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German Pages 306 Year 1977
F R I E D R I C H E. S C H N A P P
Amtsrecht und Beamtenrecht
S c h r i f t e n zum ö f f e n t l i c h e n R e c h t Band 332
Amtsrecht und Beamtenrecht Eine Untersuchung über normative Strukturen des s t a a t l i c h e n I n n e n b e r e i c h s
Von
Friedrich E. Schnapp
DUNCKER
& HUMBLOT
/
BERLIN
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Fakultät der Abteilung für Rechtswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Alle Rechte vorbehalten © 1977 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1977 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04024 4
Meiner lieben Frau
Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist i m Wintersemester 1975/76 von der Abteilung für Rechtswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum als Habilitationsschrift angenommen worden. Zwischenzeitlich erschienenes Schrifttum und die Judikatur konnten nur noch gelegentlich i n den A n merkungen berücksichtigt werden. Mein aufrichtiger Dank gilt i n erster Linie Wilhelm Wertenbruch, der m i r als seinem Assistenten nicht nur die Zeit, sondern vor allem die geistige Freiheit eingeräumt hat, ohne die wissenschaftliches Arbeiten nicht möglich ist. Rolf Grawert und Hans-Uwe Erichsen haben die Arbeit durch zahlreiche Anregungen und Hinweise bereichert. Ebenso haben viele Gespräche m i t Freunden und Kollegen dazu beigetragen, daß das Buch so, wie es jetzt vorliegt, geschrieben werden konnte. Frau Gabriele Kraemulat hat sich sorgfältig um das Manuskript bemüht. Nicht zuletzt danke ich Herrn Senator E. h. Professor Dr. J. Broermann für die Aufnahme der Arbeit i n sein Verlagsprogramm. Die Untersuchung ist meiner Frau gewidmet, die i n ihrer verständnisvollen A r t manche Unzuträglichkeiten des Alltags von m i r ferngehalten hat. Bochum, i m Mai 1977 Friedrich
E.
Schnapp
Inhaltsverzeichnis Einleitung Z u Gegenstand und Methode der Arbeit
13
1. Gegenstand
13
2. Methode
16
Erster
Teil
Grundlagen Erstes Kapitel: nisses
Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g des Beamtenverhält-
1. Das Beamten Verhältnis als besonderes Gewaltverhältnis a) Allgemeines u n d besonderes Gewaltverhältnis: Dogmengeschichte
23
23 23 26
b) Allgemeines u n d besonderes Gewaltverhältnis: Rechtstheoretischer Gehalt
56
c) „Besonderes Gewaltverhältnis" als dogmatischer Begriff
60
2. Rechtsbegriff u n d Beamtenverhältnis
66
a) Die historisch-dogmatische F u n k t i o n der Impermeabilitätslehre . . .
66
b) Gesetz u n d Rechtssatz
72
c) Rechtsfähigkeit u n d Rechtssubjektivität
80
Zweites Kapitel:
Organisationsrecht u n d Beamtenrecht
83
1. Allgemeines
83
2. Die Vernachlässigung des Organisationsrechts
85
3. Z u F u n k t i o n u n d Dogmatik des Organisationsrechts
90
a) Organisation als dogmatisch-statisches System
93
vy
b) Organisationssoziologisch-dynamische Betrachtungsweise 103 c) Der rechtstheoretisch-funktionale Aspekt des Organisationsrechts . 107
4. Z u r M u l t i f u n k t i o n a l i t ä t von Rechtssätzen, insbesondere i m Bereich des Beamtenrechts 115
10
Inhaltsverzeichnis Zweiter
Teil
Normative und organisatorische Strukturen Erstes Kapitel: Zweites Kapitel:
Grundverhältnis u n d Betriebsverhältnis Dienstrecht, Amtsrecht u n d Amtswalterrecht
119 119 127
1. Die Rechtsbeziehungen
127
2. Fortsetzung: Das Organverhältnis
139
3. Amtliche u n d dienstliche Weisungen
145
Drittes
Innenrecht u n d Außenrecht
160
1. Staatspflichten u n d Amtswalterpflichten
162
2. Gesetzesbindung des Amtswalters
169
3. Grenzen des Weisungsrechts
182
Kapitel:
a) Der bindende rechtswidrige Befehl
182
b) ZuständigkeitsVerfehlungen
185
Viertes Kapitel: Fünftes
Kapitel:
Die Rangordnung der Rechtssätze i m Innenbereich Z u m organschaftlichen Rechtskreis
189 204
1. Anspruch auf das zuständige Organ?
204
2. Subjektives Recht auf Kompetenz?
211
Dritter
Teil
Qualität und Legalität von Exekutivmaßnahmen im Beamten Verhältnis Erstes Kapitel: verhältnis
Die Qualifizierung von Exekutivmaßnahmen i m Beamten-
219
222
1. Z u r Rechtsqualität der Exekutivmaßnahmen i m sog. Innenbereich . . . . 222 2. Gemeinverordnung, Sonderverordnung, Verwaltungsverordnung
229
Zweites Kapitel: verhältnis
237
Die Zulässigkeit administrativen Handelns i m Beamten-
1. Abgrenzung der Fragestellungen
237
a) Vorrang u n d Vorbehalt des Gesetzes
237
b) Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt
239
c) Gesetzesvorbehalt u n d Gesetzesbegriff
245
Inhaltsverzeichnis 2. Der Gesetzesvorbehalt
248
a) Normativer Standort u n d Geltungserstreckung
248
b) Insbesondere: Die Sonderverordnungen
251
c) Gesetzesvorbehalt u n d schlichter Rechtssatzvorbehalt
255
3. Parlamentsvorbehalt u n d Geschäftsleitungsgewalt
259
4. Ersetzungen des Gesetzes Vorbehaltes?
265
a) Gewohnheitsrechtliche Ermächtigungen
265
b) Volenti non f i t i n i u r i a
267
c) Gesetzesersetzung durch Mitbestimmung
269
5. Die Reservefunktion der Sonderverordnungen
271
Drittes Kapitel: Grundrechte
275
Die E i n w i r k u n g von Dienstrecht u n d Amtsrecht auf die
Zusammenfassung
285
Schrifttum
289
Sachwortverzeichnis
304
Einleitung
Zu Gegenstand und Methode der Arbeit 1. Gegenstand Das sogenannte besondere G e w a l t v e r h ä l t n i s 1 , als dessen klassische G e s t a l t das B e a m t e n v e r h ä l t n i s angesehen w e r d e n k a n n 2 , i s t t o t g e s a g t 3 , als fossile K a t e g o r i e v e r w o r f e n 4 u n d i n die Verfassungsgeschichte d e r N e u zeit v e r w i e s e n w o r d e n 5 . G l e i c h w o h l ist gegenüber diesen o p t i m i s t i s c h e n Thesen festzustellen, daß es i n d e r f a k t i s c h e n Rechtslandschaft t e i l w e i s e noch e i n recht k r ä f t i g e s L e b e n f ü h r t 6 . Z w a r s o l l t e n i c h t l ä n g e r b e z w e i f e l t 1 Aus der fast unüberschaubaren L i t e r a t u r seien beispielhaft genannt: Manfred Abelein, Rechtsstaat u n d besonderes Gewaltverhältnis, Zeitschrift für P o l i t i k 1967, 313 ff.; Rolf Dame, Das Verhältnis der Grundrechte zu den besonderen Gewaltverhältnissen nach dem deutschen u n d französischen Staats- u n d Verwaltungsrecht, Diss. K ö l n 1965; Hans-Ulrich Evers, Das besondere Gewaltverhältnis, F r a n k f u r t a. M. 1972; Hanns Ludwig Ernst Donle, Z u r Problematik der besonderen Gewaltverhältnisse unter Berücksichtigung vor allem der Einschränkbarkeit von Grundrechten, Diss. Würzburg 1960; Paul Kahn, Das besondere Gewaltverhältnis i m öffentlichen Recht, Diss. Heidelberg 1912; Guido Köhl, Die besonderen Gewaltverhältnisse i m öffentlichen Recht, Zürich 1955; Herbert Krüger, Das besondere Gewaltverhältnis, V V D S t R L 15 (1957), S. 109 ff.; Hartmut Oskar Wilhelm Paetzold, Die A b grenzung von allgemeinem u n d besonderem Gewaltverhältnis, Diss. H a m burg 1972; Carl Hermann Ole, Das besondere Gewaltverhältnis, V V D S t R L 15 (1957), S. 133 ff. 2 O V G Münster, D Ö V 1963, 27; Ernst-Werner Fuß, Personale K o n t a k t v e r hältnisse zwischen V e r w a l t u n g u n d Bürger, D Ö V 1972, 765 ff. (767); Willi Thiele, Widerspricht das besondere Gewaltverhältnis dem demokratischen Rechtsstaat?, DÖD 1963,101. 3 Evers, Das besondere Gewaltverhältnis, S. 1. 4 Alfred Rinken, Verfassungsrechtliche Aspekte zum Status des Studenten, JuS 1968, 257 ff. (258). 5 Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, Bad Homburg v. d. H. / B e r l i n / Zürich 1969, S. 269. 6 Siehe etwa Ulrich Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, Tübingen 1971, S. 119 ff.; Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I, A l l g e meiner Teil, 10. Aufl., München 1973, S. 127; Paetzold (Die Abgrenzung von allgemeinem u n d besonderem Gewaltverhältnis, passim) versucht erneut, dem besonderen Gewaltverhältnis einen eigenständigen Geltungsbereich zu verschaffen. Wolf gang Martens (Das besondere Gewaltverhältnis i m demokratischen Rechtsstaat, Z B R 1970, 197) betont, daß erst einige Schneisen i n das Dickicht des besonderen Gewaltverhältnisses geschlagen worden seien. W i dersprüchlich Evers (Das besondere Gewaltverhältnis), der einerseits das besondere Gewaltverhältnis totsagt (S. 1), i h m aber andererseits attestiert, es sei „weiter i n Bewegung" (S. 27).
14
Einleitung
werden, daß sich aus dem Begriff als solchem keine Rechtsfolgen herleiten lassen7, m. a. W. der Ausdruck „besonderes Gewaltverhältnis" nicht länger als dogmatischer Begriff verwendet werden kann 8 . Dennoch lassen sich manche Konstruktionen und Thesen i n Literatur und Rechtsprechung nur daraus hinlänglich erklären, daß dem besonderen Gewaltverhältnis dogmatische Funktion zuerkannt wird. Gegenüber einem möglichen Euphemismus erscheint daher Vorsicht am Platze. Die Vermutung der bloßen Abschaffung einer Sprachfigur ohne Dereliktion der damit verbundenen Argumentationsstrukturen liegt angesichts einer historischen Parallele nahe: Bereits früher ist — u. a. auch von Otto Mayer, der dem besonderen Gewaltverhältnis die dogmatischen Konturen verliehen hat 9 — die Rechtsqualität dieses Verhältnisses betont worden 1 0 . Dennoch wurden die gebotenen Konsequenzen nicht gezogen; i n einem mühsamen Prozeß 11 sind nach und nach — weniger von der Dogmatik her als unter pragmatischen Aspekten 1 2 — Einbrüche i n den ehedem rechtsfreien Raum erzielt worden. Auch heute kann keineswegs die Feststellung getroffen werden, daß m i t der Aufgabe des Begriffs „besonderes Gewalt Verhältnis" das Beamtenverhältnis entproblematisiert worden wäre. Jedoch läßt sich die Beobachtung machen, daß sich die Debatte verlagert hat und mit einer relativen Konsolidierug der Diskussion i m Bereich des Dienstrechts der Blick auf neue Fragenkomplexe freigeworden ist. Insbesondere harrt der Bereich des Amtsrechts und seiner normativen Steuerung noch weiterer Durchdringung. Dieser Fragenkreis bildet auch ein Hauptanliegen dieser 7 Das ist ein unausrottbar scheinender methodischer Fehler des Begriffsrealismus, der zwangsläufig i n eine petitio p r i n c i p i i verfallen muß. 8 Dazu unten Erster Teil, Erstes Kapitel, 1 c. 9 Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Band, 3. Aufl., München u n d Leipzig 1924, S. 101 f.; ders., Die Lehre v o m öffentlich-rechtlichen Vertrage, AöR Bd. 3 (1888), S. 3 ff. (52, 81) u n d öfter. 10 AöR Bd. 3 (1888), S. 52. Vgl. auch Hans Nawiasky, Forderungs- u n d Gewaltverhältnis, Festschrift für Ernst Zitelmann, München / Leipzig 1913, S. 1 ff. Ule ( V V D S t R L 15 [1957], S. 144) betont, daran sei i n der Theorie des besonderen Gewaltverhältnisses „nie ein Zweifel gewesen". Vgl. auch Walter Leisner, Die schutzwürdigen Rechte i m Besonderen Gewaltverhältnis, DVB1. 1960, 617; Hans-Uwe Erichsen, Besonderes Gewaltverhältnis u n d Sonderverordnung, Rückschau u n d Ausblick, i n : Festschrift für Hans J. W o l f f zum 75. Geburtstag, München 1973, S. 219 ff. (228 ff.). Siehe demgegenüber die vorsichtige Formulierung v o n Hugo Kellner (Zum gerichtlichen Rechtsschutz i m besonderen Gewaltverhältnis, DÖV 1963, 418 ff., 419): „ . . . k a n n . . . heute als anerkannt gelten." 11 s. auch Erichsen, Staatsrecht u n d Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. A u f l . 1976, S. 152: „außerordentlich zählebig". Ebenso Erich Feindt, Die Rechtsnatur beamtenrechtlicher Ausbildungs- u n d Prüfungsordnungen, D Ö V 1973, 763 ff. (764). 12 Erichsen, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 235; Evers, Das besondere Gewaltverhältnis, S. 4; Peter Selmer, Der Vorbehalt des Gesetzes, JuS 1968, 489 ff. (497).
Einleitung
Untersuchung: Die Konzentration auf das lineare Staat-Bürger-Verhältnis („Außenrecht") hat zu einer relativen Verdeckung des organisatorischen Bereichs geführt, dessen komplex ineinander greifende Normen diejenigen Rechtssätze erst eigentlich „ i n Bewegung bringen", die das Staat-Bürger-Verhältnis beherrschen. Bei näherer Betrachtung des Amtrechts und seiner Verzahnung m i t dem Dienstrecht, das wiederum die Brücke zum Außenrecht schlägt, w i r d sich erweisen, daß manche Fragen des Dienstrechts i m Amtsrecht ihre Beantwortung finden. Das ist nur eine Erscheinungsform der ebenfalls nachzuweisenden Präponderanz von Entscheidungsregeln 13 . Dieser Ausdruck bezeichnet den Umstand, daß vieles, was zunächst als Sachfrage erscheint, i n Wirklichkeit ein Kompetenzproblem darstellt. Weitere Lösungsansätze i n diesem Bereich werden freigelegt, wenn man sich die Relativität von Rechtssatzkomplexen und von rechtlichen Qualifikationen wieder vor Augen führt, m. a. W. die Bezogenheit von Aussagen auf die jeweils einen Sachverhalt betreffenden Rechtssätze. Das mag zunächst als Selbstverständlichkeit erscheinen. Es braucht jedoch nur auf die noch immer bestehenden Kontroversen um den sog. rechtswidrigen bindenden Befehl, auf den behaupteten Rangverlust des Außenrechts und die erst jüngst aufgenommene Diskussion um die Berechtigung der Figur der juristischen Person hingewiesen zu werden, um die Relevanz dieser Problematik deutlich zu machen. Die Bezogenheit auch der vorliegenden Untersuchung und ihrer Teilaussagen auf Rechtssätze w i r d gelegentlich zu dem Eingeständnis führen, daß manche Fragen nicht — weder positiv noch negativ — rechtsdogmatisch entscheidbar sind. Solche „Offenbarungseide" sind für rechtswissenschaftliche Arbeiten nicht gerade üblich; sie sind jedoch dort unausweichlich, wo der jeweilige Normenkomplex keine eindeutige A n t wort parat hält und kontroverse Lösungen zuläßt. Eine Selbstbescheidung auf das rechtswissenschaftlich „Machbare" erscheint angezeigt, w i l l man nicht die fehlerhafte Vorstellung wecken und aufrechterhalten, als sei jedwede Lösung gesellschaftlicher Konflikte bereits gesetzgeberisch eindeutig vorentschieden. I n solchen Fällen entfalten übrigens wiederum die Entscheidungsregeln ihre Auffangwirkung: Die Entscheidung derjenigen Instanz ist maßgeblich (nicht notwendig: allein richtig), die nach der Rechtsordnung zur Entscheidung berufen ist. Damit sind einige Hauptanliegen der Untersuchung bezeichnet. Vom Gegenstand her w i r d sich die Arbeit nahezu ausschließlich auf das Recht der beamteten Dienstnehmer und die Zusammenhänge des Dienstrechts m i t dem Organisationsrecht beschränken. Damit sind zunächst die Angehörigen derjenigen „besonderen Gewaltverhältnisse" aus dem Blickfeld, 13
Vgl. dazu Erster Teil, Zweites Kapitel, 3 c.
16
Einleitung
die nicht Walter staatlicher Funktionen sind, bei denen m i t h i n keine Ä m ter- und Weisungsstruktur vorhanden ist. Es w i r d sich auch ohne besondere Erwähnung zeigen, daß die hier untersuchten Problemkreise bei Schülern, Strafgefangenen und Anstaltbenutzern zum allergrößten Teil nicht auftauchen und sich die Ergebnisse nicht auf deren Hechtsverhältnisse übertragen lassen. Aber auch die Rechtsverhältnisse anderer Personen, die i m öffentlichen Dienst stehen (Richter, Soldaten, Angestellte i m öffentlichen Dienst), werden nicht zum Gegenstand der Untersuchung gemacht, weil die Ämter- und Weisungsstruktur dort anders geregelt ist. Dazu sei nur erwähnt, daß beim Soldaten bereits umstritten ist, ob er ein A m t innehat. Der Richter ist bei seiner rechtsprechenden Tätigkeit nicht weisungsgebunden, sondern unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Die dienstrechtlichen Verhältnisse der Angestellten des öffentlichen Rechts schließlich sind nicht durch Gesetz, sondern tarifvertraglich geregelt, was bereits von den normativen Grundlagen her andere rechtsdogmatische Fragen aufwirft. Ob sich die hier zu erörternden Probleme i m A n gestelltenrecht i n gleicher Weise stellen und auf gleiche oder andere Weise zu lösen sind, muß daher späteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. 2. Methode Die bei der Untersuchung zugrundegelegte Methode kann hier nicht i n allen Einzelheiten ausgearbeitet und auf ihre wissenschaftstheoretischen Fundamente zurückgeführt werden, zumal es eher darauf ankommen dürfte, eine Methode zu praktizieren als sie ausgiebig zu erläutern und gegen mögliche Einwendungen abzusichern. Das sollte aus folgendem Grunde nicht als Nachteil angesehen werden: Jeder Zugang zu einem Betrachtungsgegenstand kann notwendig nur einen Aspekt dieses Gegenstandes erfassen, da die Wirklichkeit grenzenlos komplex ist 1 4 . So läßt sich „Recht" und lassen sich einzelne Rechtssätze etwa unter ethischen, historischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen etc. Perspektiven angehen. M i t jeder dieser Methoden w i r d man zu unterschiedlichen Aussagen über den Gegenstand gelangen 15 . Entscheidend ist dabei nicht, welches die „richtige" Methode darstellt 1 6 . Ausschlaggebend für die Rationalität und Ergiebigkeit einer Diskussion ist vielmehr, daß (neben dem Betrachtungsgegenstand) die praktizierte Methode angegeben und daß ihre Leistungsfähigkeit deutlich gemacht wird. Nur so läßt sich vermeiden, daß Aussagen an Ansprüche gemessen werden, die sie schon vom metho14 Vgl. etwa Stig Jorgensen, N o r m u n d Wirklichkeit, Rechtstheorie 1971, S. 1 ff. (7 f.). 15 Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 2. Aufl., Tübingen 1968, S. 55. 16 So aber Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 54.
Einleitung
dischen Ansatz her nicht erfüllen können. Dieser Ansatzpunkt sollte seit Kelsen außer Streit stehen. Damit ist freilich nur der erste Schritt getan. Für die weitere methodische Grundlegung können die Erörterungen sich auf das öffentliche Recht beschränken, zumal das geltende Verfassungsrecht eine Bestimmung bereithält, die zum Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen gemacht werden kann. Nach A r t . 20 Abs. 3 GG sind vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden; nach A r t . 97 Abs. 1 GG sind die Richter (unabhängig und nur) dem Gesetz unterworfen. Aufgabe der dogmatischen Rechtswissenschaft ist es mithin, dem Rechtsanwender zu sagen, „was i m Gesetz steht", damit er weiß, woran er gebunden ist. Geht man weiter davon aus, daß die Gesetzessprache als nicht-formalisierte Fachsprache so gut wie keine eindeutigen Ausdrücke enthält 17 » dann kann es sich zunächst nicht darum handeln, die vorgeblich „einzig richtige" Auslegung des Rechtssatzes zu ermitteln, sondern den durch den Wortsinn gesteckten Rahmen möglicher Interpretationen aufzuzeigen 18 . A m Beginn der Rechtsfindung steht also nicht die Ermittlung von Denkgeboten für den Rechtsanwender, sondern von Denkverboten, steht m. a. W. die Frage: Welche Verhaltensweisen des Rechtsanwenders hat der Rechtsetzer durch den Wortlaut des Rechtssatzes ausgeschlossen? Das Ergebnis ist, daß keine der durch den möglichen Wortsinn gedeckten I n terpretationen als „falsch" bezeichnet werden kann. Jedenfalls läßt sich ein solches Verdikt nicht intersubjektiv v o l l nachprüfbar beweisen 19 . E i n weiterer Schritt besteht darin, die dem Normsinn „adäquateste" Interpretation hermeneutisch zu ermitteln. Hier greifen historische, to17 Ralf Dreier, Probleme der Rechtsquellenlehre, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 3 ff. (6/7); Roland Dubischar, Grundbegriffe des Rechts. Eine E i n f ü h rung i n die Rechtstheorie, Stuttgart / B e r l i n / K ö l n / Mainz 1968, S. 21 f.; H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts (engl.: The Concept of L a w , 1961), F r a n k f u r t 1973, S. 173 ff.; Dieter Horn, Rechtssprache u n d K o m m u n i k a t i o n . Grundlegung einer semantischen Kommunikationstheorie, B e r l i n 1966, bes. S. 26 ff., 94 f.; Eis Oksaar, Sprache als Problem u n d Werkzeug des Juristen, ARSP Bd. 53 (1967), S. 91 ff. (116ff.); Gerd Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes u n d das Grundgesetz, Mainz 1969, S. 259 ff., 271 ff.; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 135; Joachim Schmidt-Salzer, Der Beurteilungsspielraum der Verwaltungsbehörden, B e r l i n 1975, S. 15 f. m i t Fußn. 22 u n d 24. 18 Hierzu u n d zum folgenden vgl. Wolf gang Meyer, Noch einmal: Wahrheitsbegriff u n d Rechtswissenschaft, JuS 1973, 202 ff. 19 Jesch (Gesetz u n d Verwaltung, S. 67) meint allerdings, es gebe keinen anderen praktischen Beweis f ü r die Richtigkeit einer Lösung als die A n erkennung durch Wissenschaft u n d Praxis. Das meint etwas anderes: Die Anerkennung einer Auslegungshypothese, d. h. der Konsens über ihre A n wendung, ist nicht der Beweis für ihre Richtigkeit, sondern ein Indiz für ihre Bewährtheit Das ist deswegen zu unterscheiden, w e i l sich der positive Nachweis der alleinigen Richtigkeit nicht führen läßt, eine Auslegungshypothese vielmehr lediglich falsifiziert werden kann. Grundlegend dazu Karl R. Popper, L o g i k der Forschung, 5. Aufl., Tübingen 1973, S. 47 ff.
2 Schnapp
18
Einleitung
pische, systematische und teleologische Methoden Platz, die die Frage beantworten sollen, was der Rechtsetzer positiv hat sagen wollen 20. Dieser Schritt ist deutlich vom ersten abzusetzen, weil hier das Verfahren an Stringenz verliert und somit, was die Wissenschaftlichkeit anbetrifft, von anderer Qualität ist. Hier erarbeitet die Wissenschaft also Entscheidungsvorschläge, die den Anspruch erheben, idealiter dem positiven Sinn des Gesetzes zu entsprechen. Auf weite Strecken w i r d es sich dabei u m einen Prozeß handeln, der nicht intersubjektiv zu vermitteln ist, i n dem man vielmehr diskursiv zu überzeugen versucht. Die wissenschaftliche Zulässigkeit von dergestalt gefundenen Ergebnissen w i r d dabei vom Wortlaut markiert: Eine Aussage ist falsifiziert, wenn sie die Grenzen des Wortlauts verläßt, m. a. W. wenn das, was der Rechtsetzer vorgeblichgewollt hat, keine Andeutung i n dem zu interpretierenden Rechtssatz gefunden hat 2 1 . Nicht falsifiziert hingegen ist eine Auslegungshypothese, solange sie m i t dem Wortlaut vereinbar ist. Sie kann nur „mehr oder weniger" dem Normsinn adäquat sein, was, wie gesagt, nicht m i t streng wissenschaftlichen M i t t e l n beweisbar ist. Zu unterscheiden ist schließlich die Rechtsanwendung i m konkreten Fall, d. h. ein Verfahren, welches für eine oder mehrere Rechtssubjekte von der Rechtsordnung vorgesehene Rechtsfolgen zeitigt 2 2 . Es ist unbestritten, daß hier echte Dezision stattfindet, die freilich oft i n Dogmatisierungshülsen eingekleidet w i r d 2 3 . Hier ist nicht mehr das eigentliche Feld der Rechtswissenschaft, und zwar einmal, weil der Rechtswissenschaftler nicht Adressat von Entscheidungsregeln i n einer Rechtsordnung ist, zum anderen, weil ein Entscheidungsprozeß und das durch ihn „gewonnene" Ergebnis nicht mit wissenschaftlicher Stringenz vermittelt werden können.
20 Diese Fragestellung w i r d deutlich i n der Untersuchung von Adalbert Podlech, Gehalt u n d F u n k t i o n e n des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes, B e r l i n 1971. Er ermittelt zunächst die semantische Gehaltlosigkeit von A r t . 3 Abs. 1 GG, u m dann nach dem pragmatischen Gehalt zu suchen (um angeben zu können, was der Gesetzgeber hat sagen wollen). 21 E i n Beispiel für eine Auslegungshypothese, die „ v e r n ü n f t i g " erscheint, gleichwohl aber keine Andeutung i m Wortlaut findet, m i t h i n intersubjektiv nicht vermittelt werden kann, ist die These von Dürig (MaunzlDüriglHerzog, Grundgesetz, A r t . 2 Abs. I Rdnr. 12, Fußn. 2), das „ u n d " bei der Schrankentrias sei zweifelsfrei (!) als „oder" zu lesen. So w i r d ein Rechtsanwender v e r fahren; rechiswissenschaftlicher Betrachtungsweise ist eine solche These jedoch nicht zugänglich. 22 Natürlich löst der Rechtswissenschaftler auch „Fälle", aber er unterscheidet sich v o m rechtssatzmäßig berufenen Rechtsanwender dadurch, daß aus der Fall-Lösung keine Rechtsfolgen resultieren. Deshalb ist die L e h r sentenz, bei schriftlichen Übungsarbeiten sei das Ergebnis nicht ausschlaggebend, i m Prinzip richtig. 23 Josef Esser, Vorverständnis u n d Methodenwahl i n der Rechtsfindung, F r a n k f u r t am M a i n 1972, passim.
Einleitung
19
Vor allem die beiden zuerst genannten Kategorien bilden also die „Domäne" des Rechtswissenschaftlers. Sie lassen sich i n Anlehnung an Habermas 24 als Gegenstand einmal der empirisch-analytischen, zum anderen der historisch-hermeneutischen Wissenschaftsrichtung kennzeichnen. Wesentlich ist dabei, daß die jeweiligen Forschungsprozesse unterschiedlichen Regeln folgen und daß sich der Wissenschaftler bewußt ist sowie vor allem deutlich macht, welcher Regelkanon der jeweils vertretenen Auslegungshypothese zugrundeliegt. Es geht also um nicht mehr und nicht weniger als um die Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft. Dabei können Forschungsergebnisse der sog. analytischen Wissenschaftsrichtung 25 und des kritischen Rationalismus 2 6 fruchtbar gemacht werden. Bemerkenswert erscheint dabei, daß diese aus dem Bannkreis der Naturwissenschaften erwachsene Strömung, der i m Bereich anderer Geisteswissenschaften bereits wieder das Feld streitig gemacht w i r d 2 7 , i n der dogmatischen Rechtswissenschaft kaum i n Ansätzen Fuß gefaßt hat 2 8 . Dabei handelt es sich hier — um es noch einmal zu betonen — nicht darum, die „allein richtige" Methode m i t Absolutheitsanspruch zu propagieren 29 . Es scheint nur, als biete die Verwertung von Erkenntnissen des kritischen Rationalismus die Chance von Erkenntnisfortschritten, weil sie die Rationalität der Diskussion und damit die Wahrscheinlichkeit von Wahrheitsfindung erhöht. Folgende Markierungspunkte verdienen dabei hervorgehoben zu werden: Verständigungsmittel der Rechtswissenschaft ist die Sprache, und 24 Jürgen Habermas, Erkenntnis u n d Interesse, i n : der s., Technik u n d Wissenschaft als „Ideologie", F r a n k f u r t 1968, S. 146 ff. 25 Dazu vgl. etwa I. M. Bochenski, Die zeitgenössischen Denkmethoden, 4. Aufl., B e r l i n u n d München 1969, S. 37 ff.; Helmut Seiffert, Einführung i n die Wissenschaftstheorie, 1. Band, 6. Aufl., München 1973, S. 15 ff.; Arnold Brecht, Politische Theorie, Tübingen 1961, S. 63 ff. Diese Schule hat i n die Rechtswissenschaft noch so gut w i e keinen Eingang gefunden; vgl. aber Norbert Hoerster, Grundthesen analytischer Rechtstheorie, Jahrbuch für Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie Bd. 2 (1972), S. 115 ff.; Jens-Michael Priester, Rechtstheorie als analytische Wissenschaftstheorie, i n : Rechtstheorie, hrsg. von Günter Jahr u n d Werner Maihof er, F r a n k f u r t 1971, S. 13 ff. 26 Grundlegend Karl R. Popper, Logik der Forschung, 5. Aufl., Tübingen 1973; ders., Objektive Erkenntnis. E i n evolutionärer E n t w u r f , Hamburg 1973; Hans Albert, T r a k t a t über kritische Vernunft, 2. Aufl., Tübingen 1969; vgl. auch Willy Hochkeppel, Kritischer Rationalismus als Alternative, i n : Plädoyer für die Vernunft, hrsg. von Gerd-Klaus Kaltenbrunner, München 1974, S. 83 ff. 27 Vgl. die Auseinandersetzung i n : Der Positivismusstreit i n der deutschen Soziologie, hrsg. von Theodor W. Adorno u. a., 2. Aufl., Neuwied und B e r l i n 1970. 28 Vgl. auch den Versuch von Peter Schwerdtner, Rechtswissenschaft u n d kritischer Rationalismus, Rechtstheorie Bd. 2 (1971), S. 67 ff., 224 ff. Skeptisch neuestens Wilhelm Henke, K r i t i k des kritischen Rationalismus, Tübingen 1974. A u f die Auseinandersetzung k a n n hier nicht eingegangen werden. 29 Das k a n n der kritische Rationalismus schon von seinem Grundansatz her nicht i n Anspruch nehmen. 2*
20
Einleitung
zwar die Gesetzessprache und die der rechtswissenschaftlichen Diskussion. Theorien, Auslegungshypothesen etc. des Rechtswissenschaftlers sind also Aussagen über Aussagen (des Gesetzes oder anderer Rechtswissenschaftler), d. h. die Sprache der Dogmatik ist eine Metasprache. Als solche ist sie auf die Übereinstimmung m i t dem angesprochenen Normenkomplex überprüfbar, d. h. sie ist der empirischen Wahrheit fähig 3 0 . Dabei kann sie als „ w a h r " bezeichnet werden, solange sie nicht widerlegt ist. Geht man nämlich davon aus, daß es keinen endgültigen Beweis für die alleinige Richtigkeit einer Hypothese geben kann, d. h. daß Aussagen nicht endgültig verifizierbar sind 3 1 , dann ist das Ziel wissenschaftlicher Diskussion gleichsam via negationis der herkömmlichen Denkgewohnheiten anzustreben: Man muß Aussagen zu falsifizieren versuchen. Voraussetzung dafür ist freilich, daß diese Aussagen überhaupt kritikfähig sind, m. a. W. daß sie Ausdrücke enthalten, deren semantischer Gehalt — um m i t Arnold Brecht zu sprechen — „intersubjektiv transmissibel", als Wissen von Person zu Person übertragbar ist 3 2 . Wann Aussagen diesen Ansprüchen genügen, kann hier nicht positiv entwickelt werden 3 3 , j a es scheint, daß diese Arbeit für den Bereich der Rechtswissenschaft noch aussteht. Jedenfalls läßt sich negativ sagen, daß etwa methaphysische Werturteile 3 4 und Leerformeln 3 5 , die ihrerseits erst der Explikation bedürfen, um i n der Diskussion verwendbar sein zu können, diesen Voraussetzungen nicht entsprechen. Die vorstehend mehr thesenhaft angedeutete Methode schlägt sich auf zweierlei Weise i n der vorliegenden Untersuchung nieder: 1. Die Arbeit bemüht sich, ihre Aussagen so zu formulieren, daß sie den dargelegten Ansprüchen genügen. Die Sätze sollen also kritisierbar bleiben und nicht i n einer A r t Immunisierungsstrategie 36 von vornherein gegen K r i t i k unempfindlich gemacht werden. Deshalb sind die einzelnen Thesen als Diskussionsentwürfe zu verstehen, die der Widerlegung harren. 30
Vgl. Wolf gang Meyer, JuS 1973, 203 f. Die Replik von Adomeit (JuS 1973, 207) beruht auf einer Verkennung des Problems. 31 Arnold Brecht, Politische Theorie, S. 59, 157; Popper, L o g i k der F o r schung, S. 47 ff., 198 ff. 32 Politische Theorie, S. 134 ff.; Popper, Die offene Gesellschaft u n d ihre Feinde, Bd. I I , Bern 1958, S. 267. 33 Vgl. den Regelkanon bei Arnold Brecht, Politische Theorie, S. 85 ff., der sich freilich n u r bedingt auf die Rechtswissenschaft übertragen läßt. 34 Dazu, daß eine wissenschaftliche Diskussion von Werten logisch unmöglich ist, vgl. Albert, T r a k t a t über kritische Vernunft, S. 55 ff.; Wolf gang Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, 4. Aufl., Stuttgart 1969, S. 511 ff. 35 Dazu Ernst Topitsch, Über Leerformeln, i n : Probleme der Wissenschaftstheorie, Festschrift für Victor K r a f t , Wien 1960, S. 233 ff. 36 Vgl. Hans Albert, I m Rücken des Positivismus?, i n : Der Positivismusstreit i n der deutschen Soziologie, S. 267 ff. (273).
Einleitung
2. Die vom kritischen Rationalismus propagierte fallibilistische Erkenntnistheorie ist von der Grundkonzeption eher darauf angelegt, der Widerlegbarkeit von Hypothesen nachzuspüren als Bestätigungen zu sammeln 37 . Demgemäß werden hier auf weiten Strecken überkommene Thesen kritisch gesichtet und Begründungen auf ihre Tragfähigkeit geprüft. Das bedeutet nicht, daß keine positiven Aussagen entwickelt werden können. Jedoch beschränken sie sich eher auf Teilbereiche, sind also vom Entwurf einer Gesamtkonzeption, eines lückenlosen systematischen Gesamtgebäudes selbst i n dem hier abgehandelten Problemausschnitt noch ein gutes Stück entfernt. Analytisches Vorgehen ist „StückwerkTechnologie" 38 , eignet sich aber kaum für eine „ganzheitliche" Sicht der Dinge. Abschließend wäre methodisch anzumerken, daß i m nachfolgenden dogmenhistorischen Teil der Versuch unternommen wird, sowohl die historische als auch die systematische Betrachtungsweise gleicherweise zu verfolgen. Das ist u. a. wegen der hier unumgänglichen Gedrängtheit der Darstellung angezeigt, wenn anders man nicht entweder i n einer bloßen Registrierung des Geschehenen verharren oder aber auf der anderen Seite Anschauungen früherer Zeiten allein mit dem Maßstab des heutigen Wissens- und Uberzeugungsstandes beurteilen w i l l . Hauptanliegen der dogmengeschichtlichen Erörterungen ist es zunächst aufzuzeigen, unter welchen Voraussetzungen und rechtlichen Gegebenheiten es zur Herausarbeitung und Formulierung bestimmter dogmatischer Figuren und Thesen kommen konnte oder gar mußte. Insofern ist historisches Vorgehen von dem Bemühen getragen, der Entwicklung, so wie sie sich abgespielt hat, gerecht zu werden. Ob der jeweilige Autor — gleich ob vom Standpunkt der damaligen oder der heutigen Zeit — „recht" hatte, interessiert dabei höchstens am Rande. Diese historische Betrachtung erscheint jedoch dort nicht mehr gefordert, wo die konstitutionelle Lehre (auf die sich hier das Hauptinteresse richtet), losgelöst von der positiv-rechtlichen Basis und der konkreten Verfassungsordnung, Thesen und Theorien m i t dem Anspruch auf rechtstheoretische Allgemeingültigkeit formulierte. Bei der insoweit angezeigten systematisch-kritischen Betrachtungsweise ist es gerechtfertigt, auch rechtstheoretische Maßstäbe nach dem jetzigen Wissensstand anzulegen. Die K r i t i k richtet sich dabei nicht gegen den Autor, sondern ist lediglich noch an den vorgetragenen Thesen orientiert. Die Person i n ihrer Zeitbedingtheit interessiert dann nicht mehr, sie verschwindet sozusagen hinter den von ihr gemachten Aussagen, die von dem historischen und personalen Kontext abgehoben sind und verselbständigt er37 38
Hochkeppel, i n : Plädoyer f ü r die Vernunft, S. 87. Popper, Das Elend des Historizismus, 3. Aufl., Tübingen 1971, S. 51.
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Einleitung
scheinen. Die jeweilige Aussage w i r d also gleichsam geschichtslos, als „Gegenstand schlechthin" betrachtet und ist so einer systematischen K r i t i k zugänglich.
Erster Teil
Grundlagen Erstes Kapitel Z u r dogmenhistorischen Entwicklung des Beamtenverhältnisses 1. Das Beamtenverhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
Es könnte sich der Verdacht aufdrängen, angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. 3. 19721 sei eine Erörterung über den Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses nicht mehr als Reminiszenz oder rechtshistorische Pflichtübung. I n der erwähnten Entscheidung hatte das Bundesverfassungsgericht die Auffassung zurückgewiesen, die Rechtsfigur des besonderen Gewaltverhältnisses eigne sich zur eigenständigen, impliziten Beschränkung der Grundrechte der Strafgefangenen. Dieser Umstand macht aber entgegen dem ersten Eindruck eine Befassung mit der Rechtsfigur „besonderes Gewaltverhältnis" nicht überflüssig, und zwar aus mehreren Gründen. Nicht so sehr ausschlaggebend ist es, daß die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sich explizit nur mit der Frage der Grundrechtsgeltung und -einschränkung befaßte, während sich traditionell hinter dem Etikett „besonderes Gewalt Verhältnis" i m wesentlichen drei Problemkreise verbergen: die Einschränkbarkeit von Grundrechten, die Geltung des Gesetzesvorbehaltes sowie Rechtsschutzfragen 2 . Wesentlicher erscheint die Überlegung, daß mit der bloßen Dereliktion einer dogmatischen Figur nicht zwangsläufig die dahinterstehenden Denkstrukturen und Argumentationsmuster aufgegeben sind. Aus diesem Grunde kann auch ein bloßer Wortgebrauchswechsel nicht weiterhelfen, solange nicht offengelegt ist, am Ende welcher verfassungs- und verwaltungsrechtsdogmatischen Vorüberlegungen der Wortneugebrauch steht, m. a. W. welchen normativen Komplex der Ausdruck derart „speichert", daß der 1
BVerfGE 33,1 = N J W 1972, 811. Wolfgang Martens, Das besondere Gewaltverhältnis i m demokratischen Rechtsstaat, ZBR 1970, 197 ff. (198). 2
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
Begriff als eigenständige Rechtsfindungsquelle fungieren kann 3 . Ist nämlich zweifelhaft, „ob das besondere Gewaltverhältnis als ein allgemeines Verhältnis, nämlich ein durch i h m eigene gemeinsame Züge i n allen Bereichen seiner Verwendung gekennzeichnetes begreifbar und damit dogmatisch geprägt ist" 4 , so muß das i m gleichen Maße für das Beamtenverhältnis als Prototyp des besonderen Gewaltverhältnisses 5 gelten. Dieses Problem ist eingebettet i n die generelle Frage nach der Sinnhaftigkeit und der Berechtigung der Verwendung von dogmatischen Rechtsfiguren bzw. nach der Möglichkeit der Vorstellung von Verhältnissen schlechthin wie etwa dem allgemeinen Gewaltverhältnis, i n dem der Bürger zum Staat stehen soll 6 . Kommt nämlich — insoweit mag ein Aspekt der nachfolgenden Untersuchung angedeutet werden — dem Begriff des „allgemeinen Gewaltverhältnisses" keine Aussagebedeutung zu, so schlägt dieser Mangel zwangsläufig auch auf das besondere Gewaltverhältnis durch, was, wie bereits gesagt, seine Verwendbarkeit als didaktischer Begriff nicht schon ohne weiteres mindert. Es kommt schließlich hinzu, daß eigentlich erst Otto Mayer, dessen fast alle anderen Strömungen absorbierende Durchsetzungskraft Institutionen und Dogmatik noch unseres heutigen verwaltungsrechtlichen Denkens nachhaltig beeinflußt 7 , das besondere Gewaltverhältnis als verwaltungsrechtliche Kategorie installiert hat und bei der Bündelung vorhandener Ansätze gleichzeitig Entwicklungslinien verschüttete, die differenzierter sein dürften als gemeinhin angenommen w i r d 8 . Das mag man als dogmenhistorische Simplifizierung bedauern. Verhängnisvoller war der Umstand, daß entlang der Linie des besonderen Gewaltverhältnisses, das den Beamten i n persönlicher und organwalter3 Unberührt von obigen Überlegungen bleibt allerdings der Umstand, daß Begriffe neben der dogmatischen auch eine didaktische F u n k t i o n erfüllen können. Dazu näher unter c). 4 Hans Peter Ipsen, 50 Jahre deutsche Staatsrechtswissenschaft i m Spiegel der Verhandlungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, I I . Die Verhandlungen von 1949 (Heidelberg) bis 1971 (Regensburg), AöR Bd. 97 (1972), S. 375 ff. (416). Hervorhebung von mir. Ipsen fährt fort, diese Frage könne eine am Verfassungsrecht orientierte Dogmatik n u r differenziert beantworten. 5 Thiele, DöD 1963,101; Fuß, D Ö V 1972, 767. β Vgl. aus letzter Zeit etwa H. O. W. Paetzold, Die Abgrenzung von allgemeinem u n d besonderem Gewaltverhältnis, Diss. H a m b u r g 1972, S. 4: Gewaltverhältnis als das Rechtsverhältnis des öffentlichen Rechts schlechthin. 7 Rupp, Grundfragen, S. 1 ff.; Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 219. Dabei kann, w i e Erichsen (Verfassungs- u n d verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen, S. 15) unter Bezug auf Bullinger u n d Rüfner hervorhebt, Otto Mayer „schwerlich als Kronzeuge einer auch n u r tendenziell wertungsfreien Geschichtsbetrachtung angesehen werden". Siehe auch schon die Bedenken von Erich Kaufmann, Studien zur Staatslehre des monarchischen Prinzipes, i n : A u t o r i t ä t u n d Freiheit (Gesammelte Schriften, Band 1), Göttingen 1960, S. 1 ff. (30). 8 Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 220 m i t Fußnoten 3, 4, 5.
1. Das Beamten Verhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
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schaftlicher Stellung erfaßte 9 , undifferenziert weiterargumentiert wurde, indem man es entweder i n toto akzeptierte oder als fossiles Relikt absolutistischer Provenienz verwarf. Dieses pauschalierende Vorgehen bewirkte, daß die komplexen Verhältnisse innerhalb des organschaftlichen Und organwalterschaftlichen Bereichs, insbesondere auch diejenigen Fragen, die Adressatenrichtung, Normenhierarchie und „Rang"-Verhältnisse zum „Außenrecht" 1 0 betreffen, lange Zeit dem Blick der Rechtswissenschaft verborgen geblieben sind. Denn die undifferenziert gebrauchte Figur des besonderen Gewaltverhältnisses beschränkte sich j a weder auf das Beamtenverhältnis 1 1 noch war es m i t dem Anstellungsverhältnis 1 2 oder gar dem organwalterschaftlichen „Innenverhältnis" identisch 18 . Eine Analyse der Problemkreise, i n denen der Ausdruck „besonderes Gewaltverhältnis" als Dogmatisierungshülse auftaucht, ergibt, daß es sich dabei zumeist um Fragen handelt, die i m Bereich des Dienstrechtsverhältnisses anfallen 1 4 . Die Unterteilung des besonderen Gewaltverhältnisses i n Grund- und Betriebsverhältnis durch Ule 15 hat diese wissenschaftsretardierende Situation perpetuiert, indem sie die Figur des besonderen Gewaltverhältnisses nicht prinzipiell i n Frage stellte, sondern — vom Rechtsschutzdenken her motiviert — lediglich weiter einteilte, damit aber voraussetzte. Aus den vorstehenden Gründen ist auch die hier und da auftretende These, auch das besondere Gewaltverhältnis sei ein Rechtsverhältnis 16 , 9 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl. 1914, S. 258 ff.; Walter Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Neudruck 1948, S. 369 ff. 10 I n der Terminologie von Rupp. Daß hier i n Wahrheit keine Rangfragen vorliegen, w i r d noch gezeigt werden. Vgl. Zweiter Teil, Drittes Kapitel, 2 u n d Viertes Kapitel. 11 Gemeint ist: i m Verhältnis zu den übrigen „besonderen Gewaltverhältnissen" wie den Verhältnissen der Schüler, Strafgefangenen etc. 12 I m Sinne von Hans J. Wolff, Organschaft u n d juristische Person, Bd. 2: Theorie der Vertretung, B e r l i n 1934, S. 231 ff. Vgl. auch Rupp, Grundfragen, S. 76: „Dienstrechtsverhältnis". 13 Rupp, Grundfragen, S. 42. 14 Vgl. dazu Arno Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen i m öffentlichen Dienst, B e r l i n 1969, S. 67. U n k l a r bei Evers, Das besondere Gewaltverhältnis, passim; Ulrich Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, T ü b i n gen 1971, S. 119 ff. Eine pauschale Erstreckung meint offenbar B V e r w G E Bd. 14, S. 84 (86), während Werner Thieme (Zur Systematik verwaltungsrechtlicher Handlungsformen, Festschrift f ü r Friedrich Schack, H a m b u r g 1966, S. 157 ff., 163, 165) das Betriebsverhältnis i m Sinne von Ule als besonderes Gewaltverhältnis einordnet. Die Gemengelage ist zum T e i l m i t dadurch v e r ursacht, daß ursprünglich Organisations- u n d Dienstgewalt zusammenfielen. Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, B e r l i n 1964, S. 34. So noch Arnold Röttgen, Die Organisationsgewalt, V V D S t R L 16 (1958), S. 154 ff. (180 f.). 15 Das besondere Gewaltverhältnis, V V D S t R L 15 (1957), S. 133 ff. (152). 16 So bereits Otto Mayer, Die Lehre v o m öffentlich-rechtlichen Vertrage, AöR Bd. 3 (1888), S. 3 ff. (52); Hans Nawiasky, Forderungs- u n d Gewaltver-
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
für sich genommen zwar einerseits eine Selbstverständlichkeit. Sie kann andererseits jedoch kaum zur Problemlösung beitragen, weil aus ihr nicht nur rechtliche Konsequenzen für die Beantwortung einer konkreten Frage nicht gezogen werden können, sondern weil sie auch m i t dem bloßen Etikettenwechsel „rechtsfrei" — „rechtserfüllt" die Komplexität der hinter dieser Figur stehenden strukturellen und dogmatischen Probleme verdeckt, indem sie eine Figur perpetuiert. Damit ist noch nichts darüber gesagt, ob die Möglichkeit, das Beamtenverhältnis unter verschiedenen Aspekten zu erfassen, auch unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich zieht oder ob bestimmte Erscheinungen i n den so getrennten Bereichen „verschiedenen Regeln folgen" 1 7 . Daher erscheint es angezeigt, nach einer Erörterung der Rechtsfigur „besonderes Gewaltverhältnis" den Blick freizulegen für eine gleichsam phänomenologische Betrachtung der organisatorischen und normativen Strukturen dieses Bereichs. Sie sind komplexer, als es die Annahme einer ungegliederten Rechtsfigur nahelegt, komplexer aber auch, als es pauschalierende Aufgliederungen (Grund-, Betriebsverhältnis; Innen-, A u ßenrecht; Dienst-, Amtsrecht) vermuten lassen. Die Vermutung liegt nahe — der Beweis ist noch anzutreten — daß jede kategorisierende Betrachtungsweise zumindest zu Randunschärfen führen, wenn nicht unter Umständen sogar i m Zentrum Fehlschlüsse produzieren muß. a) Allgemeines und besonderes Gewalt Verhältnis: Dogmengeschichte
Hans Nawiasky hat i n der Aussprache der Mainzer Staatsrechtslehrertagung von 1956 zum Verhandlungsthema „Das besondere Gewaltverhältnis" ausgeführt 18 : „Es ist . . . nicht eine spezielle Erscheinung des öffentlichen Rechts, wenn man von besonderen Gewaltverhältnissen spricht. Wenn w i r aber diese theoretischen Aspekte ins Auge fassen, dann gibt es eben einen allgemeineren Begriff, nämlich den des Gewaltverhältnisses an sich. Das besondere Gewaltverhältnis ist ein Unterfall des Gewaltverhältnisses. Man muß sich nur darüber klarwerden." Damit hat Nawiasky zutreffend darauf hingewiesen, daß es nur sinnvoll sein kann, von einem besonderen Gewaltverhältnis zu sprechen, wenn das allgemeine vorausgesetzt wird. Eine Erörterung dieses Fragenkreises hältnis, Festschrift f ü r Ernst Zitelmann, München u n d Leipzig 1913, S. 1 ff. (16, 34). Aus neuerer Zeit vgl. Otto Bachof, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, V V D S t R L 12 (1954), S. 37 ff. (58 f.); Ule, V V D S t R L 15 (1957), S. 144 ff.; Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 210 f.; Rupp, Grundfragen, S. 78; Winfried Brohm, Verwaltungsvorschriften u n d besonderes Gewaltverhältnis, DÖV 1964, 238 ff. (247); Peter Selmer, Der Verwaltungsrechtsschutz i n den besonderen Verwaltungsverhältnissen, DÖV 1968, 342; Ralf Holland, V e r w a l tungsrechtsschutz i m Schulverhältnis, DVB1. 1968, 245. 17 Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 40. 18 V V D S t R L 15 (1957), S. 213.
1. Das Beamtenerhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
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ist — u m einem möglichen Mißverständnis vorzubeugen — keineswegs eine bloße Begriffsklärung. Vielmehr setzt die Installierung von allgemeinem und besonderem Gewaltverhältnis als verwaltungsdogmatische Institute voraus, daß sich ihnen überhaupt Konturen abgewinnen lassen. Dabei kann die Untersuchung unter zwei Aspekten vor sich gehen: Z u m einen lassen sich die dogmengeschichtlichen Entwicklungslinien und Entstehungsgründe für die Entstehung der Figur „allgemeines Gewaltverhältnis" nachzeichnen, zum anderen können der mögliche Gebrauch einer solchen Figur als rechtstheoretischer Ausdruck sowie ihre dogmatische Verwendbarkeit untersucht werden. aa) Das „allgemeine Gewaltverhältnis" zielt — vage gesprochen — auf die Beziehungen zwischen I n d i v i d u u m und Staat 1 9 . Die gängige Betrachtungsweise über die Entwicklung dieser Beziehungen ist etwa folgende: Z u Zeiten des Absolutismus war der einzelne ausschließlich Objekt des durch den Herrscherwillen verkörperten Staatswillens, ohne daß er sich auf von der Staatsgewalt zu respektierende Rechte hätte berufen können. Nach und nach ist jedoch die Ausübung der Staatsgewalt i n überschaubare Bahnen gelenkt, dementsprechend die Rechtsstellung des einzelnen verstärkt worden. Schließlich hat das Grundgesetz die volle Verrechtlichung der Beziehungen zwischen Staat und Bürger gebracht 20 . A u f diese Weise w i r d das B i l d eines linearen Verrechtlichungsprozesses gezeichnet. Diese Betrachtungsweise ist nicht nur undifferenziert 2 1 , sondern auch ahistorisch, wobei sie überdies an dem Mangel leidet, geschichtliche Entwicklungen i n das heutige rechtsdogmatische Raster einfangen zu wollen. Zunächst geht sie von einem B i l d des fürstlichen Absolutismus aus, den es — m i t der Vorstellung unmittelbarer Subjektion des einzelnen unter die monarchische „Staats"-Gewalt — i n den deutschen Territorien 19 Es sei nur festgehalten, daß der Staat als juristische Person hier nicht als ein i n der realen Welt vorhandenes Etwas begriffen wird, sondern einen rechtstechnischen Denkbehelf, die „ K o n s t r u k t i o n eines bloß juristischen Gegenstandes" darstellt (Hans J. Wolff , Juristische Person und Staatsperson, S. 208; Wolf gang Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, Bad Homburg v. d. H. 1969, S. 181). Er w i r d von der Rechtsordnung „aus Gründen zweckmäßiger Vereinfachung rechtstechnisch als Subjekt (von) Verpflichtungen und Berechtigungen behandelt" (Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I, §32 I I b). Das bedeutet, daß das Sprechen von „Staat" je nach dem Kontext unterschiedliche reale Sachverhalte kennzeichnen kann. 20 So etwa Paetzold, Die Abgrenzung von allgemeinem und besonderem Gewaltverhältnis, S. 9 (ohne Quellen!); Ulrich Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, Tübingen 1959, S. 57; Max Imboden, Das Gesetz als Garantie rechtsstaatlicher Verwaltung, Basel und Stuttgart, 1954, S. 13; Guido Köhl, Die besonderen Gewaltverhältnisse i m öffentlichen Recht, Zürich 1955, S. 73. 21 Vgl. Erichsen (Festschrift für Hans J. Wolff, S. 220 m i t Fußnote 3) h i n sichtlich der analogen (Ver-)Zeichnung der Entwicklung des besonderen Gewaltverhältnisses.
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
eigentlich nie gegeben hat 2 2 . Das wurde u. a. verhindert durch die ständische Gliederung der Gesellschaft, die den direkten Zugriff des Monarchen auf den Untertan blockierte, was jedoch nicht ausschließt, daß der absolutistische Souveränitätsanspruch auf die Uberwindung der Mediatisierung abzielte. Ebenso ist der Begriff der Souveränität i m Sinne staatlicher Allmacht kaum eine Gedankengröße der gemeindeutschen Staatsrechtstradition. Schließlich setzt die Betrachtung erst m i t dem A b solutismus ein und schneidet dabei Verbindungslinien ab, die wesentlich weiter reichen 23 . I m mittelalterlichen Denken hatte eine Vorstellung von innerer Souveränität als dem staatlichen Zuhöchst-Sein keinen Raum. I n der Gedankenwelt des Mittelalters erschien nämlich auch die höchste irdische Gewalt als von Gott geliehen und i n rechtliche Schranken eingebunden 24 . Zwar gab es — insbesondere i n den Auseinandersetzungen um Fürstenoder Volkssouveränität — bereits den Souveränitätsbegriff. Jedoch war er von seiner späteren Ausprägung — insbesondere durch Jean Bodin — i n zwei wichtigen Punkten unterschieden 25 : Zum einen war das Recht gegenüber der „souveränen" Gewalt nicht suspendiert, zum anderen Schloß dieser Souveränitätsbegriff die Teilhabe nichtsouveräner Subjekte an staatlicher Gewalt nicht aus. Die Pluralität der Herrschaftsgewalten war nachgerade ein „mittelalterliches Verfassungsprinzip" 26 . Souveräne Entscheidungseinheiten m i t originär gedachter Hoheitsgewalt — wie etwa Frankreich und Preußen — waren auch i m 17. und 18. Jahrhundert „keineswegs die kontinentaleuropäische Normalform der Verbandsverfassung" 27 . Für die Entwicklung i n den deutschen Ter22 Nach Kurt v. Raumer (Absoluter Staat, korporative Libertät, persönliche Freiheit, H Z Bd. 183 [1957], S. 55 ff., 70) gehört es „ z u m Wesen des Absolutismus, daß e r . . . sich fast nirgendwo ganz durchgesetzt hat". 23 Vgl. auch den V o r w u r f von Erich Kaufmann (Studien zur Staatslehre des monarchischen Prinzips, S. 10) gegenüber der Geschichtsauffassung des monarchischen Prinzips: „ . . . alles, was sich bis zur Erschaffung der absoluten Monarchien ereignet hat, erscheint von sekundärer Bedeutung für den Bestand u n d den Charakter der heutigen Staatenwelt, w i e auch alle früheren staatsrechtlichen Reflexionen vor der Aufstellung des absoluten Souveränitätsbegriffs durch Jean Bodin zurücktreten müssen u n d n u r für die v ö l l i g anders geartete Staatenwelt des Mittelalters Beachtung zu verdienen scheinen. N u r dem absoluten Fürstentum, den Ideen der Herrschaft u n d des Imperiums u n d dem monarchistischen Souveränitätsbegriff glaubt m a n den modernen Staat zu verdanken, die Volkssouveränität u n d die naturrechtlichen Vertragstheorien erscheinen lediglich als Vorbereiter der staatszerstörenden Revolution, . . . " . Z u den Gründen s. ebd. Fußnote 10. 24 Thomas von Aquin, de reg. princ. I c, 14; aus der Sekundärliteratur ζ. B. Otto von Gierke , Johannes Althusius u n d die E n t w i c k l u n g der naturrechtlichen Staatstheorien, Nachdruck der 5. Ausgabe, A a l e n 1958, S. 140 m i t weiteren Nachweisen. 26 Vgl. Otto von Gierke , Althusius. S. 142 f. 26 Helmut Quaritsch, Staat u n d Souveränität, F r a n k f u r t (M.) 1970, S. 196. 27 Quaritsch, ebd., S. 398.
1. Das Beamten Verhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
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r i t o r i e n w a r v i e l m e h r d e r B e g r i f f d e r Landeshoheit 28 maßgebend, d i e m i t der Souveränität nicht identisch w a r 2 9 . U n t e r i h r begriff m a n v i e l m e h r e i n B ü n d e l h i s t o r i s c h e r w o r b e n e r Einzelrechte, eine S u m m e v o n R e g a l i e n , d i e n i c h t e i n m a l b e i m L a n d e s h e r r n k o n z e n t r i e r t w a r e n 3 0 , so daß m a n ü b e r d i e I n n e h a b u n g d e r R e g a l i e n sogar V e r m u t u n g s s ä t z e a u f s t e l l e n m u ß t e 3 1 . W i e w e n i g H o h e i t l i c h e s , „ A b s o l u t i s t i s c h e s " diesen R e g a l i e n u r s p r ü n g l i c h a n h a f t e t e , zeigt sich d a r a n , daß sich erst i n d e r ersten H ä l f t e des 16. J a h r h u n d e r t s die A u f f assung durchsetzte, d e r I n h a b e r eines Regale d ü r f e seine A n s p r ü c h e gegen d e n V e r p f l i c h t e t e n o h n e v o r g ä n g i g e s G e r i c h t s v e r f a h r e n m i t eigenen M i t t e l n d u r c h s e t z e n 3 2 . E r s t i n diesem Z e i t p u n k t also b a h n e n sich d i e E i g e n b e s c h a f f u n g ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e r T i t e l u n d d i e V o l l s t r e c k u n g s g e w a l t als „ H a u s g u t d e r V e r w a l t u n g " an. D e r L a n d e s h o h e i t w i e d e r u m s t a n d e n u. a. d i e „ a l t - u n d w o h l h e r g e b r a c h t e n F r e y h e i t e n u n d H e r k o m m e n " 3 3 gegenüber. H i e r w i r k t e n a l t g e r manische V o r s t e l l u n g e n v o m „ e i n a r t i g e n " Recht f o r t 3 4 , w o n a c h d i e O b 28 Vgl. dazu aus der neueren L i t e r a t u r : Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl., Stuttgart / B e r l i n / K ö l n / Mainz 1966, S. 824 ff.; Erichsen, Verfassungsu n d verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen, S. 24; Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 400 ff. 29 Das ergibt sich u. a. aus folgendem Passus bei Johann Jacob Moser, Von der Landeshoheit derer Teutschen Reichsstände überhaupt, Neues Teutsches Staatsrecht, Bd. 14, Franckfurt u n d Leipzig 1773, S. 4: „ W a n n das W o r t Superioritas allein gesezet werde bedeute es die Souverainite, oder höchste unabhängige Gewalt: W a n n aber bey gesezet werde: Territorialis, verstehe man die i n Teutschland übliche Landeshoheit darunter." Otto Brunner (Land und Herrschaft, 4. Aufl., Wien, Wiesbaden 1959, S. 358 f.) spricht hingegen die Landeshoheit bereits als „quasisouveräne Staatsgewalt" an. 30 Helmut Quaritsch, Kirchen u n d Staat, Der Staat 1972, 289 ff. (306). 31 Quaritsch, ebd., S. 306 m i t Fußnoten 126,128. 32 Nachweise bei J. J. Moser, Neues Teutsches Staatsrecht, B a n d 14, S. 329 ff.; Quaritsch (Der Staat 1972, S. 307) sieht i n diesem Vorgang „die Geburtsstunde der heutigen Unterscheidung von öffentlichem u n d privatem Recht". M a n w i r d sagen können, daß hier die ersten Ansätze „moderner" Staatlichkeit liegen. 33 J. J. Moser, ebd., S. 9, 285 ff. N u r diese gegenseitige Verschränkung v o n Befugnissen u n d Schranken macht überhaupt die Landeshoheit zu einem Forschungsgegenstand der Reichspublizistik. Vgl. zutreffend Kreittmayr, Allgemeines Staatsrecht, §7, S. 15: „Hätte derselbe (Regent,) w i e mancher glaubt, ein ganz uneingeschränckt- u n d solches Recht, daß er auch ohne Rücksichten auf obigen Zweck (das gemeine Beste,) n u r selon le bon plaisir handien u n d m i t der so genannten plenitudine potestatis oder Machtsvollkommenheit überall durchfahren könnte; so brauchte m a n sich m i t der schwer- u n d w e i t läufftigen Materie de Regalibus & Juribus majestaticis nicht v i l zu schleppen. Die ganze Lehre würde m i t vier Worten: Sic volo, sic jubeo, absolvirt seyn: A l l e i n so sprechen n u r die Macchiavellisten u n d Pseudopolitici. I n der heil. Schrift u n d gesunden V e r n u n f t hat dise Sprache u n d Denckungsart den allergeringsten G r u n d nicht; sondern riechet n u r nach schädlicher Eigenliebe u n d Schmeicheley, w o m i t m a n sich bey Höfen groß u n d beliebt zu machen sucht." Zit. nach J. J. Moser, ebd., S. 276. 34 Dazu etwa Fritz Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., Tübingen 1928, S. 29; Carl Heyland, Das Widerstandsrecht des Volkes
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
rigkeit und die einzelnen sich i n einem grundsätzlich gleichartigen Verhältnis zum Hecht befanden. Diesen verschränkten Herrschaftsverhältnissen steht nur scheinbar die Tatsache entgegen, daß die deutsche Reichspublizistik durchaus m i t dem Bondin'sehen Begriff der Souveränität operierte 35 . Schon die nicht enden wollende literarische Fehde um die Souveränität von Kaiser und Reich und den Staatscharakter des Reiches 36 indiziert jedoch, daß man dabei offenbar von schwankenden Prämissen ausging. I n der Tat stand dem „importierten Worte Souveränität" i m Reiche (noch) keine subsumierbare Wirklichkeit gegenüber 37 , die Anwendung eines puristischen Souveränitätsbegriffs war der territorialen Verfassungssituation unangemessen. Jedoch war die allmähliche Ablösung des korporationsrechtlichen Denkens durch absolutistische Vorstellungen von der Souveränität nicht aufzuhalten 38 . Die Stärkung der inneren Souveränität war zwangsläufig Folge und Voraussetzung zugleich der Bestrebungen der Fürsten, von Kaiser und Reich unabhängig zu werden 3 9 . Solange jedoch das Reich existierte, muß te die rigorose Umprägung der Landeshoheit „ i n eine absolute, souveräne und öffentlich-rechtliche Staatsgewalt... ein unerreichbares Ziel bleiben" 4 0 . So ist es denn kein Zufall, daß der Begriff der Landeshoheit erst „ i n der Agonie und nach dem Ende des Reiches" 41 aus der Publizistik verschwand und durch die „Staatsgewalt" abgelöst wurde. Diesem Vorgang entsprach i n der Staatsrechtsdogmatik die Zusammenfassung der Summe der Herrschaftsrechte i n dem „subjektiven Recht" der nunmehr einheitlich gedachten Staatsgewalt, der man die Gehorsamspflicht der Untertanen gegenüberstellte 42 . gegen verfassungswidrige Ausübung der Staatsgewalt i m neuen deutschen Verfassungsrecht, Tübingen 1950, S. 6 ff.; Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht, Tübingen 1968, S. 9. 35 Vgl. etwa die Nachweise bei Gerhard Henkel, Untersuchungen zur Rezeption des Souveränitätsbegriffs durch die deutsche Staatstheorie i n der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Diss. M a r b u r g 1967, S. 50 ff. 36 Dazu zuletzt Albrecht Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches nach 1648, B e r l i n 1967. Die Beurteilung seiner These, das Reich sei ein nach den Grundsätzen des heutigen Völkerrechts zu beurteilender atypischer Staatenbund gewesen, ist unterschiedlich. Während Otto Kimminich (Deutsche Verfassungsgeschichte, F r a n k f u r t 1970, S. 227) der Auffassung ist, einer derartigen Sicht könne man „die prinzipielle Richtigkeit nicht absprechen", stellt Hanns Hubert Hof mann (Das historisch-politische Buch 1968, H. 2, S. 44) fest, der Historiker stehe solchem juristischen Formalismus fassungslos gegenüber. 37 Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 400. 38 Daß es genau darum ging, erkannte J. J. Moser (Neues teutsches Staatsrecht, Bd. 14, S. 250 ff.), der beklagt, aus der Landeshoheit solle „eine despotische Gewalt gemacht werden", manche Fürsten ließen sich „Souveränitäts-Gedancken" zu Kopfe steigen. 39 Z u den Einzelheiten Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 240 ff. 40 Kaufmann, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 26. 41 Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 405.
1. Das Beamten Verhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
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S e i n e n ä u ß e r e n N i e d e r s c h l a g f a n d der Siegeszug der f ü r s t l i c h e n S o u v e r ä n i t ä t i n A r t . 57 d e r W i e n e r S c h l u ß a k t e 4 3 u n d A r t . 26 der R h e i n b u n d a k t e 4 4 . K e n n z e i c h n e n d e r w e i s e g e h e n diese B e s t i m m u n g e n a u f e i n f r a n zösisches V o r b i l d z u r ü c k — i n t e r e s s a n t deshalb, w e i l d e r S o u v e r ä n i t ä t s g e d a n k e sich a u f französischem B o d e n eher u n d k r a f t v o l l e r durchgesetzt h a t t e als i n D e u t s c h l a n d : D i e V e r w a n d s c h a f t m i t d e r P r ä a m b e l d e r C h a r t e L u d w i g s X V I I I . v o m 4. J u n i 1814 4 5 ist u n v e r k e n n b a r 4 6 . D i e F o r m u l i e r u n g i n A r t . 57 der W i e n e r S c h l u ß a k t e m a g n u n — gemessen a m s t r e n g e n S o u v e r ä n i t ä t s b e g r i f f v o n Jean Bodin — w e g e n der zugestandenen M i t w i r k u n g s b e f u g n i s s e der S t ä n d e eine r e l a t i v e E i n b u ß e a n S o u v e r ä n i t ä t gebracht h a b e n 4 7 : entscheidend ist, daß d i e S o u v e r ä n i tätsrechte d e m F ü r s t e n qua persona z u k a m e n 4 8 , w i e es d e m g a n z e n b i s h e r i g e n D e n k e n auch e n t s p r a c h 4 9 . Bezeichnenderweise h e i ß t es d e n n auch n i c h t , daß d e r Deutsche B u n d aus s o u v e r ä n e n Staaten, s o n d e r n daß er aus s o u v e r ä n e n Fürsten bestand. F e r n e r e r h o b A r t . 57 d e r W i e n e r S c h l u ß a k t e d e n A n s p r u c h v ö l l i g e r S o u v e r ä n i t ä t auch nach i n n e n 5 0 . Diese B e s t i m m u n g w u r d e — ob z u Recht oder n i c h t — z u m A u s g a n g s p u n k t der S t a a t s l e h r e des monarchischen P r i n z i p s 5 1 . 42 Johann Ludwig Klüber, Einleitung zu einem neuen Lehrbegriff des deutschen Staatsrechtes, 1803, S. 2 f. ; ders., öffentliches Recht des Teutschen B u n des u n d der Bundesstaaten, 4. Aufl., F r a n k f u r t 1840, §98, S. 109: „Der Inbegriff der Staatshoheitsrechte, i n dem Besitz des Regenten, seine Regentengewalt nach ihrem ganzen rechtmäßigen Umfang, heißt seine Machtvollkommenheit, plenitudo potestatis" (Hervorhebung i m Original). Z u r Gehorsamspflicht vgl. ebd., §§4, 257, 259. Aus der Sekundärliteratur vgl. Otto Mayer, AöR Bd. 3 (1888), S. 30; Carl-Friedrich v. Gerber, Grundzüge des deutschen Staatsrechts, 2. Aufl., Leipzig 1869, S. 25; Erichsen, Verfassungs- u n d v e r w a l tungsrechtsgeschichtliche Grundlagen, S. 40; Ulrich Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 80 f.; Schnapp, DVB1. 1971, 481 f.; jeweils m i t Nachweisen. 43 Wiedergegeben bei E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1961, S. 88: „ D a der Deutsche Bund, m i t Ausnahme der freien Städte, aus souverainen Fürsten besteht, so muß, dem hierdurch gegebenen Grundbegriffe zufolge, die gesamte Staats-Gewalt i n dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben, u n d der Souverain k a n n durch eine landständische Verfassung n u r i n der Ausübung bestimmter Rechte an die M i t w i r k u n g der Stände gebunden werden." (Hervorhebung von mir) 44 Wiedergegeben bei E. R. Hub er, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 30. 45 „ B i e n que l'autorité tout entière résidât en France dans la personne d u roi, nos prédécesseurs n'avaient point hésité à en modifier l'exercice." (Hervorhebung von mir) 46 Kaufmann, Gesammelte Schriften Bd. I, S. 36 m i t Nachweisen. 47 So die Sichtweise von Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 483. 48 Kaufmann, Gesammelte Schriften, Bd. I, S. 34. 49 Vgl. zusammenfassend Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 471 ff. 50 Kaufmann, Gesammelte Schriften Bd. I, S. 34 f. 51 D a m i t w a r die I d e n t i f i k a t i o n von Staat u n d Fürst vollends abgeschlossen. Geistesgeschichtlich lassen sich zwei Wurzeln vermuten: Das I m p e r i u m
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I n diese Situation des Durchbruchs der personal verstandenen Fürstensouveränität 5 2 platzte sozusagen die Lehre vonWilhelmEduardAlbrecht, einem der Göttinger Sieben, von der Rechtspersönlichkeit des Staates 53 , die später durch Georg Jellinek 54 zur endgültigen Durchsetzung gelangte. Danach konnten physische Personen nicht Inhaber der Staatsgewalt sein; Rechtspersönlichkeit und damit Souveränität eignete nur dem Staat. Som i t konnte auch der Monarch dem Staat und dem Volk nicht als Souverän über-, sondern nur als Organ eingeordnet sein, das für den Souverän „Staat" handelte. Die geschichtlichen Hintergründe, juristischen Implikationen und politischen Auswirkungen sind mannigfaltig; hier soll nur auf die für das Verständnis dieser Theorie und für den vorliegenden Zusammenhang wichtigsten eingegangen werden. Die nachhaltige Wirkung, die von der Albrecht 1 sehen Konstruktion ausging, mag auf den ersten Blick überraschen, war doch die Sicht von einer Rechtspersönlichkeit des Staates als solche nicht unbekannt. Man w i r d jedoch differenzierter sagen müssen, daß einzelne Elemente der Theorie von Albrecht zwar nicht ohne historische Vorbilder waren, er selbst jedoch als Vollender des Persönlichkeitsdogmas bezeichnet werden darf. Drei Aspekte sind dabei zu betonen: Die Rechtspersönlichkeit eines über Fürst und Volk stehenden Zurechnungspunktes, die Transpersonalität des Herrschaftsverbandes sowie die organschaftlichen Vorstellungen. Zwar kannte die Antike noch keinen ausgeprägten Person-Begriff, jedoch gab es insbesondere i n der Kanonistik des Mittelalters eine Lehre von den juristischen Personen 55 . Allerdings würde man den Versuch der Subsumtion unter heutige Begriffe überziehen, wollte man dem Mittelalter ein ausgeprägtes Staatspersönlichkeitsdenken bescheinigen 56 . Inskonnte sich m i t der neuzeitlichen „persona" verbinden. Das wurde begünstigt durch das germanische personalistische Denken, dem organschaftliche Gedankengänge fremd waren. 52 Dazu, daß m a n erst u m 1800 von dem eigentlichen Einbruch der Souveränität sprechen kann, vgl. Hanns Hubert Hof mann, Adelige Herrschaft u n d souveräner Staat — Studien über Staat u n d Gesellschaft i n Franken u n d Bayern i m 18. u n d 19. Jahrhundert, München 1962, S. 163 ff., 211 ff. 53 I n seiner berühmt gewordenen Rezension von Romeo Maurenbrechers „Grundsätze des heutigen deutschen Staatsrechts", Göttingische Gelehrte A n zeigen 1837, S. 1489 ff., 1508 ff. ( = selbständige Ausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft 1962). 54 Allgemeine Staatslehre, Nachdruck der 3. Aufl., Bad Homburg v. d. H. 1966, insbes. S. 552 ff. Es ist nicht uninteressant, daß anfänglich sogar Gerber, ein Schüler Albrechts, die Annahme einer besonderen Staatspersönlichkeit abgelehnt (Über öffentliche Rechte, Tübingen 1852, S. 13, 16 f., 28) u n d erst später (Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, Leipzig 1865, S. 1 ff., 222, 225) diesen Gedanken wieder aufgegriffen hat. 55 Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 11 m. w. N. 58 Häfelin, ebd., S. 20, 22 m i t Fußnote 141.
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besondere konnten sich keine organschaftlichen, auf den „Staat" bezogenen Gedankengänge herausbilden, weil wegen des vielschichtigen Gewebes einzelner Herrschaftsverhältnisse 57 und fehlender nationalstaatlicher Tendenzen kein über Monarch oder Volk stehender Punkt zentraler Zurechnung vorgestellt wurde. Folgerichtig übte nach der Vorstellung des Mittelalters der König kein fremdes, sondern eigenes Recht aus 5 8 —ohne daß man bereits von Fürstensouveränität sprechen könnte 5 9 . Ähnliches gilt hinsichtlich der mittelalterlichen Vorstellungen von der Transpersonalität des Herrschaftsverbandes, wonach der Verband unabhängig ist von dem Wechsel seiner Mitglieder oder seiner realen Herrscher 60 . Zwar finden sich auch hier bereits Formulierungen 6 1 , aber eine konsequente Fortentwicklung von der Personalität zur Transpersonalität hat i m Mittelalter nicht stattgefunden 62 , wohl auch deshalb, w e i l das Mittelalter den „Staat" eher als Personenverband denn als Gebietskörperschaft betrachtete 63 , zumal eine geistige Einheit sich schwerlich lokalisieren läßt. Schließlich finden sich auch i m Mittelalter Formulierungen, die auf organschaftliche Gedankengänge hindeuten. Es sind dies die Vorstellungen über die Trennbarkeit von Innehabung und Ausübung der Macht. Hier ist beispielsweise zu erwähnen Thomas υ. Aquin, nach dessen Lehre die „potestas quoad substantiam" dem Volk, die „potestas quoad exercitium" jedoch dem Herrscher zustand 64 . Derartige Formulierungen haben sich aber, obgleich sie als Vorbereitungen späterer Thesen erscheinen, nicht m i t Vorstellungen von Transpersonalität und Rechtspersönlichkeit zu einem einheitlichen, systematischen Lehrgebäude vereinigt. Vergleichbares gilt — wenn auch i n wesentlich abgeschwächter Form — von den vernunftrechtlichen Lehren des 16.— 18. Jahrhunderts 6 5 . Hier gelang es, die meisten Ansätze zu einer Theorie der juristischen Staats57
Otto Brunner, L a n d u n d Herrschaft, S. 174 f., 374 f., 381 f., 434 f. Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 18 m i t Nachweisen. 59 Otto Brunner, L a n d u n d Herrschaft, S. 138,158,166, 440 f., 496. 60 Dazu Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 169 ff. 61 A m bekanntesten w o h l die Metapher Konrads I I . auf dem Hoftage zu Konstanz (1025): „ S i rex periit, regnum remansit, sicut navis remanet, cuius gubernator cadit" (zit. bei Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 473, Fußn. 315). 62 Helmut Beumann, Z u r E n t w i c k l u n g transpersonaler Staatsvorstellungen, i n : Wissenschaft v o m Mittelalter, K ö l n / Wien 1972, S. 135 ff. (162 ff.). 63 Heinrich Mitteis, Der Staat des hohen Mittelalters, Grundlinien einer vergleichenden Verfassungsgeschichte des Lehenszeitalters, 7. Aufl., Weimar 1962, S. 424. 64 Vgl. Johann Sauter, Die E n t w i c k l u n g der abendländischen Staatsidee, ARSP Bd. 27 (1933/34), S. 72 ff. (80 f.). 85 Zusammenfassend dazu Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 24 ff. 58
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persönlichkeit herauszuarbeiten 66 , wenn auch noch kein einheitliches Dogma festgestellt werden kann 6 7 . Insbesondere fehlte es an einer konsequenten Durchführung der Persönlichkeitstheorie m i t Bezug auf die Innenseite des Staates 68 . Dies mag seinen Grund m i t darin gehabt haben, daß zunächst unter völkerrechtlichen Aspekten die Notwendigkeit bestand, die Beziehungen der sich ausbildenden Staaten zueinander ohne Rücksicht auf deren jeweiligen inneren Verfassungszustand zu ordnen 6 9 . Der Zug zum Einheitsdenken war ebenfalls unverkennbar (coetus perfectus) 70 , wenn auch das Persönlichkeitsdogma i n der Regel eine Vorstufe dazu war, entweder dem Volk oder dem Herrscher Souveränität zuzusprechen 71 , so daß die civitas, der „ A r t i f i c i a l Man" von Hobbes 72, wieder hinter den realen Machtträgern verschwand. Dem entspricht völl i g die Tatsache, daß der Organbegriff i m Sinne heutiger Vorstellung noch nicht entwickelt war, obgleich auch insoweit Ansätze vorhanden waren 7 3 . Albrecht war auch nicht ohne unmittelbare Vorläufer 7 4 . Insbesondere ist hier sein Lehrer Johann Ludwig Klüber zu nennen, der die These vertrat, Subjekt der Substanz der öffentlichen Gewalt sei der Staat, Subjekt der Ausübung das Staatsoberhaupt 75 , wenngleich er an anderer Stell e 7 6 den Fürsten wiederum als Inhaber der Staatsgewalt kennzeichnete 77 . 86
Nachweise bei Häfelin, ebd., S. 60. Häfelin, ebd., S. 61. 88 Nachweise bei Häfelin, ebd., S. 62 m i t Fußn. 291. 89 Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 475. 70 Diese Formulierung bei Hugonis Grotti de j u r e b e l l i ac pacis l i b r i très, Leipzig 1758, liber I, caput I, § 14 (Deutsch: Hugo Grotius, V o m Recht des Krieges u n d des Friedens, übersetzt von Walter Schätzel, Tübingen 1950, hier: S. 53). 71 O. von Gierke, Althusius, S. 384; Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 63; Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 475 ff. Hans Ulrich Scupin (Der Begriff der Souveränität bei Johannes Althusius u n d bei Jean Bodin, Der Staat 4 [1965], S. 1 ff., 3) hebt hervor, daß Althusius auf der einen, Bodin auf der anderen Seite jedoch nicht die bedingungslosen Verfechter der Volksbzw. Fürstensouveränität gewesen seien, als die sie von der älteren Lehre oft angesehen wurden. Vielmehr sei beiden ein „ S i n n f ü r das politische Gleichgewicht i n jedem Gemeinwesen" eigen gewesen. 72 Leviathan, The Introduction, p. I X . 73 Nachweise bei Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 28, Fußn. 26; S. 30, Fußn. 36 ff., S. 32. 74 Vgl. die Einzelnachweise bei Häfelin, ebd., S. 69 ff. 75 öffentliches Recht des Teutschen Bundes u n d der Bundesstaaten, 4. Aufl., 1840, S. 107. 78 Ebd., S. 327. 77 Daß dennoch seine Lehre die Apologeten der Fürstensouveränität empfindlich traf, zeigt sich i n dem gegen i h n eingeleiteten Disziplinarverfahren u n d dem Verbot an alle Rechtslehrer auf preußischen Universitäten, das Buch bei ihren Vorlesungen zu Grunde zu legen. Vgl. die M i t t e i l u n g i n : ö f f e n t liches Recht, Vorrede, S. X V I I I ff. 87
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Es fehlte also auch bei i h m noch am letzten vollendenden Schritt, der die vorhandenen Ansätze systematisch und konsequent ordnete, die Figur der Staatspersönlichkeit scharf vom Monarchen trennte, diesem eindeut i g eine (bloße) Organstellung zuwies und das Staatspersönlichkeitsdogma zum Zentralpunkt eines staatsrechtlichen Lehrsystems machte. Diesen Schritt getan zu haben, ist das Verdienst seines bereits erwähnten Schülers W. E. Albrecht, dem „Vollender des Persönlichkeitsdogmas" 7 8 : Souverän und Zurechnungspunkt der Staatsgewalt war nur der Staat als Rechtspersönlichkeit. Damit war die Spannungslage zwischen Volks- und Fürstensouveränität aufgehoben, weil Souveränität weder dem einen noch dem anderen, sondern eben nur dem Staat selbst als Rechtspersönlichkeit zukommen konnte. Insbesondere übte der Monarch die Hoheitsrechte nur als Organ des Staates nach Maßgabe der Verfassung aus. Die nicht nur wissenschaftliche, sondern zugleich auch politische B r i sanz ging nun davon aus, daß Albrecht seine Theorie als positiv geltendes Staatsrecht bezeichnete 79 . Während seine Vorläufer i n einer A r t Zweigleisigkeit der Erkenntnismethode die Rechtspersönlichkeit des Staates als ein Konstrukt der „natürlichen" oder „idealen" Staatslehre auswiesen, daneben aber als Emanation des positiven Rechts durchaus Volksoder Fürstensouveränität kannten, trennte Albrecht strikt die „staatswissenschaftliche" von der staatsrechtlichen Betrachtungsweise 80 und beanspruchte für seine Theorie die Qualität einer positiv-rechtlichen Aussage. Das bedeutete nicht weniger als die verfassungsrechtliche „Depossedierung" des absoluten Monarchen 81 — angesichts des i n A r t . 57 der Wiener Schlußakte niedergelegten monarchischen Prinzips von der Souveränität der Fürstenperson zumindest ein Wagnis 82 , denn sie ersetzte die vom monarchischen Prinzip beanspruchte Fürstensouveränität, die als einzige i m Verbände vorgestellt wurde, durch die Herrschaftsgewalt des als Rechtspersönlichkeit gedachten Verbandes selbst 83 . 78
Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 83, Fußn. 146. I m ü b r i gen ist die Würdigung dieser Rezension umstritten. Während Ulrich Scheuner (Hegel u n d die deutsche Staatslehre des 19. u n d 20. Jahrhunderts, Gedenkschrift zur 150. Wiederkehr des Gründungsjahres der Friedrich-WilhelmsUniversität zu Berlin, S. 129 ff., 143 A n m . 60) sie als „seichte Besprechung" abtut, erblickt Quaritsch i n den Thesen von Albrecht u n d Jellinek eine „Denkleistung ersten u n d historischen Ranges" (Staat u n d Souveränität, S. 498). Vgl. bereits Bernatzik, AöR Bd. 5 (1890), S. 169 (246, Fußn. 224 a. E.): „Besseres ist über die N a t u r des Gemeinwesens u n d des Staates insbesondere nie geschrieben worden." 79 Rezension, S. 1492: „ G r u n d f o r m e l . . . der wahrhaft staatsrechtlichen Auffassung des Staates." Hervorhebung von mir. 80 Die mangelnde Trennung beider Betrachtungsweisen hat Albrecht seinem Lehrer Klub er vorgeworfen; vgl. Rezension, S. 1489. 81 Ludwig Waldecker, Allgemeine Staatslehre, B e r l i n 1927, S. 293. 82 Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 497. 3*
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1 . Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g Daß diese L e h r e i n i h r e n p o l i t i s c h e n A u s w i r k u n g e n 8 4 l i b e r a l e , k o n s t i t u -
t i o n e l l e u n d d a m i t auch a n t i m o n a r c h i s c h e Z ü g e a u f w i e s 8 5 , i s t u n v e r k e n n bar, wenngleich dem liberalistisch-konstitutionellen S c h r i f t t u m
demo-
k r a t i s c h e G e d a n k e n g ä n g e h e u t i g e r P r ä g u n g f r e m d gewesen sein d ü r f t e n . Es l ä ß t sich n u n zeigen, daß d e n V e r t r e t e r n des P e r s ö n l i c h k e i t s d o g m a s die Vorstellungen v o n „ U n t e r t a n " u n d „allgemeinem G e w a l t v e r h ä l t n i s " f e r n e r l a g e n als d e n A p o l o g e t e n des m o n a r c h i s c h e n P r i n z i p s . Das i s t n i c h t i m S i n n e eines s t r i n g e n t e n Beweises gedacht; d i e V o r s t e l l u n g e n , E n t w i c k l u n g e n u n d L e h r m e i n u n g e n des 19. J a h r h u n d e r t s s i n d k o m p l i z i e r t e r , als daß m a n sie g l e i c h s a m „ l i n e a r " nachziehen k ö n n t e . D a aber v o r l i e g e n d k e i n e historisch-beschreibende, s o n d e r n eine systematischerfassende M e t h o d e v e r f o l g t w i r d 8 6 , erscheint es l e g i t i m , E n t w i c k l u n g s l i n i e n u n d Z u s a m m e n h ä n g e aufzuzeigen, d i e d i e b e h a u p t e t e n T e n d e n z e n — m ö g l i c h e r w e i s e i n h i s t o r i s c h e r Ü b e r z e i c h n u n g — d e u t l i c h machen. D i e zu zentralistischen Lösungen neigenden monarchistischen Bestreb u n g e n h a b e n — b i l d l i c h gesprochen — sozusagen d i e A x t g e l i e f e r t , d i e 83
Es scheint nicht ohne Zufall, daß Georg Jellinek, der dem Persönlichkeitsdogma i n der Nachfolge von Albrecht u n d Gerber zum totalen Durchbruch verhalf, schließlich den „ganzen juristischen K e r n des monarchischen Prinzipes" n u r noch i n einer Zuständigkeitsvermutung zugunsten der monarchischen Spitze sah, w e i l sehen mußte, obgleich es w e i t umfassender konzipiert w a r : Aus einem materiellen Prinzip der Fürstensouveränität w a r eine bloße Regel zur K l ä r u n g innerstaatlicher Zuständigkeitsfragen geworden. Vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 705; ebenso — konsequenterweise — Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, S. 44. U n angemessen ist die Polemik v o n Claus-Ekkehard Barsch, Der Gerber-Labandsche Positivismus, i n : Staat u n d Recht. Die deutsche Staatslehre i m 19. u n d 20. Jahrhundert, hrsg. v o n M a r t i n Sattler, München 1972, S. 43 ff. (68 f.). Barsch verzeichnet nicht n u r die dogmenhistorischen Entwicklungslinien u n d den verfassungspolitischen Kontext, sondern übersieht auch bei seinem Bestreben, Gerber ein heutiges Demokratieverständnis abzuverlangen, daß Gerber die damalige verfassungsrechtliche Lage exakt wiedergab. So verwundert es denn nicht, w e n n Gerber (Staat u n d Recht, S. 70) u n d Georg Jellinek (Hedda J. Herwig: Georg Jellinek, i n : Staat u n d Recht, S. 72 ff., 98) flugs als i n t e l l e k tuelle Wegbereiter des Nationalsozialismus abgestempelt werden. Uber die Unhaltbarkeit solcher Thesen ist andernorts das Notwendige gesagt worden. Vgl. n u r Helmut Lenz, Der Staat 1 (1962), S. 235 ff.; Ernst Topitsch, Die M e n schenrechte, J Z 1963,1 ff. (1). 84 Quaritsch (Staat u n d Souveränität, S. 498) betont zu Recht, daß es für die Gültigkeit dieser Theorie nicht auf die subjektiven Vorstellungen oder Einstellungen ihrer Schöpfer ankommt. Die politischen A u s w i r k u n g e n des Persönlichkeitsdogmas sind jedoch nicht zu übersehen, die Zusammenhänge zwischen politischer H a l t u n g u n d propagierter Theorie nicht zu leugnen. Schließlich erschien die Maurenbrecher-Rezension (1837) i n demselben Jahr, i n welchem Albrecht als einer der Göttinger Sieben am hannoverschen V e r fassungskonflikt existentiell beteiligt war. 85 Albrecht selbst hat eine solche Qualifizierung seiner Lehre ausdrücklich abgelehnt (Rezension, S. 1512). 86 Z u den unterschiedlichen Ansätzen u n d Aussagefähigkeiten beider Methoden vgl. Helmut Seiffert, Einführung i n die Wissenschaftstheorie, 2. Band, 4. Aufl., München 1972, S. 152 ff.
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an die Wurzel ihrer eigenen Konzeption gelegt werden konnte, weil sie den Boden bereiteten, auf dem sich die liberalistisch-konstitutionellen Vorstellungen erst entwickeln konnten. Das gilt i n mehrfacher Hinsicht: Die Wiener Schlußakte und die auf sie folgenden Verfassungen, mochten sie auch oktroyiert sein, schlossen den Monarchen notwendig m i t ein, wenn er nicht außerhalb des „verfaßten" Staates stehen wollte. M i t dieser Verrechtlichung war auch die fürstliche Souveränität an verfassungsrechtliche Ketten gelegt und rechtlich eingebunden, so daß letztlich die Auseinandersetzung auf dem Boden der Verfassung nicht mehr um die Souveränität, sondern nur noch um Entscheidungskompetenzen gehen konnte. Souveränität i m eigentlichen Sinne war für den Fürsten nicht mehr „greifbar" 8 7 , solange er sich auf dem Boden des Verfassungsrechts bewegte 88 . „Es war das Schicksal der souveränen Monarchien Kontinentaleuropas, durch Erzwingung des Allgemeinen Untertanenverbandes' das staatliche System hervorgebracht und damit den Zustand geschaffen zu haben, i n dem ihre Existenz zum Systemdefekt w u r d e " 8 9 : Indem die Souveränität konstitutionell wird, verliert sie ihren absoluten Charakter. Zudem bedeutete die Ausrichtung des Staatsrechtssystems auf einen „Centraipunkt, von dem alles ausgeht" 90 , m i t der gleichzeitigen Bündelung der Staatsgewalt zu einem subjektiven Recht 91 , daß diese Staatsgewalt zwischen verschiedenen Trägern austauschbar geworden w a r 9 2 . M i t dem Schwinden der Landeshoheit hatte sich vor dem Hintergrund des monarchischen politischen Zentralismus die Möglichkeit und das Erfordernis auch für einen rechtssystematischen Zentralismus ergeben. Wäh87 Deshalb meint Quaritsch (Staat u n d Souveränität, S. 484), die F i x i e r u n g des Souveränitätsanspruches i n A r t . 57 der Wiener Schlußakte sei entweder eine bewußte Fälschung des Souvernitätsbegriffs gewesen oder offenbare die staatstheoretische Unterbilanz seiner diplomatischen Schöpfer. Anders E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 653: „ . . . staatsrechtlicher K u n s t g r i f f hohen Rangs." 88 Deswegen bezeichnet E. R. Hub er (Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 92) den hannoverschen Verfassungskonflikt von 1837 als den „krassesten F a l l eines vollendeten antikonstitutionellen Staatsstreichs i n Deutschland". Vgl. aber weiter unten Fußn. 127. 89 Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 512. Vgl. auch Werner Näf, Staatsverfassungen und Staatstypen 1830/31, i n : Moderne deutsche Verfassungsgeschichte, S. 127/128. 90 Friedrich Ancillon, Über den Geist der Staatsverfassungen u n d dessen Einfluß auf die Gesetzgebung, B e r l i n 1825, S. 43. 91 Klub er, öffentliches Recht, S. 5; Silvester Jordan, Versuche über allgemeines Staatsrecht i n systematischer Ordnung u n d m i t Bezugnahme auf P o l i t i k vorgetragen, M a r b u r g 1828, S. 60 ff., 210 f.; Karl Salomo Zachariae, Vierzig Bücher v o m Staate, 1. Band, 2. Aufl., Heidelberg 1839, S. 82. 92 Insofern betont Quaritsch (Staat u n d Souveränität, S. 498) zutreffend, daß angesichts der politisch brisanten A l t e r n a t i v e : Fürstensouveränität — Volkssouveränität das V o t u m von Albrecht für die „Staatssouveränität" die W a h l eines konflikt-dämmenden „ d r i t t e n Weges" bedeutete.
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rend das monarchistische Staatsrecht — nicht ohne Rückhalt i m positiven Recht 93 — alle Herrschaftsbefugnisse i n der Person des Monarchen als Personifikation der Staatsgewalt konzentriert sah 94 , konnte die konstitutionelle Lehre, nachdem Albrecht ihr die Figur der Rechtspersönlichkeit des Staates zur Verfügung gestellt hatte, die Person des Monarchen m i t der des Staates vertauschen und die publizistischen Qualitäten des souveränen Fürsten auf den Staat übertragen. Beide Lehren — sowohl die monarchische wie die von der Rechtspersönlichkeit des Staates — haben nun den Boden dafür vorbereitet, daß sich Begriffe wie „Untertan", „Gehorsamspflicht" und „allgemeines Gewaltverhältnis" erst als dogmatische Figuren einer Rechtssystematik bilden konnten. Das ist nicht i n dem Sinne zu verstehen, als ob die Gehorsamspflicht des Untertanen nicht auch vorher vorstellbar gewesen und erwähnt worden wäre. Keine politische Bewegung und keine wissenschaftliche Theorie ist „zufällig" i n dem Sinne, daß sie ahistorisch, ohne geschichtliche Vorläufer wäre. Es läßt sich jedoch aufzeigen, daß — bei systematischer Betrachtungsweise — ein „allgemeines Gewaltverhältnis", so wie es i m 19. Jahrhundert begriffen wurde, mehr Affinitäten zur monarchischen Lehre als zum Persönlichkeitsdogma und konstitutionellen Vorstellungen aufweist. Bei letzteren zerfließt es — i n konsequenter Analyse — bis h i n zur Identität m i t dem allgemeinen Rechtssatzbegriff, wie sogleich zu zeigen ist. M i t dem einen Herrschaftsverband insgesamt überdachenden Zelt des „einartigen" Rechts, unter der Vorstellung der Landeshoheit als einer Summe von Einzelbefugnissen mit entgegenstehenden wohlerworbenen Rechten, war ein einheitlich gedachtes Subjektions Verhältnis, der Zentralpunkt der Gehorsamspflicht, nicht gut zu vereinbaren. Es ist kennzeichnend, daß angesichts faktisch bereits bestehender Unterordnungsverhältnisse der umfassende „Wohlfahrtszweck" als Rechtstitel herhalten muß, um für diese Verhältnisse die Legitimationsgrundlage zu liefern 9 5 . Erst i n dem Augenblick, als sich i m (ausgehenden) Absolutismus alle Staatsgewalt als einheitliches Hoheitsrecht i n der Person des Monarchen vereinigte, war der Untertan mit der generellen Gehorsamspflicht 96 auch rechtlich vorstellbar. 93 94 95
S. 40.
Vgl. A r t . 57 der Wiener Schlußakte. Nachweise bei Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 82. Erichsen, Verfassungs- u n d verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen,
96 Vgl. Rolf Gr awert, Staat u n d Staatsangehörigkeit, B e r l i n 1973, S. 206; weitere Nachweise bei Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 80. Wie sehr die Vorstellung von gegenseitigen Rechten u n d Pflichten auch noch u m die Wende zum 19. Jahrhundert lebendig geblieben war, illustriert eine Passage bei Franz Arnold v. d. Becke, Von Staatsämtern u n d Staatsdienern; Heilbronn 1797, Vorrede, S. V I . Dort beklagt er das Vordringen von „elenden
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Dazu, daß „der Untertan" rechtssystematisch möglich war, hat das Persönlichkeitsdogma freilich auch mit beigetragen. Indem die Alternative: Fürstensouveränität — Volkssouveränität m i t Hilfe der Staatspersönlichkeit wenn nicht aufgelöst, so doch auf die Ebene der verfassungsrechtlich regelbaren Zuständigkeitsfragen verlagert war, hatte man die Möglichkeit der Volkssouveränität beseitigt. Bei einer konsequent vorgestellten Volkssouveränität konnte es keine Untertanen geben, da der einzelne als Teil des Souveräns „ V o l k " an dieser Souveränität teilhatte und nicht gut Untertan sein konnte. Da nämlich die Staatsgewalt der (fiktiven 9 7 ) Rechtsperson „Staat" zukam, hätte das Persönlichkeitsdogma ein „Gewaltverhältnis" gegenüber einer a-personalen Institution, einem gedachten Etwas, behaupten müssen. So gesehen, kann „allgemeines Gewaltverhältnis" nicht mehr sagen, als daß den Staatsbürgern gegenüber zulässigerweise gesetzten Rechtssätzen eine Befolgungspflicht zukommt9® — nichts anderes als ein Element des Rechtssatzbegriffs, nämlich der Verbindlichkeitsanspruch. Insofern steht auch der Monarch, soweit seine Befugnisse verfassungsrechtlich eingefangen sind, i n einem „allgemeinen Gewaltverhältnis", weil i h n eine Befolgungspflicht gegenüber verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen trifft. Z u einem ähnlichen Ergebnis gelangt man, wenn man die Tatsache ins Auge faßt, daß dem konstitutionellen Schrifttum zwar die Vorstellung von der Unterordnung oder Unterwerfung des einzelnen unter die Staatsgewalt nicht fremd ist 9 9 , gleichzeitig jedoch betont wird, das Verhältnis zwischen Staatsgewalt und Untertan sei ein solches wechselseititiger Rechte und Pflichten 1 0 0 . Läßt sich das allgemeine Gewaltverhältnis aber i n einzelne Rechte und Pflichten auflösen, dann w i r d es selbst endgültig funktionslos, es sei denn, man gebraucht diesen Ausdruck als abbreviativen Begriff. Dann ist er aber für eine Beschreibung unbrauchbar, weil ohne Konturen, und als eigenständige Quelle zur Rechtsfindung untauglich, weil ohne Substanz. Menschen", die sich den Thronen der Fürsten nähern u n d diese zu überreden versuchen, daß die w i l l k ü r l i c h e Gewalt die Grundfeste aller Staaten ausmache, daß Pflichten des Regenten u n d Rechte des Volkes Chimären seien. 97 Dazu Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 126. 98 Vgl. Paul Kahn, Das besondere Gewaltverhältnis i m öffentlichen Recht, Diss. Heidelberg 1912, S. 9. 99 Johann Caspar Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht Band 1, 2. Aufl., München 1857, S. 32; Otto Bähr, Der Rechtsstaat (1864), Neudruck Aalen 1961, S. 20; Friedrich Franz Mayer, Grundsätze des Verwaltungsrechts, Tübingen 1862, S. 27; Friedrich Schmitthenner, Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechtes, Gießen 1845, S. 21; Heinrich Albert Zachariae, Deutsches Staats- u n d Bundesrecht, Bd. 1, 3. Aufl., Göttingen 1865, S. 42. 100 Vgl. n u r Bähr, Der Rechtsstaat, S. 2; H. A. Zachariae, Über die Haftungsverbindlichkeit des Staates aus rechtswidrigen Handlungen u n d Unterlassungen seiner Beamten, Zeitschrift f ü r die gesamte Staatswissenschaft, Bd. 19 (1863), S. 582 ff. (614 f., 631 f.).
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Sinnvoll erscheint ein allgemeines Gewaltverhältnis des Untertanen allein unter einem monarchischen System, i n welchem der Fürst legibus solutus und i m Besitze der plenitudo potestatis ist. Dann fungiert es nämlich als zutreffende abbreviative Bezeichnung für die letztlich rechtlose Stellung des Untertanen, aus der Sicht des Monarchen: für seine rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche Ungebundenheit. Das w i r d noch deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, daß unter dem Vorzeichen des monarchischen Prinzips die Staatsgewalt nicht als Inbegriff organschaftlicher Befugnisse, sondern als Quelle des Rechts verstanden w i r d 1 0 1 , wobei der Gesetzesgehorsam nur als abkürzende Redeweise für Gehorsam gegenüber dem Regenten erscheint 102 . Denkt man dieses theoretische Modell — das es wohl als Anspruch, nicht aber i n der Wirklichkeit rein gegeben hat — konsequent zu Ende, dann steht das Recht zur Disposition des Monarchen, der folglich keinen rechtlichen B i n dungen unterliegt und über dem Staate steht. M i t der Dispositionsmöglichkeit über das Recht ist zwangsläufig auch die Disponibilität der Untertanen gegeben. I n diesem Zusammenhang mag angedeutet werden, daß auch den organischen Staatstheorien 103 eine antimonarchische Funktion zu eigen ist und sie insofern nicht ganz ohne Bezug zum Persönlichkeitsdagma sind. Dabei wäre es zu einseitig, wollte man sie für Theorien „an sich" nehmen, ihnen fehlende empirische Absicherung nachweisen und als „zur Mythologie gewordene Hypostasierung" 1 0 4 abtun. Dieser V o r w u r f ist zutreffend, soweit die organischen Staatslehren i n anthropomorpher H y postasierung den Staat ontologisch als reale, intersubjektiv erfahrbare „Wesenheit an sich" behaupten. Diese methaphysische These entbehrt jedoch, weil ontologisch gemeint, der juristisch-dogmatischen Relevanz und kann daher hier außer Betracht bleiben. Der geschilderte V o r w u r f gilt jedoch nicht gegenüber einer anthropomorph-paradigmatiscTien Sichtweise, welche den „Gesamtorganismus Staat" als B i l d zur Verdeutlichung auch der komplexen, nicht verbundenen nebeneinanderstehenden Rechtsbeziehungen i n einem Gemeinwesen verwendet. Insofern sollte nicht übersehen werden, daß organische Auffassungen vom Staat auch einen bestimmten antimonarchischen Zug auf weisen: 101 Vgl. die Nachweise bei Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 81, Fußn. 135. 102 Robert v. Mohl, Enzyklopädie der Staatswissenschaften, Tübingen 1859, S. 126 f.; Eduard Wippermann, Über die N a t u r des Staates, Göttingen 1844, S. 73 f. Z u r Gehorsamspflicht als Untertanenpflicht s. Grawert, Staat u n d Staatsangehörigkeit, S. 107 ff. 103 Die an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden können. Vgl. den Überblick bei Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 105 ff. 104 Hans Kelsen, Allgemeine Staatslehre, B e r l i n 1925, S. 11.
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M i t der Vorstellung eines lebendigen Gesamtorganismus war einmal dem Monarchen das als mechanistischer Beamten- und Militärapparat gedachte Staatswesen entwunden. Wichtiger erscheint die Stoßrichtung gegen die monarchische Identitätsvorstellung („l'état c'est moi"). K o n sequent zu Ende gedacht, bedeutete letztere, daß, wenn der Monarch identisch w a r m i t dem Staat, es außerhalb seiner Person keinen Staat geben konnte. Anders nach organischen Lehren: Sollte der Monarch nicht außerhalb des Staates stehen, dann war er nurmehr Teil des Gesamtorganismus, was logisch zwingend ausschloß, daß er m i t diesem identisch w a r ; denn man kann sich das Ganze nicht außerhalb seiner Teile und den Teil nicht ohne das Ganze vorstellen 1 0 5 . Auch hier erweist sich also, daß der politische Zentralismus das E n t stehen eines systematischen Zentralismus begünstigte, der sich wiederum gegen i h n kehren konnte 1 0 6 . Zugleich w i r d deutlich, daß Verbindungslinien zwischen Elementen der organischen Staatstheorien einerseits und dem Persönlichkeitsdogma konstitutioneller Prägung andererseit aufzuweisen s i n d 1 0 7 : Auch organischen Sichtweisen muß ein Untertan monarchischer Prägung fremd sein 1 0 8 . Die vorstehenden Überlegungen dürften bereits deutlich machen, daß i n einem demokratisch konzipierten Gemeinwesen, welches zudem die Befugnisse der monarchischen Spitze verfassungsrechtlich einfängt, ein rechtsexementes Gewaltverhältnis keinen Platz haben kann. Das ist zutreffend erkannt worden von Karl Eduard Weiß 109, der zwar zwischen Staatsoberhaupt, d. h. dem Monarchen, und Untertanen einen „ U n t e r thansnexus" 1 1 0 konstatierte, jedoch sah, daß für diesen i n demokratisch konzipierten Staaten kein Raum w a r 1 1 1 . Dieser Gegensatz leuchtet noch einmal auf i n einer Kontroverse z w i schen Max von Seydel und Geord Jellinek. V. Seydel hatte, ausgehend von A r t . 57 der Wiener Schlußakte und der bayerischen Verfassungslage, das Persönlichkeitsdogma verworfen, den Staat m i t „ L a n d und Leuten" gleichgesetzt und zum Objekt des monarchischen Oberhauptes dekla105 So eine Formulierung von Julius Fricker, Die Persönlichkeit des Staates, ZgStW 25 (1869), S. 29 ff. (30, 40). 108 Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 88. 107 Vgl. Bernatzik, AöR Bd. 5 (1890), S. 182. 108 Rupp, Grundfragen, S. 21, Fußn. 9. Ob jedoch ein demokratischer Staatsbegriff notwendig die Elemente der Gier/ceschen Lehre verwerten muß, w i e Rupp behauptet, erscheint fraglich. Das Staatspersönlichkeitsdogma trägt antidemokratische Züge allenfalls i n seiner dem monarchischen Prinzip verhafteten konstitutionellen Ausprägung. 109 System des deutschen Staatsrechts, Regensburg 1843. 110 Ebd., S. 454, 563 ff. 111 Ebd., S. 644 f.
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r i e r t 1 1 2 — vom Boden des monarchischen Prinzips aus folgerichtig. Dieser „Herrschertheorie" 1 1 3 hielt Georg Jellinek entgegen 114 , sie könne „schon deshalb nicht durchgebildet werden, weil von ihr aus die Anerkennung der Untertanen als Rechtssubjekte durch den Staat nur durch Trugschlüsse herbeigeführt werden kann. Ist das Volk und damit jedes Volksglied für den Staat nur Objekt, so kann es nicht zugleich für i h n Subjekt sein. Eine i m Eigentum des Herrn stehende Sklavenherde kann also konstruiert werden, nicht aber ein Gemeinwesen". Und er fährt fort: „Es hat Zeiten gegeben, wo die Menschen den Staat derart auffassen zu können glaubten; hat dies doch die absolutistische und patrimoniale Staatslehre i n ihren Ausschreitungen bis i n unser Jahrhundert hinein getan." Daß v. Seydel und Georg Jellinek aneinander vorbeiredeten, weil sie von verschiedenen Prämissen ausgingen, kann hier dahinstehen. Die Kontroverse macht jedenfalls die Unversöhnlichkeit der Standpunkte deutlich und zeigt auf, daß die Figur des Untertanen — und damit ein „allgemeines Gewaltverhältnis" — nur i n einem monarchisch konzipierten Rechtssystem ihren Platz haben kann, mit dem Persönlichkeitsdogma konstitutioneller Prägung jedoch schwerlich vereinbar ist. So ist es nicht zufällig, daß die unter dem Einfluß des monarchischen Prinzips stellenden Schriftsteller eine prononcierte Vorstellung von der Subjektion des Untertanen unter die Staatsgewalt und seiner Pflicht zu unbedingtem Gehorsam haben 1 1 5 , m i t der Konsequenz, daß der Staatsbürger i n bezug auf das öffentliche Recht „als Person gar nicht vorhand e n " 1 1 6 ist. Nun mag nur noch der Umstand verwirren, daß das „Gewaltverhältnis" bei υ. Gerber 117 und auch bei Laband 118, die beide ebenfalls Vertreter des Persönlichkeitsdogmas waren, als stehende Figur auftaucht. Die Gründe können nur vermutet werden i n der eher halbherzigen Loslösung dieser beiden Publizisten von absolutistisch-monarchistischen Vorstellungen. So sah etwa v. Gerber i m Monarchen „das oberste Willens112 Grundzüge einer allgemeinen Staatslehre, Würzburg 1873, S. 4; ders., Bayerisches Staatsrecht, München 1884, Bd. 1, S. 169 f. Ebenso Conrad Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Freiburg i. B. 1888, Bd. 1, S. 65 ff. 113 Dieser Ausdruck von Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Nachdruck der 2. Aufl. von 1905, Darmstadt 1963, S. 26, Fußn. 1. 114 Allgemeine Staatslehre, S. 164. 115 Vgl. n u r Karl v. Pfizer, Über die Grenzen zwischen Verwaltungs- u n d Civil-Justiz, Stuttgart 1828, S. 13 f. 118 Otto Kühn, Die Trennung der Justiz u n d Administration, Leipzig 1840, S. 37. 117 Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, Leipzig 1865, S. 42, 46. 118 Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1. Bd., 2. Aufl., Freiburg i. B. u n d Leipzig 1887, S. 386.
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organ des Staates" und die Verkörperung der abstrakten Persönlichkeit der Staatsgewalt 119 , wobei gleichzeitig „das Volk Gegenstand der Staatsherrschaft" ist 1 2 0 . Nicht viel anders Laband: „ I n der Monarchie ist der Monarch der alleinige Träger der Staatsgewalt" 1 2 1 , von i h m geht auch die Delegation (!) der Staatsgewalt aus 122 . M i t neueren Auffassungen 123 kann davon ausgegangen werden, daß hier ein Systembruch vorlag, weil auf diesem Umwege das dem monarchischen Prinzip eigene System der existentiellen Vorbehalte der Krone doch wieder eingeführt wurde, das zu beseitigen die Staatspersönlichkeitslehre angetreten war. Diesem Vorrang entsprach ganz folgerichtig die Installierung des Gewaltverhältnisses. Ähnliches läßt sich für Otto Mayer auf weisen — zunächst bezüglich des allgemeinen Gewaltverhältnisses. Für i h n ist „das ganze Verhältnis des Staates zu den Unterthanen . . . ein großes Gewaltverhältnis" 1 2 4 . Entscheidend ist dabei, welche Befugnisse dem Staat zustehen. Das ergibt sich für Otto Mayer aus der Ablösung der geschichtlichen Hoheitsrechte i. S. von Einzelbefugnissen durch die einheitlich zu denkende Staatsgewalt, ein „allgemeines Recht, der höhere maßgebende Wille zu sein,..." 125 und mündet i n die Feststellung: „Unser Staat vermag rechtlich schlechthin Alles." 1 2 6 Freilich bedeutet dies noch keine unbeschränkte Omnipotenz des Monarchen; denn angesichts der Verfassungslage, die noch keinen endgültigen Ausschlag zugunsten von Volks-, Fürsten- oder Staatssouveränität gebracht hatte, sondern einen Schwebezustand illustrierte 1 2 7 , 119
Grundzüge, 2. Aufl., Leipzig 1869, S. 71. Ebd., S. 42. 121 Staatsrecht, Bd. 1, 5. A u f l . 1911, S. 370, freilich m i t dem Zusatz, daß der Kaiser Organ, nicht Souverän des Reiches sei. 122 v g l . auch Deutsches Reichsstaatsrecht, 7. Aufl., besorgt von O. Mayer, Tübingen 1919, S. 26 f. 120
123 Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 135, Fußn. 84; Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 504 f. Vgl. auch Hermann Heller, Der Begriff des Gesetzes i n der Reichsverfassung, V V D S t R L 4 (1928), S. 98 ff. (127): Laband habe i n seinem „Budgetrecht" den Frieden m i t dem Absolutismus geschlossen. s. ferner E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 72, Fußn. 8: „ . . . Krypto-absolutistische Seite der Staatskonstruktion Labands." 124 AöR Bd. 3 (1888), S. 53. 125 Ebd., S. 29/30. 126 Ebd., S. 30, 38. 127 Vgl. E.-W. Böckenförde, Der deutsche T y p der konstitutionellen M o n archie i m 19. Jahrhundert, i n : Beiträge zur deutschen u n d belgischen V e r fassungsgeschichte i m 19. Jahrhundert, hrsg. v o n W. Conze, Stuttgart 1967, S. 89. M i t „Schwebezustand" ist unter rechtlichen Aspekten gemeint, daß aus monarchischer Sicht die Verfassungen oktroyiert, nicht abgerungen waren, so daß verfassungsrechtliche Einbindungen des Monarchen lediglich als gnadenweise gewährte Selbstbindungen erscheinen mußten, aus denen sich der Souverän jederzeit lösen konnte. Deshalb entsprach die Aufhebung der hannoverschen Verfassung von 1833 durch K ö n i g Ernst August durchaus monarchi-
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wäre eine Identifizierung des Monarchen m i t dem Staat positivrechtlich nicht gut haltbar gewesen. Dennoch: Den „Schutz der Freiheit", d. h. Schranken staatlicher Allmacht sieht Otto Mayer nicht „ i n einer äußerlichen Begrenzung seiner (seil: des Staates) Gewalt", sondern „ i n einer inneren Zuständigkeitsverteilung zwischen der Regierung und dem m i t Zustimmung (!) einer Volksvertretung geäußerten Staatswillen, dem Gesetz, . . , " 1 2 8 . Das heißt, daß der Schutz des einzelnen nicht bewirkt w i r d durch die dem staatlichen Zugriff entzogenen Freiheitsräume, sondern allein durch die innnerstaatliche Kompetenzverteilung 1 2 9 . Bei dieser Konstruktion sind also Individualrechtsverletzungen des einzelnen durch das Gesetz nicht, durch Verwaltungs- (Regierungs-) Tätigkeit nur dann vorstellbar, wenn die Verwaltung ihren durch den Gesetzesvorbehalt negativ bestimmten Tätigkeitskreis verläßt, wenn sie also dort handelt, wo nur der Gesetzgeber i n „Freiheit und Eigentum" eingreifen darf, oder wenn sie dort, wo Gesetze vorhanden sind, den gesetzlichen Ermächtigungsrahmen überschreitet. Immer aber handelt es sich u m Verletzungen des objektiven Rechts, nämlich der innerstaatlichen Zuständigkeitsordnung. Folgerichtig muß Otto Mayer auch die Vorstellung subjektiver Rechte des Staates, also das Erfordernis von Einzeleingriff sermächtigungen, ablehnen, denn: „Das subjektive Recht ist immer etwas Begrenztes; beim Staat aber schlägt das dahinter stehende Unbegrenzte immer durch" 1 3 0 . Es paßt i n den bereits oben aufgezeigten Zusammenhang zwischen Untertanenbegriff und monarchischem Prinzip 1 3 1 , welches m i t dem Perschem Selbstverständnis. Aus demokratischer Sicht, insbesondere unter dem Vorzeichen des Staatspersönlichkeitsdogmas, w a r die Verfassung aus einem zur fürstlichen Disposition stehenden Gesetz i n eine Ordnung der juristischen Person „Staat" verwandelt, die jeder einseitigen Änderung durch den Fürsten entzogen w a r (vgl. Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 489). Diese latente Konfliktslage ist endgültig w o h l erst 1918 aufgelöst worden. 128 AöR Bd. 3 (1888), S. 30, 38. 129 v g l . auch ebd., S. 17, wonach die Verwaltungstätigkeit „keinen anderen Rechtsgrund als die der Behörde verliehene Zuständigkeit" hat. Die subjektivrechtliche, „rechtsstaatliche" Komponente des Gesetzesvorbehalts taucht also noch gar nicht auf. Diese firmiert vielmehr als bloßer Parlamentsvorbehalt, wobei — v o r dem H i n t e r g r u n d des demokratischen Gesetzesbegriffes — dem Gesetz Rechtsschutzfunktion zukam. Das k a n n an dieser Stelle nicht näher erläutert werden. Vgl. zu letzterem Problem Dieter Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers u n d die Rechtsweggarantie, München 1973, S. 164. Überhaupt w a r Otto Mayer subjektiv-rechtlichen Vorstellungen abgeneigt; vgl. Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Bd., 3. Aufl., S. 132 m i t Fußn. 4. Dazu u n d zu den Hintergründen Schnapp, DVB1.1971, 481 ff. m. w. N. 130 Deutsches Verwaltungsrecht Bd. 1, 3. Aufl., S. 104. Den m. E. zutreffenden V o r w u r f von Edgar Loening, V e r w A r c h Bd. 5 (1897), S. 12 ff. u n d G. Jellinek (System, S. 195, Fußn. 1), zwischen Staat u n d Untertan lasse er n u r „die nackte Tatsache der Macht" bestehen, qualifiziert er bezeichnenderweise lediglich als „starke Verkennung der Sachlage". 131 Älterer Prägung, also nicht i m Sinne einer bloßen Zuständigkeitsregel.
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sönlichkeitsdogma nicht vereinbar ist, daß Otto Meyer von vornherein bestreitet, „daß dieser Gedanke (seil.: von der Staatspersönlichkeit) juristisch vollziehbar i s t " 1 3 2 , eben die Vorstellung des Persönlichkeitsdogmas, daß der Träger der Staatsgewalt, der Souverän, „nicht mehr eignen Namens w i r k t , sondern i n Vertretung einer . . . besonderen Hechtspersönlichkeit" 1 3 3 . Z w a r räumt er wenig später ein 1 3 4 , auch der Fürst sei „selbstverständlich Staatsorgan", u m aber sogleich — m i t einer Teilanleihe bei der organischen Staatslehre — die Konsequenz zu versperren; denn „ das Organ und das Ding, dessen Organ es ist, fließen zusamm e n " 1 3 5 . So steht sein Fazit fest: „Die deutschen Professoren haben, ohne alle Beihilfe, den Staat zur juristischen Person e r n a n n t " 1 3 6 . Damit hat er zwar die mangelnde Absicherung der Albrecht 1 sehen These i m positiven Recht treffend gekennzeichnet, ihren staatstheoretischen Gehalt jedoch verkannt u n d sich als später Verkünder des monarchischen P r i n zips erwiesen 1 3 7 . A u f dieser Grundlage ist die Installierung des „allgemeinen Gewaltverhältnisses" als dogmatische Kategorie konsequent. bb) Ähnliches g i l t — m i t entsprechenden Abwandlungen — f ü r das besondere Gewaltverhältnis. Gemeinhin w i r d behauptet, die „Lehre" oder der „Begriff" des besonderen Gewaltverhältnisses ließen sich „unschwer" bis auf das Jahr 1845 zurückverfolgen, i n welchem Friedrich Schmitthenner seine „ G r u n d linien des allgemeinen oder idealen Staatsrechtes" publizierte 1 3 8 . Das ist alles andere als r i c h t i g 1 3 9 und erweist die Gefahr einer eklektizistischen L e k t ü r e 1 4 0 und der mangelnden dogmenhistorischen Absicherung. 132 Die juristische Person u n d ihre Verwertbarkeit i m öffentlichen Recht, i n : Staatsrechtliche Abhandlungen, Bd. 1, Festgabe für Paul Laband zum fünfzigsten Jahrestag der Doktor-Promotion, Tübingen 1908, S. 3 ff. (56). Hervorhebung i m Original. 133 Ebd. Der These von Maurenbrecher, der Monarch verpflichtete die Untertanen von der eigenen Person aus, nicht aber als Organ, hatte schon Schmitthenner (Grundlinien, S. 277, Fußn. 1) entgegengehalten, darin stecke „ i n der That eine unbegreifliche Gedankenlosigkeit". 134 Ebd., S. 58. 135 Ebd. 136 Ebd., S. 59. 137 Vgl. auch die Andeutung bei Joachim Schmidt-Salzer, Tatsächlich ausgehandelter Verwaltungsakt, zweiseitiger Verwaltungsakt u n d verwaltungsrechtlicher Vertrag, V e r w A r c h Bd. 62 (1971), S. 135 ff. (144). iss Werner Thieme, Das besondere Gewaltverhältnis, DÖV 1956, 521; Hans-Ulrich Evers, Das besondere Gewaltverhältnis, F r a n k f u r t a. M. 1972, S. 2; w o h l auch Adalbert Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit und die besonderen Gewaltverhältnisse, B e r l i n 1969, S. 64; Bernhard Kempf, Grundrechte i m besonderen Gewaltverhältnis — BVerfG, N J W 1972, 811, JuS 1972, 701 ff. (702); des weiteren Rolf Dame, Das Verhältnis der Grundrechte zu den besonderen Gewaltverhältnissen nach dem deutschen u n d französischen Staatsrecht, Diss. K ö l n 1965, S. 3. 139
Vgl. Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 222 ff.
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1 . Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
Soweit der Begriff (i. S. von Ausdruck oder Terminus) 1 4 1 „besonderes Gewaltverhältnis" auf Schmitthenner zurückgeführt werden soll, schlägt dieser Versuch fehl, denn dieser Terminus taucht bei Schmitthenner n i r gendwo auf. Soweit die dogmatische Figur gemeint ist, und zwar i n dem Sinne, daß damit eine rechtsexemte Institution bezeichnet sein soll, ist Schmitthenner w o h l kaum der geeignete Zeuge. Zunächst w i r d übersehen, daß Schmitthenner kein Lehrbuch des positiven deutschen Staatsrechts, sondern „Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechtes" geschrieben hat, d. h. eine Allgemeine Staatslehre i m heutigen Sinne. I n einer A r t Zweigleisigkeit der Erkenntnismethode konfrontiert er das ideale m i t dem positiven Staatsrecht, wobei das ideale Staatsrecht als I n begriff „der Bestimmungen und sittlichen Befugnisse, welche aus der Idee des Staates folgen" 1 4 2 zum Maßstab der sittlichen Beurteilung des (nicht eines konkreten) positiven Staatsrechts überhaupt erhoben w i r d 1 4 3 . Soweit Schmitthenner den Ausdruck „organisches Subjektionsverhältnis" verwendet 1 4 4 , bezeichnet er damit — nicht anders als die meisten Schriftsteller seiner Z e i t 1 4 5 — das Unterworfensein des einzelnen unter die öffentliche Gewalt 1 4 6 , das „an sich kein Rechts-, sondern ein bloß sittliches Lebensverhältnis (ist), welches aber dadurch, daß es durch eine Rechtsregel bestimmt und begrenzt wird, zu einem Rechtsverhältnis werden k a n n " 1 4 7 .
140 Als Indiz dafür mag stehen, daß bei Thieme (DÖV 1956, 521) der T i t e l von Schmitthenners Werk m i t „ G r u n d l i n i e n des allgemeinen Staatsrechts" wiedergegeben w i r d (ebenso bei Dame [vgl. Fußn. 138, S. 3]), während Evers (Das besondere Gewaltverhältnis, S. 2, Fußn. 7) i h n schließlich i n „ G r u n d l i n i e n des Deutschen Staatsrechts" verwandelt. 141 I n der juristischen Umgangssprache bleibt durchweg unklar, w a n n „Terminus" (Ausdruck) u n d w a n n „Begriff" gemeint ist. Dazu vgl. Seiffert, Einführung i n die Wissenschaftstheorie, Bd. 1, S. 36 ff. 142 Grundlinien, S. 10. 143 Ebd. Bezeichnenderweise findet sich i n dem genannten Werk so gut w i e k e i n Rekurs auf eine positiv-rechtliche Bestimmung. 144 Grundlinien, S. 7, 278 f. u n d öfter. Als „organisch" bezeichnet Schmitthenner solche Verhältnisse, i n welchen sich eine Person „als Glied des Ganzen zu diesem selbst oder zu anderen Personen als ebenfalls Gliedern befindet". 145 Vgl. Erichsen, Verwaltungs- u n d verfassungsrechtsgeschichtliche G r u n d lagen, S. 145/146 m. w . N. 146 M a n würde Schmitthenner verkennen, sähe man h i e r i n das Postulat einer Totalunterwerfung des einzelnen unter die Staatsgewalt. Vielmehr ist — nach Erlöschen der Landeshoheit — die F i g u r des Subjektionsverhältnisses erforderlich geworden, u m die Eigenart des öffentlichen Rechts, näherhin der öffentlichen Gewalt, gegenüber den bloßen (zivilrechtlichen) Forderungen deutlich zu machen. Vgl. den T e x t weiter unten. 147 Grundlinien, S. 278. Dabei meint die primäre Kennzeichnung als sittlich, daß aus der „Idee oder N a t u r des Institutes" (S. 1) mehr als n u r Rechtspflichten folgen, nämlich „tausend Pflichten der Treue u n d des Vertrauens, der H i n gebung u n d Aufopferung" (S. 278).
1. Das Beamten Verhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
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Wenn Schmitthenner an anderer Stelle 1 4 8 das Staatsdienstverhältnis als „besonderes öffentliches", als „organisches Subjektionsverhältnis" bezeichnet 149 , so w i r d auch dieser Passus zu Unrecht für die Annahme eines „rechtsverdünnten" besonderen Gewaltverhältnisses angeführt. Das zeigen schon die nächsten Passagen: „Wenn ein Subjektionsverhältnis durch eine Rechtsregel festgestellt wird, wie eben das jenigen des Staatsbeamten . . ., entstehen natürlich für die subjicirte Person bestimmte (juristische) Rechte, die man wohl, besonders wenn sie unter dem Schutze der richterlichen Gewalt stehen Privatrechte nennt" 1 5 0 . Und immerhin behandelt der nächste Paragraph 1 5 1 ausdrücklich „Die Rechte des Staatsbeamten". Welche Funktion und Tragweite die Qualifikation des Staatsdienstverhältnisses als organisches Subjektions Verhältnis auf weist, läßt sich schließlich nur deutlich machen vor dem Hintergrund der damaligen Diskussion 152 . Schmitthenner begründet seine Auffassung wie folgt: Das Staatsdienstverhältnis w i r d durch Vertrag eingegangen. Es ist jedoch kein Obligationsverhältnis, sondern ein „besonderes öffentliches, folglich ein organisches Subjektionsverhältnis, wie schon einfach daraus hervorgeht, daß der Staat nicht ein bloßes Klagerecht, sondern das Recht zu Befehl und Zwang erhält" 1 5 3 . Es bestand also für Schmitthenner die Notwendigkeit, angesichts der von i h m aufgestellten Dichotomie von öffentlichen Herrschaftsverhältnissen und Obligationsverhältnissen, die identisch waren m i t bloßen Forderungen (iura ad rem), das Staatsdienstverhältnis einer dieser Kategorie zuzuordnen 154 . Da bloße Forderungen klageweise durchzusetzen waren, man sich aber nicht gut vorstellen konnte, daß der Staat die Erfüllung von Amtspflichten per Klage erzwingen sollte, blieb nur die Einordnung als Subjektions Verhältnis. Diese Einordnung hat wieder folgenden dogmenhistorischen Hintergrund: Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Staatsdienstverhältnis als „zivilrechtliches" Vertragsverhältnis aufgefaßt — wenn man einmal die heutige Zweiteilung „öffentliches Recht — privates Recht" übernimmt 1 5 5 . Jedenfalls fanden die Regeln des römischen Obligationen148
Grundlinien, S. 509, A n m . Auch hier w i r d die Qualifizierung als „SubjektionsVerhältnis" n u r v e r ständlich vor dem Hintergrunde der damaligen Diskussion; vgl. den T e x t sogleich. 150 Grundlinien, S. 509, A n m . 151 § 155, S. 511 ff. 152 Z u m folgenden Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 222 ff. 153 Grundlinien, S. 509, A n m . Hervorhebung von mir. 154 Grundlinien, S. 278. Vgl. auch die spätere Bemerkung von Hugo Preuß, Das städtische Amtsrecht i n Preußen, B e r l i n 1902, S. 87: „ I n d e m man diese Verhältnisse als Gewaltverhältnisse bezeichnet, drückt m a n i n der Tat n u r ihre spezifisch öffentlich-rechtliche N a t u r aus." 149
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
rechts Anwendung 1 5 6 . Gegen die vertragliche Natur der Beamteneinstellung wandte sich Nicolaus Thaddäus Gönner 157, der den Staatsdienst als Institut des öffentlichen Rechts qualifizierte 1 5 8 . Das geschah u. a. aus dem Grunde 1 5 9 , w e i l bei vertraglicher Deutung sich für den Dienstherrn die Notwendigkeit gerichtlicher Auseinandersetzung darüber ergeben hätte, ob eine bestimmte Anweisung sich i n den Grenzen des Anstellungsvertrags hielt 1 6 0 . Einen Zentralpunkt bildet die These von Gönner, daß jeder Staatsbürger zum Staatsdienst verpflichtet sei. Nicht ganz klar ist, ob dies die Voraussetzung oder die Folge der öffentlich-rechtlichen Einordnung des Staatsdienstverhältnisses war. Nach Erichsen 161 ist ersteres der Fall. Dafür spricht eine Stelle bei Gönner, an der er ausführt: „Aus diesem Grunde (seil, der Verpflichtung zum Staatsdienst) w i r k t die einseitige Willenserklärung verbindlich, welche die rechtliche Möglichkeit eines Vertrages ausschließt" 162 . Eine andere Deutung stellt Otto Mayer an 1 6 3 . Danach stand am Anfang die Ausgliederung des Staatsdienstverhältnisses aus dem Obligationsrecht und die Uberstellung i n das erwachende öffentliche Recht. N u n sei man aber damals (1808) noch ganz von der Vorstellung der Hoheitsrechte (Regalien, j u r a majestatis) beherrscht gewesen. Hoheitsrechte waren aber qua natura m i t Zwangsbefugnissen bewehrt 1 6 4 , so daß man sich die Begründung des Staatsdienstverhältnisses nur als Zwangsakt habe vorstellen können, was wiederum die Verpflichtung des B ü r gers zum Staatsdienst bewirkt hätte. Welche Deutung zutrifft, kann hier letztlich dahinstehen. Für erstere sprechen die Quellen, die letztere kann verdeutlichen, daß Schmitthenner m i t seiner Qualifizierung sozusagen einen „dritten Weg" zwischen zwei Extremen geht: M i t der Qualifikation als „besonderes öffentliches Subjektions Verhältnis" vermeidet iss w a s w o h l k a u m adäquat ist; vgl. auch die K r i t i k v o n Martin Bullinger (Vertrag u n d Verwaltungsakt, Stuttgart 1962, S. 180, Fußn. 98) an Rehm. Z u m Trennungsprozeß zwischen ius publicum u n d ius civile vgl. Sauter , ARSP Bd. 27 (1933/34), S. 189 ff. 156
Bullinger, ebd. Der Staatsdienst, aus dem Gesichtspunkte des Rechts u n d der NationalOeconomie betrachtet, Landshut 1808. 158 Ebd., S. I X , 56, 58,143. 150 Z u weiteren Gründen vgl. Bullinger, Vertrag u n d Verwaltungsakt, S. 181 ff. 160 Gönner, Der Staatsdienst, S. 72. Vgl. die Parallele zu Schmitthenner, Grundlinien, S. 509, A n m . 181 Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 223. ιβ2 j ) e r Staatsdienst, S. 85 f. Hervorhebung u n d Einfügung von mir. 157
163 AöR Bd. 3 (1888), S. 26 ff. Otto Mayer (S. 27) erachtet die Ansicht von Gönner als „ohne Boden u n d unhaltbar", argumentiert dabei jedoch — durchaus unhistorisch — m i t dem konstitutionellen Gesetzesvorbehalt. 184 Anfangs des 16. Jahrhunderts hatte sich die Auffassung durchgesetzt, der Inhaber eines Regale brauche dieses Recht nicht klageweise zu verwirklichen, sondern könne zur Selbsthilfe greifen; vgl. oben Fußn. 32.
1. Das Beamtenerhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
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er die Konsequenz der gerichtlichen Auseinandersetzung über die E r füllung von Dienstpflichten. Gleichzeitig läßt er das Staatsdienstverhältnis durch Vertrag entstehen; denn „der Staatsdienst ist nicht, wie etwa der gemeine Militärdienst, eine Pflicht, welche der Regent durch Befehle und Gesetz auferlegen k a n n " 1 6 5 . M i t dieser Konstruktion steht Schmitthennner zwar nicht allein d a 1 6 6 ; es sollte hier n u r verdeutlicht werden, daß er w o h l k a u m — wie gemeinh i n üblich — als A h n h e r r des besonderen Gewaltverhältnisses beschworen werden kann. Als solcher ist i n der Tat Otto Mayer anzusprechen 167 , der — gestützt auf v. Gerber 168 und Laband 169 und vor dem Hintergrund der Impermeabilitätstheorie 1 7 0 — vorhandene Ansätze bündelte, dem besonderen Gewaltverhältnis 1 7 1 seine klassische Gestalt verlieh und es als dogmatische Kategorie des Verwaltungsrechts fest installierte. War es vordem nur u m die Herauslösung des Staatsdienstes aus den Vorstellungen des römischen Obligationenrechts und die Zuweisung zum öffentlichen Recht gegangen, so setzt erst m i t Otto Mayer der Prozeß der „Entrechtlichung" des „besonderen Gewaltverhältnisses" ein. Bezeichnend ist, daß Otto Mayer ursprünglich 1 7 2 vom Rechtsverhältnis her ansetzte, diese Verknüpfung aber sodann fallen ließ 1 7 3 . Die Tragweite der Qualifizierung des besonderen Gewaltverhältnisses als Rechtsverhältnis durch Otto Mayer sollte man freilich nicht überschätzen, denn „das Gewalt Verhältnis ist vor A l l e m ein Rechtsverhältnis, aus welchem einzelne, nicht i m Voraus bestimmte Pflichten des einen Theiles fliessen nach dem W i l l e n des anderen T h e i l e s , . . . " 1 7 4 . H i n zu k o m m t die Ungleichheit der beiden Rechtssubjekte; „der W i l l e des berechtigten entscheidet m i t selbständig bindender K r a f t f ü r das andere darüber, was aus dem Pflichtverhältnis geschuldet i s t . " 1 7 5 Das bedeutet 185
Grundlinien, S. 509, Anm. Vgl. Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 223/224 m i t umfänglichen Nachweisen. 187 Erichsen, ebd., S. 228 ff. 188 Grundzüge eines Systems des Deutschen Staatsrechts, S. 104 f. 189 Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, 1. Aufl., 1876, S. 386 ff. Die Bezugnahme findet sich bei Otto Mayer, AöR Bd. 3 (1888), S. 52. Die dort angezogenen Belegstellen bei Schmitthenner sind, wie der Text oben ergibt, einseitig überinterpretiert. 170 Dazu näher Zweites Kapitel, 1 a. 171 Der Ausdruck „besonderes Gewaltverhältnis" taucht — soweit ersichtlich — zuerst auf bei Victor Ehrenberg, Commendation und Huldigung nach fränkischem Recht, Weimar 2877, S. 47, Fußn. 36 a. 172 AöR Bd. 3 (1888), S. 52; Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Aufl., 1895, S. 108. 173 So i n der 2. Auflage von „Deutsches Verwaltungsrecht". 174 AöR Bd. 3 (1888), S. 52. 175 Ebd. 188
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
mithin, daß der Beamte zu ungemessenen Diensten verpflichtet i s t 1 7 0 — die Natur des besonderen Gewaltverhältnisses als Rechtsverhältnis ändert nichts an diesem Umstand. Sind hier also schon Gesetzesvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz nicht spürbar, so gilt ähnliches für den Rechtsschutz; denn grundsätzlich ist es „die Regierung selbst, welche darüber entscheidet, ob die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit ihrer Suspensionen, Versetzungen i n einstweiligen Ruhestand usw. gegeben sind, ob der Dienstbefehl seinen rechtmäßigen Umfang eingehalten hat; darin zeigt sich gerade die Natur des Gewaltverhältnisses". 177 Aus heutiger Sicht betrachtet, ist also die Kennzeichnung des besonderen Gewaltverhältnisses als Rechtsverhältnis eine lediglich verbal vertretene These, die sich ausschließlich auf die Begründung i n Rechtsform bezieht. Es wäre nun alles andere als adäquat und eine ungeschichtliche Simplizifierung, wollte man Otto Mayer als politisch einäugigen Verfechter des monarchischen Prinzips und „Erfinder" des rechtlosen Beamten hinstellen. Das würde zwar einem modernen Trend entsprechen, bestimmte Theorien mit dem Maßstab späterer Rechtsanschauungen zu messen und einem Verwaltungsrechtler konstitutionellen Zuschnitts ein heutiges Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis abzuverlangen 178 . Jedoch würde man dabei verkennen, daß Otto Mayer i n ganz bestimmten Modellen und dogmatischen System dachte, ja wohl denken mußte, denen man ihre zeitbedingte Berechtigung nicht völlig w i r d absprechen können. Insbesondere die Suspension des Gesetzesvorbehalts i m besonderen Gewaltverhältnis geht auf zwei dogmatisch-konstruktive Vorstellungen der konstitutionellen Staatslehre zurück, die m i t dem damaligen Gesetzesbegriff verknüpft waren. U m diesen Zusammenhang zu verdeutlichen, sei zuerst Otto Mayer wörtlich angeführt: „ W e n n man so häufig sagen hört: der Staat k a n n Niemanden zum E i n t r i t t i n den Staatsdienst zwingen, der Staat bedarf der f r e i w i l l i g e n Unterwerfung, so ist das ungenau ausgedrückt: die Staatsgewalt k a n n Alles. Aber zwischen den obersten Formen, i n welchen ihre Willensäußerung zu Stande kommt, u n d dadurch unmittelbar zwischen den Personen, welche i n der einen oder i n der anderen w i r k e n , zwischen Gesetz u n d Regierung besteht verfassungsmäßig eine Zuständigkeitsverteilung. Danach sind insbesondere dem Gesetze vorbehalten gewisse A r t e n von E i n w i r k u n g e n auf die Untertanen, w i e vor A l l e m Zwang zu T h u n u n d Lassen. Richtig ist also nur, daß die Regierung regelmäßig solchen Zwang nicht üben kann, w e i l sie verfassungsmäßig dazu nicht zuständig ist i m Verhältnisse zum Gesetze; v o m Staat als Ganzem dagegen k a n n m a n n u r sagen, daß er, w i e seine Verfassung bezeugt, regelmäßig i n dieser Form, i n der F o r m der Regierung nicht zwingen w i l l . 176 Vgl. auch Laband, Staatsrecht, Bd. 1, S. 396. Weitere Nachweise bei Otto Mayer, AöR Bd. 3 (1888), S. 52, Fußn. 74. 177 Otto Mayer, ebd., S. 84. 178 Typisch für diese Betrachtungsweise etwa die Beiträge von Bärsch u n d Herwig, i n : Staat u n d Recht (hrsg. von Sattler), München 1972.
1. Das Beamtenverhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
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Handelt es sich n u n darum, daß die Regierung einen Unterthanen verpflichten soll zu Dienstleistungen f ü r den Staat, so ist das unter der Herrschaft j e ner verfassungsmäßigen Zuständigkeitsregeln n u r auf zweierlei Weise möglich: entweder sie muß ein Gesetz haben, welches sie ermächtigt, zu diesem Zwecke Zwang zu üben, oder sie muß i n die Lage kommen, es t h u n zu können ohne Zwang, u n d i n diese Lage setzt sie die freiwillige Unterwerfung des Betroffenen. I m ersteren Falle entstehen Rechtsinstitute w i e die Requistionen u n d die Bürgerpflichten, i m letzteren die f r e i w i l l i g e n Ehrendienste u n d der berufsmäßige Staatsdienst. A u f diese Weise werden gesetzliche Ermächtigung u n d E i n w i l l i g u n g e n des Unterthanen durch jenen Verfassungsrechtssatz zu Erfordernissen der A k t e der Regierung; w e n n sie aber nichts anderes hinter sich haben als das, so ist ihre Bedeutung gleichmäßig n u r die eine: das Hindernis wegzuräumen, w e l ches der verfassungsmäßige Vorbehalt des Gesetzes der Macht u n d Zuständigkeit der Regierung setzt. Sind sie i n concreto gegeben, so w i r d dadurch die Z u ständigkeit der Regierung f ü r diese A r t v o n E i n w i r k u n g e n frei. Weiter nichts". 1 7 9
Diese Ausführungen bekommen ihren Sinn vor dem Hintergrund des kantischen Gesetzesbegriffs, auf dem sie beruhen und der dem konstitutionellen Parlamentsvorbehalt zugrundeliegt. Nach K a n t ist gesetzgebende Gewalt nur i n der Form abstrakter Regeln möglich, indem „ein jeder über alle und alle über einen jeden dasselbe beschließen." 180 Das Produkt dieser Tätigkeit, das Gesetz, kann niemand Unrecht tun; denn zwar ist es, „wenn jemand etwas gegen einen anderen verfügt, immer möglich, daß er i h m dadurch Unrecht tue, nie aber i n dem, was er über sich selbst beschließt (denn: volenti non fit iniuria)". 1 8 1 Das bedeutet m. a. W., daß die Repräsentation der Summe der einzelnen, nämlich das Parlament, durch Gesetze i n „Freiheit und Eigentum" des einzelnen eingreifen konnte, ohne i h m Unrecht zu tun, da er bereits (fingiert) seine Zustimmung gegeben hatte: Die Spannung zwischen Individual- und Gemeininteressen erschien so i n dem Gesetz harmonisiert 1 8 2 , das Gesetz war „autonome Entscheidung über die eigenen Angelegenheiten" 1 8 3 . Daher konnte — so Otto Mayer — die Regierung den Untertan zum Staatsdienst erstens verpflichten, wenn i h r eine gesetzliche Ermächtigung zur Verfügung stand, die als antizipierte Einwilligung des einzelnen zu seiner Verpflichtung gesehen wurde. Oder aber der einzelne begab sich freiwillig i n das Staatsdienstverhältnis und erteilte auf diese Weise seine Zustimmung. Damit beseitigte er lediglich ein Hindernis für die Regie179
AöR Bd. 3 (1888), S. 38 f. Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten, T e i l 1: Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, § 46, S. 136 (zit. nach der Akademie-Ausgabe). 181 Ebd. 182 Vgl. Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht, Tübingen 1968, S. 13; Wilhelm Ebel, Geschichte der Gesetzgebung i n Deutschland, Göttingen 1958, S. 63. 183 Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 2. Aufl., Tübingen 1968, S. 27. 180
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1 . Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
rung, nämlich die fehlende Zuständigkeit für Eingriffe i n Freiheit und Eigentum, die dem Parlament vorbehalten waren. Denn: „Was die vollziehende Gewalt aufgrund einer (gesetzlichen) Ermächtigung vornimmt, ist nichts, was sie nicht auch so t u n könnte, wenn eben nur der Vorbehalt des Gesetzes sie nicht besonders davon ausgeschlossen hätte; denn auch sie ist Staatsgewalt und an sich fähig, dem einzelnen nach jeder Richtung obrigkeitlich gegenüberzutreten". 184 Diese Ersetzung des Parlamentsvorbehalt galt nun — und nur i n diesem Zusammenhang ist sie erörtert worden 1 8 5 — für die Begründung des Staatsdienstverhältnisses. Daß es für die weiteren Anordnungen keiner gesetzlichen Ermächtigung bedurfte, findet bei Otto Mayer eine andere Erklärung: Die Beamten sind bei der Begründung des Staatsdienstverhältnisses i n eine besondere rechtliche Abhängigkeit getreten „gegenüber der einen bestimmten Zweck verfolgenden öffentlichen Verwaltung, um dessen willen sie ihnen nun das Erforderliche vorschreibt" 1 8 6 . Hier bricht das „Natur-der-Sache"-Denken durch, das auch ansonsten für viele seiner staatsrechtlich-staatstheoretischen Positionen die Grundlage abgab. Für das allgemeine Staat-Bürger-Verhältnis gilt i m Prinzip, daß „die naturrechtliche Grundlage Maß und Richtung (gibt) für das,. . . was auch ohne besondere Ordnung zulässig i s t " 1 8 7 . Ebenso ist es ζ. B. m i t der Polizei; denn es ist ein „naturrechtlicher Gedanke", daß für die A b wehr von Gefahren der Zwang etwas Selbstverständliches ist 1 8 8 . Aus dem Begriff der Polizei oder aus der Natur der Sache (Gefahrenabwehr) folgen m i t h i n die polizeilichen Zwangsbefugnisse, ohne daß der Gesetzesvorbehalt ins Spiel gerät 1 8 9 . Sind gesetzliche Ermächtigungen vorhanden, so haben sie eigentlich nur die Funktion, „zu erläutern, zu ergänzen und genauer zu bestimmen" 1 9 0 . Nicht anders erfolgt die Suspension des Gesetzesvorbehalts und der Ausschluß gerichtlicher Kontrolle i m besonderen Gewaltverhältnis. Denn „darin zeigt sich gerade die Natur dieses Ge184 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Band, 3. Aufl., S. 73 (Einfügung von mir). I n der A n m e r k u n g an dieser Stelle fährt er fort, der beste Beweis liege darin, daß eine gesetzliche Ermächtigung i m Einzelfall durch die E i n w i l l i g u n g des Betroffenen ersetzt werden könne. 185 I n der mehrfach erwähnten Abhandlung ging es u m die Rechtsnatur der Begründung des Beamtenverhältnisses. 188 Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl., S. 84. Hervorhebung von m i r . 187 Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 1. A u f l . 1895, S. 257. 188 Deutsches Verwaltungsrecht, Band 1, 3. Aufl., S. 207. 189 Otto Mayer scheint sich selbst jedoch für einen Verfechter des Gesetzesvorbehalts zu halten. Er kritisiert (ebd., S. 209, Fußn. 13) Georg Meyer, der glaube, für sicherheitspolizeiliche Maßregeln einen ausreichenden Rechtsgrund finden zu müssen „ i n der allgemeinen staatsrechtlichen Stellung der Polizei". Wo der grundlegende Unterschied zur eigenen Position sein soll, ist nicht ersichtlich. 190 Ebd., S. 208.
1. Das Beamten Verhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
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waltverhältnissesdaß die Regierung über die Rechtmäßigkeit ihrer Maßnahmen selbst entscheidet 191 . I n kritischer Zusammenfassung sind hier unter zwei Aspekten Anmerkungen zu machen; zunächst bezüglich der Konstruktionsmodelle von Otto Mayer. Seine These, die Einwilligung des einzelnen zum E i n t r i t t i n den Staatsdienst beseitige das Erfordernis des Gesetzesvorbehalts, w i r d erst vor dem Hintergrund des kantischen Gesetzesbegriffes verständlich. Jedoch hat Otto Mayer nicht bemerkt— und wohl auch nicht merken können 1 9 2 , daß er mit seiner Konstruktion diesen Begriff aufsprengte bzw. dessen Boden verließ, weil er nur eine Seite akzentuierte. Bei Kant erscheint das allgemeine Gesetz als Erkenntnisakt der vereinigten Willen und Setzung dessen, was Recht ist. Dabei interessieren i h n nicht die Mechanismen der Repräsentation, die Beziehungen zwischen Repräsentanten und Repräsentierten; wie überhaupt seine Überlegungen kaum Bezüge zur konkret-geschichtlichen sozialen Wirklichkeit des Staates aufweisen 193 . So gesehen, erscheint der Schutz des einzelnen lediglich als Funktion, nicht als Voraussetzung des Gesetzesbegriffes; denn der einzelne ist geschützt, w e i l das Gesetz vermöge seines allgemeinen Charakters bestimmt, was Recht ist, so daß dem einzelnen durch das Gesetz schon begrifflich kein Unrecht geschehen kann 1 9 4 . Die Rechtsschutzfunktion erscheint nun bei Otto Mayer verselbständigt, das Repräsentationsverhältnis rückt ins Bild; der einzelne kann durch seine Einwilligung im konkreten Falle seine Repräsentation selbst wahrnehmen und das Erfordernis des Gesetzes beiseiteschieben, das nurmehr als ein — verfassungsrechtlich zufällig positiviertes — Hindernis für die Allmacht der Regierung fungiert. Damit sind die Verbindungslinien abgeschnitten — ein weiterer Beleg dafür, daß Otto Mayer nicht ohne Berechtigung als eher ungeschichtlicher Denker apostrophiert wird. Die Verkennung des kantischen Gesetzesbegriffs führt zudem zu einer verfassungsrechtlichen Konsequenz, die von Otto Mayer nicht gesehen w i r d : K a n n der einzelne Betroffene durch eigene Einwilligung die Sper191
AöR Bd. 3 (1888), S. 84. Das kantische Gedankengut w a r gerade erst wieder aufgegriffen worden. Zudem erfolgt der Rückgriff auf K a n t nicht explizit, sondern erscheint mehr als unbewußte historische Reminiszenz. Ohnehin w a r Otto Mayer w o h l k a u m ein philosophischer Kopf, sondern eher ein pragmatischer Konstruktivist, obwohl er sich selbst i n der Nachfolge der hegelianischen Rechtsphilosophie sieht (Vorwort zur 2. Aufl., S. V I I I ) . 193 Ernst-Wolfgang Böckenförde, Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, S. 96; Klaus Vogel, Gesetzgeber u n d Verwaltung, V V D S t R L 24 (1966), S. 125 ff. (138). 194 Zudem w i r d meist übersehen, daß Kant den vereinigten V o l k s w i l l e n nicht als erfahrbare Tatsache, sondern als „bloße Idee der V e r n u n f t " begreift, die dazu dient, den kategorischen I m p e r a t i v i n das positive Staatsrecht einzubringen. Nicht der homo phaenomenon, sondern der homo noumenon w i r k t bei der Gesetzgebung m i t . Vgl. auch unten D r i t t e r Teil, Zweites Kapitel, 4 b. 192
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re des Gesetzesvorbehalts zugunsten der Regierung beseitigen, dann bedeutet dies nichts anderes als die Einführung einer Dispositionsbefugnis des Staatsbürgers über verfassungsrechtlich festgeschriebene Zuständigkeitsverteilungen. Gerade weil Otto Mayer nicht den (rechtsstaatlichen) Gesetzesvorbehalt i m Auge hat, d. h. die Frage, i n welcher Verdichtung das Exekutivhandeln gesetzgeberisch determiniert sein muß, sondern offenbar ganz auf den (demokratischen) Gesetzgebungs- oder Parlamentsvorbehalt abhebt, also auf die objektive Zuständigkeitsverteilung, hätte i h m eine solche Konsequenz fernliegen müssen. Des weiteren verfällt Otto Mayer m i t seinem „Natur-der-Sache"-Denken einer schlichten petitio principii; denn aus der Natur des besonderen Gewaltverhältnisses kann jeweils nur das an normativen Sätzen folgen, was man vorher i n i h m verborgen hat. Selbst wenn man hierin keinen formal-logischen Fehler erblickt — dieser Schluß ist jedenfalls darum als denkfehlerhaft zu beanstanden, w e i l er erkenntnistheoretisch unergiebig ist und damit gegen die Gesetze pragmatischen Denkens verstößt 1 9 6 . Mehr noch: Die Berufung auf die „Natur der Sache" enthält einmal die Behauptung, die „Sache" trage normative Elemente i n sich (Ontologisierung von Werten, d. h. Relationsgrößen), zum anderen, aus diesen ontologischen Werten lasse sich auf ein Sollen schließen (naturalistischer Fehlschluß) 196 . Bei alldem sollte freilich nicht übersehen werden, daß Otto Mayer — stark beeinflußt von Paul Laband — ganz i n den dogmatischen und methodischen Vorstellungen seiner Zeit stand, aus denen er sich nicht lösen konnte 1 9 7 . Bei historischer, auf gerechte Bewertung der geschicht195 Ulrich Klug, Juristische Logik, 3. Aufl., B e r l i n / Heidelberg / New Y o r k 1966, S. 154 f. 198 Ernst Topitsch, Restauration des Naturrechts? Sachgehalte u n d N o r m setzungen i n der Rechtstheorie, i n : ders., Sozialphilosophie zwischen Ideologie u n d Wissenschaft, 2. Aufl., Neuwied / B e r l i n 1966, S. 53 ff. 197 Dabei ist auch ein pragmatischer Z u g nicht zu übersehen, der sich i n dem Bestreben zeigt, bestehende Zustände m i t Hilfe dogmatischer K o n s t r u k tionen abzusichern u n d ihnen die Legitimationsbasis zu geben. Bezeichnend dafür ist beispielsweise seine Rezension der Schrift von A d o l f A r n d t über „Das selbständige Verordnungsrecht" (AöR Bd. 18 [1903], S. 96). Nachdem er feststellt, daß mancherlei Vorschriften ergehen, die der gesetzlichen G r u n d lage entbehren, zeigt er die A l t e r n a t i v e auf: Wer i n diesen Vorschriften Rechtssätze erblickt, muß ein selbständiges Verordnungsrecht anerkennen. Wer aber am Vorbehalt des Gesetzes festhält, der müsse, „sofern er sie nicht f ü r u n g ü l t i g erklären k a n n (sie!), ihre rechtliche Wirksamkeit anderweit zu begründen suchen, aus der Dienstgewalt, aus der Anstaltsgewalt usw." Otto Mayer v e r t r i t t die letztere Position, argumentiert also k l a r v o m Ergebnis her. Zudem offenbart dieser Passus eine unklare Vorstellung v o m Gesetzesvorbehalt. Otto Mayer hält an diesem Erfordernis fest, obwohl er eingangs statuiert, daß die gesetzliche Grundlage fehlt, u n d w i r f t einen Begriff als Rettungsanker. Verstehen läßt sich diese auf den ersten Blick widersprüchliche Passage allenfalls w i e folgt: U n t e r „Vorbehalt des Gesetzes" begreift Otto Mayer nicht das (rechtsstaatliche) Prinzip inhaltlicher Determinierung von Verwaltungshandeln, sondern den Vorbehaltsbereich des Parlaments. Diesem Prinzip ist
1. Das Beamten Verhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
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liehen Situation abzielender Betrachtungsweise ist es daher zutreffend, wenn betont wird, daß Otto Mayer „ m i t unbestreitbarer Folgerichtigkeit das besondere Gewaltverhältnis als Bereich rechtssatzfreier Herrschaft der öffentlichen Verwaltung begreifen" konnte 1 9 8 . Ein Rückgriff auf den konstitutionellen Gesetzesbegriff und auf die Impermeabilitätstheorie erfolgt dagegen bei Otto Mayer nicht explizit, obwohl dies sozusagen die „zweite Säule" ist, die das rechtsfreie besondere Gewaltverhältnis konstruktiv-dogmatisch trägt. Zwar beruft sich Otto Mayer ausdrücklich auf Paul Laband, von dem der Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses zuerst „erfolgreich verwertet" worden sei 1 9 9 . Jedoch hatte Paul Laband das Staatsdienstverhältnis nicht i n Zusammenhang m i t der Impermeabilitätslehre gebracht und als rechtsexemten Raum begriffen; i h m war es darauf angekommen, i m Vergleich m i t der Vasallität darzutun, daß das Beamtenverhältnis kein zivilrechtliches (obligatorisches) Kontraktsverhältnis ist 2 0 0 . Insofern verfolgt er kein anderes Anliegen als lange vor i h m bereits Schmitthenner — von rechtsfreien Räumen ist auch bei i h m nicht die Rede 201 . I n der Tat blieb es Otto Mayer vorbehalten, das besondere Gewaltverhältnis zu begreifen „als die verschärfte Abhängigkeit, welche zugunsten eines bestimmten Zweckes öffentlicher Verwaltung begründet w i r d für alle einzelnen, die i n den vorgesehenen besonderen Zusammenhang treten" 2 0 2 . Hier interessiert nicht, welche K r i t i k man an dieser offenkundigen Leerformel anbringen könnte. Wichtig ist zunächst, daß hier — nunmehr losgelöst von den konstruktiven Fundamenten — der Verwaltungsrechtswissenschaft eine dogmatische Figur an die Hand gegeben wurde. Was i h r unterfiel, war als rechtsfreier Raum ausgewiesen, Anordnungen i n diesen Verhältnissen wirken „ w i e der obrigkeitliche A k t i m Polizeistaat" 2 0 3 , d. h. „das Recht hat nichts damit zu t u n " 2 0 4 , man hat sich den Maßnahmen „schlechthin zu fügen" 2 0 5 . Genüge getan, w e n n sich eine Legitimation f ü r den Erlaß von Vorschriften finden läßt, die nicht dem Vorbehaltsbereich unterfallen. Diese Legitimationsgrundlage ist die Dienstgewalt, die der „Regierung" u n d nicht dem Parlament zusteht. Insoweit k a n n Otto Mayer auch dort am Vorbehalt des Gesetzes „festhalten", w o es an einer gesetzlichen Grundlage f ü r exekutivisches Handeln fehlt. 108 Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 229. 199 Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl., S. 104, Fußn. 21. 200 Paul Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1. Aufl., Band 1, Tübingen 1876, S. 386 ff. 201 I m folgenden handelt er von den Rechten der Beamten. 202 Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2. A u f l . 1914, S. 104, s. aber schon AöR Bd. 3 (1888), S. 52 f. 208 Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl., S. 105. 204 Ebd., S. 40. 205 Ebd., S. 41.
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
Weitere Konstruktionen zur dogmatischen Absicherung dieser Thesen folgten. Hier seien nur erwähnt die Lehre von den besonderen Gewaltverhältnissen als staatlichen Interna, die dualistische Gesetzestheorie und das Dogma von der bloßen Konkretisierungsfunktion fachlicher Weisungen. A u f ihre Haltbarkeit ist an dieser Stelle ( noch) nicht einzugehen. Es bleibt nur festzuhalten, daß sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts das besondere Gewaltverhältnis fest installiert und i n der Folgezeit eine Beharrungstendenz wie kaum ein anderes Institut der Verwaltungsrechtswissenschaft auf gewiesen hat. b) Allgemeines und besonderes Gewaltverhältnis: Rechtstheoretischer Gehalt
Während i m vorstehenden versucht worden ist, die dogmengeschichtlichen Entwicklungsgründe und Konstruktionen für die Entstehung des Begriffs „besonderes Gewaltverhältnis" und seine Installierung als dogmatische Kategorie freizulegen, sollen nachstehend Verwendung und Verwendbarkeit der Figuren „allgemeines" und „besonderes Gewaltverhältnis" sowie das ihnen zugrundeliegende staats- und verfassungstheoretische Vorverständnis aufgezeigt werden. Seit dem 19. Jahrhundert bis i n unsere Zeit w i r d als allgemeines Gewaltverhältnis — i n mehr oder weniger gleichlautenden Formulierungen — begriffen das zwischen dem Staat und den Staatsbürgern 2 0 6 bestehende Rechtsverhältnis, kraft dessen letztere der Macht des Staates unterworfen und der Rechtsordnung gegenüber zu Gehorsam verpflichtet sind 2 0 7 . Offenbar scheint hiermit das Staat-Bürger-Verhältnis abschließend umschrieben. Was hierzu zu sagen ist, hat bereits Adolf Merkl 208 i m Jahre 1927 i n beispielhafter Klarheit niedergelegt: „Es ist schlechterdings nicht einzusehen, wodurch sich die als ,allgemeine 4 u n d ,besondere* unterschiedenen Pflichten unterscheiden als durch den belanglosen Unterschied i m Umfange des Kreises der Verpflichteten. Daß die eine Gruppe der Pflichten auf der allgemeinen Gehorsamspflicht, die andere G r u p pe von Pflichten auf besonderen Gewaltverhältnissen beruhe, entspricht einfach nicht den Tatsachen. Wenn überhaupt i n den angeführten Fällen von öffentlichen Pflichten, ζ. B. von der Wehrpflicht, von der Steuerpflicht, von der Pflicht zu polizeigemäßem Verhalten die Rede sein kann, so n u r deswegen, w e i l ein Wehrgesetz militärische Dienstleistungen, w e i l Steuergesetze Steuerleistungen, w e i l Polizeivorschriften bestimmte Verhaltungsmaßnahmen i m Interesse der öffentlichen Sicherheit u n d Ordnung vorschreiben. U n d i n 208 Ausländer u n d Staatenlose, die sich auf dem T e r r i t o r i u m des Staates aufhalten, können hier — w e i l f ü r die Darstellung unerheblich — beiseite gelassen werden. 207 Vgl. stellvertretend Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 940 ff.; Paetzold, Die Abgrenzung v o n allgemeinem u n d besonderem Gewaltverhältnis, S. 8 ff. 208 Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien u n d B e r l i n 1927, S. 132 f.
1. Das Beamtenerhältnis als besonderes G e w a l t e r h ä l t n i s
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durchaus gleichartiger Weise können die Pflichten des öffentlichen Beamten auf die Dienstordnung, die Pflichten der verschiedenen A r t e n von Anstaltsangehörigen auf die bezüglichen Anstaltsordnungen, die Pflichten, die man aus einer Überwachungsgewalt ableitet, auf einzelne bestimmte Verwaltungsvorschriften zurückgeführt werden. I n allen angeführten Fällen beruht also die öffentliche Pflicht auf einem nachweisbaren Satz der Rechtsordnung und ist übrigens durch den Bestand eines solchen Rechtssatzes bedingt. W a r u m also i n die Ferne schweifen, Gewaltverhältnisse aller A r t und gar für alle Fälle überdies eine allgemeine Untertanenpflicht konstruieren, u m für die verschiedenen öffentlichen Pflichten die gewünschten Grundlagen zu finden, statt sich m i t der Feststellung der naheliegenden gesetzlichen Grundlagen zu bescheiden, die nach dem Legalitätsprinzip als Voraussetzung rechtlicher Pflichten erforderlich, aber auch genügend sind? Wenn nicht i n Rechtssätzen — i n Gewaltverhältnissen, auch i n dem Untertanen Verhältnis, auf das man letztlich rekurriert, können subjektive Pflichten keinesfalls verankert sein. Selbst die vielberufene Untertanenpflicht zum Rechtsgehorsam besteht nicht a priori, sondern n u r a posteriori, zufolge der rechtsordnungsgemäßen Anordnung bestimmten menschlichen Verhaltens. M a n ist nicht künftigem, sondern n u r gegenwärtigem, nicht möglichem, sondern n u r w i r k l i c h e m Rechte, streng genommen, nicht einmal dem Recht i m allgemeinen, sondern n u r einzelnen bestimmten Rechtssätzen gehorsamspflichtig. Die sogenannte allgemeine Gehorsamspflicht, die Untertanenpflicht zum Rechtsgehorsam, erlangt i n der Beleuchtung des Rechtspositivismus n u r dann einen Sinn, w e n n man sie aus ihrer ursprünglich naturrechtlichen Bedeutung einer Rechtspflicht vor der Rechtsordnung, gegenüber der latenten und werdenden Rechtsordnung, i n eine Zusammenfassung aller einzelnen, i m positiven Recht konstituierten Pflichten zu menschlichem Verhalten umdeutet. Eine so verstandene Gehorsamspflicht ist selbstverständlich nicht auf gleichem Fuße m i t den anderen vorgeführten öffentlichen Pflichten zu nennen, sondern n u r ein abbreviatorischer Ausdruck für deren Summe. Diese Summe ergibt sich nicht schon aus den angegebenen Summanden, vielmehr sind die bezeichneten Rechtseinrichtungen n u r einige Hauptfälle für sogenannte öffentliche Pflichten gegen den Staat." Welche V o r s t e l l u n g e n sich h i n t e r a l l g e m e i n e m G e w a l t v e r h ä l t n i s u n d Gehorsamspflicht verbergen, e r g i b t sich b e i e i n e m B l i c k a u f w e i t e r e V e r suche, d i e Gehorsamspflicht n ä h e r z u b e s t i m m e n . So ist sie — nach einer F o r m u l i e r u n g v o n Georg Freudenberg er 209 — „ d e r Rest, d e r b e i einer A b s t r a h i e r u n g des Sollens v o n d e n e i n z e l n e n S o l l e n s i n h a l t e n v e r b l e i b t " ; u n d nach Silvester Jordan 210 lassen sich alle P f l i c h t e n des S t a a t s u n t e r t a n s auf die e i n h e i t l i c h e G e h o r s a m s p f l i c h t z u r ü c k f ü h r e n . I m K l a r t e x t : Das a l l g e m e i n e G e w a l t v e r h ä l t n i s u n d die i h m i n h ä r e n t e G e h o r s a m s p f l i c h t s i n d identisch m i t d e m „ S o l l e n schlechthin" — e i n e m i n h a l t s l e e r e n u n d k o n t u r l o s e n B e g r i f f . M a n k a n n i h n a l l e n f a l l s gleichsetzen m i t e i n e m E l e m e n t des Rechtssatzbegriffs, d e m V e r b i n d l i c h k e i t s a n s p r u c h 2 1 1 . D a b e i 209
Beiträge zur Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis i m öffentlichen Recht, Annalen des Deutschen Reiches 1931, S. 163 ff. (163). 210 Versuche über allgemeines Staatsrecht, S. 404; ähnlich K . S. Zachariae, Vierzig Bücher v o m Staate, Bd. 1, S. 82. 211 Vgl. auch Carl Schmitt, HDStR I I , S. 597; Paetzold, Die Abgrenzung von allgemeinem und besonderem Gewaltverhältnis, S. 81.
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen Entwicklung
handelt es sich jedoch um eine rechtstheoretische Figur, die ohne Beziehung zum Staat-Bürger-Verhältnis i n einer konkreten Rechtsordnung ist. Für das besondere Gewaltverhältnis gilt das zuletzt Gesagte i n gesteigertem Maße. Ist schon schwer vorstellbar, was „das Sollen schlechth i n " sein soll, so ist ein „verschärftes Sollen" schlicht unverständlich. Ähnliche Überlegungen lassen sich gegenüber einem weiteren Definitionsversuch anstellen, der hier nur mitgeteilt wird, u m zu zeigen, daß alle Versuche, dem allgemeinen Gewaltverhältnis Konturen abzugewinnen, i n der gleichen Inhaltsleere konvergieren müssen, dabei aber — darauf ist weiter unten einzugehen — ein ganz bestimmtes staatstheoretisches Vorverständnis bzw. eine fehlgehende Vorstellung von der Strukt u r der Rechtsverordnung offenbaren. So w i r d das allgemeine Gewaltverhältnis begriffen als die „Summe der zwischen dem Staat und jedem Bürger i n gleichem Umfang bestehenden Überordnungsbeziehungen" 212 . Wenn damit nicht behauptet werden soll, jeder Bürger habe gegenüber dem Staat die gleiche Summe an Verhaltenspflichten gleicher Intensität — eine durch jede konkrete Rechtsordnung widerlegbare Behauptung — so w i r d man auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner wiederum beim „Sollen schlechthin" enden. Trotz der vorstehend aufgezeigten Inhaltsleere und fehlenden Brauchbarkeit des Begriffs „allgemeines Gewaltverhältnis" sind das Auftauchen und der Gebrauch dieses Begriffs nicht ohne Bedeutung. Dahinter steht nämlich eine Sicht vom Staat-Bürger-Verhältnis, die den einzelnen entweder der totalen Disposition durch die „Staats-"Gewalt ausliefert oder — w i r d diese Konsequenz zurückgewiesen — auf einer Verwischung des rechtstheoretischen Unterschiedes zwischen dem Staat als Rechtsordnungssubjekt (pouvoir constituant) und als Rechtssubjekt (pouvoir constitué) beruht. Aber nicht nur rechtstheoretisch läßt sich die Subordinationsvorstellung nicht halten — den Fall totaler Rechtlosigkeit des einzelnen ausgenommen — auch verfassungsdogmatisch ist sie spätestens seit der Herrschaft des Grundgesetzes wiederlegt. Nach Otto Mayer 213 vermag der Staat „rechtlich schlechthin alles." Unter Staat versteht er vornehmlich Regierung (Verwaltung) und Volksvertretung. Beide Gewalten finden die Schranken ihrer Allmacht nun nicht i m entgegenstehenden Recht der einzelnen Bürger, sondern i n der — man ist geneigt zu sagen, mehr zufälligen und disponiblen — innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung 2 1 4 . „ A n sich" ist auch die vollziehende Gewalt „fähig, dem einzelnen nach jeder Richtung obrigkeitlich gegenüberzutreten", „wenn eben nur der Vorbehalt des Gesetzes sie nicht 212 Harald Grube, Z u m Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses öffentlichen Recht, Diss. K ö l n 1957, S. 5. 218 AöR Bd. 3 (1888), S. 30. 214 Ebd., S. 17, 30, 38.
im
1. Das Beamten Verhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
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besonders davon ausgeschlossen hätte" 2 1 5 . Und die Gesetzgebung kann — vor dem Hintergrund des demokratischen Gesetzesbegriffes — ebenfalls alles, ohne an subjektiv-rechtliche Schranken zu stoßen. Denn da der einzelne die antizipierte Einwilligung zu Eingriffen i n Freiheit und Eigentum gegeben hat, kann i h m kein Unrecht geschehen. Der Gedanke von Grundrechten als Kontrollmaßstab einfach-gesetzlicher Regelungen muß dieser Konzeption daher zwangsläufig fremd sein. Bezeichnend ist denn auch, daß Otto Mayer m i t den Freiheitsrechten nichts rechtes anzufangen weiß: „ein Recht i m richtigen Sinne des Begriffes" liegt nicht vor216. Dieser — i m Konstitutionalismus folgerichtigen 2 1 7 — Sicht entspricht das theoretische Modell, wonach „der Staat" kein organisatorisches Subsystem der Gesellschaft neben anderen ist, dem die Grenzen zulässiger Sozialgestaltung durch die Verfassung gesteckt sind. Der Staat ist vielmehr der Gesellschaft konfrontiert, Verfassung wie die Rechtsordnung überhaupt sind nicht Grenzen, sondern jederzeit disponible Mittel der Sozialgestaltung. Anders ausgedrückt: Die konkreten staatlichen Gewalten sind nicht durch die Verfassung heteronom vorgeordnet, sondern autonome Gestalter der Rechts- und Gesellschaftsordnung. „Gesellschaft" erscheint so als vom Staat nicht geregelter, faktischer Freiraum, als bloße Funktion staatlicher Nichtregelung. Diese Konzeption nimmt also die heute geläufige Trennung zwischen dem eine Rechtsordnung schaffenden Rechtsordnungssubjekt „Staat" und dem dieser Ordnung unterworfenen Rechtssubjekt „Staat" nicht v o r 2 1 8 . I h r muß notwendig die Vorstellung fremd bleiben, daß der pouvoir constituant eine generelle Normenordnung für den Umfang staatlicher Befugnisse, nämlich die Verfassung, setzen kann, durch die der pouvoir constitué heteronom vorgeordnet und gebunden w i r d 2 1 9 . Läßt sich diese Trennung aber durchführen, dann folgt aus der Tatsache, daß Staat und Individuum gleichermaßen unter der Rechtsordnung stehen, daß für ein Subjektions Verhältnis als konstitutives Merkmal der Staat-Bürger-Be215
Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. A u f l . 1924, S. 73. Ebd., S. 108. 217 Vgl. G. Jellinek, Gesetz u n d Verordnung, Freiburg 1887, S. 263. 218 Z u dieser Unterscheidung siehe ζ. B. Hans Kelsen, Z u r Lehre vom öffentlichen Rechtsgeschäft, AöR Bd. 31 (1913), S. 190 ff. (191); Hans Nawiasky, A l l gemeine Rechtslehre, 2. Aufl., Einsiedeln / Zürich / K ö l n 1948, S. 227; SchmidtSalzer, V e r w A r c h Bd. 62 (1971), S. 135 ff. (146); Klaus Stern, V e r w A r c h Bd. 49 (1958), S. 106 ff. (157); densAöR Bd. 84 (1959), S. 273 ff. (278); Rupp, N J W 1971, 276. 219 Vgl. Kriele, V V D S t R L 29 (1971), S. 59. Diesen Unterschied hat auch das Bundesverfassungsgericht i m A b h ö r u r t e i l (E 30, 1) nicht sehen w o l l e n (vgl. Rupp, N J W 1971, 275). Die Folge: Eine Entscheidung, die obrigkeitlichen Geist atmet u n d den Untertan sichtbar werden läßt. 216
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Ziehungen kein Raum ist 2 2 0 . Vielmehr greift ein Verhältnis der Gleichordnung Platz. Das ist nicht i m Sinne eines gegenläufige Kräfte aufhebenden und staatliche Einwirkungsmöglichkeiten paralysierenden Balancezustandes zu verstehen, sondern als Negation einer ubiquitären Suprematie des konkreten Staates über „Untertanen" und Rechtsordnung. A n diesem Gleichordnungsverhältnis ändert auch der Umstand nichts, daß die Rechtsordnung dem Rechtssubjekt „Staat" Befugnisse zur einseitigen, nicht an die Zustimmung der Betroffenen gebundenen Rechtsgestaltung verleiht 2 2 1 . Das w i r d schon durch die Tatsache illustriert, daß nach unserem Verfassungsverständnis ohne diese Verleihung dem Staat einseitige Gestaltungsbefugnisse eben abgehen 222 . Des weiteren stehen den staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf der Seite des B ü r gers Abwehr- und Forderungsrechte gegenüber. So sind Staat und Individuum zwar m i t unterschiedlichen Rechte und Pflichten ausgestattet, aber gleichgeordnet 223 , weil keinem von beiden eine prinzipielle Prävalenz, keine bevorzugte Rangstellung zukommt. Dieses theoretische Modell ist unter der Herrschaft des Grundgesetzes auch verfassungsdogmatisch abgestützt. Dazu spricht das Grundgesetz, das die menschliche Person an die Spitze gestellt und die Staatsgewalt i n allen ihren Erscheinungsformen mittels A r t . 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden hat, eine allzu beredte Sprache. Für ein „allgemeines" wie auch — konsequenterweise — für ein „besonderes Gewaltverhältnis" — soll diesen Ausdrücken überhaupt ein Sinn zukommen — ist daher zwar i n staatsabsolutistischen Systemen, nicht dagegen i n einem rechtsstaatlich vorgeordneten Gemeinwesen Raum 2 2 4 . c) „Besonderes Gewaltverhältnis" als dogmatischer Begriff
Nach den bisherigen Erörterungen muß es fast als müßig erscheinen, einer möglichen dogmatischen Funktion der Figur des besonderen Ge220 Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 82 f.; Hans Spanner, anmerkung, D Ö V 1963, 29 f.
Urteils-
221
Schmidt-Salzer, V e r w A r c h Bd. 62 (1971), S. 145 f. Bei dieser Konzeption bedarf es folglich nicht der K o n s t r u k t i o n einer „Selbstverpflichtung" des Staates, w i e Georg Jellinek meinte (Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., S. 367 ff.). Dagegen ζ. B. Zaccaria Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, Bd. I, Zürich 1960, S. 306. 223 Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 82 f.; Schmidt-Salzer, VerwArch Bd. 62 (1971), S. 145 f.; Spanner, D Ö V 1963, 29 f. 222
224 U m eventuellen Mißverständnissen vorzubeugen, sei hervorgehoben, daß m i t der Leugnung eines allgemeinen Gewaltverhältnisses keineswegs einem Gesetzesungehorsam das W o r t geredet w i r d . N u r : Gesetzesgehorsam ist eine sozial- oder individualpsychologische Kategorie, der Verbindlichkeitsanspruch von Rechtsnormen dagegen ein notwendiges Element des Rechtssatzbegriffs, der nichts m i t der Subjektion des einzelnen unter die Staatsgewalt zu t u n hat. Vgl. auch H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, F r a n k f u r t 1973 (engl. Ausgabe: The Concept of L a w , Oxford 1961), S. 161 f.
1. Das Beamten Verhältnis als besonderes Gewaltverhältnis
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waltverhältnisses nachzugehen. Dennoch dürfte es nicht überflüssig sein, diesen Teilkomplex kurz darzustellen und zu erörtern. Immerhin erscheint es auffallend, daß selten einmal die Frage gestellt worden ist, unter welchen Bedingungen einem sozialen Gebilde das Prädikat „besonderes Gewaltverhältnis" zukommt und was rechtlich aus dieser Prädizierung folgt 2 2 5 . Zweifelhaft ist freilich bereits, ob diese von Podlech eingeführte Fragestellung nicht schon i m Ansatz verkehrt ist und das Problem auf den Kopf stellt. Denn die Prädizierung eines Gebildes als „besonderes Gewaltverhältnis" kann für sich allein keine Hechtsfolgen zeitigen, es sei denn, man hätte i h m vorher normative Merkmale imputiert. I n dieser Form deutet also die Fragestellung von Podlech auf den sog. naturalistischen Fehlschluß hin: Indem ein faktisches Gebilde m i t einer Bezeichnung versehen w i r d und aus diesem Vorgang normative Schlüsse gezogen werden, w i r d vom Sein auf das Sollen geschlossen 226 . Oder aber der Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses w i r d als dogmatischer Begriff gesetzt, dem bestimmte Hechtsfolgen inhärent sind: Hierin liegt eine petitio principii, da erst noch zu beweisen wäre, daß der dogmatische Begriff „besonderes Gewaltverhältnis" eine abgeschlossene Summe von (zulässigen) Rechtsfolgen bezeichnet. U m das näher zu erläutern, muß kurz auf die Funktion von Dogmatik und dogmatischen Begriffen eingegangen werden. Dogmatik ist — um eine Formulierung von Eike v. Savigny wenden — diejenige Tätigkeit, welche
227
zu ver-
a) zur Auslegung des Gesetzes außergesetzliche Rechtssätze entwickelt, die i n Begründungen von Entscheidungen verwendbar sein sollen, 225 So ausdrücklich Adalbert Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit und die besonderen Gewaltverhältnisse, B e r l i n 1969, S. 44. Vgl. auch die Andeutung bei Otto Bachof, Begriff u n d Wesen des sozialen Rechtsstaats, V V D S t R L 12 (1954), S. 37 ff. (61). Eine Abgrenzung hat neuestens versucht Paetzold, Die Abgrenzung von allgemeinem u n d besonderem Gewaltverhältnis, insbes. S. 94 ff., 119 ff. Dazu vgl. den Text weiter unten. 226 Dieses Vorgehen liegt auch der weiteren Untersuchung von Podlech zugrunde. Er übernimmt ungefragt den herkömmlichen Bestand an besonderen Gewaltverhältnissen u n d sucht sie soziologisch als „diffuse Unterordnungsverhältnisse" zu klassifizieren. Hieraus folgt jedoch, w i e er später (S. 154) einräumt, rechtlich nichts, insbesondere nicht i m Hinblick auf die Frage der Notwendigkeit gesetzlicher Ermächtigungen f ü r Anordnungen. Die Bedeutung der dogmatischen Kategorie „besonderes Gewaltverhältnis" besteht nach allem darin, einzelne soziale Gebilde aufzuzeigen, bei denen k o n kretisierende Einzelanordnungen notwendig erscheinen. Das heißt nichts anderes, als daß die Suche nach dem dogmatischen Begriff gescheitert ist. Zudem sind bei Podlech die Probleme der Gewissensfreiheit aus dem G r u n d rechtsbereich heraus gelöst, die „besonderen Gewaltverhältnisse" sind n u r faktische „Aufhänger" f ü r die Grundrechtsproblematik. 227 Die Jurisprudenz i m Schatten des Empirismus. Polemische A n m e r k u n gen zu Hans A l b e r t : Erkenntnis u n d Recht, i n : Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissenschaft, Jahrbuch für Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie, Bd. I I , Düsseldorf 1972, S. 97 ff. (98).
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b) i n der Diskussion über diese außergesetzlichen Rechtssätze den Gesetzeswortlaut als immun behandelt und c) bei der Beurteilung von als außergesetzliche Rechtssätze vorgeschlagenen Sätzen u. a. normative Argumente benutzt. Rechtsdogmatik erarbeitet also i m Rahmen einer Rechtsordnung 228 , die als solche von i h r nicht i n Frage gestellt wird, Regeln 2 2 9 und Begriffe zur Handhabung eben dieser Rechtsordnung. Dabei macht es die allgemeine Akzeptation dieser Regeln und Begriffe möglich, daß sie i n Begründungszusammenhängen verwendbar sind, ohne daß sie ständig auf die ihnen zugrundeliegenden Sach- und Wertungsentscheidungen befragt werden 2 3 0 . Ein dogmatischer Begriff hat also eine zweifache Entlastungsf u n k t i o n 2 3 1 : Erstens ist er ein Ausdruck, der einen normativen Komplex derart speichert, daß die Zuordnung dieses Komplexes zu Bestandteilen eines Sachverhalts verdeckt bleibt und nur der „Schluß" vom Begriff auf die Rechtsfolgen zutage t r i t t , so daß sich der Begriff als eigenständige Rechtsfindungsquelle eignet 2 3 2 . Zweitens macht er ständige Neuargumentation entbehrlich, w e i l und solange der gespeicherte normative Komplex allgemein anerkannt ist. Das mag an einem Beispiel verdeutlicht werden 2 3 3 . Anhand der Tatsache, daß Gesandte i m Empfangsstaat nicht verhaftet, vor Gericht gestellt, Vollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt, der Besteuerung unterworfen werden dürfen (normativer Komplex), läßt sich der dogmatische Begriff der Exterritorialität i m Sinne von „dem Recht des Empfangs228 Nicht also „unabhängig v o m Gesetz". So aber Franz Wieacker, Z u r praktischen Leistung der Rechtsdogmatik, i n : Hermeneutik u n d Dialektik, Festschrift f ü r H. G. Gadamer, Tübingen 1970, Bd. 2, S. 311 ff. (319). Z u treffend hingegen Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 55 f. m i t Fußn. 87. 229 „Innersystematische Beurteilungsmerkmale" i n der Terminologie von Josef Esser, Vorverständnis u n d Methodenwahl i n der Rechtsfindung, F r a n k f u r t 1972, S. 91. 230 Hierzu sowie zur F u n k t i o n der Dogmatik allgemein vgl. Winfried Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der V e r waltung, V V D S t R L 30 (1972), 245 ff.; J. Esser, Vorverständnis u n d Methodenwahl, S. 87 ff.; Theodor Geiger, Vorstudien einer Soziologie des Rechts, K o penhagen 1947, S. 9 ff.; Franz Wieacker, Festschrift für H. G. Gadamer, Bd. 2, S. 311 ff. 231 Otto Bachof, V V D S t R L 30 (1972), 198; Martin Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, entwickelt am Problem der Verfassungsinterpretation, B e r l i n 1967, S. 262 m. A n m . 42. 232 Dabei ist hervorzuheben, daß das „Herleiten" einer Rechtsfolge aus einem dogmatischen Begriff keinen Schluß (conclusio) i m Sinne der klassischen L o g i k darstellt. Es ist vielmehr n u r die explizite Formulierung einer i m Begriff bereits enthaltenen, i h m aber nicht imputierten Rechtsfolge. Dieses Verfahren ist als solches zulässig u n d wiederholt nicht den Fehler des Begriffsrealismus. 233 U n t e r Anlehnung an Johann Edelmann, Die E n t w i c k l u n g der Interessenjurisprudenz, Bad H o m b u r g v. d. H. / B e r l i n / Zürich 1967, S. 33.
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staates nicht unterstehend" bilden. Ist diese Bedeutung und ist ihre Geltung akzeptiert, dann läßt sich der Ausdruck „Exterritorialität" i n Begründungszusammenhängen verwenden, wie etwa: „Der Gesandte G unterliegt nicht den Polizeigesetzen; denn er ist exterritorial." Hervorzuheben ist nochmals, daß dogmatische Begriffe nur dann i n Begründungszusammenhängen sinnvoll verwendbar sind, wenn die jeweils gespeicherten normativen Komplexe bekannt und allgemein akzeptiert sind 2 3 4 . Dieser Sachverhalt ist nun bei dem Terminus „besonderes Gewaltverhältnis" i n zweifacher Hinsicht nicht gegeben, denn sowohl Extension (Begriffsumfang) als auch Intension (Begriffsinhalt) sind nicht festgelegt, sondern problematisch 235 . Umstritten ist nämlich sowohl, welchen sozialen Gebilden das Prädikat „besonderes Gewaltverhältnis" zukommt 2 3 6 , als auch, ob i n diesen so gekennzeichneten Gebilden die Grundrechte gelten bzw. Schranken haben, ob die Notwendigkeit gesetzlicher Ermächtigung für generelle und/oder individuelle Anordnungen besteht und i n welchem Umfang Rechtsschutz gegeben ist. Der Ausdruck „besonderes Gewaltverhältnis" läßt sich daher nicht sinnvoll als dogmatischer Begriff verwenden, sondern kann nur dazu dienen, einen Problemstand zu bezeichnen. Einen solchen Terminus kann man als didaktischen Begriff kennzeichnen. Er dient dazu, auf Sachprobleme hinzuweisen, kann aber selbst nicht als abbreviative Figur für gelöste Sachprobleme fungieren. Gebraucht man also „besonderes Gewaltverhältnis" als didaktischen Begriff, d. h. zur Systematisierung und Darstellung von Problemkreisen, dann kann man m i t einiger Berechtigung davon sprechen, daß dieser Ausdruck als „Arbeitsbegriff" beibehalten werden solle 2 3 7 . Solange jedoch über die Funktion von Ausdrücken und ihre Leistungsfähigkeit keine Klarheit besteht — und jedenfalls ist die Frage danach i n dem hier interessierenden Bereich kaum einmal explizit formuliert worden — solange läßt sich trefflich darüber streiten, ob man das besondere Ge234 Der w o h l eher sarkastisch gemeinte Satz von Rottleuthner: „Dogmatische Sätze sind die, welche die Mehrheit der Juristen für richtig hält", hat daher durchaus einen wahren Kern. Vgl. Hubert Rottleuthner, Rechtswissenschaft als Sozialwissenschaft, F r a n k f u r t 1973, S. 178. 235 Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit, S. 45. 836 M a n betrachte etwa die Kataloge bei Podlech, ebd., S. 151 ff. u n d Paetzold, Die Abgrenzung von allgemeinem u n d besonderem Gewaltverhältnis, S. 168 ff. 237 So etwa Kellner, Z u r technischen Bewältigung der verwaltungsgerichtlichen Generalklauseln, J u r J B 5 (1964/65), S. 93 ff. (108 ff., Fußn. 109); Albrecht Leuschner, Das Recht der Schülerzeitung, B e r l i n 1966, S. 34; Ingo von Münch, Besonderes Gewaltverhältnis, Arbeitsverhältnis u n d Beamtentum, ZBR 1959, 209. Dagegen etwa Arno Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher W e i sungen, S. 71, Fußn. 27, der aber nicht zwischen dogmatischer u n d didaktischer F u n k t i o n von Ausdrücken unterscheidet.
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waltverhältnis abschaffen oder beibehalten solle 2 3 8 . Dann muß auch unklar bleiben, was es bedeutet, wenn man dem besonderen Gewaltverhältnis „allenfalls noch soziologischen Erkenntnis wert" beimißt 2 3 9 . Zusammenfassend ist festzuhalten, daß sich der Ausdruck „besonderes Gewaltverhältnis" nicht sinnvoll als dogmatischer Begriff verwenden läßt, w e i l Begriffsumfang und Begriffsinhalt kontrovers sind, damit aber auch die bei der Verwendung dieses Ausdrucks gemeinten I m plikationen. Unter solchen Umständen kann dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, hinlängliche Rationalität, und damit Effektivität der wissenschaftlichen Diskussion nicht genügt werden. Es erscheint fraglich, ob der verschiedentlich vorgeschlagene Ausdruck „verwaltungsrechtliches Sonderverhältnis" 2 4 0 den Anforderungen an einen dogmatischen Begriff genügen kann. Z u konzedieren ist, daß dieser Terminus gegenüber dem „besonderen Gewaltverhältnis" Vorzüge aufweist. Zum einen vermeidet er den bei letzterem immer mitschwingenden Eindruck der Rechtsexemtion 241 . Er ist auch insofern zutreffend, als jedes „Sonderverhältnis" (ζ. B. das Beamtenverhältnis) von anderen unterscheidbar ist, weil es von anderen Normen als diese determiniert wird. Das kann u. a. den Blick dafür schärfen, daß der Beamte — anders als die i n anderen „besonderen Gewaltverhältnissen" befindlichen Personen — als einziger ein A m t innehat. Die Bedenken liegen woanders. Ein verwaltungsrechtliches Sonderverhältnis ist als Kategorie nur sinnvoll, wenn es von einem allgemeinen verwaltungsrechtlichen Verhältnis unterscheidbar ist. Letzteres kann jedoch kaum anders vorgestellt werden als das allgemeine Gewaltverhältnis konventioneller Prägung, i n dem jeder Staatsbürger zum Staate stehen soll. Es wurde bereits aufgezeigt, daß dieses identisch sein muß m i t der allgemeinen Gehorsamspflicht, die wiederum nichts anderes sein 238 die Aufgabe des Begriffs: Botho Bauch, Das Recht der Beamten, 5. Aufl., Herne 1966, S. 22 f.; Oskar Georg Fischbach, Bundesbeamtengesetz, Ergänzungsband zur 2. Aufl., K ö l n / B e r l i n 1956, S. 114; Guido Köhl, Z u r Frage des besonderen Gewaltverhältnisses, ZBR 1957, 121; Menger u n d Erichsen, V e r w A r c h Bd. 57 (1966), S. 180; Hans Spanner, Z u m gerichtlichen Rechtsschutz i m besonderen Gewaltverhältnis, D Ö V 1963, 497 ff. F ü r die Beibehalt u n g zuletzt noch Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., München 1973, S. 130. 239 Fuß, Personale Kontaktverhältnisse zwischen V e r w a l t u n g und Bürger, D Ö V 1972, 765. D a m i t könnte gemeint sein, daß die Rechtswirklichkeit hinter dem verfassungsrechtlich Gebotenen zurückbleibt. 240 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 32 I V c 3. Ä h n l i c h Menger, V e r w A r c h Bd. 56 (1965), S. 90: „öffentlich-rechtliche Sonderverbindung". Vgl. auch Menger u n d Erichsen, V e r w A r c h Bd. 57 (1966), S. 180. 241 A n der P a r t i k e l „ G e w a l t " sollte man sich nicht stoßen, es sei denn, man begreift Gewalt als Gegensatz zu Recht. Daß es rechtlich ungebundene Gewaltausübung durch den Staat unter dem Vorzeichen des Grundgesetzes nicht geben darf, sollte indes nicht zweifelhaft sein.
1. Das B e a m t e n e r h ä l t n i s als besonderes Gewaltverhältnis
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kann als der Verbindlichkeitsanspruch von Rechtssätzen. Bei diesem U m stand bleibt nur die Lösung, alle verwaltungsrechtlichen Rechtsverhältnisse als Sonderverhältnis anzusprechen. I n der Tat: Betrachtet man einmal diejenigen Rechtsverhältnisse, die i n der Vergangenheit der K a tegorie „besonderes Gewaltverhältnis" zugeschlagen worden sind, dann zeigt sich, daß kaum ein Rechtsverhältnis 242 davon ausgespart geblieben ist 2 4 3 . Der Staatsdienst i n allen seinen Ausformungen einschließlich der Hebammen und der beliehenen Unternehmer, Krankenhäuser, Sparkassen, Aufsichtsverhältnisse aller A r t , Mitgliedschaft i n berufsständischen Organisationen, Subventionsverhältnisse und vieles andere mehr — all diese Punkte markieren die mögliche Erstreckung „des" besonderen Gewaltverhältnisses. Die Unklarheit über die Extension dieses Begriffes deutet auf eine Tatsache hin: Es dürfte vermutlich kein verwaltungsrechtliches Rechtsverhältnis geben, i n welchem Rechte und Pflichten nicht „besondere", d. h. von denen i n anderen Rechtsbeziehungen unterscheidbar sind. Das liegt i n dem einfachen Umstand begründet, daß alle verwaltungsrechtlichen Rechtsnormen sich an einen mehr oder weniger begrenzten Adressatenkreis richten und einen besonderen Verwaltungszweck verfolgen 2 4 4 . Der Staatsbürger fällt sozusagen tagtäglich von einem „besonderen Gewaltverhältnis" i n das andere 245 . Bei diesem Befund verliert aber auch das verwaltungsrechtliche Sonderverhältnis an Konturen und Verwendbarkeit. Es erscheint äußerst fraglich, ob sich i n diesem Bereich überhaupt mit einigem Gewinn ein dogmatischer Begriff bilden läßt. Je mehr normative Komplexe nämlich ein Ausdruck speichert, je größer m. a. W. die Abstraktionshöhe ist, umso mehr nimmt der erforderliche Konsens über die gespeicherten normativen Komplexe ab: Der Begriff ist nicht mehr i n der Begründung von Entscheidungen verwendbar i n dem Sinne, daß über die Implikationen seiner Verwendung nicht mehr gesprochen zu werden brauchte. Damit ergibt sich für die Dogmatik die Konsequenz, den Versuch einer Begriffsbildung insoweit aufzugeben und dogmatische Fragen je für sich zu behandeln. Die Didaktik mag und muß sich solcher „Arbeitsbegriffe" 242 Dieser Ausdruck bezeichnet hier die durch einen Inbegriff von Rechtssätzen geprägten rechtlichen Beziehungen zwischen Rechtssubjekten. 243 Vgl. n u r die Aufzählung bei Paetzold, Die Abgrenzung von allgemeinem u n d besonderem Gewaltverhältnis, S. 168 ff. 244 Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 241; ders., V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 444. Vgl. auch andeutungsweise — aus rechtstheoretischer Sicht — Stig Jorgensen, N o r m u n d Wirklichkeit, Rechtstheorie, Bd. 2 (1972), 1 ff. (12 f.); ferner Karl N. Llewellyn, Eine realistische Rechtswissenschaft — der nächste Schritt, i n : Studien u n d Materialien zur Rechtssoziologie, K ö l n u n d Opladen 1967, S. 54 ff. (81). 245 Vgl. auch Herbert Krüger, V V D S t R L 15 (1957), S. 110: „ . . . der Mensch beginnt sein Leben i m besonderen Gewaltverhältnis der Entbindungsanstalt, er beschließt es i m besonderen Gewaltverhältnis des Friedhofs, u n d zwischen diesen äußersten Punkten t r i t t er i n besondere Gewaltverhältnisse . . . "
5 Schnapp
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1 . Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
weiterhin bedienen, solange sie deutlich macht, daß diese auf Problembereiche hinweisen, nicht jedoch bereits Problemlösungen enthalten. 2. Rechtsbegriff und Beamtenverhältnis
Die anhaltende Diskussion um zentrale Grundprobleme des Beamtenrechts w i r d nur verständlich vor dem Hintergrund eines Wissenschaftsprozesses, der seinen Ausgang i m wesentlichen i m Konstitutionalismus des vergangenen Jahrhunderts nahm 2 4 6 . Freilich war auch die konstitutionelle Lehre ihrerseits i n eine ganz bestimmte weltanschaulich-philosophische Gedankenwelt eingebettet 247 und stand i n einem politischen Kontext — nämlich dem Dualismus zwischen Krone und Parlament —, ohne den sie wiederum nicht voll begreifbar ist. Von vielen der i n der konstitutionellen Lehre entwickelten Vorstellungsbildern und Argumentationsstrukturen hat sich das öffentliche Recht nur mühsam lösen können 2 4 8 , manche w i r k e n bis heute fort. Der wissenschaftliche Prozeß i m hier angesprochenen Bereich kann i n vergröbernder, bildhafter Weise so gekennzeichnet werden, daß — durch Verfeinerung der Denkmethoden und dogmatischen Strukturen sowie durch ein vom Rechtsschutzgedanken bestimmtes, pragmatisches Argumentieren 2 4 0 — einem vormals als rechtsexemt ausgewiesenen Bereich nach und nach Stücke entrissen und dem rechtlich durchdrungenen Raum zugeschlagen worden sind. a) Die historisch-dogmatische Funktion der Impermeabilitätslehre
Die heute noch streckenweise nicht bewältigte und — was den Komplex des Amtsrechts betrifft — ζ. T. kaum aufgedeckte Problematik des Beamtenverhältnisses geht außer auf die von Otto Mayer installierte 2 5 0 Kategorie des besonderen Gewaltverhältnisses zu einem guten Teil zurück auf die Lehre Paul Labands und Georg Jellineks von der sog. I m permeabilität der juristischen Person „Staat" 2 5 1 , die zu „außerordent246 Zutreffend bemerkt Erhard Denninger (Staatsrecht 1, 1973, S. 110), man könne die heutige Debatte u m den Gesetzesbegriff eigentlich n u r nachvollziehen, w e n n m a n die E n t w i c k l u n g seit dem preußischen Budgetkonflikt kenne. 247 Vgl. dazu etwa Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 105 ff. 248 Bekanntlich ist erst 1972 auch verfassungsgerichtlich — u n d damit i n der faktischen Rechtslandschaft — anerkannt worden, daß der Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses nicht dazu herhalten kann, Grundrechtseingriffe ohne gesetzliche Ermächtigung zu legitimieren. 249 Vgl. etwa Brohm, D Ö V 1964, 238 (240f.); Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 235; Selmer, JuS 1968, 489 (497). 250 Erichsen, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 230. 251 Vgl. dazu oben l a . Die dogmatische Erfassung der Staatspersönlichkeit als Problem ließ offenbar die Innenbeziehungen aus dem Blickfeld v e r schwinden.
2. Hechtsbegriff u n d Beamtenverhältnis
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lichem E i n f l u ß " 2 5 2 gelangt ist. Danach bestand die Funktion des Rechts „ i n der Abgrenzung der Befugnisse und Pflichten der einzelnen Subjekte gegeneinander" 253 . Da nun der (verwaltende 2 5 4 ) Staat als ein unzergliedertes Rechtssubjekt vorgestellt wurde, innerhalb eines Subjekts aber keine Rechtsbeziehungen stattfinden konnten, waren rechtliche Verhältnisse nur i n den Staat-Bürger-Beziehungen, dem „Außenbereich", denkbar. Die Beziehungen des Staates zu seinen Organen und Organwaltern, d. h. das gesamte Ämter- und Dienstrecht, blieben prinzipiell dem Recht entzogen, bildeten folglich keinen Gegenstand rechtswissenschaftlicher Erörterungen und rechtsdogmatischer Bemühungen. Die inneren Widersprüchlichkeiten und Unzulänglichkeiten dieser Lehre — nimmt man sie einmal für sich — sind allzu offenkundig. Das ist — abgesehen von früherer K r i t i k 2 5 5 — u. a. von Böckenförde 25β, Rupp 2 5 7 und Hansen 258 eingehend herausgearbeitet worden 2 5 9 . Eine sozusagen immanente K r i t i k scheint m i r freilich nicht der entscheidende A n satz zu sein, von dem aus man die verbleibenden Restbestände konstitutioneller Denkmuster beseitigen könnte. Ein solches Vorgehen übersieht, daß die Impermeabilitätstheorie keine Theorie „an sich" war. Vielmehr stellte die Reduzierung des Staates „auf die zivilistische Figur einer erdichteten Einzelpersönlichkeit" 2 6 0 einen ins Rechtstheoretische überhöhten Kunstgriff dar, der dazu diente, bestimmte verfassungsrechtliche Situationen und politische Auffassungen juristisch-konstruktiv darzustellen und zu legitimieren.
252 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 19. 253 paui Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. Aufl., 2. Band, Tübingen 1911, S. 181. Hervorhebung i m Original. 254 Ortrun Fröhling, Labands Staatsbegriff. Die anorganische Staatsperson als Konstruktionsmittel der deutschen konstitutionellen Staatslehre, Diss. M a r b u r g 1967, S. 106 ff.
, 2 5 5 Vgl. etwa Otto von Gierke, Labands Staatsrecht u n d die deutsche Rechtswissenschaft, Nachdruck Darmstadt 1961, S. 52; Albert Haenel, Das Gesetz i m formellen u n d materiellen Sinn. Studien zum deutschen Staatsrechte, Bd. I I / 2 Leipzig 1888, Nachdruck F r a n k f u r t a. M. 1968, S. 224 ff. 250 Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, S. 234 ff. 257 Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 19 ff. 258 Hans-Jürgen Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, H a m burg 1971, S. 29 ff. 259 Nebenbei gesagt, k a n n m a n i h r w o h l k a u m m i t dem Hinweis begegnen, der Staatsorganismus bestehe aus Menschen, die i n einer „eigenthümlichen Rechtsstellung den Staatszweck durch planvolle Abgrenzung u n d Vereinigung ihrer Willensbestimmungen verwirklichen". So Haenel, Studien II/2, S. 231; ebenso i m Anschluß an i h n Rupp, Grundfragen, S. 25, 48; Hansen, Fachliche Weisung, S. 31. D a r i n liegt ein — überdies vager — soziologischer bzw. sozialpsychologischer Betrachtungsansatz, der über die rechtliche Qualität interpersonaler Beziehungen nichts auszusagen vermag. 260 Otto v. Gierke, Labands Staatsrecht, S, 32.
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
Wie sich zeigen läßt, war die Impermeabilitätstheorie nämlich kein Produkt „reinen" rechtstheoretischen Denkens, sondern hatte ganz bestimmte Funktionen i m konstitutionellen System und i n der i n i h m herrschenden Staatsrechtslehre zu erfüllen. M i t dessen Wegfall ist ihr daher die Basis entzogen 261 . Aus diesem Grunde können alle Versuche, diese Theorie m i t Hilfe immanenter K r i t i k aufzuweichen oder ihre Ergebnisse vom Rechtsschutzgedanken her abzuschwächen, nur an der Oberfläche bleiben. Mehr noch: Sie perpetuieren und verfestigen fehlerhafte Vorstellungsbilder 2 6 2 . Der „Findung" der Impermeabilitätstheorie lag folgender Prozeß zugrunde, der hier nur i n vergröbernder Skizzierung wiedergegeben werden kann 2 6 3 . I n den demokratisch konzipierten Verfassungen des 18. und 19. Jahrhunderts (USA 1787, Frankreich 1791, Belgien 1831) war die Legislative zur Regelung aller wichtigen Angelegenheiten befugt, soweit nicht besondere Vorbehalte zugunsten der Exekutive bestanden. Diese Verfassungsvorbehalte hatten also — und hier w i r d bereits eine Parallele zur heutigen Diskussion sichtbar — eine konstitutive Funktion i n bezug auf die Handlungsbefugnisse der Exekutive. Dieser Satz hätte an sich auch für die deutschen Länder gelten müssen. Beispielsweise war die preußische Verfassung von 1850 — und darauf basierend die Reichsverfassung von 1871 — der belgischen Verfassung von 1831 nachgebildet 264 , die i n A r t . 25 das Prinzip der Volkssouveränität verankert hatte. Diese Tatsache wurde jedoch durch die konstitutionelle Lehre überspielt, indem sie die Tatsache der ausdrücklichen Delegation von Befugnissen auf den Monarchen für juristisch belanglos erklärte 2 6 5 und der preußischen Verfassung das monarchische Prinzip nicht entnahm, sondern schlicht imputierte 2 6 6 . Aus monarchischer Sicht war dies allerdings konsequent. Danach gab es keine von Grund auf neue Kompetenzverteilung. Vielmehr hatten die souveränen Fürsten, i n deren Person die gesamte Staatsgewalt vereinigt w a r 2 6 7 , durch eigene 261 Damit soll nicht gesagt werden, daß m i t der Änderung einer Verfassungsrechtslage die gesamte Dogmatik h i n f ä l l i g wäre. Es k o m m t hierbei auf die A r t der Verknüpfung m i t der normativen Basis u n d auf die dogmatischen Funktionen i m System an. Vgl. näher dazu den Text. 262 Rupp, Grundfragen, S. 21 f. 263 Vgl. dazu auch Fritz Ossenbiihl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, Bad H o m b u r g v. d. H. 1968, S. 35 ff.; Christian Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, Baden-Baden 1970, S. 77 ff. 264 Dazu i m einzelnen Rudolf Smend, Die Preußische Verfassungsurkunde i m Vergleich m i t der Belgischen, Göttingen 1904. 265 Smend, Die Preußische Verfassungsurkunde, S. 47 ff.; Laband, AöR Bd. 19 (1905), S. 426 ff. 266 Vgl. Laband, ebd.: „ D i e preußische Verfassung beruht auf dem monarchischen Prinzip, ohne es für erforderlich zu halten, dies ausdrücklich zu erklären." Z u m Ganzen auch O. Fröhling, Labands Staatsbegriff, S. 124 ff. 267 Vgl. A r t . 57 der Wiener Schlußakte.
2. Rechtsbegriff u n d Beamtenverhältnis
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Bewilligung 2 6 8 einzelne Stücke aus dem monolithischen Kompetenzblock absolutistischer Provenienz herausgelöst und die Ausübung legislatorischer Befugnisse an die M i t w i r k u n g von Repräsentativorganen gebunden 2 6 9 . Nach konstitutioneller Lehre war die verfassungsrechtliche Lage also wie folgt: Soweit i n den Verfassungen Vorbehalte zugunsten des Parlaments enthalten waren, besaßen sie konstitutive Funktion i n bezug auf die Handlungsbefugnisse der Volksvertretung, jedoch eine bloß limitative Funktion i m Hinblick auf die monarchischen Kompetenzen 270 . I n allen nicht durch diese Vorbehalte erfaßten Bereichen bestand folglich eine Kompetenzpräsumtion zugunsten der monarchischen Spitze 2 7 1 , die sich m i t Hilfe dieser Konstruktion die sog. Eigenverordnungsgewalt rettete 2 7 2 . Insbesondere blieb der Fürst „Herr der Exekutive" 2 7 3 . U m diese Kronprärogative 2 7 4 nun entweder zu beschreiben, zu legitimieren oder zu bewahren, sah man sich vor dem Hintergrund des spätkonstitutionellen Gesetzesbegriffs genötigt, konstruktiv-systematische Figuren einzuführen. Zentraler Punkt war das Problem, die Reichweite der verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalte zu umschreiben. Dies geschah entweder i n Anlehnung an die i n den meisten Verfassungen enthaltene Freiheit- und Eigentum-Formel 2 7 5 oder m i t Hilfe der Schrankentheorie. 268 v g l dazu Fritz Härtung, Deutsche Verfassungsgeschichte, 8. Aufl., S t u t t gart 1964, S. 198. Ob dies i n politisch-historischer Sicht ein „Gnadengeschenk" war, w i e Härtung meint, dürfte allerdings fraglich sein. Vgl. auch oben Fußn. 127. 269 Vgl. E. R. Huber y Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 317. 270 Deutlich Laband, Staatsrecht, i n : K u l t u r der Gegenwart, T e i l I I , Abt. V I I I , B e r l i n / Leipzig 1906, S. 293 ff. (325). 271 Daß i n dieser V e r m u t u n g die eigentliche F u n k t i o n des monarchischen Prinzips lag, hat G. Jellinek (Allgemeine Staatslehre, S. 705) hervorgehoben. Vgl. auch das bei Peter Schneider (DJT-Festschrift 1960, Bd. I I , S. 263) angeführte Gerber-Zitat: „ M u ß aber ein Conflict über die verfassungsmäßigen Grenzen beider Organe (Monarch, Landstände) durch rechtliche Entscheidung gelöst werden, so hat es als ein Satz des deutschen Verfassungsrechts zu gelten, daß i m w i r k l i c h e n Zweifelsfall die V e r m u t h u n g für das Recht des Monarchen ist." I n dieser F o r m erwies sich das monarchische Prinzip als „Gegenlehre gegen das Gewaltenteilungsprinzip". So E. R. Hub er, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 653. 272 Thomas Ellwein, Das Erbe der Monarchie i n der deutschen Staatskrise. Z u r Geschichte des Verfassungsstaates i n Deutschland, München 1954, S. 86 ff.; Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 79; E. R. Hub er, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, S. 12; Rupp, Grundfragen, S. 2. 273 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 48. 274 Vgl. auch A r t . 45 Satz 1 der preußischen Verfassungsurkunde: „ D e m Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu." Z u r Reichweite der E x e k u t i v gewalt vgl. Ludwig v. Rönne, Das Staatsrecht der preußischen Monarchie, 1. Bd., 3. Aufl., Leipzig 1869, §52; Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 1 ff. (9).
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1 . Kap.: Z u r dogmenhistorischen Entwicklung
Da man sich nun nicht darauf beschränkte, die Vorbehaltsproblematik gleichsam aus sich heraus zu lösen, sondern den Vorbehaltsbereich m i t dem Bereich des materiellen Gesetzes identifizierte 2 7 6 und dieses wiederum mit dem Rechtssatz gleichsetzte 277 , wäre man bei konsequenter Anwendung dieser rechtstheoretischen Hypostasierung dahin gelangt, Gegenstände dem Vorbehaltsbereich zuschlagen zu müssen, die nach Verfassungslage 278 und politischem Verständnis 2 7 9 allein dem Monarchen zustanden. Da nämlich das Gesetz Rechtsbeziehungen zwischen Individuen regelte, mußte man, um die verwaltungsinternen Verordnungen dem Gesetzesbegriff zu entziehen, dem Monarchen die Kronprärogative zu erhalten und damit die verfassungsrechtliche Lage (die durch den hypostasierten Gesetzesbegriff ins Wanken geraten war) gleichsam „entindividualisieren" und letzteren zu einer für das Recht nur an der Außenschale erreichbaren Person hochstilisieren. Das geeignete dogmatische Instrument dafür bot sich i n den Impermeabilitätslehre 2 8 0 , die — von hier aus gesehen — eine durchaus verständliche und legitime Funktion hatte. Das Verhängnisvolle an diesem Prozeß war nun, daß man die Lehre von der Impermeabilität der Staatsperson nicht i n der beschriebenen, beschränkten dogmatischen Funktion begriff, sie vielmehr verabsolutierte und damit Folgen heraufbeschwor, an denen Staats- und Verwaltungsrechtsdogmatik bis heute laborieren. Da man nämlich zum einen den Gesetzesbegriff m i t dem Rechtssatzbegriff identifizierte, zum anderen aber den verwaltungsinternen Raum — um i h n aus dem Parlaments vorbehält herauszunehmen — „gesetzesfrei" halten mußte, machte man ihn zwangsläufig auch rechtsfrei. Das bedeutet: M i t Hilfe des materiellen Gesetzesbegriffs wurden Maßnahmen innerhalb der Verwaltung nicht nur der Rechtsetzungskompetenz des Parlaments entwunden, sondern auch durch die zwangsläufige De275
Z u ihrem geistesgeschichtlichen H i n t e r g r u n d vgl. Jesch, Gesetz u n d V e r waltung, S. 117 ff.; Peter Haberle, Die Wesensgehaltgarantie des A r t . 19 Abs. 2 GG, 2. Aufl., Karlsruhe 1973, S. 150 ff. 276 Deutlich bei Anschütz, Die gegenwärtigen Theorien über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt u n d den Umfang des königlichen Verordnungsrechts nach preußischem Staatsrecht, 2. Aufl., Tübingen 1901, S. 168; dems., StengelFleischmann I I , S. 214; dems., Meyer-Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 7. A u f l . 1919, S. 656 f. 277 Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 8. 278 Böckenförde / Grawert, ebd. 279 Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 82, 85. 280 Die „zweite Säule" der Rechtsexemtion bildete das besondere Gewaltverhältnis von Otto Mayer i m Verein m i t dem Rechtssatzbegriff von Anschütz: „ B ü r g e r " i m Sinne der Freiheit- u n d Eigentum-Klausel w a r qua definitione n u r derjenige, der i m sog. allgemeinen Gewaltverhältnis stand.
2. Rechtsbegriff und Beamtenverhältnis
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klaration als „Nichtrecht" der gerichtlichen Nachprüfung entzogen 281 . I n der Gleichsetzung von Gesetz und Rechtssatz lag eine Konsequenz, die angesichts der selbstgestellten Aufgabe, den Vorbehaltsbereich zu umschreiben, überhaupt nicht erforderlich gewesen wäre. Verfassungsrechtlich hätten keine Bedenken bestanden, die Akte, die i m Rahmen der Kronprärogative ergingen, als Rechtsakte zu qualifizieren. Die spätkonstitutionelle Unterscheidung zwischen Recht und Nichtrecht beruhte m i t h i n auf der Vorstellung einer präexistenten, durch rechtliche Schranken zugunsten der einzelnen nur begrenzten Staatsgewalt 282 . Bezüglich der Kronprärogative entsprach diese Vorstellung wenn nicht unbedingt der Verfassungslage, so doch der Staatsrechtsdoktrin. Nur: es wurden weitergehende Folgerungen gezogen, als aufgrund der zu lösenden Problematik erforderlich gewesen wäre. I n diesem Zusammenhang kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die konstitutionelle Staatslehre i n ihrer jeweiligen Ausprägung dazu diente, bestimmte politische Ziele bewußt zu verfolgen 2 8 3 . Auch wenn diese Absicht nicht nachzuweisen ist, verliert diese Theorie dennoch nicht ihre objektive Funktion angesichts einer bestimmten Verfassungslage und i m Rahmen eines bestimmten politischen Kontextes 2 8 4 . Hier sollte lediglich gezeigt werden, daß die Impermeabilitätslehre nicht als „Theorie an sich" verstanden werden kann. Versuche ihrer immanenten Widerlegung gehen daher bereits von einem unzulänglichen Ansatzpunkt aus 285 . Vielmehr hatte sie den — man möchte sagen: legitimen — Charakter einer dogmatischen Figur m i t Korrektivfunktion: Sie stellte den Verfassungszustand wieder her, der durch den materiellen Gesetzesbegriff i n Gefahr geraten war. Unangemessene Folgen wurden dadurch ausgeklärt, daß man sie — i m Verbund m i t dem ins Rechtstheoretische überhöhten Gesetzesbegriff und dem besonderen Gewaltverhältnis — verallgemeinerte und sich die ihr immanenten Vorstellungen i n die „neue Ordnung" eines demokratischen Gemeinwesens hinüberretten konnten. 281
Ortrun Fröhling, Labands Staatsbegriff, S. 89. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 6. A u f l . 1973, S. 194; Scheuner, Rezension, D Ö V 1967, 283; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 44. 283 Vermutet u. a. von Heinrich Triepel, Staatsrecht u n d Politik, B e r l i n 1927, S. 35; Hermann Heller, Der Begriff des Gesetzes i n der Reichsverfassung, V V D S t R L 4, 5, 98 ff. (106); Erich Kaufmann, Diskussionsbeitrag, i n : Die Übertragung rechtsetzender Gewalt i m Rechtsstaat, F r a n k f u r t 1952, S. 174; Friauf, Der Staatshaushaltsplan i m Spannungsfeld zwischen Parlament u n d Regierung, Bd. 1, Bad H o m b u r g v. d. H. 1968, S. 259. 284 Vgl. auch Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 21, Fußn. 55 hinsichtlich der dualistischen Gesetzeslehre. 285 Methodisch von vornherein untauglich — so gut sie gemeint sein mögen — sind allerdings Argumentationen m i t dem angeblich überwundenen „Geist einer Epoche". So aber Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 70. 282
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
Es hat lange Zeit gedauert, bis der Beamte als Person aus dem Staat aus- und wieder i n die Gesellschaft eingegliedert werden konnte 2 8 6 . b) Gesetz und Rechtssatz
Auch der Gesetzesbegriff der konstitutionellen Epoche ist untrennbar verknüpft m i t dem i n der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung angelegten Dualismus zwischen Krone und Parlament und der Abgrenzung ihrer Einflußbereiche, hatte also — zumindest auch — eine entschieden staatsrechtlich-politische Funktion: „Die dualistische Lehre vom Gesetz i m materiellen und formellen Sinne wurde entwickelt, u m der Kompetenzproblematik i n der konstitutionellen Monarchie m i t einer rationalen Formel Herr zu werden" 2 8 7 . Der Begriff des materiellen Gesetzes diente dazu, den Vorbehaltsbereich der parlamentarischen Legislative zu bezeichnen 288 . Nach einer Formulierung von Georg Jellinek 289 lag „die hervorragende Bedeutung der Unterscheidung von formellem und materiellem Gesetz darin, daß sie allein den Weg weist zur Lösung eines der schwierigsten Probleme des constitutionellen Staatsrechts, nämlich der Abgrenzung der Competenz der constitutionellen Gesetzgebung von der Verordnungs- und Verfügungsgewalt der Regierung" 2 9 0 . Dabei mußte jedes materielle Gesetz 291 als formelles oder aufgrund einer formellgesetzlichen Delegation ergehen. Das bloß formelle Gesetz gehörte nicht zur „eigentlichen" Zuständigkeit des Parlaments 2 9 2 , wenngleich der Erlaß solcher Gesetze verfassungsrechtlich gedeckt sein konnte. Fehlte eine solche verfassungsrechtliche Kompetenzregelung, so gehörte die Materie zum „Hausgut der Verwaltung" (Thoma). Die Trennlinie zwischen for286
Nicht i m vergangenen Jahrhundert, sondern unter der Geltung des Grundgesetzes konnte der Satz fallen: „Den P r i v a t m a n n berechtigen, den Beamten verpflichten die Grundrechte." So Werner Kaiisch, Grundrechte u n d Berufsbeamtentum nach dem Bonner Grundgesetz, AöR Bd. 78 (1952/53), S. 334 ff. (354). Diese Auffassung weist eine bemerkenswerte Parallele zum sowjetischen Grundrechtsverständnis auf. Nach der dort herrschenden Theorie besteht Identität zwischen Gesellschaft u n d I n d i v i d u u m ; daher sind z.B. Grundrechte als „Rechte gegen sich selbst" ohne Bedeutung. Vgl. Georg Brunner, Die Grundrechte i m Sowjetsystem, K ö l n 1969, S. 43 f., 49. 287 Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 19. 288 Vgl. Gerhard Anschütz, Stengel-Fleischmann I I , 2. Aufl., S. 214: „Es soll nicht . . . das Gebiet der Gesetzgebung zerlegt werden i n ein dem Landesherrn allein zugehöriges u n d ein durch die M i t w i r k u n g des Landtags eingeschränktes, sondern das ganze Gebiet der Gesetzgebung i m materiellen Sinne soll der konstitutionellen Legislative überwiesen werden." 289 Gesetz u n d Verordnung, S. 254. 200 Vgl. auch Georg Meyer, Der Begriff des Gesetzes u n d die rechtliche N a t u r des Staatshaushaltetats, GrünhZ Bd. 8 (1881), S. 1 ff. (25). 291 I m Sinne der Freiheit- u n d Eigentum-Formel oder der Schrankentheorie. 292 Gegen diese aprioristische Argumentation bereits Erich Kaufmann, A r t i k e l „Verwaltung, Verwaltungsrecht", i n : Stengel-Fleischmann I I I , S. 688 ff. (696).
2. Rechtsbegriff u n d Beamtenverhältnis
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mellen und materiellem Gesetz markierte also die „Grenzüberschreitung der Legislative" 2 9 3 . Die dualistische Gesetzeslehre, ihr dogmengeschichtlicher Hintergrund, ihre staatsrechtliche Funktion sowie die politischen Implikationen sind zu oft analysiert worden 2 9 4 , als daß es sinnvoll erschiene, eine weitere Darstellung anzufügen. Hier sind lediglich einige Markierungspunkte zu setzen. Die Beschreibung des Vorbehaltsbereichs des Parlaments mit Hilfe des Gesetzesbegriffes bedeutete, daß dieser seine Ausprägung u. a. durch die politischen Auseinandersetzungen erfuhr und ihm oft erst nachträglich logisch-rechtsdogmatische und -theoretische Kriterien imputiert w u r den 2 9 5 . Jedenfalls gab es i m positiven Verfassungsrecht keinen Anhaltspunkt für den dualistischen Gesetzesbegriff 296 . Bezeichnenderweise erhebt denn auch der Positivist Laband gegenüber der Verfassung den Vorwurf, sie werfe die verschiedenen Bedeutungen des Wortes Gesetzgebung durcheinander 2 9 7 ; die Wahrheit des doppelten Gesetzes ergebe sich nicht aus der Wortinterpretation positiver Verfassungsbestimmungen, sondern aus der Natur der Sache 298 . Bei dieser Situation, nämlich der Loslösung von normativen Grundlagen, leuchtet ein, daß der Gesetzesbegriff zum politischen Manipulationsobjekt werden mußte. Je nachdem ob man i h n enger oder weiter faßte, schmälerte oder vergrößerte man die Befugnisse des Gesetze schaffenden Organs 299 . Ob bemerkt oder unbemerkt — auf diese Weise mußte sich zwangsläufig Außerrechtliches i n die vermeintlich rein juristische Begriffswelt der „streng wissenschaftlichen" Methode 8 0 0 einschleichen 301 .
293
Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 22. 2β4 N u r a u s fer letzten Zeit seien genannt: Böckenförde, Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt; Jesch, Gesetz u n d V e r w a l t u n g ; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes; Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes u n d das Grundgesetz, Mainz 1969, S. 157 ff. 295 Heller, V V D S t R L 4, S. 105; Richard Thoma, Der Vorbehalt des Gesetzes i m preußischen Vrefassungsrecht, Festgabe für Otto Mayer, Tübingen 1916, S. 165 ff. (211 ff.); Horst Mündt, Die Verwaltungsverordnung, Rechtssatz u n d Rechtsquelle, Bleicherode o. J., S. 18, 70. 296 Erich Kaufmann, Die Preußische Verfassungsurkunde, S. 32; Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 19, Fußn. 48. 297 Staatsrecht, Bd. 2, 5. Aufl. 1911, S. 67. 298 Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der preußischen Verfassungsurkunde, S. 14. 299 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, S. 18; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 79 f. eoo v g l . Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, V o r w o r t zur 2. A u f l . (1887). 301 Triepel, Staatsrecht u n d Politik, S. 32 ff.; Peter von Oertzen, Die soziale F u n k t i o n des staatsrechtlichen Positivismus, Diss. phil. Göttingen 1952, S. 288 ff.
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen Entwicklung
Das Gesetz i m materiellen Sinne diente qua definitione (nur) dazu, die Verhältnisse innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft und ihre Beziehungen zum verwaltenden Staat zu regeln. Damit war die dualistische Gesetzeslehre „ein K i n d jenes eigentümlichen Spannungsverhältnisses zwischen Staat und Gesellschaft" 302 . Die Auseinandersetzungen u m den Gesetzesbegriff signalisieren daher auch das Bestreben der Gesellschaft um die Beteiligung an der Gesetzgebung, da sich auf diese Weise und auf dem Weg über Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes die Exekutive samt monarchischer Spitze disziplinieren läßt. „Inhalt und Umfang des Gesetzesbegriffes bezeichneten daher das Maß, i n dem die Gesellschaft sich den Staat erobert hatte und ihn dirigieren konnte" 3 0 3 . I n den durch den Vorbehaltsbereich markierten Raum konnte der Verwaltungsapparat folglich nicht contra legem eindringen 3 0 4 . Der Staat hatte sich jedoch seinen vom Recht nicht durchdrungenen Exekutivbereich bewahrt. Insbesondere hatte die Gesellschaft es nicht erreicht, die besonderen Gewaltverhältnisse i n ihren Einflußbereich zu ziehen. Diese blieben sozusagen i n den Staat eingegliedert und vor den Toren der bürgerlichen Gesellschaft, da Rechtssubjekt i m Sine der Rechtssatzdefinitionen nur derjenige war, der sich i m sog. allgemeinen Gewaltverhältnis befand 3 0 5 . Das weist auf einen weiteren Aspekt: Zielt die Auseinandersetzung um den Gesetzesbegriff auf den A n t e i l des Parlaments an staatlicher Rechtsetzung, dann war hier nur oder doch vorwiegend der Parlamentsvorbehalt (Gesetzgebungsprärogative) i m Blickfeld, also eine Zuständigkeitsfrage. M. a. W.: Es ging bei der Diskussion um ein liberal-demokratisches Verfassungselement, nämlich um die Frage, wie weit dem Volk durch sein Repräsentativorgan, das Parlament, die „Teilhabe am Staat" gesichert werden konnte 3 0 6 . Anders ausgedrückt: I m Streit war die Frage nach dem notwendigen Umfang formell-gesetzlicher Rechtsetzung. Bei dieser Betrachtungsweise blieb der rechtsstaatliche Aspekt ausgeklammert, also die Frage nach dem Erfordernis materiell-gesetzlicher Determination exekutivischen Einzelfallhandelns, oder, mit anderen Worten, das Problem, i n welcher „Verdichtung" 3 0 7 der Rechtsanwender bei der Anwendung einer Norm durch den Rechtssetzer determiniert sein muß 3 0 8 . 302
Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 20. Böckenförde, Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, S. 131. 304 Streitig blieb freilich, ob die V e r w a l t u n g auch praeter legem oder n u r secundum legem agieren durfte. Z u dieser Formel vgl. Edgar Loening, L e h r buch des Deutschen Verwaltungsrechts, Leipzig 1884, S. 241. 305 Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 7. eoe v g l . Franz Rosin, Gesetz u n d Verordnung nach badischem Staatsrecht, Karlsruhe i. B. 1911, S. 88 ff. 303
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Erichsen, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 339. Z u r Unterschiedlichkeit beider Fragestellungen vgl. Hansen, Weisung u n d materielles Gesetz, S. 52 ff. 308
Fachliche
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Konsequenterweise — und hier schließt sich der Kreis — wurde von einem Teil der Rechtslehre i n der spätkonstitutionellen Ä r a der bloß limitative Charakter des Gesetzes betont 8 0 9 . E i n weiterer kritischer Punkt ist die fehlende Trennung rechtsdogmatischer und rechtstheoretischer Betrachtungsweisen i n der Diskussion um den materiellen Gesetzesbegriff. Schon i n der Laband'sehen Lehre war „jene unheilvolle Identifizierung von Gesetz und Rechtssatz" 310 angelegt, die lange Zeit nicht aufgedeckt wurde 3 1 1 . Das gilt umso mehr, als der Rechtssatzbegriff der konstitutionellen Epoche nicht nur i n historischer Verengtheit tradiert worden ist, sondern — abgesehen von der Vermischung theoretischer, dogmatischer und politischer Fragestellungen — auch i n einer philosophisch-weltanschaulichen Verstrickung steht, aus der er sich bis heute nicht voll hat befreien können 3 1 2 . So konnte sich einerseits überhaupt kein brauchbarer rechtstheoretischer Rechtssatzbegriff bilden; vielmehr bekam er infolge der Identifizierung m i t dem Gesetzesbegriff sogleich dogmatische Züge und wurde wegen seiner Funktion, die Bereiche von Exekutive und Legislative abzustecken, m i t verfassungspolitischen Verzerrungen belastet. A u f der anderen Seite wurde der Eindruck erweckt, als seien die Probleme gleichsam auf der Ebene der Rechtstheorie vorentschieden 313 . Das alles läßt den konstitutionellen Rechtssatzbegriff als rechtstheoretische Figur bereits unbrauchbar erscheinen 314 . 309 Sehr deutlich die Formulierung bei Georg Meyer, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 5. Aufl., Leipzig 1899, S. 583 ff. (594): „Die V e r w a l t u n g darf alles (tun), was i h r nicht durch Gesetz untersagt ist." Ebenso Conrad Bornhak, Preußisches Staatsrecht, 1. Band, Freiburg i. B. 1888, S. 437; O. von Sarwey, Allgemeines Verwaltungsrecht, Freiburg i. B. 1887, S. 36 f.; Fritz Stier-Somlo, Rechtsstaat, V e r w a l t u n g u n d Eigentum (II), V e r w A r c h Bd. 19 (1911), S. 43 ff. (84 ff.), der — w i e es auch heute noch geschieht — die Verwaltungseffizienz gegen rechtsstaatliche Anforderungen ausspielt. Dagegen Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Aufl., Bd. 1, S. 74 Fußn. 10: „ W e n n w i r nichts hätten, als unsere Verfassungsurkunden u n d daneben k e i n Verwaltungsgesetz, . . . w e n n also . . . kein präokkupierendes Verwaltungsgesetz ergangen wäre — sollte da w i r k l i c h die Folge sein, daß die Regierung m i t dem Eigent u m u n d der Freiheit der Untertanen machen könnte, was sie wollte, solange wenigstens, bis i h r glücklich durch ein Gesetz Formen u n d Schranken gegeben würden?" 310 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 55. 311 Vgl. aber von der Wiener Schule Adolf Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, Wien u n d B e r l i n 1927, S. 121 f.; Hans Kelsen, Allgemeine Staatslehre, Berlin 1925, S. 237. 312 Vgl. die Nachweise bei Fritz Ossenbühl, Die Verwaltungsvorschriften i n der gerichtlichen Praxis, AöR Bd. 92 (1967), S. 1 ff. (6f.); Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 14 f. 313 Böckenförde ! Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 17 f.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 80. 314 Einen Abschied v o m konstitutionellen Rechtssatzbegriff fordern Brohm, DÖV 1964, 238 ff. (246 f.); Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 70 ff.; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechts-
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen Entwicklung
Das Verhältnis von Rechtstheorie und Dogmatik wurde vollends dadurch auf den Kopf gestellt, daß Anschütz den Gesetzesbegriff i n die allgemeine Rechtslehre verpflanzte. So bezeichnet e r 3 1 5 das Gesetz i m materiellen Sinne als einen „Begriff nicht eigentlich des Staatsrechts, sondern der allgemeinen Rechtslehre. Dieser Begriff ist erhaben über den Wandel der Staatsformen und Staatsverfassungen, ist unabhängig von dem Wechsel der Auffassungen über das Verhältnis des Staates zum Recht; Gesetze i m materiellen Sinne, Recht hat es stets gegeben, wie immer auch jene Formen, diese Anschauungen beschaffen waren." Infolge der Ungeschiedenheit theoretischer und dogmatischer Aspekte war der Rechtssatz- und damit der Gesetzesbegriff der konstitutionellen Epoche von vornherein i n innere Widersprüchlichkeiten verwickelt. Schon früh ist — i n teilweise sarkastischen und scharfen Formulierungen — gefragt worden 3 1 6 , woher denn eigentlich die Anordnungen i m besonderen Gewaltverhältnis, also erklärtermaßen Nicht-Rechtsätze, ihre rechtliche Verbindlichkeit beziehen sollten, wenn nicht aus dem Recht 3 1 7 . I n der Tat: Spricht man den Maßnahmen i m besonderen Gewaltverhältnis den Rechtscharakter ab, dann kann man es nur noch als Gewaltverhältnis begreifen. Auch i n der Praxis erwies sich, daß die dualistische Gesetzeslehre samt ihren Implikationen ihre Konstruktion nicht durchhalten konnte: Sowohl nach der Freiheit- und Eigentum-Formel als auch nach der Schrankenziehungslehre befindet sich Recht nur außerhalb der als i m permeabel vorgestellten Person des Staates. Das Recht berührt den Staat sozusagen „ n u r an der Schale" 3 1 8 ; sein „Innenleben" erreicht es nicht. Konsequenterweise wäre aus dieser Sicht das gesamte Organisationsrecht, wären insbesondere auch die kompetenziellen Vorschriften der Verfassung i n den Bereich des Nicht-Rechts zu verbannen gewesen. Dieser Schluß wurde jedoch keinesfalls gezogen. Vielmehr fielen konstitutionelle Lehre und Praxis hier aus der eigenen Konstruktion 3 1 9 , nicht lehre, S. 19 ff.; Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 146 ff., 265 ff.; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, 2. Aufl. 1948, S. 118 ff.; Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 231 ff. 315 Stengel / Fleischmann I I , S. 212. 316 Thoma, Festgabe für Otto Mayer, S. 176; ders., Grundbegriffe u n d Grundsätze, HDStR I I , S. 108 ff. (125); Erich Kaufmann, Stengel / Fleischmann I I I , S. 696; Heller, V V D S t R L 4 (1928), S. 111 ff.; Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, Nachdruck der 2. Aufl. von 1923, Aalen 1960, S. 560, 561; Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 122; U. Scheuner, Z u r Frage der Grenzen der Nachprüfung des Ermessens durch die Gerichte, V e r w A r c h Bd. 33 (1928), S. 68 ff. (77). 317 N u r schwer nachzuvollziehen ist die Auffassung von Forsthoff (Lehrbuch, 10. Aufl. 1973, S. 422): „ V o n der mangelnden Rechtssatzqualität abgesehen . . . sind die organisatorischen Vorschriften Rechtsvorschriften i m v o l len Sinne des Wortes." 318 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 58.
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nur, weil die Verfassung selbst die M i t w i r k u n g des Parlaments bei der Gesetzgebung vorsahen, sondern auch, weil der Dualismus von Krone und Volksvertretung den Hintergrund für den materiellen Gesetzesbegriff abgab und daher nicht gut ein a-rechtliches Phänomen darstellen konnte. So erklärte Laband 320 denn kurzerhand, der Willenssphäre seien rechtliche Schranken gegenüber den anderen Organen des Staates gesetzt. Den Widerspruch zum eigenen Ansatz, der die Organbeziehungen eigentlich aus dem Rechtsbereich verbannen müßte, versucht Laband m i t dem Hinweis darauf auszuräumen, daß es ebenso wie i m Privatrecht keine juristische Person ohne Organe gebe, die nicht von Rechts wegen bestünden 321 . Die Beziehungen des Staates zu seinen Bediensteten bleiben freilich mit Hilfe der Kunstfigur „Besonderes Gewaltverhältnis" vor den Toren des Rechts. Auch hier w i r d der handfeste verfassungspolitische Hintergrund der konstitutionellen Lehre deutlich. Es galt, unter dem Deckmantel rechtstheoretischer Konstrukte und dogmatischer Figuren der Regierung ihre Verordnungsgewalt zu retten 3 2 2 . Die Tatsache, daß das Verhältnis zwischen Monarch und Volksvertretung als ein rechtliches gedeutet wurde 3 2 3 , hätte folgerichtig auch das Dogma von der einheitlichen Staatsperson torpedieren müssen 324 . Das wäre jedoch wiederum an der realen politsch-verfassungsrechtlichen Lage gescheitert, die durch den Dualismus zwischen Krone und Parlament gekennzeichnet war und diejenigen Bereiche für die Kronprägogative reservierte, ja reservieren mußte, die noch nicht qua Parlamentsvorbehalt aus dem ehedem absolutistisch-monolithischen Kompetenzblock herausgebrochen waren. Daran zeigt sich, daß die konstitutionelle Lehre i n ihren Ergebnissen politisch folgerichtig w a r 3 2 5 . I h r von den nachfolgenden Generationen nicht nachhaltig aufgedeckter Fehler bestand darin, die verfassungsrechtliche Lage durch zusätzliche Begriffskonstruktionen abzusichern und das Problem des verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts auf eine rechtstheoretische Ebene zu verlagern. Nur so konnte es geschehen, daß das Argumentations- und Begriffsarsenal der konstitutionellen Lehre 319
Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 61 ff.; Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 9. 320 Staatsrecht, 2. Bd., 5. Aufl. 1911, S. 181 f. 321 Der Satz bei Laband (ebd., S. 184) ist mißverständlich formuliert. Positiv ausgedrückt besagt er: A l l e Organe einer juristischen Person bestehen von Rechts wegen. 322 Rupp, Grundfragen, S. 28. 323 Anschütz, Kritische Studien zur Lehre v o m Rechtssatz u n d formellen Gesetz (Diss. Halle), Leipzig 1891, S. 79 f.; Laband, Staatsrecht, 2. Bd., 5. Aufl., S. 181; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 193 f. 324 Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 58; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 86. 325 Starck, Gesetzesbegriff, S. 85.
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i n Verfassungslagen hinübergerettet worden ist, die m i t der konstitutionellen Ausgangssituation, dem Dualismus von Krone und Parlament, nichts mehr gemein haben. Eine weitere Stelle, an der die konstitutionelle Lehre sich i n Widersprüche verwickeln und i n Zirkelschlüssen enden mußte, liegt dort, wo der Rechtsbegriff sozusagen m i t sich selbst erklärt wird. Stellvertretend dafür sei abermals Laband angeführt. Bei dem Versuch, die Spaltung der einheitlichen Rechtspersönlichkeit „Staat" als rechtlich vorgegeben zu begründen, führt er aus 3 2 6 , daß das, was sich innerhalb der Verwaltung abspiele, nicht Recht sei, sondern sich nach Normen anderer A r t (?) richte, die ebensosehr oder strenger bindend als irgendein Gesetz sein könnten. „ N u r da, wo die Willenssphäre des verwaltenden Staates (Der Verwaltung) m i t irgendeiner anderen vom Recht anerkannten Willenssphäre i n Kontakt kommt, wo ein wechselweiser Eingriff, eine Kollision, eine Ausgleichung möglich ist, kann für einen Rechtssatz Raum sein" 3 2 7 . A u f der anderen Seite wurden die Rechtszugehörigkeit der Gerichtsorganisation, der Besetzung der Gerichte und die Stellung der Richter — Bereiche also, die nach dem Staatspersönlichkeitsdogma aus dem Rechtsbereich herausfallen müßten — dem vom Recht beherrschten Raum zugeschlagen, weil der Bürger „einen i m öffentlichen Recht begründeten A n spruch darauf" habe 3 2 8 . A u f diese Weise wurde das Bestehen von Recht aus dem Vorhandensein rechtlicher Regelungen gefordert, ohne daß versucht wurde, den Rechtscharakter dieser Regelungen selbst darzutun. Die entscheidenden Einwände gegen den konstitutionellen Rechtssatzgriff leiten sich jedoch weder aus seiner Hypostasierung einer konkretgeschichtlichen Verfassungslage oder aus seinen zwangsläufigen inneren Widersprüchlichkeiten noch daraus her, daß m i t seiner Hilfe Erscheinungen aus der Rechtssphäre verbannt worden sind, die ihr nach heutiger Auffassung zweifellos angehören 329 . Die Bedenken richten sich vielmehr gegen einzelne Definitionselemente, die auch heute noch dem Rechtssatzbegriff und der Diskussion um Rechtssubjektivität anhängen. Für den vorliegenden Zusammenhang mögen jedoch die folgenden Anmerkungen genügen. Bei den Versuchen, den Rechtssatz zu bestimmen, geben sowohl die Freiheit- und Eigentum-Formel als auch die Theorie der Schrankenziehung nicht einfach den Gegenstand ihrer rechtswissenschaftlichen Betrachtung an, sondern bestimmen das Objekt durch seine Funktion. Es w i r d also zur Voraussetzung des Begriffs „Recht" gemacht, was erst als 328 327 328 329
Budgetrecht, S. 12. Staatsrecht, Bd. I I , S. 181. Hervorhebung von mir. Staatsrecht, Bd. I I , S. 184. Rupp, Grundfragen, S. 28 ff.
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seine Folge erscheint. Das mußte zwangsläufig so sein, weil man — entgegen der These von Anschütz 530 — mit Hilfe des Gesetzesbegriffs die Rechtssätze eben doch „zerlegte" und nicht von den Nicht-Rechtssätzen abhob 3 3 1 . Damit ist — wenngleich unbewußt — eine Position bezogen, die jedenfalls neueren wissenschaftstheoretischen Erkenntnissen nicht standhalten dürfte. Betrachtet man nämlich den Rechtssatz als durch Sprachzeichen objektivierten „Willen" des Rechtssetzers, dann ist Gegenstand der Betrachtung des Rechtswissenschaftlers ein sprachliches Gebilde 3 3 2 , dessen Gehalt es m i t Mitteln der Sprachwissenschaft zu erforschen gilt. Erhebt man zusätzlich die Funktion zum Konstituens des Rechtssatzes, dannn erweitert man ohne Rekurs auf die konkrete Rechtsordnung unzulässigerweise den Betrachtungsgegenstand bzw. erblickt i n der Rechtsordnung nicht ein System von Rechtssätzen, sondern ein soziales Beziehungsgefüge 333 . „Beide Aspekte, der theoretische wie der soziale, sind wichtig, nur muß man sich entscheiden, welchen man einnehmen w i l l . Die Rechtsordnung als soziales System ist der Gegenstand der Rechtssoziologie. Der Rechtstheorie als einem Teil der Wissenschaftstheorie sind entsprechend Rechtsordnungen als theoretische Systeme zuzuordnen" 3 3 4 . Die konstitutionelle Lehre hat auf ihre Weise das Problem vom Gegenstand, der sprachlichen Aussage, auf die soziale Funktion verschoben 335 . Abschließend sei noch ein letzter Einwand gegen den konstitutionellen Gesetzesbegriff vorgebracht, der ebenfalls gegenüber heute vertretenen Auffassungen durchschlägt. Nach Laband 336 kommt dem Recht die Bedeutung zu, „die durch das gesellige Zusammenleben der Menschen gebotenen Schranken und Grenzen der natürlichen Handlungsfreiheit des Einzelnen zu bestimmen." Anschütz 337 bestimmte den Rechtsnormbegriff von der Freiheit- und Eigentum-Formel her. 330
Stengel / Fleischmann I I , S. 214. Rupp, Grundfragen, S. 29. 332 Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, S. 19. 333 Insofern bestehen Berührungspunkte m i t der marxistischen Rechtstheorie. Vgl. Wolf Paul, Die marxistische Rechtstheorie — Wissenschaft oder Philosophie des Rechts, i n : Rechtstheorie. Beiträge zur Grundlagendiskussion. Hrsg. von Günter Jahr u n d Werner Maihofer, F r a n k f u r t 1971, S. 175 ff. (195). 334 Jens-Michael Priester, Rechtstheorie als analytische Wissenschaftstheorie, i n : Rechtstheorie, S. 13 ff. (42). Natürlich k a n n man beide Aspekte verfolgen, jedoch nicht i n ein u n d demselben Aussagenkontext. 335 Ist die F u n k t i o n eines Rechtssatzes als Bestimmungsgrund seiner selbst untauglich, dann bleibt freilich (nur noch) die Frage, wie sich der Rechtssatz von anderen Sätzen ebenfalls präskriptiver (normativer) A r t unterscheidet. Das w i r d später auszuführen sein. Z u r hier vertretenen Ansicht vgl. vorläufig Schnapp / Meyer, D R V 1973, 75. 336 Staatsrecht, 2. Bd., 5. Aufl. 1911, S. 73. 337 Stengel / Fleischmann I I , S. 212. 331
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Beide Definitionen sind nur zu begreifen vor dem Hintergrund des „naturrechtlichen" Autonomie-Ideals 3 3 8 . Dieses sieht das prinzipiell selbstherrliche Individuum als Zentralpunkt einer Gesellschaftsordnung. Die natürliche Handlungsfreiheit dieses Individuums w i r d nun sozusagen von außen her durch Maßnahmen des Staates, der sich außerhalb der Gesellschaft befindet, beschränkt — eine Auffassung, die sich menschliche Freiheit als rechtliche Größe der Rechtsordnung vorgegeben vorstellte 3 3 9 . Erträglich wurden die Eingriffe des Staates i n die natürliche Handlungsfreiheit des einzelnen nur dadurch, daß die Individuen qua Volksvertretung am Zustandekommen der eingreifenden, schrankenziehenden Gesetze beteiligt waren: volenti non fit iniuria. c) Rechtsfähigkeit und Rechtssubjektivität
Diese antropomorphe Betrachtungsweise ist insofern a-rechtlich und zudem ungeschichtlich, als sie von einer natürlichen, dem Recht vorgegebenen Person m i t Rechtssubjektivität ausgeht. Diese Vorstellung ist bereits von Thoma z*° und Hans J. Wolff 341 sowie zuletzt von Fabricius 342 aus zivilrechtlicher Sicht als fehlgehend klargestellt worden: es gibt keine totale, absolute Rechtspersönlichkeit i n dem Sinne, daß eine Person sozusagen ohne Beihilfe der positiven Rechtsordnung i n allen erdenklichen Relationen Träger von Rechten und Pflichten sein kann 3 4 3 . Vielmehr steht es der Rechtsordnung frei, Personen erst i n Rechtsbeziehungen zu bringen bzw. sie für sie „aufnahmebereit" 3 4 4 zu machen; und zwar i n unterschiedlicher Intensität. Ist das aber richtig, dann gibt es keine der Rechtsordnung vorgegebene Rechtsfähigkeit 345 und — i n rechtswis338 Vgl. schon Haenel, Studien II/2, S. 207; Heller, V V D S t R L 4 (1928), S. 102 ff. Z u r heutigen K r i t i k ferner Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 150 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 118 f.: „ungeschichtliche Abstraktion". 339 Vgl. auch Herbert Krüger, V V D S t R L 15 (1957), S. 110 ff.; Winfried Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, Stuttgart 1969, S. 212 f. 340 HDStR I I , 611. 341 Juristische Person u n d Staatsperson, S. 202 f.; Theorie der Vertretung, S. 249. 342 Relativität der Rechtsfähigkeit, München u n d B e r l i n 1963. 343 Vgl. weiter Bernatzik, Kritische Studien über den Begriff der j u r i s t i schen Person u n d über die juristische Persönlichkeit der Behörden insbesondere, AöR Bd. 5 (1890), S. 169 ff. (192); E.-W. Böckenförde, Organ, Organisation, Juristische Person, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 269 ff. (304); Rupp, Grundfragen, S. 81 ff.; Otto Bachof, Teilrechtsfähige Verbände des öffentlichen Rechts, AöR Bd. 83 (1958), S. 208 ff.; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre, S. 196; Manfred Goessl, Organstreitigkeiten innerhalb des Bundes, B e r l i n 1961, S. 56; Werner Hoppe, Organstreitigkeiten vor den Verwaltungs- u n d Sozialgerichten, Siegburg 1970, S. 167; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 165; Manfred Heinrich, Verfassungsgerichtliche Streitigkeiten i m Hochschulinnenbereich, B e r l i n 1975, S. 48. 344 Rupp, Grundfragen, S. 84. 345 Vgl. Adomeit, Jahrbuch für Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie Bd. 2 (1972), . 503 ff. (513): „ A u c h die sog. natürlichen Personen sind juristische
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senschaftlicher Sicht — auch keine natürliche Handlungsfreiheit. Vielmehr werden diese allein durch die Rechtsordnung konstitutiert. Sogar der Terminus „Teilrechtsfähigkeit" scheint die fehlgehende Vorstellung zu perpetuieren, als gebe es eine quasi vorgegebene „volle" Rechtsfähigkeit und daneben, gleichsam als „bloß-rechtliche", sozusagen künstliche Konstrukte, eine Reihe von Teilrechtsfähigkeiten 346 . So betrachtet, ist Rechtsfähigkeit nicht die Aufnahmeb ereitschaft für Rechtssätze, nicht die a-priorische Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, m i t h i n nicht Voraussetzung für die, sondern Folge der Zuordnung subjektiver Rechte und/oder Pflichten durch die Rechtsordnung 3 4 7 . „Soweit also das Recht reicht, zu dem man fähig ist, soweit ist man ,Person', und bei einem Verbände reicht die juristische Persönlichkeit gerade soweit als i h m die Fähigkeit zu Rechten von der Rechtsordnung eingeräumt i s t " 3 4 8 . Geht man also von der Abhängigkeit der Rechtsfähigkeit von der rechtssatzmäßigen Zuordnung von Rechten und/oder Pflichten aus, dann ergibt sich zwangsläufig, daß sich die Zuerkennung der Attribute „Rechtssubjektivität", „Rechtspersönlichkeit" und „ J u r i stische Person" nur durch die Häufigkeit der rechtssatzmäßigen Zuordnung, d. h. aber lediglich quantitativ unterscheidet 349 . Das bedeutet weiter, daß diese Begriffe rechtsdogmatisch ineinanderfallen; m i t der Konsequenz, daß die Relativität der Rechtsfähigkeit i n die Relativität der Juristischen Person überhaupt mündet 3 5 0 . Personen." Ebenso Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 52; Hans Kelsen, H a u p t probleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl., 1923, S. 186 f., 518; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, §32 I I I c 1. Vgl. bereits Samuel Pufendorf, De Jure Naturae et Gentium, F r a n k f u r t 1684, § 12. Bei i h m ist auch die „natürliche" Person „persona moralis simplex", u n d zwar nicht als physische Gesamterscheinung, sondern (nur) soweit i h r ein bestimmter „status moralis" beigelegt w i r d . s. des weiteren G. Jellinek, Gesetz u n d Verordnung, Freiburg 1887, S. 193: „Person ist kein Naturwesen, sondern eine Abstraktion", u n d Bernatzik (AöR 5, 193) ergänzt zutreffend: „das lästige Beiwort Juristische' ist also f ü r den Begriff ganz unwesentlich; es enthält n u r einen ungeschickten, w e n n auch dogmengeschichtlich erklärlichen Hinweis darauf, daß das Subject k e i n Mensch ist; einen ungeschickten deshalb, weil die Persönlichkeit des einzelnen Menschen mit ebenso viel oder ebenso wenig Recht eine Juristische' zu nennen wäre" (Hervorhebung von mir). 340 So offenbar noch Wolf gang Rüfner, Z u r Bedeutung u n d Tragweite des A r t . 19 Abs. 3 des Grundgesetzes, AöR Bd. 89 (1964), S. 261 ff. (266, 267) : „ v o r staatliche Rechtssubjektivität". 347 Hans J. Wolff, Juristische Person u n d Staatsperson, S. 146; Rupp, Grundfragen, S. 83; s. a. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 2. Aufl. 1923, S. X V I I I . Ob die Zuordnung eines subjektiven Rechts erforderlich ist oder die Zuordnung einer Pflicht genügt, interessiert i m vorliegenden Zusammenhang nicht. Dazu Rupp, ebd. 348 Bernatzik, AöR Bd. 5 (1890), S. 192. 349 Vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 32 I I I . s. ferner dens., J u r i s t i sche Person u n d Staatsperson, S. 150. 350 E i n Seitenstück dazu ist die Relativität der Organschaft, vgl. dazu unten Zweites Kapitel, 3 a. 6 Schnapp
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I. 1. Kap.: Z u r dogmenhistorischen E n t w i c k l u n g
Die aufgezeigte Bezogenheit der Rechtsfähigkeit auf Rechtssätze weist auf zwei dogmatische Probleme hin: Einmal ist zu erörtern, ob „Organpersönlichkeiten" — erkennt man sie an — nur i n der innnerkörperschaftlichen Sphäre Rechtssubjekte sind 8 5 1 ; d. h. ob „Rechtsrelationen des Organs nur solche des Innenbereichs sind" 3 5 2 . Zum anderen ist problematisch, ob Organpflichten i m Wege des „rechtselementaren Durchg r i f f s " 8 5 3 als solche der Organwalter verstanden werden müssen 354 . Festzuhalten ist hier, daß „Rechtsfähigkeit", „Rechtssubjektivität" etc. keine der Rechtsordnung vorgegebenen Anknüpfungspunkte für Rechtssätze sind, sondern Folgebegriffe. Darum sind sie auch untauglich als Definitionselemente i m Rahmen des Rechtssatz- oder Gesetzesbegriffs. Tauchen sie zudem i n einem verfassungspolitisch verengten Rechtssatz(Gesetzes-) Begriff auf, dann ist nicht auszuschließen, daß auch sie zu Manipulationsobjekten werden: I n der konstitutionellen Konzeption wurde als Rechtssubjekt anerkannt, wer als Träger subjektiver Rechte i n Betracht kam. Diese wiederum setzten besondere Eigeninteressen voraus — die der beamtete Organwalter i n seinem A m t nicht haben konnte: Der Beamte interessierte ausschließlich als Glied der Verwaltung 3 5 5 ; er war nurmehr ein „Rad i m Anstaltsgetriebe" 3 5 6 .
351 So bereits Thoma, HDStR I I , S. 610, 611; ebenso Bachof, AöR Bd. 83 (1958), S. 257 f. 352 Rupp, Grundfragen, S. 87. 353 Hans J. Wolff , Theorie der Vertretung, S. 261. 354 Zweiter Teil, Drittes Kapitel, 1; Fünftes Kapitel, 2. 355 So noch Werner Thieme, Der öffentliche Dienst i n der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, Göttingen 1961, S. 19: der Beamte sei „ein Stück des Staates selbst". 358 Vgl. auch Fritz Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., Tübingen 1928, S. 166: „ . . . arbeitendes oder zu bearbeitendes Glied des staatlichen Verwaltungsapparates."
Zweites Kapitel Organisationsrecht und Beamtenrecht 1. Allgemeines
Die streckenweise heftige Diskussion um die Figur des besonderen Gewaltverhältnisses hat der Rechtswissenschaft i n zweifacher Hinsicht Nachteiliges beschert. Die Debatte hat sich weitgehend u m diejenigen Probleme gedreht, welche das Dienstverhältnis des Beamten betreffen, nämlich jene Rechtsbeziehungen zwischen Beamten und Dienstherrn, die sich strukturell von einem Arbeitsverhältnis nicht unterscheiden 1 , also Ansprüche auf Gehalt, Trennungsentschädigung etc. betreffen. Daß hier überhaupt ein langer Streit um die Frage geführt werden mußte, ob es sich bei diesem Dienstverhältnis um ein Rechtsverhältnis handelt, „erscheint vielleicht einem unbefangenen und dogmenhistorisch unbelasteten Beurteiler kaum verständlich" 2 . Jedenfalls hat dieser Umstand dazu geführt, daß die ganze Komplexität dessen, was man unter Beamtenrecht i m weiteren Sinne begreifen kann, verschüttet worden ist. Versteht man nämlich unter Beamtenrecht nicht nur den dienstrechtlichen Bereich, der die persönlichen Rechte und Pflichten des Beamten als I n d i v i duum betrifft, sich also strukturell von irgendeinem anderen Staat-Bürger-Verhältnis nicht unterscheidet 3 , sondern auch den Inbegriff derjenigen Rechtssätze, die die kompetenzielle Ämterordnung regeln und das amtliche Verhalten des Beamten steuern, dann erweist sich, daß gerade der letztere Bereich i n der Vergangenheit eine eher stiefmütterliche Behandlung erfahren hat. Der Blick der Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft ist bislang zu starr auf das quasi lineare Staat-Bürger-Verhältnis gerichtetet gewesen, wobei zwar der Bürger als Rechtssubjekt individualisierbar war, der Staat jedoch eher als amorphe Masse, zusammengehalten lediglich durch das A t t r i b u t der Rechtspersönlichkeit, 1
Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 76 f. Rupp, Grundfragen, S. 43. 3 Das k a n n an dieser Stelle vorerst n u r als These stehen. I m m e r h i n mag darauf hingewiesen werden, daß die Dienstrechtssätze einen abgegrenzten Adressatenkreis treffen u n d einem speziellen Verwaltungszweck dienen. Das ist aber bei anderen Komplexen v o n Verwaltungsrechtsnormen nicht anders, w i e bereits verschiedentlich hervorgehoben wurde. Auch die Rechtssätze des Steuerrechts, des Wahlrechts usw. weisen diese strukturellen u n d finalen Merkmale auf. 2
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I . 2. Kap.: Organisationsrecht u n d Beamtenrecht
auf der anderen Seite des Rechtsverhältnisses figurierte. Darin dürfte — bei allen sonstigen Vorzügen — der wissenschaftsretardierende Effekt des Staatspersönlichkeitsdogmas liegen. Nachdem „der Staat" als j u r i stische Person ausgewiesen war, entstand offenbar der Eindruck, i h n mit Hilfe dieses Etiketts bereits „ i m Griff" zu haben. Impermeabilitätslehre und der Gedanke von der Einheit der Staatsgewalt taten ein übriges, um das staatliche Internum dem rechtswissenschaftlichen Zugriff zu entziehen. Dabei geriet aus dem Blick, daß der Beamte als Amtswalter sozusagen i m Schnittpunkt des Staat-Bürger-Verhältnis steht, indem er die jenes Verhältnis regulierenden Außenrechtsnormen als Rechtsanwender i n Vollzug setzt. Da dieser Außenrechts-Vollzug nun nicht ohne normative Steuerung vor sich gehen kann, wenn nicht der Gesamtorganismus „Staat" i n heillose (positive und/oder negative) Kompetenzstreitigkeiten zerfallen und handlungsunfähig werden soll 4 , kommt den erwähnten Steuerungsnormen nicht nur für die staatliche Organisation, sondern gerade auch für das Staat-Bürger-Verhältnis eine eminente Bedeutung zu: Fehlten sie, so würden die Außenrechtsnormen funktionslos, weil es keinen normativen Anhaltspunkt dafür gäbe, von wem und i n welcher Weise sie zu vollziehen wären. Dieser Umstand macht die Komplexität und wissenschaftliche B r i sanz des Beamtenrechts aus. Einerseits steht der Beamte i n einem Dienstverhältnis, das sich strukturell von sonstigen Staats-Bürger-Beziehungen nicht unterscheidet. Gleichzeitig ist er — i m Regelfall 5 — Amtswalter und als solcher einer normativen Steuerung ausgesetzt, die ihn zwar letztlich auch persönlich 6 , aber i n einer anderen „Rolle" t r i f f t 7 . Durch die Rechtssätze, die diese Rolle steuern, w i r d der Staat schließlich befähigt, diejenigen Rechtsnormen überhaupt i n Bewegung zu setzen, die i h n als Rechtssubjekt 8 zum Adressaten haben 9 . A l l e drei Aspekte können nicht losgelöst voneinander diskutiert werden. Je nach der Betrachtungsweise kann also dem Beamtenrecht (i. w. S.) eine unterschiedliche Bedeutung zukommen: Aus der Sicht des Beamten ist es derjenige 4
Rupp, Grundfragen, S. 48. Das A m t gehört nicht notwendig zum Begriff des Beamten; vgl. Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 38. 6 Denn der Beamte läßt sich nicht i n einen personell-individuellen u n d einen technisch-mechanischen T e i l zerlegen; Rupp, Grundfragen, S. 25. 7 Daß sich eine Person immer i n mehreren Rollen bewegt, ist Gemeingut der Soziologie. Vgl. n u r Niklas Luhmann, Stichwort „Organisation, soziologisch", Ev. Staatslexikon, Sp. 1410 ff. (1412). 8 Z u r Unterscheidung zwischen Rechtsordnungs- u n d Rechtssubjekt vgl. bereits oben Erstes Kapitel, 1 b m i t Fußn. 217. 9 Das g i l t nicht nur, sofern sie den Staat zugunsten der Bürger verpflichten, sondern auch, soweit sie den Staat ermächtigen, i n Rechtspositionen des B ü r gers einzugreifen. 5
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n
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des Organisationsrechts
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Rechtskomplex, der seine Rechte und Pflichten regelt und sein Verhalten als Amtswalter steuert. Aus der Sicht des Bürgers ist es Recht, das das Funktionieren der staatlichen Handlungsabläufe steuert. „Bürger" i m letzteren Sinne kann auch der Beamte sein, insofern er darauf angewiesen ist, daß Rechtsnormen, die seine Beziehungen zum Staat betreffen, durch andere Amtswalter i n Vollzug gesetzt werden.
2. D i e Vernachlässigung des Organisationsrechts
Das Organisationsrecht ist — wie erwähnt — bislang von der Rechtswissenschaft i m Gegensatz zum sog. „materiellen" Recht 10 vernachlässigt worden — sehr zu Unrecht, wie verschiedentlich betont w i r d 1 1 . Denn entgegen einem ersten Eindruck dient seine rechtswissenschaftliche Aufarbeitung nicht nur der systematischen Übersichtlichkeit, sondern „auch und vor allem der Sicherheit und Eindeutigkeit i n der Erzeugung, A n wendung und Durchsetzung des materiellen Rechts" 12 . Die Gründe für die relative Verdeckung des Organisatorischen sollen kurz aufgezeigt werden, zumal dabei deutlich wird, welche Auswirkungen das „ M i t schleppen" von Theorien haben kann, die i n gänzlich anders strukturierten verfassungsrechtlichen Systemen entstanden sind und dort ihren legitimen Platz haben mochten. Die Vernachlässigung des Organisationsrechts kann man m i t einiger Berechtigung als Erbschaft des Konstitutionalismus bezeichnen. Sie ist bei vordergründiger Sicht mitverursacht durch die bereits erwähnte Tatsache, daß sich die wissenschaftliche Befassung mit dem öffentlichen Recht weitgehend auf das lineare Staat-Bürger-Verhältnis konzentrier10 Aus der Sicht des Rechtsanwenders besteht zwischen dem „formellen" u n d dem „materiellen" Recht kein struktureller Unterschied; denn auch die Rechtssätze des Verwaltungsverfahrens- u n d des Prozeßrechts enthalten Verhaltensanweisungen. 11 Vgl. — vor allem i m Hinblick auf das Amtsrecht — Herbert Krüger, A l l gemeine Staatslehre, S. 256; ferner Otto Bachof, Die Dogmatik des V e r w a l tungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, V V D S t R L 30 (1972), S. 193 ff. (233 ff.); Hans-Bodo Bertram, Behördliche u n d gemeindliche Organisationsakte u n d ihre Einordnung i n das Rechtsschutzsystem, Diss. F r a n k f u r t 1971, S. 27; Winfried Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, V V D S t R L 30 (1972), S. 245 ff. (253 ff.); Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl. 1973, S. 431 f.; Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , §71 I V d. Siehe auch Ernst-Wolfgang Böckenförde, Organ, Organisation, Juristische Person. Kritische Überlegungen zu den Grundbegriffen u n d der Konstruktionsbasis des staatlichen Organisationsrechts, i n : Fortschritte des Verwaltungsrechts, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 269 ff. (269) ; ferner Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft, K ö l n u n d B e r l i n 1966, S. 82 ff.; H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, F r a n k f u r t 1973, S. 161; Rasch, V e r w A r c h Bd. 60 (1969), S. 1. 12 Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 71 I V d. Vgl. schon Lutz Richter, Die Organisationsgewalt, 1926, S. 12.
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I. 2. Kap.: Organisationsrecht u n d Beamtenrecht
t e 1 3 . Das m u ß t e z w a n g s l ä u f i g z u r F o l g e haben, daß das organisatorische „ S u b s y s t e m " 1 4 aus d e m B l i c k f e l d geriet, d u r c h welches d i e j e n i g e n Rechtssätze, d i e das S t a a t - B ü r g e r - V e r h ä l t n i s
regulieren,
erst e i g e n t l i c h
in
F u n k t i o n gesetzt w e r d e n 1 5 . V e r s t ä n d l i c h w i r d dieser U m s t a n d — w i e Ernst
Forsthoff
16
zutref-
f e n d h e r v o r h e b t — erst e i g e n t l i c h v o r d e m H i n t e r g r u n d u n d als A u s w i r k u n g des k o n s t i t u t i o n e l l e n Gesetzesbegriffs, dessen B e d e u t u n g d a r i n lag, daß er l e t z t l i c h auch eine politische F u n k t i o n h a t t e 1 7 . E r d i e n t e der A b g r e n z u n g zwischen den Funktionsbereichen der demokratisch leg i t i m i e r t e n Legislative u n d der monarchischen K r o n p r ä r o g a t i v e 1 8 . D e r E r l a ß v o n Gesetzen i m m a t e r i e l l e n S i n n e w a r der L e g i s l a t i v e z u g e w i e sen, w ä h r e n d d e r K r o n e d i e v o l l z i e h e n d e G e w a l t z u s t a n d 1 9 . A l s Gesetze i m m a t e r i e l l e n S i n n ( = Rechtssätze) 2 0 w a r e n nach d e r ganz h e r r s c h e n d e n A u f f a s s u n g d e r k o n s t i t u t i o n e l l e n P u b l i z i s t i k (nur) solche Rechtssätze a n 18 Z w a r gab es auch u m die Jahrhundertwende u n d nachfolgend eine nicht unbeträchtliche organisationsrechtliche Literatur. Sie hatte sich jedoch vor allem v o r dem H i n t e r g r u n d der Streitigkeit zwischen organischer u n d anorganischer Staatslehre entwickelt, was nicht selten zu Begriffsverwirrungen führte. Eine K l ä r u n g dürfte erst Hans J. Wolff m i t seinem W e r k „Organschaft u n d juristische Person" (Berlin 1933/34, ber. Nachdruck Aalen 1968) gelungen sein. Dazu jetzt auch E.-W. Böckenförde, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 269 ff.; Rainer Wahl, Stellvertretung i m Verfassungsrecht, B e r l i n 1971, S. 18 ff. m i t Fußn. 24. 14 Vgl. auch Hans J. Wolff , Organschaft u n d juristische Person, Bd. 2: Theorie der Vertretung, S. 261: „untergeordnetes positives Normensystem". D a m i t ist aber ebensowenig w i e hier eine Rangfrage angesprochen. Vielmehr besteht zwischen den Normen des „Außenrechts" u n d dem Organisationsrecht wegen des „Weiterleitungseffekts" (Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I c 2 a, s. a. unten Zweiter Teil, Drittes Kapitel) ein Verhältnis des I n e i n andergreifens. 15 Vgl. Hans J. Wolff, Theorie der Vertretung, S. 260 f.; Walther Burckhardt, Organisation der Rechtsgemeinschaft, 2. Aufl., Zürich 1944, S. 130. Gegen Burckhardt : Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 438 f. Forsthoff ist zuzugeben, daß die obige Charakterisierung der organisatorischen N o r men keineswegs erschöpfend ist, ebensowenig w i e seine Beschreibung der Verwaltungsorganisation als „Arbeitsinstitution zur V e r w i r k l i c h u n g der staatlichen Zwecke" (ebd., S. 440), w i e er selbst einräumt. Angebracht dürfte eine Sicht unter verschiedenen Aspekten sein; vgl. näher dazu unten 3. 16 Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 433 f. Äußeres Kennzeichen für den i m T e x t beschriebenen gedanklichen Vorgang w a r der Umstand, daß Otto Mayer (Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. A u f l . 1924, S. 16 f.) aus den dargestellten Erwägungen das Organisationsrecht aus dem Verwaltungsrecht hinausverlagerte u n d i n das Staatsrecht verwies. 17 Ulrich Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, Tübingen 1971, S. 18. 18 Georg Jellinek, Gesetz u n d Verordnung, Freiburg 1887, S. 254; ders., Allgemeine Staatslehre, S. 705; aus neuerer Zeit vgl. etwa Fritz Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, Bad Homburg v. d. H. 1968, S. 85. 10 Gerhard Anschütz, A r t i k e l „Gesetz", i n : von Stengel / Fleischmann, W ö r terbuch des deutschen Staats- u n d Verwaltungsrechts, Bd. I I , S. 212 ff. (214). 20 Z u dieser Gleichsetzung vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 55.
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n
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des Organisationsrechts
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zusehen, d i e d i e W i l l e n s s p h ä r e n v o n R e c h t s s u b j e k t e n g e g e n e i n a n d e r a b g r e n z t e n 2 1 oder i n F r e i h e i t u n d E i g e n t u m d e r „ U n t e r t a n e n " e i n g r i f f e n , i h n e n P f l i c h t e n u n d L a s t e n a u f e r l e g t e n 2 2 . A l l e s andere u n t e r f i e l d e r K r o n p r ä r o g a t i v e des M o n a r c h e n , d e r ü b e r a l l e H o h e i t s r e c h t e 2 3 v e r f ü g t e , „ w e l c h e u n d i n s o w e i t sie i h m n i c h t d u r c h die V e r f a s s u n g e n t z o g e n " w a r e n 2 4 . D a n u n d e r L a n d e s h e r r nach e i n h e l l i g e r A u f f a s s u n g u. a. d i e O r g a n i s a t i o n des Staatsdienstes z u b e s t i m m e n h a t t e 2 5 , d e n O r g a n i s a t i o n s „ N o r m e n " jedoch m i t H i l f e der Impermeabilitätslehre 26 w e i t g e h e n d 2 7 der Rechtscharakter abgesprochen w u r d e , w a r e n diese als a - r e c h t l i c h e M a t e r i e p r i n z i p i e l l d e m B l i c k d e r Rechtswissenschaft e n t z o g e n 2 8 . D i e s e r V o r g a n g h a t t e n i c h t n u r z u r Folge, daß die b e g r i f f l i c h e u n d rechtsdogmatische D u r c h d r i n g u n g des s t a a t l i c h e n Organisationsrechts a u s b l i e b — w e n n m a n v o n e i n i g e n A u s n a h m e n a b s i e h t 2 9 — ; er b e w i r k t e auch, daß das Z u s a m m e n s p i e l u n d I n e i n a n d e r g r e i f e n d e r Rechtssätze, die das S t a a t - B ü r g e r - V e r h ä l t n i s b e t r e f f e n , u n d d e r j e n i g e n , die d i e Ä m t e r o r g a n i s a t i o n r e g u l i e r e n , noch u n z u l ä n g l i c h erforscht sind. Das k a n n h i e r e i n s t w e i l e n — angesichts e i n i g e r U n t e r s u c h u n g e n aus l e t z t e r Z e i t 3 0 — 21 Anschütz, Stengel / Fleischmann I I , S. 212; G. Jellinek, Gesetz u n d V e r ordnung, S. 240; Paul Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band I I , 5. Aufl., Tübingen 1911, S. 181 f. 22 Anschütz, Die gegenwärtigen Theorien über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt u n d den Umfang des königlichen Verordnungsrechts nach preußischem Staatsrecht, 2. Aufl., Tübingen u n d Leipzig 1901, S. 69, 97,163. 23 Nicht i m Sinne von „Landeshoheit" i n den deutschen Territorien gemeint. Vgl. dazu Erichsen, Verfassungs- u n d verwaltungsrechtsgeschichtliche G r u n d lagen, S. 24; Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 824 ff.; Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 400 ff. 24 Anschütz, Die gegenwärtigen Theorien, S. 6. D a m i t hatten die verfassungsrechtlichen Bestimmungen i m H i n b l i c k auf die Handlungsbefugnisse der Exekutive lediglich l i m i t a t i v e n u n d keinen konstitutiven Charakter. Daß dies keineswegs durch die verfassungsrechtliche Lage geboten w a r (so aber Christian Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, Baden-Baden 1970, S. 77 f.), sondern auf der a m monarchischen Prinzip ausgerichteten Lehre beruhte, betont zutreffend Ortrun Fröhling, Labands Staatsbegriff. Die anorganische Staatsperson als K o n s t r u k t i o n s m i t t e l der deutschen konstitutionellen Staatslehre, Diss. M a r b u r g 1967, S. 126. Vgl. weiter Dietrich Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, 2. Aufl., Tübingen 1968, S. 82 f. 25 Heinrich Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, 2. Teil, 5. Aufl., Leipzig u n d Heidelberg 1863, § 513 (S. 777 ff.). 26 Dazu Rupp, Grundfragen, S. 19 ff. 27 Die totale Konsequenz w u r d e — u n d da fällt die konstitutionelle Lehre aus der eigenen K o n s t r u k t i o n — nicht gezogen. Vgl. Laband, Staatsrecht, Bd. 2, 5. Aufl., S. 181 f.; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., Tübingen 1919, S. 234. 28 Daß der Hinausweisung des Organisationsrechts aus dem Verwaltungsrecht ein „zu enger Begriff v o m Recht" zugrunde lag, betont schon Erich Kaufmann, Otto Mayer, V e r w A r c h Bd. 30 (1925), S. 377 ff. (390). 29 Dazu E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 269. 30 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz.
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I. 2. Kap.: Organisationsrecht u n d Beamtenrecht
nur als These stehen; jedoch dürfte einsichtig sein, daß erst die unbefangene Betrachtung von Organisationsnormen als Rechtsnormen es möglich macht, auf den Fundamenten weiter aufzubauen, die Hans J. Wolff vor gut 40 Jahren mit seiner Schrift über „Organschaft und Juristische Person" legte, diese gar kritisch i n Frage zu stellen 3 1 und das Wechselspiel zwischen Organisationsrecht und sog. materiellem Recht i n den Griff zu bekommen. Einen zweiten Grund für die stiefmütterliche Behandlung des Organisationsrechts mag man i n der befreienden, aber auch die wissenschaftliche Entwicklung nachhaltig beeinflussenden Wirkung des Dogmas von der Staatspersönlichkeit erblicken. Hier lassen sich indes keine stringenten Beweise, sondern eher Vermutungen anführen. Das Staatspersönlichkeitsdogma war geeignet und bestimmt, den Streit der Prätendenten „ V o l k " und „Monarch" um die Souveränität zu befrieden, weil es den zentralen Bezugspunkt politischer Herrschaft i n eine das Volk und den Monarchen überdachende Ebene verlegte und dergestalt dem Zugriff beider juristisch-konstruktiv entzog 32 . Ob eine solche Konstruktion angesichts von A r t . 20 Abs. 2 GG heute verfassungsdogmatisch noch haltbar ist 3 3 , mag hier dahinstehen. Jedenfalls konzentrierte sich die Beschäftigung auf diese juristische Person „Staat", i n der zugleich der Gedanke der Einheit der Staatsgewalt konstruktiven Ausdruck fand 3 4 . Indem man dem Staat das A t t r i b u t der juristischen Person zusprach und diese zum Brennpunkt der Souveränität machte, glaubte man offenbar, die Staatswirklichkeit hinlänglich erfaßt zu haben. Dabei gerieten die komplexen und multidimensionalen faktischen und normativen Strukturen aus dem Blick, die erst ein planvolles Zusammenwirken staatlicher Funktionen und Organe m i t dem Ziel der Herstellung einer Wirkungseinheit ermöglichen. Einige der Folgen können an dieser Stelle nur angedeutet werden. Sie bestehen zum einen darin, daß der „Innenbereich" relativ spärlich durchnormiert ist; zudem i n aller Regel m i t Hilfe von apokryphen Erlassen, Richtlinien und Dienstordnungen, die nur dem an sie gebundenen Amtswalter bekannt sind. Die so festzustellenden Lücken lassen sich oft nur durch den Rückgriff auf die Weisungsgebundenheit des Amtswalters schließen. So dürfte beispielsweise i n vielen Bereichen unklar sein, was eigentlich der „ I n h a l t " eines konkreten Amtes ist oder wie er festgestellt werden kann. Dieses Problem ist neuerlich akut geworden bei 31
Wie jetzt E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 269 ff. E.-W. Böckenförde, ebd., S. 290; Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 85 f. ; Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 498. 33 E.-W. Böckenförde, ebd., S. 290 f. 34 E.-W. Böckenförde, ebd., S. 287 f. 32
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des Organisationsrechts
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der Frage der Dienstpostenbewertung i m öffentlichen Dienst 3 5 . So sehen zwar Besoldungsgesetze des Bundes und der Länder vor, daß die Zuordnung eines Amtes (Dienstposten) zu einer Besoldungsgruppe nach dem Amtsinhalt erfolgen soll. Wie aber die Erfassung des Amtsinhalts bewerkstelligt wird, „darüber schweigen sich die Gesetzgeber aus" 3 6 . Eine weitere Folge besteht darin, daß die Anstöße, welche die Verwaltungslehre zu geben imstande wäre, bislang kaum aufgenommen worden sind. U m ein Beispiel zu nennen: Die Organisationslehre unterscheidet zwischen den Struktur- und den Prozeßaspekten einer Organisation 37 . Dabei bezeichnet Struktur die statische Organisiertheit (ζ. B. I n stanzen» und Kompetenzordnung), der prozedurale Aspekt hingegen weist auf die dynamischen, zeitbezogenen Merkmale bestimmter A r beitsabläufe hin 3 8 . Die überkommene Organisationsrechtslehre, die ihren wohl vollkommensten Ausdruck i n dem differenzierten Begriffssystem von Hans J. Wolff gefunden hat 3 0 , stellt nun ganz auf den ersten, strukturell-institutionellen Aspekt ab und liefert ein schematisch-statisches Organisationsmodell. I m Mittelpunkt steht die Zurechnungsproblematik, als Ausgangspunkt für die Begriffsbildungen des Systems firmiert nicht die Organisation, sondern die juristische Person 40 . Dergestalt bekommt die Dogmatik i n diesem Bereich einen eher punktuell-statischen Charakter und muß die Tatsache, daß i n der Organisation Handlungsabläufe stattfinden, zwangsläufig vernachlässigen. Erst i n neuerer Zeit w i r d der prozedurale Aspekt der Organisation mehr i n den Vordergrund des Interesses gerückt 41 , ohne daß freilich schon i m einzelnen auszumachen wäre, welche konkreten Konsequenzen für die Dogmatik sich aus dieser Gewichtsverlagerung ergeben. Schließlich hat die Verdeckung des organisatorischen Bereichs und die Überakzentuierung des sog. materiellen Rechts 42 den Blick dafür ver35 Dazu neuestens Arbeitskreis Dienstpostenbewertung: Bericht zur E i n führung einer einheitlichen u n d praktikablen Bewertung der Dienstposten i m öffentlichen Dienst, i n : Anlageband 10 zum Bericht der Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, Baden-Baden 1973, S. 383 ff. 38 Franz Mayer, Rechtsfragen der Dienstpostenbewertung, DVB1. 1970, 651 ff. (651). 37 Vgl. stellvertretend Niklas Luhmann, Soziologie als Theorie sozialer Systeme, Kölner Zeitschrift f ü r Soziologie 1967, 615 ff. (616 ff.). 38 Vgl. Bodo A. Baars, Strukturmodelle für die öffentliche Verwaltung, K ö l n / B e r l i n / Bonn / München 1973, S. 12 f. 39 Zusammengefaßt i n Verwaltungsrecht I I , §§ 71 -78. 40 E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 275. 41 Dazu insbesondere Brohm, V V D S t R L 30 (1972), bes. S. 289 ff. 42 Begünstigt w u r d e diese Tendenz auch durch den Ausbau des gerichtlichen Individualrechtsschutzes. Steht i n dessen M i t t e l p u n k t der Verwaltungsakt als gesetzesakzessorisches Endprodukt der vollziehenden Verwaltung, dann ist es f ü r den außenrechtsunterworfenen Bürger relativ gleichgültig, auf welchen organisatorischen Wegen er zustandegekommen ist. Vgl. Brohm, V V D S t R L 30 (1972), S. 255 m i t Fußn. 28; Rainer Wahl, Stellvertretung i m Verfassungsrecht,
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I. 2. Kap.: Organisationsrecht u n d Beamtenrecht
stellt, daß viele „materielle" Fragen, wie ζ. B. die Auslegung von Gesetzesbegriffen oder Rechtmäßigkeitsurteile, sich als solche bei genauer Betrachtung gar nicht stellen. Sie finden ihre Auflösung oftmals i m Bereich des Organisationsrechts, das Verfahrensweisen normiert sowie Entscheidungskompetenzen verteilt und festlegt und m i t der Zuerkennung von Befugnissen zur verbindlichen Letztentscheidung auch über das Schicksal „materieller" Fragen befindet 4 5 . Bereits Menger und Erichsen414 haben darauf hingewiesen, daß auch Organisations- und Verfahrensvorschriften die Gewährleistung für die nach Auffassung des Gesetzgeber „richtige Rechtsfindung" i n sich tragen können. Die vorliegende Arbeit w i r d diesen Ansatz an manchen Stellen gerade für den Bereich des Beamtenrechts erhärten. 3. Z u F u n k t i o n u n d D o g m a t i k des Organisationsrechts
Es kann i m folgenden nicht darum gehen, eine auch nur annähernd vollständige Erfassung von soziologischen und rechtswissenschaftlichen Organisations(Rechts-)lehren anzustreben oder gar ein eigenes System des Organisationsrechts zu entwickeln. Es sollen hier lediglich Aspekte aufgezeigt werden, die deutlich machen, welche Funktion organisationsrechtliche Rechtssätze haben und welcher Stellenwert der Befassung m i t organisationsrechtlichen Fragen innerhalb von Dogmatik und Rechtstheorie zukommt. Diese Beschränkung gebietet sich nicht nur unter praktischen Gesichtspunkten, sondern vor allem aus Gründen wissenschaftstheoretischer Natur. Es ist ein i n der dogmatischen Jurisprudenz weitverbreitetes, wenn auch zumeist unbewußt praktiziertes Verfahren, nach dem Wesen, der eigentlichen Natur oder der wahren Struktur von Gegenständen rechtswissenschaftlicher Betrachtung 4 5 zu fragen 46 . Dahinter verbirgt sich das S. 68. I m m e r h i n setzt aber nach h. M. die Verbindlichkeit einer Maßnahme deren Erlaß durch das zuständige Organ voraus. Vgl. dazu Georg Brunner, Der Selbsteintritt der höheren Behörde, D Ö V 1969, 773 ff. (777); Wahl, Stellvertretung i m Verfassungsrecht, S. 65 f. jeweils m i t Nachweisen. Näher dazu Zweiter Teil, Fünftes Kapitel, 1. 43 Als Parallelerscheinung finden sich Auseinandersetzungen, die als Streit „ i n der Sache" geführt werden, während es sich i n Wahrheit u m terminologische Dispute handelt. Das Produkt sind verbal vertretene Thesen, aus denen nichts folgt. E i n Beispiel bei Günter Püttner, AöR Bd. 95 (1970), S. 613. 44 Menger, V e r w A r c h Bd. 56 (1965), S. 190 f.; Menger / Erichsen, V e r w A r c h Bd. 57 (1966), S. 277; Erichsen, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 344. Siehe auch Karl Heinrich Friauf, Der Staatshaushaltsplan i m Spannungsfeld zwischen Parlament u n d Regierung, Bad Homburg v. d. H. 1968, S. 190; Schnapp, Z u ständigkeitsverteilung zwischen Kreis u n d kreisangehörigen Gemeinden, F r a n k f u r t 1973, S. 28 f.; Rainer Wahl, Der preußische Verfassungskonflikt u n d das konstitutionelle System des Kaiserreichs, i n : Moderne deutsche Verfassungsgeschichte (1815 - 1918), S. 171 ff. (175 ff.). 45 Wie beispielsweise Staat, Rechtsfähigkeit, Vertrag usw.
3. F u n k t i o n und Dogmatik des Organisationsrechts
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i n ontologischer T r a d i t i o n stehende B e m ü h e n , diese Gegenstände g a n z h e i t l i c h , so, w i e sie „ e i g e n t l i c h " sind, z u erfassen 4 7 . M i t e i n e m solchen „ h o l i s t i s c h e n " 4 8 Z u g a n g v e r b i n d e t sich z u g l e i c h der A n s p r u c h , d e n j e w e i l i g e n G e g e n s t a n d i n seiner U n i v e r s a l i t ä t abschließend erfaßt z u haben. E i n e eigenständige A u s e i n a n d e r s e t z u n g v e r b i e t e t sich a n dieser Stelle. Es k a n n aber m i t d e r n e u e r e n F o r s c h u n g d a v o n ausgegangen w e r d e n , daß diese g a n z h e i t l i c h e B e t r a c h t u n g s w e i s e wissenschaftstheoretisch p r o b l e m a t i s c h , w e n n n i c h t ü b e r h o l t i s t 4 9 . D a d i e W i r k l i c h k e i t grenzenlos k o m p l e x ist, k ö n n e n j e w e i l s n u r A s p e k t e eines S a c h v e r h a l t s erfaßt w e r d e n . D e r G e h a l t u n d v o r a l l e m auch d i e L e i s t u n g s f ä h i g k e i t v o n A u s s a g e n h ä n g e n d a v o n ab, w e l c h e F r a g e n g e s t e l l t sind, w a s w i e d e r u m m i t d e r R o l l e des F r a g e n d e n z u s a m m e n h ä n g t 5 0 . D i e e x p l i z i t e Herausstellung der beschränkten Aussagefähigkeit v o n Theorien könnte v e r m e i d e n h e l f e n , daß l e t z t e r e a n A n s p r ü c h e n gemessen w e r d e n , d i e sie v o n v o r n h e r e i n n i c h t einlösen k ö n n e n 5 1 . Jede V e r a l l g e m e i n e r u n g b i r g t z u d e m d i e G e f a h r i n sich, daß a b s o l u t gesetzte T h e o r i e n n e b e n d i e R e a l i t ä t o d e r n e b e n n o r m a t i v e G e g e b e n h e i t e n f a l l e n . Diese wissenschafts-
48 Diese Feststellung richtet sich nicht gegen die Legitimation der Fragestellung überhaupt. Es soll n u r eine möglichst exakte Trennung zwischen den Problemstellungen u n d methodischen Zugängen etwa von Rechtsphilosophie u n d dogmatischer Rechtswissenschaft angestrebt werden. 47 Bei der „Neuen L i n k e n " taucht der Anspruch i n der Variante auf, man könne das (!) Recht n u r (!) verstehen, w e n n m a n die geschichtlichen, gesellschaftlichen, politischen u n d ökonomischen I m p l i k a t i o n e n u n d Hintergründe i n die Betrachtung einbeziehe. D a r i n zeigt sich der letztlich metaphysische Zug der marxistischen Rechtstheorie, denn die Frage nach dem eigentlichen Wesen ist die „Kernfrage der Metaphysik" (Heidegger). 48 Vgl. Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, 3. Aufl., Tübingen 1971, S. 14. 49 Vgl. etwa Hans Albert, T r a k t a t über kritische Vernunft, 2. Aufl., T ü b i n gen 1969, S. 134 ff.; Stig Jorgensen, N o r m u n d Wirklichkeit, Rechtstheorie 1971, S. 6 ff.; Norbert Hoerster, Grundthesen analytischer Rechtstheorie, i n : J a h r buch f ü r Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie Bd. 2 (1972), S. 115 ff.; Karl R. Popper, Das Elend des Historizismus, bes. S. 61 ff. ; Helmut Seiffert, E i n f ü h r u n g i n die Wissenschaftstheorie, Bd. 1, S. 72 f. Z u den Gefahren von A l l g e meinaussagen, die auf keinen bestimmten K o n t e x t bezogen sind, vgl. Paul K. Ryu u n d Helen Silving, Was bedeutet die sogenannte „Relativität der Rechtsbegriffe"?, ARSP Vol. L I X / 1 (1973), S. 57 ff. (76 ff.). 50 Jorgensen, Rechtstheorie 1971, 7 f.; Wolf gang Meyer, Noch einmal: W a h r heitsbegriff u n d Rechtswissenschaft, JuS 1973, 202 ff. (203); s. a. Jens-Michael Priester, Rechtstheorie als analytische Wissenschaftstheorie, i n : Rechtstheorie, Beiträge zur Grundlagendiskussion (hrsg. von Jahr und Maihof er), F r a n k f u r t 1971, S. 73 ff. (42). Langanhaltende wissenschaftliche Auseinandersetzungen sind i n der Regel ein Indiz dafür, daß diese Ausgangsposition nicht deutlich gemacht w i r d , daß also die Ausgangsfragen (Prämissen) unterschiedlich oder die Fragestellungen i m H i n b l i c k auf das zu lösende Problem sogar irrelevant oder ungeeignet sind. 51 A m bekanntesten dürfte das ständige Befragen des Rechtspositivismus auf Gerechtigkeitsvorstellungen sein — eine Frage, zu deren Beantwortung er nicht angetreten war.
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I. 2. Kap.: Organisationsrecht u n d Beamtenrecht
theoretische Aussage g i l t auch f ü r d e n Z u g a n g z u m O r g a n i s a t i o n s r e c h t 5 2 . Es k a n n n i c h t u m d i e „ w a h r e S t r u k t u r der O r g a n i s a t i o n e n " 5 3 oder u m „ d a s W e s e n t l i c h e d e r m o d e r n e n V e r w a l t u n g " 5 4 gehen, s o n d e r n l e d i g l i c h u m verschiedene Sichtweisen, die sich ergänzen. D a b e i h ä n g t das V e r s t ä n d n i s des Organisationsrechts zunächst v o n d e m ab, w a s m a n u n t e r „Organisation" versteht. H i e r lassen sich i m w e s e n t l i c h e n d r e i H a u p t s t r ö m u n g e n i n d e r rechtswissenschaftlichen E r ö r t e r u n g f e s t s t e l l e n 5 5 . A l s O r g a n i s a t i o n k a n n m a n begreifen: 1. d e n I n b e g r i f f d e r wechselseitigen B e z i e h u n g e n d e r O r g a n e tionssubjekte) untereinander u n d zu i h r e n Trägern 56,
(Funk-
2. d e n I n b e g r i f f d e r d u r c h rechtliche R e g e l u n g e n h e r v o r g e r u f e n e n r e a l e n W i r k e i n h e i t e n u n d W i r k z u s a m m e n h ä n g e 5 7 oder 3. d e n I n b e g r i f f d e r s t a a t l i c h e n I n s t i t u t i o n e n u n d Regeln, die d i e V e r w i r k l i c h u n g d e r sog. p r i m ä r e n V e r h a l t e n s n o r m e n z u r A u f g a b e h a ben58. W i l l m a n diese R i c h t u n g e n k u r z f o r m e l h a f t u m s c h r e i b e n , so k a n n m a n sagen, daß die erste e i n e n dogmatisch-statischen A s p e k t h e r v o r k e h r t , d i e z w e i t e e i n e n organisationssoziologisch-dynamischen, die l e t z t e schließlich einen rechtstheoretisch-funktionalen 59. 52 Sie ist natürlich ebenfalls gültig für die hier vertretene Position, die sich bemüht, Sätze zu formulieren, die der Falsifikation zugänglich sind. Z u diesem Wissenschaftsverständnis grundlegend K . R. Popper, L o g i k der Forschung, 5. Aufl., Tübingen 1973, S. 47 ff. 53 So Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 711 d 1. 54 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 438. 55 Außer Betracht bleibt hier — w e i l es auf den rechtstheoretischen u n d -dogmatischen Ertrag ankommt — die Betrachtungsweise der neueren Organisationssoziologie. Sie versteht unter Organisation ein arbeitsteiliges System stabilisierter Verhaltenserwartungen. Vgl. dazu etwa Renate Mayntz, A r t i k e l „Organisation", Wörterbuch der Soziologie, hrsg. von W. Bernsdorf, 2. Aufl. Stuttgart 1969, S. 761 ff.; Niklas Luhmann, Funktionen u n d Folgen formaler Organisation, B e r l i n 1964, S. 25 ff., 59. Diese Definition ist zwar — unter soziologischem Aspekt — zutreffend, jedoch zu weit, u m den hier i n Bezug genommenen Verwaltungsapparat u n d die i h n steuernden Normen i n den G r i f f zu bekommen. Aus ähnlichen Erwägungen bleiben auch die Organisation i m weiteren u n d i m engsten Sinne i n der Terminologie von Hans J. Wolff (Verwaltungsrecht I I , § 71 I I a u n d c) außer Betracht. 56 Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 71 I I b. 57 E.-W. Böckenförde, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 298. Ähnliches meint w o h l Forsthoff (Lehrbuch, S. 440), w e n n er die Verwaltungsorganisation als „Arbeitsinstitution zur V e r w i r k l i c h u n g der staatlichen Zwecke" umschreibt. 58 Vgl. etwa Walther Burckhardt, Organisation der Rechtsgemeinschaft, 2. Aufl. 1944, S. 130; Hans J. Wolff, Theorie der Vertretung, S. 260 f. 50 Bei allen drei Betrachtungsweisen bleibt zunächst das Recht des öffentlichen Dienstes ausgeklammert, das Recht also, durch das natürliche Personen verpflichtet u n d berechtigt werden, die den organisatorischen I n s t i t u tionen zugewiesenen Kompetenzen wahrzunehmen. Vgl. Hans J. Wolff, V e r -
3. F u n k t i o n und Dogmatik des Organisationsrechts
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a) Organisation als dogmatisch-statisches System
Die Entwicklung dieses Aspekts und die detaillierte Darstellung des damit verknüpften dogmatisch-begrifflichen Apparates verdanken w i r vor allem Hans J. Wolff. Seine Ergebnisse sind — abgesehen von den neuerlichen Einwänden von E.-W. Böckenförde 60 — bisher nicht grundsätzlich i n Frage gestellt worden. Die Grundzüge dürfen als i m wesentlichen bekannt vorausgesetzt werden; hier sind lediglich einige Markierungspunkte und Schaltstellen hervorzuheben, an denen Bedeutung und Leistungsfähigkeit des WoZffsehen Systems 61 verdeutlicht werden können. Zentraler Bezugspunkt dieses Begriffssystems ist der Staat als Juristische Person. Insofern übernahm Hans J. Wolff ein seit Gerber, Laband und Jellinek unangefochtenes Dogma. Das gestellte Problem war die Beantwortung der Frage, wie die Handlungen der i m staatlichen „Apparat" tätigen Personen bzw. die von staatlichen Institutionen ausgehenden Akte der juristischen Person „Staat" zugeordnet werden können. Dogmatischer Angelpunkt sind dabei das Organ und die Figur der Organschaft. Wolff betont den rein normativ-institutionellen Charakter des Organs als eines eigenständigen, institutionellen Subjekts von Zuständigkeiten und löst es von dem personellen Substrat, dem Organwalter, ab, von dessen „Dasein, Wechsel und Wegfall" es unabhängig ist 6 2 . A u f diese Weise kann er das Beziehungsverhältnis zwischen dem so bestimmten Organ und der juristischen Person darstellen, i n die das Organ eingebettet ist. Danach firmiert das Organ zwar als eigenständiges Subjekt eines Zuständigkeitskomplexes, jedoch von Zuständigkeiten, die i h m nicht endgültig selbst zustehen, sondern bloße Wahrnehmungszuständigkeiten für die juristische Person sind. Das Handeln innerhalb der Wahrnehmungszuständigkeit bewirkt, daß die Rechtsfolgen der Wahrnehmung der „eigenständigen" juristischen Person, dem das Organ zugehört, endgültig zugerechnet werden. Eine Folge davon ist, daß der Bürger nicht dem Organ, sondern der juristischen Person konfrontiert ist 6 3 . waltungsrecht I I , §71 I V b 2; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 431. Die Verknüpfung dieser beiden Bereiche darzustellen, ist ein Anliegen dieser A r b e i t ; denn Dienstrecht ist nicht n u r m i t Bezug auf die „Handlungsfähigkeit" von Organisationen, sondern auch für die auf den Vollzug von Außenrechtsnormen angewiesenen Bürger ein „unverzichtbares Komplement zum Organisationsrecht". Vgl. Wilhelm Wertenbruch, Sozialverfassung — Sozialverwaltung, F r a n k f u r t 1974, S. 48. 60 Festschrift für Hans J. Wolff, S. 269 ff. 61 Zuerst entwickelt i n : Theorie der Vertretung, jetzt zusammengefaßt i n : Verwaltungsrecht I I , §§ 71 - 78. 62 So eine Formulierung i n RGZ 32, 366. 63 Das ist der materiell-rechtliche Regelfall; prozessual können natürlich aus pragmatischen Erwägungen Abweichungen angeordnet werden. Vgl. n u r
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I. 2. Kap.: Organisationsrecht u n d Beamtenrecht
Der konstruktive Ansatz unter dem Gesichtspunkt der Organschaft soll mehrerlei ermöglichen: 1. Die Begründung der (Teil-) Rechtssubjektivität von Organen m i t Bezug auf den innnerorganisatorischen Rechtskreis 64 . 2. Die Herauskristallisierung des Amtswalterrechts, welches gleichsam die Brücke zwischen Organisations- und Dienstrecht herstellt 6 5 . 3. Das Auffinden der Stelle, als deren Handlung ein beliebiges Verhalten natürlicher Personen i n Wahrnehmung der Zuständigkeiten einer Organisation gilt. Dergestalt entsteht eine Zurechnungskette, an deren Endpunkten sich der Amtswalter bzw. die eigenständige juristische Person befinden: Das Handeln eines konkreten Amtswalters gilt als Handeln des Amtes, dies wiederum als das des Organs, welches schließlich den A k t der juristischen Person vermittelt 6 6 . Umgekehrt werden die an die juristische Person adressierten Berechtigungen und Verpflichtungen hinuntergeleitet bis zu einem konkreten Amtswalter. Dieses System sollte nicht als apriorisches und absolutes mißverstanden werden 6 7 . Hans J. Wolff selbst betont die „Relativität des Organbegriffs, d. h. seine Bezogenheit auf die für die Subjektivierung des Organs maßgebliche Teilrechtsordnung" 68 . Damit w i r d die Tatsache angesprochen, daß die Qualifikation einer Verwaltungsinstitution als Organ nicht ein für allemal, d. h. i m Verhältnis zu allen anderen Rechtssubjekten gilt. Vielmehr ist auch hier dem Umstand Rechnung zu tragen, daß „Organschaft" ein Relationsbegriff und die Organqualität jeweils auf das Rechtsverhältnis bezogen ist, auf das sich die einer Institution durch Rechtssätze eingeräumten Befugnisse* 9 erstrecken 70 . So kann ein und die§5 A G V w G O NW, der durch die ausdrückliche Regelung den N o r m a l f a l l gerade bestätigt. 64 Vgl. vorläufig Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 74 I f 1 ß\ Rupp, Grundfragen, S. 81 ff. Näheres dazu unten Zweiter Teil, Zweites Kapitel, 2, Fünftes Kapitel, 2. 65 Vgl. E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 271. ββ Hans J. Wolff, Theorie der Vertretung, S. 235, 243, 250. 87 Möglicherweise beruhen einige der Angriffe von E.-W. Böckenförde (Festschrift für Hans J. Wolff, S. 269 ff.) auf der Einschätzung des Wölfischen Systems als starres Schema. ββ verwaltungsrecht I I , § 74 I f 6 β. 69 Vorerst w i r d dieser neutrale Ausdruck gewählt. A u f den Problemkreis „Zuständigkeit u n d subjektives Recht" w i r d noch einzugehen sein. 70 Dazu vgl. Richard Thoma, Das System der subjektiven öffentlichen Rechte u n d Pflichten, HDStR I I , §102, S. 611; Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 528 f.; Hans J. Wolff, Juristische Person u n d Staatsperson, S. 202 f.; Theorie der Vertretung, S. 249; Otto Bachof, Teilrechtsfähige V e r bände des öffentlichen Rechts, AöR Bd. 83 (1958), S. 208 ff. (263 f., 267); Fritz Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, passim; Rupp, Grundfragen, S.81 ff.; E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 282.
3. F u n k t i o n u n d Dogmatik des Organisationsrechts
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selbe Institution i m Verhältnis zu einem anderen Organ, i m Verhältnis zu einer dritten Institution wiederum Organteil sein oder gar der Organqualität entbehren. Demgemäß ist beispielsweise der Bundesratspräsident i n seiner Eigenschaft als Vertreter des Bundespräsidenten (Art. 57 GG) Organ des Bundes, i m übrigen aber Organ des Bundesrates und i m Verhältnis zum Bund nurmehr Organ-Organ 71 .Des weiteren können etwa Fraktionen i m Verhältnis zum Bundestag Organstellung einnehmen 72 , i m Verhältnis zu der sie tragenden Partei aber der Organqualität völlig entbehren, d. h.: insoweit rechtlich irrelevant sein. Diese Relativität des Organbegriffs zeigt sich nicht nur i n der jeweiligen Bezogenheit von Verwaltungsinstitutionen auf andere Institutionen, sondern auch i m Hinblick auf Zuständigkeiten 7 3 . I n bezug auf einen bestimmten Aufgabenkomplex kann nämlich eine Institution Organ sein, i m Hinblick auf einen anderen wiederum nur „Organteil" 7 4 . Daß dies so ist, bedeutet einmal, daß die Rechtsordnung durch keinen organisationssystematischen „Regelfall" gebunden ist, zum anderen, daß die Rechtsordnung jeweils bestimmen kann, welche Institution sie bezüglich welcher Zuständigkeitskomplexe als Organ betrachtet wissen w i l l sowie weiter, welcher höheren Handlungseinheit das Organhandeln als eigenes zugerechnet werden soll. Der letzte Satz ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, besagt er doch nichts anderes, als daß Erkenntnisquelle für die organschaftlichen Beziehungen das positive Recht ist. Er mag aber zweierlei verdeutlichen: Erstens sollte der Eindruck vermieden werden, es gebe ein auf vorgegebenen sachlogischen Strukturen aufruhendes, gleichsam apriorisches organisationsrechtliches Schema. Sperren für eine positiv-rechtliche Disposition bieten lediglich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit, allenfalls noch — i n Verbindung m i t dem Gebot der Systemgerechtigkeit — die organisatorische Zweckmäßigkeit 75 . Zweitens: Da, wie gesagt, das positive Recht die organisatorischen Gestaltungen 71 E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 285. Seine dort geäußerte Ansicht, der Bundestagspräsident i n seiner Eigenschaft als Inhaber der Polizeigewalt sei Organ des Bundes, dürfte w o h l nicht zutreffen. Nach h. M. steht die Polizeigewalt dem Bundestag zu, der Präsident übt sie als dessen Organ aus. Vgl. etwa Karl-Heinz Kleinschnitt g er, Die Rechtsstellung des Bundestagspräsidenten, Diss. Münster 1963, S. 15 m i t weiteren Nachweisen. 72 Die Frage als solche ist umstritten. Z u i h r braucht aber nicht Stellung genommen zu werden, da es hier n u r auf ein Konstruktionsmodell ankommt. Z u m Problem selbst siehe Norbert Achterberg, Grundzüge des Parlamentsrechts, München 1971, S. 39 m i t Nachweisen; Wolf-Dieter Hauenschild, Wesen und Rechtsnatur der parlamentarischen Fraktionen, B e r l i n 1968, S. 167 ff. 73 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 74 I f 6. 74 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 74 I f 6. 75 E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 300.
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I . 2. Kap.: Organisationsrecht u n d Beamtenrecht
vornimmt, sind Organbegriff und Organschaft allemal relativ, nämlich bezogen auf die sie betreffenden Rechtssätze. Man könnte — vereinfachend — geradezu sagen: Die Relativität ist der Regelfall. Genau betrachtet ist sie sogar der einzige Fall, da Organqualität immer — ebenso wie Rechtsfähigkeit — von dem sie konstituierenden Rechtssatz abhängt. Dieser Umstand w i r d bei Hans J. Wolff nicht immer deutlich herausgekehrt oder sogar verdeckt; so etwa, wenn er schreibt, Organe könnten ausnahmsweise rechtsfähige Subjekte sein 76 oder wenn es an anderer Stelle 7 7 heißt, es sei sogar möglich, daß Organteile vereinzelte eigenständige Zuständigkeiten auch i m Verhältnis zu demjenigen Organ besäßen, dessen Teile sie seien. Dieser Umstand ist jedoch kein Beleg für ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, sondern lediglich Ausdruck der Tatsache, daß die Rechtsordnung i m organisatorischen Bereich unterschiedlich disponieren kann. Eine Institution, d. h. ein Zuständigkeitskomplex einschließlich persönlicher und sachlicher Mittel, ist eben nicht ein für allemal Organ oder Organteil, sondern nur nach Maßgabe der sie jeweils betreffenden Rechtssätze. I n dem B i l d des Regel-Ausnahme-Verhältnisses zeigt sich das statische Moment des Woi/fschen Schemas. Es bietet gleichsam eine Momentaufnahme der Verwaltung, wobei alles, was augenblicklich nicht erfaßt ist, als Ausnahme aus dem Bilde herausfällt und gesondert wiedergegeben werden muß. Der Grund dafür liegt i n der Wahl des ebenfalls statischen Ausgangspunktes, nämlich der Zurechnungseinheit „Juristische Person". Eine Betrachtungsweise hingegen, die von der Bezogenheit der Organschaft auf die Rechtsordnung ausgeht, löst zwar diese Zurechnungseinheit nicht auf, eröffnet aber einen unbefangeneren Zugang zu den vielfach abgestuften organisatorisch Differenzierungen innerhalb organisatorischer Handlungseinheiten 78 . Damit ist die Tatsache bezeichnet, daß ein Handlungssubjekt (Organ) i n sich wiederum organisiert, d. h. i n eigenständige Funktionsträger gegliedert sein kann 7 9 . So hat etwa das Universitätsparlament (Konvent), welches ein Organ der Hochschule ist, i m Vorsitzenden selbst wieder ein Organ. Die Relativität des Organbegriffes zeigt sich besonders deutlich, wenn man nicht auf die Zurechnung von Organhandeln an die juristische Person i m Verhältnis zur sog. allgemeinen Rechtsordnung, sondern auf den innerorganisatorischen Rechtskreis abhebt, d. h. auf das Verhältnis der 7β verwaltungsrecht I I , § 74 I f 1. 77
Ebd., § 74 I f 6. Dazu aus soziologischer Sicht: Luhmann, Funktionen u n d Folgen formaler Organisation, 1964, S. 76, aus organisationsrechtlicher Sicht: Richard Thoma, HDStR, Bd. 2, §102, S. 615; E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 299 f. 79 E.-W. Böckenförde, ebd. 78
3. F u n k t i o n u n d Dogmatik des Organisationsrechts
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Funktionssubjekte einer juristischen Person zueinander. Geht man einmal von der Definition des Organs als eines Subjekts transitorischer Wahrnehmungszuständigkeit aus, dann ergibt sich folgender Gedankengang: Die transitorische Natur der Wahrnehmungszuständigkeit bedeutet, daß das Organ die Aufgaben der juristischen Person, folglich fremde, wahrnimmt, und daß das Organhandeln als solches der juristischen Person gilt. Die Herstellung einer solchen Relation ist aber nur sinnvoll, sofern es sich um die Beziehungen der juristischen Person zu außerhalb ihrer selbst stehenden Rechtssubjekten handelt. Denn die Zurechnung hat die Funktion, dem von dem Handeln eines Organwalters betroffenen Dritten eine rechts- (Vermögens-, haftungs-) fähige Einheit zur Verfügung zu stellen, an die er sich, letztlich i m Prozeß, halten kann. Diese Funktion w i r d jedoch entbehrlich, sofern das Verhältnis von Organen derselben juristischen Person untereinander betroffen ist. Denn was würde es für ein Organ bedeuten, das Handeln eines anderen Organs als solches der juristischen Person gelten zu lassen, der beide angehören? Für dieses Problem ist allein entscheidend, ob einem Organ im Verhältnis zu einem anderen Wahrnehmungszuständigkeiten als eigene organisatorische Rechte zustehen. Hierfür kommt es einzig auf die Qualität der zuweisenden Rechtssätze, nicht jedoch auf die abstrakten Figuren von Organschaft und Zurechnung an. Das Merkmal der transitorischen Zurechnung kann jeweils nur i m Hinblick auf die Bezugsordnung, auf deren Beurteilung es ankommt, gebraucht werden. Das ist nur dann der Fall, wenn eine Institution, um deren Befugnisse es geht, sich das Handeln einer Unter-Institution zurechnen lassen muß. Die OrganscTia/t ist aber hinfällig, soweit es um eigene Befugnisse des „Organs" i m Verhältnis zu anderen Organen geht. Hält man m. a. W. am Merkmal der transitorischen Zurechnung fest, dann sind „Organe" auf der Organebene nicht mehr Organe 80 . Entsprechendes gilt dann ebenso i m Verhältnis von Organ zu Organteilen (Ämtern). Für diese Relation ist die Tatsache irrelevant, daß zwischen juristischer Person und Organ ein ZurechnungsVerhältnis besteht, das Organ also eine transitorische Wahrnehmungszuständigkeit besitzt. Für das A m t ist das „Organ" lediglich die übergeordnete Funktionseinheit, ohne insoweit Organqualität zu besitzen — nicht, w e i l es dieser Qualität überhaupt entbehren würde, sondern weil sie i n dieser Beziehung unerheblich ist. Man kann noch weitergehen: Eine gegebene Funktionseinheit heißt Organ immer (nur) insoweit, als ihr „Handeln" einer höheren Funktionseinheit unmittelbar zugerechnet wird. Insofern ist also auch das A m t i m Verhältnis zur übergeordneten Funktionseinheit Organ. Das Problem der Weiterleitung bis zum Zurechnungsendsubjekt ist für diese Relation allenfalls mittelbar von Bedeutung. 80 E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 278 f.; Klaus Z u r Beteiligungsfähigkeit i m Kommunalverfassungsstreitverfahren, 1970, 237 ff. (241). Vgl. auch Rupp, Grundfragen, S. 89.
7 Schnapp
Ewald, DVB1.
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I . 2. Kap.: Organisationsrecht u n d Beamtenrecht
Diese „Relativierung des Problems der Zurechnung" 8 1 ist freilich von vornherein hinfällig, wenn man die These aufrechterhält, daß Organe nur Kompetenzen (Wahrnehmungszuständigkeiten), nicht aber Eigenzuständigkeiten als subjektive Rechte haben können 8 2 . Dann bedarf es mangels subjektiver Rechte keiner Klärung des Verhältnisses von Organen untereinander. Organschaft und transitorische Zurechnung sind für diesen Fall ausschließlich bedeutsam i m Verhältnis Organ — juristische Person. Es bedarf keiner Befassung mehr damit, ob der Organbegriff mit dem konstitutiven Merkmal der transitorischen Zurechnung sich auf der Organebene überhaupt sinnvoll verwenden läßt. W i l l man andererseits angesichts des im Ergebnis nicht bestrittenen Sachverhalts, daß Organe i m Verhältnis zueinander subjektive Rechte haben können 8 3 , ohne aufzuhören Organe zu sein, an einem absoluten Organbegriff festhalten, dann bedarf es eines gehörigen konstruktiven Aufwands, ohne daß sich i n der Sache viel ändert. Stellvertretend sei hier der Konstruktionsvorschlag von Hoppe 8 4 angeführt. Hoppe geht i m Ansatz davon aus, daß subjektive Rechte der Organe (und Organteile) i m Verhältnis zueinander nicht nachweisbar sind 8 5 . Um dennoch auf dem Boden der klassischen Lehre zur Möglichkeit der klageweisen Verteidigung von Zuständigkeitsbereichen zu gelangen, greift er zu folgender Konstruktion 8 6 : Er nimmt ein intrapersonales subjektives Recht der Gesamtorganisation (juristische Person) gegenüber ihren Organen auf ungestörte Funktionsausübung an. Da die juristische Person aber wiederum nur durch ihre Organe handeln kann 8 7 , w i r d das 81 E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 304. Diese Ausdrucksweise ist freilich noch schief. Denn da Organschaft u n d Zurechnung ohnehin relativ sind, d. h. bezogen auf den vermittelnden Rechtssatz, gibt es nichts, was zu relativieren wäre. 82 Grundlegend Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 231 f. I m Anschluß an i h n Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 452; Rupp, Grundfragen, S. 99. Dazu E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 279. 83 Gunter Kisker, Insichprozeß u n d Einheit der Verwaltung, Baden-Baden 1968, bes. S. 35 ff.; Dieter Lorenz, Z u r Problematik des verwaltungsgerichtlichen Insichprozesses, AöR Bd. 93 (1968), S. 308 ff.; Dimitris Th. Tsatsos, Der verwaltungsrechtliche Organstreit, Bad H o m b u r g v. d. H. 1969; Rolf Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, B e r l i n 1970; Werner Hoppe, Organstreitigkeiten u n d organisationsrechtliche subjektiv-öffentliche Rechte, DVB1. 1970, 845 ff. ; ders., Organstreitigkeiten vor den Verwaltungs- u n d Sozialgerichten, Siegburg 1970 (bes. S. 119 ff.); Klaus Ewald, Die prozessuale Behandlung des inneruniversitären Verfassungsstreits, WissR 1970, 35 ff.; Ernst-Werner Fuß, Verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten i m Universitäts-Innenbereich, WissR 1972, 97 ff. 84 Organstreitigkeiten v o r den Verwaltungs- und Sozialgerichten, 1970. 85 Organstreitigkeiten, S. 103 ff., 173 ff. 86 Organstreitigkeiten, S. 181 ff. 87 Diese gängige Ausdrucksweise ist inkorrekt, da das Organ w i e die j u r i stische Person ein künstlicher Funktionsträger, d. h. ein gedankliches K o n -
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Hecht auf ungestörte Funktionsausübung von dem Organ, i n dessen Zuständigkeitsbereich eingegriffen worden ist, i m Wege der Prozeßstandschaft als Wahrnehmungszuständigkeit für die juristische Person geltend gemacht 88 . Diese Konstruktion ist mehrfach auf K r i t i k gestoßen. So w i r d geltend gemacht, daß der Boden der eigenen Prämissen verlassen werde, wenn das Zurechnungsverhältnis zunächst durch ein „echtes" Rechtsverhältnis zwischen juristischer Person und ihren Organen eliminiert, dann aber — um prozessual handhabbar zu sein — wieder installiert werde 8 9 . Ausschlaggebend bei der K r i t i k dürften die folgenden Einwände sein: Der Ansatz von Hoppe läßt die Relativität des Organbegriffes außer Acht und baut auf der Devise auf: „Einmal Organ — immer Organ". A n ders ausgedrückt 90 : eine Institution soll, obwohl ihr i m gegebenen Konstruktionszusammenhang nicht die Qualifikationsmerkmale des Organs zukommen, dennoch i m organschaftlichen Verbund festgehalten werden. U m trotz dieses Ausgangspunktes zum vorgestellten Ergebnis zu gelangen, bedarf es eines konstruktiven Aufwandes, dessen Nutzen schwer einsehbar zu machen ist. Gelangt man nämlich zu dem Ergebnis, daß Kompetenzeinbrüche von der betroffenen Funktionseinheit gerichtlich abgewehrt werden können, dann ist es letztlich gleich, m i t welchem Ausdruck man einen solchen Reaktionsanspruch belegt und ob man i h n der betroffenen Funktionseinheit selbst zuordnet oder von ihr i m Wege der Prozeßstandschaft für die übergeordnete Funktionseinheit geltend machen läßt. Die Frage selbst, ob Kompetenzen mit subjektiven Abwehrrechten derjenigen Funktionsträger ausgestattet sind, zu deren Gunsten die jeweilige Kompetenznorm w i r k t , w i r d uns noch an anderer Stelle beschäftigen. Hier soll nur noch auf einen von Rupp 9 1 formulierten Einwand eingegangen werden. Nach seiner Auffassung sind subjektive Rechte eines Organs gegenüber anderen Organen auf ungestörte Ausübung der Organschaft „schlechterdings ausgeschlossen". Hinweisen auf positiv-rechtlich geregelte Möglichkeiten von Organstreitverfahren hält er entgegen, hier führe das rein prozeßrechtliche Denken zu einem Trugschluß. Dem Prozeßrecht sei es unbenommen, einen Organstreit gerichtlicher Kontrolle zugänglich zu machen, ohne daß um subjektive Rechte gestritten werde 9 2 . strukt ist. Handeln i m eigentlichen Sinne können n u r Amtswalter. Vgl. Hans J. Wolff , Theorie der Vertretung, S. 259. 88 Organstreitigkeiten, S. 183. 89 E.-W. Böckenförde, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 279, Fußn. 34. 90 E.-W. Böckenförde, ebd., S. 279. 91 Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 99 f. 92 Gleichwohl r e k u r r i e r t er an anderer Stelle (Grundfragen, S. 174) auf die 7*
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Zutreffend ist sicher, daß „Rechte" von Funktionsträgern auf ungestörte Kompetenzausübung insofern nicht mit subjektiven Individualrechten gleichgestellt werden können, als bei letzteren ein realer Interessenträger vorhanden ist, während der Institution ein solches Substrat fehlt 9 3 . Aber bereits der Hinweis darauf, Organstreitverfahren dienten der Wahrung objektiven Rechts, vermag nicht zu verfangen, weil er von der unzutreffenden Prämisse ausgeht, Individualstreitverfahren dienten ausschließlich dem privaten Interesse. I m Bereich der Grundrechtsdiskussion ist mitlerweile anerkannt, daß es einen objektiv-rechtlichen Aspekt der Grundrechte als Elemente der Gesamtrechtsordnung des Gemeinwesens gibt 9 4 . Die Zuerkennung subjektiver Rechtspositionen ist also nachgerade ein M i t t e l zur Gestaltung der Verfaßtheit eines Gemeinwesens. U m m i t Georg Jellinek 95 zu sprechen: „ K e i n rechtliches Einzelinteresse, das nicht i n Beziehung zum Gemeininteresse stünde." Die Gemengelage von öffentlichen und privaten Interessen 96 , von subjektivem oder objektivem Recht 9 7 ließe sich nur entwirren, wenn man i n diesem Bereich von einer strengen Dichotomie, um nicht zu sagen einem Antagonismus ausginge. Eine solche Auffassung beruht jedoch nicht nur auf überholten Vorstellungen vom Verhältnis des Individuums zum Staat 9 8 , sondern behauptet auch implizit die Erkennbarkeit dieser Größen m i t wissenschaftlichen Methoden 99 . Schließlich ist es richtig, daß es dem Prozeßrecht unbenommen ist, Organstreitigkeiten gerichtlicher Kontrolle zugänglich zu machen. Ob man i n solchen, ausdrücklich geregelten Fällen von subjektiven Rechten spricht oder nicht, ist eine Frage, deren Behandlung als Sachfrage die Anfechtungsklage als „das einzig tragfähige Indiz dafür, daß es bei Statusverletzungen materiell-rechtliche Reaktionsansprüche geben müsse". Z u diesem Problemkreis i n Beziehung zu Grundrechten vgl. Erichsen, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 217 ff. (220 f.). 93 „Interesse" ist ein individual-psychisches Phänomen u n d bezeichnet die Relation eines Subjekts zu einem Objekt. Vgl. näherhin Wolf gang Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, Bad H o m b u r g v. d. H. / B e r l i n / Zürich 1969, S. 173 ff. 94 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 9 I I 3 (S. 121 ff.). 95 System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905, S. 53. 98 Hierzu V G H Stuttgart, E S V G H 2, 175; Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht, Tübingen 1968, S. 29; Schnapp, Die Betriebskrankenkasse 1969, S. 97 ff. (100). 97 Z u r Fragwürdigkeit der Unterscheidung zwischen objektivem u n d subj e k t i v e m Recht vgl. Schnapp u n d Meyer, Z u r Entwicklung von sozialen Rechten i n der Sozialgesetzgebung, Deutsche Rentenversicherung 1973, 66 ff. (73 f.); s. a. die Andeutung bei Winfried Brohm, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, V V D S t R L 30 (1972), 245 ff. (272). 98 Dazu Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht, passim. 99 E i n solcher Versuch dürfte zum Scheitern verurteilt sein; vgl. n u r W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 175 m i t Nachweisen.
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Diskussion i n das Terminologische abdrängt 1 0 0 . Entscheidend allein ist, ob eine (verwaltungs-) gerichtliche Klage zulässig ist oder nicht. Das wiederum bedingt eine materiell-rechtliche Vorklärung 1 0 1 , aus der prozessual die Konsequenzen zu ziehen sind. Die ausdrückliche Zulassung von Organstreitigkeiten vermag diese materiell-rechtliche Frage nicht zu determinieren, weder i n der einen noch der anderen Richtung. Außerdem ist die Konstruktion von Rupp insofern widersprüchlich, als er sich zur Begründung des subjektiven öffentlichen Reaktionsanspruchs i m sog. Außenbereich i n glossatorischer Methode ausdrücklich auf die Möglichkeit der Anfechtungsklage bezieht, um „aus der verwaltungsgerichtlichen actio auf ein hinter ihr zu denkendes materiell-rechtliches öffentliches jus zu schließen" 102 . Dann aber bleibt unerfindlich, warum subjektive Rechte eines Organs gegenüber anderen Organen auf ungestörte Ausübung der Organschaft, d. h. i m sog. Innenbereich, „schlechterdings ausgeschlossen" 103 sein sollen. Enthalten doch auch jene prozessualen Vorschriften, welche Organstreitverfahren ermöglichen, die Formulierung „Rechte und Pflichten" 1 0 4 . Spricht aber schon das Prozeßrecht von „Rechten und Pflichten", dann muß es — um i n der Rupp'schen Konstruktion zu bleiben — auch dahinterstehende materielle Rechte und Pflichten geben, mit denen die actio „ i n Bewegung gesetzt" werden kann. Weigert man sich, die Bezeichnung „subjektives Recht" zuzuerkennen 1 0 5 , dann argumentiert man allein noch begriffs- statt sachbezogen. Überdies würde man übersehen, daß auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts — Bund, Länder, Gemeinden, Hochschulen etc. — „künstliche" Funktionsträger sind, ihnen jedoch die Innehabung subjektiver Rechtspositionen nicht bestritten wird. Verkennt oder verneint man also die Relativität der Organschaft, dann verdeckt man die mögliche Komplexität des organschaftlichen Rechtskreises und beharrt i n der bereits erwähnten ganzheitlichen Betrachtungsweise, ohne daß der dann erforderliche Konstruktionsaufwand sonderlich ergebnisrelevant wäre. Hält man materielle Rechte von 100
E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 302, Fußn. 110. Letztlich vermag Rupp keinen sachlichen G r u n d für seine These anzugeben. E.-W. Böckenförde (Festschrift für Hans J. Wolff, S. 291, Fußn. 77) hat i h m zu Recht entgegengehalten: „ W a r u m eigentlich sollen Organe nicht ein subjektives Recht auf ungestörte W a l t u n g ihrer Organfunktionen haben können?" 102 Grundfragen, S. 175. 103 Grundfragen, S. 99. 104 Vgl. i m einzelnen Manfred Goessl, Organstreitigkeiten innerhalb des Bundes, B e r l i n 1961, S. 55; des weiteren Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 278,105. 105 Vgl. auch Geiger, N J W 1954, 1057: rechtliche F i k t i o n zur Ermöglichung des Prozesses. 101
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Organen 1 0 6 für „schlechterdings ausgeschlossen", so verschüttet man einen Teil der Ansätze des W o l f f sehen Organisationssystems, das u. a. auch dazu dient, das Organ als eigenständigen, institutionellen Funktionsträger innerhalb einer Organisation hervorzukehren, auf diese Weise für Rechtssubjektivität aufnahmebereit zu machen und so — möglicherweise — als Inhaber subjektiver Rechte firmieren zu lassen. Gegenüber den Einwänden von Ernst-Wolf gang Böckenförde, der zutreffend die Relativität der Organschaft betont, die juristische Person jedoch mit Hilfe der Organisation als einer kontinuierlichen W i r k - und Handlungseinheit verdrängen w i l l , ist hingegen festzuhalten, wofür die dogmatisch-statische Betrachtungsweise von Hans J. Wolff erforderlich ist. Rechtsdogmatische Konstruktionen erweisen ihre Relevanz i m konkreten Rechtsanwendungsprozeß, d. h. bei der Beantwortung einer Rechtsfrage m i t Hilfe eines abgeschlossenen Komplexes von Rechtssätzen. Stellen sich derartige Rechtsfragen i m organisatorischen Bereich, kommt es also etwa auf das für eine bestimmte Maßnahme zuständige Organ an, dann bedarf es der statischen Betrachtungsweise, also der bereits apostrophierten „Momentaufnahme". Das „Gesamtbild" der Institution hingegen setzt sich gewissermaßen aus einer Reihe von „Momentaufnahmen" zusammen. Ein Beispiel mag das nochmals verdeutlichen: Nach § 30 Abs. 2 des nordrhein-westfälischen Hochschulgesetzes vom 7. A p r i l 1970 (GV S. 254) vertritt der Rektor — nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes ein Organ der Hochschule — die Hochschule gerichtlich und außergerichtlich. Außerdem entscheidet er i n dienstrechtlichen A n gelegenheiten u. a. der an der Hochschule tätigen Beamten. W i r d er i n ersterer Funktion tätig, dann weist i h m die Momentaufnahme als Organ der Körperschaft „Hochschule" aus, sein Handeln w i r d der Hochschule zugerechnet. I n der zweiten Funktion hingegen steht er nicht mehr i n körperschaftlichen Beziehungsgefüge, ist vielmehr — mangels eigener Dienstherrnfähigkeit der Hochschule — eine Stelle i m dienstrechtlichen Instanzenstrang. Soweit es um eine Rechtsfrage aus diesem Bereich geht, ergibt die „Aufnahme" folglich ein anderes „ B i l d " . Erst die Summe dieser Bilder macht die Institution „Rektor" aus. Damit ergeben sich sowohl Notwendigkeit als auch unterschiedliche Leistungsfähigkeit einer statisch-verabsolutierenden und einer relativierenden Betrachtungsweise: Erstere ist behilflich, u m A n t w o r t auf konkrete Rechtsfragen zu geben, letzterer muß man sich bedienen, u m das Gesamtbild einer Institution nachzeichnen zu können. 108 Auch dieses Sprechen von Organen schlechthin übersieht die Relativität der Organschaft. Eine I n s t i t u t i o n ist n u r soweit Organ, als Rechtssätze i h r diese Eigenschaft zuweisen. W e i l i m Verhältnis von Organen zueinander die transitorische Zurechnung irrelevant ist — u n d damit auch der Organbegriff — ist die Wendung „subjektiver Rechte des Organs gegenüber anderen Organen" (Rupp, Grundfragen, S. 99) zumindest verkürzt.
3. F u n k t i o n und Dogmatik des Organisationsrechts
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b) Organisationssoziologisch-dynamische Betrachtungsweise
Gestützt auf neuere organisations-soziologische Untersuchungen hat Winfried Brohm 107 neuestens die am hierarchischen Prinzip ausgerichtete Dogmatik unseres Verwaltungsorganisationsrechts, wie sie vor allem durch das Begriffssystem von Hans J. Wolff repräsentiert wird, bemängelt. Sie sei angesichts der Komplexität von abgestuften Entscheidungsfunktionen und der Vielfalt von Entscheidungszentren immer weniger i n der Lage, die Verwaltungswirklichkeit dogmatisch i n den Griff zu bekommen. „Die Staats- und Verwaltungspraxis hat sich weitgehend neben den Grundsätzen der Dogmatik entwickelt" 1 0 8 . I n der Tat scheint ein gleichsam an einem archimedischen Punkt ausgerichtetes System, das staatliche Entscheidungsprodukte gleichsam an einen Strang gebunden vorstellt, kaum dazu geeignet zu sein, Verwaltungswirklichkeit adäquat widerzuspiegeln 109 . Dieses System sieht die Einheit der staatlichen Willensbildung entweder durch das Weisungsrecht oder — bei verselbständigten Verwaltungseinheiten — durch die Staatsaufsicht gewährleistet. I n der heutigen komplexen und pluralisierten Verwaltung m i t einer Vielzahl ineinandergreifender, multilateral verbundener Subsysteme, Kontroll- und Entscheidungsmechanismen ver liert eine solche „lineare" Theorie zunehmend an realem Bezug. Das ist auch die Stoßrichtung der Ausführungen von E.-W. Böckenförde, der die Kunstfigur der juristischen Person durch die Organisation ersetzen w i l l , wobei er die organisationsrechtlichen Hegelungen als „unabtrennbares Moment der Organisation i m sozialwissenschaftlichen S i n n " 1 1 0 ansieht: „Organisation i m Rechtssinn und Organisation i m faktischen Sinn können daher nicht als voneinander unabhängige, je eigenen Voraussetzungen und Konstruktionsprinzipien folgende Erscheinungen verstanden werden, sondern nur als zwei Seiten einer, und zwar derselben Sache. Diese organisationsrechtlichen Grundbegriffe sind infolgedessen darauf verwiesen, eine schon vorgegebene rechtlich-soziale Wirklichkeit gedanklich zu erfassen und zum Ausdruck zu bringen; sie sind nicht ,frei', d. h. durch beliebig wählbare methodische Prämissen konstruierbar"111. Die Bemühungen von Brohm und Böckenförde sind ersichtlich darauf gerichtet, die organisatorische „Wirklichkeit" zu erfassen; sie stützen sich nicht zufällig auf organisationssoziologische Untersuchungen. Nun 107
V V D S t R L 30 (1972), S. 293 ff. Ebd., S. 297. 109 Z u r K o m p l e x i t ä t u n d Differenzierungsoffenheit von Organisationen vgl. Niklas Luhmann, Funktionen u n d Folgen formaler Organisation, B e r l i n 1964, S. 73 ff.; Renate Mayntz, Soziologie der Organisation, H a m b u r g 1963, S. 77 ff. 110 Festschrift für Hans J. Wolff, S. 294. 111 Ebd. 108
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dürften aber die rechtlichen und die sozialwissenschaftlichen Aspekte von Organisation das Phänomen „Organisation" bei weitem nicht erschöpfen. Bemühungen um eine „komplette" Erfassung müßten auch ökonomische, technische, individual- und sozialpsychologische und arbeitsmedizinische Aspekte erfassen, um nur einige zu nennen 112 . Bei alldem stehen — wenn ich recht sehe — die wissenschaftstheoretischen Überlegungen von System- und Organisationstheorie zu Interdisziplinforschung und -lehre noch am Anfang 1 1 3 . Zudem muß bezweifelt werden, ob soziale Wirklichkeit, die hyperkomplex ist 1 1 4 , überhaupt „total" erfaßt werden kann 1 1 5 . Es geht also i n der Auseinandersetzung von Brohm und Böckenförde m i t dem durch Hans J. Wolff repräsentierten tradierten System nicht um die „richtige" Sicht oder das „richtige" organisationsrechtliche System, sondern um die Hinzufügung eines neuen Aspekts bei der Erfassung von Organisation. Gelingt es dabei, die Ergebnisse der Dogmatik m i t denen der Organisationssoziologie zu harmonisieren, so kann man davon sprechen, m i t Hilfe einer solchen Betrachtungsweise der organisatorischen „Wirklichkeit" ein Stück näher gerückt zu sein. Diese Chance beseitigt jedoch nicht die Möglichkeit, Legitimität und sogar Notwendigkeit, Organisation ausschließlich unter einem normativ-institutionellen Aspekt zu betrachten 118 , solange der so vorgehende Forscher — das ist allerdings erforderlich — seinen unilateralen Zugang und die — notwendig beschränkte — Leistungsfähigkeit seiner Methode deutlich macht 1 1 7 . Die harmonisierende Addition der verschiedenen Zugänge ergibt schließlich ein annähernd sachadäquates „Gesamtbild" des Betrachtungsgegenstandes. 112
Vgl. Rüssel L. Ackoff, System, Organisations, and Interdisciplinary Research, i n : Donald P. Eckman (Hrsg.), Systems: Research and Design, New Y o r k / London 1961, S. 26 ff. (28) : " . . . few of the problems that arise can be adequately handled w i t h i n any one discipline. Such systems are not fundamentally mechanical, chemical, biological, psychological, social, economic, political, or ethical. These are merely different ways of looking at such systems. Complete understanding of such systems requires an integration of these perspectives." 113 Vgl. Erich Kosiol / Norbert Szyperski / Klaus Chmielewicz, Z u m Standort der Systemforschung i m Rahmen der Wissenschaften, i n : K n u t Bleicher (Hrsg.), Organisation als System, Wiesbaden 1972, S. 65 ff. (81 ff.); Erwin Grochla, Erkenntnisstand u n d Entwicklungstendenzen der Organisationstheorie, ebd., S. 101 ff. (112 ff.). 114 Vgl. Gerhard W. Wittkämper, Uber Systemforschung bei Regierungsu n d Verwaltungssystemen, i n : Bleicher (Hrsg.), Organisation als System, S. 341 ff. (342). 115 Vgl. oben Fußn. 49. 118 Auch auf diese Weise w i r d nämlich ein Beitrag zur „Reduktion von K o m p l e x i t ä t " geleistet. Daß dies besonders für die Dogmatik m i t dem i h r eigenen „Regelcharakter" gilt, betont zutreffend Brohm, Strukturen der W i r t schaftsverwaltung, S. 37. 117 Insofern k a n n Hans J. Wolff kein V o r w u r f treffen. Vgl. Verwaltungsrecht I I , § 711 u n d I I .
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So kann auch die jüngstens ins Spiel gebrachte organisationssoziologische Komponente die Anschaulichkeit bei der Betrachtung des Gegenstandes „Organisation" erhöhen. Fraglich ist jedoch, ob durch diese Erweiterung die Rechtsanwendung gefördert, erleichtert oder verbessert w i r d ; d. h. der dogmatische Ertrag steht zur Debatte. Insoweit ist nicht ersichtlich, inwiefern die Einbeziehung des organisations-soziologischen Aspekts die Rechtsdogmatik bereichert. Die Beantwortung konkreter Rechtsfragen w i r d nicht dadurch ermöglicht, die bestehende Dogmatik nicht dadurch verändert, daß der Staat als real vorhandener Wirkungszusammenhang begriffen w i r d 1 1 8 . So zutreffend daher die Charakterisierung des Staates als „vom Recht beherrschte und durchdrungene, historisch, politisch, kulturell oder soziologisch zusammengewachsene Gemeinschaft" sein mag 1 1 9 , ein „juristisch verwertbarer Rechtsbegriff des Staates ist damit nicht gewonnen" 1 2 0 . Die „Fortschritte des Verwaltungsrechts" 1 2 1 werden denn auch nicht erreicht durch die Eliminierung des Begriffs der juristischen Person, durch die Erweiterung des Organisationsrechts um organisationssoziologische Aspekte oder durch die Qualifikation der staatlichen Handlungsund Wirkeinheit als Anstalt 1 2 2 . Für eine nicht von vornherein i m vollen interdisziplinären Verbund stehende Wissenschaft ist es nicht nur legitim, sondern sogar unvermeidbar, sich auf einen Aspekt — so etwa den normativen — bei der Betrachtung eines Gegenstandes zu beschränken. Bei dieser Vorgehensweise kann sie auch den Kunstbegriff der juristischen Person bilden. Freilich sollte man sich darüber i m klaren sein, daß dieser Figur derzeit eine völlig andere Funktion zukommt als zur Zeit ihrer Einführung i n die deutsche Publizistik. Zu jener Zeit diente sie dazu — wie schon verschiedentlich hervorgehoben wurde — den Streit zwischen Volk und Monarch um die Souveränität im Staate auf einen konfliktdämmenden „dritten W e g " 1 2 3 zu lenken ,indem man „den Staat" zur juristischen Person erhob, ihn allein zum Bezugspunkt der Souveränität machte, somit letztere dem Zugriff von Volk und Monarch juristisch-konstruktiv entzog und beide i n eine „bloße" Organstellung absinken ließ 1 2 4 . Die politische Zielsetzung des Staatspersönlichkeitsdogmas ist also unverkennbar. Derzeit bedarf es jedoch nicht der dogmatisch eingekleideten Auflösung 118
E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 292. Rupp, Grundfragen, S. 110. 120 E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 288. 121 So der T i t e l der Festschrift für Hans J. Wolff. 122 E.-W. Böckenförde, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 295. 123 Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 498. 124 E.-W. Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 290; Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, S. 85 f. ; Quaritsch, Staat u n d Souveränität, S. 498. 119
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eines Prätendentenstreits. Die innerstaatliche Souveränitätsfrage durch A r t . 20 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungskräftig entschieden.
ist
Jedoch bedarf es weiterhin des Sammelbegriffs der juristischen Person, und zwar nicht nur, um dem Gesetzgeber, w i l l er eine Personenvielheit ansprechen, einen Adressaten zur Verfügung zu stellen, der unabhängig von dem jeweiligen Mitgliederbestand ist und dessen Rechtsposition ein aliud gegenüber einer Bündelung der Individualrechtspositionen seiner Mitglieder darstellt. Es bedarf dieses Begriffs ebenso, um dem einzelnen Bürger eine handlungs-, haftungs- und/oder rechtsfähige Einheit zur Verfügung zu stellen, an die er sich — notfalls i m Prozeß — halten kann. Letzlich verwendet auch die positive Rechtsordnung —ζ. B. i n A r t . 19 Abs. 3 GG — diesen Ausdruck. Solange das der Fall ist, läßt sich die juristische Person nicht aus der Dogmatik verbannen. Brohm hebt neben dem organisationssoziologischen noch einen weiteren Aspekt von Organisation hervor, den man gewöhnlich als „prozeduralen" bezeichnet. Die bisherige Vernachlässigung des Organisationsrecht sieht er m i t ausgelöst durch den „punktuellen" Charakter der gegenwärtigen Verwaltungsrechtsdogmatik, die i n ihrer statischen Grundausrichtung an der „einen richtigen Entscheidung" vornehmlich den Verwaltungsakt als Endpunkt der Gesetzesvollziehung erfasse, nicht jedoch den Entscheidungsvorgang selbst 125 . Die herkömmliche Dogmatik repräsentiert gewissermaßen die Sicht des der Verwaltung konfrontierten Bürgers, i n der das Recht die staatliche Organisation gleichsam nur an der Schale trifft. Aus der Bürger-Perspektive ist es i m großen und ganzen ohne Belang, was sich innerhalb der Verwaltung abspielt, solange nur das ihn betreffende Endprodukt staatlicher Willensbildung außenrechtskonform ist. Brohm geht es vor allem darum, den Verwaltungsakt als „klassische" Handlungsform der vollziehenden Gewalt seiner zentralen Stellung zu entrücken und den Blick auf die vielfältigen anderweitigen Gestaltungsfunktionen und -formen der Exekutive zu lenken 1 2 6 . Gleichzeitig verfolgt er das Anliegen, die komplexen Modalitäten der Entscheidungsbildung und die Organisation des Entscheidungsprozesses offenzulegen, um sie auf diese Weise gleichsam für den Zugriff der Verwaltungsrechtsdogmatik aufzubereiten. A u f diese Zielsetzung soll hier nicht näher eingegangen werden. Jedoch hat Brohm mit der Offenlegung der Komplexität des organisatorischen Bereichs mit dazu beigetragen, die Funktion des Organisationsrechts wieder mehr i n das Blickfeld zu rücken, die i m folgenden zu erörtern ist.
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V V D S t R L 30 (1972), 254 ff. Vgl. auch Brohm, S t r u k t u r e n der Wirtschaftsverwaltung, S. 15 ff.
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c) Der rechtstheoretisch-funktionale Aspekt des Organisationsrechts
Nach einer wohl auf August Thon 127 zurückgehenden, von Walther Burckhardt 128 aufgegriffenen und jüngstens von H. L. A. Hart 129 wieder diskutierten Unterscheidung läßt sich die (Verwaltungs-) Rechtsordnung i n zwei Kategorien gliedern. Die erste w i r d von den primären oder Verhaltensnormen gebildet, die der allgemeinen Rechtsordnung angehören sollen 1 3 0 . Weil jedoch diese Verhaltensnormen bei ihrer Verletzung selbst noch keinen Sanktionsautomatismus auslösen, bedürfen sie einer „organisierten Sicherung ihrer Befolgung" 1 3 1 . Die rechtlichen Regelungen, die die zwangsweise Durchsetzung des normgemäßen Verhaltens vorsehen und ermöglichen, werden demgegenüber als sekundäre oder Rechtsverwirklichungsnormen bezeichnet. Ihre Anwendung setzt wiederum die Feststellung voraus, daß eine sog. Verhaltensnorm verletzt ist. Hierzu bedarf es (zumindest) einer rechtssatzmäßig bestimmten Institution, die zuständigkeitsgemäß diesen Sachverhalt festgestellt und die normativ vorgesehenen Konsequenzen anordnet. Auch dieser Bereich w i r d folglich durch die organisatorischen Vorschriften mit abgedeckt. Diese Sichtweise hat die pointierte K r i t i k von Forsthoff gefunden 132 . Stelle man sich — so w i r d eingewendet — die Organisation als Zwangsmittel zur Realisierung der sog. Verhaltensnormen vor, so bringe man die Verwaltung funktionell und organisatorisch i n eine unangemessene A b hängigkeit vom materiellen Recht und übersehe dabei die Eigenständigkeit der Verwaltung, die nicht nur i m Gesetzesvollzug bestehe. Daran ist sicherlich zutreffend, daß die Verwaltung auch i m gesetzesfreien oder doch i m „gesetzesverdünnnten" Bereich agiert 1 3 3 und mehr ist als eine 127 Rechtsnorm u n d subjektives Recht. Untersuchungen zur allgemeinen Rechtslehre, Neudruck der Ausgabe Weimar 1878, Aalen 1964, passim. 128 Organisation der Rechtsgemeinschaft, S. 130. 129
Der Begriff des Rechts, F r a n k f u r t 1973, S. 131 ff. So Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 432. Nach seiner Ansicht wenden sich die „allgemeinen Rechtsnormen" an alle u n d dienen dazu, das Verhalten von jedermann zu bestimmen, während „ i m Gegensatz dazu" die organisatorischen Normen die ämter- u n d behördenmäßige Gestalt des Staates zum Gegenstand haben. Diese Unterscheidung dürfte k a u m h a l t bar sein, da sich w o h l k a u m Normen finden lassen, die sich an jedermann richten. Vgl. Erichsen, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 441 ff. (444). Dabei ist noch die Tatsache ausgespart, daß rechtliche Beziehungen immer mehr (zumindest zwei-) seitige Relationen darstellen (vgl. Schnapp / Meyer, D R V 1963, 75). 131 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 437. 132 Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 438 f. (439) : „Perspektive einer abgelebten Dogmatik." 133 Allerdings dürfte die V e r w a l t u n g k a u m einmal i m total gesetzesfreien Raum tätig werden. Problematisch ist i n aller Regel nicht das Bestehen einer gesetzlichen Grundlage, sondern deren Bestimmtheit. Handelt die V e r w a l t u n g lediglich begünstigend, d. h. i m ausschließlichen Interesse der Allgemeinheit und ohne Marktsituationen oder Konkurrenzlagen zu beeinflussen, so k a n n man den allgemeinen Amtsauftrag (Art. 28 Abs. 2 GG, § 18 Abs. 1 GO NW) 130
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bloße „Subsumtionsorganisation". Dieser Umstand beseitigt jedoch nicht die Legitimität und sogar die Notwendigkeit, den vorhandenen Bestand an Organisationsnormen dort auf seine Funktion h i n zu untersuchen, wo die vollziehende Gewalt auf dem Gebiet des Gesetzesvollzug tätig wird. Forsthoff ist allerdings insofern Recht zu geben, als das Zwangsmoment einen zu kleinen Ausschnitt aus den Organisationsrechtssätzen erfaßt. Diese Perspektive hat offenbar zu sehr das „normgemäße Verh a l t e n " 1 3 4 des der Staatsgewalt subjizierten Staatsbürgers i m Auge, dem durch Gebots- oder Verbotsnormen ein bestimmtes Verhalten auferlegt wird. Die organisatorischen Rechtssätze behalten jedoch ebenso ihre Bedeutung, wo es um die „bloße" Gesetzesverwirklichung i m Leistungsbereich geht. Selbst da, wo die Tätigkeit der Verwaltung nicht als Konkretisierung eines normativ vorgegebenen Programms erscheint, sich also i m gesetzesverdünnten Raum abspielt, sind Organisationsnormen unentbehrlich, u m überhaupt die Funktionsfähigkeit der Verwaltung sicherzustellen. Ihnen kommt also zumindest zweierlei Funktion zu: Einmal haben sie die Aufgabe, das sog. Außenrecht „ i n Bewegung zu setzen"; m. a. W. ohne sie wäre das Außenrecht funktionslos gestellt. Zum anderen dienen sie dazu, i m Wege von Aufgabenverteilung, Steuerung der Verhaltenspflichten von Amtswaltern und Zuerkennung von Entscheidungskompetenzen mögliche Reibungsverluste innerhalb der Verwaltung zu minimieren 1 3 5 . Diesen letzteren Aspekt hat auch H. L. A. Hart i m Auge, der ebenfalls zwischen primären und sekundären Regeln unterscheidet 136 . Primäre Regeln sind solche, die Verhaltensstandards als Verpflichtungen aufstellen. Tauchen Zweifel an der Geltung oder dem Inhalt dieser Regeln auf, dann werden „Regeln eines anderen T y p s " 1 3 7 erforderlich, um diese Fragen zu klären, und zwar deshalb, weil die primären Regeln an drei Hauptmängeln leiden. Den ersten Mangel bezeichnet Hart als „Unbestimmtheit" 1 3 8 . Damit ist nicht die inhaltliche Vagheit gemeint, sondern die Ungewißheit über die Geltung dieser Regeln in einer sozialen Gruppe. Der zweite Mangel ist der statische Charakter der Verhaltensregeln 139 , d. h. sie sehen selbst kein Verfahren für ihre Abänderung vor. Der dritte Mangel besteht schließlich darin, daß die primären Regeln selbst nicht bestimmen, welche Stelle autoritativ und abschließend die „Tatsache des u n d die haushaltsmäßige Ermächtigung genügen lassen. Vgl. Carl Hermann Vìe, A r t i k e l : Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Evangelisches Staatslexikon, Sp. 651 ff., sub I I I A ; Schnapp, Grundgesetz-Kommentar, A r t . 20 Rdnr. 44. 134 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 438. 135 Vgl. auch Rupp, Grundfragen, S. 48. 138 Der Begriff des Rechts, S. 115 ff. 137 Ebd., S. 132. 138 Ebd., S. 133. 139 Ebd.
3. F u n k t i o n und Dogmatik des Organisationsrechts
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Regelbruchs" 140 — und man w i r d erweiternd sagen können: den „richtigen" Inhalt der Verhaltensregeln — feststellt. Demgemäß müssen als Voraussetzung für das Funktionieren eines Rechtssystems i n einer komplex strukturierten Gesellschaft die primären Regeln durch sekundäre ergänzt werden. Diese liegen auf einer anderen Ebene, denn sie sind „Regeln über Regeln. Während die primären Regeln damit beschäftigt sind, festzustellen, was die Individuen t u n dürfen und was nicht, beschäftigen sich die sekundären Regeln m i t den primären. Sie bestimmen, auf welche Weise man sich der primären Regeln schlüssig vergewissern kann, wie sie eingeführt und wieder abgeschafft werden, wie man sie verändert und wie man die Tatsache ihrer Verletzung schlüssig bestimmt" 1 4 1 . I m Hart'schen System setzen sich danach die sekundären Regeln aus drei Gruppen zusammen. Die „Erkenntnisregeln" verhalten sich darüber wann eine primäre Regel rechtliche Gültigkeit besitzt 1 4 2 . Die „Änderungsregeln" sehen vor, unter welchen Voraussetzungen Regeln abgeschafft und verändert werden 1 4 3 . Die „Entscheidungsregeln" schließlich bestimmen die Institutionen und Individuen, die die primären Regeln auslegen, anzuwenden und zu entscheiden haben, und definieren das dabei zu befolgende Verfahren 1 4 4 . Sie ermöglichen dadurch zentralisierte, offizielle „Sanktionen" des Systems 145 und haben auf diese Weise Entlastungsfunktion, indem sie die Zuständigkeit zur letztverbindlichen Entscheidung bestimmen 1 4 6 . Das Verhältnis von primären und sekundären Regeln zueinander und der sekundären untereinander ist i n einem entwickelten Rechtssystem natürlich sehr viel komplexer, als es die vorgeführte Aufteilung auf den ersten Blick vermuten läßt. So sind i n einem Rechtssystem, das nicht nur verteilte Zuständigkeiten, sondern auch ein Arsenal unterschiedlicher hoheitlicher Handlungsformen kennt, die Erkenntnisregeln ineinander verschachtelt, was wiederum bedingt, daß die Rechtsordnung unter ihnen eine Rangordnung herstellen muß, die für den Fall der Kollision eine Derogationswirkung anordnet. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts etwa — 140
Ebd., S. 134. Ebd., S. 135. 142 I n unserem Rechtssystem wäre eine solche Erkenntnisregel beispielsweise A r t . 82 GG. 143 Beispiel: A r t . 79 GG. 144 Beispiel: A r t . 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG i n Verbindung m i t §§ 90 ff. BVerfGG. 145 Hart, Der Begriff des Rechts, S. 139. 146 Beispiel: §§ 113, 114 VwGO. Vgl. dazu etwa Bachof, JZ 1972, 209; Erichsen, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 343 f.; Fritz Ossenbühl, V o m unbestimmten Gesetzesbegriff zur letztverbindlichen Verwaltungsentscheidung, DVB1. 1974, 309 ff. 141
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der für den Adressaten eine primäre (Verhaltens-) Regel darstellt — bedingt nicht nur die Feststellung, daß er von einer normativen Grundlage abgedeckt ist, sondern auch, daß die ermächtigende Norm selbst i n dem vorgeschriebenen Verfahren zustandegekommen und ihrerseits m i t höherrangigem Recht vereinbar ist. Für die Beantwortung einer Rechtsfrage muß also regelmäßig bereits ein Komplex von Erkenntnisregeln herangezogen werden. Sind — um einen weiteren Aspekt der Komplexität anzudeuten — die Erkenntnisregeln normative Aussagen über die primären Regeln, also Metaregeln, dann bedarf es zur Feststellung dessen, ob die Erkenntnisregeln gelten, m i t h i n angewendet werden dürfen, weiterer Erkenntnisregeln, also „Regeln über Regeln über Regeln". Das muß nicht i n einem regressus ad infinitum enden. Wissenschaftlich betrachtet, ist es nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig, den Begründungszusammenhang an der ranghöchsten Stelle des innerstaatlichen positiven Rechts abzubrechen. Für eine Rechtswissenschaft, die sich als Normwissenschaft versteht, d. h. Aussagen über Rechtssätze macht, liegt die Frage nach dem „letzten Geltungsgrund des Rechts" außerhalb des von ihr Beantwortbaren und intersubjektiv Mitteilbaren 1 4 7 . E i n weiterer Punkt betrifft die gegenüber den übrigen sekundären Regeln herausgehobene Funktion der Entscheidungsregeln. I n den Begründungen und Beweisführungen der Rechtsanwender, die durch die Entscheidungsregeln als rechtsfindungsbefugt ausgewiesen sind 1 4 8 , tauchen implizit oder explizit die Erkenntnis- und Änderungsregeln auf, die man wegen ihrer Sachnähe auch zusammenfassend (und verständlicher) als Geltungsregeln bezeichnen kann 1 4 9 . Fehlt es nun an Geltungsregeln oder sind sie diffus, dann w i r d dieser Mangel gleichwohl faktisch behoben durch das Vorhandensein von Entscheidungsregeln. Dieser Um147
K o n k r e t gesprochen: Es gibt „über" dem Grundgesetz keine weitere Regel mehr, die K r i t e r i e n für die Bestimmung seiner rechtlichen Gültigkeit liefern könnte. Vgl. auch Albert Vonlanthen, Z u Hans Kelsens Anschauung über die Rechtsnorm, B e r l i n 1965, S. 37 über die Kelsensche Grundnorm: „ . . . i h r Dasein (läßt sich) durch keinen Beweis begründen u n d rechtfertigen. I h r Wesen gibt sich vielmehr gerade i n ihrer Unbeweisbarkeit kund." Anders freilich das Bundesverfassungsgericht (E 1,18 L S 27). 148 A n dieser Stelle erweist sich, daß der Rechtswissenschaftler sich i n einer anderen Rolle als der Richter oder der Verwaltungsbeamte befindet. Ersterer ist nicht durch Entscheidungsregeln als Stelle ausgewiesen, die autoritativ u n d letztverbindlich über die Normanwendung befindet. Während der Rechtsanwender sogar unter Entscheidungszwang steht, ist der Rechtswissenschaftler i n diesem Zusammenhang darauf verwiesen, i m Rahmen des möglichen Wortsinns von Rechtssätzen Dezfisionsvorschlüge zu unterbreiten. Vgl. Wolfgang Meyer, Noch einmal: Wahrheitsbegriff u n d Rechtswissenschaft, JuS 1973, 202 ff. (203). 149 Dies deshalb, w e i l die Geltung einer irgendwann eingeführten Verhaltensregel von der Einhaltung des i n der Änderungsregel vorgesehenen V e r fahrens abhängt: Die Änderungsregel ist dann gleichzeitig Erkenntnisregel.
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stand macht die Geltungsregeln zwar nicht entbehrlich, vermag aber die Funktionsfähigkeit der staatlichen Verwaltung aufrechtzuerhalten. Einige Beispiele mögen das verdeutlichen. So ist etwa die These, „daß die Organisationsgewalt dem obersten Leiter der staatlichen Exekution ohne weiteres zusteht, gleichgültig, ob sie i h m durch die Verfassung ausdrücklich zuerkannt i s t " 1 5 0 , nicht auf eine normative Grundlage zurückführbar. Das heißt, es gibt keinen erklärten gesetzgeberischen Willen über die Geltungsvoraussetzungen von Organisationsverordnungen. Die i m großen und ganzen unbestrittene, soeben wiedergegebene These ist vielmehr von Rechtswissenschaft, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis „produziert" worden, findet sich jedoch nicht i n der positiven Rechtsordnung als normativer Satz explizit niedergelegt. Gleichwohl verhindert das Vorhandensein von Entscheidungsregeln, daß wegen des Fehlens von Geltungsregeln den Organisationsverordnungen die Geltung abgesprochen wird. So hat die Rechtsprechung, durch Entscheidungsregeln dazu instand gesetzt, sich der geschilderten These angeschlossen und staatliche Akte i m Bereich der Organisationsgewalt aufrechterhalten 151 , ohne nach einer verfassungsunmittelbaren, konstitutiven Legitimation zu suchen. Ähnliches gilt bei Maßnahmen i m sog. besonderen Gewaltverhältnis, insbesondere i m Hinblick auf das Erfordernis der gesetzlichen Ermächtigung. Die überkommene These, die Existenz eines solchen Verhältnisses beseitige ipso iure das Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung bei Grundrechtseingriffen, entbehrt des Rückhalts i n der positiven Rechtsordnung 1 5 2 . Dennoch haben die Entscheidungsregeln, die das Bundesverfassungsgericht letztinstanzlich m i t dieser Frage befassen, es ermöglicht, „dogmatische Erkenntnisse und praktische Aufgabenbewältig u n g " 1 5 3 zu harmonisieren. Rechtsdogmatisch war der Zustand, den das Bundesverfassungsgericht bei der genannten Entscheidung vorfand, nicht zu halten. N u r um die Funktionsfähigkeit des Strafvollzugs nicht zu gefährden, war es für eine Ubergangszeit i n Kauf zu nehmen 1 5 4 . 150 Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 434. Hervorhebung von mir. Entscheidend für die dogmatische Unhaltbarkeit des Satzes ist, daß eine normative Ermächtigung als unerheblich bezeichnet w i r d . Näher dazu unten, D r i t t e r Teil, 2. Kapitel, 3. 151 Vgl. ζ. B. B V e r w G E 36, 91 (94). 152 B V e r f G E 33, 1; Erichsen, Grundrechtseingriffe i m besonderen Gewaltverhältnis, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 441 ff.; ders., Besonderes Gewaltverhältnis u n d Sonderverordnung, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 219 ff.; Fuß, DÖV 1972, 765 ff.; Kempf, JuS 1972, 701 ff. 153 Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 246. 154 Vgl. etwa Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 127; Schnapp, Grundgesetzkommentar 1, A r t . 20 Rdnr. 47 a. E. Z u r Klarstellung ist zu sagen, daß sich dieser Satz rechtswissenschaftlich nicht begründen läßt, sondern pragmatisch zu verstehen ist.
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Die festzustellende Überlagerung oder gar Ersetzung der Geltungsregeln durch die Entscheidungsregeln gilt selbst dort, wo die Aussage des Rechtsanwenders über das Vorhandensein einer Geltungsregel nicht zutrifft oder wo die Auslegung einer Geltungsregel falsch ist. So hat beispielsweise das Bundesverfassungsgericht i n dem bekannten „Abhörurt e i l " 1 5 5 die (negative) Änderungsregel des A r t . 79 Abs. 3 GG falsch interpretiert. Es hat die zur Entscheidung anstehende Frage so behandelt, als falle sie i n den Problembereich der (anfänglichen) „verfassungswidrigen Verfassungsnorm", während es tatsächlich um die Verfassungswidrigkeit einer nachträglichen Verfassungsänderung ging 1 5 6 . Infolge dieses „Kunstgriffs" hat das Gericht den gegenständlichen Anwendungsbereich der Änderungsregel des A r t . 79 Abs. 3 GG verschoben, sie m i t h i n i m gegebenen Zusammenhang falsch interpretiert. Gleichwohl ist auch hier das Übergewicht, um nicht zu sagen: der Vorrang der Entscheidungsregeln von ausschlaggebender Bedeutung, und zwar nicht nur i n faktischer Hinsicht. Der Vorrang ist auch normativ abgesichert: Gemäß §31 Abs. 1 BVerfGG binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Und dieser Satz gilt eben für alle Entscheidungen, nicht nur für die „richtigen". Hart hat selbst an anderer Stelle 1 5 7 auf den Vorrang der Entscheidungsregeln i n einem gegebenen Rechtssystem hingewiesen: Wenn ein Gericht letztinstanzlich — durch Entscheidungsregeln dazu legitimiert — festgestellt hat, was „rechtens" ist, dann hat die Aussage, daß das Gericht sich „irrte", innerhalb des Systems keine rechtlichen Konsequenzen: niemandes Rechte und Pflichten werden verändert. Natürlich sind solche Aussagen nicht funktionslos gestellt. Sie können Dezisionsvorschläge für spätere Entscheidungen darstellen und eine beachtliche „Warnfunktion" innehaben. Die Aufkündigung des Konsenses zwischen Rechtswissenschaft und Rechtsprechung signalisiert einen Legitimationsschwund. Diesen rechtstheoretisch- strukturellen, faktischen und ζ. T. normativ abgesicherten Vorrang der Entscheidungsregeln hat die Rechtswissenschaft lange Zeit verkannt. Z u sehr war man auf den Bereich der primären Regeln konzentriert und von der „richtigen" Auslegung des sog. materiellen Rechts fasziniert, wobei man übersah, daß das „materielle" 155 BVerfG E 30,1. 156 Dürig, Z u r verfassungsändernden Beschränkung des Post-, Telefon- u n d Fernmeldegeheimnisses, Bad Homburg v. d. H. / B e r l i n / Zürich 1969, S. 12; Erichsen, Z u den Grenzen der Verfassungsänderung nach dem Grundgesetz, V e r w A r c h Bd. 62 (1971), S. 291 ff. (293 ff.); Häberle, Die Abhörentscheidung des Bundesverfassungsgerichts v o m 15. 12. 1970, JZ 1971, 145 ff. (148); Rupp, Urteilsanmerkung, N J W 1971, 275. 157 Der Begriff des Rechts, S. 196.
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Recht nicht losgelöst von dem vorhandenen Bestand an Entscheidungsregeln gesehen werden kann, sondern durch diesen gleichsam vorgeformt und gefiltert wird. Erst i n jüngster Zeit beginnt sich i m Zuge der Diskussion um den sog. unbestimmten Rechtsbegriff die Erkenntnis durchzusetzen, daß auch Organisations- und Verfahrensvorschriften die Gewährleistung für die nach Auffassung des Normgebers „richtige Rechtsfindung" i n sich tragen können 1 5 8 . I n vielen Bereichen mündet also das Erkenntnisproblem i n das Problem der Zuständigkeit für die letztverbindliche Entscheidung ein 1 5 9 . Zutreffend charakterisierte Ossenbühl diesen Umstand m i t dem Ausdruck „vom Begriff zur Entscheidung 1 6 0 . Die Aufhellung der strukturellen Gegebenheiten könnte auch zu einer Änderung von Argumentationsweisen beitragen, weil sie die unterschiedlichen Rollen von Rechtswissenschaftler und Rechtsanwender (Richter, Verwaltungsbeamter) deutlich macht: Der Rechtswissenschaftler ist nicht Adressat von Entscheidungsregeln, sondern betrachtet eine Rechtsordnung gleichsam von außen 161 . Deshalb müßten dogmatische Aussagen von Rechtswissenschaftlern regelmäßig unter dem Vorbehalt stehen: „Wenn ich Adressat einer Entscheidungsregel wäre, würde ich so oder so entscheiden." Gleichzeitig könnte man sich auch von dieser Seite her des dezisiven Charakters der Rechtsanwendungsakte klarer werden bzw. die Bereiche herauskristallisieren, i n denen Dezision stattfindet 1 6 2 und — etwa angesichts der Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 Abs. 3; 97 GG) — auch stattfinden darf. Ebenso würde die Eigenschaft einer Reihe dogmatischer Aussagen als vorläufiger Oezisionsv or schlüge 1™ deutlich. 158 Menger, V e r w A r c h Bd. 56 (1965), S. 190 f.; Menger / Erichsen, V e r w A r c h Bd. 57 (1966), S. 277; Erichsen, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 344. 159 Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis u n d kreisangehörigen Gemeinden, S. 28. Z u der hier vertretenen Position vgl. weiter Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 119 ff.; Fritz Ossenbühl, V o m unbestimmten Gesetzesbegriff zur letztverbindlichen Verwaltungsentscheidung, DVB1. 1974, 309 ff.; Wolf gang Hoffmann-Riem, Beharrung oder Innovation — zur B i n d u n g s w i r k u n g verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, Der Staat 13 (1974), S. 335 ff. (347 f.): Reservefunktion der Kompetenznormen; Walter Seuffert, N J W 1974, 1992; Roellecke, V V D S t R L 29 (1971), S. 99 f. 160 DVB1.1974, 311. 181 Z u r „internen" u n d „externen" Betrachtungsweise vgl. H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, S. 128 ff. 182 Daß etwa der Richter auf subjektive Wertungen gestützte Entscheidungen t r i f f t , dürfte m i t t l e r w e i l e Gemeingut sein. Vgl. zuletzt etwa Josef Esser, Vorverständnis u n d Methoden w ä h l i n der Rechtsfindung, F r a n k f u r t 1972, passim. Jedoch dürfte der angesicht von A r t . 97 GG legitime Standort noch nicht befriedigend ausgelotet sein. 183 Hier dürfte der wichtigste Anwendungsbereich der topischen Jurisprudenz liegen. Vgl. ferner Klaus Adomeit, Zivilrechtstheorie u n d Zivilrechtsdogmatik — m i t einem Beitrag zur Theorie der subjektiven Rechte, Jahrbuch für Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie, Bd. 2,1972, S. 503 ff. (505).
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Bei dieser Sichtweise erschließt sich die Bedeutung des Organisationsrechts nun auch von der rechtstheoretisch-funktionalen Betrachtungsweise her. Ohne sekundäre Regeln, d. h. insbesondere ohne die Normen des Organisationsrechts, können die primären Regeln nicht oder doch nur auf dem Wege über einen „diffusen sozialen Druck"(Hart) umgesetzt werden. Dabei liegt das Schwergewicht des Organisationsrechts, welches „künstliche" Funktionsträger institutionalisiert und Zuständigkeiten verteilt, auf dem Gebiet der Entscheidungsregeln. Es ist unschwer einzusehen, daß die Perfektion eines Rechtssystems i n entscheidendem Maße davon abhängt, daß ein möglichst engmaschiges Netz von Entscheidungsregeln vorhanden ist, das keine Überschneidungen enthält. Bei einer solchen Konstellation lassen sich Reibungsverluste auf ein M i nimum beschränken. Es ist nicht ganz zufällig, daß eine Technik des Herrschens darin besteht, für nachgeordnete Funktionsträger Kompetenzfragen offenzulassen oder Kompetenzüberschneidungen vorzusehen, d. h. rivalisierende Zuständigkeiten zuzulassen 164 . Freilich ist auch unser Rechtssystem i n dieser Hinsicht noch nicht so perfektioniert, wie es sein könnte. Je kleiner die Handlungseinheiten sind (Beispiel: Institute an wissenschaftlichen Hochschulen), um so geringer ist erfahrungsgemäß der Grad der expliziten Festschreibung von Zuständigkeiten, um so häufiger die ad-hoc-Verteilung von Zuständigkeiten durch den Leiter der Handlungseinheit ( = Inhaber der Organisationsgewalt) und um so größer die Möglichkeit des Rückrufs von Entscheidungen, aber auch die Rückdelegation von Verantwortung auf die Führungsspitze 165 . Angesichts der eminenten Bedeutung des Organisationsrechts läßt sich zusammenfassend sagen, daß der Grad der normativen Durchdringung des organisatorischen Bereichs einen Maßstab für die zivilisatorische Höhe eines Rechtssystems und die Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft abgibt. Dabei ist die faktische Bedeutung der Entscheidungsregeln um so größer, je pluralistischer eine Gesellschaft i n ihren Wert- und Verhaltensvorstellungen strukturiert ist. Gleichwohl behalten sie ihre Funktion auch dort, wo sich über weite Strecken Konsense feststellen lassen. Bereits die Existenz von Rechtsordnungen ist ein Beweis dafür, daß es werthomogene Gesellschaften wohl als idealtypische Modelle, aber kaum i n der Wirklichkeit gibt. Denn ein Regelkanon ist nur dann sinnvoll, wenn es Abweichungen von diesen Regeln gibt, auf die m i t Sank184
Vgl. auch Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 108; Hans J. Wolif, Verwaltungsrecht I I , § 73,1 a 2. les F ^ r den Bereich der gewerblichen Wirtschaft ist dies aufgezeigt worden von Reinhard Höhn, Die F ü h r u n g m i t Stäben i n der Wirtschaft, Bad Harzburg 1961; dems., Menschenführung i m Handel, Bad Harzburg 1962.
4. Z u r M u l t i f u n k t i o n a l i t ä t von Rechtssätzen
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tionen reagiert wird. Und selbst i n archaischen Rechtsgemeinschaften, i n denen das Recht als vorgegebene, nicht disponible Größe vorgestellt wurde, bedurfte es i m Streitfalle einer Institution, die verbindlich festlegte, was rechtens war. Bei alledem sollte die Betonung der Prävalenz der Entscheidungsregeln nicht als A u f f orderung oder Legitimierung mißverstanden werden, Rechtsregeln unter Berufung auf die Letztverbindlichkeit von Entscheidungen beliebig oder w i l l k ü r l i c h zu handhaben. Hier sollte vor allem darauf hingewiesen werden, daß materielles und formelles Recht nicht losgelöst voneinander betrachtet werden sollten, sondern gleichgewichtige Bestandteile von Rechtsordnungen darstellen. 4. Z u r M u l t i f u n k t i o n a l i t ä t von Rechtssätzen, insbesondere i m Bereich des Beamtenrechts
Was bereits oben bei der Analyse des WoZ/fschen Begriffssystems festgestellt wurde, gilt auch i n bezug auf die Strukturtheorie von Hart: Die Qualifizierung der Regeln ist relativ, weil standortbedingt. So erscheinen ζ. B. die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung aus der Sicht des rechtssuchenden Bürgers als Entscheidungsregeln, die nicht an i h n adressiert sind, sondern bestimmen, wer i n welchem Verfahren die Anwendung der primären Regeln vornimmt. Aus der Perspektive des judizierenden Richters hingegen gehören die Verfahrensbestimmungen zum Beispiel der (primären) Verhaltensregeln, da sie Anweisungen für die von i h m vorzunehmenden prozessualen Handlungen sind. Vom Standpunkt des Revisionsgerichts jedoch sind sie Geltungsregeln i n Gestalt von Erkenntnisregeln für das Ersturteil, soweit es u m die Beurteilung der Frage geht, ob das erstinstanzliche Urteil unter Beachtung der verfahrensmäßigen Vorschriften zustandegekommen ist. Die Prozeßbestimmungen geben also an, unter welchen Voraussetzungen ein Urteil „ g i l t " . Betrachtet man weiter aus der „externen" Perspektive eine Geltungsregel der Gruppe „Erkenntnisregeln" für die gesetzgebende Gewalt, beispielsweise A r t . 20 Abs. 3 i n Verbindung m i t Art. 1 Abs. 3 GG, so ergibt sich folgendes: Die Bindungsanordnung von A r t . 1 Abs. 3 GG besagt als Erkenntnisregel (für das Bundesverfassungsgericht), daß nur solche A k t e der Gesetzgebung „gelten" sollen, die nicht gegen die Grundrechtsbestimmungen verstoßen 166 , genauer: die kein Grundrecht verletzen. Für die Träger gesetzgebender Gewalt stellen sie jedoch Verhaltens1ββ Die Darstellung ist notwendig vereinfachend. „Verfassungswidrige" A k t e der gesetzgebenden Gewalt gelten dann, w e n n k e i n verfassungsgerichtliches Verfahren anhängig gemacht w i r d oder erfolglos endet. Dann ist die „materielle" Frage i m Zusammenhang m i t dem konkreten F a l l uninteressant geworden. H i e r i n erweist sich wieder der Vorrang der Entscheidungsregeln.
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I. 2. Kap.: Organisationsrecht u n d Beamtenrecht
regeln dar, weil sie Anweisungen für die Herstellung verfassungskonformer Gesetze enthalten 1 6 7 . Daraus erhellt, daß die Qualifikation von „Regeln" standortbedingt ist, daß also je nach der Perspektive ein und dieselbe Regel sowohl dem primären als auch dem sekundären Bereich angehören kann. Das heißt mithin, daß Rechtssätze i n der Regel multifunktional sind und mehrere „Adressaten" 1 6 8 haben 1 6 9 . H a r t 1 7 0 hat diese Tatsache m i t einem Rückgriff auf die Fußballregeln veranschaulicht: Die Abseitsregel richtet sich sowohl an die Spieler wie an den Schiedsrichter. Die festzustellende Multifunktionalität von Rechtssätzen läßt sich nun auch i m Bereich des Beamtenrechts aufweisen, wobei es nicht entscheidend ist, ob sie sich dem Hart'schen Schema exakt einpassen lassen. Ohnehin sind Modellvorstellungen, obschon nicht ohne Realitätsbezug, nicht wirklichkeitsidentisch, sondern dienen dazu, komplexe Sachverhalte besser „verstehbar" zu machen. Eine Gruppe von multifunktionalen Rechtssätzen i m Beamtenrecht bilden beispielsweise die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, welche die Einstellungsvoraussetzungen, die Auslese, die Modalitäten der Ausbildung sowie die Abnahme von Laufbahnprüfungen nach Inhalt und Verfahren festlegen. Eine nähere Betrachtung zeigt, daß sie janusköpfig sind. Sie regeln nämlich nicht nur die Rechtsstellung des Auszubildenden und des Prüflings, sondern enthalten auch gleichzeitig Verhaltensanordnungen für Ausbilder und Prüfer 1 7 1 . Das ist nicht i n dem 167 M a n könnte hier noch weiter differenzieren u n d die zivilistische U n t e r scheidung zwischen Verpflichtungen u n d Obliegenheiten übernehmen. Dann ließe sich A r t . 1 Abs. 3 GG als Obliegenheit formulieren: „ Z w a r gibt es keine erzwingbare Verpflichtung f ü r den Gesetzgeber, die Grundrechte zu beachten; aber bei Vermeidung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes sind die Grundrechtsbestimmungen zu respektieren." Das soll hier nicht weiter ausgeführt werden. Vgl. aber die Bemerkung von Georg Jellinek (System, S. 235, Fußn. 1): „Der Nachweis eines Gegensatzes von Pflicht u n d Verbindlichkeit u n d namentlich die Entdeckung von juristischen Verbindlichkeiten, die keine Pflichten sind, würde zweifellos die ganze Rechtswissenschaft von G r u n d aus umwälzen." lee D e r Ausdruck ist hier untechnisch gebraucht. Es ist hier nicht der Platz, das „Gespenst des sog. Adressatenproblems" (Armin Kaufmann, Lebendiges u n d Totes i n Bindings Normentheorie, Göttingen 1954, S. 61) erneut heraufzubeschwören u n d die Auseinandersetzung zwischen Imperativentheorie u n d der Theorie von Rechtsnormen als hypothetischen Urteilen u m einen eigenen Beitrag zu bereichern. Dazu vgl. zusammenfassend Uwe Krüger, Der Adressat des Rechtsgesetzes. E i n Beitrag zur Gesetzgebungslehre, B e r l i n 1969. 189 Vgl. Ulrich Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, S. 20; Karl-August Bettermann, Verwaltungsakt u n d Richterspruch, Gedächtnisschrift für W. Jellinek, München 1955, S. 361 ff. (sub II). 170 Der Begriff des Rechts, S. 122; ebenso Bettermann, Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 364. 171 Vgl. Peter Becker, Prüfungsordnungen u n d Rechtsstaatsgebot, D Ö V 1970, 730 ff. (732); Erich Feindt, Die Rechtsnatur beamtenrechtlicher A u s b i l -
4. Z u r M u l t i f u n k t i o n a l i t ä t von Rechtssätzen
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Sinne gemeint, daß sie unverbunden nebeneinanderstehen. Vielmehr kann ein und derselbe Rechtssatz Doppelfunktion haben. Sieht etwa eine Bestimmung vor, daß die Prüfung unter bestimmten Voraussetzungen nicht bestanden ist, dann liegt hierin die Regelung der Rechtsstellung des Prüflings, gleichzeitig aber auch eine Anweisung an die Mitglieder des Prüfungsausschusses, unter den vorgesehenen Bedingungen die Prüfung für „nicht bestanden" zu erklären. Während also die Norm für das Verhältnis Prüfling — Dienstherr i n den Bereich der primären Regeln gehört, stellt sie für die Prüfer aus der Sicht des Prüflings eine Entscheidungsregel, i m Verhältnis Prüfer — Dienstherr wiederum eine Verhaltensregel dar. Die dogmatischen Probleme, die an dieser Stelle nur aufgezeigt und nicht gelöst werden sollen, tauchen nun da auf, wo es um die Gültigkeitsvoraussetzungen der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen geht. Dort nämlich, wo diese Ordnungen i n Form von Verwaltungsvorschriften erlassen werden 1 7 2 , erhebt sich die Frage, ob hier ein unzulässiger Eingriff i n die Berufsfreiheit vorliegt, w e i l insoweit A r t . 12 Abs. 1 Satz 2 GG eine Regelung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes verlangt, die Verwaltungsvorschriften aber nach einem Teil der i n Rechtsprechung und Schrifttum geäußerten Auffassungen der Gesetzesqualität entbehren 173 . A u f der anderen Seite wären die Prüfungsordnungen nach der ganz herrschenden Meinung insoweit nicht zu beanstanden, als sie sich auf die A r t der Ausübung des Prüferamtes beziehen, also generelle amtliche Weisungen darstellen und nicht dem Erfordernis des Gesetzesvorbehalts unterliegen 1 7 4 . Bei einer derartigen Konstellation stellt sich die Frage nach der Harmonisierung bzw. der Hierarchie der Gültigkeitsvoraussetzungen. Eine ähnliche Janusköpfigkeit läßt sich beispielsweise bei den Beihilfegrundsätzen feststellen. Auch sie entfalten Wirkungen: Für den Antragsteller bilden sie die Grundlage für Maßnahmen i m sog. dienstlichen Bereich, da die Beihilfeentscheidungen i h n i n seiner persönlichen Rechtsstellung betreffen; für den bearbeitenden Amtswalter regeln sie amtliches Verhalten. Auch hier kann also die Unterschiedlichkeit der Perspektive sich i n einer Unterschiedlichkeit der Qualifikation niederschlagen und somit die Frage nach dem Vorrang der Gültigkeitsvoraussetzungen aufwerfen. I n der gängigen Terminologie können daher Beihilfegrundsätze sowohl Sonderverordnungen darstellen 1 7 5 als auch den Charakter von Verwaltungsvorschriften dungs- u n d Prüfungsordnungen, D Ö V 1973, 768 ff. (773). Z u r „Gemengelage" allgemein Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 4 f. 172 Vgl. etwa § 15 Abs. 2 LandesbeamtenG NW. 173 Vgl. O V G Münster, N J W 1967, 949; OVG Koblenz, DVB1. 1970, 324 (327); Gubelt, Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 12, Rdnr. 71 m. w. N. 174 Vgl. Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen i m öffentlichen Dienst, S. 80 m. w . N. 175 Bachof, V V D S t R L 24 (1966), S. 228; B a y V G H E 9, 47 (51 f.) m. w. N.
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I. 2. Kap.: Organisationsrecht u n d Beamtenrecht
haben. Diese Konstellation ließe sich noch an weiteren Rechtssatzgruppen nachweisen. Darauf soll aber hier verzichtet werden. Festzuhalten ist generell, daß sich die Multifunktionalität ein und desselben Rechtssatzes überall dort findet, wo dieser die Rechtsstellung eines Individuums betrifft, also Berechtigungen verleiht oder Verpflichtungen auferlegt, gleichzeitig aber eine Regel für einen Rechtsanwender darstellt. Für das Beamtenrecht gilt das folglich immer dann, wenn ein Amtswalter gegenüber einem anderen Amtswalter als Rechtsanwender fungiert. Bei dieser Konstellation ist die Frage nach Harmonisierung und Hierarchie der Gültigkeitsvoraussetzungen aufgeworfen. Wie zu zeigen sein w i r d 1 7 6 , lassen sich zwar die verfassungsrechtlichen Anforderungen aufzeigen. Problematisch sind jedoch die Fälle, i n denen regelungsbedürftige, von der Verwaltung autonom geregelte Bereiche noch nicht vom Gesetzgeber erfaßt worden sind. Hier entspricht es einem Verrechtlichungsgebot, den ermächtigungslos erlassenen Sonderverordnungen zumindest eine Reservefunktion zuzuerkennen.
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D r i t t e r Teil, Zweites Kapitel, 5.
Zweiter Teil
Normative und organisatorische Strukturen Erstes Kapitel Grundverhältnis u n d Betriebsverhältnis Eine nachhaltige Loslösung von den durch die Impermeabilitätstheorie und die Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis aufgerichteten Positionen hat auch die durch Ule 1 getroffene Unterscheidung zwischen Grundverhältnis und Betriebs Verhältnis nicht gebracht, weil nicht bringen können. Diese Lehre hat nicht nur den „Sammelbegriff" 2 des besonderen Gewaltverhältnisses nicht gesprengt, sie hat ihn festgeschrieben. Nach dieser Unterscheidung werden dem Grundverhältnis all diejenigen Maßnahmen zugeordnet, durch die das besondere Gewaltverhältnis begründet 3 , inhaltlich verändert, beendet oder durch welche die Rechtsstellung des Gewaltunterworfenen nicht unwesentlich berührt wird. Sie werden als Verwaltungsakte qualifiziert und sind mit der Anfechtungsklage angreifbar. Gegen Maßnahmen des inneren Dienstbetriebs jedoch, die nur das „Betriebsverhältnis" regulieren, soll kein Rechtsschutz gegeben sein, weil sie keine rechtliche Regelung involvieren. Eine Ausnahme soll allerdings bei Betriebs Verhältnissen i n geschlossenen A n stalten gelten. Diese Unterscheidung hat weitgehend Anklang gefunden, wobei sich freilich einige Varianten feststellen lassen4. Hier seien nur noch zwei A n sichten exemplarisch erwähnt. Nach einer Auffassung ist der Rechtsschutz dann auf Maßnahmen i m Betriebs Verhältnis auszudehnen, wenn sie offensichtlich rechtswidrig, insbesondere w i l l k ü r l i c h sind 5 . Dazu 1
Das besondere Gewaltverhältnis, V V D S t R L 15 (1957), S. 133 ff. Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 11. 3 Zutreffend hat Hartmut Paetzold (Der Rechtsschutz i m besonderen Gewaltverhältnis, DVB1. 1974, 454 Fn. 8) darauf hingewiesen, daß es sich bei der Begründung eigentlich noch u m eine Maßnahme i m sog. allgemeinen Gewaltverhältnis handelt. Das hat jedoch i m gegebenen Konstruktionszusammenhang keine rechtsdogmatischen Konsequenzen. 4 Vgl. den Überblick bei Paetzold, DVB1. 1974, 455. 5 O V G Hamburg, DVB1. 1956, 491; DÖV 1959, 310; OVG Lüneburg, DVB1. 2
I I . 1. Kap.: G r u n d e r h ä l t n i s u n d B e t r i e b s e r h ä l t n i s
ließe sich zunächst sagen, daß es durchaus eine Frage des subjektiven Standortes ist, ob eine Maßnahme „offensichtlich" oder nur „schlicht" rechtswidrig ist, ob „prima facie" 6 oder erst bei näherer Betrachtung — wozu Rechtsprechung und Rechtswissenschaft ohnehin gehalten sind — Unrecht 7 geschehen ist. Daß die „Schwere" einer Rechtsverletzung nicht nach Maßgabe einer „Umschlagstheorie" 8 auf die rechtliche Qualifizierung der inkriminierten Maßnahme durchschlagen kann, dürfte ebenso auf der Hand liegen. Eine andere Richtung stellt A r t . 19 Abs. 4 GG und die verwaltungsgerichtliche Generalklausel i n den Vordergrund 9 . Damit ist freilich ebenso wenig gewonnen; denn wenn schon aus der Statuierung von Klagearten (actiones) nicht i n gleichsam glossatorischer Methode auf ein dahinterstehendes materielles jus geschlossen werden kann 1 0 , dann gilt das erst recht i m Hinblick auf bloße Rechtswegeröffnungen. Diese setzen weiterhin Rechtsverletzungen voraus, bedingen also eine vorgängige Aufhellung materieller Strukturen. Auch bei Ule fällt auf, daß er — angesichts eines offenbaren Unbehagens an der verschiedentlich behaupteten 11 totalen Rechtsexemtion des besonderen Gewaltverhältnisses — deutlich vom Rechtsschutz her argumentiert. So geht er bei der Qualifizierung von Maßnahmen i m „besonderen Gewaltverhältnis" nicht näher auf den Begriff des Verwaltungsakts ein, sondern untersucht lediglich, ob für einzelne Fallgruppen gerichtlicher Rechtsschutz notwendig erscheint, insbesondere, ob andere Rechtsschutzmöglichkeiten 12 ausreichend sind. 1953, 663 ff.; O V G Rheinland-Pfalz, D V B l . 1954, 579; V G Freiburg, ZBR 1954,154. 6 Herbert Krüger, Der Verwaltungsrechtsschutz i m besonderen Gewaltverhältnis, N J W 1953, 1369 ff. (1371). 7 So Herbert Krüger, ebd. Dazu wäre anzumerken, daß „Unrecht" keine Kategorie einer positiv-rechtlich orientierten Dogmatik ist. Das adäquate Begriffspaar ist hier „Rechtmäßigkeit — Rechtswidrigkeit". 8 Vgl. Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 120. 9 O V G Münster, N J W 1954, 1015; Czermak, N J W 1964, 939; Erdsiek, N J W 1962, 1384; Hamann, J Z 1954, 581 ff. (582); Friedrich Klein, V V D S t R L 8 (1950), 108; Lerche, D V B l . 1954, 628; Rinsche, N J W 1965, 1934; Paetzold, D V B l . 1974, 455 ff. 10 So aber beispielsweise Rupp, Grundfragen, S. 174. 11 Friesenhahn, Der Rechtsschutz i m öffentlichen Recht nach dem G r u n d gesetz, D V 1949, 478 ff. (481) v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, S. 123; Nebinger, Verwaltungsrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1949, S. 197; Wacke, Z u r Neugestaltung des Beamtenrechts, AöR Bd. 76 (1950/51), S. 386 ff., 419 (425, 427). 12 Wie Remonstrationsverfahren u n d Disziplinargerichtsbarkeit. Z u letzterer auch B V e r w G E 14, 84 (86). Daß sie keinen Ersatz für den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz darstellen kann, w e i l sie auf einen v ö l l i g anderen Gegenstand gerichtet ist, betonen zutreffend Horst Bauer, Gerichtsschutz als V e r fassungsgarantie, B e r l i n 1973, S. 73; Peter Selmer, Der Verwaltungsrechtsschutz i n den besonderen Gewaltverhältnissen, DÖV 1968, 341 ff. (348f.);
I I . 1. Kap.: Grund Verhältnis und Betriebs Verhältnis
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Den Ansatz, vom Rechtsschutz her zu argumentieren, teilt Ule m i t einer Reihe anderer Autoren aus dieser Zeit. Nach W. Thieme 13 soll ein staatlicher A k t dann als Rechtsakt ( = Verwaltungsakt) angesehen werden, wenn er i n Positionen eingreift, die auch unter Berücksichtigung von Zweck und Eigenart des besonderen Gewaltverhältnisses schutzwürdig sind 1 4 . Ebenso stellt Obermayer 15 explizit auf das Rechtsschutzbedürfnis ab. Die Aufzählung solcher Positionen ließe sich beliebig vermehren. Eine K r i t i k w i r d zunächst zugestehen müssen, daß die Lehre von Ule immerhin bedeutsame und begrüßenswerte Einbrüche i n rechts- und rechtsschutzfreie Räume mit sich gebracht hat. Jedoch haftet dem Argumentieren vom Rechtsschutzbedürfnis her immer eine gewisse Beliebigkeit an, involviert sogar i n aller Regel eine petitio principii. Welche Positionen schutzbedürftig sind, wo die Grenze jenes „ m i n i m u m " verläuft, läßt sich weder dogmatisieren noch logisch stringent belegen. Warum etwa i m Schulverhältnis die Anordnung des Nachsitzens oder einer Strafarbeit keiner gerichtlichen Nachprüfung unterliegen soll, läßt sich intersubjektiv nicht einsichtig machen. Wissenschaftlich abträglich ist dabei nicht, daß i n praxi Rechtsschutz versagt worden ist, wo er hätte gewährt werden müssen. Z u monieren ist vielmehr zunächst die Umkehrung des Verhältnisses von materiellem und prozessualem Recht. Ebensowenig wie man die Natur von Rechtsverhältnissen aus der Rechtswegzuweisung beantworten kann 1 6 , läßt sich die rechtliche Qualifizierung staatlicher Akte vom Rechtsschutzbedürfnis her bewerkstelligen 1 7 — ganz abgesehen davon, daß man die Ämter- und Weisungsstruktur auf diese Weise überhaupt nicht i n den Griff bekommt. Vielmehr ist das Ob und Wie des Rechtsschutzes abhängig von der vorherigen dogmatischen Quaff. W. Zimmermann, Probleme des Anwendungsbereichs der Anfechtungsklage, V e r w A r c h Bd. 62 (1971), S. 48 ff. (50). 13 Die besonderen Gewaltverhältnisse, DÖV 1956, 521 ff. (528). 14 Als K r i t e r i e n für die Findung der Schutzwürdigkeit werden der G r u n d satz „ m i n i m a non curat praetor" u n d ein „gesundes Gefühl für die Würde der gerichtlichen Entscheidungen" herangezogen. Daß man aus dem Bagatellcharakter nicht auf die Unzulässigkeit einer Klage schließen kann, dürfte auf der H a n d liegen; vgl. W idtmann, Z B R 1960, 388. 15 Verwaltungsakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, S. 168 ff.; ebenso O V G Koblenz, ZBR 1960, 385 ff. m i t kritischer A n m e r k u n g von W i d t m a n n ; ähnlich Baring, Die Abordnung, DVB1. 1952, 389 ff. (395); Holland, DVB1. 1968, 245 ff. (247). Daß die Praxis so verfährt, auch ohne das immer auszusprechen, betont Bachof, Uber einige Entwicklungstendenzen i m gegenwärtigen deutschen V e r waltungsrecht, Staatsbürger u n d Staatsgewalt, Bd. I I 1963, S. 15. Obermayer hat seine Auffassung später jedoch korrigiert: D Ö V 1959, 311 f. (312). 16 Vgl. dazu Schnapp, Die Ersatzvornahme i n der Kommunalaufsicht, S. 48 m i t Beispielen. 17 Kritisch zu dieser Tendenz Günter Jaenke, Verwaltungsvorschriften i m Steuerrecht. Die Bedeutung der Richtlinien, Düsseldorf 1959, S. 78; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 521.
I I . 1. Kap.: G r u n d e r h ä l t n i s u n d B e t r i e b s e r h ä l t n i s
lifizierung einer staatlichen Maßnahme. Daß über die Figur des Rechtsschutzbedürfnisses eine gewisse „Steuerung" erfolgen kann, ändert nichts an dem grundlegenden Verhältnis zwischen materiellem und prozessualem Recht. Das ist nicht i n dem Sinne zu verstehen, als ob dieses Verhältnis a priori festläge. Es ergibt sich vielmehr aus der jeweiligen positiven Rechtsordnung, die insoweit disponieren kann. Aber gerade wegen der bei uns positivierten Generalklauseln (Art. 19 Abs. 4 GG, § 40 VwGO) erscheint der Ansatz von Ule bedenklich, der darauf hinausläuft, eine ganze Gruppe von Exekutivmaßnahmen mit Hilfe behaupteter Strukturen von besonderen Gewaltverhältnissen gerichtlicher Uberprüfung von vornherein zu entziehen. Bei dem Zugang vom Prozessualen her scheint eine Strömung fortzuwirken, der ein ausschließlich objektives Verständnis des Gesetzmäßigkeitsprinzips zugrundeliegt. I n dieser Sicht waren Verwaltungsrechtssätze bloß objektive Schranken für das Handeln der Exekutive; die A n fechtungsklage stellte m i t h i n kein Instrument zur Realisierung eines subjektiven öffentlichen Individualrechts dar, sondern war lediglich der prozessuale Anstoß zur Kontrolle und Korrektur ungesetzmäßigen Verwaltungshandelns 18 . Eine unterschwellige Fernwirkung dieser Tradition, die auch noch bei Otto Mayer festzustellen ist 1 9 , und der die Vorstellung materieller subjektiver Rechte i m Bereich des Verwaltungsrechts fremd bleiben muß, läßt sich nicht ganz von der Hand weisen. Da weiter dem Argumentieren aus dem Rechtsschutzbedürfnis eine gewisse subjektive Beliebigkeit immanent ist, weil die Beantwortung der Frage nach der Schutzbedürftigkeit eine wertende Entscheidung impliziert, schlägt diese Beliebigkeit bei der Koppelung von Prozeß- und materiellem Recht auf sachlich-dogmatische Strukturen zurück, die auf diesem Wege ebenfalls einer intersubjektiv nicht vermittelbaren Beliebigkeit anheimfallen. Es überrascht daher, wenn dem System von Ule bescheinigt wird, es lasse „scharfe Trennungen" zu 2 0 . Das Abstellen auf die Schutzwürdigkeit bestimmter Positionen ermöglicht eben wegen der Implikation von Bewertungen keine scharfen Trennungen. Es kommt hinzu, daß die Unterscheidungen zwischen rechtsschutzfähigem Grundverhältnis und rechtsschutzexementem Betriebsverhältnis von Ule selbst relativiert wird. Nach seiner Ansicht fordert der Rechtsstaatsgedanke 21 18 Vgl. dazu Wilhelm Henke, Das subjektive öffentliche Recht, Tübingen 1968, S. 11 ff.; Schnapp, DVB1.1971, 480 ff. (481 f.). 19 Vgl. Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, 3. Aufl., S. 108. 20 Gerhard Huwar, Der Erlaß von Rechts- u n d Verwaltungsverordnungen durch den Bundespräsidenten, B e r l i n 1967, S. 35. Wesentlich zurückhaltender Horst Bauer, Gerichtsschutz als Verfassungsgarantie, S. 75: „ . . . zeichnet den Weg einer gangbaren Systematisierung des Gesamtproblems."
I I . 1. Kap.: G r u n d Verhältnis u n d Betriebs Verhältnis
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für das Wehrdienstverhältnis und alle „geschlossenen AnstaltsVerhältnisse" die Ausdehnung des Rechtsschutzes auch auf das Betriebsverhältnis. Damit ist sein zunächst geschlossen erscheinendes Gebäude aufgebrochen und der Umstand, daß der öffentliche Dienst institutionell strukturiert ist und der amtsmäßigen Wahrnehmung staatlicher Funktionen dient, vollends aus dem Blickfeld geraten. Schließlich weist auch der konstruktive Ansatz von Ule keine dogmatische Absicherung auf. Die Begriffe „Grundverhältnis" und „Betriebsverhältnis" haben keine normative Fundierung. Ule selbst verweist auf den „Betrieb i n einem weiteren soziologischen Sinne" als Ausgangspunkt 2 2 . Als normative Absicherung zieht er aus dem geltenden Recht § 3 Abs. 2 BBG heran, welcher die beamtenrechtlichen Entscheidungen über die persönlichen Angelegenheiten des Beamten von denjenigen (dienstlichen) Anordnungen unterscheidet, die der Vorgesetzte für die Tätigkeit des Beamten erteilen kann. Jedoch beinhaltet diese Regelung lediglich eine Zuständigkeitsverteilung für Weisungen an den Beamten und Entscheidungen über seine Angelegenheiten, die inhaltlich unterschiedlich sind. Sie besagt jedoch weder etwas für die rechtliche Kategorisierung dieser Exekutivmaßnahmen i. S. Verwaltungsakt — (bloße) innerdienstliche Maßnahme, noch kann sie etwas über deren Rechtsschutzfähigkeit aussagen. Nun hat Ule mittelbar aus § 3 Abs. 2 BBG eine Restriktion des Rechtsschutzes hergeleitet, indem er ausführte, es würde dem Sinn des Remonstrationsverfahrens zuwiderlaufen, wenn dem Beamten eine Anfechtungsmöglichkeit bei solchen Anordnungen zur Verfügung stünde, gegen die er i m Wege der Remonstration rechtliche Bedenken geltend machen könne 2 3 . Darauf ist später i m Zusammenhang mit Rechtsschutzfragen einzugehen. A n dieser Stelle genügt der Hinweis, daß i m Remonstrationsverfahren irrelevant ist, von welcher rechtlichen Qualität die Weisung an den Amtswalter ist und ob sie i h n „ i n seinen Rechten verletzt" (§ 42 Abs. 2 VwGO). Das Remonstrationsverfahren ist rein erfolgsorientiert: Hat der Amtswalter dieses Verfahren erfolglos durchgeführt, so besagt dies lediglich, daß er seiner „vollen persönlichen Verantwortung" (§ 56 Abs. 1 BBG) ledig ist. Rechtlich bewirkt dieses Ver21 Dazu wäre — bei immanenter K r i t i k — anzumerken, daß „der Rechtsstaatsgedanke" ohnehin n u r soweit rechtlich relevant ist, als er i m G r u n d gesetz sowie i n den Prozeßordnungen und dem diese überwölbenden A r t . 19 Abs. 4 GG seinen positiv-rechtlichen Niederschlag gefunden hat. Vgl. dazu Schnapp, Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 20, Rdnr. 21, 24. Ob die Voraussetzungen der jeweiligen Bestimmungen über die Rechtswegeröffnungen v o r liegen, ist eine Frage des materiellen Rechts u n d nicht v o m Rechtsschutzbedürfnis her zu erschließen. 22 W D S t R L 15 (1957), S. 151. Hervorhebung von mir. 23 Gleicher Ansicht offenbar auch W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 217 f.
I I . 1. Kap.: G r u n d Verhältnis u n d Betriebs Verhältnis
fahren folglich nur, daß der Amtswalter disziplinar- und haftungsrechtlich entlastet ist, wenn er einen Außenakt setzt, der m i t der Weisung des nächsthöheren Vorgesetzten konform ist. Dem Institut der Remonstration kommt demnach Entlastungs- und keine Rechtsschutzersatzfunktion zu, weil i n beiden Verfahren unterschiedliche Sachverhalte Gegenstand der Nachpüfung sind 2 4 . Der Versuch, m i t Hilfe des Remonstrationsinstituts der Unterscheidung zwischen Grund- und Betriebsverhältnis eine mittelbare dogmatisch-normative Stütze zu geben, muß daher als gescheitert angesehen werden 2 5 . Ebensowenig wie das Remonstrationsrecht ist übrigens die Disziplinargerichtsbarkeit ein ausreichender oder auch nur adäquater „quasi-verwaltungsgerichtlicher Kontrollersatz" 2 6 . Hierbei ist nur zu prüfen, ob eine für den Amtswalter verbindliche Weisung vorlag 2 7 , nicht jedoch, ob die an ihn ergangene Weisung ihn i n seinen Rechten verletzte oder ob das i h m abverlangte „Außenhandeln" als solches rechtmäßig gewesen wäre. Des weiteren läßt sich gegen die Ule'sche Konstruktion einwenden, daß sie die Figur des besonderen Gewaltverhältnisses nicht aufgelöst, sondern festgeschrieben hat. Es wurde i n Gestalt der Betriebsverhältnisse eine neue Klasse von besonderen Gewaltverhältnissen geschaffen und als rechtsfrei ausgewiesen, so daß nunmehr der Trennschnitt zwischen rechtsfreien und rechtserfüllten Räumen mitten durch die Person des Gewaltunterworfenen verlief 2 8 . Wenn dergestalt das besondere Gewaltverhältnis i n Grund- und Betriebs Verhältnis unterteilt wird, dann muß es selbst als dogmatischer Begriff vorausgesetzt werden, dem dann zwei weitere dogmatische Begriffe nachfolgen 29 . Aus diesen dogmatischen Begriffen Rechtsfolgen bezüglich des Rechtsschutzes herzuleiten, erscheint methodisch als solches und insbesondere i m Hinblick auf A r t . 19 Abs. 4 GG — den von Ule selbst gewählten Ausgangspunkt — unzulässig. 24 Deshalb ist auch XJles Ansicht (ebd., S. 157) zweifelhaft, der Gesetzgeber habe m i t dem Remonstrationsverfahren die Unanfechtbarkeit dienstlicher Anordnungen vorgeschrieben. 25 Gerhard Siegmund- S chultze, Die Klagebefugnis des Beamten, D V B l . 1962, 513 f.; Zimmermann, V e r w A r c h Bd. 62 (1971), S. 55. 26 W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 228; Rupp, Grundfragen, S. 59, Fußn. 121 a ; Bauer, Gerichtsschutz als Verfassungsgarantie, S. 72 f.; Kellner, D Ö V 1963, 422; Sie gmund- S chultze, D V B l . 1962, 514; vgl. auch Selmer, D Ö V 1968, 343; so aber O V G Münster, OVGE 4, 68 ff. (69); Ule, W D S t R L 15, S. 156/157; zweifelnd W. Jellinek, Der Schutz des öffentlichen Rechts durch ordentliche u n d durch Verwaltungsgerichte, W D S t R L 2, S. 8 ff. (50, 52). 27 W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 228. 28 Herbert Krüger, N J W 1953,1371. 29 So w o h l auch Manfred Abelein, Die Abgrenzung Verwaltungsakt — V e r ordnung, Festschrift für G. Küchenhoff, Bd. 2, S. 419 ff. (431, Fußn. 63).
I I . 1. Kap.: G r u n d Verhältnis u n d Betriebs Verhältnis
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Letztlich verhindert die Konzeption von Ule, daß der bereits aufgewiesene dogmenhistorische Hintergrund des besonderen Gewaltverhältnisses aufgedeckt wird, indem nur eine Teilfolge der Impermeabilitätslehre korrigiert, das Prinzip i m übrigen aber unangetastet gelassen wird, obwohl seine verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Grundlagen entfallen sind. Damit bleibt gleichzeitig unaufgedeckt, daß die Probleme der Zuständigkeitsverteilung zwischen Parlament und Exekutive m i t dem Fortfall des konstitutionellen Systems neu formuliert werden mußten. Ging es unter der Geltung des monarchischen Prinzips um die Frage, was zu dem der monarchischen Spitze entwundenen Vorbehaltsbereich gehörte, d. h. aber darum, was das Parlament regeln durfte, so stellte sich hernach und stellt sich auch unter der Geltung des Grundgesetzes die Frage danach, was das Parlament regeln muß, soll es nicht aus seiner zentralen Stellung i m Verfassungsgefüge und aus seiner Verantwortung für die politischen Leitentscheidungen entlassen werden. A l l das ist jedoch nicht das Entscheidende: Die hier gegen die Konstruktion von Ule vorgebrachten Einwände sollten klarstellen, daß sie als Theorie zur Strukturaufhellung des Beamtenrechts wegen mangelnder normativer Fundierung nicht geeignet ist. Man würde ihr denn auch zuviel abverlangen, wollte man sie als dogmatische Theorie „an sich" verstehen, denn als solche war sie offenbar gar nicht gemeint. Vielmehr stellt sie eine pragmatische Theorie zur praktikablen Handhabung von Hechtsschutzfragen i n einem ganz bestimmten historischen Kontext dar. Den Schlüssel zu diesem Verständnis hat Ule selbst geliefert. I m Zusammenhang mit der Exegese von A r t . 19 Abs. 4 GG führt er aus, „daß die teleologische Auslegung einer mehrdeutigen Gesetzesbestimmung nach dem Sinn der Bestimmung zu fragen hat, der in einer ganz bestimmten geschichtlichen Situation als der richtige anzusehen (!) ist" 3 0 . Das bedeutet i n methodischer Hinsicht, daß Ule nicht nach der durch die sprachliche Formulierung eines Rechtssatzes eröffneten Anwendungsbreite und der durch die Rechtsordnung zur letztverbindlichen Entscheidung berufenen Stelle fragt 3 1 , sondern auf das pragmatische Erfordernis i n einem historischen Zeitpunkt abhebt. Seine These sollte offenbar—um mit Luhmann32 zu sprechen — Erwartungshorizonte ausfüllen, die durch die These von der Rechtsschutzexemtion des besonderen Gewaltverhältnisses 33 aufgerichtet worden waren. Es galt i n der Tat zum damaligen Zeitpunkt, als die organisationsrechtlichen Erkenntnisse von Hans J. Wolff kaum i n das Bewußtsein der Verwaltungsrechtswissenschaft ein30
V V D S t R L 15 (1957), S. 151. Hervorhebung von mir. Obwohl i h m dieses Vorgehen nicht fremd ist; vgl. Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 309 ff. (314). 32 Rechtssoziologie 1, S. 31 ff. 33 Vgl. oben Fußnote 11. 31
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I I . 1. Kap.: G r u n d e r h ä l t n i s u n d B e t r i e b s e r h ä l t n i s
gedrungen, geschweige denn verarbeitet waren, vornehmlich unter Hechtsschutzgesichtspunkten und mit pragmatischem Gespür für die Möglichkeit von „Fortschritten des Verwaltungsrechts" 3 4 , dem besonderen Gewaltverhältnis Stück für Stück ehedem als rechtsfrei angesehene Räume zu entwinden und durch das zu ersetzen, was nunmehr „als richtig angesehen" und akzeptiert werden konnte. I n dieser Funktion ist die Theorie von Ule zu sehen und hat sie ihre historischen Dienste geleistet. Daher wäre es verfehlt, sie i n der heutigen Situation zum Ausgangspunkt oder Maßstab für dogmatische Bemühungen um die Aufhellung normativer und organisatorischer Strukturen von Beamtenrecht und Amtsrecht zu setzen.
34
U m den T i t e l der Festschrift für Hans J. W o l f f nochmals zu zitieren.
Zweites Kapitel
Dienstrecht,
Amtsrecht u n d Amtswalterrecht
1. D i e Rechtsbeziehungen D i e Ule'sehe D i c h o t o m i e v o n G r u n d - u n d B e t r i e b s v e r h ä l t n i s h a t erste, d u r c h d i e Rechtsschutzgarantie des A r t . 19 A b s . 4 G G gebotene E i n b r ü c h e i n d e n w e i t g e h e n d r e c h t s f r e i e n R a u m des besonderen G e w a l t v e r hältnisses g e b r a c h t 1 . D e m e n t s p r i c h t i n e t w a d i e L o s l ö s u n g d e r D i e n s t g e w a l t v o n d e r O r g a n i s a t i o n s g e w a l t 2 . Diese D i f f e r e n z i e r u n g w e i s t i n der A u s f o r m u n g , die E . - W . Böckenförde 3 i h r gegeben h a t , bereits eine große N ä h e z u m WoZ/fsehen S y s t e m auf. D e n n o c h h a b e n die A n s ä t z e b e i U l e u n d H a n s J. W o l f f nichts g e m e i n 4 . W ä h r e n d U l e , v o m Rechtsschutzdenk e n m o t i v i e r t , das besondere G e w a l t v e r h ä l t n i s i n z w e i K a t e g o r i e n e i n t e i l t 5 , w a s i n der Sache auf S c h a f f u n g eines n e u e n „ b e s o n d e r e n G e w a l t 1 Z u m besonderen Gewalt Verhältnis speziell unter dem Aspekt des V e r rechtlichungsgebots vgl. Dieter Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers u n d die Rechtsweggarantie, München 1973, S. 29 ff. 2 Dazu Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 34 f. Bei Röttgen (Die Organisationsgewalt, V V D S t R L 16 [1958], S. 180 f.) sind beide Institute noch ungetrennt. Danach soll aus der Organisationsgewalt auch die „Befugnis . . . zur Verfügung über Beamte" folgen (ebd., S. 181). Die soeben erschienene Schrift von Helmut Lecheler, Die Personalgewalt öffentlicher Dienstherren, B e r l i n 1977, k a n n an dieser Stelle n u r erwähnt werden. 3 Organisationsgewalt, S. 34 f. 4 Die Unterscheidung von Hans J. Wolff (Verwaltungsrecht I 8 , § 46 V I I b, c) zwischen amtlichen u n d dienstlichen Maßnahmen hält Ule (VVDStRL 15, S. 152, Fußn. 74) selbst allerdings f ü r „ w o h l i n der Sache übereinstimmend" m i t seiner Unterscheidung, Wolff hingegen bezeichnet letztere als „ähnlich, aber ungenauer". Eine Entsprechung n i m m t ebenfalls an Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 205. Diese Gleichsetzung muß überraschen, da beide Lehren w o h l i n einigen Bereichen des Beamtenrechts gleiche Ergebnisse zeitigen können, der Ansatzpunkt jedoch ein v ö l l i g anderer ist: Rupp, Grundfragen, S. 81. Bereits beim Schulverhältnis zeigt sich die Divergenz, da der Schüler kein A m t innehat. Vgl. Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen i m öffentlichen Dienst, S. 38; Ekkehart Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 17. Eine mittlere Position v e r t r i t t Selmer, Der Verwaltungsrechtsschutz i n den besonderen Verwaltungsverhältnissen, DÖV 1968, 342 ff. 5 Zutreffend bemerkt Dürig (Maunz / D ü r i g / Herzog, Grundgesetz, A r t . 19 Abs. I V , Rdnr. 25, S. 17): „Es mag auch sein, daß i m Ergebnis Ules Abgrenzung w e i t h i n die Grenze zwischen Klagen m i t Aussicht auf Erfolg u n d Klagen ohne eine solche Aussicht t r i f f t . Es ist aber m i t A r t . 19 I V unvereinbar, eine Klage
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I I . 2. Kap.: Dienstrecht, Amtsrecht, Amtswalterrecht
Verhältnisses" hinausläuft 6 , setzt Hans J. Wolff vom A m t her als einer Institution an, dem er den Amtswalter als physische Person konfrontiert. Von diesem Ansatz her gerät er jedenfalls nicht von vornherein i n die Gefahr, der Ule ausgesetzt ist, nämlich die Grenze zwischen allgemeinem und besonderem Gewaltverhältnis „innerhalb der Person des Gewaltunterworfenen selbst" 7 verlaufen zu lassen. Bei diesem System sind zunächst der Klarheit wegen verschiedene Rechtsbeziehungen bzw. Rechtsverhältnisse zu unterscheiden 8 . Die Basis für die Verknüpfung einer konkreten physischen Person m i t einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn, das von Hans J. Wolff® sogenannte „unterliegende Verhältnis" ist das Anstellungsverhältnis 1 0 , Dienstrechtsverhältnis 1 1 oder Grundverhältnis 1 2 . Durch dieses Verhältnis, genauer: durch seine Begründung w i r d ein Individuum überhaupt erst einmal zur Tätigkeit für einen Dienstherrn gewonnen 13 . Es unterscheidet sich — abgesehen davon, daß es i m Beamtenrecht immer öffentlich-rechtlich, ausgestaltet ist — i n seiner Struktur nicht von anderen Arbeitsverhältnissen 14 ; zumal es selbst auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages bestehen kann 1 5 . Unter dem Begriff des Dienstverhältnisses werden alle jene Relationen begriffen, die sich nicht auf die Position des Beamten als Sachwalter staatlicher Funktionen beziehen, sondern ζ. B. Fragen der Besoldung, der Trennungsentschädigung, der Entfernung aus dem Dienst 1 6 etc. betreffen 17 . Aus diesem Verhältnis sollen bestimmte Rechte und Pflichten des Amtswalters folgen 18 . deshalb von vornherein als unzulässig anzusehen, w e i l sie sachlich zu einer Gruppe von Klagen gehört, die i m allgemeinen i n der Tat nicht begründet sind." β Vgl. Herbert Krüger, Der Verwaltungsrechtsschutz i m besonderen Gewaltverhältnis, N J W 1953,1369 ff. (1371). 7 Herbert Krüger, N J W 1953, 1371. 8 Vgl. zum folgenden Hans J. Wolff , Theorie der Vertretung, S. 224 ff.; Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, bes. S. 34 ff.; Rupp, Grundfragen, S. 19 ff. 9 Theorie der Vertretung, S. 232. 10 Hans J. Wolff, Theorie der Vertretung, S. 231; Ekkehart Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, Tübingen 1965, S. 19. 11 Rupp, Grundfragen, S. 76. 12 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I b. 13 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I a 3 . 14 Rupp, Grundfragen, S. 76. 15 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I b 2. 16 Nach Rupp (Grundfragen, S. 77) soll jedoch nicht die Entfernung aus dem ausgeübten Organwalterami dazu zählen. Diese Maßnahme beendigt zwar nicht das Dienstverhältnis. Dennoch k a n n der von i h r Betroffene dadurch „als selbständiger Träger eigener Rechte angesprochen" sein; vgl. B V e r w G E 14, 84 ff. Deshalb muß die Trennlinie zwischen Dienst- u n d Amtswalterverhältnis nicht dieselbe sein w i e zwischen (anfechtbaren) dienstlichen u n d (nicht anfechtbaren) amtlichen Weisungen.
1. Die Rechtsbeziehungen
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V o n d e m D i e n s t v e r h ä l t n i s w i r d das A m t s w a l t e r v e r h ä l t n i s u n t e r s c h i e d e n 1 9 . Dieses m e i n t d i e V e r b i n d u n g eines A m t s w a l t e r s m i t e i n e m A m t e d e r a r t , daß i h m d i e V e r s e h n u n g gerade d e r i n diesem A m t z u s a m m e n g e f a ß t e n A u f g a b e n o b l i e g t 2 0 . S o w o h l das D i e n s t - als auch das A m t s w a l t e r v e r h ä l t n i s w e r d e n als R e c h t s v e r h ä l t n i s s e angesehen 2 1 . W o d i e U n t e r s c h i e d e b e i d e r liegen, i s t n i c h t i m m e r einfach auszumachen. N i m m t m a n m i t Hans J. Wolff an, daß d i e H a u p t p f l i c h t aus d e m G r u n d v e r h ä l t n i s sich „ a u f d i e W a h r n e h m u n g eines b e s t i m m t e n oder — i d R — n u r der A r t nach b e s t i m m t e n A m t e s " richtet 22, die H a u p t p f l i c h t aus d e m A m t s w a l t e r v e r h ä l t n i s dagegen a u f d i e V e r s e h u n g d e r A m t s f u n k t i o n e n 2 3 , d a n n scheinen h i e r k e i n e q u a l i t a t i v e n , s o n d e r n n u r g r a d u e l l e U n t e r s c h i e d e v o r z u l i e g e n . D e m e n t s p r i c h t auch eine A n d e u t u n g i n „ T h e o r i e d e r V e r t r e t i m g " 2 4 , w o n a c h das O r g a n w a l t e r v e r h ä l t n i s z u m „unterliegenden Rechtsverhältnis" nicht etwa w i e ein „Außenverhältnis" z u m „ I n n e n v e r h ä l t n i s " sich v e r h a l t e n soll, „ s o n d e r n eher w i e das B e sondere z u m A l l g e m e i n e n " . V o r d e m H i n t e r g r u n d dieser K o n z e p t i o n i s t es k o n s e q u e n t , w e n n Hans J. Wolff a u s f ü h r t 2 5 , daß das A m t s w a l t e r v e r h ä l t n i s m i t d e m I n n e n v e r h ä l t n i s 2 6 auch z u s a m m e n f a l l e n k ö n n e , so e t w a , 17
Rupp, Grundfragen, S. 76/77. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , §73 I I I b 3; abweichend noch ders., Theorie der Vertretung, S. 234. Vgl. auch BVerfGE 21, 391 (405). Dazu ist vorläufig kritisch anzumerken, daß Verhaltenspflichten nicht aus „Verhältnissen" folgen können, sondern bedingt sind durch einen nachweisbaren Satz der positiven Rechtsordnung. Vgl. n u r Adolf Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 132 f. Bezeichnend ist, daß Hans J. Wolff als Beleg f ü r seine These keine gesetzliche Vorschrift, sondern n u r eine Gerichtsentscheidung angibt (bw V G H , Z B R 1968, 344). Mißverständlich formuliert auch Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 28: Danach „entspringt" das persönliche Weisungsrecht dem Anstellungsverhältnis. Er r e k u r r i e r t aber sogleich auf die einschlägigen Normen des Beamtenrechts. 19 Bei Georg Jellinek (System, S. 225 f.) w a r das Amtswalterverhältnis noch aus dem Blickfeld. E r unterscheidet lediglich „Staatsorgan" u n d „physische Person". 20 Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I a 2. Wiederum ist kritisch anzumerken, daß die Amtswahrnehmungspflicht nicht aus dem A m t s w a l t e r verhältnis folgt, sondern aus den sie statuierenden Rechtssätzen, vgl. etwa §§ 35 Abs. 1 Satz 2; 36 Satz 2 BRRG. 21 Rupp, Grundfragen, S. 75; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , §73 I I I c. Dennoch w i l l Rupp (Grundfragen, S. 80) f ü r Klagen, die das A m t s w a l t e r v e r hältnis betreffen, den Rechtsweg generell ausschließen. Hier w i r d wieder deutlich, daß die Qualifizierung einer Relation als Rechtsverhältnis für sich allein noch nichts besagt. 22 verwaltungsrecht I I , § 73 I I I b 3 a. 18
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Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I c 2 a. S. 233. ss verwaltungsrecht I I , § 73 I I I a 3.
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26 Die Terminologie ist etwas verwirrend. Gemeint ist das hier so bezeichnete Dienst- u n d Grundverhältnis. Die Bezeichnung „Innenverhältnis" w ä h l t Hans J. Wolff nicht etwa, u m einen rechtsfreien Raum zu kennzeichnen, son-
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I I . 2. Kap.: Dienstrecht, Amtsrecht, Amtswalterrecht
das Grundverhältnis zur Wahrnehmung eines bestimmten Amtes verpflichte. Aus dieser Sicht hat also das Amtswalterverhältnis gegenüber dem Dienstverhältnis eine bloß konkretisierende Funktion. Dann fragt es sich aber, ob es dieser Figur überhaupt bedarf. Festzuhalten ist zunächst, daß aus Rechtsverhältnissen als solchen keine Verhaltenspflichten folgen können 2 7 . Verhaltenspflichten mögen zwar Bestandteile eines Rechtsverhältnisses und für dieses charakteristisch sein, müssen aber ihrerseits auf positiv-rechtliche Bestimmungen rückführbar sein. I n dieser Sicht ist das Amtswalterverhältnis gleichsam das Sammelbecken für die gesetzlich vorgesehenen Verhaltensweisen, die dem Amtswalter bei der Wahrnehmung staatlicher Funktionen obliegen. So ist die Bezeichnung bei Hans J. Wolff offenbar auch gemeint. Läßt man nämlich einmal die einzelnen Pflichten Revue passieren, die nach seiner Darstellung aus dem Amtswalterverhältnis folgen, dann ergibt sich bei näherer Betrachtung, daß sich darunter keine findet, die nicht auch gesetzlich statuiert wäre. Dann aber w i r d das so konzipierte Amtswalterverhältnis als dogmatischer Begriff entbehrlich, da es nicht als eigenständige Rechtsfindungsquelle fungiert, sondern lediglich — als didaktischer und systematischer Begriff — einen abgrenzbaren Kreis von Pflichten umschreibt. Für die Frage, ob einer konkreten Person bestimmte Pflichten obliegen, genügt i m Bereich des Beamtenrechts die Feststellung, ob sie sich i n einem Beamten Verhältnis befindet und welcher A r t dieses sowie ihr A m t sind. Dann lassen sich m i t Hilfe des Gesetzes die beamtenrechtlichen Pflichten eruieren. Demgegenüber könnte eingewendet werden, der Kreis der einem Amtswalter obliegenden Pflichten lasse sich nicht bloß mit Hilfe des dern u m Parallelen zur bürgerlich-rechtlichen Vertretung zu ziehen. Vgl. Theorie der Vertretung, S. 182 u n d öfter. 27 Vgl. nochmals oben Fußnoten 18 u n d 20. Die Widersprüchlichkeit w i r d deutlich, w e n n Hans J. Wolff (Verwaltungsrecht I I , §73 I I I c 2) ausführt: „ Z u den Pflichten aus dem Amtswalterverhältnis gehören schließlich auch die besondere zivilrechtliche (idR Rückgriffs-) u n d die strafrechtliche Haftung der A m t s w a l t e r aus § 839 B G B bzw. §§ 331 ff. StGB." U n k l a r Winfried Brohm, S t r u k t u r e n der Wirtschaftsverwaltung, Stuttgart 1969, S. 222. A m weitesten von einem normativen Ansatz entfernt sich Ule, wenn er beispielsweise (Beamtenrecht, 1970, S. 149) ausführt, die Pflicht zur Kameradschaftlichkeit u n d Hilfsbereitschaft gegenüber Untergebenen u n d Kollegen ergebe sich aus der Tatsache (!), daß der öffentliche Dienst n u r dann funktionieren könne, wenn alle Beamten an der E r f ü l l u n g der Aufgabe, die dem öffentlichen Dienst gestellt sei, zusammenwirkten. Dazu ist zu sagen, daß die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes gesetzlich sichergestellt ist durch Amtswahrnehmungs-, Gehorsams- u n d Remonstrationspflicht sowie durch die Möglichkeit disziplinarischer Sanktionen; alles, was an Effizienzgeboten darüber hinaus konstruiert w i r d , läuft letzten Endes wiederum n u r auf die Schaffung (grund-) rechtsfreier Räume hinaus. Vgl. Karl Josef Partsch, Verfassungsprinzipien u n d Verwaltungsinstitutionen, Tübingen 1958, S. 25 f.; Walter Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, Tübingen 1971, S. 46 u n d passim; Schnapp, Beamtenstatus u n d Streikrecht, Herford 1972, S. 52 f.
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(materiellen) Beamtengesetzes feststellen. Vielmehr seien auch die Verwaltungsvorschriften (Dienstordnungen, Geschäftsverteilungspläne etc.) heranzuziehen, durch die erst die kompetenzielle Ämterordnung geschaffen werden. Daran ist soviel richtig, daß erst durch diese Amtsrechtssätze die einzelnen Ämter insofern konstituiert und geformt werden, als sie die i n einem A m t zusammengefaßten Wahrnehmungszuständigkeiten auf ein ganz bestimmtes A m t projizieren, das i n dieser Form intersubj e k t i v „vorgegeben und unverfügbar" 2 8 , d. h. von „Dasein, Wechsel und Wegfall" 2 9 physischer Personen unabhängig ist. Dem Dienstnehmer w i r d durch die Einweisung 8 0 gleichsam sein A m t „gezeigt", das er bei der Übernahme der Dienstgeschäfte „vorfindet". Die persönliche Verknüpfung des Dienstnehmers m i t dem Amte derart, daß die „Außenpflichten" des Staates letztlich eine motivationsfähige Person treffen, erfolgt auf dem Wege über die Amtswahrnehmungspflicht. Diese ist aber gesetzlich statuiert. Das bedeutet: Welche einzelnen Verrichtungen der jeweilige Amtswalter vorzunehmen hat, ergibt sich letztlich aus den Amtsrechtssätzen. Daß er die i n dem ihm anvertrauten A m t zusammengefaßten Wahrnehmungszuständigkeiten ausüben muß, ergibt sich aus der Amtswahrnehmungspflicht und der Weisungsgebundenheit, durch die er notfalls — bei Untätigkeit oder bei Überschreitungen der kompetenziellen Amtsgrenzen — auf das A m t „zurückgeworfen"werden kann. Aus alldem ergibt sich deutlich, daß die Amtswahrnehmungspflicht eine dienstrechtliche ist, die als gesetzlich ausgestaltete Pflicht des Beamten dem Dienstverhältnis angehört. Der hier vertretenen Ansicht ließe sich weiter entgegenhalten, die Trennung zwischen Dienstverhältnis und Amtswalterverhältnis sei strukturell vorgegeben, weil es das erste ohne das zweite geben könne, also Beamte ohne A m t existierten 3 1 . Dazu ist lediglich zu bemerken, daß hier die gedankliche Trennbarkeit von Beamter und Amt, von Dienstrechtsverhältnis und Amtswalterverhältnis, nicht bestritten wird. Es wurde lediglich bezweifelt, ob es angesichts der Konkretisierungsfunktion des Amtswalterverhältnisses dieser Figur als eines dogmatischen Instruments bedarf. Die Trennbarkeit verschiedener Aspekte der Realität ist immer möglich, die Zahl so groß wie gedankliche Schärfe und Begriffsinstrumentarium es erlauben. Wesentlich ist nur, welche Folgerungen daraus gezogen werden bzw. welches die Relevanz von Unterscheidungen ist. 28
Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 73 I c 2. RGZ 32, 366. 30 Die uno actu m i t der Begründung des Dienstverhältnisses u n d auch k o n kludent erfolgen kann. s. a. Dreier, Das kirchliche A m t , S. 120. 31 Vgl. etwa Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, §7. 29
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I I . 2. Kap.: Dienstrecht, Amtsrecht, Amtswalterrecht
Vorläufig ist als Zwischenergebnis festzuhalten: Nach der überwiegend vertretenen Ansicht sind i m Bereich des Beamtenrechts drei unterschiedliche Relationen auseinanderzuhalten: das Dienstverhältnis (Anstellungsverhältnis), das Amtswalterverhältnis und das Organverhältnis 8 2 . Davon waren zunächst die ersten beiden betrachtet worden. Bei der Frage nach der Funktion bzw. der Relevanz jener Unterscheidungen hatte sich als erstes herausgestellt, daß das Amtswalterverhältnis bloß konkretisierende Funktion einnimmt und sogar m i t i h m zusammenfallen kann, so daß der Unterschied ein lediglich gradueller, nicht jedoch qualitativer ist. Das scheint darauf hinauszulaufen, daß dem Amtswalterverhältnis eine eigenständige Funktion abgesprochen werden soll. Vor einem solchen Verdikt muß jedoch dieser Dichotomie noch ein wenig weiter nachgegangen werden. Zunächst war nur festgestellt worden, daß aus ihr hinsichtlich der Verhaltenspflichten von Amtswaltern nichts folgt, sondern daß sie lediglich unterschiedliche A r t e n von Amtswalterpflichten typisierend zusammenfassen kann. Es fällt weiter auf, daß sich das Amtswalterverhältnis — anders als das Dienstverhältnis 3 3 — nicht ohne weiteres normativ zurückführen läßt 3 4 . Sieht man jedoch die Funktion des Amtswalterverhältnisse darin, die Verbindung einer Person m i t einem A m t dergestalt herzustellen, daß ihr die Versehung gerade der i n diesem konkreten A m t zusammengefaßten Aufgaben obliegt 3 5 , dann dürften als zutreffende normative A n knüpfungspunkte diejenigen beamtenrechtlichen Vorschriften i n Betracht kommen, welche die Amtswahrnehmungspflicht und die Weisungsgebundenheit des Amtswalters statuieren 36 . Hierdurch erfolgt die persönliche Verknüpfung des jeweiligen Amtswalters m i t dem jeweiligen A m t 3 7 , also die Verschachtelung von Organisations- und Dienstrecht. 82
Ausdruck bei Rupp, Grundfragen, S. 81. Vgl. §§ 2 ff. BRRG. 34 I n historischem Rückblick sei an einen Ausspruch von H äb erlin erinnert (Handbuch des Teutschen Staatsrechts nach dem System des H e r r n Geheimen Justizrath Pütter, Zweiter Band, neue verbesserte u n d vermehrte Ausgabe, B e r l i n 1779, S. 193 f.) : „ . . . das Verhältniß des Staates u n d der Diener desselben gegen einander ist durch positive Gesetze wenig, oder nicht bestimmt. Es k a n n daher dasselbe n u r nach Grundsätzen des allgemeinen Staatsrechts u n d der P o l i t i k bestimmt werden." 85 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I a 2. 86 §§ 35 Abs. 1 Satz 2; 36 Satz 2 BRRG. 87 Abweichend Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 21: Durch das Anstellungsverhältnis werde die Verbindung zwischen dem A m t u n d einer Einzelperson hergestellt. Das ist unzutreffend, da die Begründung des Anstellungsverhältnisses nicht identisch ist m i t der Zuweisung eines Amtes. Richtig dagegen Hans J. Wolff (Verwaltungsrecht I I , §73 I I I c): Das Dienstverhältnis (Grundverhältnis, Anstellungsverhältnis) bedarf der E r gänzung durch das Amtswalterverhältnis, damit der Verwaltungsorganismus 88
1. Die
echtsbeziehungen
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Die bloße Zuweisung einer Amtsstelle dürfte zur Begründung und Aufrechterhaltung des Amtswalterverhältnisses nicht ausreichen. Denn da Ämter nicht „starr" sind, sondern durch allgemeine Richtlinien und Einzelweisungen geformt und konkretisiert werden, bedarf es der permanenten Verknüpfung einer Einzelperson m i t dem sich wandelnden Amt. Aus dieser Perspektive beinhaltet die Amtswahrnehmungspflicht gleichsam die kontinuierliche Amtszuweisung. Aus der ersten Einweisung i n ein A m t folgt also noch nicht die persönliche Verpflichtung der i n eben diesem A m t zusammengefaßten A u f gaben; hier w i r d — wie bereits erwähnt — dem einzelnen Dienstnehmer „sein" A m t nur vorgezeigt. Dieses Einweisen i n einen Aufgabenkreis ist m i t h i n nicht konstitutiv für bestimmte Verhaltenspflichten, es ist jedoch ebenfalls nicht nur deklaratorischer Natur. Aus der Sicht des einzelnen Amtswalters stellt die Einweisung vielmehr ein Tatbestandsmerkmal der i h n treffenden Rechtssätze über die Amtswahrnehungspflicht dar. A n dieser Stelle läßt sich fragen, ob Amtswahrnehmungspflicht und Weisungsgebundenheit (Gehorsamspflicht) überhaupt nebeneinander erforderlich sind oder ob hier nicht eine überflüssige Doppelgleisigkeit vorliegt. Denn einerseits werden die Ämter durch allgemeine Richtlinien und Einzelweisungen konkretisiert; folglich müßte die Pflicht zu deren Befolgung m i t der Amtswahrnehmungspflicht identisch sein. Andererseits erfolgt die persönliche Verknüpfung des Dienstnehmers m i t dem durch allgemeine Richtlinien und Einzelweisungen „objektiv" vorgeformten A m t bereits auf dem Wege über die Amtswahrnehmungspflicht; demnach könnte sich die Weisungsgebundenheit als entbehrlich erweisen. Das Erfordernis der Amtswahrnehmungspflicht neben der Gehorsamspflicht ergibt sich jedoch daraus, daß beide auf einen unterschiedlichen Regelungsgegenstand gerichtet sind. Die Gehorsamspflicht ist i n erster Linie ein M i t t e l zur Sicherstellung der Weisungshierarchie. Sie verhindert das unaufgelöste Nebeneinander konkurrierender Entscheidungen und ist — zusammen m i t dem Institut der Remonstration — ein Instrument zur Klarlegung der Kompetenz zur letztverbindlicher Entscheidung und damit eine Garantie für das „Funktionieren" der vollziehenden Gewalt. Demgegenüber erfolgt durch die Amtswahrnehmungspflicht die persönliche Verknüpfung des Amtswalters m i t dem A m t derart, daß hier letztlich die „Außenpflichten" des Staates innerdienstlich eine motivazur Bewältigung der i h m durch das Außenrecht gestellten Aufgaben überhaupt funktionsfähig w i r d . Diese Ergänzung erfolgt durch die gesetzlich statuierte Amtswahrnehmungspflicht. Vgl. auch W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 218.
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I I . 2. Kap.: Dienstrecht, Amtsrecht, Amtswalterrecht
tionsfähige Person treffen. Denn die Amtsführung erstreckt sich auf die Durchführung derjenigen gesetzlichen Materien, die dem jeweiligen A m t durch die Ämterordnung als Kompetenz zugewiesen sind. Aus dieser kompetenziellen Zuweisung an Ämter ergibt sich jedoch noch keine persönliche Handlungspflicht des einzelnen Amtswalters; sie resultiert vielmehr erst aus der Amtswahrnehmungspflicht. Das Erfordernis eines Nebeneinanders von Amtswahrnehmungs- und Gehorsamspflicht ergibt sich auch aus der möglichen Inkongruenz beider Pflichten. Ergeht etwa an einen Staatsanwalt die Weisung, entgegen dem Legalitätsprinzip eine Strafsache nicht weiter zu verfolgen, dann befreit zwar die erfolglose Remonstration den angewiesenen Beamten von seiner Verantwortlichkeit. Aber durch die Abweichung der Weisung von der Außenrechtsnorm (bzw. generellen Amtsnorm) werden die Verantwortlichkeiten klargestellt. Schließlich kann die aus der Gehorsamspflicht resultierende Weisungsgebundenheit ein M i t t e l sein, um bei Untätigkeit des Amtswalters „an der Front" die Amtswahrnehmung sicherzustellen. Zwar kann die Verletzung der Amtswahrnehmungspflicht disziplinarische Maßnahmen auslösen. Diese sind jedoch nicht das Mittel, um das Handeln des Amtswalters dort, wo es i n Vollzug der Außenrechtsnormen geboten ist, zu erzwingen. Dazu ist nur die Gehorsamspflicht geeignet, die sich auch unter diesem Aspekt als neben der Amtswahrnehmungspflicht erforderlich erweist. Als weiteres Zwischenergebnis kann festgehalten werden, daß normative Anknüpfungspunkte für das Dienstverhältnis die Bestimmungen sind, die sich über die Begründung des Beamtenverhältnisses verhalten, für das Amtswalterverhältnis diejenigen, welche Amtswahrnehmungspflicht und Weisungsgebundenheit statuieren. Das bedeutet nicht, daß „Dienstverhältnis" und „Amtsverhältnis" damit engegen einer anfänglichen Skepsis erneut als dogmatische Begriffe installiert wären. Sie werden lediglich als Sammelbegriff fortgeschrieben; der dogmatische Ertrag bleibt weiterhin offen. Nach den angestellten Überlegungen w i r d nämlich erneut zweifelhaft, ob dem Amtswalterverhältnis eine eigenständige Bedeutung zukommt. W i r hatten gesehen, daß aus ihm selbst keine Verpflichtungen folgen können, es vielmehr bestimmte Verpflichtungen zusammenfassend umschreiben kann. Als eine davon war die Amtswahrnehmungspflicht herausgestellt worden. Diese kann sich aber immer nur auf ein bestimmtes A m t beziehen. Zwar kann es eine generelle Pflichtigkeit 3 8 des einmal zum öffentlichen Dienst Gewonnenen geben, Ämter einer bestimmten 38
I n der Terminologie v o n Walter Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., B e r l i n 1931, Neudruck Bad H o m b u r g v. d. H. 1966, S. 193; s. a. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I 8 , § 40 I V a.
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A r t wahrzunehmen; sie kann aber erst dann virulent werden, d. h. den Dienstnehmer zu konkreten Tätigkeiten motivieren, wenn er „sein" A m t zugewiesen bekommen hat, auf das sich erst dann die Amtswahrnehmungspflicht bezieht 39 . Aus dieser Sicht stellt sich dann aber die Verpflichtung zur Versehung des jeweiligen Amtes als Hauptpflicht, d. h. als der wesentliche Inhalt des Dienstverhältnisses dar, nicht anders als i m Arbeitsrecht, i n dem die Hauptpflicht des Arbeitnehmers die Pflicht zur Arbeitsleistung ist 4 0 . M. a. W.: Es gibt keine zwei verschiedenartigen Pflichten, von denen die eine aus dem Grundverhältnis, die andere aus dem Amtswalterverhältnis folgt. Die Amtswahrnehmungspflicht ist eine einheitliche Pflicht und als solche Inhalt des Beamtenverhältnisses 41 . Als weiterer Unterschied zwischen Dienstverhältnis und Amtswalterverhältnis w i r d hervorgehoben, daß letzteres sich auf die Position des Dienstnehmers als Walter staatlicher, d. h. für i h n „fremder" Funktionen bezieht, ersteres dagegen seine „persönliche" Rechtsstellung umgreift 4 2 . Soweit diese Differenzierung darauf hinausläuft, i n diesen Verhältnissen zwei unterschiedliche Kategorien von Weisungen — nämlich amtliche und dienstliche — auszumachen, was i n der weiteren Konsequenz nichts anderes bedeutet, als daß Klagen gegen dienstliche Maßnahmen zulässig, gegen amtliche Maßnahmen hingegen generell unzulässig sein sollen 43 , w i r d diese spezifische (Rechtsschutz-) Problematik i n dem nachfolgenden Abschnitt über „Amtliche und dienstliche Weisungen" gesondert be39
Abweichend Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I b 3 α. Vgl. Alfred Hueck, i n : Hueck / Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., 1. Bd., B e r l i n u n d F r a n k f u r t a. M. 1963, S. 197. Abweichend Arthur Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. 1, 3. Aufl., Tübingen 1961, S. 270 ff.; ders., Festschrift für Nipperdey, 1955, S. 65 ff.; Nikisch unterscheidet zwischen Dienstpflicht u n d Arbeitspflicht. Insofern bestehen ersichtlich Parallelen zur Konzeption von Hans J. Wolff. Gegen Nikisch wiederum Bötticher, R d A 1955, 323. 41 Ä h n l i c h Hugo Preuß, Das städtische Amtsrecht i n Preußen, B e r l i n 1902, S. 74 ff., 101, i n seiner Auseinandersetzung m i t der seinerzeit herrschenden Lehre, die den Beamtenbegriff von dem Amtsbegriff v ö l l i g loslöste. H i n t e r grund dieser Auseinandersetzung w a r die Kontroverse zwischen organischer u n d anorganischer K o n s t r u k t i o n des Staatsdienerverhältnisses. 42 Rupp, Grundfragen, S. 75 f. ; Stein, Die Grenzen des dienstlichen W e i sungsrechts, S. 19 ff.; vgl. auch Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I 8 , §46 V I I ; Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I c, d. Die Position von Hans J. Wolff erscheint allerdings nicht ganz eindeutig. E r f ü h r t aus (Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I d 1), daß hinsichtlich der „amtlichen Sphäre", d. h. i m Hinblick auf die Amtsstelle i m funktionalen Sinne, der A m t s w a l t e r — anders als i n seiner „dienstlichen Sphäre" — keine eigenen Rechte habe. Die dienstliche Sphäre sieht Wolff dabei, w i e die Rückverweisung (ebd.) deutlich erkennen läßt, durch G r u n d verhältnis und Amtswalterverhältnis umgriffen an, so daß der Beamte i m Amtswalterverhältnis eigene Rechte haben muß. 43 Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 96 ff.; Rupp, Grundfragen, S. 97 ff.; Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 26 f.; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, §46 V I I ; Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I d 1. 40
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handelt. Hier soll nur auf ein methodisches Bedenken aufmerksam gemacht werden, das auf die Gefahr eines Zirkelschlusses hinweist, der sich diese Trennung ausgesetzt sieht. I m Amtswalterverhältnis soll die amtliche, nichtpersönliche Position des Amtswalters erfaßt sein, das Dienstverhältnis demgegenüber die persönliche Rechtsstellung des Amtswalters umgreifen. Demgemäß regeln allgemeine und Einzel Weisungen i m Amtswalterverhältnis lediglich amtliches Verhalten. Wann aber amtliches Verhalten geregelt wird, ergibt sich aus der Zugehörigkeit einer Rechtssatzgruppe — nämlich der Verwaltungsanordnungen und amtlichen Weisungen — zum Bereich des Amtswalterverhältnisses; anders ausgedrückt: die Amtsstellung w i r d durch Verwaltungsanordnungen und amtliche Einzelweisungen konkretisiert, die wiederum qua definitione nur amtliches Verhalten betreffen sollen. Der Z i r k e l liegt auf der Hand 4 4 , m i t dem Ergebnis, daß auf der Basis der Dichotomie von Dienst- und Amtswalterverhältnis nicht beantwortet werden kann, wann die persönliche (dienstliche) und wann die amtliche Sphäre betroffen ist. Somit bleibt auch für diesen Bereich der dogmatische Ertrag jener Zweiteilung offen. Somit könnte sie lediglich noch auf zwei Problemkreise hinweisen: zum einen auf die möglicherweise unterschiedlichen Erzeugungsregeln für die jene Verhältnisse regierenden Rechtssätze, zum anderen auf den Rechtsschutz des Amtswalters gegen Maßnahmen, die „ i n " diesen Verhältnissen getroffen werden. Was die ersterwähnte Problematik anbetrifft, so könnte man sich auf den ersten Blick m i t der Tatsache zufriedengeben, daß Amtswahrnehmungspflicht und Weisungsgebundenheit, die das Amtswalterverhältnis „ausmachen", formell-gesetzlich statuiert sind, somit dem Erfordernis des Gesetzesvorbehalts Genüge getan sei 45 . Das ist jedoch eine Scheinlösung, und zwar unter mehreren Aspekten. Z u m einen enthalten die erwähnten Vorschriften — n i m m t man den Wortlaut ernst — keine an die vollziehende Gewalt adressierten Ermächtigungen, sondern statuieren Verpflichtungen für den einzelnen Beamten. Aber selbst wenn man dies nur als Kehrseite derselben Medaille ansehen, die Vorschriften also als Ermächtigungsnormen werten wollte, erheben sich weitere Bedenken. Sie leiten sich zum einen aus dem Bestimmtheitsgrundsatz her, wonach der Verpflichtete schon aus der Norm soll ersehen können, wozu er verpflichtet ist. Diesen Anforderungen dürften die gesetzlichen Vorschriften über die Gehorsamspflicht nicht genügen, da der Amtswalter erst i n Verbindung m i t der jeweiligen Weisung wissen kann, wie er sich ver44
Siehe für vergleichbare Problemstellungen Rupp, Grundfragen, S. 31; Selmer, VerwArch Bd. 59 (1968), S. 116. 45 So offenbar Werner Thieme, Die besonderen Gewaltverhältnisse, DÖV 1956, 521 ff. (524).
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halten soll. Andererseits soll gewiß nicht behauptet werden, den Beamten treffe gegenüber allen Anordnungen und Richtlinien eine Befolgungspflicht. Denn dann wäre die Kontroverse um die Verbindlichkeit rechtswidriger Dienstbefehle schon vom Ansatz her unverständlich 46 . Aber auch positiv-rechtlich ist eine solche Annahme nicht zu halten. Der Beamte ist nämlich nur verpflichtet, solche Anordnungen zu befolgen, gegen deren Rechtmäßigkeit er keine Bedenken hat. Bei den übrigen hat er den Remonstrationsautomatismus auszulösen, der für i h n i n einer verbindlichen Anordnung endet, falls der nächsthöhere Vorgesetzte diese bestätigt. Die Weisungsgebundenheit ist also stets i m Zusammenhang m i t dem Institut der Remonstration zu sehen. N i m m t man diese i n die Betrachtung m i t hinein, dann wäre beispielsweise § 37 Satz 2 BRRG wie folgt zu lesen: „Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Er ist verpflichtet, die von ihnen erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen, soweit er keine Bedenken gegen ihre Rechtmäßigkeit hat oder sie für i h n verbindlich sind." Danach dürfte deutlich sein, daß das Problem der Erzeugungsregeln für Amtsrechtssätze, die das Amtswalterverhältnis betreffen, allein m i t dem Hinweis auf die gesetzlich statuierte Amtswahrnehmungs- und Gehorsamspflicht nicht erledigt werden kann. Fraglich ist gerade, ob diejenigen Amtsrechtssätze, die die Ämter kontinuierlich konstituieren, aber über die Brücke der Amtswahrnehmungspflicht letztlich doch den konkreten Amtswalter treffen, den gleichen oder anderen Erzeugungsregeln folgen wie die Exekutivmaßnahmen i m Außenbereich. Das bedeutet jedoch, weiter, daß diese Problematik nicht unter der Rubrik dieses Abschnitts behandelt werden kann, sondern erst dann, wenn die phänomenologische Betrachtung der Struktur des Innenbereichs abgeschlossen ist. Was schließlich die Frage des Rechtsschutzes gegen Maßnahmen i m Amtswalterverhältnis angeht, so liegt auch hier eine Problematik vor, die gesonderter Erörterung bedarf. Nur soviel sei angedeutet, daß das Problem der Zulässigkeit verwaltungsgerichtlicher Klagen m i t Hilfe der einschlägigen prozessualen Bestimmungen zu lösen ist, nicht jedoch durch Strukturen und Denkkategorien des Innenbereichs pauschal vorentschieden werden kann 4 7 . Seine Lösung hängt nicht zuletzt davon ab, welcher Auffassung man zur Zulässigkeit verwaltungsgerichtlicher K l a gen unter dem Aspekt von § 42 Abs. 1 VwGO ist. Verlagert man aber die prozessuale Fragestellung i n den materiell-rechtlichen Bereich, dann 48
Vgl. dazu unten Drittes Kapitel, 3 a. Vgl. dazu vorerst Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, Grundgesetz, A r t . 19 Abs. 4 Rdnr. 25; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers u n d die Rechtsweggarantie, S. 35 m. w . N.; Wolf gang Martens, Z B R 1970,199. 47
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w i r d entweder der Verwaltungsaktsbegriff 4 8 oder aber der Bereich „eigener Rechte" des Amtswalters zum Manipulationsobjekt. Nach allem ergibt sich vorerst, daß insbesondere die Figur des Amtswalterverhältnisses i n ihrer dogmatischen Funktion zweifelhaft ist. Gleichwohl dürfte sie als systematischer Begriff zur Erfassung der Strukturen des Innenbereichs schwerlich verzichtbar sein. Zwar ist die Pflicht zur Amtswahrnehmung eine gesetzlich statuierte, dienstrechtliche Hauptpflicht; i h r Inhalt i m einzelnen läßt sich aber nicht aus dem Dienstverhältnis ablesen, sondern ergibt sich erst i n Verbindung m i t den Amtsrechtssätzen, die auf das jeweilige A m t zugeschnitten sind.. Das Amtswalterverhältnis bündelt m i t h i n diejenigen Beziehungen, i n denen der Beamte als Walter staatlicher, d. h. für i h n fremder Funktionen steht. Gleichzeitig bezeichnet es damit die Nahtstelle zwischen dem personenorientierten Beamtenrecht und dem apersonal strukturierten Amtsrecht. Wenn hier die dogmatische Funktion des Amtswalterverhältnisses i n Frage gestellt worden ist, so ist damit keineswegs das Postulat verbunden, diese Figur aus dem Begriffsarsenal des Beamtenrechts zu verbannen, sondern hat einen anderen Grund. Dazu ist an die oben 4 9 getroffene Unterscheidung zwischen dogmatischen und systematischen (didaktischen) Begriffen zu erinnern: Während erstere einen normativen Komplex derartig speichern, daß damit bereits Problemlösungen gebündelt sind, haben letztere die Funktion, Probleme zu bündeln sowie komplexe Strukturen zu erfassen und durchschaubar zu machen. Freilich gibt es Wanderungsprozesse, wobei zunächst festzuhalten ist, daß m i t wachsender Abstraktionshöhe eines Begriffs dessen Verwendbarkeit als dogmatischer geringer wird. Da nämlich die Menge der gespeicherten normativen Komplexe m i t steigender Abstraktionshöhe zunimmt, w i r d zwangsläufig der erforderliche Konsens geringer: die I m p l i kationen der Verwendung eines konkreten dogmatischen Begriffs sind nicht mehr unproblematisch. Was die erwähnten Wanderungsprozesse angeht, sei dies an einem Beispiel erläutert. Solange i n der rechtswissenschaftlichen Diskussion Einigkeit darüber bestand, daß gegen Maßnahmen i m besonderen Gewaltverhältnis kein Rechtsschutz gegeben sei, war „das besondere Gewaltverhältnis" ein verwendbarer dogmatischer Begriff 5 0 . Sobald diese These problematisiert wurde, ging diese Funktion verloren. Das besondere Gewaltverhältnis war zum didaktischen Be48 Siehe auch die Andeutung bei Abelein, Festschrift für Günther Küchenhoff, 2. Halbband, S. 431, Fußn. 63; vgl. ferner ν . Mutius, Rechtsnorm u n d Verwaltungsakt, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 185 m i t Fußn. 92. 49 Vgl. Erster Teil, 1. Kapitel, 1 c. 50 Dabei spielt es f ü r diesen Zusammenhang keine Rolle, ob die „einhellige Meinung" m i t der jeweiligen objektiven Rechtslage vereinbar ist. Insofern k a n n Dogmatik ein Eigenleben führen, was freilich an ihrer K r i t i k w ü r d i g k e i t nichts ändert.
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2. Das Organverhältnis
griff „abgesunken" 51 . Der gleiche Prozeß scheint sich nunmehr innerhalb des besonderen Gewaltverhältnisses fortzusetzen. Auch hier beginnt der Konsens über die prinzipielle Rechtsschutzexemtion von Weisungen i m Amtswalterverhältnis
(bzw. B e t r i e b s V e r h ä l t n i s )
abzubröckeln52.
Dem-
entsprechend w i r d die dogmatische Verwendbarkeit des Begriffs „Amtswalterverhältnis" problematisch. Der Begriff speichert nicht mehr i n unbestrittener Weise Lösungen, sondern weist auf sachliche Probleme hin. 2. Fortsetzung: Das Organ Verhältnis
Bevor auf einige Aspekte des Amtswalterverhältnisses nochmals näher eingegangen wird, soll noch ein Blick auf eine dritte Relation des Beamten- und Organisationsrechts geworfen werden: das Organverhältnis. Hinter diesem Begriff verbergen sich wiederum mehrere Probleme. Das Ausgangsproblem ist zumeist die Frage nach der rechtlichen Qualifizierung der Organe und Ämter, also danach, ob diesen Institutionen Rechtsfähigkeit, Rechtspersönlichkeit, Rechtssubjektivität, Zurechnungsendsubjektivität — welchen Terminus man immer wählen w i l l — zukommt. Wenngleich i n diesem Zusammenhang bereits das nicht unwichtige rechtstheoretische Problem des Rechtssatzbegriffs und der Struktur von Rechtssätzen aufgeworfen ist, hat die Zuerkennung eines dieser Prädikate für sich allein noch kein entscheidendes Gewicht. Denn da aus der hier angestellten Sicht dieser Frage allein terminologische Bedeutung zukommt 5 3 , sie m i t h i n keine Frage nach dem „Wesen" von Rechtsfähigkeit etc. ist, folgt aus ihrer Beantwortung (noch) nichts. Stellt man als Voraussetzung für eine entsprechende Qualifizierung auf, daß eine Institution Zuordnungspunkt, Adressat wenigstens eines Rechtssatzes sein müsse, ist eben nicht nur der Begriff des Rechtssatzes i m Spiel. Als rechtlich relevant stellt sich dann nämlich die Frage, i n welcher Relation den dieser Rechtssatz „ w i r k t " , anders ausgedrückt: i n welcher Beziehung dieser Rechtssatz „ g i l t " , zwischen welchen Subjekten er also Rechte und/ oder Pflichten erzeugt. Diese Frage weist wiederum mehrere Einzelaspekte auf. Zum einen ist problematisch, ob die Rechtsbeziehungen des Organs i m Innenbereich zur juristischen Person bzw. zu deren Organen (und Ämtern) lediglich Pflichtrelationen sind oder ob organisatorische Kompetenzzuweisungen eben nicht nur „berechtigende Pflichten" i. S. von Georg Jellinek 54 statuieren, sondern auch m i t subjektiven Abwehr51 Ähnliches läßt sich für die sog. Sonderverordnung belegen. Vgl. dazu Erichsen, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 219 ff.; Schnapp, GrundgesetzKommentar 1, A r t . 20, Rdnr. 47. 52 Vgl. Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, Grundgesetz, A r t . 19 Abs I V , Rdnr. 25; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers, S. 35; Siegmund- Schultze, D V B l . 1962, 508 ff. (510). 53 Dazu sogleich Näheres.
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rechten desjenigen Organs ausgestattet sind, zu dessen Gunsten 55 die jeweilige Kompetenznorm w i r k t 5 6 . Des weiteren ist die Frage, ob die internen Organisationsverteilungen i n das Außenrecht „durchschlagen", d. h. ob der von einem Organ (Amt) unter Zuständigkeitsverfehlung gesetzte A k t i m Außenverhältnis rechtswidrig ist, anders gewendet, ob es einen Anspruch des Bürgers auf das zuständige Organ gibt. Schließlich ist noch fraglich, ob der unter Zuständigkeitsverfehlung gesetzte Außenakt — vorausgesetzt, man wertet i h n als rechtswidrig — dennoch den Träger bindet. Diese Frage w i r d u. a. virulent bei dem Problem der beamtenrechtlichen Zusage. Diese Diskussion u m den erstgenannten Punkt, die Rechtsfähigkeit 57 von Organen, wäre m i t weniger Heftigkeit geführt worden, hätte man zeitig erkannt, daß es dabei nicht u m ein „sachliches" Problem, sondern um eine rein terminologische Frage geht. Die Proposition: „Rechtsfähigkeit" identisch zu setzen m i t „Adressat eines Rechtssatzes sein" ist nämlich konsensfähig, d. h. man kann eine Einigung dahingehend erzielen, daß die Zuerkennung des Prädikats „Rechtsfähigkeit" (nur) voraussetzt, daß der so bezeichnete Gegenstand als Adresse eines Rechtssatzes f i r miert. Hans J. Wolff 58 unterscheidet allerdings zwischen Reditssubjektivität und Rechtsfähigkeit. Als Rechtssubjektivität bezeichnet er „die Eigenschaft eines Menschen oder eines anderen sozialen Substrats, Zuordnungssubjekt mindestens eines Rechtssatzes zu sein" 5 9 . Dabei soll nicht erforderlich sein, daß die Zuordnung eine rechtstechnisch endgültige ist. Rechtsfähigkeit hingegen meint „die rechtsordnungsgemäße Fähigkeit eines Menschen oder einer Organisation, i n einem System von Rechts54 Allgemeine Staatslehre, 3. A u f l . 1914, S. 565. Diese Stelle sollte nicht so interpretiert werden, als habe Georg Jellinek damit den bloßen Verpflichtungscharakter v o n Kompetenznormen behaupten wollen. Vielmehr sollte m i t dieser Formel zum Ausdruck gebracht werden, daß die Befugnisse der höchsten Organe imperfekte Pflichten darstellen. Das ergibt sich deutlich aus dem Zusammenhang m i t einer anderen Passage; vgl. System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. A u f l . 1905, S. 196 f. s. ferner Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis u n d kreisangehörigen Gemeinden, S. 22. 55 Dieser Ausdruck ist an dieser Stelle zunächst neutral gebraucht. Hier soll nicht vorentschieden werden, daß eine Kompetenznorm „zu Gunsten", d. h. auch i m Interesse des Normadressaten erlassen ist u n d damit nach der h. M. einen Reaktionsanspruch auslösen kann. 58 Z u m Problem vgl. etwa Dietrich Jesch, Rechtsstellung u n d Rechtsschutz der Gemeinden bei der Wahrnehmung „staatlicher" Aufgaben, D Ö V 1960, 739 ff. (745). 57 Bereits oben (Erster Teil, Erstes Kapitel, 2 c) w a r klargestellt worden, daß sich die A t t r i b u t e „Juristische Person", „Rechtsfähigkeit" u n d „Rechtssubjektivität" nicht qualitativ unterscheiden, sondern allenfalls durch die Häufigkeit der Adressierung durch Rechtssätze. 58 Verwaltungsrecht I, § 32 I I I . 59 Verwaltungsrecht I, § 32 I I I a.
2. Das Organverhältnis
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sätzen i m Verhältnis zu anderen Träger von Rechten und Pflichten zu sein" 6 0 . Der Unterschied liegt also i n der (bloßen) Zuordnungssubjektivität auf der einen und der Trägerschaft auf der anderen Seite. Trägerschaft bedeutet nämlich die Fähigkeit, Endsubjekt rechtstechnischer Zuordnung zu sein. Bei näherer Betrachtung hebt sich jedoch diese Unterscheidung auf. Denn ob ein Recht (Befugnis) als „eigenes" oder als „fremdes", d. h. vorläufig (durchgehend) oder endgültig zusteht, ist wiederum aus der i n Frage stehenden Relation zu beantworten, wie Hans J. Wolff selbst ausführt 6 1 . I n bezug auf die „allgemeine Rechtsordnung" sind Organe nämlich i n der Regel nicht Träger eigener Rechte und Pflichten. I n bezug auf die Verfassung der Organisation hingegen können diese Rechte und Pflichten einem Organ zu eigenem organisatorischen Recht gegenüber anderen Organen derselben Organisation übertragen sein. Ein Beispiel mag das verdeutlichen. Nach § 47 Abs. 3 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen obliegt dem Gemeindedirektor die Erledigung aller Aufgaben, die i h m aufgrund gesetzlicher Vorschriften übertragen sind. Derartige Vorschriften begründen eine unentziehbare Zuständigkeit 6 2 , d. h. es ist unzweifelhaft, daß i h m (dem Organ „Gemeindedirektor") die Wahrnehmung solcher Angelegenheiten i m Verhältnis zum Rat zu eigenem organisatorischen Recht zusteht. Für den Bürger hingegen sind diejenigen Handlungen, die der Gemeindedirektor i m Rahmen seiner Zuständigkeit als Gemeindeorgan vornimmt, solche der Gemeinde 63 . Es ließe sich zeigen, daß die angedeutete Differenzierung sich i m Prozeß fortsetzt — dort also, wo die angeschnittenen Fragen eigentlich erst relevant werden 6 4 . Das soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Es kam vorerst lediglich darauf an zu betonen, daß „Rechtsfähigkeit" und „Rechtssubjektivität" keine an Hand von quantitativen Merkmalen zu unterscheidenden Kategorien darstellen, w e i l insbesondere die Frage, ob Personen und Institutionen „eigene" oder „fremde" Rechtspositionen innehaben oder Rechte wahrnehmen, immer nur relativ, d. h. aber bezogen auf die die jeweiligen Relationen betreffenden Rechtssätze beantwortet werden kann. M. a. W.: Institutionen und Personen kommt Subjektivität nur bezüglich der Rechtssätze zu, deren Adressat (Zuordnungssubjekt) sie sind 6 5 . Damit ist wiederum auf den Rechtssatzbegriff hingewiesen. Zugrundegelegt sei nochmals die Ausgangsthese, daß die Zuerkennung des Prä60
Verwaltungsrecht I , § 32 I I I b. Verwaltungsrecht I I , § 74 I f 1. 62 Johannes u n d Reinhard Rauball, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., München 1974, § 47, Erl. 5. 83 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 74 I f 1 β. 64 Vgl. dazu etwa Wolf gang Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, Bielefeld 1970, S. 213 ff. 85 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 32 I I I a. 61
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dikats „Rechtsfähigkeit" (Rechtssubjektivität etc.) voraussetzt, daß der so bezeichnete „Gegenstand" (Person, Institution) Adressat eines Rechtssatzes ist. Teilt man diesen Ausgangspunkt, so ist lediglich noch eine Einigung über den Rechtssatzbegriff zu erzielen. A n dieser Stelle kommt der von Hans J. Wolff hervorgehobene Unterschied von rechtselementarer und rechtstechnischer Betrachtungsweise 66 ins Spiel, ohne daß hier auf weitere Fundamentalfragen des Rechtssatzbegriffs einzugehen wäre. Dabei w i r d die Rechtselementarlehre verstanden als ein Zweig der Rechtswissenschaft, der auf die „prinzipiellen Grundlagen" ausgerichtet ist 6 7 . I h r Gegenstand sind m. a. W. die Beziehungen der rechtlichen Phänomene zu „natürlichen Gegebenheiten" 68 . Rechtstechnik hingegen meint eine nurmehr formale Betrachtung der Rechtsbeziehungen, die philosophische und soziolgische Aspekte beiseite läßt und auch die Frage nach der inhaltlichen Bestimmung der Normen wie der Begriffe nicht aufwirft 6 9 . Die Erwähnung dieser beiden Betrachtungsweisen nebeneinander könnte den Eindruck erwecken, als seien sie bei der Erforschung eines bestimmten Gegenstandes gleichermaßen zulässige oder gar gebotene Betrachtungsweisen. Dieser Eindruck wäre fehlgehend. Eine an der geltenden Rechtsordnung orientierte Dogmatik hat es allein m i t der Rechtstechnik zu tun. Das hat am deutlichsten Hans J. Wolff selbst hervorgehoben 70 . Die Rechtselementarlehre befaßt sich nämlich m i t vorjuristischen Gegenständen, m i t Phänomenen „vor aller Rechtssetzung" während die rechtstechnischen Begriffe die von einem positiven Recht, m i t h i n „spezifisch juristisch", typisierte Tatbestände meinen. „Die Metabasis von der Rechtstechnik zur Rechtselementarlehre" gehört daher „zu den häufigsten und folgenschwersten Fehlern rechtswissenschaftlicher Forschungen" 71 . Somit läßt sich das vorläufige Fazit ziehen. Soweit die Dogmatik sich m i t dem Problem der Rechtsfähigkeit (Rechtssubjektivität) von Institutionen befaßt, begegnen ihr keine Sperren, die eine Rechtselementarlehre errichten könnte. Institutionen können m. a. W. als Adressaten von Rechtssätzen i n Betracht kommen und behandelt werden 7 2 . Wiedeββ Juristische Person u n d Staatsperson, §§ 8 - 10; Verwaltungsrecht I, § 32 I und II. ® 7 Hans J. Wolff, Juristische Person u n d Staatsperson, S. 133. 68 Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 67. Ob dieser Formel nicht doch ein etwas unkritischer, w e n n nicht naiver Naturbegriff zugrundeliegt, mag hier n u r als Frage aufgeworfen werden. 69 Hans J. Wolff, Juristische Person u n d Staatsperson, S. 136. 70 Juristische Person u n d Staatsperson, S. 132 f., 137. 71 Juristische Person u n d Staatsperson, S. 140. 72 D a r i n liegt entgegen weitverbreiteter Meinung keine Fiktion, denn erstens ist auch die „natürliche Person" juristische Person, insofern als vom realen physischen Substrat abstrahiert w i r d . Vgl. oben Erster Teil, 1. Kapitel, 2 c m i t Fußn. 344. Zweitens w i r d m i t dieser These nicht etwas der W i r k l i c h -
2. Das Organverhältnis
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rum anders ausgedrückt: Es ist kein essentiale des Rechtssatzes, daß er sich an einzelne konkrete Menschen richtet. Damit schließt sich der Kreis: Setzt man „Rechtsfähigkeit" identisch m i t „Adressat von Rechtssätzen sein", dann sind auch künstliche Funktionsträger i n dem Maße rechtsfähig, i n welchem sich Rechtssätze an sie richten. Das ist im Ergebnis hinsichtlich der „klassischen" juristischen Personen eigentlich kaum einmal i n Zweifel gezogen worden. A u f je „höherer" Ebene sich die Institutionen befinden, um so selbstverständlicher scheint sogar die Annahme der Rechtsfähigkeit zu sein. So erscheint etwa die Zuerkennung von Rechtsfähigkeit an Bund, Ländern und Gemeinden unproblematisch, und doch eignet ihnen diese Qualität nur i n dem U m fang, i n dem diese Eigenschaft durch Rechtssätze begründet wird. Daß also „künstliche" Funktionsträger Rechtsfähigkeit, ja sogar Grundrechtsfähigkeit 7 3 besitzen können, ist prinzipiell unbestritten. Das Unbehagen setzt erst dort ein, wo i n den Körperschaftskreis eingedrungen wird, wo also die Konsequenzen für den intrapersonalen Rechtskreis gezogen werden sollen. Daß Bedenken nicht mehr aus der Tatsache hergeleitet werden können, daß Organe und Ämter (bloß) künstliche Funktionsträger sind, sollte deshalb feststehen, weil sich auch die herkömmlichen juristischen Personen des öffentlichen Rechts als solche darstellen. Die Scheu davor, auch nur i m Grundsatz anzuerkennen, daß intrakörperschaftliche Rechtsbeziehungen existieren sowie Organe und Ämter Rechtsfähigkeit und folglich Rechte und Pflichten haben können 7 4 , läßt sich sowohl nur aus einem unterschwelligen Fortwirken von Impermeabilitätsvorstellungen erklären oder aber aus Verwischungen zwischen der gebotenen rechtstechnischen und der vorrechtlichen „rechtselementaren" Betrachtungsweise. Eine i n der positiven Rechtsordnung abgestützte, intersubjektiv mitteilbare Begründung kann man dafür nicht finden 7 5 . M i t der hier bezogenen Position ist allerdings nur die Grundfrage positiv vorentschieden, ob künstliche Funktionsträger, und zwar alle, Adressat von Rechtssätzen und damit Rechtsträger sein können. Über den Umfang oder die Wirkung von solchen Adressierungen ist damit keit nicht Entsprechendes behauptet; „Person" ist darum nicht eine Fiktion, sondern ein „Gedankending", ein „Konstruktionsmoment". Vgl. Hans J. Wolff, Juristische Person u n d Staatsperson, S. 144 f., 208 f. m i t Nachweisen aus der älteren Literatur. 73 Dazu zuletzt ν . Mutius, Bonner Kommentar, Kommentierung von A r t . 19 Abs. 3; Ralf Dreier, Z u r Grundrechtssubjektivität juristischer Personen des öffentlichen Rechts, i n : öffentliches Recht u n d Politik, Festschrift für Hans Ulrich Scupin, B e r l i n 1973, S. 81 ff. 74 Vgl. etwa Rupp, Grundfragen, S. 99: subjektive Rechte des Organs seien „schlechterdings ausgeschlossen". 75 Zutreffend E.-W. Böckenförde, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 291, Fußn. 77.
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nichts gesagt. I m Gegenteil: Die hier abgehandelte Frage ist keine axiomatische. Denn wenn es für die Zuerkennung der A t t r i b u t e „Rechtsfähigkeit" oder „Träger eines subjektiven Rechts" auf Rechtssätze ankommt, dann ist für die Beantwortimg dieser Frage der Bestand derjenigen Rechtssätze zu untersuchen, i n welchen der jeweilige i n Betracht kommende künstliche Funktionsträger als Adresse firmiert. Die Relativität, damit gleichzeitig auch die Vielgestaltigkeit und Differenziertheit der Rechtsbeziehungen w i r d hier erneut deutlich. Jede pauschale, kategorisierende A n t w o r t ist geeignet, diesen Sachverhalt zu überdecken. Damit dürfte ebenso folgendes klargemacht sein: Die Tatsache, daß ein künstliches Subjekt Adressat von Rechtssätzen ist, besagt noch nichts darüber, i n welcher Weise und vor allem i n welcher Richtung diese Rechtssätze wirken. Konkret: Eine rechtssatzmäßige Zuweisung einer Kompetenz präjudiziert nicht die Frage, ob diese auch m i t Abwehransprüchen ausgestattet ist. Denn die Rechtsordnung kann auf Kompetenzeinbrüche wie auch sonst auf Rechtsverletzungen i n unterschiedlicher Weise oder auch gar nicht reagieren 76 , 7 7 . Daher kommt es für die Lösung jedes einzelnen Problems i n diesem Zusammenhang auf die jeweils einschlägigen Rechtssätze an, die m i t Hilfe der sog. rechtstechnischen Betrachtungsweise einzeln auf die Lösung zu befragen sind. Dieser Ansatz gilt dann konsequenterweise für alle unter der Rubrik „Organverhältnis" diskutierten, eingangs dieses Abschnitts erwähnten Einzelprobleme. Diese sind i m 5. Kapitel dieses Teils gesondert zu behandeln. Hier galt es nur, methodisch den Boden vorzubereiten und das Organverhältnis einer pauschalierenden Betrachtungsweise zu entziehen. Wurde hier für eine rechtstechnische Betrachtungsweise bei der U n tersuchung von Rechtssätzen plädiert, dann bedarf es noch einer K l a r stellung i n zweierlei Hinsicht. M i t der Option für die Rechtstechnik ist zum einen nicht gesagt, daß hier der allein richtige Zugang zu Rechtsordnungen liegt. Die Kennzeichnung als „Betrachtungsweise" macht bereits deutlich, daß es sich hier u m nicht mehr als u m einen Aspekt bei der Betrachtung einer komplexen Gegebenheit handelt, wie sie ein Rechtssystem darstellt. Unter den dieser Arbeit zugrunde liegenden methodischen Prämissen, d. h. bei der Ausrichtung an positiven Rechtssätzen, dürfte sie sich allerdings als adäquater Ansatz zur dogmatischen Erfassung eines konkreten Rechtssystems am ehesten anbieten. Zum anderen kann die Rückbesinnung auf eine rechtselementare Betrachtungsweise den Blick schärfen für die hohe Komplexität von Rechts76 Dazu i n bezug auf den Folgenbeseitigungsanspruch Erichsen, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 217 ff. (220/221). 77 Ob es i n letzterem F a l l überhaupt noch — rechtsdogmatisch gesehen — sinnvoll ist, von Rechtsverletzung zu sprechen, sei hier dahingestellt.
3. Amtliche u n d dienstliche Weisungen
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systemen. Führt man sich nämlich vor Augen, daß organisatorische Einheiten sich nur durch Menschen verwirklichen können 7 8 , daß m. a. W. durch Rechtssätze vorgegebene „Zwecke" sich nur dann realisieren lassen, wenn sie letztlich auf ein motivationsfähiges menschliches Wesen treffen, dann w i r d gerade für den Bereich des öffentlichen Rechts deutlich, welch eines komplexen, abgestuften Systems von einzelnen, nahtlos ineinandergreifenden Rechtssätzen es bedarf, u m etwa Verfassungsnormen überhaupt „funktionieren" zu lassen. So richten sich gerade die Fundamentalnormen des Grundgesetzes lediglich an amorphe Funktionen (Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung) jedoch noch nicht an Institutionen, geschweige denn an einzelne Personen. Es bedarf daher eines ineinandergreifenden Systems von weiterleitenden Rechtssätzen, damit die generellen Impulse auch an der Basis, d. h. über Institutionen, Organe und Ämter bei einzelnen Amtswalter „ankommen" 7 9 . Dergestalt vermag die rechtselementare Betrachtungsweise klarzumachen, daß die Regelintention der allermeisten Normen des sog. Außenrechts ins Leere stoßen würde, stünde nicht ein ausdifferenziertes organisatorisches Subsystem zur Verfügung, das ihre Impulse bis auf den konkreten Amtswalter hinunterleitet, der permanent m i t seinem A m t verbunden werden muß. Diese Fragestellung leitet nochmals über zu der Frage, wie die I m pulse zu qualifizieren sind, die den Amtswalter am Ende des Normenstranges treffen. 3. Amtliche u n d dienstliche Weisungen
Der Trennung von Dienstverhältnis (Grundverhältnis, Anstellungsverhältnis) und Amtswalterverhältnis entspricht die Unterscheidung zwischen dienstlichen (persönlichen) und amtlichen (fachlichen) Weisungen 80 . Erster e sollen dann vorliegen, wenn „eine oder mehrere Personen als solche unmittelbar rechtlich" 8 1 betroffen sind, womit gleichzeitig die Merkmale für den Verwaltungsaktsbegriff gegeben sind, was wiederum nach herrschender Ansicht die Zulässigkeit der Anfechtungsklage impliziert 8 2 . Hingegen werden amtliche Weisungen dann angenom78
Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I a. H i e r liegt, w i e bereits erwähnt (Erster Teil, 2. Kapitel, 3 c), die eminente Bedeutung des Organisationsrechts. 80 Z u r Terminologie vgl. etwa Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 34 ff.; Ekkehart Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 5, 26 f. 81 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 46 V I I b. 82 B V e r w G E 24, 84 (85 f.); Bachof, Verwaltungsakt u n d innerdienstliche Weisung, i n : Verfassung u n d V e r w a l t u n g i n Theorie u n d Wirklichkeit, Festschrift f ü r Laforet, München 1952, S. 285 ff. (303 f.); Rupp, Grundfragen, S. 79; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I 8 , §46 V I I b, c. Siehe ferner Menger, 79
10 Schnapp
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men, wenn der einzelne Amtswalter i n der Wahrnehmung staatlicher, d. h. für i h n fremder Funktionen angesprochen wird. Das zieht wieder u m die Konsequenz nach sich, daß kein Verwaltungsakt vorliegt, wom i t der Verwaltungsrechtsschutz entfällt 8 3 . Dieses Ergebnis der ganz herrschenden Meinung w i r d freilich nicht durchweg auf dem Wege über die hier wiedergegebene Argumentationskette erzielt; es sind Nuancen feststellbar. Soweit die von der herrschenden Ansicht abweichenden Stimmen die Verwaltungsaktsqualität amtlicher Weisungen bejahen 84 , w i r d der Verwaltungsrechtsschutz deswegen versagt, weil entweder kein „Minusbestand" i n den Rechten des Beamten hervorgerufen werde 8 5 oder w e i l man ungewöhnliche Anforderungen an das Rechtsschutzbedürfnis stellt 8 6 . Walter Schmidt 87 verneint die persönliche Betroffenheit des Amtswalters, soweit es um die Vollziehung von Gesetzen geht, die den Bürger zum Adressaten haben. Risken 88 schließlich meint, i n § 126 BRRG eine explizite positiv-rechtliche Lösung des Problems ausgemacht zu haben. Die Erwähnung des Ausdrucks „Beamtenverhältnis" könne nicht als terminologische Nachlässigkeit abgetan werden 8 9 . Vielmehr sei hier ausschließlich das beamtenrechtliche Grundverhältnis gemeint, m i t der Folge, daß nur gegen dienstliche Weisungen Verwaltungsrechtsschutz gegeben sei. Diesen partiellen Ausschluß des Rechtsschutzes prüft Risken, w e i l auch die amtliche Weisung „Beeinträchtigung durch öffentliche Gewalt" sei 90 , an A r t . 19 Abs. 4 GG. Er bejaht die Vereinbarkeit m i t dieser Bestimmung, weil sie nur bei potentieller Verletzimg eigener Rechte des Befehlsadressaten relevant werde. Diese Möglichkeit sei amtlichen Weisungen „per definitionem" genommen 91 . V e r w A r c h Bd. 51 (1960), S. 373 ff. (375 ff.); Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 19. 83 Vgl. Rupp, Grundfragen, S. 79 ff.; Stein 9 Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 26 f.; Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I 8 , §46 V I I ; V e r waltungsrecht I I , § 73 I I I d 1. Anders jedoch Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, Grundgesetz, A r t . 19 Abs. 4, Rdnr. 25; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers u n d die Rechtsweggarantie, S. 35 m i t Fußn. 35. 84 O V G Koblenz, Z B R 1960, 385 f.; Obermayer, Verwaltungsakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, S. 164; Siegmund-Schultze, D V B l . 1962, 510. 85 Siegmund-Schultze, D V B l . 1962, 512. 88 Obermayer, Verwaltungsakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, S. 166 ff., 170 ff. 87 Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 229. 88 Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 96 f. 89 Die Forderung nach Wortlauttreue n i m m t Risken allerdings selbst nicht i m m e r genau. So k o m m t er beispielsweise dazu (ebd., S. 60 f.), die Vereinbarkeit seiner Konzeption m i t dem Gesetz prüfen zu müssen. A n anderer Stelle (ebd., S. 167) meint er gar, „zur Erzielung sachgerechter Ergebnisse" bedürfe es der „Interpretation . . . gegen den W o r t l a u t " . 90 Ebd., S. 97. 91 Die Nichtgeltung eigener (Grund-)Rechte des Amtswalters i m A m t schließt Risken aus dem Erfordernis der „ I n t e g r i t ä t der A m t s f ü h r u n g u n d
3. Amtliche u n d dienstliche Weisungen
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W i l l man der Weisungsstruktur und der behaupteten Dichotomie beamtenrechtlich relevanter Weisungen näherkommen, so w i r d man die verschiedenen Fragestellungen sorgfältig trennen und gesondert behandeln müssen. So ist der Rechtsschutz einerseits sicherlich eine Konsequenz materiell-rechtlicher Konstellationen, andererseits dürfte es nicht unbedenklich sein, i h n durch behauptete materielle Strukturen des Weisungsrechts pauschal zu prä judizier en 92 . Ein anderes Problem wiederum ist die Einordnung beamtenrechtlicher Weisungen i n das System staatlicher Handlungsformen 93 sowie die Frage nach der Rechtserzeugungsquelle. Ergänzend wäre anzumerken, daß die Versagung der Qualifikation als Verwaltungsakt für sich allein den Rechtsschutz gegen eine Weisung nicht ausschließt 94 . Damit w i r d ein sachlicher Zusammenhang zwischen den verschiedenen Komplexen nicht geleugnet. Jedoch w i r d auf die letztgenannten Fragenkreise gesondert zurückzukommen sein. Hier soll die von der überwiegenden Ansicht vorgenommene Zweiteilung auf die Tragfähigkeit ihrer Prämissen und auf ihre dogmatischen Implikationen h i n näher untersucht werden. Dabei braucht auf den Begriff der Weisung 95 sowie auf deren (rechtstheoretischen) Rechtssatzcharakter 96 nicht näher eingangen zu werden, w e i l die Beantwortung der damit aufgeworfenen Fragen für den vorliegenden Zusammenhang ohne Belang ist. Die wesentliche Ausgangsfrage ist zunächst nicht die, ob die Trennung von amtlichen und dienstlichen Weisungen sich konstruktiv anstellen läßt. Die Unterscheidungsmögiichfceiten sind so zahlreich wie die Aspekte, unter denen Unterscheidungsmerkmale sich finden lassen 97 . Eine dogmatisch verwendbare Dichotomie setzt voraus, daß es eine juristisch relevante und nicht nur konstruktiv mögliche Unterscheidung von amtlichen Sachlichkeit der M o t i v a t i o n i m A m t " (ebd., S. 97, 169). Ä h n l i c h Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 20, 22: I m Amtsverhältnis seien die persönlichen Interessen des Amtswalters rechtlich unbeachtlich, es komme n u r auf die Erfordernisse des öffentlichen Interesses an. Vgl. auch Rauschning, Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, S. 264 ff. Was allerdings die Integrität der A m t s f ü h r u n g oder das Auseinanderfallen von Organisationsinteresse u n d Individualinteresse m i t subjektiven Rechten der A m t s walter zu t u n haben soll, ist unerfindlich. 92 Vgl. oben bei Fußnote 47. 93 Generell dazu Dieter Volkmar, Allgemeiner Rechtssatz u n d Einzelakt, B e r l i n 1962; Manfred Abelein, Die Abgrenzung Verwaltungsakt — Verordnung, Festschrift f ü r G. Küchenhoff, 2. Bd., S. 419 ff.; v. Mutius, Rechtsnorm u n d Verwaltungsakt, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 167 ff. 94 Umfassend dazu Werner Frotscher, Rechtsschutz n u r gegen Verwaltungsakte?, D Ö V 1971, 259 ff. 95 Dazu etwa Walter Barfuß, Die Weisung, Wien / New Y o r k 1967, S. 11 ff.; Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 25 f. 98 Zutreffend Barfuß, Die Weisung, S. 12 f. m i t Nachweisen. 97 Vgl. n u r das Verwaltungsrechtslehrbuch von Hans J. Wolff m i t vielfältigen Differenzierungen u n d Begriffsunterteilungen. 10*
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und dienstlichen Weisungen gibt. Juristisch relevant ist die Trennung dann, wenn unterschiedliche Bezeichnungen unterschiedliche Rechtsfolgen indizieren oder wenn sie normativ geboten sind. Nach Risken erlaubt und gebietet es die Trennbarkeit von A m t und Beamten 9 8 , dienstliche und amtliche Weisungen zu unterscheiden, die „verschiedenen Regeln folgen" 9 9 . Den Grund für letzteres erblickt er offenbar darin, daß es wegen der Integrität der Amtsführung und Sachlichkeit der Motivation i m A m t keine (Grund-) Rechte des Amtswalters ergeben könne 1 0 0 . Daß diese Begründung nicht tragfähig ist, dürfte auf der Hand liegen. Von den rechtlich gebotenen 101 Modalitäten bei der Führung von Amtsgeschäften läßt sich ersichtlich keine Verbindung zur (fehlenden) Innehabung von Rechten ziehen. A u f diesem Wege w i r d man also bei dem Bemühen, die Weisungsstruktur aufzuhellen, nicht weiterkommen. Versucht man einmal, die Gesichtspunkte herauszukristallisieren, unter denen amtliche (rechtsschutzexemte) und dienstliche (rechtsschutzfähige) Weisungen unterschieden werden, so ergeben sich i m wesentlichen drei Aspekte, die zwar Berührungspunkte aufweisen, aber doch unterschiedliche Ansätze darstellen. 1. Man kann nach dem gegenständlichen Bereich differenzieren, auf den sich eine Weisung bezieht. 2. Eine Differenzierung läßt sich vornehmen nach der Stelle, von welcher der Weisungsimpuls ausgeht und nach dem Adressaten der Weisung. 3. Die Unterscheidung kann anhand der rechtlichen Betroffenheit des Weisungsempfängers getroffen werden. Den ersten Weg wählt Walter Schmidt 102. Er geht zunächst von der zutreffenden These aus, daß dem Begriff des „besonderen Gewaltverhältnisses" nicht länger Rechtsschutzbeschränkungen entnommen werden könnnten. Maßstab für Kompetenz und Rechtsschutz i m Beamtenrecht — so w i r d weiter ausgeführt — seien nur das Gesetz und die gesetzesgebundene Rechtsetzung, deren Adressat der Bürger sei und für die i m Grundsatz nichts anderes gelte als für die übrige vollziehende Gewalt. Soweit es um die Vollziehung von Gesetzen, deren Adressat 98 Z u m Beweis der Trennbarkeit r e k u r r i e r t er auf die soziologische E r k e n n t nis, daß der Mensch Inhaber verschiedener Rollen sein k a n n (Grenzen a m t licher u n d dienstlicher Weisungen, S. 34 f.). Diese Parallele ist unzutreffend, da das A m t keine Rolle des Amtswalters ist, sondern ein bloßer Zuständigkeitskomplex, d. h. aber ein Gedankenkonstrukt. 99 Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 40. 100 Ebd., S. 97,169. Dazu vgl. Fußn. 91. 101 Vgl. § 36 Satz 2 BRRG. 102 Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 229.
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der Bürger sei, durch den Beamten als Organwalter gehe, sei er nicht persönlich betroffen und werde i n Konfliktsfällen durch die Abwälzung der persönlichen Verantwortung endgültig entlastet 1 0 3 . Die vorgenommene Differenzierung erscheint auf den ersten Blick bestechend und läßt eine einfache und sichere Handhabung vermuten. Danach handelt es sich immer dann, wenn der Beamte für den Vollzug von Außenrechtsnormen, also solchen, die „bürgeradressiert" sind 1 0 4 , Weisungen erhält, u m Weisungen bei der Wahrnehmung von Fremdgeschäften, womit ipso iure eine Seibstbetroffenheit des angewiesenen Amtswalters entfällt. Findet hingegen der Vollzug von Gesetzen statt, die „beamtenadressiert" sind, so gelten diejenigen Grundsätze, die auch sonst das Staat-Bürger-Verhältnis beherrschen. So frappierend diese These erscheint, so wenig tragfähig erweist sie sich beim näheren Hinsehen. Sie leidet nämlich an mangelnder Eindeutigkeit und verschiebt letztlich das hier angeschnittene Problem. Zunächst ist unklar, wie der Kreis der Gesetze abzustecken ist, als deren Adressat der Beamte firmiert. Fraglich ist nämlich, ob hier ein formeller oder materieller Gesetzesbegriff zugrundegelegt wird, i n letztem Fall, ob auch die Sonderverordnungen m i t einbezogen werden sollen, was nicht zuletzt erhebliche Konsequenzen i m Hinblick auf die Gültigkeitsvoraussetzungen nach sich ziehen würde 1 0 5 . Selbst wenn man einmal von einem formellen Gesetzesbegriff ausgeht: Ist nicht gerade die Erteilung amtlicher Weisungen „gesetzesgebundene Rechtsetzung", nämlich Vollzug der an den Beamten adressierten, formell-gesetzlichen Vorschriften über die Weisungsgebundenheit? Und diese Weisungen sind j a gerade i n Streit. Die Konsequenzen wären unübersehbar, wenn man den Gesetzesbegriff auf die Verwaltungsvorschriften erstrecken würde. Dieser letzte Gedanke ist nicht gar so absurd, wie er zunächst erscheinen mag. Erkennt man nämlich den Verwaltungsvorschriften Rechtssatzeigenschaft zu — was m. E. nicht länger problematisch sein sollte 1 0 6 —, dann sind 103
Vgl. aber andererseits ebd., S. 218: I n dem „Betriebsverhältnis" werde der Beamte durch dienstliche Weisungen ständig i n seinen „persönlichen A n gelegenheiten" berührt. 104 Das g i l t auch dann, w e n n der A m t s w a l t e r Normen vollzeht, die einen anderen Beamten i n dessen Dienstverhältnis betreffen (Entlassung, Beförderung). 105 Vgl. einerseits Böckenförde u n d Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 1 ff., andererseits Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 219 ff. ιοβ y g i . dazu vorerst zusammenfassend Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 154 ff. Natürlich w i r d damit nicht verkannt, daß aus der rechtstheoretischen Rechtssatzqualität der Verwaltungsvorschriften keine u n vermittelten verfassungsdogmatischen Konsequenzen gezogen werden können. M. a. W.: Die Erweiterung des Rechtssatzbegriffes f ü h r t nicht ohne weiteres zu der Indentifikation Rechtssatz = Gesetz (vgl. Böckenförde, Organisations-
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sie nämlich i n der Diktion der konstitutionellen D o k t r i n „materielle Gesetze" 107 . Das hätte weiter zur Folge, daß dann die Konkretisierung von Verwaltungs Vorschriften durch Einzel Weisung „ gesetzesgebundene Rechtsetzung" gegenüber dem Amtswalter wäre — eine Konsequenz, die sicherlich nicht i m Sinne von W. Schmidt liegt; denn solche Einzelweisungen beziehen sich (auch) auf den Vollzug bürgeradressierter Gesetze, so daß die Argumentation i n einem Zirkel endete. Aber auch wenn man den Gesetzesbegriff auf den des formellen Gesetzes beschränkt, ergeben sich Konsequenzen, die nicht der Schmidt'schen Intention entsprechen dürften. Dazu seien nur solche formellgesetzlichen Bestimmungen i n Erinnerung gerufen, die an den Beamten adressiert sind, aber i h n i n seiner Amtswalterfunktion ansprechen. So bestimmt etwa § 163 Abs. 2 Satz 1 der Strafprozeßordnung, daß die Behörden und Beamten des Polizeidienstes ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft übersenden. Eine diese formell-gesetzliche Vorschrift konkretisierende Weisung ist Vollzug eines Gesetzes, das an die Beamten adressiert ist. Ob diese Weisung rechtsschutzfähig sein soll, bleibt nach den Ausführungen bei W. Schmidt offen. Einerseits soll dann, wenn der Beamte Gesetzesadressat ist, Rechtsschutz gegeben sein. Andererseits w i r d argumentiert, die Rechtsschutzexemtion dienstlicher Weisungen resultiere letztlich aus der Verantwortungsverteilung i m Zuge des RemonstrationsVerfahrens 108 . Die Weisung i n Vollzug von § 163 Abs. 2 Satz 1 StPO ist aber ebenso remonstrationsfähig. Des weiteren führt die Unterscheidung nach dem gegenständlichen Bereich an der Problematik vorbei. Der Schluß von der Weisung i m Rahmen des Außenrechtsvollzugs, also bei der Wahrnehmung von Fremdgeschäften durch den Amtswalter, auf die fehlende Selbstbetroffenheit 109 ist jedenfalls i n dieser Kürze nicht tragfähig. Denn es geht ja nicht um das Problem, was der Amtswalter tun, sondern daß (bzw. ob) er die angewiesene Handlung ausführen muß. Schließlich ist die von W. Schmidt angestellte Unterscheidung offen. Rechtsschutzfähigkeit und Rechtsschutzexemtion sollen sich danach richten, ob der Beamte oder der Bürger Adressat des vollzogenen Gesetzes ist. Während der letzterwähnte Punkt relativ rasch zu klären und hier nicht weiter interessant ist, stellt sich demgegenüber als diffizile und hier zu erörternde Problematik dar, wann der Beamte als Adressat gewalt i m Bereich der Regierung, S. 76; Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 11, 19). Damit w ü r d e m a n den Fehler der konstitutionellen Staatsrechtslehre nur wiederholen. H i e r sollen n u r mögliche Konsequenzen eines konstruktiven Ansatzes gedanklich durchgespielt werden. 107 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 163. 108 Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 217 f. 109 Ebd., S. 229.
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eines Rechtssatzes firmiert, wann — um anders zu formulieren — er i n seiner Funktion als Amtswalter und wann er als Dienstnehmer angesprochen ist, i n welchen Fällen — wiederum anders gewendet — „amtliches" und wann „dienstliches" Verhalten angesprochen wird. Diese Fragestellung w i r d um eine weitere Nuance bereichert, w e i l nicht nur Weisungen an Amtswalter, als immer noch physische Personen, sondern auch an Ämter, also reine Gedankenkonstrukte, angenommen werden 1 1 0 . Damit kommt das Problem des Rechtssatzadressaten ins Spiel. Als Adressat auch der amtlichen Weisungen ist bislang durchweg recht unbefangen der physische Amtswalter angenommen worden. Das leuchtet zunächst ein, weil und wenn man von der Vorstellung ausgeht, daß Normimpulse zwangsläufig auf Menschen treffen müssen, w e i l sie nur von natürlichen Personen umgesetzt werden können. Damit stößt man jedoch auf konstruktive Schwierigkeiten, und zwar nicht nur wegen der offenbar abweichenden Phänomenologie der Weisungen, sondern auch deshalb, weil Organisationen nicht personal, sondern institutionell durchstrukturiert sind 1 1 1 . Die empirisch feststellbare Tatsache, daß Weisungen sich auch zwischen Organen (und Ämtern) abspielen 112 , wobei sie von physischen Organwaltern abstrahieren, d. h. dahingestellt sein lassen, wer sich am anderen Ende des Befehlstranges befindet, versucht Risken kurzerhand damit zu erklären, daß das Amtsverhältnis ein rechtstechnisch verkürztes Rechtsverhältnis der Amtswalter darstelle, weil die abbreviativen Verpflichtungen und Berechtigungen der Ämter stets auf Rechte und Pflichten von Menschen zurückgeführt werden könnten 1 1 3 . Oder u m m i t Rupp lu zu formulieren: „Ist nicht ausschließlich der Mensch der letzte und eigentliche Bezugspunkt allen Rechts?" Hinter dieser Vorstellung verbirgt sich wiederum ein Mißverständnis der „rechtselementaren" Betrachtungsweise 115 , indem offenbar angenom110
Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I 8 , § 46 V I I b. Osseribühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 480. 112 Beispiele bei Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I 8 , § 46 V I I b. 113 Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 73. 114 Grundfragen, S. 84; Rupp stellt die Frage allerdings n u r zur I l l u s t r a t i o n der von i h m eben nicht vertretenen These. 115 Vgl. schon oben bei Fußn. 66 ff. I m m e r h i n mag Hans J. Wolff einiges zu den Mißverständnissen beigetragen haben; so etwa, w e n n er (Theorie der Vertretung, S. 244) ausführt, daß die Mitglieder eines kollegialen Organs die Pflicht- u n d Rechtsubjekte der dem Organ zugeschriebenen Verpflichtungen u n d Berechtigungen seien, oder w e n n es an anderer Stelle (ebd., S. 242) heißt, das Organ sei eine rechtstechnische Abbreviatur. Z u einer Fehldeutung k a n n man aber n u r bei oberflächlicher Lektüre gelangen. Denn die T e r m i n i „Pflicht" u n d „Recht" indizieren stets die rechtselementare, die Ausdrücke „Verpflicht u n g " u n d „Berechtigung" hingegen die rechtstechnische Betrachtungsweise. Die erstere weist auf Phänomene „ v o r aller Rechtsetzung" (Juristische Person u n d Staatsperson, S. 133). Auch w i r d kein Zweifel daran gelassen, daß die Zurechnung „ k r a f t Rechtsgebots" erfolgt (Theorie der Vertretung, S. 292) u n d 111
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men wird, Amtsrechtssätzen lasse sich nur i m Wege des rechtselementaren Durchgriffs beikommen. So gesehen erscheint die rechtselementare Betrachtungsweise als der „eigentliche" Zugang zum Recht, Rechtstechnik hingegen als eine bloß künstliche, eher inferiore Methode. Und doch ist das geltende Organisationsrecht so strukturiert, daß nur auf letzterem Wege seine Aufhellung gelingen und den positiv-rechtlichen Gegebenheiten entsprochen werden kann. Die apersonale Gestaltung gerade des Organisationsrechts ist geradezu ein T y p i k u m der Rechtsordnung i n einer differenzierten, arbeitsteiligen Gesellschaft. Es wurde bereits mehrfach ausgeführt, daß eine Rechtsordnung i n dem selbstgesetzten Rahmen beliebige Anknüpfungspunkte für Rechtssätze wählen kann 1 1 6 , m i t h i n auch apersonale Institutionen. Das bedeutet, daß man amtliche Weisungen (Weisungen an Ämter) deshalb und dann annehmen kann, wenn die Rechtsordnung zuläßt und ermöglicht, daß man von denjenigen abstrahiert, die die Normimpulse letztlich treffen sollen und müssen, wenn anders der Normimpuls nicht ins Leere stoßen und die an „künstliche" Funktionsträger gerichteten Weisungen nicht unerfüllt bleiben sollen. Es kommt m i t h i n darauf an, i n diesem Bereich eine säuberliche Trennung aufrechtzuerhalten: Die Tatsache, daß Normimpulse letzten Endes auf eine motivationsfähige natürliche Person treffen müssen, wenn sie verwirklicht werden sollen, rechtfertigt nicht die weitere Schlußfolgerung, daß sie dann auch nur an natürliche Personen gerichtet sein können, das Amtsverhältnis i n Wahrheit also eine bloße rechtstechnische Abbreviatur darstellt 1 1 7 . Der Rechtsordnung steht es eben frei, die Adressaten ihrer Rechtssätze zu bestimmen. Daß die Normimpulse auch der amtsadressierten Rechtssätze umgesetzt werden, w i r d bewirkt durch das Zusammenspiel zwischen Amtsrecht und Beamtenrecht. Amtsadressierte Rechtssätze erreichen den Amtswalter auf dem Wege über die gesetzlich statuierte nicht etwa k r a f t Denknotwendigkeit oder sonstwie juristisch oder faktisch. Berücksichtigt m a n dies, dann ist die erstzitierte These v ö l l i g schlüssig u n d korrekt. Ebenso einwandfrei ist die Kennzeichnung des Organs als „rechtstechnische A b b r e v i a t u r " . Diese A b b r e v i a t u r w i r d eben von der konkreten Rechtsordnung vorgenommen, der allein die rechtstechnisch orientierte Dogm a t i k adäquat ist. Es sollte zudem nicht übersehen werden, daß der größte T e i l des Bereichs, den Hans J. Wolff i n „Organschaft u n d juristische Person" abhandelte, von der seinerzeit herrschenden Meinung als nichtrechtlich angesehen wurde, so daß der Rekurs auf logische S t r u k t u r e n näher lag als der auf Sätze des positiven Rechts. Eine W ü r d i g u n g seiner Ausführungen muß daher die historische Dimension m i t einbeziehen. Vgl. auch Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 246. 116 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 519. Eine gänzlich andere Frage ist die, ob u n d ggf. w i e die Rechtsordnung „ f u n k t i o n i e r t " , w e n n die Normimpulse bei „künstlichen" Subjekten, d. h. nicht motivationsfähigen Einheiten enden, die keinen Sanktionen ausgesetzt werden können. 117 Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 73.
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Amtswahrnehmungspflicht. Deshalb lassen sich Pflichten als solche des Amtes formulieren. U m diese These zu erläutern, muß ein wenig ausgeholt werden. Dabei kommen Überlegungen zu Hilfe, die Hans Kelsen 118 angestellt hat — wenngleich i n anderem Zusammenhang. Diejenigen gesetzlichen Vorschriften, welche die Amtswahrnehmungspflicht der Amtswalter statuieren, setzen „das A m t " voraus, ohne näher zu bezeichnen, was damit gemeint sein soll. N u n läßt sich das A m t verstehen als der auf einen Amtswalter bezogene Zuständigkeitskomplex, als kleinste organisatorische Einheit 1 1 9 . W i r hatten weiter gesehen 120 , daß das A m t nicht starr ist, sondern durch Amtsrechtssätze permanent geformt wird. Das erweist sich deutlich etwa bei verhaltenslenkenden Verwaltungsvorschriften 1 2 1 , durch die eine Einengung der kraft Gesetzes bestehenden Entscheidungsbefugnisse des Amtes bewirkt wird. Die Einschränkung für die Person des Amtswalters erfolgt nun nicht durch die amtsadressierten Rechtssätze, vielmehr w i r d er m i t Hilfe der Amtswahrnehmungspflicht m i t dem so vorgeformten A m t e persönlich verknüpft. Das „Ob" der Amtswaltung w i r d also durch die persönliche, gesetzlich statuierte Pflicht zur Amtswahrnehmung vorentschieden, das „Wie" ständig durch Amtsrechtssätze geformt. Das bedeutet, daß der die Dienstpflicht statuierende Rechtssatz ein Blankettrechtssatz ist, dessen verpflichtende Wirkung jeweils durch einen Amtsrechtssatz — sozusagen als von dem Anweisenden gesetztes Tatbestandsmerkmal — erneut ausgelöst w i r d 1 2 2 . Nicht ganz exakt, aber plastisch ließe sich sagen, daß jede Weisung letztlich einen persönlichen Dienstbefehl „involviert", aber nicht m i t diesem identisch ist 1 2 3 . Damit ermöglicht es die Struktur unserer positiven Rechtsordnung — nicht etwa die Natur der Sache —, daß sich die anweisende Stelle durch die Amtsadressierung von Weisungen die persönliche Dienstpflicht sozusagen zunutze machen kann. Daß die Normadresse nicht notwendig immer eine Individualadresse ist, ergibt sich deutlich, wenn man zur nächsthöheren Stufe übergeht und sich organadressierte Weisungen vor Augen führt. Hier besteht ersichtlich die Notwendigkeit — auf die Möglichkeit kommt es wiederum nicht entscheidend an — die Weisung zunächst auf ein oder mehrere Ämter weiterzuleiten, ehe der Normimpuls überhaupt von einem Amtswalter rezipiert werden kann 1 2 4 . Anderenfalls würde ein heilloses Kompetenz118
Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 556 ff. Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 73 I c 3. 120 Vgl. oben bei Fußn. 37. 121 Dazu Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 282 ff. 122 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 560, 561; auch W. Schmidt, GesetzesvoUziehung durch Rechtsetzung, S. 227. 128 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 483. 124 Rupp, Grundfragen, S. 84 f. 119
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w i r r w a r r entstehen 125 . Von einem rechtselementaren Durchgriff auf den einzelnen Amtswalter kann also auch hier nicht die Rede sein. Damit stehen Ämter und Organe auch als „eigentliche" Adressaten von Organund Amtsrechtssätzen fest. Damit ist freilich das weitere Ergebnis noch nicht präjudiziert, daß amtliche Weisungen keine Verwaltungsakte und deshalb nicht rechtsschutzfähig sind. E i n Zwischenergebnis dürfte allerdings bereits feststehen: Wenn es der Sinn von rechtstechnischen Abbreviationen ist, Rechte und Pflichten von der Person des Amtswalters und damit von der Tatsache der Amtswaltung zu lösen, wenn also Amtspflichten und -rechte nicht unabhängig von der Person des konkreten Amtswalters formuliert werden können, dann kann es sich nicht um amtliche Weisungen handeln. M. a. W.: Amtsrechtssätze können nur solche sein, die durch das Amt hindurch den Amtswalter treffen. Denn da Amtswaltung eine A r t der Vertretung darstellt 1 2 6 , lassen sich dem Amt, das unabhängig ist vom Dasein, Wechsel und Wegfall physischer Personen, nur solche Rechte und Pflichten zuweisen, die vertretbar sind. Damit läßt sich bereits eine negative Abgrenzung treffen: Alles, was nicht losgelöst von der Person eines konkreten Amtswalters gedacht werden kann, fällt a limine nicht i n den Bereich amtlicher Weisungen. Allerdings lassen sich auch solche Weisungen als amtliche formulieren. Dabei dürfte freilich das Arsenal der vor allem i n der Zivilistik ausgebildeten dogmatischen Mißbrauchsargumente ausreichen, um derartigen Verbiegungen vorzubeugen. Die Formulierbarkeit der Adresse von Rechtssätzen deutet auf den weiterführenden Gesichtspunkt hin. Betrachtet man die Struktur des Weisungsrechts, so w i r d der Weisungsimpuls, der zunächst an das A m t gerichtet ist, m i t Hilfe der Blankettnorm, welche die Amtswahrnehmungspflicht statuiert, gleichsam „umgepolt" und auf den Amtswalter weitergeleitet. Weisung und Amtswahrnehmungspflicht müssen also zusammenkommen, damit eine persönliche Motivation erfolgen kann. Greift man nun auf den oben dargelegten Rechtssatzbegriff zurück, dann bilden erst beide zusammen den kompletten Rechtssatz. Ohne diese Verknüpfung sind beide funktionslos: Die Weisung, weil sie auf kein motivationsfähiges Subjekt trifft, die Norm über die Amtswahrnehmungspflicht, weil ihre Tatbestandsseite aktuell „leer" ist. Normstrukturell betrachtet bilden also die jeweiligen Weisungen die Tatbestandsseite der Norm über die Amtswahrnehmungspflicht 1 2 7 , die ihrerseits die Rechtsfolge auslöst. 125
Rupp, Grundfragen, S. 48 f. Hans J. Wolff, Theorie der Stellenvertretung, S. 91 f.; Verwaltungsrecht I, § 35 I I I . 127 Α. A. Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 244; w i e hier Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 485. Vgl. auch schon Anschütz, Kritische Studien, S. 71. 126
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Genau betrachtet, ist daher die gängige Formulierung unscharf, wonach amtliche Weisungen solche sind, die den Beamten i n seiner Eigenschaft als Walter staatlicher Funktionen betreffen. Amtliche Weisungen sind nur amtsadressiert, den Beamten selbst treffen sie erst über den Katalysator der Amtswahrnehmungspflicht. Wegen dieser Verknüpfung ist auch der Beamte nicht nur faktisch, sondern normativ betroffen. Wollte man diese Verbindung nicht akzeptieren, dann müßte man die Verfassungsmäßigkeit jener Blankettnorm unter dem Aspekt des Bestimmtheitsgrundsatzes i n Zweifel ziehen 128 . Erst zusammen m i t den Amtsrechtssätzen bekommt sie eine rechtsstaatlich tolerable Präzisierung; die Amtsrechtssätze ihrerseits, die diese Präzisierung herbeiführen, dürften für den einzelnen Amtswalter hinlänglich überschaubar sein, so daß er wissen kann, wozu er verpflichtet ist, damit er sich entsprechend verhalten kann 1 2 9 . Wenn hier amtliche Weisungen als Tatbestandsmerkmale qualifiziert worden sind, dann muß klarstellend noch einmal hinzugefügt werden, daß dies keine Identifizierung m i t rechtlicher Irrelevanz bedeutet 1 3 0 . Selbstverständlich stellen sie auch Rechtssätze dar 1 3 1 . Als solche können sie aber dennoch bei normstruktureller Betrachtung Tatbestandsmerkmale weiterer Rechtssätze sein 1 3 2 . Es w i r d also hier keineswegs die These von Bachof ns wiederbelebt, amtliche Weisungen seien bloße rechtserhebliche Tatsachen, folglich keine Rechtsakte 134 . Als Fazit der vorstehenden Überlegungen hat sich ergeben, daß auch die Frage nach dem Adressaten von Weisungen für sich allein nicht ausreicht, um zu einem endgültigen Ergebnis zu gelangen. Es konnte lediglich festgehalten werden, daß solche Maßnahmen den Amtswalter unmittelbar „betreffen", die sich nicht an Ämter adressieren lassen. Normativ betroffen ist aber der Amtswalter auch bei amtadressierten Weisungen, die ihn über den Katalysator der Amtswahrnehmungspflicht erreichen 135 . Damit ist erneut die Frage nach der Relevanz der Unter128 Vgl. die Erwägungen von Menger u n d Erichsen (VerwArch Bd. 57 [1966], S. 274) hinsichtlich der disziplinarrechtlichen Generalklausel. 129 Vgl. Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I, § 28 I a 10. IM Hansen (Fachliche Weisung, S. 244) unter Verkennung auch der Ausführungen von Ossenbühl offenbar annimmt. 131
Barfuß, Die Weisung, S. 12 f. Vgl. υ. Mutius, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 174. iss Verwaltungsakt u n d innerdienstliche Weisung, Festschrift für Laforet, S. 285 ff. (304) ; vgl. auch Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 26. 134 h i e r Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 72. iss w e r h i e r n u r eine „bloß" tatsächliche Betroffenheit annimmt, zieht den Schluß auf die rechtliche Irrelevanz freilich zu früh. I m m e r h i n müßte m a n prüfen, ob hier nicht „faktische Beeinträchtigungen i m Bereich der G r u n d rechte" (vgl. die gleichnamige Schrift von Hans-Ullrich Gallwas) vorliegen. 132
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Scheidung zwischen amtlichen und dienstlichen Weisungen aufgeworfen. Trenn bar sind sie aufgrund der unterschiedlichen Adresse. Rechtserheblich ist die Trennung, wenn sie eine fehlende oder vorhandene Betroffenheit i n Rechten des Amtswalters indiziert. Die herrschende Ansicht ist sich darüber einig, daß eine Weisung einen anfechtbaren Verwaltungsakt darstellt, wenn der Beamte „als Person" unmittelbar rechtlich betroffen und nicht i n seiner Position als Walter staatlicher Funktionen 1 3 6 . Geht es jedoch darum zu klären, wann das eine oder das andere der Fall ist, dann verlieren die Formulierungen merklich an dogmatischer Präzision. Rupp etwa begnügt sich m i t Beispielen 1 8 7 ; Risken 138 und Stein 139 stellen auf das fehlende oder vorhandene Eigeninteresse des Beamten ab. Nach Hans J. Wolff schließlich ist die unmittelbare rechtliche Betroffenheit einer Person „als solcher" ausschlaggebend für die Qualität einer Weisung als Verwaltungsakt 1 4 0 . Nach dieser Ansicht ergibt sich tatsächlich eine i n sich schlüssige Trennung. Denn wie w i r gesehen haben, erreichen amtliche, d. h. amtsadressierte Weisungen, den Amtswalter i n der Tat nur mittelbar, nämlich auf dem Wege über die Amtswahrnehmungspflicht. Nur: i m vorliegenden Zusammenhang kommt es nicht auf die Einordnung von Exekutivmaßnahmen i n das System staatlicher Handlungsformen an. Stellt man die hier angeschnittene Frage unter Rechtsschutzaspekten, dann w i r d man sich vergegenwärtigen müssen, daß die Leitnorm des A r t . 19 Abs. 4 GG lediglich darauf abhebt, ob jemand i n seinen Rechten verletzt ist 1 4 1 , wobei es einerlei ist, durch welche Maßnahme das und auch, ob diese Rechtsverletzung mittelbar oder unmittelbar geschieht 142 . Steht das fest, dann ist nur noch zu eruieren, wodurch die Grenzen jener „persönlichen Rechtsstellung" 143 des Beamten markiert werden. 186 Vgl. oben bei Fußnote 81 bis 83. s. a. Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 19. 187 Grundfragen, S. 76/77. 188 Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 97,169. 130 Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 20, 22. "ο verwaltungsrecht I 8 , § 46 V I I b. 141 Abelein, Festschrift f ü r G. Küchenhof f, S. 430; v. Engelhardt, Der Rechtsschutz gegen Rechtsnormen, S. 51 f. 142 F u n k t i o n u n d normative Abstützung des Topos „ U n m i t t e l b a r k e i t " sind w e i t h i n u n k l a r u n d vage; vgl. etwa Bettermann, AöR Bd. 86 (1961), S. 132 ff.; Bender, Staatshaftungsrecht, S. 30 Fußn. 107; Schnapp, i n : Das neue Sozialgesetzbuch, S. 152. Daß es auf die U n m i t t e l b a r k e i t i n Fragen des Rechtsschutzes nicht entscheidend ankommt, beweist die Anfechtbarkeit von V e r waltungsakten m i t D r i t t w i r k u n g . Vgl. bereits Bachof, Festschrift f ü r Laforet, S. 309. s. w e i t e r h i n B V e r w G E 30, 191 zur Konkurrentenklage i m Subventionswesen. 148 Obermayer, Verwaltungsakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, S. 164. Vgl. auch W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 218: „Sphäre seiner rechtlich geschützten Interessen." Welche Rechtsnorm diese Interessen schützt, bleibt ungeklärt.
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Betont man m i t Obermayer 1 4 4 , daß die Beamten auch die „internen" Weisungen persönlich ausführen müssen, weil sich der Amtswalter nicht i n einen personellen und einen mechanisch-fungiblen Teil zerlegen läßt 1 4 5 , dann kommt als thematisch einschlägiges Grundrecht 1 4 6 nur die allgemeine Handlungsfreiheit i n Betracht 1 4 7 . Diese Feststellung präjudiziert für sich weder Zulässigkeit noch Begründetheit verwaltungsgerichtlicher Klagen. Sie soll nur eine materielle Vorfrage klären, wenn es darum geht, die Sphäre der rechtlich geschützten Interessen des Beamten zu umreißen und normativ zu fundieren. Über die dazu erforderliche Auslegung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Begrenzungsmöglichkeiten ist später zu handeln. Hier mag soviel zu letzterem angedeutet werden: Selbst bei weitester Interpretation des Freiheitsgrundrechts markiert die verfassungsmäßige Ordnung eine Beschränkung. Die Grundrechtsgeltung kann unter diesen Prämissen am A m t ihre Grenze finden, wenn dieses, sofern es ein Teil des Institutionenund Ämtersystems ist, als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung i n Betracht kommt. A u f diese Weise lassen sich auch Befürchtungen zerstreuen, die dahin gehen, daß durch eine vorschnelle Subjektivierung des amtlichen Bereichs die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes i n Frage gestellt wird. Markiert nämlich das A m t die Grenze des Freiheitsgrundrechts, dann sind i n der Regel Klagen gegen amtsadressierte Weisungen wenn nicht unzulässig, so doch unbegründet. Damit ergibt sich die Möglichkeit, der Dichotomie von amtlichen und dienstlichen Weisungen eine typisierende Funktion zuzuerkennen. Nach den Erörterungen i n diesem Abschnitt läßt sich nun auch eine Trennlinie ziehen, welche i n der von W. Schmidt 148 angedeuteten Richtung liegt und vielfach gleiche Ergebnisse zeitigen wird, die seine Feststellung allerdings noch zu präzisieren sucht. Waren hier amtliche Weisungen als amtsadressierte Weisungen verstanden worden 1 4 9 , dann bedarf es nur noch der Hinzunahme der Tatsache, daß Ämter Komplexe von Wahrnehmungszuständigkeiten darstellen. Unter diesen Voraussetzungen sind amtliche, d. h. amtsadressierte Weisungen solche, die inhaltlich auf die Wahrnehmungszuständigkeiten gerichtet sind. Damit w i r d hier ein materieller Adressatenbegriff verwendet, der den Mißbrauchsgefahren, die aus einem formellen Adressatenbegriff resultieren, weitgehend einen Riegel vorschiebt. Es ist also jede Weisung auf ihren Zusammenhang m i t 144
Ebd. Rupp, Grundfragen, S. 77. 146 Neben speziellen Grundrechten w i e etwa A r t . 5 Abs. 3 GG f ü r den Hochschullehrer oder A r t . 11 GG bei Fragen der Residenzpflicht. Z u letzterem K o m p l e x vgl. Dicke, Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 11 Rdnr. 13 ff. 147 Vgl. schon Bachof, Festschrift f ü r Laforet, S. 305. 148 Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 229. 149 I n Übereinstimmung m i t Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I 8 , § 46 V I I b. 145
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den i m jeweiligen A m t zusammengefaßten Zuständigkeiten zu untersuchen. Besteht eine derartige Verbindung, dann handelt es sich u m eine amtliche Weisung m i t der Konsequenz, daß i n diesem Fall das A m t eine grundrechtsbegrenzende Wirkung entfaltet. Den Testfall bilden dann nur noch die gemischten Weisungen 150 . Sie lassen sich nach dem Vorbild von Stein 151 dogmatisch i n zwei Weisungen auflösen 152 . I m übrigen hätte die Unterscheidung zwischen amtlichen und dienstlichen Weisungen unbefangener gehandhabt werden können, wenn man nicht einen Großteil der das Dienstverhältnis des Beamten betreffenden Maßnahmen wie Versetzung, Entlassung, Beförderung etc. unter die Rubrik der dienstlichen Weisungen eingeordnet hätte. Hier stellen sich die Fragen nicht anders als sonst i m Außenverhältnis 1 5 3 : Sie sind auf ihre Abdeckung mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, diese wiederum auf ihre Verfassungskonformität zu überprüfen 1 5 4 . A l l e Maßnahmen also, die nicht ein A m t als Adresse haben können, sind dienstliche (persönliche) Maßnahmen i n diesem Sinne. Demgemäß ist durchweg anerkannt, daß die Versetzimg eines Amtswalters einen anfechtbaren Verwaltungsakt darstellt 1 5 5 . Das ist auch aus dem Gesichtspunkt zutreffend, weil die Versetzung zwei Maßnahmen bündelt, die beide rein personenbezogen sind: die Entbindung vom bisherigen A m t und die Zuweisung des neuen Amtes. Beide lassen den Bestand des jeweiligen Amtes unberührt; vielmehr regeln sie nur die Rechtsstellung des Beamten, d. h. seine Beziehung zu dem von i h m bekleideten Amt. Die Versetzung ist jedoch — unter den Voraussetzungen des § 18 BRRG — deshalb zulässig, weil das Dienstverhältnis als solches unverändert bleibt. I n diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob man den Wechsel der Behörde als essentiale des Versetzungsbegriffs ansieht. Auch die Übertragung anderer Dienstgeschäfte bei derselben Behörde (sog. versetzungsähnliche Maßnahme 156 ) ist personenadressiert 157 . Aus 150 Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S.27; vgl. auch Rupp, Grundfragen, S. 77, der allerdings keine Lösung anbietet. 161 Ebd., S. 27. 152 Daß ein Vorgang mehrere Rechtsakte bündeln kann, dürfte anerkannt sein. Vgl. B V e r w G E 16, 83; O V G Lüneburg, N J W 1953, 160; D Ö V 1963, 150 ff.; Nipperdey / Heußner, I n : Staatsbürger u n d Staatsgewalt, Bd. I, S. 211 ff. (231 ff., 238); Walter Schmitt, B a y V B l . 1959, 403; Obermayer, Kommunalrecht, i n : Mang / Maunz / Mayer / Obermayer, Staats- u n d Verwaltungsrecht i n B a y ern, 3. Aufl. 1968, S. 358; Wertenbruch, A r b R - B l a t t e i , D, Entscheidung 80; Schnapp, D Ö V 1971, 659 ff. (663 ff.). Das nötigt jedoch nicht zur Annahme von „Mischformen" oder „Hoheitsakten sui generis". Dagegen zu Recht υ. Mutius, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 172 f. m i t umfassenden Nachweisen. 153 W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 229. 154 Vgl. etwa V G Hannover, DVB1.1972, 48. 155 Plog / Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, §26 Rdnr. 38. 158 Dazu Karlheinz Worzfeld, Versetzung u n d versetzungsähnliche Maßnahmen u n d ihre A u s w i r k u n g e n i m Beamtenrecht, Diss. Würzburg 1974.
3. Amtliche u n d dienstliche Weisungen
159
der Sicht des Amtswalters macht es überdies keinen Unterschied, ob er ein neues A m t bei derselben oder einer anderen Behörde übernimmt 1 5 8 . Veränderungen i m Kompetenzbestand eines bestimmten Amtes hingegen richten sich auf das Amt, betreffen also die i m A m t zusammengefaßten Wahrnehmungszuständigkeiten (materieller Adressatenbegriff) Eine Sperre i m Hinblick auf den Amtswalter, der mittelbar — auf dem Wege über die Amtswahrnehmungspflicht — i n seinem Tätigkeitsbereich betroffen wird, kann auch hier nur aus dem Dienstverhältnis resultieren. Rückblickend ergibt sich somit, daß dogmatische Schwierigkeiten eigentlich nur bei den amtsadressierten Weisungen auftauchen, die — und weil sie — den Beamten erst auf dem Wege über seine Amtswahrnehmungspflicht erreichen. Für alle anderen Maßnahmen, die den Bestand des Amtes unangetastet lassen, gilt hingegen nichts anderes als sonst für Exekutivakte gegenüber Personen 159 .
157 Das zieht nicht i n Betracht: Gert D. Bühren (Die Umsetzung eines Beamten als anfechtbarer Verwaltungsakt, ZBR 1975, 205 ff.), der einen V e r w a l tungsakt n u r annehmen w i l l , w e n n ein Recht am A m t gegeben ist. Damit verwechselt er Klageart u n d Begründetheit der Klage. F ü r VerwaltungsaktsCharakter: BVerwG, Z B R 1975, 226: „angefochtene Verfügung". 158 H. Schillen, Versetzung u n d versetzungsähnliche Maßnahmen i m Beamtenrecht, Z B R 1956,105 f. 159 W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 229; SiegmundSchultze, DVB1.1962, 514.
Drittes Kapitel Innenrecht u n d Außenrecht Es ist vor allem das Verdienst von Hans Heinrich Rupp 1, Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten, voluntaristischen Charakter und politischen Hintergrund der Impermeabilitätslehre und der Figur des besonderen Gewaltverhältnisses i n eingehender Untersuchung aufgedeckt zu haben 2 . Er führt die Kategorien „Außen" und „Innen" erneut ein. Allerdings bezeichnet das „Innen" bei Rupp keinen rechtsexemten Raum, sondern indiziert eine besondere Kategorie von Rechtsnormadressaten, dient also dazu, einen besonderen personalen Geltungsbereich von Rechtsnormen hervorzuheben. Unter „Innenrechtsverhältnis oder Innenbeziehungen" versteht er 3 dabei diejenigen Rechtsbeziehungen, die „ausschließlich den organschaftlichen Funktionsablauf zwischen Organwalter, Organen und Organismus betreffen", als Außenrechtsverhältnis dagegen den „Komplex von Rechtsrelationen, durch welche das Verhältnis von Verwaltungsorganisation einerseits zu Subjekten, die nicht i n der Wahrnehmung einer Organfunktion begriffen sind, andererseits bestimmt wird." Unter Heranziehung der oben 4 getroffenen Unterscheidung zwischen amtlichen und dienstlichen Weisungen ließe sich Innenrecht bestimmen als die Gesamtheit der amtsadressierten Rechtssätze, Außenrecht als Inbegriff der personenbezogenen Rechtssätze. Wie Schwabe 5 jüngstens dargelegt hat, kommt es dabei auf die Intention an, nicht auf die tatsächlich hervorgerufene Wirkung. Bei alldem läßt sich die Unterscheidung i n Grenzfällen bisweilen nur schwierig treffen. Denn es kann gerade zweifelhaft sein, wann Rechtssätze auf den Bürger — und das ist auch der Beamte i m Dienstverhältnis — und wann sie auf ein A m t als „künstliches" Funktionssubjekt treffen. Dieser Schwierigkeit könnte— jedenfalls zum Teil — begegnet werden m i t der hier entwickelten ma1
Grundfragen, S. 19 ff. E r bemerkt dazu selbst (ebd., S. 43) : „Daß hierzu überhaupt ein W o r t v e r loren werden mußte, erscheint vielleicht einem unbefangenen u n d dogmengeschichtlich unbelasteten Beurteiler k a u m verständlich." 8 Grundfragen, S. 34. 4 Zweiter Teil, 2. Kapitel, 3. 5 Innenrecht u n d Außenrecht, J A 1975, 45 ff. 2
I I . 3. Kap. : Innenrecht u n d Außenrecht
161
terialen Amtsadresse. Danach gehören zum Innenrechtskreis solche Rechtssätze, die sich inhaltlich auf Wahrnehmungszuständigkeiten richten, zum Außenrechtskreis diejenigen, die nicht ein A m t zum Adressaten haben können. Ob man m i t dieser Definition allen Grenzfällen w i r d gerecht werden können, mag zweifelhaft sein. Sie erscheint jedoch hinreichend präzise, um „Innenrecht" und „Außenrecht" als Arbeitsbegriffe bei den zu erörternden Sachproblemen fortzuführen. Dabei ist vorab folgendes zu bemerken. Die Dichotomie darf nicht dahin mißverstanden werden, als deute der „Dualismus der Rechtskreise innerhalb des Staates" 6 auf zwei gesonderte Rechtsmassen, die sich „gleichsam antithetisch" 7 gegenüberstehen. Dabei wäre die Gefahr nicht auszuschließen, daß die soeben überwundene Ansicht perpetuiert würde, Innenrechtssätze seien doch etwas qualitativ anderes als Außenrechtssätze8. Eine vorschnelle Pauschalierung wäre geeignet, die Komplexität des Innenbereichs und die Multifunktionalität von Rechtssätzen zu verschleiern 9 . Z u m anderen darf über der Zweiteilung das Amtswalterverhältnis nicht aus dem Blick geraten, das sich gleichsam i m Schnittpunkt von I n nen- und Außenrecht befindet. Das Amtswalterverhältnis w i r d nämlich geprägt durch ein „Gemisch" von Innen- und Außenrechtssätzen: durch die auf der Tatbestandsseite aktuell leere (personenbezogene) Pflicht zur Amtswahrnehmung auf der einen und durch die Amtsrechtssätze auf der anderen Seite, welche das A m t für den einzelnen Amtswalter erst „sichtbar" machen. Die Unterscheidung von Innen- und Außenrecht hat bei Rupp zwei Funktionen. Zum einen sucht er zu veranschaulichen, daß diejenigen Normen des Außenrechts, die die Beziehungen zwischen Bürger und verwaltendem Staat regeln, zu ihrer Verwirklichung einer weiteren Normkategorie bedürfen, durch welche die Staats- und Organpflichten i n Organwalterpflichten „transformiert" 1 0 werden 1 1 . Damit verbunden ist die Feststellung, daß ein dem Außenrecht inkongruenter Dienstbefehl i m Innenverhältnis nicht ohne weiteres rechtswidrig ist, w e i l eben eine « Rupp, Grundfragen, S. 60. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 167. 8 So offenbar noch Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, insbes. S. 119 ff. 9 Vgl. auch Achterberg, D Ö V 1973, 295 f. 10 Vgl. auch Rauschning, Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, S. 264 f. Darauf, daß die These von der angeblichen „Transformation" bereits falsche Vorstellungen erweckt u n d Scheinprobleme auslöst, w i r d noch zurückzukommen sein. 11 Die Identifikation von Staats- u n d Amtswalterpflichten wäre i m übrigen nichts anderes als die Wiederbelebung der Impermeabilitätstheorie i n neuem Gewände. Der Beamte ist eben nicht „ein Stück des Staates selbst" (so aber Thieme, Der öffentliche Dienst i n der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, S. 19). 7
11 Schnapp
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I I . 3. Kap. : Innenrecht u n d Außenrecht
unmittelbare Geltung des Außenrechts i m Organwalterverhältnis nicht besteht. Auf diese Weise w i r d die (Schein-) Antinomie des rechtswidrigen, (aber) bindenden Befehls gelöst. Zum anderen dient die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenrecht dazu, die Rangverhältnisse zwischen beiden Normkategorien zu klären, wenn das Außenrecht i n den Organwalterbereich „einfließt". Nach der Ansicht von Rupp t r i t t bei diesem Vorgang ein „Rangverlust des Außenrechts" ein; d. h. „der Befehlsimpuls einer Organwalterweisung (besitzt) dem Außenrecht gegenüber derogierende K r a f t " 1 2 : der Vorrang des Gesetzes geht i m Innenrechtsbereich verloren. Da Rupp m i t diesen— wie sich herausstellen wird, i m Ergebnis zutreffenden, i n der Konstruktion jedoch fehlerhaften — Thesen auch i n der Folgezeit auf K r i t i k stieß 13 , wobei die Debatte bis heute nicht aufgelöst ist, muß darauf näher eingegangen werden. 1. Staatspflichten und Amtswalterpflichten
Die besonders i m S traf recht diskutierte Figur des „bindenden rechtswidrigen Befehls" beruht auf zwei ausdrücklich gemachten oder i m p l i zierten Voraussetzungen: daß man nämlich Einzelweisungen des amtswalterschaftlichen Bereichs unmittelbar an den das Staat-Bürger-Verhältnis regierenden Normen des Außenrechtsbereichs zu messen habe und daß es nur einen einheitlichen Begriff der Rechtswidrigkeit geben könne 1 4 . Das heißt: Die Rechtmäßigkeit — und damit die Verbindlichkeit! — der an Amtswalter gerichteten Weisungen w i r d begriffen als deren Kongruenz m i t der gesamten Rechtsordnung 15 . Bei dieser Konstruktion hat man nicht nur durch den direkten Sprung i n das Außenrecht die Kategorie der generellen Regelungen von Amtswalterpflichten übersehen 1 6 , sondern auch die Struktur, insbesondere die Adressatenrichtung 12
Grundfragen, S. 62. Hansen, Fachliche Weisungen u n d materielles Gesetz, S. 233 ff. (unter teilweise entstellender Wiedergabe Ruppscher Thesen); Franz Mayer, D Ö V 1966, 733 f.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 476 ff.; Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 151 ff.; Spanner, V e r w A r c h Bd. 57 (1966), S. 192 f. 14 Arndt, DVB1.1959, 624 ff. (625). 15 Herbert Arndt, Grundriß des Wehrstraf rechts, 2. Aufl., München u n d B e r l i n 1966, S. 76; Dreher / Lackner / Schwalm, Wehrstrafgesetz, München / B e r l i n 1958, §2, Rdnr. 20; Paul Heilborn, Die Pflicht des preußischen u n d deutschen Staatsbeamten zur Befolgung rechtswidriger Dienstbefehle, Festschrift für Otto Gierke, Weimar 1911, S. 125 ff. (130 f.); Hildebrandt / Demmler / Bachmann, K o m m e n t a r zum Beamtengesetz für das L a n d NordrheinWestfalen, Bd. I, Neuwied 1963, §59, Erl. I I ; Erich Lindgen, Handbuch des Disziplinarrechts, Bd. I, B e r l i n 1966, S. 674. 16 Offenbar bedingt durch den Umstand, daß man Weisungen i m Einzelfall Rechts- ( = Verwaltungsakts-) Qualität zusprach, die parallele Qualifikation 13
1. Staatspflichten u n d A m t s walterpflichten
163
von Rechtsnormen, undiskutiert gelassen und die Frage nach der Normhierarchie i m Innenbereich nicht gestellt. Für die weitere Erörterung ist die Tatsache ausschlaggebend, daß Rechtssätze als präskriptive Sätze jeweils — ausdrücklich oder i m p l i zit — einen Adressaten haben müssen. Dieser Adressat muß, damit die Rechtsnorm „funktioniert", d. h. Wirksamkeit entfalten kann, letztlich ein motivationsfähiges Wesen, eine natürliche, handlungsfähige Person sein 17 . Das bedeutet nicht, wie bereits i m vorangegangenen Kapitel dargestellt, daß ein Rechtssatz immer einen konkreten Menschen als Adressaten treffen muß oder i m Wege des „rechtselementaren Durchgriffs" nur so verstanden werden kann. Es ist lediglich erforderlich, daß normative Befehle letztlich einen natürlichen Menschen treffen, wenn anders der Normimpuls nicht unerfüllt bleiben soll. Speziell das öffentliche Recht weist nun durchgehend die Besonderheit auf, daß fast alle Rechtssätze, die Verpflichtungen oder Handlungsbefugnisse des „Staates" i m „Außenbereich", d. h. i m Verhältnis zu nicht organwaltenden Dritten formulieren, i n Blickrichtung auf eben den Staat entweder adressatlos sind 1 8 , sich an amorphe staatliche Funktionen 1 9 oder an Institutionen 2 0 richten. Diese Rechtssätze, die das StaatBürger-Verhältnis regeln, lassen also aus sich heraus nicht erkennen, welches motivationsfähige Wesen auf der Seite des „Staates" zur Verwirklichung des Normbefehls verpflichtet bzw. berechtigt ist. Ohne ein rechtliches „Subsystem" 2 1 würden diese Rechtssätze sozusagen ins Leere stoßen; der Normimpuls könnte — normativ betrachtet — nicht i n die Wirklichkeit umgesetzt werden 2 2 . für generelle Amtsrechtssätze jedoch nicht vornahm. A u f die Inkonsequenz hat bereits Bachof hingewiesen; vgl. Festschrift f ü r Laforet, S. 300. Siehe ferner Hansen, Fachliche Weisungen u n d materielles Gesetz, S. 141 ff. 17 Walter Burckhardt, Die Organisation der Rechtsgemeinschaft, S. 329 ff. ; Hans J. Wolff, Theorie der Stellvertretung, S. 259 f. 18 So alle Grundrechtsbestimmungen, die das I n d i v i d u u m hervorkehren u n d n u r m i t H i l f e von A r t . 1 Abs. 3; 20 Abs. 3 GG erschlossen werden können: vgl. weiter A r t . 33 Abs. 5 GG, dessen Normimpuls (nur) wegen des Parlamentsvorbehalts auf den organisatorischen Gesetzgeber zielt. Z u r Adressatenrichtung dieses Rechtssatzes vgl. Reinhard Hoff mann, AöR Bd. 91 (1966), S. 150 ff.; Schnapp, Beamtenstatus u n d Streikrecht, S. 42. Daß hier eine Gesetzgebungsdirektive vorliegt, es also bei der Norminterpretation entscheidend auf den Rechtssatzadressaten ankommt, w i r d verkannt, w e n n man aus A r t . 33 Abs. 5 GG Beschränkungen von Grundrechten herleitet. Vgl. etwa Ule, Grundrechte IV/2, S. 640 f., der A r t . 19 Abs. 4 GG durch A r t . 33 Abs. 5 GG auf dienstliche Weisungen eingeschränkt sieht. 19 A r t . 1 Abs. 3; 20 Abs. 3 GG. 20 z. B. A r t . 78 Abs. 4 Verf. N W ; § 4 GO NW. 21 Vgl. auch Achterberg, D Ö V 1973, 296. M i t dieser Bezeichnung ist keine Rangordnungsfrage angesprochen; siehe das folgende Kapitel. 22 Ausgenommen wären Kompetenz-Usurpationen, die aber dem faktischen Bereich angehören. 11·
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I I . 3. Kap.: Innenrecht u n d Außenrecht
Anders ausgedrückt: Soweit als Adressat einer Außenrechtsnorm der „Staat" (bzw. eine seiner Funktionen oder Institutionen) firmiert, ist diese Bezeichnung eine undifferenziert verwendete abbreviative Redeweise 23 für einen ohne weitere Rechtssätze noch unzergliederten Komplex von Zuständigkeiten, Befugnisse und Verpflichtungen, von juristischen Personen, Organen, Ä m t e r n und real handelnden Menschen 24 . Bei dieser Komplexität kann „Staat" — bei einem ausgebildeten Subsystem — nur jeweils auf das Organ oder A m t bezogen sein, das sich letztlich aufgrund der weiteren Kompetenz- und Ämterordnung, also des von Rupp so bezeichneten Innenrechts, als zuständig ergibt. Letztlich muß die Verpflichtung zur Ausführung oder Einhaltung von Außenrechtsnormen den jeweiligen durch das Amtsrecht ausgewiesenen Amtswalter treffen, dem zudem eine durch das Dienstrecht normativ begründete Verpflichtung obliegen muß, die dem A m t zugewiesenen Aufgaben auch wahrzunehmen. Rupp hat bereits zutreffend darauf hingewiesen 26 , daß „der ganze Organismus" i n einen einzigen Kompetenzstreit zerfiele, wenn jeder Organwalter die den Organismus treffende Außenpflicht auf sich beziehen würde. Das gilt auch für die Verhältnisse innerhalb eines Staatsorgans, das ohne eine Verteilung der Organkompetenzen auf die interne Ämterordnung einem ebensolchen Kompetenzstreit anheimfiele. „Es ist daher evident, daß sich zwischen die Staats- bzw. die Organpflicht des Amtes und die Pflicht der einzelnen Organwalter eine weitere Normkategorie einschieben muß, die nicht nur eine Mediatisierung der Organwalterpflichten umprägt, abwandelt und für den einzelnen Organwalter verwirklichungsfähig macht. Schon hier setzt also ein Vorgang ein, der es unmöglich macht, kurzerhand die Identität oder Inhaltsgleichheit der Staats- und Organwalterpflicht zu unterstellen" 2 6 . Die Notwendigkeit der Weiterleitung 2 7 von „Außenrechts"- Verpflichtungen auf motivations· und handlungsfähige Personen ist imbestreitbar. Das Ineinandergreifen verschiedener rechtlicher Bestimmungen ist jedoch noch komplexer als die Dichotomie „Innenrecht"/„Außenrecht" zunächst vermuten 23 Vgl. bereits Karl Haff, Grundlagen einer Körperschaftslehre, 1. Teil, Leipzig 1915, S. 93 f.; Alexander Hold-Ferneck, Die Rechtswidrigkeit, Jena 1903, 1905, S. 16, 197, 263; Felix Somló, Juristische Grundlehre, 2. Aufl., L e i p zig 1927, S. 521 f.; Max Wenzel, Juristische Grundprobleme, 1. Bd.: Der Begriff des Gesetzes, B e r l i n 1920, S. 210, 216 f., 221 f., 245; Hans J. Wolff, Juristische Person u n d Staatsperson, S. 371, 442. 24 A n dieser Stelle erweist sich übrigens, daß die ontologische Frage danach, was der Staat ist, die Lösung dogmatischer Fragen nicht sonderlich fördert. 25 Grundfragen, S. 48 f. 26 Rupp, Grundfragen, S. 49. Vgl. auch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 22. 27 Dazu, daß „Weiterleitung" den Sachverhalt zutreffender beschreibt als „Transformation", vgl. den T e x t weiter unten.
1. Staatspflichten u n d A m t s w a t e r p f l i c h t e n
165
läßt. Das gilt nicht nur für das von Rupp nicht behandelte Inter-OrganRecht 28 ; diese Komplexität setzt vielmehr bereits i m Außenrecht ein. Die Bestimmung des A r t . 33 Abs. 5 GG etwa, wonach das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln ist, richtet sich m i t dieser Direktive an den Regelungsbefugten, ohne diesen aus sich heraus, ohne Heranziehung anderer Vorschriften erkennen zu lassen. Wer das i m einzelnen ist, ergibt sich erst aus den A r t i k e l n 73 Nr. 8, 74 a und 75 Nr. 1 GG, die den Gesetzgeber als Adressaten ausweisen 29 . Aber auch die vollziehende Gewalt könnte als regelungsbefugt i n Betracht kommen, soweit sie m i t Hilfe von Verwaltungsverordnungen ihre Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt ausübt. Ob ihr eine solche nicht gesetzesabgeleitete Befugnis zusteht, ergibt sich jedenfalls nicht aus A r t . 33 Abs. 5 GG, sondern ist aus anderen Überlegungen zu beantworten. Das w i r d noch gesondert zu erörtern sein. Ferner sind die soeben erwähnten Zuständigkeitsbestimmungen nicht verwirklichungsfähig ohne die Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren, die wiederum ergänzt werden durch das parlamentarische Geschäftsordnungsrecht (sowohl von Bundestag als auch von Bundesrat) und das innere Fraktionsrecht 30 . Selbst dort ist diese Kette noch nicht beendet, denn welche realen Personen der Normbefehl des A r t . 33 Abs. 5 GG trifft, ergibt sich nur aus den Bestimmungen des Wahlrechts, für welches eine ähnliche Komplexität nachgewiesen werden könnte. Da es sich fernerhin bei A r t . 75 Nr. 1 GG u m einen Gegenstand der Rahmengesetzgebung handelt, der den Ländern einen Handlungsspielraum beläßt, setzt die soeben beschriebene Kette innerhalb des Landesrechts erneut ein. Die erwähnte Komplexität des Normzusammenhanges zeigt sich bereits i m Bereich der Grundrechtsvorschriften — unzweifelhaft Rechtssätzen des „Außenrechts" i n der Terminologie von Rupp. Diese weisen zwar m i t der Erwähnung von „jedermann" oder „alle Deutschen" i n der Regel den Kreis der Grundrechts berechtigten aus 31 , bezeichnen aber 28
Vgl. den Hinweis von Achterberg, D Ö V 1973, 295. Vgl. Hoff mann, AöR Bd. 91 (1966), S. 150 ff.; Schnapp, Beamtenstatus u n d Streikrecht, S. 42; Fuß, D Ö V 1972, 767: zum mehrfachen Regelungsgehalt vgl. i m übrigen Maunz / (Dürig / Herzog), Grundgesetz, A r t . 33 Rdnr. 72, Fußn. 4; Menger, V e r w A r c h Bd. 56 (1965), S. 81 ff. (83); Schick, Z B R 1963, 67 ff. (70 ff.); Schnapp, D Ö V 1973, 36. 80 Achterberg, Grundzüge des Parlamentsrechts, 1971, S. 15, 41. 81 Dabei ist schon abgesehen von Bestimmungen w i e A r t . 4 Abs. 1 oder A r t . 5 Abs. 3 GG, die ohne personelle Konkretisierung lediglich den geschützten Sachbereich erwähnen. Daß Menschen überhaupt n u r Grundrechtsträger sein sollen, läßt sich dem Grundgesetz bei normativem Vorgehen n u r mühsam entnehmen. Einschlägiger normativer Ansatzpunkt dürfte hier A r t . 1 Abs. 2 i n Verbindung m i t A r t . 1 Abs. 1 GG sein (Die Würde des Menschen . . . darum) sowie die schwerpunktmäßige Typologie der Grundrechtsbestimmungen. 20
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I I . 3. Kap.: Innenrecht u n d Außenrecht
nicht den (die) Grundrechtsverpflichteten. Die Frage danach verweist bereits auf A r t . 1 Abs. 3 GG, der zu erkennen gibt, wen „die nachfolgenden Grundrechte binden". Das heißt mit anderen Worten: Der normative Gehalt der Grundrechte ist bereits abhängig von der Interpretation des A r t . 1 Abs. 3 GG 3 2 . Aber auch hier sind m i t der Erwähnung von Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung lediglich amorphe staatliche Funktionen angesprochen, jedoch noch keine Institutionen, geschweige denn bestimmte grundrechtsverpflichtete Amtswalter. M. a. W.: A l l e i n aus dem Grundgesetz ergibt sich jedenfalls noch nicht, wer i n concreto dem Grundrechtsträger als i n seinen Aktionen grundrechtsgebunden gegenübersteht 33 . Deshalb bedarf es eines weiteren normativen Systems, um die Grundrechtsverpflichtung des „Staates" verwirklichungsfähig zu machen. Dieses Subsystem w i r d durch die Institutionen- und Ämterordnung zur Verfügung gestellt, die erst die Handlungsbefugnisse und -Verpflichtungen von Institutionen und Ämtern näherhin ausweist. Es w i r d ergänzt und letztlich erst i n Funktion gesetzt durch Rechtssätze, die den physischen Amtswalter verpflichten, die dem einzelnen A m t zugewiesenen Kompetenzen auch wahrzunehmen. Erst i n diesem Punkt endet die Normenkette, die eine an den „Staat" gerichtete Verhaltenserwartung des Außenrechtsbereichs umsetzungsfähig macht. Das gilt selbstverständlich i n ähnlicher Weise für einfachgesetzliche Normen des Außenbereichs, die beispielsweise adressatlos gehalten sind 3 4 . Es zeigt sich also, daß das Ineinandergreifen von Normen komplexer ist, als es die Bildung einer abgeschlossenen Kategorie des „Außen" vermuten läßt. Fehlerhaft wäre auch die Vorstellung, den beiden „Rechtskreisen" ließen sich jeweils nur ihnen zugehörende Rechtssatzkategorien zuordnen; fehlgehend die Vorstellung, m i t dieser Dichotomie lasse sich eine generelle A n t w o r t auf Rangfragen geben, wobei man das Spannungsfeld der Diskussion mit den Polen „Rangverlust des Außenrechts" auf der einen, „Unverbrüchlichkeit des Gesetzes" auf der anderen Seite anzugeben hätte. Dagegen spricht bereits die Tatsache, daß sowohl Gesetze und Rechtsverordnungen, also klassische Rechtssätze des Außenbereichs, 32 Vgl. Erichsen, Staatsrecht u n d Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976, S. 112. 33 Diese Abstraktionshöhe der Verfassung mag m i t ein G r u n d dafür sein, daß sie i n die Gefahr gerät, „als eine A r t politischer L y r i k " (Adolf Arndt, Das nicht erfüllte Grundgesetz, Tübingen 1960, S. 22) normativ entkräftet zu werden. Vgl. auch Rauschning, Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, S. 11 f. 34 Vgl. etwa § 67 BSHG, wonach Blinden unter bestimmten Voraussetzungen Blindenhilfe zu gewähren ist. Der zuständige Leistungsträger ergibt sich erst aus §§ 100 Abs. 1 Nr. 4; 96 Abs. 2 B S H G i n Verbindung m i t dem jeweiligen Landesrecht.
1. Staatspflichten u n d A m t s w a i t erpflichten
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direkt i n den organschaftlichen Rechtskreis und den Amtswalterbereich eindringen, als daß auch Verwaltungsvorschriften, m i t h i n die klassische Rechtssatzkategorie des Innenbereichs, das Staat-Bürger-Verhältnis regeln, zumindest aber mittelbar betreffen können. So nimmt A r t . 35 GG alle Behörden 35 des Bundes und der Länder auf Amtshilfe i n Pflicht. Des weiteren erklären zahlreiche Bundesgesetze i n direktem Durchgriff bestimmte gemeindliche Organe (Organteile) für zuständig (z. B. § 3 Abs. 4 FlüchtlNotLG, § 12 JSchG, §§ 5, 31 BSeuchG), verpflichten Gemeinden zur Erichtung von Ä m t e r n oder bilden Ausschüsse (§§ 12 ff. JWG, § 137 BBauG). Die bereits erwähnte Vorschrift des § 163 Abs. 2 Satz 1 StPO nimmt gar direkten Zugriff auf die einzelnen Amtswalter. A u f der anderen Seite erzeugt die Verwaltung mit Hilfe von Verwaltungsvorschriften „außenwirksame" Rechtseffekte, wenn es sich um zuständigkeitsregelnde Verwaltungsvorschriften handelt. Denn da ein Anspruch des Bürgers auf zuständigkeitsgemäßes Handeln der Exekutive anerkannt ist 3 6 , ist klar, daß die Verwaltung durch inneradministrative Regelungen auf die Rechtsstellung des Bürgers einwirken kann, ohne i h n als Adressaten i n Bezug zu nehmen. Soweit es sich um Leistungsansprüche handelt, können Verwaltungsvorschriften sogar anspruchs„verformend" wirken, sofern erst sie — wie etwa i m Subventionswesen — die Behörde bestimmen, die den Bewilligungsbescheid zu erlassen hat. Das setzt sich i m Prozeß fort 3 7 . Bestimmt man nun den Rechtssatz als den sprachlich objektivierten Ausdruck einer Verhaltenserwartung 3 8 , welche wiederum sinnvollerweise letztlich nur an ein motivations- und handlungsfähiges Subjekt gerichtet sein kann, so ergibt sich, daß die einzelne rechtliche Bestimmung des Außenrechts für sich allein i n der Regel noch keinen kompletten Rechtssatz i n diesem Sinne darstellt. Rechtssätze werden dann erst gebildet durch das komplexe Ineinandergreif en verschiedener rechtlicher Bestimmungen 39 . Es kommt an dieser Stelle nicht entscheidend darauf an, ob man der hier gegebenen Definition des Rechtssatzes zustimmt oder 85 Z u m Behördenbegriff dieser Bestimmung vgl. Rode / Schnapp, Die A m t s hilfe der Krankenkassen gegenüber Staatsanwaltschaft u n d Verfassungsschutz, ZfS 1971, 65 ff. (68 ff.). 36 Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 506 m. w. N. Wie w e i t dieser Anspruch i n den behördlichen Apparat hineinreicht, w i r d noch zu erörtern sein; vgl. weiter unten Fünftes Kapitel, 1. 37 Vgl. §§ 61 Nr. 3, 62, 78 Abs. 1 Nr. 2 V w G O i n Verbindung m i t § 5 A G V w G O NW. 88 Heinrich Henkel, Einführung i n die Rechtsphilosophie, 1964, S. 46 ff.; 62; Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, S. 6, 19; Schnapp / Meyer, D R V 1973, 75 m i t Nachweisen. 89 Vgl. auch die Andeutungen bei Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 164; Achterberg, DÖV 1973, 295 f.
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nicht. Ausschlaggebend ist die komplexe Struktur und die Notwendigkeit der mehrstufigen Weiterleitung von Außenrechtssätzen. Dabei kann der Intention von A r t . 20 Abs. 3 GG nur dann entsprochen werden, wenn der Normimpuls der vom Amtswalter zu vollziehenden Außenrechtsnorm unverfälscht bei diesem „ankommt". Das ist nur möglich, wenn innerhalb der Weiterleitungskette keine Kollisionen auftreten. Eine andere, gesondert zu behandelnde Frage ist die, ob der Regelungsimpuls der Außenrechtsnorm durch eine entgegenstehende Vorgesetztenweisung suspendiert werden kann. Anders ausgedrückt: der parlamentarische Gesetzgeber ist i n aller Regel schon gesetzestechnisch nicht i n der Lage, den Amtswalter als Adressaten des Normbefehls zu „treffen" 4 0 . Das w i r d — wie bereits erwähnt — letztlich erst erreicht durch die Institutionen- und Ämterordnung sowie durch (konkrete oder abstrakte) Organwalterweisungen und die Bindung des Organwalters an A m t und Weisung. Wegen der damit zwangsläufig verbundenen unterschiedlichen Geltungserstreckung des Außenrechts, der Einzelstufen des „Subsystems" und der Unterschiedlichkeit der Adressatenrichtung ist zu vermuten, daß die tradtionelle Problematik des Rangverhältnisses von Gesetzesrecht und Administrativrecht insofern auf einer falschen Fragestellung beruht, als es sich i n Wirklichkeit nicht um ein Rangproblem handelt. Dieses Problem kann nur auftauchen bei richtungsidentischen Sätzen, insbesondere hinsichtlich der Adressatenrichtung. Bei Gesetzes- und Administrativrecht dürften jedoch insoweit inkommensurable Rechtssätze vorliegen, bei denen sich Probleme der Kongruenz oder Inkongruenz nicht stellen können 4 1 . Die Frage w i r d beantwortet werden können, wenn organisatorische und normative Strukturen des Administrationsbereichs nochmals beleuchtet worden sind. Hier kann zunächst festgehalten werden, daß diejenigen rechtlichen Vorschriften, die das Staat-Bürger-Verhältnis betreffen, an Funktionen, Institutionen oder auch Organe gerichtet sind — soweit sie nicht überhaupt eines Adressaten entbehren —, nicht jedoch amtswalter-adressiert sind. Wegen dieser fehlenden Adressatenrichtung können folglich den „Staats"-Pflichten nicht unmittelbar Amtswalterpflichten entnommen werden 4 2 . Diese Feststellung ist freilich alles andere als selbstverständlich, scheint sie doch i m Ergebnis auf eine Dispensation des einzelnen Amtswalters von der der vollziehenden Gewalt i n A r t . 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG auferlegten Gesetzesbindung hinauszulaufen. 40 Vgl. auch Hermann Heller, Der Begriff des Gesetzes i n der Reichsverfassung, W D S t R L 4 (1928), S. 98 ff. (107). 41 Vgl. vorerst Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 474 42 Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, S. 527 f.
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Z u einer unmittelbaren Bindung des Amtswalters an das Gesetz gelangen zwei Auffassungen.TTueme 43 und Risken u vertreten die A u f fassung, es gebe den hergebrachten Grundsatz i. S. von A r t . 33 Abs. 5 GG, wonach unbedingter Gehorsam nicht gegenüber jedweder Weisung, sondern nur (!) gegenüber dem Gesetz bestehe. Diese These w i r d jedoch i n ihrer Aussagekraft dadurch relativiert, daß sie teils selbstverständlich, teils unrichtig und auch zu vage ist: Einmal ist, soweit ersichtlich, der Gehorsam gegenüber jedweder Weisung nirgendwo postuliert worden. Das entspricht auch nicht der gesetzlichen Lage. Denn zum einen zeigt das Institut der Remonstration, daß die Weisung des Vorgesetzten i n ihrem Geltungsanspruch suspendiert und auch aufgehoben werden kann. U n d selbst bei erfolgloser Remonstration besteht keine Befolgungspflicht, wenn die vom nächsthöheren Vorgesetzten aufrechterhaltene Anordnung bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar gegen Strafgesetze verstößt oder die Würde des Menschen verletzt. Zweitens ist einzuwenden, daß das Postulat, eine Gehorsamspflicht bestehe nur gegenüber dem Gesetz, ebenfalls i m geltenden Beamtenrecht keine Stütze findet. Dort gilt nämlich — zumindest auch — die Pflicht zur Befolgung der Vorgesetzten-Anordnung und zur Wahrnehmung des Amtes. Ob dies die einzigen Pflichten bzw. Bindungen des Organwalters sind, bleibt noch zu klären. Jedenfalls ist die soeben wiedergegebene Ansicht zu unpräzise und entspricht nicht der gesetzlichen Situation. Ferner ist die unmittelbare Gesetzesbindung des Organwalters die notwendige Konsequenz bzw. Voraussetzung bei denjenigen Autoren, die rechtswidrige (d. h. gegen das Gesetzesrecht verstoßende) Dienstbefehle als unverbindlich ansehen 45 . Wie das Problem des sog. rechtswidrigen Dienstbefehls zu lösen ist, kann hier nodi dahinstehen. Jedenfalls kann man nicht von einer Unverbindlichkeit dienstlicher Anordnungen sprechen, wenn nach geltendem Beamtenrecht der Amtswalter verpflichtet ist, solche Anordnungen nach erfolgloser Remonstration zu befolgen. 48
S. 49. 44
Der öffentliche Dienst i n der Verfassungsordnung des Grundgesetzes,
Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 92. Vgl. die Nachweise oben i n Fußn. 17. Nach Stein (Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 41) soll eine Weisung sogar dann unverbindlich sein, w e n n es i h r erkennbar an der Zielsetzung fehlt, entweder eine Rechtsverletzung zu verhüten oder eine dem öffentlichen Interesse besser entsprechende Entscheidung herbeizuführen. Selbst w e n n man diese leerformelhafte „materielle" Ausgangsthese teilt, so bleibt doch offen, w e r über das Vorliegen dieser Voraussetzungen entscheidet. Bezieht der A m t s w a l t e r „an der F r o n t " die Befugnis auf sich, so t r e i b t i h n diese Auffassung m i t einiger Sicherheit i n ein Disziplinarverfahren oder provoziert den Selbsteintritt des Vorgesetzten. Stein läßt m i t seiner Auffassung eben die S t r u k t u r des Weisungsrechts außer Acht, welches nicht auf materielle Fragen, sondern auf konzentrierte Entscheidungszuständigkeiten abhebt. Vgl. näher dazu den Text. 45
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Daß die strafrechtsrelevante Betätigung des Beamten davon ausgenommen ist, hat einen jetzt schon einsehbaren und zutreffenden Grund: Anders als dasjenige öffentliche Recht, das die Beziehungen des einzelnen zum Staat regelt und auf der Seite des Staates lediglich juristische Personen, Funktionen, Institutionen und bestenfalls Ämter als Adressaten aufweist, ist das Strafrecht unmittelbar personenbezogen 46 . Es richtet sich m i t seinen Verhaltensverboten an jedermann 4 7 , soweit er strafmündig ist, folglich auch an den Amtswalter, der i m Hinblick auf das Straf recht nicht aus seiner Rolle als Bürger, als „jedermann", entlassen werden kann. M i t der Statuierung der Unverbindlichkeit strafrechtsrelevanter Weisungen hat der Gesetzgeber diesen Umstand berücksichtigt und dem Amtswalter für den Bereich des S traf rechts den K o n f l i k t erspart, daß die Rechtsordnung i n einem Atemzuge dasselbe Verhalten gebietet und zugleich verbietet 4 8 . Aus einer anderen Perspektive versucht Rauschning i n seiner A b handlung über „Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht" 49 das vorliegende Problem zu lösen. Eine unmittelbare Gesetzesbindung des Amtswalters lehnt er ab. Zwar — so führt er aus — gehöre es zur Aufgabe jedes Organs und jedes Amtes, den i n der Verfassung vorgeprägten Staatswillen zu beachten 50 . Jedoch entspreche es nicht „dem Entwicklungsstand des Staatsdenkens i n Deutschland", diese allgemeine Amtsaufgabe zur unmittelbaren und persönlichen Aufgabe und Rechtspflicht des Amtswalters zu machen. Würden nämlich Amtsaufgaben i n persönliche Rechtspflichten der Amtswalter verwandelt, dann werde die Amtswaltung der persönlichen Motivation der verpflichteten Person unterworfen. Das aber widerspreche der Auffassung 51 , wonach der Staatswille nicht m i t dem psychischen Willen des Organwalters identisch sei 52 . So richtig das Ergebnis ist, so zweifelhaft sind die Prämissen. Denn ohne daß Amtsaufgaben zur persönlichen Rechtspflicht der Amtswalter gemacht werden, ist eine Verwirklichung des „Staatswillens", d. h. der i m Staat-Bürger-Verhältnis ergehenden Gesetzesbefehle, überhaupt nicht möglich, zumindest aber bei abweichendem Willen der Amtswalter 46
Vgl. Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 236 Fußn. 3. Grundlegend dazu Binding , Die Normen u n d u n d ihre Übertretung, 3. Aufl., Bd. 1,1916, S. 45, 67. 48 Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 237. 49 S. 264 ff. 50 Diese zunächst einleuchtende, aber nicht unproblematische u n d w o h l auch noch zu undifferenzierte These bleibt allerdings unbelegt. Fraglich ist gerade, was bei divergenten Auffassungen über den „vorgeprägten Staatswillen" zu geschehen hat. 51 d. h. seiner — Rauschnings — Auffassung, vgl. S. 60 f. 52 Ä h n l i c h auch Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 20 ff. 47
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rechtlich nicht durchsetzbar. Aus diesem Grunde muß es die Umwandlung von Amtsaufgaben i n persönliche Rechtspflichten der Amtswalter geben, soll nicht die Rechtsordnung imperfekt bleiben. Und denau dieser Sachlage entspricht das geltende Beamtenrecht: § 36 Satz 2 BRRG statuiert für den einzelnen Amtswalter die persönliche Pflicht zur Amtswahrnehmung 5 3 . Exakt hier ist die „Schaltstelle", wo i n der Tat Amtsaufgaben auf die Person des Amtswalters projiziert werden. M i t einer Identität von Staats- und Amtswalterwillen hat dieser U m stand freilich nichts zu tun. Der i n der gesetzgeberischen Anordnung liegende „Staatswille", durch den der Verwaltung eine bestimmte Verhaltenspflicht auferlegt wird, ist nicht nur von anderer Qualität als der psychische Wille einer Einzelperson, sondern auch vom Willen des Amtswalters, der auf gesetzlicher Grundlage einen Verwaltungsakt erläßt, ohnehin schon richtungsverschieden. Hinter der Auffassung von Rauschning steht offenbar die Befürchtung, m i t der „Auslieferung" des Staatswillens an den des Amtswalters werde der Gesetzesbefehl dem individuellen Belieben anheimgegeben und die Pflicht zur regelmäßigen, unparteiischen und typischen Sachlichkeit der Amtswahrnehmung gefährdet. Aber abgesehen davon, daß die faktische Situation durch derartige gedankliche Konstrukte ohnehin nicht verändert w i r d : Ob eine fehlerhafte Gesetzesanwendung auf abweichendem Willen, auf mangelhafter Rechtskenntnis oder I r r t u m des Amtswalters beruht oder auf eine außenrechtsinkongruente Anordnung 5 4 des Vorgesetzten zurückzuführen ist — die Wirkung ist i m „Außenverhältnis" stets die gleiche, und Maßstab für eine Uberprüfung des dem individuellen Bürger gegenüber erlassenen „Außenakts" ist weder der Willensbildungsprozeß, der zu dessen Erlaß führt, noch etwa außenrechts-inkongruente interne Anordnungen oder die dienstlichen Pflichten des Beamten, sondern lediglich das für die Staats-Bürger-Beziehung allein maßgebliche Außenrecht 55 . Rauschnings Bedenken gegen die unmittelbare Gesetzesbindung des Organwalters können folglich i n dieser Form nicht durchschlagen, weil eine psychologisierende Betrachtungsweise i m dogmatisch-konstruktiven Bereich nicht angebracht erscheint und die von i h m gehegten Befürchtungen nicht begründet sind. 58 So auch Rauschning selbst: Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, S. 265; vgl. des weiteren Osseribühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 483; Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I c 2 d. 54 Auch diese Formulierung ist noch unexakt. Die Weisung selbst k a n n nicht i n einem (In-)Kongruenzverhältnis zum Außenrecht stehen, w e i l sie richtungsdivergent ist. Das U r t e i l fehlender oder vorhandener Außenrechtskongruenz k a n n n u r i m Hinblick auf das angeordnete Verhalten des i m Außenverhältnis agierenden Amtswalters an der Front getroffen werden. 55 Rupp, Grundfragen, S. 64; Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 239.
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Die Lösung der Frage nach der unmittelbaren Gesetzesbindung des Amtswalters ist einfacher als es nach der bisherigen Diskussion den A n schein hat: Sie ergibt sich aus dem positiven Recht, das die Konsequenzen wiedergibt, die sich aus einer Strukturanalyse des geltenden Innenund Außenrechts, insbesondere der Weisungsstruktur, ergeben 56 . Es ist nämlich bezeichnend, daß i m geltenden Beamtenrecht eine Bindung des Beamten an das Außenrecht — gebraucht man diese Bezeichnung einmal typen- und schwerpunktmäßig für die Rechtsmasse, welche die Staat-Bürger-Beziehungen regelt 5 7 — nicht vorgesehen ist. Zwar trägt der Amtswalter die „volle persönliche Verantwortung" 5 8 für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen. Anders als nach § 7 Abs. 1 des Deutschen Beamtengesetzes, der dem Beamten für die Gesetzmäßigkeit seiner Handlungen die Verantwortung auferlegte, ist hier der Maßstab auf die Rechtmäßigkeit ausgedehnt worden. Nach einhelliger Ansicht i n der Kommentarliteratur 5 9 ist damit die gesamte Rechtsordnung i n Bezug genommen. Entscheidend i m vorliegenden Zusammenhang ist jedoch, daß dem Beamten die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen nicht als Verpflichtung auferlegt ist, sondern ihr (nur) die Verantwortung für deren Kongruenz m i t der Rechtsordnung trifft. Was das bedeutet, erschließt sich aus den Folgen, die für den Beamten aus einer rechtswidrigen Amtshandlung resultieren: er kann vom Dienstherrn haftungs- und disziplinarrechtlich i n Anspruch genommen werden. I m Hinblick auf den Bürger als Adressaten der vom Amtswalter vollzogenen Außenrechtsnorm ist es hingegen ohne Belang, ob der Beamte außenrechtsinkongruent gehandelt hat. Die Pflichten des Außenrechtsverhältnisses treffen unmittelbar nur den Staat oder eine seine institutionalisierten Untergliederungen 60 , denen das Handeln des physischen Amtswalters i m Verhältnis zum Bürger zugerechnet wird. Anderenfalls wäre ein großer Teil der Zurechnungsproblematik hinfällig. Daß die von einem Amtswalter gesetzten Außenrechtsakte gesetzeskongruent sein müssen, t r i f f t diesen also nicht als originäre Handlungspflicht, sondern als innerdienstliche Obliegenheit. Er „schuldet" 6 1 nicht die Gesetzeskonkordanz seiner dienstlichen Handlungen, sondern „haftet" i m Falle ihrer Abweichung vom Außenrecht ggf. haftungs- und eventuell disziplinarrechtlich. Diese Tatsache widerlegte die These von der unmittelbaren Gesetzesbindung des Amtswalters. Denn: bestünde sie zweifelsfrei, dann würde die ge56
Vgl. a u d i Rupp, Grundfragen, S. 49. Auch der Beamte steht i n Relation zu seinem Dienstherrn i n einer solchen Staat-Bürger-Beziehung, soweit es u m seine gesetzlich statuierten Rechte u n d Pflichten geht. Vgl. zuletzt Schwabe, J A 1975, 46. 58 § 38 Abs. 1 BRRG. 59 Plog / Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 56, Rdnr. 3. 60 Schwabe, J A 1975, 50. 61 Z u m Unterschied von „Schulden" u n d „ H a f t e n " vgl. Karl Larenz, L e h r buch des Schuldrechts, 1. Bd., Allgemeiner Teil, 9. Aufl., München 1968, S. 15 ff. 57
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setzliche Statuierung von Amtswahrnehmungspflicht und Weisungsgebundenheit eine überflüssige und schwer begreifbare Tautologie darstellen. Und schließlich: Wollte man eine unmittelbare Gesetzesbindung annehmen, so würde sie kraft entgegenstehender Vorgesetztenweisung suspendiert werden können und spätestens i n der erfolglosen Remonstration enden. Das bedeutet i n der Konsequenz: soweit die Weisungsmacht 82 der Vorgesetzten reicht, gehört nicht einmal mehr die Nachprüfung der Rechtmäßigkeit seines Handelns zu den Pflichten (genauer: Obliegenheiten) des Amtswalters 6 3 . Das geltende Beamtenrecht kennt eben i n dem hier diskutierten Bereich nur zwei unmittelbare Bindungen des Beamten: Die Amtswahrnehmungspflicht und die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen 64 . Es ist aufschlußreich und bezeichnend für die verschiedentlich beklagte Vernachlässigung des Organisationsrechts, daß i n den gängigen Kommentierungen derjenigen Bestimmungen, die die Pflicht des Amtswalters zur Wahrnehmung seines Amtes statuieren, das spezifisch Organisationsrechtliche, nämlich der „Weiterleitungseffekt" 6 5 , keine Erwähnung findet. Dabei liegt hier eine der entscheidenden Schaltstellen zur Aufhellung des Ämterrechts. Denn hier — und zwar allein hier — d. h. durch die Normen, die die Amtswahrnehmungspflicht anordnen, w i r d das Amtswalterverhältnis des einzelnen Dienstnehmers sozusagen permanent konstituiert. Versteht man nämlich unter Amtswalterverhältnis die Verbindung des Amtswalters m i t einem A m t derart, daß i h m die Versehung gerade der m i t diesem A m t verbundenen Amtspflichten obliegt, dann kann diese Inpflichtnahme nur durch einen Rechtssatz erfolgen. Sie fließt nicht etwa aus dem Dienstverhältnis, wie man aufgrund 62 Z u m Unterschied zwischen Weisungsbefugnis u n d Weisungsmacht vgl. Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 242; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I 1 , § 72 I b 2. 63 BGH, N J W 1959, 1629 f. (1630) = D V B l . 1959, 623 f.; zustimmend Rupp, Grundfragen, S. 35 f.; Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz; a. A . Arndt, D V B l . 1959, 624 ff.; Menger, V e r w A r c h Bd. 51 (1960), S. 72 f. 64 Wenn die B i n d u n g des Beamten an das Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist (z. B. A r t . 62 Abs. 1 Satz 2 bayLBG), so werden dadurch Weisungsgebundenheit u n d das I n s t i t u t der Remonstration dennoch nicht ausgeschlossen. Das Problem, ob eine gesetzliche Bestimmung oder eine anderslautende Weisung für den A m t s w a l t e r Primärverbindlichkeit entfaltet, bleibt also weiterhin bestehen. 65 s. a. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I 2 , § 73 I I I c 2 α gegen Rupp, Grundfragen, S. 54 ff., der von einer „ U m f o r m u n g i n Organwalterrecht" spricht. Wolff ist beizupflichten, da die Rechtssätze des Außenrechts bei i h r e m Vollzug unverändert bleiben u n d lediglich durch andere, nämlich die A m t s rechtssätze, eine Verengung der Adressatenrichtung bis h i n zum einzelnen A m t s w a l t e r erfolgt. Rechtssätze als solche sind — bei Vermeidung des I d e n t i tätsverlustes — nicht umformbar. E i n Fehlgriff i n der Formulierung bei Rupp dürfte nicht vorliegen, da er selbst (S. 55) davon spricht, daß das Außenrecht „seinen Geltungsbereich" wechselt.
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einer Passage bei Hans J. Wolff 6 vermuten könnte; vielmehr bedarf das Dienstverhältnis der Ergänzung durch das Amtswalterverhältnis 6 7 , dam i t der Verwaltungsorganismus zur Bewältigung der i h m durch das Außenrecht gestellten Aufgaben überhaupt funktionsfähig wird. Diese Ergänzung erfolgt durch die gesetzlich statuierte Amtswahrnehmungspflicht. Die Verpflichtung des Beamten auf sein A m t ist seit jeher ein selbstverständlicher und eher beiläufig erwähnter Bestandteil des Beamtenverhältnisses. Bereits i n der Kammergerichtsordnung vom 11. 12. 170068 findet sich die Formulierung i m Diensteid: „. . . dasjenige, was . . . mein A m b t mitbringet, getreulich und fleissig zu verrichten, . . .". Die Verpflichtung auf das A m t ist ebenso i n allen Vorläufern der heutigen Beamtengesetze enthalten, so i n §§ 3, 85, 88 I I 17 ALR, i n § 10 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. 3. 1873 (RGBl. S. 61) und i n § 3 Abs. 3 Satz des Deutschen Beamtengesetzes vom 26.1.1936 (RGBl. I S . 39). Anders ist die Rechtslage hinsichtlich des Amtes selbst. Diesem werden durch die Kompetenzordnung bestimmte Gesetzesmaterien zur Erledigung überwiesen. Da nun das A m t als Komplex von Wahrnehmungszuständigkeiten Teil der vollziehenden Gewalt ist, w i r d m i t dieser Uberweisung (Weiterleitung) zugleich auch die Bindungswirkung des A r t . 20 Abs. 3 GG weitergereicht; denn eine Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht läßt sich nur vorstellen, wenn die Funktionseinheiten, die das Außenrecht vollziehen, ebenfalls dieser Bindung unterliegen. Bei regulärer Amtswaltung ist daher die außenrechts-konforme Behandlung des Bürgers sichergestellt. Jedoch entfaltet gegenüber dem Amtswalter die Vorgesetztenweisung i m Konfliktsfall Primärverbindlichkeit, wie sich aus den positiven Bestimmungen des Beamtenrechts ergibt. Es besteht also — zusammenfassend gesagt — keine unmittelbare B i n dung des Amtswalters an die Rechtssätze i m Staat-Bürger-Verhältnis. Vielmehr bedarf es — wie dargelegt — der Weiterleitung durch Ämterordnung und Amtswahrnehmungspflicht. Die erfolglose Remonstration löst den K o n f l i k t zugunsten der Weisung und zu Lasten der entgegenstehenden Auffassung des Amtswalters. Es geht hierbei nicht um ein Problem des Rangverhältnisses von Außenrechtsnorm und Weisung, sondern darum, welche der divergierenden Auffassungen über den „richtigen" Vollzug einer Außenrechtsnorm Vorrang hat, d. h. maßgeblich sein soll. Die Primärverbindlichkeit der Vorgesetztenweisung geht schon aus dem Grunde nicht zu Lasten des Gesetzes, weil u. U. die divergierenββ 67 68
Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I b 3 α. Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I c. Wiedergegeben bei Wyluda, Lehnrecht u n d Beamtentum, S. 154.
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den Auffassungen des Amtswalters und des Vorgesetzten beide vom Gesetz gedeckt sein können. I n dieser Situation ist die Weisungsgebundenheit des Amtswalters das Instrument, um den Streit u m die Auslegungsprärogative zugunsten des „Funktionierens" der Verwaltung zu entscheiden. Wenn man die i m Konfliktsfalle Primärverbindlichkeit entfaltende Funktion dienstrechtlicher Weisungen als „Rangverlust des Außenrechts" kennzeichnen w i l l , dann mag man das tun. Man muß sich nur i m klaren darüber sein, eine zumindest schiefe Ausdrucksweise gewählt zu haben, die das normative Zusammenspiel nicht exakt wiedergeben kann. Hier ist eine bildhafte Abbreviatur gewählt, der ein falsches B i l d zugrundeliegt. Das „Außenrecht" erleidet überhaupt keinen Rangverlust, wenn die Auffassung des eine Weisung erteilenden Vorgesetzten Vorrang vor der des angewiesenen Amtswalters hat — anders gesagt: wenn sie für den Amtswalter primäre Verbindlichkeit entfaltet. Das Außenrecht kann einen Ranganspruch nur besitzen und Rangkonflikte überhaupt nur dort auslösen, wo i h m normative Geltung zukommt. Das ist — wie gezeigt — nur der Fall zwischen dem apersonalen, als solchem handlungsunfähigen Staat (einschließlich seiner Institutionen und Funktionen) und dem anderen Adressaten der Außenrechtsnorm, nämlich dem berechtigten oder verpflichteten Bürger. I n diesem normativen Geltungsbereich behält es aber unverändert seinen Rang und verliert i h n nicht, weil und zumal der Beurteilungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen gegenüber dem Bürger von den jenes Verhältnis allein ergreifenden Außenrechtssätzen gebildet w i r d 6 9 . I n dem Verhältnis zwischen Amtswalter und Vorgesetzten ist hingegen allein entscheidend, ob eine m i t Außenrecht kollidierende Vorgesetztenweisung für den angewiesenen Amtswalter verbindlich ist oder nicht 7 0 . Des weiteren könnte die These vom Rangverlust des Außenrechts die Vorstellung erwecken, als gebe es bei dem hier angesprochenen Problemkreis nur eine Situation: Der zuständige Amtswalter w i l l einen Satz des Außenrechts ausführen, er w i r d jedoch durch die Weisung seines Vorgesetzten darin gehindert. Oder: Er beabsichtigt, diesen Satz „richtig" auszuführen, die Weisung hingegen nötigt i h n zu einer „falschen" Subsumtion. Diese Vorstellung berücksichtigt jedoch nicht hin69
BVerwG, D Ö V 1957, 863; B V e r w G , N J W 1959, 1843; B V e r w G E 34, 278 (281 f.); B F H E 66, 111 (112); W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 214; G. Arndt, D Ö V 1973, 585; Selmer, VerwArch, Bd. 59 (1968), S. 121; Josef Isensee, Der Beamte zwischen Parteifreiheit u n d Verfassungstreue, JuS 1973, 265 ff. (265) ; Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 239; Rupp, Grundfragen, S. 64. 70 Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 472.
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reichend die Normstruktur der Außenrechtssätze und den Charakter der Rechtssprache als einer nicht formalisierten Fachsprache. Zunächst w i r d übersehen, daß ein Teil der Außenrechtsnormen aus solchen Rechtssätzen besteht, die der Verwaltung bei der Setzung der Rechtsfolge Ermessen einräumt. Bei der Ermessensbetätigung handelt es sich nicht u m eine „richtige" oder „falsche" Subsumtion, sondern u m die Frage, ob das Setzen einer Rechtsfolge aus der Sicht der Exekutive zweckmäßig ist oder nicht 7 1 . Bei einer solchen Situation können also sowohl die Auffasung des Amtswalters als auch die i n der Weisung zum Ausdruck kommende abweichende Ansicht des Vorgesetzten über die Zweckmäßigkeit der Herbeiführung einer Rechtsfolge von der Außenrechtsnorm gedeckt sein. N u r hat sich eben das positive Beamtenrecht für den Vorrang der Weisung des Vorgesetzten entschieden 72 . Seine Entscheidimg verkörpert maßgeblich die „Sicht der Verwaltung" von der Zweckmäßigkeit der Setzung einer Rechtsfolge. Das ergibt sich jedoch nicht — wie Hansen i n überhöhender Sicht meint feststellen zu können 7 3 — aus der vom Grundgesetz anerkannten Hierarchie der staatlichen Verwaltungsorganisation, sondern schlicht aus dem Gesetz. Die Präponderanz der Vorgesetztenweisung liegt nicht i n der „Natur der Sache"; denn das positive Beamtenrecht hätte auch zugunsten des Amtswalters „an der Front" votieren können. Nur — irgendeiner Festlegung bedurfte es, um konkurrierende, gleichrangige Entscheidungen und damit eine Entscheidungs-Suspension zu vermeiden. Eine ganz andere Frage ist die, ob es zweckmäßiger und der Verwaltungseffizienz zuträglicher ist, peripheren oder konzentrierten Entscheidungszuständigkeiten den Vorzug zu geben, d. h. dem agierenden Amtswalter die Letztentscheidungsbefugnis — und damit mehr persönliche Verantwortung — zuzuschanzen oder der (bestätigten) Vorgesetztenweisung Vorrang einzuräumen. Dies ist keine axiomatische Frage, sondern eher eine sachlich-utilitaristische. Es lassen sich durchaus auch Modelle vorstellen, bei denen dem Amtswalter keine Remonstrationsund letztlich Befolgungspflicht obliegt, er vielmehr nur eine Beratungspflicht hat und selbst letztverbindlich entscheidet. Es könnte sein, daß auf diese Weise die Verantwortung an der „Basis" gestärkt würde. Die zuvor angedeutete Entdramatisierung setzt sich fort, wenn man sich der Erkenntnis nicht verschließt, daß es keinen objektiv feststehenden, d. h. eindeutigen, besser gesagt: nur eine „richtige" Lösung zulassenden Aussagegehalt eines Rechtssatzes gibt 7 4 . Es sei nur beispiels71 Daß i m Verhältnis zum Bürger, dem Adressaten der Außenrechtsnorm, das Ermessen i n vielfältiger Weise v i n k u l i e r t sein kann, ändert nichts an dem grundsätzlichen Befund für die verwaltungsinterne Sphäre. 72 Vgl. auch Hansen, Fachliche Weisimg u n d materielles Gesetz, S. 236 ff. 73 Ebd., S. 229 ff., 236.
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weise erinnert an die Figur des unbestimmten Rechtsbegriffs. Dieser ist i n öffentlich-rechtlichen Rechtssätzen die Regel 75 — wenn es das m i t dieser Formulierung implizierte Pendant, den bestimmten Rechtsbegriff, überhaupt geben sollte 7 6 . Hier könnten Forschungsergebnisse der neueren Sprachwissenschaft m i t Gewinn zur Rate gezogen werden, die zeigen, daß es i n nichtformalisierten Fachsprachen wie ζ. B. der juristischen keine k o n t e x t a b hängigen Ausdrücke gibt, die eindeutig sind 7 7 . Für den Juristen einsehbarer w i r d dies, wenn man sich vor Augen führt, daß es selbst zu Fristenbestimmungen des BGB umfängliche Kommentierungen und kontroverse Gerichtsentscheidungen gibt. Insbesondere die Diskussion um den sog. rechtswidrigen bindenden Befehl w i r d schon i m Ansatz unverständlich, wenn man sich von der auch i m öffentlichen Recht längst überwundenen Auffassung löst, Gesetzesanwendung lasse sich auf einen bloßen Subsumtionsautomatismus reduzieren, weshalb Rechtsprechung „en quelque façon nulle" sei. I m Grunde genommen geht es bei der Frage nach der primären Verbindlichkeit der Amtswalterweisung um das gleiche Problem, das i m Zuge der neueren Diskussion u m den unbestimmten Rechtsbegriff aufgetaucht ist. Hier ist mittlerweile deutlich geworden, daß zunächst zwei Aspekte auseinanderzuhalten sind. Die Frage, welche „Auslegungsbreite" ein i m Gesetz verwendeter Ausdruck eröffnet, ist nicht identisch m i t der, ob die Gerichte i m Einzelfall befugt sind, die Anwendung dieses Ausdrucks durch die Verwaltung nachzuprüfen und zu korrigieren. A n ders formuliert: „Einmal stellt sich die Frage, i n welcher Verdichtung der Rechtsanwender durch unbestimmte Rechstbegriffe bei der Anwendung einer Norm determiniert wird, zum anderen geht es um die A b grenzung der Kompetenzen von Verwaltung und Gerichtsbarkeit bei der Anwendung des Verwaltungsrechts 78 ." Dabei w i r d deutlich, daß die „materielle" Frage nach der inhaltlichen positiven Determinierung eines 74 Bachof, J Z 1956, 590f.; Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 238; Friedrich Nowakowski, Ist die Staatsanwaltschaft an die ständige oder gefestigte Rechtsprechung gebunden? Verh. d. 45. DJT, Bd. 1/2, S. 43 f. Rupp, Grundfragen, S. 217 ff.; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 120 ff.; Reinhold Zippelius, Einführung i n die juristische Methodenlehre, München 1971, S. 55 f., 79; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung, S. 120; Hoffmann-Riem, Der Staat 1974, 347 m. w. N. 75 Weitergehend W. Schmidt, Gesetzesvollziehung, S. 135: grundsätzliche Auslegungsbedürftigkeit (und damit Auslegungsfähigkeit) jeder Norm. 76 Vgl. auch Heinrich Wilhelm Kruse, Steuerrecht, I. Allgemeiner Teil, 3. Aufl., München 1973, S. 83: „Scheinbar bestimmte Begriffe." 77 H. L . A. Hart, Der Begriff des Rechts, S. 173 ff.; Ralf Dreier, Probleme der Rechtsquellenlehre, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 3 ff. (6/7). Vgl. auch die Nachweise i n der Einleitung, Fußn. 17. 78 Erichsen, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 339; vgl. auch Ule, Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 314.
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gesetzlichen Ausdrucks noch „ v o r " dem eigentlichen Problem bzw. dem allein entscheidenden Lösungsansatz liegt. A l l e i n entscheidend ist, wem die „Zuständigkeit für die letztverbindliche Entscheidung" 79 zukommt: Die Frage nach der materiell „richtigen" Auslegung mündet ein i n die Frage nach der „Zuerkennung von Entscheidungskompetenzen" 80 . T r i f f t das zu, dann ist diejenige Entscheidung „richtig", die i m Rahmen des möglichen Wortsinns von dem zur letztverbindlichen Entscheidung ermächtigten Organ getroffen worden ist. A l l e anderen Beurteilungen sind dann nicht „falsch" oder „richtig", sondern mehr oder weniger rechtlich irrelevant 8 1 . Was zunächst als Sachfrage erscheint, ist i n Wahrheit ein Kompetenzproblem 82 . Die Einsicht i n diese Tatsache 83 ist wohl nur deshalb so lange verdeckt worden, weil insbesondere die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit 84 , um die durch A r t . 19 Abs. 4 GG gebotene Effektivität des Rechtsschutzes nicht zu schmälern 85 und die Letztentscheidungsbefugnis bei sich zu reservieren, die durch die Rechtssätze an sich eröffnete Entscheidungsbreite zurückgedrängt haben. Die Formel vom unbestimmten Rechtsbegriff, der nur „eine richtige Entscheidung" erlaube, ist nichts anderes als die dogmatisch verkleidete Abbreviatur für diesen Sachverhalt, der „unbestimmte Rechtsbegriff" nur als polemischer Begriff verstehbar 86 . Die Tatsache, daß es i n dem hier diskutierten Bereich ausschlaggebend auf die Verteilung der Zuständigkeiten für die letztverbindliche Entscheidung ankommt, bleibt gleich, ob es sich nun i m Spannnungsfeld zwischen Exekutive und Rechtsprechung oder innerhalb der Verwaltungshierarchie stellt. Der eine bestimmte Norm anwendende Amtswalter befindet sich insoweit i n der gleichen Situation wie der Richter 8 7 . Dann 79 W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 123; ebenso Ossenbühl, V o m unbestimmten Gesetzesbegriff zur letztverbindlichen V e r waltungsentscheidung, D V B l . 1973, 309 ff. (310). 80 Erichsen, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 221; siehe auch Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis u n d kreisangehörigen Gemeinden, S. 28 f. 81 W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 142 f.; zustimmend Ossenbühl, D V B l . 1974, 310. 82 Vgl. auch Rainer Wahl, i n : Moderne deutsche Verfassungsgeschichte (1815 bis 1918), S. 171 ff. (175 ff.). 83 Das ist freilich nicht Allgemeingut, vgl. n u r f ü r das Strafrecht Frisch, N J W 1973,1345 ff. (1349). 84 Anders aber Β G H Z 46, 380, 383; B F H E 75, 59 f.; 81, 572, 577 f.; BSG, SGb 1965, 266; BSGE 10, 51 ff.; 11, 117 ff.; 13, 110 ff.; 23, 206 ff. Z u r Rechtsprechung des BSG — i m Prinzip zustimmend — Menger / Erichsen, V e r w A r c h 57 (1966), 185 f. 85 A u f diesen Gesichtspunkt weisen h i n Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, §31 I c 3 (S. 181); ferner Erichsen, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), 339; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 133 ff. 86 W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 135.
2. Gesetzesbindung des Amtswalters
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stellt sich nur noch die Frage, ob die Auslegung des Organwalters oder des Vorgesetzten maßgeblich (nicht: richtig) ist. Diese Frage ist entschieden. Das geltende Beamtenrecht hat der zweiten Möglichkeit den Vorzug eingeräumt — und zwar aus der Einsicht i n die oben beschriebene Konfliktsituation. Selbst wenn man der These von der mangelnden Eindeutigkeit gesetzlicher Begriffe nicht folgen wollte, so bliebe doch die positiv-rechtliche Entscheidung zugunsten der Maßgeblichkeit und primären Verbindlichkeit der Vorgesetzten-Weisung .Nur soviel sollte deutlich geworden sein: Es geht nicht um einen angeblichen Rangverlust des Außenrechts. Diese Formel scheint einen normstrukturellen Sachverhalt zu bezeichnen, der i n Wirklichkeit nicht hinter i h r steht. Weiterhin ging es u m die Überwindung der Ansicht, als sei nur eine einzige richtige Auslegung möglich und beim Amtswalter „an der Front" monopolisiert. Ist das eingesehen, dann kommt es nur noch auf die Frage an, wessen Auslegung maßgeblich ist. Die A n t w o r t darauf ist dem Gesetz zu entnehmen. Dieses Ergebnis ist auch von seinen praktischen Auswirkungen her „tragbar", und zwar sowohl aus der Sicht des Amtswalters wie aus der des Adressaten der Außenrechtsnorm: Der Beamte ist seiner „vollen persönlichen Verantwortung" ledig — und zwar sowohl i m Hinblick auf die Haftungsregreß (Art. 34 Satz 2 GG; § 46 BRRG) wie auch disziplinarrechtlich (§ 45 Abs. 1 BRRG) 8 8 . Für den Adressaten der Außenrechtsnorm schließlich ist allein diese entscheidend; das kontrollierende Gericht w i r d das angeordnete (und befolgte) Verhalten an der Außenrechtsnorm messen und die gebotenen prozessualen Konsequenzen ziehen (§§ 113, 114 VwGO) 8 9 . Richtet sich — wie mehrfach betont — die Rechtmäßigkeit der V o l l zugshandlung allein nach der Rechtsnorm, die i m Außenverhältnis vollzogen wird, so geht dennoch die These von Rupp, der einen bindenden Befehl befolgende Amtswalter handle i m Innenverhältnis rechtmäßig 90 , nicht „ins Leere" 9 1 , sie behält vielmehr disziplinarrechtlich ihren Sinn. 87 Bettermann, Verwaltungsakt u n d Richterspruch, Gedächtnisschrift für W. Jellinek, S. 361 ff.; Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 236. 88 Nebenbei w i r d hier deutlich, daß das I n s t i t u t der Remonstration drei Funktionen besitzt: erstens eine Kontrollfunktion, die — ähnlich dem v e r waltungsgerichtlichen Vorverfahren — der V e r w a l t u n g i n t e r n eine nochmalige Kontrolle ihrer Entscheidung ermöglicht, bevor sie i n die „ A u ß e n w e l t " dringt. Zweitens b e w i r k t die erfolglose Remonstration eine rechtliche E n t lastung, indem sie den Organwalter von haftungs- u n d disziplinarrechtlichen Folgen freistellt. Schließlich hat sie damit zugleich eine sozialpsychologische Entlastungsfunktion zugunsten des Amtswalters. 89 Vgl. auch G. Arndt, D Ö V 1973, 585 m i t Nachweisen. 90 Grundfragen, S. 62; ebenso Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 53. 91 Wie W. Schmidt (GesetzesVollziehung durch Rechtsetzung, S. 215 f.) meint; vgl. auch Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 477 f.
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I I . 3. Kap.: Innenrecht u n d Außenrecht
Die These, daß ein i m Außenverhältnis rechtswidrig handelnder Amtswalter i m Innenverhältnis rechtmäßig handeln kann, ist nur deshalb so frappierend (und irreführend), w e i l die auf einer sprachlichen Ebene auftauchenden Begriffe „rechtmäßig" und „rechtswidrig" dogmatisch zwei verschiedenen Ebenen angehören. Diese These sagt deshalb zu viel, w e i l es für das disziplinarrechtliche Urteil auf die Rechtmäßigkeit der Vollzugshandlung nicht ankommt. Rechtswidrigkeit ist aufgrund von Rechtssätzen zu beurteilen, die die jeweiligen Rechtsbeziehungen normieren 9 2 . Das Rechtswidrigkeitsurteil der obigen These richtet sich aus an den Außenrechtssätzen, die das Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger betreffen; das Rechtmäßigkeitsurteil beruht auf den Rechtssätzen, die das disziplinar- und haftungsrechtliche Verhältnis des Amtswalters zu seinem Dienstherrn normieren. I n letzterer Beziehimg kommt es allein darauf an, ob der Beamte nach erfolgloser Remonstration die von dem höheren Vorgesetzten bestätigte Anordnung ausgeführt und damit seine Dienstpflicht erfüllt hat 9 3 . Liegt dieser Sachverhalt vor, dann hat der Beamte disziplinarrechtlich rechtmäßig gehandelt. I n Umkehrung der strafrechtlichen Rechtswidrigkeitsvermutung könnte man also sagen, daß i m Disziplinarrecht die Tatbestandsverwirklichung die disziplinarrechtliche Rechtmäßigkeit des Amtswalterhandelns indiziert. Zerlegt man so das Problem i n seine Bestandteile und ordnet das Rechtswidrigkeitsurteil jeweils dem Rechtsverhältnis zu, das es betrifft, dann w i r d abermals deutlich, daß es zu einer „Inkongruenz m i t Außenrecht" 9 4 gar nicht kommen und dem Befehlsimpuls einer Vorgesetztenweisung schon deshalb keine derogierende K r a f t zukommen kann, w e i l das Außenrecht das disziplinar- und haftungsrechtliche Verhältnis des Amtswalters zum Dienstherrn überhaupt nicht betrifft, vielmehr dafür irrelevant ist. Die Thematik „Rangverlust des Außenrechts" erweist sich also auch aus dieser Sicht als ein Scheinproblem. U m ein Seitenproblem zu dem vorstehend abgehandelten Komplex handelt es sich bei der Frage, wie der Amtswalter sich zu verhalten hat, wenn er nicht gegen die Rechtmäßigkeit einer Anordnung Bedenken hat, sondern die Verfassungsmäßigkeit eines von i h m zu vollziehenden Gesetzes bezweifelt. Die Parallelität der zutreffenden Lösimg und der sie tragenden Gesichtspunkte dürfte nicht ganz zufällig sein. Bei diesem Problem w i r d man zunächst den staats- (verf assungs-) rechtlichen von dem beamtenrechtlichen Aspekt sorgsam trennen müssen, worauf Ossenbühl bereits aufmerksam gemacht hat 9 5 . Auszugehen ist 92
W. Schmidt, Gesetzes Vollziehung durch Rechtsetzung, S. 217. W. Schmidt, ebd., S. 216. 94 Rupp, Grundfragen, S. 62. 95 Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 296, Fußn. 57, S. 307; ders., Normenkontrolle durch die Verwaltung, Die V e r w a l t u n g 1969, 393 ff. (401). 93
2. Gesetzesbindung des Amtswalters
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von der auf der Ebene der Staatsfunktionenteilung liegenden Tatsache, daß die vollziehende Gewalt als solche keine Verwerfungskompetenz i n bezug auf die von ihr als verfassungswidrig angesehenen (!) Gesetze besitzt. Diese These erscheint zu nachhaltig abgesichert, als daß sie hier nochmals i m einzelnen erörtert werden müßte 9 6 . Sie basiert darauf, daß das Parlamentsgesetz die Vermutung der Verfassungsmäßigkeit für sich hat. Dieser Satz w i r d weniger Emotionen unter dem Stichwort des „demokratischen Mißtrauens" auslösen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß hier nur eine verkürzende Redeweise dafür vorliegt, daß bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts niemand m i t Erfolg die Verfassungswidrigkeit eines parlamentsbeschlossenen Gesetzes geltend machen kann, und daß die Vermutungsregel nur bis zum Kontrollverfahren, nicht aber i n i h m selbst — etwa i n Gestalt einer in-dubio-Regel — gelten kann 9 7 . Es handelt sich hierbei also u m eine vorläufige Vermutung, die von einer m i t der erlassenden Stelle nicht identischen Erkenntnis- und Verwerfungsinstanz widerlegbar ist 9 8 . Diese Instanz ist i n unserem Funktionsgefüge das Bundesverfassungsgericht, bei welchem die Verwerfungskompetenz monopolisiert ist, so daß erst i m Normenkontrollverfahren die „Vermutung" endgültig und allgemeinverbindlich widerlegt werden kann 9 9 . Dieser Verwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts korrespondiert ein Verwerfungs- und Nichtanwendungsverbot für die Verwaltung. Diese Abstinenzverpflichtung teilt sich dem einzelnen Amtswalter mit, weil er nicht über mehr Befugnisse verfügen kann als der vollziehenden Gewalt, deren Teil er — genauer: sein A m t — ist, insgesamt zustehen. A u f diese verfassungsrechtlich vorgezeichnete Kompetenzverteilung können auch Beamtengesetze nicht einwirken. Der Amtswalter handelt m i t h i n dann rechtmäßig, wenn er ein i n Geltung befindliches, nicht vom Bundesverfassungsgericht verworfenes Gesetz anwendet, mag er auch von dessen Verfassungswidrigkeit überzeugt sein. Daß ein solches Gesetz der Exekutivspitze zur Prüfung vorgelegt w i r d und diese das Normenkontrollverfahren i n Gang bringen kann (§ 76 BVerfGG), steht auf einem anderen Blatt und hat m i t der hier angeschnittenen Problematik nichts zu tun. Es stellt sich m i t h i n ein weiteres Mal heraus, daß sich hinter einer scheinbar einleuchtenden Sachfrage i n Wahrheit eine Kompetenz- und Funktionsfrage verbirgt. Damit kommt es also auch hier ausschlaggebend auf die Zuerkennung von Entscheidungskompetenzen, auf die Zuständigkeit zur letztverbindlichen Entscheidung an. 96 Vgl. zuletzt Ossenbühl, Die V e r w a l t u n g 1969, 393 ff. m i t überzeugenden Gründen; dort auch erschöpfende Literaturnachweise i n Fußn. 4. 97 So zutreffend Burmeister, Die Verfassungsorientierung der Gesetzesauslegung, B e r l i n u n d F r a n k f u r t 1966, S. 92 ff. 98 Vgl. auch Rupp, Grundfragen, S. 56 f. 99 Vgl. nochmals Ossenbühl, Die V e r w a l t u n g 1969, 404.
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I I . 3. Kap.: Innenrecht u n d Außenrecht 3. Grenzen des Weisungsrechts a) Der bindende rechtswidrige Befehl
Die Figur des sog. bindenden rechtswidrigen Befehls ist der Testfall für die Sauberkeit der dogmatischen Konstruktionen i m Bereich von Gesetzesbindung des Amtswalters und Weisungsmacht des Vorgesetzten. Bereits bei der Terminologie beginnen die Unklarheiten. Die gängige Ausdrucksweise läßt nicht erkennen, was zum Gegenstand der Beurteilung gemacht werden soll: der Dienstbefehl oder das damit angeordnete Verhalten. Nach den bisherigen Erörterungen dieses Kapitels dürfte deutlich sein, daß die Beurteilung unterschiedlich ausfallen kann, w e i l Maßstab für beide nicht notwendig derselbe Rechtssatz sein muß. Richtet sich die Vorgesetztenweisung etwa an einer Verwaltungsvorschrift aus, die darauf abzielt, außenrechts-inkongruente Wirkungen hervorzurufen, dann ist diese der Maßstab zur Beurteilung der Weisung. Entspricht letztere der Verwaltungsvorschrift, dann ist sie, bezogen auf den inneren Dienstbetrieb, d. h. i m Hinblick auf die Gebundenheit auch des Vorgesetzten an die „allgemeinen Richtlinien" (§ 37 Satz 2 BRRG) und folglich auch disziplinarrechtlich, als rechtmäßig anzusehen. Vollzieht der angewiesene Amtswalter die Weisung, dann ist der so gesetzte Außenakt, gemessen am Außenrecht, rechtswidrig. Das dienstliche Verhalten des Amtswalters, m. a. W. die Tatsache, daß er den Außenakt entsprechend der Vorgesetztenweisung gesetzt hat, ist sub specie Dienst- und Disziplinarrecht rechtmäßig. Für die Vorgesetztenweisung selbst schließlich bildet das Außenrecht überhaupt keinen Maßstab, weil beide nicht richtungsidentisch sind, also inkommensurablen Normkategorien angehören. Wäre man sich also darüber i m klaren gewesen, daß erstens Rechtmäßigkeits- und Rechtswidrigkeitsurteile auf die vorhandene oder fehlende Übereinstimmung m i t Rechtssätzen zurückgehen und daß zweitens für solche Urteile nur diejenigen Rechtssätze herangezogen werden können, welche die jeweils i n Betracht kommende Relation beherrschen 100 dann wäre es zu jener unscharfen Terminologie nicht gekommen. Bei der hier gewählten Betrachtungsweise kommt es erst gar nicht zu der Unbehagen und Emotionen weckenden Frage, ob denn rechtswidrige Weisungen dennoch verbindlich sein könnten 1 0 1 . Denn da das Außenrecht keinen Maßstab für die Vorgesetztenweisung abgibt, kommt es für den angewiesenen Amtswalter allein auf die Verbindlichkeit der Weisung an. Hat er Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angeord100 Vgl. auch Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 294: „ . . . die Rechtmäßigkeit der N o r m ist eben keine absolute, sondern eine relative Größe." 101 Vgl. etwa Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 83 ff. (91 f.), 151.
3. Grenzen des Weisungsrechts
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neten Verhaltens 1 0 2 , so t r i f f t i h n die Remonstrationspflicht. Endet das Remonstrationsverfahren m i t der Bestätigung der Weisung, so ist i h m die Kompetenz zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der von ihm getroffenen Maßnahme genommen 103 . Ist die Weisung also für i h n verbindlich, dann ist es i m Hinblick auf ihn ohne jede Relevanz, von einer Außenrechts-Inkongruenz der Weisung zu sprechen. I m Verhältnis zu i h m ist sie eben rechtmäßig. Ubersieht man den Umstand, daß die (bestätigte) Weisung i n Relation zum angewiesenen Amtswalter nicht am Außenrecht gemessen werden darf, dann bedarf es eines gehörigen konstruktiven Aufwandes, um der gesetzlich festgeschriebenen Tatsache gerecht zu werden, daß die Weisung eben verbindlich ist. So ist Stratenwerth 104 genötigt, für die Vorgesetztenweisung die „Vermutung der Rechtmäßigkeit" aufzustellen, u m die (Schein-) Antinomie des (angeblichen) rechtswidrigen, aber dennoch bindenden Befehls auflösen zu können — eine Vermutung, die ohnehin i n Zweifelsfällen und i m Kontrollverfahren nicht gilt, sondern nur eine abbreviative Umschreibung des Umstandes darstellt, daß bis zu einer Entscheidung des dazu berufenen Organs niemand m i t Erfolg die Rechtswidrigkeit einer Norm geltend machen kann. Und weil schließlich Rupp i n dem beschriebenen konstruktiven Zusammenhange verbleibt, also das Rechtmäßigkeits- bzw. Rechtswidrigkeitsurteil auf die Weisung, nicht aber auf das angeordnete Verhalten bezieht, muß er, u m sein richtiges Ergebnis dogmatisch zu rechtfertigen, zum „Rangverlust des Außenrechts" greifen 1 0 5 — einer Figur, die einen an sich zutreffend gesehenen normativen Sachverhalt schief wiedergibt, wie bereits näher beschrieben. Nur wegen der mangelnden Differenzierung i m Bereich der maßstabbildenden Rechtssätze ist es auch — u m eine letzte Konsequenz zu beschreiben — i m Strafrecht zur Bildung eines eigenen, strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriffs i m Rahmen des § 113 Abs. 3 StGB gekommen, der sich völlig von den öffentlich-rechtlichen Grundlagen abgehoben hat, ohne daß hierfür eine sachliche Notwendigkeit ersichtlich wäre 1 0 6 . Zumeist w i r d bereits übersehen, daß das Problem des sog. bindenden rechts102 Die gesetzliche Terminologie (§ 38 Abs. 2 Satz 1 BRRG) steht offenbar unter dem Eindruck der h. M. 108 Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 294. 104 Verantwortung u n d Gehorsam, Tübingen 1958, S. 138 ff., 147 ff.; w e i l Stratenwerth die V e r m u t u n g der Rechtmäßigkeit ganz offenbar als materielles Prinzip ansieht, muß er dann i m weiteren Verlauf die Grenzen der V e r m u t u n g der Rechtmäßigkeit aufzeigen, was i h n v ö l l i g v o m kompetenziellen Charakter dieses Prinzips wegführt. 105 Grundfragen, S. 54 ff. 108 Vgl. dazu Volker Krey, Strafrecht, Besonderer Teil, 1. Bd., Stuttgart 1972, S. 89 f.; Wolf gang Meyer, Der Begriff der Rechtmäßigkeit einer V o l l streckungshandlung i. S. des § 113 Abs. 3 StGB, N J W 1972, 1845 ff.
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widrigen Befehls zwei Seiten hat 1 0 7 . Die Tatsache, daß eine bestätigte Vorgesetztenweisung — abgesehen von den gesetzlich statuierten Ausnahmen — für den angewiesenen Amtswalter verbindlich ist, hat keinerlei Einfluß auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Außenakts 1 0 8 . Dieser ist selbständig anhand der maßstabbildenden Rechtssätze zu überprüfen, die für diejenige Relation gelten, i n der er seine W i r kung entfaltet. Ist er außenrechtsinkonform, so muß dieser Umstand dennoch nicht dazu führen, daß der aufgrund einer verbindlichen Weisung handelnde Amtswalter Widerstands- oder Notwehrakten ausgesetzt ist 1 0 9 . Vor diesem saltus i n concludendo würde man bewahrt, wenn man an dieser Stelle die richtig verstandene Vermutungslehre einführen würde. Sie ist bei Lichte betrachtet nichts anderes als die Umschreibung der kraft positiven Rechts bestehenden Verbindlichkeit auch fehlerhafter Verwaltungsakte 1 1 0 . Es handelt sich also weder u m eine Fiktion noch um eine Beweisregel, sondern nur um die — freilich mißverständliche — Formulierung des Umstandes, daß die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes nicht dem Betroffenen anheimgegeben ist 1 1 1 , sondern der zur Kassation befugten Stelle vorbehalten bleibt. Fehlerhafte, aber gleichwohl verbindliche Akte sind also von dem Betroffenen vorläufig hinzunehmen und lösen kein Notwehrrecht aus 1 1 2 . Das führt nicht, wie Günther 113 befürchtet, zu einem „Ubermut der Ämter", sondern ist nur die Konsequenz aus positiven Bestimmungen des öffentlichen Rechts 114 und h i l f t überdies vermeiden, daß der Bürger strafrechtlich etwas gewaltsam verhindern darf, zu dessen Duldung er nach öffentlichem Recht verpflichtet ist. Die Irrgänge der wohl herrschenden Meinung i n der Diskussion um den sog. bindenden rechtswidrigen Befehl sind also vorwiegend dadurch 107
Rupp, Grundfragen, S. 63 f. Wolf gang Meyer, N J W 1972,1847. 109 Vgl. die Andeutung bei Rupp, Grundfragen, S. 64. 110 Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Bd. 1, 2. Aufl., Tübingen 1964, S. 75; Jesch, Die B i n d u n g des Zivilrichters an V e r waltungsakte, 1956, S. 56 f.; Menger, Die Beachtlichkeit fehlerhafter Einberufungsbescheide u n d deren Grenzen, D R i Z 1967, 381 ff. (383); Bachof, V e r waltungsrecht I , § 50 I a. 111 Hinzuzufüge wäre: u n d i m konkreten Falle auch nicht dem Rechtswissenschaftler. Die Erörterung v o n Rechtmäßigkeitsfragen sozusagen i m luftleeren Raum u n d die Außerachtlassung der Kompetenzordnung w i r d n u r dadurch verursacht, daß der Rechtswissenschaftler häufig so argumentiert, als sei auch er u n d nicht der Verwaltungsrichter allein Adressat von Entscheidungsregeln. Vgl. Erster Teil, Zweites Kapitel, 3 c. 112 Wolf gang Meyer, N J W 1972,1846, ebenso Heinz Wagner, Die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung — O L G Karlsruhe, N J W 1974, 2142: JuS 1975, 224 ff. (226 f.). 113 Hellmuth Günther, Nochmals: Der Begriff der Rechtmäßigkeit einer Vollstreckungshandlung i. S. d. § 113 Abs. 3 StGB, N J W 1973, 309 ff. (311). 114 Vgl. n u r § 80 V w G O . 108
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verursacht, daß die Auseinandersetzung sich zu weit von den Grundlagen des positiven Rechts abgehoben und insbesondere die Struktur des Amtswalterrechts aus den Augen verloren hat. Der Appell an die Einheit der Rechtsordnung ist geeignet, die Einsicht i n die Relativität der Rechtsordnung, und das bedeutet, i n ihre Bezogenheit auf Rechtssätze, zu verhindern. Daß es bei der hier dargelegten Konstruktion zu einer Pflichtenkollision nicht kommen kann 1 1 5 , braucht nach den vorstehenden Ausführungen nicht besonders hervorgehoben zu werden. Daß die m i t einer verbindlichen Weisung angeordnete Maßnahme bisweilen m i t dem Rechtsempfinden des einzelnen Amtswalters kollidieren kann, ist eine Erscheinung, m i t deren Bewältigung positives Recht überfordert ist. I m merhin hat das bei uns geltende Recht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Beamten wenigstens von der „vollen persönlichen Verantwortung" zu befreien und hat damit nicht nur ein rechtliches, sondern auch ein individualpsychologisches Entlastungsinstrument bereitgestellt. Daß die hier aufgezeigte Struktur des Weisungsrechts keine vorgegebenen Zusammenhänge wiederspiegelt, sondern auf einer Entscheidung des positiven Rechts beruht, zeigt sich bei einem Blick auf das österreichische Recht, das diese Fragen abweichend geregelt hat. Dort ist dem Amtswalter an Stelle des Remonstrationsrechts eine Prüfungs- und A b lehnungsbefugnis gegeben 116 , ohne daß eine mögliche Entlastung damit einherginge, weil über das Vorliegen des Ablehnungsrechts letztlich ein anderes Organ ex post entscheidet. Die Befolgung oder Ablehnung ist damit ein Risiko des angewiesenen Amtswalters 1 1 7 . Dieses Risiko w i r d durch das bei uns statuierte Remonstrationsverfahren m i t Entlastungseffekt ausgeschlossen, das sich auch aus dieser Sicht nicht nur als ein Instrument zur Konzentration von Entscheidungszuständigkeiten erweist, sondern auch für den einzelnen Amtswalter einen adäquaten Ausgleich für seine Weisungsgebundenheit darstellt. b) Zuständigkeitsverfehlungen
Die hier entwickelten Grundsätze gelten i n gleicher Weise für die von der herrschenden Meinung angenommene Suspendierung der Gehorsamspflicht bei Zuständigkeitsverfehlungen 118 . So soll der Beamte 115 So aber Stratenwerth, Verantwortung u n d Gehorsam, S. 165 ff. Z u t r e f fend dagegen Rupp, Grundfragen, S. 62, Fußn. 130. 118 Vgl. dazu Barfuß, Die Weisung, S. 88 ff. 117 Vgl. auch die treffende Bemerkung von Dicey (Introduction to the study of the l a w of the constitution, 1905, S. 298; wiedergegeben bei Barfuß, Die Weisung, S. 94): „ W e n n ein Soldat einem Befehl nicht gehorcht, k a n n es i h m passieren, daß er v o m Kriegsgericht erschossen, w e n n er jedoch gehorcht, daß er v o n Richter u n d J u r y gehängt w i r d . "
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zur Ausführung einer Weisung trotz Aufrechterhaltung oder Bestätigung nicht verpflichtet sein, wenn seine Zuständigkeit und/oder die des anweisenden Vorgesetzten nicht gegeben ist. Lediglich rechtskonstruktiv ist hier anzumerken, daß es bei Zweifeln an der Vorgesetztenzuständigkeit nicht um die Rechtmäßigkeit — genauer: Außenrechtskongruenz — des angeordneten Verhaltens geht, sondern um die Rechtmäßigkeit der Weisung selbst, d. h. um ihre Konformität m i t den Amtsrechtssätzen, die die innere Zuständigkeitsordnung festlegen. Steht die Zuständigkeit des angewiesenen Amtswalters i n Frage, dann geht es sowohl um die Ubereinstimmung des angeordneten Verhaltens m i t der Zuständigkeitsordnung als auch darum, ob die Weisung das Dienstverhältnis des Amtswalters zulässigerweise konkretisiert, aufgrund dessen er (nur) zur Wahrnehmung seines Amtes verpflichtet ist. A u f der Basis der bisherigen Überlegungen ergeben sich folgende konstruktive Schritte. Einmal kann fraglich sein, ob der eine Weisung Erteilende der Vorgesetzte des angewiesenen Amtswalters ist oder nicht. Weigert sich der Amtswalter, der Weisung nachzukommen, dann ist sein Verhalten disziplinarrechtlich zu beurteilen, d. h. die Gehorsamspflicht ist eine Abbreviatur für seine disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit. Ergibt sich bei der disziplinarischen Uberprüfung, daß es dem Anweisenden an der Vorgesetzteneigenschaft gefehlt hat, dann entfällt auch die disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit des Amtswalters, und zwar aus einem einfachen Grunde: Es fehlt i n dem Fall ein Tatbestandsmerkmal der Norm, die seine Gehorsamspflicht begründet 1 1 9 . Stellt sich hingegen heraus, daß der Anweisende der Vorgesetzte des Amtswalters war, dann steht die Gehorsamspflicht und dementsprechend die disziplinarrechtliche Verantwortlichkeit des Amtswalters fest. Ein I r r t u m über die Vorgesetzteneigenschaft des Anweisenden bietet hier auch keinen Schuldausschließungsgrund. Denn schuldausschließend w i r k t nur ein Irrtum, der unverschuldet ist, d. h. der nicht auf Fahrlässigkeit beruht 1 2 0 , der m. a. W. nicht durch „gehörige Anspannung der Geisteskräfte und des Gewissens" auszuschalten ist 1 2 1 . Es ist dem Beamten aber i n diesen Fällen, d. h. bei Zweifeln über die Vorgesetzteneigenschaft des Anweisenden, regelmäßig nicht nur zumutbar zu demonstrieren. Vielmehr begründen solche Zweifel „Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienst118 Schütz, Disziplinarrecht des Bundes u n d der Länder, Bielefeld 1964, S. 121 ; Stein, Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 8 f. m i t Nachweisen aus der älteren Literatur. Diese Ansicht w i r d von W. Schmidt (Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 214, Fußn. 648) als unstreitig bezeichnet. 119 Daß die Vorgesetzteneigenschaft Tatbestandsmerkmal jener Bestimmung ist, ergibt sich aus dem Zusammenhang von Satz 1 u n d Satz 2 der §§ 37 BRRG, 55 BBG. 120 B D H E 3,142 (146). 121 Schütz, Disziplinarrecht, S. 91 m i t Nachweisen.
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licher Anordnungen" i. S. d. § 56 Abs. 2 S. 1 BBG und lösen somit die Remonstrationspflicht aus 1 2 2 . Das bedeutet aber nichts anderes, als daß der Beamte, wenn er sich bei fraglicher Vorgesetzteneigenschaft einer Weisung widersetzt und nicht remonstriert, das disziplinarrechtliche Risiko für sein Verhalten trägt. Daraus ließe sich als Faustregel für das Verhalten des Amtswalters ableiten: I m Zweifel remonstrieren! Dam i t ist die These der h. M., der Beamte brauche nur Weisungen des zuständigen Vorgesetzten zu befolgen, als solche zwar richtig. Nur bleibt sie auf halbem Wege stehen, weil sie den Umstand unberücksichtigt läßt, daß den Beamten das „Auslegungsrisiko" trifft, wenn zweifelhaft ist, ob der Anweisende sein Vorgesetzter ist oder nicht. Damit erweist sie dem Beamten, der sich blindlings auf sie verläßt, einen schlechten Dienst. Ebenso soll der Beamte nicht gehalten sein, eine Weisung zu befolgen, wenn ihre Ausführung seine Befugnisse überschreiten würde, d. h. wenn er die Zugehörigkeit der i h m aufgegebenen Tätigkeit zum Kreis seiner Amtspflicht bestreitet. Hierbei w i r d übersehen, daß gerade durch Weisungen, mögen sie nun i n genereller oder i n spezieller Form ergehen, die Amtspflichten des näheren bestimmt werden 1 2 3 . Betrifft ζ. B. eine Weisung eine Tätigkeit, die bisher nicht zu den Amtspflichten des Amtswalters gehörte, dann erweitert diese Weisung den Kreis der Amtspflichten m i t konstitutiver Wirkung: Der Beamte kann i m Zeitpunkt der Weisung nicht mehr geltend machen, die angeordnete Tätigkeit falle nicht i n den Kreis seiner Amtspflichten. Die Unrichtigkeit der herrschend vertretenen These zeigt sich schon daran, daß i m Falle der Verhinderung des „ordentlichen" Amtswalters ein Auftrag an denjenigen ergehen kann, der für die Vertretung vorgesehen ist. Die Tätigkeit dieses Vertreters i m A m t 1 2 4 gehört sicherlich nicht zu seinen ursprünglichen Amtspflichten. Dennoch ist nicht zu bezweifeln, daß der Vertretungsauftrag (§ 57 BBG) verbindlich ist. Dieses Beispiel widerlegt zwar die herrschende Ansicht nicht i n toto, zeigt aber zumindest, daß sie i n ihrer Allgemeinheit unrichtig ist. Andererseits gilt auch die hier vertretene These, daß das A m t durch Weisungen konkretisiert und geformt wird, m i t einer — rechtlich gebotenen — Einschränkung: Weisungen können den Kreis der Amtspflichten nur insoweit erweitern, als dieser für den Vorgesetzten disponibel ist. Dessen Dispositionsbefugnis findet ihre Grenze aber an dem Dienstverhältnis, welches erst das personenrechtliche Band zwischen j u ristischer Person und Amtswalter herstellt. Dieses Dienstverhältnis w i r k t nämlich graduell verschieden auf das Amtswalterverhältnis ein. So kann es ζ. B. ausschließlich zur Wahrnehmung eines bestimmten Amtes 122 128 124
Ule, Beamtenrecht, § 38 BRRG, Rdnr. 2 am Ende. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 24 I I d 2 α. Vgl. dazu Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I c 1.
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verpflichten. Ist dergestalt schon vom Dienstverhältnis her der Kreis der Amtspflichten abschließend umschrieben, dann ist kein Raum mehr für Weisungen des Vorgesetzten, die neue Amtspflichten begründen könnten. Erginge trotzdem außerhalb des durch das Dienstverhältnis v i n k u lierten Amtswalterverhältnisses eine Anordnung, so läge i n Wirklichkeit keine amtliche Weisung vor: Der Vorgesetzte hätte — unzulässigerweise — den Versuch unternommen, auf das Dienstverhältnis einzuwirken. Anders ausgedrückt: Eine Weigerung gegenüber einer Weisung würde das Recht am Amt, und zwar an einem abschließend umschriebenen A m t voraussetzen. Das gibt es aber nur, wenn genau diese abschließende Umschreibung bereits Inhalt des Dienstverhältnisses ist. Dennoch muß auch hier der Amtswalter das Remonstrationsverfahren i n Gang bringen, w i l l er sich nicht dem Auslegungsrisiko aussetzen. Damit steht als Fazit fest, daß es außer den gesetzlich statuierten keine weiteren Grenzen des Weisungsrechts gibt. Die gegenteilige Meinung treibt den Beamten entweder i n ein Disziplinarverfahren oder provoziert den Selbsteintritt des Vorgesetzten. Gegen die hier vorgetragene Auffassung liegt ein Einwand zu nahe, als daß er übergangen werden könnte. Es ließe sich vorbringen, hier werde i n wenig fortschrittlicher A r t einem blinden Gehorsam und der hierarchisch sicherzustellenden Verwaltungseffizienz das Wort geredet. Abgesehen davon, daß man dabei die Realität fehlinterpretieren und die Normauslegung beim jeweiligen und nicht beim dazu berufenen Betrachter monopolisieren würde, wäre damit jedoch die Leistungsfähigkeit rechtswissenschaftlicher Dogmatik verkannt. Eine an den Prinzipien analytischer Rechtstheorie ausgerichtete Betrachtungsweise 125 kann aus Rechtssätzen nicht mehr „herausholen" als sie bereits enthalten. Insbesondere kann eine noch so „fortschrittliche" oder „konservative" Betrachtungsweise — i m übrigen eine Frage des Standortes — nicht den Rahmen und die Grundstrukturen des positiven Rechts verrücken. Wer diesen Grundsachverhalt leugnet, hat die Grenzen der Rechtsdogmatik überschritten und betreibt Rechtspolitik durch Gesetzes-„Auslegung".
125
Vgl. dazu Norbert Hoerster, Grundthesen analytischer Rechtstheorie, Jahrbuch f ü r Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie Bd. 2 (1972), S. 115 ff.
Viertes Kapitel D i e Rangordnung der Rechtesätze i m Innenbereich W i r hatten gesehen, daß die Vorgesetztenweisung Primärverbindlichkeit entfaltet, falls der angewiesene Amtswalter der Auffassung ist, das i h m auferlegte Verhalten sei außenrechtsinkongruent. Dieser Umstand hat nichts m i t einem „Hangverlust des Außenrechts" zu tun, sondern ist Ausfluß des i m geltenden Beamtenrecht vorgesehenen Vorrangs konzentrierter statt peripherer Entscheidungszuständigkeiten und der i. d. R. fehlenden Bezogenheit der Außenrechtssätze auf den individuellen Amtswalter. Weil das Außenrecht m i t dem Innenrecht nicht richtungsidentisch ist, handelt es sich hierbei nicht u m eine Kollision zweier Rechtsbereiche, somit nicht u m eine Rangordnungsfrage. Das könnte sich i n dem Augenblick ändern, als Rechtssätze unterschiedlicher Qualifikation i m Innenbereich selbst ins Spiel kommen. Dabei sind verschiedene Fragestellungen zu unterscheiden. Erstens stellt sich die Frage nach der „Rangordnung des Organwalterrechts" 1 , also beispielsweise danach, ob eine Verwaltungsvorschrift oder eine Sonderverordnung (in der Terminologie von Hans J. Wolff ) gegenüber einer Einzelweisung — sei sie nun dienstlicher oder amtlicher Natur — derogierende Wirkung entfaltet, ob es also — generell formuliert — i m Amtswalterrecht eine Normpyramide, einen Stufenbau der Rechtsordnung wie i m Außenrecht gibt. Die Beantwortung dieser Frage ist u. a. auch bedeutsam für die Verbindlichkeit von konkreten Weisungen, falls sie von abstrakten Anordnungen abweichen. Problematisch ist, ob die für diesen Bereich gefundene Lösung auch dann gilt, wenn die Verwaltungsvorschriften nicht nur als verwaltungsinternes Amtswalterrecht wirken, sondern auch als Rechtsquellen i m Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürger i m Außenbereich i n Betracht kommen. Schließlich ist das nach einer Formulierung von Rupp 2 „noch völlig ungeklärte Spezialproblem etwaiger Vorrangigkeit von Innenrechtssätzen i n Gesetzesform (,bloß formelle Gesetze4)" zu erörtern. Eine solche Erörterung ist als rechtswissenschaftliche freilich nur dann sinnvoll und w i r d als rechtliches Problem nur aktuell, wenn der Ver1 2
Rupp, Grundfragen, S. 70. Grundfragen, S. 70, Fußn. 149.
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I I . 4. Kap.:
angordnung der Rechtssätze i m Innenbereich
waltungsinnenbereich rechtserfüllt ist; denn „von einem rechtlichen Vorrang kann nur die Rede sein, wo das Geäußerte überhaupt rechtliche Bedeutung hat" 3 . Die These von der Rechtsexemtion des Innenbereichs darf jedoch als überwunden angesehen werden, ohne daß es an dieser Stelle weiterer Ausführungen bedürfte. Was zunächst das Verhältnis von amtlichen Einzelweisungen zu den abstrakt-generellen Verwaltungsvorschriften angeht, so folgt die heute noch ganz herrschende Meinung 4 der Ansicht von Otto Mayer: „ V o n selbst versteht es sich keineswegs, daß das i n Form einer allgemeinen Regel Ausgesprochene mehr bindet als der Einzelbefehl. Dieser w i r k t i m Gegenteil von Natur bestimmter und kräftiger" 5 . Die Thematik „Rangordnung des Organwalterrechts" setzt zunächst voraus, daß ein Unterschied zwischen konkret-individuellen und abstrakt-generellen amtlichen Weisungen gemacht werden kann. Das wurde ζ. B. von Röhrs 6 m i t der Begründung verneint, daß es eine „der Rechtssatzsphäre entsprechende, auf Konkretisierung harrende A b straktheit" i m Bereich der Verwaltungsvorschriften überhaupt nicht geben könne. Dahinter steht die Vorstellung, die Verwaltungsvorschrift sei ein aus lediglich „befehlstechnischen Gründen" 7 zusammengefaßtes Bündel von Einzelbefehlen 8 , ein Seitenstück also zur Allgemeinverfügung, weil es der Verwaltungsvorschrift wegen des von vornherein begrenzten Adressatenkreises an der Generalität des materiellen Gesetzes mangele 9 . Daher stehe i n Wirklichkeit Einzelbefehl gegen Einzelbefehl, so daß die lex-specialis-Regel zum Zuge kommen könne. Demgemäß soll die Einzelweisung der allgemeinen Verwaltungsvorschrift derogieren 10 . Das ist die ganz überwiegende Auffassung 11 . 3
Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Erster Band, 2. Aufl. 1914, S. 69. Bachof, Festschrift f ü r Laforet, S. 286; Jacobi, HDStR I I , S. 257; Rasch, Die staatliche Verwaltungsorganisation, K ö l n 1967, S. 125; Obermayer, V e r waltungsakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, S. 115 f.; Rupp, Grundfragen, S. 70 f. 5 Deutsches Verwaltungsrecht, Zweiter Band, 2. Aufl., S. 319, Fußn. 8. 6 Werner Röhrs, Fehlerhafte Verwaltungsvorschriften, Leipzig 1932, S. 19 ff. Vgl. auch die Erwägungen bei Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 470 f. 7 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 471. 8 Vgl. auch Fleiner, Institutionen, S. 63; Laband, Staatsrecht Bd. 2, S. 198; Bettermann, Die Bindung der Sozialbehörden an Gesetz u n d Recht, i n : Rechtsschutz i m Sozialrecht, S. 47 ff. (58). 9 Röhrs, Fehlerhafte Verwaltungsvorschriften, S. 19 f. 10 Dabei ist i m m e r vorausgesetzt, daß Verwaltungsvorschrift u n d Einzelweisung von derselben Instanz ausgehen. Fragen, die sich aus der organisatorischen Behördenhierarchie ergeben, sind noch ausgeklammert. 11 Vgl. nochmals Fußn. 4. Teilweise abweichend Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 468 ff.; Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 172 f. Α . A . Maunz / (Dürig / Herzog), Grundgesetz, A r t . 84, Rdnr. 32. 4
I I . 4. Kap.: Rangordnung der Rechtssätze i m Innenbereich
Diese Beweisführung ist nicht frei von Fehlern und zudem widersprüchlich — freilich ohne daß das Ergebnis deswegen schon unrichtig sein müßte. Fehlgehend ist die Vorstellung, Verwaltungsvorschriften unterschieden sich von materiellen Gesetzen durch ihren begrenzten Adressatenkreis 12 . Demgegenüber ist — wie bereits verschiedentlich betont — festzustellen, daß sich wohl kaum ein Rechtssatz finden läßt, dessen Regelungszweck und Adressatenkreis nicht mehr oder weniger begrenzt sind 1 8 . Somit lassen sich wohl quantitative Unterschiede m i t graduellen Abstufungen konstatieren, aber keine qualitativ geschiedenen Kategorien bilden 1 4 . Die Widersprüchlichkeit liegt darin, daß man zunächst Ranggleichheit von Verwaltungsvorschrift und Einzelweisung postuliert 1 5 , dann aber doch die Kollisionsregel „lex specialis derogat legi generali" zum Zuge kommen läßt. Das Ergebnis der herrschenden Meinung w i r d zusätzlich (negativ) durch die These abgesichert, die Grundsätze des Gesetzesrechts 16 bzw. des Außenrechts 17 über die Rangordnung der Rechtssätze ließen sich nicht ohne weiteres auf das anders strukturierte Innenrecht übertragen. Daraus folgert Rupp dann 1 8 i m Innenbereich werde die Normenpyramide „auf den Kopf gestellt". Hier w i r d die Vorstellung geweckt, als existiere eine gleichsam apriorische Rangordnung der Rechtssätze i m Außenrecht, die letztlich i n der Gewaltenteilung 1 9 und i n dem Gedanken der Unverbrüchlichkeit der Rechtsnorm 20 wurzele, i n welchem wieder elementare rechtsstaatliche Prinzipien zusammenflössen 21 . Dabei w i r d der von Adolf Merkl 22 und Hans Kelsen 23 dargestellte Stufenbau der Rechts12 So i n jüngster Zeit insbesondere Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 19 ff. 13 Folgt m a n der Falsifikationsmethode, dann ist die als Allsatz formulierte These von der Begrenztheit des Adressatenkreises der Verwaltungsvorschrift (im Gegensatz zur Kategorie des allgemeinen Gesetzes) i n dem Augenblick falsifiziert, i n welchem sich n u r ein „allgemeines Gesetz" nachweisen läßt, dessen Adressatenkreis ebenfalls begrenzt ist. Dann g i l t die These nicht mehr u n d muß aufgegeben oder neu formuliert werden. Dagegen bedarf es nicht des (positiven) Gegenbeweises, daß alle Rechtssätze einen begrenzten Adressatenkreis haben. Z u r Falsifikation v o n Allsätzen vgl. Karl R. Popper, L o g i k der Forschung, 4. Aufl., Tübingen 1971, S. 3 ff. (bes. S. 8). 14 Wie hier Erichsen, V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 444; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 201. 15 Rupp, Grundfragen, S. 70. 16 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 470. 17 Rupp, Grundfragen, S. 71. 18 Grundfragen, S. 71. 19 Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. unveränd. Aufl., B e r l i n 1957, S. 127. 20 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Bd., 3. Aufl., S. 68. 21 So Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 470. 22 Die Lehre v o n der Rechtskraft, Leipzig u n d Wien 1923, S. 207 ff.; ders., Prolegomena einer Theorie des rechtlichen Stufenbaus, i n : Gesellschaft, Staat u n d Recht, Festschrift f ü r Kelsen, Wien 1931, S. 252 ff., jetzt auch i n : Die Wiener rechtstheoretische Schule, Wien 1968, Band 2, S. 1311 ff.
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Ordnung offenbar als rechtslogisch oder rechtstheoretisch vorgegebenes Rangverhältnis unter den Rechtssätzen angesehen 24 . Einer an der konkreten Rechtsordnung orientierten Betrachtimgsweise muß diese Vorstellung fremd bleiben. Darauf w i r d weiter unten näher einzugehen sein. Zuvor sollen jedoch die von der herrschenden Meinung abweichenden Stellungnahmen von Risken und Ossenbühl daraufhin untersucht werden, ob sie geeignetere Grundlagen für die Lösung des Rangordnungsproblems abgeben. Risken hält die herrschend vertretene Ansicht für m i t dem geltenden Recht nicht vereinbar 2 5 . Dazu verweist er beispielsweise auf § 10 Abs. 4 des Soldatengesetzes, wonach der Vorgesetzte Befehle nur unter Beachtung der Dienstvorschriften erteilen darf. Dem zu erwartenden Einwand, hier lägen zwei unterschiedliche Weisungsrelationen vor, hält er den vagen Hinweis entgegen, hier gehe es allgemein um die Struktur von Innenrecht und Außenrecht. Insofern müßten beide Befehlsrelationen einheitlich gesehen werden. Der Sinn dieser Konvergenzthese bleibt i m Dunkeln. Die erwähnte Bestimmung verhält sich nur darüber, an welchen Maßstäben der Weisungsgeber sich zu orientieren hat. N u r dieser ist auch Adressat jener Vorschrift. Uber Rangfragen ist hier ebensowenig etwas ausgesagt wie i n den Bestimmungen der Beamtengesetze, die den Beamten zur Befolgung der Anordnungen und allgemeinen Richtlinien verpflichten. Aus der gesetzlichen Differenzierung zwischen Einzelweisungen und allgemeinen Weisungen folgt entgegen Risken2® bezüglich des Rangproblems ebenfalls nichts. Insofern rezipieren die Gesetze lediglich empirisch beobachtbare Fakten und statuieren i n bezug auf beide Gruppen von Anordnungen die Weisungsgebundenheit des Amtswalters, ohne sich auf Rangfragen einzulassen. Risken muß seine These, abstrakt-generelle Amtsrechtssätze bildeten die Grenzen amtlicher Einzelweisungen, denn auch relativieren und am Ende i n i h r Gegenteil verkehren: Er mißt den Gehorsams Vorschriften derogierende K r a f t bei und kommt letztlich zu dem Ergebnis: „Die einer Verwaltungsvorschrift widersprechende konkret-individuelle Weisung ist rechtmäßig 2 7 ." Dergestallt mündet also das Rangproblem i n eine Rechtmäßigkeitsfrage, die die Eingangsthese von der Höherrangigkeit der abstraktgenerellen Weisung auf den Kopf stellt und sie somit als dogmatische Aussage wertlos macht. 28 Allgemeine Staatslehre, B e r l i n 1925, S. 234, 248 ff.; ders., Reine Rechtslehre, 2. Aufl., W i e n 1960, S. 196 ff. 24 Klaus Vogel, Gesetzgeber u n d Verwaltung, W D S t R L 24 (1966), S. 125 ff. (145 f.). 25 Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 172 ff. 2e Ebd. 27 Ebd., S. 173.
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Ossenbühl schlägt eine vermittelnde Lösung vor 2 8 . Er betont, daß Verwaltungsvorschriften einmal aus befehlstechnischen Gründen eine Bündelung von Einzelweisungen darstellen könnten, somit einer zergliedernden Betrachtungsweise zugänglich seien, was — wie erwähnt — i n der Anwendung der lex-specialis-Regel mündet. Daneben hätten sie jedoch durch ihre abstrakt-generelle Form auch eine rechtsstaatliche Garantiefunktion zu erfüllen. Je mehr nun Verwaltungsvorschriften diesen Gar antiechar akter auf wiesen, umso mehr wüchsen sie i n den „Aggregatzustand unverbrüchlicher Starrheit" 2 9 , i n dem sie gegen die Derogationswirkung des Einzelbefehls immun seien. Für das Rangordnungsproblem ist damit i n dogmatischer Hinsicht offensichtlich nichts gewonnen, w e i l die angebotene Lösung dem Problem inadäquat ist. I n Rangfragen kann es nur ein Entweder-Oder geben, kein allmähliches Hineinwachsen i n einen „Aggregatzustand". Nach dieser Lösung wären manche Verwaltungsvorschriften den Einzelweisungen nachrangig, andere gleichrangig, eine weitere Gruppe vielleicht „etwas" vorrangig, eine letzte A r t schließlich eindeutig vorrangig. Außerdem wären die Entscheidungen über Vorrangprobleme i n diesem Bereich der Beliebigkeit ausgeliefert, da sich kaum ausmachen läßt, ob ein Rechtssatz mehr an befehlstechnischer Bündelung enthält oder einen größeren Anteil an rechtsstaatlichem Garantiecharakter aufweist. Weder die herrschende Meinung noch die abweichende Ansicht bieten demnach stichhaltige und hinlängliche Gründe für die angebotenen Lösungen, wenngleich der die zutreffende A n t w o r t tragende Gesichtspunkt bei Risken und Ossenbühl bereits vorhanden ist. Zunächst ist die Ausgangsfrage zu stellen, wann überhaupt Vorrangprobleme auftauchen und welches der generelle Ansatzpunkt zu ihrer Lösung ist. Für diese Thematik ist erstens darauf zu achten, daß es sich tatsächlich um ein Rangproblem handelt. Oft geht es nämlich bei den unter dieser Rubrik behandelten Fragen i n Wirklichkeit nicht um Rang-, sondern um Kompetenzprobleme 30 und um solche des sachlichen Geltungsbereichs 31 . I m Zuge der herkömmlichen — freilich unumgänglichen — Darstellung, die ganze Gruppen von Rechtssätzen i n der Rangpyramide • der Rechtsquellen placiert, w i r d zumeist übersehen, daß sich die Rangfrage erst dann stellt, wenn sich zwei Rechtssätze heterogener Genese, 28
VerwaltungsVorschriften u n d Grundgesetz, S. 471 f. Ebd., S. 472. 80 Vgl. Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 124 f. sowie Ossenbühl, Verwaltungs Vorschriften u n d Grundgesetz, S. 474 f. für das Verhältnis von verfassungslegitimierten Geschäftsordnungen zu förmlichen Gesetzen u n d Rechtsverordnungen. 31 Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 475. 29
13 Schnapp
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die den gleichen Gegenstand regeln, also „richtungsidentisch" sind, mit widersprüchlichem Inhalt gegenüberstehen 32 . Die A n t w o r t auf die zweite Frage ist für eine normorientierte Betrachtungsweise so naheliegend, daß sie i n den Darstellungen zumeist übergangen oder vernachlässigt w i r d : Die Rangordnung von Rechtssätzen i n einem gegebenen System kann sich nur, muß sich aber auch aus der positiven Rechtsordnung ergeben 38 . Berufungen auf die Gewaltenteilung, die Unverbrüchlichkeit des Gesetzes, die Rechtsstaatsidee 34 , auf die fehlende oder vorhandene analoge Anwendbarkeit des Vorrangprinzips 3 5 oder auf die Natur der Sache 36 sind eher geeignet, die Problematik zu verdunkeln als aufzuhellen. Daß unsere Rechtsordnung eine Reihe positiver Bestimmungen zur Regelung von Rangfragen enthält, mag hier kurz dargestellt werden. So ergibt sich die Vorrangigkeit des Grundgesetzes 37 vor den formellen Gesetzen aus A r t . 20 Abs. 3 GG, der die verfassungsmäßige Ordnung 3 8 zum Maßstab für die Produkte der gesetzgebenden Gewalt erhebt. Für den Bereich der Grundrechte t r i t t ergänzend Art. 1 Abs. 3 GG hinzu, der die Bindungsanordnung insoweit wiederholt. Als weitere Bestimmung, die den Vorrang des Grundgesetzes deutlich hervorhebt, sei beispielsweise A r t . 93 Abs. 1 Nr. 2 GG angeführt. Hiernach entscheidet das Bundesverfassungsgericht „bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetz". Ein ähnlicher Beweis ließe sich m i t Hilfe von A r t . 80 Abs. 1 GG und § 47 VwGO für das Verhältnis von Rechtsordnungen und förmlichen Gesetzen führen. I m Hinblick auf A k t e der vollziehenden Gewalt enthält ebenfalls A r t . 20 Abs. 3 GG eine Vorranganordnung zugunsten des Gesetzes. Ein belastender Verwaltungsakt beinhaltet regelmäßig sogar einen Verstoß gegen Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes. Läßt sich etwa ein Verwaltungsakt i n concreto 32 A u f der Vernachlässigung dieser Ausgangsfrage beruht die Vorstellung v o m „Rangverlust des Außenrechts" bei Rupp. 33 Das w i r d von Merkl (In: Die Wiener rechtstheoretische Schule, Bd. 2, S. 1335 f.), offenbar w e i l selbstverständlich, eher beiläufig ewähnt. Vgl. auch Vogel, W D S t R L 24 (1966), S. 145 f.; Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 96 ff. 34 Diese Figuren bei Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 470. 35 Rupp, Grundfragen, S. 70; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 470. 38 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Zweiter Band, 2. Aufl., S. 319, Fußn. 8. 37 Aus Gründen der Vereinfachung muß hier wieder zur pauschalierenden Darstellung gegriffen werden. Bei Lichte besehen, geht es nicht u m die V o r rangigkeit des Grundgesetzes vor dem Gesetz. Rangfragen werden, w i e erwähnt, erst dann virulent, wenn sich zwei richtungsidentische Rechtssätze inhaltlich widersprechen. 38 „Verfassungsmäßige Ordnung" k a n n an dieser Stelle sinnvollerweise n u r bedeuten: „ I n b e g r i f f der Bestimmungen des Grundgesetzes".
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nicht unter eine Ermächtigungsnorm subsumieren, dann gilt folgendes: Soweit tatbestandliche Voraussetzungen für ein Eigreifen der Verwaltung fehlen, ist eine Ermächtigungsgrundlage für dieses konkrete Vorgehen nicht vorhanden; es fällt aus dem „Delegationszusammenhang" 39 heraus. Zugleich aber verstößt der A k t gegen höherrangiges Recht, weil jede begrenzte Ermächtigung 4 0 gleichzeitig das Verbot enthält, A k t e zu erlassen, die sich außerhalb des Ermächtigungsbereichs bewegen. Die vorstehenden Hinweise könnten i m Nachhinein als selbstverständlich abgetan werden. Immerhin sollten sie zweierlei verdeutlicht haben: Bevor materiell-rechtliche Fragen unter der Rubrik „Vorrangprobleme" abgehandelt werden, sollte man sich zuvor vergewissern, ob tatsächlich richtungsidentische, d. h. auf den gleichen Gegenstand bezogene Rechtssätze unterschiedlicher Genese kollidieren. Und: es gibt i m Bereich der Rechtsquellen keine rechtstheoretisch vorgegebene Hierarchie „von oben nach unten" 4 1 . Für die Frage des Rangverhältnisses kommt es vielmehr auf die Entscheidung der positiven Rechtsordnung an. Aus diesem Grunde ist es auch verfänglich, das Vorrangprinzip i n das Argumentationsarsenal der Rangproblematik aufzunehmen. Es stellt nicht mehr dar als eine abstrahierende Zusammenfassung positiv-rechtlicher Vorrangbestimmungen. Nach dieser Grundsatzklärung kann nunmehr der Blick wieder auf das Rangproblem i m Bereich der Amtsrechtssätze gerichtet werden. U m 39
Merkl, i n : Die Wiener rechtstheoretische Schule, Bd. 2, S. 1344. I m Bereich unserer Rechtsordnung ist jede Ermächtigung begrenzt. N o r mative Aussagen, die keine mögliche Verhaltensweise ausschließen, sind tautologisch u n d wären wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz rechtswidrig. 41 Josef Esser, Grundsatz u n d N o r m i n der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 2. Aufl., Tübingen 1964, S. 94; Georges Gurvitch, Grundzüge der Soziologie des Rechts, Neuwied / B e r l i n 1960, S. 148, 176; Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, S. 27; Alf Ross, Theorie der Rechtsquellen, 1929, S. 371 ff.; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 26 I a. Eine Andeutung auch bei Rupp, Grundfragen, S. 71. Eine m i t der hier vertretenen Ansicht unvereinbare Position n i m m t Risken ein (Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, §§ 42 - 44). Er redet einer „materialen Derogation" das Wort. I n w i e w e i t ein Gesetz überhaupt etwas Verbotenes anordnen könne, lasse sich n u r durch materielle Erwägungen feststellen, nachdem die „positivistische Leugnung gesetzlichen Unrecht sich m i t den nationalsozialistischen Erfahrungen u n d der Anerkennung übergesetzlichen Rechts i m Grundgesetz" erledigt habe (S. 157). Stärker sei die Norm, die „durch inhaltlich wertende Betrachtung" sich als schwererwiegend erweise. Diese inhaltlich wertende Betrachtung besteht i n einer „gerechten" Interessenabwägung „entgegen positivistischer Methode" (S. 160). Die Folge: „ Z u r Erzielung sachgerechter Ergebnisse bedarf es der Interpertation . . . gegen den W o r t l a u t " (S. 167). Daß hier der Boden wissenschaftlicher Diskussion verlassen ist, bedarf keiner näheren Darlegung. Vgl. n u r Wolf gang Martens, ö f f e n t l i c h als Rechtsbegriff, S. 175 m i t allen erforderlichen Nachweisen; ferner Schnapp / Meyer, D R V 1973, 73 f. Z u Risken selbst vgl. auch zutreffend Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, S. 238 f. 40
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der Übersichtlichkeit halber sind dabei die möglichen Kollisionslagen noch einmal aufzuzeigen, wenngleich sich ergeben wird, daß für alle Problemstellungen die Lösungen i n einer einzigen konvergieren. Der einfachste Fall ist der einer Kollision zwischen der abstrakt-generellen und einer konkret-individuellen fachlichen oder dienstlichen Weisung. Von Risken 42 w i r d des weiteren die Möglichkeit der Kollision zwischen Amtsrechtssätzen und dienstlichen Einzelweisungen diskutiert. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß hier keine Kollision auftreten kann, da es sich bei diesen beiden Gruppen nicht u m richtungsidentische Rechtssatztypen handelt. Dieser Umstand w i r d von Risken auch gesehen. Er hält aber ein Beispiel bereit, wonach eine dienstliche Maßnahme des Regierungspräsidenten von einer Verwaltungsverordnung des Innenministers abweicht, bei der Ausübung des Ermessens i n persönlichen A n gelegenheiten nach bestimmten Gesichtspunkten zu verfahren. Dieses Beispiel ist jedoch nicht geeignet, den genannten Einwand zu widerlegen. Das zeigt am besten die von Risken selbst angebotene Lösung. Er betont völlig zutreffend, daß die Rechtmäßigkeit jeweils i n Relation zu einem bestimmten Bezugspunkt festgestellt werden müsse. Da die Verwaltungsverordnung nun die persönlichen Verhältnisse der Amtswalter nicht unmittelbar regle 43 , komme sie als Maßstab für die „inkongruente" Einzelmaßnahme nicht i n Betracht. Diese sei i m Verhältnis Regierungspräsident — Innenminister rechtswidrig, i m Verhältnis zwischen dem Regierungspräsidenten und dem betroffenen Amtswalter jedoch rechtmäßig. Ob dieses Ergebnis zutreffend ist, kann bezweifelt werden 4 4 . Darauf kommt es hier jedoch nicht an. Entscheidend ist an dieser Stelle, daß Verwaltungsverordnungen und dienstliche Einzelmaßnahmen keine Kollisionslagen herbeiführen können, was ebenso für das Verhältnis von Sonderverordnungen und amtlichen Einzelmaßnahmen gilt. Das ergibt sich jedoch nicht aus der „relativen Struktur allen Rechts" 45 , sondern aus der fehlenden Richtungsidentität dieser Rechtssatztypen. Dennoch ist die „Abweichung" einer dienstlichen Maßnahme von einer Verwaltungsvorschrift nicht unproblematisch. Es handelt sich nämlich um die gleiche Problematik, die generell erörtert wird, wenn von Verwaltungsvorschriften abweichende Verwaltungsakte ergehen und die Frage nach 42
Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 132 f. I n diesem F a l l w ü r d e es sich u m eine Sonderverordnung handeln. 44 M a n w i r d hier weiter differenzieren müssen. Da die Einzelmaßnahme nicht an der Verwaltungsverordnung gemessen werden kann, ist sie insoweit nicht rechtswidrig. Rechtswidrig w i r d sie — was den i n i h r enthaltenen rechtlichen Impuls angeht — dann auch nicht i m Verhältnis zum Innenminister, w i e Risken annimmt. Rechtswidrig — w e i l amtsrechtlich inkongruent — ist lediglich das amtliche Verhalten des Regierungspräsidenten, das i n der dienstlichen Maßnahme zum Ausdruck kommt. Der eine Vorgang bündelt also A k t e i n zwei Richtungen. 45 Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 133. 43
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der Bindungswirkung von Verwaltungsvorschriften auftaucht 48 . Ob sich dabei tatsächlich die „enormen konstruktiven Schwierigkeiten" 4 7 ergeben, wie das Schrifttum des öfteren hervorhebt, w i r d gesondert zu untersuchen sein. Die letzte Problemgruppe bilden diejenigen gewöhnlich zum „Außenrecht" zählenden Rechtssätze, m i t denen i n das Innenrecht „hineinregiert" und zum Teil auf den konkreten Amtswalter Durchgriff genommen wird. Hier fragt sich, ob diese Rechtssätze oder die amtlichen Weisungen Vorrang besitzen. Fragt man zunächst nach dem Rangverhältnis zwischen genereller Weisung und Einzelweisung i m amtlichen Bereich und legt dabei den hier herausgestellten Lösungsansatz zugrunde, so w i r d man vergeblich nach einer i m positiven Recht niedergelegten expliziten Kollisionsregel suchen; denn i n einem lange Zeit als rechtsexemt angesehenen Raum müßte eine Regel über Fragen des rechtlichen Vorrangs als Fremdkörper erscheinen. Deshalb war Otto Mayer nachgerade gezwungen, aus „der Natur der Sache" zu argumentieren. Allerdings wäre es fehlgehend, hieraus den Schluß auf die Gleichrangigkeit der Rechtssätze des Organwalterrechts zu ziehen 48 . Für diesen Bereich ist keine positiv-rechtliche Entscheidung über Rangfragen gefallen; folglich läßt sich auch keine Aussage zu diesem Komplex treffen, weder zugunsten von Vor- und Nachrangigkeit noch zugunsten von Gleichrangigkeit. Damit bleibt zunächst auch die lex-specialis-Regel aus dem Spiel, deren Anwendung j a Gleichrangigkeit voraussetzt. Gleichwohl bleibt das Problem nicht unbewältigt, w e i l das Innenrecht auch hier eine Lösung anbietet, nur eben nicht auf der Ebene von Hierarchieregeln über Rechtssätze. Auch hier kommt wieder die bereits beschriebene 49 Präponderanz der Entscheidungsregeln zum Zuge 5 0 : Wesentlich ist nicht, welcher Rechtssatz des Innenbereichs welchen Rang besitz, sondern welcher für den jeweilig ins Blickfeld kommenden Amtswalter verbindlich ist 5 1 Das mag auf den ersten Blick so anmuten, als werde hier die Frage auf einen Nebenschauplatz abgeschoben. Dem ist jedoch nicht so. Denn erstens fehlt i m Ämterrecht eine normative Regelung der Rangfragen, wie sie etwa für das Verhältnis von Verfassungs- zu ein46
Stichwort: Selbstbindung der Verwaltung. Wolf gang Rüfner, Formen öffentlicher V e r w a l t u n g i m Bereich der W i r t schaft, B e r l i n 1967, S. 306. 48 So jedoch Rupp, Grundfragen, S. 71. 49 Erster Teil, Zweites Kapitel, 3 c. 50 Es ist also zumindest voreilig, w e n n Rupp (ebd.) meint, nur bei Ranggleichheit aller Normen könne sich ein solches System vollziehen. 51 Das ist auch der durchgehende Tenor bei Ossenbühl (Verwaltungsvorschriften, S. 468 ff.). N u r sieht er nicht, daß dann das von i h m behandelte Rangproblem hinfällig ist. 47
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fächern Gesetzesrecht vorhanden ist. Zweitens hatten w i r bei der Themat i k des rechtswidrigen bindenden Befehls gesehen, daß die (bestätigte) Vorgesetztenweisung an einen Beamten, eine i m Außenverhältnis rechtswidrige Maßnahme zu erlassen, für i h n gleichwohl verbindlich ist. Diese Maßnahme verstößt gegen den Gesetzesvorrang, weil das Gesetz i m Außenverhältnis höherrangig ist. Dennoch hat der Beamte die abweichende Weisung zu befolgen. Es muß daher auch hier davon ausgegangen werden, daß sich Rangund Verbindlichkeitsfragen trennen lassen, je getrennt werden müssen, wie Ossenbühl 52 überzeugend dargetan hat. Für den einzelnen Amtswalter ist die Weisung seines unmittelbaren Vorgesetzten bindend. Meint er, eine Kollision zwischen einer Einzelweisung und einer Verwaltungsverordnung desselben Vorgesetzten konstatieren zu können, dann stellt sich für i h n die Frage nach der Amtsrechtswidrigkeit, was wiederum i n das Remonstrationsverfahren einmündet. Dabei kann für i h n die Frage nach dem Rangverhältnis zwischen allgemeiner und Einzelweisung offenbleiben, da er über die Rangfrage ohnehin nicht zu entscheiden hat 5 3 . Verbindlich ist für i h n auf jeden Fall die Weisung des nächsthöheren Vorgesetzten, gleich ob dieser der allgemeinen Weisung oder der Einzelweisung folgt. Diese Weisung ist nunmehr für ihn geltendes Innenrecht, weil verbindlich, wobei dahingestellt bleiben kann, ob sie ihrerseits m i t anderen Rechtssätzen, etwa einer Verwaltungsanordnung eben des nächsthöheren Vorgesetzten vereinbar ist. Seiner „vollen persönlichen Verantwortung" i m H i n blick auf einen Haftungsregreß ist er ledig 5 4 ; von disziplinarrechtlichen Folgen ist er ebenfalls freigestellt 55 . Damit steht fest, daß für den einzelnen Amtswalter das Rangproblem keine Rolle spielt. Die Verknüpfung von Gehorsamspflicht, Remonstration und Verantwortungsbefreiung löst dieses Problem für ihn auf. Dringt die i h m aufgetragene Maßnahme nun i n das Außenrecht, dann ist i m Verhältnis zum betroffenen Bürger ebenfalls die Rangproblematik irrelevant. Für die Beurteilung der Frage, ob der i h m gegenüber gesetzte A k t (oder das Unterlassen eines solchen) rechtmäßig ist, kommt es zunächst nur auf das den Staat-Bürger-Komplex betreffende Außenrecht an. Unterstellt man i n dem hier gebildeten Fall, daß die Weisung des nächsthöheren Vorgesetzten mit einer von ihm selbst ausgehenden Verwaltungsanordnung kollidiert, und zieht man das Innenrecht zudem über die Selbstbindung der Verwaltung i n den Außenbereich, so ergibt 52 53 54 55
Verwaltungsvorschriften, S. 472 f. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 473. A r t . 34 Satz 2 GG; § 46 BRRG. § 45 Abs. 1 BRRG.
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sich folgender Gedankengang: Betrachtet man die Verwaltungsvorschrift als Indiz für die ständige Verwaltungsübung, dann kann die abweichende Einzelweisung als F a k t u m dieser indiziellen W i r k u n g nicht die K r a f t nehmen. Gemessen w i r d an der Verwaltungsübung ohnehin n u r der Außenakt. I n Schwierigkeiten k o m m t hier allenfalls die Richtung, w e l che die organbezogenen Verwaltungsvorschriften direkt auf das StaatBürger-Verhältnis durchschlagen läßt, sie also unmittelbar anwendet 5 6 . Bei konsequenter Fortsetzung dieses Vorgehens müßte auch die entgegenstehende Einzelweisung i n die Betrachtung m i t einbezogen u n d die Rangfrage gestellt werden. Diese Schwierigkeit taucht aber nur deshalb auf, w e i l die Organadresse der Verwaltungsvorschriften außer Acht gelassen w i r d . F ü r die selteneren Fälle einer direkten A u ß e n w i r k u n g der Verwaltungsvorschrift 5 7 stellt sich das Rangproblem aus dem Grunde nicht, w e i l zwischen bürgeradressierter Verwaltungsvorschrift und amtswalteradressierter Weisung keine Richtungsidentität besteht. Somit bleibt n u r noch die Frage nach dem möglichen „ V o r r a n g " von förmlichen Gesetzen und Rechtsverordnungen i m Innenbereich. Auch hier setzt sich — w i e w i r sehen werden — die Präponderanz der E n t scheidungsregeln durch. Zunächst ist wieder darauf zu achten, daß nicht Kompetenzprobleme oder solche des gegenständlichen Geltungsbereichs als Rangfragen abgehandelt werden. D r i n g t etwa der parlamentarische Gesetzgeber i n einen Bereich ein, der i h m von Verfassungs wegen verschlossen ist, so liegt hier keine Normenkollision i m eigentlichen Sinne vor, sondern eine Zuständigkeitsverfehlung, die als solche den kompetenzwidrigen A k t rechtswidrig macht, ohne daß m a n auf Rangfragen rekurrieren müßte. I n der Sache selbst haben sich — soweit ersichtlich — i n neuerer Zeit n u r Rupp 58 und Ossenbühl 59 m i t der Problematik befaßt. Nach letzterem ist unbestritten u n d unbestreitbar, daß, wenn der Gesetzgeber sich „einer Frage" des Innenrechts durch förmliches Gesetz angenommen habe, dieses Gesetz „absoluten" Vorrang genieße vor jedweden internen administratorischen Anordnungen 6 0 . V o n der „Unabänderlichkeit" geht auch Rupp aus 61 . Gerade h i e r i n erblickt aber Ossenbühl einen Bruch der Rupp'schen Konzeption 6 2 , w e i l dieser ansonsten die These vertrete, daß das Vorrangprinzip dort nicht gelte. Diese Auseinandersetzung ist auf der Ebene, auf der sie geführt 56
Vgl. i m einzelnen die Nachweise bei Ossenbühl, AöR Bd. 92 (1967), S. 15 ff.
57
Vgl. dazu Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften, S. 502 ff.
58
Grundfragen, S. 61, Fußn. 127, S. 70, Fußn. 149, S. 94 f. Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 473. Verwaltungsvorschriften, S. 477. Grundfragen, S. 95. Verwaltungsvorschriften, S. 477.
59 60 61 62
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wird, nicht zu einer Lösung zu bringen. Hier rächt sich die pauschalierende Einteilung i n „Innenrecht" und „Außenrecht", wobei diese Kategorien jeweils unterschiedliche Strukturen auf weisen sollen. Werden diese Strukturen dann absolut gesetzt und i n jedwedem Argumentationszusammenhang undifferenziert verwendet, setzt man sich zwangsläufig der Gefahr aus, Widersprüche nachgewiesen zu bekommen. Hier rächt sich vor allem auch die fehlerhafte Vorstellung vom „Rangverlust des Außenrechts", sobald es i n den Organwalterbereich einfließe. Bereits weiter oben 63 war ausgeführt worden, daß das Außenrecht überhaupt keinen Rangverlust erleidet, eben weil es nicht „umgeprägt", sondern gleichsam nur ohne inhaltliche Veränderung weitergeleitet wird. Wegen dieses falschen Bildes, weil ein an sich zutreffendes Ergebnis ein falsches Etikett bekommen hat, kann Ossenbühl dort, wo tatsächlich von Rangfragen die Rede ist, natürlich leicht einen Bruch i n der Konzeption von Rupp diagnostizieren. Es soll daher versucht werden, die zu beantwortende Frage noch einmal präzise zu formulieren 6 4 . Normativ nicht abgesicherte Figuren wie „materielle Derogation" 6 5 , der m i t einem Wechsel der Umgebung verbundene „Klimawechsel" 6 6 und ähnliches dürften für die Problemlösung wohl kaum fruchtbar zu machen sein. Worauf es hier ankommt, läßt sich am besten anhand einer konkreten, an Organe und Amtswalter adressierten Norm i n Gestalt eines formellen Gesetzes klarmachen. Nach § 163 Abs. 2 Satz 1 der Strafprozeßordnung übersenden die Behörden und Beamten des Polizeidienstes ihre Verhandlungen ohne Verzug der Staatsanwaltschaft. Hier hat der Gesetzgeber selbst einen Amtsrechtssatz geprägt, folglich auf den Innenbereich durchgegriffen. „Ohne Verzug" bedeutet i n diesem Zusammenhang nach den i n der Kommentarliteratur durchgängigen Auffassungen 67 , daß lediglich die „keinen Aufschub gestattenden Anordnungen" (§ 163 Abs. 1 StPO) getroffen und nur notwendige Vernehmungen vor Ubersendung der „Verhandlungen" durchgeführt werden dürfen. Gänzlich anders die Praxis: Insbesondere i n Großstädten hat sich wegen des 63
Zweiter Teil, Drittes Kapitel, 2. Rupp spricht einmal von der Vorrangigkeit von Innenrechtssätzen i n Gesetzesform (Grundfragen, S. 70 Fußn. 149), an einer anderen Stelle (ebd., S. 95) von deren Unabänderlichkeit. Das ist nicht dasselbe. Dazu später i m Text. 65 Risken, Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, § 42. ββ Der Ausdruck bei Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 476. 67 Vgl. Theodor Kleinknecht, Strafprozeßordnung, 31. Aufl., München 1974, § 163, Erl. 4; Eberhard Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung u n d zum Gerichtsverfassungsgesetz, T e i l I I , Göttingen 1957, § 163, Erl. V u n d Vorbem. zum 2. Buch, 2. Abschnitt, Rdnr. 3 m i t Nachweisen; differenzierend Max Kohlhaas, i n : L ö w e / Rosenberg, Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 22. Aufl., B e r l i n / New Y o r k 1971, § 163, Erl. 7. 84
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qualifizierten Polizeiapparates die Übung durchgesetzt, daß die Polizei zunächst die Ermittlungen abschließt, so daß der Staatsanwaltschaft i m Regelfall nur noch die Entscheidung darüber verbleibt, ob sie das Verfahren einstellt oder die öffentliche Klage erhebt. Diese Praxis w i r d durch Verwaltungsvorschriften abgestützt 68 . Darüber, daß sowohl die Praxis als auch die Verwaltungs Vorschriften gegen die Vorschrift des §163 Abs. 2 Satz 1 StPO verstoßen, kann kein Zweifel sein 69 . Nur: i m Innenbereich, d. h. für einen einzelnen Amtswalter, stellt sich wiederum die Rangfrage nicht. Zweifelt er an der Rechtmäßigkeit der Weisung, die Ermittlungen zunächst abzuschließen, so hat er wiederum den Remonstrationsautomatismus auszulösen. Die Konsequenzen sind bereits geschildert worden. Wiederum setzt sich die Präponderanz der Entscheidungsregeln durch. A u f diese Weise kann i n der Tat die „Unverbrüchlichkeit des Gesetzes" unterminiert werden — es sei denn, der aus dem formellen Gesetz Berechtigte bringt die Frage zur gerichtlichen Entscheidung. Unterstellt man einmal, daß zugunsten „der Staatsanwaltschaft" 70 aus § 163 Abs. 2 Satz 1 StPO ein subjektives Recht auf unverzügliche Übersendung der Verhandlungen resultiert, so ist insoweit Maßstab für die Beurteilung allein diese Bestimmung. Die entgegenstehende Verwaltungsvorschrift scheidet aus der Betrachtung aus, und zwar nicht etwa, weil sie nachrangig wäre, sondern w e i l der Innenminister an die Staatsanwaltschaft keine Verwaltungsvorschrift adressieren kann, die für sie verbindlich wäre. Auch hier erweist sich wieder das Rangproblem als irrelevant, weil es sich um eine Kompetenz- bzw. Adressatenfrage handelt: formelles Gesetz und Verwaltungsvorschrift sind nicht richtungsidentisch. Die Möglichkeit, formell-gesetzlich vorgesehene Rechtsfolgen m i t Hilfe des Innenrechts und der Weisungsgebundenheit des Amtswalters zu unterlaufen, w i r d unter rechtsstaatlichen Aspekten freilich dort bedenklich, wo niemand aus dem formellen Gesetz ein subjektives Recht ziehen kann. Ein Beispiel aus dem Ausländerrecht mag dies verdeutlichen: Nach § 8 Abs. 1 des Ausländergesetzes kann solchen Ausländern, die sich seit mindestens fünf Jahren i m Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten und sich i n das wirtschaftliche und soziale Leben i n der Bundesrepublik Deutschland eingefügt haben, die Erlaubnis zum Aufenthalt als Aufenthaltsberechtigung erteilt werden. I n den — unveröffentlichten — Richtlinien an die Ausländerbehörden ist dagegen vorgesehen, daß die Er68 I n der Regel unveröffentlicht. Nach diesen Richtlinien ist der abgeschlossene Ermittlungsvorgang an die Staatsanwaltschaft abzugeben, s. a. MB1. N W 1966, S. 1290. 69 Eberhard Schmidt, Die Rechtsstellung der Staatsanwaltschaft, M D R 1951, 1 ff. (4). 70 U m den Wortlaut des Gesetzes zu verwenden.
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teilung der Aufenthaltsberechtigung regelmäßig eine Aufenthaltsdauer von acht Jahren voraussetzt. Die durch die Weisungsgebundenhheit bew i r k t e Deviation von der gesetzlichen Generalrichtung kann nun kaum auf dem Wege über eine gerichtliche Kontrolle geradegerückt werden, da § 8 des Ausländergesetzes dem Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsberechtigung einräumt, diese vielmehr i n das — wenn auch auf Ermessensfehler h i n überprüfbare — Ermessen der Verwaltung stellt. Somit ergibt sich, daß jedenfalls dort, wo die Einhaltung des formellen Gesetzes nicht durch die Rechtsprechung kontrolliert werden kann, ein Unterlaufen der gesetzlichen Intentionen durch die Mechanismen i m Organwalterbereich i n der Tat möglich ist. Dieser Umstand ist nicht durch die Natur der Sache vorherbestimmt, sondern bedingt durch die positiv-rechtliche Option des deutschen Beamtenrechts zugunsten konzentrierter statt peripherer Entscheidungszuständigkeiten. Hier die Unverbrüchlichkeit des Gesetzes zu beschwören, mag rechtsstaatlicher Appell sein, h i l f t aber i n der Sache nicht weiter. U m eine Variante der hier angeschnittenen Problematik handelt es sich dort, wo die Legislative i n Ausübung ihres unbestrittenen Zugriffsrechts 71 organisatorische Strukturen i m „Innenbereich" festlegt, die Verwaltung jedoch davon abweicht. Wieder geht es nicht um eine Frage des Vorrangs, sondern um eine solche der Kompetenz. Sie w i r d virulent, wenn es zu beurteilen gilt, ob die Verwaltung organisatorische Strukturen abweichend von der legislatorischen Intention regeln durfte. Dieses Problem taucht wiederum nur auf, wenn ein von der Exekutive abweichend von der gesetzgeberischen Zuständigkeitsregelung erlassener Außenakt einen Bürger betrifft. Hier fragt sich, ob dieser einen A n spruch auf das zuständige Organ hat, und wenn ja, ob sich dieses aus der formell-gesetzlichen Regelung oder aus der verwaltungsinternen Zuständigkeitsverteilung ergibt. Uber den Anspruch auf das zuständige Organ w i r d noch gesondert zu handeln sein. Hier mag vorerst der i n der deutschen Staatsrechtslehre weitgehend umstrittene Satz setzen, daß die Legislative nach Ausübung des Zugriffsrecht allein „zuständig" ist und — von gewissen Beschränkungen abgesehen 72 — sich durch formell-gesetzliche Regelungen i m organisatorischen Raum neue Vorbehaltsbereiche erobern kann 7 3 . Hier ist die Frage nach der von Rupp 74 erwähnten Unabänderlichkeit der Gesetze angebracht, die sich jedoch als Kompetenzfrage stellt und aus der Struktur der verfassungsrechtlich determi71
Dazu Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 103 ff. Vgl. die Erwägungen von Herbert Krüger, W D S t R L 16 (1958), S. 254; Felix Ermacora, Die Organisationsgewalt,WDStRL 16 (1958), S. 225 f. 73 Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 104. 74 Grundfragen, S. 95. 72
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nierten Gewaltenteilung zu beantworten ist 7 5 , nicht aber unter der Rub r i k „Rangordnung" abgehandelt werden sollte. Daß vorgeblich „materielle" Fragen sich bei näherer Betrachtung oftmals nicht als solche stellen, vielmehr i n Zuständigkeitsprobleme einmünden und dort „ihre" Lösung finden, ist bei alldem nicht neu. Die rechtsdogmatische wie praktische Prävalenz der Entscheidungsregeln ist bereits von Georg Jellinek 76 angedeutet worden, der sich auch hierin wieder als scharfsichtiger Denker erweist: Bei der Erörterung der Verfassungsmäßigkeit bzw. -Widrigkeit von Gesetzen konstatiert er, daß diese Frage dort sinnlos sei, wo es keine Instanz gebe, die über die Verfassungskonformität von Gesetzen autoritativ befinde. Mangels einer solchen Instanz genieße daher auch das i m Widerspruch m i t der Verfassungsnorm zustandegekommene — s. v. v. „verfassungswidrige" — Gesetz „volle formelle und materielle Gesetzeskraft" 77 . Findet man eine solche positiv-rechtliche Situation vor, dann ist i n der Tat die Frage nach der „Verfassungswidrigkeit" eines Gesetzes eine „rein akademische": Es gibt niemanden, der darüber (letzt-) verbindlich entscheiden könnte, oder, anders gewendet: der Gesetzgeber entscheidet m i t dem Erlaß des Gesetzes über dessen Verbindlichkeit 7 8 . Nach alledem bleibt festzuhalten, daß die Fragestellung nach der Hierarchie der Rechtssätze i m Innenbereich ein Scheinproblem indiziert. Einige Problemkonstellationen scheiden von vornherein aus, weil es sich um Fragen der Adressatenrichtung oder um solche der Kompetenz handelt. Der Rest löst sich auf über die i m Organwalterrecht geregelte Zuständigkeit zur letztverbindlichen Entscheidung. Daß daraus für den Bürger i m „Außenrechtsbereich" kein Nachteil entsteht, ist sichergestellt: Für ihn sind allemal nur die an i h n adressierten Normen maßgeblich, denen das Innenrecht nicht „derogieren" 7 9 kann 8 0 .
75
Dazu BVerfGE 9, 268 (280). Gesetz u n d Verordnung, Freiburg 1887 (Neudruck Aalen 1964), S. 263; System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 96 f. 77 System, S. 96. 78 Vgl. zum Problem auch Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 287 ff. 79 So Rupp, Grundfragen, S. 62. 80 Eyermann / Fröhler, V w G O , §137 Anm. 2; Selmer, V e r w A r c h Bd. 59 (1968), S. 114 ff. (144); Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 24 I I d 2. 76
Fünftes Kapitel Z u m organschaftlichen Rechtskreis 1. Anspruch auf das zuständige Organ?
A r t . 101 Abs. 1 Satz 2 GG statuiert das Recht auf den gesetzlichen Richter. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 1 ist gesetzlicher Richter i m Sinne dieser Bestimmung nicht nur das Gericht als organisatorische Einheit oder das erkennende Gericht als Spruchkörper, sondern auch der zur Entscheidung i m Einzelfall berufene Richter, der sich m i t Hilfe des jeweiligen Geschäftsverteilungsplans ermitteln läßt 2 . Diese Rechtsprechung ist i n ihrer rechtspolitischen Tendenz verständlich, soweit dahinter das Bemühen steht, eine durch zu vage Fassung von Gerichtsorganisationsnormen mögliche Manipulation — was keinen subjektiven V o r w u r f implizieren muß — auszuschließen. Unter organisationsrechtlich-dogmatischen Aspekten muß aber die Unbefangenheit überraschen, mit welcher man den Anspruch auf das als zuständig ausgewiesene Rechtsprechungsorgan nunmehr auf die Person des einzelnen Amtswalters durchschlagen läßt 3 . Die Frage selbst soll hier nicht ausdiskutiert werden, zumal es vermutlich weder für die eine noch die andere Auffassung einen stringenten Beweis geben dürfte. Es soll vielmehr für den Bereich der vollziehenden Gewalt erörtert werden, ob es i n Parallele zum Recht auf den gesetzlichen Richter „das Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten" 4 gibt, ob also die verwaltungsinterne Zuständigkeitsverteilung i n das Außenrecht hineinwirkt, konkreter: ob die von einem unzuständigen Amtswalter gesetzten Akte rechtsfehlerhaft sind und was ggf. daraus folgt. Zwar existiert für den Exekutivbereich keine Bestimmung wie Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Jedoch w i r d 1
BVerfGE 17, 298 f.; 18, 69, 349, 425. Kritisch dazu Rudolf Bruns, Z u r Auslegung des A r t . 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz, N J W 1964, 1884 ff. Rupp (Grundfragen, S. 94) scheint daraus das Erfordernis des formellen Gesetzes herleiten zu wollen, zumal die Überprüfung der ordnungsgemäßen Besetzung eines Gerichts die Kenntnis der gerichtsinternen Geschäftsverteilung voraussetzt. 3 Vgl. auch Rupp t Grundfragen, S. 94, Fußn. 214. Dazu, daß auch der Richter ein A m t innehat, vgl. Wilhelm Wertenbruch, Die Begriffe: Beamter, Richter, Soldat auf bundesrechtlicher Grundlage, D Ö V 1960, 672 ff. 4 So der — m i t Fragezeichen versehene — T i t e l der Abhandlung von Reinhard Mußgnug. 2
1. Anspruch auf das zuständige Organ?
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ganz ü b e r w i e g e n d i n Rechtsprechung 5 u n d S c h r i f t t u m 6 a n e r k a n n t , daß es e i n Recht des B ü r g e r s a u f zuständigkeitsgemäßes H a n d e l n d e r B e h ö r d e g i b t 7 , daß also Z u s t ä n d i g k e i t s v o r s c h r i f t e n A u ß e n w i r k s a m k e i t e n t f a l t e n 8 , s o w e i t es u m d i e B e h ö r d e n z u s t ä n d i g k e i t geht. D a b e i s o l l es u n e r h e b l i c h sein, ob d i e Z u s t ä n d i g k e i t s r e g e l u n g d u r c h (formelles) Gesetz oder p e r V e r w a l t u n g s v o r s c h r i f t g e t r o f f e n w o r d e n i s t 9 . H i n g e g e n finden sich k e i n e E r ö r t e r u n g e n d a r ü b e r , w i e w e i t dieser „ A n s p r u c h " i n die j e w e i l i g e o r ganisatorische E i n h e i t h i n e i n r e i c h t 1 0 . D i e Rechtsprechung u n t e r s t e l l t i n p r a x i offenbar, daß eine b e h ö r d l i c h e Z u s t ä n d i g k e i t s v e r f e h l u n g — e i n e r l e i , d u r c h welche A r t v o n Rechtssatz d i e Z u s t ä n d i g k e i t s r e g e l u n g g e t r o f f e n w o r d e n i s t — r e c h t s w i d r i g i s t und d e n v o n d e r j e w e i l i g e n M a ß n a h m e B e t r o f f e n e n i n seinen Rechten v e r l e t z t 1 1 . A n d e r s w ä r e d i e prozessuale F o l g e — A u f h e b u n g des V e r w a l t u n g s a k t s — n i c h t z u l e g i t i m i e r e n . W e n n also — w a s noch z u p r ü f e n i s t — Z u s t ä n d i g k e i t s V e r f e h l u n g e n die V e r l e t z u n g eines s u b j e k t i v e n ö f f e n t l i c h e n Rechts i m p l i z i e r e n , d a n n i s t z u fragen, w a r u m d e r vorausgesetzte 5 Hess VGH, E S V G H 10, 153 f.; V G H Stuttgart DÖV 1957, 508; Bay VGH, BayVBl. 1961, 217 ff.; BVerfG, N J W 1967, 1957; weitere Nachweise aus der J u d i k a t u r bei Georg Brunner, Der Selbsteintritt der höheren Behörde, DÖV 1969, 773 ff. Fußn. 44. 6 Forsthoff, Lehrbuch, S. 229 ff. ; Hans Schneider, Z u m Selbsteintritt der höheren Behörde, DVB1. 1950, 702 ff.; Andreas Hamann, Die B i n d u n g der staatlichenOrganisationsgewalt an die Gesetzgebung, N J W 1956, I f f . (3); Gerhard Huwar, Der Erlaß von Rechts- u n d Verwaltungsverordnungen durch den B u n despräsidenten, S. 69; Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 108 f.; Fuß, Die Überschreitung des Wirkungskreises juristischer Personen des öffentlichen Rechts, D Ö V 1956, 566 ff.; Ernst Rasch, Die staatliche Verwaltungsorganisation, S.1311; Ossenbühl, Ministerialerlasse als Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle, DVB1. 1969, 526 ff. (528); ders., Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 505 ff. 7 Abweichend Brunner, D Ö V 1969, 776 ff.; Haueisen, Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtliches Verfahren, DVB1. 1962, 881 ff. (886); Mußgnug, Das Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten? 1970, passim. 8 Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 66; vgl. auch Heinrich Wilhelm Kruse, bei: T i p k e / Kruse, Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., K ö l n 1976, § 2 Rdnr. 28: „praktisch allgemeinverbindlich". 9 V G H Kassel, DVB1. 1968, 259 (261); Forsthoff, Lehrbuch, S. 229; Peter Kleiser, Der Vorbehalt des Gesetzes nach dem Bonner Grundgesetz, Diss. Heidelberg 1963, S. 131; inzidenter auch Obermayer, Das Bundesverfassungsgericht u n d der Vorbehalt des Gesetzes, DVB1. 1959, 354 ff. (355); Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 506 ff. 10 Lediglich bei Ossenbühl (Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 513) findet sich der lapidare Satz: „Intrabehördliche Zuständigkeitsverletzungen können aber nicht gerügt werden." K r i t i s c h dazu Eggert Schwan, Zuständigkeitsregelungen u n d Vorbehalt des Gesetzes, Diss. Berlin 1971, S. 97 f. Ähnlich, aber ungenauer, Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 72 I V c 2 : „Eine Zuwiderhandlung gegen eine interne Zuständigkeitsordnung ... beeinfiußt die Rechtmäßigkeit nicht." Dabei bleibt unklar, wo der interne Bereich beginnt. Neuestens zu diesem Problemkreis Jürgen Schwabe, Innenrecht u n d Außenrecht, J A 1975, 45 ff. 11 Brunner, DÖV 1969, 777.
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oder unterstellte Reaktionsanspruch auf der Behördenstufe enden soll und nicht weiter i n die Organisation eindringt. Die damit aufgeworfenen Fragen weisen i n rechtstheoretischer Sicht eine gewisse Nähe zum Impermeabilitätsproblem auf. Es kommt darauf an, auf welcher Stufe der staatlichen Verwaltungsorganisation Zuständigkeitsverfehlungen i m Außenrechtskreis beachtlich werden. Die das Spannungsfeld möglicher Meinungen markierenden Pole ließen sich wie folgt kennzeichnen: 1. Für die Rechtmäßigkeit eines Aktes kommt es nur darauf an, ob „der Staat" dem Bürger gegenüber gehandelt hat. 2. A k t e sind rechtmäßig nur dann, wenn sie vom zuständigen A m t (der kleinsten durch Organisationsnormen ausgewiesenen Einheit) ausgehen. Wo der Trennschnitt verlaufen soll, ist deshalb nicht ohne weiteres auszumachen, weil es sich auf allen Stufen — vom „Staat" über juristische Personen und Behörde (Organ) bis hinunter zum A m t — um Funktionsträger handelt, deren Zuständigkeiten rechtssatzmäßig festgelegt sind, und bei denen deshalb bezweifelt werden muß, ob sie für den m i t ihnen i n Kontakt tretenden Bürger impermeabel sein sollen. I n der Praxis ist die Schwelle der juristischen Person bereits überschritten und die Stufe ihres Organs (Behörde) erreicht. Was hindert daran, so ließe sich fragen, den Reaktionsanspruch des Bürgers auch dann anzuerkennen, wenn intrabehördliche Zuständigkeitsverfehlungen vorgekommen sind? Daß diese Frage nicht aufgeworfen und problematisiert, sondern lediglich mit einem Satz abgetan ist, dürfte ein weiteres Indiz für die bisher mangelnde Auslotung des Organisationsrechts sein, wobei man zwar die Schale der juristischen Person durchbrochen hat, den eingeschlagenen Weg freilich nicht bis zu den rechtlichen Subsystemen und kleinsten Funktionseinheiten fortsetzt oder zumindest die möglichen Konsequenzen i n die Betrachtung einbezieht. Bevor diesen Fragen weiter nachgegangen werden kann, ist zuvor ein Blick auf die möglichen normativen Grundlagen des Anspruchs auf die zuständige Behörde zu werfen. Zunächst sind prinzipiell zwei Wege denkbar, auf denen sich ein Reaktionsanspruch des von einem an Zuständigkeitsmängeln leidenden Hoheitsakt Betroffenen herleiten läßt. Zum einen ließe sich argumentieren, Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften dienten nicht nur dem reibungslosen Funktionieren des Staatsapparates, sondern seien auch i m Interesse des einzelnen erlassen 12 . Daher sei diesem bei Verletzung von Zuständigkeitsnormen ein subjektiver Reaktionsanspruch auf A b wehr der Beeinträchtigung eingeräumt, ohne daß es darauf ankomme, ob die staatliche Maßnahme ansonsten fehlerhaft sei. Die Gegenmeinung würde einwenden, daß der einzelne bloßer Nutznießer eines Rechtsre12
Vgl. oben Fußn. 6.
1. Anspruch auf das zuständige Organ?
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flexes aus der Zuständigkeitsordnung sei, die allein i m staatlichen I n teresse bestehe. Folglich komme es allein darauf an, ob die hoheitliche Maßnahme dem einzelnen gegenüber inhaltlich fehlerhaft sei 13 . Als insoweit unproblematisch können die Bereiche ausgeschieden werden, i n denen Rechtsvorschriften die Folgen von Zuständigkeitsverfehlungen ausdrücklich vorsehen oder die Unschädlichkeit attestieren, wo also m. a. W. ein erklärter gesetzgeberischer Wille i n Form einer expliziten Rechtsfolgenanordnung vorhanden ist. I m übrigen konzentriert sich die Auseinandersetzung auf die Frage, i n wessen Interesse Organisations· und Verfahrensvorschriften erlassen worden sind. Läßt man die Argumentation pro und contra einmal Revue passieren, dann offenbart sich mit Bezug auf diesen Aspekt der ausgesprochen ethische Charakter der gegebenen Begründungen. M. a. W. Rechtsprechung und Lehre lassen die für die Problemlösung ausschlaggebende Frage ungeklärt, wie denn nun festgestellt werden kann, wessen Interessen eine Norm des objektiven Rechts zu dienen bestimmt ist und nach welchen Kriterien zu entscheiden ist, ob der Bürger seine Interessen soll rechtlich durchsetzen können, wenn der Gesetzgeber dies nicht ausdrücklich angeordnet hat. Eine normorientierte Betrachtungsweise w i r d an dieser Stelle eingestehen, daß mangels eines erklärten gesetzgeberischen Willens nach normativen Kriterien und mit rechtswissenschaftlichen Methoden nicht entscheidbar ist, ob eine „neutral" formulierte Zuständigkeitsbestimmung i m Interesse des einzelnen statuiert ist und somit bei Verletzung einen Reaktionsanspruch auslöst oder nicht 1 4 . Damit ist keine der beiden m i t geteilten Thesen normativ abzustützen, so daß keine für sich reklamieren kann, m i t der Zuständigkeitsnorm als allein richtig übereinzustimmen. Auf der anderen Seite ist auch weder die eine noch die andere These mit Hilfe der Zuständigkeitsbestimmungen falsifizierbar, weil beide ein Element, nämlich das „Interesse", entweder positiv oder negativ i n ihre Voraussetzungen aufgenommen haben, über dessen Vorliegen sich der Gesetzgeber ausschweigt. Auf diese Weise w i r d der Begriff des subjektiven Rechts mit einem nicht normativen Tatbestandsmerkmal befrachtet, der die hier aufgeworfene Frage rechtsdogmatisch unentscheidbar macht. Diese Einsicht beendet jedoch noch nicht die Suche nach einem möglichen Reaktionsanspruch bei Zuständigkeitsverfehlungen, sondern verlagert sie auf die Verfassungsebene. Ansatzpunkt der Diskussion ist hier die sog. allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Elfes-Urteil 1 5 schützt 13 Vgl. oben Fußn. 7 sowie Ernst v. Hippel, Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsakts, 2. Aufl., B e r l i n / Göttingen / Heidelberg 1960, S. 109 f.; L V G Düsseldorf, ZBR 1956, 191; O V G Bremen, D V B l . 1963, 736 f. 14 Vgl. dazu auch Schnapp / Meyer, D R V 1973, 66 ff. (73 ff.). 15 BVerfGE 6, 32. Vgl. dazu die Kontroverse zwischen Schwabe (DÖV 1973, 623 ff.) u n d Rupp (DÖV 1974, 193 ff.).
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A r t . 2 Abs. 1 GG den Bürger vor allen hoheitlichen Eingriffen, die nicht i n Einklang m i t der verfassungsmäßigen Ordnung stehen, wobei als verfassungsmäßige Ordnung verstanden w i r d „die Gesamtheit der Normen, die formelle und materiell der Verfassung gemäßt sind 1 6 . Kompetenzwidrige Eingriffe — so ließe sich sagen — verstoßen aber gegen eine solche Norm, brechen folglich mit der verfassungsmäßigen Ordnung und sind daher nicht geeignet, die allgemeine Handlungsfreiheit zulässigerweise einzuschränken. I n dieser Sicht formuliert A r t . 2 Abs. 2 GG die „Freiheit von gesetzwidrigem Zwange" 1 7 mit der Folge, daß objektivrechtliche Verstöße zugleich auch immer die grundrechtlich abgesicherte Freiheitssphäre des einzelnen verletzen. Gegen diese Konsequenz w i r d geltend gemacht, sie stelle einen Z i r kelschluß dar 1 8 , bedeute eine unzulässige Versubjektivierung des Gesetzmäßigkeitsprinzips 19 und übersehe die Notwendigkeit des Rechtswidrigkeitszusammenhanges 20 . Richtig sei demgegenüber, daß A r t . 2 Abs. 1 GG die Handlungsfreiheit nur dort schütze, wo ihr ein subjektives Recht zugrundliege" 2 1 m.a. W.: wo die verletzte Zuständigkeitsnorm selbst einen Anspruch des Betroffenen auf ihre Beachtung statuiere 22 . Diese Ansicht vermag indes nicht zu überzeugen. I n den Fällen nämlich, i n denen eine Zuständigkeitsbestimmung selbst für den Fall ihrer Verletzung einen Reaktionsanspruch zugunsten des Betroffenen auslöst, bedarf es des Rückgriffs auf die Verfassung nicht. Erst wegen der dargelegten Unentscheidbarkeit der Frage auf unterverfassungsrechtlicher Ebene kommt überhaupt das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit i n Form der allgemeinen Handlungsfreiheit ins Spiel. Diese bündelt subjektive Abwehrrechte gegen jede hoheitliche Maßnahme, die sich nicht auf den durch die Schrankentrias vorgezeichneten Bahnen bewegen. Verlangt man zusätzlich die Einräumung eines subjektiven Reaktionsanspruches durch die verletzte Zuständigkeitsnorm, dann verdoppelt man sozusagen die Anforderungen an die Auslösung des Grundrechtsschutzes. 16 Ebd., Leitsatz 3. Mußgnug (Das Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten?, S. 45) gibt den Leitsatz fehlerhaft wieder, w e n n er „Normen" durch „Gesetz" ersetzt. 17 So bereits die Formulierung bei Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 130. Vgl. ferner stellvertretend f ü r die h. M. Rupp, Grundfragen, S. 161; des weiteren Michael Hoffmann, Der Abwehranspruch gegen rechtswidrige hoheitliche Realakte, S. 50 ff. m i t Nachweisen; für die Weimarer Zeit Richard Thoma, HdbDStR I I , S. 607 ff. (619). 18 Mußgnug, Das Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten?, S. 45 unter Hinweis auf Bartlsperger, D V B l . 1970, 30 ff. 19 Bartlsperger, D V B l . 1970, 31. 20 Bartlsperger, D V B l . 1970, 31. 21 Mußgnug, Das Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten?, S. 45. 22 Bartlsperger, D V B l . 1970, 32.
1. Anspruch auf das zuständige Organ?
209
Daß die bloße Rechtswidrigkeit einer staatlichen Maßnahme nicht ausreicht, um ihre Kassation zu rechtfertigen, vielmehr Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung kumulative Voraussetzungen einer erfolgreichen Anfechtungsklage sind 2 3 , braucht angesichts der Regelung von § 113 Abs. 1 VwGO nicht eigens betont zu werden. Das nötigt jedoch nicht dazu, eine doppelte Rechtsverletzung zur Voraussetzung eines Reaktionsanspruchs zu erheben. Wo dabei der von Mußgnug 24 behauptete Zirkelschluß liegen soll, ist nicht ersichtlich. Die normative Ausgangsbasis für die hier erörterte Frage ist dabei unter dem grundrechtlichen Aspekt die gleiche, ob es sich nun u m Verfehlungen der Verbands-, Ressort- oder Organkompetenz oder weiter um Verfehlungen der örtlichen, sachlichen oder instanziellen Zuständigkeit handelt — immer freilich unter dem Vorbehalt, daß keine ausdrückliche gesetzgeberische Rechtsfolgenanordnung für den Fall der Kompetenzverfehlung existiert. Dagegen h i l f t auch die Vermutung nicht weiter, i n manchen Fällen sei evident, daß der Gesetzgeber eine bestimmte Instanz m i t der Behandlung einer Angelegenheit habe betrauen wollen und daß er dem einzelnen eine Entscheidung durch eben diese Stelle „zugebilligt" oder „versprochen" habe 25 . Eine solche Vermutung mag billigenswerte oder erwünschte Ergebnisse zeitigen, behebt jedoch nicht den Mangel an rechtssatzmäßig abgesicherter Begründung. Der hier angedeuteten Konsequenz kann man nur entgehen, wenn man entweder den Grundrechtscharakter von A r t . 2 Abs. 1 GG leugnet 2 6 , die Garantie auf einen geistig-sittlichen Persönlichkeitskern beschränkt 27 oder i n der Bestimmung nur die Gewährleistung einer engeren persönlichen Lebenssphäre erblickt 2 8 . Die Auseinandersetzung u m die zutreffende Interpretation von Art. 2 Abs. 1 GG braucht hier nicht aufgegriffen oder gar weitergeführt werden. Hier ist nur darauf hinzuweisen, daß — welcher Auffassung man auch immer folgt — die Konsequenzen für den Anspruch auf zuständigkeitsgemäßes Handeln die gleichen sind, ob es nun um interbehördliche oder intrabehördliche Zuständigkeitsdeviationen geht. 28
Dazu Schnapp, DVB1.1969, 597. Siehe Fußn. 21. 25 Mußgnug, S. 47, 53. 2β ν . Mangoldt / Klein, Das Bonner Grundgesetz, A r t . 2, A n m . I I I 5 b ; Dieter Haas, Freie Entfaltung der Persönlichkeit, DÖV 1954, 70 ff. (71); Wehrhahn, Systematische Vorfragen einer Auslegung des A r t . 2 I GG, AöR Bd. 82 (1957), S. 250 ff.; vgl. auch Wertenbruch, Der Grundrechtsbegriff u n d A r t . 2 Abs. 1 GG, DVB1. 1958, 481 ff., der allerdings (S. 486) den Verbindlichkeitscharakter betont u n d Ableitungen nicht ausschließt. 27 Hans Peters, Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit i n der höchstrichterlichen Rechtsprechung, K ö l n u n d Opladen 1963, bes. S. 16 ff. 28 Vgl. auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 173; Erichsen, Staatsrecht u n d Verfassungsgerichtsbarkeit I, S. 135. 24
14 Schnapp
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Erkennt man an, daß keine der materiell-rechtlichen Interpretationen von A r t . 2 Abs. 1 GG m i t dieser Bestimmung unvereinbar ist, m. a. W., daß keine von ihnen durch den Gesetzeswortlaut falsifizierbar ist, dann deutet sich an, daß die hier erörterte Problematik auf der Basis des allgemeinen Freiheitsgrundrechts dogmatisch unentscheidbar ist. Wäre die generelle Lösung bereits i m Grundgesetz vorangelegt, dann bedürfe es nicht der zahlreichen gesetzgeberischen Rechtsfolgeanordnungen für Zuständigkeitsverstöße. Bei den Ausführungen, die Ossenbühl dieser Frage gewidmet hat, taucht denn auch das allgemeine Freiheitsgrundrecht nicht auf 2 9 . Vielmehr stellt er darauf ab, ob Verwaltungsvorschriften i m Bereich von Zuständigkeitsfragen die allgemeine Rechtsordnung perfizieren oder nicht. Es wurde aber bereits aufgezeigt, daß die Weiterleitungskette nicht auf der Organebene endet, sondern notwendig bis zur kleinsten organisatorischen Einheit hinunterreicht. Dagegen geht Ossenbühl davon aus 30 , daß intrabehördliche Zuständigkeitsverletzungen nicht gerügt werden könnten. Wenngleich auch keine Begründung dafür gegeben wird, w a r u m der Reaktionsanspruch gleichsam an der Behördentür endet, so ist doch diese Auffassung auch unter Rechtsschutzaspekten tolerabel, denn die Willensbildung findet innerhalb der organisatiorischen Einheit statt, die m i t dem Bürger nach außenhin i n Kontakt t r i t t . Man sollte auch nicht übersehen, daß die Außenwirksamkeit von Zuständigkeitsverfehlungen i m Amtsbereich für den einzelnen nachteilige Folgen haben würde. Wäre eine intrabehördliche Zuständigkeitsverletzung auch i m Verhältnis zum Bürger beachtlich, dann würde das damit verbundene Rechtswidrigkeitsurteil die Anwendung der Rücknahmegründe bei begünstigenden Verwaltungsakten auslösen. Daraus läßt sich zwar kein stringenter Beweis ableiten, immerhin aber belegen, daß Lösungen, die bei erster Betrachtung den Anschein erhöhter Rechtsstaatlichkeit für sich haben, durchaus zwei Seiten aufweisen und dem einzelnen auch zum Nachteil gereichen können. Das Fazit aus den vorstehenden Überlegungen ist, daß die Folgen von Zuständigkeitsverfehlungen — auf welcher Stufe sie auch immer vorkommen mögen — rechtssatzmäßig festgelegt sein sollten. I n zutreffender Erkenntnis dieses Umstandes sind i n den §§ 43 ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes 31 ausführliche Regelungen über die Rechtsfolgen von Verstößen gegen Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften getroffen worden. A u f den sachlichen Inhalt einzugehen, besteht an dieser Stelle kein Anlaß. N u r mag festgehalten werden, daß die 29
30 31
Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 502 ff.
Ebd., S. 513. Ebenso Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht II, § 72 IV c 2. Vom 25. 5. 1976, BGBl. I S. 1253.
2. Subjektives Recht auf Kompetenz?
211
Dogmatik nicht den Eindruck erwecken sollte, als sei jedwede Frage bereits gesetzgeberisch vorentschieden, zumal m i t einer solchen Verfahrensweise die zuständigen Rechtssetzer aus ihrer Verantwortung entlassen werden. 2. Subjektives Recht auf Kompetenz?
I n gewissem Zusammenhang m i t dem soeben erörterten Problemkreis steht die Frage, welche Rechtswirkungen Zuständigkeitsverfehlungen nicht i m Hinblick auf den betroffenen Bürger, sondern i n bezug auf den innerorganisatorischen Rechtskreis auslösen. Angesichts der i n letzter Zeit intensiv geführten literarischen Auseinandersetzung 32 kann es vorliegend nicht darauf ankommen, die Diskussion umfassend aufzugreifen und auf alle Einzelaspekte einzugehen. Hier ist lediglich beabsichtigt, die wesentlichen Schaltstellen und tragenden Gesichtspunkte der Argumentation zu markieren. Daß „künstliche" Funktionsträger überhaupt Träger subjektiver Rechte sein können, ist i m Prinzip unbestritten, und zwar nicht erst i n neuerer Zeit 3 3 . So dürfte beispielsweise klargestellt sein, daß die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung (auch) eine subjektive Rechtsstellungsgarantie enthält 3 4 . Ebenso scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, daß Kompetenzen mit Abwehrrechten derjenigen Institutionen ausgestattet sein können, zu deren Gunsten die jeweilige Kompetenznorm w i r k t 3 5 . Diese prinzipielle Möglichkeit w i r d beispielsweise durch A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 GG belegt 36 . Wenn diesem Hinweis m i t dem Einwand begegnet wird, hier führe das rein prozeßrechtliche Denken zu einem Trugschluß 37 , dann stellt eine solche Sichtweise die Dinge auf den Kopf. Wer nur den Blick auf den materiell-rechtlichen Bereich gerichtet hält und das Verfahrens- und Organisationsrecht dabei aus dem Auge verliert, 32 Rolf Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, B e r l i n 1970; Hans Gerhart Deng, Gemeindeverfassungsstreitigkeiten i n Bayern, Diss. Würzburg 1966; Manfred Goessl, Organstreitigkeiten innerhalb des Bundes, B e r l i n 1961; Werner Hoppe, Organstreitigkeiten vor den Verwaltungs- u n d Sozialgerichten, Siegburg 1970; ders., Organstreitigkeiten u n d organisationsrechtliche subjektiv-öffentliche Rechte, DVB1. 1970, 845 ff.; Gunter Kisker, Insichprozeß u n d Einheit der Verwaltung, Baden-Baden 1968; Dieter Lorenz, Z u r Problematik des verwaltungsgerichtlichen Insichprozesses, AöR Bd. 93 (1968), S. 308 ff.; Dimitris Th. Tsatsos, Der verwaltungsrechtliche Organstreit, Bad Homburg v. d. H. / B e r l i n / Zürich 1969. 33 Vgl. etwa Richard Thoma, Das System der subjektiven öffentlichen Rechte und Pflichten, HDStR I I , S. 607 ff. (613 f.). 34 Vgl. insbesondere Stern, Bonner Kommentar, A r t . 28, Rdnr. 174 ff. m. w. N.; ferner Scheuner, Die institutionellen Garantien des Grundgesetzes, Recht — Staat — Wirtschaft, Bd. 4, S. 88 ff. (100); Jesch, D Ö V 1960, 739 ff. (745). 35 Jesch, DÖV 1960, 745. 36 Böckenförde, Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, S. 247, Fußn. 32. 37 Rupp, Grundfragen, S. 99.
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echtskreis
verkennt, daß es dogmatisch wenig sinnvoll ist, von subjektiven Rechten zu sprechen, wenn das prozessuale Instrumentarium zu ihrer Durchsetzung fehlt. Ist es dagegen vorhanden, dann ist dies zumindest ein Beweis dafür, daß eine Rechtsordnung subjektive Rechte von Organen auf ungestörte Organwaltung schaffen kann. Daß man darüber freilich nicht die strukturellen Unterschiede zwischen dem Staat-Bürger-Verhältnis und dem organisatorischen Rechtskreis übersehen sollte 38 , ist nur zu selbstverständlich. Es handelt sich bei diesem Problemkreis — worauf E.-W. Böckenförde zutreffend hingewiesen hat 3 9 — eben um keine axiomatische, sondern um eine sachliche Frage. Gibt es also keine apriorischen Sperren gegen eine Zuerkennung subjektiver Rechte an „künstliche" Funktionsträger, dann w i r d man auch den Trennschnitt nicht pauschalierend zwischen bestimmten Kategorien von organisatorischen Einheiten verlaufen lassen können; etwa i n der Weise, daß man subjektive Rechte zwar auf der Ebene der juristischen Person anerkennnt, sie jedoch auf der Organebene für „schlechterdings ausgeschlossen"40 hält. Denn auf jeder Ebene befinden sich Funktionseinheiten als von der Rechtsordnung geschaffene Konstrukte, die als Adressaten von Rechtssätzen firmieren können. Diese Rechtssätze können unterschiedliche Inhalte haben, so eben auch subjektive Rechte gewähren oder bei Statuseinbrüchen Reaktionsansprüche verleihen. Die Auseinandersetzung vereinfacht sich, wenn man diejenigen Fälle ausscheidet, die nicht zu diesem Problemkomplex gehören oder die relat i v unproblematisch sind. So gehören etwa nicht zu diesem Bereich die Fragen, bei denen es — wie etwa i n mitgliedschaftlich strukturierten (Teil-) Körperschaften, nicht um Organrechte, sondern um solche der Mitglieder, d. h. aber natürlicher Personen geht 4 1 . Diese Fallgruppen würden i m Beamtenrecht i n etwa ihre Entsprechung bei dem Problem finden, ob der Amtswalter einen Anspruch auf Beibehaltung seines A m tes oder — bei Veränderungen oder Entziehungen des Amtes — einen Anspruch auf Wiederherstellung der ursprünglichen Amtsstellung hat. Wann das der Fall ist, ergibt sich aus seinem Dienstverhältnis, das i h n zur Wahrnehmung entweder eines bestimmten oder — wie i n der Regel — eines nur der A r t nach bestimmten Amtes verpflichtet und berechtigt, keinen Unterschied macht, ob gesetzestechnisch der Anspruch oder die Relativ unproblematisch sind auch diejenigen Fälle, i n denen rechtssatzmäßig statuierte Erfüllungsansprüche auszumachen sind, wobei es keinen Unterschied macht, ob gesetzestechnische der Anspruch oder die 38 39 40 41
Dazu Böckenförde, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 320 f. Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 291, Fußn. 77. Rupp, Grundfragen, S. 99. Dazu etwa Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, S. 169 f.
2. Subjektives Recht auf Kompetenz?
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korrespondierende Verpflichtung normiert ist 4 2 . So haben nach § 29 Abs. 5 Satz 5 des nordrhein-westfälischen Hochschulgesetzes die Organe der Hochschule und der Fachbereiche und die Leiter der zentralen Einrichtungen dem Hochschulpräsidenten Auskunft zu erteilen. Daß hier dem Hochschulpräsidenten das korrespondierende subjektive Recht zusteht, dürfte nicht zweifelhaft sein. Eigentlich problematisch ist vielmehr nach wie vor die Frage, ob institutionelle Wahrnehmungszuständigkeiten subjektive Rechte sind oder solche zu begründen vermögen 43 . Dabei ist der Amtswalter säuberlich aus der Betrachtung herauszuhalten. Es geht also nicht darum, ob Zuständigkeiten ein Recht der das A m t versehenden Person sind. Das ist zutreffend schon von Georg Jellinek 44 verneint worden. Bei den Beziehungen des Amtswalters zum A m t geht es allein darum, ob der Amtswalter einen Anspruch darauf hat, die i m A m t zusammengefaßten Zuständigkeiten wahrzunehmen. Das kann, wie w i r bereits gesehen hatten, i n unterschiedlicher Intensität der Fall sein. Der exakten Trennung ist der überkommene Sprachgebrauch allerdings nicht immer zuträglich gewesen. Ausgangspunkt der Problemlösung ist herkömmlich folgende Betrachtungsweise: Die Zuweisung von Wahrnehmungszuständigkeiten impliziert zweierlei. Einmal hat die rechtssatzmäßige Umgrenzung des Umf anges von Wahrnehmungszuständigkeiten zur Folge, daß letztere Ausschließlichkeits- oder Monopolcharakter besitzen 45 , m. a. W.: jede Funktionseinheit (Verwaltungssubjekt) hat sich auf den ihr zugewiesenen Aufgabenkreis zu beschränken und sich der Befassung mit anderen als den zugeteilten Aufgaben zu enthalten 4 6 . Zum anderen ist die Wahrnehmungszuständigkeit vor allem Inhalt einer Verpflichtung des zuständigen Subjekts, nicht jedoch ein subjektives Recht i m materiellen oder prozessualen Sinne 47 . Oder, um 42 Es ist eine Erscheinung der Rechtsordnung, daß sie nicht i n allen Fällen sowohl das Recht als auch die korrespondierende Verpflichtung ausdrücklich normiert, sondern j e nach der Wichtigkeit entweder n u r das eine oder das andere. Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 1969, S. 183 f. Aus dieser Eigenart gerade des öffentlichen Rechts resultieren nicht selten erhebliche dogmatische Schwierigkeiten, w i e die anhaltende Diskussion u m das subjektive öffentliche Recht beweist. 43 Die tradierte Lehre findet sich formuliert bei Forsthoff, Lehrbuch, S. 452. Die Berufung auf Georg Jellinek ist allerdings irreführend. Dieser hatte n u r verneint, daß Organkompetenzen subjektive Rechte „der zur Organschaft berufenen Personen" seien. Vgl. System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. A u f l . 1905, S. 231; Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., Neudruck 1966, S. 561. 44 Vgl. die vorstehende Fußnote. 45 Ernst Rasch, Die Behörde, V e r w A r c h Bd. 50 (1959), S. 1 ff. (5 f.); Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 72 I V a 1 ; s. a. Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, S. 94. 46 So Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, S. 94. 47 Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 72 I c 5.
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I I . 5. Kap. : Z u m organschaftlichen Rechtskreis
m i t Georg Jellinek 48 zu sprechen: Organkompetenzen sind „ i n Wahrheit n u r berechtigende Pflichten". Die durch diese Thesen verursachte schiefe O p t i k w i r d korrigiert, w e n n m a n sich abermals vor Augen hält, daß Ä m t e r , Organe etc. nichts anderes sind als Zuständigkeitskomplexe, als ein Inbegriff von Wahrnehmungszuständigkeiten, ungeachtet der Tatsache, daß sie als Adresse von Rechtssätzen firmieren können. Zieht man diesen Umstand hinzu, dann würde der K e r n der oben wiedergegebenen Thesen lauten, daß Wahrnehmungszuständigkeiten verpflichtet sind, sich selbst und n u r sich selbst w a h r zunehmen — ein offensichtlich nicht sehr sinnvoller Satz. Hier scheint die Vorstellung Pate gestanden zu haben, als existierten zunächst Organe, an die dann die Zuständigkeiten herangetragen würden. Demgegenüber ist festzuhalten, daß Ä m t e r u n d Organe, w i e alle anderen F u n k tionseinheiten, n u r i n ihren Zuständigkeiten existieren, d. h. aber m i t ihnen identisch s i n d 4 8 a . Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß persönliche und sächliche M i t t e l vorhanden sein u n d dem A m t attachiert werden müssen, u m A m t s w a l t u n g durch Personen faktisch überhaupt möglich zu machen. Die konsequente, normativ gebotene Trennung von A m t u n d A m t s w a l t e r sollte hier keine Verwischungen zulassen. Eine ähnliche Fehlvorstellung scheint der gängigen These zugrundezuliegen, juristische Personen handelten durch ihre Organe. Wenn schon eine Funktionseinheit (juristische Person) nicht selbst handeln kann, dann auch nicht durch andere Funktionseinheiten (Organe). A l l e V e r waltungssubjekte handeln vielmehr durch Menschen. Welcher F u n k tionseinheit deren Handeln letztlich zugerechnet w i r d , ist eine Angelegenheit des positiven Rechts. U m auf den Ausgangspunkt zurückzukehren: Verpflichtet zur W a h r nehmung von Zuständigkeiten sind also nicht Verwaltungssubjekte 4 9 , d. h. die Zuständigkeiten selbst, sondern physische Personen, d. h. aber Amtswalter. U m dieses Ergebnis zu erzielen, bedarf es keiner gedanklichen Konstruktionen, es ergibt sich vielmehr aus dem positiven Recht: Die Amtswahrnehmungspflicht gibt dem Amtswalter auf, dieses A m t u n d n u r dieses A m t wahrzunehmen; sie hat also sozusagen eine positive u n d eine negative Seite. W i r d also — u m i n der gängigen Terminologie zu bleiben — ein A m t oder Organ i n dem Aufgabenbereich eines anderen Amtes oder Organ tätig, dann verletzt immer ein konkreter Amtswalter seine Wahrnehmungspflicht. Als Folge dessen kann er durch eine Wei48 48
Allgemeine Staatslehre, S. 565. a Dreier, Das kirchliche A m t , S. 234.
49 Daß Hans J. Wolff m i t dem Ausdruck „Verwaltungssubjekt" nicht natürliche Personen bezeichnet, sondern ausschließlich künstliche Funktionseinheiten, ergibt sich aus Verwaltungsrecht I, § 4 I I a.
2. Subjektives Recht auf Kompetenz?
215
sung auf sein A m t zurückgewiesen und eventuell auch disziplinarrechtlich belangt werden. Trennt man also konstruktiv A m t und Amtswalter konsequent und bezieht andererseit das Amtswalterverhältnis gedanklich i n die Betrachtung m i t ein, dann werden die Thesen der tradierten Betrachtung, obwohl mißverständlich formuliert, plausibel und sind positivrechtlich zu belegen. Der Monopol- oder Ausschließlichkeitscharakter der Zuständigkeiten ist ein anderer Ausdruck für den Sachverhalt, daß ein Amtswalter sein A m t und nur sein Amt, d. h. die i n diesem zusammengefaßten Zuständigkeiten, wahrzunehmen hat. Daß das Verpflichtungsmoment i m Vordergrund steht, ist dann ebenso einleuchtend, da den Amtswalter eben i n erster Linie die AmtswahrnehmungspfZicht trifft. Daß die i m A m t zusammengefaßten Zuständigkeiten nicht identisch sind m i t subjektiven Rechten des Amtswalters, folgt aus der Überlegung, daß A u f gaben und Befugnisse einer künstlichen Funktionseinheit zu unterscheiden sind von dem Recht einer physischen Person, diese wahrzunehmen. Was das letztere betrifft, so ergibt sich aus dem Dienstverhältnis des Amtswalters, ob er ein Recht auf ein bestimmtes oder nur der A r t nach bestimmtes A m t hat. M i t diesem Zwischenergebnis ist allerdings noch nicht die Lösung erreicht, wenn auch der Blick auf den Kern der Problematik freigelegt. Daß die Zuständigkeitsverteilung nur dann einen Sinn hat, wenn sie bis zur zulässigen Änderung Bestand hat, das systemimmanente Gleichgewicht 50 also gewahrt bleibt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Ein M i t t e l dazu ist, wie gezeigt, die Verpflichtung des Amtswalters auf „sein" Amt, die ggf. m i t Hilfe von disziplinarrechtlichen Sanktionen durchgesetzt werden kann. Das schließt freilich nicht aus, daß Verwaltungssubjekte auch eigene 51 Rechte haben, bei deren Verletzung ihnen Abwehransprüche zustehen können. Das zeigt beispielsweise die Selbstverwaltungsgarantie, die nichts anderes darstellt als eine Gewährleistung, den einmal überlassenen Ausschnitt aus dem Gesamtbereich öffentlicher Aufgaben eigenverantwortlich wahrzunehmen. Zur Korrektur von Statuseinbrüchen sind entweder Einzelaktklagen nach der Verwaltungsgerichtsordnung oder die sog. kommunale Verfassungsbeschwerde (§91 BVerfGG) gegeben. Ähnliches gilt für die Organstreitigkeiten nach A r t . 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Hier hält die Rechtsordnung also selbst ein prozessuales I n strumentarium zur Verfügung, mit dem Statuseinbrüche korrigiert werden können. Die konstruktiven Schwierigkeiten beginnen dort, wo man sich genötigt sieht, bloße Wahrnehmungszuständigkeiten i n das Definitionsra50 51
Dazu Kisker, Insichprozeß u n d Einheit der Verwaltung, S. 38. Was nicht identisch sein muß m i t „unabgeleitet".
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ster des subjektiven öffentlichen Rechts einzufangen. Dabei muß man sich zunächst vergegenwärtigen, daß der Zuständigkeitskomplex nicht mit dem gesuchten subjektiven Recht identisch ist, sondern daß es u m die Frage geht, ob bei Status Verletzungen, genau: bei Inanspruchnahme von Zuständigkeiten durch ein nicht dazu befugtes Verwaltungssubjekt, Reaktionsansprüche zur Verfügung stehen. Die von Rupp 5 2 propagierte glossatorische Methode für das Auffinden von Reaktionsansprüchen natürlicher Personen w i r d von i h m für den organschaftlichen Rechtskreis selbst nicht angewandt. Ebenso scheitert spätestens auf der Organebene der Rückgriff auf A r t . 2 Abs. 1 GG. Damit bleibt i m wesentlichen nur noch der Rekurs auf die Figur des Interesses. A u f der Basis der ganz herrschenden Definition des subjektiven öffentlichen Rechts stellt sich also die Frage, ob organisationsrechtliche Wahrnehmungszuständigkeiten dazu bestimmt sind, Individualinteressen der intrapersonalen Verwaltungssubjekte zu schützen 53 . Daß die intraorganisatorischen Rechtssätze die Abgrenzung von Handlungssphären bezwekJcen, ist ebenso zweifelsfrei wie für die Beantwortung dieser Frage untauglich. Dabei kommt es nämlich darauf an, wie die Aufrechterhaltung des bezweckten systemimmanenten Gleichgewichts durch die Rechtsordnung bewirkt wird. Ebenso kann es sein, daß die zuständigkeitsgemäße Amtswaltung „ i m Interesse" der durch die Verwaltungssubjekte repräsentierten natürlichen Personen liegt 5 4 . Dieses Interesse hat jedoch m i t dem Merkmal „Interesse" bei der Definition des subjektiven öffentlichen Rechts nichts zu tun. Bleibt man einmal bei diesem Merkmal, dann erheben sich Bedenken grundsätzlicher Natur. Selbst wenn man den schillernden Begriff des Interesses nicht von vornherein als wissenschaftlich unbrauchbar aus dem Arsenal zulässiger Argumentationsfiguren verbannt 5 5 , so läßt sich doch folgendes sagen: Versteht man mit Hans J. Wolff 56 unter objektivem Recht die Normen, die angeben, welche Interessenverfolgungen i m K o l l i sionsfalle zurückzustehen haben, weil sie objektiv minderwertig sind, dann ist unklar, welche eigenständige Funktion des Merkmal „der Verwirklichung von Einzelinteressen zu dienen bestimmt" hat. Nach dieser These läßt nämlich bereits das objektive Recht erkennen, wann eine I n teressenverfolgung als vorrangig ausgewiesen ist. 52
Grundfragen, S. 174 f. Manfred Heinrich, Verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten i m Hochschulinnenbereich, S. 32 ff. 53
54 Darauf stellen beispielsweise ab Kisker, Insichprozeß u n d Einheit der Verwaltung, S. 38; Tsatsos, Der verwaltungsrechtliche Organstreit, S. 15. 55 5β
Vgl. dazu Schnapp / Meyer, D R V 1973, S. 72 ff. Hans J. Wolff y Verwaltungsrecht I 8 , § 43 I 2 c.
2. Subjektives Recht auf Kompetenz?
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Des weiteren ist darauf hinzuweisen, daß der tradierte Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts sich vor dem Hintergrund des Interessenantagonismus zwischen staatlichem Ordnungsanspruch und individuellem Freiheitsstreben entwickelt hat. Diesen Begriff des Interesses auf bloße Zuständigkeitskomplexe zu übertragen, erscheint schlechterdings nicht abgängig. Dazu braucht nicht die gängige These aufgegriffen zu werden, intrapersonale Funktionseinheiten hätten nicht eigene, sondern fremde Interessen wahrzunehmen. Denn wenn tatsächlich solche Interessen feststellbar wären, könnten sie relativ, d. h. bezogen auf den organschaftlichen Rechtskreis, durchaus als eigene existieren. N u r beruht das Merkmal des Interesses i n diesem Zusammenhang auf der fehlgehenden Vorstellung, als existiere zunächst die Funktionseinheit, sodann würden ihr Zuständigkeiten „ i m eigenen Interesse" angetragen. Richtig ist, daß Amt, Organ etc. nur andere, nämlich Gattungsausdrücke für Zuständigkeitskomplexe darstellen. Das konkrete A m t existiert nicht außerhalb seiner Zuständigkeiten. Auch wenn man „Interesse" nicht als psychologischen Ausdruck begreift, sondern als bloßen Argumentationstopos zur Umschreibung des Umstandes, daß ein Verwaltungssubjekt bei Kompetenzeinbrüchen sich selbst soll zur Wehr setzen können, ist nichts gewonnen. Es läßt sich nämlich aus den innerorganisatorischen Rechtssätzen nicht belegen, wann ein „Interesse" i n diesem Sinn vorliegt. Die Zuständigkeitzuweisungen sind insofern neutral. Das bedeutet nicht, daß die Ansicht, Kompetenzzuweisungen seien m i t Reaktionsansprüchen bewehrt, falsch wäre. Die Frage ist vielmehr rechtswissenschaftlich unentscheidbar. Da es nämlich insoweit keinen explizit erklärten Willen des Rechtssetzer gibt, kann weder die eine noch die andere These normativ falsifiziert werden. Damit entsteht aber für den jeweiligen Rechtsanwender als Adressat von Entscheidungsregeln ein Entscheidungsspielraum, den er i m konkreten Falle auszufüllen hat. Daß rechtsdogmatisch kein eindeutiges Ergebnis zu erzielen ist, bedeutet nicht, daß die Rechtswissenschaft gehindert wäre, dem Rechtsanwender Dezisionsvorschläge zu unterbreiten oder Entscheidungstopoi an die Hand zu geben. Man sollte sich nur Rechenschaft darüber ablegen, daß hier ein anderer Prozeß einsetzt. Insofern kann noch einmal rekapituliert werden: Die erörterte Frage ist dort prinzipiell unproblematisch, wo die Rechtsordnung bestimmte Sanktionen für Zuständigkeitsverfehlungen vorgesehen hat. I m übrigen besagt die bloße Deviation von objektiven Strukturprinzipien noch nichts über die Reaktion der Rechtsordnung. Eine Reaktionsmöglichkeit ist immer gegeben: Da jeder Übergriff eines Verwaltungssubjekts i n den Aufgabenbereich eines anderen immer zugleich auch eine Verletzung der Amtswahrnehmungspflicht durch den handelnden Amtswalter darstellt, steht das beamten-
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echtskreis
rechtliche Instrumentarium zur Verfügung, um den Amtswalter auf sein A m t zurückzuweisen. Schlägt die Zuständigkeitsverfehlung i n das A u ßenrecht durch, d. h. ist sie i m Verhältnis zum Adressaten der i n k r i m i nierten Maßnahme erheblich, so ist ein weiteres M i t t e l gegeben, um die Abweichung zu korrigieren. I m übrigen steht — bei rivalisierenden Zuständigkeiten — die nächsthöhere Instanz zur Verfügung, um Kompetenzkonflikte zu entscheiden 57 .
57
Vgl. Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 72 I V c 8.
Dritter Teil
Qualität und Legalität von Exekutivmaßnahmen im Beamtenverhältnis Die bisherigen Ausführungen haben bewußt die einfach-gesetzliche und untergesetzliche Rechtslage i m Beamtenrecht als i m m u n behandelt, um auf diese Weise, unbeeinflußt von verfassungsrechtlichen Bedenken etwa sub specie Gesetzesvorbehalt, den Versuch unternehmen zu können, normative und organisatorische Strukturen des öffentlichen Dienstes besser i n den Griff zu bekommen. Das geschieht nicht aus Indolenz gegenüber verfassungsrechtlichen Anforderungen, sondern aus Einsicht i n die Tatsache, daß ungeachtet eines möglichen Rechtswidrigkeitsurteils hinsichtlich bestimmter normativer oder faktischer Gegebenheiten eben doch anders praktiziert wird. Anders ausgedrückt: Wer als Rechtswissenschaftler beispielsweise zu dem Ergebnis gelangt, daß ermächtigungslose Sonderverordnungen verfassungswidrig sind 1 , sieht sich am Ende dennoch zu der eher resignierenden Feststellung gedrängt, daß aus Gründen der Funktionsfähigkeit der Verwaltung die gängige Praxis als Ubergangslösung i n Kauf zu nehmen sei 2 . Dabei muß man sich darüber klar sein, daß dies keine rechtswissenschaftliche Aussage ist, sondern das Eingeständnis, daß sich manche Bereiche rechtsdogmatischen Erkenntnissen gegenüber als äußerst resistent und als zählebig erweisen. Angesichts einer solchen Situation bieten sich zwei Verfahrensweisen an: Man kann, unbeeinflußt von Praktikabilitätsüberlegungen und der faktischen Lage, streng aus dem Grundgesetz deduzieren. Das w i r d dort, wo das Grundgesetz Anlaß gibt, tradierte Handlungsweisen und -formen der Exekutive i n Frage zu stellen, gelegentlich zur Feststellung eines verfassungsrechtlichen Defizits führen. Man kann andererseits i n der Einsicht, „daß dogmatische Erkenntnisse und praktische Aufgabenbewältigung gelegentlich für eine bestimmte Zeit auf einen vermittelnden Nenner gebracht werden müssen" 3 , den Versuch unternehmen, die be1 Erichsen, Besonderes Gewaltverhältnis u n d Sonderverordnung, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 219 ff., bes. S. 238 ff.; Schnapp, Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 20, Rdnr. 47. 2 Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 234 ff.; Rupp, Grundfragen, S. 127; Schnapp, Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 20, Rdnr. 47. 3 Erichsen, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 246.
220
I I I . T e i l : Exekutivmaßnahmen i m Beamtenverhältnis
stehenden Umstände zu legitimieren, d. h. nach möglichen Stützungsgründen für die praktizierten Verfahrensweisen suchen. Daß letzteres ein legitimes und u. U. sogar gebotenes Verhalten bei der richterlichen Hechtsanwendung i m konkreten Fall sein kann, dürfte nicht zweifelhaft sein. Denn der Richterspruch betrifft unmittelbar Rechte und Pflichten, zeitigt m i t h i n Rechtsfolgen. Dabei kann es angezeigt sein, daß die Judikative die vollziehende Gewalt nicht unvermittelt i n den Zustand der Verfassungswidrigkeit fallen läßt — m i t vielleicht unabsehbaren Folgen. Wer demgegenüber vorschnell an rechtsstaatliche Gedankengänge appelliert, sollte nicht übersehen, daß die Funktionsfähigkeit der Verwaltung kein Selbstzweck ist, sondern auch und gerade i m Individualinteresse erhalten bleiben muß 4 . Diese Überlegungen treffen jedoch nicht auf den Rechtswissenschaftler zu, der eben nicht Adressat von Entscheidungsregeln ist, aus dessen Option für eine bestimmte dogmatische These i n (gedachten) Rechtsfällen oder -fragen m i t h i n nichts folgt. Anders gewendet: Auch bei dogmatischem „Purismus" des Rechtswissenschaftlers werden durch seine „Entscheidung" niemandes Rechte und Pflichten auch nur tangiert 5 . Deshalb ist es nicht — jedenfalls nicht primär — seine Aufgabe, die faktischen Auswirkungen bestimmter dogmatischer Thesen bereits i n den hermeneutischen Prozeß einzubeziehen und i h n dergestalt dadurch steuern zu lassen6. A u f solche Weise w i r d nämlich unter anderem die Grenzlinie zwischen Rechtsdogmatik und Rechtspolitik verwischt. Die saubere Trennung, der zugegebenermaßen ein gewisser dogmatischer Rigorismus zugrunde liegt, hat nichts m i t der von Hans Schneider 7 berufenen „Legalitätswütigkeit" zu tun, sondern spiegelt nur die unterschiedlichen Rollen von Rechtssetzer und Rechtsanwender einerseits, Rechtswissenschafler andererseits wieder. Daß bei alldem die Jurisprudenz als Gesamtdisziplin nicht der Aufgabe enthoben ist, auch individuelle Dezisions- und abstrakte Gesetzgebungsvorschläge zu unterbreiten, sollte schon wegen des Sachverstandes, den sie hier einbringen kann, nicht zweifelhaft sein. Vor dem Hintergrund des so angedeuteten Spannungsfeldes hat sich die Diskussion vor allem um die Legalität von Exekutivmaßnahmen i m 4
Z u diesem Bezug vgl. Schnapp, Beamtenstatus u n d Streikrecht, S. 53 f. Vgl. H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, S. 196 f. 6 So aber ζ. B. Hans Peters, V V D S t R L 23 (1966), S. 250. I m übrigen ist das gegenüber verfassungsrechtlich vorgezeichneten Konsequenzen vorgebrachte Argument von der „ L ä h m u n g der V e r w a l t u n g " schon zu oft — ohne daß die apokalyptischen Visionen sich realisiert hätten — eingebracht worden, als daß es i m dogmatischen Bereich länger einen legitimen Platz beanspruchen könnte. Vgl. auch Wolf gang Martens, ZBR 1970,197 ff. (199); Schmidt-Salzer, VerwArch Bd. 60 (1969), S. 261 ff. (266); Hans Henning Lohmann, Die Zweckmäßigkeit der Ermessensausübung als verwaltungsrechtliches Rechtsprinzip, B e r l i n 1972, S. 70: „Asthmatheorie". 7 N J W 1972,1275. 5
I I I . Teil: Exekutivmaßnahmen i m Beamtenverhältnis
221
Beamtenverhältnis abgespielt, die i m folgenden — nachdem ein Blick auf Qualifikationsfragen geworfen worden ist — aufgegriffen werden soll. Dabei kann es nicht darum gehen, die jeweilige Gesamtproblematik gleichsam enzyklopädisch-systematisch auszubreiten. Bei einem solchen Verfahren stellt sich i m übrigen leicht die Gefahr ein, daß Positionen als herrschende Meinung ausgegeben werden (und leicht zu widerlegen sind), die zwar zahlenmäßig i n der Überzahl sein mögen, deren Vertreter jedoch ihre Ansichten nicht unter Einbeziehung des neueren Arsenals an A r g u menten und Gegenargumenten gebildet haben können. Vorliegend w i r d jeweils von einem gewissen Diskussionsstand ausgegangen, den zu unterschreiten kein ernsthafter Anlaß besteht, wobei sich die Erörterungen auf die Kristallisationspunkte der Auseinandersetzungen beschränken.
Erstes Kapitel: D i e Qualifizierung von Exekutivmaßnahmen i m Beamtenverhältnis Bei dem Versuch, die das Amtswalterverhalten steuernden Maßnahmen i n ein rechtsdogmatisches Raster einzufangen, ergeben sich i m wesentlichen drei Unterkomplexe: Die erste Weiche w i r d gestellt, wenn es um die Frage geht, ob es sich bei ihnen überhaupt u m Erscheinungen der Rechtswelt handelt. W i r d die Frage verneint, bilden sie von vornherein keinen Gegenstand der Rechtswissenschaft, sondern etwa der Verwaltungslehre. W i r d sie bejaht, kommt die Problematik von Einzelakt und genereller Norm ins Spiel sowie die i n letzter Zeit kontrovers diskutierte Frage, ob und gegebenen falls wie sich die Kategorie der Sonderverordnung von den (bloßen) Verwaltungsverordnungen einerseits, den sog. Gemein Verordnungen andererseits abgrenzen läßt 1 . 1. Z u r Rechtsqualität der E x e k u t i v m a ß n a h m e n i m sog. Innenbereich
Den Zugang zu dieser Problematik erleichtert man sich, wenn man von vornherein rechtstheoretische und rechtsdogmatische Fragestellungen trennt 2 . Aus einer rechtstheoretischen Qualifizierung von sprachlichen Sätzen als „Rechtssätze" folgt rechtsdogmatisch für sich noch nichts. Welche „Eigenschaften" 3 einem Rechtssatz zukommen, bestimmt allein die konkrete positive Rechtsordnung. So erzwingt beispielsweise die Qualifizierung einer Verwaltungsvorschrift als Rechtssatz nicht ihre dogmatisch-begriffliche Kennzeichnung als Rechtsverordnung 4 , da sonst 1 Hier w i r d der Terminologie von Hans J. Wolff gefolgt; vgl. Verwaltungsrecht I, §25 V I I u n d V I I I . Z u m Problem selbst siehe zunächst einerseits Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. I f f . ; andererseits Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 219 ff. 2 Darauf weisen zu Recht h i n : Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 67 ff.; Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 15 ff.; v. Mutius, Rechtsnorm u n d Verwaltungsakt, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 167 ff. (169 f.); Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 161; Vogel, W D S t R L 24 (1966), S. 157 f. 3 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 160. 4 M i t der Konsequenz, daß Verwaltungsvorschriften i n toto dem A n w e n dungsbereich von A r t . 80 Abs. 1 GG unterfallen; zum Problem vgl. Rupp,
1. Z u r Rechtsqualität
223
Probleme der verfassungsrechtlichen Funktionsverteilung aus rechtstheoretischer Sicht vorentschieden würden 5 . Wenngleich — jedenfalls i m Schrifttum — i m Ergebnis nicht mehr ernsthaft bestritten wird, daß die Exekutivakte i m Innenbereich Rechtssätze darstellen 6 , so soll dennoch hier i n der gebotenen Kürze der eigene Rechtssatzbegriff erläutert werden. Während der konstitutionellen Rechtssatzbegriff wegen seiner Identifikation m i t dem Begriff des materiellen Gesetzes als rechtstheoretischer Begriff untauglich war, lassen die neueren Rechtssatzdefinitionen zumeist nicht erkennen, auf welcher Basis sie gewonnen worden sind. Eine Gewinnnung i m Wege der I n duktion aus der Rechtsmasse dürfte hier ausscheiden, denn ein solches Verfahren würde die vorherige Qualifikation der Rechtsmasse i m Sinne des noch zu suchenden Rechtssatzbegriffs voraussetzen. M. a. W.: Der Rechtssatzbegriff und seine induktive Basis wären intensional identisch, was auf den Fehlschluß der „definitio idem per idem" 7 hinausliefe. Das demgegenüber geboten erscheinende deduktive Verfahren w i r d bei der Struktur sprachlicher Sätze überhaupt ansetzen. Maßgebend ist hier die i n der Wissenschaftstheorie getroffene Unterscheidung zwischen deskriptiven und präskriptiven Sätzen 8 . Für Rechtssätze kommen sinnvollerweise nur die letzteren i n Betracht, die vorschreiben, daß sich etwas so oder so verhalten soll. Dabei ist die Verhaltenserwartung nicht notwendig auf konkrete menschliche Personen bezogen, wenngleich der Normbefehl, wie w i r bereits mehrfach gesehen hatten, letztlich auf ein motivationsfähiges Subjekt treffen muß, um realisiert werden zu können. Rechtssätze lassen sich also zunächst als sprachlich objektivierte Verhaltenserwartungen kennzeichnen 9 . Die Abgrenzung der Rechtssätze Grundfragen, S. 79, 115 ff.; Selmer, JuS 1968, 494; Jesch, Gesetz u n d V e r w a l tung, S. 233 f. ; Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 322 ff. ; Vogel, W D S t R L 24 (1966), S. 163 ff. 5 s. abermals Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 16 f. 6 Stellvertretend Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 135 ff. m i t allen erforderlichen Nachweisen. Anders die Rechtsprechung; vgl. noch jüngstens BayVerfGH, DÖV 1974, 674. 7 Z u dieser Figur vgl. Egon Schneider, Logik für Juristen, 2. Aufl., B e r l i n 1972, S. 50, 258. 8 Vgl. beispielsweise R. M. Hare, The Language of Morals, London 1972, S. 1 ff. Die Kategorien der argumentativen (persuasiven) u n d der performativen Sätze können hier außer Betracht bleiben. Es ließe sich w e i t e r h i n möglicherweise aufzeigen, daß präskriptive Sätze sich auf deskriptive Sätze zurückführen lassen u n d als Dispositionskennzeichnungen, d. h. als Aussagen über den „ W i l l e n " des Rechtssetzers formulieren lassen. Grundlegend zu Dispositionskennzeichnungen G. Ryle, Der Begriff des Geistes, 1969, bes. S. 153 ff.; i m Zusammenhang m i t Rechtssätzen: Schnapp I Meyer, D R V 1973, 75. A u f diese Weise ließe sich noch besser einsichtig machen, daß Aussagen der Rechtswissenschaft — als Metasprache — der empirischen Wahrheit fähig und überprüfbar sind.
224
I I I . 1. Kap.: Die Qualifizierung von Exekutivmaßnahmen
von anderen normativen Sätzen etwa der Moral und der Sitte erfolgt bei der hier vertretenen Auffassung nun nicht m i t Hilfe der realen Durchsetzungschance 10 ; d. h. der Rechtssatzbegriff umfaßt nicht die Begriffe „Zwang" oder „Macht". Freilich impliziert ein Normbefehl — als „gedachte Wirklichkeit" — i n aller Regel auch die Absichtserklärung des Normgebers, den Normbefehl auch i n die Wirklichkeit umsetzen zu wollen. Fehlt aber eine reale Durchsetzungschance oder verzichtet der Normgeber auf die Durchsetzung, so liegt dennoch ein Rechtssatz vor. M. a. W.: Die reale Geltung ist kein Essentiale des hier vertretenen Rechtssatzbegriffs, weil die Realisierung des Normbefehls zwar eine (wünschenswerte) Funktion des Rechtssatzes ist, jedoch den Betrachtungsgegenstand nicht verändert. Noch anders ausgedrückt: Die Entscheidung, nur solche Sätze als Rechtssätze anzusehen und zum Gegenstand der Rechtswissenschaft zu machen, die reale Geltung haben, ist eine rein pragmatische, nicht jedoch vom Rechtssatzbegriff her geboten 11 . Die Abgrenzung erfolgt vielmehr aus der Sicht des Normsetzers: Ein Rechtssatz unterscheidet sich von anderen präskriptiven Sätzen dadurch, daß der Rechtssetzer m i t der Normgebung zugleich — unwiderlegt — behauptet, durch ein i n der Gesellschaft anerkanntes Verfahren zu einer derartigen Willensäußerung legitimiert zu sein 12 . Diese Behauptung ist i n einem konkreten Rechtssystem überprüfbar, da die Rechtssetzer durch die Rechtsordnung ausgewiesen sind 1 3 . Dabei genügt es den Rationalitätsanforderungen, i n dem jeweiligen Rechtssystem den Rückführungsprozeß bei der ranghöchsten innerstaatlichen Normenmasse abzubrechen. Anders als nach deutscher verwaltungsrechtlicher Tradition 1 4 umfaßt der hier vertretene Rechtssatzbegriff auch den Einzelakt, der sich seiner Struktur nach nicht von abstrakten und generellen Verhaltenserwartungen unterscheidet 15 . Damit ist allerdings rechtsdogmatisch nichts vor9 Vgl. Heinrich Henkel, Einführung i n die Rechtsphilosophie, 1964, S. 46 ff.; Meyer -Cording, Die Rechtsnormen, S. 6,19. 10 Dazu Roman Herzog, Allgemeine Staatslehre, 1971, S. 155 ff. 11 A u f dieser Grundlage w ü r d e die Frage nach der Geltung der Völkerrechtssätze — was die Eigenschaft der Völkerrechtswissenschaft als Rechtswissenschaft problematisch macht — zumindest einiges an Gewicht verlieren. Z u m Problem s. Georg Dahm, Völkerrecht, Bd. I, Stuttgart 1958, S. 7 ff. 12 Grundlegend Niklas Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969. Vgl. schon Thomas von Aquin i n der quaestio de essentia legis (Sth. I I 1 qu. 90, 4): „Potest colligi definitio legis, quae n i h i l est aliud quam quaedam rationis ordinatio ad bonum commune, ab eo qui cur am communitatis habet, promulgata." 13 Nach unserer Rechtsordnung wäre der Überprüfungsmaßstab für Parlamentsakte beispielsweise das Grundgesetz. Die Legitimationsbehauptung findet sich jedoch bis hinunter auf der Basis der Normsetzungshierarchie: Die Vorgesetztenweisung enthält außer dem N o r m i n h a l t auch die Behauptung des Anweisenden, „Vorgesetzter" u n d damit zur Erteilung der Weisung legit i m i e r t zu sein. 14 Vgl. stellvertretend Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 24 I I c 2.
1. Z u r Rechtsqualität
225
entschieden. So zutreffend daher die Feststellung von Abelein 16 ist, daß das typische Gefälle vom Allgemeinen zum Speziellen nicht konstitutiv ist für die Abgrenzung von Verwaltungsakt und Rechtsverordnung (Gesetz) 17 , so richtig ist der Hinweis von v. Mutius 18 darauf, daß diese Differenzierung rechtsdogmatisch unvermeidlich ist, weil unser Rechtsschutzsystem je nach der Qualifikation staatlicher A k t e unterschiedliche Rechtsschutzinstrumentarien zur Verfügung stellt. Daß das de lege lata bestehende Rechtsschutzsystem eben deswegen ein verfassungsrechtliches Defizit auf weist, dürfte ebenso unbestreitbar sein; denn die insoweit ranghöchste Norm, A r t . 19 Abs. 4 GG, stellt nur darauf ab, ob jemand i n seinen Rechten verletzt würde. Durch welche A r t von Maßnahme dies erfolgt, ist unerheblich 19 . Das soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Festzuhalten ist hier zunächst, daß sprachlich objektivierte Verhaltenserwartungen m i t Verbindlichkeitsanspruch nicht länger nur deswegen aus dem Bereich des Rechts ausgeklammert werden können, weil sie sich i m staatlichen Internum befinden, also an Ämter oder Amtswalter i n eben dieser Funktion gerichtet sind. Das kann als heute relativ gesicherte Erkenntnis gelten 2 0 , so daß auf frühere Konstruktionsversuche, die das Gegenteil belegen sollten, nicht nochmals einzugehen ist 2 1 . 15 Abelein, Festschrift f ü r G. Küchenhoff, S. 419 ff. (427). Das entspricht auch österreichischer Tradition, s. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., 1960, S. 25 ff. 10 Ebd., S. 428. 17 Vgl. weiter Norbert Achterberg, K r i t e r i e n des Gesetzesbegriffs unter dem Grundgesetz, D Ö V 1973, 289 ff.; Dieter Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, München 1973, S. 164f.; Ulrich Scheuner, Das Gesetz als A u f t r a g der Verwaltung, D Ö V 1969, 585 ff. (590 f.); Schnapp, Z u m Rechtsschutz der Ortskrankenkassen gegen Organisationsverordnungen i m Gefolge kommunaler Neugliederung, VSSR 1974,191 ff. (200 f.). 18 Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 169. 19 Abelein, Festschrift f ü r G. Küchenhoff, S. 430. 20 Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 70 ff. ; Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 13ff. m i t Nachweisen; Brohm, D Ö V 1964, 238ff.; Hans H. Klein, Festgabe f ü r Forsthoff, 1967, S. 186 ff.; Wolf gang Martens, ZBR 1970, 197 ff. (199); Ossenbühl, AöR Bd. 92 (1967), S. 1 ff. (22 ff.); Rupp, Grundfragen, S. 28 ff. Anderer Auffassung noch Christian-Friedrich Menger, Verwaltungsrichtlinien — Autonome Rechtsetzung durch die Exekutive? i n : Demokratie u n d V e r w a l t u n g (1972), S. 299 ff. (301), vgl. allerdings ebd., S. 302; ähnlich Forsthoff, Lehrbuch, S. 133; s. a. Dicke, V e r w A r c h Bd. 59 (1968), S. 304. Die Rechtsprechung beharrt jedoch i m wesentlichen auf der traditionellen Position, generellen Regelungen i m Innenverhältnis die Rechtsqualität abzusprechen; vgl. zuletzt noch BayVerfGH, D Ö V 1974, 672 m i t A n m . von Hennecke. Vgl. den Gesamtüberblick bei Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d G r u n d gesetz, S. 202 ff. Gegenüber Einzelakten w a r m a n von Anfang an großzügiger; vgl. aus letzter Zeit B V e r w G E 14, 84; 19, 19; B V e r w G , ZBR 1968, 218; HessVGH, ZBR 1964, 182; O V G Berlin, OVGE 9, 130; s. ferner Selmer, DÖV 1968, 342, 344; Stein, Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 24 f.
15 Schnapp
226
I I I . 1. Kap.: Die Qualifizierung von Exekutivmaßnahmen
Anzumerken wäre weiter, daß bei der Suche nach inhaltlichen K r i terien zur Differenzierung verschiedener Arten hoheitlichen Handelns verschiedentlich Gesichtspunkte der rechtlichen Zulässigkeit vermengt zu werden scheinen. Das gilt i m Prinzip für alle rechtstheoretischen Rechtssatzbegriffe, die materielle Kriterien wie Gerechtigkeit, Allgemeinheit, Vernunft, Rechtswert etc. verwenden 2 2 . Beim Verfehlen des materiellen Maßstabes müßte konsequenterweise auch die Qualifikation als Rechtssatz entfallen. Das hätte rechtsdogmatisch zur Folge, daß dann das verfassungswidrige „Gesetz" kein Gesetz, der rechtswidrige „Verwaltungsakt" kein Verwaltungsakt wäre. Das kann nicht richtig sein 23 , und zwar aus Rechtsschutzgründen. Denn gerade der Hoheitsakt, der den Anforderungen an die Zulässigkeit nicht entspricht, verlangt nach Rechtsschutz. Von daher bieten sich für die Qualifikation formelle Kriterien an. Ob der Hoheitsakt gilt oder kassiert werden kann, ist eine materielle Frage. Das zeigt auch ein Blick auf das Grundgesetz: So stellt zwar A r t . 19 Abs. 1 Satz 1 GG Mindestanforderungen hinsichtlich der Allgemeinheit des Gesetzes auf. Das nötigt aber nicht dazu, die Allgemeinheit auch als Qualifikationsmerkmal aufzunehmen. Ein den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügendes Gesetz ist auch ein Gesetz — nur eben ein verfassungswidriges 24 . Wichtiger als die Frage nach der Rechtsqualität der verwaltungsinternen Maßnahmen ist denn auch die Frage nach der Reichweite ihrer Wirkungen, nach ihren Gültigkeitsvoraussetzungen und nach dem Rechtsschutz. I m Mittelpunkt der Erörterungen steht insoweit zunächst die Frage, ob sich die sog. amtlichen Weisungen als Verwaltungsakte darstellen oder nicht. Dabei geht es nicht um ein isoliertes materiell-rechtliches Problem, sondern letztlich darum, ob amtliche Weisungen rechtsschutzfähig sind. Befreit man sich vorerst von dem Eindruck, daß das Vorliegen eines Verwaltungsaktes Bedingung für die Gewährung von Rechtsschutz sei 25 so verliert das Problem einiges von seiner zentralen Bedeutung. Das Grundgesetz und die Verwaltungsgerichtsordnung verlangen nur eine potentielle Verletzung der Individualrechtssphäre 26 , wobei es grundsätzlich ebensowenig auf die A r t der Maßnahme wie darauf 21
Dazu vgl. Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 29 ff. Überblick bei Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, bes. S. 109 ff., 195 ff. 23 F ü r den Verwaltungsakt vgl. etwa Bachof, Verwaltungsrecht I, § 50 I b 1 ; ferner Karl August Bettermann, DVB1. 1954, 299; Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 261; Bachof, V V D S t R L 15 (1957), S. 204. 24 Achterberg, D Ö V 1973, 296 r. Sp. 25 Vgl. Frotscher, D Ö V 1971, 259 ff. 28 Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, Grundgesetz, A r t . 19 Abs. I V , Rdnr. 10, 11; Abelein, Festschrift f ü r G. Küchenhoff, S. 430; Erichsen, Staatsrecht u n d Verfassungsgerichtsbarkeit I, S. 27 ff.; Kellner, DÖV 1963, 418; ferner Hamann / Lenz, Grundgesetz, A r t . 19, A n m . Β 14. 22
1. Z u r Rechtsqualität
227
ankommt, ob die Rechtsverletzung mittelbar oder unmittelbar geschieht 27 . Demgemäß setzt sich zunehmend die Auffassung durch, daß die Trennbarkeit von amtlichen und dienstlichen Weisungen nicht a priori die völlige Rechtsschutzexemtion der ersteren involviert 2 8 . Während also der Bereich der dienstlichen (persönlichen) Maßnahmen, die sich an den nicht austauschbaren Amtswalter richten, insoweit nicht mehr problematisierungswürdig ist, befindet sich lediglich noch die Qualifizierung der amtlichen Weisung i n der Debatte. A n dieser Stelle mag kurz rekapituliert werden, damit Mißverständnisse hinsichtlich des Erörterungsgegenstandes vermieden werden. Unter amtlichen Weisungen waren hier diejenigen Rechtssätze verstanden worden, die amtsadressiert sind, die also — um die gängige, aber schiefe Formulierung zu vermeiden — nicht an den Beamten als Amtswalter, sondern an das A m t adressiert sind 2 9 . Sie müssen freilich von i h m persönlich ausgeführt werden, weil sie i h n (zumindest) über den Katalysator der Amtswahrnehmungspflicht erreichen. Bei all dem ist nicht entscheidend, wie eine Weisung aktuell formuliert ist, sondern ob sie sich an das Amt, d. h. bezogen auf Wahrnehmungszuständigkeiten, adressieren läßt oder auf den (unaustauschbaren) Amtswalter bezogen werden muß (materieller Adressatenbegriff). Bei diesem Definitionsstand dürfte zunächst einleuchten, daß die Versagung der Verwaltungsaktsqualität nicht mit der von Stein 30 und Risken 31 propagierten Begründung vorgenommen werden kann. Deren Argumentation geht i m wesentlichen dahin, daß die Akte „ i m Rahmen des Amtswalterverhältnisses" rein faktischer Natur 3 2 seien, da der Be27
Wie vor. Daß die U n m i t t e l b a r k e i t der Rechtsverletzung oder m. a. W. die Rechtsverletzung des nominellen Adressaten kein Konstitutens des V e r w a l tungsaktsbegriffes ist, stellt i m Prinzip ein Gemeingut der Verwaltungsrechtswissenschaft dar. Vgl. bereits Bachof, Festschrift für Laforet, S. 309 m i t Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung; ferner BSGE 15, 118 (122); Haueisen, Verwaltungsakte m i t mehreren Betroffenen, N J W 1964, 2037. K r i tisch zum M e r k m a l „ U n m i t t e l b a r k e i t der Betroffenheit" grundsätzlich: Hans Ulrich Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen i m Bereich der Grundrechte, B e r l i n 1970, S. 23 ff. m i t Nachweisen auch aus der zivilistischen Literatur, s. oben Zweiter Teil, Zweites Kapitel, Fußn. 142. 28 Walter Leisner, Die schutzwürdigen Rechte i m Besonderen Gewaltverhältnis, D V B l . 1960, 617 ff. (621 f.); Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers, S. 35 m i t Nachweisen i n Fußn. 35; Wolf gang Martens, ZBR 1970, 199; SiegmundSchultze, D V B l . 1962, 514. 29 Vgl. auch Bachof, Verwaltungsrecht I, § 46 V I I b. 30 Die Grenzen des dienstlichen Weisungsrechts, S. 20 ff., 22. 31 Grenzen amtlicher u n d dienstlicher Weisungen, S. 97,169. 32 Die Trennung unterstellt übrigens, daß faktische A k t e keine rechtliche Relevanz entfalten bzw. Rechtsakte nicht auch tatsächlicher N a t u r sind. Vgl. insofern zutreffend Hess, Verwaltungsrechtliche Probleme der amtlichen V e r kehrszeichen, Diss. Mannheim 1970, S. 99; v. Mutius, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 174. 15*
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I I I . 1. Kap.: Die Qualifizierung von Exekutivmaßnahmen
dienstete bei der amtlichen Tätigkeit ausschließlich die öffentlichen I n teressen wahrzunehmen u n d die eigenen Interessen außer Acht zu lassen habe. So richtig der Hinweis auf die Integrität der A m t s f ü h r u n g ist, so falsch ist der daraus gezogene Schluß. Denn die Unparteilichkeit u n d Uneigennützigkeit ist eine gesetzlich (§ 36 BRRG) gebotene Modalität der Amtsführung, die den Amtswalter als gesetzliche Pflicht aus seinem Dienstrechtsverhältnis t r i f f t . W i e dieser Umstand auf die Qualifikation von amtsadressierten Weisungen durchschlagen soll, ist unerfindlich. Somit bleibt n u r noch die von Hans J. W o l f f 3 3 vorgeschlagene Differenzierung. Danach unterscheiden sich Verwaltungsakte von Nicht-Verwaltungsakten dadurch, daß erstere unmittelbar oder mittelbar an Personen, letztere hingegen an Organe oder Ämter ergehen. Tragfähig ist diese Begründung, w e n n die D i s j u n k t i o n vollständig ist, d. h. wenn amtsadressierte Weisungen nicht auch wenigstens mittelbar an Personen ergehen. Dabei braucht nicht einmal an die Relativität des Personenbegriffs erinnert oder auf die mangelnde Trennschärfe des Merkmals „ U n m i t t e l b a r k e i t " hingewiesen zu werden. Die Differenzierung trägt deshalb nicht, w e i l jede amtsadressierte Weisung i m m e r auch mittelbar — nämlich v e r m i t t e l t durch die Amtswahrnehmungspflicht — die Person des Amtswalters t r i f f t , w i e bereits mehrfach dargelegt. Freilich ist das M e r k m a l der mittelbaren Betroffenheit ausdrücklich n u r eingef ü h r t worden, u m auch die dinglichen Zustandsregelungen i n den V e r waltungsaktsbegriff m i t einbeziehen zu können 3 4 . Gleichwohl t r i f f t es auch f ü r die amtlichen Weisungen zu, da das A m t lediglich als rechtstechnisches Durchgangssubjekt 3 5 f ü r den Befehlsimpuls firmiert, der — v e r m i t t e l t durch die Amtswahrnehmungspflicht — letztlich den A m t s walter t r i f f t . Deshalb ist Ossenbühl 36 darin zuzustimmen, daß jede amtliche Weisung einen persönlichen Dienstbefehl „ i n v o l v i e r t " , aber nicht m i t diesem identisch ist. Ob diesem persönlichen Dienstbefehl das Prädikat eines Verwaltungsakts zuerkannt werden kann, hängt m i t h i n entscheidend davon ab, ob man das M e r k m a l der unmittelbaren Rechtswirk u n g aufrechterhält. Es besteht jedoch kein Anlaß, die Definition des Verwaltungsakts auch auf Maßnahmen m i t n u r mittelbarer Rechtswirkung zu erstrecken, u n d zwar sowohl aus Gründen des Rechtsschutzes w i e aus praktischen Uberlegungen. Z u m einen ist das Vorliegen eines Verwaltungsaktes nicht maßgeblich für die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges. Insbesondere A r t . 19 Abs. 4 GG stellt lediglich auf die Tatsache der Rechtsverletzung ab, nicht auf die staatliche Handlungsform, durch welches diese Rechts83 34 35 38
Übernommen von Bachof, Verwaltungsrecht I, § 46 V I I . Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht I, § 47 V I I I b. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 481. Ebd., S. 483.
2. Gemein-, Sonder-, Verwaltungsverordnung
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Verletzung bewirkt worden ist. Eine Rechtsverletzung kann aber auch durch eine amtliche Weisung hervorgerufen werden, die von der Intention her lediglich amtsgerichtet ist 3 7 . Wenn diese auch ein Rechtsakt ist, so nötigt dies dennoch nicht dazu, sie als Verwaltungsakt zu klassifizieren, ebenso wie kein Anlaß besteht, die generellen amtsadressierten Weisungen (Verwaltungsverordnungen) als Rechtsverordnungen einzustufen. Zum anderen lassen sich praktische Schwierigkeiten vermeiden, denen man bei der Qualifikation der amtlichen Weisung als Verwaltungsakt ausgesetzt wäre. I n diesem Falle wäre nämlich ein Vorverfahren durchzuführen, was wiederum, ebenso wie die Anfechtungsklage, nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hätte. Auch aus diesem Grunde erscheint es daher nicht angezeigt, den Verwaltungsaktsbegriff auf amtliche Weisungen auszudehnen, was, wie gesagt, nicht ausschließt, daß der i n seiner Rechtssphäre betroffene Amtswalter Rechtsschutz erlangt. 2. Gemeinverordnung, Sonderverordnung, Verwaltungsverordnung
Zunächst kann wieder davon ausgegangen werden, daß Gemeinverordnungen, Sonderverordnungen und auch Verwaltungsverordnungen Rechtssätze darstellen. Diese Trias kennzeichnet die Überwindung der herkömmlichen Dichotomie Rechtsverordnung — Verwaltungsvorschrift, nachdem deutlich geworden war, daß Verwaltungsvorschriften auch unmittelbar personenbezogene Regelungen enthalten können 3 8 . Da vorliegend nur die Qualifizierung von Exekutivmaßnahmen zur Debatte steht, ist zunächst zu fragen, ob und m i t Hilfe welcher Kriterien sich die sog. Sonderverordnungen von den Gemeindeverordnungen einerseits, den Verwaltungsverordnungen andererseits unterscheiden lassen und welche Relevanz ggf. einer solchen Trennbarkeit zukommt. Dabei entspricht das Begriffspaar Verwaltungsverordnung — Sonderverordnung der Einteilung der Einzelweisungen i n amtliche und dienstliche Weisungen. Entsprechend der weiter oben bereits vorgenommenen Differenzierung m i t Hilfe des materiellen Adressatenbegriffs läßt sich dabei der Trennschnitt zunächst wie folgt ziehen. Es kommt darauf an, ob eine Verwaltungsvorschrift — als Oberbegriff für Sonderverordnung und Verwaltungsverordnung — Ämter oder Amtswalter zu Adressaten hat. Dabei ist es unerheblich, ob Ämter formal als Adressaten firmieren. Denn da Ämter Komplexe von Wahrnehmungszuständigkeiten sind, genauer: abgekürzte Bezeichnungen für Zuständigkeits37 Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers u n d die Rechtsweggarantie, S. 35 m. w. N. 38 Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I, § 25 V I I I a.
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I I I . 1. Kap.: Die Qualifizierung von Exekutivmaßnahmen
komplexe, liegen Verwaltungsverordnungen immer dann, aber auch nur dann vor, wenn sie Umfang und A r t der Wahrnehmungszuständigkeiten zum Regelungsgegenstand haben. Das ist jedoch nur der prinzipielle, an einem materiellen Adressatenbegriff orientierte Ansatzpunkt zur Unterscheidung von Rechts- und Verwaltungsverordnungen. Es kann nicht isoliert stehenbleiben, ohne Mißverständinisse auszulösen. So hat insbesondere Ossenbühl 39 an dem Merkmal des Adressaten als Abgrenzungskriterium K r i t i k geübt. Bereits sein Ausgangspunkt erscheint jedoch zu undifferenziert, um einer Lösung näherzukommen. Gelinge der Nachweis, so meint er, daß es „Rechtssätze i m herkömmlichen Sinne" gebe, die sich nur an die Bediensteten der öffentlichen Verwaltung wenden, oder daß es Verwaltungssätze gebe, die sich auch an den Bürger wenden, so stehe die mangelnde Kennzeichnungskraft des Adressatenkreises als Abgrenzungsmerkmal fest. Nun läßt sich dieser Nachweis leicht führen. Dazu ist nur an die förmlichen Gesetze zu erinnern, die sich direkt und ausschließlich an Organe, Ämter oder Amtswalter richten (z. B. § 201 Abs. 1 AO, § 302 L A G , § 163 Abs. 2 StPO). Bereits das geltende Beamtenrecht ist an die Beamten i n ihrer Eigenschaft als Walter staatlicher Funktionen adressiert, soweit es den Rahmen der Amtswaltung absteckt. Es empfiehlt sich m i t h i n zunächst, zwischen Rechtsetzungen, des Parlaments, d. h. der organisatorischen „Gesetzgebung" einerseits, der Exekutive andererseits zu unterscheiden. Vorliegend interessieren nur die Rechtssetzungsakte der vollziehenden Gewalt i m Spannungsfeld zwischen Amtsrecht und Beamtenrecht. Wenden w i r uns demgemäß noch einmal der Unterscheidung zwischen Verwaltungsverordnung und Sonderverordnung zu, dann ist weiter angezeigt, einen eindeutigen Adressatenbegriff zu verwenden und vor allem auch die Qualifikation einer Maßnahme von der Frage der Zulässigkeit eben dieser Maßnahme sorgfältig zu trennen. U m das zu verdeutlichen, muß noch einmal der Untersuchungsansatz von Ossenbühl aufgegriffen werden. Den von der herrschenden Meinung anhand des Adressatenkriteriums gemachten Unterschied zwischen Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift reduziert er auf die Formel: „Rechtssätze richten sich an den Bürger, Verwaltungssätze an die Bediensteten der öffentlichen Verwaltung 4 0 ." Abgesehen davon, daß die Kategorie der Sonderverordnung bei Ossenbühl nicht auftaucht, liegt i n dieser Formulierung ein unklarer Adressatenbegriff verborgen, an dem die weitere Untersuchung krankt. Z u der Reduktion, daß Verwaltungssätze sich an die Bediensteten richten, kommt Ossenbühl aufgrund der Annahme, daß sich „hinter der Staatsorgan-Adresse die Amtswalter verbergen". 39 40
Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 174 f. Ebd., S. 173.
2. Gemein-, Sonder-, Verwaltungsverordnung
231
Nun hatten w i r bereits gesehen, daß sowohl das A m t (Organ) als Zuständigkeitskomplex wie auch der Amtswalter Adressaten von Rechtssätzen sein können. Deshalb ist die von Ossenbühl vorgenommene Identifizierung von Organ und Organwalter fehlerhaft. Sie läßt den Umstand außer Betracht, daß sich — um seine Formulierung nochmals aufzugreifen — hinter der Amtsadresse nicht die Amtswalter „verbergen", sondern daß eine weitere Normkategorie zwischen A m t und Amtswalter treten muß, damit die amtsadressierten Rechtssätze letztere überhaupt erreichen. Nach der Struktur unserer Rechtsordnung kann es eben nur deshalb funktionierende Amtsrechtssätze geben, w e i l ihr Impuls den Amtswalter über den Katalysator der Amtswahrnehmungspflicht trifft. Deshalb w i r d die normative Struktur verzerrt, wenn man A m t und Amtswalter bei der Adressatenfrage ineinssetzt. N i m m t man die insoweit gebotene Trennung vor, dann lassen sich i n der Tat Verwaltungsverordnungen von Sonderverordnungen unterscheiden, wenn man nur weiter beachtet, daß die Qualifikation eines staatlichen Aktes nicht m i t der Frage seiner Zulässigkeit vermengt werden darf. Dabei ist ein weiteres i m Auge zu behalten: Die Frage nach der Qualifikation staatlicher Maßnahmen w i r d nur dann praktisch, wenn aus unterschiedlichen Qualifikationen unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen und Rechtsschutzmöglichkeiten folgen. Das ist i m Hinblick auf Gemein-, Sonder- und Verwaltungsverordnungen jedenfalls nicht ausgeschlossen. Denn einerseits werden, was die Frage der gesetzlichen Ermächtigung angeht, hinsichtlich der Gemeinverordnungen einerseits, der Sonderverordnungen andererseits unterschiedliche Voraussetzungen aufgestellt 41 . Sollte sich erweisen, daß die Kategorie der Sonderverordnungen unter diesem Aspekt hinfällig ist 4 2 , dann bleibt noch die Frage, ob für die Verwaltungsverordnungen unterschiedliche Ermächtigungserfordernisse gelten. Ähnliches gilt i m Hinblick auf den Rechtsschutz 43 . Bleibt man i m Bereich der Rechtsetzung durch die Exekutive, dann ist weiter vorweg anzumerken, daß diese nicht gehindert ist, aufgrund formell-gesetzlicher Ermächtigung eine Rechtsverordnung zu erlassen, wo eine organ- (amts-) adressierte Verwaltungsvorschrift genügt hätte. Insoweit stehen die verschiedenen Handlungsformen zur Disposition des Normgebers 44 . Hat die vollziehende Gewalt von der Verordnungser41
Vgl. vor allem Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 25 ff. So Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 219 ff. (bes. S. 238 ff.). 43 Vgl. dazu Hans-Jürg Birk, „Rechtsvorschrift" u n d „Nachteil" als V e r fahrensvoraussetzungen der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle (§47 VwGO), Diss. Tübingen 1972, S. 20 ff.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 553 ff.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 303 ff. 44 Dazu, wie w e i t die Dispositionsfreiheit auch angesichts der Gefahr des Leerlaufs der Rechtsschutzgarantie reicht, vgl. v. Mutius, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 167 ff. (181 ff.); Schnapp, VSSR 1974, 191 ff. (198 ff.) jeweils m. w. N. 42
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I I I . 1. Kap.: Die Qualifizierung von Exekutivmaßnahmen
mächtigung Gebrauch gemacht, dann richtet sich der Rechtsschutz auch nach der gewählten Form 4 5 . Das bedeutet: Geht man vom hier zugrundegelegten materiellen Adressatenbegriff aus, dann kann es Verwaltungsverordnungen i n der Form von Rechtsverordnungen geben. Nur sollte man nicht übersehen, daß aus dieser Kenntnis hinsichtlich Ermächtigung und Rechtsschutz nichts folgt: Die Ermächtigung ist (qua definitione) vorhanden, für die A r t des Rechtsschutzes ist auf die äußere Erscheinungsform des Hoheitsaktes abzustellen. Freilich ist die Qualifizierung nicht gänzlich funktionslos. Sie dient weiterhin dazu, den unterschiedlichen Adressatenkreis i m Auge zu behalten. Damit können w i r zum Ausgangspunkt zurückkehren. Qualifiziert man Verwaltungsverordnungen als amtsadressierte Rechtssätze, dann steht zum einen außer Zweifel, daß sie auch i n der Form von Gesetzen und Rechtsverordnungen erlassen werden können, ohne daß sich am Adressatenkreis etwas ändern würde. Den Testfall bilden dann nur noch diejenigen ermächtigungslos (d. h. i n der „Form" der Verwaltungsverordnung) erlassenen Rechtssätze, die nicht Umfang und A r t der Amtswaltung betreffen, sondern die Individualrechtsposition des Amtswalters. Sie stellen inhaltlich Sonderverordnungen dar ( u m die Trias vorerst beizubehalten), wobei sich dann nur noch die Frage stellt, ob sie als förmliche Rechtsverordnungen, d. h. aufgrund formell-gesetzlicher Ermächtigung hätten erlassen werden müssen 46 . Diese Frage ist einmal aus der verfassungsrechtlichen Funktionenverteilung sub specie Parlamentsvorbehalt, zum anderen aus der Perspektive des grundrechtlich geschützten Individualbereichs unter dem Aspekt des (rechtsstaatlichen) Gesetzesvorbehalts zu beantworten. Damit dürfte sich das Adressatenmerkmal m i t den hier gegebenen näheren Modifikationen für die A b grenzung zwischen Sonder- und Verwaltungsverordnung als tauglich herausgestellt haben. M i t dieser Präzisierung w i r d man auch der Gefahr eines Zirkelschlusses ausweichen können, der man sich dann ausgesetzt sieht, wenn man ungenau formuliert und als Verwaltungsverordnung solche Vorschriften ansieht, durch die das amtliche Verhalten von Personen betroffen wird. Da nämlich das „amtliche Verhalten" gerade auch durch Verwaltungsverordnungen konkretisiert und modifiziert wird, kann man auf dieser 45 BVerfGE 1, 396 (410); 4, 157 (162); 12, 354 (361); BVerwG, DVB1. 1964, 401; DVB1. 1967, 541; O V G Münster, DVB1. 1968, 529; V e r f G H Rheinland-Pfalz, AöR Bd. 95 (1970), S. 598 ff. (607); Bachof, V V D S t R L 15 (1957), S. 100; Blümel, D Ö V 1965, 297 ff. (306); Brohm, Rechtsschutz i m Bauplanungsrecht, 1959, S. 35, 36; Obermayer, D Ö V 1955, 364; Scheuner, D Ö V 1969, 585 ff. (590 f.); D Ö V 1967, 219 ff. (221); Schnapp, VSSR 1974,198. 46 So zutreffend i n Ablehnung der an A r t . 80 Abs. 1 GG orientierten formalen Betrachtungsweise: Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und G r u n d gesetz, S. 175.
2. Gemein-, Sonder-, Verwaltungsverordnung
233
Basis die Frage, ob amtliches Verhalten betroffen ist und m i t h i n eine Sonderverordnung vorliegt, erst dann beantworten, wenn man die i n Frage stehende Regelung zuvor als Verwaltungsverordnung oder Sonderverordnung qualifiziert hat. Der Unterschied zwischen Amts- und Personaladresse läßt sich an Organisationsplänen und Geschäftsordnungen von Behörden einerseits, Geschäftsverteilungsplänen andererseits verdeutlichen. Während der Organisationsplan den Behördenaufbau sowie die Aufgabenverteilung auf die Organisationseinheiten (Organe, Ämter) regelt und die Geschäftsordnung sich über den Geschäftsablauf verhält, bestimmt der Geschäftsverteilungsplan die Zuordnung der physischen Amtswalter zu den organisatorischen Einheiten 4 7 . Die ersten beiden Kategorien sind eindeutig amtsadressiert, da sie unabhängig vom Vorhandensein oder Wechsel der Amtswalter existieren können. Ebenso eindeutig ist der Geschäftsverteitungsplan amtswalteradressiert, da er ohne das Vorhandensein natürlicher Personen, die m i t den Aufgabenkomplexen verbunden werden sollen, nicht einmal formuliert werden kann. Ebenso wie bei amtlichen und dienstlichen Einzelweisungen ist damit aber lediglich die Qualifikationsfrage beantwortet. Auch durch amtsadressierte Verwaltungsverordnungen kann nämlich eine Individualrechtsverletzung bewirkt werden. So würden etwa Lehrpläne für Hochschulen, die als solche Modalitäten der Amtswahrnehmung betreffen und von den Amtswaltern abstrahieren, gleichzeitig einen Eingriff i n das Grundrecht der Lehrfreiheit nach A r t . 5 Abs. 3 GG darstellen. Ebenso darf auf das A m t nur so weit eingewirkt werden, wie es das durch Gesetz und Ernennungsurkunde näher bestimmte Dienstverhältnis (Grundverhältnis) des jeweiligen Amtswalters zuläßt. Darauf w i r d i m einzelnen später eingegangen. Es kann also zunächst zusammenfassend festgehalten werden: Verwaltungsverordnungen als amtsadressierte Rechtssätze sind solche, deren Impuls den Amtswalter auf dem Wege über das A m t erreichen und die ihn qua Amts Wahrnehmungspflicht „binden". Als Sonderverordnungen stellen sich diejenigen Regeln dar, die keine materielle Amtsadresse haben können und daher den Amtswalter unmittelbar erreichen. Auch an dieser Stelle erweist sich ein weiteres Mal, daß das Beamtenverhältnis m i t anderen öffentlich-rechtlichen Sonderverbindungen, die nicht institutionell strukturiert sind (Schulverhältnis, Strafvollzug), nur schwerlich unter dem Dach des besonderen Gewaltverhältnisses untergebracht werden kann. Denn i n diesen Verhältnissen kann es keine amtsadressierten Verwaltungsverordnungen geben, weil keine Amts47
S. 72.
Vgl. Karl Kubier
u n d Hartmut
Kubier,
Moderne öffentliche Verwaltung,
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I I I . 1. Kap.: Die Qualifizierung von Exekutivmaßnahmen
adresse existiert: Schüler und Strafgefangene nehmen keine Zuständigkeiten wahr. Deshalb sollte man die Verordnungsproblematik i m Beamtenrecht sorgfältig von der i n anderen „besonderen Gewaltverhältnissen" trennen. Dabei ergibt sich gleichzeitig, daß es i n letzteren wegen des Fehlens von Zuständigkeitskomplexen keine Verwaltungsverordnungen i n hier erörterten Sinne geben kann; alle personenbezogenen generellen Rechtssätze sind Sonderverordnungen. Der Schluß für Einzelakte liegt auf der Hand. Als Sonderverordnungen i m hier erörterten Sinne stellen sich also beispielsweise dar: Das Verbot an Polizeibeamte, Urlaubsreisen i n die DDR zu unternehmen 48 , Prüfungsordnungen 49 , Beihilfegrundsätze und -richtlinien und weitere, nicht die Wahrnehmungszuständigkeiten betreffenden Regelungen. Wesentlich problematischer ist die Frage, ob und ggf. an Hand welcher Kriterien sich die Sonderverordnungen von den sog. Gemeinverordnungen unterscheiden lassen. Wenngleich es i m vorliegenden Zusammenhang ebenfalls noch um die isoliert zu erörternde Qualifikationsfrage geht, mag die eigentliche Relevanz des Problems schon vorweg angedeutet werden. Der Ausweis einer eigenen Kategorie „SonderVerordnungen" aus dem Bereich der Rechtsetzung der Exekutive impliziert zweierlei: Zunächst enthält er das Eingeständnis, daß auch die besonderen Gewaltverhältnisse Rechtsverhältnisse sind und die sie steuernden Regelungen Rechtssatzcharakter besitzen, also m i t dem „materiellen Gesetz" insoweit auf einer Stufe stehen 50 . Zugleich aber dient der Nachweis ihrer Unterscheidbarkeit von den Gemeinverordnungen dazu, das Erfordernis der gesetzlichen Ermächtigung zu modifizieren oder gänzlich i n Abrede zu stellen, was auf eine originäre Rechtsetzungsbefugnis der vollziehenden Gewalt hinausläuft. Die generelle dogmatische Konsequenz daraus ist, daß Ermächtigungen der Verwaltung i n diesem Bereich nicht konstitutiv, sondern limitativ sind. I n der Tat geht es — neben der Frage der Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen — um das Problem der verfassungsrechtlichen Funktionen Verteilung, worauf Böckenförde und Grawert 51 zutreffend hinweisen. Was zunächst die Frage der Qualifizierung der Sonderverordnungen anbetrifft, so w i r d die Differenzierung zwischen diesen und den Gemeinverordnungen zum einen auf die Vorgegebenheit des Regelungszweckes gestützt 52 . Sonderverordnungen, so w i r d gesagt, seien i n Regelungsumfang und Regelungsinhalt von vornherein auf einen speziellen, von an48 49 50 51 52
Dazu BayVerfGHE N. F. 11, 56. Vgl. Peter Becker, D Ö V 1970, 730 ff.; Erich Feindt, DÖV 1973, 768 ff. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 25 V I I I . AöR Bd. 95 (1970), S. 16. Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 21.
2. Gemein-, Sonder-, Verwaltungsverordnung
235
deren Verwaltungsagenden geschiedenen Zweck bezogen und begrenzt. Diese Basis ist dann für eine Unterscheidung tragfähig, wenn jene Eigenschaft (Vorgegebenheit des Regelungszwecks) den Gemeinverordnungen nicht zukommt. Nach A r t . 80 Abs. 1 Satz 2 GG und den entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Verordnungsermächtigung gesetzlich bestimmt sein. Die Begrenztheit des Regelungszwecks ist m i t h i n verfassungsrechtlich vorgeschrieben 53 . Aber auch rein faktisch ist gerade i m Verwaltungsrecht zu konstatieren, daß die Normen einen speziellen Verwaltungszweck verfolgen 54 . Aus umgekehrter Sicht läßt sich geradezu sagen, daß keine sinnvolle Norm denkbar ist, die nicht einen abgegrenzten Regelungszweck, d. h. aber: alle denkbaren Zwecke, verfolgt. Damit erweist sich das erste Abgrenzungskriterium als nicht tragfähig. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal w i r d angegeben, daß sich Sonderverordnungen potentiell oder aktuell nicht an jedermann, sondern von vornherein nur an einen bestimmten, abgegrenzten Kreis von Personen richteten 55 . Auch hiergegen gelten ähnliche Einwände. Zunächst ist deutlich, daß der aktuelle personale Geltungsbereich bei allen Rechtsnormen begrenzt ist. Aber auch i m Hinblick auf den potentiellen Adressatenkreis ist die Situation nicht sehr viel anders. Dabei soll hier das Problem, wer Adressat von Verwaltungsrechtsnormen ist oder sein kann, nicht erneut aufgerollt werden. Immerhin hängt die Beantwortung der Frage auch davon ab, wie man den Adressatenbegriff bestimmt. Hier mag nur daran erinnert werden, daß — wie bereits dargelegt — Regelungszweck und -gehalt jeder Norm notwendig begrenzt sind, wenn anders es nicht um eine Leerformel handeln soll. M i t diesem Regelungsgehalt muß die Norm an bestimmte Eigenschaften von Rechtssubjekten anknüpfen, die notwendigerweise anderen Rechtssubjekten nicht zukommen. Sofern das Merkmal „potentiell an jedermann adressiert" bezeichnen soll, daß von keinem Staatsbürger ausgeschlossen werden kann, daß er irgendwann einmal die Anknüpfungspunkte von Normen realisiert, so gilt das i n gleichem Maße für Gemein- wie für Sonderverordnungen. M i t Sicherheit gibt es sogar mehr Adressaten von Sonderverordnungen i m schulischen Bereich als auf anderen Gebieten des besonderen Verwaltungsrechts. Es muß also vorläufig dabei bleiben, daß die eingeführten Differenzierungsmerkmale eine normstrukturelle Verschiedenheit von Gemeinverordnungen und Sonderverordnungen nicht zu beweisen vermögen. 53
Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 288. Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 241; ders., V e r w A r c h Bd. 63 (1972), S. 444; Stig Jergensen, Rechtstheorie Bd. 2 (1972), S. 1 ff. (12 f.). 55 Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 21; Hans J. Wolff , V e r w a l tungsrecht I, § 25 V I I I a. 54
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I I I . 1. Kap.: Die Qualifizierung von Exekutivmaßnahmen
Letztere sind offenbar nur dadurch herausgehoben, daß die Anforderungen an die Ermächtigungen für die Rechtsetzung durch die Exekutive verringert oder suspendiert werden. Ob das zu Recht geschieht, ist eine weitere, noch nicht durch die Qualifikation präjudizierte Frage 56 .
56 So zutreffend Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 17 f.; vgl. weiter Bachof, Festschrift f ü r Laforet, S. 3 f.; Birk, „Rechtsvorschrift" u n d „Nachteil" als Verfahrensvoraussetzungen, S. 64; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 166 ff.
Zweites Kapitel
D i e Zulässigkeit administrativen Handelns i m Beamtenverhältnis 1. Abgrenzung der Fragestellungen a) Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes H i n t e r d e r h i e r z u e r ö r t e r n d e n T h e m a t i k v e r b e r g e n sich verschiedene P r o b l e m k r e i s e , d i e einerseits s o r g f ä l t i g a u s e i n a n d e r z u h a l t e n sind, a n dererseits z u m T e i l k o n v e r g i e r e n . A u c h b e i d e n f o l g e n d e n Ü b e r l e g u n g e n ist w i e d e r u m k e i n e systematische, umfassende D a r s t e l l u n g b e a b sichtigt, s o n d e r n l e d i g l i c h — nach der e r f o r d e r l i c h e n V o r k l ä r u n g — das Herausschälen d e r r e l e v a n t e n G e s i c h t s p u n k t e u n d A r g u m e n t a t i o n s weisen. Z u n ä c h s t f i n d e n sich das B e g r i f f s p a a r „ V o r r a n g " u n d „ V o r b e h a l t " des Gesetzes. D a b e i b e d e u t e t nach a l l g e m e i n e m V e r s t ä n d n i s 1 das P r i n z i p des Gesetzesvorrangs, daß ( a b s t r a k t e oder k o n k r e t e ) S t a a t s a k t e h ö h e r r a n g i g e m Recht n i c h t w i d e r s p r e c h e n d ü r f e n 2 , d e r G r u n d s a t z des G e setzesvorbehalts 3 , daß z u m i n d e s t v e r p f l i c h t e n d e Rechtsetzungen d e r gesetzlichen (rechtssatzmäßigen) E r m ä c h t i g u n g b e d ü r f e n 4 . A u f d i e n o r m a 1 BVerfGE 8, 155 (169); vgl. ferner stellvertretend Hans J. Wolff , V e r w a l tungsrecht I, § 30 I I a. 2 Dabei ist die Rangfrage nicht, w i e Jesch meint (Gesetz u n d Verwaltung, S. 29, Fußn. 94), „ i m Sinne der Merkl-Kelsenschen Stufenlehre" rechtstheoretisch vorentschieden, sondern muß aus der konkreten Rechtsordnung beantwortet werden. 3 Vgl. dazu etwa Erichsen, Staatsrecht u n d Verfassungsgerichtsbarkeit I, S. 28 ff.; Jesch, Gesetz u n d V e r w a l t u n g ; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 208 ff.; Hans Jürgen Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte u n d das grundgesetzliche Demokratieprinzip, B e r l i n 1973, passim; Selmer, JuS 1968, 489 ff.; Vogel, V V D S t R L 24 (1966), S. 125 ff. 4 Ob hierbei ein formelles oder ein materielles Gesetz i m Sinne der überkommenen Terminologie i n Betracht kommen oder ob gar ein „schlichter Rechtssatz" (vgl. Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 31, 37, 42) genügt, muß hier noch dahingestellt bleiben. Es mag jedoch darauf h i n gewiesen werden, daß i n der L i t e r a t u r zwei Normkategorien unterschieden werden: das staatsimmanent wirkende Amtsrecht u n d das gesellschaftsbezogene Außenrecht i. S. v. A r t . 20 Abs. 3 GG, dem allein das Prädikat des materiellen Gesetzes reserviert bleiben soll. Vgl. Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 245; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d G r u n d gesetz, S. 159; Rupp, Grundfragen, S. 75.
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I I I . 2. Kap. : Die Zulässigkeit administrativen Handelns
tive Struktur bezogen bedeutet dies, daß das Vorrangprinzip eine Reihe von faktisch möglichen Verhaltensweisen rechtlich verbietet, nämlich alle solche, die gegen höherrangiges Recht verstoßen. Das Vorbehaltsprinzip hingegen gebietet entweder bestimmte Verhaltensweisen (gebundene Verwaltung) oder erlaubt sie (Ermessensverwaltung) 5 . Das heißt: Das Vorrangigkeitsprinzip hat limitativen, das Vorbehaltsprinzip konstitutiven Charakter. Beide Grundsätze sind nicht strikt voneinander geschieden, sondern können i m konkreten Fall konvergieren 6 . Läßt sich beispielsweise ein Verwaltungsakt i n concreto nicht unter die einschlägige Ermächtigungsnorm subsumieren, dann ist weder dem Vorrang noch dem Vorbehalt des Gesetzes genügt. Fehlen nämlich tatbestandliche Voraussetzungen für ein Eingreifen der Verwaltung, dann ist i m fraglichen Fall eine Ermächtigungsgrundlage für dieses Tätigwerden nicht existent (Vorbehalt). Zugleich aber verstößt der Verwaltungsakt gegen höherrangiges Recht, w e i l eine begrenzte Ermächtigung 7 gleichzeitig ein Verbot statuiert, Akte zu setzen, die aus dem Ermächtigungsbereich herausfallen. Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes enthalten also eine teilweise Uberschneidung, ohne freilich identisch zu sein. Das läßt sich kurz wie folgt formulieren: Gesetzliche Gebote (Vorbehalt) enthalten gleichzeitig das Verbot (Vorrang) der gegenteiligen (kontradiktorischen) Verhaltensweise. Ebenso enthalten gesetzliche Erlaubnisse zur Vornahme belastender Akte, die nach unserer Rechtsordnung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sein müssen, das Verbot, beim Fehlen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen von der Erlaubnis positiv Gebrauch zu ma5 Die sog. Freistellungssätze können hier außer Betracht bleiben. Vgl. a l l gemein dazu Wilhelm Opfermann, Uber einen allgemeinen normlogischen Transformationskalkül u n d sich daraus ergebende Unmöglichkeitsbeweise, Rechtstheorie 1972, S. 191 ff.; dens., Z u r Gehaltsbestimmung normativer Strukturen durch kombinatorische Matrizenkalküle, Jahrbuch für Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie, Bd. 2 (1972), S. 187 ff. (192); Schnapp / Meyer, D R V 1972, 66 ff. (75). E i n Freistellungssatz liegt etwa vor, w e n n der V e r w a l tung ohne ausdrückliche Erlaubnis die Möglichkeit ganz beliebiger Verhaltensweisen eröffnet w i r d . Solch einen Satz stellte beispielsweise die Vermutungsregel des monarchischen Prinzips dar. Unter der Geltung des Gesetzesvorbehalts wären Freistellungssätze unsystematisch bzw. — wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot — unzulässig. β Die i n der deontischen L o g i k vorherrschende Auffassung behauptet sogar eine gegenseitige Austauschbarkeit von Gebots- u n d Verbotsnormen. Das ist nach den Untersuchungen von Opfermann (Jahrbuch für Rechtssoziologie u n d Rechtstheorie 1972, 187 ff.) zumindest zu undifferenziert. Er hat nachgewiesen, daß zwar jede Gebotsregel ganz bestimmte Verbotsregeln impliziert, nicht aber umgekehrt jede Verbotsregel auch ganz bestimmte Gebotsregeln. Das stimm m i t dem oben i m Text gewonnenen Ergebnis überein. 7 I m Bereich unserer Rechtsordnung ist jede Ermächtigung begrenzt. N o r mative Aussagen, die keine mögliche Verhaltensweise der Exekutive ausschließen, wären wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz rechtswidrig.
1. Abgrenzung der Fragestellungen
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chen. Hingegen impliziert ein Verbotssatz seinerseits keine Gebote oder Erlaubnisse zu bestimmten Verhaltensweisen. Anders ausgedrückt: Der Gesetzesvorrang erscheint als eine spezielle Ausprägung des Gesetzesvorbehalts, umgreift diesen seinerseits aber nicht. Das bedeutet weiter, daß m i t dem Vorrang des Gesetzes automatisch eine „Vorbehaltswirkung" 8 verbunden ist, denn eine vorhandene gesetzliche Regelung versperrt der Exekutive die Möglichkeit, abweichende Regelungen vorzunehmen. Oder, um mit Richard Thoma 9 zu sprechen: Der Bereich des Gesetzes Vorbehalts w i r d „vor allem durch den Vorrang der schon vorhandenen förmlichen Gesetze umschrieben". Der so gekennzeichnete Sachverhalt t r i f f t freilich die eher unproblematische Seite des Problems. Fraglich sind gerade normativer Standort, Umfang und Inhalt des Gesetzesvorbehalts. Insbesondere i m vorliegenden Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Verwaltung auch dort handeln darf, wo keine (förmlichen) Gesetze vorhanden sind, die über den Vorrang des Gesetzes ohnehin Vorbehaltsfunktion entfalten. Dabei sollten die vorhin angestellten normstrukturellen Erwägungen deutlich gemacht haben, daß die (unbestrittene) 10 Geltung des Gesetzesvorrangs die Suche nach einem eigenständigen normativen Standort des Vorbehaltsprinzips nicht entbehrlich macht. b) Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt
Der Gesetzesvorbehalt i m weiteren Sinne umfaßt zwei weitere Aspekte, die deswegen auseinandergehalten werden müssen, weil sie i n disparate weitere Fragestellungen und Argumente münden. M i t dem Terminus „Gesetzesvorbehalt" 11 ist das Problem angesprochen, ob und inwieweit eine rechtssatzmäßige 12 Determinierung administrativen Einzelfallhandelns erforderlich ist. Demgegenüber bezeichnet der Ausdruck „Parlamentsvorbehalt" (Vorbehaltungsbereich des Parlaments) 13 die Frage, welche Regelungen das Parlament, also der Gesetzgeber i m organisatorischen Sinne, selbst erlassen muß. Der Gesetzesvorbehalt weist 8
Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 30. HDStR I I , S. 222. Vgl. auch Bettermann, Die Bindung der Sozialbehörden an Gesetz u n d Recht, i n : Rechtsschutz i m Sozialrecht, S. 47 f. 10 A r t . 20 Abs. 3 GG. 11 Jesch (Gesetz u n d Verwaltung, S. 32, Fußn. 107) reserviert diesen Ausdruck f ü r den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt u n d ordnet i h n dem „ V o r behalt des Gesetzes" als Oberbegriff unter. Hansen (Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 57 ff.) bezeichnet den hier m i t „Gesetzesvorbehalt" gemeinten Grundsatz als Gesetzmäßigkeitsprinzip, während er unter „Gesetzesvorbehalt" den hier verwendeten Ausdruck „Parlamentsvorbehalt" versteht. Wie hier i n der Terminologie Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 15. 12 Vgl. nochmals Fußn. 4. 13 Dieser Ausdruck bei V G Hamburg, DÖV 1973, 55. 9
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I I I . 2. Kap.: Die Zulässigkeit administrativen Handelns
also einen bürgerorientierten, auf die Gewährleistung der individuellen Freiheit gerichteten, „rechtsstaatlichen" Aspekt auf, der Parlaments vorbehält hingegen deutet auf das „demokratische" Problem der Funktionsverteilung hin. Zwar gehören beide Seiten — wie Jesch 14 betont hat — ideengeschichtlich und dogmatisch-systematisch zusammen, jedoch sind sie nicht identisch, zumal sie auch i m Grundgesetz an unterschiedlichen Stellen ihren normativen Niederschlag gefunden haben. Während der Parlamentsvorbehalt seinen verfassungsrechtlichen Standort i n A r t . 80 Abs. 1 GG gefunden hat, der das Erfordernis formell-gesetzlicher Ermächtigung statuiert und gleichzeitig die verfassungsrechtlich gebotene Intensität der gesetzlichen Einbindung des Verordnungsgebers indiziert („Inhalt, Zweck und Ausmaß"), hat sich i n der Frage der verfassungsrechtlichen Verankerung des Gesetzesvorbehalts und des Bestimmtheitsgrundsatzes bis heute kein allgemeiner Konsens eingestellt. Bevor der Frage des normativen Standortes nachgegangen werden kann, ist nochmals eine kurze entstehungsgeschichtliche Rückblende erforderlich 15 , um ideengeschichtlichen Hintergrund, Genese und Inhaltswandel beider Prinzipien zu verdeutlichen. Das den konstitutionellen Verfassungen mehr imputierte als zugrunde liegende monarchische Prinzip 1 0 besagte mit seiner einen Komponente 17 , daß die Macht des Monarchen durch die Verfassung nicht begründet, sondern beschränkt wurde 1 8 . Das bedeutete, daß das selbständige Verord14
Gesetz u n d Verwaltung, S. 125. Grundlegend zur Entwicklungsgeschichte des Gesetzesvorbehalts Jesch, Gesetz u n d V e r w a l t u n g ; Erichsen, Verfassungs- u n d verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen. 16 Jesch (Gesetz u n d Verwaltung, S. 78 f.) zeigt anschaulich auf, daß das monarchische Prinzip m i t der aus der Volkssouveränitätslehre hervorgegangenen Verfassungsform der konstitutionellen Monarchie i n einem staatstheoretischen Widerspruch stand u n d mehr eine politische Willenserklärung i m staatstheoretischen Gewände darstellte. Vgl. auch Heinrich Otto Meisner, Die Lehre v o m monarchischen Prinzip i m Zeitalter der Restauration u n d des Deutschen Bundes, Breslau 1913, S. 198 ff. 17 Die zweite Komponente w a r die A b w e h r des parlamentarischen Prinzips; vgl. Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 78, 90. 18 Z u dieser Kompetenzpräsumtion vgl. Heinrich Albert Zachariä, Deutsches Staats- u n d Bundesrecht, 3. A u f l . 1865, S. 83; Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. A u f l . 1913, S. 705; Georg Meyer / Gerhard Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 7. A u f l . 1919, S. 273; Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. A u f l . 1928, S. 55; weitere Nachweise bei Jesch (Gesetz u n d Verwaltung, S. 88, Fußn. 80). I m Gegensatz dazu stellte Romeo Maurenbrecher (Grundsätze des heutigen deutschen Staatsrechts, 3. A u f l . 1847, S. 334 f.) einen Totalvorbehalt auf, w e n n er schrieb, „daß keine Regierung berechtigt ist, etwas auszuführen, w o f ü r k e i n Gesetz besteht". E i n solcher Totalvorbehalt w a r jedoch niemals anerkannt u n d Maurenbrecher hat aus i h m auch keine praktischen Konsequenzen gezogen. Kennzeichnend dafür ist eine eher beiläufige Bemerk u n g (ebd.), S. 334, A n m . b : „So wenig es faktisch möglich ist, daß die Gesetzgebung über alles sich ausspreche oder daß durch eine Gewalt alles vorgezeichnet werde, was die andere (vollziehende) zu t u n hat, ebenso unmöglich 15
1. Abgrenzung der Fragestellungen
241
n u n g s r e c h t des M o n a r c h e n als „ H e r r d e r E x e k u t i v e " 1 0 sich ü b e r a l l d o r t e n t f a l t e n k o n n t e , w o h i n d e r V o r b e h a l t des P a r l a m e n t e s als Gesetzgeb e r n i c h t r e i c h t e 2 0 . D e r V o r b e h a l t kennzeichnete also u n t e r d e m A s p e k t d e r F u n k t i o n e n v e r t e i l u n g d e n j e n i g e n Bereich, i n d e m d e r Gesetzgeber t ä t i g w e r d e n durfte. Das P a r l a m e n t als S t a a t s o r g a n w a r m i t h i n a u f d i e i h m ausdrücklich zugewiesenen Zuständigkeiten beschränkt, die verfassungsrechtliche E r m ä c h t i g u n g z u r Gesetzgebung m i t h i n k o n s t i t u t i v f ü r seine rechtssatzschaffende T ä t i g k e i t . I m ü b r i g e n g a l t d i e K o m p e t e n z p r ä s u m t i o n f ü r d e n M o n a r c h e n , d i e sich so als B e w e i s r e g e l e r w i e s 2 1 . D e r P a r l a m e n t s v o r b e h a l t seinerseits w u r d e d u r c h d i e F r e i h e i t s - u n d E i g e n t u m - F o r m e l u m r i s s e n 2 2 . Sie h a t t e eine d o p p e l t e F u n k t i o n : E i n e r seits w u r d e m i t i h r e r H i l f e das m a t e r i e l l e Gesetz (incl. Rechtsverord*· n u n g ) v o n der m a t e r i e l l e n V e r o r d n u n g ( V e r w a l t u n g s v e r o r d n u n g ) g e t r e n n t , z u m a n d e r e n besagte sie, daß E i n g r i f f e i n F r e i h e i t u n d E i g e n t u m d e r B ü r g e r 2 3 n u r d u r c h f o r m e l l e s Gesetz oder a u f g r u n d f o r m e l l - g e s e t z l i c h e r D e l e g a t i o n zulässig w a r e n 2 4 . B e i a l l d e m b e t r a f d e r P a r l a m e n t s vorbehalt infolge der anthropomorphen Unterscheidung v o n „ I n n e n " u n d „ A u ß e n " i m G e w ä n d e d e r I m p e r m e a b i l i t ä t s l e h r e eben n u r d i e „ G r ä n z e d e r R e g i e r u n g s g e w a l t " , w i e Lorenz v. Stein 25 f o r m u l i e r t e , b e ist es, i n der W i r k l i c h k e i t die Exekutive von allem Recht zu entblößen, selbst Normen zu setzen, . . . " Vgl. weiter dazu Erichsen, Verfassungs- und v e r w a l tungsrechtsgeschichtliche Grundlagen, S. 151. 19 Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 89; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 48. 20 Vgl. Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 149 ff. m. w. N. 21 I n dieser Beweislastverteilung sah G. Jellinek (Allgemeine Staatslehre, S. 705) de „ganzen juristischen K e r n " des monarchischen Prinzips. Vgl. auch Gerber, Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts, S. 44. 22 Anschütz, Stichwort „Gesetz", Wörterbuch des Deutschen Staats- u n d Verwaltungsrechts, Bd. 2, S. 212; ders., i n : Meyer / Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 639 f. Z u m ideengeschichtlichen H i n t e r g r u n d dieser Formel vgl. Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 117 ff. 23 d. h. n u r derjenigen, die i m sog. allgemeinen Gewaltverhältnis standen. Vgl. dazu Thoma, HDStR I I , S. 223; Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 206 ff. m i t Nachweisen. 24 Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 143. Die Formulierung i m Text vernachlässigt aus Gründen der Vereinfachung den Umstand, daß diese These nicht uneingeschränkt akzeptiert wurde. Ablehnend etwa Georg Meyer, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 5. A u f l . 1899; v. Sarwey, Allgemeines V e r w a l tungsrecht, Freiburg / Tübingen 1884, S. 36; Fritz Stier-Somlo, Rechtsstaat, V e r w a l t u n g u n d Eigentum, V e r w A r c h Bd. 19 (1911), S. 43 ff., insbesondere S. 84 ff. Noch der W ü r t t . V G H (Württ. Jahrb., Bd. 23, S. 244 ff., 245) stellte den Satz auf, die Polizeibehörden könnten insoweit einschreiten, als nicht besondere Bestimmungen des Reichs- oder Landesrechts entgegenstünden. Dies sei i n Rechtsprechung u n d Lehre „ i m allgemeinen anerkannt". Anders jedoch das preußische O V G (OVGE 1, 337). Vgl. zu den Quellen weiter Erichsen, Verfassungs- u n d verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen, S. 148 ff. 25 Die Verwaltungslehre, T e i l 1, Abt. 1, 2. Aufl., S. 297; vgl. auch Joseph v. Pözl, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, 5. A u f l . 1877, S. 411 ff. 16 Schnapp
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saß also unter Gewaltenteilungsaspekten i m Hinblick auf die Exekutive lediglich limitativen Charakter. Politisch war er Ausdruck des demokratischen Bestrebens, die M i t w i r k u n g des Volkes an der Gesetzgebung zu sichern, um so m i t Hilfe des Gesetzesvorrangs Einfluß auf die Tätigkeit der Exekutive zu gewinnen 2 6 . Neben der demokratischen Komponente wies der Gesetzesvorbehalt gleichzeitig einen „rechtsstaatlichen", bürgerorientierten Aspekt auf 2 7 . Er hatte die Gewährleistung der individuellen Bürgerfreiheit zum Ziele. Das Gesetz als Produkt der vereinigten Willen (Kant) besaß nach der zugrundeliegenden Vorstellung insofern Rechtsschutzfunktion, als nur bei gesetzlicher Bestimmung der Rechtsposition des Bürgers sichergestellt war, daß dem einzelnen kein Unrecht geschah, denn: volenti non fit iniuria 2 8 . Während also die Wirkung des Parlamentsvorbehalts sich mit der Formel „nichts contra legem" umreißen läßt, t r i f f t auf den Gesetzesvorbehalt die Formel zu: „nichts contra legem und nichts praeter legem, alles secundum legem" 2 9 . Es sind also stets beide Aspekte des Gesetzesbegriffs zu sehen: der kompetenzrechtliche und der individualrechtliche, das Gesetz als Ausdruck eines parlamentarischen Reservats und i n seiner Rechtsschutzfunktion. Sie sind auch deshalb zu unterscheiden, weil sich beide nicht zwangsläufig decken. Die sachlichen Bereiche von Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt sind erst dann identisch, wenn ein Totalvorbehalt angenommen wird. Anders herum gesehen: Gesetzes vorbehält und Parlamentsvorbehalt sind so lange nicht kongruent, wie der Verwaltung originäre oder — außerhalb von A r t . 80 Abs. 1 GG — derivative Rechtssetzungsbefugnis zugesprochen wird. Des weiteren können u. U. Exekutivakte, die unter dem Vorzeichen des Parlamentsvorbehalts unbedenklich sind, mit den Anforderungen 26 Ottmar Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte u n d i h r Schutz i n der deutschen Verwaltungsrechtsperchung, S. 73 f.; v. Unruh, Subjektiver Rechtsschutz u n d politische Freiheit i n der vorkonstitutionellen Staatslehre Deutschlands, H a m b u r g 1969, S. 9 f. Vgl. auch die Formulierung von R. Thoma, HDStR I I , S. 222: „ . . . der Vorbehalt des Gesetzes (wird) praktisch vor allem durch den Vorrang des schon vorhandenen förmlichen Gesetzes umschrieben." 27 Vgl. dazu Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 124 ff.; Vogel, W D S t R L 24 (1966), S. 150; Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 60 ff., 82 ff., 87 ff. ; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 40 ff. 28 Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1. T e i l : Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, § 46. 29 Z u dieser Formel vgl. Edgar Loening, Lehrbuch des Deutschen V e r w a l tungsrechts, Leipzig 1884, S. 241; Heinrich Rosin, Das Polizeiverordnungsrecht i n Preußen, 2. A u f l . 1895, S. 17 ff.; Richard Thoma, Der Polizeibefehl i m B a dischen Recht, Erster Teil, Tübingen 1906, S. 102. Bei G. Jellinek (Gesetz u n d Verordnung, S. 370 f.) hat die Wendung „secundum legem" offenbar n u r die Bedeutung „der Rechtsordnung gemäß", nicht jedoch: „aufgrund einer speziellen Ermächtigung".
1. Abgrenzung der Fragestellungen
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des Gesetzesvorbehalts unvereinbar sein. Das heißt, noch allgemein formuliert: Kompetenzrechtliche Sperren sind nicht zwangsläufig identisch m i t grundrechtlichen Sperren für die exekutivische Tätigkeit. Diese unterschiedliche Funktion mag kurz an zwei Argumentationsweisen erläutert werden. Während, wie bereits erwähnt, das Prinzip des Gesetzesvorbehalts der Vorhersehbarkeit und Meßbarkeit staatlichen Handelns aus der Sicht des Staatsbürgers dient, betrifft der Parlamentsvorbehalt die Frage, wie die Summe rechtsetzender Tätigkeit zwischen Parlament und Exekutive aufgeteilt ist. Ohne die Trennung überzubetonen, läßt sich sagen, daß ersterem rechtsstaatliche, letzterem demokratische Gedankengänge zugrundeliegen. Daher ist es zumindest undifferenziert, bei der Frage der Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung (Art. 80 Abs. 1 GG) ohne weiteres auf „das Rechtsstaatsprinzip" und auf die Sicht des Staatsbürgers abzustellen 80 Zwar bewirkt die Einhaltung des Delegationsmechanismus des Art. 80 Abs. 1 GG auch den Schutz des Staatsbürgers insofern, als er nicht dem Belieben der Exekutive ausgeliefert ist. Ob er ihn jedoch bezweckt, ist schon deshalb fraglich, w e i l i n A r t . 80 Abs. 1 GG ausdrücklich nur das formale Verhältnis Gesetz-Verordnung angesprochen ist. Zutreffend hat Hansen 31 auch aufgezeigt, daß diese Bestimmung die vorgesehene Entlastungsfunktion kaum erfüllen könnte, wenn man mit der Vorhersehbarkeitsklausel Ernst machen wollte. Jedenfalls bezweckt das Erfordernis der Verordnungsermächtigung zuallererst, daß sich der parlamentarische Gesetzgeber seiner Kernfunktion, nämlich der Setzung der politischen Leitentscheidungen, nicht soll entziehen können 3 2 . Demgegenüber liegt dem Gesetzesvorbehalt (in Form des Allgemeinvorbehalts 33 ) das Idealbild zugrunde, daß der Staatsbürger schon aus dem Gesetz soll ersehen können, wozu er berechtigt und verpflichtet ist, damit er sich entsprechend verhalten kann. Hier ist die „Sicht des Staatsbürgers", das rechtsstaatlich-individualrechtliche Argument am Platze, kompetenzrechtliche Gedankengänge greifen hingegen nicht. Ähnliche Überlegungen gelten hinsichtlich des Funktionswandels von Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt. Z u Zeiten des Konstitutionalismus 30 Vgl. Helmut Quaritsch, Das parlamentslose Parlamentsgesetz, 2. Aufl., Hamburg 1961, S. 8 ff. Ebenso — i m Prinzip zutreffend — Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 90 ff. Seine K r i t i k ist allerdings überspitzt, zumal das Bundesverfassungsgericht sowohl den individualrechtlichen als auch den kompetenzrechtlichen Aspekt i m Auge hat. V g l . zuletzt BVerfGE 34, 52 (59 f.). 31 Fachliche Weisung, S. 93. 32 BVerfG, st. Rspr. Vgl. BVerfGE 1, 14 (60); 34, 52 (60). 33 Ob das Grundgesetz einen solchen Allgemeinvorbehalt kennt, ist hier noch dahingestellt. Jedenfalls w i r d er von der h. M. angenommen. Vgl. v o r erst dazu aus jüngster Zeit Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzes vorbehalte, S. 11 ff.; Walter Krebs, Vorbehalt des Gesetzes u n d Grundrechte, B e r l i n 1975, passim.
ΐβ·
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umschrieb der m i t Hilfe des Gesetzesbegriffes qualifizierte Parlamentsvorbehalt den der absolutistischen Machtfülle entwundenen Bereich, i n dem die gesetzgebenden Körperschaften tätig werden durften. Anders nach der Konzeption des Grundgesetzes: Unter dem Aspekt der Gewaltenteilung indiziert der Parlamentsvorbehalt den Raum, i n welchem die Legislative tätig werden muß, i n dem m. a. W. die vollziehende Gewalt nicht ohne vorgängige gesetzgeberische Rechtssetzungsdelegation agieren darf. Der rechtsstaatliche Gesetzesbegriff des Konstitutionalismus i m Rahmen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung hatte die Funktion, die Sphäre des einzelnen gegen Eingriffe der Exekutive abzuschirmen 34 . Diese bereits erwähnte Rechtsschutzfunktion des Gesetzes beruhte auf der Vorstellung, daß dem einzelnen wohl durch die demokratisch nicht legitimierte Exekutive, nicht aber durch das Gesetz als autonomer „Entscheidung über die eigenen Angelegenheiten" 35 Unrecht geschehen konnte. Gesetzgebung war Selbstregierung, zu der der einzelne (fingiert) bereits seine Zustimmung gegeben hatte. Hat man ausschließlich diese Schutzfunktion des Gesetzes i m Auge, so ist grundsätzlich die Befugnis des Individuums nicht zu bestreiten, bei Eingriffen der Verwaltung die generelle, i m Gesetz zum Ausdruck kommende Einwilligung durch die Einwilligung i m Einzelfall zu ersetzen 30 . Ohne daß hier auf das Problem des Grundrechtsverzichts näher eingegangen zu werden brauchte 37 , läßt sich daher dem Argument des „volenti non fit iniuria" bereits entgegenhalten, daß es die kompetenzrechtliche Seite des Gesetzesbegriffes über der Rechtsschutzfunktion aus den Augen verliert. Denn der Gesetzesbegriff hat i n Gestalt des Parlamentsvorbehalts die Aufgabe, der Legislative die grundsätzliche Ausgestaltung der Sozialordnung zuzuweisen. Bejaht man also die Möglichkeit für den einzelnen, durch Einwilligung i m konkreten Fall, das „Hindernis wegzuräumen" 3 8 , welches der Gesetzesvorbehalt für die vollziehende Gewalt errichtet, so muß man sich i m klaren darüber sein, daß man dem I n d i v i duum eine Dispositionsbefugnis über verfassungsrechtlich festgeschriebene Zuständigkeitsverteilungen einräumt — eine Konsequenz, die des34
Vgl. etwa Forsthoff, D V B l . 1957, 725. Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 27. Z u r Rechtsschutzfunktion des Gesetzes vgl. weiter Otto Mayer, Z u r Lehre v o m öffentlich-rechtlichen Vertrage, AöR Bd. 3 (1888), S. 3 f f. (30); BVerfGE 8, 274 (325); 13, 261 (270); Kesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 8. A u f l . 1975, S. 203 f.; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers u n d die Rechtsweggarantie, S. 164; Pestalozza, Der Garantiegehalt der Kompetenznorm, Der Staat Bd. 11 (1972), S. 161 ff.; Schnapp, VSSR 1974,194; Wertenbruch / Meyer, SGb 1973, 297 ff. (307). 38 Forsthoff, D V B l . 1957, 725. 37 Dazu BVerwG, D V B l . 1962, 524 (525); Dame, Das Verhältnis der G r u n d rechte zu den besonderen Gewaltverhältnissen, S. 19; Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 238 f. m i t Nachweisen. 38 Otto Mayer, AöR Bd. 3 (1888), S. 3 ff. (39). 35
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halb nicht angängig ist, weil sie — pointiert formuliert — den Staatsbürger zum verfassungsändernden Gesetzgeber macht 39 . Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der einzelne i m konkreten Fall bei grundrechtsrelevanten — unterstellt: rechtswidrigen — Eingriffen auf die Geltendmachung von Reaktionsansprüchen verzichten kann 4 0 , weil kein rechtlicher Zwang existiert, Rechtsverletzungen zu rügen. Ein derartiger Rechtsschutzverzicht beseitigt jedoch nicht die Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Festzuhalten ist jedenfalls, daß dort, wo der kompetenzrechtliche Aspekt ins Spiel kommt, das Argument des volenti non fit iniuria fehl am Platz ist. Hier t r i f f t vielmehr die Formel zu „jus publicum pactis privatorum mutari nequit" 4 1 . c) Gesetzesvorbehalt und Gesetzesbegriff
Der Allgemeinvorbehalt i n seiner klassischen Gestalt gehört zum „eisernen Bestand der Staatsrechtsdogmatik" 42 . Ob das zu Recht so ist, kann hier noch dahinstehen. Denn wie die Untersuchung von Chr. Starck 13 jüngst noch gezeigt hat, sind auch die Verfechter des Allgemeinvorbehalts nicht genötigt, von einem starren, weiterer Differenzierung nicht zugänglichen Gesetzesbegriff auszugehen. Ausgangspunkt ist dabei A r t . 80 Abs. 1 Satz 2 GG, der für sich selbst keine dem Gesetzgeber gegenüber wirkende Sperre enthält, i n irgendeinem rechtlicher Regelung zugänglichen Bereich eine Verordnungsermächtigung zu erlassen. Daher kann der Freiheitsbereich der Staatsbürger auch m i t Hilfe von Verordnungen bestimmt werden, sofern die Legislative die Sachentscheidung getroffen hat 4 4 . Unter diesen Voraussetzungen bilden nur solche Verfassungsbestimmungen Delegationssperren, die für die grundrechtsrelevante Regelung ein förmliches Gesetz verlangen; genauer gesagt: die Fälle, i n denen die Einzelentscheidung unmittelbar auf ein förmliches Gesetz zurückführbar sein muß. Ähnliches gilt für rein organisatorische Akte. Dieser Ansatz ermöglicht zugleich eine variable Handhabung von A r t . 80 Abs. 1 Satz 2 GG, dessen „Inhalt, Zweck und Ausmaß" — K l a u sel je nach dem zu regelnden Bereich strikter oder großzügiger gehandhabt werden kann. Diesem unter der Herrschaft des Grundgesetzes gewonnenen Ergebnis entspricht auch die tradierte Lehre, wonach i m Vorbehaltsbereich die Delegation von Rechtsetzungsbefugnis an die Exekutive nicht grund39 Vgl. auch Werner Thieme, Der Gesetzesvorbehalt i m besonderen Gewaltverhältnis, J Z 1964, 81 ff. (84). 40 Bachof, Verwaltungsrecht I, § 43 I V . 41 Z u dieser Formel: Forsthoff, DVB1. 1957, 725. 42 Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 288 Fußn. 4. 43 Ebd., S. 288 ff. 44 Starck, ebd., S. 293.
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sätzlich ausgeschlossen w a r 4 5 . Lediglich für einige Sonderbereiche — so etwa das Steuerrecht — galt und gilt das Erfordernis des formellen Gesetzes46. Gleiches ergibt sich, wenn man den Allgemeinvorbehalt ablehnt und von den grundrechtlichen Sondervorbehalten ausgeht 47 . Auch hier w i r d auf die Frage nach der Ermächtigung für grundrechtsrelevante Eingriffe eine differenzierte, „die traditionelle Vorbehaltslehre teils übertreffende, teils hinter ihr zurückbleibende A n t w o r t " 4 8 gegeben. Problematisch für beide Auffassungen ist der Bereich der sog. Sonderverordnungen und der Verwaltungsverordnungen. Während letztere Rechtssatzgruppe einmütig der verfassungsunmittelbaren Organisationsund Geschäftsleitungsgewalt zugeordnet und als grundrechtsneutral angesehen wird, ist bei den Sonderverordnungen die Grundrechtsrelevanz qua definitione gegeben. Die Argumente, die für eine Entbehrlichkeit von gesetzlichen Ermächtigungen für Sonderverordnungen vorgebracht werden, sind später gesondert zu erörtern. Z u einer Ausdehnung des Gesetzesbegriffs i n Richtung auf einen bloßen (schlichten) Rechtssatzbegriff gelangt i n neuerer Zeit Papier 40. Er führt neben dem unbedingt formellen Gesetzes vorbehält und den „nicht zwingenden" Parlamentsvorbehalten die „schlichten" Rechtssatzvorbehalte auf. Während die ersten beiden Kategorien dadurch qualifiziert sind, daß die grundrechtsrelevante Regelung durch förmliches Gesetz oder gesetzesabgeleitete Rechtsverordnung folgt, weist der einfache Rechtssatzvorbehalt auf solche Rechtsetzungen der Exekutive hin, bei denen der demokratische Legitimationsstrom fehlt. Damit zielt er vor allem auf die Kategorie der Sonderverordnungen ab. M i t der Propagierung dieser dritten Vorbehaltsgruppe ist eine Erweiterung des Gesetzesbegriffs aus folgenden Gründen gegeben: A u f der Basis der zutreffenden Erkenntnis, daß es sich bei Sonderverordnungen nicht um Regelungen i n der „Innensphäre" der Verwaltungsorganisation handelt, sondern um die Ordnung des Rechtsverhältnisses zwischen natürlichen Personen und dem Träger des sog. besonderen Gewaltverhältnisses 50 , setzt Papier die Sonderverordnungen den Rechtssätzen i m histo45
Thoma, HDStR I I , S. 225 ff. Vgl. dazu Heinrich Wilhelm Kruse, Gesetzmäßige Verwaltung, tatbestandsmäßige Besteuerung, i n : V o m Rechtsschutz i m Steuerrecht (hrsg. v. Felix), Düsseldorf 1960, S. 93 ff. (113). 47 So etwa Vogel, W D S t R L 24 (1966), S. 149 ff.; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 26 ff. ; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes u n d G r u n d rechte, passim. 48 Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 30. 49 Ebd., bes. S. 31 f., 37 ff. 50 Vgl. Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 20 f.; Brohm, DÖV 1964, 245 ff.; Rupp, Grundfragen, S. 41. 46
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risch-konventionellen Sinne gleich. Das ergibt die — i n neuerer Zeit auch sonst akzeptierte 51 — Gleichung: Sonderverordnung = materielles Gesetz. Damit ist aus der bereits apostrophierten Bürgerperspektive zwar der rechtsstaatlichen Forderung nach hinreichender inhaltlicher Bestimmung des Eingriffstatbestandes genügt. Was aus der Diskussion jedoch herausbleibt, ist die Frage nach dem Urheber der Norm 5 2 . Das heißt, der kompetenzrechtliche Aspekt w i r d wenn nicht unerörtert gelassen, so doch auf die Weise gelöst, daß eine originäre Regelungsgew a l t der Exekutive i m Sonderverordnungsbereich anerkannt w i r d 5 3 . Damit ist der Gesetzesbegriff insofern erweitert, als er materielle Gesetze m i t und ohne Rechtsetzungsdelegation umfaßt, während von der herrschenden Meinung beim allgemeinen und von einer i m Vordringen befindlichen Auffassung auch beim besonderen Gewaltverhältnis nur solche materiellen Gesetze als zulässige grundrechtsrelevante Regelungen angesehen werden, die auf eine legislatorische Ermächtigung zurückgehen 54 . M i t der Einnahme dieser Position w i r d i m Ergebnis der auf das allgemeine Gewaltverhältnis beschränkte Gesetzesbegriff der konstitutionellen Epoche übernommen bzw. das besondere Gewaltverhältnis als dogmatische Kategorie wiederbelebt. Diese Konsequenz erscheint insofern widersprüchlich, als Papier anerkennt 5 5 , daß die Sonderverordnungen „nicht anders als Gesetze und Verordnungen das (Außen-) Verhältnis Staat-Bürger wenn auch i n dem spezifischen Fall eines besonderen* Gewaltverhältnisses regeln". Festzuhalten ist zudem, daß das Erfordernis gesetzlicher Ermächtigung zum Erlaß von Sonderverordnungen aus kompetenzrechtlichen Erwägungen heraus abgelehnt w i r d 5 6 . Ob diese Überlegungen zutreffen und ob nicht grundrechtlich orientierte Gedankengänge einen anderen Schluß nahelegen, w i r d zu erörtern sein, wenn der normative Standort des Gesetzesvorbehalts abgeklärt ist.
51 Vgl. n u r Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, §25 V I I I a; Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 245 f. 52 Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 41. 58 Papier, S. 44 f. 54 Vgl. generell Walter Schick, Untergesetzliche Rechtssätze als Enteignungsnormen, DVBl. 1962,774 ff. (774); speziell zum vorliegenden Problem HessStGH, N J W 1970, 1914; Brohm, D Ö V 1964, 248; Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 245; Fuß, D Ö V 1972, 765 ff. (769); Ossenbühl, AöR Bd. 92 (1967), S. I f f . (31 f.); Rupp, Grundfragen, S. 130 f.; ders., N J W 1970, 412 f.; Selmer, JuS 1968, 489 ff. (494). 55 Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 43. 56 Böckenförde ! Grawert, AöR Bd. 95 (1970), bes. S. 17, 28; Papier, S. 44.
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I I I . 2. Kap. : Die Zulässigkeit administrativen Handelns 2. D e r Gesetzesvorbehalt a) Normativer Standort und Geltungserstreckung
I n relativer Geschlossenheit hat die deutsche Staatsrechtslehre die A k zeptation der These von Klaus Vogel 57 verweigert, daß der Allgemeinvorbehalt angesichts der grundsetzlichen Gesetzesvorbehalte entbehrlich geworden sei, weil er nur wiederhole 58 , was sich den Grundrechtsbestimmungen ohnehin entnehmen lasse 59 . Das muß deshalb überraschen, weil sich zunächst dem Wortlaut des A r t . 20 Abs. 3 GG, der von einem Teil der Lehre als Standort des Gesetzesvorbehalts angesehen wird, insoweit nichts entnehmen läßt. Diese Bestimmung statuiert zweifelsfrei den Vorrang des (vorhandenen) Gesetzes, da eine Bindungswirkung nur von vorrangigen Normen ausgehen kann. Demnach ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Hecht gebunden — aber eben nur, soweit „Gesetz und Hecht" vorhanden sind. Auch bei zurückhaltender Interpretation läßt sich also sagen, daß A r t . 20 Abs. 3 GG über die Geltung des Gesetzesvorbehalts nichts aussagt 60 . Gegenüber der Herleitung aus den Staatsstrukturbestimmungen des Grundgesetzes wie Rechtsstaatsgebot, Demokratieprinzip, Gewaltenteilungsgrundsatz u. ä., sind prinzipielle Bedenken am Platze. Chr. Starck hat einem solchen Vorgehen pointiert entgegengehalten, auf diese Weise verlasse man die Grundlage jeder dogmatischen Arbeit, der irrationale Beitrag des Interpreten als Deuter werde übermächtig 61 . Die K r i t i k er57 V V D S t R L 24 (1966), S. 149 ff. Vgl. ferner Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 27 ff. ; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes u n d Grundrechte, S. 32 ff. ; Bettermann, Die B i n d u n g der Sozialbehörden an Gesetz u n d Recht, i n : Rechtsschutz i m Sozialrecht, S. 47 f f. (47); Stein, Staatsrecht, S. 101; zurückhaltend noch Verf., Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 20 Rdnr. 38. 58 Daß der Allgemeinvorbehalt u n d die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte nicht deckungsgleich sind, betont zu Recht Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 29 f. Das folgt u. a. auch daraus, daß der überkommene Gesetzesvorbehalt n u r f ü r das sog. allgemeine Gewaltverhältnis Geltung beanspruchte. 59 Ablehnend i n der Diskussion ( V V D S t R L 24, S. 210 ff.): Badura (212); Bachof (224 f.); Zacher (235 f.); Bullinger (239 f.); vgl. des weiteren Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 288 m i t Fußn. 3; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 81 f.; Rupp, Festschrift für Küchenhoff, S. 655. 60 Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 134; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 228. Der Gesetzesvorbehalt ist insofern „vorausgesetzt", als es überhaupt Gesetze geben muß, welche die V o r r a n g w i r k u n g auslösen, da sonst die Gesetzesbindung leerliefe. Vgl. Hesse, Grundzüge des V e r fassungsrechts, S. 81 f.; Maunzi Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, G r u n d gesetz, A r t . 20 Rdnr. 128; Schnapp, Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 20 Rdnr. 38. Das ist jedoch ein faktisches Problem u n d ändert nichts an dem Umstand, daß sich dem A r t . 20 Abs. 3 GG keine normative Anordnung über Geltung u n d Reichweite des Gesetzesvorbehalts entnehmen läßt. 61 Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 282. Vgl. ferner Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 91.
2. Der Gesetzesvorbehalt
249
scheint nicht unbegründet angesichts der Tatsache, daß oft die gleichen Prinzipien zur Herleitung diametral entgegengesetzter Ergebnisse herhalten müssen 62 . Dabei kann man sich zuweilen des Eindrucks nicht erwehren, als stünden bei den Interpretationsbemühungen außerverfassungsrechtliche, staatstheoretische Modelle Pate. Demgegenüber muß betont werden, daß gerade die Staatsstrukturbestimmungen nur so verstanden werden können, wie sie i m Grundgesetz i m einzelnen ihre normative Ausformung erfahren haben 63 . Das gilt beispielsweise für das Argumentieren aus dem Rechtsstaatsgedanken, der den Allgemeinvorbehalt i n sich bergen soll 6 4 . Ausdrückliche Erwähnung findet das Rechtsstaatsprinzip nur i m Rahmen des Homogenitätsgebots (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG). Bereits diese Bestimmung verweist jedoch wieder auf den Rechtsstaat „ i m Sinne dieses Grundgesetzes". Was das Grundgesetz aber unter Rechtsstaat versteht, darüber enthält der Verfassungstext keine Aussage. Sofern A r t . 28 Abs. 1 Satz 1 GG als Verweis auf A r t . 20 GG angesehen wird, muß wiederum konstatiert werden, daß letztere Bestimmung nicht den klassischen Rechtsstaatsbegriff i m überkommenen Umfange rezipiert hat, sondern enumerativ Einzelprinzipien normiert 6 5 . Unter diesen Prinzipien findet sich insbesondere der Vorbehalt des Gesetzes nicht. Demgegenüber könnte eingewandt werden, Verfassungsrecht verweise nicht nur auf den Verfassungstext, sondern zugleich auch auf die „Tradition der politischen Ideen" 6 6 , die i n der Verfassung rezipiert seien. Diese Argumentation beschreibt freilich einen Zirkel, denn welche politischen Ideen das Grundgesetz rezipiert hat, läßt sich eben nur anhand des Verfassungstextes intersubjektiv einsichtig nachweisen. Es muß m i t h i n dabei bleiben, daß eine verfassungsrechtliche, normorientierte Betrachtung nicht von einem „vorverfassungsmäßigen Gesamtbild" 6 7 politischer 62
Beispiele bei Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 228 f.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 281 f.; Schnapp, Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 20, Rdnr. 54. Vgl. auch Siegfried Magier α, Allgemeine Regelungsgewalt („Rechtsetzung") zwischen Parlament und Regierung, Der Staat Bd. 13 (1974), S. 1 ff. (5). 83 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 52; Schnapp, GrundgesetzKommentar 1, A r t . 20, Rdnr. 4, 12, 21, 34. 84 BVerfGE 2, 1 (12f.); Ernst Friesenhahn, Die rechtsstaatlichen G r u n d lagen des Verwaltungsrechts, Recht - Staat - Wirtschaft, Bd. 2, S. 239 ff. (242); Hans Hub er, Niedergang des Rechts u n d Krise des Rechtsstaats, Festgabe für Giacometti, S. 59 ff. (59 f.); Maunz ί Dürig, Grundgesetz, A r t . 20, Rdnr. 124; Hans Peters, Rechtsstaat u n d Rechtssicherheit, Recht - Staat - Wirtschaft, Bd. 3, S. 66. 85 Helmut Ridder, Z u r verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften i m Sozialstaat nach dem Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 1960, S. 67; Schnapp, Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 20, Rdnr. 21, 24. 88 Badura, W D S t R L 24 (1966), S. 212; vgl. demgegenüber Vogel, ebd., S. 232. 87 So BVerfGE 2, 380 (403).
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I I I . 2. Kap. : Die Zulässigkeit administrativen Handelns
Ideen ausgehen kann, sondern sich an der konkreten Ausgestaltung orientieren muß, die beispielsweise „das Rechtsstaatsprinzip" i m Grundgesetz gefunden hat 6 8 . Es bleibt daher angesichts des normativen Befundes i n der Tat kein anderer als der von Vogel zuerst eingeschlagene Weg. Das ist um so unproblematischer, als die Freiheitsseite des Eingriffsvorbehaltes durch die allgemeine Handlungsfreiheit und die Einzelfreiheitsrechte „ i n vollkommener Weise bestimmt ist" 6 9 . Daß damit nicht lediglich die normativen Grundlagen für ein und dasselbe Prinzip ausgetauscht sind, leuchtet ein. Das gilt zunächst i m Hinblick auf den Vorbehalt i n der Leistungsverwaltung. Unter grundrechtlichen Aspekten ließe er sich nur dann neu begründen, wenn man den Charakter der Freiheitsrechte als Teilhaberechte belegen könnte 7 0 . A n sonsten wäre auf Staatsstrukturprinzipien zu rekurrieren oder unter kompetenzrechtlichen Aspekten nachzuweisen, daß es nicht nur eine Rechtsetzungsprärogative, sondern ein Rechtsetzungsmonopol des Parlaments gibt 7 1 . Darauf braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. I m vorliegenden Zusammenhang ist vor allem von Bedeutung, daß sich m i t der Ablösung des Allgemeinvorbehalts durch die grundrechtlichen Sondervorbehalte die Argumentation i m Bereich der Sonderverordnungen ändert. Hält man daran fest, daß das Grundgesetz den überkommenen Gesetzesvorbehalt rezipiert habe, dann ist die anschließende Feststellung zwingend, daß dieser Vorbehalt nur i m Hinblick auf traditionelle Rechtsverordnungen i m sog. allgemeinen Gewaltverhältnis konzipiert war 7 2 . Anders bei einer grundrechtsorientierten Herleitung des Vorbehalts: Die Grundrechtsbestimmungen enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, daß ihre Gewährleistungen i m Beamtenverhältnis nicht gelten sollten. Demgemäß ist denn auch die prinzipielle Geltung der Grundrechte i m Beamtenverhältnis nicht mehr umstritten. Das mag hier als Andeutung genügen. Vorläufig ist festzuhalten, daß der normative Standort des Gesetzesvorbehalts bei den Grundrechtsbestimmungen zu suchen ist. Dabei kommen für das Beamtenverhältnis praktisch nur die nicht zwingenden Gesetzesvorbehalte i n Betracht, d. h. die Bereiche, i n denen zumindest 68 Wie hier Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 76; vgl. weiter Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 91. 69 Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 135; ebenso Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 28 f. 70 Vgl. Erichsen, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 243. Grundsätzlich zum Problem Häberle, Grundrechte i m Leistungsstaat, V V D S t R L 30 (1972), S. 43 ff. Die eigene Position bei Schnapp / Meyer, D R V 1973, 70 f. 71 Vgl. dazu Martin Kriele, Das demokratische Prinzip i m Grundgesetz, V V D S t R L 29 (1971), S. 46 ff. (64, 82). 72 Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 25.
2. Der Gesetzesvorbehalt
251
Rechtsverordnungen aufgrund formell-gesetzlicher Ermächtigung ergehen müssen. Die Diskussion um die Erforderlichkeit von Ermächtigungen hat sich vor allem an der Kategorie der Sonderverordnungen entzündet, die nachfolgend gesondert behandelt werden soll. b) Insbesondere: Die Sonderverordnungen
Nachdem bereits festgestellt worden ist, daß sich zwischen Gemeinverordnungen und Sonderverordnungen keine normstrukturellen Unterschiede ausmachen lassen, geht es nur noch um die gesetzliche Ermächtigung zum Erlaß von Sonderverordnungen. Dabei ist der Stand der Diskussion hinreichend markiert durch die grundlegende Abhandlung von Böckenförde und Grawert™, denen sich Papier 74 angeschlossen hat, die Replik von Erichsen 75 sowie die Darstellung von Hans J. Wolff i n der neuesten Auflage seines Lehrbuches 76 , i n der er seine Auffassung einer erneuten Revision unterzieht. Auch die neuere Rechtsprechung 77 hat einige Richtpunkte gesetzt 78 . Böckenförde und Grawert gehen von dem Umstand aus, daß das Grundgesetz bei seinem Erlaß eine ganz gängige Lehre vom Allgemeinvorbehalt vorfand, der herkömmlich nur auf Eingriffe i n „Freiheit und Eigentum" i m sog. allgemeinen Gewaltverhältnis h i n konzipiert w a r 7 9 . Dieser Gesetzesvorbehalt hatte zwar seiner Genese nach auch die Rechtsschutzfunktion und freiheitswahrende Aufgabe des parlamentarischen Gesetzes zum ideellen Hintergrund, i n der Verfassungswirklichkeit markierten Gesetzesvorbehalt und Gesetzesbegriff jedoch vor allem die Kompetenzverteilung zwischen dem Parlament und der demokratisch nicht legitimierten Exekutive, der die Volksvertretung bestimmte Reservate aus der absolutistischen Machtfülle hatte belassen müssen 80 . M. a. W.: I m Zeitpunkt der verfassungsrechtlichen Neuordnung des staatlichen Lebens existierte eine ganz bestimmte Gewichtung 78
AöR Bd. 95 (1970), S. 1 ff. Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 42 ff. 75 Besonderes Gewaltverhältnis u n d Sonderverordnung, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 219 ff. 76 Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. A u f l . 1974, § 25 V I I I . 77 BVerfGE 33, 1; 34, 165; B V e r w G , D Ö V 1974, 62; rh.-pf. OVG, N J W 1973, 1663; HessStGH, N J W 1970, 1915; O V G Lüneburg, D V B l . 1973, 280; O V G Berlin, D V B l . 1973, 273. 78 s. i m übrigen aber auch Selmer, V e r w A r c h Bd. 59 (1968), S. 114 ff.; ErnstWerner Fuß, Personale Kontaktverhältnisse zwischen V e r w a l t u n g und B ü r ger, DÖV 1972, 765 ff.; Rolf Groß, Z u r originären Rechtsetzung der Exekutive, D Ö V 1971, 186 ff.; Eberhard Kempf, Grundrechte i m besonderen Gewaltverhältnis — BVerfG, N J W 1972, 811, JuS 1972, 701 ff.; Rupp, N J W 1970, 412 f. 79 AöR Bd. 95 (1970), S. 25. 80 Die Formulierung i m Text ist wegen der Kürze der Darstellung überzeichnet; vgl. Erster Teil, Erstes Kapitel, 1 a. 74
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I I I . 2. Kap.: Die Zulässigkeit administrativen Handelns
i m Bereich der Funktionsteilung, die beim ersten Hinsehen vom Grundgesetz jedenfalls unter kompetenzrechtlichen Aspekten nicht explizit verschoben worden ist. Daß der Hinweis auf den Ubergang zur demokratischen Verfassungsstruktur nicht geeignet ist, eine Erweiterung des traditionellen Gesetzesvorbehalts i n Richtung auf einen Totalvorbehalt zu begründen 81 , ist verschiedentlich überzeugend dargelegt worden 8 2 . Denn angesehen davon, ob es angängig ist, die Annahme einer ubiquitären „demokratischen Verfassungsstruktur" 83 unmittelbar auf Rechtsfolgen durchschlagen zu lassen: Die Exekutive unter der Herrschaft des Grundgesetzes unterscheidet sich gerade von der monarchischen Exekutive des konstitutionellen Systems dadurch, daß sie — wenn auch nur mittelbar — demokratisch legitimiert ist. I m Hinblick auf die Funktionenverteilung ist daher die Feststellung von Böckenförde und Grawert 84 zunächst nicht von der Hand zu weisen, daß das Grundgesetz einen „bestimmt gearteten allgemeinen Gesetzesvorbehalt" 85 vorfand, der nach damaliger Rechtsauffassung dadurch gekennzeichnet war, daß das Gesetz i m besonderen Gewaltverhältnis keine konstitutive, sondern l i m i tative Funktion entfaltete. Ebenso zutreffend ist ihre Feststellung, daß die rechts theoretische Qualifikation der Sonderverordnungen (und Verwaltungsverordnungen) als Rechtssätze allein noch nicht deren Zuordnung zu der verfassungsdogmatischen Kategorie der Rechtsverordnungen rechtfertigt 8 6 . Insofern ist auch der These zuzustimmen, daß ein veränderter Rechtssatzbegriff nicht die verfassungsrechtlich festgeschriebene Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Exekutive verschieben kann 8 7 . Das wäre i n der Tat „apokryphe Verfassungswandlung durch Begriffsveränderung" 8 8 . So richtig diese Thesen — isoliert betrachtet — sind, so sehr leiden sie doch darunter, daß sie eine Seite der Problematik akzentuieren und 81 So etwa Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 95, 171 ff.; Mallmann, Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, V V D S t R L 19 (1960), S. 165 ff., 181 ff.; Franz Mayer, Das verfassungsrechtliche Gebot der gesetzlichen Ermächtigung, Festschrift für Hermann Nottarp, Karlsruhe 1961, S. 187 ff. (193). 82 Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 25 f.; Ossenbühl, V e r w a l tungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 228; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, S. 31 f. 83 Auch an dieser Stelle muß wieder festgehalten werden, daß das A r g u mentieren m i t einer vorverfassungsmäßigen demokratischen Verfassungss t r u k t u r i n die Gefahr geraten kann, keine normativ abstützbaren, gesicherten dogmatischen Ergebnisse zu zeitigen. Das demokratische Prinzip „lebt hauptsächlich i n seinen Konkretisierungen". Vgl. Kriele, V V D S t R L 29 (1971), S. 47. 84 AöR Bd. 95 (1970), S. 25, 27. 85 Ebd., S. 27. 86 Ebd., S. 16 f., 19. 87 Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 44 f. 88 Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 17.
2. Der Gesetzesvorbehalt
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allein hier die Lösung suchen. Einige Einwände zu Prämissen und Schlußfolgerungen mögen das deutlich machen. Zunächst bedeutet der Umstand, daß das Grundgesetz i m Zeitpunkt seiner Schaffung einen bestimmt gearteten Gesetzesvorbehalt vorfand, nicht zwangsläufig, daß es i h n auch rezipiert hat. Weiter oben wurde versucht darzulegen, daß es für die Statuierung eines Allgemeinvorbehalts i m Grundgesetz keinen normativen Anhaltspunkt gibt und daß für die Vorbehaltsproblematik lediglich die grundrechtlichen Sondervorbehalte etwas hergeben. Es mag auch zugegeben werden, daß den Schöpfern des A r t . 80 Abs. 1 GG ein ganz bestimmtes Arsenal von Rechtsverordnungen herkömmlicher A r t vor Augen schwebte 89 , zumal die Erwähnung von allgemeinen Verwaltungsvorschriften ζ. B. i n den A r t i k e l n 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 und 86 GG nicht als Zufälligkeit abgetan werden kann 9 0 . Nur: für die Lösung des Vorbehaltsproblems bei Sonderverordnungen enthält A r t . 80 Abs. 1 GG nicht den zutreffenden Ansatzpunkt — oder doch nur einen unter anderen. Deshalb, wie sogleich noch zu zeigen ist, geht auch die Kontroverse darum, ob man alle generellabstrakten außenwirksamen Anordnungen als Rechtsverordnungen i m Sinne des Art. 80 Abs. 1 GG ansehen kann 9 1 , am Kern der Problematik vorbei. Diese erschließt sich vielmehr nur dann, wenn man neben dem i n A r t . 80 Abs. 1 GG angesiedelten kompetenzrechtlichen Aspekt die grundrechtliche Seite m i t i n die Betrachtung einbezieht. A r t . 80 Abs. 1 GG mag eine bestimmte Funktionenverteilung festgeschrieben haben — was man damit nicht überspielen kann, sind die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte. Insoweit dürfte — unabhängig von sonstigen Auseinandersetzungen um die Erstreckung des Vorbehaltsbereichs — unstreitig sein, daß der Vorbehalt des Gesetzes auf jeden Fall Eingriffe i n die grundrechtlich geschützte Individualrechtssphäre umfaßt 9 2 . W i r d ein solcher grundrechtsrelevanter Eingriff vorgenommen, dann ist für die Vorbehaltsproblematik unerheblich, wie man ihn rechtlich qualifiziert und i n das Arsenal staatlicher Handlungsformen einpaßt; denn der Grundrechtsschutz entfaltet seine Funktion unabhängig von der Form, 80
Z u r Entstehungsgeschichte vgl. JöR N F 1 (1951), S. 588 f. Vgl. aber auch A r t . 84 Abs. 5 GG, der das Erfordernis eines förmlichen, zustimmungsbedürftigen Gesetzes für Einzelweisungen aufstellt. 91 So beispielsweise Rupp, Grundfragen, S. 78 f.; Selmer, V e r w A r c h Bd. 59 (1968), S. 133 ff. Ä h n l i c h auch Hansen (Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 322 ff.), der sich jedoch die Möglichkeit von Delegationsmodi außerhalb von A r t . 80 Abs. 1 GG offenhalten w i l l . Z u m Problem vgl. weiter Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 233 f.; Selmer, JuS 1968, 494; Vogel, W D S t R L 24 (1966), S. 163 ff. 92 Erichsen, Festschrift für Hans J. Wolff, S. 241; Jesch, Gesetz u n d V e r waltung, S. 31 f.; Rupp, Grundfragen, S. 138 f.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 288. 90
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I I I . 2. Kap. : Die Zulässigkeit administrativen Handelns
i n der staatliche Gewalt ausgeübt w i r d 9 3 . Bejaht man daher die Grundrechtsgeltung i m Beamtenverhältnis, dann ist — wie Papier 9 4 richtig gesehen hat — die Konsequenz unausweichlich, daß Sonderverordnungen dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt nicht genügen. Für dieses Verdikt ist es — um es zu wiederholen — einerlei, ob man die Gleichung aufstellt: Sonderverordnung = materielles Gesetz = Rechtsverordnung, und auf diese Weise das Erfordernis gesetzlicher Ermächtigung begründet. Die Lösung ergibt sich vielmehr bereits aus den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten, wonach jede Regelung, die Grundrechte des einzelnen i m besonderen Gewaltverhältnis einschränkt, entweder ein formelles Gesetz darstellen oder aufgrund eines solchen ergangen sein muß 9 5 . Die Formulierung von Papier 96, daß eine veränderte Bestimmung des Rechtssatzbegriffs nicht zur Verschiebung verfassungsrechtlich festgelegter Kompetenzabgrenzungen führen könne, ist daher, für sich betrachtet, zwar richtig, nur hat sie m i t dem Kern des Problems nichts zu tun. Das Erfordernis der gesetzlichen Ermächtigung für Grundrechtseingriffe i m besonderen Gewaltverhältnis ist keine Konsequenz eines veränderten Rechtssatzbegriffs, sondern der Grundrechtsgeltung. Die von i h m aufgestellte Alternative: Sonderverordnungen als zulässige Regelung i m Sinne eines schlichten Rechtssatzvorbehalts oder Freistellung besonderer Gewaltverhältnisse von der Grundrechtsbindung 07 , ist unter dieser Prämisse unvollständig. Die Schlußfolgerung muß vielmehr lauten: Grundrechtsgeltung i m besonderen Gewaltverhältnis und Erfordernis formell-gesetzlicher Ermächtigungen für Sonderverordnungen 98 . Dabei sollte man i m Auge behalten, daß die grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalte selbstverständlich auch eine kompetenzrechtliche Seite aufweisen, m. a. W. nicht nur eine freiheitssichernde, sondern auch eine demokratische Funktion haben 99 . Das Problem ist damit nicht nur ein materiellrechtliches, sondern ebenso ein kompetenzrechtliches 100 , so daß 93 Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen i m Bereich der Grundrechte, S. 25 ff. m i t umfangreichen Nachweisen aus L i t e r a t u r u n d Rechtsprechung. Vgl. ferner die Nachweise oben, Erstes Kapitel, Fußn. 33. 94 Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 44. 95 Erichsen, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 241 f. 96 Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 44 ff. 97 Ebd., S. 45. 98 Vgl. die Nachweise oben i n Fußn. 54 u n d 77. 99 Vgl. Badura, V V D S t R L 24 (1966), S. 213; Vogel, ebd., S. 250; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 41 f. ; Die Bedenken von Badura, bei der Ablösung des Allgemeinvorbehalts durch die grundrechtlichen Sondervorbehalte gehe die demokratisch-politische Komponente des Gesetzesbegriffs verloren, vermögen daher nicht zu überzeugen. 100 Allgemein zu diesem Problem Pestalozza, Der Staat Bd. 11 (1972), S. 161 ff.
2. Der Gesetzesvorbehalt
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man der hier vertretenen Auffassung nicht w i r d entgegenhalten können, sie spiele die Grundrechte einseitig gegen die Funktionenverteilung aus. Allerdings ist eine gewisse Diskrepanz zwischen der vom Grundgesetz vorgefundenen und wohl auch intendierten Gewichtung der Funktionen einerseits, den grundrechtlich gebotenen Konsequenzen andererseits nicht zu verkennen. Das liegt i n dem Umstand begründet, daß das Grundgesetz die i m Konstitutionalismus entwickelten Handlungsformen der Exekutive nicht voll hat einfangen können, weil es sich dabei ζ. T. um Phänomene handelt, die als der Rechtswelt nicht zugehörig betrachtet worden waren. Diese Tatsache darf jedoch nicht dazu führen, eine i n einem historischen Zeitpunkt fixierbare Auffassung von Judikatur und Wissenschaft zu Lasten der Grundrechtsgeltung festzuschreiben. Die Grundrechte — und zwar nicht i m überkommenen, sondern i m jeweiligen Verständnis — weisen den Weg zur Lösung des „ h i storischein) Liquidationsproblem(s)" 1 0 1 der Sonderverordnungen. Ob die durch den erhöhten Ausstoß von Delegationsnormen 102 eintretende Mehrbelastung erträglich ist oder de lege ferenda durch Neukonzeptionen aufgefangen werden kann 1 0 3 , ist ein weiteres Problem, das i m Rahmen dieser Untersuchung jedoch nicht abgehandelt werden kann. M i t dem vorläufigen Ergebnis, daß grundrechtsrelevante Regelungen i m Beamtenverhältnis sich letztlich auf eine formell-gesetzliche Ermächtigung zurückführen lassen müssen, ist die Problematik freilich noch nicht erschöpft. Neben der Frage, ob der Gesetzesvorbehalt ersetzt bzw. durch einen schlichten Rechtssatzvorbehalt ergänzt werden kann, ist die Möglichkeit von Grundrechtsbeschränkungen i m Beamtenverhältnis zu erörtern, die ihrerseits die Grenzscheide markieren könnten, jenseits derer grundrechtsirrelevante Rechtssätze angesiedelt sind 1 0 4 . Ebenso bleibt zu klären, ob die Kategorie der Sonderverordnungen hinfällig ist oder nicht dort, wo gesetzliche Regelungen fehlen, eine gewisse Reservefunktion entfaltet 1 0 5 . c) Gesetzesvorbehalt und schlichter Rechtssatzvorbehalt
Soweit ersichtlich, hat neuestens Papier 106 als bislang einziger einen sog. schlichten Rechtssatzvorbehalt ausdrücklich postuliert. Dem Erfor101
Zacher, W D S t R L 24 (1966), S. 236. Die Erstreckung des Gesetzesvorbehalts auf das besondere Gewaltverhältnis nötigt nicht zu einer vollen Durchnormierung durch den parlamentarischen Gesetzgeber, sondern evoziert n u r den Erlaß von Delegationsnormen, die den Anforderungen von A r t . 80 Abs. 1 GG genügen müssen. 103 Vgl. dazu die Überlegungen von Magiera, Der Staat Bd. 13 (1974), S. 1 ff., insbesondere S. 19 ff. 104 Vgl. die Andeutung bei Erichsen, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 243. 105 s. Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I, § 25 V I I I a am Ende. 106 Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, bes. S. 31 ff. 102
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I I I . 2. Kap.: Die Zulässigkeit administrativen Handelns
dernis dieses Grundsatzes sollen auch jene Rechtssätze genügen, die sich nicht auf eine formell-gesetzliche Ermächtigung zurückführen lassen. Der „schlichte Rechtssatzvorbehalt" ist also eine dritte dogmatische F i gur neben dem unbedingt formellen Gesetzesvorbehalt und den nicht zwingenden Parlamentsvorbehalten. Für die Begründung seiner These beruft sich Papier zum einen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu A r t . 2 Abs. 1 GG; zum anderen versucht er sie zusätzlich abzustützen durch die Widerlegung möglicher Gegenargumente. Sollte der Nachweis eines schlichten Rechtssatzvorbehalts gelungen sein, dann würden die ermächtigungslosen Sonderverordnungen zulässige Selbstermächtigungen der Exekutive darstellen und die Sonderverordnungen auf eine neue dogmatische Grundlage gestellt sein. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört zur verfassungsmäßigen Ordnung, an der die allgemeine Handlungsfreiheit ihre Schranken findet, „jede formell und materiell verfassungsmäßige Rechtsnorm" 1 0 7 . Die aus dieser These zu ziehenden Schlußfolgerungen mögen zunächst für sich nachgezeichnet werden, ohne daß darum getritten werden soll, ob A r t . 2 Abs. 1 GG tatsächlich die allgemeine Handlungsfreiheit oder nur einen engeren persönlichen Lebensbereich gewährleisten soll 1 0 8 , ebenso wenig, ob der Ausdruck „verfassungsmäßige Ordnung" nur auf jene Gemeinwohlforderungen abzielt, „deren Realisierung die Verfassung (!) fordert" 1 0 9 . Schon wegen der überragenden faktischen und rechtlichen Bedeutung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind zunächst die i n jener Judikatur angelegten Konsequenzen nachzuvollziehen. Dabei können vorab jene Bereiche ausgeschieden werden, i n denen spezielle Freiheitsrechte einschlägig sind und wo der von Papier postulierte schlichte Rechtssatzvorbehalt ohnehin nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Analysiert man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter dem angedeuteten Aspekt, dann fällt zunächst auf, daß sie uneinheitlich ist, vermutlich nicht zuletzt deswegen, weil der hier zu erörternde Problemkreis dort überhaupt nicht zur Debatte stand. Während es einerseits heißt, daß es i n A r t . 2 Abs. 1 GG „eines Gesetzesvorbehalts nicht (bedurfte), weil sich aus der Beschränkung der freien Entfaltung der Persönlichkeit durch die verfassungsmäßige Ordnung der Umfang staatlicher Eingriffsmöglichkeiten ohne weiteres ergibt" 1 1 0 , w i r d andererseits angeführt, es solle „die Handlungsfreiheit unter Vorbehalt je107
E 6, 38. Erichsen, Staatsrecht u n d Verfassungsgerichtsbarkeit I, S. 118 f., 125, 135; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 173 m. w. N. 109 Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, Grundgesetz, A r t . 2, Rdnr. 19. 110 E 6, 37. 108
2. Der Gesetzesvorbehalt
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des verfassungsmäßigen Gesetzes garantiert werden" 1 1 1 . N u n dürfte der erstzitierte Passus über die Entbehrlichkeit der Statuierung eines Gesetzesvorbehalts i n A r t . 2 Abs. 1 GG als Umschreibung der These zu verstehen sein, daß der Vorbehalt des Gesetzes ohnehin zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört. Das liegt durchaus i n der Linie der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts, das j a bekanntlich den Allgemeinvorbehalt als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips und des Grundsatzes der Gewaltenteilung begreift 1 1 2 . Aus diesem Grunde ist die Schlußfolgerung von Papier 1 1 3 , zur Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit genüge jede Rechtsnorm unabhängig von ihrem Urheber, zumindest voreilig, w e i l bei der Problematik des Allgemeinvorbehalts die Frage nach dem Urheber des grundrechtsrelevanten Rechtssatzes eben doch wesentlich ist 1 1 4 . I m m e r h i n kann zunächst — insbesondere angesichts der hier vertretenen Ablehnung des Allgemeinvorbehalts — festgehalten werden: A r t . 2 Abs. 1 GG enthält keinen geschriebenen Gesetzesvorbehalt, sondern einen Verweis auf die verfassungsmäßige Ordnung als Grenze der Freiheitsentfaltung. Z u einem Gesetzesvorbehalt führt dieser Verweis dann, wenn der Allgemeinvorbehalt als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung anzusehen ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Fall, so daß Papier sich für die Geltung eines „schlichten" Rechtssatzvorbehalts nicht auf jene Judikatur berufen kann. Andererseits ist die Auslegung des Begriffs „verfassungsmäßige Ordnimg" durch das Bundesverfassungsgerichts deswegen nicht zu beanstanden, w e i l er durch den Wortlaut gedeckt ist und keine zwingenden anderen Systemgesichtspunkte ersichtlich sind, die zu einer restriktiven Interpretation nötigen würden. Diese Rechtsprechung ermöglicht es m i t hin, bei Ablehnung eines Allgemeinvorbehalts auch solche Rechtssätze als zur verfassungsmäßigen Ordnung gehörend anzusehen, die nicht durch einen förmlichen Legislativakt abgedeckt sind, sofern sie nur ansonsten der Verfassung gemäß sind. Das gilt unbeschadet der Gesetzesvorbehalte bei den Spezialfreiheitsrechten, unbeschadet auch eines möglichen Allgemeinvorbehalts unter kompetenzrechtlichen Aspekten 1 1 5 . M. a. W.: Zur Begründung seiner These, daß ein schlichter Rechtssatzvor111
E 6,40. Vgl. die Nachweise bei Leibholz / Rinck, Grundgesetz, 3. Aufl. 1968, A r t . 20 Rdnr. 30. 113 Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 31, 41. 114 Stellt man n u r auf die Vorhersehbarkeit u n d Meßbarkeit des staatlichen Einzeleingriffs ab, dann genügen freilich auch Eigenverordnungen der E x e k u t i v e diesen rechtsstaatlichen Erfordernissen. Dabei würde m a n allerdings den kompetenzrechtlichen Aspekt der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte u n d auch des Allgemeinvorbehalts übersehen. 115 Vgl. dazu Erichsen, Staatsrecht u n d Verfassungsgerichtsbarkeit I I , S. 94 f. 112
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I I I . 2. Kap.: Die Zulässigkeit administrativen Handelns
behalt existiert, müßte Papier den Nachweis führen, daß originäre Rechtsetzungsbefugnis der Verwaltung ein Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnimg ist. Dieser Nachweis unterbleibt jedoch. Zunächst dürfte A r t . 19 Abs. 1 GG hier eine Sperre errichten. Dagegen wiederum beruft sich Papier allerdings auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 116 , wonach zwischen der Beschränkung eines Grundrechts und der näheren Bestimmung seiner Grenzen „von innen her" zu unterscheiden sei. Wenn daher — so die von Papier implizit gezogene Schlußfolgerung — ein schlichter, d. h. nicht gesetzesabgeleiteter Rechtssatz ein Grundrecht i n diesem Sinne nicht von außen her einschränke, sonderen nur von innen her des näheren bestimme, bedürfe es keines Gesetzes bzw. keiner Verordnungsermächtigung. Diese Argumentation vermag indes nicht zu verfangen. Zunächst fällt auf, daß i n allen von Papier herangezogenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ein formelles Gesetz vorhanden war. Das Gericht hatte sich dort überhaupt nicht m i t der Problematik eines schlichten Rechtssatzvorbehalts zu befassen, so daß die Berufung auf jene Rechtsprechimg schon unter dem Gesichtspunkt der Sachnähe problematisch erscheint 117 . Zudem betrifft ein Teil der Judikatur die Sonderproblematik des A r t . 14 Abs. 1 Satz 2 GG, der aber immerhin dem Gesetzgeber die Aufgabe der Inhaltsbestimmung und Schrankenziehung zuweist. Bezeichnenderweise sind sämtliche angeführten Entscheidungen zum sog. Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen. Das legt zumindest den Schluß nahe, daß die Unterscheidung zwischen der Ausgestaltung von innen her und einer Beschränkung von außen entwickelt worden ist, u m einer Nichtigerklärung der umstrittenen Gesetze wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot zu entgehen 118 . Wie dem auch sei: Die mögliche Unterscheidung zwischen Ausgestaltung und Beschränkung ändert nichts an dem Umstand, daß Regelungen i m Grundrechtsbereich durch den Gesetzgeber zu erfolgen haben 1 1 9 . Für die Herleitung eines 116
BVerfGE 10, 99; 21, 92 (93); 24, 396; 28, 243 (259). Auch die Berufung auf Bachof (Freiheit des Berufs, Die Grundrechte I I I / l , S. 155 ff., 211) ist zumindest irreführend. Bachof f ü h r t dort selbst aus, daß jede Regelung, auch w e n n sie die Schranken der Freiheit nicht k o n s t i t u t i v bestimme, sondern n u r verbindlich feststelle, der formellgesetzlichen Ermächtigung bedürfe. Vgl. auch ebd., Fußn. 214: „Daß übrigens auch eine »Regelung* durch Gesetz insofern eine ,Sachentscheidung 4 des Gesetzgebers enthalten muß, als dieser die Schranken der Freiheit zu bestimmen hat u n d die Grenzziehung nicht dem Ermessen der V e r w a l t u n g überlassen darf, versteht sich von selbst; . . D i e s e Passagen widerlegen also gerade den Standpunkt von Papier. 118 Z u dieser Tendenz vgl. Herbert Bethge, Probleme des Zitiergebots des A r t . 19 Abs. 1 Satz 2 GG, DVB1.1972, 365 ff. 110 Vgl. nochmals Bachof, Die Grundrechte I I I / l , S. 211; vgl. auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 127. 117
3. Parlamentsvorbehalt u n d Geschäftsleitungsgewalt
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bloßen Rechtssatzvorbehalts gibt jene Rechtsprechimg jedenfalls nichts her. Der Versuch, neben den formell-gesetzlichen Vorbehalten und den Delegationsvorbehalten eine dritte Kategorie der schlichten Rechtssatzvorbehalte zu installieren, muß daher als gescheitert angesehen werden. 3. Parlamentsvorbehalt u n d Geschäftsleitungsgewalt
M i t den vorstehenden Ausführungen ist allerdings nur ein Teil derjenigen Maßnahmen erfaßt worden, die die vollziehende Gewalt zur rechtssatzmäßigen Steuerung des Administrativbereichs ergreift. Es handelt sich um die personen-adressierten Rechtssätze, welche persönliche Rechte und Pflichten des Amtswalters, nicht jedoch die A r t der Amtswaltung betreffen. Hierher gehören also beispielsweise Ausbildungs-, Prüfungs-, Beförderungs-, Urlaubs- und Beihilfebestimmungen. Dabei geht es unter dem Aspekt des grundrechtlichen Gesetzesvorbehalts nicht um die oft erörterte Frage, ob es sich „ i n Wirklichkeit u m Rechts Verordnungen handelt" 1 2 0 , sondern darum, ob hier eine gesetzesunabgeleitete Regelung i m Grundrechtsbereich vorliegt. Davon zu unterscheiden sind jene amts- und organadressierten Vorschriften, die organisatorischen Aufbau und Ablauf sowie A r t und Weise der Amtswahrnehmung regeln. Sie sind seit jeher der Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt der Exekutive zugeordnet worden 1 2 1 . Die spätkonstitutionelle Lehre mußte diesen Regelungen die Anerkennung als Rechtssätze verweigern. Denn angesichts der Identifikation von Rechtssatz und materiellem Gesetz hätte jene Qualifizierung zugleich bedeutet, daß organisatorische Normen i n den Vorbehaltsbereich des Parlaments gefallen wären 1 2 2 . Daß auf dieser Basis, d. h. vom Rechtssatzbegriff her, keine befriedigende Lösung der Kompetenzproblematik erreicht werden kann, hat E.-W. Böckenförde i n aller Deutlichkeit aufgezeigt 123 . A u f diese Weise w i r d nämlich die verfassungsrechtliche K o m petenzverteilung zu einer Funktion der wissenschaftlichen Ansichten über den rechtstheoretischen Rechtssatzbegriff. Anders gewendet: Die Qualifizierung einer Maßnahme als Rechtssatz kann für sich genommen niemals auf verfassungssystematische Folgerungen i m Bereich der Funktionenverteilung durchschlagen. Die Problematik der gesetzesunabgeleiteten, grundrechtsneutralen Rechtsetzung der Exekutive ist vielmehr 120
Die Formulierung bei Selmer, V e r w A r c h Bd. 59 (1968), S. 135. Grundlegend E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, insbes. S. 55 ff. Vgl. weiter Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 253 ff.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 187 ff., 250 ff. 122 Vgl. oben Erster Teil, Erstes Kapitel, 2 b. 123 Organisationsgewalt, S. 61 ff. 121
17*
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allein von den kompetenzrechtlichen Fundamentalentscheidungen des Grundgesetzes her zu lösen. Dabei kann von der Tatsache ausgegangen werden, daß das Grundgesetz die vollziehende Gewalt verfassungsunmittelbar konstituiert hat 1 2 4 . Dieser Umstand bedeutet jedoch zunächst nur, daß der Exekutive (im organisatorischen Sinne) überhaupt ein Tätigkeitsbereich zukommen muß, wenn anders die Verfassung sich nicht als „mißlungenes Experiment des Verfassungsgebers" 125 herausstellen soll. Er beantwortet nicht die Frage danach, ob die Verwaltung durch das Gesetz zuallererst konstituiert oder bloß limitiert w i r d 1 2 6 , m. a. W. welche Handlungsbefugnisse und -formen ihr i m einzelnen zur Verfügung stehen. Darüber besagt auch die — zutreffende — Feststellung nichts, daß die vollziehende Gewalt (als Inbegriff von Institutionen) demokratisch legitimiert ist 1 2 7 . Es gilt hierbei zwischen dem institutionellen und dem funktionellen Aspekt zu unterscheiden. Insoweit muß davon ausgegangen werden, daß der organisatorischen Gewaltenteilung i m Grundgesetz die Zuweisung eines funktionalen Aufgabenkernbereichs entspricht 1 2 8 . Das ist nun nicht i n dem Sinne zu verstehen, daß die Installierung einer Funktion per se eine Aufgabenzuweisung beinhaltet. Dieses Schlusses bedarf es schon deswegen nicht, weil das Grundgesetz insofern eine allzu beredete Sprache spricht. Die Kompetenz- und Verfahrensvorschriften für die Gesetzgebung weisen deutlich den Inhaber rechtsetzender Gewalt aus. Gleiches gilt für den kompetenzrechtlichen Aspekt der grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte. A u f der anderen Seite beinhaltet die Grundentscheidung des A r t . 80 Abs. 1 GG, daß die vollziehende Gewalt nur dann i m Verordnungswege rechtssetzend tätig werden darf, wenn sie an die „Kette des Gesetzgebers" gelegt worden ist. U m die Zulässigkeit grundrechtsneutraler Rechtsetzung durch die Exekutive i m organisatorischen Bereich zu begründen, bedarf es m i t h i n des Nachweises einer verfassungsrechtlichen Funktionsverlagerung auf die vollziehende Gewalt 1 2 9 . Der Hinweis darauf, daß Verwaltung eine unentbehrliche, permanente und ubiquitäre Staatsfunktion ist 1 3 0 , reicht 124
Böckenförde, ebd., S. 82 m. w . N. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 190. 126 Nach der hier vertretenen Auffassung gilt der l i m i t a t i v e Charakter w o h l f ü r A r t . 20 Abs. 3 GG, der m i t der Statuierung des Vorrangs n u r ein H a n d lungsverbot impliziert. 127 Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 79 ff.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 196 ff. 128 Norbert Achterberg, Leistungsbescheid u n d Funktionentrennung, J Z 1969, 354 ff. (355); Hansen, Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 193; Rupp, N J W 1970, 412 f. 129 w i e v o r # 125
130
Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 194 f.
3. Parlaments vorbehält u n d Geschäftsleitungsgewalt
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insoweit zur Begründung nicht aus, weil dergestalt ein Schluß von der Faktizität auf die Legalität des Verwaltungshandelns gezogen würde. Was jedoch i n dem hier diskutierten Bereich zur Verlagerung von Rechtsetzungsbefugnis auf die Exekutive zu sagen ist, haben insbesondere Herbert Krüger 131 und Ernst-Wolfgang Böckenförde 132 eingehend dargelegt. Demgemäß kann es hier nicht darum gehen, ihre Ausführungen i n voller Breite nachzuvollziehen und darzustellen. Es ist lediglich noch einmal der Grundtenor i n Erinnerung zu rufen. Gleichzeitig soll versucht werden, der Begründung einen weiteren Akzent zu geben und um einen staatsbürgerorientierten Aspekt zu bereichern, um insbesondere den Eindruck vorzubeugen, als werde damit einer obrigkeitsstaatlichen Tendenz oder der Effizienz der Verwaltung als Selbstzweck das Wort geredet 133 . Aus der Perspektive des Bürgers gesehen, sind die Aufgaben, Befugnisse und Verpflichtungen, die der Staat i h m gegenüber zu erfüllen hat, i n Gesetzen und gesetzesabgeleiteten Verordnungen, also i m Rechtskreis des sog. Außenrechts festgelegt. Nun war bereits verschiedentlich gezeigt worden, daß dieses Außenrecht für sich allein gar nicht die „Gew i ß h e i t . . . staatlichen Handelns" 1 3 4 garantieren kann. Vielmehr bedarf es eines ausdifferenzierten Systems von Funktionen, Institutionen und Organen bis h i n zur kleinsten organisatorischen Einheit, dem Amt, einschließlich der Statuierung einer Amtswahrnehmungspflicht, um den konkreten physischen Amtswalter überhaupt zur Verwirklichung einer dem Bürger gegenüber obliegenden staatlichen Aufgabe motivieren zu können. Wäre dem nicht so, dann würde — wie Hans Heinrich Rupp 135 zutreffend aufgewiesen hat — der ganze Organismus i n einen heillosen (positiven oder negativen) Kompetenzstreit zerfallen. Es ist also nicht nur aus staatlicher Sicht „ein Widerspruch i n sich, eine Aufgabe festzustellen, ihre Verwirklichung aber nicht zu wollen" 1 3 6 . Gerade aus der Sicht des Bürgers gilt, daß jegliche Verwaltung — wie alle staatliche Tätigkeit — um des Menschen w i l l e n da ist. A n der Richtigkeit dieser Feststellung dürften unter der Herrschaft des Grundgesetzes, das den Menschen und seine Würde i n eindringlicher Klarheit an den Anfang seines Wertekatalogs gestellt hat, keine Zweifel laut werden. Es ist anerkannt, daß A r t . 1 Abs. 1 GG auch eine Fundamentalaussage über den Staatszweck enthält, indem der Primat des Staats abgelehnt und diesem eine dienende Funktion zugewiesen w i r d 1 8 7 . Dann aber 181
Allgemeine Staatslehre, S. 256 ff. Die Organisationsgewalt i m Bereich der Regierung, S. 78 ff. 138 Insoweit sei auf meine früheren Äußerungen verwiesen: Beamtenstatus und Streikrecht, S. 53 f. 134 Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 260. 135 Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 48 f. 186 Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 259. 182
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I I I . 2. Kap.: Die Zulässigkeit administrativen Handelns
ist die Folgerung unabweisbar, daß „dem Staat" auch die M i t t e l zur Verfügung gestellt sein müssen, ohne die er seine dienende Funktion nicht ausüben kann. Das ist nicht i n dem Sinne zu verstehen, daß (insbesondere i n der Eingriffsverwaltung) ohne weiteres der Schluß von der Aufgabe auf die M i t t e l gerechtfertigt wäre 1 3 8 . Hier sind nur die grundrechtsneutralen, A r t und Weise staatlicher Aufgabenerfüllung regulierenden Rechtssätze i m Blickfeld. Insofern erscheint es als Ausfluß eines grundgesetzlichen Verrechtlichungsgebots 139 , daß eine kompetenzielle Substruktur vorhanden sein muß, wenn anders die Normimpulse des Außenrechts nicht ins Leere gehen soll. Konkreter gesagt: K e i n anspruchsberechtigter Bürger wäre je i n der Lage, eine Baugenehmigung, eine gewerbliche Erlaubnis, einen Rentenbescheid oder eine Leistung der Sozialhilfe zu erlangen, wenn nicht die i n den Außenrechtsnormen beschriebenen staatlichen Aufgaben bis hinunter zu den Ämtern verteilt sowie A r t und Weise ihrer Wahrnehmung rechtssatzmäßig — w i l l man nicht auf „diffusen sozialen D r u c k " 1 4 0 vertrauen — geregelt wären. Das subjektive öffentliche Recht wäre dergestalt ein Produkt rechtstheoretischer Spekulation, nicht aber ein funktionierendes Institut des öffentlichen Rechts. Ähnliche Überlegungen gelten für die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes. Man mag darüber streiten, ob sich aus A r t . 19 Abs. 4 GG i n Richtung auf einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch die These herleiten läßt, unter der Geltung des Grundgesetzes seien objektiv-rechtliche Begünstigungen stets auch subjektive öffentliche Rechte 141 . Ebenso problematisch ist, wie der Auftrag an das zur Rechtsetzung jeweils kompetente Organ durchgesetzt werden könnte, „Rechtsnormen zu erlassen, wenn und sobald solche erforderlich sind" 1 4 2 . A n einer Tatsache kann man jedoch nicht vorbeigehen: Auch ohne gesetzliche Ermächtigung (vgl. 187 Wilhelm Wertenbruch, Grundgesetz u n d Menschenwürde, S. 163; vgl. ferner Hans Carl Nipperdey, Die Würde des Menschen, Die Grundrechte, Bd. I I , S. 9, 11; Hamann/Lenz, Grundgesetz, A r t . 1, A n m . A l a ; Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 46; Ekkehart Stein, Staatsrecht, 5. A u f l . 1976, S. 209. 138 Dazu Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 30 I I I a 3. Umfassende Nachweise zum Meinungsstand bei Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis u n d kreisangehörigen Gemeinden, S. 35, Fußn. 164. Aus der Rechtsprechung vgl. zuletzt BVerwG, DVB1. 1972, 828 m i t abl. A n m . von Wolfgang Meyer, DVB1.1972, 924 ff. (sub 3). 139 Hierzu — wenngleich i n anderem Zusammenhang — Dieter Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers u n d die Rechtsweggarantie, S. 14 ff. Vgl. auch Lutz Richter, Die Organisationsgewalt, 1926, S. 12 sowie Eggert Schwan, Z u ständigkeitsregelungen u n d Vorbehalt des Gesetzes. Diss. B e r l i n 1971, S. 100. 140 H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, S. 134,138. 141 Z u m Problem Otto Bachof, Reflexwirkungen u n d subjektive Rechte i m öffentlichen Recht, Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, München 1955, S. 287 ff.; Dieter Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers, S. 14 ff. 142 Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers, S. 19.
3. P a r l a m e n t s v o r b e h l t u n d Geschäftsleitungsgewalt
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z. B. § 7 VwGO) müßte der Erlaß von gerichtlichen Geschäftsverteilungsplänen zum originären Hechtsetzungsbereich der Gerichtsverwaltung 1 4 3 gerechnet werden 1 4 4 , da ohne solche Ordnungen die bürgerorientierte Rechtsschutzgarantie wegen fehlender Amtskonkretisierungen für Spruchkörper und Richter leerlaufen würde. Auch aus der Perspektive des Amtswalters dürfte sich die hier angestellte Sicht rechtfertigen. Wären sein A m t sowie die Modalitäten seiner Amtsführung nämlich nicht rechtssatzmäßig festgelegt, dann wäre er permanent einem bloßen Individual Weisungsrecht von — nicht rechtssatzmäßig ausgewiesenen — „Vorgesetzten" ausgesetzt — i n der Tat nur noch ein nacktes Gewaltverhältnis. Bedenken gegen die hier vertretene Konzeption könnten sich allenfalls noch aus dem kompetenzrechtlichen Allgemeinvorbehalt ergeben, der sich darüber verhält, i n welchen Fällen außer den vom Grundgesetz ausdrücklich vorgesehenen der Gesetzgeber noch Regelungen durch Gesetz treffen muß. Nach dieser Vorstellung ist die Legislative gehalten, die politisch bedeutsamen, grundlegenden und wichtigen Fragen durch Gesetz zu regeln 1 4 5 . Gegenüber dem Postulat eines solchen ungeschriebenen Allgemeinvorbehalts sind jedoch Bedenken anzumelden. Das Grundgesetz und die Landesverfassungen haben auch i m grundrechtsneutralen Bereich i n zahlreichen Bestimmungen vorgesehen, wann der Gesetzgeber tätig werden muß. Es sind dies insbesondere diejenigen Vorschriften, die Zuständigkeiten und Verfahren bei der Gesetzgebung festlegen und zu erkennen geben, welche Fragen nach dem Willen des Verfassungsgebers als grundlegend und wichtig anzusehen und daher durch (formelles) Gesetz zu regeln sind 1 4 6 . Es ist daher davon auszugehen, daß diejenigen Bestimmungen, die vorsehen, daß eine bestimmte Materie „durch Gesetz" zu regeln ist, den Vorbehaltsbereich des Parlaments abschließend umschreiben. Damit ist zugleich der Funktionskernbereich der Legislative bezeichnet. Diesen Funktionskernbereich kann das Parlament 143 Z u r Verwaltungsfunktion der Gerichte vgl. Wertenbruch, Gedächtnisschrift für Rudolf Schmidt, B e r l i n 1966, S. 89 ff. (90 ff.). 144 Ebenso Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 281. 145 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 204; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 241; Thieme, J Z 1964, 82 f.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 285. Kritisch Erichsen, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 243 f. 148 Vgl. etwa die A r t . 59, 79, 84 Abs. 1 u n d 6, 85 Abs. 1, 87 d Abs. 2, 91 a Abs. 2, 94 Abs. 2, 106 Abs. 3 Satz 3 GG. Die dort vorgesehenen Gesetze betreffen sämtlich grundrechts-neutrale Materien. E i n gutes Anschauungsbeispiel f ü r die A u f t e i l u n g v o n Rechtsetzungsgewalt auf Gesetzgeber u n d V e r w a l t u n g bietet auch A r t . 77 der Verfassung von Nordrhein-Westfalen. Danach erfolgt die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung u n d die Regelung der Zuständigkeiten durch Gesetz, während die Einrichtung der Behörden i m einzelnen der Landesregierung u n d — aufgrund der von i h r erteilten Ermächtigung — den einzelnen Landesministern obliegt.
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I I I . 2. Kap. : Die Zulässigkeit administrativen Handelns
bis zur Grenze von A r t . 80 Abs. 1 GG i n der Substanz verringern oder durch Ausübung des Zugriffsrechts erweitern. A u f der anderen Seite verbleibt der Exekutive ebenfalls ein solcher Funktionskernbereich, der außer dem Gesetzesvollzug die Befugnis umgreift, diejenigen Aufgabenverteilungen sowie die Festlegung von Verfahren, Modalitäten und M i t t e l n vorzunehmen, ohne die jene Primäraufgabe nicht erfüllt werden kann. Das ergibt sich, um es zu wiederholen, nicht aus einem bloßen Effizienzprizip 1 4 7 , sondern aus einem Verrechtlichungsgebot i m Interesse des Bürgers. Denn das sog. Außenrecht, das seine rechtliche Position i m Staat grundlegend bestimmt, hält für i h n auf der anderen Seite i n der Regel lediglich amorphe Funktionen und Institutionen bereit. Erst der organisatorische Rechtskreis vermittelt i h m m i t Organen und Ämtern einen „ansprechbaren Partner" 1 4 8 . Auch an dieser Stelle zeigt sich einmal mehr, daß ein undifferenzierter Rigorismus i m Bereich des Gesetzesvorbehalts zwar oft auf den ersten Blick ein Optimum an Rechtsstaatlichkeit anzusteuern scheint, daß er aber durchaus den umgekehrten Effekt i n sich bergen kann. Erstreckt man den Vorbehaltsbereich bis i n die feinsten organisatorischen Verästelungen, so ist damit gleichzeitig das Verdikt der Verfassungswidrigkeit aller originären Rechtsetzungen der vollziehenden Gewalt verbunden. Damit würde man dem Staatsbürger, dem die demokratischen und rechtsstaatlichen Intentionen des Grundgesetzes zugute kommen sollen, Steine statt Brot geben: Ein wenn nicht faktischer, so doch rechtlicher „Stillstand der Gesetzesvollziehung" wäre die Folge. Damit steht zunächst fest, daß die amtsadressierten, hier als grundrechtsneutral bezeichneten Vorschriften, die A r t und Weise der Amtsausübung näher regeln, i n den Bereich der Geschäftsleitungsgewalt der Exekutive gehören. Das ergibt sich nicht aus einer resignierenden Einsicht i n den Umstand, daß die Verhaltenspflichten der Amtswalter nicht von vornherein inventarisierbar sind 1 4 9 , der Gesetzgeber also ohnehin nicht alles regeln könnte 1 5 0 , sondern aus einem verfassungsrechtlichen Verrechtlichungsgebot. 147 Kritisch hierzu v o r allem Walter Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, Tübingen 1971. Vgl. ferner Karl Josef Partsch, Verfassungsprinzipien u n d Verwaltungsinstitutionen, Tübingen 1958, S. 25 f. 148 Ä h n l i c h Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 108 f. 149 Vgl. Podlech, Das Grundrecht der Gewissensfreiheit u n d die besonderen Gewaltverhältnisse, 1969, S. 60 ff. 150 Z u dieser undifferenzierten Feststellung sollte m a n freilich nicht zu schnell greifen. Denn zum einen belegen die vorhandenen Dienstordnungen, Allgemeinen Dienstanweisungen etc., daß Amtswalterverhalten weitestgehend normativ steuerbar ist. Es bedürfte also n u r eines Austausches der Normsetzer. Z u m zweiten ist — w i e bereits erwähnt — keine volle Durchnormierung durch den parlamentarischen Gesetzgeber erforderlich, sondern lediglich der Erlaß von Delegationsnormen, s. auch den Hinweis von Rupp, V V D S t R L 23 (1966), S. 275.
4. Ersetzungen des Gesetzesorbehalts?
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4. Ersetzungen des Gesetzesvorbehalts?
Damit steht zunächst fest, daß es i m Bereich der amtsadressierten Vorschriften, die die Gesetzesvollziehung erst ermöglichen, keiner Diskussion über eine Ersetzung des Gesetzesvorbehalts bedarf, da hier eine verfassungsunmittelbare Beleihung der Exekutive m i t Rechtsetzungsbefugnissen außerhalb von A r t . 80 Abs. 1 GG anzunehmen ist. Die Problematik taucht vielmehr nur i m Bereich der sog. Sonderverordnungen auf. a) Gewohnheitsrechtliche Ermächtigungen
Die Frage möglicher gewohnheitsrechtlicher Ermächtigungen zum Erlaß von Sonderverordnungen kann relativ isoliert behandelt werden, ohne daß auf die Problematik des Gewohnheitsrechts überhaupt oder speziell i m öffentlichen Recht des weiteren eingegangen werden müßte. Immerhin gibt es einige prinzipielle Bedenken gegen gewohnheitsrechtliche Eingriffsermächtigungen i m Grundrechtsbereich. Das gilt zunächst für die Geltungsvoraussetzungen von Gewohnheitsrecht. Hier w i r d generell angenommen, daß die Bildung von Gewohnheitsrecht von der Zustimmung der Betroffenen abhängt 1 5 1 . Gerade bei der Eingriffsverwaltung w i r d sich aber nicht mehr feststellen lassen als bloßer Behördenbrauch, der nichts anderes ist als die A r t des auf den Gewaltunterworfenen ausgeübten Zwanges 152 . A u f Seiten des Betroffenen w i r d man nicht Zustimmung i m Sinne einer Überzeugung von der Rechtsgeltung (opinio iuris) konstatieren können, sondern allenfalls Duldung oder auch bloße Resignation, falls die zur Kontrolle angerufenen Gerichte ihre Tätigkeit als Fortsetzung der Verwaltung m i t anderen M i t teln verstehen 153 . Des weiteren müßten gewohnheitsrechtliche Ermächtigungen zum Erlaß von Sonderverordnungen angesichts sowohl der grundrechtlichen Sondervorbehalte als auch der kompetenzrechtlichen Parlamentsprärogative Verfassungsrang aufweisen. Bereits hier stellen sich kaum zu überwindende konstruktive Schwierigkeiten ein. Legt man einen formellen Verfassungsbegriff zugrunde, so gehört Gewohnheitsrecht nicht hierzu, da es außerhalb des Verfassungstextes steht. Zieht man unter 151 Vgl. Christian Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, Heidelberg 1972, S. 132 m i t erschöpfenden Nachweisen aus L i t e r a t u r u n d Rechtsprechung. Freitag (Gewohnheitsrecht u n d Rechtssystem, B e r l i n 1976, S. 38 ff.) weist den ausgesprochen thetischen Charakter der überkommenen Theorien nach. 152 Freitag, Gewohnheitsrecht u n d Rechtssystem, S. 128 f.; Tomuschat, V e r fassungsgewohnheitsrecht?, S. 132. iss j m d e r Anerkennung gewohnheitsrechtlicher Eingriffsermächtigungen ist dieser Sachverhalt deswegen immer gegeben, w e i l der Richter keinen anderen Maßstab f ü r die Beurteilung der behördlichen Praxis hat als eben diese Praxis, die er h i n n i m m t .
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dem Vorzeichen eines materiellen Verfassungsbegriffs andere Rechtssatzgruppen m i t hinzu, so paßt Gewohnheitsrecht i n dieses Schema, das auf den Urheber des Rechtssatzes abstellt, nicht hinein 1 5 4 . Diese grundsätzlichen Bedenken sollen hier indes nur angedeutet werden; die entscheidenden Einwände liegen näher beim Problem. Sie sind von Böckenförde und Grawert 155 formuliert worden, die nachgewiesen haben, daß sich die Ansicht, wonach gewohnheitsrechtliche Ermächtigungen zum Erlaß von Sonderverordnungen genügen sollen 1 5 8 , i n unauflösbare W i dersprüche verwickelt. Unterstellt man Sonderverordnungen der Erzeugungsregel des A r t . 80 Abs. 1 GG, dann können stillschweigende gewohnheitsrechtliche Ermächtigungen den Anspruch der „Inhalt, Zweck und Außmaß"-Klausel nicht einlösen. Zwar läßt die Definition, Sonderverordnungen seien „ A n ordnungen . . . zur Regelung verwaltungsrechtlicher Sonderverhältnisse" 1 5 7 , ein gewisses Finalitätsmoment erkennen; jedoch sind die Konturen dieser verwaltungsrechtlichen Sonderverhältnisse zu undeutlich, ihr Zweck zu wenig umrissen, als daß den Anforderungen an eine rechtssatzmäßige Zweckbindung entsprochen werden könnte. A r t . 80 Abs. 1 GG verlangt eben eine ausdrückliche, w e i l gesetzliche Ermächtigung. Diesen Ansprüchen kann eine stillschweigende Ermächtigungen bereits qua def initione nicht genügen. Schließlich ist aber auch der Versuch zum Scheitern verurteilt, nach einer gewohnheitsrechtlichen Ermächtigung für ehedem als Nichtrecht qualifizierte Sätze zu suchen 158 . Da die nunmehr als Sonderverordnungen bezeichneten Rechtssätze ursprünglich zum parlamentsfreien Reservat der monarchischen Exekutive gehörten, bedurften sie nach damaligem Verfassungsverständnis keiner legislativen Ermächtigung. Nunmehr eine gewohnheitsrechtliche Ermächtigung zu supponieren, bedeutet der Sache nach nichts anderes, als diesen originären Reservatsbereich i n die völlig anders geartete Gewaltenteilungsstruktur des Grundgesetzes hinüberzuretten. Letztlich besteht weitestgehend Einigkeit darüber, daß Grundrechtseingriffe nicht auf gewohnheitsrechtliche Ermächtigungen gestützt wer154 Vgl. Tomuschat, ebd., S. 58. Z u m Geltungsproblem eingehend Freitag, Gewohnheitsrecht, S. 109 ff. 155 AöR Bd. 95 (1970), S. 1 ff. (30). 156 Bad.-Württ. V G H , D V B l . 1961, 524; Brohm, D Ö V 1964, 248; Bachof, W D S t R L 12 (1954), S. 60; Hans Peters, W D S t R L 23 (1966), S. 252; Ipsen, ebd., S. 269; F. Walter, Gewohnheitsrechtliche Ermächtigung für allgemeine Anordnungen der Universität sver waltung? BayVBl. 1958, 260 ff.; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 25 V I I I b. 157 Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I, § 25 V i l i a 1. 158 Böckenförde / Grawert, AöR Bd. 95 (1970), S. 30; Evers, W D S t R L 23 (1966), S. 285.
4. Ersetzungen des Gesetzes Vorbehalts?
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den dürfen 1 5 9 . Läßt man daher den Allgemeinvorbehalt i n den grundrechtlichen Sondervorbehalten aufgehen, dann müssen die Eingriffsermächtigungen i n förmlichen Gesetzen oder gesetzesabgeleiteten Verordnungen enthalten sein. Auch insoweit ist der Rückgriff auf Gewohnheitsrecht versperrt. b) Volenti non fit iniuria
Gelegentlich w i r d zur Begründung der Entbehrlichkeit einer gesetzlichen Grundlage bei Maßnahmen i m besonderen Gewaltverhältnis die Formel „volenti non fit iniuria" herangezogen 160 . Das heißt, der freiwillige E i n t r i t t w i r d als Unterwerfung unter die Bedingungen des besonderen Gewaltverhältnisses, als Einverständnis m i t den notwendigen und zweckmäßigen Eingriffen gewertet. Insbesondere der letztere Gedanke führt i n einen Zirkel. Denn es ist gerade eine logisch vorrangige und m i t Hilfe vor allem des Grundgesetzes zu beantwortende Frage, welches die zulässigen Bedingungen des besonderen Gewaltverhältnisses sind. Erst wenn diese abgeklärt ist, kann die behauptete Freiwilligkeit einer näheren Überprüfung unterzogen werden 1 6 1 . Die Verzichts- und Unterwerfungstheorien stützen sich offenbar auf die Formel „volenti non fit iniuria". Ob sie sich tatsächlich auf i h n zurückführen lassen und die These von der Nichtgeltung des Gesetzesvorbehalts auch tragen können, ist zunächst zu untersuchen. Dabei ist der Umstand unerheblich, daß das Verzichtsargument kaum noch ernsthaft vertreten w i r d 1 6 2 und sein fiktiver Charakter klargestellt ist 1 6 3 . Das Grundproblem ist ein allgemeines und auch heute noch akut: Es gilt zu 159
Erichsen, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 242; Fuß, V V D S t R L 23 (1966), S. 78; Bettermann, ebd., S. 272; Selmer, V e r w A r c h Bd. 59 (1968), S. 136; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, S. 132 f. Vgl. auch die kritischen Erörterungen v o n Franz Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht, Stuttgart 1970, S. 16 f. sowie die klaren Ausführungen von Z. Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, 1. Bd., Zürich 1960, S. 172 ff. u n d Freitag, Gewohnheitsrecht u n d Rechtssystem, S. 141 ff. 180 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Band, 3. Aufl., S. 98, 108, 254; Fritz Fleiner, Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl., Tübingen 1928, S. 168 ff., 209 ff.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. A u f l . 1973, S. 212, 494 (vgl. aber S. 279!). 181 Dazu vgl. Schnapp, Beamtenstatus u n d Streikrecht, S. 33 ff. 182 Vgl. Werner Thieme, Der öffentliche Dienst i n der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, Göttingen 1961, S. 69, Fußn. 16. 183 Reinhard Böttcher, Die politische Treupflicht der Beamten u n d Soldaten u n d die Grundrechte der K o m m u n i k a t i o n , B e r l i n 1967, S. 59; Wolf gang Däubler, Der Streik i m öffentlichen Dienst, 2. Aufl., S. 99; Ingo v. Münch, Freie Meinungsäußerung u n d besonderes Gewaltverhältnis, S. 29; Thieme, Meinungsfreiheit u n d Beamtenrecht, D D B 1964, 58; Wolf gang Martens, Das besondere Gewaltverhältnis i m demokratischen Rechtsstaat, ZBR 1970, 197 ff.
(200).
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I I I . 2. Kap. : Die Zulässigkeit administrativen Handelns
klären, wie weit der einzelne i m verfassungsrechtlichen Raum dispositionsbefugt ist. Das „volenti non fit iniuria" geht — soweit ersichtlich — i n dem hier zu erörternden Zusammenhang auf Kant zurück. Nach seiner Auffassung darf durch ein Gesetz niemandem Unrecht geschehen. Dieses Ergebnis w i r d erzielt durch die konstruktive Vorstellung, daß das Gesetz das Produkt des vereinigten Willens aller ist (und sein muß 1 6 4 ), dergestalt der einzelne i m Gesetz über sich selbst etwas beschließt. „ N u n ist es, wenn jemand etwas gegen einen Anderen verfügt, immer möglich, daß er i h m dadurch Unrecht thue, nie aber i n dem, was er über sich selbst beschließt (denn volenti non fit iniuria) 1 6 5 ". Klaus Vogel 1 6 6 hat i n diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, daß die Einstimmigkeit aller Bürger nur für den ursprünglichen Staatsvertrag galt, den Kant zudem nicht als historisches Faktum, sondern als bloße Idee der Vernunft begriff 1 6 7 . „Vereinigung der Willen aller i n dem Gesetz" ist daher nicht die Beschreibung eines realen Vorgangs, sondern ein postuliertes Prinzip i m Sinne eines sachlichen Maßstabs für die Gesetzgebung 168 : Ist das Gesetz so beschaffen, daß das ganze Volk dazu unmöglich seine Zustimmung geben könnte, so ist es nicht gerecht, ist es aber nur möglich, daß das Volk zustimme, so ist es Pflicht, das Gesetz für gerecht zu halten 1 6 9 . Diese Thematik hat ersichtlich mit dem Problem des Gesetzesvorbehalts nichts zu tun. Die Ummünzung ist erst durch Otto Mayer erfolgt 1 7 0 . W i r hatten gesehen, daß Otto Mayer die ideelle Vorstellung von Kant i n einen realen Vorgang umdeutete, um die Nichtgeltung des Gesetzesvorbehalts i m besonderen Gewaltverhältnis konstruktiv zu begründen. Danach konnte der einzelne einmal i m Gesetz seine (fingierte) Zustimmung zu einer Maßnahme der vollziehenden Gewalt geben; er konnte das „Hindernis" 1 7 1 des fehlenden Gesetzes jedoch auch durch kasuelle Einwilligung beseitigen. Abgesehen von der Mißdeutung des kantischen Gesetzesbegriffs führt diese Konstruktion zu der bereits beschriebenen, 164 Aus der K o n s t r u k t i o n resultiert also auch das demokratische Postulat, daß die „gesetzgebende Gewalt . . . n u r dem vereinigten W i l l e n des Volkes zukommen" kann. Vgl. die Metaphysik der Sitten. Erster Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre (1797) (Akademie-Ausgabe), §46 (S. 313). 165 Ebd. lee W D S t R L 24 (1966), S. 125 ff. (138). 167 Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag i n der Theorie richtig sein, taugt aber nicht f ü r die Praxis (1793), Akademie-Ausgabe, S. 297. 168 Vgl. ebd.: „Probirstein der Rechtmäßigkeit eines jeden öffentlichen Gesetzes." 169 Ebd. 170 Vgl. oben Erster Teil, Erstes Kapitel, 1 a bb. 171 Otto Mayer, AöR Bd. 3 (1888), S. 39.
4. Ersetzungen des Gesetzes Vorbehalts?
269
verfassungsrechtlich nicht haltbaren Konsequenz: Da der Gesetzesvorbehalt neben dem individualrechtlichen Aspekt gleichzeitig immer eine kompetenzrechtliche Seite aufweist, würde auf diese Weise dem einzelmen eine Dispositionsbefugnis über die Zuständigkeitsverteilung zwischen gesetzgebender und vollziehender Gewalt zugestanden 172 . Das gilt freilich nur, wenn sich die Einwilligung i n concreto feststellen läßt. So ist aber die These von Otto Mayer ganz offenbar nicht zu verstehen. Sie erhebt vielmehr den Anspruch, eine generell geltende dogmatische Argumentationsfigur zu sein, weil m i t ihr die totale Nichtgeltung des Gesetzesvorbehalts begründet werden soll. Die damit erzielte Funktionsverschiebung zwischen Legislative und Exekutive macht dergestalt zwar nicht den einzelnen, wohl aber die Rechtswissenschaft zum verfassungsändernden Gesetzgeber. Aus diesem Grunde hat die Formel „volenti non f i t iniuria" i m öffentlichen Recht keinen Platz 1 7 3 . c) Gesetzesersetzung durch Mitbestimmung
Jüngst hat Hansen 174 — soweit ersichtlich als einziger — den Gedanken i n die Debatte eingebracht, daß das Gesetz i n jenen Bereichen ersetzbar sei, i n denen eine Materie der Mitbestimmung der Personalvertretung unterliege. Hier meint er eine dogmatisch bisher noch nicht erfaßte „dritte Kategorie von Rechtsnormen" 175 entdeckt zu haben. Wenn man — so w i r d weiter ausgeführt 1 7 6 — die Existenz zweitseitig-verbindender Kollektivnormen anerkenne, dann sei für die Anwendbarkeit des Gesetzmäßigkeitsprinzips i m Beamtenwesen kein Raum mehr. Die Diskussion um die Mitbestimmung i m öffentlichen Dienst 1 7 7 führt auf ein zu weites Feld, als daß hier auch nur i n den Grundzügen auf diese Problematik eingegangen werden könnte. Das ist indes auch nicht erforderlich, da der Gedankenführung von Hansen bereits prinzipielle Mängel anhaften. 172 M i t ähnlicher Begründung verneint Erichsen (Festschrift für Hans J. Wolff, S. 238) die Befugnis des einzelnen zum generellen Grundrechts verzieht: Angesichts der überindividuellen, staatsstrukturierenden F u n k t i o n der Grundrechtsgewährleistung sei eine Dispositionsbefugnis des Grundrechtsträgers zu verneinen. 173 Forsthof f, DVB1. 1957, 724; W. Jellinek, Verwaltungsrecht, Offenburg 1948, S. 122, 123; Rupp, Grundfragen, S. 142; Schnapp, Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 20, Rdnr. 47. Bedenken auch bei Friesenhahn, Recht — Staat — Wirtschaft Bd. 2, S. 249; Köhl, Die besonderen Gewaltverhältnisse i m öffentlichen Recht, S. 76. 174 Fachliche Weisung u n d materielles Gesetz, S. 296 ff., 308 ff. 175 Ebd., S. 296. 176 Ebd., S. 298. 177 Zusammenfassend dazu Walter Leisner, Mitbestimmung i m öffentlichen Dienst, Bonn-Bad Godesberg 1970.
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I I I . 2. Kap.: Die Zulässigkeit administrativen Handelns
Zunächst ist zweifelhaft, was m i t der Qualifizierung als „dritte Kategorie von Rechtsnormen" gemeint sein soll, ob also beispielsweise auf Rang, Adressatenkreis, Wirkungsweise, Geltungsmodus oder was auch immer abgezielt wird. Soweit die sog. Dienstvereinbarungen (vgl. § 73 des Bundespersonalvertretungsgesetzes) gemeint sind, kann von einer Gesetzesersetzung nicht die Rede sein, da sie aufgrund einer spezifizierten gesetzlichen Ermächtigung ergehen. Die Ermächtigung läßt Dienstvereinbarungen nur i n den ausdrücklich vorgesehenen Fällen zu. Das ist für Beamte der F a l l bei § 76 Abs. 2 BPersVG (sog. soziale Angelegenheiten). Dabei ist jedoch zu beachten, daß bei fehlender Einigung zwischen Dienststelle und Personalrat nicht die dann anzurufende Einigungsstelle entscheidet. Vielmehr beschließt sie i n den Fällen des § 76 lediglich eine Enipfehlung an die oberste Dienstbehörde; diese entscheidet sodann endgültig. Damit ist der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. 4. 1959 178 Rechnung getragen, wonach es „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (entspricht), daß über Personalangelegenheiten eines Beamten i n der Regel allein die i h m vorgesetzten Dienstbehörden entscheiden" 179 . Wie dem auch sei, jedenfalls kann der Mitbestimmungsgedanke de lege lata den Vorbehalt des Gesetzes nicht verdrängen. Regelungen i m Grundrechtsbereich bleiben der Legislative vorbehalten. Ob der Gesetzgeber — wie i m Beamtenrecht weitgehend geschehen — die Ausgestaltung selbst vornimmt oder zum Erlaß einer konkretisierenden Rechtsverordnung bzw. zum Abschluß einer Dienstvereinbarung ermächtigt, ist eine andere Frage. Damit mag das Problem möglicher Verdrängung des Gesetzesvorbehalts abgeschlossen werden. A u f andere Argumentationsansätze einzugehen (Hausgut der Verwaltung 1 8 0 , implied powers 1 8 1 ), dürfte sich erübrigen. Denn — wie Jesch 182 zutreffend gesehen hat — alle Begründungen laufen bei näherer Betrachtung auf eine gewohnheitsrechtliche Rechtfertigung gesetzesfreier Machtausübung hinaus 1 8 3 . Daß dieser A n satz jedenfalls i m Grundrechtsbereich versagen muß, ist bereits gezeigt worden. 178
BVerfGE 9, 268. Vgl. auch Leisner, M i t b e s t i m m i m g i m öffentlichen Dienst, S. 57 f.; Walter Schick, Rechtsgutachten, i n : Verfassungsrechtliche Grenzen einer Ref o r m des öffentlichen Dienstrechts (Studienkommission f ü r die Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bd. 5), Baden-Baden 1973, S. 171 ff. (267 f.); Carl Hermann Ule, Rechtsgutachten, ebd., S. 441 ff. (543 ff.). 180 Der Ausdruck bei Richard Thoma, HDStR I I , S. 223. 181 Dazu Norbert Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, München 1970, S. 213 ff. 182 Gesetz u n d Verwaltung, S. 210. 183 Vgl. auch Bachof, W D S t R L 12 (1954), S. 60, wonach die Rechtsetzungsermächtigung i m besonderen Gewaltverhältnis nur (aber auch unbedenklich!) gewohnheitsrechtlich begründet werden kann. 179
5. Die Reservefunktion der Sonderverordnungen
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5. D i e Reservefunktion der Sonderverordnungen
Hans J. Wollf 184 hat i n seiner letzten Äußerung zum Problem der Sonderverordnungen ausgeführt, es sei erforderlich, diese Rechtssatzkategorie anzuerkennen, u m die tatsächlich bestehenden, nicht hinreichend ermächtigten abstrakten Regelungen verwaltungsrechtlicher Sonderverhältnisse nicht bloßen Verwaltungsvorschriften ohne Rechtsquellencharakter zu überlassen. Hierin mag man zunächst die eher resignierende Feststellung erblicken, daß ermächtigungslose Regelungen i m Grundrechtsbereich für eine Übergangszeit i n Kauf zu nehmen seien. Dahinter verbirgt sich jedoch auch der Hinweis auf ein Dilemma, i n das die abrupte Rechtswidrigkeitserklärung von ermächtigungslosen Sonderverordnungen führen kann. Das läßt sich beispielsweise deutlich machen an Ausbildungs- und Prüfungsordnungen i m Beamtenwesen, die als Sonderverordnungen erlassen worden sind. Sie regeln das berufliche Fortkommen der Beamten, bewegen sich m i t h i n i m Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit, das ungeachtet der Ausstrahlungswirkung von A r t . 33 GG auch für Beamte g i l t 1 8 5 . Daher müssen solche Regelungen nach A r t . 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen. Die damit verbundene Feststellung, daß ermächtigungslos vorgenommene Regelungen i m Schutzbereich eines Grundrechts rechtswidrig sind, bereitet jedoch erst die eigentlichen faktischen und dogmatischen Probleme. Die an derartigen Prüfungsordnungen orientierte Praxis ist prinzipiell i n der Lage, den Selbstbindungseffekt auszulösen 186 . Macht ein Beamter jedoch die mangelnde Einhaltung der Prüfungsordnung und dam i t ein Abweichen von der bisherigen Praxis geltend, dann könnte seinem Anspruch der Satz „Keine Gleichheit i m Unrecht" entgegengehalten werden; denn die Prüfungspraxis, auf die er sich zu seinen Gunsten 184 Verwaltungsrecht I , § 25 V I I I a 1 a m Ende. iss BVerfGE 7, 377 (397 f.), 185; Bachof, Die Grundrechte I I I / l , S. 183; Gubelt, Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 12, Rdnr. 19; Maunz, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog, Grundgesetz, A r t . 12, Rdnr. 95; Schmidt-Bleibtreu / Klein, Kommentar zum Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Neuwied u n d B e r l i n 1973, A r t . 12, Rdnr. 8 m. w . N.; Werner Thieme, Berufsfreiheit u n d Verwaltungsmonopol, J Z 1961, 280 ff. (280); a. A . B V e r w G E 2, 85 (86); 6, 72 (75). 186 A u f die Lehre von der Selbstbindung der V e r w a l t u n g näher einzugehen, besteht hier kein Anlaß. Vgl. dazu aus der L i t e r a t u r Hansen, Fachliche W e i sung u n d materielles Gesetz, S. 170 ff. Hans-Joachim Mertens, Die Selbstbindung der V e r w a l t u n g aufgrund des Gleichheitssatzes, H a m b u r g 1963; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften u n d Grundgesetz, S. 514 ff.; Maximilian Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, B e r l i n 1968; zuletzt ChristianFriedrich Menger, Verwaltungsrichtlinien — autonome Rechtsetzung durch die Exekutive?, i n : Demokratie u n d Verwaltung, B e r l i n 1972, S. 299 ff. Daß die Selbstbindungslehre ein dogmatisches Defizit kaschiert u n d zudem die Legislative i n Teilbereichen ihrer Verantwortung enthebt, k a n n ohne weiteres zugestanden werden. Das allein macht sie jedoch nicht fehlerhaft.
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I I I . 2. Kap.: Die Zulässigkeit administrativen Handelns
berufen w i l l , ist mangels hinreichender gesetzlicher Ermächtigung rechtswidrig. Diese Situation t r i t t i n allen den Bereichen auf, i n denen — wenn der Gesetzgeber schweigt — erst durch eine untergesetzliche Regelung mittels Verwaltungsvorschriften sichergestellt werden kann, daß Institutionen und Verfahren zur Verfügung stehen, um den Beamten auszubilden, zu prüfen, i h m Beihilfe zu gewähren. Diesem durch die strikte Beachtung des Vorbehaltsprinzips hervorgerufenen Dilemma kann man nur auf zweierlei Weise entgehen. Die eine Möglichkeit besteht darin, dem Satz „Keine Gleichheit i m Unrecht" dort die Gefolgschaft zu versagen, wo sich aufgrund einer ständigen Praxis ein Vertrauenstatbestand herausgebildet hat und das Vertrauen des Beamten i n den Fortbestand der — an sich rechtswidrigen — Praxis höher einzuschätzen ist als das öffentliche Interesse an ihrer Beseitigung 1 8 7 . Das führt nicht zwangsläufig zu einer Perpetuierung des rechtswidrigen Zustandes; denn der Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Ermächtigungen „nachzuschieben", auf deren Grundlage die Verwaltung i m Verordnungswege tätig werden kann. Das ist um so unproblematischer, als das Erfordernis einer gesetzlichen Determinierung der Verwaltung i n den hier diskutierten Bereichen i n den Beamtengesetzen der Länder durchaus gesehen und teilweise auch der Erlaß von Rechtsverordnungen vorgeschrieben ist. Soweit Verwaltungsverordnungen als ausreichend angesehen werden, stehen die diesbezüglichen gesetzlichen Vorschriften offenbar noch unter dem Eindruck der tradierten Auffassung, wonach die Verwaltungsverordnung die dem besonderen Gewaltverhältnis adäquate Regelungskategorie darstellt. Erwähnenswert ist i n diesem Zusammenhang § 17 Abs. 2 Satz 2 des hessischen Beamtengesetzes. Danach sind die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen durch Rechtsverordnung zu erlassen, wenn sie den Erwerb einer Befähigung regeln, die gesetzliche Voraussetzung für die Ausübung des Berufs außerhalb des öffentlichen Rechts ist. Daß bei dieser Vorschrift A r t . 12 Abs. 1 Satz 2 GG i m Blickfeld war, ist offenkundig. Die zweite Möglichkeit, die Beachtung des Vorbehaltsprinzips nicht zum Nachteil des Beamten ausschlagen zu lassen, besteht i n einem Rückgriff auf das Prinzip der praktischen Konkordanz 1 8 8 . Der Harmonisierungszwang w i r d ausgelöst durch das Vorbehaltsprinzip i m Grundrechtsbereich einerseits, die Notwendigkeit der Zuweisung eines eigen187 Vgl. hierzu V G H Baden-Württemberg, D V B l . 1972, 186 f. m. A n m . v. Götz; Volkmar Götz, Das Grundrecht auf Rechtsanwendungsgleichheit u n d der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz, D V B l . 1968, 93 ff.; Ossenbühl, A d ministrative Selbstbindung durch gesetzwidrige Verwaltungsübung?, D Ö V 1970, 264 ff. 188 Z u diesem Prinzip siehe U. Scheuner, W D S t R L 20 (1963), S. 125; Peter Lerche, Ubermaß u n d Verfassungsrecht, K ö l n 1961, S. 125 ff.; Hesse, G r u n d züge des Verfassungsrechts, S. 28 f., 132 f.
5. Die Reservefunktion der Sonderverordnungen
273
ständigen Funktionskernbereichs an die vollziehende Gewalt andererseits. Unter diese Prämisse ließe sich wie folgt argumentieren: Keiner der vom Grundgesetz installierten drei Gewalten dürften die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten und Befugnisse entzogen werden 1 8 9 . Der vollziehenden Gewalt obliegt nicht nur die Rechtsanwendung, sondern auch die Selbstausstattung m i t sächlichen und persönlichen Mitteln. Dazu zählt die Besetzung von Amtsstellen m i t befähigten Amtswaltern und die Feststellung der Befähigung durch die von der Verwaltung gesetzten Kriterien. A u f diese Weise ließe sich ein Regelungskonflikt zwischen A r t . 12 Abs. 1 Satz 2 GG und A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG konstruieren. Beide vorgeführten Konstruktionen zur vorübergehenden „Rettung" der Sonderverordnungen bewegen sich jedoch ersichtlich auf schwankendem dogmatischen Boden. Die Figur des Vertrauensschutzes, m i t deren Hilfe der Satz „keine Gleichheit i m Unrecht" verdrängt werden soll, führt auf ein weites Feld, auf dem sich nur schwer fixe Markierungen und sicher handhabbare Differenzierungskriterien ausmachen lassen. Sie erscheint lediglich als ein Rechtsfindungstopos, der als Orientierungshilfe bei der Suche nach einer i m Einzelfall als richtig empfundenen Problemlösimg dient 1 9 0 . Der Hinweis auf den Funktionskernbereich der vollziehenden Gewalt schließlich verfängt deshalb nicht, weil durch eine den verfassungsmäßigen Anforderungen genügende Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen der Gesetzesgeber diesen Kernbereich unberührt lassen würde. Das belegen die bereits vorhandenen Ermächtigungen i n einzelnen Landesbeamtengesetzen, die unter diesem Aspekt bislang nicht beanstandet worden sind. Soweit noch Verwaltungsverordnungen für das Ausbildungs- und Prüfungswesen vorgesehen sind, bedürfte es eigentlich nur der Neuformulierung der Ermächtigungen, um dem verfassungsrechtlichen Kodifikationsgebot zu genügen. Angesichts der aufgezeigten Situation erscheinen jedoch für die praktische Rechtsverwirklichung und Rechtsanwendung zwei Konsequenzen geboten: 1. Solange der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlich vorgezeichneten Kodifikationsgebot nicht nachkommt, ist die vollziehende Gewalt mangels vorhandener Verordnungsermächtigungen faktisch gezwungen, auch personenbezogene Regelungen durch Sonderverordnungen zu treffen, wenn sie nicht einen Teil ihrer Funktionsfähigkeit einbüßen w i l l . Dabei markiert der Zweck des jeweiligen Rechtsverhältnisses 191 zwangs189 BVerfGE 9, 279 ff.; O V G Berlin, ZBR 1960, 383; Hans J. Wolff, V e r w a l tungsrecht I, § 16 I I I a. Daraus ergeben sich die Schranken f ü r das Zugriffsrecht der Legislative; vgl. dazu Böckenförde, Organisationsgewalt, S. 106 f. 190 vgi t viehweg, Topik u n d Jurisprudenz, 4. Aufl. 1969, passim.
18 Schnapp
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läufig die Grenze der Regelungsbefugnis 102 , stellt jedoch keine ausreichende Legitimationsgrundlage dar 1 9 8 . 2. Die so vorgefundenen Regelungen sind bei der Rechtsanwendung i n concreto zu berücksichtigen, sei es, daß man sie — ungeachtet ihrer Rechtswidrigkeit — als Indizien für die Verwaltungsübung wertet, sei es, daß man insoweit das Verbot der Gleichheit i m Unrecht auf andere Weise unbeachtet läßt. Eine abrupte Rechtswidrig- und Nichtigerklärung ohne Surrogat würde den Beamten teilweise wieder i n rechtsverdünnte Räume zurückversetzen und bewirken, daß die Beachtung des Vorbehaltsprinzips, das den Freiheitsschutz des Bürgers intendiert, zu dessen Nachteil ausschlägt 194 .
191
Kritisch zu den manipulierbaren Kategorien „Zweck" u n d „Wesen": Ernst-Werner Fuß, V e r w a l t u n g u n d Schule, W D S t R L 23 (1966), S. 199 ff. (217), der zutreffend betont, daß nach dem Grundgedanken des A r t . 80 Abs. 1 G G das Parlament selbst „Sinn, Zweck u n d Wesen eines Rechtsverhältnisses" festlegen muß, w e n n es die (Detail-)Regelung der E x e k u t i v e übertragen w i l l . 192 Vgl. Walter Leisner, Die schutzwürdigen Rechte i m Besonderen Gewaltverhältnis, D V B l . 1960, 617 ff. (619 ff.). 193 So aber Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 25 V I I I b, der dem Zweck sowohl eine begrenzende als auch eine legimitierende F u n k t i o n zuerkennt. 194 Vgl. jetzt auch O V G Berlin, D Ö V 1975, 570 (571).
Drittes Kapitel: D i e E i n w i r k u n g von Dienstrecht u n d Amtsrecht auf die Grundrechte Die Frage nach der Geltung der Grundrechte i m Beamtenverhältnis ist heute nur noch eine Frage nach ihren Schranken. Die frühere Auffassung, wonach die Grundrechte i m besonderen Gewaltverhältnis keine Geltung beanspruchen konnten 1 , ist der Einsicht gewichen, daß die Grundrechte prinzipiell auch i m Beamtenverhältnis Wirkung entfalten können 2 . Das ist die schlichte Folgerung aus dem Umstand, daß der Beamte i n seinem Grundverhältnis (Dienstverhältnis) dem Staat grundsätzlich nicht anders gegenübersteht als ein sonstiger Staatsbürger, der i m Verhältnis zum Staat ebenfalls — wenn auch andere — Rechte und Pflichten hat 3 . Andererseits ist man sich darin einig, daß die Eigenart des Beamtenverhältnisses — wie auch anderer „besonderer Gewaltverhältnisse" — gewisse Einschränkungen der Grundrechte erfordert, u m den öffentlichen Dienst v o l l funktionsfähig zu erhalten 4 . I n der Frage, auf welche Weise die jeweiligen Beschränkungen dogmatisch-konstruktiv zu begründen sind, besteht jedoch alles andere als Ubereinstimmung 5 . 1 Vgl. beispielsweise Richard Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der Deutschen Reichsverfassung i m allgemeinen, i n : Die Grundrechte u n d Grundpflichten der Reichsverfassung (hrsg. von H. C. Nipperdey), 1. Band, B e r l i n 1929, S. I f f . (24); Waiter Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Neudruck Offenburg 1948, S. 370, 384; Hermann v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, B e r l i n / F r a n k f u r t a. M. 1953, S. 37. 2 Hamann ! Lenz, Grundgesetz, 3. A4ufl. 1970, Vorbem. 6 vor A r t . 1 (S. 122); Guido Köhl, Die besonderen Gewaltverhältnisse i m öffentlichen Recht, Zürich 1955, S. 70; Leisner, D V B l . 1960, 622; Peter Lerche, Grundrechte des Soldaten, Die Grundrechte IV/1, S. 447 ff. (449) ; Heinrich Malz, Das Beamtenverhältnis als besonderes Gewaltverhältnis, Z B R 1964, 97 ff. (99); Wolf gang Martens, Z B R 1970, 197 ff. (200); Obermayer, Verwaltungsakt u n d innerdienstlicher Rechtsakt, S. 172; Walter Schick, Der Beamte als Grundrechtsträger, ZBR 1963, 67 ff. (67); Werner Thieme, Der öffentliche Dienst i n der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, S. 69; Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, §32 I V c 3. 3 Vgl. Selmer, V e r w A r c h Bd. 59 (1968), S. 114 ff. (136); Hans J. Wolff, V e r waltungsrecht I, § 32 I V c 3. 4 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 135 f.; Hans J. Wolff, V e r waltungsrecht I , § 32 I V c 3. Vgl. auch die Nachweise bei Schnapp, Beamtenstatus u n d Streikrecht, S. 52. 5 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 136.
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I I I . 3. Kap.: Dienstrecht, Amtsrecht u n d Grundrechte
Die generelle Diskussion über die Grundrechte der Beamten kann hier nicht i n ihrer ganzen Breite aufgenommen werden, zumal die möglichen Lösungen nicht nur von Grundrecht zu Grundrecht verschieden, sondern auch — stellt man dem Freiheitsanspruch die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes gegenüber — von der A r t des jeweils ausgeübten Amtes abhängig sein dürften 6 . Hier geht es lediglich darum, den Diskussionsrahmen aufzuzeigen und i h n sodann auf einige i n dieser Untersuchung herausgearbeitete Punkte zu verengen, die sich insbesondere auf die Position des Beamten als eines Walters staatlicher Funktionen beziehen. Nachdem der Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses als dogmatische Legitimationsgrundlage für Grundrechtseinschränkungen i m Beamtenverhältnis nicht mehr zur Verfügung steht 7 , sind die Versuche, eine begrenzte Geltung von Grundrechten dogmatisch zu begründen, auf einige wenige Argumentationsfiguren zurückgeschnitten. Dabei sollte der prinzipielle Ausgangspunkt nicht mehr umstritten sein: Da die grundrechtlichen Gewährleistungen durch die Verfassung statuiert werden, können ihre Grenzen nur i n der Verfassung gefunden werden 8 . Schon aus diesem Grunde sind Représentations- 9 , Identifikations- 1 0 und Verzichtstheorien 11 nicht geeignet, die Basis für eine Grundrechtsbeschränkung abzugeben. Sie tauchen denn auch i n der neueren Diskussion kaum noch auf, die sich zunehmend auf das von K. Hesse hier fruchtbar gemachte Prinzip der praktischen Konkordanz konzentriert 1 2 . Daneben werden noch Staatsstrukturbestimmungen als mögliche Grundrechtsschranken erörtert 1 3 , was jedoch lediglich i m Rahmen der Streikproblematik eine Rolle spielt. 6
Walter Wiese, Der Staatsdienst i n der Bundesrepublik Deutschland, Neuw i e d u n d B e r l i n 1972, S. 108,115. 7 BVerfGE 33, 1. D a m i t müßte eigentlich auch die Argumentation m i t dem „Wesen des besonderen Gewaltverhältnisses" (Ule, Grundrechte IV/2, S. 617) hinfällig sein, da das „Wesen" einer I n s t i t u t i o n nicht mehr hergibt als diese selbst. Zudem sollte spätestens seit der Abhandlung von Wilhelm A. Scheuerle (Das Wesen des Wesens, A c P Bd. 163, S. 731 ff.) das Argumentieren m i t dem Wesensargument aus dem juristischen Repertoire verbannt sein. Vgl. auch W. Wiese, Der Staatsdienst, S. 106 ff. 8 Stellvertretend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 129. 9 Vgl. etwa Gerhard Wacke, Grundlagen des öffentlichen Dienstrechts, Tübingen 1957, S. 87; Alfred Bochalli, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, 2. Aufl., München u n d B e r l i n 1958, Einl. I ; Ule, Die Grundrechte IV/2, S. 649; Thieme, Der öffentliche Dienst i n der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, S. 26 f. 10 Carl Heyland, Das Berufsbeamtentum i m neuen demokratischen deutschen Staat, B e r l i n 1949, S. 47. 11 Vgl. etwa Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl. 1973, S. 128. 12 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 135 ff. Vgl. ferner Kröger, AöR Bd. 88 (1963), S. 121 ff.; W. Martens, ZBR 1970, 200; Josef Isensee, Beamtenstreik, S. 61 ff. Allgemein dazu Horst Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, V V D S t R L 20 (1963), S. 43 ff. (77 ff.); Peter Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 125 ff.; Scheuner, V V D S t R L 20 (1963), S. 125.
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Nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz soll die Verfassung Grundrechte dort begrenzen, wo sie Sonderstatusverhältnisse (wie das Beamtenverhältnis) und damit deren Eigengesetzlichkeit zu Bestandteilen der verfassungsmäßigen Ordnung mache. Wenn nämlich das Grundgesetz außer den Grundrechten i n A r t . 33 Abs. 4 und 5 auch die Grundlagen des Beamtenverhältnisses normiere, so komme darin zum Ausdruck, daß dieses Verhältnis i n seiner besonderen Gesetzlichkeit ebenso zum Bestand der verfassungsmäßigen Ordnung gehöre wie die Grundrechte. Freilich soll der Geltungsanspruch der Grundrechte erst dann Einbußen erleiden, wenn durch ihre Geltendmachung die Funktion der Sonderstatusverhältnisse unmöglich gemacht w i r d : „Jede Grenzziehung, die über die funktionelle Sicherung hinausgehen würde, müßte . . . die aufgegebene Zuordnung beider Bereiche zueinander verfehlen" 1 4 . Es ist also i n dieser Sicht nur eine Grundrechtseinschränkung zulässig, die — u m m i t Ν eis 15 zu sprechen — „ f ü r die Effektivität jenes Rechtsgutes unerläßlich, unaufgebbar erscheint, eine conditio sine qua non, ohne die jenes andere Rechtsgut nicht bestehen könnte". Kritisch ist zunächst anzumerken, daß die dargelegte Konstruktion die Frage nach den Grundrechtsgrenzen aus dem Bereich der Vorbehaltsproblematik herausverlagert 16 , d. h. die Einschränkbarkeit der Grundrechte jenseits des Gesetzes Vorbehalts betrifft, eine Frage, die — wie Erichsen hervorhebt 1 7 — umfassender Untersuchung kaum für wert befunden wird. Diesen Argumentationsansatz kann man nicht schon m i t der Behauptung legitimieren, der Rekurs auf die grundrechtlichen Sondervorbehalte sei dogmatisch „unergiebig" oder „unfruchtbar" 1 8 . Darin liegt eine allein am Ergebnis orientierte Betrachtungsweise, die die dogmatischen Ansatzpunkte der Untersuchung vorwiegend an dem erwünschten Resultat ausrichtet. Sie w i r d getragen von der — hier überspitzt formulierten — Auslegungsmaxime, der Gesetzgeber könne nichts Unvernünftiges gewollt haben, deshalb sei eine Interpretation geboten, die zu vernünftigen Ergebnissen führe. Dabei ist nicht nur 18 Josef Isensee, Beamtenstreik, S. 116 ff.; Ingo v. Münch, Rechtsgutachten zur Frage eines Streikrechts der Beamten, H i l d e n 1970, S. 46 ff.; ders., Beamtenstreik u n d Sozialstaatsprinzip, ZBR 1970, 371 ff.; Dietmar Seidel, Beamtenstreik de lege ferenda?, D V B l . 1974,141 ff. (142). 14 Kröger, AöR Bd. 88 (1963), S. 154. 15 Kurt Neis, Die Koalitionsfreiheit des Beamten, i n : Koalitions- und M e i nungsfreiheit der Beamten, K ö l n 1964, S. 35 ff. (48). 18 Schnapp, Beamtenstatus u n d Streikrecht, S. 51. 17 Erichsen, Festschrift f ü r Hans J. Wolff, S. 230. 18 Kröger, AöR Bd. 88 (1963), S. 144; ferner v. Münch, Freie Meinungsäußer u n g u n d besonderes Gewaltverhältnis, S. 41 f. Vgl. auch Böttcher, Die p o l i tische Treupfìicht, S. 53, der wegen der sonst auftretenden „praktischen Schwierigkeiten" auf die Institutionalisierung des Berufsbeamtentums ausweicht.
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offen, an welchem Maßstab — sollte er überhaupt intersubjektiv m i t teilbar sein — das Ergebnis zu messen ist; es w i r d m i t Hilfe einer salvierenden Interpretation auch der Umstand verdeckt, daß die vom Gesetzgeber geschaffenen Normen i n der Tat zu praktischen Schwierigkeiten führen können, und der Gesetzgeber seiner Verantwortung enthoben, Normenkomplexe zu schaffen, die der Problembewältigung adäquat sind. Des weiteren w i r d nicht deutlich, ob die Beschränkungstechnik der praktischen Konkordanz für alle Grundrechte des Beamten, ob sie nur für die unbeschränkt gewährleisteten gilt oder eine A r t Auffangfunktion dort entfaltet, wo die nach dem Grundgesetz ansonsten zulässigen Grundrechtseinschränkungen nicht zusreichen, um die vorgestellte Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu gewährleisten 19 . Demgegenüber ist daran zu erinnern, daß sich das Grundgesetz für ein „System spezieller Derogationsankündigung" 20 entschieden hat. Dabei muß konzediert werden, daß ein auf die grundrechtlichen Sondervorbehalte abstellender Ansatz dort i n beträchtliche konstruktive Schwierigkeiten gerät, wo es sich u m die Beschränkung unbeschränkt gewährleisteter Grundrechte handelt — was freilich auch außerhalb des Beamtenrechts güt. Die Dogmatik ist i n diesem Bereich sichtbar von dem Bemühen geprägt, einerseits dem Freiheitsgehalt der Grundrechte und der abgestuften Schrankensystematik des Grundgesetzes Rechnung zu tragen, andererseits aber Gesichtspunkte der Praktikabilität i m Auge zu behalten. So leuchtet beispielsweise ein, daß es eine unerwünschte (und von niemandem ernsthaft postulierte) rechtliche Situation wäre, wenn ein Beamter sich gegenüber seiner Verpflichtung, während der Dienststunden sein A m t wahrzunehmen, auf das unbeschränkbar gewährleistete Recht, sich (anderwärts) i n geschlossenen Räumen zu versammeln, sollte berufen können 2 1 . Böttcher 22 ist zuzugeben, daß keine geordnete Gestaltung des Beamtenrechts vorstellbar ist, die ohne eine Beschränkung dieses Grundrechts für die Dienststunden auskommen könnte. Fraglich ist je19 So beispielsweise Freizügigkeitsbeschränkungen, die nicht durch A r t . 11 Abs. 2 GG abgedeckt sind. K r i t i s c h dazu Dicke, Grundgesetz-Kommentar 1, A r t . 11, Rdnr. 13 ff. 20 Leisner, DVB1.1960, 623. 21 Weitere Beispiele: Das auf A r t . 4 Abs. 2 G G gestützte Verlangen des mohammedanischen Strafgefangenen, nach Mekka reisen zu dürfen; die D a r bringung von Menschenopfern unter Berufung auf die Freiheit der Religionsausübung. 22 Vgl. Reinhard Böttcher, Die politische Treupflicht der Beamten u n d Soldaten u n d die Grundrechte der K o m m u n i k a t i o n , B e r l i n 1967, S. 53. Dabei handelt es sich jedoch nicht u m eine spezifisch beamtenrechtliche Problematik. Auch „Normalbürger" werden sich w o h l k a u m auf dieses Grundrecht berufen, u m den Kabinettsitzungssaal der Bundesregierung für eine „Versammlung i n geschlossenen Räumen" zu beanspruchen.
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doch, ob diese Situation den Schluß rechtfertigt, daß dieses Grundrecht dann auch nur beschränkt gewährleistet sei 23 . Was allen als „vernünftig" einleuchtet, ist nicht schon deshalb Inhalt des Gesetzes. Schließlich bleibt bei der Lehre von der praktischen Konkordanz offen, ob sie die Person des Beamten total erfassen oder diesen nur i n seiner Rolle als Amtswalter betreffen soll. Eine vom Ansatz her unterschiedliche, jedoch ähnlich pauschalierende Lösung bietet Walter Wiese an 2 4 . Er sieht die herkömmlich als Grundrechtsbegrenzungen qualifizierten Beschränkungen des Beamten — Residenzpflichten, Amtsverschwiegenheit, Nebentätigkeitsregelungen usw. — von vornherein nicht als Freiheitsschranken an, sondern erblickt i n ihnen Folgen einer i n Freiheit getroffenen Entscheidung, ohne daß dadurch eine Grundrechtsminderung einträte. Wer als freie Persönlichkeit mit dem E i n t r i t t i n den öffentlichen Dienst eine i h n bindende Entscheidung treffe, m i t h i n verantwortlich von seiner Freiheit Gebrauch mache, der erfülle sie mit Gehalt, beschränke sie jedoch nicht. I n dieser Sicht sind die Regulierungen des Amtswalterverhaltens bloße Konkretisierungen von Inhalt und Umfang der vom Staatsdiener — freiwillig — übernommenen Dienstpflicht, nicht jedoch Beschränkungen von Grundrechten. Letztlich handele es sich — so w i r d ausgeführt — um die rechtliche Möglichkeit, seine Persönlichkeit gemäß A r t . 2 GG i n dem gleichen Umfang wie i m Privatrecht entfalten zu können. I m Zivilrecht diene die Vertragsfreiheit der Verwirklichung dieses Ziels; dem entspreche i m öffentlichen Dienstrecht die Freiheit, die sich aus der Besonderheit der dienstlichen Notwendigkeiten ergebenden Verpflichtungen i n einem Beamtenverhältnis auf sich zu nehmen. Einer solchen Konstruktion stehen jedoch zwei Einwände entgegen. Zum einen weist sie eine große Nähe auf zu der von Wiese selbst 25 abgelehnten Theorie vom freiwilligen Verzicht auf die Grundrechte i m Beamtenverhältnis 26 . Dazu war an anderer Stelle bereits ausgeführt worden, daß diese Theorie den kompetenzrechtlichen Aspekt der Grundrechtsgewährleistungen außer Acht läßt. Zum anderen übergeht Wiese den Umstand, daß sich — trotz vieler struktureller Gleichheiten — eine Parallele zwischen privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses und dem öffentlich-rechtlich strukturierten Beamtenrecht nicht durchweg ziehen läßt. Dem dienstnehmenden Beamten steht nicht ein beliebiger Privater auf der Ebene der Gleichordnung gegenüber, sondern der Staat, dessen Möglichkeiten und Grenzen von der Verfassung her bestimmt sind. 23
Kritisch auch Leisner, D V B l . 1960, 623. Der Staatsdienst, S. 120 ff. 25 Ebd., S. 126 ff. 28 So der E i n w a n d von Ule, Festschrift für Werner Weber, B e r l i n 1974, S. 609 ff. (611). 24
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Gleichwohl enthalten beide Ansätze einen richtigen Kerngedanken, da es dem Prinzip der Einheit der Verfassung 27 zuwiderlaufen würde, wollte man die Grundrechte einseitig gegen Bestand und Funktion einer ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgten Institution ausspielen. Versucht man, diesen gedanklichen Ansatz zu verfeinern, dann bietet es sich an, vor dem Hintergrund der i m 2. Teil der Untersuchung entwickelten Überlegungen nach den unterschiedlichen Hollen zu differenzieren, die der Beamte einnimmt. Zunächst weist die Lebensführung des Beamten i n seiner privaten Sphäre i n aller Hegel keine Beziehung zu seinem A m t auf. Soweit das der Fall ist, bietet jedenfalls das Argument von der funktionellen Sicherung des Berufsbeamtentums keine Legitimationsgrundlage für Grundrechtseinschränkungen. Diesem Umstand trägt beispielsweise die Neuregelung i n § 45 Abs. 1 Satz 2 BRRG Rechnung, wonach ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen ist, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles i n besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen i n einer für das A m t oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Damit ist deutlich die Beziehung zum A m t hergestellt. Fehlt diese, w i r d der Beamte also i n seinem privaten Bereich i n Pflicht genommen, dann gilt nichts anderes als sonst: Diejenigen Grundrechte, deren Beschränkbarkeit das Grundgesetz generell vorsieht, können nach Maßgabe des jeweiligen Vorbehalts auch bei Beamten eingeschränkt werden. Dabei handelt es sich also nicht um eine spezifisch beamtenrechtliche Problematik, sondern nur um das zulässige Maß der Intensität einer Grundrechtsbegrenzung: „Der allgemeine Freiheitsstatus des Individuums geht i m Sonderstatus des Beamten nicht auf" 2 8 . Soweit mit der Funktionsfähigkeit argumentiert wird, um den Beamten auch i m privaten Bereich i n Pflicht zu nehmen, ist sorgfältig zu prüfen, ob ein Zusammenhang m i t A m t und Amtsführung tatsächlich besteht. E i n solcher Konnex wurde beispielsweise behauptet, um die sog. Zölibatsklauseln für den Bereich der kasernierten Polizei zu rechtfertigen 29 . Daß es sich dabei u m eine lediglich verbal vertretene These handelte, belegt schon der Umstand, daß die Zölibatsklauseln weitgehend geschwunden sind, ohne daß die Funktionsfähigkeit der Polizei darunter gelitten hätte. Wie aber auf der einen Seite das Argumentieren m i t der Funktionsfähigkeit der Exekutive dort nicht verfängt, wo der Beamte ausschließlich i n seiner Privatsphäre betroffen ist, so muß umgekehrt gelten, daß 27 Z u diesem Prinzip Fritz Ossenbühl, Probleme u n d Wege der Verfassungsauslegung, D Ö V 1965, 649 ff. (654 ff.) m. w. N. 28 Isensee, Beamtenstreik, S. 62. 29 Dazu W. Wiese, Der Staatsdienst, S. 131 m i t Fußn. 118.
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die Berufung auf Grundrechte nicht dazu dienen kann, auf das A m t einzuwirken. Denn da das A m t einen Ausschnitt aus den staatlichen, für den Beamten m i t h i n fremden Aufgaben darstellt, ist der einzelne Amtswalter über das A m t nicht dispositionsbefugt. Ein Beispiel mag das verdeutlichen. Sieht etwa ein Lehrplan vor, daß i n einer bestimmten Klasse europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts zu unterrichten ist, dann w i r d sich ein Lehrer nicht auf die Lehrfreiheit berufen können, u m davon abzuweichen und Gegenwartskunde zu betreiben. I n diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf, ob die Garantie des A r t . 5 Abs. 3 GG auch für Lehrer gilt und wie ein mögliches Spannnungsverhältnis zwischen pädagogischer Freiheit und staatlicher Schulaufsicht zu lösen ist 3 0 . Gesteht man dem Lehrer die Lehrfreiheit zu, so w i r d er sich dennoch nicht darauf berufen können, um seinen Amtsbereich zu verändern. Er mag dann zwar von einem Grundrecht Gebrauch machen, verläßt damit jedoch gleichzeitig sein Amt, zu dessen Wahrnehmung er verpflichtet ist: si excessit, privatus est. Es handelt sich m i t h i n i n Fällen dieser A r t nicht um eine Frage zulässiger oder unzulässiger Grundrechtsbeschränkung, sondern darum, ob das A m t noch wahrgenommen w i r d oder nicht. Ebenso gibt das Grundrecht der Religionsfreiheit keine Basis dafür ab, das A m t während bestimmter Dienststunden nicht wahrzunehmen. Aus dieser Sicht läßt sich also auch die Problematik unbeschränkt gewährleisteter Grundrechte für diesen Teilbereich lösen. Diesem Ergebnis kann man nur dann entgehen, wenn man die Amtswahrnehmungspflicht selbst für verfassungswidrig hält. Das ist jedoch — selbstverständlich — nicht der Fall, wie noch zu zeigen ist. Einen zweiten Komplex bilden diejenigen Vorschriften, welche das Dienstverhältnis (Grundverhältnis) des Beamten betreffen, die also etwa Weisungsgebundenheit, Verschwiegenheits- und Zurückhaltungspflichten, die Verpflichtung zur Übernahme einer Nebentätigkeit sowie Versetzung und Abordnung regeln. Was die Grundrechtseinschränkungen i n diesem Bereich betrifft, so sind prinzipiell zwei Lösungswege denkbar, ohne daß hier zwischen ihn entschieden werden müßte. Man kann die jeweils thematisch einschlägige Grundrechtsvorschrift daraufhin untersuchen, ob ihr ein Vorbehalt beigefügt und dieser durch die Normierung der jeweiligen Beamtenpflicht i n zulässiger Weise ausgefüllt ist. Demgegenüber erscheint jedoch A r t . 33 Abs. 5 GG, der nicht nur den Auftrag, sondern zugleich auch die Ermächtigung enthält, das Recht des öffentlichen Dienstes zu regeln 31 , als der sachnähere Anknüpfungs30 Dazu Wolf gang Perschel, Die Lehrfreiheit des Lehrers, D Ö V 1970, 34 ff. (38 f.). 31 Schick, ZBR 1963, 71. Vgl. zum mehrfachen Regelungsgehalt dieser V o r schrift ferner Maunz, bei Maunz / D ü r i g / Herzog, Grundgesetz, A r t . 33, Rdnr.
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punkt. Aus dieser Sicht stellt sich A r t . 33 Abs. 5 GG zum einen als lex specialis zu A r t . 12 Abs. 1 GG, aber auch zu anderen Grundrechtsbestimmungen dar; zum anderen enthält er nicht nur einen bloßen Regelungs-, sondern auch einen Einschränkungsvorbehalt. Legt man diese Konstruktion zugrunde, dann ist dreierlei zu beachten: Die bloße Erwähnung des Berufsbeamtentums i n A r t . 33 Abs. 5 bedeutet für sich allein noch keine automatische Grundrechtsschranke. Es ist daran festzuhalten, daß diese Bestimmung lediglich einen Regelungs- und Beschränkungsvorbehält enthält. Die Auffassung, daß die Institutionalisierung des Berufsbeamtentums durch das Grundgesetz per se die beschränkte Grundrechtsgeltung für die Beamten impliziere, verwechselt „die materiell-rechtliche Frage nach der (möglichen) Grundrechtsbegrenzung 32 mit der kompetenzrechtlichen nach dem zur Grundrechtsbegrenzung zuständigen Organ" 3 3 . Es sind also nur solche hergebrachten Grundsätze als mögliche Grundrechtsschranken anzusehen, die der Gesetzgeber i n Vollzug des Regelungsauftrages aus A r t 33 Abs. 5 GG formuliert hat. Das derart bereitgestellte, verfassungskonkretisierende Normgefüge erhält nicht automatisch einen Vorrang vor den Grundrechten, darf also nicht einseitig gegen sie ausgespielt werden. Es besteht — soweit ersichtlich — Einigkeit darin, daß die aufgrund von A r t . 33 Abs. 5 GG erlassenen dienstrechtlichen Regelungen die Grundrechte nicht eo ipso absorbieren können, sondern sich i n die Grundentscheidungen der Verfassung einpassen müssen 34 . Das Auslegungsprinzip der praktischen Konkordanz setzt also erst auf dieser Stufe ein. Drittens: Der Regelungsvorbehalt des A r t . 33 Abs. 5 GG bezieht sich nur auf das Dienstrecht der Beamten. Führt man sich nämlich den I n halt der hergebrachten Grundsätze i m einzelnen vor Augen 3 5 , dann ergibt sich, daß sie ausschließlich das Dienstverhältnis der Beamten betreffen, nicht jedoch deren Funktion als Amtswalter. Das gibt der Argumentation eine entscheidende Weichenstellung: Für das „Funktionieren" des öffentlichen Dienstes als Argumentationstopos ist dann A r t . 33 Abs. 5 GG thematisch nicht einschlägig. Hier ist vielmehr nur der Bestand der I n stitution „Berufsbeamtentum" i n ihren typusmäßigen Ausprägungen angesprochen. Zwar stellt die Erfüllung staatlicher Aufgaben die Haupt72, 83; Menger, V e r w A r c h Bd. 56 (1965), S. 81 ff. (83); Erichsen, Staatsrecht I, S. 139. 32 d. h. die Einschränkbarkeit muß von der bereits stattgefundenen E i n schränkung unterschieden werden. 33 So Walter Krebs, Vorbehalt des Gesetzes u n d Grundrechte, B e r l i n 1975, S. 129. 84 Böttcher, Die politische Treupflicht, S. 65 ff.; Isensee, Beamtenstreik, S. 60. 35 Überblick bei Ule, Die Grundrechte IV/2, S. 570 ff.
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funktion des Berufsbeamtentums dar; und die Funktion könnte nicht von der Institution abgehoben werden, ohne daß deren Bestand seinen Sinn verlieren würde 8 6 . Jedoch w i r d das Funktionieren des öffentlichen Dienstes i m wesentlichen nicht durch die Vorschriften sichergestellt, die hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums ausprägen, sondern auf andere Weise. Daß die staatliche Aufgabenerfüllung, insbesondere der Gesetzesvollzug, reibungslos abläuft, w i r d erst erreicht durch das Zusammenspiel von Beamten- und Amtsrecht, genauer: von dienstrechtlicher Amtswahrnehmungspflicht und gesetzesunabgeleiteten, amtsadressierten generellen und Einzelweisungen. Erst i n diesem Bereich greift der Topos „Funktionieren des öffentlichen Dienstes", der — nebenbei gesagt — auf diese Weise auch auf die nichtbeamteten öffentlichen Bediensteten erstreckt werden kann. Die an der Nahtstelle zwischen Dienst- und Organisationsrecht liegende Verpflichtung des Beamten, sein A m t wahrzunehmen und sich m i t voller Hingabe seinem Beruf zu widmen, w i r d gelegentlich als eine Beschränkung des Grundrechts der Berufsfreiheit bezeichnet 37 , die aber durch „Sinn und Zweck" 3 8 des Beamtenverhältnisses gerechtfertigt sei. Ob man hierin überhaupt eine Grundrechtseinschränkung erblicken kann, hängt allerdings vom Freiheitsbegriff ab. Insoweit dürfte es fraglich sein, die Berufsfreiheit ins Feld zu führen, um die m i t einem Beruf naturgemäß verbundenen Tätigkeiten, die i h n erst ausmachen, nicht wahrzunehmen. A r t . 12 Abs. 1 GG ist ein Grundrecht „zum Beruf hin", nicht „vom Beruf weg". Es wäre ein venire contra proprium factum, einen Beruf zu wählen, seine Ausübung jedoch nicht zu wollen 8 9 . Die Qualifizierung der Amtswahrnehmungspflicht als Einschränkung der Berufsfreiheit würde auch zu weiteren dogmatischen Schwierigkeiten führen. Zwar läge eine gesetzliche Regelung i. S. von A r t . 12 Abs. 1 Satz 2 GG vor. Jedoch wäre fraglich, ob hier der Gesetzgeber eine inhaltlich hinreichend präzise Sachentscheidung getroffen hätte, die den A n forderungen von A r t . 80 Abs. 1 Satz 2 GG entspricht. Denn die Vorschriften über die Amtswahrnehmungspflicht sind, wie bereits erörtert, Blankettnormen, deren Verpflichtungswirkung erst durch die jeweiligen Amtsrechtssätze aktualisiert wird. Darüber hinaus liegt zwischen den formell-gesetzlichen Vorschriften über Amtswahrnehmung und Weisungsgebundenheit und den Amtsrechtssätzen, die erst die substantielle Regelung enthalten, kein Delega36 Vgl. Günter Porr, Die Pflichten des Beamten unter der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, Diss. Göttingen 1968, S. 76 f. 37 Ule, Die Grundrechte IV/2, S. 638; Plog / Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Anm. I I I 3 v o r § 64. 38 So Ule, ebd. 39 Insofern zutreffend Wiese, Der Staatsdienst, S. 120.
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tionszusammenhang vor, da die erstgenannten Normen keine Ermächtigung zum Erlaß von Amtsrechtssätzen enthalten. Vielmehr setzen sie die Befugnis der Exekutive, gesetzesunabgeleitetes Amtsrecht zu erlassen, offenbar voraus. Deswegen scheidet auch das Problem der generalklauselartigen Ermächtigung zu Hegelungen der Berufsausübung hier aus 40 . Der dritte, durch die Vorschriften des Amtsrechts gebildete Komplex ist also unter der Voraussetzung grundrechtsrelevant, daß man erst i n diesen organisationsrechtlichen Normen die eigentliche Regelung der Berufsausübung erblickt. Unterstellt man das als zutreffend — was hier nicht entschieden zu werden braucht — dann kommt jedenfalls A r t . 33 Abs. 5 GG für derartige gesetzesunabgeleitete Regelungen i m Grundrechtsbereich nicht i n Betracht. Diese Bestimmung kann als Regelungsvorbehalt nur dort thematisch einschlägig sein, wo es sich um das Dienstrecht der Berufsbeamten handelt. Amtsrecht ist aber Organisationsrecht Dieses findet seine Legitimationsgrundlage nicht i n der Institution des Berufsbeamtentums, sondern i n der Sicherstellung der staatlichen Aufgabenerfüllung, insbesondere des Gesetzesvollzugs. Normativer Standort hierfür ist A r t . 20 Abs. 2 Satz 2 GG i n Verbindung mit dem bereits erörterten Verrechtlichungsgebot. Dieses folgt u. a. daraus, daß der Gesetzgeber schon rein faktisch nicht i n der Lage ist, die organisatorische „Stufenleiter" so weit hinunterzusteigen, daß er jedem Amtswalter seine Aufgaben zuweist und die Modalitäten ihrer Erfüllung beim Vollzug des Außenrechts festlegt. Vor diesem Hintergrund muß der Exekutive die Geschäftsleitungsgewalt zugestanden werden, wenn anders die Impulse des Außenrechts nicht ins Leere stoßen sollen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß für die Grundrechtsproblemat i k folgende Ansatzpunkte den unterschiedlichen Rollen des Beamten entsprechen: I n der privaten Sphäre gilt nichts anderes als sonst i n den Staat-Bürger-Beziehungen. A r t . 33 Abs. 5 GG ist als möglicher Regelungsvorbehalt nur dort zu diskutieren, wo es sich u m das BeamtenDienstrecht handelt. Das Amtsrecht hingegen — sieht man es überhaupt als grundrechtsrelevant an — legitimiert sich aus der Überlegung, daß die Exekutive i m Interesse des Staatsbürgers den Vollzug des Außenrechts sicherstellen muß.
40 Hierzu i m Zusammenhang m i t polizeilichen Generalklauseln BVerwG, DVB1. 1970, 505 ff.
Zusammenfassung 1. Die Position des Beamten ist nicht nur dadurch gekennzeichnet, daß er einmal zum Staat i m allgemeinen Staatsbürgerverhältnis steht, zum anderen aber als „Teil" des staatlichen Verwaltungsapparates dem B ü r ger handelnd gegenübertritt. I n letzterer Beziehung steht er darüber hinaus i m Schnittpunkt zweier Normenmassen, die erst beide zusammen sein Amtswalterverhalten steuern: des personenadressierten, gesetzlich geregelten Beamten-Dienstrechts und des amtsadressierten, gesetzesunabgeleiteten Organisationsrechts. Während sich die Diskussion i m Bereich des Dienstrechts zunehmend konsolidiert hat, ist das Gebiet des Amtsrechts noch relativ unaufgeschlossen. Auch sind die Mechanismen aufzuzeigen, die das Zusammenspiel beider Rechtsmassen bewirken. Darin bestand eines der Hauptanliegen der Untersuchung. 2. Demgemäß war zunächst i n einem dogmengeschichtlichen Rückblick der Versuch unternommen worden, die Entwicklungslinien aufzuzeigen, die zur dogmatischen Figur des besonderen Gewaltverhältnisses hinführten. Dabei konnte nicht die ganze rechtshistorische Wirklichkeit eingefangen werden. Das liegt nur zum Teil an der gedrängten Darstellung; jeder Versuch einer Deutung muß zwangsläufig bestimmte Tendenzen akzentuieren. Darüber hinaus erschien eine systematische K r i t i k an konstitutionellen Lehren dort angebracht, wo sie mit dem Anspruch auf rechtstheoretische Allgemeingültigkeit auftraten. 3. Das 2. Kapitel des Grundlagen-Teils war dem Organisationsrecht gewidmet, das wegen der Konzentration der Rechtswissenschaft auf das Staat-Bürger-Verhältnis zu Unrecht vernachlässigt worden ist und noch wird. Ausgangspunkt war dabei, daß es nicht um die Erfassung eines a priori feststehenden Wesens von Organisation und Organisationsrecht gehen kann, sondern um verschiedene gleichberechtigte, aber unterschiedlich leistungsfähige Aspekte, unter denen sich der staatliche I n nenbereich betrachten läßt. Als mögliche Zugänge sind dabei der dogmatisch-statische, der organisationssoziologisch-dynamische und der rechtstheoretisch-funktionale herausgestellt worden, wobei für die dogmatische Arbeit vorwiegend der erste und der dritte i n Betracht kommen. Während i m Mittelpunkt der erstgenannten Betrachtungsweise die Probleme der Organschaft und der Zurechnung von Organhandeln stehen, befaßt sich der insbesondere von H. L. A. Hart entwickelte rechts-
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theoretische Zugang m i t der unterschiedlichen Struktur und Wirkweise von Rechtsregeln. I n einem System von primären und sekundären Regeln gehört das Organisationsrecht zu den letzteren, vorwiegend i n Gestalt von Entscheidungsregeln. Vor diesem Hintergrund ließ sich die Funktion von Organisationsrecht i n einem Rechtssystem deutlich machen. Es ermöglicht nicht nur, daß die Normimpulse der primären Regeln (Verhaltensregeln, „materielles" Recht) i n die Wirklichkeit umgesetzt werden, sondern legt zugleich fest, welche Stelle über die Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts maßgeblich zu befinden hat. Dieser Zusammenhang bewirkt eine faktische und normative Präponderanz der Entscheidungsregeln. Die späteren dogmatischen Untersuchungen galten u. a. dem Nachweis dieses Phänomens i m positiven Recht. 4. Der 2. Teil befaßte sich mit normativen und organisatorischen Strukturen von Dienst- und Amtsrecht, wobei die gesetzliche und untergesetzliche Lage zunächst als gegeben hingenommen wurde, ohne auf verfassungsrechtliche Fragen einzugehen. Dabei wurde versucht, die bisherige Diskussion zu verschiedenen Problemkomplexen kritisch zu analysieren, u m so die Ämter- und Weisungsstruktur sowie das Zusammenspiel zwischen Dienstrecht und Amtsrecht aufzuhellen. Dazu kann die vornehmlich aus Rechtsschutzgründen entwickelte Zweiteilung i n Grund- und Betriebsverhältnis wenig beitragen, wohl jedoch das von Hans J. Wolff entwickelte organisationsrechtliche System. Aus i h m heraus läßt sich auch die Amtswahrnehmungspflicht als „Einbruchsteile" des Organisationsrechts und somit als Verknüpfungspunkt von Amtsrecht und Beamtenrecht verdeutlichen. U m i n diesem Zusammenhang ein K r i t e r i u m zur Abgrenzung von amtlichen und dienstlichen Weisungen zu gewinnen, war zunächst davon ausgegangen worden, daß eine Rechtsordnung über die Adressaten ihrer Rechtssätze disponieren kann. Vor diesem Hintergrund konnte eine materiale Amtsadresse entwickelt werden. 5. Daran schloß sich eine Erörterung der Fragen an, die daraus entstehen, daß das Außenrecht auf den einzelnen Amtswalter weitergeleitet werden muß. Anhand einer Analyse der Rechtssätze des Außenrechts und der Weisungsstruktur ließ sich dabei nachweisen, daß der von Rupp als „Rangverlust des Außenrechts" qualifizierte Effekt keine Rangproblematik bezeichnet. Vielmehr ist er eine Folge des Umstandes, daß i m Konfliktsfall zwischen Innen- und Außenrecht die Vorgesetztenweisung Primärverbindlichkeit entfaltet. Aus diesem Gesichtspunkt, nämlich der Präponderanz von Entscheidungsregeln, löst sich auch die Frage nach der Rangordnung der Rechtssätze i m Innenbereich. Das abschließende Kapitel des zweiten Teils befaßte sich m i t der Frage, ob 1. der Bürger und 2. künstliche Funktionssubjekte einen Anspruch
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auf zuständigkeitsgemäßes Handeln haben. Wegen insoweit fehlender Hechtsfolgeanordnungen wurde die Frage für rechtsdogmatisch unentscheidbar erklärt. Jedoch hält das Beamtenrecht eine Sanktion bereit, um Zuständigkeitsdeviationen i m Innenbereich zu korrigieren: Der zuständigkeitswidrig handelnde Amtswalter kann auf sein A m t zurückgewiesen werden. 6. Der letzte Teil befaßte sich schließlich m i t der Qualifizierung und der Zulässigkeit der das Amtswalterverhalten steuernden und den Beamten i n seinem Dienstverhältnis betreffenden Rechtssätze. Dabei wurde insbesondere zunächst der Nachweis unternommen, daß sich ein normstruktureller Unterschied zwischen Gemeinverordnungen und Sonderverordnungen nicht belegen läßt. Gleichwohl wurde letzteren eine Reservefunktion zugewiesen. Das erscheint erforderlich, um so einerseits diesen Bereich dem Zugriff des Gesetzgebers offenzuhalten und andererseits zu verhindern, daß durch die Nichtigerklärung von ermächtigungslos erlassenen Sonderverordnungen die Rechtsstellung der Betroffenen verschlechtert wird. Die Betonung der sowohl individualrechtsschützenden als auch kompetenzzuweisenden Komponenten des Gesetzesvorbehalts diente u. a. dem Nachweis, daß dem Individuum i m Bereich der grundrechtlichen Sondervorbehalte eben wegen ihres kompetenziellen Gehaltes keine Dispositionsbefugnis (volenti non fit iniuria) zukommt. Für den Bereich des grundrechtsneutralen gesetzesunabgeleiteten Amtsrechts wurde versucht, die Geschäftsleitungsgewalt der Exekutive aus dem Gesichtspunkt eines Verrechtlichungsgebotes zusätzlich zu legitimieren; denn ohne eine kompetenzielle Substruktur, die der Gesetzgeber nicht schaffen kann, müßten die Normimpulse des den Bürger betreffenden Außenrechts unerfüllt bleiben. 7. Das abschließende Kapitel galt dem Nachweis, daß je nach dem Rechtsverhältnis, i n welchem der Beamte sich befindet, die Argumentationstopoi i n bezug auf die Grundrechtsgeltung wechseln müssen. Danach ist zu unterscheiden zwischen privater, dienstlicher und amtlicher Sphäre. Dabei kommt für den dienstlichen Bereich A r t . 33 Abs. 5 GG und mit i h m die Institution des Berufsbeamtentums ins Spiel, für den amtlichen Bereich — und nur für ihn — hingegen das Funktionieren des öffentlichen Dienstes. 8. Insgesamt hatte die Untersuchung drei Hauptanliegen: Funktion und Bedeutung des Organisationsrechts für die staatliche Aufgabenerf üllung sollten auf gewiesen werden. Verschachtelung und Zusammenspiel von Amts-, Beamten- und Außenrecht waren darzulegen.
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Es war nachzuweisen, daß materielle Fragen nach der „richtigen" Auslegung und Anwendung von Rechtssätzen oftmals i n Zuständigkeitsfragen münden, was wiederum die rechtstheoretisch erarbeitete Präponderanz von Entscheidungsregeln belegt.
Schrifttum Angegeben sind n u r die häufiger verwendeten Titel. Die benutzten Werke sind i n der Regel bei der erstmaligen Zitierung i n den Anmerkungen m i t vollen bibliographischen Angaben, danach m i t einem aus sich heraus v e r ständlichen K u r z t i t e l aufgeführt. Abel, Gunther: Die Bedeutung der Lehre von den Einrichtungsgarantien f ü r die Auslegung des Bonner Grundgesetzes, B e r l i n 1964. Abelein, Manfred: Die Abgrenzung Verwaltungsakt — Verordnung, i n : Recht u n d Staat, Festschrift f ü r Günther Küchenhoff, B e r l i n 1972, B a n d I I , S. 419 ff. Achterberg,
Norbert: Grundzüge des Parlamentsrechts, München 1971.
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Sachwortverzeichnis Absolutismus 27 ff. Änderungsregeln 109 ff. allgemeines Gewaltverhältnis 26 ff., 56 ff. Allgemeinvorbehalt 245 f. A m t 131,148,153 Amtsrecht 15, 275 ff. amtliche Weisungen 145 ff., 151, 156, 226 ff. Amtsadresse 231 Amtswahrnehmungspflicht 131 ff., 153,156,173 ff., 214 f. Amtswalter — Gesetzbindung 169 ff. — u n d Amtswahrnehmungspf licht 214 Amtswalterverhältnis 129 ff., 145 ff., 161,214 Anstellungs Verhältnis 128 Außenrecht 84,160 ff. Berufsbeamtentum — hergebrachte Grundsätze 282 ff. besonderes Gewaltverhältnis 13 ff., 23 ff., 45 ff., 119 ff., 160 Bestimmtheitsgrundsatz 136 Betriebs Verhältnis 25,119 ff. bindender rechtswidriger Befehl 162 ff., 182 ff. didaktischer Begriff 63 ff. Dienstgewalt 127 dienstliche Weisungen 145 ff., 156 Dienstrecht 15, 275 ff. Dienstverhältnis 83,128,132,145 ff. dogmatischer Begriff 60 ff. Entscheidungsregeln 109 ff. Erkenntnisregeln 109 ff. „Freiheit u n d Eigentum" 44, 52, 59, 69, 76 Gehorsamspflicht 56 ff. Geltungsregeln 110 ff. Gemeinverordnung 229 ff. Geschäftsleitungsgewalt 259 ff.
Gesetzesbegriff 53 f., 70 ff., 86 ff., 242, 245 ff. Gesetzesvorbehalt 50 ff., 237 ff., 248 ff. Gewaltenteilung 260 Gewaltverhältnis, s. allgemeines u n d besonderes Gewaltverhältnis Gewohnheitsrecht 265 ff. Grundrechte — i m Beamtenverhältnis 275 ff. Grundrechtsverzicht 267 ff. Grundverhältnis 25,119 ff. Impermeabilitätstheorie 66 ff., 160 Innenrecht 160 ff. Interesse 216 f. juristische Person 32, 81, 89, 93, 102 ff. kritischer Rationalismus 19, 21 Kronprärogative 69 Landeshoheit 29 ff. Mitbestimmung 269 f. Mitgliedschaftsrechte 212 monarchisches Prinzip 31, 35, 42, 44, 68, 240 Organ, Organschaft 93 ff. Organisation 83 ff., 103 ff. Organisationsgewalt 111,127, 259 ff. Organisationsrecht 85 ff. Organrechte 212 Organstreitverfahren 99 ff. Parlaments vorbehält 51 f., 69, 72, 239 ff. praktische Konkordanz 272 ff. primäre Regeln 107 ff. Rechtsfähigkeit 80 ff., 140 f. Rechtspersönlichkeit 32, 35 Rechtssatz — M u l t i f u n k t i o n a l i t ä t 115 ff. Rechtssatzbegriff 72 ff., 78 ff., 143, 154,167, 223 ff.
Sachwortverzeichnis Rechtssatzvorbehalt, schlichter 246 f., 255 ff. Rechtsschutz 150 Rechtsstaat 249 Rechtssubjektivität 80 ff., 140 f. Rechts Verwirklichungsnormen 107 ff. Remonstration 123,137 sekundäre Regeln 107 ff. Sonderverhältnis 64 f. Sonderverordnung 229 ff., 251 ff., 271 ff. Souveränität 28 ff. Staatspersönlichkeit 34 ff., 39, 43, 45, 84, 88 SubjektionsVerhältnis 46 ff., 59 f. subjektives Recht 212 f. — auf zuständigkeitsgemäßes Handeln 204 f. — von Organen 211 ff.
305
unbestimmter Rechtsbegriff 113,177 Untertan 39,42 Verhaltensnormen 107 ff. Versetzung 158 Verwaltungsakt 146,154,156, 227 ff. Verwaltungsverordnung 229 ff. Verwaltungsvorschrift 149 f., 229 ff. volenti non f i t i n i u r i a 51, 267 ff. Vorbehalt des Gesetzes, s. Gesetzesvorbehalt Vorrang des Gesetzes 237 ff. Wahrnehmungszuständigkeit 97, 213 ff. Zuständigkeit — Recht auf 213 Zuständigkeits Verletzung 210