecke unten links befindet sich jeweils eine kleine anthropomorphe Gestalt. Auf der Fotografie des Steins in „Gotlands Bildsteine“ sind die beiden kleinen Figuren nur schlecht zu erkennen (Abb. 13). Eine Zeichnung liegt nicht vor. Lindqvist beschreibt die Figürchen zwar relativ genau und gewissenhaft, lässt aber – wie ich während der Autopsie des Denkmals im Sommer 2006 feststellen konnte42 – einige wichtige Details unerwähnt. Die Gestalt zwischen den Schlangen ist im Profil zu sehen und nach links gerichtet (Abb. 14). Sie sitzt auf einem kleinen Stuhl. In der einen (unteren) Hand hält die Figur einen länglichen Gegenstand mit einem spitz zulaufenden Aufsatz am unteren Ende. Dieses Objekt scheint ein Werkzeug – vermutlich eine Art Hammer – darzustellen. In der anderen (erhobenen) Hand hält die Figur einen Ring, den sie dicht an ihr Gesicht hält. Unmittelbar vor der sitzenden Figur befindet sich ein quadratisches Objekt mit einem dreieckigen Aufsatz. Die Gestalt scheint den Hammer auf diesem hausförmigen Gebilde abzulegen. Es dürfte sich um eine Arbeitsunterlage, vermutlich eine Art Amboss handeln. Bemerkenswert ist die spezielle Gesichtsform der anthropomorphen Figur. Der Kopf ist verhältnismäßig klein, annähernd dreieckig und mit einem runden Auge ausgestattet. Die für die übrigen Gruppe E-Steine von Ardre (Ardre I, II, V, 39 40
41 42
Sofern man nicht auch Friedrich von Schwaben zu den Denkmälern der Wielandsage rechnet (Betz 1973, S. 154–160; Nedoma 1988, S. 88–104; 2000). Die Authentizität dieser Verbindung ist insbesondere in der älteren Forschung angezweifelt worden. Die Verknüpfung von Schwanjungfraufabel und Wielandsage sei einzig eine Erweiterung des V™lundarqviða-Dichters. Nennung der einschlägigen Titel und Gegenargumentation: Nedoma 1988, S. 129–132; Ishikawa 1991. Lindqvist 1942, S. 20 f. Diese und andere Untersuchungen in Gotlands Fornsal hat mir freundlicherweise Malin Lindquist ermöglicht, wofür ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchte.
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VI) charakteristischen Gesichtsmerkmale, die naturalistische Kopfform mit deutlicher Darstellung von Nase und Kinnbart, sind hier nicht anzutreffen. Stattdessen verfügt die sitzende Figur von Ardre III über ein längliches Maul, das wie ein leicht geöffneter kleiner Schnabel anmutet. Vor diesem Hintergrund könnte ein vom Rücken des Sitzenden abgehender Fortsatz als kleiner Flügel interpretiert werden. Um das Nackenhaar oder eine Kapuze, wie Lindqvist vermutet,43 kann es sich nicht handeln, da der Fortsatz deutlich vom Rücken, nicht aber vom winzigen Kopf oder dem Nacken der Figur ausgeht. Offenbar haben wir es mit einem Hybriden, einer Art Vogelmensch, zu tun. Auch die in der linken Ecke dargestellte anthropomorphe Figur hat einen kurzen wasservogelartigen Schnabel (Abb. 15). Ober- und Unterschnabel sind zu erkennen. Der Kopf ist rundlich und mit einem winzigen punktförmigen Auge versehen. Die Gestalt blickt zum linken Bildrand, der Rest ihres Körpers ist jedoch frontal zu sehen. Sie trägt eine Tunika, stemmt die Hände in die Hüften und kniet auf dem Boden. Die Unterschenkel sind um etwa 90° angewinkelt und nach rechts gerichtet. Ein schmales Band, das von der Runen tragenden Randborte ausgeht, schlingt sich um das rechte Bein der Figur und scheint sie anzubinden und zu fesseln. Besonders bemerkenswert ist die Darstellung der Füße (Abb. 16). Der rechte Fuß des Knienden ist deutlich wiedergegeben. Er ist übermäßig lang und wird nach vorn hin breiter, so dass er an den Fuß eines Wasservogels erinnert. Wie auf der Abbildung von Sune Lindqvist zu sehen, befindet sich ein Riss im unteren Bereich der Bildfläche. Schlecht bzw. gar nicht zu sehen ist hingegen, dass der Riss mitten durch den rechten Fuß der Figur verläuft. Aufgrund des vom Riss bewirkten Schattens ist der rechte Fuß der Figur auf Lindqvists Fotografie kaum wahrnehmbar. Inzwischen hat man den Riss gefüllt. Der linke Fuß der Figur fehlt. Der Riss in der Bildfläche ist jedoch nicht für das Fehlen des Fußes verantwortlich! Oberhalb und unterhalb des Risses befindet sich – ganz anders als beim rechten Bein der Figur – keine Spur eines Fußes. Deutlich ist ein rundlicher Stumpf dargestellt. Eine Bruchstelle gibt es nicht. Es handelt sich um eine bewusst dargestellte Verstümmelung des gefesselten „Vogelmenschen“.44 43 44
Lindqvist 1942, S. 21. Verstümmelung und Vogelcharakter sind bisher nicht erkannt worden. Eine Untersuchung des Reliefs aus jüngerer Zeit liegt nicht vor. Die einzige nennenswerte Deutung der Figuren von Ardre III, die mir bekannt geworden ist, stammt von Thorgunn Snædal. In Unkenntnis der Verkrüppelung und des Schnabels vermutet sie eine Darstellung von Odin mit seinem Ring Draupnir und dem gefesselten Loki (Snædal 2004, S. 59). In meiner Monographie von 2006 stelle ich die Frage, ob Ring, Hammer und Stuhl auf eine Wielandszene hindeuten könnten
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Die ähnliche, schnabelartige Gestaltung des Gesichtes lässt vermuten, dass es sich bei den beiden Figürchen von Ardre III um ein und dieselbe Person handelt. Schnabel und Flügel scheinen Sie als vogelartig zu kennzeichnen. Die Figur zwischen den Schlangen ist als Goldschmied anzusprechen. Sie sitzt vor einer kastenförmigen, oben spitz zulaufenden Arbeitsoberfläche (Amboss?) und hält ein Werkzeug in der Hand. Mit der anderen Hand hält sie bedeutungsvoll das Produkt ihrer Arbeit in die Höhe. Es handelt sich um einen Ring. Die in der Ecke kniende Figur ist gefesselt und verstümmelt. Der geschilderte Befund macht eine Verbindung mit der Wielandsage erwägbar. Von einer Fesselung Wielands berichtet die V™lundarqviða ausdrücklich: […] vissi sér á h™ndom h™fgar nauðir, enn á fótom fiotur um spenntan.45 Die Fesselung Wielands findet hier bereits im Zuge seiner Gefangennahme, also vor der eigentlichen Lähmung, statt. Wielands Fesselung ist auch im altenglischen Gedicht Deors Klage46 überliefert. Eine Lähmung wird hier nicht expressis verbis genannt. Stattdessen wird Wieland gefesselt und erleidet in diesem Zustand lange Zeit Schmerz und Leid.47 Auch die Wielanddarstellungen48 auf den Steinkreuzen von Leeds und dem Hogback von Bedale in Nordengland zeugen von der Fesselung des Schmieds. Chiffrenartig integrieren sie Schmiedetätigkeit, Rache, Flucht in Vogelgestalt und Fesselung49 in einem Bild. Der fehlende (Vogel-) Fuß auf dem Runenstein von Ardre dürfte auf die Lähmung50 Wielands verweisen. Diese wird in der umstrittenen51
45 46 47
48
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(Oehrl 2006, S. 92). Von den Vogelmerkmalen und dem verstümmelten Fuß hatte ich zu jenem Zeitpunkt noch keine Kenntnis. Vkv. Str. 11, Neckel / Kuhn 1983, S. 118. Deors Klage wird ca. 975 im Exeter Book überliefert. Nedoma 1988, S. 83 f.; von See et al. 2000, S. 196. Heinrich Beck verweist auf den Runensolidus von Harlingen in Friesland (Niederlande) aus dem 6. Jahrhundert, auf dem möglicherweise der gefesselte Wieland in einer zwanghaften Behausung (Schlangengrube) dargestellt sei (Beck 1980, S. 25, Abb. 2b). Collingwood 1914, S. 298–321; Davidson 1950, S. 129; Betz 1973, S. 93–98; Lang 1976, S. 90–94; Bailey 1980, S. 103–116, Pl. 29; Lang 1989, S. 6. Überraschend ist die kritische Haltung Robert Nedomas, der den Aussagewert der Darstellungen von Leeds gering einschätzt (Nedoma 1988, S. 33, 39; 2005, Fußn. 16). Nedoma scheint die Verbindung zur Wielandsage generell in Frage zu stellen (Nedoma 1988, S. 32, 34). In Nedomas Wieland-Artikel im „Reallexikon der Germanischen Altertumskunde“ werden die Steine von Leeds nicht erwähnt (Nedoma / Pesch 2006). Davidson 1950, S. 129; Becker 1973, S. 182; Oehrl in Vorbereitung a. Auf einem Runensteinfragment aus Ockelbo in Gästrikland (Gs 20) ist der Überrest einer anthropomorphen Gestalt bewahrt, die mit der einen Hand den Fuß einer weiteren anthropomorphen Figur packt. Mit der anderen Hand rammt sie ein
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Strophe 29 der V™lundarqviða wie folgt angedeutet: Vel ec, qvað V™lundr, verða ec á fitiom, þeim er mic Níðaðar námo reccar.52 Das Substantiv fit wird mit „Schwimmhaut (eines Wasservogels)“, „Schwimmfuß (eines Wasservogels)“ oder einfach mit „Fuß (eines Tieres oder eines Menschen)“ übersetzt. Zeugen Stein und Strophe tatsächlich von einer Fußamputation? Möglicherweise gar von der Amputation eines Wasservogelfußes? Oder befleißigen sich sowohl der Dichter als auch der Steinmeister des gleichen bildhaften Ausdrucks, um die Immobilität Wielands anzudeuten? Eine weitere umstrittene53 Passage aus der Schriftüberlieferung könnte durch die Bilddarstellungen von Ardre III zu erhellen sein: In Deors Klage heißt es, Wieland habe be wurman Unglück erfahren. Einige Forscher haben daraus ableiten wollen, dass Wieland während seiner Gefangenschaft in einer Schlangengrube gepeinigt werde. Die Tatsache, dass Wieland auf Ardre III inmitten zweier gewaltiger Schlangen dargestellt wird, könnte als Stütze dieser These herangezogen werden. Die Gestalt Wielands scheint auf Ardre III weniger auf einen Flugapparat als vielmehr auf eine Metamorphose hinzuweisen. Diese wird jedoch nur angedeutet bzw. ist noch nicht vollständig vollzogen. Ein vollständig vollzogener Gestaltwandel ist hingegen auf dem Bildstein VIII von Ardre kyrka dargestellt.54 Auf dem Bildstein I von St. Hammars in Lärbro,55 den Kreuzschäften von Leeds, dem Hogback von Bedale und einem Bronzeortband aus Birka56 ist eine anthropomorphe Figur derart in eine Vogeldarstellung integriert, dass man zunächst an eine Art Vogelvermummung oder Flugapparat denken möchte. Der Künstler könnte jedoch auch beabsichtigt haben, eine Mensch-Tier-Metamorphose bildlich umzusetzen. Diese problematische Aufgabe wäre auf diese Weise durchaus elegant gelöst. Auch in der literarischen Überlieferung ist der Grund für Wielands Flugvermögen enigmatisch. Zuweilen scheint es eine Stellung
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Messer oder eine Art Dorn in den Fuß. Diese Malträtierung könnte einst Teil einer Wielandszene gewesen sein und die Lähmung des Schmieds dargestellt haben (Oehrl 2006, S. 93, Abb. 306, 307). de Vries 1952, S. 197; Becker 1973, S. 182; von See et al. 2000, S. 234–236. Vkv. Str. 29, Neckel / Kuhn 1983, S. 122. Nedoma 1988, S. 80–83. Irritierend sind allein die beiden mit punktförmigen Vertiefungen (Augen?) versehenen Höcker (Köpfe?) neben dem Haupt des Vogels und die unstimmigen Proportionen des Letzteren. Die Form des Vogelkopfes weicht stark von den übrigen Greifvogeldarstellungen der Gruppen C und D ab und wirkt in gewisser Weise menschenartig. Lindqvist 1941, Fig. 85; Hauck 1957, Fig. 16. Ambrosiani 2001, Fig. 1.3.
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zwischen Verwandlung und mechanischer Tätigkeit einzunehmen.57 In V™lundarqviða wird kein Hilfsmittel genannt. Ob Wieland aus eigener Kraft in Gestalt eines Vogels fliegt, ob er ein Vogelhemd, einen sonstigen Flugapparat oder einen magischen Flugring58 nutzt, ist eifrig diskutiert worden.59 In der Þiðreks saga fertigt Wieland einen Flugapparat, der wie ein Kostüm oder eine Vogelhülle beschrieben wird. Möglicherweise überwindet bzw. überdeckt der Autor der Þiðreks saga eine ältere Vorstellung und meint seinen Lesern eine mechanische Erklärung der aeronautischen Fähigkeit Wielands anbieten zu müssen. Wielands Antwort auf die Frage des Königs, ob er nun ein Vogel sei, mag die vermeintlich ältere Vorstellung vom Gestaltwandel durchschimmern lassen: […] nv em ec fvgl oc nv em ec maðr […].60 Während beispielsweise die Göttin Freyja ein Federhemd besitzt,61 vermag sich Odin aus eigener Kraft in einen Vogel zu verwandeln. Snorri berichtet in den Skáldskaparmál ausführlich über den Raub des Dichtermets. Dort verwandelt sich Odin in einen Adler, um vor dem Riesen Suttung zu flüchten.62 Einige Odinsheiti63 wie Arnh™fði und Örn verweisen auf diese bemerkenswerte Fähigkeit. Schließlich sind einige nordische Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit anzuführen, auf denen die Adlermetamorphose des Götterfürsten verherrlicht wird.64 Auf der Brakteatenfibel von Daxlanden (IK 232) beispielsweise wird der unmittelbare Wechsel von Menschen- und Vogelgestalt durch ein Mischwesen – eine anthropomorphe Gottheit mit „Adlerkappe“ und Vogelfüßen – veranschaulicht. Sicher werfen die hier vorgestellten Autopsieergebnisse, Deutungen und Deutungsansätze neue Fragen auf, bedürfen weiterer fachlicher Überlegungen und seien daher hiermit zur Diskussion gestellt. Eine Verbindung zwischen der Wielandsage und den Bildsteinen von Alskog und Ardre scheint mir aber sehr wahrscheinlich zu sein. Ich hoffe, anhand dieser beiden Beispiele ganz im Sinne des Jubilars veranschaulicht zu haben, dass kritische Neuuntersuchungen und technisch verbesserte Dokumentationen 57 58 59 60 61 62 63 64
Betz 1973, S. 81 f. Dieser könnte sich gewiss auch in der triumphierend emporgehobenen Hand Wielands auf Ardre III befinden. Nedoma 1988, S. 155–163. Bertelsen 1905–1911, Bd. I, S. 129. Þrk. Str. 3–5 und 9, Neckel / Kuhn 1983, S. 111 f. Skáldsk 1, Faulkes 1998, S. 3–5. Siehe auch Háv. Str. 13 f., 104–110, Neckel / Kuhn 1983, S. 19, 33 f. Falk 1924, S. 41; Hauck 2001, S. 103 f., 112. Hauck 1972.
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von germanischen Bilddenkmälern nach wie vor erstrebenswert sind und zu ganz neuartigen Interpretationsgrundlagen führen können.
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Abb. 1: Kistenstein von Alskog kyrka (uneingefärbte Bildfläche). (Lindqvist 1941)
Abb. 2: Kistenstein von Alskog kyrka (Zeichnung von Olof Sörling). (Lindqvist 1942)
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Abb. 3: Kistenstein von Alskog kyrka. (Lindqvist 1941, Färbung von Sune Lindqvist)
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Abbb. 4: Kistensstein von Alskkog kyrka (Detail Szene 7). Foto: Verfassser.
Abb. 5: Kistensteinn von Alskog kyrka (Detaill Szene 7). Zeiichnung: Verffasser.
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Abb. 6: Kistenstein von Alskog kyrka (Detail Szene 7). Foto: Verfasser.
Abb. 7: Kistenstein von Alskog kyrka (Detail Szene 7). Foto: Verfasser.
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Abb. 8: Kistenstein von Alskog kyrka (Detail Szene 10, retuschiert). Foto: Verfasser.
Abb. 9: Schlüssel vom Typ III A:2 aus Birka. (Westerholm 2001/2002)
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Abb. 100: Alskog Szenne 6, Szene 100, Birka (v. l. n. r.). Zeichnuung: Verfasser.
Abbb. 11: Bildsteiin VIII aus Arrdre kyrka (W Wielandszene). (Lindqvist 19941)
Leiche Frau(en n) Vogel/V Vögel Schmieede Bogensschütze Schlanggengrube Rindersstall Kniende Männer
Ardre kyrka VIII x x x x x x x
Alskog kyrka x x x x
Hunnin nge I, Klintte x x x x x x
x
A Abb. 12: Überrsicht über die Darstellungen.
Frranks Casket x x x x x
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Abb. 13: Runenstein III aus Ardre kyrka. (Lindqvist 1941)
Abb. 14: Runenstein III aus Ardre kyrka (Detail). Foto: Verfasser.
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Abb. 15: Runenstein III aus Ardre kyrka (Detail). Foto: Verfasser.
Abb. 16: Runenstein III aus Ardre kyrka (Detail). Foto: Verfasser.
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 567–579 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Freyr and Fróði and Some Reflections on Euhemerism by JENS PETER SCHJØDT More than forty years ago, in 1968, Professor Schier published in a Festschrift for Otto Höfler one of his most famous articles entitled ‘Freys und Fróðis Bestattung’. The aim of his article is to propose a new solution to problems concerning the peculiar way in which the death and funeral of Fróði, the king, and Freyr, the god, is told in the relevant sources.1 After having reviewed positions within the history of research, among others the idea to make comparison with Thracian Zalmoxis, who is seen as a god of vegetation – a so-called dying and resurrecting god, Professor Schier points to some of the basic problems in our understanding of the complex of ideas surrounding the two figures. By far the most devastating for the theory of a dying and resurrecting god in the Nordic variant is that neither Freyr nor Fróði are reborn, nor can they in any other way be seen as resurrected: they die, and they stay in their graves. So there is no possibility to see Freyr as a dying and resurrecting god (p. 59).2 Professor Schier thus also rejects the postulate made by scholars like Olrik and Baetke (p. 61) that the narrative on Freyr by Snorri was influenced by the account of Fróði.3 Instead Professor Schier points to another parallel by Herodot (p. 65– 66), where the Greek historian relates the Scythian way of burying their dead kings (IV, 71–73). In his analysis of the similarities between, on the one hand, the Nordic figures and, on the other hand, the Scythian funeral ceremonials, professor Schier succeeds in showing that these accounts have so much in common that there must be some kind of connection, and, by comparing the versions, he demonstrates clearly that the different informa1 2 3
These sources are, for Freyr Ynglinga saga chap. 11 and Flateyjarbók I,403, and for Fróði Gesta Danorum V 16,3. The references are based on the page numbers in the version reprinted in Nordlichter. Ausgewählte Schriften 1960–1992. J. Z. Smith in an interesting article (1987) argues that the whole idea of Mediterranean and Middle Eastern ‘dying and rising gods’ is based on false assumptions, an argument which may lend support to Professor Schier’s theory.
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tion in the accounts of, respectively, Freyr and Fróði must be seen as part of one and the same complex.4 How the relation between the Scythian and the Scandinavian evidence came about is not perfectly clear, and several possibilities are suggested. However, it seems as if the ritual structure, as it can be seen by the Scythians, was not imported into Scandinavia in the ritual sphere whereas the basic structure of the, no doubt, impressive ritual was transformed into the more or less legendary accounts that we read in the sources. And that Freyr (and Fróði) was the god referred to in this narrative was no coincidence since the death of the god – the god seen as ‘sterbender Gott’ – was already an important trait by Freyr. Professor Schier’s article is certainly both elegant and convincing, and, in the following, I am not going to challenge any of the conclusions concerning the common structures of the Scythian ritual and the Freyr/ Fróði narrative. Neither will I contest the possibilities enumerated as to how this structure can be found in the two cultures involved, even if I consider a common heritage, which Professor Schier also mentions, to be the most likely explanation. What I will discuss here is the relation between gods and humans, which is not touched upon explicitly in Professor Schier’s article, but which, nevertheless, is a theme creating certain problems, and not only in connection with the relation between Fróði and Freyr. We have thus noticed that whereas the ritual structure of the Scythians concerns human kings and the mythical structure in Scandinavia concerns gods, they are, nevertheless, basically identical. As mentioned, Freyr is said to have been a dying god far back in pagan times, and it is directly rejected that the death of the god should be seen as a mere consequence of Snorri’s euhemerism (and, we must presume, neither of the euhemerism of Saxo concerning Fróði) (p. 73). Now, even if the relation between gods and humans is involved in Professor Schier’s discussion, enabling him to conclude that “…..damit steht fest, dass auch Fróði ein Gott sein muss”, the notion of euhemerism does not play an outstanding part in the article, and it is only mentioned a couple of times. Nevertheless, the basic idea behind the whole argument is that gods are being treated like human kings, which appears from various written sources, where death and funeral of gods are compared to archaeological finds and information concerning humans. In general, the article conveys the impression that the worlds of humans and gods are more or less indistinguishable. This could be interpreted as a sort of criticism, which it is not. Quite the opposite: it is a very important point that these two worlds are inextricably mixed, which makes a clear distinc4
Professor Schier speaks directly of an identity: “Die Identität von Freyr und Fróði […] wird durch Herodots Zeugnis gesichert”. (p. 72).
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tion impossible. The problem is not treated in any theoretical way by Professor Schier which, however, was not within the scope of the article, either. In the following pages, I will elaborate on the whole idea of euhemerism – not particularly in relation to the death of the gods – but as this term is most often perceived in the study of Old Norse religion and mythology and its significance for our notion of the relation between gods and humans. All scholars involved in the study of this subject will know how important the notion of euhemerism has been, especially for the way we deal with the sources. This, of course, is due to the obvious use of a common medieval model of understanding the pagan gods, namely the one which is originally ascribed to the Greek Euhemeros (3rd century BC)5. Among the medieval authors dealing with mythology, the by far most interesting example is Snorri Sturluson, because he was quite explicit about his understanding of the pagan gods, especially in the prologue to his Edda.6 Snorri and many other medieval authors thus understood the pagan gods as deified historical persons, which, from the Christian point of view, was a traditional way of explaining these false gods. Now, it seems as if most scholars would take this to imply that, if this obvious Christian influence was extracted from the sources, then the actors of these mythological stories would be ‘gods’ and not ‘humans’.7 It all sounds very reasonable: if euhemerism was extracted from, for example the Ynglinga saga, we would not hear about how Óðinn and his followers immigrated from Asia Minor, how they came to Scandinavia etc. What would be left would be some godly figures in their heavenly abodes who were not ‘polluted’ by earthly, historical events far back in time. It seems as if the argument is as follows: since gods are of another world and of another substance, they cannot interfere with humans, or at least they cannot act in a way that is almost indistinguishable from the ways that humans act. Euhemerism, i.e. the gods seen as more or less earthly figures, is an attempt by the Christian authors to draw a negative picture of the devotees of the old religion, making them so stupid that they did not even see the difference between real gods and historical persons.8 Nowadays, we, the scholars, know that this is not true, however. If the Christian bias, being so dominant in the sources, is extracted, we would be left with a religion which would be a ‘real’ religion, 5 6
7 8
Cf. Weber 1994, pp. 1–3. Whether or not Snorri was actually the author of the prologue is of no importance here. Concerning Snorri’s euhemerism, and various scholarly positions in relation to it, see Beck 2000. I must frankly admit that this has been my own position, too. Weber 1994, pp. 3–4.
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i.e. having real gods and not historical persons who took possession of the land, fought with each other in earthly locations, and in general behaved like humans in the world in which humans live. In other words: to understand the essence of the pagan gods, we must necessarily disregard the ‘humanisation’ which is seen as a kind of euhemerising, and which we meet in the medieval sources. The idea that the gods could be seen as more or less human is thus, of course, a purely Christian explanation. Maybe the time has now come to reflect on whether this is really so simple. Is it really so that the gods of the pagans could not be seen as beings taking part in the physical world and being much less removed from humans than is often thought? Or, in short, were they not, at least some of them, historical beings, also from the perspective of the pagans? I would argue that the basic prerequisite of the traditional scholarly conception of euhemerism is the fact that most of these scholars, unconsciously, are influenced by Christianity itself, a religion in which the difference between gods and humans is of utmost importance, as we will return to below: God is not physical but spiritual, and to believe otherwise is more or less ridiculous which was no doubt part9 of what the Christian medieval authors tried to impose on their readers. This view, however, emphasising the distinction between gods and humans, is not what we usually meet in the mythologies of archaic cultures comparable to the Old Norse. Here it is normally the rule that, ‘a long time’ ago, the differences between gods and humans (and for that matter between humans and animals – which were also often looked upon as gods or, perhaps more accurate, as representations of the gods) did not exist or, at least, were of another kind than what we see in today’s world. This is probably due to a general depth structure which we know from religions all over the world, namely that this world in olden times was of another kind – it was an other world – because it was more or less undifferentiated. Thus, the mythical-historical process of development towards the present time is also a process from nondifferentiation to that sort of differentiation which we experience in the world as it is here and now.10 This indicates that, at all levels, the world of 9
10
I am fully aware that other ideas were involved in the way euhemerism was used by the authors, in accordance with various strategies. I am therefore not arguing that euhemerism was a strategy exclusively used in order to present the pagans in a negative light (see for instance Faulkes 1979). We can notice that it is a general characteristic of the periods before creation, the pre-cosmic time, in all cosmogonic myths, that there was no (or rather a low degree of) differentiation, no doubt because the cosmos is a structure, and a structure needs different elements to ‘structure’. So no differentiation – no structure – no cosmos (and thus no world as we know it).
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the present day is different from what it was earlier, but it is certainly not to say that there is no continuity; as just mentioned, it is a question of development characterised by smaller or larger changes ever since creation. And continuity is actually an important element in this structure since it creates a bond between gods and men. And continuity, in its turn, is created by many intermediary steps, which in itself constitutes a process of mediation, i.e. a process by which it becomes possible to use the other world which may be construed in space as well as in time: it is in the sky, in the underworld, over a great ocean etc., and it existed a long time ago, and maybe it will return in a far (or not so far) future. Because of this, the further we go back in time, the less differentiation: Once there was only one being, Ymir; he was, however, able to procreate with himself, and by doing so, beings of different sexes appeared. The ancestor of the gods was originally born from a stone. We do not know how he procreated, but his son married a giant girl and thus became the father of the generation of gods in charge, so to speak. These gods procreated sons and daughters, and some of these procreated sons and daughters who eventually became ‘humans’. This is what we see in many of the fornaldarsögur and in the genealogies of Anglo-Saxon as well as Scandinavian royal houses. As far back as Tacitus, we meet the idea that the three different groups of people descended from the gods,11 and here, too, one of their forefathers was born from the earth. For Scandinavia, the most famous source for godly descent is probably the Rígsþula, in which we also face a structure including three groups of people, although this time socially stratified, which is apparently not the case in Tacitus’ account. Thus, even if all these sources and many others, taken individually, may be doubtful in some way or other, there seems, all things considered, to be substantial evidence that the idea of divine genealogy was present, also in sources hardly influenced by Christianity. We shall return to this in a moment. So, just as the heroes in the ‘good old days’ were greater than those of today, as we know from many legendary narratives, they were also closer to the gods and possessed more of their numinosity than man today.12 It 11
12
Anthony Faulkes in 1979 published a brilliant article, ‘Descent from the Gods’ in which he discusses many of the ideas also included in the following, and with which I largely agree. The argument presented here, however, is different from that of Faulkes. It is important here to be aware of the difference between what is sometimes called ‘folk religions’ on the one hand and ‘saviour religions’ on the other. Whereas the last mentioned group insists (or perhaps better tends to insist) on the insurmountable difference between god and creature, this difference is in many folk religions rather a difference in quantity: the gods are stronger than us, they are cleverer, they
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could actually be hard to tell the differences between god and man in these days since the gods were not substantially different from humans – not even as we appear today: they think, feel and act in ways man would have done had he had the same skills. Thus, in many archaic religions, the difference between gods and humans is blurred compared to the ideas of God’s relation to mankind in the great contemporary religions of our era, at least the so-called biblical religions. Here we face the idea that God is in all regards different from man. God is the creator, whereas man is created by God. God is eternal, he was not born and he will not die. This qualitative difference is, as mentioned, not typical for archaic religions, however.13 In these the differences between gods and humans are rather quantitative: the ancestors may achieve the status of gods, once they die; in the beginning of times, man and the gods lived close together under conditions that were different from the present situation. Man was immortal (like the gods), but then something happened which changed the situation dramatically and brought it closer to the present.14 In Australia and in many other so-called ‘totemistic’ societies, there was, in illud tempus,15 no real difference be-
13
14
15
live longer (very often the gods are seen as immortal, which is, of course, a qualitative difference in relation to man; but as a rule even this difference is something that has come about by some sort of accident along the way. For humans, once, were also immortal but something happened, and now we are not). But even in Christianity, the difference is not as clear as some theologians would like it to be. Beings such as the different groups of angels, saints, or the virgin mother (who is by the way very much celebrated in different cultic performances, something which used to be part of the definition of a god) cannot be clearly classified as belonging to one or the other category. I would maintain that popular Christianity, from a phenomenological and structural view point, is just as polytheistic as any other ‘folk religion’, whereas theologians during the last two thousands years have discussed these matters in order to differentiate ‘true’ Christianity from exactly these ‘folk religions’. Of course the project cannot succeed: As soon as there is nothing between man and God, religion ceases to exist. So, no matter what (especially Protestant) theologians have to say about these things, it is obvious to all historians of religion that popular Christianity and popular religion in general belong to the same kind of religion. The mediation between the world of (absolute) human beings, and the world of (absolute) gods, seems to be a basic trait in human psychology concerning religion, without which there can be no religion at all (but rather some abstract philosophy). In Ancient Greece, for instance, the only qualitative difference between gods and humans was that gods were immortal; this is obviously important, but, actually, certain beings, some legendary, some supernatural (but not classified as gods) were immortal, too. This notion may lead the reader to believe that I am just proposing to accept the ideas of the Romanian historian of religion Mircea Eliade. However, I am fully aware that there are serious problems with great parts of Eliade’s project. Never-
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tween the totem forefathers, which were seen as some sort of animals, and humans, who were their descendants: the animals spoke human language, and the ‘humans’ could transform themselves into animals and vice versa.16 In Greece, in the beginning of times, Hesiod tells us, Gods and humans lived together (Works and Days 108), and there was no difference in the way they lived. And then something happened … (something always happens that explains the present situation); furthermore, we have in Greece an enormous amount of beings which cannot be classified neither as gods nor as human beings (the heroes, the daemons who are also connected to the ancestors etc.).17 Among the Tsimshian Indians at the coast of the Pacific Ocean in Canada, we are told about the trickster ‘Raven’, of whom it would be impossible to decide whether he is a bird, a human or a god; after all, he is the one who brings death into the world,18 something which is normally left to ‘god like’ creatures. Or we may look at the Celtic Medb, who is, at least ritually, goddess as well as queen.19 In many cultures, then, the borders between ancestors, ‘semi-deities’, and gods were never defined dogmatically, and from a functional as well as an essentialistic perspective, these categories could (and should) not be distinguished clearly.20
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theless, I will argue that he pointed to some important structures which are only explicable if we accept that there are some basic figures, religious and nonreligious, which are imbued in the cognitive apparatus of man. To accept that has nothing to do with the apologetic dimension of Eliade’s work (we could just as well mention Freud or Lévy-Bruhl and many others in this connection), and it simply states that no matter how culturally different individuals are, they respond in similar ways, mentally as well as physically, to some external influences, which is why we are able to speak of ‘the nature of mankind’ at all. Of course, cultural differences are extremely important but, at the bottom of it, there are some common mental features, which also the cognitive science of religion has shown recently (e.g. Boyer 2001). Cf. Spencer / Gillen 1899, pp. 387–422 and 1966, pp. 72–87. Klaus von See has argued (1987: 89; cf. also Picard 1991: 224) that ‘semi gods’ were not known in Scandinavia. This, of course, can only be done if one rejects all the evidence telling of such beings: Adam of Bremen tells us of humans being venerated as gods; in the skaldic poems we hear about heroes such as Sigmundr and Sinfjötli (Eiríksmál 6) having a ‘godly’ position in Valhall, we hear about Óláfr Geirstaðaálfr in Flateyjarbók II, 7, etc. The circular reasoning of von See seems obvious. Boas 1970, p. 62. Berresford Ellis 2003, pp. 29–30. This does not mean that there were no differences between different godly beings. No doubt, in most cultures there were, and some gods were more ‘transcendent’ than others and some were less ’human’ than others. But that certainly does not
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It could be argued that the Arunta in Australia, Greeks, Celts, and Tsimshian Indians were not Scandinavians, but this would then raise the question of whether it is likely that the religion of the Iron Age Scandinavians was closer to Christianity or Islam in its world view than to the cultures here enumerated. I believe that all historians of religion would agree that this is certainly not the case. The issue at stake is then that what has happened since the creation (or just the beginning) of the world is that a process of differentiation has taken place. At the beginning, there were no real differences: everything was more or less non-differentiated, ‘the same’ (water, emptiness [which always turns out not to be totally empty], darkness, or ‘the word’); in comparison to this, the present is characterised by differentiation: there are differences between humans and animals, between culture and nature, between men and women21, and between gods and humans. But in most religions, as we have seen, these differences are due to a process, they are not absolute as we normally understand this relation. This recognition is important in so far as many scholars have discussed whether this or that figure, whom we meet in the sources for Germanic or Old Norse religion, is a god or a human22 or, for that matter, a god or a natural phenomenon23 proposing that the mutu-
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rule out the possibility that at least some gods could be seen, for instance, as ancestors. In this connection, it should be noted how often, in cosmological myths, we meet beings who are androgynous or hermaphroditic, one among several possible expressions for the lack of differentiation which characterised the state of affairs before the transition from past to present. Otto Höfler, for instance, discussed this in relation to the Sigurðr figure (1961). This, I believe, is a point which is mistaken in an otherwise impressive book by Richard North on Scandinavian and Anglo-Saxon religion. North makes a sharp distinction between what he calls ‘numina’ and anthropomorphic gods, proposing that Þórr, for instance, by the Anglo-Saxons was seen just as some sort of numen, connected with thunder. Although this idea cannot a priori be ruled out completely (there are parallels around the world), it is, however, more likely, when we take a look at the Indo-European mythologies, that, even if the gods are connected in some way to some natural phenomena, they are certainly also anthropomorphic in some sense. Further, the parallelism between Þórr (or Þunor) and Indra cannot be overlooked, and it seems a bit far-fetched to propose that the same myths (for instance the fight against a snake surrounding the whole earth and many other common traits), certainly connected with these gods in anthropomorphic shapes, evolved independently in India and Scandinavia whereas the Anglo-Saxons kept an older notion. Besides, it is common in all kinds of religions that gods can be everywhere at the same time: in the sky and in the temple and in some natural phenomenon. And this is definitely not something we meet exclusively in ‘primitive religions’ (cf. North 1997, pp. 204–272).
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ally opposing views we meet in these sources must be due to mistakes or confusion on the hand of the authors. I am certainly not maintaining that this cannot be the case, but it is, nevertheless, worth noticing that nearly all scholars dealing with this subject have failed to acknowledge that there is a rather high a priori probability that a certain mythical being was conceived as a god as well as a historical figure. So actually there may be a point in the duplicity we often meet in the sources. The distinction in pre-Christian Scandinavian society was definitely not as simple as is the case in Christianity (and other so-called high religions). It must be emphasised that I am not saying, of course, that the medieval models of euhemerism in European Christianity have not had a huge impact on the medieval authors of the North. There is no doubt that they have.24 My point is simply that, in the genuine pagan world view, the gods were certainly not ‘transcendent’ in the way the Christian God is. On the contrary, they mingled with humans all the time (or at least some of them did) – and especially so in the olden days.25 And I am convinced that this ‘lack of difference’ between gods and men was not, solely, due to medieval authors: We meet this idea in the myths all over the world, so once again there is no reason to believe that the Scandinavians ever thought that there was a clear-cut difference between gods and humans as we know it from Christianity. Some sort of ‘euhemerism’ was already at stake in the pagan world view itself, and we may wonder (but we will never know for sure) whether the pagans would have been able to recognise some basic traits in the euhemerism of Snorri, such as his idea of immigration from the south. It would certainly be wrong to rule that out beforehand. We cannot maintain, however, that the notion of descent from the gods is universal in the sense that it existed in all cultures. It is one among several possible expressions of a more profound figure, namely the one con24
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Faulkes 1979 has some valuable ideas concerning the development of the pagan langfeðgatal and the euhemerism of the medieval texts, and I largely agree with him: No doubt there were considerable Christian and classical motives involved in the formation of the euhemeristic features as they are expressed in most of the texts handled down to us. But, strictly speaking, genealogies which have some other world being in their beginning are very similar, in its textual representation, to the basic ideas of euhemerism (cf. Weber 1994, pp. 14–15). Although there seems to be a curious ‘lack’ of humans in the classical texts of Old Norse mythology, as compared to many other mythologies, this, however, is only true if we think of the eddic mythology (the mythological poems of the Elder Edda, and Snorri’s Edda). As soon as we take the Heroic poems, the fornaldarsögur, Saxo and other sources into consideration, the picture changes dramatically: here we have those encounters between gods and humans which assures the relevance of the gods.
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sisting of a link between this and the other world, in space as well as in time. Nevertheless, the notion of descent seems to be so widely distributed that we find a kind of variant even in Christianity and Judaism, which dogmatically should have no room for it: We all descend from Adam and Eve, and even if they are not gods in the world views of these religions, they are immortal, they do not procreate, they do not have to work in order to survive (until Eve, unfortunately, was tempted by the snake), i.e. they were ‘like’ gods. There is at least one common characteristic, existing all over the IndoEuropean world, which is that gods and humans are able to procreate children.26 These children, naturally, will procreate themselves, and so we humans may claim some sort of descent from the gods. As mentioned, we hear about this in Rígsþula and it is implied by Tacitus for the Germanic peoples in general (Germania 2). But what seems to be a much more common idea is that the king, in particular, was a descendant of the gods.27 We meet this in many sagas and in continental sources, too. And even if all the sources relating this, as Walter Baetke and others have argued, may be influenced by Christian euhemerism,28 this is certainly not a proof that the idea of divine descent was not there before any influences from the Christian world. Actually, we should expect that it was. This would mean that the ruler, as a representative of the more or less humanised gods, would be close to these gods and thus that, when he died, he could be imagined to be one of them, or at least very close to them. This brings us back to Freyr and Fróði. It seems as if they were both venerated after their death. They were both famous kings of the past, and they were both successful in relation to luck and prosperity. It is certainly possible, and I would say most probable, as Professor Schier suggested, that they were identical,29 but whether or not this was so, we have to look a little closer into their status: were they kings or gods? If we read the main sources, Saxo and Snorri, literally, we surely get the impression that both Freyr and especially Fróði are humans. Whereas Fróði remains a human in all texts in which it is related to him, it is different with Freyr. Adam of 26
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For instance we see in the Mahabharata that the protagonists are sons of various gods (cf. Wikander 1947, p. 29), and in the Greek and Roman material examples are legio. And the king, in this connection, ought to be seen as a representative of the people towards the other world, and as a representative of the gods towards this world (cf, Schjødt 1990). Baetke 1964; Ejerfeldt 1969–70; Lönnroth 1986 and many others. And they may be identical with Fjölnir, too, as was suggested by Joan TurvillePetre (1979, p. 53).
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Bremen as well as most of the Icelandic sources clearly depict him as a god, i.e. a figure being of the other world – to whom people may sacrifice in order to benefit – and thus, possessing the characteristics by which we define a god. Nevertheless, the above discussion suggests that the statement mentioned before: “… damit steht fest, dass auch Fróði ein Gott sein muss” is somewhat problematic, and that the question concerning kings or gods cannot simply be answered by either/or. If the above argument, that the ancestor could be a god, is convincing, it follows that because of the blurring of categories, we have to say that this ancestor is both a human and a god: he acts in certain ways as an ‘ordinary’ human being (he is the king of a specific place on earth, although we do not know over whom he ruled; he had descendants who were, no doubt, humans and he probably died – like humans do – even if the circumstances surrounding his death were different from the ‘normal’). But he also fulfils the criteria for being labelled as a god.30 Both categories belonged to history in the minds of the pagans, and they were probably thought of as ancestors as well as fully divine. For, after all, just as the gods were thought to have more numinous power than man, some people had more numinosity than others and were thus closer to the gods than others. This, of course, could be explained as a special relationship, e.g. through descent, between certain gods and certain outstanding men.31 I will not argue that the pagans reflected particularly about these matters, whether, for instance, Freyr was god or human; I am quite sure they did not. But the important point is that it was not of importance, either. For in the distant past, in the beginning of the world, the difference between gods and humans was much less significant than it became later on. And this is also the reason why the distinction between myth and history in archaic societies did not matter in the same way as in modern society. But the dead, and especially the dead rulers, were expected to join the gods and to become somewhat ‘like’ the gods, just as the living rulers in the past were more ‘like’ the gods32 than the present ruler. Nevertheless, it is most likely 30
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This, as mentioned, obviously concerns Freyr, and if, as I believe, Fróði is identical with Freyr, it follows that he too was venerated, beyond what is related by Saxo concerning his death. I cannot at this place go further into the question raised by North (1997) of the relation between Óðinn and Freyr as ancestors of the Germanic kings. In contrast to North, I do not believe that the question can be answered exclusively by historical argument. The relation between the two gods and the kings were probably more complicated than that. I am fully aware that the terminology (somewhat ‘like’) is not very precise. However, that must be so for at least two reasons, namely that religious ideas in this
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that, on certain ritual occasions, he could be associated with his more divine ancestors. It seems to be a paradox that the heated discussion in relation to ‘sacral kingship’ in Scandinavia has been a pseudo discussion in regard to the characterisation proposed here. There is no doubt that the ruler in Scandinavia in pagan times was seen as responsible for keeping the good relation between the two worlds (that of man and that of gods33) in the same way as we see it with most leaders all over the world in archaic cultures and popular religions (and we can see, at least, relics of this ideological complex, even in parts of the modern world). This, of course, also goes for the Christian medieval world34 even though the notions were obviously different at important points. After all, it makes an important difference whether the ruler is seen as being a favourite of God because of his moral qualities (cf. the notion of rex iustus) or whether he is outstanding because his relation to the gods is considered to be due to genetic and/or ritual structures. When this is said, it should, however, be emphasised that even if these differences could be seen as mutually exclusive, in reality, the two views often mingle.35 My aim of this brief article has thus been to problematise the modern conception that the ancestors among the pagan Scandinavians must have been either gods or humans. In all archaic religious world views, we see a fusion of these concepts in the earliest history of mankind, and the radical distinction between gods and humans only became an issue of discussion with the introduction of the great religions of the book.
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kind of societies very often are imprecise, and moreover that our sources do not allow us to draw any clear picture – if there ever was such a clear picture. Cf. Schjødt 1990. Chaney 1970, pp. 86–120. Chaney (1970) has many examples of Christian rulers who have the same sort of ‘luck’ or supernatural skills as we meet in the pagan leaders (e.g. pp. 89–90 and 110–111). And even if Chaney’s examples are from the Anglo-Saxons, there is no reason to believe that things were much different among the Scandinavians.
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 580–606 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Griechisch in runischen und anderen volksreligiösen Texten Nordwesteuropas im Frühmittelalter von RUDOLF SIMEK Während die Verwendung des Lateinischen in Runeninschriften in den letzten Jahren zusehends in den Blickwinkel der Runologen gelangt ist, wobei das – für das Mittelalter ohnehin selbstverständliche – Nebeneinander von Latein und Volkssprache auch für die Verwendung der Runenschrift in Skandinavien gezeigt werden konnte,1 so sind die relativ wenigen Spuren der Verwendung des Griechischen nur nebenher behandelt worden2 oder ansonsten ignoriert.3 Im Folgenden sollen daher die Spuren des Griechischen und möglicher Vermittlungswege dieser Kenntnisse für das nachwikingerzeitliche Skandinavien angerissen werden.
1. Griechisch in Westeuropa im Frühmittelalter Die gängige Formel der Mediävistik, dass das westliche Mittelalter des Griechischen nicht mächtig gewesen sei,4 ist im letzten Vierteljahrhundert gehörig revidiert worden.5 Der genaue Grad und die Intensität der Kenntnisse des Griechischen in West- und Nordeuropa insgesamt sind allerdings bis zum heutigen Tag nur ganz punktuell erforscht.6 1 2 3
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Düwel 1994; Ertl 1994; Knirk 1998. Ertl 1994; etwas mehr zum spezifisch Griechischen bei Düwel 1992 und 2001, bes. S. 242. Vgl. Mees 2003. Vgl. für den außerrunischen Bereich die Vorgangsweise von Olsan (1992, S. 125), die alles vage Griechische (einschließlich einer Invokation maras [< maran atha?, vgl. 1. Kor. 16,22] spirit pareclete) von vornherein als „nonsensical phrases“ abtut. Zum Vorurteil der Humanisten vgl. Berschin 1980, S. 13 ff. Vgl. u. v. a. Kaczynski 1975; Berschin 1980; Berschin 1982; Herren 1988; Howlett 1998; Lapidge 1996a; Lapidge 1996b. Kaczynski 1975; vgl. Kaczanski 1988.
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Die schon bei Beda venerabilis7 erwähnte „Schule von Canterbury“ der beiden gebürtigen Griechen Theodosius (nach England 669, gest. 690) und Hadrian (nach England 670, gest. 710) ist wohl bekannt; beide Kleriker sprachen muttersprachlich Griechisch und waren somit in der Lage, die von ihnen mitgebrachten exegetischen Schriften einem Schülerkreis nahezubringen. Dazu gehörten nicht nur u. a. die beiden direkten Schüler Tobias von Rochester und Albinus, die beide laut Beda ausgezeichnete Griechischkenntnisse besaßen,8 sondern eben eine ganze „Schule“, und Beda bezeugt die Kenntnis des Griechischen noch eine Generation später für seine eigenen Tage (731). Der Fund von Handschriften (aus dem 8.–11. Jahrhundert) mit den aus dem Unterricht erwachsenen Bibelkommentaren des Theodosius zeigt die Wirkung dieses Griechischunterrichts.9 Als sehr frühe Übersetzung aus dem Griechischen dürften auch die lateinischen Verse, in einer Handschrift englischer Provenienz des 9. und 10. Jahrhunderts zu dieser Schule gehören, welche die Weissagung der erythräischen Sibylle enthalten, deren 34 Verse das lateinische Akrostichon Iesus Christus Dei Filius Saluator Crux als Übersetzung des griechischen Äquivalents aufweisen.10 Die Kenntnis des Griechischen verschwand aber auch nach Bedas Zeiten nicht, und Griechischkenntnisse wurden in der Folge durch die sog. iroschottische Mission auf dem Kontinent verbreitet.11 Zeugnisse für die keineswegs zu unterschätzende Wertschätzung griechischer Texte, die allerdings fast durchwegs in lateinischer Schrift vermittelt wurden, finden sich in einer ganzen Reihe von Handschriften aus St. Gallen. Diese Handschriften belegen etwa die Bewahrung von wesentlichen Elementen der griechischen Messe noch vom 9. bis zum 11. Jahrhundert, wobei zwar die griechischen Teile des Messordinariums in lateinischer Schrift wiedergegeben werden und der Lautstand einerseits auf allenfalls denkbare mündliche Vermittlung12 unter Verwendung kontemporärer Itazismen deutet, aber andererseits nicht auf den zeitgenössischen byzantinischen Riten beruht, sondern den Formeln der frühkirchlichen griechischen Messe, die erst ab dem
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Beda venerabilis: Historia ecclesiastica gentis Anglorum IV,2; vgl. dazu Lapidge 1996a und 1996b. Ibid. V,8 und V,20. Ediert durch Lapidge / Bischoff 1994. Bulst 1938. Howlett 1998. Bzw. wenigstens Kenntnis des zeitgenössischen Lautstands, was nicht ohne direkten Kontak denkbar ist.
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Ende des 4. Jahrhunderts sukzessive durch die lateinische verdrängt wurde.13 Die Teile des Messordinariums, die dabei in den Handschriften in griechischer Form auftauchen, sind das 1. 2. 3. 4. 5.
Kyrie eleison (kyrie eleison) Gloria in excelsis deo (Doxa en ypistis theo) Credo (in beiden Formen: Pisteuo eis ena theon; pisteuo eis theon) Sanctus (hagios, hagios, hagios) und das Agnus dei (O amnos thu theu).14
Davon ist bis heute allein das Kyrie als Messteil des katholischen Ordinariums auf Griechisch erhalten geblieben. Es wäre daher zu erwarten, dass von allen griechischen Texten diese noch im Frühmittelalter verwendeten Teile des Ordinariums im Westen die weiteste Verbreitung gefunden haben, da wenigstens die Anfangsworte dieser Gebete durch die offenbar häufig praktizierte zweisprachige Rezitation der griechischen und lateinischen Texte im abwechselnden Wechselgesang15 den Texten selbst eine relativ breite Rezeption beschert hat. Ob dies auch außerhalb der großen monastischen Zentren wie St. Gallen zutrifft, wäre anhand der Belege allerdings noch zu überprüfen. Dass die Kenntnis des Griechischen selbst in den großen Klöstern nur mehr passiv gepflegt wurde, mitunter in einem ausgesprochen enzyklopädischen Zusammenhang, zeigt die St. Galler, ursprünglich wohl Reichenauer Handschrift aus dem 9. Jahrhundert (Sangallensis 878 fol.) mit dem sog. Abecedarium Nordmannicum. Die Handschrift wurde großteils von Walahfrid Strabo geschrieben und enthält neben dem eben als Abecedarium Nordmannicum bezeicheneten Runengedicht auch ein hebräisches Alphabet, ein griechisches Alphabet und noch dazu ein angelsächisches Futhorc.16 Dieser enzyklopädische Kontext lässt sich auch für eine ganze Reihe weiterer Handschriften etablieren, welche Glossare enthielten, die aber eine schon sehr eingeschränkte Kenntnis vereinzelter griechischer Wörter nur bestätigen und insoferne Auskunft über den schlechten Zustand der Griechischkenntnisse geben.17
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Kaczynski 1975, S. 232 ff. Kaczynski 1975, S. 234. Kaczynski 1975, S. 238 f.; Atkinson 1981. Zur Handschrift allgemein vgl. Bischoff 1967; spezieller zum Abecedarium Nordmannicum nunmehr Bauer 2003, S. 58–77. Berschin 1988, bes. S. 89–94.
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Im ausgehenden 10. Jahrhundert ist im deutschen Sprachraum mit einer Kenntnis des Griechischen immerhin für Angehörige des Hofstaats der Byzantinerin Theophanu zu rechnen, die 972 Otto II. heiratete und nach dessen Tod den minderjährigen Otto III. bis zu ihrem eigenen Tod 891 selbst erzog und als Regentin des Reichs fungierte; dass Otto III. selbst von seiner Mutter Griechisch gelernt hatte, gilt als höchst wahrscheinlich.18 Ein gewisses Maß an Griechischkenntnissen ist am Hof der Ottonen also auf jeden Fall zu erwarten, auch wenn sich ein Transfer von bestimmten Texten oder Handschriften aus Byzanz nach Köln zu dieser Zeit nur punktuell nachweisen lässt, etwa bei der Handschrift Ms 7/9 der Stadtbibliothek Trier, welche offenbar für Kaiserin Theophanu oder in ihrem Auftrag hergestellt wurde, da sich eine der Schreibhände des Codex auch auf der Hochzeitsurkunde der Theophanu vom April 972 wiederfindet. Diese zweisprachige griechisch-lateinische Psalterhandschrift könnte durchaus als Lernhilfe für das Erlernen des Griechischen im Umfeld der Kaiserin gedient haben.19 Immerhin ergibt sich trotz dieser recht punktuellen Belege ein Gesamtbild für das ottonische Reich, in dem das Griechische im religiösen Kontext keine ganz unwesentliche Rolle spielte und bei vielen gebildeteren Klerikern und Nonnen zumindest rudimentäre Lesekenntnisse vorausgesetzt werden können.20 Deutlich dünner ist die Quellenlage in Skandinavien, und seit 1960 findet sich daher m. W. kein Überblick über etwaige Kenntnisse oder Auswirkungen des Griechischen in Skandinavien.21 Im Folgenden sollen daher drei Themenbereiche behandelt werden: – Griechisches im frühmittelalterlichen Skandinavien – Griechisches in runischen Texten – Die Wege der Vermittlung von griechischen Texten oder auch nur Lexemen in den Norden.
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Eickhoff 1996, S. 253 f.; vgl. auch Riché 1988, bes. S. 155 ff. So die Vermutung von Hilsdale 2005, S. 39, Fußnote 98; vgl. zu diesem Themenkomplex auch Erkens 2000. Vgl. zu diesem Komplex Berschin 1980, S. 211–243; eher sehr rudimentäre Kenntnisse postuliert dagegen Aerts 1995, S. 194. Raasted 1960, welcher Beziehungen zwischen Skandinavien und Byzanz nur über die Waräger, die Kreuzfahrer oder die griechisch-orthodoxe Kirche erwartet: Der indirekte Weg über England und das Frankenreich wird hier noch gar nicht berücksichtigt.
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2. Griechisch in Skandinavien Belege für die Kenntnis des Griechischen in Skandinavien sind ausgesprochen selten. Zwar müssen zahlreiche Skandinavier, die nach der Formierung der Warägergarde in Byzanz zu Ende des 10. Jahrhunderts in diese Aufnahme fanden, wenigstens umgangssprachliche Kenntnisse des Griechischen besessen haben, für einen Heerführer wie den späteren König von Norwegen, Harald harðráði (ca. 1013–1066), der es zum Befehlshaber über byzantinische Truppenteile brachte, wird man sogar bessere Sprachkenntnisse voraussetzen können. Wie aber schon in früheren Studien festgehalten werden musste,22 ist eine direkte Kenntnis des Griechischen anhand von Texten nicht nachzuweisen.23 Die Nennung von Griechenland in skandinavischen Runeninschriften vor allem des 11. Jahrhunderts ist dagegen recht häufig;24 dazu gehören die Steine von Ed (U 112), von Ulunda (U 729), von Broby (U 136), Droppsta (U 146), Hansta (U 73), Örby (U 374), Lövsta (U 1087), Västerby (Sö 85), Tumbo (Sö 82), Grinda (Sö 165) und von Rycksta (Sö 163), sowie auch die seltsame Aufzählung von Ländern auf dem Wetzstein von Timans (G 216). Zu nennen wären dazu die Runensteine, die Garðar oder Garðarriki als Bezeichnung für Griechenland anführen, sowie die 26 sog. Yngvars-Inschriften, welche auf die im Osten gefallenen Teilnehmer einer Expedition dieses Yngvarr im Jahre 1041 Bezug nehmen, auch wenn Griechenland dabei nicht ausdrücklich erwähnt wird. Da die Steine aber durchwegs die altnordischen Namen für Griechenland und das Volk der Griechen verwenden, gehören sie nicht zur vorliegenden Untersuchung, und sie sind überdies bei Düwel25 in großer Vollständigkeit zusammengestellt. Einen Sonderfall des möglichen Kulturtransfers von Griechenland nach Skandinavien bildet ein altisländischer Text des 12. Jahrhunderts, der die Reliquien der Hagia Sophia in Byzanz aufzählt. Diese Reliquienliste muss wohl auf eine griechische Quelle zurückgehen, da der Reisende, mit dessen Bericht die handschriftliche Überlieferung die Aufzählung versippt,26 selbst gar nicht in Byzanz war, nämlich der spätere Benediktinerabt Nikulás Berg(þor)sson (gest. 1169). Seit meiner Entdeckung einer lateinischen Zwi22 23
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Mundt 1993. Es sei nur nebenbei erwähnt, dass die byzantinischen Handschriften in skandinavischen Bibliotheken durchwegs auf neuzeitliche Sammler zurückgehen: Vgl. dazu Fleischer et al. 1996 und Piltz 1998. Cf. Hallencreutz 1997, S. 335 f. Düwel 2008, S. 124. Simek 1990, S. 370 ff.
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schenstufe in zwei vatikanischen Handschriften angelsächsischer Provenienz aus dem frühen 12. Jahrhundert liegt aber auch hier nur Vermittlung aus dem Lateinischen vor, nicht die Kenntnis des griechischen Urtexts, was anhand von Leitfehlern in der lateinischen Übertragung und in deren altnordischer Version nachzuweisen ist.27 Allerdings spricht der lateinische Text ausdrücklich von einer griechischen Vorlage, nicht etwa von einem Augenzeugenbericht eines Pilgers. In diese der Renaissance des 12. Jahrhunderts auf Island zuzuschreibenden wissenschaftlichen Beschäftigung mit griechischen Themen ist auch das in einer kurz nach 1200 geschriebenen wissenschaftlichen Sammelhandschrift (AM 732 b, 4to, 9v: möglicherweise in anderer Hand?) zu findende griechische Alphabet einzuordnen, das mit Ausnahme von einigen wenigen Fällen der Niederschrift des (griechischen) A und Ω28 kein Gegenstück im Norden zu haben scheint.29 Ansonsten sind zwar altnordische Texte des Hoch- und Spätmittelalters durchaus in der Lage, mit (pseudo-)griechischen Elementen zu prahlen, dies ist aber nur literarische Fiktion ohne jegliche Grundlage; als Beispiel möge der Titel der Kirialax saga stehen, einer originalen Riddarasaga aus dem 14. Jahrhundert, deren Titelheld seinen Namen offenbar von griech. kýrios Aléxios (vermutl. der byzant. Kaiser Alexius I. Comnenus, 1081– 1118), ableiten will, aber die scheinbar gelehrten Einschübe gehen weder auf griechische noch lateinische, sondern altnordische Texte zurück.30 Ähnlich steht es mit der Konráðs saga keisarasonar, ebenfalls eine Riddarasaga aus der Zeit um 1300, die zwar in Byzanz spielt, aber sonst keine realen Bezüge zu Byzanz aufweist.31 Auch der Beiname des byzantinischen Kaisers Michael IV („der Paphlagonier“, reg. 1034–1041), den die ebenfalls erst um oder nach 1300 entstandene Grettis saga überliefert, nämlich Katalakt (für griech. καταλλακτής ‘Geldwechsler’) könnte zwar
27 28 29
30 31
Simek 1992. Raasted 1960, S. 514. Ich übergehe hier bewußt die – wirklichen oder angenommenen – Belege für den Einfluss byzantinischer Ikonographie in Skandinavien, da hier die griechische Sprache weder in der Wiedergabe noch der Vermittlung eine Rolle spielt, abgesehen allenfalls vom Christusmonogramm auf dem sog. Dagmar-Kreuz byzantinischer Provenienz im Nationalmuseum Kopenhagen und der Inschrift auf dem Bleisiegel des Kaisers Theodosius (Wikinger Museum Haithabu): vgl. zum ganzen Komplex Horn Fuglesang 1997, bes. S. 39 ff. und 53 ff. Vgl. dazu Cook 1985; Cook 1993. Simek / Hermann Pálsson 2007, S. 232–233.
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gelehrte Zuweisung sein, wirkt allerdings eher wie eine einheimisch skandinavische Tradition der späteren Wikingerzeit.32 Die einzigen Belege für die Verwendung des Griechischen in Skandinavien sind somit vereinzelte griechische Wörter, die sich in verschiedenen runischen Beschwörungen auf Amuletten des 11. und 12. Jahrhunderts finden. Neuerdings ist eine verdienstvolle Arbeit erschienen,33 in welcher die frühesten Belege des Griechischen in Skandinavien behandelt wurden, aber diese finden sich ausschließlich auf Gegenständen des Imports nach Skandinavien. Immerhin ist daran interessant, dass auch diese Artefakte aus der ersten Hälfte des nachchristlichen Milleniums fast durchweg in den Bereich der Volksreligion, aber besonders des Amulettgebrauchs, zu gehören scheinen. Schon vorher finden sich aber vereinzelt Gegenstände mit griechischen Inschriften, so etwa die Silberbecher aus dem Grab von Hoby auf Lolland, das in die erste Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr. zu datieren ist: hier tragen beide Becher die griech. Inschrift Chirisophos epói, aber einer der Becher in griechischen Lettern, der andere in lateinischen; es handelt sich also um eine reine Herstellerinschrift eines in Italien arbeitenden Silberschmieds. Schon die nächsten Belege, nämlich eine orientalische Glasschale aus Varpelev/DK mit der Inschrift ΕΥΤΥΧΩC ‘Glück!’ und der Glasbecher von Vorning Mark/DK mit der Inschrift ΠΙΕ ΖΗCΑΙC ΚΑΛΩC ‘Trink, und du wirst gut leben’ sind der Volksreligion im weiteren Sinn zuzuzählen, beide stammen vom Ende der römischen Kaiserzeit, ebenso wie ein in Berga Vrå im schwedischen Södermanland gefundener Ring, der eine wohl als ΕΥΤΥΧΙ ΕΥΝΗΚΙ ‘Glück, Sieg’ oder ‘Glück, Eunesios’ zu lesende Inschrift trägt.34 Ein weiterer hier zu nennender Gegenstand aus der selben Periode ist eine nicht einmal 3 cm im Durchmesser große Bergkristallkugel mit der griechischen Inschrift ΑΒΛΑΘΑΝΑΛΒΑ aus einem Frauengrab von Årslev auf Fünen. Möglicherweise ist hier ein (verkürztes oder verschriebenes) Palindrom gemeint, aber mit großer Sicherheit hatte der Gegenstand Amulettfunktion, und zwar sowohl in seiner nahöstlichen Heimat als auch in Dänemark; bemerkenswert ist dabei, dass die Besitzerin nach Ausweis ihrer Tracht aus Osteuropa, und zwar entweder aus Ungarn oder vom Schwarzen Meer stammte.35 Bei all diesen Belegen handelt es sich jedoch durchwegs um Importartikel aus dem griechischsprachigen Südosten, bei denen sich die Frage nach der Verständlichkeit 32 33 34 35
Piltz 1998, S. 91. Imer 2004 [2007]. Imer 2004 [2007], S. 70 f. Imer 2004 [2007], S. 71.
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der Inschriften insofern nicht stellt, als es sich entweder um die Besitztümer von griechischsprechenden Personen oder, bis auf den letzten Fall wahrscheinlicher, um Gegenstände handelte, die ganz unabhängig von der Bedeutung ihrer Inschriften auf die eine oder andere Art nach Skandinavien gelangt waren. In beiden Fällen hatte die Inschrift selbst keine Bedeutung für die einheimische Bevölkerung.
3. Griechisches in runischen Texten Als ergiebigste Quellen für den Gebrauch des Griechischen – genauer gesagt vereinzelter griechischer Lemmata – erweisen sich die mittelalterlichen Runenamulette. Dies ist auf den ersten Blick überraschend, hängt aber mit der in Skandinavien reformationsbedingten Vernichtung lateinischer Handschriften aus katholischer Zeit zusammen, welche die ausgesprochene Armut an lateinischen Handschriften mit liturgischen Texten in Skandinavien erklärt, welche sicherlich – wie andernorts – eine reiche Quelle griechischer bzw. hebräischer, aber im Mittelalter offenbar als griechisch aufgefasster36 Wörter enthalten hatten. Die Verwendung des Griechischen auf christlichen Amuletten ist in den Kontext der christlichen Beschwörungsformeln selbst zu stellen, wo es weniger um überkommene Zauberformeln geht, sondern mehr um – wenn auch durchaus in traditionelle Schemata des magischen Gebrauches eingebettete37 – liturgische Formeln und „heilige“ Wörter, darunter die Nennung der Gottesnamen, der Namen von Engeln und Heiligen, sowie seltener Wörter des liturgischen Gebrauchs einschließlich griechischer Ausdrücke und schließlich ephesia grammata, also eigentlich unverständliche Buchstaben- und Wortfolgen. Dabei ist die Grenze zwischen stark verballhornten lateinischen und besonders griechischen Wörtern und den ephesia grammata fließend, weil in vielen Fällen uns unverständliche Formeln wohl auf stark entstellte griechische und lateinische Wörter – und deren Vermischung – zurückgehen. Ein noch relativ durchsichtiges Beispiel ist pan(tkno für pantocrator auf einem Runenhölzchen von Bergen Bryggen (N641),38 aber schon die Form pantaseron auf dem Bleiamulett aus Florida (A 284) lässt eine dahingehende Deutung nicht mehr so leicht zu.
36 37 38
Im Folgenden soll nicht zwischen den beiden unterschieden werden. Zur Struktur vgl. Mees 2003, S. 1 f. Knirk 1998, S. 486.
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Ein weiteres Beispiel für stark verderbte griechische Wörter bietet das Runenhölzchen von der Stabkirche in Lom (A 77):39 kyrarotaioh(an / næsmarcuslu / casmatþiaspaX / port8andis salus, was sich, unter Heranziehung des ähnlichen, aber weniger drastisch entstellten Textes auf einem Runenhölzchen aus Bergen (Dreggsalmenning, 1248–1332, B 583),40 als kyr[ios] aret[on] Johannes Marcus Lucas Matthias pax portandis salus rekonstruieren lässt. Deutlich zeigt sich hier, dass es gerade die zwei griechischen Gottesnamen am Anfang sind, die wesentlich stärker entstellt sind als der restliche lateinische Text, sodass sicher kein schriftlicher Text die Vorlage gebildet haben dürfte, sondern die nur halbverstandene gehörte Form der Namen. Immerhin bestätigt die Stellung, dass der Ausführende noch gewusst haben dürfte, dass es sich in beiden Fällen um Gottesnamen handelte. Eine der ausführlichsten Sammlungen griechischer Lemmata findet sich auf der jetzt nicht mehr erhaltenen Holzplanke aus Tonstad, welche nur mehr aus einer Umzeichnung von 1639 erhalten ist (NIyR III, S. 128; N 216):41 A: pe(trus:paulus:an(dræas:markus:maria:matheuslukas:iohannes: tætra:krama:ton:agla:akios:annail:messias:iesuk:gris(tus: guB: mariam.hely:hely:iesus:kris8tus:te8trhakon [oder: te8trmaton] In dieser auf Grund der Zeichnung mit einigen Unsicherheiten der Lesung behafteten Inschrift finden sich die griechischen Gottesnamen Tetragrammaton, (H)agios, Ag(g)elos (?),42 Messias sowie die Invokation Hely, Hely (cf. Matt. 27,46). Diese Inschrift deutet aber durch den Kontakt darauf hin, dass der Runenritzer hier das Zauberwort AGLA als griechisches Wort empfand, und zudem wohl noch als Gottesnamen interpretierte. Letzteres gilt zwar sicher nicht für alle der vielfachen Verwendungen dieses Zauberworts, deckt aber immerhin einen der mittelalterlichen Interpretationsansätze auf; von Zauberwörtern und -formeln wie AGLA und der SATOR-Formel wird noch getrennt zu sprechen sein.
39 40 41 42
Knirk 1998, S. 504. McKinnell / Simek mit Düwel 2004, S. 151, V 2; fortan als RMR zitiert. Ausführlich behandelt bei Knirk 1998, S. 481 und 496, sowie bei Ertl 1994, S. 345. Fr. Sabine Walther verdanke ich den Hinweis, dass die Buchstabenfolgen akios: annail auch mit griech. κιος ‘nicht wurmstichig’ sowie ν- und να- ‘unbewohnt’ erklärbar wären, was allerdings wohl die Griechischkenntnisse der Runenritzer überstiegen hätte.
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Eine erstaunliche Zahl griechischer Namen enthält auch das Amulett I aus der Stabkirche von Borgund in Norwegen (N 348).43 Das Runenbrettchen stellt mit 131 Runen und 10 Kreuzen eine der längsten norwegischen Amulettinschriften dar: A: messiassoþer B: emanuelsabaoþaþo naiusionageosoþan naþosælæison++++++ alfaæþo ++++ C: filæhsartifæhs deusiesussaluat orageosoþanna þosælæisonaæl gaagelaiakla Dies lässt sich lesen als: Messias, Soter, Em(m)anuel, Sabaoth, Adonai, (Homo)usion, (H)agios, Othanatos, Eleison, Alpha et O, Filius artifex, Deus Iesus salvat, orageos (> O (H)agios?), Othanatos, Eleison, (H)elga, Agelai, AGLA. Für den letzten Teil der Inschrift wäre nunmehr das Bleikreuz aus Trondheim (A 157, N-28109) zum Vergleich heranzuziehen, das in die Zeit von etwa 1225–1275 zu datieren ist44 und wo ebenfalls das Zauberwort AGLA sowie O Hagios anzutreffen ist, obwohl bislang keine vernünftige Erklärung der Zeile B 1 vorgeschlagen wurde: A 1: A 2: B 1: B 2:
+ 8agla + +??oi8agios+ +8agla+8agla+ +??(ariuf(auaka+?el+ +8agla 8agla+
Es sollte aber nicht völlig ausgeschlossen werden, dass die hier nicht zu deutende Zeichenfolge ka gerade im Kontext anderer griechischer Wörter für griech. kai stehen könnte. Von den vier nicht erst im Mittelalter als Gottesnamen aufgefassten Namen der Planetengeister45 δοναος (dann δωνα), λωαίος (dann Eloah, griech.: λωά), Σαβαώθ, αώ tritt der letzte auf der Inschrift aus Borgund nicht auf, und nur das Runenstäbchen N 633 aus Bergen könnte 43 44 45
Zuletzt behandelt bei Knirk 1998, S. 497 und Ertl 1994, S. 340, wobei ich mich für die letzte Zeile der Lesung von Knirk anschließe. RMR, S. 158, W 8; Ertl 1994, S. 368; Knirk 1998, S. 504; Hagland 1995. Pradel 1907.
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den Namen Iao bewahren (mit falscher Schreibung von f für i); sehr wahrscheinlich macht dies der Kontext dieser Inschrift jedoch nicht.46 Das Zauberwort AGLA wurde, wie wir schon gesehen haben, offenbar als griechisches Wort betrachtet, u. U. sogar als Gottesname. Da die Bedeutung als Abkürzung für 'atta gibbôr le 'ôlam 'adôay ‘Du bist stark in Ewigkeit, Herr’ heute weitgehend akzeptiert scheint und wir die Belege für die Verwendung des apotropäischen Zauberworts andernorts in repräsentativer Auswahl, wenn auch keineswegs erschöpfend zusammengetragen haben47, soll hier eine weitere Behandlung entfallen. Wenn AGLA in der untenstehenden Liste als griechisches Wort geführt wird, dann also nur unter der Berücksichtigung des mittelalterlichen Blickwinkels. Eher der umgekehrte Fall gilt für das üblicherweise als Quadrat dargestellte Palindrom sator arepo tenet opera rotas, das übersetzt mit ‘Der Säer Harpokrates (> Arepo?) hält Arbeit und Wagen’ wiedergegeben wird, was aber durchaus nur spätere Interpretation sein mag. Zwischen den ältesten Belegen in Pompei (vor 79 n. Chr.) und Syrien (vor 256 n. Chr.) und spätmittelalterlichen Versuchen, das Quadrat mit einer Darstellung des gekreuzten „Pater noster“ (plus A und ) als Gebetshilfe für das fünfmal zu betende Paternoster zu sehen,48 lagen wohl eine ganze Reihe vorchristlicher und christlicher Deutungsansätze und Funktionen. Trotz des möglichen Vorkommens des griech. Namens Harpokrates (wenn auch in stark verballhornter Form) wurde die Formel im Mittelalter als lateinisch angesehen und tritt praktisch nirgends in Verschränkung mit den genannten griechischen Gottesnamen und anderen Begriffen auf. An der Funktion des magischen Quadrats kann der Mangel an textlicher Verbindung mit anderen Amulettwörtern jedenfalls nicht gelegen haben, hat doch auch die SatorFormel schadensabwehrende Wirkung. Da das Sator-Quadrat in der Literatur aber schon ausreichend behandelt wurde, kann hier eine Diskussion ebenfalls unterbleiben.49 Aus der vorliegenden Untersuchung möchte ich auch die Formel Gordan Gordin Ingordan ausklammern, deren Herkunft bislang nicht geklärt ist und die in keinem der drei runischen und diversen handschriftlichen Fassungen mit anderen Graeca vergesellschaftet sind.50 Offenbar erweckten die drei Namen im Mittelalter nicht die Assoziation mit den aus dem 46 47 48 49 50
Die Inschrift ist wiedergegeben bei Knirk 1998, S. 500. RMR, S. 155–159, Nrn. W 1–W 9. Vg. dazu jüngst Frost 2007, S. 26 f. RMR, S. 149–155, Nrn. V 1–V 10; Düwel 2001, S. 228–237; Horak / Gastgeber 1995; Gastgeber / Harrauer 2001, S. 214. RMR, S. 159–161, Nrn. X 1–X 5.
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Griechischen stammenden liturgischen Formeln und Namen, sondern wurden – wie in den Carmina Burana – als Dämonennamen bzw. Elfennamen aufgefasst.51 Trotz der eingangs genannten ausführlicheren Beispiele für die Sammlung griechischer Wörter im christlich-magischen Kontext von Runenamuletten sollte nicht vergessen werden, dass viele der Wörter auch ganz ohne oder mit nur geringer Vergesellschaftung auftreten. Als Beispiel dafür mag das Runenhölzchen N 627 aus Bergen Bryggen dienen, das ausschließlich die Inschrift kirialæisun:kristalæison ‘Kyrie eleison, Christe eleison’ trägt.52 Sicherlich Amulettcharakter hatte ein gelochtes Runenhölzchen (N 634), das wohl um den Hals getragen wurde,53 und außer den Namen Jesus et Maria. Marcus, Mattheus, Lucas, Johannes, Mattheus, Lucas eingangs noch die Formel o(alfakris(tuset(alfa ‘O Alpha, Christus et Alpha’ trägt, wobei hier Alpha wohl als Synonym für „Beginn“ verwendet wird. Noch knapper bleibt die hier völlig alleinstehende und vielleicht auch schon sinnentleerte Nennung des Gottesnamens Arota auf dem Ring von Revninge (DR 203),54 der auf der Unterseite der Schmuckplatte die Inschrift (aro(ta (agla(gala laga aufweist, also wohl auch den Gottesnamen nur als reines Zauberwort verwendet. Abschließend seien noch zwei Beispiele für offenbar runisch-griechische Inkompetenz genannt, wo zwar anscheind der Versuch gemacht wurde, die lateinische Inschrift durch griechische oder pseudo-griechische Wörter zu ergänzen, ohne dass diese aber eine sinnhafe Kombination ergeben. Dafür kann etwa der dänische Runenknochen von Æbelholt (DR Till. 3) genannt werden, dessen erste Zeile mit amoræm beginnt, die zweite mit 8ago auro:uos, was wohl mit lat. ago aura vos wiedergegeben werden könnte, aber das s(anror(on.gasdaer(ang der restlichen zweiten Zeile bleibt trotz der griechisch wirkenden Endung von s8anror8on ohne erkennbaren Sinn. Interessanter ist ein kleiner, nicht einmal handflächengroßer Stein aus Dänemark (DR 57), der die Runenfolge þmkrhli iklmrþh A?hpa enthält, wovon das A als lateinische Majuskel ausgeführt ist. Davon entspricht die mittlere der drei Zeichengruppen wenigstens teilweise der Reihenfolge des lateinischen Alphabets, die letzte mag für Alpha verschrieben sein. Da der Stein als spätmittelalterlich datiert wird, könnte das ganze kindlich-spielerischer Umgang mit Schriftzeichen sein.
51 52 53 54
Vgl. dazu Simek 2008 (im Druck). Knirk 1998, S. 500. Ertl 1994, S. 340 f. Ertl 1994, S. 373.
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Größere Probleme als diese Beispiele für kurze Texte mit (möglichen) griechischen Einflüssen bereitet die folgende längere Inschrift. Eine zwar offensichtlich teilweise als griechisch aufzufassende, aber bislang nicht entschlüsselte Runeninschrift von immerhin 240 Zeichen findet sich nämlich auf dem Bleiamulett von Odense (DR 204) aus dem Friedhof von St. Knut, das archäologisch nicht genauer als auf den Zeitraum zwischen 1075 und 1300 datiert werden kann (Abb. 1):55 A: B: C: D: E: F: G: H:
+ £unguensine : pr!insin+sal : kotolon anakristi : anapisti £kard??r : nardiar : ipodiar : kristus uinkit kristus reg net : kristus imperat * kristus abomni malome asam : liperet : krux kristi sit : super me * asam * hik : et ubikue * + khorda * + inkhorda + khordai + agla + sanguiskristi signetme +
A: B: C: D: E: F: G: H:
+ (u)nguensine pr(i)nsin(e)sal kotolon anakristi anapisti (k)ard(ia)r nardiar ipodiar. Kristus vincit, Kristus regnet, Kristus imperat. Kristus ab omni malo me, asam, liberet. Krux Kristi sit super me, asam, hic et ubique. + khorda + inkhorda + khordai + agla + Sanguis Kristi signet me +
Der zweite Teil der Inschrift (C–H) wirft kaum Probleme bei der Deutung auf, weil alle Elemente auch von anderen runischen und nichtrunischen Beschwörungsformeln eingesetzt werden und sich etwa die Formel Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat sowohl in Litaneien, als auch in Exorzismen als auch als Schlachtruf gegen die heidnischen Mächte findet.56 Dagegen sind die ersten zweieinhalb Zeilen (A–C) bislang nicht schlüssig erklärt worden, da eine Deutung von prinsin als primsign ‘prima signatio’ kaum überzeugen kann und auch im Kontext wenig Sinn macht.57 Dabei drängen sich gerade am Eingang der Inschrift die möglichen Etyma förmlich auf: unguensis ist wohl (inkorrekter, statt unguinis?) Gen. Sg. von lat. unguen ‘Salbe’, sine sal entspräche lat. ‘ohne Salz’, kotolon dürfte wohl 55 56 57
Vgl. RMR, S. 159 f, Nr. X 1. Vgl. dazu ausführlicher und besonders zur Christus vincit-Formel in Verbindung mit den Dämonennamen (?) Khorda – inkhorda – khordai Simek 2008 (im Druck). Vgl. RMR, S. 160.
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zu mlat. cotula oder direkt zu griech. κοτύλη ‘kleine Schale’ zu stellen sein, und sowohl khard(ia)r als auch nardiar scheinen trotz der funktionslosen assonierenden Endungen auf die Etyma griech. καρδία ‘Herz’ und νάρδος ‘Nardenöl’ zurückzugehen. Schwieriger dagegen sind die verbleibenden vier Wörter prinsin, anapisti, anachristi und ipodiar zu deuten. Prinsin ließe sich als verstümmelte Wiedergabe von lat. (in) princi(pio) ‘am Anfang’ deuten, aber auch der Stamm von griech. πρνος ‘Steineiche’ wäre nicht völlig auszuschließen. Anapisti und anachristi weisen griechische Verbalendungen der 2. Person Pl. Medium Indikativ und Imperativ – (ε)σθε auf, aber ob dies nur pseudogriechisch ist, oder aber eine verbalhornte Form von existierenden Verben oder ob tatsächlich die hier sprachlich durchaus möglichen, aber wenig sinnstiftenden Verben ναπίπτω ‘zurückweichen’ oder gar die Form ναπίνεσε ‘trinkt!’ und νακρίω ‘salben’ vorliegen, muss vorläufig offenbleiben. Noch weniger zu erklären ist ohne Vorlage die Grundlage der Zeichenfolge ipodiar, die im Prinzip auf jedes griech. Wort mit dem Präfix πό- zurückgehen könnte, aber ebenso eine verderbte Form von πδός ‘Zauberer’. Der Text scheint mir daher auf der Vorlage eines griechischen oder byzantinischen Zauberamuletts oder einer Zauberrezeptur zu beruhen, ohne dass ich bislang in der Lage bin, eine konkrete Vorlage nachzuweisen, egal, ob diese dann direkt oder über mündliche Vermittlung verwendet wurde. Wenn diese Deutungsansätze für das Odenser Runenamulett ansatzweise richtig wären, müsste das Amulett als auffälligster Beleg griechischer Sprachverwendung gewertet werden, aber bis zu einem endgültigen Quellenbeleg muss dies natürlich spekulativ bleiben. Dies hat aber zur Folge, dass die Zahl der griechischen Lemmata in runischen Inschriften sich als recht überschaubar erweist, wie folgende Tabelle zeigt: abracadabra58
abracadabra
A 123 Osen Bleikreuz B 664 Bergen Bryggen Bleiamulett
Adonai (hebr.), griech. Gottesname δωνα
N 262 Bru I Bleikreuz B 619 Bergen Bryggen Holzamulett
agios (für hagios) griech. γιος
A 122 Kaupanger Bleiamulett A 157 Trondheim (N-28109) Bleikreuz N 216 Tonstad (NIyR III, 128) Holzplanke N 348 Borgund (NIyR 216) Holzamulett
58
heilig
Zu dieser Formel in runischem Kontext vgl. Schwab 1998, S. 380.
Rudolf Simek
594 agelai (< griech. γγελος)
Bote = Engel
N 348 Borgund (NIyR 216) Holzplanke
AGLA (hebr.?)
Zauberwort59
A 1 Ål Stabkirche Bleiamulett A 8 Tønsberg Holzspachtel A 32 Oslo Holzstäbchen A 51 Hermannsverk Holzkreuz A 123 Osen Bleikreuz A 154 Trondheim (N-27177) Holzkreuz A 157 Trondheim (N-28109) Bleikreuz A 321 Oslo Holzstäbchen A 362 Sande Bleikreuz B 583 Bergen Holzstäbchen DR 203 Revninge / Fünen Goldring DR 204 Odense Bleiamulett N 216 Tonstad (NIyR III, 128) Holzplanke N 348 Borgund (NIyR 216) Holzamulett N 636 Bergen Bryggen Holzstäbchen N 639 Bergen Bryggen Holzstäbchen N 642 Bergen Bryggen Holzkreuz N 643 Bergen Bryggen Holzstäbchen Blæsinge / Seeland Bleiamulett60 Selsø / Seeland Bleiamulett61 Tårnborg / Seeland Bleiamulett62 Herjolfsnes / Grönland Holzkreuz63
alpha (griech. λφα)
A
A 123 Osen Bleikreuz N 634 Bergen Bryggen Holzamulett 64
alpha et o[mega] (griech. λφα, μέγα)
A und O
A 362 Sande Bleikreuz N 248 Madla Bleikreuz N 348 Borgund Holzamulett Västannor / Dalarna Bleiamulett65
59 60 61 62 63 64 65
Vgl. RMR, S. 153–159, W 1–W 9. RMR, S. 184–186, Z 18. RMR, S. 156, W 2. RMR, S. 156, W 1. Vgl. dazu Liestøl / Sanness Johnsen 1990, S. 82. Ertl 1994, S. 341: gelochtes Runenhölzchen, daher wohl Amulett. Ertl 1994, S. 364.
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Herjolfsnes / Grönland Holzkreuz 66
arreton (als arota, ar/ton etc.) (griech. ρρητον)
unaussprechlich
A 77 Lom Stabkirche Holzstäbchen DR 203 Revninge / Fünen Goldring N 263 Bru II Bleikreuz67 N 638 Bergen Bryggen Bleiamulett
athanatos68 (griech. άνατος)
unsterblich
N 263 Bru II Bleikreuz N 348 Borgund Holzamulett
eia (griech. εα)
auf! fort!
A 122 Kaupanger Bleiamulett
eleison (griech. λεσον)
erbarme dich!
N 348 Borgund Holzamulett
emmanuel (hebr., griech. μμανουήλ)
der Erhabene
B 619 Bergen Bryggen Holzamulett
eli (griech. Hλι), aus syro-chaldäisch eloi (Ps. 22,1)
mein Herr
A 122 Kaupanger Bleiamulett69 N 216 Tonstad Holzplanke70
Eloi (< delaon)? (griech. λωαίος)
Gottesname
N 639 Bergen Bryggen Holzstäbchen ?
(homo)usion (griech. μοουσίον)
wesensgleich(er) B 619 Bergen Bryggen Holzamulett ? N 262 Bru I Bleikreuz N 348 Borgund Holzamulett
Iao (griech. αώ)
Gottesname
N 633 Bergen Runenstäbchen ?
IHS (griech. ΙΗΣ)
Christusmonogramm
A 242 Trondheim Holzplättchen71
kai (griech. καί)
und
N 641 Bergen Bryggen Holzstäbchen ?
kyrie eleision kriste eleison (griech. κύριε λεσον, χρίστε λεσον)
Herr erbarme A 1 Ål Stabkirche Bleiamulett dich, N 627 Bergen Bryggen Holzamulett72 Christus erbarme dich!
kyrios (griech. κύριος) Herr 66 67 68 69 70 71 72
A 77 Lom Stabkirche Holzstäbchen
Ertl 1994, S. 373; NIyR 6,1, S. 79. Knirk 1998, S. 486. Vgl dazu Schwab 1998, S. 380. Knirk 1998, S. 482. Knirk 1998, S. 481; vgl. Gjerlow 1955, S. 91, v. 132! Knirk 1998, S. 477. Knirk 1998, S. 478.
Rudolf Simek
596 messias (griech. Μεσσίας)
der Gesalbte
B 619 Bergen Bryggen Holzamulett N 216 Tonstad Holzplanke N 348 Borgund Holzamulett
o alpha christus (griech. λφα χριστς)
O Alpha, Christus!
N 634 Bergen Bryggen Holzamulett
pantaseron73?
Name eines Erzengels (= Raziel)?
A 284 Florida Bleiamulett
pantocrator (griech. παντοκράτωρ)
Allherscher
A 284 Florida Bleiamulett N 641 Bergen Bryggen Holzstäbchen Herjolfsnes / Grönland Holzkreuz
parakletus (griech. παράκλητος)
Tröster = Hl. Geist
B 619 Bergen Bryggen Holzamulett
Sabaoth (hebr.) (griech. Σαβαώ)
Gottesname (Heerscharen)
B 619 Bergen Bryggen Holzamulett
soter (griech. σωτήρ)
Erlöser
A 122 Kaupanger Bleiamulett B 619 Bergen Bryggen Holzamulett N 348 Borgund Holzamulett
tetragrammaton (griech. τετραγράμματον)
Name Gottes in 4 A 1 Ål Stabkirche Bleistreifen74 Buchstaben = A 5 Borgund Bleiamulett JHWH A 32 Oslo Holzstäbchen A 362 Sande Bleikreuz N 248 Madla Bleikreuz N 216 Tonstad Holzplanke Herjolfsnes / Grönland Holzkreuz
4. Vermittlungswege griechischer Texte und Lexeme in den Norden Die Tatsache, dass sich in den runischen Amuletttexten des Frühmittelalters keinerlei komplette Texte finden, sondern ausschließlich einzelne Wörter bzw. Namen, könnte den Schluss nahelegen, dass die in Westeuropa verbreiteten bilingualen Glossare in (meist) liturgischen Handschriften die 73 74
Knirk hält Pantaseron allerdings für eine Verballhornung von Pantocrator, was keineswegs auszuschließen ist: Knirk 1998, S. 505. Ertl 1994, S. 364 f.
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Quelle der Information für die Hersteller von runischen Amuletten mit griechischen Wörtern gewesen sind. Solche Sammlungen griechischer Einzelwörter und ihrer lateinischen Übertragungen finden sich seit frühottonischer Zeit, Beispiele aus St. Gallen zeigen, dass sie mitunter sogar mit 3 Spalten für griechische Wörter in griechischer Schrift, griechische Wörter in lateinischer Transkription und schließlich die lateinische Übersetzung angelegt wurden.75 Schon bei Eucherius von Lyon (gest. 449) findet sich in seinem didaktischen Werk Instructiones ad Salonium II, XV ein ganzes Kapitel über Gräzismen unter dem Titel De Graecis nominibus,76 in dem sich u. a. auch griechische Gottesnamen mit lateinischen Erklärungen finden: „Homooeusion, similis substantiae. Christus, unctus. Paracletus, consolator, sive advocatus. Hagios, sanctus. Angelus, nuntius.“ u. s. f. Dieses Genre der sammelnden Sprachforschung blieb das ganze Mittelalter hindurch aktiv, wie das runde Dutzend solcher Glossare in St. Galler Handschriften belegt77 und führte selbst noch um 1200 zur Erweiterung des Grecismus des Eberhard von Béthune um ein Kapitel (VIII: De nominibus exortis a Graeco), das in 339 holprigen Versen vor allem alphabetisch gereihte Komposita behandelt, die zerlegt und separat „etymologisiert“ werden. Das Werk zeugt aber trotz der Banalität der gebotenen Information von der Antiken- und Mythologierezeption der Renaissance des 12. Jahrhunderts, sodass numehr nicht mehr griechische Gottesnamen, sondern viel eher Antik-Mythologisches im Zentrum steht.78 Allerdings lassen sich trotz wiederholten Vorkommens der Begriffe Hagios, (H)eli u.ä. sowie vereinzelter Gottesnamen in den frühmittelalterlichen Glossaren und Sammlungen keine Handschriften finden, die das gesamte vor allem auf ausführlicheren skandinavischen Runenamuletten wie Borgund zu findende griechische Wortmaterial enthalten würden, während umgekehrt die meisten der in den Glossaren ebenfalls zu findenden liturgischen Fachausdrücke ebenfalls keine Spuren in den Runeninschriften hinterlassen haben. Schon vor über 50 Jahren hat daher L. Gjerløw die Vermutung geäußert, dass ganz bestimmte kirchliche Hymnen und Sequenzen die Quelle des Wortmaterials auf Runeninschriften gewesen sein könnten, und sie edierte dazu einen Hymnus Deus pater piissime,79 welchen sie damals in acht 75 76 77 78 79
St. Gallen, Stiftsbibliothek Ms 270, S. 57: vgl. Kaczynski 1975, S. 281. PL 50, S. 821 f. Kaczynski 1975, Anhang, S. 280–289. Weiter Berschin 1980, S. 43–51. Ediert durch Wrobel 1987. Gjerløw 1954 [1955].
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Handschriften in ganz Europa nachweisen konnte und von dem sie vermutete, dass es wegen der Beziehungen zu den auf den auf Madla und Bru Bleikreuzen zu findenden Texten auch in der mittelalterlichen Dombibliothek in Stavanger zu finden gewesen sein müsste. Da derartige Hymnen in Westeuropa im Mittelalter weit verbreitet waren, ist Letzteres keineswegs zwingend anzunehmen, aber durchaus möglich. Inzwischen ist zu diesen Kreuzen noch ein Bleikreuz aus Sande in Rogaland gekommen, dass eine dem Madla-Kreuz eng verwandte Inschrift aufweist. Beide haben in der Tat die seltene Formulierung „quattuor gramis in pectalon“ (v. 167),80 sodass der Hymnus für diese beiden Kreuze als wahrscheinlichste Quelle gelten kann. Auch enthält Deus pater piissime zahlreiche Graeca, wovon ich nur für die griechischen Namen und Begriffe relevante Verse hier herausgreifen möchte:81 v. 36 v. 40 v. 51 v. 52 v. 53 v. 71 v. 73 v. 75 v. 81 v. 98 v. 110 v. 132 v. 167 v. 195
Clemens creator heloy tu teuh homo nogenu o heloe theophagos deus timoris kyrrios anastasis athanatos Deus excelsus helyon emmanuel pantacrathon pastorque homousion per tuuum nomen arethon tu es deus alpha et o, adonay mirabilis Hely, hely, rex tibi est quatuor gramis in pectalon ab utroque paraclitum
Dabei zeigt sich, dass dieser Hymnus tatsächlich eine ganze Reihe der in den runischen Texten zu findenden griechischen Ausdrücke enthält, wenn auch nicht alle. Gjerløw, Düwel und andere haben daher schon früher darauf hingewiesen,82 dass auch die im Frühmittelalter weitverbreitete Sequenzdichtung Alma chorus domini als Quelle in Betracht zu ziehen ist, weil sie für die griechischen (und hebräischen, aber immer zu den griechischen gestellten)
80 81 82
Gjerløw 1954, S. 91. Aus Gjerløw 1954, S. 89–93. Gjerløw 1954; Düwel 2008, S. 168.
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Gottesnamen die selbe Reihenfolge aufweist wie einige der runischen Texte: Alma chorus domini nunc pangat nomina summi Messias sother emanuel sabaoth adonay. Est unigenitus vi a vita manus homousyon. Principium primogenitus sapiencia.
Aber auch diese Sequenz kann allein kaum für alle in den Runenamuletten zu findenen Graeca verantwortlich gemacht werden, was m. E. auch gar nicht sinnvoll ist, da neben Hymnen und Sequenzen auch die liturgischen Texte (mit den Resten des Griechischen im Lateinischen Ordinarium, s. o.) und weitere Texte als Quelle in Frage kommen. In den oben genannten sechs Teilen des Ordinariums, in denen bis zum Frühmittelalter das Griechische wenigstens an einigen Orten überlebte, sind allerdings die griechischen Gottesnamen und Begriffe, die sich auf Runenamuletten so großer Beliebtheit erfreuen, nicht vollständig erhalten, sodass diese Quelle weitgehend nebensächlich bleibt. Relevanter scheinen kirchliche Benediktionen gewesen zu sein, welche im Gegensatz zu den Texten des Ordinariums nicht festgelegt waren und daher für Veränderungen und Erweiterungen offen standen. Sie bildeten nicht zuletzt auch die Grundlage für den christlich-magischen Amulettgebrauch und wurden ihrerseits durch diesen beeinflusst. Einige dieser Benediktionen weisen in der Folge dann ebenso Zauberformeln auf wie die skandinavischen Runenamulette, etwa die Formel Sator arepo tenet opera rotas, aber eben auch griechische Wörter und Gottesnamen: Tetragrammaton. Alleluia. Sator arepo tenet opera rotas [...] Sator arepo tenet opera rotas. † Crux est uerum signum. † Crux est reparacio † per hoc signum crucis fuge demon † Regia nosaan et gyran. Ayos otheos iskyros, Christe, domine deus. Per ista sancta nomina dei adiuro uos, demones et omnes tempestates ac incantatores, ut sic deficiatis, sicut deficit fumen. † Sator arepo tenet opera rotas. † Undenam cecro, alpha et o sit nobis salus, defensio atque protectio. Amen. (Aus der Hs München, Staatsbibliothek, Clm 21.004)83
Wie aus gerade dieser deutlich längeren Beschwörung hervorgeht, geht es bei der Beschwörung um eine christlich-magische Formel zur Abwehr von Wetterdämonen. Etliche derartige dämonenabwehrende Beschwörungen sind nach Handschriften aus dem deutschen Sprachgebiet gedruckt,84 und sie zeigen wie die skandinavischen Runenamulette eine Tendenz zur Akkumulation von griechischen Gottesnamen, wobei im Formelinventar nur
83 84
Gedruckt bei Franz 1909, Bd. 2, S. 94 f. Etliche Beispiele sind bei Franz 1909, Bd. 2, S. 74–104, ediert.
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recht geringe Unterschiede zwischen der Abwehr von Wetterdämonen85 und Fieberdämonen86 bestehen, die in spezifischeren Anreden daher deutlich konkretisiert werden mussten. Ein weiteres Beispiel sei hier noch angeführt, um den Umfang solcher „Sammlungen heiliger Wörter“ zu zeigen: Coniuro vos febres per deum patrem omnipotentem et per omnia [nomina] sua. Eloy, Evangelista, Sabaoth, Ely, Adonay, Tetragramaton, Immutabilis, Eternus, Christus, Messias, Soter, Emmanuel, Dominus, Unigenitus, Alpha et O, principium et finis, [ver]bu[m], Stella / fulgens, Lux, Sol, Oriens, Fons, Mercator, Letitia, Sponsus, Zelos, Phebos, Karos, Fons, Agazas, On, Bonus, Incorporeus, Perfectus, Creator, Fixus, Homo husyon, Veritas, Vita, Ymago, Forma, Agitus, Immaculatus, Altissimus, Admirabilis, Figura, Virtus, Sapientia, Pax, Pacientia, Humilitas, Splendor, Agyos, Kyrr[i]os, per omnia nomia sua adiuro vos febres, 87 et non habeatis potestam super hunc famulum dei .N.
Aber nicht nur kontinentale, sondern auch insulare Handschriften bewahren derartige Listen von Gottesnamen: + MESSIAS + SOTHER + EMANUEL + SABAOTH + ADONAY + OTHEOS + PANTON + CRATON + ET YSUS + KYROS + MEDIATOR + SALVATOR + ALPHA ET O + PRIMOGENITUS + VITA + UERITAS + SAPIENCIA + VIRTUS + EGO SUM QUI SUM + AGNUS + OMNIS + UITULIS + SERPENS + AVIS + LEO + VERMIS + YMAGO + LUX + SPLENDOR + PANIS + FLOS + MISERCORS + CREATOR + ETERNUS + REDEMPTOR + TRINITAS + VNITAS + AMEN + ADHONAY + FLOS + SABAOTH + LEO + LOTH + TAU +88
Es ist daher davon auszugehen, dass lateinische Handschriften, aus denen man Benediktionen, Segen und Beschwörungen gewinnen konnte, und zwar nicht nur, aber auch für den Amulettgebrauch,89 im Mittelalter auch in Skandinavien verbreitet waren. Anders als in England oder auf dem Kontinent sind die lateinischen Handschriften jedoch heute hier nur mehr in sehr beschränkter Zahl greifbar, aber die Verbreitung derartiger handschriftlicher Benediktionen im Mittelalter war so groß, dass die Kenntnis eines reichhaltigen Formelinventars auch hier auf jeden Fall angenommen werden kann. 85
86 87 88 89
„coniuro te, demon, [...] ut redeas ad locum desertum, ubi nullus labor est nec ullus hominum inhabitet; per deum uiuum [...] qui te creauit de aqua, tu in aquam reuertere“ (Franz 1909, Bd. 2, S. 95). „Adiuro uos, frigores et febres [...] ut redeatis de famulo isto N. et de corpusculo eius [...]” (Franz 1909, Bd. 2, S. 481). Nach Schmid 1904, S. 207 f, mit einigen Korrekturen. Nach der Hs BL Sloane 2584, fol. 45v, gedruckt bei Olsan 1992, S. 128. „Jeder Zauberspruch ist ein hypothetisches Amulett“: Schwab 1995, S. 293.
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Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Graeca der Runeninschriften aus Hymnen, Sequenzen, liturgischen Texten (wie beim Kyrie eleison anzunehmen), aber schließlich auch aus dem weiten Bereich kirchlicher Benediktionen stammen können, wahrscheinlich sogar aus allen diesen Bereichen. Bei der so reichen lateinischen Literatur des Mittelalters ist jedenfalls der Vermittlungsweg sicher nicht, wie noch von Gjerløw angenommen, auf eine ganz bestimmte Handschrift einzuengen. Diese Vermittlung über die unterschiedlichsten Genres kirchlicher Literatur scheint jedoch im Widerspruch zu den früher vorwiegend angenommenen Transferwegen über den Osten direkt oder indirekt aus Byzanz zu stehen.90 Allerdings lassen sich trotz der offensichtlich intensiven Kontakte zwischen Skandinavien und Byzanz während des späten 10. und des 11. Jahrhunderts aus Sicht der griechischen Sprachreste in Runeninschriften keine direkten Einflüsse etwa des byzantinischen Amulettgebrauchs ausmachen, was ja eigentlich zu erwarten gewesen wäre; insofern bleibt „das Enigma des östlichen Weges“91 weiterhin bestehen. Zwar kommen einige der in byzantinischen Epoden auf Phylakterien verwendeten Wörter auch auf skandinavischen Amuletten vor, besonders die Namen Gottes wie Sabaoth, Hagios, Kyrios, Adonai;92 die Form und Formeln der betreffenden Amulette haben jedoch mit den skandinavischen nichts gemein, weil die auf den byzantinischen Phylakterien zu findende typische Ikonographie der „Hystera“ und der Schlangen auf diesen überhaupt nicht nachzuweisen ist (vgl. Abb. 2).93 Zudem bleibt die Übereinstimmung einzelner Gottesnamen auf solche skandinavische Belege beschränkt, auf denen ihre Herkunft sich ebenso leicht und plausibler aus westeuropäischen liturgischen Formeln herleiten lässt. Signifikanter sind die byzantinischen Formeln und Wörter des Amulettgebrauchs, die sich eben nicht in den Runeninschriften wiederfinden: Τρισάγιος, ΑΒΡΑXΑΣ, oder die formelhafte Anrufung Salomons.94 Allerdings wäre der reiche Schatz byzantinischer Zauberformeln und -wörter noch genauer zu untersuchen, wobei auch der Vorbildcharakter östlichen Amulettgebrauchs im weiteren Sinn für die skandinavische Praxis der Verwendung von Holz- und Bleiamuletten insgesamt noch eingehender zu beleuchten wäre. 90 91 92
93 94
Raasted 1960. Mundt 1993, S. 252. Vgl. dazu auch Maltomini 1982, der ein frühbyzantinisches Papyrusamulett mit einer Parallele zum mittelalterlichen sog. Jordansegen nachweisen konnte, welches u. a. auch die Gottesnamen Hagios, Sabaoth, Theos, Adonai (und Aoth?) enthält. Vgl. zu Text und Ikonographie Spier 1993. Vakaloudi 1998, S. 224 f.; Vakaloudi 2000.
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Abb. 1: Runisches Bleiamulett von Odense.
Abb. 2: Byzantinisches Bronzeamulett (Oxford, Ashmolean Collection).95
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 607–645 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Induktive, intuitive und inspirierte Mantik in klassischen und altnordischen Quellen der germanischen Religion von JIŘÍ STARÝ
Terminologisches1 Die Klassifikation der Mantik ist ein äußerst verwickeltes Problem. Es beruht teilweise darauf, dass verschiedene alte Kulturen komplizierte terminologische Systeme der Mantik entwickelt haben, die wieder in die einzelnen philologischen Disziplinen eingeflossen sind, teilweise darauf, dass die moderne Religionswissenschaft nie eine einheitliche Terminologie der Mantik herausgebildet hat, und dass sich die vereinzelten Versuche in dieser Richtung nie durchzusetzen vermochten. Es gibt trotzdem eine Teilklassifikation, die wir in den meisten alten Kulturen finden und die auch von der modernen Religionswissenschaft anerkannt wurde. Es ist die Unterscheidung in induktive und inspirierte Mantik. Dieser Kontrast findet sich zum ersten Mal in Platons Phaidros (244 c– d). Platon unterscheidet zwei Haupttypen des Mantikers. Einen von Göttern ‘Inspirierten’ () oder ‘Verstandlosen’ (), der ‘im Wahnsinn’ () prophezeit und einen ‘Vernünftigen’ (), der ‘bei Verstande’ () Vorzeichen deutet. Hieraus entspringen die zwei Arten der Divination, die technische ‘Zeichendeutung’ ( ) und die inspirierte Mantik ( ).2
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Der vorliegende Artikel ist eine gekürzte Version des Vortrags, der unter dem Titel „Věštba a proroctví u starých Germánů“ (‘Weissagung und Prophetie im germanischen Altertum’) am 3.11.2005 an der Karls-Universität Prag gehalten und im Sammelband Věštění a prorokování v archaických kulturách (‘Weissagen und Prophezeien in archaischen Kulturen’) publiziert wurde (Prag: Herrmann a synové, 2006, S. 163–189). Professor Wilhelm Heizmann bin ich für Rat und Hilfe bei Übersetzung und Revidierung des Artikels zu tiefstem Dank verpflichtet. Übersetzt (wie auch andere Platostellen) von Fr. Schleiermacher.
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Cicero, der der Divination eine selbstständige Schrift De divinatione gewidmet hat, schließt sich dieser Klassifikation völlig an. Er unterscheidet (I,18,34) zwischen der Divination ‘die sich einer Kunstlehre bedient’ (quod particeps esse artis) und der ‘die ohne Kunst verfährt’ (quod arte careret). Die ‘Kunst’ (ars) zu Weissagen beruht auf dem durch lange Erfahrung und Übung (z. B. bei Losen) spezialisiertem Wissen, das seine Anwendung findet, wenn man die beobachteten und aufgezeichneten Vorzeichen (observatis ac notatis signis) deutet. Die „kunstlose“ Divination sagt dagegen die Zukunft ‘nicht methodisch oder mittels Deutungen’ (non ratione aut coniectura) voraus,3 sie ahnt sie eher ‘in einer gewissen Aufwallung des Geistes’ (concitatione quadam animi), ‘in einem Zustand, wie er Träumenden’ und ‘in Raserei prophezeihenden’ häufig zuteil wird (quod somniantibus / vaticinantibus per furorem saepe contingit). Die Prophetie geschieht ‘aufgrund göttlicher Eingebung und göttlichen Anhauchs’ (instinctu divino adflatuque). Im Folgenden werden wir unter inspirierter Mantik die Art des Findens des Verborgenen verstehen, die auf einem unmittelbaren Kontakt mit der numinosen Realität beruht (d. h. mit einem Gott oder einem anderen numinosen Wesen), unter induktiver dagegen eine Mantik, die ausschließlich auf einer Technik der Deutung der Vorzeichen gegründet ist. Für diese zwei Typen benutzen wir gelegentlich auch die Termini Prophetie bzw. Weissagung. Der dritte Typus der Divination, die intuitive Mantik, bildet sozusagen einen Kompromiss zwischen beiden: Das Wissen vom Verborgenen kommt zwar nicht direkt vom Numinosen her, es ist aber trotzdem als eine Folge der Inspiration anzusehen. Die Ausdrücke Mantik und Divination benutzen wir für den Gesamtkomplex des Suchens nach dem Verborgenen.4 Unser Vorhaben ist, die Quellen der germanischen Religion zu untersuchen, um herauszufinden, ob sich dieser Gegensatz auch dort geltend macht. Diese Quellen zerfallen in zwei Hauptgruppen: Nachrichten der griechischen und der römischen Autoren und altnordische Quellen.
3 4
Übersetzung (wie in anderen Zitaten aus Cicero) von Chr. Schäublin. Auch Dillmann teilt die altnordische Divination in la divination passif (die mit le prophétisme und la voyance identisch zu sein scheint), la divination active inspirée und la divination inductive, obwohl er diese Kategorien nicht ganz identisch benutzt (2006, S. 37, 46). Dillmanns aufschlussreiche Behandlung der altnordischen Mantik (2006, S. 29–51) war mir vor der Fertigstellung des Artikels leider nicht zugänglich. Auch detaillierte Stellungnahme zu Dillmanns – zum Teil stark abweichenden – Ergebnissen ist aus räumlichen Gründen nicht möglich.
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1. Die klassischen Quellen 1.1. Prophetie Den antiken Quellen nach zu urteilen, muss die Prophetie bei den alten Germanen ein sehr verbreitetes Phänomen gewesen sein. Aus den Büchern der klassischen Autoren kennen wir mehrere germanische Prophetinnen, deren Ruhm über die Grenzen des germanischen Gebiets weit hinausreichte. Die Namen einer Ganna, Veleda oder Aurinia5 waren den Römern bekannt, gelegentlich werden auch namenlose Prophetinnen erwähnt. Plutarch und Clemens von Alexandrien nennen sie ‘heilige Frauen’ ( )6 und ein Ostrakon aus der Insel Elephantina in der Nähe von Assuan beweist, dass dort einer gewissen ‘Waluborg, semnonischen Seherin’ (υβοργ Σή[μ]νονι σίβυλλ) Sold von einem römischen Beamten bezahlt wurde.7 Die Klienten der germanischen Seherinnen konnten unter Umständen den höheren römischen Kreisen angehören. Es wird überliefert, dass der junge Kaiser Vitellius eine Prophetin aus dem Stamm der Chatten bei sich hielt, deren Sprüche er ‘wie ein Orakulum schätzte’, und auf deren Empfehlung er seiner kranken Mutter den Speisegenuss verweigerte.8 Der hohe Status, der den germanischen Prophetinnen bei den Römern gelegentlich zugesprochen war, entsprach durchaus der Ehre, der sie sich in ihrem Land erfreuten. Obwohl auch einfache matres familiae als Prophetinnen (und sogar bei öffentlichen Gelegenheiten) dienen konnten,9 hatten die wichtigeren Prophetinnen in der gesellschaftlichen Hierarchie oft einen höheren Rang gehabt. Sie sind auch in dem Königsgefolge zu finden, wie z. B. die Semnonin Ganna, die im Jahr 92 mit dem König Masyus nach Rom kam, wo sie vom Kaiser Domitian mit Würde empfangen wurde.10 Es gab aber 5
6 7 8 9 10
So nach den Handschriften des taciteischen Germania (Tac., Germ. 8). Die verbreitete Konjektur Albruna benutzen wir nicht, sondern stützen uns auf die Ausführungen Anders Hultgårds (2005, S. 114). Plu., Caes. XIX; Clem. Al., Strom. I,72,3. Clemens schöpft hier aus Plutarch, dessen Beschreibung wieder auf der Autorität Caesars zu beruhen scheint (Bgal. I 50). Schubart 1917. Die Mutter starb selbstverständlich und Vitellius geriet in den Verdacht, sie ermordet zu haben. Siehe Suet., Vit. XIV,5. Caes., Bgall. I 50. Vgl. Plu, De virt.mul. 246 und Much, Germania, S. 118. D.C. LXVII 5,3; Suid. s.v. θειάζουσα. In einigen mittelalterlichen Quellen wird die prophetische Gabe sogar Personen des königlichen Standes zugesprochen, z. B. der legendären Langobardenkönigin Gambara (Paul. Diac., Hist. III; Hist. Lang. I). Bei einer Prophetin suchte nach Gregor von Tours Rat noch der fränkische Herzog Guntram Boso im Jahre 577 (Hist. Franc. V,14; Aim. III,22).
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auch selbstständige Prophetinnen, wie z. B. die berühmte Veleda, die in einem Turm im Gebiet der Brukterer lebte (Tac., Hist. IV,65). Ihr Umgang mit den Klienten wurde von einem Verwandten durchgeführt, der als ‘Mittelsperson gegenüber einer Gottheit’ (internuntius numinis) die Fragen und Antworten hin und her gebracht hat. Mit eigenen Augen sahen die Fragenden Veleda nicht (Tac., Hist. IV,65):11 [...] arcebantur adspectu, quo venerationis plus inesset [...] Man hielt sie von ihrem Anblick fern, damit man umso größere Ehrfurcht vor ihr habe.
An der Gestalt der Veleda zeigt sich klar, wie hoch eine Prophetin in der germanischen Gesellschaft um die Zeitwende stehen konnte (Tac., Hist. IV, 61): ea virgo nationis Bructerae late imperitabat [...] tuncque Veledae auctoritas adolevit; nam prosperas Germanis res et excidium legionum praedixerat. Diese, eine Jungfrau aus dem Stamm der Brukterer, übte eine weitreichende Herrschaft aus [...] Und damals (d. h. in der Zeit des Bataveraufstands) wuchs das Ansehen Veledas. Denn sie selbst hatte prophezeit, die Sache stehe für die Germanen günstig und die Legionen würden vernichtet werden.
Veleda wurde ‘von manchen für eine Gottheit gehalten’,12 sie empfing Tribute aus der Beute, einschließlich der gefangenen Legaten und Admiralsschiffe (Tac., Hist. IV,61; V,22). Sie wurde als Schiedsrichter bei politischen Verhandlungen akzeptiert (Tac., Hist. IV,65) und sogar die römische Seite scheint mit ihr zu verhandeln (Tac., Hist. V,24). Auch wenn sie eine Frau war, ihr politischer Einfluss war groß (Tac., Hist. V,25) und sie stand wahrscheinlich mindestens zum Teil hinter dem unglücklichen Aufstand des Julius Civilis (69–70 n. Chr.). Nach seiner Niederlage wurde sie nach Rom deportiert (Statius, Silv. I,4,89–92), wo sich ihre Spuren verlieren. Eine bis heute unerklärte Inschrift von einem Tempel im italienischen Ardea, die Veledas Namen enthält, scheint darauf zu deuten, dass sie dort in Haft gehalten wurde, oder als Prophetin weiter tätig war.13 Wenn wir die Gründe der Ehre suchen, die den Prophetinnen erwiesen wurde, müssen wir den Charakter der antiken Zeugnisse in Erwägung ziehen. Ihre Autoren sprechen oft von Erscheinungen, die sie aus der eigenen Kultur zum Teil überhaupt nicht gekannt haben, zum Teil nur in stark abweichender Form. Das stützt selbstverständlich die Möglichkeit, 11 12 13
Alle Zitate von Tacitus’ Historien übersetzt von W. Sontheimer. Vidimus [...] Veledam diu apud plerosque numinis loco habitam (Tac., Germ. 8). Siehe Franz 1950.
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dass sie (zum Teil sogar absichtlich) die realen Verhältnisse nicht zuverlässig überliefern, sei es durch Missverständnis, sei es durch ungenügende Kenntnisse. Die Gefahr beim Benutzen antiker Quellen steigt dabei erheblich, wenn sie nicht von Fakten, sondern von Meinungen, Vorstellungen oder Werturteilen berichten. Weil wir aber keine andere Quellen des germanischen Geisteslebens um die Zeitwende haben, gibt es keine andere Möglichkeit, als die klassischen Zeugnisse (obwohl cum grano salis) in Kauf zu nehmen.14 Mit dieser Warnung werfen wir nun einen Blick auf die taciteische Begründung des germanischen Vertrauens in Prophetie. Tacitus baut seine Ansicht auf der Tatsache, dass das germanische Prophetentum meistens eine weibliche Sache ist (Tac., Hist., IV,61): [...] vetere apud Germanos more, quo plerasque feminarum fatidicas et augescente superstitione arbitrantur deas. [Es ist] eine alte Sitte der Germanen, wonach sie viele Frauen für Prophetinnen (fatidicae) und, mit dem Wachsen des Aberglaubens, sogar für Göttinnen halten.
Dieser Ansicht steht freilich im Einklang mit den oben erwähnten Bemerkungen über Veledas Göttlichkeit und dem Ansehen, dessen sie sich erfreute. Andrerseits scheint diese Meinung gegen das zu sprechen, was Tacitus selbst anderswo sagt (Tac., Germ. 8): 15 inesse quin etiam sanctum aliquid et providum putant, nec aut consilia earum aspernantur aut responsa neglegunt [...] Auriniam et compluris alias venerati sunt, non adulatione nec tamquam facerent deas. [Germanen] glauben sogar, irgendetwas Heiliges (sanctum) und Seherisches (providum) wohne den Frauen inne (inesse), und deshalb wiesen sie weder ihre Ratschläge zurück noch übergehen sie ihre Bescheide [...] Sie haben Aurinia und mehrere Frauen verehrt, nicht aus Schmeichelei und auch nicht so, als ob sie aus ihnen Göttinnen machen wollten. 14
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Die Frage ist in der Forschung relativ oft erörtert worden, manchmal nicht ohne Übertreibung. Zu weit geht z. B. ganz gewiss Timpe, wenn er behauptet, dass die Bemerkungen über die religiöse Gebundenheit der germanischen Mantik nur ein Produkt der römischen Denkweise sei (1992, S. 440–442), weil „Opferkult und Mantik [...] für eine nüchterne ethnische Verhaltenforschung ganz gesonderte Gebiete darstellen“ (S. 441). Dann aber liegt die Schuld eher bei der „nüchternen ethnischen Verhaltenforschung.“ Denn die Verbindung der Divination und Religion ist allgemein und ihre Trennung ist in den meisten Kulturen nur in Verfallszeiten üblich (z. B. in der Spätantike und im Frühmittelalter). Timpe bringt aber kein überzeugendes Argument dafür, dass so etwas bei den Germanen zu Zeit von Tacitus stattfinden konnte. Zitate aus Tacitus’ Germania übersetzt von A. Städele.
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Dass die Germanen Frauen für Göttinnen hielten (arbitrantur deas), ohne aus ihnen Göttinnen zu machen (non facerent deas), ist aber nur ein scheinbarer Widerspruch. Wie schon Karl Müllenhoff gezeigt hat, zielt der Ausdruck ‘Göttinnen zu machen’ (deas facere) auf den römischen Staatskult, in dem schon zu Zeiten des Tacitus die Vergöttlichung von Frauen keine Ausnahme war.16 Tacitus’ Gedankengang scheint zu sein, dass die germanischen Prophetinnen nicht „Göttinnen“ im Sinne der vergöttlichten Kaiser und ihrer Verwandten seien, sondern Objekte spontaner Verehrung des Volkes, die nicht in einem organisierten Kult wurzelt, sondern in einer ummittelbaren Anschauung des sanctum und providum, die der Person der Prophetin innewohnt. 1.2 Weissagung Ähnlich wie Prophetie, stand auch die Weissagung bei den Germanen im hohen Ansehen. Tacitus bemerkt (Tac., Germ. 10), dass die Germanen:17 Auspicia sortesque ut qui maxime observant. Vorzeichen und Losen beachten wie kein zweites Volk.
Antike Autoren beschreiben uns eine ganze Reihe der Weissagung dienender mantischer Techniken, von relativ üblichen, wie Ornithomantie, Kleromantie oder der Weissagung aus Blut und Eingeweiden ausgehend, bis zu weniger bekannten, wie Weissagung aus dem Gang und Schnaufen der heiligen Pferde, aus dem Ergebnis des Ringkampfes, aus ‘Wirbel der Flüsse und Strömung oder Strudel der Bäche’ wie auch die Weissagung des Kampfergebnisses aus dem Klang eines Gesangs (barditus), den die Soldaten vor der Schlacht in ihre Schilde singen.18 Diese Beschreibungen vermitteln gelegentlich auch einige Kombinationen der mantischen Metho16 17
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Müllenhoff 1920, Bd. 4, S. 212. Vgl. Much 1937, S. 120; Höfler 1952, S. 61–62; Helm 1913–53, Bd. 1, S. 286. Einige Forscher (z. B. Derolez 1968, S. 282–283; Jente 1921, § 141) vermuten, dass die taciteanischen sors und auspicia nicht konkrete mantische Methoden (Losen, Vogelorakel), sondern die Mustertypen der aktiven und passiven Mantik darstellen. Aktive Mantik versucht die erzielten Zeichen, lat. auspicia impetrativa, absichtlich hervorzurufen (z. B. beim Losen), die passive dagegen versucht die ohne menschliche Bemühung kommenden Ereignisse (auspicia oblativa, z. B. den Blitzschlag) zu interpretieren. Zur Ornithomantie siehe Tac., Germ. 10; Josephus, AJ XVIII,6,7; XIX,8,2; Proc., Bg. IV,20; Paul. Diac., Hist VI,55; zur Kleromantie Tac., Germ. 10; zur Haimatomantie und Haruspizien Str. VII,2,3; zur Hippomantie und Ringkampf Tac., Germ. 10; zur Hydromantie Plu., Caes. XIX, Clem. Al., Strom. I,72,3; zum barditus Tac., Germ. 3.
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den, z. B. Bestätigung des Losens durch die Ornithomantie usw. (Tac., Germ. 10).19 Insgesamt können wir aufgrund der antiken Beschreibungen drei charakteristische Merkmale feststellen, wodurch sich induktive Mantik, also die auf der Zeichendeutung begründete Weissagung, von Prophetie unterscheidet. Zunächst ist es die Person der Weissagenden. Professionelle Weissager erwähnen die Quellen nur selten;20 meistens weissagen die Priester (sacerdotes), Könige und andere Häuptlinge (reges, principes), in Privatsachen die Familienväter (patres familiae). Im Gegensatz zur Prophetie sind die Medien der Weissagung fast ausschließlich Männer, die einzige Ausnahme stellen die Priesterinnen dar.21 Die Weissagung ist mit einer Position im System des organisierten Kultes (Priester), mit Stellung in der gesellschaftlichen Hierarchie (Häuptlinge) oder in der Familie (Väter) verbunden. Von den Weissagern, die ihren Rang ihrer mantischen Gabe oder gar Verehrung des Volkes verdanken würden, erfahren wir nichts. Auch die Tatsache, dass die antiken Quellen keinen einzigen Namen eines Weissagers erwähnen, scheint dafür zu sprechen, dass im Prozess der Weissagung die Persönlichkeit des Weissagenden keine Rolle spielte. Wichtig war seine gesellschaftliche Stellung und die Technik, mit derer Hilfe er zum gewünschten Orakel kam.22 Die Verwendung der mantischen Methode stellt dabei das zweite Merkmal dar, wodurch sich die induktive Mantik von der Prophetie unterscheidet. Kurze oder längere Beschreibungen der Techniken bilden nämlich einen festen Bestandteil antiker Berichte über die germanische Weissagung. 19
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Siehe die Aufzählung bei Gehl 1939, S. 47–55. Solche Bestätigung und manchmal auch die daraus entstehende Hierarchie der mantischen Methoden ist eine in vielen Kulturen beobachtete Erscheinung. Bekannt ist der Fall Syriens, wo die induktive Mantik so hohe Glaubwürdigkeit hatte, dass sie zur Überprüfung der durch inspirierte Mantik gewonnenen Schlüsse benutzt wurde (siehe Pardee 2001). Insoweit mir bekannt, führt nur Agathias germanische μάντεις (II 6, 7) und χρησμόλογοι (II 6, 9) an. Siehe z. B. „weissagende Priesterinnen“ (προμάντεις έρειαι) der Kimbern bei Strabo (VII,2,3). Vereinzelte Ausnahme bilden die matres familiae bei Caesar (Bgall. I,50), die nicht nur Prophetie (vaticinatio), sondern auch Lose (sortes) mustern. Man muss fragen, ob hier sors nicht in einer anderen Bedeutung benutzt wird, z. B. „Orakelspruch“ (siehe Georges 1962, s.v. sors II 1). Die typologisch entsprechenden Belege (eine Weissagung hinsichtlich der besten Zeit für Kampf) sprechen nur von weissagenden Männern (z. B. Agath. II,6,7). Altnordische Belege (z. B. HákH, S. 423) erwähnen zwar in analogischen Situationen auch Frauen, bezeichnen dann aber die verwendete mantische Technik als eine prophetische (útiseta). Ernst Troeltsch würde den Kontrast als ein typisches Beispiel der Dichotomie des „persönlichen Charismas“ und des „Charismas des Amtes“ nennen.
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Mit den Nachrichten von der Prophetie steht es anders: Keine einzige mantische Methode einer germanischen Prophetin ist je erwähnt.23 Das kann selbstverständlich seinen Ursprung im Unwissen haben, die oben zitierten Bemerkungen des Tacitus aber legen eine andere Lösung nahe: Prophetie ist ein spontaner Ausdruck des Prophetischen (providum) und des Heiligen (sanctum), das die Prophetinnen in sich tragen. So trägt das altgermanische Prophetentum der klassischen Quellen einen Stempel der ausgesprochen intuitiven Mantik. Sicher stehen auch die Weissager im Kontakt mit dem Numinosen, wofür fast alle Berichte Zeugnis abgeben: Der Priester, der die Kleromantie ausübt, hebt die Lose aus dem weißen Tuch ‘zum Himmel schauend’ (caelum suspiciens), ‘nachdem er die Götter angebetet hat’ (precatus deos; Tac., Germ. 10).24 Haimatomantie und Haruspizien betreffen nur die Opfer (Str. VII,2,3), und zur Hippomantie dienen die weißen, von der Arbeit unbefleckten Pferde, die in Heiligtümern auf öffentliche Kosten gefüttert werden, die ‘Vertrauten der Götter’ (conscii deorum), wie sie Tacitus ausdrücklich nennt (Tac., Germ. 10).25 Das Heilige, zu dem die Weissager in Beziehung geraten, ist aber konkretisiert in klar umrissenen Gestalten der Götter – das sanctum der Prophetinnen ist dagegen ein kaum begreifliches Charisma, das in den Tiefen des Menschen ruht.26 Und im Kontrast zur mantischen Technik, die offensichtlich jedem Priester oder Häuptling dienen kann, ist der prophetische Geist (zumindest in seiner höheren Form, die den berühmten Prophetinnen eigen war) eine höchst individuelle Begabung vereinzelter Individuen. Wie weit die Ehrfurcht vor diesem individuellen sanctum geht, zeigt auch ein anderes Merkmal, das bei den Prophetinnen zum Vorschein kommt: Ihre Mythisierung. Dio Cassius (LV,1,3–4) und Suetonius (Claud. I) erzählen, dass sich gegen Drusus den Älteren, als er im Jahre 9 v. Chr. die Elbe überschreiten und ins Herz des germanischen Gebiets dringen 23
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Abgesehen von ihrer selten berichteten Jungfräulichkeit – siehe z. B. Γάννα παρθένος (D.C. LXVII,5,3) und Veleda [...] virgo (Tac., Hist. IV,61) – und freiwilliger Einsamkeit (Veleda), finden wir auch keine Nachrichten über eine besondere Lebensweise. Auf die Verwendung gebetsartiger Sprüche beim Weissagen kann auch eine Stelle Ammians hinweisen. Er bemerkt nämlich, dass Germanen cum incantamentis quibusdam secretis weissagen (XXXI,2,24). Auch Ammian verbindet germanische Auspizien und auctoritas sacrorum (XIV, 10,9). Die sacra sind hier wahrscheinlich als Rituale, Handlungen oder Kultgeräte zu verstehen. Die Ansicht der älteren Forschung, dass die eigentlichen Geber der Orakel die Toten waren (siehe z. B. Mogk 1894, S. 85–86), hängt von den damaligen manistischen Theorien ab und ist heute kaum zu halten.
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wollte, eine ‘Frauenerscheinung übermenschlicher Größe’ erhob,27 die ihn warnte, seinen Übermut nicht weiter zu treiben und die ihre Rede mit einer dunklen Prophezeiung schloss (D.C. LV,1,3–4): 28 πάντα σοι τατα ἰδεν πέπρωται. λλ ’ πιθι· καὶ γάρ σοι καὶ τν ργων καὶ το βίου τελευτ δη πάρεστι.
Es ist dir nicht bestimmt, die Dinge, die sich hier finden, zu sehen. Fort von hier, das Ende deiner Taten und deines Lebens ist nah.
Dio Cassius bemerkt, dass sich diese ‘Götterstimme’ (φων παρ το δαιμονίου) als wahr erwiesen hat und Drusus während des Ruckzugs einer unbekannten Krankheit erlag. Das ist nun evident unhistorisch, weil Drusus (nach Livius, Per. CXLII) an eine Wunde starb, die er sich beim Sturz von seinem Kriegspferd zugezogen hatte.29 Die ganze Erscheinungsgeschichte ist keine Historie, sondern ein Mythos, der beweist, dass die Trägerinnen der prophetischen Gabe hoch über der menschlichen Ebene standen. Und es ist wiederum typisch, dass den Weissagern solche Züge fern liegen: obwohl der Weissagende in Kontakt mit den Göttern tritt, bleibt er dennoch nur ein Mensch. Die mantische Technik, die ihm dabei hilft, zeigt klar die Kluft, die ihn von dem Göttlichen trennt. Eine so auseinandergehende Bewertung der Prophetie und Weissagung darf uns nicht überraschen: Sie findet sich in vielen anderen Kulturen. Schon Platon äußert sehr klar seine Meinung, dass die Prophetie viel älter, heiliger und ehrenvoller ist und ‘dem Namen nach und der Sache nach’ viel höher steht als die Zeichenkunde, die eigentlich nur eine Entstellung der wirklichen Mantik darstellt, und erst zu den Zeiten erschien, als die göttliche Inspiration zu verfallen begann: „Ist auch nach dem Zeugnis der Alten ein göttlicher Wahnsinn edler als eine bloß menschliche Verständigkeit“ (Phdr. 244d,4–5). Nach Platons Meinung sind auch senso strictu nur die Inspirierten als Mantiker zu bezeichnen, wie es die angebliche Etymologie der μαντική (‘Mantik’) von μανία (‘Wahnsinn’) nachweisen sollte. Ein ähnliches Beispiel stellt auch die alttestamentliche Stufe der jüdischen Religion dar, wo der Prophet, ‘der Mann Gottes’ ('îš hā'elōhîm), der im der Geist Gottes spricht und direkt mit Gott verkehrt, den Weissagern gegenübersteht, die verachtete und oft verbotene induktive Techniken benutzen (vgl. Dt 18,10–11). 27 28 29
γυν γάρ τις μείζων κατ νθρώπου φύσιν, species barbarae mulieris humana amplior. Meine Übersetzung. Strabo führt die Erscheinung und Prophezeiung bei seiner Beschreibung des Todes des Drusus auch nicht an (VII,1,3).
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Der Rationalist Cicero kritisiert dagegen scharf die Träume und andere Arten der inspirierten Mantik als einen falschen Aberglauben, der in einem wohlgeordneten Staat keinen Platz haben soll. Die ‘augurische Wissenschaft’ (augurandi scientia) sollte jedoch als ein ehrwürdiger Väterbrauch weiter praktiziert werden (De div. II,70–75; De rep. II,20–22; II,31–32).
2. Weissagung und Prophetie in den altnordischen Quellen Auch den Skandinaviern der Wikingerzeit und des Mittelalters war Weissagung und Prophetie nicht fremd. Die altnordische Weissagungsterminologie zeigt Verwandtschaft mit den Sprachresten anderer germanischer Dialekte, was uns vermuten lässt, dass sie gemeingermanischen Ursprungs ist. Das ist nicht der Fall bei der Terminologie der Prophetie; auch sie ist aber zweifellos älter als die Vikingerzeit. Das Wort ‘Prophezeiung’ (spá) ist schon für die Vendelzeit bezeugt,30 und die Abbildungen von Frauen mit zeremoniellem Stab, prächtiger Haartracht und reicher Kleidung, die wahrscheinlich Seherinnen darstellen, können vielleicht bis ins 6. Jh. datiert werden.31 Die wichtige Rolle der Weissagung und Prophetie zeigt schon die Mannigfaltigkeit der Formen, in die sich beide entfalten. 2.1 Prophetie Wenn wir die mythischen und heroischen Quellen des Nordens überschauen, scheinen sie eine ungebrochene Kontinuität der Prophezeiung vom Altertum bis zur Wikingerzeit zu illustrieren. Prophezeien ist eine ehrenvolle Tätigkeit von hoher Glaubwürdigkeit, und die Orakel gehen 30 31
Siehe DR 360. Die Abbildung auf Guldgubber („as early as 6th century“) siehe bei Simpson (1969, S. 190–191). Dieselbe Abbildung findet man auch bei Simek (2002, Plate 22 d), der aber in dem von der abgebildeten Frau gehaltenen Instrument kein Zepter, sondern ein Trinkhorn sieht und daher die ganze Abbildung anders interpretiert (2002, S. 110). Dagegen meint Alexandra Pesch, dass die Abbildungen der Seherinnen schon auf einer Gruppe der völkerwanderungszeitlichen Brakteaten (ca. 500–550) zu finden sind, wobei als Hauptidentifizierungsmittel wieder der Stab dient (2002, S. 53–54). Ich möchte an den abgebildeten Frauengestalten (Plate 1) noch ein Merkmal betonen, das diese Hypothese plausibel macht, nämlich das Sitzen. Wie Pesch betont (2002, S. 37), ist die Darstellung der sitzenden Figuren „im Brakteatenhorizont einzigartig“ (die einzige Ausnahme ist eine vermutliche Odindarstellung). Für die altgermanische Prophetie ist aber Sitzen gerade kennzeichnend, siehe unten über útiseta, hjallr, (h)leodarsazza und vgl. auch þylja þular stóli at (Háv 111,1–2).
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immer in Erfüllung. Obwohl gelegentlich auch ein Mann/Seher (spámaðr, vísendamaðr) prophezeit, treibt die Prophetie meistens eine Frau/Seherin (vǫlva, spákona, spámær, vísendakona). Das herkömmliche Zeichen der Seherinnen, der vǫlr,32 ein Stab, oder (wie die Abbildungen zeigen) eher ein geschmücktes Zepter, von dem der Titel vǫlva selbst abgeleitet ist,33 wird von den klassischen Autoren freilich nicht erwähnt. Gewisse Zeugnisse lassen uns aber vermuten, dass er schon von den altgermanischen Prophetinnen getragen wurde. Im Namen Waluborg hören wir germanisches *walus (den Vorläufer des nordischen vǫlr), im Namen Ganna späteres nordisches gandr. Gambara (< gand-bera) bezeichnet die ‘Stabträgerin’.34 Von der Bedeutung des Stabes zeugt die Tatsache, dass er den Seherinnen ins Grab mitgegeben wurde, wahrscheinlich als ein Standeszeichen.35 Christliche Gesetzbücher verbieten ihn (zusammen mit z. B. dem Altar) als einen Gegenstand, der ‘zum heidnischen Ritus gehört’ (til heiðins siðar veit).36 In den mythischen und heroischen Quellen ist Prophetie oft hoch geschätzt und wir kennen mehrere Gedichte, die als ‘Prophezeiung’ (spá) bezeichnet sind und die Prophetie zum eigentlichen Thema haben. In der heroischen Grípisspá kommt Prophezeiung von dem Titelheld Grípir: „Er herrschte über die Länder und war unter allen Menschen sehr weise und um die Zukunft wissend“ (framvíss). „Keinen Mann kenn ich auf der Erde, der mehr voraussieht als du, Gripir“, sagt ihm Sigurd, der ihn um Prophezeiung seiner Zukunft bittet.37 Das beste Zeugnis der Ehrfurcht, welche die Prophetie genoss, ist aber zweifellos die eddische Vǫluspá, ‘Die Prophezeiung der Seherin’, die in Form einer prophetischen Rede die Geschichte der Welt von den mythischen Anfängen bis zum künftigen Untergang beschreibt. Eindringlich wie32 33 34 35 36
37
Gelegentlich gandr genannt, in späteren Quellen auch seiðstafr (‘magischer Stab’). Siehe de Vries 1962, s.v. vǫlva. Schröder 1919, S. 196–200. Vgl. Helm 1918; Höfler 1951, S. 62. Hultgård 2005, S. 118. Siehe E § 24 (NGL I, 383). Ob der Stab über die gesellschaftliche Stellung der Seherinnen etwas aussagen kann, ist leider eine komplizierte Frage. Von Amiras Studie über den Stab in der germanischen Symbolik belegt dessen Gebrauch im ganzen gesellschaftlichen Spektrum, von Bettlern und Boten bis zu den Richtern und Königen (1909, S. 1–180). Die dort wiedergegebenen Abbildungen zeigen auch keine Ähnlichkeit mit den vermutlichen Abbildungen des Seherstabs. Hann réð lǫndom oc var allra manna vitrastr ok framvíss – Grp pros; Mann veit ec engi […] þann er fleira sé fram enn þú – Grp 22,1–4. Wenn nicht anders bemerkt, sind alle Eddastellen von A. Krause übersetzt und – wo notwendig – leicht modifiziert.
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derholt sich die Halbstrophe, welche die divinatorische Schau der Seherin zum Ausdruck bringt (Vsp 44,5–8; 49,5–8; 58,5–8): fiǫld veit hon frœða, fram sé ec lengra um ragna rǫc, rǫmm, sigtíva. Viel Kunde weiß sie, weiter sieht sie voraus die gewaltigen Ragnarök, der Kampfgötter.
Im selben Gedicht finden wir auch eine kurze Beschreibung der Erwerbung der mantischen Seherkraft. Die prophetische Einweihung kommt in dem Augenblick, als sich die Seherin von dem Vergangenen, dessen sie sich erinnert (muna), zu dem Zukünftigen, das sie sieht (sjá), wendet. Die Schilderung von der Begegnung der Seherin mit dem Gott ist die höchste Apotheose des altnordischen Prophetentums (Vsp 29): Valði henni Herfǫðr hringa oc men, fecc spiǫll spaclig ok spáganda, sá hón vítt ok um vítt of verold hveria. Ihr reichte Heervater Ringe und Halsschmuck, erhielt Weisheitssprüche und Seherstab: sie sah weithin über jede Welt.
Die prophetische Gabe beruht auf einem unmittelbaren Kontakt mit Odin, der der Seherin die Insignien ihres Amtes überreicht, an erster Stelle den Stab, der hier ausdrücklich als ‘prophetisch’ (spágandr) bezeichnet wird. Wo die klassischen Quellen die Prophezeiung als Äußerung der Prophetin eigener Begabung verstehen, beschreiben sie die altnordischen Quellen (die keine im menschlichen Inneren ruhendes sanctum oder providum kennen) als eine göttliche Inspiration. Die Prophetie entsteht aus einem Kontakt zwischen der Kraft der göttlichen Begabung und dem menschlichen Medium. Diese zwei Wurzel der Prophetie demonstriert auch die grammatische Besonderheit des Gedichtes, das die Prophetin wechselweise in der ersten und dritten Person sprechen lässt.38 Die Seherin ist eine Person, die 38
Wortwörtlich übersetzt, würde die oben zitierte Strophe lauten: „Viel Kunde weiß sie / weiter seh ich voraus.“ Dass dieser grammatische Perspektivenwechsel irgendwie mit dem Standpunkt der Seherin an der Grenze zwischen der menschlichen und göttlichen Welt zusammenhängt, nehmen die meisten Forscher an. Die einzelnen Interpretationsversuche sind aber nicht darin einig, welcher Person diese zwei Modalitäten zugeordnet werden sollen. Siegfried Gutenbrunner z. B. meint, „in ek liegt die Härte des Wissens und die Kraft der Persönlichkeit [...] in hon aber liegt [...] das Verhältnis der Zugehörigkeit zu Odin, oder allgemeiner, zu einem Gott“ (Gutenbrunner 1957, S. 9). Régis Boyer ist dagegen überzeugt, dass hon „objektives Wissen (sie weiß)“ und ek „subjektive Schau (ich sehe)“ der Seherin repräsentiert (Boyer 1983, S. 127). Fritz Paul ist wieder der Meinung, dass die
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das göttliche Wissen den Menschen vermittelt.39 Trotzdem wäre es übereilt, das Ansehen, das die mythischen Seherinnen genießen, ohne weiteres auf ihre irdischen Kolleginnen zu übertragen, was die eddischen Gedichte gelegentlich selbst bezeugen. Wenn sich in der ersten Helgakviða Hundingsbana die Helden nach guter Sitte vor dem Kampf beschimpfen, wirft Gudmund dem SinfjÄtli Brudermord und Vampirismus vor. SinfjÄtli erwidert mit einer noch gröberen Anklage (HH I 37,1–4): Þú vart vǫlva í Varinseyio, scollvís kona, bartu scrǫc saman. Du warst eine Wölwa auf Warinsey, ein ränkevolles Weib, brachtest Lügen zusammen.
Selbst wenn die Beleidigung auf einem wohlbekannten Muster (‘Du hast dich wie eine Frau benommen’) beruht, äußert die Apposition ‘in Falschheit bewanderte Frau’ (scollvís kona) sowie der Zusatz über ‘zusammenflechten der Lüge’ (bera scrǫc saman) eine recht niedrige Meinung über die Seherinnen und ihre Sprüche. Dies wird weiter bekräftigt durch manche Sagaberichte, die hier wahrscheinlich dem alltäglichen Leben viel näher stehen als die mythisch-heroischen Eddagedichte. Das Vertrauen in Prophetie kommt zwar oft, aber nicht immer vor, und die Seherinnen werden nicht selten des Lügens bezichtigt.40 Nach der Unglück verheißenden Prophezeiung (illspá) wird die Seherin aus dem Hause gewiesen, gelegentlich auch angegriffen.41 Die Seherinnen und Seher in den Sagas unterscheiden sich von ihren Verwandten aus der mythisch-heroischen Literatur auch durch andere Merkmale: durch die Themen der Prophezeiungen, durch gesellschaftliche Stellung und durch den Kreis der numinosen Wesen, von denen ihre Inspiration kommt.
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grammatische Doppelform der literarischen Doppelfunktion Berichterstatterin / Visionärin entspricht (Paul 2003, S. 44–45). „Der Ursprung der prophetischen Erscheinung ist im Wirken des höchsten Gottes zu suchen. Diese Tatsache stützt die Glaubwürdigkeit der Seherin unter den Zuhörer, für welche die Prophezeiung bestimmt ist“ (Gísli Sigurðsson 1999, S. 219). Siehe Eir (S. 206 ff.), Korm (S. 282 f.), Vatn (S. 25 f., 102 f.), Glúm (S. 41), Ldn (S- 45, 83, 99). Dass es ein Bedürfnis gab, die glaubwürdigen und die unglaubwürdigen Seherinnen zu unterscheiden, bezeugen auch die Adjektiva sannspár, ‘wahrhaft prophezeiend’ und velspár, ‘gut prophezeiende’. Den Gegensatz bildet der selten belegte falsspámaðr, ‘falscher Prophet’. Das Wort ist aber fast sicher eine christliche Neubildung (siehe Fritzner 1954, s. v.). Ǫrv, S. 14.
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Die Seherinnen und Seher der Sagas wagen nie so weitreichende Vorhersagen, wie es in den Eddaliedern der Fall ist. Es geht meistens um alltägliche Fragen und Probleme.42 Bezeichnenderweise wird der Seher Gils (Spá-Gils), ein Lokalvisionär in der Eyrbyggja saga, folgendermaßen beschrieben (Eb [S. 34]): 43 hann var framsýnn ok eptirrýningamaðr mikill um stulði eða þá hluti aðra, er hann vildi forvitnask. Er sah die Zukunft voraus (var framsýnn) und kam leicht hinter Diebstähle oder andere verborgene Dinge, die er herausbekommen wollte.
Die gesellschaftliche Stellung der altnordischen Seherinnen und Seher war laut dem Zeugnis der Sagas viel niedriger als die der altgermanischen Prophetinnen. Von einer Schiedsrichterfunktion kann keine Rede sein, an königlichen Höfen finden wir Seherinnen selten in den Vorzeitsagas, auch dort aber nur aufgrund einer Einladung und nicht besonders respektvoll behandelt.44 Für eine Gottheit hielt sie selbstverständlich niemand. Meistens sind es Privatpersonen, die eine kleine Wirtschaft führen, oder ganz mittellos sind, die sich in die Häuser der Mächtigen einladen lassen und dadurch ihren bescheidenen Erwerb erzielen.45 Solche Art der divinatorischen Praxis musste auf die Glaubwürdigkeit der Prophetentums äußerst negativ wirken, wie aus den Hinweisen auf Bestechung der Seherin46 oder aus folgendem Beispiel zu ersehen ist (Glúm, S. 41): Kona sú fór þar um herað, er Oddbjǫrg hét, gleðimaðr, fróð ok framsýn. Þótti mikit undir, at húsfreyjur fagnaði henni vel um héraðit; sagði nǫkkut vilhallt, sem henni var beini veittr. Es zog eine Frau durch die Landschaft namens Oddbjörg, die war lebenslustig, kenntnisreich und zukunftskundig. Die Hausfrauen in der Gegend waren eifrig, sie gut aufzunehmen; sie prophezeite ziemlich willkürlich, je nachdem wie die Bewirtung ausfiel.
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Obwohl auch solche in der Tat vorkommen konnten. Eine gewisse Analogie zur Seherin der Vǫluspá und Vǫluspá in skamma bildet die alemannische Prophetin Thiota, die im Jahre 847 wegen ihrer Prophezeiungen vom Ende der Welt von der Mainzer Synode verurteilt wurde (Ann. Fuld., A.D. 847). Wenn nicht anders bemerkt, sind alle Übersetzungen von Sagastellen und Skaldenstrophen der Edition Thule entnommen und – wo notwendig – leicht modifiziert. Siehe Hrólf, S. 11 f. Der oben genannte Spá-Gils ist als „ein armer Schlucker und auch sonst ein unvermögender Mann” beschrieben (ómegðarmaðr ok mjǫk féþurfi – Eb, S. 88). Zur Sozialstellung der Seherinnen siehe Finnur Jónsson 1892; Maurer 1893, S. 101 f. Siehe Hrólf, S. 12.
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Wir haben bemerkt, dass die klassischen Berichte keine Technik beschreiben, mit der die Inspiration herbeigeführt werden konnte. Die altnordischen Quellen kennen zwei solche prophetischen Rituale (spáfǫr), die beide auf einem Kontakt mit dem Numinosen beruhen, wenn auch nicht in der Form, welche die mythischen Quellen andeuten. Ein Beispiel des ersteren bietet eine bekannte Stelle der Eiríks saga rauða (S. 208): Slógu þá konur hring um hjallinn, en ÞorbjÄrg sat á uppi. Kvað Guðríðr þá kvæðit svá fagrt ok vel, at engi þóttist heyrt hafa með fegri rÄdd kvæði kveðit, sá er þar var hjá. Spákonan þakkar henni kvæðit ok kvað margar þær náttúrur nú til hafa sótt ok þykkja fagrt at heyra, er kvæðit var svá vel flutt, – „er áðr vildu við oss skiljast ok enga hlýðni oss veita. En mér eru nú margir þeir hlutir auðsýnir, er áðr var ek dulið, ok margir aðrir […]“ Da schlugen die Frauen einen Ring um den Zauberstuhl (hjallr), auf dem Thorbjörg saß. Dann sang Gudrid das Lied so schön und trefflich, dass alle meinten, nie hätten sie eines mit schönerer Stimme singen hören als hier. Die Seherin dankte ihr für dieses Lied und sagte: „Manche Geister kamen hierher und dachten, wie schön dieses Lied doch zu hören gewesen wäre, – solche, die sich früher von mir abgewandt hatten und mir nicht mehr gehorchen wollten. Jetzt sehe ich viele Dinge deutlich vor mir, die bislang mir wie allen andern verborgen waren.“
Die beschriebene Technik wird charakterisiert durch das Sitzen der Seherin auf einem erhöhten Gerüst (hjallr),47 Teilnahme der Assistenten und durch den Gesang, der in Verbindung mit Seherinnen mehrmals erwähnt wird.48 Einige Quellen berichten, dass die Seherinnen von einem ganzen Chor (raddlið) begleitet wurden.49 Für uns sind aber besonders die Wesen, mit denen die Seherin kommuniziert, von Bedeutung. Sie werden hier mit dem aus dem Lateinischen übernommenen Kollektivterminus náttúrur bezeichnet. Der Name des Gesangs, der während der Seance vorgetragen wird (varðlokkur), lässt jedoch vermuten, dass es sich um eine Klasse niedrigerer numinoser Wesen handelt, die ‘Schutzgeister’ (vǫrðr).50 Jedenfalls sind das nicht Götter, die um der Inspiration willen 47 48 49
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Siehe Kiil 1960, S. 84–112. Siehe z. B. Þmáhl, Máhlv 7,1–4, der (in einer Kenning) die Wendung ‘Seherinnen singen’ (spámeyjar syngva) benutzt. Ǫrvar-Odds saga führt eine (wohl übertriebene) Zahl von 15 Knaben und 15 Mädchen an (Ǫrv, S. 10). Die Annahme, dass ein solcher Gesang auch bei den Nichtskandinaviern vorkam, bietet vielleicht die vereinzelte ahd. Glosse coragios: liodirsazo (Wesche 1940, § 32). (H)liod [a]rsaz[z]o ist eine ahd. Bezeichnung des ‘Propheten’, lat. coragios wurde entlehnt aus dem griech. χοραγός, das einen ‘Chorleiter’ bezeichnet. Der Name des Gedichtes soll dann ‘Lockung der Schutzgeister’ bedeuten. Die
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angerufen werden. Die zweite Technik, die in den Quellen erwähnt wird, steht schon durch die Betonung der Einsamkeit des Prophezeienden in klarem Gegensatz zu der ersteren. Es ist die Technik, welche die Seherin der Vǫluspá beschreibt (Vsp 28, 1–4): Ein sat hon úti, þá er inn aldni kom, Yggiungr ása, oc í augo leit. Allein saß sie draußen, der Yggjung der Asen,
als der Alte kam, und ihr ins Aug schaute.
Mit den Worten ein sat hón úti, ‘allein saß sie draußen’ (also außerhalb der menschlichen Besiedlung) zielt das Gedicht auf die öfter erwähnte Technik, die útiseta (‘Draußensitzen’) genannt wird.51 Im Gegensatz zum Gesang und zur Helfermenge herrscht hier Einsamkeit, stilles Anhören und meditative Haltung.52 Deutlich schildern es die eddischen Hávamál (Háv 111, 4–6): sá ec oc þagðac, sá ec oc hugðac, hlýdda ec á manna mál [...] Háva hǫllo at, Háva hǫllo í, heyrða ec segja svá: Ich sah und schwieg, ich sah und sann, ich lauschte menschlicher Stimme; [...] bei des Hohen Halle, in des Hohen Halle; so hört ich sagen.
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jüngere Form varðlokur, würde dagegen die Bedeutung ‘Einschließung der Schutzgeister’ haben (siehe Olsen 1916, S. 1–4; Ohlmarks 1939, S. 335). Jüngst versuchte Jón Hnefill Aðalsteinsson, beide Bedeutungen zurückzuweisen (Jón Hnefill Aðalsteinsson 2001, S. 108–109). Über die Schutzgeister in der Prophetie und Magie siehe Tolley 1995, S. 57–62. Ihre Popularität bezeugt auch die Tatsache, dass aus ihr die einzige belegte ritualspezifische Bezeichnung des Propheten – útisetumaðr – gebildet wurde (siehe Fritzner 1954, s. v.). Die althochdeutsche Analogie dieser Technik wird als (h)leodarsazza – also ‘Sitzen, um auf etwas zu lauschen’ bezeichnet. Siehe de Boor 1930, S. 293, 314–317; Wesche 1940, S. 103, 106; Meissner 1917, S. 102. Die südgermanischen und klassischen Parallelen machen die Annahme Hermann Pálssons unwahrscheinlich, dass die mantischen Techniken der Nordgermanen lappischen Ursprungs sind (1997, S. 85–96, 123–130).
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Auch hier deuten die mythischen Quellen den direkten Kontakt mit Gott an: die Sprüche werden „in der Halle des Hohen“ (Odins) gehört und später gerade Hávamál ‘Sprüche des Hohen’ benannt. Also wieder ein Anspruch auf die Vereinigung mit einer Gottheit,53 der aber von den nichtmythischen Quellen wieder nicht bestätigt wird. Besonders die christlichen Gesetzbücher erwähnen und verbieten útiseta als eine Handlung, deren Zweck es ist, ‘die dämonischen Wesen zu wecken’ (at vekja trǫll upp).54 Der Versuch, die trǫll der christlichen Gesetze als interpretatio christiana der heidnischen Götter und die Verbote der útiseta als einen verkappten Kampf gegen die Reste des heidnischen Kultus zu verstehen, ist zwar verlockend, scheint aber kaum richtig. Im Fall der christlichen Missdeutung der heidnischen Götter würden wir eine christlich-polemisierende Bezeichnung erwarten55 und nicht das Wort troll, das ein feindliches Wesen im heidnischen Sinne bezeichnet. Noch dazu wird die Verbindung der Seherinnen mit den dämonischen Wesen relativ oft erwähnt: Es wird thematisiert in der Vǫluspá und in Baldrs draumar, die Vǫluspá in skamma wird direkt von einem dämonischen Wesen vorgetragen.56 Das eddische Hyndluljóð gibt den Seherinnen einen mysteriösen Vidolf zum Ahn, der auch zu den Dämonen zu gehören scheint.57 Kormak Ögmundarson (lv 48) identifiziert die prophetische Inspiration mit der Wirkung der Dämonen, die den Frauen Wahnsinn zuführen, und eine anonyme Skaldenstrophe bemerkt, dass der Dämon ‘Mühsal der Seherin’ (vílsinnr vǫlu) ist.58 Und es ist wohl kein Zufall, dass eine Verbindung der prophetischen Rituale mit dem heidnischen Götterkult in den Quellen ganz fehlt: [...] weder Zeichen noch Opfer können in Frage kommen, die Seherin gewinnt ihr Wissen von unsichtbaren Wesen, die durch ein Zauberlied gezwungen werden, es ihr auf geheimnisvolle Weise mitzuteilen.59
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Von einer unio mystica spricht im Kontext der behandelten Stelle Grønvik 1999, S. 52–54. Ältere Forschung dachte auch im Fall der altnordischen Prophetie an die Toten als Geber der Inspiration, siehe Gering 1902, S. 7; Finnur Jónsson 1892, S. 5–28, aber auch noch Dillmann 2006, S. 42–43. Siehe z. B. Gtl § 32 (NGL I,19); Ftl II, § 45 (NGL I,182), Btl II,25 (NGL I,362), Btl III,22 (NGL I,372), Gtl Suppl § 4 (NGL II,497). Für weitere Belege siehe Gísli Sigurðsson 1999, S. 12–14. Z. B. illvéttr, óhreinn andi, óvinr usw. Siehe Schomerus 1936, S. 72–105. Siehe Bdr 13,7–8; Vsp 2,1–4; Hdl 4,6. Vgl. Scovazzi 1969, S. 311, 313–315, 321. Hdl 33,1–2, vgl. Saxo, Gesta VII,ii,2. Anon X II B 6. Meine Übersetzung. Meissner 1917, S. 100.
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Was die Quellen dagegen oft betonen, ist die Verbindung zwischen Prophetentum und Magie (seiðr).60 Die Vorstellung, dass die prophetische Inspiration auf einem Kontakt mit Gott beruht, bleibt auf die mythischen Seherinnen und Seher beschränkt, die Inspiration ihrer irdischen Kollegen ist dagegen nichtgöttlichen oder sogar ungöttlichen Ursprungs. Die Widersprüche in der Seherinvorstellung hat die Forschung schon längst bemerkt. Sigurður Nordal betont, dass es sich in der Vǫluspá „nicht um eine Seherin im üblichen Sinne handelt“. Die Seherin, die das Gedicht vorträgt, ist für ihn ja eine erhabene Gestalt und kennt die Geheimnisse der Götter und Menschen: „Dies dürfte deutlich genug machen, dass es sich bei der Seherin [der Vǫluspá] nicht um irgendeine herumziehende Wahrsagerin handelt und dass sie daher mit einem anderen Maßstab zu messen ist.“61 Auch Alexandra Pesch, die sich den frühen Abbildungen der Seherinnen auf den völkerwanderungszeitlichen Brakteaten gewidmet hat, kommt zum Ergebnis, dass hier – „mythisch überhöht“ – eher Abbildungen „einer Göttin mit VÄlva-Eigenschaften“ beabsichtig waren. Sie identifiziert diese Göttin als Frigg, die Argumente dafür sind aber nicht besonders stark.62 Es scheint daher ratsam zu fragen, ob hier nicht wieder der Gegensatz vorliegt, den wir schon in der antiken und altnordischen Überlieferung identifizieren konnten, nämlich der Gegensatz zwischen mythischer und „historischer“ Seherin,63 nicht zuletzt, weil dieser Kontrast viel allgemeiner vorkommt und auch in vielen anderen Religionen zu finden ist. In Rom verkörpern ihn auf der einen Seite Attus Naevius, der inspirierte und wundertätige Augur der Königszeit, der sich auch den Anordnungen Königs Tarquinius Priscus zu widersetzen wagte, und die rein „techni60
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Besonders in jüngeren Quellen ist diese Verbindung häufig (Ldn, S. 83; Ynglingas, S. 29; Vatn, S. 25 f.; Ǫrv, S. 10; Hrólf, S. 11 f.) und manche Forscher denken dabei an einen christlichen Einfluss (siehe Finnur Jónsson 1892; Maurer 1893, S. 101– 103; Strömbäck 1935, bes. S. 142–150; Å. V. Ström 1975, S. 259–260; Gering 1902, S. 11–12). Aber schon in der Vǫluspá ist das Wirken einer ‘prophetiekundigen Seherin’ (vǫlva vel spá) mit den typisch magischen Verben vitta und síða beschrieben (Vsp 22). Nach Jordanes ließ der Gotenkönig Filimer die mit Hilfe chthonischer Wesen prophezeienden Frauen (haljarūnōs, vgl. ahd. hellirūna, ae. hellerūne) aus seinem Reiche austreiben, mit der Begründung, dass es sich um magas mulieres handle (Jord. Get. XXIV). Siehe Wesche 1940, § 8. Sigurður Nordal 1980, S. 17, 20. Pesch 2002, S. 54–55, 70. Ungefähr in diesem Sinne versuchte schon Ursula Dronke das Problem von ek und hón in Vǫluspá zu lösen (1999, S. 28). Der Kontrast zwischen der mythischen und realen Seherin macht auch die Annahme McKinnels unwahrscheinlich, dass die Seherin ursprünglich ein mythisches Wesen war, das erst später in den historiographischen Schriften „historisiert“ wurde (2000, S. 241, 251).
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schen“ Auguren aus den Zeiten der Republik auf der anderen.64 Auch bei den Griechen stehen viele mythische Weissager, die meistens Könige, Wundertäter und Verwandte der Götter waren, im offensichtlichen Gegensatz zu den viel bescheideneren historischen Mantikern.65 2.2 Weissagung Im Bereich des Prophetentums können wir also eine gewisse Kontinuität zwischen den altgermanischen und altnordischen Verhältnissen nur auf der mythischen Ebene feststellen. Ganz anders ist es auf dem Gebiet der Weissagung, wo die klassischen Berichte fast ausnahmslos durch die altnordischen Quellen bestätigt werden. Die altnordische Literatur enthält eine Reihe Beschreibungen verschiedener mantischer Techniken, von Kleromantie und Ornithomantie bis zur Weissagung aus dem Flattern der Kriegsfahne.66 Trotz dieser Mannigfaltigkeit haben alle überlieferten Techniken etwas Gemeinsames: Sie sind auf dem Begriff des Zeichens gegründet. Das gebräuchlichste Wort für das Zeichen ist n. heill,67 dessen Verwandtschaft mit dem Adj. heilagr/helgi auf die religiöse Stimmung des Terminus hinweist. Dem Zeichen ist wirklich eine gewisse „Heiligkeit“ eigen, die in seiner Grenzstellung zwischen der menschlichen und göttlichen Welt ihren Ursprung hat. Einige Quellen (siehe unten) bringen klar die Ansicht zum Ausdruck, dass Weissagen im Grunde eine Frage an die Gottheit richtet, oft an einen ganz konkreten Gott, von dem der Weissagende eine freundliche Neigung erwartet.68 Die Termi64 65 66 67
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Siehe Cicero, De rep. II,20,36; Ad Att., X,8,6; De div. I,32; De nat. d. II,9; Livius X,36,3–6; Dion. Hal. Ant. Rom. III,71. Siehe darüber Halliday 1913, S. 67–68; Eitrem 1938, S. 22; Bremmer 1933, S. 176. Zusammenfassend Derolez 1968; McKinnell 2001; Pesch / Lübke 2003, S. 134– 142. Ahd. heil, ae. n. hil. Im Althochdeutschen und Altenglischen sind daraus auch das Verb ‘weissagen’ (ahd. heilison, ae. hilsian) und das Substantiv ‘Weissager’ (ahd. heilisari, ae. hilsere) abgeleitet. Siehe Wesche 1940, S. 87–92; de Boor 1964, S. 298–302; Jente 1921, § 150. Im Norden sind in der Bedeutung ‘Zeichen’ noch die folgenden Worte bezeugt: viti (urspr. wahrscheinlich ‘das Beobachtete’), furða (wortwörtl. ‘Vorbedeutung’, im übertragenen Sinne ‘etwas Wunderbares’), býsn (‘Wunder’, vgl. me. biseninge), fyrirferð, fyrirboðan, forynja (alles ‘Vorbedeutung’), vitneskja (wortwörtl. ‘Beweis’) und spätes, aus dem Englischen entlehntes tákn. Siehe Gehl 1939, S. 48; Fritzner 1954, s. v. Zur Betonung der mantischen Bedeutsamkeit eines beobachteten Vorgangs (z. B. eines fliegenden Vogels) wird auch das Adj. ‘groß’ gebraucht (vgl. rammir hrægammar – Eskál, Vell 30,6; ballir draumar – Bdr 1,8; stórir draumar – Sv, S. 2; stórdraumar – Stu I, S. 508). Siehe z. B. Eb, S. 7; Ldn, S. 112.
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nologie der aktiven Mantik beweist wieder eine nahe Verbindung zwischen Weissagung und Kult: fast alle Wendungen,69 die den divinatorischen Prozess umschreiben, erwähnen das Opfer als ein festes Vorritual des Weissagens: ‘zu opfern und Vorzeichen suchen’, ‘zu opfern für die Vorzeichen’ oder ‘zu opfern und Orakel suchen’, ‘des Orakels wegen zum Opfern gehen’, ‘zu opfern und Orakel erhalten’.70 Das Opfer ist ein Bestandteil des mantischen Rituals,71 das mit dem Weissagen so selbstverständlich verbunden ist, dass die Weissagung nicht ausdrücklich erwähnt werden muss und das Orakel als eine Folge des bloßen Opferns dargestellt werden kann.72 Die Tatsache, dass der Zusammenhang zwischen Weissagung und Kultus bei den Nordgermanen noch stärker betont wurde als von den Germanen zu Zeiten des Tacitus, kann mit Hilfe der Kleromantie demonstriert werden. Tacitus berichtet, dass die Germanen für das Herstellen der mantischen Losstäbchen die ‘Zweige eines fruchttragenden Baumes’ benutzen.73 In Skandinavien wurde – insoweit wir urteilen können – zu diesem Zweck hauptsächlich der sogenannte Opferspan (blótspánn) verwendet, mit dessen Hilfe das Blut des geopferten Tieres behandelt wurde.74 Der ganze mantische Prozess wurde gelegentlich mit der Wendung ‘Opferspan werfen’ (fella blótspán) bezeichnet, was dafür zeugt, dass die Verbindung mit den Göttern (denen das Opfer ja bestimmt ist) eine notwendige 69
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Eine Ausnahme ist selten belegtes vitja heilla (das freilich auch die Bedeutung ‘mantische Zeichen induzieren’ haben kann. Siehe Fritzner 1954, s. v. vitja) und Wendung ganga til fréttar, ‘zum Orakel gehen’, die aber das Opfer implizit in sich fasst. Vgl. z. B. Eskál Vell 30; Fagrsk, S. 76; ÓT, S. 304. blóta ok leita sér heilla (Eg, S. 159), fá at blóti miklu ok leita sér heilla (Ldn, Upphaf, S. 5); blóta till heilla sér (Bárð, S. 7, 40); fá at blóti miklu ok ganga til fréttar (Eb, S. 7); ganga til sonarblóts til fréttar (Ynglingas, S. 33); blóta til guðanna ok fá þá frétt (Oddr, ÓT, S. 3) u.s.w. Siehe Baetke 1942, S. 65–66; Hartmann 1943, S. 74–77 und Å.V. Ström 1975, S. 258–259. Die Zusammensetzung ‘mantisches Opfer’ (fréttarblót) führt Gehl an (1939, S. 109), Lexika wissen aber nichts davon. Siehe z. B. Ynglingas, S. 70. In althochdeutschen Belegen nimmt das Wort ‘weissagen’ (heilison) durch seine Verbindung mit Opfer die Bedeutung ‘heilvolle handlungen ausführen’ an (de Boor 1964, S. 300). Es ist eine offene Frage, inwiefern wir auch die Wendung at gá blótsins (‘das Opfer beobachten’), die in der Bedeutung ‘weissagen’ gebraucht wird (Ldn, S. 84), in diesen Zusammenhang einreihen können. Es kann sich nur um einen Hinweis zur Haimatomantie handeln. Virga frugiferae arbori decisa – Germ. 10. Von dem Opferblut (hlaut) sind auch ihre alternativen Bezeichnungen abgeleitet: hlautteinn (Þvíðf lv 1,4; HákG, S. 187, Eb, S. 9), hlautviðr (Vsp 63,2) oder hlautgeirr (Hfr lv 22,5–6). Siehe Gehl 1939, S. 56–58.
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Voraussetzung der erfolgreichen Weissagung ist. Wie es Walter Baetke zusammenfassend formuliert, „wurden die ‘Späne’ durch ein der frétt (Befragung) vorausgehendes Opfer erst zu Werkzeugen göttlicher Willensoffenbarung gemacht.“75 Diese religiöse Bindung unterscheidet das mantische Losen von dem Losen, das zu profanen Zwecken, wie Erbteilung, auswählen der verhandelten Rechtsfälle und zu anderen legalen und gesellschaftlichen Prozeduren diente.76 Die Weissagung genoss bei den alten Skandinaviern offensichtlich hohes Ansehen und wurde – soweit wir wissen – nur selten in ernste Zweifel 77 gezogen. Im Vergleich mit den Seherinnen, deren Anspruch auf eine unmittelbare Vereinigung mit Gott eher mit Skepsis betrachtet wurde, begegnen die Weissager dem Göttlichen oft; der Kontakt ist aber wieder nur vermittelt. Das Zeichen ist eine Epiphanie, eine Ebene, auf der sich das Göttliche nicht nur zeigt, sondern hinter der es sich auch verbirgt. Das mantische Zeichensystem bildet eine Scheidewand zwischen dem Menschen und der Gottheit. Der Gott offenbart sich bei der Weissagung nie in seiner eigenen Gestalt, sondern nur durch die Erscheinung des gefallenen Loses, eines schreienden Vogels, durch das Flattern der Kriegsfahne, die seine 78 Anwesenheit symbolisiert. Die Zeichendeutung scheint auch auf keiner besonderen „Inspiration“ zu beruhen und soweit wir wissen, gab es kein besonderes „Amt“ des Weissagers. Das mantische Opfer wird meistens vom Herrscher, Heerführer, Familienhaupt oder auch von einer beliebigen Privatperson dargebracht. Der Opfernde beobachtet auch die Vorzeichen (ÓT, S. 303): [...] en er hann [jarl] kom austr fyrir Gautasker, þá lagði hann at landi, gerði hann þá blót mikit; þá kómu þar fljúgandi hrafnar ii. ok gullu hátt; þá þykkisk jarl vita, at Óðinn hefir þegit blótit ok þá mun jarl hafa dagráð til at berjask. Þá brennir jarl skip sín Äll ok gengr á land upp með liði sínu Ällu ok fór alt herskildi. [...] [...] Als er aber noch weiter östlich zu den götischen Schären kam, ging er an Land und veranstaltete dort ein großes Opferfest. Da kamen zwei Raben 75 76
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Baetke 1942, S. 119. Siehe Jón Hnefill Aðalsteinsson 1997, S. 205. Vgl. de Boor 1964, S. 305. Wenn Jakob Grimm, Karl Müllenhoff und Carl Gustav Homeyer behaupten, dass es ursprünglich identische Prozeduren waren (siehe Homeyer 1854, S. 12), ist das wohl möglich, aber kaum beweisbar: Schon die ältesten Belege schildern die zwei Methoden des Losens als Rituale, die sich durch Gestaltung und Verwendung markant unterscheiden. Obwohl es selbstverständlich ab und zu geschah. Siehe z. B. Ldn, S. 112. Schön ausgedrückt ist dieser Gedanke bei Heraklit, der bemerkt, der Orakelgott „sagt nichts und birgt nichts, sondern er bedeutet“ (DK B 93).
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dorthin geflogen, und die krächzten laut. Nun glaubte der Jarl sicher, dass Odin das Opfer angenommen habe und dass er einen günstigen Tag (dagráð) zur Schlacht haben werde. Da ließ er alle seine Schiffe verbrennen, ging mit seinem ganzen Kriegsvolk an Land und heerte dort überall in der Gegend [...]
Wie die Beobachtung der Vorzeichen, war auch ihre Interpretation eine rein menschliche Tätigkeit,79 die keine göttliche Inspiration nötig hatte. Absolute Freiheit herrschte bei der Interpretation der ungewöhnlichen und der Klassifikation sich entziehenden Vorzeichen.80 Aber auch das Ausdeuten eines üblicheren, spontan erschienenen Zeichens lag ganz in der Kompetenz dessen, der es beobachtet hatte. Als Beispiel kann die folgende, Hrómundr Eyvindarson halti zugeschriebene Strophe dienen, die den Rabenschrei überraschend als ein unglückliches Vorzeichen für den kommenden Kampf auslegt (lv 1): 81 Út heyrik svan sveita sára þorns, es mornar brð vekr borginmóða, bláfjallaðan gjalla; svá gól fyrr, þás feigir folknrungar vru, gunnar haukr, es gaukar Gauts bragða sp sǫgðu. Morgens hört’ ich singen Schwan des Wundenblutes, Hoffnung auf die Beute weckt den Schwarzfedrigen; so schrie schon Schlachtfalke einmal, als die Krieger todverfallen waren, und sang sein’ Prophezeiung.
Der Rabe trägt als Epiphanie und Attribut des Kriegsgottes eine inspirierte Prophezeiung (spá) vor. Die menschliche Interpretation geht dagegen von der einfachsten induktiven Voraussetzung aus, dass vor ähnlichen Ereignissen ähnliche Zeichen vorkommen: die gegebene Interpretation ist eine Äußerung des spekulierenden menschlichen Verstandes.82 Neben solchen ad hoc Deutungen finden wir aber auch Verzeichnisse von glücklichen und unglücklichen Vorzeichen, wie z. B. in einem Abschnitt der eddischen Reginsmál, wo Odin die ‘Vorzeichen für Götter und Menschen’ (goða heill ok guma)83 für Sigurd aufzählt (Rm 20): Mǫrg ero góð ef gumar vissi, heill at sverða svipon; dyggia fylgio hygg ec ens døcqva vera at hrottameiði hrafns. 79 80 81 82 83
Gewöhnlich wird sie mit dem Wort ráða, ahd. ratan und ae. ridan bezeichnet (de Boor 1964, S. 305–306; Wesche 1940, § 25; Jente 1921, § 152). Siehe z. B. Eb, S. 145 f. Meine Übersetzung. Siehe Derolez 1968, S. 279–281. Rm 19,3.
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Viele gute Vorzeichen gibt’s beim Schwingen der Schwerter, wenn die Menschen sie wüssten; eine sichre Begleitung für den Schwertbaum (Krieger) scheint mir der schwarze Rabe zu sein.
Die Frage, ob wir solche Passagen als Reste eines einheitlichen mantischen Systems betrachten können, bleibt leider unentschieden. Die oft vorkommende Formel vera fyr(ir) (‘bedeuten’, ‘andeuten’)84 lässt aber vermuten, dass es mindestens eine systematisierte Terminologie der Deutung gab.85 Die in den Quellen belegten Deutungen sind manchmal scharfsinnig, manchmal primitiv, hin und wieder sogar absichtlich falsch, nicht zuletzt weil sie immer als ein Menschenwerk verstanden werden. Das Vorzeichen selbst wird aber nie als falsch angesehen und gilt als glaubwürdig bis tief in christliche Zeiten hinein.86
3. Zeit, Schicksal und Wille Wie die meisten anderen Kulturen, kannten auch die Germanen retrospektive, perspektive und prospektive Mantik.87 Selbst wenn aber retrospektive und perspektive Prophezeiungen belegt sind und obwohl man auch im Bereich der Weissagung in manchen Fällen (z. B. bei Ordalien)88 von einer retrospektiven bzw. perspektiven Mantik sprechen könnte, betrachten die meisten Quellen inspirierte, intuitive und induktive Mantik eindeutig als Hilfsmittel für das Begreifen der Zukunft. Viele Fachtermine der Prophetie (z. B. framsýn oder framvísi)89 bezeichnen diese Art der Mantik ausdrück84 85 86
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Siehe Baetke 1942, s. v. fyrir I, 8. Siehe de Boor 1964, S. 307–309, und Derolez 1968, S. 279–281. Es darf nur an das Paar der Raben hingewiesen werden, das als ein glückliches Vorzeichen für Kampf galt. Diese Vorstellung ist – selbstverständlich ohne den ursprünglichen religiösen Hintergrund – noch für das Jahr 1255 bezeugt, also zweieinhalb Jahrhunderte nach der Christianisierung. Siehe Stu II, S. 233 und Þtréf lv 1. Diese terminologische Unterscheidung ist einer aufschlussreichen Studie Å. V. Ströms entnommen (1970, bes. S. 228–244). Die prospektive Mantik schaut in die Zukunft, retrospektive in die Vergangenheit und die prospektive gibt über die Gegenwart Bescheid. So kann z. B. im Fall des Diebstahls gefragt werden, wer die Sache gestohlen hat (retrospektive Mantik), wo die gestohlene Sache ist (perspektive Mantik), und ob bzw. wie sie gefunden werden kann (prospektive Mantik). Siehe auch Maurer 1893, S. 101. Siehe Nottarp 1956; Derolez 1968, S. 299–302. Wie auch die entsprechenden Adjektiva framsýnn, framvíss und verwandte Worte in anderen germanischen Dialekten, ahd. forawizzag oder ae. forewitig und forewitol (Siehe Derolez 1960, S. 271).
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lich als das Wissen vom Zukünftigen und Schauen nach vorne (fram).90 Ein Versuch, die Mantik bei den Germanen zu verstehen, müsste also sehr unvollständig bleiben, wenn er den besonderen Begriff der Zukunft, der in den oben behandelten mantischen Kategorien zu Geltung kommt, ganz unbeachtet lässt. Induktive Mantik ist in unseren Quellen immer als ein zweckmäßiges menschliches Fragen dargestellt. Die altnordische frétt, die unserer ‘Weissagung’ am nächsten steht, bedeutet eigentlich ‘Frage’.91 Die am häufigsten vorkommende Bezeichnung des mantischen Rituals ist ganga til fréttar (‘zum Fragen gehen’). Die Weissagung betrifft meistens die Zukunft, versucht sie aber fast nie an sich zu enthüllen. Der Weissagende fragt nicht „was geschehen wird?“ sondern „was soll ich tun?“ (Eb, S. 7): Þórólfr Mostrarskeggr fekk at blóti miklu ok gekk til fréttar við Þór, ástvin sinn, hvárt hann skyldi sættask við konung eða fara af landi brott ok leita sér annarra forlaga, en fréttin vísaði Þórolfi til Íslands. [...] Thorolf Mostrarskegg veranstaltete ein großes Opferfest und fragte seinen geliebten Freund Thor um Rat, ob er sich mit dem Könige verständigen oder aus dem Lande ziehen und wo anders sein Heil versuchen solle. Die Weissagung aber wies Thorolf nach Island [...]
Am Anfang steht nicht eine schwärmerische Sehnsucht, das Zukünftige zu entdecken, sondern die Frage, welches menschliche Handeln die bestmöglichen Folgen haben wird. Das Bindewort hvárt – eða zeigt, dass der Mensch divinatorisches Fragen als eine Hilfe in seiner Entscheidung zwischen klar gegebenen Möglichkeiten versteht und dass er diese Möglichkeiten seines Handelns für die divinatorischen Zwecke ganz präzise fasst. 92 In vielen Fällen ist die Sache noch konkreter und besteht nur in der Frage, wann die beabsichtigte und deklarierte Absicht durchgeführt werden sollte. Eine Strophe Einar Helgasons schildert das divinatorische Opfer Hakons
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Siehe Meissner 1917, S. 97. Siehe de Vries 1962, s. v. frétt. Das Wort dient als Übersetzung des lateinischen sors (Hsv II 69,2; vgl. Dist. II, 12) und bezeichnet zugleich auch Orakulum im Sinne der „Antwort“, d. h. dessen, worauf die Weissagung zielt. Vgl. ae. freht, friht (Jente 1921, § 155). Über ahd. frēht siehe Meissner 1917, S. 3–4. Eigentlich dual, also ‘entweder – oder’. Vergleiche die altgriechischen Verhältnisse bei Lousie Bruit Zaidman und Pauline Schmitt Pantel: „Dem Gott wurde von dem menschlichen Konsultanten sehr oft die Wahl zwischen zwei Alternativen angeboten. Manchmal favorisierte die Antwort klar eine der beiden Möglichkeiten, in andern Fällen war sie aber formuliert in absichtlich zweideutigen oder unklaren Worten, die weitere menschliche Bedeutung brauchten“ (Zaidman/Pantel 1992, S. 124).
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des Mächtigen (Eskál Vell 30):93 Flótta gekk til fréttar felli-Njǫrðr á velli, draugr gat dolga Sgu dagráð Heðins váða, ok haldboði hildar hrægamma sá ramma; Týr vildi sá týna teinlautar fjǫr Gauta. Auf dem Feld flieh’nder Feinde Falls Njörd Asenrat hörte. Zum Walkür’nspiel wählt’ er Wundergünst’ge Stunde. Gier’ger Leichen-Geier, gar mächt’ger, er ein Paar sah. Wollt’ der Tyr der Lose Töter sein da den Göten.
Hinsichtlich der Tat ist keine Frage nötig: das Heer ist gesammelt und zum Kampf bereit. Es wird nur der glücklichste Tag (dagráð) gesucht, an dem die Tat am besten durchzuführen wäre. 94 Die Weissagung wird also als ein ganz rationales Hilfsmittel des menschlichen Entscheidungsprozess verstanden, nicht aber als Ausdruck eines selbstbewussten Individuums. Das mantische Ritual bietet eine Lösung im Augenblick, wo man sich der Mangelhaftigkeit eigener Entscheidungskraft angesichts der momentanen Lage bewusst wird. In der Weissagung kommt das Bewusstsein der Unzuverlässigkeit des menschlichen Wissens und Verstands zum Ausdruck, und zugleich die Überzeugung, dass die Zukunft nicht nur von menschlichen Kräften abhängt. Vom Neutrum heill (‘Vorzeichen’) wird das Femininum heill abgeleitet, das ‘Glück’ bedeutet, also eine Macht, die das menschliche Tun zu einem glücklichen oder unglücklichen Ende führen kann.95 Ein glückliches Vorzeichen (gott heill) verheißt der menschlichen Absicht eine glückliche Erfüllung (góð heill), ein unglückliches Zeichen (illt heill) dagegen warnt, 93
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Es handelt sich um denselben Augenblick, dessen prosaische Beschreibung von Snorri oben gegeben wurde. Die Bespiele würden sich aber leicht vermehren lassen, siehe z. B. die Stelle in Landnámabók (Ld, S. 106), wo ønundr víss die divinatorische Frage stellt, wann er mit seinem Landnahmeritual beginnen solle. Zur Frage nach der Bedeutung der Kenning teinlautar Týr siehe unten. Vgl. die Polemik mit solchem dagráðs leita in den Hugsvinnsmál (II 85). Auch diese Art der Befragung, die eher um Bewilligung und Optimierung einer beabsichtigten Handlung von der Seite des Gottes bittet, war nicht selten bei den Griechen (siehe Zaidman / Pantel 1992, S. 124–125), ganz besonders aber bei den Römern (wo viele wichtigen Staatsakte nur auspicato, also nachdem die Götter durch Divination befragt wurden, durchgeführt werden konnten) und wahrscheinlich auch bei Chinesen der Perioden Shang und Zhou – siehe die Diskussion in Early China 14 (1989). Verwandt mit ae. f. hil (‘Heil, Gesundheit’), ahd. heili (de Vries 1962, s. v. heill 1; Jente 1921, § 150). Einige Forscher setzen eine umgekehrte Entwicklung voraus, von dem Femininum (oder sogar Neutrum) ‘Glück’ zu ‘Vorzeichen’ (siehe z. B. Baetke 1942, S. 62–67; Hartmann 1943, S. 67–73 und 61–62, 94–95).
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dass die beabsichtigte Tat zu einem unglücklichen Ausgang (ill heill) führen wird.96 Das Glück ist dabei manchmal als eine göttliche Gabe verstanden: es ist die Walküre, ein numinoses Wesen, die dem Jarl Hakon den ‘glückverheißenden Tag’ (dagráð) gewährt, an einigen Stellen kann heill im positiven Sinne fast mit dem göttlichen Wohlwollen identifiziert werden, das erst dem menschlichen Bemühen eine sichere Aussicht auf Erfolg versprechen kann.97 Die Durchführung des mantischen Rituals gleicht dem Zugeständnis, dass die Macht des Menschen nicht stark genug ist, um die Zukunft seinem Wunsch gemäß zu gestalten. Trotzdem ist die Weissagung auf der Annahme gegründet, dass das menschliche Tun einen nicht geringen Einfluss auf die Zukunft hat. Der Mensch entscheidet sich und fühlt das Bedürfnis, seine Entscheidung auf einer höheren Autorität zu begründen. Er schreibt seiner Entscheidung eine Bedeutung zu, geht also von der Annahme aus, dass diese Entscheidung wichtige Folgen für die Zukunft haben wird, er setzt voraus, dass die Zukunft durch menschliches Handeln gestaltet wird. Wäre die Zukunft festgesetzt, so wäre menschliches Entscheiden und daher auch jede Weissagung zwecklos. Die ganze induktive Mantik ist mit dem Gedanken 96 97
Klar sprechen es die eddischen Reginsmál aus (22,4–5): wer das glückliche Vorzeichen gewahrt, dem ‘wird das Glück zuteil’ (verðr heilla auðit). Vgl. die Zusammensetzung goðaheill, die in der Wendung mannvirðing ok goðaheill (ÞSH, S. 224) benutzt wird, und der oben zitierte Bericht Snorris über das mantische Opfer Hakons, weiter noch Gautr, S. 28 und Celander 1930, S. 30. Inwiefern die zitierte Strophe Einar Helgasons als ein Beweis dafür dienen kann, dass die Götter durch das Ergebnis des mantischen Rituals ihren Willen äußern – wie es in vielen anderen Kulturen der Fall ist und wie z. B. Baetke (1942, S. 65, 119) behauptet – bleibt leider unentschieden. Das Problem hängt von der Übersetzung der letzten Langzeile ab: Wer ist eigentlich der Týr teinlautar? Viele Forscher nehmen an, dass es eine Kenning für den Jarl ist (Gott des Schwertes > Krieger), gestützt auf einer ähnlichen Kenning für Schwert (hjǫrlaut), die sich in demselben Gedicht (31,4) findet. Eine andere Möglichkeit ist, teinn als Schwert aufzufassen, teinlaut ist dann laut (Land) des Schwertes, also Schild (siehe Finnur Jónsson 1913–16, s.v.). Trotzdem verdient auch die Lösung Helmut de Boors (1930, S. 87) Aufmerksamkeit, der sich auf den Kommentar Snorris stützt und zum Schluss kommt, dass die Kenning eigentlich Odin bezeichnet. Seiner Meinung nach ist es der Gott selber, der die Gautar vernichten will und seinen Schützling durch das Vorzeichen zu diesem Ziel leitet. Was bedeutet aber dabei teinlaut? Helmut de Boor versteht es (im Einklang mit Wisén) als das Opferblut. Man muss aber fragen, ob tein(h)laut nicht eine Bezeichnung für den zum mantischen Losen dienenden blótspánn sein könnte (der gelegentlich auch hlautteinn, hlautviðr oder hlautgeirr genannt wurde; siehe oben), vgl. ae. tānhlyta und tānhlytere ‘sortilegus’, ‘Losdeuter’ (siehe Jente 1921, § 156–157). Die so verstandene Kenning würde dann Odin gerade als den „Gott der mantischen Lose“ oder „Gott des mantischen Losens“ bezeichnen.
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verbunden, dass es gerade der Mensch selbst ist, der – mindestens zu einem gewissen Grad – die Zukunft durch seine Handlung mitbestimmt. Damit hängt ganz sicher auch die Tatsache zusammen, dass das Schicksal nur sehr selten in Zusammenhang mit der Weissagung erwähnt wird. Und auch dort, wo es geschieht, ist darunter das Schicksal im eher aktiven Sinne verstanden, der Gesamtlauf des menschlichen Lebens, den der Mensch durch seine Lebensführung erst schaffen muss. Wenn also an der oben zitierten Stelle Thorolf Mostrarskegg fragt, welches Schicksal er suchen soll (leita forlaga), so ist das kein Ausdruck der Vorstellung, dass alles vorherbestimmt ist, sondern die Äußerung eines höchst aktiven Versuchs, die bestmögliche Variante der menschlichen Handlung zu finden. ‘Weissagung zeigt’ (frétt vísar)98 dem Menschen den besten Weg zur Verwirklichung seines Willens. 99 Eine ganz andere Zukunftsvorstellung ist mit der Prophetie verbunden. Die Wurzel spá-, welche die prophetische Terminologie dominiert, heißt ursprünglich ‘anschauen’,100 das häufigst belegte Wort, mit dem die Seherinnen die Art der Zukunftswahrnehmung bezeichnen, ist ‘sehen’ (sjá).101 Die Seherin schaut die Zukunft an, und das ist kaum anders vorstellbar, als dass die Zukunft bereits in dem Augenblick der Schau vorhanden ist.102 Die 98 99
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Eb, S. 7; Ldn, Upphaf, S. 5; Ldn, S. 112. Auch für die Griechen, so Zaidman / Pantel, war mantisches Zeichen „nicht als eine Vorhersage empfunden, sondern als eine beschränkende Bedingung des Handelns, das aber selbst Resultat rein menschlicher Entscheidung war“ (1992, S. 127). Vgl. ahd. spehōn (heutiges spähen), me. spā (heutiges spy), lat. specio und griech. σκέπτομαι (siehe de Vries 1962, s.v. spá). Es ist bemerkenswert, dass diese Wurzel beim Bilden der mantischen Terminologie auch in anderen indogermanischen Sprachen aktiv war, vgl. lat. haruspex und griech. εροσκοπέομαι, εροσκοπία und εροσκπο. Siehe Gísli Sigurðsson 1999, S. 216; Å.V. Ström 1970, S. 246–247. Einen ähnlichen Hinweis kann auch das im prophetischen Bereich benutzte Verb ‘wissen’ (vita, ahd. wizzan, ae. as. got. witan) enthalten. Derolez (1968, S. 270–271) macht im mantischen Kontext darauf aufmerksam, dass es ein präterito-präsentes Verb mit der ursprünglichen Bedeutung ‘gesehen haben’ ist (vgl. lat. videre und besonders griech. οδα). „Zukunft ist nichts ungeformtes, sondern ein Zustand, der schon vorhanden ist. Der Seher kann ihn auch im Wachzustand wahrnehmen, viele andere aber in Träumen […]” (Turville-Petre 1972, S. 32). Meissner weist darauf hin, dass Prophetie die Zeit in Analogie mit Raum versteht (1917, S. 97). Das ist eine vortreffliche Bemerkung: der Lauf der Zeit gleicht dann der Bewegung im Raum, nicht der Entstehung des Neuen, und die prophetische Schau kann mit einem Blick in die Ferne verglichen werden. Vgl. die oben erwähnte Zusammensetzungen mit fram- und andere Bestandteile der prophetischen Terminologie, z. B. sjá fram (Vsp 44,6; 49,6; 58,6), sjá vítt (Vsp 29,5) u.s.w. Auch die Tatsache, dass das Wort spá ebenso
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Prophetie arbeitet mit der Vorstellung einer vorherbestimmten Zukunft, also mit dem Schicksal. Das jüngere Gesetzbuch des Gulaþings sagt explizit, dass das prophetische Ritual (útiseta) zum ‘Forschen nach Schicksal’ (at spyrja ørlaga) dient.103 Die Vatnsdœla saga sagt, dass derjenige, der an die Seherin eine Frage stellt, ‘nach seinem Schicksal trachtet’,104 die mythischen wie auch unmythischen Prophezeiungen erwähnen oft das Schicksal und eine anonyme Strophe bemerkt (Anon XIII E 10 I 1,5–8):105 saga mun sannask, er segir vǫlva; ǫll veit manna ørlǫg fyrir. Erfüllen werden sich je der Seherin Worte – weiß sie doch alle Schicksale der Männer.
Darin liegt aber der Grundunterschied zwischen Weissagung und Prophetie. Die Weissagung entspringt der menschlichen Tatkraft, für welche die Überzeugung, dass das Zukünftige schon festgelegt wurde, nur wenig Raum lässt.106 Die Kenntnis des notwendig Kommenden fordert nicht das bewusste Mitschaffen der Zukunft, sondern gibt vielmehr die Möglichkeit, sich für das Zukünftige vorzubereiten und es zu verstehen.107 Typisch ist dieses Phänomen für das Ethos der Heldendichtung: Der germanische Held lebt immer aus dem Ganzen seines Schicksals [...] Durch Prophezeiungen und Vorzeichen weiß er sein Schicksal voraus, wandelt wenigstens niemals an [...] furchtbaren Abgründen des Nichtwissens.108
Die Heldentat führt zwar oft zu tragischen Folgen, wird aber immer mit der Kenntnis des Gegenwärtigen und des Zukünftigen durchgeführt, es handelt sich nicht um einen „Fehler“. Ähnlich verhält es sich mit der realen Welt des historischen Menschen: die Prophetie fordert nicht zu einer Tat auf. Als
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das Schauen in die Vergangenheit wie in die Zukunft bezeichnen kann (Wood 1948, S. 214–216), darf in diese Richtung weisen. Wenn wir die Zeit in Analogie mit Raum verstehen, ist das prospektive Schauen von dem perspektiven und retrospektiven kaum zu unterscheiden. NGKr § 3 (NGL II, 308). Vgl. spyrja at ørlǫgum sínum, spyrja at forlǫgum sínum (Vatn, S. 25). Leita eptir forlǫgum sínum (Vatn, S. 25). Meine Übersetzung. Vgl. saga mun sannazt (Vatn, S. 26). Das ist wieder kein Sonderfall. Zaidman / Pantel unterscheiden die überlieferten griechischen Orakel in zwei Gruppen, die ‘prediktiven’, die versuchen, „vorherbestimmte Zukunft vorauszusagen“, und die ‘supportiven’, die „als zusätzliches Mittel der Entscheidung dienen“ (Zaidman / Pantel 1992, S. 124). Nur selten wird dabei der Versuch erwähnt, das Zukünftige mit Hilfe der Magie zu beeinflussen. Siehe z. B. Korm, S. 282 ff. Gehl 1939, S. 224.
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inspirierte Schau der Zukunft hilft sie vielmehr dem Menschen, seine eigene Welt zu verstehen und die innerhalb dieser Welt geschehenden Ereignisse zu interpretieren. Wir erwähnen nur das bekannteste prophetische Motiv der Skandinavier: den Weltuntergang. Die Hinweise darauf kehren fast regelmäßig in Verbindung mit Chaos, Tod, Krieg und anderen Katastrophen wieder. Der apokalyptische Mythos vom zukünftigen Ende der Welt diente dabei als Trost und Schlüssel zum Verständnis des gegenwärtigen Zustandes. Noch die Isländer der blutigen Sturlungenzeit antworteten auf die chaotischen Machtverhältnisse ihrer Epoche und den Zerfall der verwandtschaftlichen, gesellschaftlichen und sittlichen Bande mit wiederholten Hinweisen auf den zukünftigen kosmischen Zusammenbruch wie ihn Vǫluspá oder Vǫluspá in skamma schildern.109
4. Zusammenfassung Die altgermanische wie die altnordische Kultur unterschieden zwischen der inspirierten und induktiven Mantik. Wie Helmut de Boor gesagt hat, ist bei den Germanen Prophetie „innere Gabe divinatorischer Zukunftserfahrung“, Weissagung dagegen „Technik der äußeren Vorzeichen und ihrer Ergründung“.110 Es hat selbstverständlich keinen Sinn, vorzugeben, dass die Verhältnisse so einfach waren, wie sie in diesen knappen Zeilen dargestellt werden konnten, und dass die Grenzlinie zwischen Begabung und Technik immer so klar zu ziehen ist. Die historische Situation war bestimmt viel komplizierter, und wir kennen einige mantische Phänomene, die einen gewissen Grad der Inspiration mit der Technik der Ausdeutung verbanden und auf der Grenze zwischen Weissagung und Prophetie standen, z. B. die Traumdeutung. Auch die angedeuteten terminologischen Unterschiede sind nicht immer so absolut, wie sie auf den ersten Blick erscheinen könnten.111 Trotzdem ist der Gegensatz der beiden Haupttypen der Mantik unzweifelhaft, und wir können ihn in einer Reihe von Kontrasten beobachten. In den Berichten der klassischen Autoren ist die Prophetie als reine Intuition beschrieben, die keiner äußeren Technik bedurfte. Die Skandina109 110 111
Siehe Guðrún Nordal 1990, S. 214–221. de Boor 1964, S. 299. Vgl. S. 291. Siehe z. B. die Verwendung der Phrase ganga til fréttar bei Konsultation einer Seherin (siehe z. B. Vatn, S. 25; andere Belege bei Dillmann 2006, S. 39–40). Direkte Mischung der Terminologien der induktiven und inspirierten Mantik bleibt aber eine Ausnahme. Auch die überlieferte außerskandinavische Terminologie ist in dieser Klassifizierung sehr rigide (Siehe de Boor 1964, S. 299; Jente 1921, § 149–150).
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vier kannten gewisse prophetische Techniken, die auf eine Herbeiführung eines Kontakts mit Numinosem zielten, mit Göttlichem auf der Seite der mythischen Seherinnen, mit Dämonischem auf der Seite ihrer irdischen Kolleginnen. Die Weissagung ist dagegen in beiden Kulturen einhellig als eine Technik beschrieben, die dem Göttlichen nur mittels eines Systems der Vorzeichen begegnet. Die Zeichen werden meistens von einem Gott gesendet, interpretiert werden sie aber immer von Menschen. In beiden Kulturen ist Weissagung Männern kultischer oder gesellschaftlicher Stellung vorbehalten, die Prophetie dagegen Frauen, die oft außerhalb der gewöhnlichen gesellschaftlichen Hierarchie stehen. Was die Bewertung der Weissagung anbetrifft, finden wir zwischen den klassischen und altnordischen Quellen kaum Unterschiede. Die mantischen Haupttechniken behalten ihre Glaubwürdigkeit. Den Grund bildet das göttliche Vorzeichen, das auch spontan erscheinen konnte, in der Regel wird es aber im Kult aktiv hervorgerufen. Wichtigere Unterschiede finden wir wieder im Fall der Prophetie. Im Vergleich mit den geehrten Prophetinnen der klassischen Überlieferung ist die altnordische Seherin eher ein problematisches Individuum, das am Rande der Gesellschaft steht und das sich seinen bescheidenen Erwerb durch den Umgang mit den niedrigeren mythischen oder gar dämonischen Gestalten besorgt. Mit dem Verfall der sozialen Stellung der Seherinnen sinken auch die Zuverlässigkeit ihrer Sprüche und die Glaubwürdigkeit der Prophetie. Belegen diese Unterschiede eine Veränderung der religiösen Vorstellungen in den Zeiten, welche die klassischen von altnordischen Berichten trennen? Die feministische Forschung hat die Antwort sofort bei der Hand. Der Wechsel in der Bewertung der Prophetinnen ist für sie ein Beleg des Untergangs der „eigenständigen femininen Kultur, die zugrunde ging, oder – besser gesagt – vom kommenden Christentum, Schriftkenntnis und literarischem Establishment vernichtet wurde.“112 Dies ist selbstverständlich nicht wenig übertrieben: Wollen wir die altnordischen Quellen als Produkt eines „Establishments“ klassifizieren, müssen wir konstatieren, dass gerade dieses Establishment die Seherinnen als relativ wichtige Personen angesehen hat und sie wahrscheinlich höher schätzte als es der Rest der Bevölkerung tat.113 Auch das Christentum konnte mehr Verständnis für das Prophetentum haben (das ein positives Vorbild in dem alttestamentlichen Prophetentum hatte), als für die Weissagung, die als typisch heidnisches
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Kress 1990, S. 279. Die Vermutung, dass spá ein vornehmlich weibliches Genre war (Kress 1990, S. 281), bleibt unbeweisbar.
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Phänomen bewertet wurde.114 Erwähnen wir nur, dass das nordische Frühchristentum die mittelalterlichen Visionsphantasien fleißig übersetzte, z. B. die bekannten Prophetiae Merlini (altn. Merlínusspá), die um 1200 der Mönch Gunnlaugr Leifsson ins Altnordische übertrug, oder die Visio Tnugdali (altn. Duggals leiðsla), die wahrscheinlich nur ein wenig später anonym übersetzt wurde. Die christlichen Übersetzungen benutzen dabei ganz offensichtlich die Terminologie der älteren prophetischen Gedichte,115 als Vorbilder nennen sie aber keinesfalls die nordischen Seherinnen, sondern Daniel, den Meister der prophetischen Träume, oder König David, der ‘vielfache Prophezeiung’ (margfǫld spá) vorgetragen hatte.116 Dass die Prophetie zwischen dem Altgermanischen und dem Altnordischen wirklich eine Wandlung durchgemacht hatte, ist aber auch aus sprachlichen Gründen wahrscheinlich. Die gemeingermanischen Bezeichnungen des ‘Propheten’, das Adjektiv ‘prophetisch’ und das Verb ‘prophezeien’ (vitki, vitugr, vitka)117 sind in den altnordischen Quellen nur selten zu finden. Sie treten zurück vor den typisch nordischen Neuerungen: den Substantiven vǫlva, spákona, spámær und spámaðr für ‘Seherin’ bzw. ‘Seher’, dem Adjektiv spár (‘prophetisch’) und dem Verb spá (‘prophe114
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„[Prophetie] war fähig, verchristlicht zu werden, [Weissagung] nicht“ (de Boor 1964, S. 299; vgl. Wesche 1940, S. 92, 97). Nach der Meinung der Forscher verfolgte das Christentum besonders die aktive induktive Mantik (siehe Wesche 1940, S. 81; Jente 1921, § 142, ähnlich auch de Boor 1964, S. 296–298, 302; für Belege der christlichen Verbote siehe Meissner 1917, S. 3). Es muss aber bemerkt werden, dass die Milde gegen die Prophetie nur ihre literarische Form umfasste, mindestens in Skandinavien. Die mir zugängliche Forschungsliteratur erwähnt dort kein einziges Verbot der Weissagung, was einen seltsamen Kontrast zu der Unmenge an Verboten der Prophetie bildet. Die Strafen waren nicht gering: für die Ausübung der prophetischen Rituale (fara með spám, fara með spádómi), Gewähren des Hauses (húsa) zu prophetischen Ritualen, Vortrag der Prophezeiung (segja spár, fara með spásǫgur), Anfrage an Seherin (spyrja spádóm) und sogar für Anhören einer Prophezeiung ((h)lýða spám) konnte man sein ganzes Vermögen einbüssen und geächtet werden. Siehe Gtl § 28 (NGL I,17), Ftl III,15 (NGL I,152), Bj III 69 (NGL I,318), Btl II, 25 (NGL I,362), Btl III, 22 (NGL I,372), SvKr § 78 (NGL I,429–430), NGKr II, § 3 (NGL II,307–308), NGKr Suppl I 3 (NGL II,326–327), J § 65 (NGL II,385). In einigen Gesetzbüchern ist die Prophetie auf gleiche Ebene wie die Tötung gestellt. Siehe die Belege bei Dillmann 2006, S. 30–33. Dasselbe Vorgehen können wir aber auch im Fall von Weissagung beobachten (wenn auch nicht so oft). Siehe Dillmann 2006, S. 39. Merl II, 98,1–4; 99,1–4. Siehe Guðrún Nordal 1990, S. 211–212. Sie entsprechen dem ahd. wīzzago/wizzaga ae. wītega/wītege(stre) (‘Prophet’/ ‘Prophetin’), ahd. wizzig, ae. wittig (‘prophetisch’) und ahd. wīzzagōn, ae. wītegian (‘prophezeien’). Siehe de Vries 1962, s.v. vitki, vitugr, vitka; Wesche 1940, § 29; de Boor 1964, S. 284–298; Jente 1921, § 149.
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zeien’).118 Die gemeingermanischen Worte sind schon in den ältesten nordischen Sprachdenkmälern selten, und der Wandel der Prophetie ist darum kaum erst mit der Einführung des Christentums in Verbindung zu bringen. Auch der soziale Verfall der Seherinnen und der Verfall ihrer Glaubwürdigkeit sind wahrscheinlich viel früher zu datieren. ‘Vertraue nicht dem Schmeicheln der vǫlva’, warnen schon die eddischen Hávamál (98,3). Was nun die Gründe dieser Veränderung betrifft, sind wir auf Hypothesen angewiesen. Sie konnte mindestens zum Teil durch die aktive Lebensauffassung der Wikingerzeit verursacht werden, zu der – wie wir gesehen haben – die Weissagung viel besser als die Prophetie passte, zum Teil auch durch den exzessiven Individualismus und Rationalismus dieser Zeiten. ‘In jedem Pelzrock, wähn ich eine Hand’, warnen wieder die Hávamál (73,3–4), und die einführende Strophe desselben Gedichtes rät, sich schon beim Eingang die Lage der Türe anzusehen: ‘Denn es ist ungewiss, ob Feinde sitzen auf dem Bank vor einem’ (Háv 1,5–7). Der umsichtige Geist der Zeiten der permanenten Unruhe gebot, sich möglichst viel auf eigene Kräfte zu verlassen, und die Quellen berichten von einigen, die mit dem Opfern aufgehört und sich weiter nur ‘auf eigene Macht und Stärke’ (á mátt sinn ok megin) oder ‘auf sich selbst’ (á sik) verlassen haben.119 In dieser Situation müssen aber die problematischen Ansprüche der Seherinnen auf einen direkten Kontakt mit Gott wenig zuverlässig wirken. An Stelle des Vertrauens in Prophetie kommen Zweifel über die Erforschbarkeit der Zukunft,120 die Frage, inwiefern das Wissen von Zukünftigem nützlich ist,121 die Betonung des gesunden Verstands und der kaltblütigen Überlegung: ‘Vermutung des Weisen ist [die beste] Prophetie’, sagt ein altnordisches Sprichwort, ‘prophetisch ist die Rede der Weisen’, wieder ein anderes.122 Und manche in den Familien- oder Königsagas geschilderte Persönlichkeiten sind (ebenso wie die berühmten Helden der
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Dabei ist zu beachten, dass die (ältere) gemeingermanische Terminologie meistens vom „Wissen“ ausgeht, die (jüngere) nordische dagegen vom „Schauen“. Hängt es vielleicht mit dem Übergang von der intuitiven Prophetie der klassischen Quellen zu der inspirativen (und ab und zu fast ekstatisch geschilderten) Prophetie der nordischen Quellen zusammen? Siehe F. Ström 1948. Siehe z. B. Finnur Jónsson 1914, s.v. æfi. Siehe z. B. Háv 56,4–6. Spá er spaks geta und þat er spát er spakir mæla. Siehe Finnur Jónsson 1914, s.v. spá; Gering 1916, s.v. spá und Gehl 1939, S. 164. Vgl. auch die lateinische Übersetzung Saxos: Augur animus sapientis est (Gesta V,iv,3).
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Vorzeit) wirklich als „prophetisch“ gekennzeichnet,123 ohne dass dabei an irgendwelche prophetische Rituale gedacht wäre. Solche Stellen können wir sicher nicht als Belege der divinatorischen Schau verstehen, die auf einem Kontakt mit Numinosem begründet wäre: sie müssen eher als eine Bezeichnung der rein menschlichen Klarsichtigkeit und Voraussicht gelten, die wieder auf eine gute Abschätzung des Laufs der Dinge baut. Das zeigt z. B. die Beschreibung Gestr Oddleifssons, die sich in der Laxdœla saga findet (S. 108): Hann var hÄfðingi mikill ok spekingr at viti, framsýnn um marga hluti, vel vingaðr við alla ena stœrri menn, ok margir sóttu ráð at honum. Er war ein großer Häuptling und klugen Verstandes, er hatte Sehergabe in vielen Dingen, war gut befreundet mit allen größeren Männern im Lande, und viele suchten ihn heim, um sich Rat zu holen.
Es scheint, dass die dunkle und kaum kontrollierbare Beziehung zum Numinosen, das den eigentlichen Grund der Prophetie darstellte, in der Wikingerzeit schon so unsicher geworden ist, dass es nur wenige gab, die dazu geneigt waren, darauf ihre Handlung zu stützen. Die Prophetie blieb beschränkt auf die passive Beobachtung des Geschehens und auf die Bemühung, es zu verstehen. Diese Stellung wird klar in der Bewertung der prophetischen Träume demonstriert, die zwar als ein unfehlbares Vorzeichen der Zukunft galten, dennoch aber als nur wenig zuverlässiger Grund für die menschliche Entscheidung eingeschätzt wurden. „Ich lasse meinen Weg nicht durch Träume bestimmen“, ist ein Satz, den wir in verschiedenen Formen aus dem Munde mehrerer Sagapersönlichkeiten hören können.124
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Siehe Maurer 1955–56, II, S. 129–131. Von den Helden darf z. B. der oben erwähnte Sigurd genannt werden, siehe Vǫls, S. 56 oder Þiðr, S. 346. Ekki læt ek drauma ráða fǫrum mínum (BjH, S. 196). Vgl. z. B. ‘Für gewöhnlich hängen wir keinen Träumen nach’ (Lítt rekju vér drauma til flestra hluta – Nj, S. 295).
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Eddalieder werden zitiert nach Neckel / Kuhn 1983 mit den dort verwendeten Siglen, Skaldengedichte nach Finnur Jónsson 1912, 1915, die Siglen nach Finnur Jónsson 1913–1916.
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The Hanging, the Nine Nights and the “Precious Knowledge” in Hávamál 138–145: The Cultic Context by OLOF SUNDQVIST In the Eddic poem Hávamál (138–145) it is mentioned that the god Odin hung on a windy tree for nine long nights, “dedicated to Odin, myself to myself”. The myth which seems to be behind the text was probably essential in the ancient Scandinavian religion. Several Viking Age skalds alluded to it when calling Odin hangaguð (cf. hangatýr) ‘the hanging god’, hangi ‘the hanging one’, galga valdr ‘the lord of the gallows’, galga farmr ‘the gallows’ burden’ and Váfuðr ‘the swinging one’ (= ‘he who swings [dangles] in the gallows’).1 However, the interpretation of the passage in Hávamál has been controversial among historians of religions (see below). In the present study, I intend to illuminate the cultic contexts of this passage, by focusing on “the nine nights” and “the precious knowledge” Odin gained on the tree. I will argue that the myth reflected in the poem once corresponded with an actual transition ritual which concerned cultic leaders. But before I present my arguments for that, I will first say some words about the text, and about previous interpretations of this passage.
The text and previous interpretations Hávamál, as a complete poem, has only survived up to the present via one witness, namely the famous Codex Regius, which usually is dated to ca 1270.2 Since the skald Eyvindr skáldaspillir quotes some stanzas from this poem (st. 76–77) at the end of his own lay Hákonarmál (ca 960) scholars 1 2
See Falk 1924, pp. 15, 32. The poem has been published in several editions. In this essay, I use the fifth edition of Gustav Neckel’s Edda. The poem has been translated to English by Carolyne Larrington, which is the version I quote here.
Olof Sundqvist
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have supposed that it was known in Norway as early as the 10th century.3 There has been a consensus in research that Hávamál, as it appears in Codex Regius, is not a uniform poem, but rather consists of several separate lays. Arthur Hazelius suggested that it contained five lays,4 while Finnur Jónsson argued that it consisted of seven lays.5 In the most recent contribution, Ottar Grønvik felt that the text has mainly three general parts (st. 1– 77; st. 78–110, st. 111–164), with the two latter sections containing interpolations and secondary materials. Even if Grønvik argued that the passage 111–164 constitutes a coherent unit, he, as well as many other scholars, assumed that the stanzas 138–145 contain a separate sequence which is clearly demarcated.6 In the paper manuscripts, this mythic episode is called Rúnatalsþáttr Óðins or Rúnaþáttr Óðins. Odin seems to be the narrator and main character there (see further below). The Asa-god states that he once hung on a windy tree (138–141): Veit ec, at ec hecc vindgameiði á nætr allar nío, geiri undaðr oc gefinn Óðni, siálfr siálfom mér, á þeim meiði, er mangi veit, hvers hann af rótom renn.
I know that I hung on a windy tree nine long nights, wounded with a spear, dedicated to Odin, myself to myself, on that tree of which no man knows from where its roots run.
Við hleifi mic sældo7 né við hornigi,
No bread did they give me nor a drink from a horn downwards I peered I took up the runes, screaming I took them, then I fell back from there. Nine mighty spells I learnt from the famous son
nýsta ec niðr; nam ec upp rúnar, œpandi nam, fell ec aptr þaðan. Fimbullióð nío nam ec af inom frægia syni 3
4 5 6 7
See Grønvik 1999, p. 9. The introduction to stanza 81in Hávamál presupposes further cremation, which also indicates a pre-Christian background for at least that part of the poem. See Grønvik 1999, p. 26. Hazelius 1860. Finnur Jónsson 1924. See Grønvik 1999, p. 45. Cf. e.g. Finnur Jónsson 1924. Grønvik stated that the poem Hávamál actually only consisted of the stanzas 111–164. The reading of the first (probably negated) verb in stanza 139 is debated. Both sældo (*sæla ‘to make happy’) and seldo (selja ‘selge, d.e. levere varer til en mot betalning’ alt. ‘overdra, overgi noe eller noen til en annen’; cf. Got. seljan ‘ofre’, d.e. ‘overdra noe til en gudom’) have been suggested. See Finnur Jónsson 1924, p. 147; Grønvik 1999, p. 47. From the context of the stanza, it may be assumed that the subject of the sentence is denied both bread and drink.
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Bǫlþors, Bestlo fǫður, oc ec drycc of gat ins dýra miaðar, ausinn Óðreri.
of Bolthor, Bestla’s father, and I got a drink of the precious mead, poured from Odrerir.
Þá nam ec frævas ac fróðr vera oc vaxa oc vel hafaz; orð mér af orði orðz leitaði, verc mér af verki vercs leitaði.
Then I began to quicken and be wise, and to grow and to prosper; one word found another word for me, one deed found another deed for me.
In the stanzas 142 and 144 the narrator turns towards another person, whom he calls “you” (þú) and orders him/her to find the great and powerful runes. In this passage there are also several questions posed concerning the runes and the handling of sacrifices. In my opinion the stanzas 142–145 can therefore be connected with the sequence 138–141, since the theme of runes is so crucial in both parts. The whole passage (138–145) has given rise to several different interpretations in the field of history of religions. It was early noticed that the hanging reflected some kind of “self-sacrifice”. This sacrifice resembled the death of Christ on the cross. Sophus Bugge, for instance, stated that the self-hanging of Odin corresponded with the Christian crucifixion, which during the Middle Ages was regarded as “a hanging in the gallows” (cf. Lat. pendente in patibulo).8 Both Christ and Odin were stabbed or pierced with a spear “in the gallows”. In both cases the deity sacrificed himself to the god (the Father/Odin). Bugge thus argued that the stanzas in Hávamál were strongly affected by Christian notions. His interpretation was quickly criticized, however. There are namely not only similarities but also important differences between the traditions. While Christ died on the cross, Odin continued to live after the hanging. The death of Christ was the perfection of his lifetime achievements, while “Odin’s consecration” only was the beginning of his activities.9 It has also been shown that the death of deities and ritual hangings must not be conceived as exclusively Christian features. Such notions and rituals also occur in other religions.10 Ritual hangings, for instance, appear in Euro-Asiatic cultures, mainly in shamanistic contexts. According to several scholars similar “shamanistic rituals” also existed in ancient Scandinavia, in connection with the ON seiðr.11 8 9 10 11
Bugge 1881–89, pp. 291 ff. Sijmons / Gering 1927, pp. 146–147. See also Finnur Jónsson 1924, p. 146. See e.g. Pipping 1928, p. 1; van Hamel 1932, p. 260. See e.g. Pipping 1928; Lid 1942, p. 131. About ON seiðr and shamanism, see Strömbäck 1935. For a critical discussion on whether the seiðr in Eiríks saga rauða (the locus classicus of the seiðr) can be considered as shamanistic, see Dillmann 2006, pp. 269–308.
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Bugge’s “Christian interpretation” of the “Odin-myth” was eventually considered to be obsolete,12 and the passage in Hávamál was referred to “als einen echt nordischen [Mythus]”.13 However, many scholars continued, like Bugge, to focus on the suffering of Odin. A. G. van Hamel, for instance, felt that Odin by means of his voluntary martyrdom (the hanging, the stabbing with a spear, the exposure to the wind, and the fasting) raised his magical power to its pinnacle and developed his ásmegin ‘divine strength’.14 With the support of this power, Odin was able to take up the runes. It seems as if van Hamel meant that the process in the poem rather should be interpreted as some kind of initiation ritual,15 even if he occasionally applied an unconventional terminology. van Hamel’s interpretation was in any case influential, and it was taken up by many scholars.16 Other interpretations of the passage in Hávamál have also been suggested. James L. Sauvé, for instance, argued that the hanging should foremost be regarded as a prototypical human sacrifice.17 He focused on the verb gefa appearing in the poem, which in ritual contexts mainly has the meaning ‘sacrifice’.18 In, for instance, Gautreks saga, gefa appears in connection to a sacrifice. In this narrative, the hero Starkaðr hung King Víkarr in a calf intestine as he simultaneously stabbed him with a spear (reed) and recited the formula: Nú gef ek þik Óðni ‘Now I give (sacrifice) you to Odin’.19 The stabbing and hanging resemble the process in Hávamál. Sauvé’s main argument, however, was the structural correspondence between “the myth of Odin” and Adam of Bremen’s description of the sacri12
13 14
15 16
17 18 19
E.g. van Hamel 1932, p. 260. Several researchers have, however, stated that Bugge’s hypothesis cannot be rejected without well-founded arguments and comments. See e.g. Turville-Petre 1964, pp. 42 ff.; Näsström 2001, pp. 166–167. Sijmons / Gering 1927, pp. 147. Folke Ström (1947, p. 62) has, on well-founded grounds, questioned van Hamel’s interpretation of ásmegin as an old pre-theistic concept and belief in an impersonal power. van Hamel’s theory is permeated with problematic evolutionistic reasonings. van Hamel (1932) argued, for instance, that the verb gefa meant ‘consecration’ at an initiation ritual. Sijmons / Gering (1927, p. 147) regarded the passage as a reflection of an old initiation ritual as early as 1927 and suggested that the sequence gefinn Óðni should be interpreted as ‘dem Óðinn geweiht’. See also e.g. Pipping 1928, p. 9; Höfler 1934, pp. 232 ff.; Ström 1947, p. 61; Schjødt 1993; Grønvik 1999. Fleck (1971) tecters between the interpretations of initiation and sacrifice. Sauvé 1970, pp. 179 ff. Sauvé polemized mainly against the ideas of van Hamel 1932. Sauvé 1970, p. 179. Gautreks saga, ed. Guðni Jónsson 1950, p. 31.
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ficial rituals in Uppsala.20 In both cases, the victims were hung in a holy tree (axis mundi) and injured enough that blood was vented. Moreover, numeral nine seems to be crucial for the rituals both in Uppsala and Hávamál. However, Sauvé overlooked some significant differences in these descriptions.21 According to Adam, the victims in Uppsala were hung in a sacred grove rather then in a specific tree as in Hávamál. Admittedly, one such holy tree occurs in Adam’s text.22 However, no sacrifices or hangings are mentioned in connection to it. The parallels emphasized by Sauvé between the sacrifices in Uppsala and the hanging in Hávamál are actually quite nonessential.23 More important aspects of the “Odin myth”, such as the rebirth of the god and his new knowledge, are not thoroughly discussed by Sauvé. Nor does he comment sufficiently on how the suffering and fasting of Odin can be explained in a sacrificial context. The suffering seems to be an essential aspect of the narration, and should therefore not be disregarded. Nor does Sauvé take the source value of Adam’s text into account, or the question as to whether human sacrifices really existed in Viking Age Uppsala. Many scholars have felt that Adam deliberately exaggerated the description of human sacrifices.24 It was part of his mission strategy and his rhetorical discourse. It has even been suggested that human sacrifices cannot be attested in reliable written sources referring to ancient Scandinavia.25
The hanging as an initiation ritual Two major lines of interpretations may thus be discerned in the research on the “Odin-passage” in Hávamál. Some scholars advocate that the stanzas reflect an initiation ritual, while others uphold that they should be interpreted as a sacrifice. Since there are serious problems connected with the sacrifice theory, the initiation interpretation should in my opinion be given priority (see above). The historian of religions Jens Peter Schjødt has in addition shown in a convincingly manner that the course of events in Hávamál from a phenomenological perspective better fits into the category
20 21 22 23 24 25
Adam IV, pp. 26–27. Cf. Schjødt 1993. Adam, scholion 138. See e.g. Schjødt 1993, pp. 265–266. See e.g. Hultgård 1997. E.g. Hultgård 2002.
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of initiation than of sacrifice.26 Sacrifices signed with a do-ut-des-character usually have four distinctive elements: (1) a giver (the sacrificer); (2) a gift (the sacrificial object); (3) a receiver (the deity or supernatural being); and (4) a gift in return from the divine power.27 The reason why this typology cannot be applied to the “Odin myth” is due to the fact that the elements 1-2-3 in Hávamál display a complete identity, i.e. all three refer to Odin. In an actual sacrificial context these elements are separated from each other: The sacrificer is a human being, and the sacrificial object may be an animal, a plant or an article, while the receiver is a supernatural being. The gift in return from the deity may be good weather, peace or health, etc. The phenomenological category initiation ritual is constituted by the same mental figure as “sacrifice” (i.e. a sacrificer, a sacrificial object, a receiver and a gift in return),28 however, there is an important difference. In initiation contexts “the sacrificer” (i.e. the person who is going to be initiated) and “the sacrificial object” are always identical. The receiver is the god to whom the initiated individual is consecrated. The gift in return is often the necessary knowledge the initiated individual must master in his/her new social role and environment. Thus, in a structural sense the passage in Hávamál better suits into the category of initiation than of sacrifice. Odin sacrifices himself to himself, and receives as a gift in return new knowledge necessary for his future roles. His suffering and trials (the cold wind and starvation) also excellently fit into an initiation context.29
26
27 28 29
Schjødt very carefully discusses possible interpretations of the Odin myth. According to him, the categories “sacrifice” and “initiation” are built on the same mental figure which makes it hard to decide in what direction the myth should be interpreted. After long and focused reasoning he concludes that it seems as if the category “initiation” fits best in this context. See Schjødt 1993, pp. 271–272; cf. Grønvik 1999, p. 17. See Hubert / Mauss 1964, pp. 100–101. On initiation rituals in general, see van Gennep 1960. For this typology, see Schjødt 1993. This was noticed by Sijmons / Gering 1927, p. 147; van Hamel 1932, pp. 267 ff.; see also Ström 1947, p. 61.
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Fig. 1. On this Gotlandic picture stone Hammars (I), Lärbro parish, a man is hanging in a tree. Most likely it is only a symbolic hanging, since his feet touch the ground. One man is stabbed with a spear on a platform. Above him there is a socalled “valknut” with nine points. Perhaps this scene reflects an initiation ritual. The hanging, stabbing and the nine points on the symbol give associations to Hávamál. Photo: Marie-Louise Sundqvist.
The nine nights, changes, and ritual transformations In the stanzas referring to Odin’s self-hanging in Hávamál, the numeral nine seems to play an important role.30 Especially the nine nights mentioned in the passage have been discussed in previous research. Hugo Gering, for instance, was content with the conclusion that it seemed to refer to a “mystische, heilige Zahl”.31 Waltraud Hunke tried harder, and argued that the nine nights in this passage may have symbolized the nine months of 30 31
On the symbolic significance of numeral nine in general, see e.g. Mogk 1915–16, pp. 312 ff.; Sundqvist 2007, pp. 126 ff. Sijmons / Gering 1927, p. 148.
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pregnancy. She stated that the myth actually reflected the symbolic birth of Odin. When Odin fell from the tree he started to thrive and grow (þá nam ec frævaz … oc vaxa). The expression nam at vaxa often occurs in connection to newborn children in other sources as well.32 According to Hunke, this birth actually harmonized with the symbolic rebirth often appearing in the symbolism of transition rituals.33 Even if Hunke’s theory regarding the birth of Odin from the tree after nine months of pregnancy seems to be somewhat taken from thin air, her interpretation indicates an important aspect, namely that the nine nights in the poem should not be referred to as only a general “magical numeral”. It marks a liminal phase where a transformation is taking place. This process of change continues over the course of nine nights.34 I must therefore agree with some parts of Hunke’s interpretation. The nine nights in Hávamál should be associated with the liminal phase of the transition ritual. There is a period of waiting for nine nights, and then a radical change takes place for the individuals involved in the ritual (in this case, Odin). This interpretation can actually be supported by evidence from several Eddic poems and Snorra Edda. The poem Skírnismál (For Scirnis) stanza 41, for instance, narrates that Freyr has to wait nine nights before he can join Gerd at the grove called Barri and there make love to her. Thor, disguised to Freyja, yearns “for eight nights” in Þrymskvíða (st. 26, 28), before she/he on the ninth night can then join the giant Thrym. In the myth 32
33
34
See e.g. Rígsþula st. 22. In Hunke’s (1952) argumentation the name Bestla (< *Bastilōn-) plays a decisive role. Hunke felt that this name had the meaning “die Rinde, die das Leben im Baum umhüllend schützt” and that Bestla can be conceived as a “mother tree” from which Odin was born. Other sources support that these kinds of conceptions existed in more ancient times. See e.g. ON barnstokkr ‘the child tree’, which refers to a tree growing in the middle of the hall of the Völsunga family, according to Völsunga saga, ed. Jónsson / Vilhjálmsson 1943, pp. 6– 7. Similar notions in connection to initiation rituals appear in the Hellenistic mystery cults. Jan Bergman (1972) has treated a passage in Apuleius concerning the initiation to the Isis-mysteries. According to Apuleius there was a period of ten days during which the mystic Lucius must keep abstinence. He should not eat meat or drink wine. Bergman interprets this fasting and abstinence period as a symbolic pregnancy which resulted in the rebirth of the mystic. In ancient Egypt, the idea of ten months of pregnancy was applied. Gro Steinsland (2002, pp. 97–98) has made a similar observation connected to number nine, but in another context. She argues that the waiting period during these nine nights is associated with the liminal phase in the royal inauguration ritual. Andreas Nordberg (2006) argues that the “nine nights”, in a modern sense, actually refers to eight nights, since the ancient Scandinavians used an inclusive mode of calculation.
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about Niord och Skadi,35 Snorri narrates that the god wants to be near the sea, while the goddess/giantess36 likes to be in the mountains near her father Thiassi: “They agreed on this, that they should stay nine nights in Thrymsheim and then alternate three37 nights at Noatun”. This myth has been interpreted as a reflection of “the disappearing of the goddess” during the change of seasons, similar to the Greek Persephone-myth.38 In Grímnismál (including “the prose introduction” and “the prose end”) Odin is placed between two fires for eight nights, and is tortured by starvation and heat. As in Hávamál, it seems as if Odin is suffering his martyrdom in order to obtain his intrinsic wisdom and power. On the ninth night, Odin reveals his identity and Geirrod intends to pull the god away from the fire. Geirrod takes the sword in his hand but loses his footing and plunges forward; the sword goes into him, and he is killed. Hence, the nine nights is connected to the transition of existence forms and status, from being alive to death. Sometimes this period of transition can be expressed in a different manner. Völuspá st. 56, for instance, tells that Thor at Ragnarök took nine steps with difficulty after his fight with the serpent, and then he died. The nine steps thus marked the transition from life to death. There is a period of waiting, and then a drastic change occurs. According to some mythical traditions, it seems as if the nine nights also measure the time it takes to travel from this world to the realm of death. In connection to the death of Baldr, Snorri tells that Hermod rode for nine nights through dark valleys to the Gioll bridge and then to Hel’s gate.39
The precious knowledge “The nine nights” in Hávamál thus acquire a more precise significance if we see them in the context of these sources. They measure the time it takes for a symbolic transformation, the transition from one status to another. In 35 36 37
38 39
Gylfaginning 23. See Dillmann 2005. Most textual editions (e.g. Faulkes 1982) follows Codex Regius: … en þá aðra .ix. at noatvnum. François-Xavier Dillmann has given good reasons for prioritizing the reading þau sættuz á þat, at þau skyldu vera .ix. nætr í Þrymheimi, en þá (aðrar) .iij. at Nóatúnum. “Ils convinrent qu’ils séjourneraient neuf nuits à Þrymheimr, puis trois (autres) à Nóatún”. This reading has support in Codex Trajectinus (… enn þa adrar jij. j Noatunum), Codex Wormianus (… enn þa .iij. að noatunum) and Codex Upsaliensis (… en .iij. i noatvnum). See Dillmann 1991. de Vries 1970 (1956–57), § 561; Dillmann 2005, p. 548. Gylfaginning 49.
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my opinion, this also indicates that Odin’s hanging in the tree in Hávamál should be seen as a transition ritual (rite de passage), connected with a symbolic rebirth and the gaining of precious knowledge. Odin is hanging “dead” in the tree for nine nights in order to take up the runes. During these nights he is in the liminal phase of the transition ritual, probably in a symbolic realm of death. He falls from the tree and a radical change takes place. He returns to life, learns nine powerful spells, and receives a drink of the precious mead. He begins to quicken and be wise, he grows and prospers. The narrator then poses questions concerning the runes (see stanza 144). These questions must be related to Odin’s recently gained knowledge: Veiztu, hvé rísta scal, veiztu hvé ráða scal? veiztu hvé fá scal, veiztu hvé freista scal?
Do you know how to carve, do you know how to interpret, do you know how to stain, do you know how to test out,
Then the narrator also poses questions regarding the handling of sacrifices, which perhaps should also be related to the new wisdom Odin has gained via the initiation ritual: veiztu, hvé biðia scal, veiztu, hvé blóta scal? veiztu, hvé senda scal, veiztu, hvé sóa scal?
Do you know how to ask, do you know how to sacrifice, Do you know how to dispatch, do you know how to slaughter?
It is possible that the verbs ON biðia ‘ask, request’, blóta ‘worship, sacrifice’, senda ‘send, offer in sacrifice’ och sóa ‘slaughter, kill, sacrifice’ all refer to different moments in the sacrificial ritual. Klaus Düwel stated it thus in his thorough investigation: “Es wird sich nicht um synonyme Opferausdrücke handeln, sondern jeder Begriff dürfte eine bestimmte Art von Opferhandlung betonen.”40 Each verb may thus refer to a specific ritual sequence, comprising a separate part of the complex sacrificial ceremony. The initiation ritual in the tree, continuing for nine nights, fundamentally changes Odin. He becomes a new type of god, comprising the knowledge of runes, powerful spells, and perhaps also the handling of sacrifices. Such knowledge was probably necessary for those who were supposed to conduct the public cult, i.e. the cult leader.
40
Düwel 1970, p. 234. See also Hultgård 1993, pp. 221 ff.
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Who is performing the initiation ritual? In connection to the interpretation lined out above, one question immediately arises: who is performing the ritual depicted in Hávamál? Who is the ‘I’ (ec) in stanza 138? Most scholars have felt that it is Odin himself.41 There is actually support for this assumption in the text, and the lines “wounded with a spear, dedicated to Odin, myself to myself”. This sentence clearly indicates that Odin is the narrator of the stanza. Ottar Grønvik, however, has argued that the subject in the Hávamál-passage is the old “thul” (ON þulr), i.e. a human cult leader and “priest” of Odin.42 According to Grønvik, this “thul” is the narrator from stanza 111 to the end of the poem. Grønvik argued, however, that the earthly “thul” during the initiation ritual in the tree, after exhaustion and physical pain, produced a feeling that he fused with Odin, via a so-called unio mystica.43 This is the reason why the “thul” is speaking in stanza 138 as if he was Odin himself. In my opinion, this type of divine representation is doubtful in this context. The concept unio mystica refers to the phenomenon when the mystic experiences a complete fusion with the deity.44 It occurs mainly in esoteric contexts, in connection to meditation, contemplation, and a concentrated facing inwards,45 not at the initiations of public cult leaders. There is nothing which actually indicates that the “thul” should be conceived as a mystic. The official called “thul” seemed to have been an outgoing character, and his activities took place in public milieus. In Hávamál stanza 111, for example, a “chair of the thul” (þular stóll) is mentioned. This expression probably refers to the high seat or seat of honour in the hall (cf. Háva höll), on which the “thul” was seated while performing as a public speaker or skald. This “public” context of the “thul” may also be seen in other sources. 41 42 43 44 45
E.g. Sijmons / Gering 1927, pp. 146 ff.
On ON þulr, see e.g. Sundqvist 2003a; 2003b; 2007. Grønvik 1999, pp. 50 ff. In the background of these kinds of experiences there are usually pantheistic images of gods present. See Marcoulesco 1993, p. 240. Ileana Marcoulesco (1993, p. 239) has shown that this type of experience can be achieved after long periods of contemplative and spiritual preparations: “In most religions it is arrived only in stages, at the end of a long strenuous path leading from merely ‘heightened’ awareness to the purgation of the soul or the self (via purgative), to its engagement on the meditative and the contemplative path (via contemplative), to final illumination (illuminative).” She also remarks that not all states of hallucinations and mental changes provoked by, for instance, ascetic methods or drugs should be categorized as unio mystica. See also Widengren 1969, pp. 517 ff.; Geels / Wikström 1985, pp. 240 ff.
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In the runic inscription on the Danish rune stone from Snoldelev (DR 248) at Sylshøj, Sjælland (650–800/900 e.Kr.), the following is said about the thul: kun uAltstAin sunaR | ruhalts þulaR âsalhauku(m) Gunvald’s stone, Roald’s son, thul in Salløv.46 The last sequence of the inscription may literally be interpreted as a salhaugum “on the hall mounds”.47 It indicates a connection between the “thul” and the representation hall (ON salr), where, for instance, the ceremonial banquets were celebrated.48 This place must be regarded as a representation room where different kinds of official meetings were held. It is possible that the “thul” took care of and recited mythical and judicial traditions during these meetings.49 In Beowulf an OE þyle called Unferth is mentioned. He appears as a public orator in the royal hall. It seems as if he also was King Hrothgar’s spokesman and a principal court officer. All relied on his wisdom: “There too sat Unferth the spokesman at the feet of the Skyldings’ lord [King Hrothgar]; all of them relied on his bold spirit”.50 Unferth was thus a public official, not a mystic occupied with introverted rituals. This opinion can also be supported by the meaning of þyle in OE glossaria. In one glossarium the word þyle glosses Lat. orator, ‘speaker, orator’ and in another Lat. scurra ‘joker, jester, practical joker’. It seems therefore hardly likely that the office of the “thul” was related to esoteric traditions including meditations and unio mystica-conceptions. Grønvik also argued that the “thul” during the whole passage (st. 111– 164) was located at an earthly cultic building called Háva höll ‘the High One’s [Odin’s] hall’. As an analogy to Háva höll he referred to the expression Þórs hof ‘Thor’s hov’, which designated an actual cultic building. This interpretation is not convincing either. While Torshov appears as a place name and thus indicates that it represented an actual cultic building, the expression Háva höll has no attestations in the “earthly” toponomy materials. Moreover, in stanza 111 it is explicitly mentioned that the “chair of the thul” (þular stóll) was placed beside the mythic well of Urd (Urðar
46 47 48 49
50
Moltke 1985 (1976), p. 158. The last part a salhaugum is constituted by a sal ‘hall’ + högar ‘mounds’. See Brink 1996, pp. 256–257. ON þulr ‘wise man, sage, orator, pagan priest’. The noun þulr is related to the verb ON þylja ‘speak, mumble, sing’. It indicates that the “thul” was some kind of orator. See Vogt 1927, p. 261. Beowulf 1165 ff.; cf. 1455. Translated.
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brunnr). This fact strongly indicates that the “thul” is identical to Odin and that he is acting in a completely mythical context.51 But even if Grønvik’s interpretation is not entirely convincing from a historian of religions’ point of view, it touches upon something essential, namely that the myth could have connections to an actual cultic situation. It could, for instance, have the function of being a prototypical pattern for the human actors performing the initiation ritual. In such a ritual, of course, the performer could be related to and represent the deity in different ways, even if this representation could not be described as a unio mystica-relation.
Cultic leaders, runes and powerful spells There are reasons to believe that it was a future cultic leader, perhaps a “thul”, who was to apply the prototypical hanging ritual of Odin in order to gain the knowledge of runes, spells and the handling of sacrifices. Several sources report that the “thul” had a specific connection with the Asa-god and the runes. In, for instance, Hávamál stanza 80 it is mentioned that the great powers made the potent famous runes, the ones of divine descent (reginkunnigr),52 while the mighty “thul” (fimbulþulr) (Odin?) later in the poem stained them (st. 142). Other sources report that the “thul” was occupied with poetry and perhaps also with spells. In the skaldic poem Íslendingadrápa stanza 18, and a lausavísa (st. 29) made by Rögnvald jarl, both dating from the 12th century, the term “thul” has the meaning ‘skald’.53 Odin’s connection with poetry and spells can be attested in many reliable sources.54 There is also a relation between the “thul”, Odin, and sacrifice in more recent sources. The famous Starkaðr, who sacrificed King Víkarr to Odin (see above), called himself þulr in Víkarsbálkr (st. 22).55 In a previous phase, before the Viking Age, there might have been a cultic office in Scandinavia connected to the skills of sacrifices, runes and spells, namely the one called erilaʀ. As the “thul” this cult leader also seemed to have had a specific relation to Odin.56 PNo. erilaʀ appears in eight (actually nine) runic inscriptions dating from the Migration Period 51 52 53 54 55 56
Scholars have assumed that the ON þulr and fimbulþulr in Hávamál is Odin. See e.g. Dillmann 1995, p. 16. See Dillmann 1995, p. 24. Skj B1, p. 486, p. 543. See Simek 2006 (1984); Sundqvist 2007, pp. 200 ff. Skj B2, p. 348. See Sundqvist 2007; Düwel 2008.
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(400–500 AD). The meaning of this word has been debated and different suggestions have been put forward, such as ‘priest’, ‘rune-master’, ‘a distinguished man’ or ‘a high office’.57 The relation between the erilaʀ and Odin is indicated in several ways. In the inscription of the Järsberg stone (Vr 1), for instance, erilaʀ has the by-name harabanaR (PNo. hrabnaʀ cf. ON hrafn) ‘raven’, which may be associated with the Odin’s heiti Hrafnáss ‘raven-As’ appearing in Viking Age skaldic poetry.58 In this inscription the erilaʀ not only carried the by-name (heiti) of Odin, but also appeared holding the same functions as the Asa-god, namely as carver of runes: … )haraban8aR (hait ek 8 erilaR runoR waritu … Hrabnaʀ hait(ē), ek erilaʀ rūnōʀ wrītu. … ‘Hrabn heiße ich; ich Eril (= Runenmeister) ritze die Runen’.59 The inscription on the spear-shaft from Kragehul (DR 196) (350–550 AD), Fyn, also indicates that the erilaʀ seems to perform in roles related to Odin, namely as a consecrator of spears: ek8eril8aRasugisalas9mu(ha(haite8ga8ga8gaginu8ga(he … lija … hagalawijubig … ek erilaʀ A(n)sugīslas mūha (oder Mūha) haitē. ga ga ga (= gibu auja oder gebu ansuʀ), ginu-ga. he[lma-tā]lija [oder: -[tā]lija[tō]) hagla wī(g)ju (oder: wī(h)ju) bi g[aiʀa] ‘Ich Eril (= Runenmagiker) heiße Ásgísls Gefolgsmann (oder: Sohn Muha). Ich gebe Glück (oder: Gabe-Ase) (dreimal), magisch-wirkendes (Zeichen) ga. — Helmvernichtenden (?) Hagel (= Verderben) weihe ich an den Speer.’60 This spear was deposed in a bog, which probably was considered an important cultic site during the Roman Iron Age and the Migration Period. It seems as if the cult leader erilaʀ consecrated the spear to the deity (or the deities) by carving runes on it, in order to create luck or harmony, or as a thank-offering to the god of spears, Odin (or the Asa-deities) after a successful battle.61 The runic sequence gagaga may contain concept runes 57 58
59 60 61
For different interpretations, see Düwel 1992, pp. 60 ff. On these names, see Falk 1924, p. 18; Krause 1966, pp. 157–158; de Vries 1970 (1956–57), § 372; Düwel 2001, p. 36. Fred Wulf (1994, p. 32) is critical to the assumption that PNo. hrabnaʀ in the Järsberg inscription refers to an Odin-heiti. Krause 1966, pp. 156–158. Krause 1966, pp. 65–67. Hultgård 1984, p. 69; cf. Hultgård 1998.
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(‘Begriffsrunen’) and could be interpreted as ‘I give luck’ or ‘gift to the Asa-deities’. Other sources also indicate that spear rituals were performed in similar contexts.62 In Hávamál, Odin gained nine powerful spells after his initiation. This also indicates a relation to the erilaʀ-institution. On the rune-and-animaldecorated object from Lindholmen (DR 261), Svedala parish, Scania, which has been interpreted as an amulet,63 an erilaʀ, called Sawīlagaʀ (or sa wīlagaʀ) is mentioned.64 A number of cryptic runes are carved in this inscription: aaaaaaaaRRRnnnxbmuttt and the “magic word” alu.65 It has been suggested that the repeated runes should be interpreted as “Begriffsrunen”, where each rune stands for its name. Some scholars have therefore related this inscription to a later Icelandic curse, called the kvennagaldur, where the narrating subject seems to be occupied with the carving of concept runes and the reciting of a galdr ‘magic spell, charm’: Risti eg þér ása áta nauðir níu þussa þrettán.
I carve against you eight æsiʀ, nine nauðir and thirteen þursar.
The subject thus carved eight a-runes (aesir ‘gods’), nine n-runes (nauðir ‘needs’) and thirteen þ-runes (þursir ‘giants’)”.66 In the Lindholmen inscription, there are exactly eight a-runes, which each may have represented the word áss ’god’, while the repeated n-runes perhaps represented each nauðr ‘need’. Hence, there are at least two pre-Christian cultic offices which probably comprised the handling of sacrifices, the art of runes and magic spells, namely the “thul” and the erilaʀ. These cult leaders may have worshipped Odin, the god who protected and also gave them their skills during the
62
63 64 65 66
The Eddic poem Sigdrífumál (st. 17–19) mentions that on the point of the mythical spear Gungnir runes were carved, shaved off, and scattered with sacred mead. Behind these words one can suspect ritual actions, where mead and runes were used in order to consecrate the spear dedicated to Odin. Perhaps similar rites were performed in connection to the deposition of the Kragehul spear. See e.g. Düwel 2001, p. 28, and his literature. See e.g. McKinnel et al. 2004, pp. 60–61. For interpretations of the sequence sawilagaR, see Elmevik 1999. Moltke 1985, p. 131. Moltke 1985, pp. 131–132. Compare this also with the phrase þurs ríst ec þér “I carve þ against you” in Skírnismál 36.
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painful initiation ritual which progressed over the course of the nine nights.67
Conclusions The relation between myth and ritual is not always obvious in ancient Scandinavian religion. It seems, however, as if the myth of Odin’s hanging, as reflected in Hávamál, includes a prototypical initiation ritual. It constitutes a mythical model and pattern which may have been imitated in a real cultic context. The nine nights in the myth represent the liminal phase of the transition ritual. During this phase, Odin undergoes a radical transformation. He returns to life after being symbolically dead. At the same time, his character and status are changed. He gains new knowledge about the runes, magic spells, and perhaps also about the handling of sacrifices. In one sense Odin now becomes a “mythic cult leader”. These skills were probably also necessary for the earthly cult leader to comprise, for instance the “thul” and the erilaʀ. Most likely it was the future cult leader who had to take part in the symbolic hanging of Odin in a real cultic context. For the cult leader, these rituals were probably necessary to perform in order to gain full legitimacy from the cultic community, and to be fully accepted as an adequate religious specialist.
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Perhaps the king was also supposed to control some of these skills. See e.g. Rígsþula 43–47. It is therefore also possible that the king took part in the hanging ritual during his initiation. See Fleck 1970.
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 669–679 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Skálda og heimur heiðni á Íslandi eftir SVERRI TÓMASSON Er einhver munur á skrifum miðaldamanna um heilaga menn kristninnar og samtíða fræðilegum athugasemdum þeirra um heiðni? Er ekki hvorttveggja innlegg í umræðu um trúarbrögð, heimssýn og skáldskap þar að lútandi? Þegar goðfræðingar nútímans fjalla um heiðinn sið hafa þeir að mestu tekið gildar heimildir eddu- og dróttkvæða sem og Snorra Eddu og jafnframt gert ráð fyrir að þær hafi oft lotið túlkun þeirra manna sem aldir voru upp í kristinni trú og höfðu tileinkað sér lærð vinnubrögð klerka og fornra og nýrra heimspekinga allt frá 6. öld fram til hinnar 13.1 En hvernig ber að skilja aðrar heimildir sem fjalla ekki beinlínis um heiðni heldur nota norrænan heiðinn sið til að útskýra heim og nöfn grískra og rómverskra guða? Og hvernig ber að túlka þær heimildir sem leggja út goðsagnir til skemmtunar í skáldskap? Ein aðalheimild okkar um heiðinn sið, Snorra Edda, verður naumast talin eitt höfundarverk í nútíma skilningi og vafamál hvort kalla megi hana „our first Germanic Religionsgeschichte“2 þótt óumdeilt sé að hún sé mikilsverð heimild um goðsagnir og jafnvel átrúnað norrænna manna. Óumdeilt er einnig að samjöfnun norrænna og grísk-rómverskra goðmagna er einnig fyrir hendi í Snorra Eddu, einkum í Prologus hennar. En svo mikill munur er á handritum verksins að gera verður ráð fyrir a.m.k. þremur gerðum sem allar hafa fram að færa sína sýn á viðfangsefnið, hina heiðnu veröld, skáldskap um hana, og álitamál hve mikið af efni verksins hafi átt upphaf sitt í huga Snorra Sturlusonar. Fyrsta fræðilega útgáfan á Snorra Eddu var gefin út af Jóni Sigurðssyni, Sveinbirni Egilssyni og Finni Jónssyni í þremur bindum á árunum 1848– 1887. Þar voru textar Konungsbókar, GKS 2367 4to, og Uppsalabókar, DG 11 4to, prentaðir í heild, ásamt köflum úr Wormsbók, AM 242 fol, og eftir
1 2
Schier 1994, s. 102–103; 1999, s. 27–29. Clunies Ross 1992, s. 633.
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því handriti voru málfræðiritgerðirnar gefnar þar út. Texti tveggja handritabrota, AM 748 I 4to og AM 757 4to var prentaður sér í 2. bindi (1852). Finnur Jónsson lagði síðustu hönd á þetta stórvirki, en segja má að hann hafi unnið að útgáfu Snorra Eddu alla ævi. Síðasta útgáfa hans er frá árinu 1931. Þar leggur hann Konungsbók til grundvallar en velur leshætti úr öðrum handritum. Í inngangi færir hann upp ættarskrá handritanna að hætti Karls Lachmanns.3 Handritin AM 748 I 4to (A) og AM 757 4to (B) hafa nokkra sérstöðu meðal handrita verksins. Fyrra handritið hefst á nokkrum eddukvæðum heilum og óheilum (lok Hárbarðsljóða, Baldursdraumar, Skírnismál, lokin vantar, Vafþrúðnismál, upphafið vantar, Grímnismál, Hymiskviða og loks í óbundnu máli upphafslínurnar sem fara á undan Völundarkviðu). Síðan tekur við brot úr ritgerð sem nefnt hefur verið Fimmta málfrœðiritgerðin og er þar fjallað um tvö stílfræðileg hugtök í brag,4 en á eftir þessum kafla byrjar svo Þriðja málfræðiritgerðin og lýkur á þessum orðum: Hér er lykt þeim hlut bókar er Óláfr Þórðarson hefir samansett ok upphefr skáldskaparmál ok kenningar eptir því sem fyrri fundit var í kvæðum hÄfuðskálda ok Snorri hefir síðan samanfæra látit. (SnE II 1852, s. 427–428)
Þessi póstur er einn þeirra vitnisburða að Snorri hafi fært saman Eddu eða ritstýrt og verður hlutur hans þó hvorki hér né í titli Uppsalabókar, þar sem sagt er að hann hafi sett saman Eddu, veginn til virks höfundarstarfs. Á eftir tilvitnuninni hér að ofan úr A sem mjög er torlesin hefst síðan runa af heitum og kenningum sem koma aðeins að nokkru leyti heim og saman við Snorra Eddu. Þennan kafla kallaði Müllenhoff Die kleine Skalda 5 og Finnur Jónsson tók það upp eftir honum í útgáfu sinni á Snorra Eddu 1931, prentaði allan kaflann í viðbæti útgáfunnar eftir A með lesbrigðum úr B.6 Finnur Jónsson sá glögglega að nokkur hluti A átti sér hliðstæðu í B og kafli sá sem Müllenhoff hafði gefið nafn kom aðeins fyrir A og B en ekki í öðrum handritum sem talin voru til Snorra Eddu. Hann var þeirrar skoðunar að A væri „et ret mekanisk samlingsarbejde ... men det er ikke mindre værdifuldt for det“.7 Hann virðist ekki hafa áttað sig á því að um sjálfstæða gerð Skáldskaparmála væri að ræða, enda þótt hann gerði ráð fyrir ofangreindum handritum sem sérstökum í ættarskrá sinni um handritin. Það sem styður þá skoðun að um sérstaka gerð sé að ræða, er niðurröðun efnisins í 3 4 5 6 7
Finnur Jónsson 1931, s. XXXVIII. Sverrir Tómasson 1997, s. 190–192. Müllenhoff 1883, s. 214. Finnur Jónsson 1931, s. 254–259. Finnur Jónsson 1931, s. XV.
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handritinu: Eddukvæðin fyrir framan, ritgerðir um túlkun kvæða og bragfræðilegan vanda og loks sjálf Skáldskaparmál í nokkuð breyttri gerð frá því sem þau eru í aðalhandritum verksins, en að meginhluta lík því sem þau eru í B. Hvorki Prologus, Gylfaginning né Háttatal hafa verið í þessum handritum að því er best verður séð.8 Þessi skipan leyfir þá ályktun að strax í upphafi 14. aldar ríki tvenns konar textahefð: annars vegar sú sem hefur efnisskipan líka því sem er í Wormsbók, Konungsbók og Uppsalabók, hins vegar sú sem hefur aðeins Skáldskaparmál með ritgerðum er skýra eiga efnið. 9 Í sínu stórmerka fræðiriti, Rímur fyrir 1600, kveður Björn Karel Þórólfsson enn sterkara að orði en Finnur Jónsson um AM 748 4to og AM 757 4to. Hann segir að rímnaskáld virðist hafa notað „uppsuðu þá úr Skáldskaparmálum, sem kölluð hefur verið Skálda hin minni og samin mun seint á þrettándu öld“.10 Björn Karel Þórólfsson vekur athygli á því að margar kenningar í rímum séu nýsmíði skáldanna en gerðar eftir goðsögnum. Hann nefnir sem dæmi úlfskenninguna kundur Lóðurs, en Lóður táknar hér Loka, „hann var faðir Fenrisúlfs, en um alt úlfakyn má hafa sömu kenningar sem um Fenrisúlf“.11 Upphafskafli AM 748 4to og AM 757 4to er einmitt dæmi um nýsmíði í skáldskaparfræðum og ástæðulaust að telja þær kenningar rangar sem rekja má til þeirra. Skálda hin minni er einmitt gott dæmi um lifandi hefð, hvernig skáldskapur og goðsagnir lifa hlið við hlið. Björn Karel Þórólfsson minnist einnig á kenninguna mein Bölverks um skáldskap, en sögnin um flug Óðins með skáldamjöðinn lifir góðu lífi langt fram á 16. öld eins og glöggt má sjá í Smáskáldavísum Halls Magnússonar (d. 1601).12 Af öðru tagi eru rímur þar sem ort er út frá þekktu efni í Snorra Eddu eða eddukvæðum. Lokrur eru t.d. ekkert annað en frásögn af för Þórs til Útgarða-Loka í bundnu máli en samtöl í rímunni gætu bent til þess að hún hefði verið flutt sem spil, leikur. Slíkur frásagnarmáti kemur þó enn betur í ljós í Þrymlum, þar sem eddukvæðinu er snúið upp í galsafengið spil.13 Frumlegasta meðferðin á goðsagnaefni er þó í Skíðarímu. Þar sækir föru8 9
10 11 12 13
Anthony Faulkes telur ógerlegt að skera úr um hvort umrædd handrit hafi haft að geyma aðra parta Snorra Eddu (Faulkes 1982, s. xxx). Það er rétt hugsanlegt að miðaldamenn hafi kallað handrit eins og AM 748 4to Skáldu, nafn sem reyndar kemur fyrst fyrir í ritkorni, Qualiscunque Descriptio Islandiae, sem eignað hefur verið Oddi biskupi Einarssyni og samið seint á 16. öld. Sjá Sverrir Tómasson 2002, s. 210. Björn Karel Þórólfsson 1934, s. 89. S. r., s. st. Nokkur erindi úr Smáskáldavísum hafa verið gefnar út af Páli E. Ólasyni 1926, s. 525–526; sbr. einnig Sverrir Tómasson 1996, s. 50–51. Sverrir Tómasson 2005, s. 77–94.
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maðurinn Skíði Óðin heim í Valhöll og sleppur þaðan bólginn og blár. Skíðaríma er ekki ort beint eftir goðsögum en líta verður á hana sem kristna túlkun: Valhöll er samheiti fyrir víti og brugðið er upp veröld tveggja heima, kristins og heiðins með ærslum og gamansemi líkt og í Þrymlum. Skíði hefur í hendi staf eins og fífl; honum til háðs er hann gerður að konungi líkt og í föstuleikjum.14 Þrymlur og Lokrur eru varla ortar fyrir 1400; þær geta verið mun yngri og eru varðveittar í handriti frá 16. öld og ætlaðar áheyrendum eða lesendum sem þekktu veröld ása og goðmagna. Skíðaríma er líklegast ort á 16. öld. Björn Karel Þórólfsson hyggur að höfundur Lokra hafi farið eftir texta Konungsbókar og Wormsbókar, en vel er líklegt að hann hafi haft efnið eftir sagnamönnum. Sennilegt er og að hann hafi þekkt Lokasennu.15 Í öllum þessum skáldskap birtist heiðinn heimur í nýrri túlkun, veröld ása birtist eins og hún væri í heimkynnum íslensks almúga; skáldskapurinn er samt ekki eftirlíking á gömlu efni. Aðrar rímur sem ortar eru fyrir 1600 sýna oft mikla þekkingu á goðsagnaefni í kenningum en sumt af því kann að vera kunnátta sem bundin er íhaldsömu og síendurteknu málfari kveðskaparins fremur en þekkingu á goðsögum. Ef þú villt hljóta úr kasti, tak teningana þína ok graf þá niðr fyrir norðan garð kirkju þrjár nætur, aðrar þrjár fyrir sunnan ok þrjár fyrir austan, síðan lát á alltari undir dúk þrjár messur, síðan kasta upp í hendi þér með þessum orðum: Ek særi þik Þór ok Óðin fyrir Krist enn krossfesta, at þit þversýnit á teninga þessa. Ok í annat sinn kasta upp ok seg svá: Ek særi þik fyrir Enok ok Heliam. Ok í et þriðja sinn særi ek þik fyrir Frigg ok Freyju, Þór ok Óðin ok fyrir helgu mey frú sankte Marian at þú FjÄlnir falla látir þat, er ek kasta kann. (Den islandske lægebog 1907, s. 14.)
Þessi klausa kemur eins og skrattinn úr sauðarleggnum inn í aðrar særingar sem fremst standa í lækningabókinni AM 434 a 12mo, handriti frá 15. öld. Teningakast er að jafnaði ekki haft á orði í þess háttar ritum og ekki er vitað til þess að æsir hafi verið til kallaðir við slíka leiki. Klausan sýnir þó að trúin á Krist og Maríu er yfirsterkari hinum heiðnu goðmögnum. Kristur og María eiga að stuðla að því að gott kast komi upp. Æsir eru aðeins aðstoðarmenn. Ef til vill væri rétt að kalla þetta trúblendni. Í Wormsbók, AM 242 fol, standa málfræðiritgerðirnar fjórar. Fyrir framan þær er formáli sem er merkilegur fyrir margra hluta sakir. Svo hefur verið talið að handritið hafi verið skrifað á Þingeyrum en ekki er það þó fullvíst. Óvíst er einnig hvort sá sem setti saman Fjórðu málfræðiritgerðina sé sami maðurinn og sá sem samdi formálann, en Sveinbjörn Egilsson hélt 14 15
Sverrir Tómasson 2000, s. 305–320. Björn Karel Þórólfsson 1934, s. 306.
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því fyrstur fram að höfundur þeirrar ritgerðar væri Bergur Sokkason sem um hríð var munkur á Þingeyrum. Í formála ritgerðarinnar standa þessi orð: En nú sk‹al› lýsa hversu ný skáld ok fræðimenn ok einkanliga klerkarn‹ir› vilja lofaz láta, hversu kveða skal, ok ónýta eigi at heldr þat sem fornir menn hafa framit, utan þat sem klerkligar bækr banna, því at þat er náttúruligt at menn sé nú smásmuglari sem fræðibækrnar dreifaz nú víðara. (Den tredje og fjærde grammatiske afhandling 1884, s. 153)
Vert er að staldra við fyrstu setninguna; ritstjórinn talar um ný skáld, fræðimenn, og klerka — ekki verður séð að átt sé við sömu stétt. Og þar sem hann minnist á að fræðibækrnar hafi dreifst nú víðara er rétt hugsanlegt að hann eigi við rit eins og Skáldu hina minni, þó að líklegra sé að hann hafi í huga nýja skáldskaparfræði sem tekið er að örla á í kveðskap 14. aldar: einföldun skáldamálsins, eins og skýrast kemur fram í Lilju Eysteins Ásgrímssonar og í Ánsrímum.16 Forvitnilegt væri og að vita hvað það væri sem klerkligar bækr banna. Að öllum líkindum er átt við heiðnar, klassískar bókmenntir og þá fremur lýsingar á samskiptum kynjanna en frásögur um æsi og skáldskaparfræði í gömlum stíl enda vill ritstjóri málfræðiritgerðanna ekki ónýta það sem fornir menn hafa framit; Snorra Edda sjálf fylgir textum málfræðiritgerðanna. Það er og alkunnugt að klerkar þeir sem vélt hafa um erlendar helgisögur þekkja til norræns heiðins siðar og notfæra sér það að nokkru leyti þegar þeir miðla efninu til áheyrenda sinna á Íslandi og í Noregi, enda þótt töluvert skorti á nákvæmni í túlkun þeirra og þýðingum. Á Sjötta alþjóðlega fornsagnaþinginu á Helsingjaeyri 1985 flutti Mattias Tveitane fyrirlestur sem hann nefndi Interpretatio Norroena. Norrøne og antikke gudenavn i Clemens saga. Þar fór hann í saumana á því hvernig goðheimur grískra og rómverskra birtist í norrænu gervi í Klemens sögu páfa og lagði til grundvallar textann í AM 645 4to sem fram að þeim tíma hafði verið gefin út af C. R. Unger og Ludvig Larsson. Tveitane var mest umhugað um að sýna fram á hvernig þýðendur höfðu jafnað saman tveimur goðheimum. Hann komst m.a. að því að þýðingin í AM 645 4to var sumsstaðar aukin miðað við þann latneska texta sem stóð næst honum. Íslenski þýðandinn fór á flug þegar hann taldi upp norrænu heiðnu goðin og lét standa í stuðlum.17 Nær tveimur áratugum síðar fór Simonetta Battista18 nánar í þá kafla í norrænum helgisögum þar sem norræn heiðin goð eru nefnd á nafn. Niðurstaða hennar var sú að mjög mikið ósamræmi væri í 16 17 18
Peter Foote 1984, s. 249–270; Sverrir Tómasson 1996, s. 37. Sbr. Tveitane 1985, s. 1079. Battista 2003, s. 175–197.
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samjöfnuði þessara tveggja heima. Það kemur reyndar ekki á óvart; mismunandi túlkun má sjá strax í Prologus Snorra Eddu og síðast en ekki síst í Trójumanna sögu. Túlkun af þessu tagi virðist hafa verið algeng og hennar má sjá stað allt fram á daga Árna Magnússonar en segja má að hann gangi af henni dauðri, a.m.k. í ritum fræðimanna. Klemens saga páfa er til í tveimur handritum, AM 655 XXVIII a 4to, sem er aðeins brot og í AM 645 4to þar sem hún er fyllri en þó óheil. Þessi handrit hafa verið talin skrifuð á fyrsta fjórðungi 13. aldar eða allmiklu fyrr en Codex Regius af eddukvæðum og öll handrit Snorra Eddu. Fyrra handritið virðast þeir Unger og Larsson ekki hafa þekkt. Síðast gaf Dietrich Hofmann söguna út með samræmdri stafsetningu og hann þekkti bæði handritin. Ein frægasta lýsingin á norrænum goðum í AM 645 4to hljóðar svo: En þá oúémþ. oc ovirþiŋ. veiter hann óþne. ór lausna fuÉom oc hvaröúeme. at sia clemens caÉar hann. fia˜da oc ohreinan a˜da. En hann qveþr freyío portkono verit hafa. føler hann freý. En hrøper heimdÃÉ. la`s´tar hann loca meþ úløgþ sina. oc v¡la¨. oc caÉar hann oc iÉan. hatar hann høni. Bølva¨ hann baldri. Tefr hann tý. Niþer hann ˜io¨þ. IÉan seger `hann´ ull. flimter hann frig. En hann gÍr gefion. Sekia dømer hann úif. (AM 645 4to: 22v3–10.)
Með samræmdri stafsetningu verður klausan svo: En þá ósæmð ok óvirðing veitir hann Óðni órlausna fullum ok hvarfsemi, at siá Clemens kallar hann fiánda ok óhreinan anda. En hann kveðr Freyiu portkonu verit hafa. Fœlir hann Frey, en hrœpir HeimdÄll, lastar hann Loka með slœgð sína ok vélar ok kallar hann ok illan, hatar hann Hœni, bÄlvar hann Baldri, tefr hann Tý, níðir hann NiÄrð; illan segir hann Ull, flimtir hann Frigg, en hann geyr Gefion, sekia dœmir hann Sif.
Í Postola sögum Ungers19 stendur Heimdaull, en í útgáfu sinni á AM 645 4to prentar Larsson *heimdall 20 og telur að undir límingarstafnum sé punktur og hann sýni að skrifarinn hafi leiðrétt sig, viljað skrifa heimdall. Stækkun stafsins á mynd sýnir að ekki er um punkt að ræða heldur örlitla lykkju neðan úr aftasta legg límingarstafsins.21 Þetta er því ekki leiðrétting enda stenst orðmyndin Heimdǫll fullkomlega. Dietrich Hofmann hefur í
19 20 21
Postola sögur 1874, s. 146. Larsson 1885, s. 67. Ég hef borið þennan lestur undir tvo samstarfsmenn mína, Ólaf Halldórsson og Guðvarð M. Gunnlaugsson; hafa þeir báðir tekið undir með mér að um lykkju sé að ræða en ekki punkt eins og Larsson hugði.
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útgáfu sinni tekið upp leiðréttingu Larssons.22 Leiðréttingin fær stuðning af texta brotsins AM 655 XXVIII a 4to sem varðveitir einmitt þennan stað: eíðir hann blot ÃÉ. Segir hann at þo¨ se eigi goð oc kaÉar oðin ohreinan anda oc segir freíio port cono hafa verit. f¶lir hann freí. hr¶pir hann heimdaÉ. laútar hann loka. hatar hann h¶ni. bÃlvar hann baÉdri. tefr hann tí nidir hann nio¨ð iÉan segir hann. vÉ. flimtir hann fri“ geírr hann gefion sekia dÄmir hann sif. OÉ goð ó¨ gremr hann at oss. (AM 655 XXVIII a 4to: 1v1–4.)
Með samræmdri stafsetningu: eyðir hann blót Äll. Segir hann at Þórr sé eigi goð ok kallar Óðin óhreinan anda ok segir Freyiu portkonu hafa verit. Fœlir hann Frey, hræpir hann Heimdall, lastar hann Loka, hatar hann Hœni, bÄlvar hann Baldri, tefr hann Tý, níðir hann NiÄrð, illan segir hann Ull, flimtir hann Frigg, geyr hann Gefion, sekia dœmir hann Sif. øll goð ór gremr hann at oss.
Nafn á goðmagninu er í flestum heimildum Heimdallr 23 og það er karlkennt. Svo er í Grímnismálum 13. v., Lokasennu 48. v., Völuspá 46. v., Þrymskviðu 15. v. og inngangsorðum Rígsþulu. Eignarfallið Heimdallar (Völuspá l. v. mǫgu Heimdalar, Völuspá 27. v. hlióð Heimdalar) getur átt við hvorttveggja karlkynsorðið Heimdallr og kvenkynsorðið Heimdǫll. Í Þrymlum kemur orðmyndin Heimdæll fyrir í nefnifalli og í Skíðarímu Heimdall. Fyrri orðmyndin gæti bent til þess að þar hefði upphaflega staðið /ö/, /Ä/ í öðru atkvæði. Í annan stað má benda á að í elstu dróttkvæðum ríma saman í aðalhendingum /Ä/ og /a/, svo að tvímyndirnar Heimdall og Heimdǫll gætu verið gamlar. Ef svo er, og orðmyndin úr AM 645 4to tekin gild, þá hefur goðmagnið verið talið tvíkynja sem reyndar er algengt meðal guða í mörgum trúarbrögðum. En um uppruna og hlutverk Heimdallar í norrænni goðafræði eru fræðimenn ekki á einu máli.24 Hann er á einum stað í Þrymskviðu (15. v.) nefndur hvítastr ása. Hvað merkir það? Í Lokasennu (48. v.) mælir Loki svo við goðmagnið: „Þegi þú, Heimdallr, / þér var í árdaga / it lióta líf um lagit: / aurgo baki / þú munt æ vera / ok vaka vǫrðr goða.“ (Eddadigte II, 1962, s. 54) Hvað merkir aurgo baki? Er það tvírætt eins og Ursula Dronke hyggur? 25 Er í orðum Loka gefið í skyn annað líf og 22 23 24 25
Hofmann 1997, s. 268. Rækilegasta greinargerðin um nafnið er hjá Hugo Pipping 1925, s. 1–31. Sbr. Clunies Ross 1994, s. 173–186; Schier 1999, s. 25–31. Dronke 1997, s. 368. Líklegt er að um sé að ræða tilvísun til aurogr fors í Völuspá 27. v. eins og Ursula Dronke bendir á (1997, s. 368). Hugsanlegt er að á síðari hluta 13. aldar hafi orðmyndunum: argr, þgf. hk. ǫrgu, verið ruglað saman við aurigr, þgf. aurgu þegar hvorartveggja væru stafsettar rgo. Sbr. Magnus Olsen 1960, s. 44.
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lauslátara en kemur fram annars staðar? Um leið vakna ýmsar grunsemdir um heilindi skáldsins sem orti Rígsþulu. Þjónaði goðmagnið, sem skáldið kallar í kvæðinu Ríg en í inngangi lausamálsins nefnist Heimdallur, þar bæði forfeðrum og formæðrum?26 Hvers konar milligöngu hafði það miðrar rekkiu?
Heimildir Handrit og útgáfur AM 645 4to AM 655 XXVIII 4to A Book of Miracles. MS No. 645 4to of the Arna-Magnæan Collection in the University Library of Copenhagen. (CCI XII). Útg. Anne Holtsmark. Copenhagen, 1938. Edda Snorra Sturlusonar (=SnE) I–III. Útg. Sveinbjörn Egilsson / Jón Sigurðsson / Finnur Jónsson. Hafniæ, 1848–1887. Edda Snorra Sturlusonar. Útg. Finnur Jónsson. København, 1931. Eddadigte. II. Útg. Jón Helgason. København, 1962. Den tredje og fjærde grammatiske afhandling i Snorres Edda. Tilligemed de grammatiske afhandlingers prolog (S.T.U.A.G.N.L. XII). Útg. Björn Magnússon Ólsen. København, 1884. Den islandske lægebog. Codex Arnamagnæanus 434 a 12 mo. Útg. Kr. Kålund. Kjøbenhavn, 1907. Isländska handskriften No 645 4to i den Arnamagnæanske samlingen på Universitetsbiblioteket i København. Útg. Ludvig Larsson. Lund, 1885. Postola sögur. Útg. C. R. Unger. Christiania, 1874.
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Sbr. þó túlkun Ursula Dronke 1997, s. 175.
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Deutsche Zusammenfassung (von Irene Kupferschmied) Skálda und die Welt des Heidentums auf Island Dass die Lieder der Edda, Skaldendichtung und Snorra Edda als Quellen zur nordischen Mythologie gelten können, unterliegt heute kaum einem Zweifel, auch wenn natürlich mit einer Überformung u. a. durch christliches Gedankengut zu rechnen ist. Wie aber steht es mit anderen Quellen, die sich nicht direkt mit dem Heidentum auseinandersetzen, sondern versuchen, die griechisch-römische Götterwelt durch die nordische zu erklären? Wie sind Texte zu deuten, die Erzählungen über nordische Götter zur Unterhaltung einsetzen? Ausgehend von dieser Fragestellung werden im Aufsatz einige Beispiele zum Umgang mit der heidnischen Mythologie bzw. deren Verwendung in Quellen unterschiedlichen Alters vor Augen geführt. AM 748 I 4to und AM 757 4to nehmen unter den Handschriften der Snorra Edda eine Sonderstellung ein. Beide enthalten einen Abschnitt, den Karl Müllenhoff „Die kleine Skalda“ nannte. Im Text selbst wird dieser als Skáldskaparmál bezeichnet, tatsächlich enthält er aber eine Aufzählung von heiti und kenningar, die nur wenige Parallelen zum entsprechenden Teil der Snorra Edda aufweist. Aufgrund der besonderen Zusammenstellung der „kleinen Skalda“ mit eddischer Dichtung und grammatischen Traktaten lässt sich davon ausgehen, dass es sich hier um eine eigene Redaktion der Snorra Edda handelt. Schon Anfang des 14. Jahrhunderts gab es damit offensichtlich eine zweite Tradition neben der der Haupthandschriften. Björn Karel Þórólfsson weist darauf hin, dass viele kenningar, die in Rímur vorkommen, von den Dichtern neu geprägt wurden, sich jedoch an der nordischen Mythologie orientierten. Zum Teil schöpften diese auch aus der „kleinen Skalda“. Etwas anderer Art sind die Rímur, in denen bekannte Stoffe aus der Snorra Edda oder Eddaliedern selbst verarbeitet werden. Beispiele dafür sind etwa die Lokrur, die Þrymlur oder auch die Skíðaríma. Diese Dichtungen stellen keine bloßen Nachahmungen alter Stoffe dar, vielmehr erscheint die heidnische Welt in ihnen in neuer Deutung. Andere Rímur, die vor 1600 entstanden sind, scheinen durch die Verwendung von kenningar oft große mythologische Kenntnis zu beweisen, doch mag deren Einsatz teilweise eher auf die konservative Wortwahl der Dichtung zurückzuführen sein als auf profundes Wissen über die heidnische Religion. Bezug auf die heidnische Mythologie nimmt auch die Lækningabók, AM 434 a 12mo, in der neben Christus und Maria auch diverse Götter für Glück im Würfelspiel angerufen werden, oder auch die Klemens saga páfa, in der die griechisch-römische Götterwelt der lateinischen Quelle durch die nordische ersetzt wird. Mattias Tveitane stellte teilweise beträchtliche Er-
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weiterungen der Saga gegenüber dem lateinischen Text fest, der ihr am nächsten steht. In einer der Handschriften der Klemens saga páfa fällt eine ungewöhnliche Schreibung von „Heimdallr“ auf. Während die meisten Quellen den Namen in dieser maskulinen Form verwenden, ist dort mit großer Wahrscheinlichkeit die Form „Heimdaull“ (Akk.) zu lesen. Tatsächlich ist die Wortform „Heimdǫll“ als Femininum zu „Heimdallr“ durchaus denkbar. Die beiden Wortformen könnten darauf hinweisen, dass der Gott zweigeschlechtlich war, ein Gesichtspunkt, der etwa zur Deutung von Str. 48 der Lokasenna (aurgo baki) beitragen könnte.
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 680–700 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Vǫlsa þáttr: Pagan Lore or Christian Lie? by CLIVE TOLLEY Vǫlsa þáttr is found in Flateyjarbók in Óláfs saga hins helga hin mesta. In the tale, the Christian Norwegian king Óláfr is disgusted by a pagan cult he observes taking place in 1029 in a farmhouse in a remote district of his realm. The tale begins with the farm’s stud horse dying. The servant is casting away the unwanted parts, including the penis, when the farmer’s son rushes up and grabs it, and goes inside and waves it at the women. The general atmosphere is one of raucous laughter rather than worship, but the farmer’s wife says they should not throw out anything which may benefit them. She wraps it in a linen cloth and keeps it with herbs in a chest. Each evening she worships it, and it grows so large that it can stand beside her. News of this worship reaches King Óláfr, and he determines upon a visit, accompanied by Finn Árnason, a loyal Norwegian follower and friend of the king, and Þormóðr, an Icelander, one of the king’s chief poets. They tell the household that each is called Grímr. As they sit down to eat, the farmwife comes in, bearing VÄlsi in her arms, and lays it in the lap of her husband with a verse: Aukinn ertu, vÄlsi, ok upp um tekinn, líni gœddr, en laukum studdr; þiggi MÄrnir þetta blœti! en þú, bóndi sjálfr, ber þú at þér vÄlsa!
You have grown, penis, and are raised up, adorned with linen and supported with leeks; may MÄrnir accept this holy offering! And you, farmer, take the penis to yourself!
The penis is then passed from one person to another, each speaking a verse, until it arrives at Óláfr, who passes it on to the dogs to be dealt an ignominious end. This upsets the farmwife enormously, and she turns on Óláfr, asking who this is that has defiled the holy object; she then speaks a verse, asking to be lifted up to see if she could save the vǫlsi:
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Hefik mik um hjarra ok á hurðása. vita ef ek borgit fæ blœti helgu.
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Lift me over the hinges and onto the door rafters to know if I can protect the holy object of worship.
Óláfr then reveals who he really is, and persuades the household to accept Christianity. The manuscript is late – from the end of the fourteenth century – and the likelihood of this account of pagan practices some centuries earlier being in any way reliable must be weighed carefully. Scholarly opinion has varied considerably on this issue. The first scholar to deal with the þáttr in any detail, Andreas Heusler, is remarkable (to me, at least) for having adduced many reasons for seeing the account as essentially the result of artificial inventiveness, and then, ignoring all the implications of what he has just written, concluding: “dass wir hier eine echte Ritualformel aus dem heidnischen Opferdienste vor uns haben: die einzige in dem altnordischen Schrifttum”1 (‘that we have here before us a genuine ritual formula from the pagan sacrifice rite: the sole example in Norse writings’). More recently, Steinsland and Vogt2 adopt a similarly adulatory tone towards the þáttr, regarding it as containing a great deal of genuine pagan tradition (and misleadingly reiterate that there is general agreement on this); Heizmann3 is more circumspect, but still argues for the continuance of some genuine paganism in the account. On the other hand, Faulkes,4 who, however, scarcely considers the motifs found in the þáttr, is decidedly against seeing the account as anything but a late fabrication; he was preceded, it seems, by Klaus Düwel, who attacked the reliability of the account as evidence of pagan practice in his Habilitationsschrift of 1971 (as this has never been published, I have not been able to consult it). I would like here to reconsider some of the analogues to the þáttr and what they tell us about the reliability of the Old Norse text as a record of paganism. There are two main types of analogue. The first is provided by instances of phallic worship recorded in classical sources. The second takes the form of accounts of folk practices, recorded from the medieval period onwards (within avowedly Christian societies). In addition, it is necessary, in my view, to consider literary influences and parallels.
1 2 3 4
Heusler 1903, p. 32. Steinsland and Vogt 1981. Heizmann 1992. Faulkes 1980, pp. XXI–XXII.
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Some important classical parallels are considered by Heizmann,5 who in particular adduces analogues to the keeping of a phallus in a chest, wrapped in a cloth, and argues that the parallelism of religious rite may be an indication of the genuineness of the paganism of the þáttr. The rite referred to formed part of the mysteries of Dionysus, in which a phallus was placed amidst fruits in a liknon (a winnowing basket) and covered in a cloth; the phallus would, it seems, be revealed at a certain point.6 This is depicted in the frescoes adorning the Villa of the Mysteries in Pompeii. Many details of Dionysiac rites are unknown to us, and interpretations of depictions such as this vary greatly. Yet some things are clear. (a) The most important point is that the phallus is connected here with mysteries, and hence has a particular religious purpose which is not paralleled in Norse: mysteries mark the passage of an initiate from one state of being to another, and the details of how this occurred were to be kept hidden from the uninitiated. The Villa of the Mysteries appears to depict the passage of a girl into womanhood, marked by the revelation of the phallus: nothing parallel is found in Vǫlsa þáttr, where it is a matron who is the particular devotee of the phallus. (b) The revelation of the phallus in the Dionysiac mysteries was clearly intended to act as a shock; in the Norse account, the phallus is an object of grotesque fun, but not shock – part of the humour derives, indeed, from the misplaced seriousness with which the matron regards her vǫlsi. (c) The mysteries had a clear social dimension to them: they functioned as a means of incorporating someone into a select group of the initiated. The vǫlsi acts in directly the opposite manner, to divorce the housewife from the rest of her community on the farm: the other members of the household treat the penis in a derisive manner, or at best are cajoled into making hymns to it by the housewife, who thereby makes herself an object of derision, certainly to the outside observers who turn up, but also within the community of the farm (we have the distinct impression that she is devoting all her energies to worshipping the vǫlsi rather than managing the house, for example). (d) A further distinction may be drawn in the purpose of the rites: it is difficult to see the Norse account as pointing anywhere other than a concern with the farm’s fecundity, symbolised in the stud-horse’s penis; 5 6
Heizmann 1992, pp. 386–387. On Greek mysteries, see Burkert 1987 and Nilsson 1957, on whose accounts the remarks here are based.
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fecundity is clearly a seasonal matter, expressed as ár in Norse texts.7 Any ritual use of a phallus is bound to suggest fruitfulness to some extent (and the presence of the fruits in the liknon imply this), yet it is far from clear, as Nilsson8 points out, that this was the focal significance of the Greek phallus – which, incidentally, is never represented as being animal: mystery rites in particular were concerned with raising the quality of life of the initiates, especially in their post-mortem existence, but not with fruitfulness (and the liknon with its fruits is, in fact, mentioned only rarely in connection with Dionysiac rites).9 (e) Yet another major difference exists between classical accounts of worship involving the phallus and the Norse account: in classical tradition, the phallus was not itself the object of cult, but merely acted as an adjunct or symbol associated with a god, such as Dionysus or Priapus, who was the object of cult.10 This suggests a fundamental misunderstanding of the workings of paganism on the part of the Christian Norse author, if we assume that Norse paganism shared its basic principles with Greek (and the main account of a phallus, that of Freyr at Uppsala given by Adam of Bremen in Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum (IV, 26–7, pp. 257–60) certainly implies the worship of the god, not his member). (f) Even the point of comparison which launched us into considering the classical analogues, namely the box within which the vǫlsi is kept, may not be particularly revealing: a liknon was not a box, but an open basket. In any case, if a penis were to be kept, it calls for some sort of container (though the fact that in both cases a penis is kept may, admittedly, be interpreted as of significance in itself in the argument over genuineness). Moreover, the point of the liknon with its cloth (which Heizmann compares to the linen cloth wrapped around the vǫlsi) was concealment followed by subsequent surprise, whereas that of the vǫlsi box and wrapping was merely preservation and containment. The point of comparison is therefore too vague to be of significance. It is possible – but not necessary to assume – that the author of Vǫlsa þáttr may have had patristic condemnations of priapic rites in mind when choosing this particular form of pagan worship as a model of the sort of thing a good Christian should condemn. For example, Augustine in De 7 8 9 10
See Hultgård 2003 on ár. Nilsson 1957, ch. 4. A fertility connection of the phallus is nonetheless clear in non-mystery contexts; note, for example, Augustine’s comment on Liber, cited below. Pauly, s.v. “Phallos”.
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civitate Dei on several occasions mentions such rites. Thus in book 6.9, he attacks the way pagans assume a whole range of deities to be present at the wedding bed, each taking a particular role in the process of sexual union. One such was Priapus: Sed quid hoc dicam, cum ibi sit et Priapus nimius masculus, super cuius inmanissimum et turpissimum fascinum sedere noua nupta iubebatur, more honestissimo et religiosissimo matronarum? But why do I say this, when Priapus, too, is there, a male to excess, upon whose immense and most disgusting penis the newly married bride is commanded to sit, according to the most honorable and most religious custom of matrons?
The matrons are perhaps more relevant to Vǫlsa þáttr than the bride, and in book 7.21 he recounts what he finds a particularly repulsive local custom: In oppido autem Lauinio unus Libero totus mensis tribuebatur, cuius diebus omnes uerbis flagitiosissimis uterentur, donec illud membrum per forum transuectum esset atque in loco suo quiesceret. Cui membro inhonesto matrem familias honestissimam palam coronam necesse erat inponere. Sic uidelicet Liber deus placandus fuerat pro euentibus seminum, sic ab agris fascinatio repellenda, ut matrona facere cogeretur in publico, quod nec meretrix, si matronae spectarent, permitti debuit in theatro. But in the town of Lavinium one whole month was devoted to Liber, during the days of which all the people resorted to the most shameful words, until that member had been carried through the forum and rested in its own place. On this dishonourable member it was necessary for the most honorable matron to place a wreath in public. Thus was the god Liber to be appeased for the sake of the sprouting of seeds, and thus was bewitchment to be driven away from fields, by forcing a matron to do in public what not even a whore ought to be permitted to do in a theatre, if there were matrons watching.
The wreath here may be viewed as broadly comparable to the herbs with which the vǫlsi is wrapped; the linen covering may be suggested by another text (though the correspondence is not precise): Augustine records, in De civitate Dei (book 4.11), that the ancient Latin god Mutunus or Tutunus was equivalent to the Greek Priapus; Arnobius in Adversus nationes (IV.7.1) is more graphic: “etiamne Tutunus, cuius inmanibus pudendis horrentique fascino vestras inequitare matronas et auspicabile ducitis et optatis?” (‘And what of Tutunus? You consider it auspicious and desire that your matrons should ride upon his monstrous organ and rigid penis’); Paulus Diaconus, in Epitoma Festi (143, 10f L), records that “Mutini Titini sacellum Romae fuit. cui mulieres velatae togis praetextatis solebant sacrificare” (‘There was a shrine in Rome to Mutinus Titinus, to whom matrons, veiled in togae praetextae, were accustomed to make sacrifices’):
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the toga praetexta was a type of toga given up at puberty, or by women on their wedding night; hence this ceremony marked an artificial return to virginity, which was presumably being offered to the local variant of Priapus. We do not find any notions of loss of sexual innocence associated with the vǫlsi, however, where the linen coverings serve a purely practical purpose.11 The Norse and Greek phallus cults at least share the feature of worship – though, as noted, the differences outweigh the similarities in this matter. The element of worship is absent from folklore accounts of sexual organs closer to the time of the Norse text, though in other respects they offer interesting parallels. It is worth noting at the outset, however, that penises do not occur all that frequently in Germanic folklore, as a glance at Bächtold-Stäubli12 will reveal. Let us look at some of the main examples he and others cite. Some of the earliest uses of the phallus are found in the Borders between England and Scotland, and are recorded in the Chronicon de Lanercost. The entry for 1268 records that a pestilence in the form of a lung sickness was affecting the cattle, and some who were “monks in habit but not in spirit” (“habitu claustrales non animo”) set up an image of Priapus to succour the cattle; a lay-brother set such an image up, and rubbed holy water on his dog’s testicles, which he then sprinkled on the cattle. The entry for 1282 recounts events at Inverkeithing, Fife, where a parish priest fashioned a penis on a pole, and danced around with it in the churchyard in front of a chorus of all the young girls of the district whom he had gathered together, making suggestive gestures and assailing them with shameful words, urging them on to vice. Neither of these phallic events seems to bear directly upon the vǫlsi rite. The first views sexual organs as possessed of healing power for animals, which is scarcely paralleled in the Norse account. The second involves the use of a phallus by a learned man, and hence probably unrelated to folk customs, for lascivious purposes, which again is irrelevant to the Norse account. Yet both are valuable as showing, 11
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Heizmann (1992, p. 386) compares the cloth to a linen wrapping described by Apuleius as covering sacred objects. We have no hint in the Norse text of any philosophy of materials to parallel that espoused by Apuleius (which in part explains his mention of linen, associated with purity), which would lead us to regard the linen as being an especially sacred material. The housewife presumably had a choice of essentially two materials to use: wool or linen; linen is clearly the finer material and is thus chosen for this object she regards as holy. The general point of comparison, the wrapping of a sacred object in a fine material, remains valid, however. Bächtold-Stäubli 1987, s.v. “Geschlechtsteile”.
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at a time not far removed from the composition of Flateyjarbók, both an interest in unusual uses of penises in country districts, and at the same time a disgust at such goings-on, which are characterised as wholly unchristian. The author of Vǫlsa þáttr appears to share both these viewpoints, though he does not adopt the directly condemnatory tone of the ecclesiastical writers. Bächtold-Stäubli13 cites some uses of sexual organs from more modern Germany. Thus Jahn14 notes a custom connecting sexual organs with harvest: Nun tischt man am Hahnenkamme in Mittelfranken demjenigen, welcher beim Dreschen den letzten Schlag gethan, die ausgeschnittenen Geschlechtsteile eines Kalbes als Voressen auf, d. h., ‘er bekommt die Futh’. The person who makes the last strike at the threshing at Hahnenkamme in Mittelfranken gets served the excised sexual organs of a calf as an entré, that is, ‘he gets the cunt’.
There is some sense of comedy here, which is brought out more strongly in the following little cameo, which resembles the scene in Vǫlsa þáttr quite closely in certain respects, in presenting a meal on a farm with a sexual organ as a focal point, and in singling out one character for mockery,15 though it differs in that the sexual organ is female and is used to denigrate a male, whereas in the Norse tale the sexual roles are reversed: Ein metzgerknecht in Mittelfranken schlachtete bei einem bauer das vieh. Als er das rind (kàlbm) zerlegte, hieß ihn der bauer, die geschlechtsteile vollständig auszuschneiden, um diese dem jungknecht vorsetzen zu können, welcher die alte bekommen habe. Zur metzelsuppe setzt sich alles an den tisch, und es werden auch nachbarn eingeladen, wie es so brauch auf dem lande ist. Als der jungknecht, der zum tischgebet zu spät kam, sich setzte, und das abscheulige ding auf dem teller sah, ward er zornig, und warf das gericht mit dem teller hinter die thür; es entstand ein schallendes gelächter. Gewöhnlich sind es die faulen dienstboten, oder solche, die sich nicht recht zur arbeit anschicken, welche die alte bekommen. A butcher’s lad in Mittelfranken was slaughtering the cattle at a farmer’s. When he killed the cow, the farmer called out to him to cut off the sexual parts unscathed, so as to be able to serve them up to the junior labourer, who was to get Oldie. Everything was put on the table for offal soup, and neighbours were also invited, as is the custom in the country. When the junior labourer, who came too late for grace, sat himself down, and saw the disgusting thing on the 13 14 15
Bächtold-Stäubli 1987, s.v. “Geschlechtsteile”. Jahn 1884, p. 102. Panzer 1855, no. 401, vol. II, p. 218 f.
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plate, he became angry and threw the serving with the plate behind the door; peals of laughter broke out. It is usually the lazy servants or those who don’t apply themselves to their work who get Oldie.
The custom cited by Jahn shows the likelihood that an animal’s genitals could play a part in some rural rites aimed at securing the renewal of fecundity in the new year. Yet the sense is not one of religious awe, as in the classical phallus rites, but one of mildly embarrassing jest; the sexual organ is equivalent to other mildly erotic “booby prizes” in rites of the last sheaf recorded elsewhere, such as the drenching in water noted by Frazer16 in the Devon custom of “crying the neck”, where the man who grabs the last sheaf after a scrum rushes to the farm, where a dairy maid waits at the main entrance with a bucket of water to soak him with, but if he can get in by evading her and the water, he could kiss her. It is conceivable that some harvest rite, involving an animal penis, perhaps in a pointedly embarrassing manner as with the pudenda in the fabliau cited by Panzer, formed the kernel of inspiration for the Vǫlsa þáttr author. Yet the parallels are not very precise, nor are any examples of ritual uses of penises comparable to the Norse tale found in the voluminous documentation of folk customs found in Frazer’s Golden Bough, or, more specific to Scandinavia, in Hyltén-Cavallius17 or Olrik and Ellekilde.18 Even if a suitable folk custom involving penises did inspire the þáttr author, this would scarcely amount to a survival of paganism, except in the broadest sense; the religious elements of the þáttr that have drawn most attention do not, I suggest, derive from any such folk customs. Rather, it was the author’s particular skill to have created an air of verisimilitude for a Christian readership by alluding to what they would have regarded as likely to be found among ignorant country folk – customs such as that recorded by Jahn are testimony to the existence of broadly erotic country rites (but not of the specific phallic one found in the þáttr); by elaborating such customs in wholly untraditional ways he convinces his audience of the existence of developed forms of paganism, at a time and place too remote to question, in parts of Norway of bygone days. I would also suggest the Vǫlsa þáttr is close to the world glimpsed, less than a century later, in the great “bible” of the witch persecutions, the Malleus maleficarum (the gathering of the source material for which must have taken place rather earlier than its publication, so the gap is likely to be 16 17 18
Frazer 1912, I, p. 265. Hyltén-Cavallius 1864–68. Olrik / Ellekilde 1926–57.
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in reality only a few decades).19 This presents what are clearly folk beliefs about women removing and keeping phalluses (Part II, qu. 1, ch. 7): Quid denique sentiendum super eas maleficas qui huiusmodi membra in copioso interdum numero, vt viginti vel triginta membra insimul, ad nidum auium vel ad aliquod scrineum includunt, vbi et quasi viuentia membra se mouent vel auenam vel pabulum consumendo, prout a multis visa sunt et communis fama refert, dicendum quod diabolica operatione et illusione cuncta exercentur. Sic enim sensus videntium illuduntur modis supra tactis. Retulit enim quidam quod dum membrum perdidisset et quandam maleficam causa recuperande sanitatis accessisset, illa, vt quendam arborem ascenderet, infirmo iniunxit et vt de nido in quo plurima erant membra si quod vellet accipere posset indulsit. Et cum ille magnum quoddam accipere attentasset, “Non,” ait malefica, “illud accipias,” et quia vni ex plebanis attineret subiunxit. As for what pronouncement should be made about these sorceresses who sometimes keep large numbers of these members (twenty or thirty at once) in a bird’s nest or in some cabinet, where the members move as if alive or eat a stalk or fodder, as many have seen and the general report relates, it should be said that these things are all carried out through the Devil’s working and illusion. In this case, an illusion is played on the viewers’ sense of perception in the ways discussed above. A certain man reported that when he had lost his member and gone to a certain sorceress to regain his well-being, she told the sick man that he should climb a certain tree and granted that he could take whichever one he wanted from the nest, in which there were very many members. When he tried to take a particular large one, the sorceress said, “You shouldn’t take that one,” adding that it belonged to one of the parish priests.
The obvious humour (which nonetheless managed to pass the sour authors of the treatise by), and the rather wry focus upon the woman as the mistress of ceremonies involving swollen male members, are surely anticipated in a similar vein by the contrived worship of the phallus in Vǫlsa þáttr (where the mistress of ceremonies appears as rather a benighted maître d’hôtel figure). Nourishing the phalluses in a box with stalks, so that they appear to be alive, is particularly reminiscent of the Norse text; even the comment on all this being due to the devil’s power occurs in both. Vǫlsa þáttr is a remarkably ordered and structured tale, with everything in its place, and each character fulfilling a specific role, with no loose ends; thus the dramatis personae are arranged into three groups: the visiting king and his two companions, each of them naming himself Grímr, the three females on the farm (farmwife, daughter, maidservant) and the three farm 19
The phallus-nest motif does not occur in the works of Nider, however, one of the Malleus’s main sources, who was writing just a few decades later than the manuscript of Flateyjarbók was written.
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males (farmer, son, servant). The cohesiveness of the account was already noted by Heusler,20 who remarked of the verses that Sie ergeben mit der Prosa zusammen ein wohlgefügtes Ganze; nichts spricht dafür, dass einst mehr Strophen vorhanden waren, und dass der Vþ. jemals etwas andres war als was er jetzt ist: eine mit losen Strophen geschmückte Novelle. they show a well-constructed integrity with the prose; nothing suggests that there were once more stanzas present, or that the Vǫlsa þáttr was once something other than what it now is: a novella adorned with unconnected stanzas.
Heusler21 also notes that the whole incident is unknown in older sagas relating the deeds of Óláfr helgi, and is quite out of character: he does not, for example, travel around incognito; on the other hand, Óláfr is frequently presented (in Snorri’s Óláfs saga ins helga, for example) as undertaking missionary activities in one region or another of his realm, and the writer appears to have made use of this motif to contextualise and thus lend credence to his story; in particular, he would appear to have taken his cue from remarks such as that in ch. 58 of Snorri’s text, where Óláfr is disturbed to hear how badly Christianity is practised in Iceland, where eating of horse meat is permitted – echoed in the þáttr where the pagans do precisely this – and various notices of how remote parts of Norway tended to remain pagan, as in ch. 64, where the progress of Christianity in Vík is said to have progressed well, owing to the inhabitants’ familiarity with foreign merchants and the wider world, compared to more northerly districts (the þáttr is set in a northern region), or ch. 73, where the king makes enquiry about the Christianity of the men of UpplÄnd, forcing the recalcitrant to adopt the faith. Similarly, the writer attempts to place his verses in a tradition of ancient poetry, mentioning that vingull was a term used by fornskáld for the horse’s member, when the word in fact is not found elsewhere in verse. All this – the structuring, the inventiveness in changing traditions of the king, the manufacturing of a cultural context – is a sign of literary artifice, not of any long oral cult tradition. The verses found in the þáttr do not appear to be ancient (despite the objections of Steinsland and Vogt): archaic-sounding words such as blœti, “sacrifice”, were readily accessible or inventable for use as deliberate archaisms (blœti occurs nowhere else, but is straightforwardly formed from the common blót, on the pattern of móðr > mœði, sáð > sæði), and there is essentially nothing else that points to any antiquity, other than perhaps the 20 21
Heusler 1903, pp. 26–27. Heusler 1903, p. 28.
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name Mǫrnir, to which I shall return. The verses in fact contain much that speaks against any antiquity, and in favour of a late and rather inept handling of traditional alliterative metrical norms (lines such as “þiggi MÄrnir/þetta blœti”, for example). It is, of course, possible to suggest that the verses were composed independently, and therefore potentially earlier, than the prose setting, and on this basis to offer an interpretation of the verses divorced from what the prose says. But there is nothing in the verses which demands that they be viewed as of separate authorship, and little that even suggests this. In fact, allusions in the verse to other known works may be detected: thus the slave’s verse commemorates bread, økkvinn and þykkr (lumpy and thick), the same words used to describe the bread of the slaveclass progenitors, Ái and Edda, in Rígsþula 4. Even late works such as Baldrs draumar seem to be alluded to – “Hvat er þat manna / mér ókunnra” are quoted from this poem (where also a barking dog is prominent, just as the dogs play the important role of dispatching the vǫlsi). The same derivativeness is true of the þáttr taken as a whole. The central fiction of the king and his companions appearing as three Grímar must reflect both the notion of Óðinn as travelling to dwellings under this name in Grímnismál, and Snorri’s depiction of Óðinn as a trinity in Gylfaginning; the final revelation of Óláfr is derived from similar revelations by Óðinn in Grímnismál and Vafþrúðnismál. It is ludicrous to see in this a notion that the Christian King Óláfr was modelled on Óðinn in any context other than this purely fictional þáttr setting, or that it represents an ancient cult opposition between state worship of Óðinn and female-centred home worship of giantesses, as do Steinsland and Vogt22 – it is merely the writer’s imaginative way of presenting the king poking fun at these primitive heathens. Both the prose and the verse of the þáttr are consistent in their derivativeness, and do not point to a date of composition much earlier than that of the manuscript. Heusler23 compares the opening of the verse in the þáttr to Grettis færsla, and argues that the poem belongs to a type of literature known as sögukvæði, which was at its height in the sixteenth century. Thus, if we accept Heusler’s point, the paganism of the text surely should be seen as part of its deliberate antiquarianism, framed within a structure which in fact looks forward: rather than representing a last gasp of paganism, the text in fact should be seen as the first breath of fresh air leading to a new form of literature which reached its acme a century or so later. It must, nonetheless, be conceded that Heusler’s arguments are not wholly convincing on this 22 23
Steinsland / Vogt 1981, pp. 91–92. Heusler 1903, p. 27.
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point, as prosimetrum composition was of long standing, and the particular form of Vǫlsa þáttr is not such as may not have grown out of earlier traditions. Given that little else in the account points to its having emerged out of earlier traditions, however, Heusler was probably right to link the þáttr with later, rather than earlier, tradition in this respect. It has already been mentioned that the account alludes to the genre of “tales of Óláfr the missionary”: this supposedly historical setting lends credence to what would otherwise be regarded as fantastic. The other genre which the tale alludes to, and indeed belongs to, is the “strange customs of yokels” type. One of the best examples of this is found in Gautreks saga, which opens with a tale of how King Gauti finds his way to a strange group of people in the wilds between Gautland and Uppland. At his appearance outside a cottage here, the household slave slays his dog for showing strangers to their dwelling, commenting that this newcomer is so large he is likely to eat them out of house and home. There follows a whole series of extraordinary events, each of which illustrates how these yokels behave in ways contrary to the normal mores of society. In particular, they have nearby a cliff, the Ætternisstapi, over which they cast themselves to their death at the threat of any adversity; the king’s coming prompts the farmer to take this action, and to reward the slave for his diligence by taking him with him to the blessed afterlife. The rest of the family kill themselves one after the other, disturbed by such traumatic events as discovering that a couple of snails had crawled over some gold bars, leaving a trail which appeared to have damaged the treasure; these events are commemorated in accompanying verses. Just a girl and the son she had begotten with Gauti are left, and they then make their way to Gauti. A number of features shared by Vǫlsa þáttr and Gautreks saga may be isolated: (a) each involves a king visiting an isolated farmhouse; (b) the setting is an out-of-the-way place remote from normal society; (c) the local inhabitants are shown living their lives in a manner which is contrary to the norms of society; (d) the manner of life depicted is a source of astonishment but also amusement – the yokels are looked down upon as benighted and ignorant souls; (e) the coming of the king marks the end of this strange society, by conversion or by suicide; (f) the yokels put up no resistance to the newcomers, despite outnumbering them and being noticeably inconvenienced by them;
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(g) the strangest parts of the description of the yokels’ actions are highlighted by accompanying them with verses. Gautreks saga does contain elements that stem, in all likelihood, from the pagan period – I would not argue against such elements being manifest in the tale of Víkarr, for example. But not all ostensibly pagan elements need therefore be genuine; even if some elements (such as the Ætternisstapi) do derive from ancient local tradition, the point of primary importance is that the author has shown a considerable degree of imagination in his creation of this scene; I suggest there is no reason why the author of Vǫlsa þáttr should not be credited with an equal degree of creativity. The fact that he is following a genre that is fictional suggests that his account should be viewed in a similar light. The presence of pagan rituals in Vǫlsa þáttr in itself is no indication of pagan tradition. The þáttr rather shows the hallmarks of clever manipulation of antiquarian motifs, themselves well known within literature such as Snorri’s works, to produce a verisimilitude of heathendom. This is true of the eating of horseflesh, for example: this was a commonplace custom of heathen times, as the writer himself states, which is tantamount to an acknowledgement that information about the custom was readily available, in texts such as Íslendingabók. Heizmann24 argues that the association of the vǫlsi with lín and laukr may reflect an ancient tradition exemplified in a runic inscription of a millennium earlier, found in the fourth-century grave of a woman in Fløksand in Hordaland, which includes the words linalaukar. This may well have had some religious or magical significance (which is considered by Heizmann in some detail),25 and the alliterative conjunction of the two plants is likely to have continued in use (even if other instances are no longer extant). There could thus have been an ancient tradition which has found its way into the þáttr. But the co-occurrence of lín and laukr in the þáttr does not necessarily point in this direction; the mere existence of the phrase in the language, with its archaic feeling,26 could have been enough for the magpie writer of the þáttr to seize upon as yet another gem of 24 25
26
Heizmann 1992, pp. 388–390. It is, however, preposterous to infer, as do Steinsland and Vogt, that in the fourth century there was a cult concerning lín and laukr which was also phallic, on the basis of the “evidence” of Vǫlsa þáttr. As other instances of the phrase do not occur, it is a matter of supposition that it may have survived in a fossilised manner, its original meaning forgotten; yet instances of alliterative phrases surviving in this manner may be adduced from Germanic languages, such as the English “by stock or by stone”.
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“paganism” to colour his account with. He appears, in any case, to have misunderstood it: almost certainly lín meant “flax” in the original alliterating phrase, paralleling the living laukr, “leek, garlic”, rather than “linen”, but having taken it in the latter sense, he has created a description of how the farmwife wraps the penis in a linen cloth.27 Heizmann cites a good deal of evidence for the use of leeks (by which any type of allium could be meant, including garlic), such as their preservative powers, which could well have been generally recognised and hence alluded to through their appearance in the þáttr. The most interesting are the erotic uses, as the leek appears to increase the size and potency of the vǫlsi. Most of the instances of this notion (that the leek could increase semen, and ensure pregnancy) cited by Heizmann28 are from learned tradition, which may suggest that the notion in the þáttr is derived, at least in part, from here. In either case, whether it is derived from learned or popular tradition, the erotic power of the leek manifested in the þáttr cannot be viewed as an indication of the genuineness of the rite over all as an ancient pagan tradition; it was open to the author to make use of this erotic significance at any time. The general conclusion is that the smuggling into the þáttr of lín and laukr may thus be another instance of the fabrication of paganism. The vǫlsi itself is of ambiguous origin. Ström29 points out that the divine being VÄlsi is likely to be related to Freyr, who was characterised by a huge phallus in the temple at Uppsala, and who was wed to the giantess Gerðr (though not explicitly so in the Uppsala account). But the writer may well have been manipulating this tradition to construct his picture of paganism, rather than the þáttr being an independent witness to priapic rites, particularly since it is questionable how traditional the rites of Uppsala recorded by Adam in fact were: it is possible that the priapic Freyr was himself a deliberate anti-Christian exaggeration, influenced by classical notions, either through familiarity with such images on the part of the constructors of the temple (for Uppland was a mixed pagan and Christian community: the pagans were not necessarily immune to knowledge of classical culture30), or else fabricated or exaggerated by Adam or his Christian 27
28 29 30
It is possible that the verse and the prose are using the word lín in different senses, “flax” and “linen”, but I see no reason to regard the verse as of different composition from the prose (cf. Heizmann’s comments (2006) pointing out the need for good evidence to justify such a differentiation), and hence do not read a difference of meaning of lín into the verse. Heizmann 1992, p. 375. Ström 1954, p. 24. See Sundqvist 2002 on the conversion of the Uppsala region.
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informants. It is true that phallic images exist from pagan Scandinavia, for example the Broddenbjerg wooden “sculpture” and the Rällinge statuette.31 But the first dates from over a millennium before the time of the Uppsala temple, and we do not know that the Rällinge statuette represents Freyr (it is primarily Adam’s description of Freyr at Uppsala that suggests this; the figurine can therefore not be used as evidence for the genuineness of Adam’s description). We may certainly say – as has already been conceded – that phallic imagery played a part in ancient Scandinavian folk culture and may have provided a backdrop for the composition of the Vǫlsa þáttr, but it is less clear that it was intimately associated with any well-known gods in long-standing tradition. Nor does the author of the þáttr make any such association. His characterisation of the phallus as being that of a horse rather than a human also distinguishes it from Scandinavian artefacts like the Broddenbjerg and Rällinge examples, as well as from classical priapic images discussed above, which both point to pagan phallic worship or spirituality being anthropophallic. Steinsland and Vogt seek a deeper connection of the rite in linking it with vǫlur, on the basis that vǫlsi is related to vǫlr, ‘staff’, which is taken also to be the root of vǫlva. This argument, tenuous in the extreme, may be dismissed: mere morphological links do not justify the supposition of religious links. Moreover, it is far from certain that vǫlva can be derived from vǫlr at all (I offer a wholly different etymology in my forthcoming book); “staff” forms an obvious semantic basis from which a sense “penis” may develop – compare Latin fascinum from (ultimately) fascis, ‘(bundle of) rods’ – without the need to involve vǫlur. Steinsland and Vogt32 also see a cult or spiritual dimension in the rite of lifting the housewife up high over the door in order to find out if the sacrifice has been successful: this is, they believe, comparable to the lifting of the slave girl over a door frame in ibn Fadlan’s account of a Rus funeral, whereby she saw into the other world. But is this what is happening? The account does not indicate any glimpse into the otherworld, as in the Rus ceremony: the farmwife just needs to be up high so she can see what is going on with the dog, and thereby be able to get hold of the vǫlsi; it is even possible that the dog has managed to get up into the rafters, into the area of the house where odds and ends were kept anyway, and the farmwife wants to look up there. Vision into the otherworld does occur in Norse texts, notably from the divine Hliðskjálf (as in the prologue to Skírnismál), and 31 32
See Kjærum / Olsen 1990, pp. 102–103 and Andersson / Jansson 1984, pp. 86–87 respectively for photographs and discussion. Steinsland / Vogt 1981, pp. 103–104.
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possibly some allusion to this may be intended, but if so the writer has not expressed himself clearly enough to put this beyond doubt. We are left with mǫrnir. The word, outside the þáttr, is of rare occurrence,33 and its very form is open to debate.34 The only known figure to be named a mǫrn is Skaði in Haustlǫng 6 and 12 (Skj B I, 15, 16; cf. North edition): Þjazi is “mÄrnar (or marnar) faðir”, “father of the mǫrn”. Similarly, in Þórsdrápa 7, Þórr is designated “þverrir barna mÄrnar”, “waster of the mǫrn’s children”. None of the early poetic sources, be it noted, use the word in the plural (other than at Haustlǫng 6, where “faðir mÄrna” is probably a slip for “faðir mÄrnar”, i.e. Þjazi, as in st. 12). Steinsland and Vogt argue that the mǫrnir must be a class of giantesses, and that VÄlsi is to be wed to giantesses, just as NjÄrðr, whose name probably means either “strength, manliness” or “contentment”,35 was wed to the mǫrn Skaði. The þáttr, however, scarcely gives any hint of a divine wedding. Mǫrnir in fact can be read equally well as a masculine singular, in which case it would function as a proper noun here. The word, in its only other occurrence in this form, is indeed a masculine singular: mǫrnir occurs in þulur in the sense of “sword” (Skj B I, 664, IV l 8/5); the sense would be, etymologically, “destroyer” (but this may well be irrelevant in this context). As sverð had the sense not only of “sword” but also of “penis”,36 it would scarcely stretch our writer too far to use a more poetic word for sword in a similar sense of penis;37 this would mean that Mǫrnir was the name the farmwife gave to her vǫlsi (a word which should then be regarded as merely indicating “penis”, rather than being a proper noun), and the repeated refrain “þiggi MÄrnir þetta blœti” should then be taken in the 33 34
35 36 37
Heusler (1903, p. 36) lists the instances. Steinsland and Vogt argue that mǫrnir is a feminine plural of mǫrn, the umlaut being due not to the original inflectional ending, but to a root vowel (a form < *marun-); it would thus be an i-stem, declining like norn. The early skaldic occurrences do not help resolve the form of the stem, as a and ǫ were merely allophones and could freely assonate. de Vries 1977, s.v.; McKinnell 2005, p. 51. Fritzner 1886–1972, s.v. “sverð 2”. Steinsland / Vogt (1981, p. 96) cite an interpretation by Magnus Olsen of a verse directed against Haraldr Gormsson in Óláfs saga Tryggvasonar ch. 33 where the kenning “mór mÄrnis” occurs, where Olsen interprets mǫrnir as meaning “horse phallus”; this appears quite out of place: Lexicon Poeticum reveals a number of phrases in which Mǫrn is a river name (cf. North’s commentary to Haustlǫng 6/4), and “horse of the MÄrn” would mean ship, which is the sense required here. The genitive of Mǫrn appears as Mǫrnar, which would require a small emendation in the verse, but the manuscript readings at this point are not unanimous anyway.
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sense translated above, with blœti referring rather to the whole act of ritual worship, including the meal which is taking place, which is offered to the divinity.38 The reading of mǫrnir depends on what is regarded as contextually more likely. We may seek to find remnants of pagan worship of giantesses: but their presence is nowhere else indicated in this text, where, as noted, every aspect of the events described is otherwise clear and explicit; also, they would be signalled by a word which is of great obscurity, and occurs in verse only in the singular, and in early poems; finally, we find (as far as I am aware) no evidence for the worship of giantesses elsewhere in Old Norse. Of course, if we accept that the whole account is essentially fabricated, none of these arguments need be insurmountable: the author may have intended to evoke an image of supernatural beings, without paying too much attention to the antecedent use of the word he selected for this purpose; yet such opportune vagueness would be against the perspicacity of the account in other respects. Alternatively, these troublesome giantesses may disappear altogether through the expedient of reading the word in a sense derived by obvious metaphor from one in which it is actually recorded, and at a time much closer to the occurrence in question. The notion of a cult of giantesses, conducted by women in the home, as opposed to more public male-oriented cults of beings such as the æsir, is alluring. The abolition of giantesses from the þáttr does not mean abandoning this notion entirely, however. Whilst we cannot use the account as evidence that paganism was actually like this, yet the general picture of home-based cults led by females in pre-Christian Scandinavia may not be far from the truth – though that is something that calls for proof from other quarters. But the opposition which the author may rather have had in mind is one between home-based paganism and state-supported Christianity, represented by Óláfr in the þáttr, the one looking backward to a hopeless and ignoble past, the other to the inviting future. He may be alluding to vague traditions that women were cult-leaders in some pagan rites, but upon this base he has constructed a divisively gendered account stemming from Christian presuppositions: Christianity was a religion which demonised female leadership on the basis of the logical fallacy that as Christianity is the only right way, and it rejects female authority, therefore all female authority is symptomatic of false belief. Sexual matters formed another area where Christianity, which condemned almost all forms of sexual activity 38
This is the common sense of blót: see Cleasby / Vigfusson 1957, s.v. – The sense of blœti at the end, when the farmwife tries to save it, must, however, be “holy object of worship”, which is the second common sense of blót.
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(as evidenced, for example, by the pages of detailed descriptions of such activities, and their appropriate punishment, found in Burchard of Worms), and paganism, where, whatever the precise details, sexual activity played some spiritual role. Vǫlsa þáttr combines these two themes and presents a pagan woman who is given over to leading a cult involving grotesque sexual worship. The author was probably manipulating a stereotypical image here; note, for example, how in Vǫluspá the pagan divinatory practice of seiðr, which elsewhere is associated particularly with ergi, sexual perversion, is spread by a female practitioner, Heiðr, from house to house and taught to an “evil woman” (“illrar brúðar”) in each, causing the rise of a cult which it is implied acts as a threat to the male-dominated worship of the æsir. For the þáttr author, the motivation is clearly to construct a rite antithetical to Christianity in all its aspects; hence his account can scarcely be used as reliable evidence of what pagan rites actually involved. Vǫlsa þáttr presents an interesting methodological problem: the very same evidence, regarded as significant by proponents arguing both for and against the presence of genuine pagan tradition, may be interpreted as indicating the presence either of such genuine pagan tradition, or of antiquarian artifice on the part of the author. It is, in the main, the wider context, including factors such as the date of composition and the literary type of the tale, that incline me to regard the þáttr as the product of a time much closer to Flateyjarbók than to paganism (I am far from seeking to argue against the survival of genuine pagan traditions in Norse literature in general). The investigation I have attempted here suggests that we should exercise great caution in using this text as evidence for any form of genuine paganism, or indeed wholly refrain from doing so. The author of the piece is, in my view, to be congratulated for pulling off such a finely crafted piece of literary artifice with its verisimilitude of Norse paganism that it has kept scholars wondering if it might, against all the odds, be a record of genuine pagan rites.
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 701–714 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
The Conversion of Sonatorrek by TORFI H. TULINIUS This article is about one of the more celebrated of the Old Norse-Icelandic poems, Sonatorrek, or “On the difficulty of avenging sons”, which Egill Skalla-Grímsson is said to have composed in the 10th century, under circumstances which only the 13th century Egils saga tells us about.1 Sonatorrek has a notoriously difficult transmission history. One and a half of the twenty-four stanzas are to be found in Snorri Sturluson’s Edda and the opening stanza is consigned in the oldest complete manuscript of Egils saga, the 14th century Möðruvallabók. For most of the text of the poem we have to rely on two 17th century copies of a lost manuscript, probably from the 15th century. The text contained in these copies, called K from the name of Ketill Jörundarson who copied it in the 17th century, is the only complete transcription of a poem which many believe to have been composed seven centuries earlier.2 It is a singular poem in many respects: because of the quality and nature of its extended metaphors, of its expression of deep personal grief, and of its portrayal of poetry as consolation. That is why it has been the object of much scholarly interest ranging from Axel Olrik writing a hundred years ago of Sonatorrek as a unique expression of individual emotions in a period – Viking times – when such feelings had not yet found their way into the poetry of other countries,3 to the Icelandic specialist of mythology, Jón Hnefill Aðalsteinsson, building a vigorous case in his 2001 book on religion in Sonatorrek for its authenticity as a poem truly composed by a pagan in tenth-century Iceland.4 Of course there have been those who do not believe in the great age of the poem, preferring to view it as the product 1 2 3 4
Egils saga Skalla-Grímssonar 1932, pp. 241–245. Snorra Edda 1992, pp. 89–90; Egils saga Skallagrímssonar 2001, p. 149; Egils saga Skallagrímssonar 2006, pp. 142–148. Olrik 1907, p. 78. Jón Hnefill Aðalsteinsson 2001.
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of the same age as that of the saga. One scholar, the late Bjarni Einarsson, has even gone so far as to ascribe its composition to Snorri Sturluson, whom he also believes to be the author of Egils saga.5 I myself have contributed to the debate on Sonatorrek, most recently in my 2004 book Skáldið í skriftinni. In this article I will pass in review rapidly the main reasons for believing the poem is authentically pagan – and then probably by Egill Skalla-Grímsson – but also the reasons for believing it was composed later, at a period closer in time to that in which the saga was written. Those who are familiar with my book will recognize most of the arguments I give there. However, I will place these arguments in a cultural and historical context I haven’t done before, which I hope will allow me to state in clearer terms how I believe we should understand the poem’s place in Old Norse-Icelandic literary and cultural history.
A pagan poem? The main reason for believing that Egill Skalla-Grímsson actually composed Sonatorrek is that two independent sources, albeit from the 13th century, tell us that he did. The first is the saga itself. Even though the preserved 13th century fragments which tell us that the saga dates from before the middle of that century, do not contain the account of its composition which is only found in the complete 14th century texts, we are not taking too much of a risk in assuming that it was already in the saga when it was first written.6 The other 13th century testimony to the authorship of the poem is in Snorri’s Edda, where one stanza and a half are quoted as having been composed by Egill. This has been considered a major indication at least of the fact that the poem was not composed as part of the saga. The argument is that even if Snorri is not the author of Egils saga, he would have known if the poetry was inauthentic and refrained from quoting it as a composition by Egill.7 Scholars have tried to explain this away, proposing that the Sonatorrek quote in the Edda may be a later scribal addition and was not in Snorri’s original. This is of course a possibility but one we are unable to prove or disprove. However, this does not exclude an alternative explanation, which 5 6 7
Bjarni Einarsson 1992. Egils saga Skallagrímssonar 2001, pp. 147–149; Egils saga Skallagrímssonar 2006, pp. 141–142. Jónas Kristjánsson 2006, pp. 8–9; Egils saga Skalla-Grímssonar 1933, p. VI.
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is that the poem existed before the saga was written, but was composed at a much later date, for example in the 12th century as part of an oral tradition aggregating around the figure of Egill. This leads to another point made by those who believe that the poem is authentically by the skald from Borg. It is formulated in a question: “Why would anyone compose poetry in somebody else’s name, if it wasn’t to include it in a saga he was composing about this fictional character?” I can think of several explanations. One would have to do with this hypothetical tradition of oral entertainment forming around the memory of Egill. Somewhere in the development of this tradition, somebody composed Sonatorrek, or an intial version of it, since it may have developed over time. This is close to the hypothesis advanced by Jón Helgason, when he made a strong case – based on linguistic arguments – that another of Egill’s poems, Höfuðlausn, was composed in the 12th century at the earliest.8 Jón Helgason’s claims have been disputed – most recently in an article by Jónas Kristjánsson in the 2006 volume of Gripla.9 However, I am not adverse to the idea of the transmission (and transformation) of an oral tradition around Egill, especially the poetry attributed to him. It is of interest to mention in this context Russell Poole’s work on the stanzas that Egill is supposed to have declaimed during his encounter with the bully Ljótr in bleiki. In his Viking Poems of War and Peace, Poole argues that these stanzas were originally part of a long narrative poem relating the episode and that was subsequently taken apart for use in the saga.10 Here we must also mention another point made by those who believe the poem to be older than the saga. It is the fact that the death of the second son as a result of illness is only mentioned in the saga but not thematised there, whereas it occupies an important place in the poem. If the poem had been composed to serve the purposes of the saga, one would have expected some sort of narrative development around the death of Gunnar. Bjarni Einarsson observes in his article “The poet of Reykjaholt” that the two ways in which Egill loses sons – by the sea and through illness – could be made to fit Snorri Sturluson’s loss of a son. Jón murti dies on the other side of the ocean in Norway, and it is illness that causes his demise, though it was originally caused by a wound he had received during a drunken brawl. If this is true, Snorri would be expressing his own grief through that of his fictional character Egill, after all we have more reliable
8 9 10
Jón Helgason 1969. Hofmann 1973 and Jónas Kristjánsson 2006. Poole 1991, pp. 173–181.
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information on the death of Snorri’s son than we have about Egill’s loss.11 This is perhaps going a bit too far out on the limb of Snorri’s hypothetical authorship of Egils saga. One must therefore conclude that the lack of a narrative development of the theme of Gunnar’s illness in the saga also speaks in favour of Sonatorrek’s independent existence from the saga, as does the quote in the Edda. We are still very far from anything remotely conclusive about the age and nature of the poem. It is only necessary to allow for it having been composed by someone else than the saga’s author and before the composition of the Edda to satisfactorily explain these facts. Related to this is the question of the preservation of the poem. As already has been said, it is only conserved completely – and there in quite a corrupt form – in the 17th century Ketilsbók. The 14th century texts only contain the first stanza of the poem, as if the poem was known independently from the saga at that time and the reader only needed to be reminded of how it begun to jog his memory. This has been considered an additional indication of Sonatorrek’s independent existence from the saga though it can be disputed. The scribe of Möðruvallabók seems consistently to shorten the sagas he transcribes and therefore might have had a copy of the saga with the poem. Also there is a lacuna at this place in the 14th century Wolfenbüttel manuscript of the saga and some of the later paper copies of that text which also only quote the first stanza may be taking their cue from the M version. Quite a few elements indicate therefore that Sonatorrek existed before Egils saga. But is there anything intrinsically pagan about the poem making it more likely to have been composed before the Conversion of Norway and Iceland at the end of the 10th century? Here we must look at two recent contributions by important scholars in the field. I have already mentioned Jón Hnefill Aðalsteinsson’s book and will return to him later. First I will look at a slightly older work, Joseph Harris’s 1994 article “Sacrifice and Guilt in Sonatorrek”.12 Harris’s work is painstakingly researched and carefully presented and is part of a project on elegy in Old English and Old Norse, which can be traced back to 1982 when he published an essay on this subject as a problem in literary history, and is still going on.13 In an article from1994, exclusively devoted to Sonatorrek, the main point Harris is making is that though many scholars have recognized how deeply the poem is steeped in 11 12 13
Bjarni Einarsson 1992, p. 40. Harris 1994. Harris 2009.
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Odinic religion, not enough attention has been given to an aspect of the poem which calls to mind stories of Óðinn-like characters who sacrifice their sons or near kins-men, King Aun of Ynglinga saga, King Haraldr hilditönn and Starkaðr the Old. Drawing upon a considerable amount of earlier scholarship ranging from Jan de Vries and Sigurður Nordal to Klaus von See and Bo Ralph, Harris argues convincingly that the poem casts Egill in this role. By supposing that Egill has these myths in mind when composing the poetry, Harris arrives at convincing readings of the poetry. An example of this is how he explains the 21. stanza (22. in most editions): Átta eg gott við geira drottinn gjørdunst triggr at trúa hanum ádr umat vagna runne sigur haufundr um sleit vid mig.14
There are two important emendations made by most scholars and even some scribes. The first is that umat in the 5th line is corrected to vinatt or vináttu, ‘friendship’ in the dative. The second is that vagna runne should be read vagna rúni, ‘friend or counsellor of the chariot’. Here Harris invokes stories of the King Haraldr hilditönn, as told by Saxo in Latin and in Sögubrot af fornkonungum in Old Icelandic, proposing that Egill had in mind the legendary battle at Brávellir, when Óðinn, who had before given the young Haraldr invulnerability to the bite of iron and helped him win victory, is disguised as Haraldr’s trusted friend and charioteer, Brúni. They are together on the chariot and Haraldr is asking Óðinn for victory again, but Óðinn, disguised as Brúni, beats him to death. All of this is echoed in the stanza, from the choice of the Óðinn kennings: sigrhöfundur, ‘author or judge of victories’, and vagna rúni, ‘councillor of the chariot’, to the ending of a friendship that had been good before: “Áttak gott við geira drottin, áðr vináttu sleit við mig.” Even the name Brúni echoes as a sort of phantom rhyme with the kenning vagna rúni.15 Harris’s article abounds in excellent readings such as this one, for example the way he draws attention to the fact that the great sacrificer of sons Án the old in Uppsala had to be nourished through a horn, which reminds us of Egill’s being tricked to drink milk from a horn in the Sonatorrek episode in the saga, or in his argument that the two bölva bætr or 14 15
Egils saga Skallagrímssonar 2006, p. 148. Harris 1994, p. 183.
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‘compensations’ that Egill receives from Óðinn for his loss each correspond to one of the two dead sons.16 Also interesting is the general idea that Egill is attempting to make his sons eligible for Valhöll after the fact, and that is the reason he is in a way consecrating them to Óðinn, even though their deaths are not the usual ones for those who become Einherjar. Finally, Harris’s main idea, that these Odinic parallels are not only present in the poem but act as a sort of deconstructive force giving the poem an ambiguity inherent to all grief and expressing the guilt of the survivor, is quite valuable and very compelling. Indeed, none of the evidence Harris gathers and presents so well says anything else than that whoever composed Sonatorrek knew quite well the tradition of Óðinn and the heroes associated with him that we also know through its surviving medieval traces. None of it points exclusively to authorship by a 10th century pagan and to my mind doesn’t at all exclude that the poem could have been composed much later by someone thoroughly acquainted with mythology, stories of kings of old and the practice of skaldic poetry. Though he obviously disagrees, Harris doesn’t take issue with those that have argued for a later dating of the poem. Jón Hnefill Aðalsteinsson feels he has to do so however in a book, Trúarhugmyndir í Sonatorreki, ‘Religious ideas in Sonatorrek’, that well deserves more attention than it has gotten. Jón firmly believes that the poem was composed by Egill, even advancing the hypothesis that it may have been transmitted as runic inscriptions on a staff, since the saga tells us that Þorgerðr Egilsdóttir offered to carve them for him when she suggested that he compose the poem.17 I am not competent to judge this particular theory of Jón. It is well worth considering however. His main reasons for proposing this are the testimony of the saga which tells us that it probably seemed plausible to a 13th century audience that ancient poetry was carved on a rune-staff, as well as his perception of the poem as being coherent with what we know of pagan religion. Most of the necessary emendations can be ascribed to scribal error. Therefore the poem is not likely to have been transmitted orally from the 10th to whenever it was finally written down. Jón believes that the scribe of the lost medieval manuscript that was the model for Ketill’s 17th century copy of the saga may have transcribed the poem from a rune staff. He even proposes a new reading of the first half of stanza 18 (19 in most editions) to support this:
16 17
Harris 1994, pp. 175–179. Egils saga Skallagrímssonar 2006, p. 142.
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maka eg upp í áróar grimu rínis reid rjette hallda18
By only correcting two letters in one word and changing áróar into örvar (‘arrows’), he proposes to read this half-stanza as “I can’t hold steady (upp hallda) in the mask or troll-woman of the arrows (my hand), the chariot of runes, that is to say the rune-staff on which I’m carving this poem. ‘Chariot of runes’ is likelier to be a correct interpretation of rýnis reið than the more usual ‘chariot of thought’ which is based on the assumption that all minds know runes, which obviously is not true, while all rune-staffs carry them by definition.19 Jón Hnefill Aðalsteinsson also proposes many interesting new readings of many of the stanzas of the poem. My favourite one is how he interprets the first half of the third stanza: Lastalauss er lifnade á nÄckvers nøckva brage20
He prides himself on making fewer emendations to the manuscript text than any other interpreter of the poem. Here he changes only one letter, replacing the e in the last word by an r. The result is lastalaus bragr er lifnaði á nökkvers nökkva, ‘faultless poetry that came to life on the boat (nökkvi) of the man of the boat (nökkver)’.21 Here Jón Hnefill is proposing a new and to my mind not unlikely explanation for nökkvers nøkkva, which has troubled many scholars. Nökkver is the man on the boat, i.e. the one who transports something, i.e. the one who moves the poetic mead from the giants to the gods. Nøkkvi nökkvers is the boat of that man, i.e. the vessel in which something is transported, in this case Óðinn’s belly while transporting the poetic mead. In addition to this new reading, Jón Hnefill claims that the Sonatorrek completes what we know from other sources about the myth of the origin of poetry. While being transported in Óðinn’s belly, the poetic mead came to life. He believes that this is probably in tune with the rituals of the pre18 19 20 21
Egils saga Skallagrímssonar 2006, p. 147; Jón Hnefill Aðalsteinsson 2001, pp. 100–102. Egils saga Skalla-Grímssonar 1933, p. 254n. Egils saga Skallagrímssonar 2006, p. 143. Jón Hnefill Aðalsteinsson 2001, pp. 77–79.
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Christian cult in Iceland, rituals a goði such as Egill would have been involved in.22 Just like Joseph Harris’s ingenious readings of the poem, Jón Hnefill’s no less ingenious and carefully argued ones are however not sufficient to say more than that whoever composed Sonatorrek was thoroughly versed in the ancient mythology and therefore the poem is consistent with what we know through medieval sources about the beliefs of the pagan period. Both mention however that Egill’s poetry as a whole is quite original and has its own individual flavour.23 Here Jón Hnefill quotes Guðrún Nordal’s book, Tools of Literacy, and her work on the body imagery used by Egill, quite different from what is to be expected from a skald of his period and closer to that of later skalds. He especially insists on Guðrún’s caveat that we must not be too rash in concluding that the poetry ascribed to Egill may be younger since its strong individual characteristics also make this body imagery original compared to the later poetry.24
Christian and clerical influences? Jón Hnefill feels compelled to disprove what other scholars have seen as Christian or clerical influences in the poem. They are however difficult to explain away. He cites some of the work that had been done in this spirit on the poem at the time, not all however, and because more of this work has come out after he published his book I will now look at the arguments that point to the Sonatorrek’s poet’s knowledge of the Bible, of Christian theology and of clerical culture, quoting Jón Hnefill’s efforts to dismiss them if they have been made. The first observation of Christian influence on Sonatorrek was made by the novelist Halldór Laxness in 1971. In a short text he argues that the final half-stanza betrays knowledge of the gospel of St Luke, something which has escaped modern and mostly Protestant exegetes of the poem because of the way Luther transformed the relevant passage in his new translation which replaced the Vulgata. Instead of the angels announcing the birth of Christ to men of good will, Luther says they announce it to men upon whom God has bestowed his grace. For Catholics, such as Laxness, the phrase að bíða heljar glaður með góðan vilja is quite familiar. This is the common Christian doctrine of hope for salvation coupled with the idea, 22 23 24
Jón Hnefill Aðalsteinsson 2001, pp. 79–83. Harris 1994, p. 193; Jón Hnefill Aðalsteinsson 2001, p. 165. Guðrún Nordal 2001, p. 246.
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which became very prominent with the theology of intention in the 12th century, that each individual’s will to be good is of paramount importance. Laxness adds that the word vilji did not have the meaning of ‘voluntas’ in the language of Egill’s times, only acquiring that in post-conversion translations of Christian literature.25 Jón Hnefill contests this but cannot find any example of an undeniably pagan text where the two words góður and vilji are paired together. The Old Icelandic Maríu saga, which is probably contemporaneous with Egils saga uses them however when quoting the passage from St Luke I mentioned earlier and they appear several times in other contemporary texts. The idea behind them is however nowhere articulated more clearly than in the prologue to Hrafns saga Sveinbjarnarsonar.26 Jón also contests that the idea of awaiting death with a positive attitude is an exclusively Christian idea, quoting Hávamál to support this. He doesn’t however bother to discuss the work of the numerous scholars from Klaus von See and Hermann Pálsson to Richard North who have argued for clerical influence on the eddic wisdom poem.27 In addition to this, a Christian reading of this final stanza resonates with the possible – and to my mind likely – reading of the saga’s account of the circumstances in which the poem was composed. Egill had wanted to die, which is the greatest sin of all in Christian terms, but his daughter saves him from that death by tricking him into drinking milk and suggesting he compose the poem. After having done that, he has found again the will to live and await death with the positive attitude which would fit a Christian, confident in the Salvation promised by Christ.28 Also, Jón Hnefill seems unaware of a troubling point which I had already made myself in two publications which predated that of his book.29 It involves the second half of the fifth stanza of Sonatorrek: þad ber eg út úr ordhofe mærdar timbur mále laufgat30
25 26 27 28 29 30
Halldór Laxness 1971. Maríukver 1996, p. 33; Hrafns saga Sveinbjarnarsonar 1987, p. 1. von See 1972; Hermann Pálsson 1990; North 1991. Torfi H. Tulinius 2004, pp. 84–85. Torfi H. Tulinius 1997 and 2000. Egils saga Skallagrímssonar 2006, p. 144.
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‘I bring out of the temple of words (my mind) the timber of praise (mærðar timbur) made to bear leaves by the action of language (máli laufgað).’ This one of these beautiful extended metaphors so characteristic of Egill’s poetry and this poem in particular, but contrary to the other metaphors in the poem it does not exploit the usual intertext of skaldic poetry, i.e. Old Norse mythology. Instead it is based on a story from the Bible which was well-known in medieval times. It is in Numbers, chapter 17, and tells of how the people of Israel are in the desert lead by Moses and the twelve tribes are squabbling about which tribe should get the dignity of arch-priest. Moses speaks to Yahve who commands him to tell the leader of each of the twelve tribes to cut a wooden rod and to carve on it the name of the tribe. Then he is to gather the rods and place them in the tent where the Ark of the Covenant is kept and where Moses comes to speak to Yahve. The next morning he is to bring out the rods and when he does so, lo and behold, one of the twelve rods – that of the Levites, led by Moses’s brother Aaron – has flourished, bearing leaves and even a single fruit. From a typological perspective, this is a “prefiguratio” of the coming of Christ, conceived in the unspoiled womb of Mary by the Holy Spirit. What interests me here is that there is a five point correspondence between the extended metaphor and the biblical narrative: Moses brings out (1. ber eg út), of the tent where Yahve speaks to Moses (2. orðhof or temple of words), cut wood (3. mærðar timbur or wood of praise), made to bear leaves (4. laufgað) by the action of the Holy Spirit (5. málið or language, but in the beginning was the word and the word was with God and the word was God). I have published this several times, lastly in my book on Egils saga and I claim that this metaphor cannot have been devised by a pagan ignorant of the Bible and that it is much more likely to be the work of a poet composing in the 12th or 13th century.31 As far as I know, no one has disputed this claim yet. I also point to other stanzas which indicate a familiarity with clerical literature. Stanza number 8 tells of how Egill wants to take revenge with his sword (sök sverði of rækag) against the sea (the sea god is the brother of Hræsvelgr (hroða vogs bræðr) and the sea goddess is the wife of Ægir). Jón says in his book that this could not have been composed by a non-pagan since it shows so much knowledge of the mythology of the sea. I beg to disagree and point to an account very well known in medieval clerical culture, that of the Persian emperor’s rage against the sea after it destroyed its fleet and how he wanted to take arms against it. This account is cited no less than three times in Brandur Jónsson’s Alexanders saga, which is prob31
Torfi H. Tulinius 2004, pp. 108–111.
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ably a few decades younger than Egils saga, but it was also well known in European court poetry of the 12th and 13th century.32 Max Manitius quotes for example a Latin praise poem about William the conqueror who managed to do what Xerxes couldn’t, i.e. to cross a body of water to overcome his enemies and gain new lands.33 Before coming to the fourth indication of the Sonatorrek’s poet more than casual acquaintance with clerical culture, I would like to address an argument often made by those who believe in Egill’s authorship of the poem. It is put forward in the form of a question: Why would anyone in the 12th or 13th century compose poetry in the name of a long dead historical person? This is something we know from latter day poetry from the 18th or 19th centuries but it seems anachronistic to suppose someone might do it during the High Middle Ages. Well, we have confirmation that somebody did. In the 12th century the philosopher and theologian Abelard composed six poems called planctus, highly personal poems, dealing with loss and grief, but putting words into the mouths of what were then (and still now) considered historical persons, characters from the Old Testament such as David, Saul, Isaac and others. Though they are very different from Sonatorrek, they share common themes and also the theological status of the characters that are made to speak in the planctuses is similar to that of – at least that is what I argue in my book – of Egill: redeemable pagans from the pre-Christian past.34 There is not space to take this point any further and I will end this paper by looking at the 22nd stanza (23rd in most editions) to prepare my concluding remarks on the cultural and historical context in which I believe we should understand Sonatorrek. In the stanza Egill says: “I don’t worship Óðinn (bróður Vílis) the protector of the gods (goðjaðar), because I want to (at ek gjarn sék). However that god (the friend of Mímir) has given me recompense for my woes (bölva bætr) which I believe to be better. And that is the gift of poetry which is expanded upon in the following stanza. Of particular interest is the statement “I don’t worship Óðinn because I want to, but he has given me something valuable”. I believe it can be shown to reflect an attitude to poetry that is quite consistent with those of those of the 12th and 13th century in the medieval West. As the leading French specialist of medieval literature, Michel Zink, has shown in a recent book Poésie et conversion au Moyen Âge, it took clerical culture a long time to embrace its pagan past, and this was particularly true of its poetry. 32 33 34
Alexanders saga 1925, pp. 35, 52, 80 and 90. Manitius 1911–1931, p. 448. Petri Abælardi 1855, pp. 1818–1824; Torfi H. Tulinius 2004, pp. 112–113.
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Poetry was perceived to be of pagan origin and therefore had to be converted, and in his book Zink carefully traces the development of this thought from St Jerome and St Augustine throughout the Middle Ages.35 This reluctance to worship Óðinn, in spite of the gifts he is able to give, is I think less the reflection of a pagan outlook than of a conflict within medieval Icelandic culture we see so many traces of, be it in the prologue of Snorri’s Edda or in so many of the sagas, or even in the fact that the sagas exist at all: what are we to do with the pagan past, which make us who we are through our settlement, our laws, our language, our customs, the ancestors from whom we derive our social status, even though we are now Christians? The answer is to be found in St Augustine’s De doctrina christiana where he tells of how God’s chosen people took pots and jars with them when they fled Egypt for the Promised Land, because they knew that they would be useful to them there. The same holds for the learning of the Gentiles which can also be of use for a Christian.36 I therefore propose that Sonatorrek is a poem about conversion, not from faith in Þórr to faith in Óðinn, as argued by Sigurður Nordal so many years ago, but about the conversion of poetry from its pagan origins to the life-giving and salutary virtues it could have for a Christian in medieval times. Just as in some Old Icelandic texts the authors of the gospels are called guðspjallaskáld,37 the gospel poets, the Sonatorrek poet suggests that poetry is not only deprived of blemish (lastalaus) but in some sense divine. He does this by drawing a parallel between the Holy Spirit making Aaron’s rod bear fruit and what happens in the poet’s inner temple to the timber of praise made by language to bear leaves. As Margaret Clunies Ross said of Egils saga in an article published three decades ago about the art of poetry and the saga,38 Sonatorrek is a manifesto for the use of skaldic poetry and its resources in a Christian culture.
35 36 37 38
Zink 2003, pp. 19–24. S. Aurelii Augustinii, De doctrina christiana 1838, p. 74. Torfi H. Tulinius 2000, pp. 194–195. Clunies Ross 1978.
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III. Runen-, Brakteaten- und Namenforschung
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 717–729 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Der Runenlöwe von Piräus von GERT KREUTZER Als Goethe am 5. Oktober 1786 das Arsenal in Venedig besuchte, ließ er sich von den imposanten Löwen vor dem Portal zu einem Epigramm anregen: „Ruhig am Arsenal stehn zwei altgriechische Löwen; / Klein wird neben dem Paar Pforte, wie Turm und Kanal…“.1 Daß der größte von ihnen, hoch aufgerichtet links vom Portal auf seinen Hinterbeinen sitzend, mittelalterliche Runeninschriften trug, hat er wie all die anderen Venedigbesucher vor ihm offenbar nicht bemerkt. Dies ist freilich nicht weiter verwunderlich, da die eingetieften Inschriften schon damals soweit in Mitleidenschaft gezogen waren, daß sie sich auf dem hellen Stein nur noch undeutlich abzeichneten. Pentelischer Marmor hat Wind und Wetter eben längst nicht so viel entgegenzusetzen wie skandinavischer Granit. Hinzu kamen die Beschädigungen durch Gewehrkugeln. Die Farben, welche Runen und Ornamente wohl ursprünglich hervorgehoben hatten, waren ohnehin längst verschwunden. Der gewaltige Runenlöwe hatte ursprünglich seinen Platz am Kai des Hafens von Piräus, wo er nach Süden aufs Meer hinaus blickte, bis ihn die Venezianer nach ihrem Sieg über die Türken im Jahre 1688 als Trophäe in die Lagunenstadt verschifften. Gerade an Löwen, Symbolen des Evangelisten und Stadtpatrons Markus, hatte Venedig ja immer ein besonderes Interesse. Aber von all seinen Artgenossen in Venedig – allein vor dem Arsenal gibt es insgesamt vier – ist doch der Löwe von Piräus nicht nur der größte, sondern durch seine Runeninschriften auch der interessanteste. Es war sicher kein Zufall, daß es ein Skandinavier war, der als erster die Reste der Inschriften nicht nur bemerkte, sondern durch seine Vorkenntnisse auch korrekt als Runenzeugnisse einordnen konnte. Irgendwann in den Jahren 1797–99 nämlich wurde der schwedische Orientalist und Diplomat Johan David Åkerblad auf die Runen aufmerksam und schickte im 1
Goethe, S. 199.
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Jahre 1800 einen kleinen Aufsatz an die dänische Zeitschrift Skandinavisk Museum.2 Darin äußerte er seine Verwunderung, daß man die Inschriften bisher übersehen hatte: Wenn man bedenkt, daß diese Marmorfiguren, die schon im vorigen Jahrhundert von den vorzüglichsten Reisenden besichtigt, untersucht, beschrieben wurden, nun über mehr als hundert Jahre den Blicken aller in einer der glänzendsten Städte Europas ausgesetzt waren, die täglich von einer Menge Fremder aus allen Völkern besucht wird, sollte man vermuten, daß die Denkmäler hinreichend untersucht wären, und man ist nicht wenig verwundert, wenn man hört, daß sich auf dem einen dieser Löwen, der rechts vom Portal des Arsenals sitzt, zwei lange Runeninschriften befinden, die, jedenfalls so weit mir bekannt ist, von niemandem bemerkt oder erwähnt wurden. Daß diese Inschriften der Aufmerksamkeit unserer nordischen Reisenden entgangen sind, ist schon verwunderlich. Freilich ist es wahr, daß die Runen zum Teil eingeebnet sind, aber die Umrißlinien, die sie einschließen, sind, vor allem auf der rechten Seite, scharf, die Umschlingungen deutlich, auch aus Abstand, und hätten von keinem übersehen oder mißgedeutet werden dürfen, der jemals Runeninschriften ge3 sehen hat.“
Nachdem Åkerblad seinen Aufsatz 1804 auch im französischen Magasin encyclopédique 4 veröffentlichte hatte, war das Interesse der Gelehrtenwelt geweckt, und eine lebhafte Diskussion über einen möglichen Inhalt der Inschriften setzte ein, obwohl eine Nachprüfung durch den Botaniker und Altertumsforscher M. F. Arendt gleich nach der Entdeckung in der ernüchternden Feststellung resultierte: „Ja, […] es sind tatsächlich nordische Runen, aber sie sind so abgenutzt, daß niemand in der Lage sein wird, sie zu lesen.“5 Ähnlich sah es der deutsche Germanist Friedrich Heinrich von der Hagen (1780–1856), der den Löwen bei einem Venedigbesuch im Jahre 1816 untersuchte. Er war überzeugt, daß es sich um Runen handelte, „obgleich fast nur noch einzelne Buchstaben zu erkennen sind.“6 Auch Wilhelm Grimm (1786–1859), der sich in der bekannten Arbeit Über deutsche Runen von 1821 mit dem Piräuslöwen befaßte, war nicht optimistischer: Durch ein missgünstiges Schicksal ist die grösste Zahl der Runen ausgekratzt und unleserlich, demnach alle Hoffnung vergeblich, etwas mehr als Vermuthungen über einzelne Worte herauszubringen.“7 2 3 4 5 6 7
Åkerblad 1806. Ebd., S. 1 (aus dem Schwed. vom Verf.). Sur deux inscriptions en caractères runiques trouvées à Venise. Jansson 1984, S. 23 (aus dem Schwed. vom Verf.). Ibid. Grimm 1821, S. 210 f.
Der Runenlöwe von Piräus
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Abb.1. Der Runenlöwe von Piräus. Foto: Gert Kreutzer, 1972.
Dies konnte allerdings zahlreiche Runenexperten und solche, die sich dafür hielten, nicht entmutigen, vielmehr setzte nun ein erstaunlicher Wettlauf ein, den verblaßten Runen doch noch einen Sinn abzugewinnen. Dabei mußte, was der Augenschein nicht hergab, durch desto größere Kombinationsgabe und Phantasie ersetzt werden. Den ersten und zugleich auch kühnsten Versuch, die Inschrift auf dem Piräuslöwen in ihrer Gesamtheit zu deuten, unternahm der dänische Runenforscher C. C. Rafn (1795–1864). In seinem großen Werk Antiquités de l’Orient (1856) bietet er eine Lesung an, die auf Deutsch etwa wie folgt lautet:
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Hakon eroberte diesen Hafen zusammen mit Ulf und Asmund und Örn. Diese Männer und Harald der Hohe belegten die Bewohner des Landes mit erheblichen Geldbußen auf Grund des Aufstands der Griechen. Dalk war gezwungen, im fernen Land zu bleiben. Egil war mit Ragnar auf der Reise nach Rumänien und Armenien. Asmund hieb diese Runen zusammen mit Asgeir und Torleif, Tord und Ivar auf Anordnung von Harald dem Hohen, obwohl die Griechen (die Bedeutung) herausfanden (und es verboten).
Diese merkwürdige Deutung hatte einige Jahrzehnte Bestand, bis sich allmählich die Einsicht durchsetzte, daß sie sich „auf Einbildung und nicht auf Wirklichkeit gründete“. Zu diesem Urteil kam jedenfalls der norwegische Sprachforscher Sophus Bugge in einem 1875 publizierten Aufsatz mit dem Titel Runinskrifter på marmorlejonet från Piræeus.8 Nach den Zeichnungen zu urteilen, schreibt er, „ist es unzweifelhaft, daß es wirklich Runeninschriften sind, aber sie sind so abgenutzt, daß sie in ihrer Gesamtheit nicht gedeutet werden können.“ Dennoch verstieg auch er sich zu einer Deutung, die in Übersetzung etwa so lautet: Zur Erinnerung an Haakon hieben Ulvungs Männer Runen, als sie von seinem Tod in diesem Hafen hörten. Zur Buße für ihn mußten nun außerordentlich viele aus dem Volk der Griechen Knechtschaft erdulden. Mit Ehre wurde da geheert, so daß Schiffe eingenommen wurden. Holmkel machte da reiche Beute [linke Seite]. Asmund hieb diese Runen und desgleichen Asgaut einige. Reichlich mußte man für ihn im Lande bezahlen, der blutig im Kampfe fiel, auch wenn es lange nach der feindlichen Tat war; denn die Kriegerschar besitzt doch geraubtes Gut im Übermaß als Buße für den großen Brøde. Sakar gewann dort reiche Beute [rechte Seite]. Mutige Männer ritzten die Runen; auch Karl hieb 9 [linkes Hinterbein].
Aus der Art des Runenbandes auf der rechten Seite des Löwen zog Bugge den zweifellos richtigen Schluß, daß die Runeninschriften von Schweden aus dem Gebiet um den Mälarsee, wahrscheinlich aus Uppland stammen müßten. Wie bereits von der Hagen vor ihm, vermutete Bugge, dass die Runenmeister zur Schar der Waräger gehörten, die seit dem 10. Jahrhundert in der kaiserlichen Leibgarde in Konstantinopel dienten. Er datierte die Inschriften auf die Mitte des 11. Jahrhunderts oder etwas später – ein Ansatz, der noch immer Bestand hat. Nachdem nun Schweden ins Spiel gebracht worden war, erwachte das Interesse der Schwedischen Wissenschaftsakademie, die dem norwegischen Archäologen Ingvald Undset einen Forschungsaufenthalt in Venedig finanzierte. Dieser untersuchte den Löwen mehrfach bei unterschiedlichen Licht8 9
Bugge 1875, S. 97–101. Bugge 1875, S. 117.
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verhältnissen und kam wie schon Bugge zu dem Schluß, daß Rafns Lesung auf willkürlichen Kombinationen und äußerst kühnen Ergänzungen beruhte. Auch ein zweiter Besuch Undsets erbrachte zu seiner Enttäuschung außer einigen wenigen Wörtern keine sichere Lesung.10 Erst der Schwede Karl Hjalmar Kempff wagte sich, mehr auf Grund von Abzeichnungen des dänischen Archtekturmalers J. F. Hansen als auf seinen eigenen Beobachtungen fußend, wieder an eine Gesamtdeutung, die er 1894 vorlegte.11 Sie ist nicht weniger phantasievoll ergänzt wie die Rafns und lautet in Übersetzung etwa so: Asger und seine Leute begruben dort Ulf und Thord und Sigrid, Thorer hieb (die Runen), Slädbjörn, Ugge und seine Brüder, Verkbjörn, Svartdis, Ulfs Frau. Sie und Ulf fuhren hinaus nach Jerusalem. Ich Un hieb nun und Vevan der Todgeweihte. Rollef ritzte: lies du, wenn du kannst. Ich Vee hieb [die Runen]. Ulfugg und seine Männer hatten Nachtlager in diesem Hafen. Snöulf und seine Leute zerstörten Städte, die Widerstand leisteten. Arnlög, Snöulfs Bruder erlitt großen Schaden in Athen. Ulf asklett verschwand, der auf der Herfahrt Umkel erschlug. Bernger ließ Runen zum Gedenken an Gerbern ritzen. Styrme hieb [die Runen]. Styrbjörn hieb richtige Runen zum Gedenken an Usufr, einen Bruder Styrmes. Thorvard hieb [die Runen]. Anund ließ Runen ritzen. Ich Öj … hieb [die Runen]. Sigfus starb. Rörik starb … Wenig kam Gerthrud im Laufen gegen Gunnlöga an: Gunnlöga rannte. Gunnlöga siegte. Ulf ließ ritzen … der starb. Es starb auch Arnor, eine Tochter des Snöulf, draußen in Frögers Scheune … Gervard Uthorm starb.
Nils Fredrik Sander, Mitglied der Schwedischen Akademie, ließ 1895 einen Gipsabguß des Löwen anfertigen, der heute im Historischen Museum in Stockholm zu sehen ist. Er macht sich über Kempffs lustig, der glaubte, fast überall auf dem Löwen Runen zu sehen. Er selbst bekennt, er habe außer dem einen Namen Ulf keinen anderen Namen erkennen können, erst recht keinen Frauennamen. Es handele sich auch gar nicht um eine Gedenkinschrift, sondern um etwas ganz anderes.
10 11
Undset 1884. Kempff 1894.
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Abb. 2a. Der Runenlöwe von Piräus, nach rechts sehend. Nach Rafn 1856, S. 2.
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Abb. 2b. Rekonstruktion nach Rafn 1856, S. 4, rechte Flanke: Ásmundr hjó rúnar þessar, þeir Ásgeir ok Þorleifr, Þórðr ok Ívar, at bón Haralds háfa, þóat Grikkjar (of) hugsaþu (ok) bannaþu. (Rafn 1856, S. 28.)
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Abb. 3a. Der Runenlöwe von Piräus, nach links sehend. Nach Rafn 1856, S. 3
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Abb. 3b. Rekonstruktion nach Rafn 1856, S. 5, linke Flanke: Hákon vann, þeir Úlfr ok Ásmundr ok Aurn, hafn þessa; þeir menn lagþu á, ok Haraldr háfi, of fjébóta uppreistar vegna Grikkjaþýþis. Varþ Dálkr nauþugr í fjarri landum; Egill var í faru með Ragnari til Rúmaníu ... ok Armeníu. (Rafn 1856, S. 28.)
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Seine eigene, ebenso phantasievollen Deutung beginnt so: „Håkan, Vonder, Ulf und ihre mitreisenden Heereskameraden ankerten in diesem Hafen.“ Dann ist die Rede vom Eintreiben von Bußen und einem Kampf mit aufständischen Griechen und einem großen Trinkgelage. Am Ende heißt es: „Osmund hieb diese Runen.“ Dieser (erschlossene) Osmund soll nach Sander nun wiederum identisch sein mit einem Osmund, der auf zahlreichen Runensteinen in Uppland seinen Namen verewigt hat.12 Kempff schlug noch einmal zurück mit einer neuen Lesung,13 die ebenso weit hergeholt war wie seine erste. Nun dauerte es zwanzig Jahre, bis der Schwede Erik Brate, ein anerkannter Runenforscher, einen neuen Versuch unternahm. Seine Deutung lautet in Übersetzung so: Sie erschlugen ihn in der Heerschar Mitte, aber in diesem Hafen schlugen Männer Runen zum Gedenken an Horse, einen guten Bauern, an der Bucht. Svear brachten dies auf dem Löwen an. Er ging mit Klugheit vor, Gold gewann er auf seiner Fahrt. Kämpen ritzten Runen, schlugen sie (auf reich verzierte Schlingen) Äskil und … ließen gut schlagen, die in Rodrsland wohnten … Sohn des … hieb diese Runen. Ulv und … malte … [Gold] gewann er auf seiner Fahrt.
Diese Runeninschrift soll nach Brate also zum Gedenken an einen Häuptling Horse angebracht worden sein. Diesen konjizierten Namen setzt Brate nun wiederum in Verbindung mit einem ebenfalls erschlossenen Horse auf einem schwedischen Runenstein bei Ulunda (hier steht aber „Mursa“) und glaubt daraus eine Datierung auf ca. 1070 erschließen zu können. Dem Ansehen Brates als Herausgeber von Sveriges runinskrifter ist es wohl zuzuschreiben, daß seine Lesung, die auf nicht weniger schwachen Füßen steht als die seiner Vorgänger, große Verbreitung und Eingang in Geschichtsbücher und Lexika fand. Der Artikel in Nordisk familjebok wurde ihm selbst übertragen, und er nutzte die Gelegenheit, seine haltlosen Spekulationen als gesicherte Erkenntnis hinzustellen. Wie sind nun die gewaltigen Unterschiede der Lesungen zu erklären? Vor allem natürlich durch die fragmentarische Überlieferung, die zu unterschiedlichen Ergänzungen von Runenteilen, ganzen Runen und sogar Wörtern „zwang“. Andererseits liegen die Gründe aber auch in der Eigenschaft der jüngeren Runenreihe („Futhark“), die mit ihren 16 Zeichen das Phoneminventar der altschwedischen Sprache nur unvollkommen wieder12 13
Sander 1896. Kempff 1897.
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gab. Da z. B. die i-Rune auch für e, die t-Rune auch für d usw. stand, sind auch bei sehr gut erhaltenen Inschriften unterschiedliche Lesemöglichkeiten nicht selten. Man darf auch nicht vergessen, daß sich die Philologie im 19. Jahrhundert generell größere Freiheiten gegenüber der Überlieferung erlaubte und im Konjizieren, Erschließen, Interpretieren und Ergänzen eine ihrer wesentlichen Aufgaben sah. Eine nüchterne Haltung nahm dagegen der norwegische Archäologe Haakon Shetelig ein, der den Löwen 1922 noch einmal gründlich untersuchte.14 Sein Ziel war nicht eine neue Interpretation, sondern eine bloße Bestandsaufnahme dessen, was wirklich zu sehen war – und dies war nach seiner Überzeugung erheblich weniger als Brate gesehen haben wollte. In einer Replik führte Brate dies auf die besseren Sichtverhältnisse bei seiner eigenen Untersuchung zurück und sah sich im Wesentlichen bestätigt. Seitdem sind viele Jahre vergangen und die Inschriften haben weiter gelitten. Aber auch im Jahre 1972, als der Autor dieser Zeilen den Runenlöwen zum ersten Mal in Augenschein nahm, waren immerhin noch deutliche Reste der Runenbänder zu erkennen. Dennoch müssen wir uns offensichtlich mit der Tatsache abfinden, daß eine Gesamtlesung heute weniger denn je möglich ist. So dürften die Worte des schwedischen Runologen Sven B. F. Jansson, mit denen er seinen Aufsatz über den Runenlöwen15 abschließt, den heutigen Stand der Forschung sehr gut wiedergeben: Ich für mein Teil mußte erkennen, daß das Ergebnis meiner Untersuchungen sehr mager ausfiel. Ich erkannte ohne Schwierigkeiten eine typische Drachenschlinge mit ihrem charakteristischen, langgezogenen Kopf. Von der Runeninschrift ist das Personalpronomen þair (Nom. Pl. masc.) ganz deutlich. Außerdem kann man das Wort trikir, drængiaʀ erkennen; es bedeutet ‘junge Männer’ oder ‘Kämpen’. Die Runenfolge …fn þisi ist erkennbar und könnte vielleicht zu ‘diesen Hafen’ ergänzt werden. Hinzu kommt eine Anzahl einzelner Runen, die unmöglich zu ganzen Worten zusammengefügt werden können, zumindest nicht von Menschen mit meiner erdverbundenen und rustikalen Veranlagung. Das sieht, wie gesagt, nicht nach viel aus. Aber, lassen Sie mich das in aller Schlichtheit sagen: Es ist genug! Man muß sagen, daß es ein Unglück war, daß der Runenlöwe in die Hände von so phantasievollen und unkritischen Forschertypen geriet wie C. C. Rafn, K. Hj. Kempff, Fr. Sander und in diesem Fall leider auch E. Brate. Aber daß es auf einem griechischen Marmorlöwen aus dem dritten Jahrhundert vor Chr. wirklich eine sicher zu identifizierende Runeninschrift gibt, eingehauen von schwedischen Warägern vor etwa 900 Jahren, ist dennoch 14 15
Shetelig 1923. Jansson 1984.
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schwindelerregend. Es ist und bleibt eine wirkliche Sensation, eine monumentale Merkwürdigkeit. Die darf nicht dadurch verdunkelt werden, daß einige nordische Runenforscher angesichts des Löwen von Piräus von Schwindel ergriffen wurden.16
Ich fasse zusammen, was aus meiner Sicht unbezweifelbar ist: auf dem Löwen von Piräus sind mindestens zwei Runeninschriften von mindestens zwei verschiedenen Runenmeistern angebracht worden, wahrscheinlich zu verschiedenen Zeiten, aber wohl alle um die Mitte des 11. Jahrhunderts oder etwas später. Vom Typ her ähneln sie den mittelschwedischen Inschriften, wie wir sie z. B. in Uppland finden. Die Inschriften selbst sind nicht mehr im Zusammenhang lesbar, es dürfte sich aber um Gedenkinschriften handeln. Daß die Inschriften von Söldnern im Dienst des byzantinischen Kaisers stammen, ist möglich, aber nicht sicher. Ebenso gut können sie von schwedischen Fernhändlern stammen, die, wie wir von schwedischen Runensteinen aus Uppland und Södermanland wissen, regelmäßig nach Griechenland fuhren.17 Das Planen und Ausführen solcher Runeninschriften erforderte Ungestörtheit und eine Menge Zeit – Umstände, die beim friedlichen Handel vielleicht eher gegeben waren als bei kriegerischen Auseinandersetzungen.
Literatur Bugge, Sophus 1875. Runinskrifter på marmorlejonet från Piræeus (Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitetsakademiens månadsblad 4). Goethe, Johann Wolfgang: Sämtliche Gedichte. Erster Teil. München 1961. Grimm, Wilhelm Carl 1821. Über deutsche Runen. Göttingen (Nachdruck Wien u. a. 1988). Jansson, Sven B[irger] F[redrik] 1984. Pireuslejonets runor, in: Nordisk tidskrift för vetenskap, konst och industrie. Stockholm, S. 20–32. Kempff, Karl Hjalmar 1894. Piræeuslejonets runristningar. Gefle. ––– 1897. Piræeuslejonets runristningar II. Gefle. Piltz, Elisabeth 1998. Varangian Companies for Long Distance Trade. Aspects of Interchange between Scandinavia, Rus’ and Byzantium in the 11th–12th Centuries, in: Elisabeth Piltz (Hg.): Byzantium and Islam in Scandinavia. Acts of a Symposium at Uppsala University, June 15–16, 1996. Jonsered, S. 85–106.
16 17
Jansson 1984, S. 32 Piltz 1998.
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Rafn, C. C. 1856. Antiquités de l’Orient, monuments runographiques interprétés par C. C. Rafn et publiés par la Société Royale des Antiquaires du Nord. Copenhague. Sander, Nils Fredrik 1896. Marmorlejonet från Piræeus med nordiska runinskrifter. En undersökning och förklaring. Stockholm. Shetelig, Haakon 1923. Piræus-löven i Venezia. En undersökelse av originalen, in: Fornvännen 18, S. 201–221, 298–299. Undset, Ingvald Martin 1884. Runlejonet i Venedig, in: Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitetsakademiens månadsblad 13, S. 19–23. Åkerblad, J. D. 1806. Om det sittande marmorlejonet i Venedig, in: Skandinavisk Museum II:2, S. 1–12.
Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 730–744 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Wie die Indianer und die Germanen zu ihrem Namen kamen. Ein Vergleich von ALLAN A. LUND Kurt Schier professori de studiis Germanicarum rerum bene merito d.d. hunc articulum auctor recordatione decennii apud Monacos urbem celeberrimam Bavariae provinciae florentissimae peracti fruens.
1. Einleitende Bemerkungen Bild und Auffassung von den antiken Germanen haben sich durch die Jahrhunderte geändert. Dementsprechend ist auch der Begriff ‘Germanen’ eine schillernde Größe. So ist, um bloß 25 Jahre zurückzublicken, seit dem Symposium Germanenprobleme in heutiger Sicht in Bad Homburg 1983,1 bei dem die antiken Germanen aus verschiedenen Blickwinkeln unter die Lupe genommen wurden, einiges geschehen: Sie haben mittlerweile ihren Status als ethnische Großgruppe im heutigen Sinn verloren.2 Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Menschen, die die Römer pauschal Germani nannten, kein „Wir“-Gefühl besaßen und sich nicht als eine Schicksalsgemeinschaft verstanden: Sie sahen sich nicht als eine ethnische Einheit mit einer gemeinsamen ethnischen Identität oder Ethnizität,3 und sie benutzten dementsprechend kein gemeinsames kollektives Ethnonym. Ihre germanische Identität oder Germanizität haben ihnen die Nachbarvölker, vor allem die antiken Römer, zugeschrieben: Gaius Iulius Caesar konstru1 2
3
Siehe Beck 1986. Siehe Krierer 2004, S. 19: „Will man etwa dem Forschungsansatz von A. A. Lund folgen, so hat es ‘die Germanen’ niemals gegeben. Sie seien eine Erfindung Caesars“. Siehe auch Pohl 2000, S. 1: „Ein Volk, das sich Germanen nannte, hat es vielleicht nie gegeben“. Vgl. ferner Jarnut 2004. Zu den Begriffen ‘ethnische Gruppe’ und ‘Ethnizität’ siehe Lund 2005.
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ierte in den 50er Jahren des 1. Jahrhunderts v. Chr. den geographischen Begriff Germania und bezeichnete demgemäß die Bevölkerung des so genannten Territoriums als Germani.4
2. Skizze der jüngeren Germanenforschung Die geographische Konstruktion des germanischen Gebietes durch Caesar in De bello Gallico, geschrieben in den 50er Jahren v. Chr.,5 setzte sich in der Antike bei den Römern durch (wogegen die griechisch schreibenden Historiker sie meistens nicht rezipierten bzw. nicht akzeptierten). Ein Zeugnis davon liefert in erster Linie die Schrift De origine et situ Germanorum, kurz die Germania des Publius Cornelius Tacitus (etwa 57–120),6 die m. E. im Frühjahr 98 n. Chr. verfasst wurde, was freilich noch lange nicht heißt, dass sie auch im selben Jahr publiziert wurde.7 Auf der Basis dieser fiktionalen, literarischen Schrift,8 der einzigen ethnographischen Einzelschrift aus der Antike, die uns überliefert ist, was es schwierig macht von Ethnographie als einer literarischen Gattung in der Antike zu reden,9 konstruierte man eine kulturelle und biologische Kontinuität der Germanen von der Antike bis in die jüngste Vergangenheit.10 Grundlage für diese Konstruktion einer imaginären ‘Germania’ war in erster Linie die Caesarische Erfindung des Landes und seiner Bewohner sowie Tacitus’ vertiefende 4 5 6 7
8 9 10
Siehe Lund 1995a; Lund 1996; Lund 2001; siehe ferner Gillet 2006. Siehe Wiseman 1998. Zum Vornamen des Tacitus siehe Alföldi 1995; Oliver 1977; zu den Lebensdaten des Tacitus siehe Birley 2000. Grundlage für die Datierung der Schrift bildet Germ. c. 37,2: Sescentesimum et quadragesimum annum urbs nostra agebat, cum primum Cimbrorum audita sunt arma Caecilio Metello et Papirio Carbone consulibus. Ex quo si ad alterum imperatoris Traiani consulatum computemus, ducenti ferme et decem anni colliguntur: tam diu Germania vincitur. – ‘Rom stand in seinem 640. Jahre, als man zum ersten Male – unter dem Konsulat des Caecilius Metellus und Papirius Carbo – von der Streitkraft der Kimbern erfuhr. Zählen wir von da ab bis zum zweiten Konsulat des Kaisers Trajan, so macht dies etwa 210 Jahre. So lange Zeit schon versuchen wir, Germanien zu besiegen.’ Siehe dazu J.-W. Beck 1998; vgl. ferner Wolters 1994; anderer Meinung ist Städele (2001, S. 199), der für eine Publikation zwischen 98 und 111 n. Chr. plädiert, was m. E. indirekt für eine Trennung vom Datum der Niederschrift und der Veröffentlichung spricht. Vgl. Stanzel 1995. Vgl. Oniga 1998; Till 1977; Trüdinger 1918. Vgl. ferner Rosenberger 1984. Siehe Werner 2001; vgl. ferner Wiwjorra 2006, bes. S. 197–246; Lund 2002; Lund 1995b.
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Darstellung der Bevölkerung Germaniens rund 150 Jahre später in seiner Germania. In neuerer Zeit hat nicht zuletzt der Germanist Jacob Grimm (1785–1865)11 dazu beigetragen, u. a. deswegen, weil er – wie auch andere seiner Zeitgenossen – nicht erkannte, dass der moderne Begriff ‘Volk’ im Sinn von Nation oder Volkstum, auf antike Bevölkerungsgruppen übertragen, anachronistisch ist.12 Hinzu kommt, dass die Vorstellung vom Volk der Germanen auf dem Gedanken beruht, die antiken Germanen hätten so geheißen, weil sie germanisch sprachen. Übersehen wurde dabei, dass moderne Philologen und Linguisten den Begriff ‘germanische Sprachen’ prägten, weil sie die römische Bezeichnung für die Menschen östlich des Rheins und nördlich der Donau übernahmen, nämlich Germani, die nach dem Land – oder versa vice – benannt wurden.13 Das antike Ethnonym Germani deckte mit anderen Worten eine geographische Kategorie ab: Germani war demnach eine ethno-geographische Bezeichnung. Hieraus ergibt sich, dass das, was man unter dem Begriff Germani in der Antike verstand, nicht deckungsgleich oder synonym ist mit dem, was man in jüngerer und jüngster Zeit darunter verstanden hat. Es gibt demnach mehr als bloß einen Germanenbegriff,14 ganz wie man auch zu verschiedenen Zeiten mit verschiedenen Keltenbegriffen operiert hat.15 Diese Erkenntnis haben Archäologen, Historiker, Philologen, Rechtshistoriker, Religionshistoriker und andere Gelehrte schon längst gewonnen und verinnerlicht, obwohl das Ergebnis verwirrend ist. Schlimmer ist jedoch, dass die verschiedenen Germanenbegriffe nicht kompatibel sind.16 Nichtsdestoweniger ist es üblich, von den Germanen so zu sprechen, als ob diese eine ethnische Realität bildeten und die Bezeichnung Germani ein eindeutiger Begriff wäre. Hinzu kommt, dass man in den rund 500 Jahren, die vergangen sind, seit man in der deutschsprachigen Welt damit anfing, sich für die alten Germanen zu interessieren, ohne weiteres davon ausgegangen ist, dass Germani als Ethnonym für eine Bevölkerungsgruppe benutzt wurde, die sich auch selbst so nannte. Demgemäß waren die heutigen Deutschen – gesehen in der Optik der Kontinuität – die jüngsten Germanen. Dazu hat neuerdings auch englischer Sprachgebrauch beigetragen. Während man früher in der angelsächsischen Welt die Germanen des Altertums the Teutons nannte, spricht man heutzutage von the Germanic Peoples, was 11 12 13 14 15 16
Siehe Beck 2004a; Beck 2004b; siehe ferner La Farge 2005. Siehe Müller 1989; Müller 1986. Siehe Springer 1990; ferner Zimmer 2006. Siehe Hachmann 1971; Hachmann 1975a; Hachmann 1975b. Siehe Echt 2005, bes. S. 5; Renfrew 1987, bes. S. 214. Siehe Timpe 1998, bes. S. 10 ff.; Wenskus 1986.
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verführerisch an die moderne englische Bezeichnung für die Deutschen, nämlich the Germans, erinnert.17 Der Erste, der sich die Aufgabe gestellt hat, der Frage der Verwendung des Begriffs Germani bei den Römern methodisch nachzugehen, war wohl der jüdische deutsche Germanist Sigmund Feist (1865–1943).18 Dieser Gelehrte verfasste seit 1926/27 fast bis zu seinem Tod eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten über die Germanen.19 Die wichtigste davon trägt den signifikanten und prägnanten Titel: Was verstanden die Römer unter ‘Germanen’? Feist weist in dieser Arbeit methodisch korrekt darauf hin, dass es notwendig ist, konstative Definitionen auszuarbeiten,20 denn dadurch wird verdeutlicht, wie die Römer das Ethnonym Germani benutzen. Früher ging man ohne weiteres davon aus, dass sich der Germanenbegriff der Römer mit dem der Eingeborenen deckte. Anders ausgedrückt kann man sagen, dass Feist – die künftige Forschung vorwegnehmend – zwischen den beiden unterschiedlichen Sichtweisen unterscheidet, die wir heute als emic und etic bezeichnen.21 Das erste Attribut steht für die Sicht der Eingeborenen selbst, ist demnach subjektiv, das zweite bezieht sich auf die Perspektive der Fremden, ist demnach objektiv.22 Als Konsequenz der seit den 1880ern und nicht zuletzt in den 1920ern und 1930ern sowie 1940ern um sich greifenden, überschwänglichen Germanenbegeisterung unter Germanophilen und Germanomanen stieß die Forschung Feists – das kann im Rückblick nicht verwundern – auf massiven Widerstand. Dies hatte zum Ergebnis, dass Feist selbst zunächst aus the scientific community in Deutschland ausgegrenzt wurde, und danach auch aus der deutschen Gesellschaft generell.23 Letzteres lag daran, dass Feist 17
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Man lese dazu die Bemerkungen von Mees, 2004, S. 257: “In German today, as in Hitler’s time, there is a clear distinction between the terms Germanic (germanisch) and German (deutsch) that is obfuscated by near homonomy in contemporary English. Germanic and Germanicness are to German and Germanness what (classical) Roman and Romanness are to Italian and Italianness. The description germanisch is also used, however, in modern German sometimes as a Latinate (i.e. grandiose) form of ‘German’, e.g. the Germanisches Nationalmuseum in Nuremberg, or more obviously in Germanistik, university-level German studies. The Germanentum was a learned buzz word of the 1920s and 1930s; it is not found in Hitler’s recorded speeches or writings”. Zur Germanenforschung vor Feist siehe Lund 1996, bes. S. 27 ff. Siehe z. B. Feist 1926/1927; Feist 1927; Feist 1927/1928; Feist 1929; Feist 1930; Feist 1941. Zum Begriff ‘konstative Definition’ siehe Frerichs 1981, bes. S. 28 ff. Siehe Ruby 2006, bes. S. 32 ff.; Bargatzky 1997, S. 204 f. Vgl. Müller 1973/1974. Siehe Römer 1993; Römer 1981.
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Jude war. Das Erste war auch darauf zurückzuführen, dass er für den alten Gedanken plädierte, die Germanen seien in Wirklichkeit eine Art Kelten.24 (Diese Auffassung war insbesondere vom Anfang des siebzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts verbreitet.25) Feist setzte sich auf diese Weise mit der mainstream-Forschung auseinander, die seit etwa 1880 – in Deutschland wie in Schweden26 – emsig damit beschäftigt war, die Entstehung der Germanen bis in die jüngere Steinzeit bzw. bloß in die ältere Bronzezeit zu verlegen. Man war mit anderen Worten darum bemüht, den ahistorischen Germanen zu konstruieren und die Urheimat der Germanen zu erfinden; das hat alles mit der Bestrebung zu tun, die Reinheit und Ursprünglichkeit der Germanen in Germanien nachzuweisen, wie es ein Nationalstaat eben erfordert, der keine Differenz bzw. Abweichung duldet.27 Durch die Arbeiten Feists angeregt, gelang es dem Prähistoriker Rolf Hachmann nach dem Kriege nachzuweisen, dass der römische Eroberer Galliens, Gaius Iulius Caesar, in den fünfziger Jahren v. Chr. die Bevölkerung Germaniens Germani taufte.28 Nur wenige Jahre zuvor hatte der Schweizer Althistoriker Gerold Walser (1917–2000) aufgezeigt, in welch hohem Maße die Darstellung Caesars in seinem Opus De bello Gallico ein Stück propagandistische Literatur ist: Mit seinem Werk beabsichtigte er u. a. die Germanen von den Galliern abzusetzen und abzugrenzen.29 Walser war aber – wie auch andere vor ihm – der Auffassung, dass Caesar als erster die Germanen entdeckt und den faktischen ethnischen Unterschied zwischen den beiden Großgruppen festgestellt hat. Dies ist jedoch nicht der Fall. Caesar erfand die Germanen und konstruierte Germanien, wie er auch den Unterschied zwischen den Bewohnern Galliens und Germaniens bewusst und gezielt elaborierte.30 Germani war noch lange Zeit nach Caesar die kollektive römische Bezeichnung für die Bevölkerungsgruppen Germaniens. Für die dort lebenden Menschen war und blieb das Ethnonym Germani bloß sekundär: Sie identifizierten sich gewöhnlich mit ihren einheimischen Stammesnamen. Nur den Römern gegenüber haben sie sich gelegentlich als Germani identifiziert, nämlich dann, wenn diese sich nach ihrer ethnischen Identität mit der Frage erkundigten: Germanus esne? bzw. Germani estisne? 24 25 26 27 28 29 30
Siehe Wiwjorra 2006, bes. S. 122 f. und S. 305 ff. Siehe Rendall 1998. Siehe Lund 2002; Lund 1996, bes. S. 11–24; Hagermann 2006, bes. S. 334–369. Siehe Arnold 2002. Siehe Hachmann 1975a. Siehe Walser 1956; Walser 1953. Siehe Zeitler 1986.
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3. Die Benennung der Indianer im Vergleich Um den Unterschied zwischen der Verwendung von Selbstbezeichnung und Fremdbezeichnung zu verdeutlichen, verweise ich auf das weiter unten angeführte Zitat aus dem Jahre 1643. Als Analogie benutzt, zeigt es nämlich, dass die eingeborenen ethnischen Gruppen Amerikas – ganz wie die Aborigines Australiens – keine Eigenbezeichnung für ihre Gesamtheit hatten, ehe die weißen Invasoren und Kolonisatoren aus Spanien, angeführt vom Genuesen Cristoforo Colombo (sprich: Columbus),31 wie aus dem Nichts auftauchten und sie alle ohne weiteres Indios nannten. Diese Bezeichnung für die eingeborene Bevölkerung übernahmen dann die Briten im Laufe des 17. Jahrhunderts in der Form Indians wie dementsprechend die Franzosen im 18. Jahrhundert in der Form Indiens. Ehe es dazu kam, benutzten sie andere Bezeichnungen für die einheimische Bevölkerung wie salvages bzw. savages und infidels bzw. pagans. Während die erste Bezeichnung ihre Primitivität betonte, diente die zweite ihrer Ausgrenzung aus dem christlichen Teil der zivilisierten Menschheit. Beide Bezeichnungen ersetzten somit zusammen den antiken und mittelalterlichen Begriff barbari, der im Sinn von Nicht-Europäer und Nicht-Christen verwendet wurde. Die weißen Europäer nannten sich dementsprechend selbst gewöhnlich Christen, was das asymmetrische Verhältnis zwischen den beiden ethnischen Großgruppen widerspiegelt. Die kollektive Benennung der eingeborenen Bevölkerung des späteren Amerikas durch Columbus im Jahr 1492 war demnach eine falsche ethnische Bezeichnung oder eher ein Pseudo-Ethnonym. Für Columbus war es jedoch echt genug: Er nannte die Eingeborenen Indios, weil er davon ausging, er habe India erreicht, d. h. für damalige Begriffe Ostasien. India umfasste Indien und Asien zusammen. Columbus war und blieb übrigens für den Rest seines Lebens davon überzeugt, er sei auf dem westlichen Seeweg nach Ostasien gefahren und dort angelangt. Demgemäß nannte er folgerichtig die ersten Inseln, die er in der Karibik anlief, die Westindischen. Zur Erklärung soll ergänzt werden, dass Columbus zu seiner Reise u. a. durch Lektüre antiker Schriften angeregt worden war, darunter auch eine Passage aus der Tragödie Medea des römischen Philosophen Seneca (ca. 1–65 n. Chr.), dessen Worte er für prophetisch hielt und auf sein Unternehmen bezog.32 31 32
Siehe Kohler 2006; Tebel 2005; Phillips 1994; Reichert 1988. Die einschlägige Textstelle lautet in einer modernen Ausgabe durch Léon Hermann folgendermaßen: Sénèque, Tragédies, Tome I Paris 1925: Venient annis / saecula seris quibus Oceanus / vincula rerum laxet et ingens / pateat tellus Tethysque novos / detegat orbes nec sit terris / ultima Thule. (Med. 374–379). In der Fas-
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Es soll hinzugefügt werden, dass die einheimische Bevölkerung Amerikas erst im Laufe des 17. Jahrhunderts von den englischen Entdeckern den Namen Indians bekam. Schrittweise fingen sie dann auch selbst an, sich als solche zu identifizieren und den weißen Invasoren und Kolonisatoren gegenüber zu nennen. Heute bezeichnen sie sich aber als kollektiv gewöhnlich als native Americans. Im Jahr 1643 schrieb ein gewisser Roger Williams (ca. 1603–1683) ein außergewöhnliches Buch mit dem Titel: A Key Into the Language of America; Or, An Help to the Language of the Natives in That Part of America Called New England. In diesem Werk listet er u. a. die damals geläufigen Bezeichnungen für Amerikas eingeborene Bevölkerungsgruppen auf und gliedert sie dabei in zwei Hauptkategorien. Der erste Teil enthält die Bezeichnungen der Eingeborenen durch die weißen Einwanderer. Der zweite Teil beinhaltet aber nicht – wie man hätte erwarten können – die Selbstbezeichnungen der verschiedenen ethnischen Gruppen. Dafür referiert er die Verwunderung der Eingeborenen darüber, dass man sie Indians, Natives etc. nennt. Die Erklärung dafür liegt auf der Hand: Die Eingeborenen hatten keine Selbstbezeichnung für sich als ethnische Großgruppe: First, those of the English giving: as Natives, Salvages, Indians, Wild-men, (so the Dutch call them Wilden) Abergeny men, Pagans, Barbarians, Heathen. Secondly, their Names, which they give themselves. I cannot observe that they ever had (before the comming of the English, French or Dutch amongst them) any Names to difference themselves from strangers, for they knew none; but two sorts of names they had, and have amongst themselves. First, generall, belonging to all Natives, as Nínnuock, Ninnimissinnûwock, Eniskeetompaúwog, which signifies Men, Folke, or People. Secondly, particular names, peculiar to severall Nations of them amongst themselves, as, Nanhigganéuck, Massachusêuck, Cawasumsêuck, Cowweséuck, Quintikóock, Quunnipiéck, Pequtóog, &c. They have often asked mee, why we call them Indians, Natives &c. And understanding the reason, they will call themselves Indians, in opposition to English, &c.33
Der letzte Paragraph ist besonders bemerkenswert. Denn tauscht man die darin erwähnten Indians mit Germani und dementsprechend English mit Romani aus, kann man kraft dieser Permutationstests die Textstelle als Er-
33
sung, die Columbus benutzte, stand nicht Thule, sondern tille. Siehe dazu Moretti 1994, bes. S. 276 ff.; Clay 1992; Pittaluga 1986, bes. S. 101 ff.; Normand 1991; Cardinali 2001– 2002, S. 155 ff. Zitat aus Williams 1973, S. 84 f.; siehe hierzu Berkhofer 1978, bes. S. 4–22.
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klärungsmodell heranziehen. Als Analogie eingesetzt illustriert sie, wie Germani als Ethnonym lediglich von der einheimischen Bevölkerung Germaniens den Römern gegenüber benutzt wurde, egal ob die Begegnung in Germanien oder aber auf römischem Boden stattgefunden hat. Die Bezeichnungen der eingeborenen Bevölkerung Amerikas durch Columbus als Indios, und die der Eingeborenen Germaniens durch Caesar als Germani, besitzen somit gewisse Ähnlichkeiten. In beiden Fällen schreibt man der fremden, einheimischen Bevölkerung einen kollektiven Namen oder eher Beinamen zu, der dieser fremd war. Dementsprechend schufen die Namengeber beide Male stereotype Bilder der Eingeborenen. Von der Existenz linksrheinischer Germanen (Germani cisrhenani) ausgehend, die er für Einwanderer aus Germanien hielt, scheint Caesar die Schlussfolgerung gezogen zu haben, dass die gesamte Bevölkerung im rechtsrheinischen Gebiet auch Germanen waren. Hätte man ihn danach gefragt, welcher Sprache sich diese unter sich bedienten, hätte er wahrscheinlich geantwortet: Germanisch. Darunter hätte er aber nicht Germanisch im heutigen, linguistischen Sinn verstanden, sondern an die Sprache gedacht, die die Bevölkerung in Germanien sprach: Sie waren ja Germanen – ganz wie er durch die pseudo-ethnische Bezeichnung Germani zu verstehen gab, dass er dabei an die Barbaren dachte, die im geographischen Raum östlich des Rheins lebten.34 Germani ist mit anderen Worten in erster Linie ein ethnisch-geographischer Terminus (wie dementsprechend etwa Iudaei Menschen bezeichnet, die aus Iudaea stammen).35 Von einer Entdeckung der Germani bzw. Germania durch Caesar kann man nicht sprechen, ebenso wenig wie man von der Entdeckung der Indios bzw. ihres Landes India durch Columbus reden kann. Dieser sprach übrigens nicht von der „Entdeckung“ einer neuen Welt (novo mundo), sondern von einer „anderen Welt“ (otro mundo):36 Columbus war ja der Auffassung, er habe India erreicht. Man vermisst aus heutiger Sicht den Begriff „Entdeckung“, was damit zusammenhängt, dass man im späten Mittelalter wie auch in der Antike zwischen den Begriffen „finden durch Zufall“ (invenire) und „finden durch Suchen“ (reperire) nicht unterschied.37 Demgemäß bezeichnete man einen Mann, der zufällig etwas (er)fand als primus inventor bzw. primus repertor.38 Vor diesem Hintergrund dürfte klar sein, warum der neue, per Zufall entdeckte Kontinent, der in Europa bald als die 34 35 36 37 38
Siehe Springer 1990. Siehe Lund 2008. Siehe Caraci 1992; Washburn 1962. Siehe Jacobs 2005, S. 61 ff. Siehe Kleingünter 1933.
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Neue Welt bekannt wurde, nicht nach Columbus Columba bzw. Columbia benannt wurde. Anders war es mit Amerigo Vespucci (1452–1503): Bekanntlich beanspruchte dieser 1502/03 für sich eine ganz neue Welt (novus mundus) „entdeckt“ zu haben,39 nämlich Südamerika, das jedoch, wie sich herausstellte, kein selbstständiger Kontinent war, ehe es 1914 von Nordamerika durch den Panama-Kanal getrennt wurde. Der deutsche Kartograph Martin Waldseemüller (1475–1522) oder sein enger Mitarbeiter Matthias Ringmann (ca. 1482–1511) schrieb allerdings 1507 fälschlich Amerigo Vespucci die Entdeckung ganz Amerikas zu.40 Waldseemüller erkannte aber 1516 den Irrtum und wollte die Ehre der „Entdeckung“, die er selbst oder Ringmann Amerigo zuerkannt hatte, zurücknehmen. Es war aber schon zu spät:41 Die falsche Bezeichnung hatte sich eingebürgert. Der neue Weltteil wurde somit von einem Kartographen benannt.42 Ein Kartograph war es auch, nämlich der Flame Gerhard Mercator (1512–1594), der 1535 schließlich feststellte, dass Süd- und Nordamerika einen zusammengehörenden Kontinent bilden. Erst auf einer Karte Mercators aus dem Jahr 1538 kann man erkennen, dass Nordamerika von Asien getrennt ist. Die wirklichen Entdecker Amerikas waren demnach die Kartographen, die zu dieser Erkenntnis erst durch einen langjährigen Prozess gelangten.43 Zur Erkenntnis, dass Nordamerika von Asien getrennt ist, trug auch die Erforschung Sibiriens durch den Norweger/Dänen Vitus Bering (1680–1741) bei, der die Wasserstraße zwischen den beiden Weltteilen 1728 ins Visier nahm, weswegen wir heute von der Beringstraße reden.44 Erst James Cook (1728– 1779) gelang jedoch 1778 der Nachweis, dass es keine Landverbindung zwischen Asien und Amerika gibt.45
39 40
41 42 43 44 45
Siehe dazu Wallisch 2002. […] alia quarta pars per Emericum Vesputium […] inventa est, quam non video, cur quis iure vetet ab Americo inventore sagacis ingenii viro Amerigen quasi Americi terram, sive Americam dicendam, cum et Europa et Asia a mulieribus sua sortita sint nomina. Zitiert nach: The Cosmographiae introductio of Martin Waldseemüller in facsimile. Siehe Vogel 1995; Hamann 1955. Siehe Johnson 2006; Obhof 2006; Reichert 1996. Siehe Robinson 1992. Siehe Seibold 2005. Siehe Zerubavek 1992.
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4. Wurde der Norden entdeckt? Vor dem Hintergrund der obigen Darstellung gesehen, ist es zweifelhaft, ob der moderne Begriff Entdeckung auf die eher zufällige Erschließung des Nordens in der Antike bezogen werden kann;46 denn im Unterschied zur „Entdeckung“ der Neuen Welt, die ohne Grund Columbus zugeschrieben wird, wurde der Norden, als er von Menschen aus dem Mittelmeergebiet erschlossen wurde, nicht als eine völlig neue Welt gesehen und genannt: Er wurde aber als eine „andere“ bzw. „andersartige“ Welt (alius orbis; alter orbis terrarum; alter mundus) bezeichnet. Ausdrücke wie orbis novus und Ähnliches kommen dabei selten vor.47 Das geschieht etwa bei der Erwähnung vom Vordringen des Drusus Germanicus ins Innere Germaniens, eine Leistung, die ihn aus römischer Sicht mit Caesar und dessen Vordringen bis zum Rhein sowie seine Überfahrt nach Britannien vergleichbar macht.48 Wie Columbus aus heutiger Sicht kein Entdecker war, so waren es die römischen Invasoren, die über den Rhein und bis zur Elbe vorgedrungen sind, auch nicht. Das liegt nicht nur daran, dass die lateinischen Begriffe invenire und reperire inhaltlich anders besetzt waren, sondern auch daran, dass die Römer ihre Eroberungen und Okkupationen neuer Gebiete nicht als ihre Entdeckungen feierten. So bekam etwa Drusus den Beinamen (cognomen) Germanicus, weil er Germani in ihrem Territorium besiegt, nicht weil er die Elbe entdeckt hatte.49 Wären die Zeitgenossen des Columbus in gleicher Weise verfahren, hätte man ihn wahrscheinlich latinisiert Columbus Indianicus benannt. Ausdrücke wie alius orbis und Vergleichbares sollte den Kontrast zum Reich der Römer betonen, weil Roma Zentrum der Welt war, wogegen sich die neue oder andere Welt an der Peripherie der Oikumene befand. Dementsprechend wurde die Begegnung mit der fernen „andersartigen Welt“ nicht als der Anfang einer neuen historischen Epoche bezeichnet, was sie auch nicht war. Außerdem dauerte der Prozess der Erschließung des nordeuropäischen Raumes noch lange Zeit, und er war wohl erst mit der Christianisierung des Nordens abgeschlossen, wobei man nicht vergessen darf, dass sich der Begriff des Nordens im Hochmittelalter inhaltlich erweiterte.50 46 47 48 49 50
Siehe Timpe 1989, S. 311. Siehe Schulz 2003, bes. S. 34 und S. 45 f. Siehe Johne 2006, bes. S. 108. Siehe Johne 2008, der S. 244 korrekt Drusus als „Entdecker der Elbe“ in Anführungszeichen erwähnt. Siehe Fraesdorff 2005, bes. S. 82–104; vgl. ferner Lemberg 1985.
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Der „mächtige Nachkomme“ von EDITH MAROLD
Bei den Ausgrabungen auf dem Rathausmarkt in Schleswig wurde 1973 ein Runenstäbchen gefunden,1 dessen Inschrift eine Vielzahl von Fragen stellt, mehr als die Forschung bisher beantworten konnte. Dieser Beitrag soll der Versuch einer Antwort auf eine von ihnen sein. Das Hölzchen ist etwa 15 cm lang und ist auf vier Seiten beschriftet. Archäologisch wurde das Hölzchen auf das 11. Jh. datiert. Dem entsprechen auch die verwendeten Runenzeichen, die in die späte Wikingerzeit (die dänische Periode 2.2.3) weisen: Die Verwendung von punktierten Runen für e und g, die (korrekte) Verwendung der ö-Rune für R, die Verwendung der o-Rune für o).2 Die Runenschrift ist heute durch die Konservierung nur sehr schwer lesbar, es liegen jedoch sehr gute photographische Aufnahmen vor, die vor der Konservierung gemacht wurden. Bis auf einige kleinere Unsicherheiten kann die Inschrift daher sicher gelesen werden: A: runaR:iag3:risti:a:ri kiata4:tre:sua 1 2
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Das Stäbchen liegt derzeit im Gottorf-Museum in Schleswig (Inv. KS D 376.003). In den bisherigen Editionen fällt die Datierung etwas unterschiedlich aus: Moltke (1976, S. 389): 1075 +/- 25 Jahre, in der späteren Ausgabe Moltke (1985, S. 484) jedoch 12. Jh.; Düwel / Stocklund (2001, S. 210): 11. Jh. Die Schreibung iag ist zwar sprachgeschichtlich etwas unerwartet, der Punkt der punktierten k-Rune ist aber deutlich erkennbar (Moltke 1976, S. 387 las noch iak, vgl. jedoch die auf Autopsie beruhende Lesung von Düwel / Stoklund 2001, S. 211). Man könnte das g durch eine Schwächung in enklitischer Stellung erklären. Lt. Skautrup (1944, S. 228–229) trat die Schwächung der Tenues im 11. Jh. (spätestens um 1100) ein, wobei die Entwicklung von k > g voranging. Die zweite Rune dieses Wortes wurde unterschiedlich als i (Düwel / Stoklund 2001, S. 211) oder e (Liestøl, erste ungedruckte Transliterierung, gedruckt bei Düwel / Stoklund 2001, S. 211) gelesen. Es empfiehlt sich jedoch, der Lesung i von Düwel / Stoklund zu folgen, der eine neuerliche Autopsie mit Hilfe des Elektronenmikroskops zugrunde liegt.
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Edith Marold
B: reþ:saR:riki:mogR:asiR:a:artagum C: hulaR:auk:bulaR:meli:þeR D: ars:sum:magi Es handelt sich um eine metrische Inschrift und zwar im Ljóðaháttr.5 Maßvoll normalisiert und in die übliche metrische Darstellung gebracht liest sich die Inschrift folgendermaßen: Runaʀ jag risti a rikjanda tre swa reþ saʀ riki mǫgʀ asiʀ a ardagum hullaʀ ok bullaʀ mæli þæʀ ars sum magi.
Diese Zeilen können folgendermaßen übersetzt werden:: Runen ritzte6 ich auf machtvolles (?) Holz, so riet/las (es) der mächtige Nachkomme/Mann; die Asen in der Frühzeit, (die) ‘Holterdipolter’,7 dürften sagen, dir sei der Arsch wie der Magen.
Die Übersetzung zeigt bereits einige der Probleme auf, die diese Inschrift stellt: Sprachlich unsicher ist die Übersetzung von rikjanda, das zeigt sich auch an den bisher vorgelegten Deutungen: Moltke8 ging von der Lesung rekiata aus und versuchte, es von altnord. hrekja ‘etwas in kränkender oder demütigender Weise wegtreiben’ und übersetzt es zögernd als “driving(?)” ohne allerdings eine sachliche Deutung zu geben.9 Niels Åge Nielsen10 versuchte es mit rekjanda ‘ausreichendes (?)’, wobei eine sachliche Deutung ebenfalls schwerfällt. Einen weiteren Versuch machte FinnHenrik Aag,11 der es als rekjanda tre als ‘Treibholz’ deuten will. Zu Recht 5
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Einzig der Abvers der dritten Zeile entspricht nicht dem erwarteten Reimschema: der Hauptstab auf der ersten Hebung fehlt. Dafür aber hat dieser Halbvers einen endreimenden Binnenreim. Die Endung -i in risti ist im Norw. oder Dän. als Ausnahme zu betrachten (Aag 1987, S. 18 f.). Ein Ausweg bestünde darin, die Form als Präsens zu interpretieren (s. Andersen 1985), was jedoch wegen des Präteritums reþ im nächsten Satz zu inhaltlichen Problemen führen würde. Daher ist doch das Präteritum mit einem sehr frühen Formenausgleich vorzuziehen. Aag (1987, S. 21) schlägt vor, diese Wörter nicht attributiv zu verstehen, sondern als einen Vokativ. Moltke 1985, S. 484. Hrekja kann auch ‘jemand kränken, ausschelten, beleidigen’ bedeuten, vgl. bes. hrekja e-n í orðum. s. Fritzner 1886, II, S. 53. Das wäre dann die Beschreibung für einen Spott- oder Níðvers auf einem Stäbchen. Nielsen 1983, S. 214 f. Aag 1987, S. 22.
Der „mächtige Nachkomme“
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wenden Düwel / Stoklund12 dagegen ein, dass im Ostnordischen dieses Wort jedoch wreka heißen müsste.
Folgt man der neueren Lesung rikiata, gedeutet als ríkjanda, könnte man das Wort von ríkja ‘herrschen’ herleiten. Der Sinn wäre dann zu entwickeln von ‘herrschend’ zu ‘machtvoll’, ähnlich wie ríki in ríkiskona und ríkismaðr ‘vornehme(r) Frau/Mann’ verwendet wird, vgl. auch ríkleikr ‘Macht, Ansehen’. Wenn man von der vor allem im Mittelalter herrschenden Überzeugung der Zaubermacht der Runen ausgeht, wäre eine solche Apposition der hohen Tonlage des ersten Teiles angemessen. Das nächste Problem ist die Deutung von reþ. Natürlich liegt es nahe, an die stabende Formel ráða rúnar ‘Runen deuten’ zu denken, doch fehlt hier das Objekt, man könnte es sich aber implizit vorstellen und käme so zur Interpretation: „so deutete (sie) der mächtige Nachkomme“. In diesem Fall wäre der Rest der Inschrift der Inhalt dessen, was da geschrieben stand und gelesen wurde. Wir hätten also ein schreibendes Ich, einen Lesenden und einen Angesprochenen, über den die Asen der Frühzeit ein Urteil fällen. Für diese Deutung spricht auch der Konjunktiv mæli, der als Konjunktiv der indirekten Rede interpretiert werden könnte. Wenn man dagegen reþ als ‘riet’ oder ‘befahl’ deutet, ergibt sich als Sinn, dass der Schreiber auf Rat oder Befehl dieses mächtigen Nachkommen seine Runen schrieb. Dann muss man den zweiten Teil der Inschrift vom ersten abtrennen und als selbständigen Satz behandeln, dessen Konjunktiv die Ungewissheit der Aussage über die Asen ausdrückt. Eine sichere Entscheidung, zwischen beiden Möglichkeiten ist auf diesem Stand der Untersuchung nicht möglich. Die Wörter hullaʀ und bullaʀ könnten der Form nach sowohl Substantive im Plural als auch Verben der zweiten schwachen Klasse13 sein. Meist aber werden sie als Substantive und als Apposition zu den æsiʀ verstanden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die beiden Worte als Interjektion des Sprechers zu verstehen. Die Wörter sind weder im Altisländischen, noch im Altdänischen belegt. Die hier gegebene Übersetzung, die ‘Holter die Polter’, orientiert sich an den Ausdrücken der modernen skandinavischen Sprachen (norw. hulter til bulter; dän. hulter til bulter, schwed. huller om buller), die jedoch als Lehnwörter aus dem Niederdeutschen (hulter de bulter) betrachtet werden. Will man hullaʀ und bullaʀ hier anschließen, müsste man mit einem sehr frühen Lehnwort aus dem Niederdeutschen rechnen. 12 13
Düwel / Stoklund 2001, S. 213. So ein mündlicher Hinweis von Jón Helgason, den Moltke 1976, S. 390 erwähnt.
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Edith Marold
Erklärungsbedürftig ist auch die letzte Redewendung „dir sei der Arsch wie der Magen“. Moltke14 vermutet in diesen Worten einen scherzhaften und ordinären Spott über jemand, der allzu gierig isst. Er verweist dabei auf ein jütländisches Sprichwort: „Der er også bund i fattigfolk, men ikke førend den første bid står på sædet.“ ‘Arme Leute haben eine Grenze (eigentlich einen Boden) (beim Essen), aber nicht bevor der erste Bissen wieder am hinteren Ende herauskommt (eigentlich ‘auf dem Sitz steht’).’ Es ist charakteristisch für diese Inschrift, dass sie zwei Stilebenen verbindet: eine altertümlich sakral oder mythisch wirkende und eine der ordinären Analsprache. Moltke15 hat in der Strophe ein Spottgedicht auf einen gierigen Esser gesehen, aber das erklärt noch nicht die Verbindung der beiden Sphären und das jähe Umschlagen von einer zur anderen. Man kann wohl davon ausgehen, dass der Verfasser dieser Strophe genau diesen Effekt wollte, und könnte vielleicht von einer Parodie16 auf die vermutlich noch bekannte Götterdichtung sprechen. Das würde voraussetzen, dass man auch in Dänemark die eddische Götterdichtung kannte. Es ist zwar denkbar, dass ein Norweger oder Isländer diesen Vers verfasste, die Wortform sum weist jedoch auf einen ostnordischen Verfasser.17 Man muss aber berücksichtigen, dass der Witz des Verses nur bei einem Publikum ankommen konnte, das mit eddischer Dichtung vertraut war. Einen Hinweis darauf, dass in den mittelalterlichen Städten eddische Dichtung bekannt war, geben die in Bergen gefundenen Inschriften, die Kenntnis der eddischen Dichtungen verraten.18 Die Inschrift beginnt also im Stil eddischer Wissensdichtung: „Runen ritzte ich in machtvolles Holz…“ Das hier sprechende Ich lässt sich am ehesten mit dem von Hávamál vergleichen. Dort ist Hárr der Sprecher, der belehrt (Loddfáfnismál), der auf die Ursprünge seines Zauberwissens verweist (Rúnatal) und der so auch seine zauberischen Fähigkeiten kundtut (Ljóðatal). Die Frage, wer das Ich in der Inschrift sein könnte, muss allerdings offen bleiben. Vielleicht wird damit ja auch nur der Stil der gnomischen Dichtung nachgeahmt.
14 15 16 17 18
Moltke 1985, S. 484. Moltke 1985, S. 484. Vgl. dazu Marold (1998, S. 679 f.) mit ähnlichen Beispielen. Moltke 1975, S. 87. Vgl. dazu Liestøl (1965), der bei seinen Deutungen der Inschriften immer wieder auch auf eddische Parallelen weist.
Der „mächtige Nachkomme“
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Der Parodiecharakter und der Verweis auf eddische Wissensdichtung führen zur Frage, wen wir uns als Urheber dieser Inschrift bzw. des Textes vorstellen sollen. Moltke19 hat sich die Entstehung des Textes so vorgestellt: I imagine a group of young men sitting and drinking at an inn. They make vulgar jokes at each other’s expense but not with any bad feeling. A poet among them makes a mocking stanza about one of the party who evidently had a reputation for gluttony. He was not an outstanding poet by any means – stuck for words he made up his own, as apparently in hulaʀ auk bulaʀ.
Moltke hat hier den Dichter m. E. zu stark von der analen Ebene des Gedichtes ausgehend charakterisiert. Dabei sind seine anderen Eigenschaften mehr oder weniger untergegangen. Er war offensichtlich nicht nur ein volkstümlicher Dichter, sondern er war auch mit den höheren Gattungen seiner Zeit vertraut, er kannte eddische Dichtungen. Nur so kann man sich auch die Verwendung des Ljóðaháttr erklären, aber auch seinen Wortgebrauch: Wörter wie mǫgr, árdagar kommen nur in der Edda oder in der gehobenen Stilebene der Gesetzestexte vor. í árdaga: Vsp. 61: Vm. 55: Grm. 5: Grm. 6: Grm. 43: Ls. 9: Ls. 25: Ls. 48: Skm. 5: Skm. 7:
Die Asen finden die goldenen Tafeln wieder, þærs í árdaga áttar hǫfðo. Ey manni þat veit, hvat þú í árdaga sagðir í eyra syni. Álfheim Frey gáfo í árdaga tívar at tannfé. Válasciálf heitir, er vélti sér áss í árdaga. Ívalda synir gengo í árdaga Scíðblaðni at scapa Mantu þat, Óðinn, er við í árdaga blendom blóði saman hvat iþ æsir tveir drýgðot í árdaga Þegi þú, Heimdallr! þér var í árdaga iþ lióta líf um lagit þvíat ungir saman várom í árdaga Mær er mér tíðari enn manni hveim, ungom, í árdaga.
Aus den Beispielen geht hervor, dass í árdaga eine mythische Frühzeit meint, die der jeweiligen Handlung (begründend) voraus liegt. Es handelt sich dabei offensichtlich um eine poetische Formel, die nur in der Dichtung vorkommt.20 In der Formel der Inschrift æsiʀ í árdaga werden die Asen mit diesem mythischen Einst verknüpft, wie es in den meisten Götterliedern vorausgesetzt ist. Mǫgr dagegen findet man nicht nur in der poetischen Sprache, sondern auch in Gesetzestexten, aber nicht in Prosa-Erzähltexten. Es gehört also 19 20
Moltke 1985, S. 484. Fritzner (1886) gibt unter dem Stichwort keine Prosabelege an.
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offensichtlich einer literarischen Sprachebene an. Das Wort wird in unterschiedlicher Bedeutung verwendet: Entweder in der Bedeutung als ‘Sohn, Nachkomme’, allein oder mit dem Vatersnamen verbunden, oder in der Bedeutung ‘(junger) Mann, Krieger’ (s. dazu unten ausführlicher). Man kann also davon ausgehen, dass der Verfasser der Zeilen ein Literaturkundiger war, der bewusst die Diskrepanz zwischen den beiden Sprachebenen gesucht und eingesetzt hat. Er beginnt sein Gedicht in der Form, dem Stil und der Sprache der eddischen Wissensdichtung. Da ist vom Ritzen der Runen die Rede, von einem mächtigen Nachkommen, den Asen der mythischen Frühzeit, die etwas verkünden – mæla wird man auch noch dieser gehobenen Sprachebene zuordnen. Nur das, was die mythischen Asen verkünden, steht in einem komischen Kontrast. Wenn man einmal beiseite lässt, wer das schreibende Ich ist, dann bleibt als eine der entscheidenden Fragen: Wer ist der mächtige Nachkomme? Was könnte damit gemeint sein? Aus der Inschrift erfahren wir nichts, außer dass er runenkundig ist. Da der erste Teil der Inschrift im Stil und im Wortschatz auf die eddische Dichtung weist, liegt es nahe, dort eine Erklärung zu suchen. Und in der Tat findet man dort einen runenkundigen Nachkommen: er trägt den Namen Konr ungr. In Str. 43 der Rígsþula heißt es: Enn Konr ungr kunni rúnar ævinrúnar oc aldrrúnar.
Konr ist in diesem Gedicht, das die Existenz der verschiedenen Stände auf die Anwesenheit eines Gottes Rígr bei der Zeugung zurückführt – er wandert über die Welt und übernachtet bei verschiedenen Ehepaaren zwischen ihnen liegend – einer der Nachkommen des Jarl. Auch seine anderen Brüderen tragen Namen desselben semantischen Feldes: Burr, Barn, Ióð, Arfi, Mǫgr, Niðr, Niðiungr, Sonr, Sveinn, Kundr. Man sieht, Mǫgr ist hier auch genannt. Konr ungr ist der jüngste Nachkomme des Jarl, er ist der letzte in der Reihe der vorgestellten Stände. Das Gedicht ist zwar nicht vollständig überliefert, aber da der Name Konr ungr wohl als sprechender Name für konungr gedeutet werden kann, ist er wohl als Höhe- und Endpunkt der von Knechten an aufsteigenden Linie zu betrachten. Über die Kenntnis der Runen hinaus werden dem Konr ungr weitere magische Fähigkeiten zugeschrieben; sie sollen hier aufgelistet werden. Es wurde bereits mehrfach auf die Ähnlichkeit der Fähigkeiten von Konr ungr und Odin hingewiesen, wie sie in Hávamál und auch in der Ynglinga saga aufgezählt werden.21 Besonders deutlich zeigt sich das in der Schilderung Odins in der Ynglinga saga Kap. 6 und 7, wo er als der große Magier dargestellt wird. 21
Bereits Mogk 1904, S. 603; Kahl 1960, S. 211–213; Sveinsson 1962, S. 287.
Der „mächtige Nachkomme“
Rígsþula
Hávamál
Ynglinga saga
751
Sigrdrífumál
ævinrúnar
Lebensrunen
aldrrúnar
Lebensrunen
bjarga mǫnnum
Menschen ber- 147, 156, gen 158
eggiar deyfa
Schwert148 schneiden stumpf machen
…en vápn þeira bitu eigi heldr en vendir (Kap. 6)
kyrra elda
Feuer beschwichtigen
152
at slœkkva eld (Kap. 7)
svefia sæva
Gewässer beruhigen22
154
ægi lægia
das Meer beruhigen
ok kyrra sjá ok 10: brimrúnar snúa vindum hverja leið er hann vildi (Kap. 7)
lægia sorgir
Sorgen stillen
9, 19: bjargrúnar 11: limrúnar
146
Trotz aller magischen Fähigkeiten bleibt die Runenkenntnis das wesentliche Kennzeichen des Konr ungr. Auch sein Vater Jarl erlernte die Runen von Rígr (Str. 36), aber das Zentrum dieser Figur ist der Kampf und seine kriegerischen Fähigkeiten (Str. 37), mit denen er sich große Ländereien erwirbt (vá til landa). Auch die anderen Söhne das Jarls werden als Krieger geschildert (Str. 42). Nur Konr ungr ist mit der Runenkenntnis und anderen Zauberkräften begabt. Er besiegt sogar seinen Vater im Wettstreit in der Runenkenntnis – so ist wohl der Satz hann við Ríg jarl rúnar deildi, brǫgðum beitti ok betr kunni zu verstehen. Der Name seines Vaters hier erklärt sich aus Str. 36, wo es heißt, dass Rígr aus dem Wald kam, Jarl (dem Sohn aus der Verbindung von Móðir, Faðir und Rígr) Runen lehrte und ihn als Sohn anerkannte: Kom þar ór runni Rígr gangandi, Rígr gangandi, rúnar kendi; sitt gaf heiti son kvez eiga; 22
Vgl. dazu Eddakommentar 3, S. 649–652.
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und genau so erhält der Konr ungr den Beinamen Rígr durch seine runischen Fähigkeiten, denn die Strophe 45, wo er sich mit seinem Vater in der Runenkenntnis maß, endet folgendermaßen: þá ǫðlaðiz oc þá eiga gat Rígr at heita, rúnar kunna.
Rígr ist hier ein Titel, der durch eine Leistung bzw. eine Fähigkeit erworben wird, und zwar in beiden Fällen in Zusammenhang mit der Kenntnis der Runen. Konr ungr müsste nach dem Vorbild seines Vaters nunmehr Rígr Konr (ungr)23 heißen. Wäre es denkbar, dass diese Figur dem inn ríki mǫgr unserer Runeninschrift zugrunde liegt? Die Ersetzung von Konr ungr durch mǫgr lässt sich mit dem häufig geübten Brauch der Variation erklären, inn ríki könnte vielleicht eine Art Volksetymologie für Rígr sein, das ja aus der eigenen Sprache nicht erklärt werden kann.24 Doch wie könnte man eine Verbindung der Rígsþula mit dem Schleswiger Hölzchen herstellen? Die erste Schwierigkeit ist die umstrittene Datierung der Rígsþula. Zu diesem Problem ist eine große Zahl von wissenschaftlichen Erörterungen mit den unterschiedlichsten Argumenten geschrieben worden, deren Ergebnis zwischen dem 9./10. Jh. bis zur Mitte des 13. Jh.s schwankt. Wenig hilfreich ist das argumentum ex negativo: Es gebe nichts, was eine Datierung in einen Zeitraum nach 1000 erfordere.25 Ebenfalls nicht hilfreich ist der Rekurs auf die in der Rígsþula dargestellten gesellschaftlichen Zustände, obwohl es darin um die unterschiedlichen Gesellschaftsklassen geht, die nach Aussehen, Tätigkeiten und Essensgewohnheiten geschildert werden: Von einem eddischen Lied ist eine realistische Schilderung, die sich an der eigenen Gesellschaft orientiert,26 nicht zu erwarten. Heusler27 hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Dichter ja eine mythische Frühzeit schildern wollte und dafür die poetischen und prosaischen Überliefe-
23 24 25 26
27
Bestätigt wird das u. a. auch dadurch, dass er als Rígr (Rigus) in die dänische Geschichtsschreibung einging. S. dazu unten. Rígr gilt im Allgemeinen als Lehnwort aus dem Irischen: ri (gen. rig) ‘König’. Sveinsson 1962, S. 287. Vgl. etwa Bugge 1909, S. 449: „Skalden må ha levet i den tid som han skildrer.“ Finnur Jónsson (1917, S. 160–162) z. B. weist darauf hin, dass es im 13. Jh. keine Jarle im Sinn eines adeligen Standes mehr gegeben habe, genauso wenig habe es Sklaven mehr gegeben. Ähnlich plädiert auch von See (1981/1957, S. 93) für eine Datierung in das 13. Jh., da es keine ausgeprägten Stände in den wikingischen Kleinreichen gegeben habe. Heusler 1906, S. 276.
Der „mächtige Nachkomme“
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rungen nützte, die ihrerseits schon bisweilen Jahrhunderte alt waren.28 Natürlich sei auch aus dem kulturellen Kontext seiner Zeit einiges eingeflossen. Für eine Datierung in das Hochmittelalter (13. Jh.) wurde auf folgendes hingewiesen: zum einen auf die starke Trennung der Vornehmen von den Bauern, die allerdings im Gedicht nicht zum Ausdruck kommt, zum anderen auf den höfischen Luxus.29 Aber bei genauerem Hinsehen, zeigt sich, dass das Geschilderte ebenso gut Prunk wikingzeitlicher Fürstenhöfe sein könnte: mit Silber verzierte Schüsseln, gebratenes Fleisch, Wein in Kannen, verzierte Krüge (Str. 32).30 Und die kriegerischen Betätigungen, wie sie in Str. 35 geschildert werden – den Schild schwingen, Bogen und Pfeil benützen, Lanzen schleudern, Schwerter zücken, Schwimmen – weisen nicht direkt auf das Hochmittelalter, sondern finden sich in jeglicher Heldendichtung. Was uns bei der Schilderung des Milieus von Jarl und dann auch bei Konr ungr begegnet, ist letzten Endes doch nur die Typik der Heldensagenepik, wie es Heusler schon festgestellt hat. Daraus lässt sich für eine Datierung nichts gewinnen. Genauso wenig kann das Fehlen christlicher Charakteristika etwas zur Datierung des Gedichts beitragen.31 Das Gedicht spielt in der mythischen Frühzeit, in der alle Götterlieder der Edda spielen, – Ár kváðo ganga grœnar brautir … ás kunnigan, … Ríg stíganda (Str. 1). Aber das gilt auch für Eddalieder, die sicher spät entstanden sind, wie z. B. die Hymiskviða. Man wird vielleicht auch bei den Götterliedern an einen frühen Euhemerismus denken müssen, wenn man ihre Tradition und ihre Entstehung in einer christlichen Zeit denkt. In Zusammenhang mit Datierungsfragen standen auch die Versuche, die Rígsþula mit bestimmten historischen Personen zu verknüpfen, manchmal direkt als Lobgedicht, manchmal nur im Sinne eines Hinweises, einer Allusion. Diese Verknüpfungen hängen meist damit zusammen, wie die verschiedenen Autoren den fehlenden Teil der Dichtung ergänzen, würden also als Datierungsargument einen circulus vitiosus bilden. Das Gedicht bricht mit der Rede der Krähe ab, die den Konr ungr auffordert, die Jagd32 28
29 30 31
32
Heusler (1906, S. 278–280) zeigt, dass das Ständesystem in den Frostuþingslǫg weitaus komplexer war als in der Rígsþula, deren vereinfachte Dreigliederung aus der überlieferten Dichtung stamme. Darauf weist auch von See (1981/1957, S. 93) hin. Vgl. dazu Steuer 2007, S. 258–261. Vgl. Mogk 1904, S. 602: Er schließt aus dem heidnischen Charakter des Gedichts darauf, dass es noch im 10. Jh. entstanden sein müsse. So auch noch Dronke 1992, S. 677. Die Krähe spricht hier von kyrra fugla ‘Vögel zähmen’. von See (1981/1960, S. 96) hat dies auf die Falkenbeize bezogen. Allerdings ist m. E. aus dieser Tätigkeit
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sein zu lassen und sich auf Kriegszüge zu begeben. Und dann weist sie ihn auf Danr und Danpr (Str. 48), allerdings geht daraus kein Hinweis hervor, in welcher Weise, sich die Beziehung von Konr ungr und den beiden Fürsten weiterentwickeln wird. Á Danr oc Danpr dýrar hallir, œðra óðal, enn ér hafit; þeir kunno vel kiól at ríða, egg at kenna, undir riúfa.
Die beiden werden als überlegen in Prunk, Besitz und Kriegertum geschildert. Und sie sind Seekrieger, ein Thema, das beim Jarl keine Rolle spielte. Dadurch, dass Danr und Danpr in der dänischen Herrschergenealogie in Snorris Ynglingatal und in der Skjǫldunga saga33 auftauchen (s. u.) hat man sie zu Recht auch hier als dänische Herrscher aufgefasst. Die unbeantwortbare Frage bleibt: Kommt es zu einem Eroberungszug oder nur zu einer Brautwerbung? Da in der Skjǫldunga saga ein Rigus mit einer Tochter des Danpr verheiratet ist, hat man angenommen, dass das Lied mit der Vermählung der beiden und der Gewinnung des dänischen Reiches in jedem Fall ende. Obwohl nirgends im Gedicht von Norwegen als dem Schauplatz die Rede ist,34 gehen zahlreiche Forscher davon aus, dass Konr ungr aus Norwegen stamme. Und daher hat man in Konr ungr eine Reihe von norwegischen Herrschern sehen wollen: Bugge35 versuchte, den vermuteten norwegischen Schauplatz mit dem irischen Ursprung des Namens Rígr zu verbinden, und wollte in Konr ungr den norwegischen Ynglinger Guðrøðr veiðikonungr sehen, dessen Sohn Óláfr hvíti eine Herrschaft auf den briti-
33 34
35
kein Argument für die Datierung ins 13. Jh. zu gewinnen, da die Jagd mit Falken schon früher bezeugt ist. Zwar sind die frühen Zeugnisse vor allem aus Schweden bekannt (als Grabbeigabe in Bootgräbern in Valsgärde bei Uppsala, Darstellungen auf Bildsteinen, z. B. Klinte/Gotland), aus Norwegen fehlen Zeugnisse, aber immerhin gibt es aus dem 11. Jh. die Darstellung auf dem Stein von Alstad. Für Dänemark ist die Falkenjagd sicher seit dem 11. Jh. bezeugt. Vgl. dazu Lindner 1976. Zudem ist die Interpretation als Falkenbeize nicht ganz sicher, es gibt auch andere Deutungen von kyrra fugla, z. B. als ‘töten’ oder ‘jagen’. Sie ist nur in einem lateinischen Auszug des Arngrímur erhalten. Gelegentlich versucht man, aus der geschilderten Landschaft auf Norwegen zu schließen, vgl. z. B. Bugge (1883, S. 310), der als Beweis anführt, dass die Krieger über Berge und durch Wälder nach Dänemark reiten. (NB Das musste man wohl damals wie heute mit dem Schiff tun.) Auch Finnur Jónsson (1917, S. 163) schließt aus der geschilderten Landschaft, dem Brot bei den Knechten, dem gezimmerten Haus, der Jagd mit Hunden auf Norwegen. Diese Versuche sind natürlich eine Verkennung des mythischen Charakters der Frühzeitschilderung. Bugge 1883, S. 313 und 1909, S. 453 f.
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schen Inseln begründete. Die als Ziel der Darstellung vermutete Großreichbildung führte Finnur Jónsson36 dazu, in Haraldr hárfagri den durch die Dichtung Gepriesenen zu sehen. Das wurde aber mit Recht zurückgewiesen, da es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit um ein dänisches Großreich handelt. Dronke37 möchte ausgehend von den heidnischen Motiven38 in Jarl Hákon den Konr ungr sehen. Alle diese Versuche hat Heusler mit dem treffenden Argument abgewehrt, dass sie alle auf den Rekonstruktionen des verlorenen Schlussteils beruhen.39 Nicht von einem direkten Lobpreis, wohl aber von einem Vergleich mit Jarl Eiríkr, dem Sohn von Jarl Hákon, der mit einer Tochter des Dänenkönigs Knut des Großen verheiratet war, spricht Boer.40 Ausgehend von seiner These der Datierung der Rígsþula ins 13. Jh. und ihrer inhaltlichen Verknüpfung mit der Jung-Sigurd-Dichtung der Vǫlsunga saga (s. dazu u.) weist von See41 darauf hin, dass Hákon ungi, der Sohn von Hákon IV. durch seinen Namen Anregung für die Dichtung geboten habe. Einen weiteren Vergleichspunkt sieht von See42 in der Tatsache, dass Hákon ungi nach Ausweis der Hákonar saga die Falkenjagd liebte, was er auf das kyrra fugla in Str. 47 bezieht. Alle diese Beziehungen zu historischen Personen sind z. T. wenig überzeugend und können damit keine Hilfe bei der Datierung der Dichtung sein, vor allem auch deswegen nicht, weil ihnen zumeist eine bereits gefasste Annahme über die Datierung vorausgeht.
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Finnur Jónsson 1917, S. 170. Dronke 1992, S. 677. Ihre These, Jarl Hákon sei als Heimdallr (und damit als Rígr) dargestellt, kann nicht überzeugen, da sie von einer Deutung Heimdalls als Weltenbaum ausgeht und auf die Darstellung Jarl Hákons als Baum in der Hákonardrápa weist. Dort handelt es sich aber nur um eine der weit verbreiteten Baumkenningar. In der Metaphorik des Landbesitzes als Besitz einer Frau in demselben Gedicht auf Jarl Hákon, deren Grundlage sie im Mythos von Odin als Gatten der Erde sieht, meint sie eine Parallele zu den auf Odin verweisenden Zügen des Rígr zu erkennen (Runenkenntnis und Magie). Schon die Differenz der Thematik – erotische Metaphorik von Landerwerb und Runenzauber – widerspricht einer solchen Gleichung. Heusler 1906, S. 271: Dass die Rígsþula ein Fürstenpreis sei, „gründet sich auf den Teil, den wir nicht haben. Eine auf solcher Grundlage aufgebaute Vermutung heischt das ‘Nicht sehen und doch glauben’ und lässt keine Widerlegung zu.“ Vgl. Meissner 1933, S. 124; Young 1933, S. 99 f. Boer (1922, S. 366) meint, der Dichter – ein Norweger oder Isländer – habe am Hof Knuts des Großen gelebt und seine Dichtung sei eine Verherrlichung des dänischen Königtums. von See 1981/1957, S. 94 und 1981/1960, S. 96. von See 1981/1960, S. 96.
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Heusler43 meinte im Wortschatz der Dichtung ein Argument gegen eine Datierung ins 10. Jh. gefunden zu haben. Er zählte zehn Kulturwörter44 auf, die im Sprachschatz der älteren Dichtung fehlen und zumeist geläufige Wörter der Alltagssprache des 13. Jh.s seien. Aber genau wegen ihrer Zugehörigkeit zur Alltagssprache versteht es sich von selbst, dass sie in der älteren Dichtung, d. h. in der skaldischen und eddischen Dichtung fehlen.45 Ein ähnliches Argument ist die Verwendung von þér und ér als Höflichkeitsformen. Dass sie nicht auf spätere Zeit verweisen, macht ein Blick auf die skaldische Dichtung deutlich, wo bereits in der Ragnarsdrápa 1 der Plural als Höflichkeitsform verwendet wird (Vilið Hrafnketill heyra…), und wo ganz ähnlich wie in der Rede der Krähe die Verwendung von Plural und Singular abwechseln.46 Ein Argument, das immer wieder angeführt wird, ist der gelehrte Charakter des Gedichts. Es sind vier Aspekte, die dabei eine Rolle spielen: der Charakter des Gedichtes als Þula, das Thema selbst, das als Spekulation über die Herkunft der Stände bezeichnet wird, das Wortspiel, wodurch aus konungr der Personenname Konr ungr entwickelt wird und zuletzt noch die Bewunderung des Dichters für eine Art von Altertumswissenschaft, wo es um Runenmagie, Zauber und Heldensagennamen (Danr und Danpr) geht. Das alles soll auf eine Entstehungszeit im 13. Jh. weisen. Es ist zwar richtig, dass die große Zeit der Þulur das 12. Jh. ist, doch diese Þulur unterscheiden sich erheblich von der Rígsþula, sie sind zumeist nur metrisch geformte Synonymensammlungen. Allerdings gibt es schon wesentlich früher Katalogdichtungen, deren frühestes Beispiel der ags. Widsith ist, und auch die skandinavische Literatur hat mit den Heldenkatalogen zur Brávallaschlacht, die bei Saxo erhalten sind, oder der Weiterentwicklung von Merkversen zu Gedichten wie Alvíssmál dazu beigetragen.47 Aus der Bezeichnung Þula48 allein lässt sich kein Schluss auf irgendeine Datierung ziehen. 43 44
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Heusler 1906, S. 275; ihm folgt de Vries 1967, 126. arðr ‘Pflug’, hlaða ‘Scheune’, rokkr ‘Spinnrocken’, bolli ‘Schüssel’, frakka ‘Spieß’, kanna ‘Kanne’, kartr ‘Karren’, kinga ‘Brosche, Brakteat’, kólfr ‘Bolzen’, kyrtill ‘Rock’, skokkr ‘Truhe’, dúkr ‘Tuch’. Vgl. dazu eingehend Finnur Jónsson 1917, S. 166 f. Vgl. Sveinsson 1962, S. 288. Vgl. dazu Heusler 1957, S. 80–96, ähnlich bereits Heusler 1906, S. 255; Boer 1922, S. 364. Bereits Finnur Jónsson (1917, S. 164) wies darauf hin, dass die Gattung Þula bereits in einem Gedicht von Sneglu-Halli (11. Jh.) bezeugt sei. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der Titel des Gedichts möglicherweise erst in Zusammenhang mit der Einfügung in Codex Wormianus gegeben wurde (Finnur Jónsson 1917, S. 165; Johansson 1998, S. 74).
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Für die Spekulation über die Entstehung der Stände lässt sich aus Island oder Norwegen kein auch nur annähernd vergleichbares Werk finden. Man hat deswegen häufig auf nicht-skandinavische Vorbilder verwiesen, wie z. B. auf Honorius von Autun (1. Hälfte 12. Jh.), wo die im Mittelalter gängige Herleitung der Stände von den Söhnen Noahs überliefert ist.49 Allerdings unterscheidet sich diese erheblich von der Rígsþula, sodass sie nur die aitiologische Fragestellung gemeinsam haben, nicht aber die Art und Weise, wie die Stände entstanden. Ganz abgesehen davon, dass die Entwicklung des Königtums überhaupt kein Vorbild in der mittelalterlichen christlichen Theorie hat. Dass das Wortspiel der Entwicklung des Personennamens Konr ungr aus konungr unbedingt auf das 13. Jh. verweise, ist angesichts der zahlreichen Belege von Namenkenningar in skaldischen Gedichten seit dem 10. Jh. ebenfalls nicht überzeugend. Eine gewisse Rolle spielen in der Frage der Datierung die unbestreitbaren Verbindungen nach Irland. Da ist einmal der Name der zentralen Figur selbst, Rígr, der von fast allen von einem irischen Wort ri (gen. rig) für ‘König’ abgeleitet wird.50 Weiters hat man auf das Motiv der sexuellen Gastfreundschaft hingewiesen, das mehrfach in der irischen Literatur belegt ist.51 Und zuletzt ist auch noch darauf zu verweisen, dass das Thema, die Beschreibung der Gesellschaftsklassen, ein häufiges Thema der irischen
49
50
51
Heusler 1957, S. 96; 1906 (S. 275) hatte er diese Verknüpfung noch als nicht überzeugend abgelehnt. Bjarni Guðnason (1963, S. 203) und Hill (1986, S. 84) verweisen ebenfalls auf Honorius, heben allerdings hervor, dass die Rígsþula sich erheblich von dieser Entstehungstheorie der Stände unterscheidet. Auch Meissner (1933, S. 115) spricht von der Rígsþula als einer „gelehrten erfindung mit hilfe mythologischer mittel“, deren Ziel es sei, im Einklang mit der christlichen Ableitung von den drei Söhnen Noahs, Unfreiheit als gottgewollte Einrichtung zu erweisen. Wenn man die Rígsþula als Ganzes betrachtet, wird man dieser Einschätzung nicht zustimmen. Ausnahmen sind Finnur Jónsson (1907, S. 241 ff.), der es von einem Substantiv rígr ‘Steifheit, Feindlichkeit’ ableiten will, das als Beiname dreimal in der Hákonar saga Hákonarsonar belegt sei, und das er als ‘der Streitsüchtige’ deutet. Bugge (1909, S. 450 f.) erwähnt eine irische Heldensage, die in einer Handschrift des 12. Jh.s aufgezeichnet ist, in der ein Rig einer von drei Brüdern, Söhne eines Königs aus dem nördlichen Germanien, ist, der mit ihnen um Dänemark, Irland und Britannien gelost habe. Er schließt daraus, dass die Rígsþula auf den britischen Inseln bekannt war. Sie wird in Fn. 4 bei Young (1933, S. 106) zitiert. Allerdings bezweifelt Thurneysen in seiner Anmerkung im Aufsatz von Meissner (1933, S. 127), dass damit die Kenntnis der Rigsþula in Irland bezeugt sei. Dronke 1992, S. 671; Young 1933, S. 101.
758
Edith Marold
Literatur ist.52 D. h. für die zentralen Charakteristika des Gedichtes finden wir Anknüpfungspunkte in der irischen Literatur, aber keine in der mittelalterlichen skandinavischen. Nun ist es unbestreitbar, dass in der Wikingerzeit der Kontakt zu den Iren vielfacher und enger53 war als in späteren54 Zeiten.55 Daher scheint es sinnvoll, zumindest für die Konzeption der Dichtung bis in diese Zeit zurückzugehen. Das muss jedoch nicht bedeuten, dass die Dichtung in der uns heute vorliegenden Gestalt damals entstanden sei. Heusler56 warnt, „man rufe noch nicht nach ‘westlicher Heimat’“, andererseits muss man bedenken, dass Motive nicht unabhängig von Werken ihren Weg von Irland nach Island finden. Gerade, weil für diese Motive kein Anhaltspunkt in isländischer Literatur zu finden ist, liegt es nahe, dass sie ihren Weg in einem dichterischen Werk gefunden haben könnten. Bei der Datierung des Gedichts sind auch literaturhistorische Argumente herangezogen worden. Zunächst ist zu sagen, dass die Rígsþula der Gattung Þula nicht voll entspricht. Es werden zwar Synonyma für die Ständebezeichnungen als Namen der Nachkommen aufgezählt, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Þulur sind sie in eine Erzählung integriert. Man könnte einen gewissen Vergleich mit Alvíssmál, eventuell auch Hyndluljóð ziehen. Die Gattung Þula ist aber keineswegs auf das 12. Jh. beschränkt, sondern geht, wie Heusler in seiner Literaturgeschichte zeigte, auf alte Merkversdichtung zurück.57 Aus der verwendeten Gattung lassen sich also keine Rückschlüsse auf eine Datierung ziehen.58 Auch die unregelmäßige Strophenform lässt sich nicht unbedingt für eine Datierung verwenden, sie kann entweder auf eine ältere Phase weisen, in 52
53 54
55
56 57 58
Vgl. Sveinsson 1962, S. 290 f.; Hill 1986, S. 88; Holtsmark 1956–78, S. 235; Young 1933, S. 100. Dabei wird häufig auf die irischen Brehon-Gesetze verwiesen, die Interesse für Stände mit der Beschreibung von Essen und Kleidern zeigen. Young (1933, S. 106) zählt etliche Isländer auf, die am Hof des irischen Königs gewesen waren. von See (1981/1957, S. 90) geht von Einflüssen aus dem keltischen Bereich um 1200 aus, für die er die Merlínúspá als Zeugen anführt. Nun darf man aber nicht vergessen, dass die Prophezeiungen des Merlin durch die lateinische Geschichtsschreibung, nämlich durch Geoffrey of Monmouths Historia regum Britanniae, wo sie das dritte und vierte Kapitel bilden, nach Island kamen. So hat z. B. Boer (1922, S. 366) vermutet, der Dichter habe in England am Hof Knuts des Großen gelebt und sei dort auch mit irischen Vorstellungen in Verbindung gekommen. Vgl. auch Bugge (1909, S. 480), der annimmt, dass das Gedicht auf den britischen Inseln entstanden sein müsse. Heusler 1957, S. 97. Heusler 1957, S. 80–96. Vgl. Finnur Jónsson 1917, S. 164 f.; Boer 1922, S. 364 f.
Der „mächtige Nachkomme“
759
der das Fornyrðislag noch nicht regelmäßig vier Verszeilen hatte, sie kann aber auch durch die schlechte Überlieferungssituation des Textes verursacht sein. Es bleibt die Verbindung mit anderen literarischen Texten: Auszuschließen ist mit großer Wahrscheinlichkeit die Verbindung mit Str. 1 der Vǫluspá, wo die Rede ist von meiri oc minni megir Heimdalar, weil die Gleichung von Heimdallr und Rígr nur aus der Prosaeinleitung des Gedichts stammt. Trotzdem haben vor allem die Forscher, die in der Zeugung der Menschen durch Rígr einen alten Mythos sehen wollen, daran festgehalten. Eine Vielzahl von Forschern sieht in dieser Gleichsetzung eine Interpretation des Redaktors von Codex Wormianus59 und weist auf die „odinischen Züge“ der Rígr-Figur, die sich mit Heimdallr nicht vereinbaren lassen.60 Eine weitere literarische Beziehung hat von See in zwei Aufsätzen61 herausgestellt. Er zeigt eine größere Anzahl von Parallelen zwischen der Rígsþula und den Jung-Sigurdliedern auf, die durch die Verknüpfung des norwegischen Herrscherstammbaums mit den Nachkommen von Sigurd bedeutsam würden. Die Frage ist, wie weit diese literarische Verbindung eine Datierung ermöglicht oder unterstützt. Die erste von diesen Gemeinsamkeiten ist die Vogelsprache: So wie die Meisen Sigurd vor Reginn warnen, ihm nahe legen, ihn zu töten und ihn auf den Weg zur Walküre Sigrdrífa weisen, wird Konr ungr durch die Krähe aufgefordert, die Jagd sein zu lassen und auf Kriegszug zu ziehen. Ob sie ihn auch auf die Tochter Danprs verweist, wissen wir nicht, weil der Schluss des Gedichtes fehlt. Der Vergleich ist doppelt interessant: Zwar finden wir andere weissagende Vögel in der Edda, z. B. im allgemein als alt eingeschätzten Brot (Str. 5), wo ein Rabe nach der Ermordung Sigurds den Tod der Gjúki-Söhne durch Atli prophezeit. Aber mit der Sigurddichtung vergleichbar ist die Position der Weissagung in der Erzählung: Die Weissagung bei Sigurd steht in Zusammenhang mit seiner Bewährungsprobe beim Drachenkampf und der Gewinnung der Walküre. Ähnlich ist auch die Position der Krähe in der Rígsþula. Man könnte in beiden Fällen von einem Wendepunkt im Leben des jungen Helden sprechen, der durch den Rat des Vogels bzw. der Vögel herbeigeführt wird. Dass die sprechenden Vögel zumindest in der Sigurdtradition jedoch keine Erfindung des 13. Jh.s sind, 59 60 61
Johansson (1998, S. 73, 79 f.) wies darauf hin, dass der Schreiber von W unter anderem auch die Hauksbók schrieb, in der auch die Vǫluspá enthalten ist. Eine Aufzählung der jeweiligen Vertreter der beiden Interpretationsrichtungen findet sich im Eddakommentar 3, S. 487. von See 1981/1957; 1994.
Edith Marold
760
zeigt ihre Darstellung in der Sigurdritzung des Ramsundsteins, der in die Zeit von 1050 datiert wird. Die nächste Gemeinsamkeit ist ein lexikalische: das Wort konr komme in der Bedeutung ‘Nachkomme’ in der Edda nur noch in den Reginsmál (Str. 13 und 14) als Bezeichnung von Sigurd vor. Eine Übersicht über die Verteilung von mǫgr und konr zeigt, wenn man die skaldische Dichtung einbezieht, ein bemerkenswertes Ergebnis: konr ‘Nachkomme, Angehöriger einer Gruppe’ Stelle
Text
Übersetzung umschrieb. DatiePerson rung
edd./ skald.
Kombination mit
Rm13
Sigmundar konr
Nachkomme des Sigmund
Sigurd
edd.
PN
Rm 14
Yngva konr
Nachkomme des Yngvi
Sigurd
edd.
PN
HHv 14,3
konir
Männer
edd.
HH 23,8
konir
Männer
edd.
62
900
skald.
?
Ólafr tréáttkonr Lofða Angehöriger kyns des Geschlechts telgja der Lofðar (Männer)
900
skald.
Männer
Þdr 15
Jarðar konr
Nachkomme der Erde
Thor
970
skald.
PN
Vell 32
rǫgna konr
Nachkomme der Götter
Jarl Hákon 985
skald.
Götter
Gunnl
konungmanna Angehöriger d. Sigtryggr konr Gruppe d. ‘Kö- silkiskegg nigsmänner’
skald.
Könige
Yt 2
Dusla konr
Yt 29
Sigtrdr
62
Nachkomme Sveigðir des Dusli / der Duslar (?)
1002
Es gibt zahlreiche Versuche, Dusla zu erklären, vgl. dazu Marold 1983, S. 115. Häufig wird darin ein Personenname gesehen, wenn man jedoch den am häufigsten vertreten Typ dieser Kenningar (konr + Gen. Pl.) betrachtet, könnte auch hier ein solcher Genitiv Plural einer Gruppenbezeichnung vorliegen.
Der „mächtige Nachkomme“
Stelle
Text
Übersetzung
761
umschrieb. DatiePerson rung
edd./ skald.
Kombination mit
Ótt Hfl 10
bragna konr
Angehöriger Olaf d. Hl. 1023 der Gruppe der Fürsten
skald.
Fürsten
Ótt Knútsdr 3
stillis konr
Nachkomme des Fürsten
Knut d. Gr. 1026
skald.
Fürsten
Sigv Erlingsflk 6
bragna konr
Angehöriger Olaf d. Hl. 1028 der Gruppe der Fürsten
skald.
Fürsten
ÞjóðA Ellu konr Magnflk 6
Nachkomme des Ella
Magnús góði
1045
skald.
PN
Arn RÄgn- Heita konr vdr 2
Nachkomme des Heiti
RÄgnvald Brúsason
1046
skald.
PN
Arn Frg 2
Angehöriger ? der Gruppe der Fürsten
1050
skald.
Fürsten
ÞjóðA Runh haukstalla 63 Gedicht konr über Haraldr harðráði 4
Angehöriger Magnús der Gruppe der góði Fürsten
1055
skald.
Fürsten
Steinn Nizarvs 7
sælinga konr
Angehöriger Sven Estder Gruppe der ridssøn Glücklichen
1062
skald.
glückliche Männer
Steinn Óláfsdr 17
hildinga konr
Angehöriger Óláfr kyrri 1070 der Gruppe der Fürsten
skald.
Fürsten
skald.
PN
siklinga konr
Mark Yngva áttkonr Nachkomme Eiríksdr 12 des Yngvi
63
Schreibfehler für haukstalda
Eiríkr ejegod
1104
Edith Marold
762
mǫgr ‘Sohn, junger Mann, Krieger’ Stelle
Text
Hym 8 Grm 17 Vsp 55,1
mǫgr (Týr) mǫgr (Víðarr) m. Sigfǫður (Víðarr)
Ls 45
Hropts megir (Götter) megir Heimdallar (Menschen/Götter) mǫgr Hveðrungs (Fenriswolf) mǫgr Hlóðyniar (Thor) geta mǫgr
Vsp 1 Vsp 55,3 Vsp 56 Ls 36
Heimdallar- níu emk mœðra galdr (SnE) mǫgr Vm 33 Undir hendi vaxa … mey ok mǫg saman;
Fm 2 Fm 33
inn móðurlausi mǫgr, mǫg þann er trúir hánom (Sigurðr)
Hm 15
léto mǫg ungan til moldar hníga.
Sg 6
Hafa scal ec Sigurð … mǫg frumungan
Fm 16
… fannca ec marga mǫgo.
64
Übersetzung
Datie- eddisch/ Bedeutung rung skaldisch junger Mann/Sohn (?) eddG64 junger Mann junger Mann eddG junger Mann Sohn des Sigfaðir eddG Sohn von NN Söhne des Hroptr eddG Sohn von (Odin) NN die Söhne des eddG Sohn von Heimdall NN Sohn des Hveðrungr eddG Sohn von NN Sohn der Hlóðyn eddG Sohn von NN einen Sohn zeugen eddG Sohn, Nachkomme ich bin Sohn von eddG Sohn, Nachneun Müttern komme unter dem Arm eddG Sohn, Nachkomme wachsen … Mädchen und Knabe zusammen der mutterlose junge eddH junger Mann Mann … den jungen eddH junger Mann Mann, der ihm vertraut sie ließen den juneddH junger Mann gen Mann zur Erde sinken haben will ich SieddH junger Mann gurd… den ganz jungen Mann … ich fand nicht eddH Krieger viele (mächtige) Krieger
Die eddischen Belege sind getrennt gekennzeichnet nach Götter- (eddG) und Heldenliedern (eddH).
Der „mächtige Nachkomme“
Stelle
Text
HH I 47
hvars megir fóro:
Sg 4
megi Gjúka (Gunnarr) Knátti mær oc mǫgr moldveg sporna
Od 8
Grág 406 Gul 106 Arbj 1567 Hál 10
svá víða sem mǫgr móður kallar 65 móðir verðr magar arfi 66 m. Þóris (Arinbjörn)
Haustl 5
Hallgarðs m. (Hákon) Fárbauta m. (Loki)
Húsdr 2
Fárbauta m. (Loki)
Rdr 2 Krm 26
mǫgr Sigurðar (Ragnarr) mínum mǫgum
Þtjald LV
láti m. til móður
763
Übersetzung
Datie- eddisch/ Bedeutung rung skaldisch … wohin immer die eddH Krieger Krieger ritten dem Sohn des Gjúki eddH Sohn von NN es konnten ein MädeddH Sohn, Nachkomme chen und eine Knabe die Erde betreten so weit wie ein Sohn leg Sohn, Nachdie Mutter nennt… komme die Mutter wird die leg Sohn, NachErbin des Sohnes komme Sohn des Þórir 962 skaldisch Sohn von NN 985 skaldisch Sohn von Sohn des NN Grjótgarðr68 Sohn des Fárbauti 900 skaldisch Sohn von NN Sohn des Fárbauti 983 skaldisch Sohn von NN Sohn des Sigurd 900 skaldisch Sohn von NN meinen Söhnen 1150 skaldisch Sohn, Nachkomme lasst den Sohn zur 900 (?) skaldisch Sohn, NachMutter… komme
1. Während in der Edda nur vier Belege von konr und eine große Zahl von Belegen für mǫgr zu finden sind, ist es in der skaldischen Dichtung gerade umgekehrt: mǫgr in der Bedeutung ‘Sohn von’ wird in der Skaldik nur im 10. Jh.69 verwendet, konr dagegen im 10. und 11. Jh., aber auch dann nicht mehr.
65 66 67 68 69
Nach Fritzner 1886–1896, Bd. 2, s.v. mögr. Ibid. Die Siglen der skaldischen Gedichte nach Finnur Jónsson 1931. Hallgarðr ist eine skaldische Umbildung des Namens Grjótgarðr, die auf der Ersetzung von grjót- durch das synonyme hallr beruht. Es gibt nur eine Ausnahme: Krákumál (12. Jh.) benützt den Plural in der Bedeutung ‘Söhne’.
764
Edith Marold
2. Es gibt auch klare Unterschiede in der Verwendung und Bedeutung der beiden Wörter: Konr bezeichnet im Normalfall den Angehörigen einer sozialen Gruppe. −
in der Kombination mit Wörtern für ‘Fürst’ (siklinga, bragna, stillis, hildinga, haukstalla)‚ ‘König’ (konungmanna) oder ‘Götter’ (rǫgna);70 − in der Kombination mit Personennamen, die stellvertretend für ein Appellativum stehen: Heita konr ‘Nachkomme des Heiti (= Seekönig)’ für RÄgnvaldr Brúsason, Yngva áttkonr ‘Angehöriger des Geschlechtes des Yngvi’ für den Dänenkönig Eiríkr,71 Yngva konr für Sigurðr,72 Ellu konr ‘Nachkomme des Ella (= englischer König)’ für Magnús góði. Auch hier wird nicht die tatsächliche Herkunft ausgedrückt, sondern die Umschreibung hat die Funktion, Magnús góði als englischen König zu bezeichnen. Als Hintergrund könnten seine Ansprüche auf den englischen Thron gelten.73 Unklar bleibt Dusla konr ‘Nachkomme des Dusli’ für einen Ynglingenherrscher. − Eine Weiterentwicklung aus diesen Umschreibungstypen könnten in den einzigen beiden Fällen vorliegen, wo der Plural konir offenbar nur ‘Männer’ bedeutet. Ausnahmen von der Bedeutung ‘Nachkomme / Angehöriger einer Gruppe’ liegen nur in Jarðar konr für Thor und Sigmundar konr für Sigurðr vor, wo es direkt als ‘Sohn’ übersetzt werden müsste. Ganz anders zeigt sich die Verwendung von mǫgr: −
−
70
71
72
73
In den wenigen skaldischen Belegen aus dem 10. Jh. wird es immer in der Funktion ‘Sohn des NN’ verwendet. Dieselbe Funktion findet man auch in einigen Eddaliedern. Daneben dient das Wort mǫgr auch als allgemeine Bezeichnung für ‘Sohn, Nachkomme’. In dieser Bedeutung verwenden es die GesetzesDie Kenning sælinga konr ‘Nachkomme glücklicher Männer’ für Sven Estridssøn (Steinn Herdísarson, Nizarvísur 7) ist wahrscheinlich eine Parodie auf diesen Kenningtyp, da die Umschreibung ironisch auf den Verlierer der Schlacht bezieht, der die Flucht angetreten hat. Eine Abstammung von dem norwegischen oder schwedischen Ynglingergeschlecht wird hier wohl kaum behauptet, hier hat yngvi vermutlich nur mehr die Bedeutung ‘Fürst’. Auch hier ist wohl nicht an eine direkte Abstammung von dem Heros eponymos der Ynglinger gedacht, die ja für den Helden aus dem Geschlecht der VÄlsungar nicht in Frage kommt. Vgl. dazu Hofmann 1955, S. 105 f.
Der „mächtige Nachkomme“
765
texte, und die Eddalieder und zwei skaldische Belege, von denen der eine eine Lausavísa (aber wohl kaum aus der Zeit um 900) ist, der andere Krákumál. − Dazu gibt es eine größere Zahl von Belegen, wo das Wort nur in der allgemeinen Bedeutung ‘junger Mann, Krieger’ verwendet wird. Hier handelt es sich vorwiegend um Heldenlieder.74 Wenn es nun um konr als Argument in der Datierungsfrage und um den Nachweis einer engeren Verbindung zwischen Rígsþula und den JungSigurdliedern geht, sind folgende Punkte zu beachten: Man darf bei dieser Frage nicht die Distribution in Edda und Skaldik außer Acht lassen. Die Übersicht macht deutlich, dass konr offenbar kein gängiges Wort des eddischen Wortschatzes ist, dort würde man mǫgr bzw. megir erwarten. In der Skaldik dagegen ist konr hinreichend belegt, allerdings nur auf das 10. und 11. Jh. beschränkt, wobei das 11. Jh. fast dreimal soviel Zeugnisse aufweist (11) wie das 10. (4), also einen deutlichen Schwerpunkt bildet. Die Eddalieder, die konr benützen, haben eines gemeinsam: Für sie bzw. ihre Vorläufer wird Herkunft aus einem Kontext der britischen Inseln vermutet. Es handelt sich um die Helgilieder mit ihrem Plural konir und um die zweimalige Verwendung in den Reginsmál. Hans Kuhn und Hofmann75 sehen beide in der Verwendung des Wortes konr einen Hinweis auf den Einfluss von den britischen Inseln. Hofmann76 weist darauf hin, dass das Wort konr in der Skaldik des 10. Jh.s „nur im mythisch-religiösen Bereich“ verwendet worden sei,77 während beginnend mit Gunnlaugs Sigtryggsdrápa (1002) die Verwendung im weltlichen Bereich einsetze. Man kann weiterhin feststellen, dass alle Skalden, die konr verwenden, Beziehungen nach England und Dänemark78 hatten: 74
75
76 77 78
Die zwei Belege aus dem Bereich der Götterlieder sind nicht sicher einzuordnen: In der Hymiskviða ist im Anschluss gleich die Rede von der Großmutter, daher könnte man das Wort hier auch als ‘Nachkomme’ übersetzen. Ähnliches gilt von Grímnismál, wo Víðarr als mǫgr bezeichnet wird und gleich im Anschluss daran, von seiner Vaterrache die Rede ist. Vgl. dazu Kuhn 1950, S. 37 ff.; Hofmann 1955, S. 114–149, wo eine Fülle von Wortschatz- und Stilelementen vorgelegt wird, die den Einfluss des Englischen auf diese Lieder zeigt. Hofmann 1955, S. 56. M. E. lässt sich das mit nur zwei Belegen von vieren (Jarðar konr und rǫgna konr) nicht hinreichend belegen. Hofmann 1955, S. 76 rechnet mit starken englischen Einflüssen in Dänemark.
766
Edith Marold
Óttarr svarti lebte am Hof Knúts des Großen, er soll lt. Skáldatal schon auf Sveinn Tvéskegg gedichtet haben. Sigvatr dichtete eine Knútsdrápa, er war als Gesandter an Knúts Hof (Vestrfararvísur), vielleicht sogar mehrmals.79 Arnórr Þórðarson erwarb sich Ansehen bei den Jarlen auf den Orkneyjar und lebte lange dort. Auch er soll noch auf Knút d. Gr. gedichtet haben (Skáldatal ). Seine Beziehungen zu den britischen Inseln gehen vielleicht schon auf seinen Vater Þórðr Kolbeinsson zurück.80 Þjóðolfr Arnórsson dürfte erst am Ende seines Lebens durch den Kriegszug mit Haraldr harðráði nach England gekommen sein. Steinn Herdísarson war Skalde bei Haraldr harðráði und Óláfr kyrri. Er lernte von Þjóðolfr.81 Markús Skeggjason besuchte in seiner Jugend Dänemark und Schweden. Er steht in der Tradition von Arnórr, der ihm das Vorbild für seine Hrynhent-Dichtung geliefert hat.
Wenn wir die Tatsache, dass Reginsmál und Rígsþula dasselbe Wort konr benützen, als Argument in der Datierungsfrage bewerten, dann müssen wir feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass es auf einen gemeinsamen Hintergrund einer Entstehung der Gedichte (bzw. von deren Vorläufern) in einem britisch(-irischen) Kontext des 11. Jh.s weist. Gegen die Annahme, dass der Dichter der Rígsþula konr aus den Reginsmál übernommen hätte, um sein Wortspiel mit konr ungr – konungr durchzuführen, spricht der erstaunliche Befund, dass dieses Wortspiel in der Rígsþula gar nicht zum Tragen kommt. Denn es ist nicht der Name des Jarlssohnes, der zum Herrschertitel wird, sondern der Name des Rígr, seines göttlichen Großvaters. (S. dazu u.) Über den konr hinaus führte von See82 an, dass in der Rígsþula und in den Jung-Sigurdliedern vergleichbare sprachliche Wendungen benützt werden: grœnar brautir in Rþ. 1 und Fm. 41 und heilog fiǫll (Fm. 26) und hélug fiǫll (Rþ. 37). Dieses Argument ist nicht überzeugend, denn für grœnar brautir lassen sich weitere Parallelen anführen: z. B. Þórsdrápa 1: …kvað grœnar brautir liggja. Hier und in Fm. dient das Adjektiv dazu, den Weg als einfach oder verlockend darzustellen. Das kann man von Rþ. 1 nicht sagen. Grœnar brautir könnte hier die Funktion haben, die Welt in ihrer mythischen Frühzeit zu charakterisieren. Zu ungenau ist die Gleichung heilog fiǫll (Fm. 26)83 ‘heilige Berge’ und hélug fiǫll ‘mit Reif bedeckte Berge’ (Rþ. 37).
79 80 81 82 83
Hofmann 1955, S. 79 ff. Hofmann 1955, S. 101 ff. de Vries 1967, I, S. 278. von See 1981/1957, S. 91; von See 1994, S. 396. Hélog fjǫll ist eine Emendation von Möbius.
Der „mächtige Nachkomme“
767
Dagegen ist die Verwandtschaft mit den Runenlehren der Sigdrífumál in der Tat bemerkenswert. Aber vergleichbare Runenlehren sind auch in anderen Kontexten zu finden: Oben wurden bereits weitere Lieder (Hávamál) und auch Prosatexte (Ynglinga saga Kap. 7) herangezogen und verglichen, und das zeigt, dass hier weiter verbreitete Vorstellungen zugrunde liegen, die vermutlich ihr Zentrum in Vorstellungen von Odin als runen- und zauberkundigem Herrscher haben. Die Aussage, dass die Augen des Jarls – also nicht die von Konr ungr, dessen Äußeres nicht beschrieben wird – denen einer Schlange gleichen (ǫtull vóro augo sem yrmlingi, Rþ. 34), erinnert natürlich an Sigurðr ormr í augu, den Sohn der Áslaug und damit Enkel Sigurds. Jedoch zeigt eine genauere Untersuchung, dass hier ein weit verbreitetes Merkmal königlichen oder fürstlichen Aussehens herangezogen wird. Es gibt zahlreiche Belege dafür in der Skaldik, beginnend mit dem ormfránn ennimáni ‘dem schlangenglänzenden Auge (eigentlich Stirn-Mond)’ von Egils königlichem Feind Eiríkr blóðøx (Arinbjarnakviða 5).84 Die genauere Prüfung der Verbindungen zwischen Rígsþula und der Jung-Sigurd-Dichtung ergab in der Tat einiges Vergleichbare, das allerdings eher in das 11. Jh. weist als in das 13. Jh. 1. Die Verwendung von konr weist auf den Kontext der britischen Inseln und auf das 11. Jh. 2. Die Vogelrede als Wegweisung ist als Motiv zwar öfter bezeugt, vergleichbar ist jedoch die Funktion innerhalb der Erzählung in beiden Texten. 3. Die Belehrung im Runenwissen und im Zauber durch eine mythische Figur, zum einen durch Sigrdrífa, zum anderen durch Rígr ist ebenfalls vergleichbar. Die letzten beiden Punkte eigenen sich jedoch nicht als Argumente für eine Datierung in das 13. Jh. Die meisten Argumente, die in der Datierungsfrage vorgebracht wurden, haben sich als untauglich erwiesen, sei es die Darstellung der gesellschaftlichen Zustände, das Fehlen von christlicher Kultur und der verwendete Wortschatz, seien es literaturhistorische Argumente. Doch wurden im Rahmen ihrer Überprüfung Hinweise gefunden, die zumindest die Herkunft von einzelnen Motiven und Wörtern aus einem britisch-irischen Kontext wahrscheinlich machen: konr, der Titel Rígr und motivische Entsprechungen zwischen den Jung-Sigurd-Sagen und den sehr knappen Andeutungen über den Weg des Konr ungr zum Königtum. Eine einigermaßen über84
Vgl. dazu Marold 1998b; dort auch weitere Belege.
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Edith Marold
zeugende Datierung ist allerdings nicht möglich. Man muss vor allem bedenken, dass wie bei allen anderen eddischen Liedern mit einer eher unfesten Gestalt und einem Wandel im Lauf der Zeit zu rechnen sein dürfte. Betrachten wir die Rígsþula insgesamt so fällt auf, dass sie inhomogen ist. Einerseits trägt sie ihren Titel einer Þula zu Recht, in ihr ist eine Fülle von Synonyma für die unterschiedlichen Stände zu finden. Sie sind – zum Unterschied von anderen Þulur – in einen kleineren narrativen Kontext eingebaut: Die Synonyma der Ständebezeichnungen sind Personennamen der letzten Glieder einer Genealogie, an deren Beginn die Namen der Großeltern und Rígr stehen. Gattungsnamen werden also auf Individualnamen zurückgeführt. Dieses Verfahren findet eine Parallele in der Snorra Edda. In Skáldskaparmál wird in dem Abschnitt über die manna nǫfn ókend von einem König Hálfdan gamli berichtet, er allra konunga var ágætastr. Er heiratet eine Frau namens Alvíg in spaka und hat mit ihr 18 Söhne. Neun davon zählt er als die ersten auf: Þeir hétu svá: einn var Þengill er kallaðr var Manna-Þengill, annarr Ræsir, þriði Gramr, fjórði Gylfi, fimti Hilmir, sétti JÄfurr, sjaundi Tiggi, átti Skyli eða Skúli, níundi Harri eða Herra. Þessir níu brœðr urðu svá ágætir í hernaði at í Ällum frœðum síðan eru nÄfn þeira haldin fyrir tígnarnǫfn svá sem konungs nafn eða nafn jarls.
Von den anderen neun Söhnen leitet er die Bezeichnung für die Namen für Fürsten ab: …Nefir, er Niflungar eru frá komnir; þriði Auði, er øðlingar eru frá komnir; fjórði Yngvi, er Ynglingar eru frá komnir …85
Man sieht, es ist genau dieselbe Denkweise, die in der Rígsþula herrscht:86 Aus den Eigennamen der Söhne, resp. Enkel werden später Appellativa. Die genealogische Struktur in der Rígsþula ist etwas komplizierter, weil dem ersten Elternpaar zunächst ein Sohn geboren wird, der dann eine passende Ehefrau bekommt und mit ihr dann eine Vielzahl von Kindern zeugt, deren Namen þula-artig aufgezählt werden. Das gilt auch für die Genealogie von Konr ungr. Seine Großeltern zeugen zusammen mit Rígr einen Sohn Jarl, dessen Söhne nun aber nicht mehr Fürstennamen tragen, wie man es eigentlich erwarten könnte. Sie tragen vielmehr Namen, die 85 86
Skáldskaparmál I, S. 101, 103. von See (1981/1957, S. 86) meint zwar, dass die Beziehungen zwischen den ókend heiti und der Rígsþula nichts besagen, weil es sich um Bearbeitungen des Textes handle. Aber es geht hier nicht darum, nachzuweisen, dass Snorri die Rígsþula kannte, sondern lediglich darum, zu zeigen, dass dieses Verfahren der Ableitung von Gattungsnamen von Personennamen bekannt war.
Der „mächtige Nachkomme“
769
Synonyma zum Begriff ‘Nachkomme’ sind. Synonyma für den Begriff ‘Fürst, Herrscher’ wären vorhanden gewesen, das zeigt Snorris Aufzählung. Der Grund für diese Abweichung ist vermutlich, dass der Dichter zum Namen des Konr ungr kommen musste, und dafür musste er Bezeichnungen aus dem Wortfeld ‘Nachkomme’ wählen. Wie Snorris Darstellung zeigt, ist Rígr in einer solchen Ableitung der Ständenamen eigentlich überflüssig. Die Einführung von Rígr, der sowohl Jarl wie auch Konr ungr seinen Namen als Titel verleiht, schafft sogar Verwirrung, weil hier gleichsam zwei konkurrierende Titel entstehen: konungr im Rahmen der Genealogie der Þula, Rígr als Titel, der im letzten, narrativen Teil des Textes vergeben wird. Im Gedicht ist es nämlich nicht der Name des Jarlssohnes, der zum Königstitel wird, sondern umgekehrt, der Name des Rígr wird zum Titel. Das ist ganz deutlich, denn er wird Vater u n d Sohn, Jarl u n d Konr ungr verliehen. Jarl erhält diesen Titel, als Rígr wiederkehrt, ihn belehrt und als Sohn anerkennt (Str. 36): Kom þar ór runni Rígr gangandi Rígr gangandi, rúnar kendi; sitt gaf heiti, son kvez eiga.
Und in der Str. 45 wird Jarl dann auch als Ríg jarl bezeichnet. Und Konr ungr erhält den Titel Rígr nach einem siegreichen Wettkampf mit seinem Vater im Runenwissen þá ǫðlaðiz oc þá eiga gat Rígr at heita, rúnar kunna.
Dieser Titel Rígr, der ja auf das irische ri ‘König‘ zurückgeht, verweist neben allen anderen Argumenten auf die britisch-irischen Ursprünge des Gedichtes. Trotzdem ist es seltsam, dass das Gedicht aus den eigentlichen Fürsten- und Königstiteln (jarl, konungr) Eigennamen macht und diese dann wiederum mit einem Titel versieht. Das hat man im 13. Jh. und schon früher vermutlich nicht verstanden, wie die Einbeziehung des Rígr in die dänische Königsgenealogie beweist, wo man ihn als Namen eines Königs versteht: Snorri spricht von Rígr als „er fyrstr var konungr kallaðr á danska tungu“.87 Aus dem Konr ungr, der den Titel eines Rígr trägt, wurde hier ein Rígr, der den Titel konungr besitzt. Von ihm erbt der Ynglinger Dyggvi, der Sohn von Rígs Tochter Drótt den Königsnamen. Und ähnlich, aber etwas weniger deutlich, heißt es bei Arngrím, „qvi (sc. Rigus) deinde Regis titulo in sua illa provincia 87
Ynglinga saga, Kap. XVII.
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acqvisito, filium ex uxore Dana, Dan sive Danum, hæredem reliqvit”.88 Und selbst Saxo muss etwas von diesem Aufkommen eines solchen Königstitels gewusst haben, denn er sagt von Dan und Angul: „Hi […] regii tamen nominis expertes degebant.“89 Rígr als Titel setzt jedoch voraus, dass man wusste, was das Wort bedeutete. Wenn aber dieses Wissen verloren ging,90 betrachtete man die Nachnamen als Titel, etwa wie in Hákon jarl usw., da ja im Isländischen der Titel nachgestellt wird.91 Und auf diese Weise wurde aus einem Rígr Konr ungr ein Königsname Rígr erschlossen. Wir stellen also fest, dass die Intention des Gedichtes bei der Rezeption im 13. Jh. nicht mehr verstanden, bzw. missverstanden wurde. Das spricht nicht dafür, dass es sich um zeitgenössisches Gedicht handelte, sondern dass zumindest seine Konzeption und Ursprünge in einer Zeit liegen müssen, in der der Wortsinn von Rígr noch verstanden und dieses Wort als Titel verwendet wurde. Zusammen mit konr und den verschiedenen irischen Motiven wird man darin ein Argument sehen können, das auf eine Herkunft von Rígsþula britisch-irischen Kontext weist. Betrachtet man die Rígsþula unter dem Aspekt der Entstehung der Stände, so könnte sie gut nach der Erwähnung des Konr ungr schließen. Doch bei Jarl und noch mehr bei Konr ungr kommt, wie schon von einigen bemerkt, ein narrativer Zug in die Þula.92 Rígr bekommt eine weitere Funktion: er ist nicht mehr nur Zeugungshelfer,93 sondern wird zum Königsmacher. Bei den Ständen der Knechte und Bauern sorgte er nur dafür, dass sozusagen der erste Nachwuchs das Licht der Welt erblickte. Denn die Merkmale der Stände sind in den von ihm Besuchten bereits angelegt. Bei Jarl und Konr ungr ändert sich das: Rígr sorgt zwar auch zunächst für Nachwuchs und auch hier entspricht bereits das Aussehen von Faðir und Móðir dem zukünftigen Stand, aber Rígr kommt ein zweites Mal. Er gibt Jarl seinen eigenen Namen, erkennt ihn als Sohn an und belehrt ihn. Er lehrt in Runen und gibt ihm den Auftrag, sich Land auf kriegerische Weise zu verschaffen. Damit wächst das Gedicht über eine Deskription der Stände hinaus. Rígr wird zum Lehrenden und er verleiht seinen Namen, ein irisches Wort für ‘König’, als Titel. 88 89 90 91 92 93
Danakonunga sǫgur, S. 9. Saxo, S. 10. von See (1981/1957, S. 85) hat schon darauf hingewiesen, dass dem Dichter die Bedeutung des Namens nicht bekannt war, vgl. auch Heusler 1906, S. 274. Nygaard 1966, S. 72. E. Ól. Sveinsson (1962, S. 290) stellt zu Recht fest, dass die Rígsþula in ihrem letzten Teil Heldensagencharakter bekommt. So könnte man die stereotypen Worte Rígr kunni þeim ráð at segia (Str. 3, 17, 30) deuten.
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Schwer zu erklären ist eine Inkonsequenz der Darstellung, insofern als Rígr beim Konr ungr selbst keine Rolle mehr spielt. Rígr erscheint nur bei Jarl, um ihn die Runen zu lehren, Konr ungr scheint diese Fähigkeit schon von Anfang an zu besitzen. Andererseits heißt es in Str. 45 nach seinem Sieg über den Vater: þá ǫðlaðisk oc þá eiga gat / Rígr at heita, rúnar kunna. ‘da erwarb er sich und bekam zu besitzen, Rígr zu heißen, Runen zu können.’ Anders als sein Vater erhält er seinen Titel nicht von Rígr selbst, der bei ihm gar nicht in Erscheinung tritt, sondern durch den Wettkampf. Ein Vorschlag zum Verständnis dieser Strophe könnte sein, dass es bei diesem Runen-Wettkampf um die Königsherrschaft selbst geht, die der Konr ungr nur durch die Überwindung seines Vaters erreichen kann. Und er scheint List dabei angewandt zu haben, brǫgðum beitti heißt es Str. 43,2. Die Vorstellung von der Königsherrschaft ist in der Rígsþula nicht hochmittelalterlich, sondern wirkt archaisch: Der König ist im Besitz von Runenwissen und Zauberkräften94 und die Parallelen zu diesen Vorstellungen in Hávamál und in der Darstellung Odins in der Ynglinga saga wurden oben aufgezeigt. Auch auf den odinischen Charakter der Rígr-Figur ist schon mehrmals hingewiesen worden:95 Wie Odin wandert er über die Welt und kehrt bei den Menschen ein. Er kommt geheimnisvoll aus dem Wald: ór runni (Str. 36), Rígr gangandi wird eindrucksvoll in eben dieser Strophe wiederholt – hier liegt der Vergleich mit dem Gott nahe, dessen Decknamen Vegtamr und Gagnráðr (< Gangráðr) lauten. Er sowie Odin entsprechen dem Modell des über die Welt wandernden Kulturheros, der den Menschen die kulturellen Einrichtungen bringt. Dazu passt auch die Vorstellung, dass er die Runen und den Zauber lehrt, vielleicht auch, dass er bei der Entstehung der Sozialordnung seinen Anteil hatte. Nun, nachdem der Konr ungr die Herrschaft von seinem Vater übernommen hatte (wenn wir Str. 45 so deuten dürfen), ist seine Geschichte immer noch nicht zu Ende. Er verhält sich nämlich nicht königlich, sondern reitet durch Gebüsch und Wälder, schießt mit Pfeil und Bogen und zähmt (oder tötet?) Vögel (Str. 46). Reið Konr ungr kiǫrr oc scóga kólfi fleygði kyrði fugla.
Das wirft ihm die Krähe vor und fordert ihn auf, sich kriegerisch zu betätigen. Wie könnte man das interpretieren? Mein Deutungsvorschlag geht 94 95
Kahl (1960, S. 210) stellt fest, dass kunna „das einzige Verb (sei), das zur unmittelbaren Charakteristik des Konr gegenüber seinen „Brüdern“ herangezogen wird.“ Besonders bei Mogk 1904, S. 603; Meissner 1933, S. 110; Kahl 1960, S. 211 ff.; Dronke 1992, S. 675–677; Eddakommentar 3, S. 491.
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vom Gegensatz Wald/Jagd und Kriegertum aus. Wir finden in etlichen Heldenbiographien eine Phase, wo die Helden allein in der Wildnis leben und erst dann in einer Art Heldenapotheose sich kriegerischen Ruhm erwerben. Man hat mit Recht diesen weit verbreiteten Erzähltypus als Initiationsschema gedeutet.96 Dieses Schema enthält Trennung von den Eltern (durch den Tod der Eltern, durch Kindesraub usw.), eine Trennung von der Gesellschaft durch ein Leben im Wald oder in der Wildnis. Beides kann von mythischen Figuren begleitet werden, die den Initianden lehren. Danach erfolgt eine Rückkehr, meist verbunden mit einer Heldentat und der Gewinnung einer Braut. Solche Strukturen findet man sowohl im Märchen (z. B. Goldener), in der Königssage (Haraldr hárfagri und der Dofrafóstri), in der Heldensage (Sigurðr, Helgi und Hálfdan in der Hrólfs saga). In der Rígsþula würde der Trennung vom Vater dessen Überwindung in einem Wettkampf entsprechen, der Entfernung von der Gesellschaft das unkriegerische Leben im Wald, und das siegreiche Ende würde wohl die (kriegerische?) Gewinnung der Tochter des Danpr entsprechen. Mythische Figuren, die diesen Weg begleiten, sind in jedem Fall die Krähe,97 vielleicht aber auch Rígr, wenn er auch nicht im Gedicht erwähnt wird, vielleicht weil der Dichter die Doppelung des Erscheinens des Rígr vermeiden wollte. Deuten wir diesen Teil des Gedichts als Initiationsszenario – natürlich längst überführt in eine typische Struktur des Heldenlebens, dann wird hier noch einmal die Verwandtschaft mit der Sigurdsage sichtbar. Denn Sigurds Jugendgeschichte entspricht ebenfalls dieser modellhaften Struktur. In diesem gemeinsamen Strukturmodell finden die oben festgestellten Vergleichspunkte – die Rat gebenden Vögel und die Belehrung mit Runenweisheit – ihre Erklärung. Die Krähe, die den jungen Konr ungr auf die prachtvollen Hallen von Danr und Danpr weist, leitet den zweiten Bruch in der Konzeption der Rígsþula ein: Was als Þula für die Ständenamen begann, findet nun das Ende in der Vorzeitgeschichte der dänischen Herrscher. Beide Namen, Danr und Danpr, kommen aus der gotischen Heldensage und sind wohl wegen des Gleichklangs von Danr (der Fluss Don) und Danr, dem Heros eponymos, in die dänische Königssage gekommen, und 96 97
Vgl. dazu Gennep 1909. Man hat sich oft über die Wahl der Krähe gewundert, weil dieser Vogel sonst gegenüber dem Raben kaum eine Rolle spielt und vermutet, dass Áslaug kráka aus der Ragnars saga loðbrókar das Vorbild sei (von See 1981/1957, S. 92). Hier sei wenigstens angemerkt, dass in der Vǫlsunga saga (Kap. 2) eine Walküre im Krähenhemd im Auftrag Odins dem unfruchtbaren Paar Reri und seiner Gattin (ihr Name wird nicht genannt) einen Apfel bringt, der dem Paar den erwünschten Nachwuchs (Vǫlsungr) beschert.
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zwar wohl schon bevor der Dichter der Rígsþula auf die „prachtvollen Hallen“ von Danr und Danpr wies. Denn hier ist die Verwandlung von Flussnamen zu Herrschernamen schon vollzogen. Sowohl die Erzählstruktur des Gedichts wie auch die Tatsache, dass in den isländischen Versionen der Dänengeschichte der durch ein Missverständnis entstandene Rígr später als Gatte der Tochter des Danpr auftaucht, weisen darauf hin, dass das Gedicht mit einer Einheirat in die dänische Herrschersippe endete. Das Ziel des Gedichts dürfte es gewesen sein, eine mythische Fundierung des Königstitels in der dänischen Genealogie zu etablieren. Denn sowohl in Snorris Ynglinga saga wie in Arngríms Auszug aus der Skjǫldunga saga heißt es, Rígr (Rigus) habe als erster den Königsnamen in Dänemark getragen. So vereinigt das Gedicht drei unterschiedliche Teile, die freilich nicht ganz bruchlos zusammengefügt wurden: −
eine þula-artige Darstellung der Entstehung der Ständenamen aus Individualnamen im Rahmen einer Genealogie, − die Entstehung des Königstitels durch göttliches Eingreifen in Form von Belehrung und Vergabe des eigenen Namens als Titel durch einen Gott Rígr, − den Weg in die mythische Frühgeschichte des dänischen Königtums. Wenn man einen Titel nach der Funktion des Gedichtes wählen müsste, könnte er „Wie das Königtum nach Dänemark kam“ lauten. Man kann sich natürlich fragen, warum führt die Geschichte nach Dänemark und nicht nach Norwegen oder Schweden? Zwei Gründe könnten eine Rolle gespielt haben: Zum einen der vermutliche Entstehungsort, nämlich die britischen Inseln zur Zeit der Herrschaft dänischer Könige in England. Ein zweiter Grund könnte darin liegen, dass gerade in den Erzählungen über die dänischen Vorzeitkönige Odin eine bedeutende Rolle spielt. Sie sind natürlich nur in fornaldarsaga-artigen Erzählungen insbesondere bei Saxo Grammaticus erhalten, zeigen aber, dass zu den Vorstellungen über das frühe Königtum das Motiv des den König begleitenden, belehrenden und unterstützenden Gottes Odin gehörte.98 In der Geschichte von Haraldr hilditǫnn, erzählt in Saxos VII. Buch, finden wir einige Elemente wieder: seine Eltern sind unfruchtbar99 und 98 99
Den Vergleich zwischen Rígr und Odin als Berater der Fürsten zogen bereits Mogk 1904, S. 603 und Meissner 1933, S. 110. Ganz ähnlich die Großeltern von Sigmundr, des Vaters von Sigurðr. Sie sind unfruchtbar, und erst durch das Eingreifen Odins, der eine Walküre mit einem Apfel
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wenden sich an das Orakel in Uppsala. Durch Othinus’ Orakel kommt dann der König zur Welt. Dürfen wir hier einen Vergleich ziehen mit Rígr, der zu den einzelnen Paaren kommt und ihnen ‘Rat geben kann’ (Rígr kunni þeim ráð at segia)? Othinus nimmt sich des Kindes nach dem Tod des Vaters als Erzieher Bruno an, macht ihn unverwundbar, lehrt ihn die keilartige Schlachtordnung und bleibt als sein getreuester Gefolgsmann bei ihm. Haraldr gewinnt ein riesiges Reich und findet schließlich durch Odin in der Gestalt seines Wagenlenkers Bruno den Tod.100 Ähnliches wird von Hadding (Saxo, II. Buch) erzählt: Nach dem frühen Tod des Vaters wird er durch einen Riesen Vagnhophtius (Vagnhǫfði) in einer Höhle erzogen, dann begegnet ihm ein einäugiger Greis, der ihn sein weiteres Leben beschützt und unterstützt, ihn die keilförmige Schlachtordnung lehrt. Wie alle Odinshelden findet er den Tod durch ihn – er erhängt sich. Und auch im Leben des Hrólfr kraki und Starkads tauchen Motive auf, auf Grund derer man sie als Odinshelden bezeichnet hat.101 Und um nun den Bogen zum Beginn des Beitrages zurückzuschlagen, sei als These folgende Vermutung aufgestellt: Es könnte im Dänemark des 11. Jh.s ein Gedicht, ähnlich wie die Rígsþula gegeben haben, in dem ein königlicher und runenkundiger Rígr Konr ungr eine Rolle spielte – auf ihn könnte unser parodistisches Ljóðaháttr-Gedicht auf dem Runenhölzchen mit der Bezeichnung inn ríki mǫgr anspielen.
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100 101
schickt, wird die Frau schwanger. Ihr Sohn ist VÄlsungr, der Vater Sigmunds. (Vǫlsunga saga, Kap. 2). Vgl. dazu Landolt 1999. Vgl. Herrmann 1922, S. 97. Ausführlich, aber in manchen Schlussfolgerungen nicht überzeugend, Höfler 1952.
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 778–802 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Die nordischen Pilgernamen von der Reichenau im Kontext der Runennamenüberlieferung von HANS-PETER NAUMANN
In der antiquarischen Zeitschrift Fornvännen 2006/5 hat Rune Edberg unter dem Titel „Spår efter en tidig Jerusalemsfärd“ die Auffassung vertreten, dass eine familiare Personennamengruppe, die auf mehreren Runensteinen in Uppland (U 135, U 136 und U 137, Broby bro, Täby socken) erwähnt wird, möglicherweise auch in dem um 824 angelegten Verbrüderungsbuch des Bodenseeklosters Reichenau als Einschreibung präsent ist.1 Es handelt sich um zwei Männernamen, aschw. Sven und Østen sowie um den Frauennamen aschw. Æstridh, und es dreht sich dabei um bereits christianisierte Angehörige des einflussreichen Magnatengeschlechts von Jarlabanke, die in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts in der Mälarseeregion gelebt haben. Tatsächlich findet sich in der memoria von Reichenau inmitten einer längeren Namenliste von unzweifelhaft nordischer Herkunft ein Eintragskollektiv mit den Namen Suein, Osthein, Hestrit (Ausg. Autenrieht et al. 1979, p. 151DX1). Im Jahr 1995 wurden bei Ausgrabungen am Standort der Steine von Broby bro drei christliche Skelettgräber freigelegt, darunter das guterhaltene Skelett einer etwa sechzigjährigen Frau. Der Ausgräber Lars Andersson hatte vermutet, dass es sich dabei um die Grablege der runeninschriftlich bezeugten Æstridh von Broby handeln könnte.2 Das ost-westlich orientierte Grab enthielt u. a. eine Münze und ein Münzfragment, wobei sich das erhaltene Stück einer Prägung unter Fürstbischof Adalrich von Basel zwischen 1025 und 1040 zuordnen liess. Diese Zusammenhänge prosopographischer, runeninschriftlicher und archäologischer Natur lassen Edberg auf eine über Bodensee und die Insel Reichenau führende Pilgerfahrt nach Rom oder gar Jerusalem raten, von der Æstridh jedoch in ihre uppländische Heimat zurückgekehrt sein müsste. Edbergs Thesen wurden 1 2
Edberg 2006, S. 342–347. Andersson 1999, S. 4 f.
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unter der Rubrik „Estrid, Kristus och uppståndelsen“ in der jüngsten schwedischen Wikingerpublikation von Harrison/Svensson unkritisch referiert und einem breiteren Publikum vermittelt.3 Im Folgenden soll der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens von Reichenau im Hinblick auf die Thesen von Edberg überprüft und gleichzeitig das nordische Gesamtmaterial des Verbrüderungsbuchs zum Versuch einer näheren Bestimmung seiner ethnischen Zusammensetzung in den Kontext der Runennamenüberlieferung und weiterer Namenquellen gestellt werden.
1. Die Namenquellen und der zeitliche Rahmen Um einen Einblick in die Spezifik der schwedischen und dänischen Personennamengebung der Bekehrungszeit zu gewinnen, d. h. bis zum Abschluss der formellen Christianisierung Schwedens um 1100, sind wir – abgesehen von Ortsnamen und dem mittelalterlichen isländischen Material – hauptsächlich auf zwei Quellentypen verwiesen: Runeninschriften und die ersten, hauptsächlich kirchlichen Urkunden in Latein. Doch bereits mit Ausgang der Wikingerzeit wird ein dritter Quellentyp greifbar, der volle Aufmerksamkeit verdient, obwohl er bisher nur ansatzweise erforscht ist, nämlich der nordische Namenbestand in angelsächsischen und kontinentalen Gedenk- und Verbrüderungsbüchern. Diese frühe Memorialüberlieferung in Buchform, genannt Liber vitae, ‘Buch des Lebens’ oder Memoriale, findet im späteren Mittelalter ihre Fortsetzung in den Necrologien – nordisches Kronzeugnis ist das zwischen 1123 und 1170 angelegte Necrologium Lundense – sowie in speziellen Bruderschaftsvereinbarungen, die zwischen Kirchen, Klöstern und Laienverbänden eingegangene Gebetsgemeinschaften dokumentieren.4 Die Gebetsgemeinschaft der Lebenden begreift das Memento für die Verstorbenen ein. Dies ist auch der eigentliche liturgische Zweck der frühmittelalterlichen Gedenk- und Verbrüderungsbücher, der auf den Einschluss der Lebenden wie der Toten ins Gebetsgedächtnis zielt. Die Aufnahme in das „Buch des Lebens“ diente dem Seelenheil. Denn wer mit seinem Namen im liturgischen Liber vitae aufgeschrieben war, durfte hoffen, auch ins himmlische Lebensbuch aufgenommen zu werden. Dieser fokale Aspekt mittelalterlichen Frömmigkeitsdenkens, von Karl Otto Oexle als „totales soziales Phänomen“5 begriffen, das alle Lebens3 4 5
Harrison / Svensson 2007, S. 317–345. Dazu Gallén 1957, S. 303–306. Oexle 1995, S. 39; dazu weiter der Tagungsband hgg. Geuenich / Oexle 1994, vgl. auch Schmid / Wollasch (Hgg.) 1994.
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bereiche integriere, erklärt einerseits ein nachweisbares individuelles Interesse, in eines oder möglichst mehrere der erreichbaren Gedenkbücher eingeführt zu werden, und ist andererseits in kollektiver Hinsicht durch eine immense Masse von Nameneinträgen belegt, die seit über drei Jahrzehnten an deutschen Universitäten Gegenstand einer regen personen- und namengeschichtlichen Forschung geworden ist. Eine in Duisburg existierende Datenbank mittelalterlicher Namenbelege hat weit über eine halbe Million Einträge gespeichert, die sich in erster Linie aus Memorialquellen speisen. Es sind dies – um nur die bedeutendsten zu nennen – auf altem Reichsgebiet die Verbrüderungsbücher der Bodenseeklöster St. Gallen, Pfäfers und Reichenau sowie die Totenbücher von Merseburg, Magdeburg und Lüneburg (Ausg. Althoff / Wollasch 1983), in Italien der Liber vitae von Brescia, im Westen der Vogesen das Verbrüderungsbuch von Remiremont (Ausg. Hlawitschka et al. 1979). 1982 wurde von einer Historikergruppe um Joachim Wollasch eine „Synopse der cluniacensischen Necrologien“ herausgegeben, welche rund 96 000 Namenbelege aus den Memorialaufzeichnungen von insgesamt 9 cluniacensischen Klöstern aus Frankreich und dem damaligen Burgund aus der Zeit zwischen 1050 und 1200 schöpft (Ausg. Wollasch 1982). In nahezu sämtlichen Quellen tauchen Namen skandinavischer Provenienz auf, die oftmals, aber keinesfalls ausschliesslich, von Pilgern stammen dürften. Die meisten finden sich auf der Reichenau, sie sind aber auch in grösserer Zahl nachzuweisen in der Überlieferung der Cluniacenser, vor allem im Necrolog des angesehenen Priorats von Saint Martin-de-Champs in Paris.6 Seit langem bekannt, aber bei weitem nicht nach allen Aspekten untersucht, ist der umfangreiche nordische Personennamenanteil in der Gedenküberlieferung der Angelsachsen: nämlich in den Libri vitae von Durham, von New Minster in Winchester und der Abtei Thorney (Ausg. Gerchow 1988). Die wichtigsten aussernordischen Namenzeugnisse mit skandinavischem Anteil seien kurz charakterisiert: – Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau: Ca. 740 Nameneinträge aus dem 10.–12. Jahrhundert, die sich ihrer Spezifik nach überwiegend südskandinavischen Herkunftsräumen zuordnen lassen und deren Hauptmasse nach kodikologisch-paläographischen Kriterien um oder nach 1100 datiert werden kann (s. u.). – Totenbücher von Merseburg und Lüneburg: 10.–frühes 13. Jahrhundert. Der skandinavische Anteil ist relativ bescheiden, aber nicht uninteressant. Er umfasst neben klerikalen Einträgen aus den Episkopaten Ham6
Ausführlicher und mit Namenbelegen Naumann 1991, S. 137–139.
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burg-Bremen, Schleswig und Skara auf dynastischer Seite die Namen der einzig bekannten Nachkommen Olafs des Heiligen aus zwei Ehen (die Halbgeschwister Magnus und Ulfhild) sowie die Sterbedaten dänischer Regenten zwischen 1157 und 1202. Auf laikaler Ebene finden sich aufschlussreiche Einzeleinträge (z. B. Buni laicus, Toue peregrinus usw.). – Necrolog von S. Martin-de-Champs / Paris: Einträge aus dem Zeitraum ca. 1050–1200, vom Verfasser bisher ca. 150 nordische bzw. anglonordische Namen nachgewiesen; die Quelle zeichnet sich durch hohen Latinisierungsgrad aus (z. B. Anchetillus < Eskil / Áskel, Azurius < Assur, Rauechecellus < Hrafnkell, Thurchillus < Þorkell). – Liber vitae von Remiremont: Skandinavischer Anteil ist bisher schwer abzuschätzen und von anglo-nordischen bzw. angelsächsischen Namen abzugrenzen; er dürfte sich, wie auf der Reichenau, am ehesten auf Einzelpersonen oder Gruppierungen auf dem Weg zu einem Pilgerziel beziehen. Bisher sind einige Dutzend Namen sicher nachgewiesen, wobei dänischer Einschlag auffällt (z. B. Odinkar). – Liber vitae von Thorney Abbey: Die bekannte Liste, die ca. 300 Namen, darunter 150 hauptsächlich dänisch-norwegischer Provenienz aus der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts umfasst, beginnt mit dem Familieneintrag Knuts des Grossen, gefolgt von den höchsten Würdenträgern aus der Hird des Königs. Es schliessen sich an die húskarlar und die Familienangehörigen der Magnaten. Die Liste ist nicht zuletzt aus namensoziologischer Sicht ergiebig.7 Abgesehen vom Quellentyp der Runeninschriften existieren im interessierenden Intervall bis zum Ende der Bekehrungszeit in Skandinavien selbst nur sehr spärliche Namenspuren. Erst mit dem 12. Jahrhundert setzen Memorialaufzeichnungen ein, und es beginnen im ostnordischen Bereich die dänischen monastischen Zentren von Lund, Løgum, Næstved oder Ribe in Kalendarien und Necrologien ihre Namenwelt darzubieten. Das ergiebigste Zeugnis dieser Quellengattung bildet zweifellos das oben erwähnte Necrologium Lundense (Ausg. Weibull 1923). Sein Kern besteht aus dem Memoriale fratrum, das in Form eines Kalendariums angelegt ist und insgesamt 690 Nameneinträge erfasst, die zwischen 1123 und 1170 eingeschrieben wurden. Das Totenverzeichnis kommemoriert nicht nur die verstorbenen Mitglieder der Ordensgemeinschaft von St. Laurentius in Lund, 7
Dazu Björkman 1910; Jørgensen 1933, S. 186–189; Whitelock 1940, S. 127–153; Clark 1984, S. 50–65; Clark 1985, S. 53–72.
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sondern hat Namenbestände eines grösseren südskandinavischen Gebiets an sich gezogen, da sich die Gedenkverbindungen des Lundenser Domkapitels im 12. Jahrhundert auf nahezu sämtliche dänische Diözesen erstreckten und sogar bis ins Rheinland reichten. Eine dritte Namengruppe des Necrologs setzt sich aus verstorbenen Personen zusammen, Männern und Frauen, die das Domkapitel zu seinen Wohltätern zählte und in die Gebetsfürsorge einschloss, darunter eine Reihe von Namen aus dem nordischen Hochadel.8 Dieses Zeugnis sollte sich sowohl von der Gesamtzahl der Einträge wie von der Zeitstellung her am ehesten für einen Vergleich mit den Beständen von Reichenau anbieten.9 Runeninschriftliche Namen sind m.W. zu einer Bestimmung der prosopographischen Spezifik der nordischen Einträge im Verbrüderungsbuch der Reichenau bisher nicht beigezogen worden, sieht man von Edbergs Versuch ab. Die Gründe dürften nicht zuletzt in der Schwerüberschaubarkeit des immensen Inschriftenmaterials aus der Wikingerzeit zu suchen sein. Abhilfe hat Lena Petersons „Nordiskt runnamnslexikon“ geschaffen, das gegenwärtig bereits in der 5. Auflage vorliegt (Peterson 2007). Das Quellenwerk verzeichnet die Eigennamen der wikingerzeitlichen nordischen Runeninschriften, einschliesslich der Funde ausserhalb des Nordens, und enthält ca. 1 530 Namenartikel, die sich in allererster Linie auf Namen von Einzelpersonen verteilen, daneben aber auch die Namen mythischer Figuren, christlicher Zentralgestalten und Heiliger sowie Ortsnamen erfassen. Das Material wird zusätzlich durch eine Reihe von Tabellen erschlossen: nämlich Frequenzlisten über die häufigsten Namen, aufgeschlüsselt nach Gesamtmaterial und dänischem Bestand, Übersichten über einige ausgewählte Regionen, Frequenzlisten über die häufigsten Erst- und Zweitglieder in dithematischen Namen, Verzeichnisse der Hapaxkomposita und der schwach flektierten Kurzformen zu dithematischen Namen. Es versteht sich von selbst, dass hier eine unschätzbare Grundlage für weiterführende Untersuchungen gelegt worden ist, nicht zuletzt unter namenvergleichendem Aspekt.
8 9
Vgl. Weibull 1923, S. XLIV–LXXI. Ausführlicher dazu Naumann 1991.
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2. Nordische Namen im Verbrüderungsbuch der Reichenau. Anlage des Codex und Eintragsstrukturen Bevor auf die Anlage des Verbrüderungsbuchs und das Verhältnis zu den kodikologisch-paläographischen Befunden der nordischen Einträge näher eingegangen werden soll, ist ein kurzer Hinweis auf die Geschichte ihrer Erforschung und auf den gegenwärtigen Erkenntnisstand angezeigt. Die Ersterwähnung der nordischen Einschreibungen verdanken wir Franz Joseph Mone, der bereits 1835 im „Anzeiger für die Kunde der teutschen Vorzeit“ eine kommentierte Liste von knapp 400 Namen vorgelegt hatte, wobei er sich auf die sog. Karlsruher Abschrift des Verbrüderungsbuchs berief, die nach der Aufhebung des Klosters St. Blasien ins Karlsruher Staatsarchiv gelangt war.10 Als Jacob Grimm 1844 vor Det Kongelige Nordiske Oldskriftselskab zu Kopenhagen in einem dänischen Vorrtrag über Mones Listen referierte und den Norden damit erstmals auf die Neuentdeckung aufmerksam machte, war er sich des defekten Charakters des kopialen Materials nicht bewusst.11 Mones Angaben wurden in der Folge unkritisch in das „Diplomatarium Islandicum“ (I, 1857–76) übernommen, dessen Herausgeber einen grösseren Namenkomplex als vermeintlich geschlossen isländisch einstuften, um aus der Fehlbeurteilung weitreichende personengeschichtliche Schlüsse zu ziehen.12 Ansonsten zeigte der Norden zunächst wenig Interesse an den Reichenauer Einträgen. Erst nachdem der 1862 wiedergefundene Originalkodex von Paul Piper 1884 in den „Monumenta Germaniae Historica“ ediert worden war, ergänzte und verifizierte eine Notiz des Deutschen August Gebhardt in den „Aarbøger for nordisk Oldkyndighed og Historie“ die lückenhaften Aufzeichnungen Mones.13 Der eigentliche Schritt zur wissenschaftlichen Erschliessung erfolgte 1923, als Ellen Jørgensen und Finnur Jónsson eine gemeinsame Untersuchung vorlegten, an der Jørgensen den paläographisch-kodikologischen Anteil trug und der Philologe Jónsson die namenkundliche Diskussion bestritt.14 Jørgensen und Jónsson konnten sich bei ihren Befunden auf die Originalhandschrift stützen, die ihnen von der Zentralbibliothek Zürich, wohin der Codex bei der Aufhebung des Klosters Rheinau 1862 verbracht worden 10 11 12 13 14
Mone 1835, Sp. 17–20, Namenliste Sp. 97–100. Zur Geschichte des Codex zuletzt Autenrieth 1979a, S. XXXXVII–XL. Grimm 1843–45, S. 67–73. Jón Sigurðsson et al. 1857–76, S. 170–172, 178. Gebhardt 1909, S. 332–334. Jørgensen / Finnur Jónsson 1923, S. 1–36.
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war, ausgeliehen wurde. Die philologische Beurteilung erfolgte daher weitgehend unabhängig von der mit gravierenden Mängeln behafteten Erstedition Pipers. Obwohl die Studie zu einer vertretbaren Deutung grösserer Teile des Namenmaterials vordrang und zugleich erste Anhaltspunkte für eine annäherungsweise Datierung zu bieten versuchte, wurden bestimmte Fragenkomplexe nur angeschnitten oder blieben ganz ausgeklammert, weil einerseits entsprechende namenphilologische Vorarbeiten, andererseits auch die methodischen und nicht zuletzt die editorischen Voraussetzungen fehlten. Die editorische Lücke wurde geschlossen durch die Neuausgabe des Verbrüderungsbuchs als erster Band einer neubegründeten Reihe „Libri memoriales et Necrologia“ im Rahmen der „Monumenta Germaniae Historica“ (Autenrieth et al. 1979). Mit diesem modernen Arbeitsinstrument, das neben Einleitungs- und Anmerkungsteil ein lemmatisiertes Personennamenregister auf EDV-Basis und eine zeitgerechte Reproduktion der Handschrift umfasst, bot sich die Möglichkeit, den altnordischen Namenkomplex einer Neubeurteilung zu unterziehen. Die Ergebnisse habe ich 1992 vorgelegt, wobei die Studie erstmals ein Gesamtverzeichnis der einzelnen Namengruppen und der sie eintragenden Schreiberhände sowie ein alphabetisches Register brachte.15 Diese Untersuchung liegt den folgenden Ausführungen weitgehend zugrunde. Die Gesamtzahl der linguistisch als nordgermanisch bestimmbaren bzw. in Eintragskollektiven nordischer Spezifik zusammengefassten Reichenauer Namen beläuft sich heute auf 740 Belege. In dieser Zahl enthalten ist ein relativ geringer Anteil deutscher sowie christlich-lateinischer bzw. griechischer Bildungen, die ebenso kontinentaler wie nordischer Namengebung entstammen können, prinzipiell aber als Bestandteil der betreffenden Einträge zu betrachten sind. Die Gesamtzahl umfasst ausserdem eine erst 1987 entdeckte nordische Liste von 15 Namen, die zwar ausserhalb des Verbrüderungsbuchs überliefert ist, aber unzweifelhaft in den Traditionskomplex der Reichenauer Gedenkpflege gehört.16 Die Namen nordischer Herkunft verteilen sich auf 20 von insgesamt 164 Seiten der im Laufe der Zeit aus mehreren Anlageteilen zusammengewachsenen Handschrift (p. 4, 8, 16, 19, 20, 22, 42, 44, 94, 136, 138, 140, 150– 152, 156, 159–162). Sie nehmen unter den insgesamt 38 232 im Faksimile lesbaren Namenlexemen, die das Verbrüderungsbuch von der 1. Hälfte des 9. bis ins 13. Jahrhundert aufgenommen hat, zwar nur einen bescheidenen Platz ein, stellen jedoch andererseits das einzige nennenswerte germanische
15 16
Naumann 1992, S. 701–730. Vgl. Berschin 1987, S. 54 f.; Naumann 1992, S. 705 mit Namenliste S. 726.
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Fremdkontingent.17 Nach Art und Kontext der Einschreibungen bieten sich folgende Überlieferungsformen dar: 1. Nordische Namen innerhalb deutscher Namenkollektive (z. B. p. 16B4 Leif, p. 42X4 Asa); 2. Einträge von Einzelnamen (z. B. p. 16A5 Asuui, Helgi von verschiedener Hand; p. 152D3 in Majuskeln Asgogt) oder Kleinkollektiven von 2–3 Namen (z. B. p. 151D2 Suein, Gunner, p. 151D4 Escel, Dora, p. 151CD2 Toci, Asa, Selva); 3. Grössere Eintragskollektive bis zu mehreren Dutzenden von Namen, welche die Hauptmasse der Einschreibungen stellen. Abgesehen von den wenigen Einzeleinträgen lassen sich je nach Beurteilung 33–35 mehr oder weniger geschlossene Eintragskollektive nordischer Spezifik abheben. Bei vorsichtiger, aber über die bisherigen Befunde von Jørgensen18 oder Geuenich19 allerdings hinausgehender Einschätzung, wird man elf z. T. sehr namenreiche Einträge vier verschiedenen Hauptschriften zuordenen dürfen: Hand p. 20, p. 150, p 162A2-D3 mit zusammen 117 Namen; Hand p. 22, p. 136, p. 138, p. 156X1-3 mit 61 Namen; Hand p. 151A1-X1, A1-5, p. 161DX1, B2-D2 mit 124 Namen; Hand p. 156X3-5, A4-5, p. 161B4-X4 mit 81 Namen. Der übrige Bestand ordnet sich unterschiedlichen oder nicht exakt bestimmbaren Schriften zu. Vielfach sind die Hände nicht leicht abzugrenzen, und es ist zudem mit der Möglichkeit zu rechnen, dass eine Feder mehrere Kollektive zusammenfasst, wie umgekehrt einem Federwechsel nicht notwendigerweise distinktive Funktion zukommen muss. Festzuhalten bleibt jedoch, dass gerade einmal vier Schreiber von der Reichenau mehr als die Hälfte der nordischen Einschreibungen vorgenommen haben. Grimm hatte die Einträge noch unbedenklich dem 10. und 11. Jahrhundert zugewiesen. Vor allem aus mentalitätshistorischen Erwägungen entschied sich Jørgensen für das 11. und 12. Jahrhundert als möglichen, wenn auch vage bleibenden Zeitrahmen.20 Genauere Informationen, vor allem solche personengeschichtlicher Art, lassen sich dem Namencorpus 17 18 19 20
Geuenich 1979a, S. XLII. Jørgensen 1923, S. 5 f. Geuenich 1979a, S. LIX. Jørgensen 1923, S. 5.
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aber nur dann entnehmen, wenn eine schärfere Datierung gelingt, und sei es nur für einzelne Namenverbände. Für eine altersmässige Beurteilung fällt zunächst das Verhältnis der nordischen Einträge zur Gesamtanlage des Verbrüderungsbuchs ins Gewicht. Weitere Anhaltspunkte ergeben sich aus der Zuordnung der eintragenden Schreiberhände zur Grundbeschriftung der betreffenden Seiten. Im einzelnen bietet sich folgendes Bild:21 – p. 1–134: der im Grundbestand auf das 9. Jahrhundert zurückgehende Anlageteil, das eigentliche Verbrüderungsbuch, enthält 97 Namen (auf p. 4, 8, 16, 19, 20, 22, 43, 44, 94). – p. 135–150: eine Pergamentlage mit Grundstock der Beschriftung aus dem 10. Jahrhundert beinhaltet 95 Namen (auf p. 136, 138, 140, 150). – p. 151–164: der jüngste, hauptsächlich in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts beschriftete Handschriftenteil besteht aus einem „Konglomerat verschiedener Einzelblätter“22 und versammelt mit 533 Namen die Masse der nordischen Einschreibungen (p. 151/152, 156, 159/160, 161/162). Es zeigt sich, dass im ältesten, noch der Karolingerzeit entstammenden Anlageteil nordische Einträge nur sparsam anzutreffen sind. Sie besetzen als sekundäre Zusätze eine freigebliebene Kolumne neben oder zwischen den ursprünglichen Listen von Mönchs- oder Frauenkonventen, meist ist es die linke Randkolumne. Keinesfalls darf man aber daraus entnehmen, dass diese Einschreibungen tatsächlich auch dem 9. oder 10. Jahrhundert angehören müssten. Die umfangreiche Liste p. 20X1-5, A5-C5 beispielsweise stammt von derjenigen Schreibhand, die p.162 den allerletzten nordischen Eintrag getätigt hat, welcher nicht vor Anfang des 12. Jahrhunderts fallen dürfte. Einzig die Liste mit 6 oder 7 Namen p. 4X5-B5 kann aus schrifthistorischen Gründen dem 9. oder frühen 10. Jahrhundert zugewiesen werden.23 Auf eine völlig andere Beschriftungskonstellation weisen die namenreichen Listen im jüngsten Handschriftenteil, die auf gerade 4 Pergamenteinzelblättern das Hauptkontingent nordischer Namen um ältere Einträge herum verdichten bzw. die gesamte, vorher unbeschriftete Blattbreite beanspruchen. Da die früheste Grundbeschriftung dieser Blätter aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts stammt, ergibt sich für die nordischen Einschreibungen ein terminus post quem, und es lässt sich schliessen, dass die Hauptmasse kaum vor 1100 ins Verbrüderungsbuch gelangt sein kann. 21 22 23
Zur Anlage des Codex vgl. Autenrieth 1979a, S. XV–XXI. Autenrieth 1979a, S. XXI. Ausführlicher Naumann 1992, S. 714.
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Lediglich die Namenverbände von p. 4, 8, 44, 94 und 140, zusammen knapp 70 Namen oder weniger als ein Zehntel des Bestandes, könnten ein höheres Einschreibealter beanspruchen, sofern sich dafür stichhaltige Kriterien anführen lassen. Eine Datierung um oder nach 1100 gilt auch für die Einträge auf dem Pergamenteinzelblatt p. 159/160. Es enthält auf dem Verso zwei markante Schriften mit 18 resp. 20 nordischen Namen. Beide Hände benutzen Schreibflächen, die vorher frei waren. Ab Blattmitte folgen Verzeichnisse von Hörigen aus den schwäbischen und fränkischen Besitzungen des Klosters, wobei ein Präsenzeintrag von zinspflichtigen Leuten aus Würzburg vom Jahre 1191 datiert.24 Die nordischen Einschreibungen dürften nach aller Wahrscheinlichkeit diesem Zeitpunkt vorausliegen. Daraus ergibt sich eine genauere Datierungsmöglichkeit für das Rekto, das in der obersten Linkskolumne unter der Überschrift Hislant terra die bekannte Island-Liste mit 4 Frauen- und 9 Männernamen anführt (Faksimileabb. 1).25 Mit dem Zeitpunkt der mutmasslich letzten nordischen Einschreibung p. 162A2-D3 kommt auch der liturgische Zweck des Verbrüderungsbuchs ausser Gebrauch. Es folgen auf dieser Seite noch einige lateinische Gedenknotizen mit deutschem Nameninhalt, aber p. 163, das letzte, und zwar vom 13.–15. Jahrhundert beschriftete Blatt, dient anderen Zwecken. Die Einschreibungen auf den genannten vier Pergamenteinzelblättern legen die Auffassung nahe, dass es gerade Gläubige aus dem Norden waren, und zwar in grösserer Zahl, die um oder nach 1100 Aufnahme ins Gebetsgedenken suchten, als der Memorialgedanke seine Attraktion auf der Reichenau zu verlieren drohte oder schon verloren hatte. Die letzte Liste p. 162A2-D3 (Faksimileabb. 2) ist daher besonders aufschlussreich. Sie umfasst 22 identifizierbare Männernamen sowie 17 Frauennamen. Wigerat, ein deutscher Name, steht an prominenter Spitze und lässt auf den wegekundigen Führer schliessen. Unter geschlechtsspezifischem Aspekt ist besonders auffällig, dass hinter diesem Namenkollektiv anscheinend die Absicht planmässiger Paarbildung steckt, denn in je 16 Fällen stehen Männer- und Frauenname nebeneinander. Dies ist freilich kein Einzelfall, vergleichbar sind p. 20X1 sowie p. 162A1. Es könnte sich also um Ehepaare auf dem Weg zu einem Pilgerziel handeln. 24 25
Beyerle 1925, S. 1124. Vgl. Naumann 1992, S. 707, 726: Hislant terra (unterstr.). Keiloc. (Geirlaug), Curmaker. (Kormákr), Arnur. (Arnórr), Wigedis. (Vigdís), Mar. (Már), Wiliburg. (Vilborg), Wimunder. (Vémundr), Zurarin. (Þorarinn), Gulzenna. (Kolþerna), Gudemunder. (Guðmundr), Zurider. (Þórríðr), Zurder. (Þórðr), Stenruder. (Steinrøðr).
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Faksimileabb. 1. Reichenauer Verbrüderungsbuch p. 159.
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Faksimileabb. 2. Reichenauer Verbrüderungsbuch p. 162.
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Die sehr sorgfältig geführte Eintragung verrät eine weitere Eigentümlichkeit. Kurz vor Listenende findet sich eine Namenverknüpfung mittels Konjunktion, und zwar das womöglich Geschwister memorierende Namenpaar Thure oc Thura, während ansonsten die Einzelnamen in der Regel durch Punkt getrennt sind. Der Gesamteintrag trägt alle Anzeichen einer Pilgerliste mit hohem weiblichen Anteil, die bei der ersten Verschriftlichung oder anlässlich der Einführung ins Verbrüderungsbuch durch Diktat zustande gekommen sein wird. Die Namenrepetition aus nordischem Mund ist dem Schreiber gewissermassen „in die Feder“ geflossen, und er hat die Konjunktion mitgeschrieben. Einen vergleichbaren Fall findet man p. 140X2 mit der Namensform Endrugilis, welche eine Eintragsliste beschliesst. Schon Finnur Jónsson hatte vorgeschlagen, den Eintrag aufzulösen in die Konjunktion end(i) ‘und’ und das Namenlexem Drugilis (anord. Þórgils),26 was wiederum auf ein Missverständnis des Schreibers deutet, der die Namen nach dem Ohr protokolliert. Allgemein weist der Verschriftungsprozess auf den des Nordischen nicht mächtigen Protokollanten oder Kopisten, d. h. die Einträge wurden in der Regel von Schreibern auf der Reichenau vorgenommen, auch wenn gelegentliche Selbsteinschreibungen nicht auszuschliessen sind. Die Distinktion zwischen protokollarischem oder ad hoc-Eintrag auf der einen und kopialem Eintrag auf der anderen Seite ist nicht unbedeutsam, weil die Niederschrift entweder nach mündlichem Diktat erfolgen kann, oder – was auf sehr lange und in einem Zug eingeschriebene Listen zutreffen mag – durch Zettelnotizen etwa in Form von Pergamentstreifen vorbereitet sein dürfte.27 Es ist grundsätzlich damit zu rechnen, dass für die nordischen Gruppeneinträge beide Überlieferungsformen in Frage kommen.
3. Zeugnisse der Namenquellen im Vergleich: Reichenau – Memoriale fratrum Lund – Runennamen Befragt man die rund 740 vorliegenden Eintragsbelege von der Reichenau nach ihren räumlichen Bezugspunkten, so ist unter namengeographischem Aspekt grundsätzlich damit zu rechnen, dass die Memorialquelle keinen geschlossenen Einzugsbereich abdeckt, sondern Namenüberlieferungen aus sowohl westskandinavischen (isländisch-norwegischen) wie ostskandinavischen (dänisch-schwedischen, evtl. gotländischen) Dialektgebieten bündelt. Die Frage, die sich stellt, ist die der quantitativen Vertretung der 26 27
Jørgensen / Finnur Jónsson 1923, S. 29. Vgl. Schmid 1979a, S. LXXXII.
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Sprachregionen und der Feststellung womöglich lokal deutbarer Beziehungen. Die Spezifik des Reichenauer Materials scheint auf den ersten Blick konservative Prinzipien der Namenselektion nahezulegen (vgl. Tabellen 1 und 2, die Namen in normalisierter Form nach DGP resp. SMP). Reichenau Thori / Thuri Toki Azur Thorkil / Throkil As-/ Esbiorn Eskil Thurgot / Thrugot Swen Asgut Gunnar Thorsten Aslak Olaf Thrugils Tosti Guthmund Halfdan Thorth Ulf
Lund 27 23 20 20 19 15 12 12 10 8 8 6 6 6 6 5 5 5 5
Swen Azur Biorn Suni Thorkil Toki Erik Olaf Thorsten Ulf Wilhelm Eskil Henrik Findor Gunnar Rikhard Thort Tovi Walter
Runennamen 25 12 11 11 11 11 9 7 7 7 7 6 6 5 5 5 5 5 5
Sven Biorn Thorsten Ulf Anund Thore / Thure Gunnar Thorbiorn Olaf Østen As- / Esbiorn Halfdan Kætil Azur Toki Thorkil Thordh Asgot Ofegh
147 118 90 75 63 57 56 56 52 52 49 46 44 43 41 39 33 31 31
Tabelle 1. Die häufigsten Männernamen: Verbrüderungsbuch Reichenau ( > 4), Memoriale fratrum Lund ( > 4), Runennamen (Gesamtmaterial > 30).
Unter den meistbezeugten Namenwörtern dominieren sowohl bei dithematischen Formen wie bei Kurzformen, und zwar bei Frauen- und Männernamen, die ursprünglich theophoren Bildungselemente Þór- / Thor und Ás/ Es-. Dies ist auffällig, weil insbesondere die Runennamenlisten ein etwas anderes Bild ergeben. Die Thor-Komposita und die davon abgeleiteten Kürzungsvarianten behaupten sich im Verbrüderungsbuch nicht nur der Häufigkeit nach, sondern bezeugen ihre ungebrochene Aktualität durch eine Vielfalt an Bildungen, wie dies auch die weniger oft belegten Formen
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anzudeuten vermögen (Thorarin, Thorbiorn, Thorgils, Thorgrim, Thorlak, Thoralf, Thorgaut, Thorth, Tovi, Toli, Tubbi u.a). Reichenau Asa Esa Tola Estrith Thora / Thura Gytha Thorgun / Thrugun Tova Askatla Toka Gunna Inga Esgehrt Gunnur Ketilmoth
Lund 27 17 17 15 14 12 11 11 9 4 3 3 2 2 2
Thora Mothir Tola Gunhild Thyrwi Asa Apa Dota Sestrith Thrugun Teta Arina Asmoth Etta Gunnur Imma Modda Sigrith
Runennamen 9 8 7 6 6 5 3 3 3 3 3 2 2 2 2 2 2 2
Thora Asa Gudhløgh Gudhfridh/Gyridh Holmfridh Inga Sighridh Gilløgh Ingegærdh Æstridh Thorgerdh Hælgha Fastløgh Ingefridh/Ingridh Thorgun Thorun Thyrvi Gunna
26 25 23 23 23 19 19 18 16 14 14 13 12 12 12 12 12 1
Tabelle 2. Die häufigsten Frauennamen: Verbrüderungsbuch Reichenau ( > 1), Memoriale fratrum Lund ( > 1), Runennamen (Gesamtmaterial > 10).
In Lunds Memoriale und unter den Runennamen ist das theophore Element weniger stark präsent. Alle drei Quellen zeichnen sich im übrigen vor allem bei den Männern durch verhältnismässig grossen Namenreichtum aus. Auf der Reichenau vertreten rund 500 Belege über 220 verschiedene Lemmata, darunter allerdings eine Anzahl von Hapaxnamen und bisher ungedeuteten Formen. In Lund macht sich, durch die Spezifik der Gedenkverbindungen bedingt, deutscher und angelsächsischer Anteil geltend. Der Gesamtvergleich der drei vorliegenden Tabellen mit Männernamen erlaubt jedoch kaum signifikante Aussagen. Spätwikingerzeitliche Leittypen wie Sven, Toki, Thorkil, Azur, Thorsten, Thori, Gunnar, Thort, Ulf u. a. kommen in allen drei Quellen mit wechselnder Frequenz vor, aber es bleibt schwierig zu beurteilen, welche Repräsentativität jedes Corpus für sich beanspruchen
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darf. Auf der Reichenau beispielsweise sind oft vergebene Namen des Zeitraums wie Erik oder Biorn im Material nur ein- oder zweimal vertreten und damit im Vergleich deutlich unterrepräsentiert. Der Anteil an Frauennamen beläuft sich im Verbrüderungsbuch auf rund 240 Belege oder 34%, was ziemlich exakt dem Verhältnis von 3:1 für Männer- und Frauennamen im Runenmaterial entspricht.28 Was Lunds Memoriale fratrum betrifft, so erfasst die Einschreibepraxis der Ordensgemeinsschaft von St. Laurentius Frauen in geringerem Masse, und die statistische Basis ist kaum ausreichend, um die Strukturierung des Namenmaterials in grösserem Zusammenhang zu beurteilen. Was im Vergleich zwischen Reichenau und Lund jedoch auffällt, ist die offenbare Bevorzugung von Kurz- und Koseformen wie Thora mit der Nebenform Thura und weiter Asa / Esa, Tola, Gytha, Tova, Toka, Gunna, Inga, Apa, Dota usw. Im Verbrüderungsbuch macht gleichzeitig die relativ geringe Variation der Namenmuster auf sich aufmerksam, wobei dithematische Formen deutlich zurückstehen. Unter den 10 am häufigsten nachgewiesenen Namen – immerhin 60% aller Femininbildungen – sind lediglich drei dithematische Formen zu finden (Estrith, Thorgun / Thrugun, Askatla). Auffällig sind die Differenzen zwischen Reichenau / Lund und dem runischen Material. Zwar dominieren inschriftlich ebenfalls die Kurzformen Thora und Asa, und es finden sich mit geringerer Frequenz Inga und Gunna, aber es fallen unter den häufigsten Lexemen gerade die dithematischen Namen mit deutlich ablesbarer Variationsbreite besonders ins Gewicht. Der Abstand zwischen dem runischen Gesamtmaterial und den Reichenauer Namen, aber auch zu den Lundenser Einträgen, wird aber erst wirklich greifbar, wenn man feststellt, dass in der Wikingerzeit bestimmte dithematische Frauennamen offenbar bevorzugt nur in schwedischen Familien vergeben wurden: Inschriftlich häufig belegte Formen wie Gudhløgh, Gudhfridh, Holmfridh, Sigridh, Gilløgh, Ingegerdh, Thorgerdh fehlen auf der Reichenau gänzlich, und eine gemeinsame Schnittmenge ergibt sich lediglich für Estrith / Æstridh (Reichenau 16 Belege, runisch 14) und Thorgun / Thrugun (11 resp. 12 Belege). Ein von den bisher dargelegten Befunden völlig abweichendes Verteilungsbild zeigt sich überraschend, wenn man die häufigsten Männernamen der Reichenauer Listen mit dem dänischen Runenmaterial vergleicht (Tabelle 3).
28
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Männernamen Toki / Tuki / Tyki Swen Esbiorn Azur Thorkil Asgut Brothir Thurgot / Thrugot Thorgisl / Thrugils Thorsten Ulf Eskil Sazur Tumi Tosti Thorth Thori(r) / Thuri(r) Asger / Esger Bofi Guthmund Ketil
Frauennamen 22 14 12 9 8 7 7 7 7 7 7 6 6 6 6 6 6 5 5 5 5
Asa Thorgun Tofa Thyrwi Gudhfridh Gunhild Tonna Thiudhvi Thora
8 6 5 5 2 2 2 2 2
Tabelle 3. Die häufigsten Männer- und Frauennamen im dänischen Runennamenmaterial (Männer > 4, Frauen > 1).
Zwar liegt die Anzahl der Namenträger im Verbrüderungsbuch höher als in den dänischen Inschriften, aber es eröffnen sich verblüffende Übereinstimmungen. Abgesehen von der Frequenz der Einzelnamen – im Verbrüderungsbuch dominieren Thori / Thuri, Toki, Azur, Thorkil / Throkil, As- / Esbiorn, Eskil, inschriftlich Toki, Swen, Esbiorn, Azur, Thorkil, Asgut – sind Mönchslisten und dänische Runennamengebung bis auf eine Restmenge praktisch identisch. Auf der Reichenau unbelegt sind lediglich Brothir, Sazur, Tumi, Bofi und im übrigen Odinkar, während inschriftlich beispielsweise Halfdan fehlt. Auf Frauenseite ist das Bild auf Grund der relativ sparsamen dänischen Nachweise etwas weniger klar, aber abgesehen von Thiudhvi finden sich sämtliche der von Peterson ausgewiesenen Frauennamen ebenfalls im Verbrüderungsbuch, teilweise sogar mit ver-
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gleichbarer Frequenz. Auffällig ist einzig, dass kein einziger dänischer Runenstein den Prestigenamen Estrith bewahrt. Die von Peterson zusammengestellten Listen über Männer- und Frauennamen im norwegischen Material sowie in den Inschriften aus Norrland, Gotland und von den Britischen Inseln29 lassen keinerlei signifikante Aussagen zu. Lediglich die inschriftlichen Frauennamen Ölands deuten gewisse Analogien an, die sowohl nach Reichenau wie Lund reichen. Was westnordische Leittypen generell betrifft, so sind arealgebundene Voll- oder Kurzformen in den Reichenauer Listen evident untervertreten. Es lassen sich z. B. benennen Ásgerðr, Konall, Karlshǫfuð, Sǫrli, Vetrliði sowie einige Formen der Island-Liste von p. 159. Um so bemerkenswerter sind Einzelnamen, die eine regionale Zuordnung etwa ins mittlere Ostjütland (Hue p. 150X4, Huue p. 152X5 zu DGP Hufi, Hovi) oder nach Schleswig (Bune p. 152C5 zu DGP Bune, Bone) gestatten. Namengeographisch besonders belangreich stellt sich der Frauenname Askatla unter den Reichenauer Einträgen heraus. Diese Movierung zu Áskell / Eskil, die weder bei E. H. Lind noch in DGP oder SMP verzeichnet ist, wird kaum selten vergeben worden sein, da wir über 9 Belege aus 6 verschiedenen Listen verfügen. Ausserhalb des Verbrüderungsbuchs ist der Name aber je nur einmal runeninschriftlich aus Västergötland (Vgl 27) und Dänemark (DR 120) mit Sicherheit belegt.30 Der betreffende dänische Stein von Spentrup II wiederum stammt aus dem östlichen Mitteljütland und war an seinem ursprünglichen Standort geographisch benachbart dem zweimal belegten Torpnamen Askildtrup (Kirchspiele Blenstrup und Ølst). Kristian Hald spricht den Namen daher nicht nur als spezifisch dänisch an, sondern führt ihn auf ein eng begrenztes ostjütisches Kerngebiet zurück.31 Da allgemein das ostskandinavisch-dänische Element die weitaus meisten Eintragskollektive ganz konkret strukturiert, worauf im übrigen bereits Finnur Jónsson aufmerksam gemacht hatte,32 ist kaum daran zu zweifeln, dass die Reichenauer Überlieferung bestimmte Frömmigkeitsbewegungen abspiegelt, die in erster Linie in Südskandinavien/Dänemark ihren Ausgang nehmen. Diese Einschätzung schliesst keineswegs aus, dass in verschiedenen Listen Personen oder Personengruppen isländischer, norwegischer und vor allem auch schwedischer Herkunft versammelt sind. Dennoch gilt zu bedenken, dass nur ein einziger Namenverband, und dazu ausdrücklich 29 30 31 32
Peterson 2007, S. 276–282. Peterson 2007, S. 30 f. Hald 1971, S. 108 f. Jørgensen / Finnur Jónsson 1923, S. 26; weitere Verweise bei Naumann 1991, S. 135–137.
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überschriftlich, als nur-isländisch erkennbar wird. Der Vergleich mit dem schwedischen Runennamenbestand wiederum ergibt, wobei als Indikator vor allem die Frauennamen hinweiskräftig sind, dass die dithematisch typischen Leitformen aus der Mälarseegegend im Reichenauer Kontext nur zum geringen Teil (Estrith, Thorgun) bzw. überhaupt nicht vertreten sind.
4. Die Runenmemoria von Broby bro in Uppland und die Reichenauer Listen p. 151 Bei p. 151/152 von der Reichenau handelt es sich um ein dickes Pergamenteinzelblatt, das möglicherweise seitenverkehrt eingefügt wurde. Der Grundstock der Beschriftung dürfte nach Autenrieht kaum vor das 11. Jahrhundert zurückgehen, wobei p. 152 früher beschriftet ist als p. 151.33 Die sehr sorgfältig geführten nordischen Einträge p. 152 (5 Einträge von 3 Händen) lassen deutlich dänisches Element hervortreten. Die besonders interessierende Seite 151 trägt indes ein etwas anderes Gepräge (Faksimileabb. 3). Sie versammelt mit 5–7 Einträgen von mindestens 3 Schreiberhänden nicht weniger als 159 Namen und ist das namenreichste Blatt nordischer Provenienz des Verbrüderungsbuchs überhaupt. Ein datierungsfähiger Hinweis lässt sich der Grundbeschriftung entnehmen. Sie bezeugt mit einem Präsenzeintrag für das Jahr 1084 die Anwesenheit des Kardinalbischofs Otto von Ostia im Kloster – der spätere Kreuzzugspapst Urban II. –, der als Legat nach Deutschland entsandt worden war. Wie schon von Beyerle angedeutet,34 ist anzunehmen, dass die Seite von anderer Beschriftung zunächst pietätvoll freigehalten wurde, aber von einem bestimmten Zeitpunkt an den nordischen Namen offensteht, die sie dann förmlich übersäen. Der prominente klerikale Eintrag könnte einen besonderen Anreiz geboten haben, vor allem nach vollzogener Papstwahl 1088 oder nach Urbans Kreuzzugsaufruf 1095. Die Namenreihe Suein, Osthein, Hestrit findet sich am rechten Rand der obersten Zeile, die von Schreiberhand 1 stammt. Ein zweiter Schreiber hat in markanter Schrift auf der rechten Blatthälfte zwei KolumnenC2-5, X1-4 angelegt, die jeweils von deutschen Namen angeführt sind. Diese Schrift ist älter, da sie von Hand 1 mehrfach überschrieben wurde. Der klösterliche Protokollant oder Kopist dieser beiden Kolumnen verrät nebenbei ein spürbares Interesse an der fremden Namenwelt, da er sich in Einzelfällen der Namenbedeutung vergewissert und um ihre Verdeutschungen bemüht ist. 33 34
Autenrieth 1979a, S. XXI. Beyerle 1925, S. 1122 f.
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Faksimileabb. 3. Reichenauer Verbrüderungsbuch p. 151.
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Darauf deuten die bemerkenswert exakten Analysen von HalbteneC4 aus Halfdan und KarleshoubitX3 aus Karlshǫfuð. Halten wir aber fest: Die Schreiberhand 1 mit der Namenserie Suein, Osthein, Hestrit verantwortet nicht den ersten nordischen Eintrag von p. 151, und die betreffende Liste kann grundsätzlich nicht vor 1084, sondern erst Jahre oder Jahrzehnte später ins Verbrüderungsbuch gelangt sein. Im übrigen ist die betreffende Liste namengeographisch nicht unspezifisch. Sie wird nämlich angeführt vom MN Grimchil, adän. Grimkil, der laut DGP nur auf der Reichenau, in Lund sowie im Danelag nachgewiesen ist35 und sich auch runeninschriftlich nur zweimal auf dänischen Steinen sichern lässt.36 Ausserdem beinhaltet der Eintrag den oben diskutierten FN Askatla (Ascethle B1), nur durch zwei Namen von Hestrit getrennt, und er ist mit dem MN Christiano B1 zusätzlich durch einen christlichen Taufnamen charakterisiert, den man, auch wenn er einer nicht-nordischen Person gehört haben sollte, nicht zu früh ansetzen darf.37 Was die inschriftlichen Namenzusammenhänge anbelangt, die Edberg anführt, so dreht es sich haupsächlich um die Paarsteine U 135 und U 136 sowie um den Stein U 137.38 Der Stein U 136 wurde von Æstridh zum Gedenken an ihren Gatten Østen errichtet, „der nach Jerusalem zog und hinten in Griechenland starb.“ Den Stein U 135 errichteten die Söhne Ingevast, Østen und Sven zum Gedenken an ihren Vater Østen, „und sie machten diese Brücke und diesen Hügel.“ Der Umstand, dass Østen „hinten in Griechenland“, d. h. irgendwo im Byzantinischen Reich verstarb, legt die Auffassung nahe, dass es sich bei dem – heute eingeebneten – Hügel um ein Kenotaph gehandelt hat. In direkter Nähe befand sich die Grablege, die Æstridh von Broby zugeschrieben wird.39 Bei U 137 handelt es sich um den ältesten der Steine von Broby, der vom Ehepaar Østen und Æstridh zum Gedenken an ihren Sohn Gag gestiftet wurde. Andersson rechnet damit, dass U 137 zwischen 1010–1050, und zwar in der ersten Hälfte der Periode, und U 136 in der zweiten Hälfte der Periode beschriftet wurden. Der Zeit-
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DGP, Sp. 397; vgl. auch Jørgensen / Finnur Jónsson 1923, S. 18. Peterson 2007, S. 82. Zu den kirchlich-lateinischen Namen im Verbrüderungsbuch vgl. Naumann 1992, S. 718 f.; weiter Jørgensen / Finnur Jónsson 1923, S. 28. Zu den dänischen, meist klerikalen Nachweisen aus dem 11.–12. Jh. vgl. DGP, Sp. 786 f. Edberg 2006, S. 343; vgl. SRI, Upplands runinskrifter I, S. 200–206 (U 135–U 140). Andersson 1999, S. 5–10.
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rahmen der eingangs genannten Bestattungen wird von Andersson vorsichtig auf die Periode 1030–1080 bestimmt.40 Die Namenkonstellation, die Edberg herausstellt, ist an sich verlockend: Das Ehepaar Æstridh und Østen, bei denen es sich um die Spitzenahnen des Jarlabanke-Geschlechts handelt, sowie Sven, wahrscheinlich der jüngste Sohn. Inschriftlich ausdrücklich bezeugt ist das sich auf Jerusalem richtende Pilgerinteresse der Adelssippe. Gleichzeitig muss Edberg einräumen, dass zwischen der Runenmemoria und den betreffenden Reichenauer Einträgen eine zeitliche Lücke von mindestens zwei Generationen klafft.41 Diese kann auch nicht durch den Hinweis überbrückt werden, dass das Verbrüderungsbuch, was die Namenüberlieferung betrifft, „zum weitaus grössten Teil copialen Charakter trägt“.42 Auch wenn schriftliche Vorstufen etwa in Form von Zettelnotizen vorgelegen haben sollten, deuten die massierten, wahrscheinlich auf Diktat zurückzuführenden nordischen Einschreibungen p. 151 auf ein aktuelles Interesse anlässlich eines mit einer Pilgerfahrt verbundenen Besuchs des Klosters. Die Zusammensetzung der betreffenden Namengruppe legt ihren Ursprung in Dänemark, nicht in Schweden nahe. Was die Namenspezifik im übrigen betrifft, so ist Sven der häufigste Männername der Quellen des 11./12. Jahhunderts überhaupt und auf der Reichenau mit insgesamt 11 Belegen vetreten, Estrith steht mit 16 Belegen hinter Asa / Esa und Tola an dritter Stelle, und nur Osthein wurde ein einziges Mal eingeschrieben. Edberg argumentiert schliesslich, dass Sven von Broby in fortgeschrittenem Alter die Reichenau besucht haben könnte und bei diesem Anlass das verstorbene Elternpaar pietätvoll kommemorieren liess. Es ist gewiss nicht auszuschliessen, dass Protagonisten des schwedischen Frühchristentums, zu denen die Jarlabanke-Sippe aus Uppland unzweifelhaft zählt, sich der Pflege verwandtschaftlicher Memoria durch Gebetshilfe verpflichtet fühlten. Doch auf dem Weg blosser Namenanalogien sind keine verlässlichen Aufschlüsse zu erwarten. Es ist bisher nicht gelungen, nordische Einzelpersonen oder Personengruppen mit Sicherheit zu identifizieren. Ergebnisse könnten am ehesten die frühen dänischen Kalendarien und Necrologien erbringen, die im zeitlichen Horizont und der regionalen Namenspezifik nach dem Material von Reichenau am nächsten kommen.
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Andersson 1999, S. 36–40. Edberg 2006, S. 345. Autenrieth, S. LXXXV.
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Analecta Septentrionalia – RGA-E-Band 65 – Seiten 803–833 © Walter de Gruyter 2009 • Berlin • New York
Text und Bild, Bild und Text: Urnordisch undz auf den Goldbrakteaten von Killerup-B und Gudme II-B VON ROBERT NEDOMA
1. 1.1. Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit bilden die bei weitem größte Gruppe von Bild-Text-Texturen aus dem germanischen Altertum. Mitte 2007 waren 978 Prägungen von 609 Modeln bekannt; ca. ein Viertel (nach dem Stand von 2003: 233 von 169 Modeln) trägt Inschriften, von denen der größere Teil (ca. 170 Brakteaten von über 110 Modeln) runisch ist.1 Nach gegenwärtigem Kenntnisstand reicht der Zeithorizont von der Mitte des 5. Jahrhunderts bis zum zweiten Drittel des 6. Jahrhunderts.2 Auf den Brakteaten treten verschiedene Bildsorten entgegen; Sujets sind – Unikate und Raritäten beiseitegelassen – ein Männerkopf bzw. eine Männerbüste (A-Brakteaten), eine Vollgestalt in verschiedenen Positionen (Grundform der B-Brakteaten; im folgenden als B1 bezeichnet) bzw. drei stets gleich gruppierte Vollgestalten (Ausbauform der B-Brakteaten; im folgenden als B2 bezeichnet), ein Männerkopf über einem vierbeinigen Tier (C-Brakteaten), ein Un- bzw. Phantasietier (D-Brakteaten) und ein vierbeiniges Tier (F-Brakteaten, selten).3 Auf den Brakteaten treten ferner verschiedene Textsorten entgegen; von den etwa 30 semantisch einigermaßen gut deutbaren runen-
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3
Zahlen nach Nowak 2003, S. 21 f.; Pesch 2007, S. 327 mit Anm. 1; Düwel 2008, S. 46. Zur absoluten Datierung der Brakteatenzeit Axboe 2004, S. 260 pass.; 2007, S. 73 ff. – Relativchronologische Aussagen über die im unten (Abschnitt 2–3) behandelten B2-Brakteaten von Killerup bzw. Gudme II sind derzeit (noch) nicht möglich, da Axboe (2004, S. 59) die Drei-Figuren-Brakteaten von seiner Seriation ausgenommen hat. Innerhalb dieser fünf bzw. sechs Gruppen, die in ganz unterschiedlicher Stückzahl auftreten, lassen sich wiederum verschiedene Bildtypen (Formularfamilien nach Pesch 2007 u.ö.) erkennen.
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epigraphischen Texten4 sind – Unikate und Raritäten auch hier beiseitegelassen – einige als Runenmeisterformeln zu bestimmen, in anderen stecken offenbar magische Formeln (mit spezifischer Lexik), unzweifelhaft sind auch (intentionell) vollständige oder abgekürzte Fuþark-Reihen; dazu kommen noch Einzelwörter, deren Charakter und Funktion nicht immer zuverlässig zu erhellen ist.5 Was an den runenepigraphischen Texten ‘intern’, d. h. mit rein philologischen Mitteln, tatsächlich einigermaßen plausibel ‘dekodiert’ werden kann, läßt sich – dies verblüfft bei einem quantitativ und qualitativ derart herausragenden Bild-Text-Verbund6 – nicht a priori bedeutungsgenerierend auf die visuelle Welt der Brakteaten beziehen. Einfacher liegen die Dinge in puncto ‘Dialogizität’ der beiden Medien etwa im Falle des Franks Casket (Runenkästchen von Auzon, um 700)7: dort wird auf dem Deckel der (auch aus anderen Quellen bekannte) Name des abgebildeten Bogenschützen in der Zuschrift a1gili = ae. Ægili genannt, auf der rechten Seite wird das abgebildete Binsengestrüpp durch die Zuschrift risk1i bezeichnet, und auf der Rückseite werden die abgebildeten Geschehnisse in Jerusalem in einer Umschrift mit deiktisch-narrativen Mitteln aufgenommen (herfegta2þ = ae. [angl.] hēr feӡtaþ ... ‘hier kämpfen ...’; HIC FUGIANT ... ‘hier fliehen ...’). – Auf den Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit werden demgegenüber keine (aus anderen Quellen bekannte) Individualnamen der dargestellten Figuren genannt, es werden keine Bezeichnungen der dargestellten Gegenstände und Sachen gegeben, und das piktoral dargestellte Geschehen wird auch nicht ‘nacherzählt’: die Zu- und Umschriften auf den Brakteaten vermögen die Bildrezeption bzw. -interpretation jedenfalls nicht automatisch zu steuern. 1.2. Karl Hauck hat in einer Vielzahl reich dokumentierter Arbeiten zur Ikonologie der Goldbrakteaten die Auffassung vertreten, daß hier – quasi in einer Folge von monoszenischen Bildern – eine umfassende Regenerationsthematik abgehandelt werde.8 Die Hauptrolle in diesem brakteatischen 4
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Die geringe Zahl (nur ca. 30 Texte bei ca. 110 Runenfolgen) erklärt sich dadurch, daß ‘sinnlose’ Inschriften und Fuþark-Folgen nicht berücksichtigt sowie Formelwörterinschriften nur jeweils einmal gezählt sind. – Rezente Inventarisierungen von Runeninschriften auf Brakteaten bieten Nowak 2003, S. 455 ff. und McKinnell et al. 2004, S. 69 ff. (Auswahl). Vgl. (im Detail abweichend) K.M. Nielsen 1977, S. 354 ff. Zum Thema Bild und Text im germanischen Altertum allgemein Beck 2004, S. 307 ff.; zu Bild und Text auf Brakteaten Beck 2006, S. 70 ff. Dazu allgemein Becker 1973; zuletzt Schwab 2008. Haucks Theoriegebäude ist hier naturgemäß (und wohl auch über Gebühr) stark gerafft dargestellt; eine kurze Zusammenschau bietet Düwel 2008, S. 44 ff. Haucks
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Bildprogramm spiele *Wōdanaz, der auf den A- und B1-Brakteaten allgemein als Götterfürst bzw. Zauberarzt in Szene gesetzt sei; im besonderen heile er auf den C-Brakteaten das gestürzte Fohlen des *Baldraz mit einem Zauberspruch, wobei dieses Malheur als Vorausdeutung auf den Tod des jungen Gottes auf den B2-Brakteaten zu verstehen sei; gewissermaßen als Basso continuo würden dann noch Abbildungen der von *Wōdanaz als ‘Allkämpfer’ bezwungenen Ungeheuer bzw. Dämonen auf den D-Brakteaten den großen thematischen Bogen begleiten. Bei der Semantisierung der Bildwerke wird – mangels kontemporärer Quellen – auf die früh- und hochmittelalterliche literarische Überlieferung verschiedener Bereiche innerhalb der Germania rekurriert: es sind vor allem der althochdeutsche Zweite Merseburger Zauberspruch und die altisländische Mythographie (kodifiziert in der Lieder-Edda und in der Snorra Edda), die als Kon-Texte herangezogen werden. Was die Wechselbeziehung der solchermaßen ‘projektiv’ konkretisierten Bildwerke mit ihren runischen Ko-Texten – zum größten Teil Umschriften am Rand, nur wenige Zuschriften im Bildfeld selbst – betrifft, ist folgendes festzuhalten: (1) Sichere Beispiele für echte Umschriften scheinen zu fehlen. So etwa ist wurtē rūnōz an walhakurnē Heldaz Kunimu(n)diu TJURKÖ (I)-C (RäF 136 = IK 184) ‘[es] wirkte (verfertigte) die Runen auf dem Welschkorn (i.e. Gold) Held dem Kunimund’ wohl kaum anders denn als elaborierte und poetisierte Variante der Ritzerformel ‘N.N. schrieb die Runen’ zu fassen, die auch mit dem kon-textuell semantisierten Bildpropositum – über einem gehörnten Vierfüßer (⋄ Balders Pferd)9 schwebt ein stilisierter Männerkopf (⋄ Kopf Wodans), daneben ein Vogel (⋄ Rabe als tiergestaltiger Heil-
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wort- und kenntnisreich vorgetragene Deutung der Brakteaten als „magische Telegramme“ (1970, S. 22, 176) gelten heute als opinio communis; sie sind insofern prägend, als auf ihnen eine ganze Reihe von Detailuntersuchungen einer äußerst produktiven Arbeitsgruppe um den kürzlich verstorbenen Doyen der Brakteatenforschung basiert. Angesichts der gewaltigen Fülle an einschlägigen Publikationen, die sich über etwa dreieinhalb Jahrzehnte erstrecken, verzichte ich hier auf konkrete Literaturnachweise; die wichtig(st)en Arbeiten Haucks und anderer sind aber unschwer den Bibliographien von Nowak (2003, S. 707 ff.) und Pesch (2007, S. 543 ff.) zu entnehmen. – Bisweilen ist auch Kritik bzw. Widerspruch laut geworden; s. etwa Seebold 1992, S. 270 ff.; 1998, S. 268 ff.; Starkey 1999, S. 373 ff.; W. Beck 2003, S. 265 ff.; Schürr 2007, S. 9 ff. (mit impressionistischer Deutung von uïurgz NEBENSTEDT (I)-B [RäF 133 = IK 128] als wīhwargaz m. ‘Tempelräuber’); abwägend ferner Reichert 2002, S. 393 f. Der Kürze halber verwende ich hier das aus der Modallogik stammende Symbol ⋄ ‘es ist möglich, daß ... [ist]’.
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gehilfe) – nicht koordinativ verknüpft ist bzw. keine ‘Botschaft’ teilt. Zweifellos ‘offener’ sind, um hier nur noch auf éin (Doppel-)Beispiel einzugehen, Ich-Aussagen wie tawō laþōdu RAUM TROLLHÄTTAN-A (RäF 130 = IK 189) ‘[ich] mache eine Einladung’ oder winiz ik SØNDER-RIND-B (RäF 135 = IK 341 [Doppelbrakteat, 2 Exemplare]) ‘ein Freund [bin] ich’, die natürlich nicht nur einem ‘Brakteatenherrn’ (Auftraggeber und/oder Schenker des Stücks), sondern auch der abgebildeten Vollgestalt in den Mund gelegt werden können. Es bleibt aber bei der bloßen Möglichkeit, denn genau genommen ist der philologisch gedeutete Ko-Text ‘[ich] mache eine Einladung’ hier nicht Explanans der kon-textuell gedeuteten Abbildung, sondern nur deren Explanandum (Männerfigur ⋄ Wodan ⇒ nimmt eine ‘Zitation’ tierischer Heilungshelfer vor; ⇒ [ist] Verbündeter bzw. Schutzpatron [der Brakteatenträger/-innen]). (2) Gleiches gilt auch für die nur vereinzelt entgegentretenden Zuschriften im Bildfeld der Brakteaten, deren Stellenwert aufgrund des deklariert deiktischen Charakters höher zu veranschlagen ist als der der Umschriften. Soweit ich sehe, läßt sich aber auch hier kein sicheres Beispiel für eine ikonische ‘Äußerung’ mit einem referentiellen runenepigraphischen KoText ausfindig machen, der das bildlich Dargestellte in expletiv-explikativer Weise als bestimmte Person,10 als bestimmten Gegenstand bzw. bestimmte Sache oder als bestimmtes Geschehen markieren würde. Eine r Zuschrift wie etwa die umstrittene Sequenz ho /uaz FÜNEN (I)-C (RäF 119 = IK 58) ist jedenfalls in diesem Sinn ‘merkmallos’.11 10 11
Daß die Hauptfigur nirgendwo explizit *Wōdanaz genannt wird, kann freilich auf Namentabu beruhen; vgl. Polomé 1994, S. 97 f. Vgl. Nedoma 2003, S. 63 mit Anm. 54. – Die Runenfolge befindet sich zwischen Kopf und Vorderlauf des Pferdes. Teils hat man houaz gelesen und darin einen (Bei-)Namen Hou[h]az < *Hauhaz ‘der Hohe’ (aisl. Hár) erblickt, und zwar des Runenmeisters (Krause 1966, S. 255) oder des Wodan (Nowak 2003, S. 279 ff.); teils hat man horaz gelesen und darin ein heiti ‘der Geliebte’ (= lat. cārus ‘lieb, begehrt, teuer’ < uridg. *kéh2 -ro-; im Germanischen mit Bedeutungsverschiebung ‘*Liebhaber’ → ‘„Hurer“, Ehebrecher’ fortgesetzt in got. hors, aisl. hórr) erblickt und auf das Balder-Fohlen (Beck 2002, S. 52; das Fohlen-Wort ist maskulin) oder auf Wodan (so Grønvik 2005, S. 13) bezogen; Antonsen (1975, S. 62 sub Nr. 62) scheint darin ein ‘normales’ Anthroponym zu sehen. Die Sache wird durch den Umstand verkompliziert, daß auf zwei weiteren Brakteaten des gleichen Bildtyps an analoger Stelle die Runenfolgen £h£oh£a£z RAUM RANDERS-C (IK 142; Lesung nach Nowak 2003, S. 529) bzw. ho·z MAGLEMOSE (III)-C / GUMMERSMARK (IK 300) angebracht sind. Damit haben wir drei Varianten ein und derselben Zuschrift – ist also doch mit Nowak (2003, S. 281) *houhaz herzustellen (wobei freilich ou als Wiedergabe des sonst einheitlich au geschriebenen Diphthongs urn. /au/ auffällig bliebe)? Die paläographisch an sich gleichrangige Alternative *horhaz ist
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2. 2.1. Die Frage, ob und inwieweit runische Ko-Texte als indexalische Zeichen der Bildproposita von Brakteaten fungieren, verfolge ich nun an einem erst in jüngerer Zeit konstituierten runenepigraphischen Einworttext weiter. Die beiden modelgleichen B2-Brakteaten von Killerup (IK 51,2; nur fragmentarisch erhalten) und Gudme II (IK 51,3) bieten eine rechtsläufige Runeninschrift undy undz = urn. /undz/ (bzw. /undʀ/),12 die sich am Rand über einem von der Mittelfigur hochgehaltenen hantelartigen Gegenstand befindet.13
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zwar formal untadelig (= urn. *horhaz > aisl. horr m. ‘Abmagerung, Auszehrung, Verhungern’ ~ ai. kÖrśá- Adj. ‘mager, abgemagert, schlank, schwächlich’, jav. kərəsa- ‘dass.’ etc. < uridg. *kÖrḱa-), vermag aber von der ‘äußeren’ Deutung her nicht zu überzeugen. Auf die heikle Frage, ob bzw. inwieweit der Rhotazismus urgerm. urn. /z/ (> /ř/) > spät-urn. /r/ bereits in der Brakteatenzeit durchgeführt ist, gehe ich hier nicht weiter ein und transliteriere die y-Rune in Brakteateninschriften als z. – Nach verbreiteter, bereits von Jiriczek (1925/26, S. 236) vertretener Ansicht kommt für die (erste Phase der) Artikulationsverschiebung im Urnordischen das 6. Jahrhundert in Frage; vgl. zuletzt etwa Nielsen 2000, S. 214. Ob der wie KILLERUP-B und GUDME II-B aus Fünen stammende und nahe verwandte, jedoch entgegen der Siglierung als IK 51,1 n i c h t modelgleiche (Pesch 2007, S. 99 Anm. 1) Brakteat von Fakse-B (Fig. 2; unten, S. 823) jemals eine entsprechende Inschrift getragen hat, läßt sich nicht sagen: die Randeinfassung verläuft hier derart knapp über der ‘Hantel’ der Mittelgestalt, daß eventuell vorhandene Runen weggefallen sind. – Unter den Stücken von ähnlichen Modeln trägt ferner der Brakteat von Dänemark (X)-B (IK 39) an analoger Stelle, also über der ‘Hantel’, eine Folge von vier Runen, scil. 4lWc ïlw×. Krause (1966, S. 245 sub Nr. 106 Anm. 1) vermutet darin eine Entstellung ‘seiner’ Pferd-Formel (*ehwē Dat. Sg.), was aus paläographischen Gründen alles andere als plausibel ist. Wenn man dieser Runenfolge schon einen Sinn abgewinnen will, wäre eher noch (mit Umstellung ïl → lï, W als þ wie im Falle von Rune Nr. 1 auf OVERHORNBÆK (III)-C [IK ┌ ┐ 140] und zu u ergänzter letzter Rune) an eine Sequenz *lï þ [u] zu denken, die sich als urn. līþu n. u-St. ‘berauschendes Getränk’ (aisl. líð [poet.] ‘Rauschtrank, Bier’, got. leiþu, ae. as. līð, afries. līth, ahd. [auch m.] līd ‘Getränk, Obstwein’) deuten und in den alu-Kontext (wenn alu = aisl. ǫl ‘Bier’) stellen ließe: mehr als eine ganz unverbindliche Möglichkeit ist das jedoch freilich nicht. Als depravierte Abkömmlinge von 4lWc ïlw× erscheinen dann auf DÄNEMARK-B (IK 40) an der nämlichen Stelle zwei winkelartige Zeichen ^^ sowie auf SKOVSBORG-B (IK 165 [zwei Exemplare]) Winkel und Bogen ^◠. Wie auch immer, mit undy undz auf KILLERUP-B und GUDME II-B besteht jedenfalls kein Zusammenhang.
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Fig. 1,11–2: Goldbrakkteaten von Killerup-B K (liinks) und Guudme II-B (reechts). – Skizzenn nach IK I,3, S. 59 (Taf.-N Nr. 51,2 b) und d IK III,2, S. 132 (Taf.-Nr. 51,3 b). Maßstabb ca. 3:1.
In orthographischerr Hinsicht auuffällig ist die d Wiedergaabe von /n/ (als n n) morganem Obstruenten; O gewöhnlich h wird die Folge F C0VNT T in den vor hom Runeniinschriften im m älteren Fuþark F durch h C0ṼT erseetzt und als ‹C0VT› wiederggegeben, es sind jedochh einige Aussnahmen vonn dieser phoonetisch determiinierten ‘abggekürzten’ Schreibung zu u belegen.14 Gleiche odeer undzähnlichhe Runenfolggen fehlen inn den Inschrifften auf Golddbrakteaten bbzw. im älteren Fuþark überrhaupt.15 14
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In den d urnordischhen Runeninsschriften begeg gnen folgendee Ausnahmen von der Schhreibregel C0VN NT → C0 ‹C C0VT›: ungandiz = urn. unggandiz m., NOR RDHUGLO (früühes 5. Jh.; RäF R 65) ‘Unbeezauberter (o.ä.)’; iuþingazz = urn. Iuþinngaz m., REISSTAD (spätes 5. 5 Jh.; RäF 74)) Personennam me; gAlând£e = spät-urn. galããnde Part. I, EGGJA (um/nacch 650; RäF 101) ‘schreien nd’. Zur ‘Nichht-Repräsentattion’ von Nassal s. z. B. Makkaev 1965, 588 f. = 1996, 52 2 f.; Williams 1994, 217 ff.; Nedoma 20006, 120. – Ich verwende v hier und u im folgend den die ‘Coverr-Symbole’ C = Konsonantt, C0 = beliebbige Anzahl von v Konsonan nten, null einggeschlossen; E = jeder ablaautfähige Vokaal (e, o); N = Nasal; N R = Reesonant (Sonorrkonsonanten ll, r, m, n, ŋ), R = silbischer R Resonant; T = Obstruent; V = Vokal, V = Nasalvokal. N ◦ Die tatsächliche oder o vermeintliiche Tripelbinderune (u(dz auuf dem Stein vvon Roes (um m 700; RäF 1002) muß aus dem d Spiel bleiben, zu unsiccher ist die Lesung; s. McL Leod 2002, S. 99 ff.
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Das Fragment KILLERUP-B ist seit 1874 bekannt; da die erste Rune u mit ihrem Stab unmittelbar an der Bruchkante ansetzt, hat man in der älteren Forschung zunächst auch der Runeninschrift fragmentarischen Charakter zuerkannt und in undz das finale Segment einer längeren Runenfolge gesehen.16 Erst seit dem Jahre 1982 besteht Gewißheit, daß die Vier-RunenInschrift abgeschlossen ist: auf einem gut und vollständig erhaltenen Brakteaten aus dem Hortfund von Gudme, scil. GUDME II-B, findet sich ebenfalls die Folge undz. (In diesem prachtvollen Exemplar, das durch seine aufwendige Ösung und den breiten, mehrzonigen Randdekor auffällt, vermutet man das Herzstück eines aus neun Brakteaten bestehenden Pektorale.17) 2.2. Nach einer kurzen Phase der Aporie18 hat mit den Darlegungen Haucks19 eine Neuorientierung in der Interpretation der Runeninschrift eingesetzt. Im Anschluß an Heizmann20 faßt Hauck undz als Neutrum (urn.) [w]undR ‘Wunder, wunderbare Gestalt’ und bezieht den runenepigraphischen Text auf die Mittelfigur des Bildwerks, in der er den Gott Balder (aisl. Baldr, ahd. Balder) erblickt.21 Dieselbe ‘innere’ Deutung von undz diskutiert sodann auch Beck;22 er läßt dabei offen, ob die Runenfolge ggf. als ‘Wunder’, ‘wunderbare Gestalt’ oder ‘(un)glückliches Ereignis’ zu verstehen ist. Wie jedoch bereits Heizmann23 zu Recht anmerkt, ist die Deutung von undz als urn. *wundra Nom. Sg. n. a-St. (> aisl. undr ‘Wunder, Wunder-
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So z. B. Stephens 1884, S. 196 sub Nr. 82 („this may be the end of the name“), DR Br. 35 (S. 517 f.; „...undR“); Beck 1980, S. 29; 1981, S. 75 (urn. [Wal]undR = aisl. Vǫlundr). – Die runologische Lit. ist in IK I,2, S. 97 sub m und IK III,2, S. 305 sub m (ad IK 51,2 und IK 52,3; Klaus Düwel) verbucht. So v.a. Hauck 1998a, S. 327 ff.; Hauck 1989c, S. 29 ff. u.ö. – Rekonstruktionsabbildungen des Pektorales finden sich z. B. in Düwel / Nowak 1998, Taf. 2 (Thrane) bzw. Taf. 4 (Hauck). Moltke 1985, S. 114: „what does it mean?“; Seebold 1995, S. 177: „Zeichen, mit denen nichts anzufangen ist“. Hauck 1998a, S. 338 ff.; 1998b, S. 522; vgl. 1998c, S. 45, 51; 2000, S. 56, 58 u.ö. Heizmann 1998a, S. 337 f. = 1998b, S. 521 f. Hauck (1998a, S. 366 f.; 1998b, S 521) betont dabei die (scheinbare) wunderbare Unverletzbarkeit Balders. – In dem hantelartigen Objekt unterhalb der Runenfolge undz sieht Hauck (1989a, S. 339) übrigens ein Rhythmus-Instrument des (tanzenden) Balder. Beck 2002, S. 53, 58. Heizmann 1998a, S. 338 = 1998b, S. 521 f.; vgl. Beck 2002, S. 53.
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bares, Seltsamkeit, Wunderwesen24’; vgl. ae. wundor ‘Wunder, Wunderbares, Wunderwesen,25 Bewunderung, Verwunderung’, as. wundar, wunder ‘Wunder, Wunderbares, Verwunderung’, ahd. wuntar ‘Wunder, Wunderbares, Seltsamkeit, Verwunderung’ etc.)26 allerdings mit mehreren Schwierigkeiten behaftet:27 (a) Es muß mit Schwund von /w/ vor Velarvokal gerechnet werden – ein Lautwandel, der sich in den Brakteateninschriften weder an- noch inlautend durchgeführt findet. Belege für bewahrtes /w/ bieten für den Anlaut wurte = urn. wurtē 3. Pers. Sg. Prät. Ind. (< früh-urn. *wurhtai), TJURKÖ (I)-C (RäF 136 = IK 184) ‘„wirkte“, verfertigte’, für den Inlaut tawo = urn. tawō 1. Pers. Sg. Präs. Ind., RAUM TROLLHÄTTAN-A (RäF 130 = IK 189) ‘mache’ sowie (e(hwu = urn. ehwu, am ehesten Instr. Sg. mask. a-St., TIRUP HEIDE-C / SCHONEN (V) (RäF 106 = IK 352) ‘mit dem Pferd’.28 Immerhin treten die frühesten Output-Formen nicht viel später als die jüngsten Brakteateninschriften entgegen, beginnend mit o£rte = urn. ortē ‘„wirkte“, bearbeitete’ auf dem Stein von By in Norwegen (RäF 71),29 der wohl noch in das späte 6. Jahrhundert gehört; ein weiterer, allerdings unsicherer Kandidat ist die Folge unaþou NOLEBY (spätes 6. Jh.; RäF 67), die von Krause als verschriebenes unaþu Akk. Sg. m. u-St. ‘Zufriedenheit, Glück’ gefaßt wird.30 (b) Ein weiteres Hindernis ist die Annahme einer ‘Nullendung’, denn die Apokope von -a nach schwerer Silbe ist in der Brakteatenzeit ebenfalls noch nicht eingetreten. Bewahrtes -a im Nominativ/Akkusativ Sg. neutraler a-Stämme zeigt sich in urn. auja SKODBORG(HUS)-B (RäF 105 = IK 161) 24
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Fáfnismál, Str. 3: Veiztu, ef fǫður ne áttað / sem fira synir, // af hverio vartu undri alinn? ‘Weißt du, wenn du keinen Vater hast wie die Söhne der Menschen, von welchem Wunderwesen du gezeugt wurdest?’ (Edda, S. 181). Beowulf, V. 1509 f.: ac hine wundra þæs fela / swe[n]cte on sunde ‘[Grendels Mutter hat Beowulf gepackt, sodaß dieser seine Waffen nicht einsetzen kann] und ihn so viele Wundertiere im Wasser bedrängten’ (Ausg. S. 94). Zu urgerm. *wundra- n. zuletzt etwa Bjorvand / Lindeman 2000, S. 998 s.v. under 2; Lühr 2000, S. 294 f. s.v. undr; Kluge / Seebold 2002, S. 997b s.v. Wunder. Skeptisch ferner auch Stoklund 1999, S. 148; Nielsen 2000, S. 297 Anm. 17; McKinnell et al. 2004, S. 84 sub E 48. Nedoma 2004, S. 289. Grønvik (1996, S. 126 ff.) liest die betreffende Sequenz hingegen (hroReR)oute (= urn. hrōRēRō ūtē ‘... der Rührigsten; draußen ...’). Anders etwa Grønvik (1987, S. 96 ff.), der in unaþou zwei Wörter erblickt, und zwar unaþ Akk. Sg. n. a-St. ‘Wohlbefinden’ (urn. *wunāða) und ōu Dat. Sg. f. ō(n)-St. ‘junge (Frau)’ (*junhō[n]-). – Antonsen (1975, S. 55 f. sub Nr. 46) beläßt die Folge als uninterpretierbar.
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und RAUM KØGE / SEELAND II-C (j = + i ; RäF 127 = IK 98 [zwei Exemplare]) ‘Glück, Hilfe, Schutz o.ä.’ > aisl. ey (Hapax: Landnámabók S, c. 16).31 Was demgegenüber mögliche Belege für a-Apokope in Brakteateninschriften betrifft, so ist auf OVERHORNBÆK (II)-A ≕ RAUM VENDSYSSEL(?)-A (RäF 129 = IK 312,1–2) sowie ESKATORP-F ≕ VÄSBY(?)-F (RäF 128 = IK 241,1–2) entgegen Krause32 keine Outputform wīlald-Ø < urn. *-alda n. Akk. Sg. ‘Kunstwerk o.ä.’ (*-dla-) zu sichern – im Gegenteil: im ersten Fall ist ein Akkusativ Sg. auf -a in uilald£(a£a (u = V, £(a£a = à© 33), im zweiten Fall ein Akkusativ Pl. auf -u in uila!ldu (!l = j) belegt.34 Die frühesten sicheren Belege für a-Schwund stammen jedenfalls erst aus späturnordischer Zeit, z. B. lât = la(n)d Akk. Sg., EGGJA (um/nach 650; RäF 101); nicht ganz klar ist h×e = h[l]ē Nom. Sg. wa-St., STENTOFTEN (vor/um 600; RäF 96) < *hlewa ‘Schutz’ (aisl. hlé etc.). (c) Schließlich ist kaum zu erklären, warum am Wortende -z statt zu erwartendem -r(a) (also und-z statt †und-r bzw. *und-ra) entgegentreten sollte. Die Annahme einer Fehlschreibung oder einer verkürzten Schreibung35 hat 31
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35
Beleg (unnormalisiert): hans [Svartkels] son var Þorkell f(aðir) Glums er svo badzt fyrir at krossi Gott ey gaumlum monnum gott ey vngum monnum ‘sein [S.s] Sohn war Thorkell, der Vater Glums, der so zum Kreuz betete: „Gutes ey den alten Menschen, gutes ey den jungen Menschen“’ (ey S] æ H; Ausg. S. 136 18; 12 6); dazu Jón Helgason 1928, S. 377 ff. Krause 1966, S. 264, 267; 1971, S. 116 (§ 88,2). Vgl. Nowak 2003, S. 609 Aus der unklaren Inschrift von OVERHORNBÆK (II)-A ≕ RAUM VENDSYSSEL(?)-A läßt sich nicht viel mehr als eben wīlalda herauslösen; ESKATORP-F ≕ VÄSBY(?)-F f×hidu×uila£lduuigaz(eerilaz ist offenbar zu deuten als urn. Wīgaz, e[k] erilaz, fāhidū wīlaldu ‘Wig, ich, der Eril, (be)schrieb die Kunstwerke’ (das unklare Zeichen Nr. 7 bleibt außer Betracht). – Ebenfalls aus dem Spiel zu bleiben hat niujil DARUM (V)-C (RäF 104 = IK 43): es handelt sich um einen maskulinen nStamm, dessen Nominativ-Marker -a = -ǣ durch Doppellesung über die Wortgrenze hinweg (also niujil(a) alu = °il(ǣ) alu) zu gewinnen ist; vgl. zuletzt Nedoma 2005, S. 171. – Ein weiteres Beispiel für Apokope, und zwar von u, hat Krause (1966, S. 267; 1971, S. 90 [§ 60,1]) in laþoþ = laþōþ-Ø Akk. Sg. m. u-St., HALSSKOV OVERDREV-C (RäF 130 Anm. = IK 70) ‘Einladung’ ausfindig machen wollen (: laþoþu = laþōdu RAUM TROLLHÄTTAN-A; RäF 130 = IK 189), doch dies ist ebenfalls alles andere als zwingend, denn die Wortgrenze kann nach dem Vorgang von Antonsen (1975, 79 sub Nr. 108), Düwel (IK I, S. 129 ad Nr. 70) und anderen mit (zumindest) gleicher Berechtigung nach o gelegt werden, sodaß sich in diesem Falle laþo = laþō Akk. Sg. f. ō-St. ‘Einladung’ (zu laþu = laþu Nom. Sg., z. B. SCHONEN (I)-B ≕ UFO-B (RäF 120 = IK 149,1–2 [3 Exemplare]; vgl. Nowak 2003, S. 239 ff.) ergibt. Heizmann 1998a, S. 338 = 1998b, S. 522 (möglicherweise Fehlschreibung); Beck 2002, S. 53 (möglicherweise verkürzte Schreibung).
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jedenfalls ad hoc-Charakter, und an einen (regionalen?) Phonemzusammenfall, der sich im Gebrauch von r statt z manifestieren würde, ist ebenfalls schwerlich zu denken: abgesehen davon, daß der Reflex von urgerm. urn. /z/ in der Brakteatenzeit womöglich noch gar nicht die Stufe eines /r/ erreicht hat (vgl. oben, Anm. 12), werden urn. /z/ > (/ř/ >) an. /ʀ/ y, § (wohl als apikales [r] oder [ɾ] realisiert) und urgerm. urn. an. /r/ R, r (wohl als uvulares [ʀ] realisiert) noch in der Wikingerzeit – in Dänemark und Norwegen bis in die Zeit um 900, in Schweden noch länger – in der Regel auseinandergehalten,36 sind also noch Jahrhunderte später distinktiv.37 36 37
S. zuletzt Larsson 2002, S. 33 ff. pass. (mit Lit.). Antonsen (1975, S. 17 [§ 5.6], 84 [ad Nr. 117], 86 [ad Nr. 119]; 2002, S. 85 f., ə 305 f. u.ö.) sieht hideR- = °d r- STENTOFTEN (vor/um 600; RäF 95) bzw. haidRBJÖRKETORP (um/nach 600; RäF 97) sowie AfatR ISTABY (um/nach 600; RäF 98) hingegen als inverse Schreibungen an, die einen Zusammenfall (des Reflexes) von urn. /z/ mit /r/ in der Stellung nach Apikalen, und zwar in /r/, indizieren würden. Die Annahme einer derartigen (nur regionalen?) Allophonumgliederung erscheint jedoch schon deswegen fraglich, weil sich y, § R (≠ R, r r) in aller Regel noch Jahrhunderte später – auch nach Zungenspitzenlauten (z. B. stâtR = sta(n)dR FLEMLØSE I, 9. Jh. [DR 192] ‘steht’) – in den Runeninschriften im jüngeren Fuþark etymologisch korrekt gesetzt finden (vgl. auch Syrett 1994, S. 224 ff.; Barnes 2003, S. 101). Was zunächst das Vorderglied von hidez- bzw. haidzruno = späturn. *haideR rūnō Gen. Pl. ‘Glanzrunen o.ä.’ anbelangt, so hat Antonsens Analyse als tro-Adjektiv *haidra- (ae. hādor, ahd. heitar etc. ‘heiter, hell, klar’) wegen des fehlenden Fugenvokals, der auf den Blekinger Steinen sonst auch nach schwerer ə ə Silbe noch erhalten ist (z. B. herAmAlAsAR = her m-a-la[u]s R, weladud(s) = wēla-d[a]ud(s) STENTOFTEN), wenig für sich. Nach begründeter opinio communis (s. etwa Krause 1966, S. 215; 1971, S. 52 [§ 28,8], 87 [§ 56,4], 119 [§ 98,1]; Heidermanns 1993, S. 265 s.v. haida-; Grønvik 1996, S. 172 ff.; v.a. Schulte 1998, S. 113 ff. [mit weiterer Lit.]; anders zuletzt Grünzweig 2006, S. 414 f.) handelt es sich um einen alten neutralen s-Stamm (Kompositionsvorderglied urgerm. *haidez- > *haidiz- > spät-urn. *haideR-), der als Maskulinum aisl. heiðr, Gen. heiðrs (und -ar) ‘Ehre’ (Typ sigr m., Gen. sigrs ‘Sieg’) fortgesetzt ist; daneben steht auch ein Neutrum aisl heið ‘Helligkeit, Klarheit (des Himmels)’ (Typ lamb n. ‘Lamm’?). Auch ae. hādor n. ‘Helligkeit, Klarheit (des Himmels)’ (Beowulf, V. 414) kann die Kontinuante eines *ez/az-Stamms sein (mit intraparadigmatisch aus Obliquus bzw. Plural übernommenem -or, Typ sigor ‘Sieg’; oder substantiviertes Adjektiv ae. ə hādor ‘hell, klar’?). Es bleibt Afatz = spät-urn. af tR Präp. ISTABY ‘nach’, dem die ‘regulären’ (früh)wikingerzeitlichen Formen mit finalem R (Hauptform aftiR = æ°, u.v.a. FLEMLØSE I; dänische Belege: DR I, 742 f.; schwedische Belege: Larsson 2002, S. 197 ff.) an die Seite zu stellen sind. Grønvik (1981, S. 218) hat spät-urn. ə af tR auf ISTABY als *aft (an. run. aft, u.v.a. FLEMLØSE I) plus anorganisches, von spät-urn. *æftiR Präp., Adv. ‘nach’ (an. run. aftiR, aisl. eptir etc.) übernommenes -R erklärt, was einiges für sich hat. Wie auch immer, die genauen Zusammenhänge innerhalb der Sippe um urgerm. *af-t-ai ‘hinten’ (got. afta Ph 3,14; vgl. mit ‘Nullendung’ an. aft ‘nach’, aisl. at Präp., ferner mit abweichendem Vokalismus ae.
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2.3. Eine alternative Deutung stammt von Birkhan:38 indem er undz = [w]undR im Sinne von vulneratus faßt, also als substantiviertes Adjektiv *wundaz ‘Wunder, Verwundeter’ (vgl. got. wunds, ae. as. wund, ahd. wunt etc.), bezieht er die Inschrift ebenfalls auf Balder als Mittelgestalt. Auch diese – von der Text-Bild-Konkordanz her bestechende – Interpretation ist in lautlicher Hinsicht problematisch: (a′) Mit der Annahme eines Abfalls von anlautendem /w/ bewegt man sich auf schwankendem Boden (s. vorhin, 2.2.). (d) Dazu wäre auch Schwund von gedecktem schwachtonigen a (*wundaz > undz) in Rechnung zu stellen, dies läßt sich jedoch nicht mit der Evidenz der Brakteateninschriften vereinbaren: in einer ganzen Reihe von Belegen ist der Themavokal vor z – gleich ob nach leichter oder nach schwerer Silbe – durchgängig fest.39 Die ältesten Beispiele für durchgeführten Lautwandel urn. -az > -əz > -Øz stammen wiederum aus späturnordischer Zeit, z. B. hAþuwolAfz = spät-urn. Haþuwol əfR STENTOFTEN (vor/um 600; RäF 96); hAerAmAlAusz = he̯εr əməlausR Adj., BJÖRKETORP (um/nach 600; RäF 97) ‘rastlos o.ä.’, tAitz = TaitR TVEITO (RäF 94; um/nach 600) ‘der Frohe’, hAukz = HaukR Männername, VALLENTUNA40 (um/nach 600[–650]) etc.41
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afries. as. eft ‘nachher’) ~ *af-tr-ai/a n ‘(nach) hinten’ (got. aftra bzw. aisl. aptr) ~ n *af-ter-õ/a ‘(von, nach) hinten’ (got. aftaro bzw. ahd. as. after, aftar, ae. æfter, afries. efter; unklar ist urn. after TUNE [um 400; RäF 72] mit -e- und ‘Nullendung’) etc. harren noch einer Klärung; aisl. eptir < spät-urn. *æftiR setzt jedenfalls offenbar **aft-iz-i (mit eingekreuztem Komparationssuffix) voraus. Zur ganzen Adverbialsippe Schmidt 1962, S. 188 f., 261 ff. (grundlegend); Grønvik 1981, S. 217 f.; Lloyd / Springer I, S. 64 ff. s.v. after (mit Lit.). Birkhan 2003, S. 637. Belege (alle Nom. Sg. m. a-St., Personen[bei]namen nicht gekennzeichnet): akaz ÅSUM-C (RäF 131 = IK 11); (eerilaz = e[k] e° ‘ich, der Runenmeister’ und uigaz ESKATORP-F ≕ VÄSBY-F (RäF 128 = IK 241,1–2); fakaz RAUM SØNDERBY-C / FEMØ-C (RäF 132 = IK 340); (ga(kaz SCHONEN (I)-B ≕ UFO-B (RäF 120 = IK 149,1-2) unklar (= ga(u)kaz ‘Kuckuck’?); heldaz TJURKÖ (I)-C (RäF 136 = IK 184); hor/uaz FÜNEN(I)-C (RäF 119 = IK 58) s. oben, Anm. 11; laukaz öfters, z. B. ÅRS (II)-C (RäF 108 = IK 8) ‘Lauch, Gedeihen, Fruchtbarkeit o.ä.’; £ktilaz UNGARN-C / DÄNEMARK (V) (IK 375) unklar. – Auch bei i-Stämmen (glïaugiz NEBENSTEDT (I)-C; RäF 133 = IK 128) und u-Stämmen (ssigaduz SVARTEBORG, Avers [Medaillonimitation]; RäF 47 = IK 181) ist der Themavokal erwartungsgemäß erhalten. – alawin (ter) und alawid SKODBORG(HUS)-B (RäF 105 = IK 161) sind wohl als Vokative mit lautgesetzlicher ‘Nullendung’ zu fassen; s. etwa Stiles 1984, S. 29 ff.; Müller 1988, S. 130 ff.; Beck 2000, S. 37 ff.; Nielsen 2000, S. 150; Beck 2006, S. 74. Gustavsson 1989, S. 41 ff.
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Obgleich nur ein paar Jahrzehnte vom Ende der Brakteatenzeit entfernt, lassen die Inschriften dieser transitional period ein ganzes Ensemble von Lautwandelprozessen erkennen (v.a. eine Reduktion des Schwachtonvokalismus und die damit zusammenhängende Phonematisierung von umgelauteten Haupttonvokalen), die das phonologische System des ‘klassischen’ Urnordischen tiefgreifend umgestalten;42 soweit wir erkennen können, ist die Brakteatensprache aber von diesen Veränderungen noch nicht oder nur kaum berührt – jedenfalls nicht in puncto Schwachtonvokalismus: wir befinden uns eindeutig noch in der ‘Präsynkopezeit’. 2.4. Größere Zeitabstände sind bei einem Vorschlag von Nowak43 zu überbrücken. Der Autor sieht in undz einen Wodansnamen (‘Gönner’; zu aisl. unna, ann Prät.-Präs. ‘gönnen, lieben’),44 der im literarisch bezeugten Altisländischen als Uðr, Unnr fortgesetzt sei;45 was die Lautgestalt betrifft, kann er auf Kusmenko46 verweisen, der in einer ähnlichen Runenfolge – scil. unþR auf dem Amulett von Alt-Ladoga (10. Jahrhundert; Runen III,1– 4) – entweder eine (orthographische) Kreuzform unR × uþR oder eine „Übergangsform“ zwischen unnR und uðR also sprachwirkliches früh-
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Wie (ek)wiz auf der Fibel von Eikeland (550–600; RäF 17a) zu beurteilen ist, bleibt mir unklar. Daß es sich mit Krause (1966, S. 47; 1971, S. 91 [§ 60,6], 105 [§ 79]) und Grønvik (1976, S. 138 f., 165 ff.; 1987, S. 67) um ein Anthroponym WīR < urn. Wīwaz m. (wiwaz TUNE [um 400; RäF 72], vgl. wiwila(£n?) VEBLUNGSNES [um 500; RäF 56]) handelt, ist jedenfalls zu bezweifeln: nach der Synkope des Themavokals a ist an sich lautgesetzlich eine Samprasārana-Form wiuz = Wīuz (mit w als ṷ → u) zu erwarten, wie sie ja auch in hutiuR = hō-tīuR ‘Hochgott oder: Hoch-Tyr’ (< urn. *-tiwaz; aisl. Týr) auf dem Schädel von Ribe (ca. 720–730; Stoklund 1996, S. 201) entgegentritt. Da die Weghypothese -iwa- > -iw- > -ī- nicht zu überzeugen vermag, ist auf wiz als Zeugnis für a-Apokope nichts zu geben. Mit den ‘Übergangsinschriften’ und deren sprachhistorischer Aussagekraft hat sich zuletzt Schulte in mehreren Arbeiten (v.a. 1998, S. 76 ff.) befaßt. Nowak 2003, S. 283 ff. Auffällig ist, daß der Wodansname gerade zwischen den beiden ‘nicht-indizierten’ Figuren placiert wäre (nach der von Hauck begründeten opinio communis handelt es sich bei der gefiederten Gestalt um Loki, bei der Mittelfigur um Balder); dem begegnet Nowak (2003, S. 284) mit der Annahme, die Pressung hätte gelitten, wenn man die Runen an einer anderen Stelle angebracht hätte. Belege: Grímnismál, Str. 46,5 (Uðr; Edda, S. 66); Þulur IV jj, Str. 7,5 (Uðr; Skj. A I, S. 682); Harðar saga ok Hólmverja, lausavísa 18,4 (Unnr, coni. Unnz; Skj. A II, S. 449). Kusmenko 1997, S. 193.
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aschwed. unðR, erblicken will.47 Auf die lautlichen Details seiner Deutung geht Nowak indessen nicht näher ein; zu bedenken ist aber zweierlei: (d′) Zunächst ist auch hier Synkope von schwachtonigem a vorauszusetzen (zu erwarten wäre *Unnaz m.), was nach dem vorhin (2.3.) Gesagten schwierig ist. (e) Die Runenfolge undz als UnðR 48 < urn. *Unnaz fassen zu wollen, impliziert ferner, zumindest eine erste Phase der Entwicklung (-nnR >) -nnr → -ðr 49 (wohl als -ðR) in der Brakteatenzeit anzusiedeln. Evidenz für den Lautwandel, der grundsätzlich erst nach der Synkope von schwachtonigem a eingetreten sein kann, ist allerdings erst aus altnordischer Zeit beizubringen. In der Inschrift auf der Steinplatte von Eggja (RäF 101), die in die Zeit um oder nach 650 gehört, treten jedenfalls noch die Input-Formen mâz und mânz (Runen I,37–39 und 63–66) = spät-urn. ma[n(n)]R und mæn(n)R Nom. Sg., Pl. ‘Mann’ (< urn. *mannaz, *-iz) entgegen,50 und sogar in den dänischen wikingerzeitlichen Runeninschriften ist die Sequenz -n(n)r in der Regel noch erhalten, z. B. in mânr = man(n)r Nom. Sg. ‘Mann’ auf den Steinen von SKERN II (DR 81) und SØNDER VINGE II (DR 83), die beide in die ‘Nach-Jelling-Zeit’ gehören, also ca. 1000–1050 zu datieren sind.51 Angesichts der gewaltigen zeitlichen Diskrepanz muß man Nowaks Deutung wohl auf sich beruhen lassen. 2.5. Einen ganz anderen Weg beschreitet Antonsen,52 der die Runenfolge undz als Wurzelnomen urn. (und urgerm.) und-z faßt, das er auf uridg. 47
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Was den Textzusammenhang betrifft, so werden die Zeilen III–IV der Inschrift auf dem Amulett von Alt-Ladoga von Kusmenko (1997, S. 193 ff.) IIIunþRuþi£nþat IV daþaRnakifak gelesen, als unnr (~ ann) Óðinn þat dáð, er Naggi fekk ins Altisländische transponiert und mit ‘Odin gönnt die Tat (den Mut), die Naggi erhalten hat’ übersetzt. Wie Kusmenko (1997, S. 197) auch selbst bekennt, ist die von ihm vorgetragene Lesung bzw. Deutung der ganzen Inschrift mit etlichen Unsicherheiten behaftet. Vgl. Nowak 2003, S. 283 Anm. 11. Vgl. ebd. Dazu Ralph 1975, S. 75 ff. Vgl. Grønvik 1985, S. 143 f. Soweit ich sehe, sind die ersten Output-Formen in dänischen Inschriften – ob auf schwedischem Einfluß beruhend oder nicht – für das 10. Jahrhundert zu belegen, z. B. suþr[tana] = Suþrdana Gen. Pl., SÆDINGE (DR 217) ‘Süddänen’. – Daneben begegnen auch Formen mit epenthetischem d, z. B. sturimatr = stȳrima(n)dr HAITHABU I (DR 1; Ende 10. Jh.) ‘Schiffsführer, -herr’, doch einen derartigen Dentaleinschub auch für gegenständliches undz geltend zu machen zu wollen, wäre nicht mehr als eine ad hoc-Annahme. Antonsen 2002, S. 278.
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*/h2nt-s/ zurückführt und mit den thematischen Bildungen ved. ánta‘Rand, Grenze, Ende’ und lyk. χñta-, für das er die Bedeutung „first, leader“ angibt,53 sowie ferner im Germanischen ablautend mit got. andeis, ae. ende, ahd. anti, enti ‘Ende’, aisl. endir etc. (< urgerm. *and-ijá-) vergleicht. Heth. ‹áa-an-za› hant-s ‘Vorderseite, Stirn’, die reguläre Kontinuante des grundsprachlichen Wurzelnomens *h2 ént-, *h2 t ‘Vorderseite, Angesicht, Stirn’54 (Lokativ Sg. *h2 ént-i ‘auf der Vorderseite, im Angesicht’ in ai. ánti ‘davor, gegenüber, nahe’, gr. ντί ‘angesichts, gegenüber’, lat. ante ‘vor’, ferner heth. ḫantı ‘getrennt, gesondert’ etc.), erwähnt Antonsen indessen nicht. Die Nominativ-Form urgerm. urn. und-z wäre jedenfalls ohne weiteres durch intraparadigmatischen Ausgleich – scil. durch Übernahme der schwundstufigen Stammform der schwachen Kasus uridg. *h2 t > urgerm. *und- (lautgesetzlich zu erwarten ist ein Nominativ Sg. uridg. *h2 ént- > urgerm. *anþ-)55 – zu erklären (vgl. auch unten, 3.2.). Wenn sich auch gegen Antonsens Deutung formal kaum etwas einwenden läßt, so vermag demgegenüber die semantische Seite nicht zu überzeugen. Eine Bedeutung ‘Anführer’, die Antonsen mit der lykischen Form suggeriert, kommt jedenfalls nicht in Betracht: nicht lyk. χñta-, sondern erst der Weiterbildung lyk. χñtawat(i)- (= luw. ḫandawat(i)-)56 kommt die Bedeutung ‘*Anführer, Herrscher, König’ zu;57 anderseits würde eine Runenfolge in der Bedeutung der alten athematischen Bildung – undz als ‘Vor53 54 55
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Ferner gehören hierher toch. A ānt, toch. B ānte ‘Stirn, Oberfläche’ (uridg. *h2 ento-) und air. étan ‘Stirn’ (uridg. *h2 ent-o-no-). Dazu zuletzt Rieken 1999, 31 ff. (setzt allerdings heth. hānt- < uridg. *h2 ónt-, *h2 t an). Man vergleiche (vorurgerm. *(h2 )ánþ-i Lok. Sg. ‘auf der Vorderseite’ → ‘zur Vorderseite, nach vorne’ → ‘weiter, ferner’ >) urgerm. anþi > aisl. enn ‘weiter, ferner, außerdem, wieder(um), noch’ gegenüber (vorurgerm. *(h2 )Önt-éi Dat. Sg. ‘zur Vorderseite, nach vorne’ → ‘weiter, ferner’ >) urgerm. *undī > ahd. unti ‘und (auch), aber’; dazu Lühr 1979, S. 129 f.. 131 ff.; 2000, S. 12 s.v. en. 208 s.v. enn, S. 186 s.v. unz. Zum Eindringen der schwundstufigen Form in die starken Kasus s. ferner Lühr 1979, S. 140 f. Lykische Belege: Neumann / Tischler 2007, S. 128 ff. s.v. χntawata/i-; keilschriftluwische Belege: Melchert 1993, S. 52 s.v. ḫandawat(i)-. Die Bedeutung ‘Herrscher, König’ ist durch die lykisch-griechisch-aramäische Trilingue vom Letoon bei Xanthos (Neumann 1979, Nr. 320; wohl 327 v. Chr. verfaßt) gesichert. – Die Morphologie von lyk. χñtawat(i)- bleibt indessen unklar; womöglich handelt es sich um eine Zugehörigkeitsbildung zu dem (seinerseits von einem ṷo-Adjektiv abgeleiteten [?]) Abstraktum χñt-a-wa-ta- (~ lyk. B χñtaba- < *χñt-a-ṷā-) ‘*Vorderseitigkeit’ → ‘Führung, Herrschaft’ (vgl. Hajnal 1995, S. 106 Anm. 89, 108 Anm. 95; Neumann/Tischler 2007, S. 128 ff. s.v. χntawata/i- [mit Lit.]).
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derseite’ – auf einem nur einseitig geprägten Goldbrakteaten nicht wirklich einleuchten. (Eine derartige Aversangabe wäre in den Runeninschriften im älteren Fuþark auch ganz singulär.)
3. 3.1. Es hat sich also gezeigt, daß die bisher vorgebrachten Deutungsvorschläge entweder lautlich (undz für *wundra n., *wundaz m. oder für *Unnaz m.) oder semantisch (undz ‘Vorderseite’) nicht plausibel sind. Wenn man die überlieferte Runenfolge undz ernst nimmt, kann es sich von der Morphologie her – insofern ist Antonsen zuzustimmen – um kaum etwas anderes als ein Wurzelnomen (bzw. einen monosyllabischen Konsonantenstamm) und-z handeln; ein Schwund von stammbildendem ă (oder eines anderen Themavokals) ist nicht anzunehmen (s. oben, 2.3., Punkt [d]). Einen möglichen Anschluß58 bietet die Verbalwurzel uridg. *h2 end h‘sprießen, blühen’,59 verbal nur in gr. ‘hervorsprießen, blühen’, νέω ‘sprieße hervor, blühe’. Von uridg. *h2 end h- ist ein neutraler sStamm uridg. *h2 énd hos/-es- gebildet, der in ai. (ved.) ándhas- ‘(zur Somapressung verwendeter) Sproß, Schoß, Trieb’60 = gr. (hom.) νος ‘Sproß, Trieb, frisches Grün, Blume, Blüte’61 fortgesetzt ist62 und als Entlehnung 58
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Formal sind naturgemäß auch andere Verbindungen möglich, so etwa mit den h Verbalwurzeln uridg. *h2 ent- ‘weben’ (LIV2, S. 269; vgl. IEW, S. 322), *Hned h 2 2 ‘binden’ (LIV , S. 227) oder *h1 ned - ‘hervorkommen’ (LIV , S. 249; vgl. IEW, S. 41); die in Frage kommenden Wortbildungskonstruktionen sind jedoch schwerlich für eine zufriedenstellende ‘äußere’ Deutung nutzbar zu machen. LIV2, S. 266; vgl. IEW, S. 40 f. Zur Semantik Katz 1982, S. 181 ff. (mit Verweis auf gveda I,28,7 etc.). Zur Semantik Katz 1982, S. 179 ff. (mit Verweis auf Od. IX,449 τέρεν’ νεα ποίης, Od. XIV,353 δρίος [...] πολυανέος λης bzw. Hes. νος· βλάστησις, νοσα· βλαστήσασα etc.). – Eine ältere Bildung kann ferner in gr. νεμον n. ‘Blume’ (seit Sappho belegt) vorliegen; zur ganzen Sippe s. Frisk I, S. 108 f., III, S. 32 f. s.vv. νος. – Ins Neuhochdeutsche gelangt sind übrigens Antho-logie ‘Blütenlese’ (: νος; 18. Jh.) und Chrys-antheme ‘„Goldblume“, Winteraster’ (: νεμον; 20. Jh.); vgl. z. B. Kluge / Seebold 2002, S. 49a, 172b s.vv. h Anders Stüber (2002, S. 47, 192 f.), die uridg. *h2 énd os im Anschluß an Tucker (1990, S. 64) als ‘Pflanze, aus der Rauschtrank gewonnen wird’ > ai. ándhas‘Somapflanze’, gr. νος ‘Weinrebe’ faßt; gr. νσαι sei ein Denominativum und νέω eine innergriechische Neubildung. Abgesehen davon, daß in den ältesten griechischen Belegen (scil. bei Homer; s. vorhin, Anm. 61) die Bedeutung ‘Weinrebe’ (bzw. ‘ranken’ o.ä.) nirgendwo greifbar wird, widerrät auch die Evidenz des Finnisch-Permischen und des Germanischen diesem Ansatz.
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(früh-urar. *ándhɔḥ → urfinn.-perm. *antá) in syrjän. od ‘Frühlingsgrün (auf den Wiesen)’, wotjak. ud ‘Wintersaat’ sowie in der Weiterbildung tscheremiss. (mari) O oδ-ar ‘Schoß, Trieb, Zweig’ entgegentritt.63 Im Germanischen gehört die Gruppe aofries. ondul*, jünger ondel m. ‘Marschgras, salzertragendes Süßgras, speziell Strand-Salzschwaden, Strandschwingel (Puccinellia maritima [Huds.] Parl.) bzw. Gewöhnlicher Salzschwaden (Puccinellia distans [Jacq.] Parl.)’ (Nom. Pl. ondlar a. 1356, Dat. Pl. -um a. 1378;64 alt überliefert in dem Toponym Ondul-madun, ca. 920/ 93065), ofries. andel, anel,66 spät-awfries. andel,67 wfries. anel n.,68 nfries. (syltr.) aanel n. dass.69 sowie nd. dial. (brem.-ns., schleswig-holst.) andel, 63 64
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Katz 1982, S. 183 ff.; 2003, S. 216; Redéi II, S. 607 s.v. antɜ. Belege: UrkOf 79 (septimum dimidium graminatum ondlar vulgariter nuncupatum Ausg. I, 76 8); UrkOf 134 (novem graminata super ondlum in terminis Wivelsum I, 114 1). ‘Verdumpftes’ o vor Nasal plus Konsonant indiziert die friesische Herkunft. – Zum Stellenwert der altostfriesischen Urkundenüberlieferung allgemein Hofmann 1971, S. 83 ff. UrbW, § 22a (Ausg. S. 49 20); vgl. Ondel-meed a. 1437 (UrkOf 469). Das Hinterglied von Ondul-madun (ursprünglich Dativ Pl.) ist wohl durch Kontamination afries. mēde f. ‘Matte, Wiese’ × as. *mada (nur toponymisch), mnd. māde f. dass. zu erklären; daß -madun „offenbar noch die wgerm. Lautung“ zeige, also ā < ē1 (Ebeling 2001, S. 460b), kann (zumindest in dieser Form) nicht das Richtige treffen. – Weitere Ortsnamen sind Ondela-wei a. 1373 (UrkOf 121; circa ondelaweya), Ondle-wech a. 1474 (UrkOf 939; mnd. an den Ondle wech) und Ondels-dyk a. 1404 (UrkGD 1173; juxta quendam locum nominatum Ondelsdyk); toponymisch sind ferner wohl auch die Angaben duo graminata bi tha marwey inna Liteka Ondlas (et unum graminatum inna Aldingwere) a. 1375 (UrkOf 126; Ausg. I, 108 15) und mnd. lutteke Ondelis unde grote Ondelis a. 1498 (UrkOf 1589; Ausg. II, 579 3) zu nehmen. Der Ausgang von Ondl-as ist übrigens unklar; ein ursprünglicher Lokativ Pl. (Jaekel 1891, S. 543: < *-asi) kommt jedenfalls nicht in Betracht, auch die Annahme einer Verschreibung für -ar (van Helten 1892, S. 317) ist angesichts des mnd. Parallelbelegs schwierig. – Wie viele Belege noch in gedruckten (vgl. Hofmann 1971, S. 87: oppa Ondel a. 1474) und ungedruckten Quellen schlummern, ist angesichts der mißlichen lexikographischen Situation, in der sich das Altfriesische befindet, schwer zu beurteilen. OfWb 4b s.v. Andel („Gras oder Heu von Glyceria [im Harrlingerl.]“); WbOfS I, 35a s.v. andel („eine feine salzhaltige Graspflanze [Glyceria], die hauptsächlich auf den Hellern, d. h. dem Meeresanwuchs, wächst. Auch das Heu davon wird „andel“ genannt“); B.E. Siebs 1928, S. 81b s.v. ánel („Strandschwingel [Festuca thalassica Kunth]“; Wangerooge). Zwei Belege a. 1511 (op die Andel RAa II, 378 13 [Wijmbritseradeel]) und a. 1522; s. Buma 1969, S. 37 f. s.v. anel. Ebd. („soarte fan kweldergers: Puccinellia maritima Parl.“; mit Lit.); WFT I, 101 f. s.v. ’anel [a:nəl] („Zeevlotgras, Puccinellia maritima Parl.“). Mungard 1909, S. 20 s.v. aanel („Andel, Salzgras“); Mungard 1913, 2 s.v. [syltr.] aanel („Andel [ein Salzgras]“); SUub/M 27b s.v. Aan’el [ÎÄn̑’əl] („Pflanze: Andel,
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annel m. dass.70 hierher.71 Es handelt sich um einen offenbar ‘gemeinafries.’ Ausdruck, der auf urgerm. *andula- m. zurückweist.72 Was dessen Bildungsweise betrifft, vergleicht Katz73 das Paar gr. νέφος n. ‘Wolke’ : [a]fries. nevil ‘Nebel’ (< uridg. *neb h-os/-es- : *neb h-el-),74 denkt also
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Salzgras [Festuca distans u. Festuca thalassica Kth.]“); SUub/K 465b s.v. Aanel („Andel, Salzgras [Festuca distans und Festuca thalassica Kth.]“). – Ein von Mungard 1913, S. 2 mitgeteiltes [amr.] aan ist auch in dem nun maßgeblichen lexikographischen Werk FÖöWb nicht verbucht. BNsWb I, S. 17 s.v. Andel („Gras, so auf einem hohen Groden am salzigen Wasser wächst“); Focke 1870, S. 259 s.v. Glyceria distans Whlnbg. u. G. maritima M. et K. („Andel oder Annel [im Harlingerlande und an der Wesermündung]“); SHWb I, 119 s.v. Andel (an ) („das zarte grüne Gras, das nach dem Queller [...] auf dem frischen Marschschlick wächst; Poa maritima“; Schleswiger Westküste); HPWb I, S. 274 s.v. Andel („Strand-Salzschwaden [Atropis maritima]“). – Angesichts der Wortgeographie und wegen der späten Bezeugung im Niederdeutschen kann es sich um ein Reliktwort (oder Lehnwort?) aus dem Friesischen handeln (so z. B. Schwentner 1951, S. 244); in den Standardwerken zum ostfriesischen (Mittel-) Niederdeutschen (Ahlsson 1964; Remmers 1994–1996) wird aofries. ondul bzw. nofries. andel indessen nicht behandelt. Auch in den beiden Auflagen des Grimmschen Wörterbuchs und in Hiersche 1986 ist Andel nicht verbucht, wohl aber in Marzell/Wißmann I, S. 523 f. s.v. Atropis distans. S. 524 s.v. Atropis maritima. – Konkordanz der botanischen Bezeichnungen: Puccinellia maritima (Huds.) Parl. = Atropis maritima (Huds.) Griseb., Festuca thalassica Kunth, Glyceria maritima (Huds.) Wahlenb., Poa maritima Huds.; Puccinellia distans (Jacq.) Parl. = Atropis distans (Jacq.) Griseb., Festuca distans (Jacq.) Kunth, Glyceria distans (Jacq.) Wahlenb., Poa distans Jacq. Auf die älteste Form, aofries. ondul*, hat zuerst Jaekel 1891, S. 543 („das auf dem aussendeich wachsende gras, das der überflutung ausgesetzt ist“) aufmerksam gemacht; danach Bremer 1893, S. 327 sowie van Helten 1907, S. 259. Verbucht ist aofries. ondul* in Holthausen / Hofmann 1985, S. 3b s.v. åndul („Marschgras“), nicht aber in dem Pionierwerk v. Richthofen 1840. Soweit ich sehe, findet sich die Verknüpfung mit ai. ándhas-, gr. νος dann zuerst bei Holthausen 1924, S. 466; zustimmend u. a. Schwentner 1951, S. 244; Buma 1967, S. 38a s.v. anel; Frisk I, S. 109 s.v. νος; Katz 1982, S. 180 f.; Mayrhofer I, S. 79 s.v. ándhas-. – Das übrige in IEW, S. 40 f. genannte Zubehör (z. B. ahd. andorn ‘[weißer] Andorn’) ist fraglich; vgl. Frisk I, S. 109 s.v. νος; Lloyd et al. I, S. 244 f. s.v. andorn; Mayrhofer I, S. 68 s.v. ádhvan-. Nicht-haupttoniges u in aofries. ondul* kann jedenfalls nicht als ein (in Formen mit ‘Nullendung’ im Westgermanischen) entfalteter anaptyktischer Vokal (*and → *andəl ) identifiziert werden, denn der Sproßvokal tritt im Altfriesischen zumeist als e, seltener als o oder i entgegen, jedenfalls aber nirgendwo als u; vgl. z. B. van Helten 1890, S. 52 f. (§ 63); Siebs 1901, S. 1248 (§ 85). Katz 1982, S. 181 Anm. 9. Weitere Kontinuanten sind u. a. zum einen heth. nepis- ‘Himmel’, ai. nábhas‘Feuchtigkeit, Nebel, Wolke’, gr. νέφος ‘Wolke’, aksl. nebo, Gen. nebes-e ‘Himmel’
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offenkundig an ein Nebeneinander von s- und l-Stamm; angesichts der Seltenheit von l-Stämmen im Germanischen bleibt dies allerdings nicht mehr als eine unverbindliche Möglichkeit. Geht man indessen von gängigen Wortbildungsmustern der germanischen Sprachen aus, so läßt sich afries. ondul*, andel demgegenüber glatt als substantiviertes ‘Neigungsadjektiv’75 urgerm. *and-ula- ‘*Sprießfreudiges’ → ‘(eine Art) Gras’ (Typ got. slahuls m., 1Tim 3,3 A, slahals Tit 1,7. 1Tim 3,3 B ‘*Rauffreudiger’ → ‘Raufbold’76) fassen, eventuell auch als denominale Zugehörigkeitsbildung *andu-la- (Typ got. hakuls*, ahd. hachul, aisl. hǫkull m., mit Suffixtausch *-ila-/-ula-59 afries. hexil [-ts-] m., H2 III,1077 ‘Mantel, Obergewand’ ← ‘*zur Ziege [*hakō-] Gehöriges, Ziegenfell’78), die deminutive Konstruktionsbedeutung haben kann (jedoch keineswegs haben muß);79 als Derivationsbasis wäre in diesem Fall wohl an ein zu einem u-Stamm umgestaltetes altes Wurzelnomen, ausgehend vom Akkusativ Sg. uridg. *h2 énd h- > urgerm. *and-u n, zu denken. 3.2. Wenn nun undz tatsächlich mit der Sippe ai. ándhas- = gr. νος ~ afries. ondul*, andel zu verknüpfen ist, kann die Bildung urgerm. urn. (*)und- sodann als ursprüngliches feminines Nomen actionis bestimmt werh
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< uridg. *neb os/-es- n., zum anderen gr. νεφέλη ‘Nebel, Wolke’, lat. nebula ‘Dunst, h Nebel, Wolke’, aisl. njól ‘Dunkelheit’ < uridg. *neb eleh2 - f. (Maskulina sind ahd. nebul, nebel ‘Nebel’, as. neƀal, afries. nevil ). Zum Stammwechsel s : l vgl. z. B. Frisk II, S. 310 s.v. νεφέλη. – Holthausen (1924, S. 466) geht auf die Morphologie von ondul* nicht ein („stelle ich zu [...]“). Wilmanns 1899, S. 428 f. (§ 321,3); Kluge 1926, S. 95 (§ 191); Henzen 1965, S. 196 f. (§ 127); Meid 1967, S. 85 f.; Lloyd et al. I, S. 131 ff. s.v. -al; Tiefenbach 1991, S. 103 ff.; Casaretto 2004, S. 391 f. Bei den mit l-Suffix gebildeten Adjektiva mit Konstruktionsbedeutung ‘Neigung oder Hang zu X’ handelt es sich meist um Deverbativa (bei starken Verben der Ablautreihen I-IV schwundstufig gebildet, z. B. ae. hwurful ‘veränderlich, unbeständig’ : hweorfan ‘sich wenden’; vgl. Heidermanns 1993, S. 63 ff.), doch sind auch Desubstantiva bezeugt (z. B. ahd. zungal ‘redselig, geschwätzig’ : zunga f. ‘Zunge, Sprache’). Nicht immer läßt sich aber die Ableitungsgrundlage eindeutig bestimmen (wie etwa im Falle von afries. skamel ‘*schamhaft’ → ‘arm’ : *skamō/æ- sw. Vb. ‘sich schämen’ oder *skamō(n)- f. ‘Scham’?). – Zum Suffixtausch *-ila-/-ala-/-ula- v.a. Meid 1967, S. 50 f. (§ 60), 84 f. (§ 87,a); Bammesberger 1990, S. 81; Schaffner 1996, S. 150 f. Vgl. Casaretto 2004, S. 402. Ausg. S. 53 60; dazu van Helten 1907, S. 175. Dazu Darms 1978, S. 232 f. (*hakō- f. ‘Ziege’ = aksl. koza liegt der VddhiBildung *hōka- m. > mnl. hoek(e) ‘Ziegenbock’, ae. hēc-en ‘Ziegenböckchen’ etc. zugrunde). Wilmanns 1899, S. 265 ff. (§ 208), 270 f. (§ 212); Kluge 1926, S. 29 f. (§ 56; nur Deminutiva); Meid 1967, S. 87 f. (trennt Deminutiva und Zugehörigkeitsbildungen); Casaretto 2004, S. 393; vgl. weiter Schuhmann 2003, S. 219 ff.
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den, das lexikalisiert bzw. konkretisiert worden ist (‘*das Sprießen’ → ‘Sproß’); in puncto Konstruktionsbedeutung bietet das altindische Wurzelnomen rúh- f., RV X,97,2 ‘Sproß, Gewächs’ (: ruh- ‘steigen, wachsen’)80 eine genaue Parallele. Handlungs- oder Vorgangsbezeichnungen zeigen generell einen Drift zu Gegenstands- bzw. Sachbezeichnungen81 und begegnen erwartungsgemäß auch bei Kontinuanten grundsprachlicher Wurzelnomina im Germanischen, z. B. bei got. spaurds*, ae. spyrd*, ahd. spurt etc. < urgerm. *spurd- f. ‘Rennbahn, Stadion(länge)’ (*‘Ort des Wettlaufs’) = ai. sprdh- f. ‘Wettkampf, Kampf, Gegnerschaft’ (*‘Wettlauf’), aav. spərəd- Y 53,4 ‘Eifer’ (‘*Wettkampf’ ← ‘*Wettlauf’) < uridg. *spérdh-, *sprdh (: uridg. *sperdh- ‘weglaufen, (mit)einander weglaufen → um die Wette laufen’).82 Was undz anbelangt, so ist von einem grundsprachlichen Bildungstyp mit (betonter) hochstufiger Wurzel in den starken Kasus (Nominativ Sg. uridg. *h2éndh-s) und (unbetonter) schwundstufiger Wurzel in den schwachen Kasus (Genetiv Sg. uridg. *h2dh-és/ós) auszugehen.83 Die vorauszusetzende Generalisierung von uridg. *h2dh- > urgerm. *und-84 im Paradigma (→ Nominativ Sg. und-z) folgt einem bekannten Muster: bei Wurzelnomina der Struktur uridg. T0ERT ~ T0T zeigt das Germanische eine starke Tendenz zur Verallgemeinerung der schwundstufigen Stammalternante.85 80
81 82 83
84
85
Zu rúh- (: uridg. *h1 leṷd h-; LIV2, S. 248) v.a. Schindler 1972b, S. 42 s.v. rúh-, 53; Mayrhofer II, S. 467 f. s.v. RODH 2; Werba 1997, S. 231 s.v. ruh170 (mit Lit.); vgl. allgemein jüngst Matzinger 2008, S. 122 f. (sub Nr. 2). Der locus classicus ist Paul 1920, S. 99 f.; s. zuletzt etwa Panagl 2002, S. 65 ff. LIV2, S. 580 f., vgl. IEW, S. 995 f. Dazu Griepentrog 1995, S. 367 ff. (mit Lit.); vgl. ferner Mayrhofer II, S. 774 s.v. SPARDH. I.e. Typ II nach Schindler 1972a, S. 36 ff. („Le type à degré normal“; amphikinetisch). – Einer Zuordnung zu Typ I(b) mit (betonter) o-Stufe in den starken Kasus (Schindler 1972a, S. 32 ff.; Nom. Sg. uridg. *ToRT(-s), Gen. Sg. *TT-és/ós), also einer ‘Lesart’ als Nomen resultativum, steht die durative Aktionsart des Basisverbs entgegen. – Für den Ansatz von urgerm. urn. (*)und- mit analogisch verallgemeinerter Schwundstufe wäre aber ohnehin nicht erheblich, ob die starken Kasus des h h grundsprachlichen Antezedens als *h2 ónd - (Typ I) oder *h2 énd - (Typ II) zu rekonstruieren sind. Die lautliche Seite ist einwandfrei: der Input uridg. */h2T-/ ergibt regulär urgerm. h */uRT-/, z. B. *h2 b í ‘um, auf beiden Seiten’ (ai. abhí, umbr. amb-, gall. ambietc.) > urgerm. *umbi, ahd. as. umbi ‘um’, aisl. um etc. Vgl. jüngst St. Müller 2007, S. 96 ff. Beispiele: urgerm. *furh- f. ‘Furche’ > ahd. furuh, ae. furh, afries. furch, aisl. for (: uridg. *perḱ- ‘graben, aufreißen’; LIV2, S. 475); urgerm. *spurd- f. s. oben; urgerm. *sulh- f. ‘Pflug’ > ae. sulh (: uridg. *selk- ‘ziehen’; LIV2, S. 530 f.); *turbh ‘Rasenstück, -scholle, Torfscholle’ > ae. afries. as. turf (: uridg. *derb - ‘zusam2 menbinden, flechten’; LIV , S. 121); ferner wohl auch urgerm. *burg- f. ‘(befe-
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3.3. Was die ‘äußere’ Deutung der Runenfolge undz betrifft, so ist für einen Ko-Text urn. undz ‘Sproß’ ein explikativer Bezug auf das Bildpropositum in Hauckscher ‘Lesart’86 auszumachen. Nach Hauck wird auf den B2-Brakteaten die von Loki betriebene Tötung Balders szenisch dargestellt: die Mittelfigur wird als Balder (teilweise auf einem Podest abgebildet) identifiziert, die ‘Gegengestalt’ als Loki, der Balder huldige, und der speerbewehrte ‘Hintermann’ als Wodan, der seinen Sohn zu schützen versuche. In der Version von GUDME II-B trage der frauengewandete und befiederte Loki den todbringenden Mistelzweig auf seiner Schulter; in der Version der verwandten Prägung FAKSE-B (IK 51,1; vgl. Fig. 2) werde der Mistelzweig auch simultan als im Rumpf Balders steckend gezeigt.87 Ähnlich sei in dem Bildwerk der drei neugefundenen modelgleichen Brakteaten von Fuglsang/Sorte Muld II-B (IK 595,1–3) verfahren: Loki werfe einen Speer, und der Mistelzweig stecke bereits in Balders Rumpf.88 Den Kon-Text repräsentiert eine bekannte Schilderung der Snorra Edda (Gylfaginning, c. 49 [48]): da Balder von Todesahnungen geplagt wird, läßt Frigg die gesamte Natur – alle Lebewesen und Elemente – schwören, daß niemand und nichts Balder verletze. Dem als Frau verkleideten Loki gegenüber bekennt Frigg indessen (unvorsichtigerweise): Vex viðarteinungr einn fyrir vestan Valhǫll, sá er mistilteinn kallaðr; sá þótti mér ungr at krefja eiðsins ‘Westlich der Valhöll wächst ein Baumsproß, der wird Mistel genannt; der schien mir zu jung, um den Eid zu verlangen’ (Ausg. S. 63). Daraufhin besorgt der Balder mißgünstig gesonnene Loki die Mistel und veranlaßt den blinden Höd, auf dem gerade stattfindenden Götterfest auf den vermeintlich unverwundbaren Balder zu schießen: dieser wird von dem Geschoß durchbohrt und sinkt tot zu Boden. Der Umschrift undz käme nun im Rahmen des Bild-Text-Verbundes der sog. „Drei-Götter-Brakteaten“ eine indexalische Funktion zu – urn. undz ‘Sproß’ wäre eine deutliche Referenz auf das Geschoß, das den Tod Balders verursachen wird (Typ GUDME II-B) bzw. auch schon verursacht hat (Typ FAKSE-B). Formal (phonologisch, morphologisch), semantisch und in puncto mögliche Bild-Text-Kooperation ist die vorgetragene Interpretation der Runenfolge undz als Wurzelnomen urn. undz f. ‘Sproß’ einwandfrei.
86 87 88
stigte) Stadt, Burg’ > got. baurgs, ae. bur(u)g, ahd. as. burg, aisl. borg (: uridg. h h *b erg - ‘sich erheben’; LIV2, S. 78 f.). S. etwa Hauck 1998a, S. 333 ff.; 1998c, S. 51 ff.; 2002, S. 72 ff. Hauck 1998a, S. 338 f. Hauck 2002, S. 75 ff.
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Fig. 2: Goldbrakteat von Fakse-B. – Skizze nach IK I,3, S. 59 (Taf.-Nr. 51,1 b,1). Maßstab ca. 3:1.
Eine Schwachstelle ist aber zweifelsohne dadurch gegeben, daß einem urn. undz ‘Sproß’ keine direkten Äquate und Äquabilia aus den germanischen und auch aus anderen indogermanischen Sprachen an die Seite zu stellen sind. Wer dem brakteatischen Mythenprogramm Haucks anhängt, wird wohl gewillt sein, den etymologischen Brückenschlag von ai. ándhas- = gr. νος ~ afries. ondul*, andel zu dem sonst undeutbaren undz vorzunehmen und in der Vier-Runen-Inschrift auf KILLERUP-B und GUDME II-B einen deiktischen Ko-Text zu erblicken; wer jedoch dem brakteatischen Mythenprogramm Haucks reserviert oder gar ablehnend gegenübersteht, wird die präsentierte sprachliche Deutung von undz wohl als unsicher bzw. ins Abseits führend abtun und Text-Bild-Verknüpfungen negieren – suum cuique.
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Analectaa Septentrionalia – RGA-E-Baand 65 – Seiten n 834–863 © Walterr de Gruyter 20009 • Berlin • New N York
1 Zur Reeihung derr Runen im m älteren Fuþark F
von THEO VENNEMANN E GEN G . NIERFEL LD
f u þ a r k g w h n i j p ï z s t b e m l ñ d o Diie Reihenfolgee der Runen im m älteren Fuþark2
1. Einige E Stelllungnahmen n zum Probllem m älteren Fuþ þark gilt als eins der unggelösten Die Reeihenfolge deer Runen im Problem me, die sich mit diesem Schreibsysttem verbindeen. So liest m man bei Düwel:: Die im großen und u ganzen festliegende fe Reihenfolge R deer Zeichen enntspricht m Griech[ischeen] und Lat[eiinischen] bekaannten Alphabbetfolge. nichht der aus dem Es empfiehlt e sichh daher, von Runenreihe(n) R ) zu sprechenn, noch nicht von Ru1
2
Für Kurt Schier, der meine Beemühungen um m ein linguistiisches Verstänndnis der Gerrmania drei Jahhrzehnte lang wohlwollend und hilfreich begleitet hat. A Angelika Lutzz (Erlangen) und u Kurt Brauunmüller (Ham mburg) gebührrt Dank für die Durchsichht des Manuskkripts und zahhlreiche Verbeesserungsvorscchläge, und Astrid van Nahhl (Bonn) für Rat R und Hilfe bei b der Textgesstaltung. Auff dem Kylver-Stein. Ich dannke Dr. Joachim m Henkel für das von seineer Homepage (http://www.geschichte-skkandinavien.de//futhark.html) zur Verfügungg gestellte Foto. F Nachzeichhnung aus Düw wel 2008, S. 2 (nach Aslak Liestøl). L
Zur Reihung der Runen im älteren Fuþark
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nenalphabet(en), denn erst im M[ittel]A[lter] erscheinen die Runen auch in Alphabetordnung. Die Anordnung blieb bisher unerklärt.3
Dies ist sicherlich richtig, wenn „die Anordnung“ bedeuten soll ‘die Anordnung in ihrer Gesamtheit’, ‘die Anordnung mit allen Einzelheiten’. Es ist aber unrichtig, wenn ‘alles an dieser Anordnung’ gemeint ist. Das scheint allerdings gemeint; denn nirgends in Düwels Buch werden auch nur Teilbereiche der Anordnung besprochen. Doch stehen zumindest die s- und die tRune im Fuþark in derselben Anordnung wie Schin und Taw4 im phönizischen, Sigma und Tau im griechischen und S und T im lateinischen Alphabet; und somit scheint mir dieses Teilstück der Runenreihe vollständig erklärt. Auch in einer neuen buchlangen Darstellung der Runen wird die Lage unrichtig dargestellt: This rune-row [“the rune row found on the Kylver stone”] is often referred to as ‘the first runic alphabet’. Strictly speaking, it is not an alphabet. […] An alphabet ... is not just any list of the written signs that represent sounds in a language, but a list that begins with the symbols for the sounds /a/ and /b/. […] Therefore, we can conclude that the oldest rune-row is not really an alphabet but a ‘fuþark’, after the first six signs in the rune-row. And we have now arrived at one of the great unsolved mysteries of runic origins. Almost all writing systems that were developed from the Greek or Roman alphabets have preserved the order of the letters. With the rune-row these characters are put together differently. The sequence is completely rearranged; it starts with f, and a is in fourth place, and b comes towards the end. This may perhaps be partially explained by arguing that the runes did not derive directly from contact with the Romans and their written culture, but that influence came through one or more intermediate links along with competing influences from elsewhere. However, no theory that can satisfy the demands of linguistics has ever been advanced to explain why the Germanic peoples chose the particular sequence of runes which begins fuþark for the rune-row.5
Daß die Behauptung, „The sequence is completely rearranged“, nicht völlig korrekt ist, zeigt bereits die Abfolge der Runen s und t. Und daß „the Germanic peoples chose the particular sequence of runes which begins fuþark“ ist eigentlich eine unzulässige Präsupposition, wenn man zugegebenermaßen keine Ahnung hat, wie die Reihenfolge der Runen entstanden ist, indem sie nämlich einen bewußten Akt der Festlegung einer anderen Rei-
3 4 5
Düwel 2008, S. 7. Bei der Schreibung der Bezeichnung der semitischen Buchstaben folge ich Brekle 1994, S. 94–103. Spurkland 2005, S. 5 f.
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henfolge als in den mediterranen Alphabeten impliziert.6 Die andere Implikation, daß die Germanen bereits in Völker aufgespalten waren, als ihr Runensystem entstand, ist hingegen insofern zu akzeptieren, als der Autor eine Herkunft der Runen aus dem lateinischen Alphabet oder jedenfalls aus dem Kontakt mit den Römern im 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung annimmt: There is every reason to believe that some time around the first century AD, trade and cultural contacts between northern Europe and the Roman Empire began to grow. This gave the Germanic peoples a practical, everyday need for written communication. The result was runic inscriptions, which are a phonemic sign system – letters representing sounds in a language.7
Vom Standpunkt mehrerer anderer Theorien über die Entstehung des Runensystems aus8 muß die Implikation, daß die Germanen bereits in Völker aufgespalten waren, als ihr Runensystem entstand, allerdings zurückgewiesen werden, indem sie eine so frühe Zeit für die Entstehung des Runensystems ansetzen, daß eine Aufspaltung der Germanen in „Völker“ noch nicht in Betracht kommt. Auch ältere Darstellungen weisen solche ungenauen Formulierungen auf. Z. B. äußert sich Krause folgendermaßen: Die von den semitischen und den südeuropäischen Alphabeten völlig abweichende und bisher unerklärte Reihenfolge (vgl. § 17) wird nach den ersten sechs Buchstaben „Futhark“ […] genannt.9 Die Reihenfolge des Futharks ist ihrer Bedeutung nach unklar, zumal sie in den verschiedenen Quellen ... in Einzelheiten abweicht.10
Zurückzuweisen ist auch hier die Übertreibung, daß die Reihenfolge von den semitischen und den südeuropäischen Alphabeten „völlig“ abweiche; es ist ja evident, daß dies auf das Teilstück aus s- und t-Rune nicht zutrifft. Dieselbe Übertreibung findet sich übrigens bis in die neueste Zeit. So heißt es bei Knirk:
6
7
8 9 10
Diese Vorstellung, daß die Reihenfolge der Runen sich einem bewußten Akt des Wählens schon bei der Schaffung des Systems verdanke, findet sich auch bereits bei Wimmer: „Welche gründe den alten runenmeister bewogen haben, die lateinische buchstabenfolge aufzugeben und gerade die zu wählen, welche wir in dem ältesten runenalphabete finden, […] können wir jetzt natürlich nicht bis ins einzelne entscheiden“ (Wimmer 1887, S. 142, zitiert bei Morris 1988, S. 20). Spurkland 2005, S. 4. Gerade in den Runeninschriften aus der römischen Zeit wie überhaupt in den älteren Runeninschriften spiegelt sich allerdings ein solches praktisches Kommunikationsbedürfnis überhaupt nicht. Z. B. Morris 1988, Antonsen 2002, Vennemann 2006. Krause 1970, § 7. Krause 1970, § 17.
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The order of the runes diverges completely from the order of letters in Mediterranean alphabets and is characteristic only of the runic row, which scholars usually term the “futhark” in accordance with the sound-values of the first six runes.11
Ähnlich heißt es bei Seim: Die Runen treten dagegen [im Vergleich mit dem lateinischen Alphabet, T.V.] in einer völlig anderen Reihenfolge auf, und zwar schon beim allerersten Mal, als die Runenreihe oder das Futhark in den Inschriften auftaucht. […] Für die Reihenfolge, die von allen anderen Alphabeten abweicht, gibt es keine Erklärung.12
Looijenga sieht „the runic alphabet to be derived from a North Italic alphabet, in the first century AD“.13 Sie schreibt: „I suppose several tribes along the Rhine in Germania Superior and Inferior were in a position to learn an archaic Italic alphabet.“14 Ferner: It may be doubted if the runic alphabet had this odd sequence [gemeint ist die Reihenfolge des älteren Fuþarks, T.V.] from the very beginning. The runeorder may have been developed far away from the literate world, but the runes themselves must have been adopted and adapted in the neighbourhood of a literate culture. The Fuþark sequence has nothing to do with the ABC and will therefore have been developed separately, i.e. at a later stage than the adoption of the characters.15
Persönlich meine ich, daß die Germanen der römischen Provinzen schwerlich mit anderen Schreibsystemen in Kontakt gerieten als mit dem lateinischen. Außerdem ist auch hier die pauschale Behauptung „The Fuþark sequence has nothing to do with the ABC“ zurückzuweisen; denn daß das Teilstück aus s- und t-Rune sehr wohl etwas mit dem ABC zu tun hat, 11 12
13 14 15
Knirk 2002, S. 636. Seim 2007, S. 158, 159. — Letzteres ist richtig, obwohl immerhin das FuþarkTeilstück s t leicht zu erklären ist. Die Fortsetzung des letzten Zitats erscheint mir allerdings ziemlich merkwürdig: „Vielmehr deutet sie [d.i. die Reihenfolge der Runen im Fuþark, T.V.] – wie auch die Runen selbst – darauf hin, dass der/die Konstrukteur(e) weitgehend selbständig gearbeitet haben, selbst wenn eine andere Schrift als Vorlage gedient haben sollte“ (S. 159). Die Autorin scheint es hiernach für möglich zu halten, daß die Runenschrift ohne eine andere Schrift als Vorlage „konstruiert“ wurde. Dies wäre die extreme Gegenposition zu der unten entwickelten, der zufolge das Fuþark lediglich ein adaptiertes und historisch weiterentwickeltes Alphabet ist. Looijenga 1997, S. 56. Looijenga 1997, S. 55. Looijenga 1997, S. 55.
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wurde von der Autorin wohl übersehen, ganz zu schweigen von darüber hinausgehenden Rekonstruktionen, von denen unten mehr zu schreiben sein wird. Aber in einem Punkt hat sie das Richtige getroffen: Daß das runische Schreibsystem die Runenfolge des älteren Fuþarks von Anfang an aufgewiesen hätte, ist in der Tat zu bezweifeln; und daß die Fuþark-Reihenfolge sich nicht im Kontakt mit der schreibenden Welt entwickelt hat, die der Autorin vor Augen stand, nämlich der norditalischen und lateinischen Schriftlichkeit des römischen Reichs, dürfte ebenfalls sicher sein. Bei Morris wird nicht deutlich, ob er die Fuþark-Anordnung als im wesentlichen die schon der ältesten Runenreihe sieht oder als das Resultat späterer Manipulationen einer einstmals alphabetischen Reihenfolge. Er schreibt: The order of the runes of the fuþark […] does not correspond to any of the contemporary alphabets. This deviation on the part of the fuþark from the Mediterranean alphabets has long been a bane to runic scholars. It has led to speculations varying in range from the mystical […] to the geometrical […] As is the case with the names of the runes, their order probably arose out of some mnemonic/conceptual device and the only tangible conclusion can be, as Arntz (1944: 85) said, ‘daß es sich aber um eine alte und allgemein germanische Entwicklung handelt, beweisen die Runenreihen, die mit überraschender Gleichheit immer wieder die [gleiche] Folge […] zeigen’.16
Das sieht ähnlich auch Heizmann, der in seinem Problemkatalog den folgenden Punkt anführt: Zu fragen ist, ob die eigentümliche Anordnung der Runen zur Fuþark-Reihe, die zuerst Anfang des 5. Jhs. in der Kylver-Inschrift belegt ist, von Beginn an zur Runenschrift gehörte, oder ob diese in einer späteren Entwicklungsstufe aufkam. Immerhin ist aber bemerkenswert, daß wir fast zeitgleiche Belege mit großer geographischer Streuung besitzen, so daß wir auf jeden Fall hinter die ältesten Zeugnisse zurückgehen müssen.17
Damit ist aber auch nicht mehr gesagt, als daß die Fuþark-Reihe sehr alt sei. Nichts folgt daraus über die älteste Runenreihe, das Fuþark zur Zeit seiner Entstehung, das Ur- oder Proto-Fuþark, wenn der Ausdruck gestattet ist. Zum Abschluß dieser Einleitung lasse ich noch einmal Düwel sprechen, der hier sehr deutlich präsupponiert, daß bei der Schaffung des Fuþarks „eine Alphabetvorlage nicht als solche übernommen [wurde]“:
16 17
Morris 1988, S. 109. Heizmann Ms.
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Bisher ist es nicht gelungen zu erklären, auf welche Weise und warum eine Alphabetvorlage nicht als solche übernommen, sondern in die Futhark-Ordnung der Runenreihe gebracht wurde. Ein interessanter, aber noch nicht bruchlos überzeugender Erklärungsversuch von Seebold (1986, 1993) geht von einem zu mystischen Zwecken bereits in Buchstabenpaare umgeordneten Vorlagenalphabet aus (RGA 10, S. 274). Einen neuen Vorschlag, wie die Futhark-Reihe aus einer Alphabetfolge umgeordnet wurde, unterbreitet Griffiths (1999) unter Einbeziehung des Ogam und auf der Grundlage eines griech[ischen] Alphabets.18
Düwel erwähnt nicht die Demonstration von Hempl,19 knapp dargestellt auch bei Arntz,20 daß sich sogar ein größerer Abschnitt des mediterranen Alphabets als s t auf der Runenreihe erkennen läßt, so daß die Auffassung, daß die Runen dem Ursprung nach nichts anderes als ein mediterranes Alphabet sind, an dem später – zum Teil begründbare – Umordnungen vorgenommen wurden, unabweisbar ist. Die Präsupposition, daß „eine Alphabetvorlage nicht als solche übernommen, sondern in die Futhark-Ordnung der Runenreihe gebracht wurde“, ist somit in Frage zu stellen und eigentlich bereits als falsch erwiesen. Daß die Anordnung der Runen Anordnungen der Buchstaben in den mediterranen Alphabeten erkennen läßt, erklärt sich doch am einfachsten damit, daß bei der Schaffung der Runen ein Alphabet übernommen wurde; es erlaubt jedenfalls nicht die ohne nähere Begründung aufgestellte Behauptung (bzw. die in der indirekten warumFrage eingebette Präsupposition), daß dies nicht der Fall sei. Ich zeige im Folgenden, daß es keinen Grund gibt, hinter den Kenntnisstand von 1898, daß nämlich die Entwicklung der Runenreihe als die eines Alphabets begonnen habe, zurückzugehen, daß es sich vielmehr lohnt, auf ebendieser Grundlage weiterzuarbeiten und so die historische Fuþark-Reihe immer besser zu verstehen. Manches von dem, was ich ausführe, läßt sich mit jedem der mediterranen Aphabete demonstrieren. An einigen Stellen wird aber deutlich werden, daß sich Teilsequenzen des Fuþarks nur unmittelbar vom phönizischen Alphabet herleiten lassen, nicht von einem der von diesem abgeleiteten europäischen Alphabete. Dies steht im Einklang mit meiner ausführlichen Darstellung der Herkunft des Fuþarks aus dem phönizisch-punischen Schreibsystems Karthagos21 und des weiteren mit meiner Theorie jahrhundertelanger politischer, ökonomi18 19
20 21
Düwel 2008, S. 178. Hempl 1898. Soweit ich erkenne, wird Hempl bei Düwel (2008, S. 176) nur als einer der Vertreter der These eines archaisch-griechischen Ursprungs des Fuþarks erwähnt. Arntz 1944, S. 87. Vgl. Vennemann 2006.
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scher und kultureller Beziehungen der Phönizier mit der vorgeschichtlichen Germania.22
2. Das Fuþark-Teilstück p z s t23 Ich erwähnte oben mehrfach, daß das Fuþark-Teilstück s t mit der entsprechenden Teilsequenz der mediterranen Alphabete übereinstimme. Von dieser Beobachtung aus habe ich meine eigene Ansicht entwickelt, daß die ursprüngliche Reihenfolge der Runen dieselbe war wie bei den mediterranen Alphabeten, also letztlich die des phönizischen Alphabets.24 Man bemerkt ja mit dieser Erwartung sofort, daß nicht weit vor diesem Teilstück die Rune p steht, wiederum genau wie in den mediterranen Alphabeten: Lateinisch: Etruskisch: Westgriechisch: Phönizisch: Fuþark: translit.:
P - Q R P Ś Q R p s q r P - - ú p - - z
S S š S s
T T t 25 t t
Die erste Spalte ist überall besetzt, und zwar mit einem Zeichen, in dem man bei genauem Hinsehen überall das phönizische Pe erkennt. Frühgriechische Alphabete zeigen dieselbe offene Gestalt des Pi wie das phönizische Alphabet.26 Im lateinischen Alphabet ist der offene Bogen geschlossen worden. Eine solche Schließung kam für das Fuþark nicht ohne weiteres in Betracht, weil diese Gestalt für die w-Rune W benötigt wurde. Stattdessen wurde der zur Hasta zurückführende Teil des Bogens nach außen geklappt, wie um die Offenheit des Bogens zu betonen. Diese Gestalt ist tatsächlich altenglisch bezeugt, allerdings mit unten angebrachtem Zweig; die Form findet sich ferner im Fuþark von Charnay (Burgund, um 580), dort allerdings mit zusätzlicher rechter Hasta, so daß sie aussieht wie ein großes W
22 23 24 25 26
Vgl. Vennemann 2004, 2005. Von dieser Anordnung weicht nur die Inschrift des Kylver-Steins ab, wo ï p zu p ï verstellt ist. Vgl. die Tafel am Ende dieses Artikels. Pe Ṣade Qop Resch Schin Taw. Vgl. auch die Tafeln zu phönizischen, kolonialphönizischen und frühgriechischen Alphabeten bei Brekle 1994, S. 93, 111 und 113, 115. – Noch im klassischen und heutigen griechischen Alphabet ist Pi offen.
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mit verlängerten senkrechten Hasten.27 Indem dieses Motiv des offenen Bogens am anderen Ende der Hasta wiederholt wurde, ergab sich die Form des Fuþarks auf dem Kylver-Stein, dem Grumpan-Brakteaten und in altenglischen Inschriften, P.28 Auf jede dieser Weisen waren die drei Runen w, l und p ausreichend unterschieden (hier das Kylver-p mit den zwei Zweigen): W l P w l p Die zweite Spalte der obigen Zusammenstellung ist im Lateinischen und im Fuþark leer, weil das Lateinische und das Germanische nur einen einzigen Sibilanten besaßen, der durch das phönizische Schin, š, wiedergegeben wurde, das zunehmend den Lautwert [s] angenommen hatte. Die dritte Spalte ist im Fuþark leer, weil es im Germanischen keine Verwendung für ein q gab (sowenig wie ja genau genommen auch im Lateinischen, wo man geradesogut KV bzw. CV wie QV hätte schreiben können). Damit rückt in der Runenreihe p bereits an z s t heran. Nun erwartet man von den mediterranen Alphabeten her freilich nicht p z s t, sondern p r s t. Um diesen scheinbaren Mangel zu beheben, müssen wir uns erinnern, daß uns die Fuþark-Reihe ja nicht in ihrer urgermanischen Ausprägung entgegentritt, sondern erst in nordgermanischen und westgermanischen Inschriften ab dem 5. Jahrhundert u.Z.; und bekanntlich wurde der urgermanische stimmhafte Frikativ +z im Nord- und Westgermanischen durch Rhotazismus zu einem r-ähnlichen Laut, +ʀ; und genau der ist natürlich gemeint, wenn wir die historische Fuþark-Sequenz p z s t hinschreiben. Wenn wir aber im obigen Vergleich Fuþark: p Nord- und Westgerm. p -
-
z
s
ʀ s
t t
schreiben, so brauchen wir nur noch anzunehmen, daß im urgermanischen Teilstück +p r s t das alte r durch das neue R verdrängt wurde, und wir haben eine Sequenz von vier Runen aus den mediterranen Alphabeten zurückgewonnen. Gutenbrunner betont, daß hinsichtlich des Wandels von z zu ʀ „die Runenschrift nicht eindeutig“ sei.29 Zu rechnen sei mit ʀ statt z aber spätestens für die Zeit ab dem 6. Jahrhundert und dann bis ins 9. Jahrhundert, wonach 27 28 29
Vgl. Arntz 1944, S. 68. Eine entsprechende einfache und doppelte Ausführung eines Motivs ist von der zRune her bekannt, ö und · neben ú. Gutenbrunner 1951, § 25.2.
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ʀ mit r zusammenfiel.30 Da ein Tausch der Liquida r mit einem Sibilanten z unverständlich bliebe, muß man aus der obigen Argumentation schließen, daß die Entwicklung der r-Haltigkeit des z schon vor der Konsolidierung des Fuþarks stattgefunden hat, wie dieses in der frühesten Fuþark-Inschrift, der auf dem Kylver-Stein, erscheint, die von Düwel allgemein ins 5. Jahrhunderts u.Z.,31 von Düwel und Heizmann auf den Anfang des 5. Jahrhunderts datiert wird.32 Der Rhotazismus ist also für das Nordgermanische nicht später als ca. 400 anzusetzen. Da die niederrheinischen Matroneninschriften des 2. und 3. Jahrhunderts in der Dativ-Plural-Endung +-i-mz33 der i-stämmigen Namen -s für -z aufweisen (Aflims, Vatvims [6 Mal], Saitchamimis/Saithamims, Gabims),34 dürfte man – unter der Voraussetzung, daß dieser Lautwandel im Nord- und Westgermanischen ungefähr gleichzeitig ablief – nicht fehlgehen, wenn man den Rhotazismus ins 4. Jahrhundert legt.
3. Das neue und das alte r Fragen wir, wo bei der Umstellung des neuen R (des alten z) das verdrängte alte r geblieben ist, so zeigt sich, daß nicht lediglich eine Verdrängung stattgefunden hat, sondern eine regelrechte Vertauschung. Um das zu verstehen, muß man zunächst k und g von ihrer Stelle im Fuþark unmittelbar vor w entfernen. Der ursprüngliche Platz von k ist nach Ausweis aller Alphabete hinter j. Auch g steht nicht an seinem alphabetischen Platz (und hat darüberhinaus auch nicht seine alphabetische Gestalt); es ist offenbar aus phonetischen Gründen unmittelbar zu k gestellt worden. Damit erhält man statt der bezeugten Fuþark-Folge a r k g w h die diesen Umstellungen bzw. Einfügungen vorausgehende Folge +a r w h. Und hier sieht man, daß das verdrängte r neben w gelandet ist, zwar nicht unmittelbar hinter w, wo z seinen angestammten Platz im Alphabet35 und somit R seinen Ursprung hat, wie man in der folgenden Zusammenstellung sieht, sondern unmittelbar vor
30 31 32 33 34 35
Gutenbrunner 1951, §§ 25.2, 63. Düwel 2008, S. 24. Düwel und Heizmann 2006, S. 9. Das Altnordische hat lautgesetzlich +-i-mz > -i-mʀ, vgl. Gutenbrunner 1951, § 75. Vgl. Vennemann 2003, S. 96 f. Nämlich im phönizischen, griechischen und etruskischen, nicht im lateinischen Alphabet, womit letzteres als mögliches Herkunftsalphabet für das Fuþark ausscheidet. Vgl. das Hempl-Zitat unten in Abschnitt 8.
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w, also immerhin im unmittelbaren Kontakt mit w, was bei einer zufälligen Umordnung höchst unwahrscheinlich gewesen wäre. Etruskisch: Griechisch: Phönizisch: Fuþark:
E F Z H E (#) Z H h w z ḥ 36 X +a r w h
(a r [k g] w h)
So weit war, wie ich im Nachhinein feststellte, bereits Hempl gekommen.37 Und meines Erachtens genügt dies bereits zur Absicherung der Auffassung, daß die Runenschrift bei ihrem Entstehen nichts anderes war als ein übernommenes mediterranes Alphabet. Doch hat mich mein erstes Ergebnis ermutigt, weiterzusuchen.
4. Zum Verhältnis von þ-Rune und d-Rune An dritter Stelle in der Fuþark-Reihe steht die Rune, die wir heute mit ihrem englischen Namen Thorn nennen, þ. Diese Rune ist nach Form, Lautähnlichkeit und früher Position in der Runenreihe nichts anderes als das alphabetische d, nämlich das lateinische D, das griechische Delta und das phönizische Dalet. Die frühe Position des Thorn-Zeichens in der Runenreihe, nämlich nur um eine Position gegenüber der Vorlage d versetzt, ist ein weiteres Indiz dafür, daß die ursprüngliche Runenreihe ein mediterranes Alphabet wiedergab. Da die alphabetische Vorlage kein Thorn besaß, mußte das alphabetische d (als runisches Thorn, þ) zunächst außer dem germanischen /d/Phonem auch den stimmlosen interdentalen Frikativ /θ/ repräsentieren. Im Lauf der Zeit empfand man es aber offenbar als unbequem, ein und dieselbe Rune für die beiden häufig vorkommenden Phoneme /θ/ und /d/ verwenden zu müssen, und man schuf eine neue Rune für /d/ durch Verdoppelung des Thorn-Zeichens, D.38 (Es dürfte zu der Zeit nicht mehr bekannt gewesen sein, daß das Thorn-Zeichen seiner Herkunft nach selbst für /d/, nicht für /θ/ stand.) Daß dies die Abfolge der Ereignisse war, ja daß die dRune sogar verhältnismäßig spät hinzugefügt wurde, erkennt man daran, daß diese Rune, wie es für neue Buchstaben üblich ist, ans Ende der Reihe 36 37 38
He Waw Zayin Ḥet. Vgl. Hempl 1898, S. 371. Möglicherweise ist dieser Zusatzbuchstabe wie zweifelsfrei auch einige andere im Kulturkontakt aus anderen Alphabeten entlehnt worden.
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gestellt wurde, wo sie in den bewahrten Fuþarken vorletzter oder letzter Buchstabe ist: Das Kylver-Fuþark endet auf d o, die Fuþarke der Brakteaten von Vadstena und Grumpan enden auf o d.39 Daß die Thorn-Rune, ê, dem Ursprung nach nichts anderes ist als das alphabetische d, erkennt man nicht zuletzt an ihren Namen. Diese sind thuris u.ä. < +þurisaz ‘Thurse, Krankheitsdämon, Riese’ bei den Kontinentalgermanen und þorn < +þurnaz ‘Dorn’ in England.40 Beide Namen beginnen mit +þur-. Das versteht man sofort, wenn man berücksichtigt, daß diese Rune bei der Schaffung der ursprünglichen Runenreihe das Phonem /d/ bezeichnete, daß also der ursprüngliche Runenname nicht mit +þur(i)-, sondern mit +dur(i)- begann. Das folgt aus dem Akrophonieprinzip, dem zufolge die Namen der Runen mit demselben Laut zu beginnen hatten, für den die jeweilige Rune stand.41 Dieses +dura- bzw. +duri- ist nämlich der Anfang der germanischen Wörter für ‘Tor’ und ‘Tür’; und dies wiederum ist die Übersetzung von Dalet, dem semitischen Namen des Buchstabens d. – Dies ist übrigens einer der Zusammenhänge, die die Herkunft der ursprünglichen Runenreihe unmittelbar aus dem phönizischen Alphabet beweisen; denn schon bei den Griechen, erst recht bei den Etruskern und Römern war die semitische Bedeutung der Buchstabennamen verloren,42 so daß Delta (← Dalet) im Griechischen schon nicht mehr ‘Tor/Tür’ bedeutete, sondern nur noch den Buchstaben bezeichnete.43 Als die ursprüngliche +dur(i)-Rune nicht mehr für /d/, sondern nur noch für /θ/ verwendet wurde, weil man ja die neue d-Rune hinzugewonnen hatte, mußte wegen des akrophonischen Benennungsprinzips für Runennamen der d-Name der þ-Rune durch einen þ-Namen ersetzt werden. Dies geschah 39 40 41
42 43
Vgl. Arntz 1944, S. 65 f., 85 und Tafel IX; Morris 1988, S. 108; Düwel 2008, S. 9. Vgl. Arntz 1944, S. 189 f.; Krause 1970, S. 28 f.; Düwel 2008, S. 198. Genauer muß man es das Prinzip der sprechenden Akrophonie nennen. Akrophonisch ist auch Alpha für a, Beta für b usw. im Griechischen; doch bezeichnen Alpha und Beta lediglich ihre Buchstaben und bedeuten nichts außerhalb des Schreibsystems. Anders im semitischen Schreibsystem, das weithin sprechendakrophonisch ist: ’Alep bezeichnet nicht nur den Buchstaben, der für den Sprachlaut /ʔ/ steht, sondern bedeutet darüberhinaus etwas außerhalb der Welt des Schreibens, nämlich ‘Rind’; und Bet bezeichnet nicht nur den Sprachlaut /b/, sonder bedeutet zugleich ‘Haus’. Das germanische Schreibsystem ist von allen hier in Betracht kommenden als einziges wie das semitische sprechend-akrophonisch, indem z. B. der Name der ersten Rune, +fehu, akrophonisch den Sprachlaut /f/ bezeichnet, darüberhinaus aber (“sprechend-akrophonisch”) auch ‘Vieh’ bedeutet. Vgl. die vorstehende Anmerkung. Dieses Argument für eine semitische Vorlage der Runen findet sich ähnlich schon bei Bang (1997), der allerdings irrtümlich eine vor-phönizische Vorlage für die Runenschrift annimmt.
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durch die beschriebene minimale Änderung der Lautgestalt des alten Namens. – Daß diese Aufgabenveränderung der þ-Rune, also die Hinzufügung der d-Rune, verhältnismäßig spät geschah, erkennt man ein weiteres Mal daran, daß verschiedene germanische Gruppen verschiedene Namen gebrauchten, daß also ein gemeingermanischer Name noch nicht bestand bzw. noch nicht genügend stabil war, um überall einheitlich in Erscheinung zu treten.44
5. Die a-Rune Im Fuþark folgt auf þ als vierter Buchstabe die a-Rune. Das ist leicht zu verstehen: Im phönizischen Alphabet folgt auf d (Dalet) h (He), woraus bei schwacher Aussprache des Laryngals ein Buchstabe für den Vokal e entsteht.45 Dies ist auch bei der Übernahme in die ursprüngliche Runenreihe geschehen. Wir müssen indes berücksichtigen, daß das älteste überlieferte Fuþark nicht den urgermanischen Lautstand wiedergibt, sondern den nordgermanischen. Im Nordgermanischen ist aber (wie auch im Westgermanischen) langes e zu langem a geworden. Daß die a-Rune ursprünglich einen e-Laut bezeichnete, läßt sich auch unabhängig von der Annahme einer unmittelbaren Herkunft aus phöni44
45
Arntz schreibt hierzu: „In England haben wir dagegen [im Gegensatz zum Gotischen, T.V.] mit bewußter und betont christlicher Umdeutung zu rechnen, wenn der Name im Runenlied als þorn und in einem Teil unserer Handschriften (z. B. St. Gallen) mit echter Eindeutschung als dorn erscheint“ (Arntz 1944, S. 190). Ähnlich Düwel: „Man rechnet damit, daß ursprüngliche Namen, die aus christlicher Sicht anstößig waren, durch neue ersetzt wurden. Eindeutig zeigt das a[lt]e[nglisch] þorn“ (Düwel 2008, S. 200). Hierdurch erklärt sich aber nicht, warum der altenglische Name mit derselben Buchstabensequenz +þur- beginnt wie der ersetzte Name; im Einklang mit dem Akrophonieprinzip – und andere Einschränkungen für die (stets substantivische) Benennung der Runen gibt es ja nicht – wären Dutzende anderer Namen in Betracht gekommen. Arntz und Düwel (und auch andere Autoren, die ich verglichen habe) haben weder eine Erklärung für den englischen +þurnaz-Namen noch für den kontinentalen +þurisaz-Namen. Daß der englische Name den kontinentalen Namen, aus welchem Grunde auch immer, ersetzt habe, ist darüberhinaus eine ungestützte Vermutung: Ich habe nirgends einen Nachweis für die Auffassung gefunden, daß der englische +þurnaz-Name jünger sei als der kontinentale +þurisaz-Name. Daß der +þurisaz-Name als heidnisch tabuisiert worden wäre, ist auch deswegen wenig wahrscheinlich, weil altenglisch þyrs ‘Dämon, Riese’ zwar seltener ist als ent ‘Riese’ und eoten ‘Riese, Monstrum, Feind [eigentlich ‘Jüte’]’, aber immerhin als Glosse erfaßt ist und sogar noch im Beowulf (v. 426) vorkommt. Das frühe Germanische hatte ja kein [h], sondern nur den gerade durch die Erste Lautverschiebung aus [kh] entstandenen velaren Frikativ [x].
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zisch-alphabetischem He plausibel machen. So schreibt Gutenbrunner zum Wandel von langem æ [= urgermanisch ê1] in langes a: Vielleicht bezeichnet die a-Rune noch einen sehr offenen ē-Laut, denn im Nom[inativ] S[in]g[ular] M[askulinum] der an-Stämme steht regelmäßig -a für germ. -æn: um 400 gudijā [ek gudija ungandiR auf dem Stein von Nordhuglo] = got. gudja ‘Priester’, aisl. ohne j-Suffix goþe, wo also die aisl. Form einen eLaut voraussetzt. Vgl. ferner das lapp[ische] L[ehn]w[ort] miekka, das ein urn[ordisches] -ē- bezeugt, gegenüber urn. 3. Jh. mākia [... ala maki(j)a auf der Schwertzwinge von Vimose], aisl. mæker, got. mēkeis ‘Schwert’.46
Ferner ist zu bedenken, daß die a-Rune im altenglischen Fuþorc für den æLaut steht, während für den a- und den o-Laut (letzterer durch „Verdumpfung“ vor Nasal entstanden) diakritisch modifizierte Varianten der a-Rune geschaffen wurden. Für die Geschichte des altenglischen langen æ 47 gibt es zwei Ansichten, erstens die, daß es unverändert urgermanisches ê1 fortsetzt, und zweitens die, daß es zunächst die Entwicklung zu westgermanischem langem a mitgemacht habe und dann zur e-Position zurückgependelt sei.48 Da die Senkung von ê1 zu langem a eine Folge der nur nord- und westgermanischen Entstehung des geschlosseneren ê2-Phonems ist, die aber im anglischen Dialekt des Altenglischen (wie ja auch im Gotischen) nicht stattgefunden hat,49 steht fest, daß die Senkung von ê1 zu â nicht gemeinwestgermanisch ist. Zumindest im Anglischen ist nämlich ê1 stets ein eLaut geblieben. Es liegt also nahe, anzunehmen, daß die Angelsachsen den Kontinent verließen, bevor die Entwicklung von ê1 in langes a ihr Ziel erreichte; das heißt, daß die erste der beiden oben angedeuteten Ansichten die richtigere ist. Die runologische Anwendung ist die, daß die sogenannte aRune, È, nicht nur im ältesten Altnordischen, wozu oben Gutenbrunner, sondern auch bis ins altenglische Fuþorc kontinuierlich einen e-Laut bezeichnete, indem die Entwicklung von ê1 in langes a erst im späteren Altnordischen und im nicht-anglofriesischen Westgermanischen ihren Abschluß erreichte.50 Daß die a-Rune noch lange den e-Bereich mit abdeckte, erklärt zugleich den Umstand, daß dem Futhark erst spät eine e-Rune hinzugefügt wurde, 46 47 48 49 50
Gutenbrunner 1951, S. 32 f. Langes æ herrscht im Westsächsischen. In allen übrigen Dialekten erscheint praktisch immer langes e. Auch das Friesische hat e. Vgl. Campbell 1969, § 128. Vgl. Campbell 1969, § 129 Anm. 1. Vgl. hierzu Vennemann 1994, S. 208–211. Leider ist keine eigenständige gotische Runenschreibtradition zu erkennen, an der man eine Entwicklung der runischen e- und a-Schreibung nachweisen und daran meine obige Rekonstruktion überprüfen könnte.
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was man daran erkennt, daß e im Nachbereich des Alphabets steht, das heißt, auf das Fuþark bezogen, hinter der t-Rune. Das Alphabet endete ursprünglich – und so im Phönizischen – mit dem Buchstaben t. Was zum Beispiel im lateinischen Alphabet hinter T steht, sind sämtlich spätere Zutaten: V X Y Z. Es erweist sich also auch an der a-Rune, daß sie nichts anderes ist als der entsprechende Buchstabe der mediterranen Alphabete, wobei zum „Entsprechen“ natürlich die Berücksichtigung der Sprachgeschichte gehört, hier eben der Wandel von langem e in langes a. Auch die Gestalt des a, È, bzw. sein wie auf dem Kylver-Stein nach links orientiertes Gegenstück, ist nichts anderes als die des phönizischen – dort stets nach links orientierten – He, mit Verminderung der Zahl der Zweige von drei auf zwei wie auch beim Ḥet (dort von drei auf zwei, ¥, und, in den skandinavischen Inschriften, auf eins, H).
6. Die Fuþark-Sequenz þ a Mit der Folge þ a haben wir nun offenbar ein weiteres Teilstück der Fuþark-Reihe identifiziert, das sein Vorbild in den mediterranen Alphabeten hat. Faßt man nämlich das über þ und a Gesagte zusammen, so ergeben sich die folgenden Korrespondenzen: Lateinisch: Etruskisch: Griechisch: Phönizisch: Fuþark: Transliteration:
D D d ê þ
E E E h51 È a
7. Das Problem der *ingwaz-Rune ñ Für die +ingwaz-Rune mit dem Lautwert [ŋ]52 und der ältesten Form eines Kreises, einer Raute oder eines Quadrats53 hat keine Herkunftstheorie bis51 52 53
Dalet He. Dies ist die in jüngeren Darstellungen überwiegende Deutung. Ich folge ihr trotz den Vorbehalten bei Birkmann 1995, S. 13–15. Vgl. Arntz 1944, S. 69, Krause 1970, S. 15. – Abweichungen von dieser Auffassung, d. h. die Ansetzung komplexerer Formen als ursprünglich, verstehen sich aus der Notlage, daß das griechische Alphabet und seine Ableger sonst keine Erklä-
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her eine überzeugende Erklärung vorgelegt.54 Die hier entwickelte Auffassung, daß die ursprüngliche Runenreihe die Anordnung ihrer phönizischalphabetischen Vorlage bewahrte, bietet erstmals eine ungezwungene Erklärung.55 Im Fuþark sind alle drei Nasale gründlich disloziert: n steht zwischen h und i/j; m und ñ stehen, durch das ebenfalls dislozierte l getrennt, im Nachbereich des Alphabets, das ja ursprünglich (im Phönizischen) mit t (Taw) endete, nämlich zwischen b e einerseits und den beiden letzten Runen, d o bzw. o d, andererseits. Daraus kann man über die Herkunft der ñ-Rune nichts lernen. Man muß auf die Position der Nasale im Vorlage-Alphabet schauen. Da ist die Abfolge von m (Mem) und n (Nun) natürlich m n. Was folgt im phönizischen Alphabet? Es folgt s (Samek). Dieses wurde aber schon im Phönizischen dadurch praktisch überflüssig, daß š (Schin) den Lautwert [s] annahm; und tatsächlich ist ja der Buchstabe š ins griechische, lateinische und auch ins ursprüngliche Runen-Alphabet für das Phonem /s/ übernommen worden, während das alphabetische s als überflüssig übergangen wurde. Wenn aber s übergangen wurde, was folgte dann im ursprünglichen Runen-Alphabet? Es folgte / (‘Ayin), im vor-phönizischen Alphabet das Abbild eines Auges (‘Ayin bedeutet ‘Auge’), im phönizischen Alphabet ein Kreis. Der Lautwert war ursprünglich der eines stimmhaften pharyngalen Frikativs; aber im Spät-Phönizischen des Westens waren alle Laryngale sehr geschwächt, so daß sie oft verwechselt wurden. Nun hätten die Adaptoren ‘Ayin natürlich einfach übergehen können, so wie sie ja auch andere Buchstaben, denen sie keinen phonetisch passenden Sprachlaut der eigenen Sprache zuordnen konnten, übergangen haben, zum Beispiel t (Tet) und s (Sade). Doch haben die Adaptoren offenbar eine bessere Idee gehabt: Statt das alphabetische Teilstück mit den beiden Nasalbuchstaben als m n einzurichten, haben sie, enger der Vorlage folgend, den ‘Ayin-Buchstaben stehen lassen und ihm einen germanischen Sprachlaut zugeordnet, den dritten Nasal, wobei die eigentümliche Lautung dieses Laryngals als hinterer stimmhafter Dauerlaut einen Beitrag zur Interpretation als hinterer Nasal – die germanischen Nasale sind ebenfalls stimmhafte Dauerlaute – geliefert ha-
54
55
rung ermöglichen. Das beurteilt Birkmann (1995, S. 15) völlig richtig, wenn er schreibt: „Die Frage ist natürlich von entscheidender Bedeutung für die Suche nach dem Ausgangs-Alphabet für die Runenreihe.“ Morris (1988, S. 12, 28, vgl. 120 f.) referiert die Herleitung in der lateinischen und der griechischen Herkunftstheorie: von lateinisch C, von griechisch . Beides erscheint mir wenig einleuchtend. Diese Erklärung ist bereits in Vennemann 2006, S. 414 f. begonnen, dort aber noch nicht ganz zum Ende geführt.
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ben mag (dies natürlich nur, wenn die Lautung dieses Laryngals spätphönizisch noch erinnert wurde): Phönizisch:
n
(s)
/ 56
Ur-Fuþark:
m +M
n
À57
Transliteration:
+m
n
ñ
Es standen also einmal die drei nasalen Sprachlaute des Germanischen nebeneinander. Erst später wurde dieses Stück phonetischer Systematik durch Umordnungen zerstört. Die Gründe dafür habe ich noch nicht ermitteln können. Es dürfte klar sein, daß diese Rekonstruktion der +ingwaz-Rune nicht irgendeins der mediterranen Alphabete voraussetzt, sondern genau das phönizische. Nur dort ist der Kreis ein Konsonantzeichen, während er im griechischen und lateinischen Alphabet zum Vokalzeichen (für /o/) geworden war.
8. Das Fuþark-Teilstück m l ñ Kehren wir zu der im vorstehenden Abschnitt rekonstruierten Abfolge der Nasale im ursprünglichen Runen-Alphabet zurück! Unmittelbar vor dem Alphabet-Teilstück m n (s) ‘ steht dort l (Lamed): l m n (s) ‘. Die runische Adaptation war die folgende: Phönizisch:
m
n
(s) /
Ur-Fuþark:
l +l
M
n
À
Transliteration:
+l
m
n
ñ
Man darf nun annehmen, daß aus diesem Teilstück zunächst n disloziert wurde – wie gesagt aus Gründen, die ich noch nicht ermitteln konnte. Damit verkürzte sich dieses Teilstück zur folgenden Sequenz: +l M À +l
m
ñ
Dieses Teilstück wurde geschlossen in den alphabetischen Nachbereich disloziert, wo es im Fuþark zwischen b e und d o bzw. o d steht. Wiederum 56 57
Der phönizische Buchstabe für den /-Laut ist, wie gesagt, ein Kreis. Die ältesten Formen der ñ-Rune sind, wie schon gesagt, Kreis, Quadrat (À) und Rhombus (Á).
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weiß ich nicht, warum diese Dislozierung stattgefunden hat, und auch nicht, warum dabei die Reihenfolge von +l m ñ zu m l ñ geändert wurde.58 Aber eins scheint mir gewiß: Dieses Fuþark-Teilstück beweist ein weiteres Mal, daß die ursprüngliche Runenreihe nichts anderes war als das Alphabet. Schon das Nebeneinander der l- und der m-Rune hätte Beweiskraft; daß eine dritte Rune, ñ, in diesem Verband steht, verbietet die Annahme einer Anordnung ohne ursprüngliche Orientierung am Alphabet. – Hempl schreibt: The Runic alphabet is based on an alphabet in which z had its original place and value ... as found in the Semitic and in the Greek alphabets; in other words, it is now simply impossible to look to the Latin alphabet as the source of the runes.59
Das ist richtig. Die +ingwaz-Rune schließt aber ebenso eine griechische (oder etruskische) Herkunft der Runen aus: Denn schon im Griechischen war der Buchstabe ‘Ayin mit dem Lautwert eines stimmhaften pharyngalen Frikativs, [/], als Vokal, o (Omikron), integriert worden. Daß er im Germanischen als Konsonantzeichen, Â, À oder Á für [ŋ], erscheint, gebietet die Herleitung der Runen unmittelbar aus dem phönizischen Alphabet.
9. Das Fuþark-Teilstück w h n i j Betrachten wir nunmehr das Fuþark-Teilstück w h n i j. Im vorigen Abschnitt haben wir bereits durch Vergleich mit dem Alphabet festgestellt, daß n aus dem Nasalverband herausgelöst und disloziert wurde. Vorher stand es jedenfalls nicht zwischen h und j. Damit verkürzt sich das Teilstück zu +w h i j. Ferner ist auch i nicht Teil der ursprünglichen Runenreihe; das phönizische Alphabet enthielt ja gar keine Vokalzeichen. Entfernen wir es, verkürzt sich das Teilstück weiter zu +w h j. Im phönizischen Alphabet ist die Teilstrecke von w (Waw) bis j (Yod) folgendermaßen besetzt: w z ḥ t j (Waw Zayin Ḥet Ṭet Yod). Da t (Ṭet) nicht in die Runenreihe übernommen wurde, weil es im Germanischen keine Entsprechung gab, verkürzt sich dieses Teilstück im Hinblick auf die runische Adaptation zu w z h j. Nun wissen wir aber bereits, daß die z-Rune nach dem Rhotazismus als R in die r-Position verbracht wurde. Das heißt, auch mit z ist sozusagen an dieser Stelle nicht zu rechnen. Was wir also 58
59
Die Beobachtung, daß die m- und die l-Rune vertauscht die Alphabetreihenfolge spiegeln, findet sich bereits bei Arntz (1944, S. 88) und andeutungsweise bei Hempl (1898, S. 372). Hempl 1898, S. 372. Vgl. die Anordnung von z oben in den Abschnitten 2 und 3.
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erwarten dürfen, ist die lokale runische Adaptation der restlichen Buchstaben, also w h j. Das wäre runisch +w h j, also genau das, was wir soeben auf runischer Seite rekonstruiert haben. Auch die in dem Teilstück w h n i j enthaltene Teilsequenz w h j, genauer die vor dem r/R-Tausch bestehende Teilsequenz +w z h j, ist also ein Stück der Runenreihe, wie sie vor diesen Umstellungen bestand. Diese ursprünglichere Runenreihe erweist sich somit auch hierdurch als im wesentlichen identisch mit dem phönizischen Alphabet.
10. Das Fuþark-Teilstück f u þ Schon früher60 habe ich gezeigt, wie man den Anfang des Fuþarks, f u þ, verstehen kann, wenn man den ersten, dritten und vierten Buchstaben des phönizischen Alphabets nach dem semantischen Prinzip adaptiert: f (+fehu ‘Vieh’) nach der Gestalt und Bedeutung des ersten Buchstabens ʔ (’Alep ‘Rind’)61, u (+ûrus ‘Auerochse’) nach Gestalt und Bedeutung des dritten Buchstabens g (Gaml ‘(volksetymologisch) Kamel’)62 und þ (+þurisaz ‘Riese’, +þurnaz ‘Dorn’) nach Gestalt und Bedeutung des vierten Buchstabens d (Dalet) ‘Tor, Tür’, wobei ursprüngliches +dur(i)- ‘Tor, Tür’ akrophonisch in +þur(i)- abgewandelt wurde, als die þ-Rune durch Hinzufügung der d-Rune auf das Phonem /θ/ spezialisiert wurde.63 Daß die Alphabet-Adaptation nach dem semantischen Prinzip begonnen wurde, ist verständlich: Der erste Buchstabe, ʔ (’Alep), stand für einen Konsonanten, /ʔ/, den Glottalverschlußlaut, den das Urgermanische als zu bezeichnenden Sprachlaut nicht besaß; und die von den Griechen – und von den Germanen bei He – geübte Methode, den Konsonanten zu ignorieren und den Buchstaben nach dem Akrophonieprinzip als Zeichen für den Vo60 61
62
63
Vgl. Vennemann 2006, S. 384–393, 399–404. Diese Idee findet sich auch bei Bang 1997 und – in abgeschwächter Form, nämlich als kulturelle Korrespondenz – bei Miller: “As to historical continuity, it is of interest that the first letter is /f/, as in fee, Gmc. *fehu (Goth. faihu) ‘cattle; goods’, corresponding culturally to Proto-Canaanite ʔalp- ‘ox-head’” (Miller 1994, S. 76). Die genauere Übersetzung von ʔalp- wäre ‘Rind’. Aber dieses Wort existiert nur im Westgermanischen (vgl. Kluge/Seebold 2002, s.v. Rind) und stand somit in urgermanischer Zeit vermutlich nicht zur Verfügung. Die Germanen kannten das Kamel nicht. Die Adaptoren setzten deshalb den Namen eines bekannten, ebenfalls halb-domestizierten Großtiers ein. Der Auerochse wurde in Europa schließlich vom europäischen Rind, seinem im Nahen Osten domestizierten Nachkommen, verdrängt. Vgl. zu þ und d oben Abschnitt 4.
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kal a – ein gespanntes, langes â – zu verstehen, führte für die Germanen ins Leere, weil das Urgermanische im Gegensatz zum Griechischen keinen langen a-Vokal besaß.64 Aber das Verfahren der semantischen Adaptation ließ sich nur so lange durchführen, wie die Bedeutung der phönizischen Buchstabennamen bekannt war. Es bricht folgerichtig genau an der Stelle ab, bei der erstmals ein Buchstabe, nämlich h (He), nicht mehr nach diesem Prinzip adaptiert werden konnte, da die Bedeutung des semitischen Buchstabennamens vergessen war.65
11. Das Problem der b-Rune: Ältere Vorschläge Das Fuþark beginnt mit den Runen f u þ, die gemäß der im vorstehenden Abschnitt wiedergegebenen Rekonstruktion dem ersten, dritten und vierten Buchstaben des Alphabets entsprechen. Damit erhebt sich die Frage, warum der zweite Buchstabe, b, mit dem leicht verständlichen Namen Bet ‘Haus’, nicht ebenfalls semantisch adaptiert wurde, schlimmer noch: warum er anscheinend überhaupt nicht adaptiert wurde. Schon früher66 habe ich verschiedene Vermutungen darüber angestellt, warum an der zweiten Stelle des Fuþarks nicht b, sondern u steht, z. B. die, daß eine auf Bet beruhende +hûs-Rune, h, durch die Adaptation des Buchstabens ḥ (Ḥet) als +haglaz-Rune +h (+haglaz ‘Hagel’) überflüssig geworden sei, und die, daß die älteste Runenreihe vor demjenigen Schritt der Ersten Lautverschiebung geschaffen wurde, in der die Mediae zu Tenues verschoben wurden – und b im Indogermanischen und damit im Vorgermanischen so selten war, daß man vielleicht keine Veranlassung sah, diesen Sprachlaut zu repräsentieren. Das Problem plagt mich noch immer, und inzwischen sehe ich weitere Möglichkeiten der Lösung des Problems.
64
65
66
Das Urgermanische hatte nur ein kurzes a. Das entsprach erstens nicht dem Anlaut von (’)Alep. Zweitens aber hatte a als Kurzvokal den Mangel, daß es sich nicht darstellen, nicht aussprechen ließ, da die minimale Äußerung im Germanischen mindestens zwei Moren zu besitzen hatte; ein Kurzvokal hat nur eine einzige More. Das gespannte, lange e des phönizischen Buchstabennamens He bot die in der vorstehenden Anmerkung beschriebene Schwierigkeit nicht: Das Urgermanische besaß ein langes e, das sogenannte ê1. Daß die entsprechende Rune den germanischen Langvokal bezeichnete, erkennt man daran, daß sich dieser Vokal zum Nord- und Westgermanischen hin zum a-Laut entwickelte; kurzes e blieb nämlich ein e-Laut. Vgl. Vennemann 2006, S. 399, 407, 412, 417.
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Eine Möglichkeit ist die, daß ein nach dem semantischen Prinzip aus Bet gewonnenes b (+bû ‘Bau, Gebäude, Haus’67) aus einem sprachexternen Grund verdrängt wurde. Die b-Rune des Fuþarks ist nämlich nach Gestalt und Position nicht ohne weiteres mit dem b des phönizischen Alphabets gleichzusetzen. Dem Erscheinungsbild nach könnte der Buchstabe sogar der griechisch-lateinischen Alphabettradition entstammen. Er scheint jedenfalls die erste Rune zu sein, die der ursprünglichen Runenreihe hinzugefügt wurde, ist sie doch die erste Rune im Nachfeld des Alphabets, unmittelbar nach der t-Rune stehend, die den letzten Buchstaben des phönizischen Alphabets, t (Taw), adaptiert. Durch die Hinzufügung dieses Zeichens für das Phonem /b/ könnte eine ursprüngliche +bû-Rune +b aus dem sich entwickelnden Fuþark verdrängt worden sein.68 Möglich ist auch, daß man bei der Adaptation des Alphabets auf b (Bet) verzichtet und später bei zunehmendem Bedarf die b-Rune hinzugefügt hat, vielleicht aus der griechisch-lateinischen Tradition entlehnend, vielleicht aber auch die p-Rune nach dem Muster der w-Rune durch Einklappung und Schließung des oberen und des unteren Zweigs umgestaltend.69 Dies hätte eine Parallele bei der g-Rune, die auch erst später – allerdings unmittelbar hinter ihrem stimmlosen Gegenstück k – eingefügt worden zu sein scheint.
67
68
69
Das zum ursprünglich reduplizierenden Verbum +bûan ‘bauen’ gehörende Substantiv ist im Altnordischen, Anglo-Friesischen, Altsächsischen und Althochdeutschen belegt (vgl. Kluge 2002, s.v. bauen); das Gotische hat zu bauan das Derivat bauains ‘Wohnung’. Im DWB (s.v. Bau) steht beziehungsreich: „Das haus, die behausung und wohnstätte der menschen ist ein bau. […] Häufiger aber ist bau das gebäude, aedificium, structura, die errichtung des hauses, an dessen balken und giebel […] der eigner sein handgemal, sein bauzeichen, bûmark in gestalt alter runen setzte.“ Verblüffend ist die Beobachtung (Hempl 1898, S. 371; Arntz 1944, S. 88), daß, wenn auf dem lateinischen Alphabet der zweite Buchstabe, b, und der letzte Buchstabe, u (der erste nach dem das phönizische Alphabet schließenden Konsonanten t) ihre Plätze tauschen, genau die Reihenfolge der beiden Runen im Fuþark herauskommt: Dort steht u an zweiter Stelle, und die erste Rune im alphabetischen Nachbereich (nach der t-Rune) ist b. Doch sehe ich keinen Grund für einen solchen Tausch und muß dies deshalb auf sich beruhen lassen. Dies scheint mir eine bessere Erklärung für das Verhältnis der p- und der b-Rune als die verschiedentlich – auch von mir – vertretene Auffassung, daß umgekehrt die p-Rune durch Aufklappung der beiden Bögen aus der b-Rune entwickelt sei – eine Ansicht, die ohnehin „allen Grundsätzen der Runenschrift [widerspricht]“ (Arntz 1944, S. 44).
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12. Das Problem der b-Rune: Ein neuer Vorschlag Angesichts dieser Problemlage empfiehlt sich ein Blick auf die Weisen des Vorkommens.70 Im Fuþark der Halbsäule von Breza (um 520) hat p die oben beschriebene Kylver-Gestalt, allerdings mit einer zweiten (rechten) Hasta, die den Buchstaben wieder schließt; b hingegen scheint ganz zu fehlen, auf t folgen unmittelbar e und m.71 Im ältesten Fuþark, auf dem Kylver-Stein (um 400), erscheint b seitenverkehrt. Dies wird gewöhnlich als eine Übertragung aus der entgegengesetzten Schriftrichtung erklärt, wie ja auch bei der a-Rune, die ebenfalls seitenverkehrt scheint. Doch ist dies als Erklärung nicht zwingend. Im phönizischen Alphabet hat b (Bet) seinen geschlossenen Bogen links (wie bei unserer Ziffer 9), und die drei abwärts zeigenden Zweige von h (He), der Vorlage der a-Rune, sind ebenfalls links an ihrer Hasta angebracht.72 Die b-Rune könnte also auch nichts anderes sein als der Buchstabe b (Bet), mit Verdoppelung des Bogens, indem sonst bei der wechselnden Schreibrichtung eine Verwechslung mit der w-Rune – Ó, eckig W – möglich wäre, die ja ebenfalls nur einen oberen Bogen an ihrer Hasta hat.73 Rechtsläufig umgedreht ergibt das die Runenform ‡, eckig b. Im Fuþark des Vadstena-Brakteaten (Schweden, um 550) steht die bRune in ihrer eckigen Form b an der Stelle, wo auf dem Kylver-Stein und auch sonst p steht; an der b-Stelle steht b noch einmal, aber mit runden Bögen, ‡.74 Hier hat die b-Rune die p-Rune regelrecht verdrängt – möglicherweise weil diese, jedenfalls nach unserem Kenntnisstand, ohnehin kaum in runischen Texten, nämlich außerhalb von Fuþarken, verwendet wurde.75 Insgesamt halte ich es nach allem für das Wahrscheinlichste, daß b (Bet) als b-Rune und p (Pe) als p-Rune unmittelbar aus dem phönizischen Alphabet adaptiert wurden und daß b früh in den alphabetischen Nachbereich versetzt wurde, während p seinen alphabetischen Platz behielt. Wie fast alle Runen und ausnahmslos alle dislozierten Runen erhielt b dort auch 70 71 72 73
74 75
Die überlieferten Futharke sind behandelt in Düwel und Heizmann 2006. Vgl. Arntz 1944, Tafel IX, Abb. 29. Ein a mit drei – allerdings in Schreibrichtung angebrachten – Zweigen erscheint auf dem Stein von Tanem (Morris 1988, S. 146). Tatsächlich kommt b einmal mit nur einem Bogen vor, unten angebracht (wie bei unserer Minuskel), so daß keine Verwechslung mit w möglich ist, nämlich auf dem (nur aus einer Zeichnung bekannten) Gummarp-Stein (vgl. Morris 1988, S. 120). Vgl. Arntz 1944, Tafel IX, Abb. 26c. Der Grund ist die Seltenheit von germanisch /p/: Es kommt in indogermanischen Erbwörtern nicht vor, ist also auf Lehnwörter (und Onomatopoetika) beschränkt.
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einen neuen Namen; denn der germanische Name, +berkanan ‘Birkenreis’,76 läßt sich aus der phönizischen Vorlage Bet ‘Haus’ nicht gewinnen.
13. Rückschau und Ergänzungen Für einige Teilstücke des Fuþarks ist nun gezeigt, daß sie die Anordnung der Buchstaben im phönizischen Alphabet widerspiegeln, für andere, daß es sich um dislozierte Teilstücke des Alphabets handelt. Für den Buchstaben d (Dalet) konnte auf dieser Grundlage eine Geschichte rekonstruiert werden, die die Entstehung der þ-Rune und ihrer beiden Benennungen – +þurisaz ‘Riese’ und +þurnaz ‘Dorn’ – sowie die späte Hinzufügung einer d-Rune erklärt. Diese Erklärung setzt für die Adaptoren die Kenntnis des phönizischen Alphabets und seiner akrophonischen Buchstabennamen voraus: phöniz. dalet ‘Tür, Tor’ für /d/ nach dem Akrophonieprinzip → germ. +duri-/dura- ‘Tür, Tor’ für /d/ nebst /θ/ durch semantischphonologische Adaptation → germ. +þur(i)- ‘Riese’, ‘Dorn’ für /θ/ nach dem Akrophonieprinzip Zufälligerweise führen bei d (Dalet) die semantische und die phonologische Adaptation zum selben Ergebnis, einer Rune für /d/ (erweitert auf /θ/), was umso verständlicher macht, daß die Adaptoren ab dem nächsten Buchstaben, h – die Bedeutung des semitischen Buchstabennamens He war verloren –, phonologisch fortfuhren: phöniz. (h)e → urgerm. +ê > nord- und westgerm. â Durch die Rückführung von þ auf d (Dalet) und von a auf (h)e (He) wird zugleich ein Stück der alten alphabetischen Anordnung der Runen rekonstruiert: phöniz. Dalet He → urgerm. ê È (+d/θ +ê) > NW-germ. þ a Die Position der z-Rune (bzw. R-Rune) konnte unter Berücksichtigung des Rhotazismus (z > ʀ) als diejenige des alten r bestimmt werden, wobei dieses ziemlich genau in die Position der alphabetischen z-Stelle verbracht wurde, so daß der Eindruck eines Stellentauschs der beiden zentralen Liquidae entsteht. All dies wird aber nur verständlich auf der Grundlage einer ursprünglichen phönizisch-alphabetischen Anordnung der Runen und unter Berücksichtigung der Sprachgeschichte auf der Zeitstrecke von der urgermani76
Vgl. Düwel 2008, S. 8.
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schen Schaffung der Runen (5.–3. Jahrhundert v.u.Z.)77 zu den frühesten runischen Zeugnissen (ab dem ersten Viertel des 1. Jahrhunderts u.Z.) bzw. den ältesten überlieferten Fuþarken (ab dem 5. Jahrhundert u.Z.). Düwel hat also unrecht, wenn er den zeitlichen Abstand vom Ende möglicher karthagischer Aktivitäten in Germanien (Ende des 3. Jahrhunderts v.u.Z.) und dem Beginn der runeninschriftlichen Überlieferung als Mangel meiner Theorie hinstellt.78 Das Gegenteil ist richtig: Ohne diese Zeitspanne wären die zahlreichen Veränderungen gegenüber dem Alphabet, die zum historischen Fuþark führten, und insbesondere jene, die Sprachwandlungen wie z > ʀ und ê > â voraussetzen, überhaupt nicht zu akkommodieren. Es ist ja unter anderem gerade die Zeitgleichheit der frühesten Runenüberlieferung und der römischen Aktivitäten in West- und Mitteleuropa, die angesichts der erheblichen Eigenentwicklungen des Fuþarks die Annahme seiner Übernahme aus dem Lateinischen – dies die von Düwel favorisierte Auffassung79 – ausschließen. Nicht klären konnte ich die Position der b-Rune im alphabetischen Nachbereich. Immerhin ließ sich eine ursprüngliche Adaptation sowohl von b als auch von p aus der phönizisch-alphabetischen Vorlage rekonstruieren, wenn ich auch Alternativen nicht ausscheiden mochte. Schließlich konnte auch die Entstehung der +ingwaz-Rune ñ nach Position, Gestalt und Lautwert aus dem Buchstaben / (‘Ayin) des phönizischen Alphabets erklärt werden, und zwar nur aus diesem, da dieser Buchstabe schon in den griechischen Alphabeten als Vokalzeichen umgedeutet wurde. Das Fuþark erweist sich damit nicht als etwas Neues, das geschaffen wurde, um die ältesten runischen Zeugnisse zu schreiben, sondern als das Resultat einer mindestens zweihundertjährigen Geschichte, in der die Runenreihe inneren und äußeren Einflüssen ausgesetzt war. Zu den inneren Einflüssen gehören die Lautwandlungen, die die lautliche Interpretation einiger Runen und, wie wir gesehen haben, in mindestens einem Fall auch die Reihenfolge der Runen verändert haben. Zu den äußeren Einflüssen gehören Berührungen mit anderen Schreibsystemen im Kulturkontakt, so die Hinzufügung von Zeichen, für die es in der phönizischen Vorlage der ältesten Runenreihe kein Vorbild gab, etwa der i-Rune I, die phonetisch auffällig richtig zur j-Rune gestellt wurde, deren Vorbild freilich ihrerseits zum Vorlage-Alphabet gehörte, und der o-Rune O, die durch ihre Gestalt als Adaptation des griechisch-lateinischen o und durch ihre Position am 77 78 79
Alle atlantischen Aktivitäten der Phönizier endeten zwangsläufig mit dem verlorenen Zweiten Punischen Krieg gegen Rom (218–201 v.u.Z.). Düwel 2008, S. 181. Düwel 2008, S. 181.
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Ende der Fuþark-Reihe als späte Hinzufügung erkennbar ist.80 Zu diesen äußeren Einflüssen könnte auch die Versehung der r-Rune × mit dem Abstrich gehören, den wir aus dem Vergleich des lateinischen R mit dem griechischen P (Rho) kennen, einem Diakritikon, für das es in der phönizischen Welt kein Vorbild gibt. Allerdings ergibt sich eine Notwendigkeit zusätzlicher Kenntlichmachung auch innerhalb des Runensystems, um einen Unterschied zur w-Rune W zu gewährleisten. Ferner ist auch eine interne Entwicklung der Rune in gestaltlicher Konkurrenz mit der u-Rune denkbar, worauf ich unten zurückkomme. Auch die e-Rune ist eine spätere Hinzufügung, vielleicht aus dem lateinischen und alpinen | | gewonnen, das durch Schaffung einer Verbindung (™ bzw. E) von zwei i-Runen unterschieden wurde, vielleicht aber auch durch Drehung aus E entstanden.81
14. Synthese Durch die in diesem Aufsatz angestellten Überlegungen scheint mir eine neue Lage entstanden zu sein. Wir erkennen nun – teils besser, teils erstmals – einige wahrscheinliche Entwicklungsschritte, die zum historischen Fuþark geführt haben. Wir wissen auch, daß die älteste, vorgeschichtliche Runenreihe eine Adaptation des Alphabets war, wobei nach Obigem nur noch das phönizische Alphabet selbst in Betracht kommt, nämlich, wie ich schon früher82 plausibel zu machen versuchte, in seiner karthagischen Ausprägung. Die daraus resultierende Aufgabe muß sein, das so adaptierte UrFuþark oder Proto-Fuþark zu rekonstruieren. Ein erster, aber sicher nicht letzter Entwurf könnte folgendermaßen aussehen:83 80 81 82 83
Die spezielle Form der Rune (dazu Arntz 1944, S. 36 f.) war nötig, um Verwechslungen mit der Kreis- und Rautenform der ñ-Rune zu vermeiden. Vgl. Arntz 1944, S. 37 f. Vgl. Vennemann 2006. Die obere Zeile transliteriert das phönizische Alphabet. Die zweite und die transliterierende dritte Zeile stellen seine Adaptation im hier rekonstruierten Ur-Fuþark dar. — Wie man sieht, endete nach dieser Rekonstruktion das Ur-Fuþark wie seine alphabetische Vorlage mit t. Die Einteilung des überlieferten Fuþarks von 24 Runen in drei Geschlechter (ættir) à acht Runen wurde also mit Sicherheit erst später vorgenommen. F u ê È × K G W : H n I J ¨ P ú S : t b E M l À D O f u þ a r k g w : h n i j ï p R s : t b e m l ñ d o Grønvik (2001, S. 54) irrt also, wenn er behauptet, „daß die die Einteilung des Fuþarks in drei Gruppen [und die darauf aufbauende Möglichkeit, Runen als Geheimschrift zu verwenden] ebenso alt ist wie das Runenalphabet“ (vgl. Düwel
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? b g d h w z h t j k l m n s / p s q r F b ï ê È W ú H f b u +d e w z h
J K l M n j k l m n
Á P ñ p
š t 84
u r
S t s t
Die folgenden unterstrichenen Abschnitte dieses alphabetbasierten UrFuþarks haben im historischen Fuþark ihre Spur hinterlassen: f
b u +d e w z h
j k l m n
ñ p
r s t
Von einem solchen Ur-Fuþark aus wäre dann schrittweise das historische Fuþark aufzubauen. Als erstes Beispiel früher Schritte stelle ich den Wandel von langem e zu langem a und die Dislozierung der b-Rune dar: F f
ï ê È W ú H u +d a w z h
J K l M n j k l m n
Á P ñ p
u S t b r s t b
Die Vertauschung der z- und der r-Rune nach dem Rhotazismus (z > ʀ) und die Entlehnung der i-Rune, die phonetisch richtig bei der j-Rune hinzugefügt wurde, sowie der e-Rune, die, wie für neue Buchstaben charakteristisch, am Ende angefügt wurde, stellt sich folgendermaßen dar: F ï ê È u W H I f u +d a r w h i
J K l j k l
M n Á P ú S t b E m n ñ p R s t b e
Warum k vor w geschoben wurde und n vor i, ferner die verbleibende sonore Strecke von l m ñ — noch dazu mit Vertauschung von l und m — ans Ende der Reihe, habe ich noch nicht verstanden. Hier ist aber das Ergebnis:
84
und Heizmann 2006, S. 18, Anm. 76); desgleichen Knirk (2002, S. 636), wenn er schreibt: „On the Vadstena bracteate, the older runic alphabet is divided by colons into three groups of eight runes, and in O[ld] N[orse] each group is termed a ‘family’ (‘ætt’), although the original term may have meant ‘group of eight’ (a homograph in ON). These divisions may too have been original.“ Die Rune t schließt wie das Alphabet, so die erkennbare älteste Runenreihe, das Ur-Fuþark. An die erste Stelle einer dritten Dreiergruppe à acht Runen kam es erst durch die komplizierte Entwicklung zum überlieferten Fuþark hin. Beweiskräftig ist natürlich auch der Umstand, daß das älteste bezeugte Fuþark, das auf dem Kylver-Stein, keine Einteilung in Ættir aufweist. Dies dürfte die ältere Form der r-Rune sein, eingebauchte Formen bis hin zum 5 die jüngeren. Indem die u-Rune die Nebenformen u und ð entwickelte, wurde die Einbauchung zunehmend wichtig. Vgl. Arntz 1944, S. 41. Auch Düwel/Heizmann (2006, S. 12 und Abb. 13 auf S. 59) berufen sich bei der Deutung des Brakteaten IK 153 Schonen (II)-C auf die „von der u-Rune nur schwer zu unterscheidende Sonderform der r-Rune“.
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F ï ê È u K f u +d a r k
W H n I w h n i
J P ú S j p R s
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t b E M l t b e m l
Á ñ
Schließlich wurde die d-Rune hinzugefügt, wobei die bis dahin /d/ und /θ/ abdeckende þ-Rune auf /θ/ spezialisiert wurde, und endlich o. Zugleich notiere ich, daß u sich gestaltlich dem offenen r näherte und r auf die eingebaucht-geschlossene Gestalt auswich: F u ê f u þ
È r K W H n I J P ú S t b E M l Á D O a r k w h n i j p R s t b e m l ñ d o
Wie man sieht, nähert man sich durch diese Lautwandlungen, Umstellungen und Hinzufügungen schrittweise dem überlieferten Fuþark an. Es fehlt nur noch die sogenannte ï-Rune, ¨, die vermutlich aus lautlichen Gründen – als geschlossenes e, ê2?85 – wie i zu j gestellt wurde, und entsprechend g zu k. F u ê È r K G W H n I J ¨ P ú S t b E M l Á D O f u þ a r k g w h n i j ï p R s t b e m l ñ d o Mit diesen Hinzufügungen ist das Fuþark komplett. Es bleiben die offenen Fragen, die ich hervorgehoben habe, und somit Arbeit für die Zukunft. Aber die Grundthese, daß das Ur-Fuþark nichts anderes war als das phönizische Alphabet (in seiner karthagischen Ausprägung) scheint mir bewiesen.
Tafel folgende Seite: Phönizische, altgriechische und etruskische Alphabete Aus: Helmut Arntz, Handbuch der Runenkunde (Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte B: Ergänzungsreihe, 3). 2. Aufl. Halle/Saale 1944, S. 26. 85
Für ê2, eine nur nord- und westgermanische (nicht anglische) Neuerung, wäre eine zusätzlich Rune im Fuþark sinnvoll gewesen. – Die herrschenden Auffassungen sind bei Birkmann (1995, S. 11–13) und Beck (2003) dargestellt und bewertet.
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1958 • [Zusammen mit Friedrich von der Leyen] Das Märchen: ein Versuch. 4. erneuerte Auflage. Heidelberg.
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1960 • Island. In: Atlantis 10, S. 455–484.
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1963 • Die Erdschöpfung aus dem Urmeer und die Kosmogonie der Völuspá. In: Hugo Kuhn / Kurt Schier (Hgg.), Märchen, Mythos, Dichtung: Festschrift zum 90. Geburtstag Friedrich von der Leyens am 19. August 1963. München, S. 303–334.
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• [Herausgeber, zusammen mit Hugo Kuhn] Märchen, Mythos, Dichtung: Festschrift zum 90. Geburtstag Friedrich von der Leyens am 19. August 1963. München.
1964 • Die färöische Literatur. In: Wolfgang von Einsiedel (Hg.), Die Literaturen der Welt in ihrer mündlichen und schriftlichen Überlieferung. Zürich, S. 497–506. • Die neuisländische Literatur. In: Wolfgang von Einsiedel (Hg.), Die Literaturen der Welt in ihrer mündlichen und schriftlichen Überlieferung. Zürich, S. 463–475. • Die Walfänger. In: Atlantis 1, S. 47–54.
1967 • Zum Gedenken an Friedrich von der Leyen. In: Hessische Blätter für Volkskunde 58, S. 228–230. • [Herausgeber, zusammen mit Felix Karlinger] Die Märchen der Weltliteratur. Düsseldorf/Köln 1967–1982.
1968 • Freys und Fróðis Bestattung. In: Helmut Birkhan / Otto Gschwantler unter Mitwirkung von Irmgard Hansberger-Wilflinger (Hgg.), Festschrift für Otto Höfler zum 65. Geburtstag. Wien, S. 389–409. • Zur Frage der Aussprache des Altnordischen. In: Mediaeval Scandinavia 1, S. 160–165.
1970 • Sagaliteratur (Sammlung Metzler 78). Stuttgart.
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• [Herausgeber und Übersetzer] Schwedische Volksmärchen. Düsseldorf/ Köln.
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1978 • Die Skandinavistik – ein ›kleines Fach‹. In: Frédéric Durand: Nordistik: Einführung in die skandinavischen Studien. Mit Beiträgen von Kurt Schier und François–Xavier Dillmann, München, S. 7–11. • [Herausgeber und Übersetzer] Die Saga von Egil (Saga 1). Düsseldorf/ Köln.
1980 • Zur Problematik der Beziehung zwischen Bilddetail und Bildganzem. In: Flemming G. Andersen et al. (Hgg.), Medieval iconography and narrative: A Symposium. Odense, S. 167–182.
1981 • Die Literaturen des Nordens. In: Klaus von See (Hg.), Neues Handbuch der Literaturwissenschaft. Bd. 7 hg. von Henning Kraus: Europäisches Hochmittelalter. Wiesbaden, S. 535–570. • Zur Mythologie der Snorra Edda: einige Quellenprobleme. In: Ursula Dronke et al. (Hgg.), Specvlvm Norroenvm: Norse studies in memory of Gabriel Turville-Petre. Odense, S. 405–420. • [Nachwort] Die Edda: Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Germanen. Übertragen von Felix Genzmer. München [einbändige Neuausgabe].
1983 • [Herausgeber und Übersetzer] Märchen aus Island. Köln.
1987 • Skandinavistik. In: Heinz–Jürgen Beyer: Studienführer Sprach- und Literaturwissenschaften. München, S. 156–167.
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1990 • Sammlung, Wiederbelebung und Neudichtung von Heldenballaden auf den Färöern zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Historische Voraussetzungen und Konsequenzen. In: Hermann Reichert / Günter Zimmermann (Hgg.), Helden und Heldensage. Otto Gschwantler zum 60. Geburtstag. Wien, S. 329–358.
1991 • Anfänge und erste Entwicklung der Literatur in Island und Schweden: Wie beginnt Literatur in einer schriftlosen Gesellschaft? In: Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste 10, Forschungsbeiträge der Geisteswissenschaftliche Klasse. München, S. 103–149.
1992 • Breiðablik/Bredebliche: Zur Frage einer Balder–Überlieferung in Dänemark. In: Finn Hødnebø, Jon Gunnar Jørgensen, Else Mundal, Magnus Rindal, Vésteinn Ólason (Hgg.), Eyvindarbók. Festskrift til Eyvind Fjeld Halvorsen, 4. mai 1992. Oslo, S. 273–281. • Skandinavische Felsbilder als Quelle für die germanische Religionsgeschichte? Einige einführende Überlegungen über Möglichkeiten und Grenzen der religionswissenschaftlichen Felsbildinterpretation. In: Heinrich Beck / Detlev Ellmers / Kurt Schier (Hgg.), Germanische Religionsgeschichte. Quellen und Quellenprobleme (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 5). Berlin/New York, S. 162–228. • [Herausgeber zusammen mit Heinrich Beck / Detlev Ellmers] Germanische Religionsgeschichte. Quellen und Quellenprobleme (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 5). Berlin/New York. • [Nachwort] Die schönsten Geschichten aus Thule. Hg. von Heinrich Matthias Heinrichs. Zeite Aufl. München. • [Einleitung] Die Edda: Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Germanen. Übertragen von Felix Genzmer. München [Sonderausgabe der einbändigen Neuausgabe von 1981].
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1994 • Nordlichter. Ausgewählte Schriften 1960–1992. Hgg. von Ulrike Strerath-Bolz / Stefanie Würth / Sibylle Geberl. München. • Eine neue Sammlung Thule? Möglichkeiten, Aufgaben und Grenzen der Übersetzung altnordischer Literatur in unserer Zeit. In: Skandinavisztikai Füzetek. Papers in Scandinavian Studies, 1994, S. 42–67.
• Om kvæði – diktningen på Færøjene i det 19. århundrede. In: Fróðskaparrit 42, Jóannes í Króki 200 ár. Tórshavn, S. 37–41. 1996 • [Herausgeber] Saga. Bibliothek der altnordischen Literatur. 8 Bände (mehr nicht erschienen). München 1996–1999. • [Herausgeber und Übersetzer] Egils Saga. Die Saga von Egil SkallaGrimsson (Saga. Island – Literatur und Geschichte). München. • Die Literaturen des Nordens. In: Gangolf Hübinger (Hg.), Versammlungsort moderner Geister: der Eugen Diederichs-Verlag – Aufbruch ins Jahrhundert der Extreme. München, S. 411–449.
1997 • Konrad Maurer. Ævi hans og störf. In: Konrad Maurer. Íslandsferð 1858. Þýðandi Baldur Hafstað. Reykjavík, S. XIV–XXXIII.
1998 • Literatur als historisches Argument: Einige Bemerkungen zum Nachwirken Snorris in Skandinavien vom 17.–19. Jahrhundert. In: Hans Fix (Hg.), Snorri Sturluson: Beiträge zu Werk und Rezeption (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 18), Berlin/New York, S. 181–229.
1999 • Loki og Heimdallur. Athugasemdir um eðli og uppruna torræðra goða. In: Haraldur Bessason / Baldur Hafstað (Hgg.), Heiðin minni. Greinar um fornar bókmenntir. Reykjavík, S. 25–46.
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2002 • Der Toten Tatenruhm. Wie „nordisch“ ist die altnordische Literatur? In: Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste 23, Forschungsbeiträge der Geisteswissenschaftlichen Klasse. München, S. 231–263. 2003 • [Vorwort] Árni Björnsson: Island und der Ring des Nibelungen. Richard Wagner – Eddas und Sagas. Reykjavík, S. 9–13. 2004 • Konrad Maurer und der Beginn nordischer Studien an der Universität München. In: Klaus Böldl / Miriam Kauko (Hgg.), Kontinuität in der Kritik. Zum 50jährigen Bestehen des Münchener Nordistikinstituts. Historische und aktuelle Perspektiven der Skandinavistik (Nordica 8). Freiburg i. Br., S. 19–45. 2005 • Mythos und Sage in der altisländischen Literatur, insbesondere der Sagaliteratur. Probleme und Überlegungen. In: Leander Petzold / Oliver Haid (Hgg.), Beiträge zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der Volkserzählung. Berichte und Referate des 12. und 13. Symposions zur Volkserzählung, Brunnenburg/Südtirol 1998–1999 (Beiträge zur europäischen Ethnologie und Folklore, Reihe B, Forschungsberichte und Materialien 9). Frankfurt a.M. u. a., S. 179–215. • Getanzte Geschichte und Geschichten: Färöische Balladen und die Entstehung des Bewusstseins einer nationalen kulturellen Identität auf den Färöern im 19. Jahrhundert. In: Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste 26, Forschungsbeiträge der Geisteswissenschaftlichen Klasse. München, S. 111–140.
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II. Beiträge und Artikel in Lexika Enzyklopädie des Märchens, hg. von Kurt Ranke, zusammen mit Hermann Bausinger et al. Berlin/New York 1977 ff. Aussatz (mit Hans-Jörg Uther) • Animismus • Astralmythologie • Edda • Germanisches Erzählgut • Leyen, Friedrich von der • Loki • Saga
Handbuch Religionswissenschaft. Religionen und ihre zentralen Themen, hg. von Johann Figl. Innsbruck/Göttingen 2003. Germanische Religion
Handlexikon zur Literaturwissenschaft, hg. von Diether Krywalski. München 1974. Altgermanische Dichtung
Kindlers Literaturlexikon. Zürich 1965–1974, Bd. 1–8. Ágrip af Nóregs konunga sǫgum • Alvíssmál • Álvur kongur • Ánaniasar táttur • Arinbjarnarkviða • Ásmundar saga kappabana • Atlakviða • Austrfararvísur • Balder-Lieder • Baldrs draumar • Bandamanna saga • Barbara (Jørgen-Frantz Jacobsen) • Bersǫglisvísur • Bjarkamál • Bjarnar saga hítdælakappa • Brávallaschlacht-Lied • Brókar táttur (Hanns Mikkjalsson í Leynum) • Brot af Sigurðarkviðu • Darraðarljóð • Draumkvaedet (zusammen mit Heiko Uecker) • Droplaugarsona saga • Edda • Edda (Snorri Sturluson) • Egils saga Skallagrímssonar • Eiríks saga rauða • Eiríksdrápa • Eiríksmál • Elis saga ok Rosamundu • Erex saga • Erfidrápa Óláfs helga • Eyrbyggja saga • Fastatøkur (Heðin Brú) • Færeyinga saga • Færøeske kveair, eller gamle kjempe-sange samt Rujmur, samlede og optegnede i Aarene 1781 og 1782 (Jens Christian Svabo) • Færöiske kvæder (Venceslaus Ulricus Hammershaimb) • Færøiske qvæder om Sigurd Fofnersbane (Hans Christian Lyngbye) • Færøsk anthologi (Venceslaus Ulricus Hammershaimb) • Færøske folkesagn og æventyr (Jakob Jakobsen) • Feðgar á ferð (Heðin Brú) • Føroya kvæði. Corpus carminum Færoensium (Svend Grundtvig; Carl Christian Rafn) • Fornaldarsögur • De fortabte Spillemænd (William Heinesen) • Fóstbræðra saga • Friðþjófs saga ins frækna • Fuglakvæði (Poul Nolsøe) • Gautreks saga • Geyti Ásláksson • Gongurólfs kvæði • Háleygjatal • Haustlǫng • Hemings þáttr Áslákssonar • Hervarar saga ok Heiðreks konungs • Hrafnkels saga Freysgoða • Húsdrápa • Íslendingabók • Íslendingasögur • Jákup á Møn (Poul
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Nolsøe) • Jómsvíkinga vísa • Karlamagnúsar kvæði • Kjartans tættir • Koralds kvæði • Lognbrá (Heðin Brú) • Lokka táttur • Óluvu kvæði • Ormurin langi (Jens Christian Djurhuus) • Páll í Lorvík • Sagaliteratur • Sigmundar kvæði • Sjúrðar kvæði • Sniolvs kvæði • Tístrams táttur • Die neuisländische Literatur • Die färöische Literatur
Kindlers Neues Literaturlexikon, hg. von Walter Jens, Chefred. Rudolf Radler. München 1988–1992, Bd. 1–20. Ágrip af Nóregs konunga sǫgum • Alvíssmál • Ásmundar saga kappabana • Atlakviða • Balder-Lieder • Baldrs draumar • Bandamanna saga • Barbara (Jørgen-Frantz Jacobsen) • Bjarnar saga hítdælakappa • Brávallaschlacht-Lied • Brókar táttur (Hanns Mikkjalsson í Leynum) • Brot af Sigurðarkviðu • Darraðarljóð • Draumkvaedet (zusammen mit Heiko Uecker) • Droplaugarsona saga • Edda • Edda (Snorri Sturluson) • Egils saga Skallagrímssonar • Eiríks saga rauða • Eiríksmál • Erex saga • Eyrbyggja saga • Fastatøkur (Heðin Brú) • Færeyinga saga • Færøeske kveðir, eller gamle kjempe-sange samt Rujmur, samlede og optegnede i Aarene 1781 og 1782 (Jens Christian Svabo) • Færöiske kvæder (Venceslaus Ulricus Hammershaimb) • Færøiske qvæder om Sigurd Fofnersbane (Hans Christian Lyngbye) • Færøsk anthologi (Venceslaus Ulricus Hammershaimb) • Feðgar á ferð (Heðin Brú) • Føroya kvæði. Corpus carminum Færoensium (Svend Grundtvig; Carl Christian Rafn) • Fornaldarsögur • De fortabte Spillemænd (William Heinesen) • Fóstbræðra saga / Friðþjófs saga ins frækna • Fuglakvæði (Poul Nolsøe) • Gautreks saga • Geyti Ásláksson • Hemings þáttr Áslákssonar • Hervarar saga ok Heiðreks konungs • Hrafnkels saga Freysgoða • Íslendingasögur • Jákup á Møn (Poul Nolsøe) • Karlamagnúsar kvæði • Lognbrá (Heðin Brú) • Lokka táttur • Ormurin langi (Jens Christian Djurhuus) • Páll í Lorvík (Jens Christian Djurhuus) • Sagaliteratur • Sigmundar kvæði • Sjúrðar kvæði • Sniolvs kvæði
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, begründet von Johannes Hoops. Zweite, völlig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter hg. von Heinrich Beck et al. 35 Bde. und zwei Registerbände. Berlin/New York 1973–2008. Arzneibücher • Arzt • Aussatz • Badewesen • Balder • Chirurgie • Edda, Ältere • Fieber • Geschwulst und Geschwür • Lungenentzündung • Maurer, Konrad von
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III. Rezensionen • Reimund Kvideland, Glunten og riddar Rev, 1977. In: Fabula 23 (1982), S. 136 f. • Peter Buchholz, Vorzeitkunde. Mündliches Erzählen und Überliefern im mittelalterlichen Skandinavien nach dem Zeugnis von fornaldarsaga und eddischer Dichtung, 1980. In: Skandinavistik 12 (1982), S. 152–154. • Otto Holzapfel, Det balladeske, 1980. In: Fabula 24 (1983), S. 153 f. • Preben Meulengracht Sørensen, Norrønt nid, 1980. In: Fabula 24 (1983), S. 170 f. • Norwegische und Isländische Volksmärchen, hg. von Reimund Kvideland / Hallfredur Örn Eiríksson, 1988. In: Fabula 31 (1990), S. 155–157. • John Lindow / Lars Lönnroth / Gerd Wolfgang Weber, Structure and Meaning in Old Norse Literature. New Approaches to Textual Analysis and Literary Criticism, 1986. In: Fabula 31 (1990), S. 160–163. • Magnús Einarsson, Icelandic-Canadian Oral Narratives, 1991. In: Fabula 35 (1994), S. 330–332.
IV. Rundfunkbeiträge (Auswahl) • Sankte Hans führt zum Tanz: kleine Geschichte des Reigens. Bayerischer Rundfunk, 1956. • Die Märchen der modernen Menschen. Bayerischer Rundfunk, 1958. • Der Girglhofbauer. Bayerischer Rundfunk, 1962 (Aufnahme 1961). • Der Dichter und seine Landschaft: Selma Lagerlöf und ihr Schweden. Bayerischer Rundfunk, 1965. Hinzu kommen zahlreiche Artikel zur isländischen und färingischen Literatur in Brockhaus Enzyklopädie und in Meyers Enzyklopädisches Lexikon.
Indices Eigennamen Aaron 710, 712 Abelard 711 Achilles 112, 349, 350, 359, 412 Adam 576 Adam von Bremen 573, 576, 652 f., 683, 693 f. Aefrics 30 Aelian 408 Aemilius Macer 59 Agathias 613 Agnarr (Sohn des Ragnarr Lóðbrok) 383 f. Agni (Schwedenkönig) 133 f. Ahreman 537 Aischylos 420 Albinus (englischer Kleriker) 581 Aléxios (Kirjalax saga) 585 Alexios I. Comnenus 585 Allekto 419 Alvíss 535 Amerigo Vespucci 738 Ammianus Marcellinus 614 Án (Schwedenkönig) 705 Anāhitā 536 Angrboða 487 Angul 770 Aphrodite 427, 429, 451, 514 Apuleius 656, 658 Ari Þorgilsson 328 Aristophanes 283 Arminius 113, 334 Arngrimr Jónsson 770
Arnhöfði (Odins-heiti) 554 Arnobius (der Ältere) 684 Arnórr Þórðarson jarlaskáld 445, 766 Aron Hjörleifsson 175 Artemidorus 99 Artemis 515 Arthur (Artus) 224, 348 Asen (Áss, Æsir) 9–12, 15–18, 21, 25, 39, 478, 622, 662, 672, 746 f., 749 Ásgísl (Kragehul-Speerschaft) 662 Áslaug Sigurðsdóttir 369, 384, 767 Ástriðr manvitsbrekka 221 f. Atilius Regulus 374 Atli 338, 340, 344, 347, 348 f., 352, 353, 358, 360 Attus Naevius 624 Augmund von Spanheim 214 Augustinus 91, 293, 303, 318, 683 f., 712 Aun (Schwedenkönig) 705 Aurinia 609, 611 Axtya 536 ff. Bacchus 40, 78, 287 Balderus 438 f., 473, 475 f. Baldr 19, 26, 373, 376, 434, 436, 438, 452, 467, 471–478, 481–485, 493, 518, 521, 534, 657, 674 f., 805, 809, 822 Beda venerabilis 581
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Bendigeitvran 95 f., 98 f., 106, 108, 110 f. Beowulf 437, 475, 478, 518, 810 Bergr Sokkason 673 Bestla 145, 651, 656 Bjarni Kolbeinsson (Bischof) 270 Björn (Rök-Stein) 495 Bodb, Badb 402–408, 428, 433, 447, 450 f. Bodua 406 Boethius 301 Bolli Bollason 169, 172 f., 182, 331, 343 Bous 472 ff. Bragi 104 Brandan, Hl. 98 Brandur Jónsson 710 Branwen 95–97, 110 f. Brísingr 522 Bruder Robert 223, 226, 232 Brúni, Bruno (Odin) 705, 774 Brutus 98 Brynhildr (Brynhild) 112, 119, 336–339, 342–346, 398 f., 407, 428, 442, 448 Bullaʀ 747 Burr 14, 511, 520 Burchard von Worms 697 Byggvir 505 Böðvildr (Bödwild) 547 Caesar 117, 609, 613, 730 f., 734, 737 Cailb 405 Cathubodua 405 f. Cato d. Ältere 30, 39 Celaeno 429 Charun 412, 416 Cicero 608, 616 Clemens (Papst) 674
Indices
Clemens von Alexandrien 609 Columbus 735, 737 ff. Conaire der Große 405 Ctesias von Cnidus 283 f., 286, 290 Cú Chulainn 403 f. Dagda 404, 451 Daniel (Prophet) 637 Danpr 754, 756, 759, 772 f. Danr 754, 756, 770, 772 f. David (König) 637, 711 Deor 106 Dio Cassius 614 f. Dionysus 682 f. Dofri 137, 138, 140 Dómaldi 133, 389 Don Buesco 101 f. Donar (s. a. Þórr) 107 Donat 30 Drífa 131 f. Drusus der Ältere 614 f. Drusus Germanicus 739 Dudon de Saint-Quentin 368, 370 Dusli 760, 764 Dyggvi 438, 769 Eberhard von Béthune 597 Egill Skalla-Grímsson 142, 256, 277, 334, 340, 346, 372, 487, 701–706, 708–711, 767 Einarr Helgason 630 f. Eiríkr (Sohn des Ragnarr Lóðbrok) 383 f. Eiríkr blóðøx 767 Eormenrîc 518 Ereschkigal 515 Erminríkr 518 Ernmas 402 f. Erpr 330 Eucherius von Lyon 597 Euripides 420
Eigennamen
Eurydike 99 Eva 576 Evnyssien 95, 96 Eysteinn (Schwedenkönig) 383 f. Eysteinn Ásgrímsson 673 Eyvindr skáldaspillir 177, 649 Fáfnir 113 f., 329, 338, 479, 535 Fárbauti 503 f., 507, 521 Fastrada 140 Fedelm 433 Fenriswolf (Fenrisúlfr, Fenrir) 12, 24, 479, 487 f., 671 Ferchertne 535 f. Finn Árnason 680 Fjölnir 576, 672 Flavius Philostratus 284 f. Flóki Vilgerðarson 368 Freyja 9, 11, 16 f., 19, 40, 434, 439, 444, 504, 506, 510, 513– 519, 522 f., 554, 656, 672, 674 f. Freyr 11, 135, 139, 142, 144, 145, 260, 263 f., 275, 452, 473, 567 f., 576 f., 656, 674 f., 683, 693 f. Fridanc (Freidank) 32 Friedrich Barbarossa 321, 357 Frigg 23, 138, 444, 476, 531, 533, 624, 672, 674 f., 822 Fróði 333, 567 f., 576 f. Gagnráðr, Gangráðr (Odins-heiti) 532 f., 711 Gambara 609, 617 Ganna 609, 617 Garmr 8, 22 ff., 479, 488 Gauti 691 Gefjon 330, 517 f., 674 f. Geirrøðr (Grímnismál) 137 f., 657
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Geoffrey of Monmouth 224, 758 Gerðr 116, 142, 145 f., 656, 693 Gerhard Mercator 738 Gestr Oddleifsson 639 Gestumblindi 534–536, 538 Gils, Spá-Gils 620 Gísli Súrsson 335 Gizurr inn hvíti 258 Gjúki 330, 335, 340, 342, 344, 759 Gottfried von Strassburg 120, 223, 233, 350, 360 Gregor von Tours 333, 609 Grendel 490, 493, 518, 810 Grettir inn sterki 152, 158 f., 333 Gríðr 481 Grímr (Deckname des Königs Óláfr inn helgi und seiner Begleiter) 680, 688, 690 Grípir 617 Guðmundr Arason (Bischof) 268, 275 Guðríðr 621 Guðrøðr ljómi Haraldsson 140 Guðrøðr veiðikonungr 754 Guðrún Gjúkadóttir 222, 332, 336–361 Gullveig 10 Gunnr 398, 494 Gunnarr 332–333, 338 f., 342, 347, 353, 400, 439 Gunnarr Egilsson 703 f. Gunnlaugr Ilugason 765 Gunnlaugr Leifsson 637 Gunnvaldr (Snoldelev-Stein) 660 Guntram Boso 609 Göndlir (Odins-heiti) 387
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Göndul (Sörla þáttr) 370, 385 ff., 393 Haddingus 774 Hades 413, 416, 422 Hadrian (griechischer Kleriker) 581 Hæðcyn 474, 476, 478 f. Hagen (Högni) 96, 100 f., 103 ff., 109, 330, 332 f., 338, 346, 348, 351–355, 357, 359 Haislarr (Rök-Stein) 495 Hákon (Jarl) 87, 630 f., 632, 755, 770 Hákon I. Aðalsteinsfóstri 177, 393, 398 f. Hákon IV. Hákonarson 133, 223, 755 Hákon ungi Hákonarson 755 Hálfdan (Hrólfs saga kraka) 772 Hálfdan (Norwegischer König) 438 Hálfdan gamli 7 68 Hálfdan svarti 135 ff., 140 f., 143 Hâma 518 f. Hamðir 330, 346 Haraldr Gormsson 275, 695 Haraldr harðráði 141, 275, 329 ff., 584, 766 Haraldr hárfagri 132, 134, 136– 146, 179, 307, 333, 336, 755, 772 Haraldr hilditönn 113, 705, 774 Haraldr Siguðarson 178 Hárr (Odins-heiti) 10, 622 f., 660, 748 Heðinn 104 ff., 108, 370 ff., 385 ff. Heiðr (Völuspá) 11, 14, 697 Heiðrekr 534 ff.
Indices
Heimdallr (Heimdall) 14, 18, 22, 145, 504–511, 513 f., 518– 523, 674 f., 677, 755, 759 Heimdöll 514, 674, 677 Heimir 518 f. Heinrich von Veldeke 349 Hekabe 488 Hekate 488 Hektor 88, 90 f. Hel 21, 434, 436, 438 f., 477, 479, 486 ff., 493 Helgi (Hrómundar saga) 443 Helgi 772 Helgi Hundingsbani 440, 443, 448 Helios 514 Hera 514 Heraklit 627 Herebeald 474 ff. Heremod 479 Herföðr (Odins-heiti) 617 Hermóðr 473, 484, 657 Herodot 426, 568 Hervör (Gattin des Högni) 385, 387 f. Hervör (Völundarqviða) 446 Hesiod 420, 573 Hetele 100, 106, 109, 110 Hieronymus 712 Hilde ▷ Kûdrûn Hildr (Tochter Högnis) 103, 371, 385–388, 401, 448 Hjalmarr 544 Hjörvarðr 437 Hlaðguðr (Völundarqviða) 446 Hlökk (Walküre) 445 Holterdipolter 746 f. Homer 154, 162, 282, 421 f., 514, 817
Eigennamen
Honorius Augustodunensis (Honorius von Autun) 295, 757 Horant (Herzog) 100, 103, 105 f., 109 Horaz 5, 10, 419 Hotherus (s. a. Höðr) 475 f. Hrabanus Maurus 295, 303 Hrafn (Järsberg-Stein) 662 Hræsvelgr 444, 488, 710 Hrafnáss (Odins-heiti) 662 Hrafnkell Freysgoði 243 f., 251 Hreðel 474 f., 484 Hreiðulfr (Rök-Stein) 495 Hrólfr kraki 774 Hrómundr Eyvindarson halti 628 Hrothgar 660 Hrútr 170 f. Hugo II. (Bischof) 31 Hulð seiðkona 131 ff. Hullaʀ 747 Hvamm-Sturla Þórðarson 272, 278 Hyrrokkin 373 Hœnir 15, 25, 674 f. Höðr (s. a. Hotherus) 19, 26, 473, 476 ff., 481 Högni (König von Dänemark) 70 f., 385 f., 388 Hörðr (Rök-Stein) 495 Ibn Fadlan 694 Iðunn 437, 522 f. Indra 493, 574 Ingimundr Þorsteinsson 143– 146 Ing-Valdr (Rök-Stein) 495 Ischtar (Inanna) 515 Isidor von Sevilla 281, 295 Isolt (Isönd) 119, 180, 223 f., 227 f.
879
Iven 180 f. James Cook 370, 738 Járnsaxa 481 Jesus Christus 89, 91, 189, 297, 320 f., 483, 651, 672, 710 Johannes 89 Jordanes 624 Jörðr 472, 481, 764 Jörmungandr (s. a. Miðgarðsormr) 487 Jörmunrekr 330 Jötunbjörn (Iotunbiorn) 477 Jötunn 477 f. Jötunoxi 477 Kára 442 f. Karl d. Große 107, 140, 468 Kerberos 416, 488 Ketill Jörundarson 7 01, 706 Kjartan Ólafsson 1 69, 331 Knut der Große 755, 758, 766, 781 Koljo 486 Konrad (Pfaffe K.) 107 Konrad Fleck 234 Kormakr Ögmundarson 623 Kŕsna 492 Kûdrûn 100–102, 104, 108, 120 Kynmundr (Rök-Stein) 495 Lamprecht (Pfaffe L.) 99 Liber 684 Litr 373 Lóðurr 15, 671 Loki 11 f., 19 f., 23, 438, 473, 476 f., 481, 487, 504–507, 509 ff., 514, 517, 519–523, 544, 551, 671, 674 f., 822 Macha 402, 404 Magni 481 Magnus berfœttr Óláfsson 178 Magnús inn góði Óláfsson 764, 781
880
Máni (Skalde) 176 Mara 131 Marcus Annaeus Lucanus 59 Mardöll, Marþöll 513 f. Maria (Gottesmutter) 229 ff., 308, 672, 710 Markús Skeggjason 766 Martianus Capella 302 Martin Waldseemüller 738 Matholwch 95, 97 f. Matthias Ringmann 738 Medb 573 Michael IV. (Byzantinischer Kaiser) 585 Míðgarðsormr (Mitgardschlange, World Serpent) 22, 479 Mímir 13, 18, 22, 711 Morrígan 402–405, 433, 451 Moruran 98 Moses 710 Muha 662 Mutunus (Tutunus) 684 Mörnir 680, 690, 695 Nanna 476 Narfi 12, 19 Néde 535 f. Némain 402, 405 Níðhöggr 20, 25, 399 Níðuðr 546 f. Nikulás Bergsson 332 f., 348, 584 Njáll 242, 344 Njörðr 11, 126, 139, 146, 631, 657, 674 f., 695 Oddbjörg 620 Oddr Snorrason 215, 218 Óðinn (Odin, s. a. Othinus, Wodan) 10 f., 13 ff., 17, 21 f., 25, 40, 86, 88, 113, 126, 137 ff., 145, 164 f., 256, 262 ff., 272–275, 277, 332,
Indices
340, 387, 397–400, 432, 434– 437, 440, 443 f., 472 ff., 476, 481, 484, 491 f., 516 f., 531– 536, 538, 551, 554, 569, 577, 616 f., 623, 627 f., 632, 649– 664, 671 f., 674 f., 690, 705 ff., 711 f., 750, 755, 771, 773 f., 815 Odysseus (Ulixes) 90, 320, 421, 425 Óláfr Geirstaðaálfr 573 Óláfr hvíti 754 Óláfr Sigurðsson inn helgi (Olaf der Heilige) 103, 134 f., 177, 229, 680 f., 689 ff., 696, 781 Óláfr pái (Olaf Pfau) 169, 170, 176, 181, 221, 503 Óláfr Tryggvason 87, 134, 176, 386 Óláfr Þórðarson 670 Orpheus 99, 105 Othinus (s. a. Óðinn, Wodan) 774 Ottar 147 Óttarr svarti 766 Otto von Ostia 796 Ovid 60, 337, 349, 419 Pandora 520 Patrick (Hl.) 114 f. Paulus Diaconus 684 Persephone 413, 416, 422, 657 Platon 421, 607, 615 Plinius d. Ä. 281, 290 ff., 298, 318, 321, 422 Priapus 683 ff. Prometheus 520 Proserpina 438 Ráðulfr (Rök-Stein) 495 Rán 371, 439 Reginn 479, 547, 759
Eigennamen
Rígr 676, 751 f., 754, 757, 759, 767–774 Rindr, Rinda 472, 481 Roald (Snoldelev-Stein) 660 Roger Williams 736 Rota (Walküre) 443 Rugulfr (Rök-Stein) 495 Ruta 443 Rögnvaldr (Jarl) 661 Samr Bjarnarson 242 f., 245 Saxo Grammaticus 108, 331, 368, 369, 387, 400 f., 438 f., 443, 472 f., 475, 477, 481 f., 484, 544, 575, 576 f., 705, 756, 770, 773 f. Seneca 735 Sif 522, 674 f. Sighvatr Sturluson 256, 267– 271, 273 f., 276 ff. Sigmundr (Sigmund) 573, 764 Sigrdrífa 108, 400, 434, 759, 767 Sigrún 399, 440, 443, 445, 451 Sigurðr (Siegfried, Sigurd) 100 f., 108, 112, 114 ff., 118 f., 329, 332–361, 400, 434, 448, 535, 574, 617, 628, 639, 759 f., 764, 767, 772 Sigurðr Jórsalafari 212, 214 Sigurðr ormr í augu 767 Sigvatr Þórðarson 177, 268, 271 ff., 278, 766 Sigyn 11, 20, 544 Silius Italicus 407 f. Sinfjötli 573, 619 Skaði 126, 146, 493, 657, 695 Skafnartung 94 Skíði 672 Skúli (Jarl) 133, 272 Skögul (Walküre) 21, 393
881
Snæfriðr 132, 134, 140 ff., 336 Snorri Sturluson 86–93, 103, 106, 108, 126, 131, 133, 135– 138, 140, 174, 177 f., 182, 211 f., 214, 256, 262, 268 f., 272 f., 275 ff., 329, 333, 345, 347 f., 373, 376, 387, 389, 397, 399 ff., 472 f., 476 ff., 481, 483–487, 504–513, 521, 554, 567, 569, 575 f., 631 f., 657, 669 f., 689 f., 692, 701– 704, 712, 754, 768 f., 773 Starkaðr 544, 652, 661, 705, 774 Steinn Herdísarson 766 Strabo 282, 304 Sturla Sighvatsson 175, 274 ff. Suanhuita 443 Suetonius 614 Suttungr 443, 554 Svanhildr 330 Svanhvít (Hrómundar saga) 443 Sváva 451 Sven Estridssøn 764 Sven von Broby 778, 798 f. Tacitus 571, 576, 611 f., 614, 626, 731 Tertullian 292, 422 Theoderich (Dietrich, Thidrek, Þjóðríkr) 120, 339, 348, 353, 355, 360 f., 468, 471, 494 Theodosius (griechischer Kleriker) 581 Theophanu 583 Thomas von Bretagne 223, 226, 234 f. Thur (s. a. Þórr) 368 Tobias von Rochester 581 Tristan (Tristram) 119, 180, 223–226, 228, 308
882
Týr 631 f., 674 f. Úlfhildr Óláfsdóttir hins helga 781 Úlfr Uggason 503, 508 f., 512 Ullinn 491 f. Ullr 126, 493, 674 f. Unferth 660 Urban II. 796 Urðr (Urd) 18, 660 Útgarða-Loki 671 Vafþrúðnir 531 ff. Váfuðr (Odins-heiti) 649 Valerius Maximus 374 Váli 12, 19, 472 ff., 481 Valkr (Rök-Stein) 495 Vámóðr (Rök-Stein) 470, 475, 485, 494 Vanlandi 131 f., 134, 141 Vanth 393 f., 409, 411–419, 424, 428 f., 441, 449, 451 f. Varinn (Rök-Stein) 470, 475, 482, 494 Varuna 492 f. Vegtamr (Odins-heiti) 771 Veleda 609 ff., 614 Venus 40, 78, 402 Vergil 60, 420, 429 Victoria Cassibodua 406 Víðarr 24, 481, 765 Viðolfr 623 Víga-Glúmr Eyólfsson 256 f., 260, 262 ff. Víkarr 368, 652, 661, 692 Víli 472, 711 Vilinn 472 f., 475, 481 f., 485, 495 Vísburr 132 f. Vitellius 609 Vitus Bering 738 Vrtra 493 Völsi 114, 680, 693, 695
Indices
Völsungr 400 Völundr (Velent, Wieland) 107, 442, 448, 540, 546–550, 552 ff. Walahfrid Strabo 582, 613 Walther von der Vogelweide 348 Waluborg 609, 617 Wate 100 f., 107, 110 Wealhtheow 437 Wilhelm der Eroberer (William the Conqueror) 711 Wodan (s. a. Óðinn, Othinus) 107, 805 f., 814, 822 Yggdrasill 13 f., 18, 22 Ymir 14, 483 f., 571 Yngvarr viðförli 584 Yngvi 764 Yōišta, Yōšt 536 ff. Zalmoxis 567 Þjazi 126, 522, 657, 695 Þjóðólfr Arnórsson 766 Þjóðólfr ór Hvini 215, 329, 504, 514 Þorbjörg litilvölva 621 Þorbjörn hornklofi 179, 398 Þórðr Kolbeinsson 766 Þorfinnr karlsefni 309, 311 Þorgerðr Egilsdóttir 706 Þorgils Oddason 174 Þórir Ketilsson 221 f. Þórleifr spaki 135, 140 Þormóðr kolbrúnarskáld 680 Þórólfr Kveld-Úlfsson 128 Þórólfr Mostrarskeggr 630, 633 Þórr (Thor, s. a. Thur) 10, 17, 24, 86–88, 90, 330, 373, 472 f., 482, 492 f., 495, 504 f., 522 f., 535, 544, 574, 630, 656 f., 660, 671 f., 675, 695, 712, 764
Eigennamen
Þrymr 523, 656 Þökk 521 Ægir 439, 710 Æstridh von Broby 78, 798 f.
Østen von Broby 778, 798 f. Önundr víss 631 Örn (Odins-heiti) 554
883
884
Indices
Quellen (Literatur) Ab urbe condita (Livius) 297, 625 Abecedarium Nordmannicum 582 Ad nationes (Tertullian) 292 Adelae Comitissae (Baldericus Burguliensis) 300 ff. Adversus nationes (Arnobius) 684 Aeneis (Vergil) 299, 343 f., 349 f., 355, 419 f. Ágríp 136, 138, 140 Alexanderlied (Pfaffe Lamprecht) 99 Alexanders saga (Brandr Jónsson) 710 Alma chorus domini (Sequenzdichtung) 598 Alvíssmál 535, 537, 756, 758 Annales Fuldenses 620 Annolied 350, 361 Anonyme Skaldendichtung – (10. Jh.) 623 – (13. Jh.) 634 Ánsrímur 673 Antiquitates Judaicae (Flavius Josephus) 612 Antiquitates Romanae (Dionysios von Halicarnassos) 625 Apollonius-Roman 102, 119 Apologeticum adversus gentes (Tertullian) 292, 422 Argonautica (Apollonios von Rhodos) 420 Arinbjarnarkviða (Egill SkallaGrímsson) 763, 767 Atlamál in grœnlenzco 338–341, 345 ff., 355, 400, 434, 439 f.
Atlaqviða in grœnlenzca 332, 334, 337 ff., 344 f., 354 f., 358 f. Aves (Aristophanes) 283 Axiochos (Platon) 420 Baile in Scáil 119 Baldrs draumar 434, 438, 473 f., 476, 623, 625, 670, 690 Bárðar saga Snæfellsáss 626 Baudolino (Umberto Eco) 321 ff. Beowulf 319, 330, 333 f., 344, 474–480, 482, 484 f., 518, 660, 810, 845 Bibel 708, 710 Biterolf und Dietleib 107 Bjarkamál 331 Bjarkeyjarréttr 637 Bjarnar saga Hítdœlakappa 34, 639 Borgarþingslo˛ g 130, 623, 637 Branwen verch Lyr 95, 111 Brennu-Njáls saga 239, 242, 250, 252, 639 Brot af Sigurðarqviðo 336, 338 ff., 759 Bruiden Da Choca 403 Bruiden Meic Dareó 403 Búalog 446 Caesar (Plutarch) 609, 612 Carmina (Vergil) 419 Carmina Burana 591 Cath Almaine 403 Cath Catharda 403 Cath Maige Tuired 403 f., 433, 451 Chanson de Guillaume 352 Chanson de Roland 352 f.
Quellen (Literatur)
Chanson Renaus de Montauban 352 Chansons de geste 351 ff., 357, 360 f. Chiliades (Johannes Tzetzes) 283 f. Chronicon (Helinandus) 305 Chronicon de Lanercost 685 Claudius (Sueton) 614 Codex Regius, Liederedda 6, 86 f., 333, 649 f., 674 Codex Regius ▷ Snorra Edda Codex Trajectinus ▷ Snorra Edda Codex Uppsaliensis ▷ Snorra Edda Codex Wormianus ▷ Snorra Edda Collectanea rerum memorabilium (Solinus) 291 Colloquy of the Two Sages 535 f. Commentaria in libros II Paralipomenon (Hrabanus Maurus) 303 Commentarium in Dyonysii periegetae orbis descriptionem (Eustathius von Tessaloniki) 287 Contra Hieroclem (Eusebius von Cäsaräa) 284 Corpus Iuris Hibernici 433 Culex (Pseudo-Vergil) 419 Cynegetica (Oppian) 312 Danakonungarso˛ gur 770 Daniel (Caedmon) 116 Darraðarljóð 111, 397, 400, 433, 450 f. Dauði Atla 345 De Animalibus historiae (Aristoteles) 282
885
De arithmetica (Boethius) 301 De bello Gallico (Caesar) 609, 613, 731, 734 De bello Gothico (Procop) 612 De civitate Dei (Augustinus) 293 f., 684 De divinatione (Cicero) 608, 616, 625 De doctrina christiana (Augustinus) 712 De institutione clericorum (Philipp von Harveng) 305 De imagine mundi (Honorius Augustodunensis) 295 De metris omnibus (Aphtonius) 298 De natura animalium (Aelian) 408 De natura deorum (Cicero) 625 De nominibus Hebraicis (Hieronymus) 303 De nuptiis Philologiae et Mercuri (Martianus Capella) 299 De prosodia catholica (Herodian) 282 De re publica (Cicero) 616, 625 De sancta trinitate et operibus eius (Rupert von Deuz) 304 De universo (Hrabanus Maurus) 295 De virginitate (Guibertus S. Mariae de Novigento) 299 f. De virtutibus mulierum (Plutarch) 609 Deors Klage 105, 552 f. Descriptio mappae mundi (Hugo von St. Viktor) 295 Deus pater piissime (Hymnus) 597 f. Deuteronomium 615 Dicta Catonis 28–82, 630
886
Die Jagd vom Síd na mBan Finn und der Tod des Finn 403 Disticha Catonis ▷ Dicta Catonis Divina Comedia (Dante) 319 ff. Don Bueso (spanische Ballade) 101 f. Duggals leiðsla 637 Dukus Horant 99, 103, 106 Edda, Ältere (Liederedda) 470, 473, 488, 575, 649, 805 Edda, Ältere (Liederedda) ▷ Alvíssmál, Atlamál, Atlaqviða, Baldrs draumar, Brot af Sigurðarqviðo, Dauði Atla, Fafnismál, Grímnismál, Grípisspá, Guðrúnarhvǫt , Guðrúnarqviða hin fyrsta, Guðrúnarqviða o˛ nnor, Hamðismál, Hárbarðzlióð, Hávamál, Helgaqviða Hio˛ rvarðzsonar, Helgaqviða Hundingsbana in fyrri, Helgaqviða Hundingsbana ǫnnor, Helreið Brynhildar, Hymisqviða, Locasenna, Oddrúnargrátr, Reginsmál, Sigrdrífomál, Sigurðarqviða in scamma, Skírnismál, Vafþrúðnismál, Vo˛ lospá, Vo˛ lundarqviða Eddische Dichtung ▷ Bjarkamál, Darraðarljóð, Fjo˛ lsvinnsmál, Heimdallargaldr, Hugsvinnsmál, Hunnenschlachtlied, Hyndlolióð, Merlínússpá, Rígsþula, Trygðamál, Þulur Egils saga einhenda 436 Egils saga Skalla-Grímssonar 256, 275, 277, 626, 701–712 Eiðsivaþingslǫg 130, 617 Eiríks saga rauða 2 81, 309–313, 619, 621, 651
Indices
Eiríksdrápa (Markús Skeggjason) 761 Eiriksmál 332, 397 f., 434, 573 Elucidarius 534 Eneasroman (Heinrich von Veldeke) 360 Epistulae ad Atticum (Cicero) 625 Epistularium Guiberti 304 f. Epitoma Festi (Paulus Diaconus) 684 Erlingsflokkr (Sigvatr Þórðarson) 761 Ernestus, seu carmen de varia Ernesti Bavariae ducis fortuna 296 Esphœlinga saga 258–261, 265, 275 f., 276 Ethnica (Stephanus) 283 Etymologiae (Isidor von Sevilla) 294 Eumeniden (Aischylos) 420 Evangelien 287 f., 297, 304, 321 Eyrbyggja saga 505, 620, 625 f., 628, 630, 632 Fafnismál 114, 479, 535, 762, 766, 810 Fagrskinna 177 f., 218, 626 Fjo˛ lsvinnsmál 116, 142 Flateyjarbók 104, 137 ff., 164, 266, 385, 387, 516, 567, 573, 680, 686, 697 Floire et Blancheflor 234 Flore und Blanscheflur 234 Folkeviser 101 For Scírnis ▷ Skírnismál Formáli ▷ Snorra Edda Fóstbrœðra saga 215, 332, 438 f. Fragment eines Gedichts von Arnórr Þórðarson 761
Quellen (Literatur)
Fragment eines RunhentGedichts auf Haraldr harðráði (Þjóðolfr Arnórsson) 761 Friedrich von Schwaben 550 Frostuþingslo˛ g 623, 637, 753 Gautreks saga 368, 652, 691 f. Geisli (Einarr Skúlason) 341 Genesis 190 Geographica (Strabon) 612–615 Germania (Tacitus) 346, 576, 609–612, 614, 731 f., 735, 742 Gesetze ▷ Bjarkeyjarréttr, Borgarþingslo˛ g, Eiðsivaþingslo˛ g, Frostuþingslo˛ g, Grágás, Gulaþinglo˛ g, Kristinn réttr Jóns erkibyskups, Kristinn réttr Sverrirs, Trygðamál Gesta Danorum (Saxo Grammaticus) 109, 368, 386, 400 f., 438 f., 443, 475 f., 517, 544, 567, 623, 638, 774 Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum (Adam von Bremen) 652 f., 683 Gesta militum (Hugo von Mâcon) 302 Getica (Jordanes) 624 Gísla saga Súrssonar 239, 251, 331, 335, 342, 344 Glossare 402, 404, 660 Glymdrápa (Þorbjörn hornklofi) 398 Grágás 239, 763 Grammatische Traktate – dritter (Þriðja málfræðiritgerðin) 670 – fünfter (Fimmta málfræðiritgerðin) 670 – Prolog 673 Grecismus (Eberhard von Béthune) 597
887
Grettis færsla 690 Grettis saga Ásmundarsonar 34, 152, 154, 158, 307 f., 585 Grímnismál 137 f., 397 f., 401, 434, 436, 439, 508, 531, 534, 657, 670, 675, 690, 749, 762, 765, 814 Grípisspá 334 f., 338, 617 Griplur 442 f. Guðrúnarhvǫt 345 f. Guðrúnarqviða hin fyrsta 264, 340 Guðrúnarqviða o˛ nnor 215, 340 Gulaþinglo˛ g 372, 375 f., 378 ff., 382, 385, 480, 623, 634, 637, 763 Gylfaginning ▷ Snorra Edda Hákonar saga góða ▷ Heimskringla Hákonar saga Hákonarsonar 214, 755, 757 Hákonar saga herðibreiðs ▷ Heimskringla Hákonardrápa (Hallfreðr Ottarson vandræðaskáld) 755 Hákonarmál 393 f., 398 ff., 438, 649 Háleygjatal (Eyvindr Finnsson skáldaspillir) 517 Hálfdanar saga svarta 130, 135– 138 Hamðismál 330 f., 334, 336 ff., 340 f., 345 f. Haralds saga hárfagra 132, 135, 141 Haralds saga Sigurðarsonar ▷ Heimskringla Haraldskvæði (Þorbjörn hornklofi) 179, 397 f., 444, 449 Hárbarðzlióð 670
888
Harðar saga ok Hólmverja 814 Harmsól (Gamli kanóki) 341 Háttalykill (Hallr Þórarinsson & Jarl Rögnvaldr kali) 333 Háttatal ▷ Snorra Edda Hauksbók 6, 8, 13, 306, 368, 759 Haustlo˛ ng (Þjóðólfr ór Hvíni) 504, 514, 516, 522, 695, 763 Hávamál 33, 35, 38 ff., 44, 262 f., 265, 622 f., 638, 649– 664, 709, 748, 750 f., 767, 771 – Ljóðatal 746 – Loddfáfnismál 748 – Rúnatal 650, 748 Hectors saga 307, 309 Heðins saga ok Ho˛ gna 385 Heimdallargaldr 504, 762 Heimskringla 133, 141, 145, 176, 182, 211–214, 218, 262 – Hákonar saga góða 177, 626 – Hákonar saga herðibreiðs 172, 613 – Haralds saga Sigurðarsonar 178 – Magnúss saga berfœtts 178 – Óláfs saga helga 177 – Óláfs saga Tryggvasonar 176 – Ynglinga saga 126, 131, 133, 135, 139, 141, 144, 146, 437, 476, 482, 567, 569, 624, 626, 705, 567, 569, 750 f., 767, 769, 771, 773 Helgaqviða Hio˛ rvarðzsonar 397, 488, 760 Helgaqviða Hundingsbana in fyrri 215, 397, 400, 438, 440, 445, 619, 760, 763 Helgaqviða Hundingsbana o˛ nnor 397, 399, 443, 445 Helgilieder 397, 400, 450 f. Heliand 185–208
Indices
Helreið Brynhildar 345, 398, 442 Hermeneumata Pseudodositheana 312 Hervarar saga 534 ff., 538, 544 Hildebrandslied 334, 347 Historia ecclesiastica gentis Anglorum (Beda venerabilis) 581 Historia Francorum (Aimoin) 609 Historia Francorum (Gregor von Tours) 333, 609 Historia Langobardorum (Paulus Diaconus) 609, 612 Historia Langobardorum codicis Gothani 609 Historia naturalis (Plinius d. Ä.) 290 f., 298, 422, 513 f. Historia Norvegiae 507 Historia regum Britanniae (Geoffrey of Monmouth) 224, 758 Historia Romana (Cassius Dio) 614 f. Historiae (Agathias) 613 Historiae (Tacitus) 610 f., 614 Hohelied 340 Homiliae spirituals (PseudoMacarius) 288 Hrafnkels saga Freysgoða 239, 242–248, 250, 252 Hrafns saga Sveinbjarnarsonar 709 Hrafnsmál ▷ Haraldskvæði Hrólfs saga kraka 620, 624, 772 Hrómundar saga Gripssonar 442 f. Hrynhenda (Arnórr Þórðarson) 445 Hugsvinnsmál 28, 33–37, 39 f., 43–46, 630 f. Hunnenschlachtlied 331
Quellen (Literatur)
Húsdrápa (Úlfr Uggason) 502– 523, 763 Hymisqviða 522, 670, 753, 762, 765 Hyndlolióð 473 f., 476, 504, 522, 620, 623, 635, 758 Ho˛ fuðlausn (Egill SkallaGrímsson) 487, 703 Ho˛ fuðlausn (Óttar svarti) 760 Ilias 282, 420, 514 Ilias Latina 350 In Psalmum LIX (Haymo von Halberstadt) 304 Indika (Ktesias von Knidos) 283 Ingólfs þáttr 264–270, 272, 275 Instructiones ad Salonium (Eucherius von Lyon) 597 Íslendinga saga ▷ Sturlunga saga Íslendingabók 328, 692 Íslendingadrápa (Haukr Valdísarson) 661 Kaiserchronik 348, 360 Ketilsbók 704, 706 Kirjalax saga 585 Klassische Texte ▷ Ab urbe condita (Livius), Ad nationes (Tertullian), Adversus nations (Arnobius), Aeneis (Vergil), Antiquitates Judaicae (Flavius Josephus), Antiquitates Romanae (Dionysios von Halicarnassos), Apollonius-Roman, Apologeticum adversus gentes (Tertullian), Argonautica (Apollonios von Rhodos), Aves (Aristophanes), Axiochos (Platon), Caesar (Plutarch), Carmina (Vergil), Claudius (Sueton), Collectanea rerum memorabilium (Solinus), Contra Hieroclem (Euse-
889
bius von Cäsaräa), Culex (Pseudo-Vergil), Cynegetica (Oppian), De Animalibus historiae (Aristoteles), De bello Gallico (Caesar), De bello Gothico (Procop), De civitate Dei (Augustinus), De divinatione (Cicero), De doctrina christiana (Augustinus), De natura animalium (Aelian), De natura deorum (Cicero), De metris omnibus (Aphtonius), De nominibus Hebraicis (Hieronymus), De nuptiis Philologiae et Mercuri (Martianus Capella), De prosodia catholica (Herodian), De re publica (Cicero), De virtutibus mulierum (Plutarch), Dicta Catonis, Epistulae ad Atticum (Cicero), Geographica (Strabon), Germania (Tacitus), Getica (Jordanes), Hermeneumata Pseudodositheana, Historia Romana (Cassius Dio), Historiae (Agathias), Historiae (Tacitus), Ilias (Homer), Indika (Ktesias von Knidos), Kratylos (Platon), Medea (Seneca), Lexicon in decem oratores Atticos (Valerius Harpocration), Metamorphosen (Ovid), Noctes Atticae (Aulus Gellius), Odyssee (Homer), Onomasticon (Julius Pollux), Orestes (Euripides), Orphische Hymnen, Phaidros (Platon), Pharsalia (Lukan), Physiologus, Periochae (Livius), Persika (Ktesias von
890
Knidos), Punica (Silius Italicus), Res Gestae (Ammianus Marcellinus), Scriptores Historiae Augustae, Scutum (Hesiod), Silvae (Statius), Stromateis (Clemens von Alexandrien), Thebais (Statius), Vita Apollonii (Flavius Philostratus), Vitellius (Sueton), Werke und Tage (Hesiod) Klemens saga páfa 673 f., 677 Knútsdrápa (Óttar svarti) 761, 766 König Rother 107 Konráðs saga keisarasonar 585 Konungs skuggsjá 34 Kormáks saga 222, 619, 634 Krákumál 108, 400, 438, 763, 765 Kratylos (Platon) 421 Kristinn réttr Jóns erkibyskups 637 Kristinn réttr Sverrirs 637 Kûdrûn 94 f., 99–104, 106–110, 120, 517 Kulhwch ac Olwen 97, 111 kvennagaldur 663 La casa della vita (Mario Praz) 316 f. Lais (Marie de France) 360 Landnámabók 221 ff., 235, 258 f., 271 f., 278, 328, 368, 619, 624–627, 630, 633, 811 Langfeðgatal 575 Laxdœla saga 169–182, 221 f., 331, 343, 503, 639 Lausavísur – (Hrómundr Eyvindarson halti) 628 – (Hallfreðr Ottarson vandræðaskáld) 626
Indices
– (Kormakr O ˛ gmundarson) 623 – (Þórvarðr tréfótr) 629 – (Þórvaldr víðfo˛ rli) 626 Le Chevalier de la charrette (Chrétien de Troyes) 360 Lebor Gabála 95, 111, 402 Leiðarvísan (Runólfr Ketilsson) 341 Leiðarvísir (Nikulás Bergsson) 348 Lexicon (Hesychius von Alexandria) 285 Lexicon in decem oratores Atticos (Valerius Harpocration) 284 Liber Paralipomenon primus (Walahfrid Strabo) 303 Liber vitae – von Brescia 780 – von Durham 780 – von New Minster (Winchester) 780 – von Remiremont 780 f. – von Thorney Abbey 780 f. Liederedda ▷ Edda, Ältere Lilja (Eysteinn Ásgrímsson) 673 Ljóðatal ▷ Hávamál Locasenna 505, 508, 517 f., 521, 672, 675, 677, 749, 762 Loddfáfnismál ▷ Hávamál Lokrur 671 f., 676 Lækningabók 672, 677 Mabinogi 95, 97, 100, 104, 110 f. Macgnímartha Find 115 Mādayān ī Yōšt i Friyān 537 Magnúss saga berfœtts ▷ Heimskringla Magnúsflokkr (Þjóðolfr Arnórsson) 7 61 Mahabharata 576
Quellen (Literatur)
Málhlíðingavísur (Þórarinn svarti) 621 Malleus maleficarum (Heinrich Kramer & Jacob Sprenger) 687 f. Málsháttakvæði 111 Maríu saga 709 Medea (Seneca) 735 Meererin (Ballade) 101 f. Melabók 258 f., 261 Memoriale fratrum (Lund) ▷ Necrologium Lundense Merlínússpá (Gunnlaugr Leifsson) 378, 763, 758 Merseburger Zauberspruch – erster 36, 432 – zweiter 805 Mesca Ulad 97 Metamorphosen (Ovid) 419 Mittelalterliche deutsche Texte ▷ Alexanderlied, Annolied, Biterolf und Dietleib, Eneasroman (Heinrich von Veldeke), Flore und Blanscheflur, Friedrich von Schwaben, Heliand, Hildebrandslied, Kaiserchronik, König Rother, Kûdrûn, Merseburger Zaubersprüche, Nibelungenlied, Rolandslied, Tristan Mittelalterliche englische Texte ▷ Beowulf, Daniel (Caedmon), Deors Klage, Old Man’s Lament, Saturn II, Solomon, Widsith Mittelalterliche griechische Texte ▷ Chiliades (Johannes Tzetzes), Commentarium in Dyonysii periegetae orbis descriptionem (Eustathius von Tessaloniki), Ethnica (Stepha-
891
nus), Homiliae spirituals (Pseudo-Macarius), Lexicon (Hesychius von Alexandria), Scholia in Hephaestionem (Georgius Choeroboscus), Suda Vita Isidori (Damascius) Mittelalterliche keltischische Texte ▷ Baile in Scáil, Branwen verch Lyr, Bruiden Da Choca, Bruiden Meic Dareó, Cath Almaine, Cath Catharda, Cath Maige Tuired, Colloquy of the Two Sages, Corpus Iuris Hibernici, Die Jagd vom Síd na mBan Finn und der Tod des Finn, Kulhwch ac Olwen, Lebor Gabála, Mabinogi, Macgnímartha Find, Mesca Ulad, Oidheadh Cloinne Lir, Orgain Denna Ríg, Pedeir Keinc y Mabinogi, Táin Bó Cúailnge, Táin Bó Regamna, Tochmarc Emire, Tochmarc Ferbe, Togail Bruidne Da Derga, Togail na Tebe, Tóruigheacht Dhiarmada agus Ghráinne Mittelalterliche lateinische Texte ▷ Adelae Comitissae (Baldericus Burguliensis), Alma chorus domini, Annales Fuldenses, Carmina Burana, Chronicon de Lanercost, Chronicon (Helinandus), Commentaria in libros II Paralipomenon (Hrabanus Maurus), De arithmetica (Boethius), De institutione clericorum (Philipp von Harveng), De imagine mundi (Honorius Augustodunensis),
892
De sancta trinitate et operibus eius (Rupert von Deuz), De universo (Hrabanus Maurus), De virginitate (Guibertus S. Mariae de Novigento), Descriptio mappae mundi (Hugo von St. Viktor), Deus pater piissime, Dukus Horant, Epistularium Guiberti, Epitoma Festi (Paulus Diaconus), Ernestus, seu carmen de varia Ernesti Bavariae ducis fortuna, Etymologiae (Isidor von Sevilla), Gesta Danorum (Saxo Grammaticus), Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum (Adam von Bremen), Grecismus (Eberhard von Béthune), Historia ecclesiastica gentis Anglorum (Beda venerabilis), Historia Francorum (Aimoin), Historia Francorum (Gregor von Tours), Historia Langobardorum (Paulus Diaconus), Historia Langobardorum codicis Gothani, Historia Norvegiae, Historia regum Britanniae (Geoffrey of Monmouth), Ilias latina, In Psalmum LIX (Haymo von Halberstadt), Instructiones ad Salonium (Eucherius von Lyon), Liber Paralipomenon primus (Walahfrid Strabo), Prophetiae Merlini, Visio Tnugdali, Vita Annonis, Waltharius Mittelalterliche romanische Texte ▷ Chanson de Guillaume, Chanson de Roland, Chanson Renaus de Montauban,
Indices
Chansons de geste, Divina Comedia (Dante), Don Bueso, Floire et Blancheflor, Lais (Marie de France), Le Chevalier de la charrette (Chrétien de Troyes), Roman de Thèbes Möðruvallabók 256 f., 261, 265 f., 701, 704 Morkinskinna 178 f., 218, 329 Necrolog von S. Martin-de Champs/Paris 780 f. Necrologium Lundense 779, 781, 791 ff. Nibelungenlied 96, 101 f., 115, 346, 348, 350–361 Nizarvísur (Steinn Herdísarson) 761, 764 Njáls saga ▷ Brennu-Njáls saga Noctes Atticae (Aulus Gellius) 291 Nornagests-þáttr 164 Oddrúnargrátr 442, 763 Odyssee 420 ff., 425, 427 Oidheadh Cloinne Lir 98 Óláfs saga helga ▷ Heimskringla Óláfs saga helga – Legendarische 177 – hin mesta 680 – (Snorri Sturluson) 689 Óláfs saga Tryggvasonar ▷ Heimskringla Óláfs saga Tryggvasonar – hin mesta 164, 266 – (Oddr Snorrason) 177, 215, 218, 626 – (Snorri Surluson) 626 f., 695 Óláfsdrápa (Steinn Herdísarson) 761 Old Man’s Lament 475, 484 f. Onomasticon (Julius Pollux) 288 Orestes (Euripides) 420
Quellen (Literatur)
Orgain Denna Ríg 97 Orphische Hymnen 420 Pedeir Keinc y Mabinogi 95 Periochae (Livius) 615 Persika (Ktesias von Knidos) 283 Phaidros (Platon) 607, 615 Pharsalia (Lukan) 349 Physiologus 315 Prolegomena de Comoedia (Hephaestion) 289 Prophetiae Merlini 637 Punica (Silius Italicus) 407 Quaestiones Hebraicae in Libros Regum et Paralipomenon 303 Ragnars saga loðbrókar 369 f., 372, 375, 382 f., 385, 772 Ragnarsdrápa (Bragi enn gamli Boddason) 29 f., 104, 108, 329 f., 335, 401, 517, 756, 763 Reginsmál 628, 632, 760, 765 f. Res Gestae (Ammianus Marcellinus) 614 Reykdœla saga 259, 261, 265 Reykjahólabók 308 Rígsþula 444 f., 521, 571, 576, 656, 664, 675 f., 690, 750– 759, 765–774 Rolandslied (Pfaffe Konrad) 107 Roman de Thèbes 360 Rúnatal ▷ Hávamál Ro˛ gnvaldsdrápa (Arnórr Þórðarson) 761 Sagas ▷ Ágríp, Alexanders saga, Bárðar saga Snæfellsáss, Bjarnar saga Hítdœlakappa, Brennu-Njáls saga, Danakonungarso˛ gur, Egils saga einhenda, Egils saga SkallaGrímssonar, Eiríks saga rauða, Esphœlinga saga, Eyrbyggja
893
saga, Fagrskinna, Flateyjarbók, Fóstbrœðra saga, Gautreks saga, Gísla saga Súrssonar, Grettis saga Ásmundarsonar, Hákonar saga góða (▷ Heimskringla), Hákonar saga Hákonarsonar, Hákonar saga herðibreiðs (▷ Heimskringla), Hálfdanar saga svarta, Haralds saga hárfagra, Haralds saga Sigurðarsonar (▷ Heimskringla), Harðar saga ok Hólmverja, Hauksbók, Hectors saga , Heðins saga ok Ho˛ gna, Heimskringla, Hervarar saga, Hrafnkels saga Freysgoða, Hrafns saga Sveinbjarnarsonar (▷ Sturlunga saga), Hrólfs saga kraka, Hrómundar saga, Ingólfs þáttr, Íslendinga saga (▷ Sturlunga saga), Íslendingabók, Kirjalax saga, Klemens saga páfa, Kormáks saga, Landnámabók, Laxdœla saga, Magnúss saga berfœtts (▷ Heimskringla), Maríu saga, Melabók, Möðruvallabók, Morkinskinna, Nornagestsþáttr, Óláfs saga helga (▷ Heimskringla), Óláfs saga helga (Legendarische), Óláfs saga helga (hin mesta), Óláfs saga helga (Snorri Sturluson), Óláfs saga Tryggvasonar (▷ Heimskringla), Óláfs saga Tryggvasonar (in mesta), Óláfs saga Tryggvasonar (Oddr Snorrason), Óláfs saga Tryggvasonar (Snorri Surluson), Óláfs saga helga (Legendarische), Ragnars saga
894
loðbrókar, Reykdœla saga, Reykjahólabók, Skjo˛ ldunga saga, Sturlubók, Sturlunga saga, Sverris saga, Svínfellinga saga (▷ Sturlunga saga), So˛ gubrot af fornkonungum, So˛ rlaþáttr, Tristrams saga ok Íso˛ ndar, Trójumanna saga, Vatnsdœla saga, Vatnshyrna, VígaGlúms saga, Víga-Skútu þáttr, Víkarsbálkr, Vilhjálms saga sjóðs, Vilkinasaga, Vo˛ lsa þáttr, Vo˛ lsunga saga, Ynglinga saga (▷ Heimskringla), Yngvars saga víðfo˛ rla, Þiðreks saga, Þjalar-Jóns saga, Þórarins þáttr ofsa, Þórðarbók, Þorgils saga ok Hafliða (▷ Sturlunga saga), Þorsteins saga Síðu-Hallssonar, *Þveræinga saga, Ǫgmundar þáttr dýtts, Ǫgmundar þáttr ok Gunnars, Ǫrvar-Odds saga Saturn II 535 Scholia in Hephaestionem (Georgius Choeroboscus) 289 Scholia in Lucianum 287 Scriptores Historiae Augustae 297 Scutum (Hesiod) 420 Sigrdrífomál 108, 335, 397, 400, 434, 663, 751, 762 f., 767 Sigtryggsdrápa (Gunnlaugr ormstungu Illugason) 760, 765 Sigurðarqviða in scamma 336, 338–346 Silvae (Statius) 610 Skálda hin minni (Die kleine Skalda) 669–677 Skáldatal 766
Indices
Skaldische Dichtung ▷ Anonyme Skaldendichtung (10. Jh.), Anonyme Skaldendichtung (13. Jh.), Arinbjarnarkviða, Eiríksdrápa, Eiriksmál, Erlingsflokkr, Fragment eines Gedichts von Arnórr Þórðarson, Fragment eines RunhentGedichts auf Haraldr harðráði, Geisli, Glymdrápa, Hákonardrápa, Hákonarmál, Háleygjatal (Eyvindr Finnsson skáldaspillir), Haraldskvæði, Harmsól, Háttalykill, Háttatal, Haustlo˛ ng, Hrynhenda, Húsdrápa, Ho˛ fuðlausn (Egill Skalla-Grímsson), Ho˛ fuðlausn (Óttar svarti), Íslendingadrápa, Knútsdrápa, Krákumál, Lausavísur, Leiðarvísan, Lilja, Magnúsflokkr, Málhlíðingavísur, Málsháttakvæði, Nizarvísur, Óláfsdrápa, Ragnarsdrápa, Rǫgnvaldsdrápa, Sigtryggsdrápa, Skáldatal, Sonatorrek, Vellekla, Vestrfararvísur, Ynglingatal, Þórsdrápa Skíðaríma 671 f., 675, 676 Skírnismál 116, 142, 508, 656, 663, 670, 694, 749 Skjo˛ ldunga saga 754, 773 Smáskáldavísur (Hallur Magnússon) 668 Snorra Edda 3, 7, 9, 11 ff., 86– 93, 127, 319, 470, 502 ff., 514, 575, 656, 669 ff., 673, 676, 701 f., 704, 768, 805 – Codex Regius 657, 669, 671 – Codex Trajectinus 87, 657
Quellen (Literatur)
– Codex Uppsaliensis 87, 514, 657, 669 ff. – Codex Wormianus 87, 90, 507, 657, 669, 671 f., 756, 759 – Formáli (Prologus) 88, 90, 669, 671, 674, 712 – Gylfaginning 9, 11 ff., 86–92, 262, 397, 399, 434, 436, 443, 473, 476, 478, 485, 487 f., 504 f., 508, 510, 513, 515, 518, 521 f., 657, 671, 690, 822 – Háttatal 86, 108, 400 f., 517, 671 – Skáldskaparmál 86, 92, 103, 105, 110, 127, 262, 273, 275, 386, 400 f., 434, 439, 442, 444, 476, 480, 503–508, 510, 513, 515, 517 f., 522, 554, 670 f., 676, 768 sögukvæði 690 Solomon 535 Sonatorrek (Egill SkallaGrímsson) 334, 340, 346, 472, 474 f., 482, 485 f., 701–712 Stromateis (Clemens von Alexandrien) 609, 612 Sturlubók 368 Sturlunga saga 174, 176, 183, 268–274, 276 f., 331 f., 625, 629 – Hrafns saga Sveinbjarnarsonar 174 – Íslendinga saga 174 ff. – Svínfellinga saga 174 f. – Þorgils saga ok Hafliða 174, 331 Suda 283–286 Südeli-Lieder 101 Svefnhjólið (Gyrdir Elíasson) 151–168 Sverris saga 625
895
Svínfellinga saga ▷ Sturlunga saga Sǫgubrot af fornkonungum 705 Sǫrlaþáttr 104, 369 f., 372 f., 385, 387, 390, 401, 516 ff. Táin Bó Cúailnge 402 ff., 433 Táin Bó Regamna 403 The Voyage of the Dawn Treader (C.S. Lewis) 317–320 Thebais (Statius) 419 Tochmarc Emire 404, 406 Tochmarc Ferbe 404 Togail Bruidne Da Derga 405 Togail na Tebe 403 Tóruigheacht Dhiarmada agus Ghráinne 119 f., 122 Totenbuch – von Lüneburg 780 – von Merseburg 780 Tristan (Gottfried von Straßburg) 120, 350, 360 Tristrams saga ok Íso˛ ndar 120, 179, 181, 221–235, 307, 315 Trójumanna saga 674 Trygðamál 127, 129 Vafþrúðnismál 436, 444, 488, 531–538, 670, 690, 749, 762 Vatnsdœla saga 619, 624, 626, 634 f. Vatnshyrna 256 f., 266 Vellekla (Einarr skálaglamm) 625, 631, 760 Verbrüderungsbuch – der Abtei Reichenau 778–780, 782–799 – von Pfäfers 780 – von Remiremont 780 – von St. Gallen 780 Vestrfararvísur (Sigvatr Þórðarson) 766
896
Víga-Glúms saga 256–278, 619 f. Víga-Skútu þáttr 264 ff., 271 Víkarsbálkr 661 Vilhjálms saga sjóðs 309, 315 Vilkinasaga 107 Visio Tnugdali 637 Vita Annonis 350 Vita Apollonii (Flavius Philostratus) 284 Vita Isidori (Damascius) 286 Vitellius (Sueton) 609 Vulgata 287, 708 Vǫlospá 3–26, 331 ff., 336, 340, 342, 345, 397, 399, 401, 473 f., 476, 485, 504, 511, 520 f., 531, 617 f., 620, 622 ff., 626, 633, 635, 657, 675, 749, 759, 762 Vǫlospá in scamma ▷ Hyndlolióð Vǫlsa þáttr 680–697 Vǫlsunga saga 114, 222 f., 341 f., 344, 398 ff., 439, 442, 444, 479, 639, 656, 755, 772, 774 Vǫlundarqviða 398, 400, 442 f., 445 f., 448, 546–554, 670 Waltharius 347, 353, 359
Indices
Werke und Tage (Hesiod) 573 Widsith 756 yašts 536, 538 Ynglinga saga ▷ Heimskringla Ynglingatal (Þjóðólfr ór Hvíni) 438, 476 f., 509, 754, 760 Yngvars saga víðfǫrla 308 Þiðreks saga 107, 119 f., 348, 518, 548, 554, 639 Þjalar-Jóns saga 311 Þórarins þáttr ofsa 258 Þórðarbók 258 f., 261, 265 Þorgils saga ok Hafliða ▷ Sturlunga saga Þórsdrápa (Eilífr Goðrúnarson) 695, 760, 766 Þorsteins saga Síðu-Hallssonar 632 Þrymlur 671 f., 675, 676 Þrymskvíða 504 f., 515, 518, 522 f., 554, 656, 675 Þulur 516, 814 *Þveræinga saga 258, 261, 264 f., 272, 275 Ǫgmundar þáttr dýtts 266 Ǫgmundar þáttr ok Gunnars 256 Ǫrvar-Odds saga 544, 619, 621, 624
Quellen (Inschriften)
897
Quellen (Inschriften) Alt-Ladoga, Amulett 814 f. Auzon, Kästchen 804 Berga Vrå, Ring 586 Bergen Bryggen – Bleiamulett (B 664) 593 – Bleiamulett (N 638) 595 – Holzamulett (B 619) 593, 595 f. – Holzamulett (N 627) 591, 595 – Holzamulett (N 634) 591, 594, 596 – Holzkreuz (N 642) 594 – Holzstäbchen (N 636) 594 – Holzstäbchen (N 639) 594 f. – Holzstäbchen (N 641) 587, 595 f. – Holzstäbchen (N 643) 594 Bergen Dreggsalmenning, Holzstäbchen (B 583) 588, 594 Bergen, Runenstäbchen (N 633) 589, 595 Björketorp, Runenstein (RäF 97) 812 f. Bleiamulette ▷ Bergen Bryggen, Blæsinge, Florida, Kaupanger, Odense, Selsø/Seeland, Tårnborg, Västannor, Ål Stabkirche Bleikreuze ▷ Bru I/II, Osen, Sande, Trondheim Bleisiegel des Kaisers Theodosius 585 Blæsinge, Bleiamulett 594 Borgund, Holzamulett (N 348) 589, 593–596 Broby, Runensteine – (U 135) 778, 798 – (U 136) 584, 778, 798
– (U 137) 778, 798 – (U 140) 798 Bronzeamulett, byzantinisches 602 Bru I, Bleikreuz (N 262) 593, 595, 598 Bru II, Bleikreuz (N 263) 595, 598 By, Runenstein (RäF 71) 810 Dagmar-Kreuz 585 Droppsta, Runenstein (U 146) 584 Ed, Runenstein (U 112) 584 Eggja, Runenstein (RäF 101) 808, 811, 815 Eikeland, Fibel (RäF 17a) 814 Elephantina, Ostrakon 609 Flemløse I, Runenstein (DR 192) 812 Fløksand, Knochengerät (RäF 37) 692 Florida, Bleiamulett (A 284) 587, 596 Franks Casket ▷ Auzon Goldbrakteaten – IK 8 Års (II)-C 813 – IK 11 Åsum-C 813 – IK 39 Dänemark (X)-B 807 – IK 40 Dänemark-B 807 – IK 43 Darum (V)-C 811 – IK 51,1 Fakse-B 807, 822 f. – IK 51,2 Killerup-B 803, 807 ff., 823 – IK 51,3 Gudme II-B 803, 807 ff., 822 f. – IK 58 Fünen (I)-C 806, 813 – IK 70 Halsskov Overdrev-C 811
898
– IK 98 Raum Køge/Seeland II-C 811 – IK 128 Nebenstedt (I)-B 805, 813 – IK 140 Overhornbæk (III)-C 807 – IK 142 Raum Randers-C 806 – IK 149,1-2 Schonen (I)/UFO-B 811, 813 – IK 153 Schonen (II)-C 858 – IK 161 Skodborg(hus)-B 810, 813 – IK 165 Skovsborg-B 807 – IK 181 Svarteborg 813 – IK 184 Tjurkö (I)-C 805, 810 – IK 189 Raum Trollhättan-A 806, 810 f. – IK 241,1-2 Eskatorp/Väsby (?)F 811, 813 – IK 260 Grumpan-C 841 – IK 300 Maglemose (III)C/Gummersmark 806 – IK 312,1-2 Overhornbæk (II)/Raum Vendsyssel(?)-A 811 – IK 340 Raum Sønderby/FemøC 813 – IK 352 Heide-C/Schonen (V) 810 – IK 375 Ungarn/Dänemark (V) 813 – IK 377,1 Vadstena-C 854, 858 – IK 595 Fuglsang/Sorte Muld IIB 822 Grinda, Runenstein (Sö 165) 584 Gummarp, Runenstein (RäF 95) 854 Hansta, Runenstein (U 73) 584 Haithabu I, Runenstein (DR 1) 815
Indices
Herjolfsnes/Grönland, Holzkreuz 594 ff. Hermannsverk, Holzkreuz (A 51) 594 Hoby, Silberbecher 586 Holzamulette ▷ Bergen Bryggen (B 619, N 627, N 634), Borgund Istaby, Runenstein (RäF 98) 812 Järsberg, Runenstein (Vr 1) 662 Kaupanger, Bleiamulett (A 122) 593, 595 f. Kragehul, Lanzenschaft (DR 196) 662 f. Kylver, Runenstein (RäF 1) 834, 838, 840 ff., 844, 847, 854, 858 Lindholmen, Amulett (?) (DR 261) 663 Lom Stabkirche, Holzstäbchen (A 77) 588, 595 Lövsta, Runenstein (U 1087) 584 Madla, Bleikreuz (N 248) 594, 596, 598 Noleby, Runenstein (RäF 67) 810 Nordhuglo, Runenstein (RäF 65) 808 Odense, Bleiamulett (DR 204) 592 ff. Örby, Runenstein (U 374) 584 Osen, Bleikreuz (A 123) 593 f. Oslo – Holzstäbchen (A 32) 594, 596 – Holzstäbchen (A 321) 594 Piräus, Runenlöwe 717–728 Revninge, Goldring (DR 203) 591, 594 f. Roes, Runenstein (RäF 102) 808
Quellen (Inschriften)
Rök, Runenstein (Ög 136) 467– 495 Runensteine ▷ Björketorp, Broby, By I/II, Droppsta, Ed, Eggja, Flemløse I, Grinda, Gummarp, Haithabu I, Istaby, Järsberg , Kylver, Lövsta, Noleby, Nordhuglo, Örby , Rök, Roes, Rycksta, Skern II, Stentoften, Sædinge, Sønder Vinge II, Tanem, Tumbo, Tune, Tveito, Ulunda, Västerby, Västergötland, Vallentuna Rycksta, Runenstein (Sö 163) 584 Sande, Bleikreuz (A 362) 594, 596, 598 Schleswig, Runenhölzchen 745, 752 Selsø/Seeland, Bleiamulett 594 Skern II, Runenstein (DR 81) 815 Snoldelev, Runenstein (DR 248) 660 Stentoften, Runenstein (RäF 95) 811 ff. Sædinge, Runenstein (DR 217) 815 Sønder Vinge II, Runenstein (DR 83) 815 Tanem, Runenstein (RäF 89) 854 Timans, Wetzstein (G 216) 584
899
Tonstad, Holzplanke (N 216) 588, 593–596 Trondheim – Bleikreuz (A 157) 589, 593 f. – Holzkreuz (A 154) 594 – Holzplättchen (A 242) 595 Tumbo, Runenstein (Sö 82) 584 Tune, Runenstein (RäF 72) 813 Tveito, Runenstein (RäF 94) 813 Tårnborg, Bleiamulett 594 Tønsberg, Holzspachtel (A 8) 594 Ulunda, Runenstein (U 729) 584 Västannor, Bleiamulett 594 Västerby, Runenstein (Sö 85) 584 Västergötland, Runenstein (Vgl 27) 795 Vallentuna, Runenstein (U 212) 813 Varpelev, Glasschale 586 Veblungsnes, Felswand (RäF 56) 814 Vedslet, Amulettstein (DR 57) 591 Vimose, Schwertzwinge (RäF 22) 846 Vorning,Glasbecher 586 Yngvars-Inschriften 584 Ål Stabkirche, Bleiamulett (A 1) 594 ff. Årslev, Bergkristallkugel 586 Æbelholt, Runenknochen (DR Till. 3) 591
900
Indices
Quellen (Handschriften) AM 194 4to 306 AM 242 fol (Wormsbók) 669, 672 AM 434 a 12mo 672, 677 AM 645 4to 673 ff. AM 655 XXVIII a 4to 674 f. AM 732 b, 4to 585 AM 748 I 4to (Die kleine Skalda) 670 f., 676
AM 757 4to (Die kleine Skalda) 670 f., 676 DG 11 4to (Uppsalabók) 669 GKS 2367 4to (Konungsbók) 669 Sangallensis 878 fol 582 Stadtbibliothek Trier Ms 7/9 583
Sachbegriffe
901
Sachbegriffe Aasvögel 404, 406–409, 420, 442, 444, 447 ff. Aborigines 735 Aeneasroman 349, 360 After 112 f. Akrophonieprinzip 844, 851, 855 Akrostichon 581 Alphabet(e) – etruskisches 842, 860 – griechisches 582, 834 f., 839 f., 842, 847–850, 853, 856, 860 – hebräisches 582 – lateinisches 591, 834–837, 840, 842, 847–850, 853, 860 – mediterrane 836–841, 843, 847, 849 – norditalienisches 837 – phönizisches 835, 839 f., 842, 844 f., 848–851, 853–857, 860 – runisches 848 f. – semitische 836, 850 – südeuropäische 836 Althing (alþingi) 240, 245, 252 Ambrosia 437 Amelungensage 348, 353, 360 Amulett 512, 514, 586 f., 589, 591–597, 599 ff., 602, 663 – Bleiamulette ▷ Quellen (Inschriften) – Bronzeamulett, byzantinisches ▷ Quellen (Inschriften) – Geburtsamulett 512, 515 – Holzamulette ▷ Quellen (Inschriften) Anthropophagi 284 Arthursage 97 Artusromane 360
Auguren 625 Balder-Mythos 373, 467, 472 f., 474–477, 482 f., 493, 521 Balladen 101 f. Benediktionen 599 ff. Berg, wandernder 96 Bernstein 4 31, 512 ff. Beschwörungsformeln 587, 592, 599 Bestattung 373, 376, 473, 484 f., 694 Bestattungsbräuche 408, 431, 452, 567 f. Blei – Bleiamulette ▷ Quellen (Inschriften) – Bleikreuze ▷ Quellen (Inschriften) – Bleisiegel ▷ Quellen (Inschriften) Blemii 296 Brakteatenfibel von Daxlanden 554 Brauchtum 685, 687 Brautwerbergeschichte 100 f. Brávallaschlacht 113 Brísingamen 502–523 Brudermord 476, 478, 482, 619 Brünne 169–182 Buße 379 ff. cardinal directions 213 cognitive map 212 conversion 701, 704 cultic leader 661, 688, 697 f. Cynocephali 282, 290, 292 Dämon 95, 116, 488, 490, 493, 623 Dämonin 110, 404, 407, 410 f., 419, 428, 447, 451, 486 f.
902
Dichtermet 444 Dietrichsage 107, 119, 361 Dionysia 287 Disen 439 Divination 99, 607–639, 697 Drachen 114, 116, 319, 329, 331–336, 341, 349, 351, 355 Dwarfie Stane 104 Einfœtingaland 306, 311 einfœtingr 306–312 Einherjer 319, 398, 400, 434, 436 ff. Eisenhans 139 Eisenhaus, glühendes 96 f. Ekphrasis 221–235 ephesia grammata 587 erfikvæði 484 Eriksgata 468 erilar 661 ff. Erinyen 409, 420, 429 Eroten 426 f., 451 Erzählgemeinschaft, keltischgermanische 94–121 Ethnizität 730 Ethnographie 731 Ethnonym 730, 732 ff., 737 Euhemerismus 567–578, 753 Falkenhemd 444 Feuerraubmythos 519 Finngálkn 401 Finnland 131–134 Finnmark 128, 130 Finnsburg Episode 479 Formel 185–208 Fornaldar sögur 331, 338, 347, 470, 479, 571, 575 Fornyrðislag 7, 759 four-part subdivision of the world 211 Franks Casket ▷ Kästchen von Auzon
Indices
Fruchtbarkeit 405, 474, 515, 518, 522, 682 f., 687 Furien 419, 429 Futhark 835–863 – älteres Futhark 469, 834, 837 – ältestes Futhark 854 – angelsächisches Futhorc 582 – Breza-Futhark 854 – Charnay-Futhark 840 – Grumpan-Futhark 844 – jüngeres Futhark 468 f. – Kylver-Futhark 844, 854 – Ur-Futhark 857 ff. – Vadstena-Futhark 844, 854 Gefjonmythos 518 Geier 407 ff., 421, 428, 447 Geierritual 408 Germanen 730–734, 737 Germanenbegriff 732 f. Germanenforschung 731–734 Germani 730–734, 736 ff. Germanizität 730 Gerüst (hjallr) 621 Geschlechtsteil 686 f. Glossare 596 f. Goldbrakteaten ▷ Quellen (Inschriften) Goldbrakteaten 436, 442, 521, 616, 624, 803–823 – Drei-Götter-Brakteat 822 Goldfolien (guldgubber) 436, 616 Gotländische Bildsteine 435 f., 470, 540–566 – Alskog 540–566 – Alskog Tjängvide I 440 – Ardre III 540–566 – Ardre VIII 440, 442, 547 f., 553 – Lärbro St. Hammars I 402, 553, 655
Sachbegriffe
– Stenkyrka Smiss I 402 Gottesnamen 587–591, 597, 599 ff. Grab von Kivik 430 Gralslegende 112, 360 Gürtel 514 f., 522 Hängen 649–664 hafnýra 503 f., 509 f., 512 Haimatomantie 612, 614, 626 Halsschmuckmythos 522 Harlungensage 516 Harpyien 420 f., 429 Haruspizien 612, 614 Haupt ▷ Kopf heilige Wörter 587, 600 heilige Zahl 655 heiliger Gegenstand 680, 685 Heldendichtung, germanische 470, 480 Helgisage 119 Heliadenmythos 514 Hervararsage 331 Hilde-Kûdrûn-Sage 94–112 Himmelssäule 505 f. Hippomantie 612, 614 Hirsch 113 f. Hirschkuh 113 f. Hirschsympathie 112 ff. Hirschvermummung 114 Hjaðningavíg 103, 386, 400 f., 448, 517 hliðskjálf 694 hlunnroð 367–391 Hogback von Bedale 552 f. Höllenhund 488 Hydromantie 612 Iðunnmythos 437, 522 f. Ikonographie 409, 430, 585 Initiation 112, 115, 649–664, 682 f.
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Jenseits 116, 393, 396, 399, 406 f., 409, 413, 419 f., 422 f., 428 ff., 432, 434–437, 440 f., 447, 451, 485 f., 515, 544, 694 Jenseitsikonographie 409 Jenseitsreise 544 Julgelage 136 Jungfräulichkeit 113, 427, 685 Kampfwagen 113 Kästchen von Auzon 441 f., 547 Kästchen von Auzon ▷ Quellen (Inschriften) – Auzon Kehrreim 4, 6 ff., 13 f., 22, 26 Keltiberer 407, 409, 447, 452 Kenning 3, 360 Keren 420, 429, 432, 450 Kleromantie 612, 614, 625 f. Kontinuität 731 f. Kopf, abgeschlagener 96, 99, 111 f. Kosmogonie 484 – aquatische 510 ff. Krähe 99, 106, 109, 403, 406 ff., 428, 442, 444, 446, 450 Krähendämonin 409 Krähenhemd 398, 442, 444 Kräuter 680, 684 Kriegsgöttin 106, 109 f. Kult 613, 626 – heidnischer 680–697 Kultgegenstand 683 Lachs der Weisheit 115 f. Land of the dead ▷ Jenseits Landnahme 146 Landnahmeritual 631 Lauch 692 f. law terminology 238–253 Leichenblut 3 99, 404, 420 Leichenfresser 487 f., 490 f., 493 Leichenfresserin 399, 487
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Leichenverschlingen 396, 398, 406 f., 419, 428, 430, 444, 450 f. Leinen 680, 683 f., 692 f. liknon 682 ff. Ljóðaháttr 746, 749, 774 Macrocephali 282, 284 f. Magie 141, 147, 624 Männerbund 471 Mantik 607–639 Matroneninschriften, niederrheinische 842 Meerdämon 385 Meeresgott 97 f. Meeresmythologie 367, 369 Memorialinschriften 470 Memorialüberlieferung 779 Menschenopfer ▷ Opfer mental map 211–218 Messordinarium 581 f. Mischwesen 412, 421, 427, 429, 442, 449 Monocóli 281, 290 ff., 296, 306 Monopedes 281, 286–290, 292, 295–298, 309, 314–318 Münzen, gallische 406 murus gallicus 117 Mysterien 683 Mysterien des Dionysos 682 Mythologie – altnordische 439, 477, 480 f., 485, 487, 575, 710 – britannische 111 – of Death 467–495 Nacktheit 417, 427 Namenquellen 779, 790 Nebelkrähe ▷ Krähe Nektar 437 Nibelungen 94, 120, 328, 344 f., 348 Nibelungenrezeption 328–361
Indices
Nibelungensagen 328 ff., 332– 337, 339, 341, 347–351, 353, 356, 360 Nibelungen-Tradition 94, 112– 119 Ogam 839 Opfer 367–371, 373 f., 379 f., 388, 627, 632, 638, 684, 689 – blót 689, 693 – Blutopfer 370, 374, 379 f., 384 – Menschenopfer 367–391 Opferblut 632 Opferpraktiken 388, 681 Opferspan 626 f. Ornithomantie 612 f., 625 Ortband von Birka 553 Palindrom 586, 590 Panoramythos 520 Persephonemythos 657 Pferdefleisch 689, 692 Pferdepenis 680, 682, 689, 693 f. phallische Statuetten – Broddenbjerg 694 – Rällinge 694 Phallos 114, 680, 682, 684 f., 688, 693, 695 Phallosverehrung 681, 683, 684, 687 f., 693 Pilgernamen, nordische 778–799 place-names 211, 215–218 Planetengeister 589 Postola sögur 674 Prometheusmythos 520 Prophet ▷ Seher Prophetie ▷ Divination Prophetin ▷ Seherin Prosodik 5 Pygmäen 282, 284, 312 Rabe 95, 98 f., 106, 108, 110 f., 398 f., 444, 447, 573, 628 f.
Sachbegriffe
Rache 95, 100, 345 f., 448 f., 473 ff., 481, 484 Ragnarök 103, 332, 401, 436, 473, 478, 481, 505, 511, 635, 657 Rauschtrank 118 Regeneration 475, 515, 521 ff. Reichseinigung 1 34, 136, 146 Religion – altnordische 450, 487, 569, 574, 649, 683, 687, 693, 697 – angelsächsische 574 – germanische 574, 608 Riddara sögur 169 f., 172 f., 176, 179, 181 f., 307 Riese 96 ff., 107 ff., 111, 126, 301, 307 f., 443 f., 477–482, 488–492 Riesin 116, 142, 145, 472, 481, 504, 690, 693, 696 Riten, dionysische 683 Ritual, mantisches 630 f., 637, 639 Ritualformel 681 route from the Varangians to the Greeks 218 Runen – Begriffsrunen 663 – Geheimrunen 469 f., 477 – Rök-Runen 468 f. Runensteine ▷ Quellen (Inschriften) Runennamen 778, 790–792 Runenreihe 834–860 Runenwissen 118 Samen 125–147 Sarkophag der Hasti Afunei 409 f., 413, 419, 450 Schadenszauber 136 Schamane 99, 106, 111 f. Schiff 367–391
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Schlachtengöttin 404 f. Schlachtfelddämoninnen 395, 419 f., 430 ff., 441, 449 Schöpfergott 510 f. Schöpfungsmythos 510 f. Schutzgeister 21 Schwan 98, 108, 407, 428, 442, 447 f. Schwanenhemd 398, 442, 443 ff. Schwanenmädchen 446–449, 549 Schwanenmädchenerzählung 448, 550 Sciapodes 281–286, 290–295, 306, 312–316 Seefahrten 371, 374 Seelengeleiter 399, 406 f., 409, 413, 420, 423 f., 427 f. Seher 620 ff., 627, 637 Seherdaumen (thumb of knowledge) 114 ff. Seherin 342, 433, 485, 609 ff., 613 f., 616–620, 622, 624, 627, 634, 636 ff. Sexualität 118, 396, 400, 402, 404–407, 411, 417, 419, 426, 428, 430, 437–441, 450, 518, 684, 696 f. Sichelwagen 113 Sigurdsage 547 Sigurd-Tradition 112–119 Singasteinn 503, 506, 509, 512, 519, 521 Sirenen 417, 421–427, 429, 441, 449, 451 f. Skaldendichtung 502 f., 506 Skrælingar 309 f., 313 spatial orientation 213 Spruchdichtung 29, 32 f., 84 Stab 617 Stab(reim) 185–208
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Stabreimdichtung 186 f. Steganopodes 282, 286 Stein von Ockelbo 552 Steinkreuze von Leeds 552 f. sterbende Götter 452, 471, 475 Sturlungenzeit 635 Tabula Peutingeriana 110 Taube 427 Teppich von Överhogdal 442 Thebenroman 360 Thidrekssage 348, 356 thul 659 ff. Tod, erster 483 Todesdämon 412, 416, 419, 488 Todesdämoninnen 393–396, 405, 410 f., 413, 417, 419 f., 424, 428–434, 441, 445, 449– 452, 486 f., 490 Todesgottheit 486 Todeswelt ▷ Jenseits Totengeleiterinnen 394, 452 Totengöttin 436, 486 Totenreich ▷ Jenseits Tränen, goldene 513 Trankspenderin 434 ff. Traum 135, 332, 616, 637, 639 Traumerscheinung 400, 434 tréfótr 307 Trickster 520, 573 Trinkhorn 434 Tristansage 94, 119 f., 337 Übersetzungen 30 f., 35 f., 45 unio mystica 623, 659, 661 Unipedes 281–323 Unsterblichkeitstrank 436 ff., 441 Unterwelt ▷ Jenseits Unverwundbarkeit 112 f., 349, Urheimat 734 Urne – Chiusi 414 f.
Indices
– Volterra 416 útgarðr 132, 142 f., 145 Vágasker 506, 509 f., 512 Vallhöll ▷ Walhall Vampirismus 406, 419, 619 vera úti-Situation 342 f., 346, 622 f. Vergessenheitstrunk 104 Versmaß 4, 7 vitrified forts 117 f. Vögel 100, 102, 110, 396, 398, 403, 406 f., 412, 421, 425, 428, 430, 627 Vogelgestalt 413, 441–444, 446, 449 Vogelorakel 612 Vogelsympathie 98 Volksreligion 572, 580, 586, 688 Vorzeichen 608, 627 ff., 631 Waberlohe 112, 116, 118, 120 Walhall 319, 332, 393, 398 ff., 407, 428, 432, 434–437, 440 f., 487, 522, 573, 672 Walküren 108, 110, 112, 118 f., 393–452, 487, 490, 549, 632 Wandmalerei – Tomba François 411 f., 414, 451 – Tomba Golini 413 –Villa deMysteriis 682 Waräger 720 Warägergarde 584 Wat-Riese 98, 108–111 Webemotiv 433 Weiheinschrift 4 09, 431 Weihesteine, gallorömische 405, 408 Weisheitsliteratur 28–31 Weisheitstrank 115 Weissager 613 Weissagung ▷ Divination
Sachbegriffe
Weltenbaum 514 Weltuntergang ▷ Ragnarök Wergeld 381 Wiederbelebung ▷ Wiedergeburt Wiedergänger 151–168 Wiedergeburt 95 ff., 103 f., 110 f., 474 f.,482 Wielandsage 108, 540–566 Wilhelmsepik 352 ff. wind-rose 215 Wissenswettstreit (wisdom contest) 531–538 Wolf 98, 106
Wolfsmaske 106 Wunderkessel 95 ff., 111 Zauber 114, 518 Zauberformeln 587 f. – AGLA 588 ff. – SATOR 588, 590, 599 Zauberlied 623 Zauberschlaf 116 Zaubertrank 98, 116 Zauberweiber 112 þula 754, 756, 758, 766–770, 772 þulr 656–661 Ætternisstapi 688 f., 691 f.
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