Alter in der Antike: Eine Kulturgeschichte 9783412215255, 9783412208905


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Alter in der Antike: Eine Kulturgeschichte
 9783412215255, 9783412208905

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BEATE WAGNER-HASEL

ALTER IN DER ANTIKE EINE KULTURGESCHICHTE

2012 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Grabstele: Die sitzende junge Frau stellt wahrscheinlich die Verstorbene dar; die Hinterbliebenen werden durch die stehende ältere Frau und das Mädchen im Hintergrund repräsentiert. Vereint sind im Bild somit drei Generationen, Großmutter, Mutter und Tochter. Marmor, Höhe 170 cm, Breite 120 cm, Griechisch, attisch, nach Mitte des 4. Jh. v. Chr. Gefunden 1882 in Athen. Athen, Nationalmuseum, Inv. Nr. 870 © akg-images

© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Umschlaggestaltung: Judith Mullan Druck und Bindung: Finidr s.r.o., CZ-Český Těšín Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the Czech Republic ISBN 978-3-412-20890-5

Inhalt

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einleitung: Alterswahrnehmung und Generationenkonflikte . . . . 9 I. Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit . . . . . . 16

1. Mythologische Figuren des Alterns und die Verleiblichung des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Die Alten in der Ikonographie: Vom schönen Greis zum puer senex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Weibliches Wissen und die Figur der alten Frau in der Ikonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

II. Die Autorität der Alten in der Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

1. Ältestenrat und politische Struktur in Griechenland . . . . . . 51 2. Altersstruktur und Ansehen römischer Amtsträger . . . . . . . 57 3. Altershierarchie in frühchristlichen Gemeinden . . . . . . . . . . 63

III. Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

1. Lebensalterstufenmodelle für den idealtypischen Polisbürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Lebensalterstufenmodelle und politische Karrieren in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Der weibliche Lebensrhythmus und die ideale Bürgerin . . . 79 4. Altersklage und Sexualität in Griechenland und Rom . . . . . . 81

IV. Das materielle Band der Generationen: Mitgift und Erbe . . . . . 91

1. Bürgerrecht und Vererbungsstrategien in Athen und Sparta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Vererbungsstrategien und die Reproduktion der politischen Klasse in Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Inhalt  5

V. Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

1. Demographie, Lebenserwartung und Haushaltsstruktur . . 109 2. Alterspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Generationenkonflikte in Griechenland . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4. Delikt Vatermord. Generationenkonflikte in Rom . . . . . . . . 128

VI. Die Sorge für die Toten und der gute Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

1. Der gute Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Bestattungsaufwand und politische Macht . . . . . . . . . . . . . . . 144

Ausblick: Marginalisierte Alte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Verzeichnis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a. Antike Autoren (Übersetzungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b. Inschriften, Fragmentsammlungen, Anthologien . . . . . . . . . 211 c. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

6  Inhalt

Vorbemerkung

Die Studie war ursprünglich als Teil eines Überblickswerkes zur Geschichte des Alters von der Antike bis zur Gegenwart konzipiert. Gliederung und Konzeption sind in enger Abstimmung mit Josef Ehmer entstanden, der den Teil über die Neuzeit übernehmen sollte. Er hat das Manuskript mehrfach gelesen und aus neuzeitlicher Perspektive kommentiert. So hat er mich immer wieder auf die projektiven Fallstricke aufmerksam gemacht, die in der Beurteilung der antiken Verhältnisse aus der Perspektive des gegenwärtigen Systems der Altersversorgung liegen. Für die anregenden Gespräche danke ich von Herzen. Manchen Hinweis auf Beiträge zur aktuellen Altersdebatte verdanke ich Hans-Christoph Schröder. Für zahlreiche Literaturhinweise und sachliche Korrekturen in althistorischen Einzelfragen danke ich Balbina Bäbler, Boris Dunsch, Henriette Harich-Schwarzbauer, Berit Hildebrandt, Christiane Kunst, Astrid Möller, Sabine Müller und Anja Schulz, die das Manuskript in verschiedenen Stadien der Fertigstellung gelesen haben. Für Hilfestellung bei der Auswahl und Interpretation des Bildmaterials sowie bei der Beschaffung der Bildrechte bin ich Natascha Sojc, Susanne PfistererHaas und Ingeborg Kader zu großem Dank verpflichtet. Einige Aspekte konnte ich bereits in Vorträgen in Tübingen, Bielefeld, Greifswald und Mannheim sowie auf einer interdisziplinären Alterstagung auf Schloss Marbach einem größeren Kreis vorstellen. Den Gastgebern und Zuhörern, namentlich Otfried Höffe, Stefan Rebenich, Tanja Scheer, Egon Flaig und Rosmarie Günther danke ich für kritische Kommentare und Anregungen. Die zunehmende Nachfrage nach Studien über das Alter hat mich motiviert, nun das Manuskript als eigenständige Monographie erscheinen zu lassen, in der Hoffnung, dass die geplanten Studien über das Alter im Mittelalter und in der Neuzeit folgen werden. Hannover, im Januar 2012

Beate Wagner-Hasel

Vorbemerkung  7

Einleitung: Alterswahrnehmung und Generationenkonflikte

„Wandelt auf Erden ein Wesen auf zweien und vieren und dreien, redet mit einer Stimme, verändert allein sich von allem, was sich zu Lande bewegt, zu Wasser und hoch in den Lüften. Ist ihm die Anzahl der Füße, auf denen es wandelt, am größten, dann ist die Schnelle der Glieder am allergeringsten zu nennen.“1 So lautet das Rätsel der Sphinx, das nur Ödipus (Oidipous), der tragische Held der griechischen Mythologie, der unwissentlich seine Mutter heiratet, zu lösen weiß. Seine Antwort: Der Mensch, „der vierfüßig geboren werde, indem das Kind auf allen vieren krieche; herangewachsen sei der Mensch zweifüßig, gegen das Alter hin aber nehme er als dritten Fuß den Stab hinzu.“ Die Antwort beendet das Wüten der Sphinx, die Theben mit einer Seuche überzogen hatte, und bringt dem Helden die Hand der Witwe des ermordeten Vorgängers, des Laïos, und damit die Herrschaft über das Land ein: „Jetzt stürzte sich die Sphinx von der Höhe herab; Oidipous aber übernahm das Reich, ehelichte, ohne es zu wissen, seine Mutter,“ heißt es im mythologischen Handbuch des Apollodoros aus dem 2. Jahrhundert v. Chr.2 Kindheit, Erwachsenenalter, Greisentum, das sind die drei Lebensalterstufen, die das Rätsel der Sphinx zu entschlüsseln aufgibt. Wie im Rätsel beschrieben, so sind die Generationen auf zeitgenössischen Vasenbildern abgebildet. Gêras, die Personifikation des Greisentums, tritt in der Vasenmalerei als Figur des hinfälligen, auf einen Stock gestützten Greises auf und ist als Gegenbild zur kraftstrotzenden Figur des jugendlichen Helden Herakles konzipiert.3 „Dreifüßigen Gangs“ schleicht der alte Mensch daher, „ein Kind – nichts Besseres – an Kraft, ein am Tag umherirrendes Traumbild“, formuliert der Tragödiendichter Aischylos (525–456 v. Chr.).4 Miniaturformen der Choenkannen, die an den Anthesterien, einem Fest des Weingottes Dionysos, im antiken Athen zum Einsatz kamen, zeigen das auf allen Vieren krabbelnde Kleinkind.5 Dieses Denken in Lebensalterstufen, die im Rätsel auf die Tageszeiten bezogen werden, war in der Antike weit verbreitet. Von Hesiod über Einleitung  9

1

Herakles bekämpft das personifizierte Greisenalter (Geras). Rotfigurige Pelike des Geras-Maler, um 480 v. Chr. Paris, Louvre

Solon bis Cicero und Horaz, von den ältesten literarischen Überlieferungen der Griechen bis in die römische Kaiserzeit reichen die Versuche, das menschliche Leben in Entwicklungsphasen zu gliedern, die in der Regel drei – wie in der obigen Sage –, oft auch sieben oder zehn Stufen umfassen.6 Lebensalterstufen sind mit Alltagserfahrung aufgeladen, bilden aber zugleich Ordnungskategorien antiker Kosmogonien und sind deshalb in der dichterischen Verarbeitung als vieldeutiges Zeichen verwendbar.7 Im Ödipus-Mythos setzt die Lösung des Rätsels eine Kette von tragischen Verwicklungen in Gang, die zur Verkehrung der Generationenfolge führen. Ödipus heiratet die eigene Mutter; kein Abkömm10  Einleitung

ling dieser inzestuösen Beziehung kann die Generationenkette fortsetzen. Söhne wie Töchter sterben ohne Nachwuchs. In der attischen Tragödie wird mit der Art der Ausgestaltung der Sage auf den Gegensatz zwischen verschiedenen Umgangsweisen mit Wissen abgehoben und die Geschwindigkeit der Entscheidungsabläufe in der politischen Arena des 5. Jahrhunderts kritisch ins Visier genommen. Das kompromisslose, auf schnelle Entscheidungen drängende, Auftreten gehört in dieser Zeit zum Habitus des athenischen Politikers. Es steht im Gegensatz zum bedächtigen, konsensualen Aushandeln, das sich des Erfahrungswissens der Älteren bedient. Ödipus repräsentiert im Sophokleischen Drama Oidipous Tyrannos („König Ödipus“) mit seinem Lösungsverhalten den falschen, d. h. übereilten Umgang mit Wissen. Er handelt, wie der Dichter in seinem Drama an vielen Stellen deutlich macht, zu schnell, und diese Schnelligkeit hindert den tragischen Helden in entscheidenden Augenblicken daran, zu sehen, was einsehbar wäre. Diese Schnelligkeit bestimmt auch das Lösungsverhalten bei der Beantwortung der Frage der Sphinx. Das Rätsel ist das symmetrische Gegenstück zur Weissagung. Die Weissagung ist vieldeutig und figural; sie verlangt Langsamkeit in der Deutung. Das Rätsel der Sphinx kennt dagegen nur eine Lösung. Eben diese Eindeutigkeit ist es, der Ödipus erliegt, wenn er als Antwort auf den Menschen verweist und es dabei unterlässt, die Aussage über die zeitliche Abfolge der Altersstufen auf sich selbst zu beziehen.8 Das Interesse an antiken Wahrnehmungsweisen des Alters und an generativen Abläufen hat in den letzten Jahren stark zugenommen.9 Neben chronologisch angelegten Studien, die einen allgemeinen Überblick über Vorstellungen vom Alter in der Antike bieten,10 und Spezialstudien zu Altersbildern einzelner Autoren11 oder Einzelaspekten des Alterns12 sind seit den 1990er Jahren eine Reihe von demographischen und sozialgeschichtlichen Untersuchungen erschienen, die mit der Rolle der Alten auch das Verhältnis der Generationen und die Abfolge der Lebensphasen von der Jugend bis zum Greisenalter reflektieren.13 Sie alle stehen in der Tradition sozialgeschichtlicher Forschungen zu Familienund Eheformen14 und knüpfen an historisch-anthropologische Forschungen zur Rolle der Jugend oder zum Verhältnis der Geschlechter an, die seit den 1980er Jahren verstärkt Konjunktur haben.15 Hinzu kommen ikonographische Studien zu Altersbildnissen in der bildenden Kunst und Vasenmalerei.16 Ihnen verdankt die vorliegende Studie viel. Einleitung  11

Entgegen früheren Annahmen, dass hohem Alter in traditionalen Gesellschaften ein großer Wert zugekommen sei und alte Menschen eine hohe Wertschätzung erfahren hätten, neigen viele Autoren und Autorinnen jüngerer Studien dazu, die Situation der Alten in der Antike als wenig freudvoll zu betrachten. Am schlimmen Rand des Lebens, so lautet programmatisch der Titel eines 2003 von Andreas Gutsfeld und Winfried Schmitz herausgegebenen Aufsatzbandes zu Altersbildern in der Antike,17 mit dem an die Hesiodeische Altersklage angeknüpft wird, wo es warnend heißt: „Wer seinen greisen Erzeuger am schlimmen Rand des Lebens / Feindselig schilt, ihn hart mit kränkenden Worten misshandelt. / Wahrlich, Zeus höchstselbst ist empört über den.“18 Auch Tim Parkin, der mehrere monographische Studien zum Alter in der Antike vorgelegt hat, betont die negativen Aspekte des Alters gerade für Frauen, die er an den Rand der Gesellschaft abgedrängt sieht.19 Derartige Einschätzungen basieren vielfach auf literarisch geformten Aussagen zum Alter, die vieldeutig sind und nur bedingt die Lebenswirklichkeit alter Menschen widerspiegeln. Denn oftmals dienen Altersbilder als Folie für die Artikulation von Wertaussagen zu gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen. Daher erscheint es mir sinnvoll, zunächst die diskursiven Praktiken in ihrer Bedeutungsreichweite zu entschlüsseln, ehe eine Bewertung der Lebenswirklichkeit alter Menschen in der Antike vorgenommen wird. Ausgangspunkt der folgenden Betrachtungen bilden mythologische Figuren des Alterns, die einen engen Konnex von Alter und Wissen belegen. Dieser ist typisch für orale Kulturen und lässt sich auch anhand der Ikonographie alter Menschen erkennen. Es sind gerade Wissensträger wie Dichter und Philosophen, die auf Vasenbildern oder in der Plastik meist mit deutlichen Alterszügen dargestellt werden (Kap. I). Eine Vorrangstellung der Alten in der politischen Organisation antiker Gemeinwesen lässt sich daraus nur bedingt folgern. Auch wenn mit dem Ältestenrat in einigen Gemeinwesen wie Sparta der Typus eines politischen Entscheidungsgremiums existierte, das auf die Erfahrung der Alten setzte, so war es in der Regel die mittlere Generation, der die politische Entscheidungsmacht zukam. Allerdings bildete der Gegensatz von Jung und Alt ein ideales Modell, um politische Konflikte zum Ausdruck zu bringen (Kap. II). Es ist ein auffallendes Merkmal antiker Altersdiskurse, dass sie vorwiegend politische Rollen 12  Einleitung

thematisieren. Das gilt vor allem für die Lebensalterstufenmodelle, die in erster Linie den homo politicus im Blick haben. Sie thematisieren daher nur den männlichen Lebenslauf. Die literarisch geformte Altersklage der Lyriker und Elegiker bezieht sich hingegen auf beide Geschlechter, auf Männer wie Frauen. Sie kreist um den Verlust der sexuellen Anziehungskraft im Alter und scheint damit vordergründig den individuellen Erfahrungshorizont des Alterns einzufangen. Jedoch lassen sich auch in der Altersklage politisch-kosmologische Ordnungsvorstellungen erkennen (Kap. III). Generative Abläufe stehen im Mittelpunkt des zweiten Teils. Ausgehend von den Forderungen der Philosophen und Gesetzgeber nach Fürsorge für die Alten wird hier der Lebensrhythmus der Generationen in den Blick genommen. Der Schwerpunkt liegt zunächst auf der Betrachtung des materiellen Bandes der Generationen, auf Mitgift und Erbe. Denn in agrarischen Gesellschaften, wie sie in der Antike vorherrschen, bilden Erbstrategien den Angelpunkt für die Ausgestaltung generativer Verhaltensmuster (Kap. IV). Stehen damit eher strukturelle Aspekte des Generationenverhältnisses im Vordergrund, so wird mit Überlegungen zu Lebenserwartung und Altersfürsorge auch die persönliche Erfahrungsebene einbezogen. Wie gestaltete sich das Zusammenleben der Generationen? Welche Konflikte sind typisch für die jeweilige Zeit? Warum beschäftigen sich römische Juristen seit dem 2. vorchristlichen Jahrhundert mit dem Delikt „Vatermord“? (Kap. V). Die Untersuchung mündet in einen Ausblick auf philosophische Sichtweisen auf den ,guten Tod‘ und auf verschiedene Formen des Totengedenkens. Gerade Totenrituale sind für die Tradierung von Besitz, aber auch von Machtpositionen an die nächste Generation von großer Bedeutung (Kap. VI).20 In allen Kapiteln werden Generationenkonflikte zur Sprache kommen. Sie bilden geradezu den roten Faden, der sich durch alle literarisch-philosophischen Reflexionen und gesetzlichen Maßnahmen zur Reglementierung des Generationenverhältnisses zieht. Erst über die doppelte Perspektive, über die Dekonstruktion von Altersbildern und über die Rekonstruktion der materiellen Dimension des Generationenverhältnisses erscheint es mir möglich, zu angemessenen Aussagen über das Leben alter Menschen in der Antike zu gelangen. Aufgrund der Überlieferungslage stehen das archaisch-klassische Griechenland (6. – 4. Jh. v. Chr.) und das spätrepublikanische und kaiserEinleitung  13

zeitliche Rom (2. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.) im Mittelpunkt der Betrachtung. Einbezogen ist das ptolemäische und römische Ägypten, da hier reiche Papyrusfunde vorliegen, welche die Basis für jüngste demographische Studien bilden.21 Da epochenübergreifende Fragestellungen gewählt wurden, folgt die Darstellung nur innerhalb der einzelnen Kapitel einem chronologischen Muster. Zwischen den Kapiteln sind Sprünge zwischen Epochen und Regionen unvermeidlich. Auch wenn häufig von ‚der Antike‘ die Rede sein wird, so soll nicht unterschlagen werden, dass es sich bei diesem Begriff um ein Konstrukt handelt und es die althistorische Forschung mit einer Vielzahl von ganz verschiedenartigen Kulturen zu tun hat. Inwiefern Unterschiede die Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Gesellschaften und Epochen überwogen haben mögen, ist nur schwer abzuschätzen. Wenn bei der Darstellung vor allem auf Unterschiede und weniger auf Gemeinsamkeiten zwischen der griechischen Poliswelt und dem römischen Reich abgehoben wird, so dient dies der Pointierung der Sachverhalte. Mit Blick auf andere Kulturen der Antike, vor allem auf den Orient, wären diese Kontrastierungen sicher weiter auszudifferenzieren. Dieser Vorbehalt gilt auch im Hinblick auf Status und Geschlecht. Soweit es die Überlieferungslage erlaubt, werden Unterschiede zwischen den Geschlechtern und zwischen Statusgruppen berücksichtigt. Oft aber bleiben Differenzen zwischen Männern und Frauen, Herren und Sklaven im Ungefähren, weil die Quellen fehlen. Da es sich bei den herangezogenen Quellen häufig um Überlieferungen der schriftkundigen Elite handelt, bleibt es zudem nicht aus, dass vor allem die Sicht- und Lebensweise dieser Elite zur Sprache kommt. Die Quellenlage ist disparat. Vorstellungen vom Alter lassen sich nicht nur in den eingangs erwähnten Lebensalterstufenmodellen fassen, die in einer mythologisch-philosophischen Tradition stehen. Schon in der frühgriechischen Dichtung findet sich der Typus der Altersklage, die um den Verlust physischer Kräfte und sexueller Anziehungskraft kreist. Darüber hinaus waren dem Alter eigene philosophische Abhandlungen gewidmet. Zum Nachdenken über die rechte Verfasstheit eines Gemeinwesens gehörten seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. auch Reflexionen zur politischen Autorität der Alten und zu Verhaltensanforderungen an die Jungen gegenüber den Alten. Die Entwicklung eigenständiger philosophischer Traktate ‚Über das Alter‘ (perì gêrôs) blieb indes dem Zeitalter des Hellenismus vorbehalten. Das Abfassen solcher Schriften war 14  Einleitung

Bestandteil der rhetorisch-philosophischen Ausbildung. Der AristotelesSchüler Theophrast sowie Aristoteles selbst, Demetrios von Phaleron und Aristion von Keos haben solche Werke verfasst, die zur Gattung der Konsolationsliteratur gehören. Sie stellen Trostschriften für die Hinterbliebenen dar. Nur dem Titel nach bekannt ist Theophrasts Schrift „Über das Greisenalter“ (perì gêrôs). Die Lexeis bzw. Glossai des Aristophanes von Byzanz enthielten einen Abschnitt De appellatione aetatum, der fragmentarisch überliefert ist.22 Auf diesen Vorläufern fußt die vielleicht bekannteste antike Schrift über das Alter, Ciceros Cato maior de senectute aus der Zeit der späten römischen Republik.23 In die römische Kaiserzeit gehört die ebenfalls vollständig erhaltene Schrift an seni sit gerenda res publica von Plutarch.24 In einer spätantiken Sammlung, im Florilegium des Stobaios aus dem 5. Jahrhundert n. Chr., sind Auszüge aus Traktaten über das Alter enthalten, die von philosophisch gebildeten Römern wie Musonius Rufus, Favorinus und Iuncus verfasst wurden.25 Auch christliche Autoren wie Hieronymus und Augustinus haben sich zum Alter geäußert.26 Unabhängig davon ist die Thematisierung der Rolle der Alten und des Verhältnisses der Generationen ebenso alt wie die Literatur selbst. Vom homerischen Epos des 8. Jahrhunderts v. Chr. über Bühnenstücke des 5. Jahrhunderts bis hin zur römischen Briefliteratur und zu den Rechtstexten reicht der Quellenfundus, aus dem Informationen über das Alter zu schöpfen sind und der deshalb hier im einzelnen nicht aufgeführt werden kann.27 Gemeinsames Merkmal ist der im hohen Maße geformte Charakter der Aussagen über das Alter. Individuelle Erfahrungen sind kaum zu greifen, sondern es geht fast immer um gesellschaftliche und politische Ordnungsvorstellungen. Deshalb werden in die Betrachtung der Altersdiskurse auch Überlegungen zu den sozialen Strukturen einbezogen. In der Kombination von diskursanalytischen und sozialgeschichtlichen Verfahren28 sehe ich die einzige Möglichkeit, hinter der geformten Rede über das Alter den Alltag alter Menschen in der Antike zu greifen. Aufgrund des Überblickscharakters der Studie können viele Themen nur angerissen werden, die eine vertiefte und differenzierte Behandlung verdient hätten. Anmerkungsapparat und ein ausführliches Literaturverzeichnis bieten die Möglichkeit zur weitergehenden Beschäftigung. Um Fachfremden den Umgang mit antiken Quellen zu erleichtern, wurden antike Werke nicht abgekürzt zitiert und verschiedene Schreibweisen der Titel angeführt. Einleitung  15

I. Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

1. Mythologische Figuren des Alterns und die Verleiblichung des Wissens Alter ist ebenso wie andere vermeintlich anthropologische Grundkonstanten wie Geschlecht ein kulturelles Konstrukt, das der Kontextualisierung bedarf.1 Ob jemand als alt gilt, hängt nicht von objektiv messbaren Lebensjahren ab, sondern von der Perspektive der Betrachtung. So meint die griechische Bezeichnung für das Kleinkind, paîs, keineswegs immer eine Person von geringem Lebensalter, sondern oftmals eine erwachsene, aber statusniedrige Person, einen Sklaven. Auch fungiert paîs in politischen Konflikten als Schmähbegriff für den politischen Gegner.2 In der Zeit der römischen Republik ist bei der Verwendung von Altersbezeichnungen häufig ein Bezug zur politischen Karriere erkennbar. Rückblickend auf sein Konsulat zur Zeit der Catilinarischen Verschwörung (63 v. Chr.) bezeichnet sich der römische Politiker Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.) im Jahre 44 v. Chr. in einer Rede gegen die Politik des Antonius als adulescens, obwohl er damals bereits 44 Jahre alt war. Nach gängigen Altersstufenmodellen seiner Zeit hätte er nicht älter als 30 Jahre alt sein dürfen. Der karthagische Feldherr Hannibal (247/6–183 v. Chr.) dagegen, der im Alter von 44 Jahren bei Zama (202 v. Chr.) seine entscheidende militärische Niederlage erlitt, wird im Geschichtswerk des Livius senex, Greis, genannt.3 Auf einem Grabstein in Mauretanien wiederum wird ein 50jähriger Mann als gestorben in der Blüte seiner Jugend (flos iuventutis) charakterisiert.4 Altersbezeichnungen drücken kulturelle Muster und Werthaltungen aus und markieren keineswegs biologisch definierte Lebensabschnitte.5 Der Rekurs auf ein hohes Alter ist, wie uns die Ethnologie lehrt, vielfach als Rekurs auf soziales Wissen zu verstehen.6 Die Alten fungieren in antiken Überlieferungen nicht nur als Träger von politisch relevantem Wissen; Wissen selbst ist in der Antike in hohem Maße in Körperbildern aufgehoben. Der alte wie junge Körper bildet vielfach die Folie für 16  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

moralische und soziale Werte; beide dienen als Projektionsfläche für Ordnungsvorstellungen aller Art. Wie Alter jeweils definiert wird und welche gesellschaftliche Rolle den Alten zukommt, hängt von vielfältigen Faktoren ab. Eine allgemeine Altersdefinition für die Antike verbietet sich.7 Die älteste Reflexion über das Alter finden wir in einem mythologischen Kontext, in Hesiods Lehrgedicht Werke und Tage, das vermutlich um 700 v. Chr. entstand. Es handelt sich um ein Lehrepos, das von den bäuerlichen Tätigkeiten im Jahreszyklus handelt. Vorangestellt sind der Darstellung der bäuerlichen Arbeiten kosmologische Bilder von der Entstehung des menschlichen Geschlechts, zu denen auch der Weltaltermythos von den fünf Epochen bzw. fünf Geschlechtern gehört. Kosmische Zeitalterstufen und Lebensalterstufen gehen im Denken Hesiods ineinander auf und dienen als Mittel, normative Werte zu vermitteln. Dem Menschengeschlecht, dem der Dichter selbst angehört, lässt Hesiod eine Sequenz von Generationen vorausgehen, die nach Metallen benannt werden und teilweise Lebensalterstufen entsprechen. Metalle sind bei Hesiod wie auch in den etwa zeitgleich entstandenen Homerischen Epen als Wertkategorien zu verstehen. Vorbildhaft ist das goldene Geschlecht, das mit agrarischen Gütern in Fülle versorgt ist und sorgsam auf die Rechtsprechung achtet. Im Mythos vom goldenen Zeitalter wird diese Denkfigur durch die gesamte antike Literatur hinweg tradiert. Dem goldenen Geschlecht folgt ein schwächeres und kindlicheres Geschlecht, das silberne Geschlecht, das „töricht herum bei der Mutter im Hause spielt“, sich in maßlosen Gewalttaten ergeht und die Götter nicht achtet. Kraftvoll und stark wiederum ist das bronzene Geschlecht, das dem Geschäft des Ares, d. h. dem Krieg erlegen ist, aber ohne Ruhm namenlos dahingeht, während das vierte Geschlecht der Heroen nach grausigen Kriegen um Ödipus’ Herden oder „der haarschönen Helena wegen“ auf den Inseln der Seligen auf immer verweilen darf. Die letzten beiden repräsentieren den erwachsenen Krieger im Vollbesitz seiner Kräfte, dem aber keinerlei Vorbildfunktion zukommt, während das silberne Geschlecht Züge der Kindheit trägt.8 Das fünfte, eiserne Geschlecht des Dichters erinnert hingegen an das Greisenalter, das zugleich mit moralischem Verfall einhergeht: „Doch Zeus tilgt dann auch dieses Geschlecht hinfälliger Menschen, / Wenn schon bei der Geburt ihr Haar an den Schläfen ergraut Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  17

ist. / Dann wird fremd sein der Vater den Kindern, Kinder dem Vater, / Nicht wird lieb sein der Gast dem Wirt, der Freund seinem Freunde, / Nicht ist der eigene Bruder mehr lieb, wie es früher gewesen. / Bald missachten sie dann ihre altersgebeugten Erzeuger, / Mäkeln an ihnen und fahren sie an mit häßlichen Worten / Rücksichtslos und scheun nicht die Götter; geben dann auch nicht / Ihren greisen Erzeugern zurück den Entgelt für die Aufzucht.“9 Die negative Bewertung des Greisenalters, die sich bei Hesiod sowohl in der Gleichsetzung des eisernen Zeitalters mit moralischem Verfall als auch in der konkreten Beschreibung der Misshandlung alter Menschen niederschlägt, ist nur bedingt auf die Lebenssituation von alten Menschen zu beziehen. Das Bild vom körperlichen Verfall dient in der antiken Literatur häufig dazu, moralische Aussagen zu treffen. Ein Philosoph wie Platon (ca. 428–349 v. Chr.) nutzt es in seinem Dialog Kritias als Metapher für den Verfall der politischen Moral seiner Zeit. Er beschreibt das Land Attika als einen kranken Körper, von dem – „nachdem ringsum fortgeflossen ist, was vom Boden fett und weich war“ – nun nur noch der dürre Körper übrig geblieben sei. Der im Bild des kranken Landschaftskörpers Attikas erfassten ,kranken‘ Gesellschaftsordnung stellt Platon eine vormals ,gesunde‘ Gesellschaft gegenüber, die deutliche Züge seines ,Idealstaates‘ enthält, wie er ihn als Zukunftsbild in anderen philosophischen Schriften entworfen hat. Dazu gehört zum Beispiel das Vorhandensein einer Krieger- bzw. Wächterkaste, die sich der Muße und dem Krieg widmet, während die übrige Bevölkerung den Boden bearbeitet und handwerkliche Erzeugnisse herstellt.10 Die wünschenswerte Zukunft wird von Platon als Anpassung an ideale Verhältnisse der Vergangenheit dargestellt und als goldenes Zeitalter apostrophiert. Hesiod hat mit seinem Rekurs auf das goldene Zeitalter keinen statusdifferenzierten ,Idealstaat‘ vor Augen, sondern eine der göttlichen Existenz angenäherte Lebensweise, die vordergründig auf einem genealogischen System basiert. Gerechtigkeit und die Abwesenheit von Mühen und Leid ganz allgemein, vor allem aber des „schlimmen Alters“, prägen Hesiods Vorstellung vom goldenen Geschlecht. Nur Geburt, nicht aber Krankheit oder Alterung werden erwähnt; der Tod kommt wie ein Schlaf über die Menschen des goldenen Zeitalters. Die Abwesenheit von Krankheit, Alter und Tod ist das Zeichen der göttlichen Existenz, der Unsterblichkeit. Die olympischen Götter altern 18  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

nicht, sie sind ohne Tod, ἀθάνατοϛ/athánatos, und ohne Alter, ἀγήραον agêraon; sie kennen keinen Lebenslauf. Die männlichen Gottheiten haben immerhin eine Kindheit, während die weiblichen Gottheiten stets erwachsen sind.11 Aber sie alle sind im Besitz der ewigen Jugend (ἥβη / hêbê), die in der Figur der Hebe, der Tochter der Göttin Hera, verkörpert ist. „Allein die Götter sind / vom Alter allezeit verschont und auch vom Tod. / Das übrige zerstört die Allgewalt der Zeit“, lässt Sophokles den greisen Ödipus am Ende seines Lebens klagen.12 Charakteristisch für die menschliche Existenz sind hingegen die Merkmale des eisernen Zeitalters, Krankheit, Alter, Tod, kurz: die Sterblichkeit. In Hesiods Götterentstehungslehre ist das Greisenalter (γῆρας / gêras) folgerichtig ein Geschwisterkind all jener Mächte, die den menschlichen Reproduktionskreislauf von Geburt und Tod steuern: Schlaf, Traum, Tod, Liebesverlangen (philótês), Täuschung, Streit (éris), Vergeltung (némesis) und der Schicksalsgöttinnen, der Moiren, und der Zuteilerinnen des Todesloses, der Keren. Sie alle sind Kinder der Nacht.13 Die Graien indes, das weibliche Pendant zum männlichen Greisenalter, entstammen einer Verbindung der Erde (Gaia) mit dem Meer (Pontos). Sie treten wie andere Wirkmächte, die mit dem Kreislauf des Wachsens und Vergehens im Jahresrhythmus verbunden sind wie z. B. die Horen, in der Zweizahl auf. Anders als die männliche Verkörperung des Greisenalters haben sie Anteil an beiden Seiten, an der Schönheit der Jugend und an der Hässlichkeit des Alters: „Dem Phorkys aber gebar Keto die alten Frauen, / die schönwangigen, weißhaarig von Geburt an, / und die nennen denn auch ,Alte Frauen‘ (Graien) / Unsterbliche Götter und am Boden wandelnde Menschen, Pemphredo mit dem schönen Gewand / Und Enyo mit dem krokusgelben.“14 Im kosmologischen Denken Hesiods gelangt die Sterblichkeit erst über das weibliche Geschlecht in die Welt, das zugleich Garant für die Alterspflege ist. Stamm-Mutter des weiblichen Geschlechts ist Pandora („Allgeschenk“), das von allen Göttern mit Gaben bedachte Geschenk des Zeus an die männliche Opfergemeinschaft, die von Prometheus das Feuer erhalten hatte. Geschmückt ist sie als verführerische Braut; der Stoff aber, aus dem sie geschaffen wurde, besteht aus Ton wie das große Vorratsgefäß, der píthos, den sie mitbringt und aus dem die Übel entweichen, die den Menschen Krankheit und Tod bescheren: „Nämlich zuvor, da lebten der Menschen Stämme auf Erden / Frei von allen Übeln und Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  19

frei von Mühsal / Und von quälenden Leiden, die Sterben bringen den Menschen. / Doch als das Weib von dem Tonfaß den mächtigen Deckel emporhob, / Ließ es sie los; es brachte ihr Sinn viel Unheil den Menschen. /  Einzig die Hoffnung blieb da in unzerstörbarer Wohnstatt, / Innen unter dem Rande des Krugs, und flog nicht ins Freie / Auf und davon; denn vorher ergriff sie den Deckel des Kruges, / Wie es der Träger der Aigis gewollt, Zeus, Herr der Gewitter, / aber die andern durchschweifen, unzählbare Plagen, die Menschheit; / Nämlich voll ist die Erde von Übeln, voll auch die Salzflut; / Krankheiten kommen bei Tag zu den Menschen, andre zur Nachtzeit, / Wie sie wollen, von selbst, und bringen den Sterblichen Schaden […].“15 Einen Ausweg aus diesem Dilemma sieht der Mythos nicht vor. Es ist zwar möglich, die Verbindung mit dem weiblichen Geschlecht zu meiden. Dies aber bedeutet ein ,schlimmes Alter‘ und Entbehrung der Alterspflege: „Wenn einer die Ehe flieht / Und das schlimme Tun der Frauen / Und nicht heiraten möchte, / Zu einem schlimmen Alter kommt der, / Entbehrt der Alterspflege; / Und mancher hat zwar an Unterhalt keinen Mangel, / Solange er lebt, / Stirbt er aber, so teilen unter sich / Seinen Besitz entfernte Erben […].“16 Der Pandoramythos gibt ebenso wenig wie der Weltaltermythos Auskunft über reale Vorgänge, sondern vermittelt allein ein Sinnbild über die Unabdingbarkeit der Generationenabfolge. Diese entsteht erst über die geschlechtliche Verbindung von Männern und Frauen. Die Generationenabfolge aber impliziert den Tod.17 Zwischen den sterblichen Menschen und den unsterblichen Göttern befinden sich im kosmologischen Denken der Griechen jene greisenhaften Zwischenwesen, die sich mit den Göttinnen verbinden, die den kosmischen und menschlichen Reproduktionskreislauf steuern. Die Göttin der Morgenröte, Eos, die den Tagesanfang markiert, erbittet für den sterblichen Tithonos von Zeus zwar erfolgreich Unsterblichkeit, vergisst aber, auch ewige Jugend einzufordern. Tithonos verharrt, wie es im homerischen Hymnos an Aphrodite um 600 v. Chr. erzählt wird, in der Figur des hinfälligen Greises.18 Aphrodite erzählt ihrem sterblichen Geliebten Anchises vom Schicksal des Tithonos, als dieser für sich selbst von der Göttin Unsterblichkeit erbittet: „Eos, die Göttin auf dem goldenen Throne, hinwieder entführte / eurem Geschlecht den Tithonos; er 20  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

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Eos entführt Tithonos. Skyphos aus Capua. Cambridge, Corpus Christi College

glich den unsterblichen Göttern. / Bittend ging sie zum dunkelumwölkten Kroniden: Tithonos / sollte unsterblich werden und leben endlose Tage. / Zeus gewährte den Wunsch und nickte der Törin Erhörung; /  denn sie hatte nicht gründlich bedacht, die erhabene Eos, / Jugend (hêbê) auch zu erflehn, das verderbliche Alter (gêras) zu tilgen. / Während er also in lockender Jugend erstrahlte, genoß er / Eos, die frühgeborene, die Göttin auf goldenem Throne, / wohnte draußen am Rande der Welt an Okeanos Strömung. / Aber es kam die Zeit, da begann ihm die Fülle der Haare / grau zu werden am edlen Kinn und am herrlichen Haupte. / So sein Lager zu teilen vermied die erhabene Eos, / pflegte ihn aber, als wär er ein Kind, in ihrem Palaste, / mit Getreide (sítos) und ambrosía und gab ihm wunderschöne Gewänder. / Als aber schließlich das häßliche Alter ihn völlig erdrückte, / als er kein Glied mehr bewegen konnte, keines mehr heben, / schien ihrem Herzen folgender Plan der beste: Sie ließ ihn / sitzen im Ehgemach, versperrte die glänzenden Türen; / endlos tönt sein Stimmchen (phônê), denn Kraft ist nicht mehr vorhanden, / so wie sie einstens wirkte in seinen lockeren Gliedern.“19 Eben dieses unrühmliche Schicksal will die Göttin Aphrodite, Herrin über das Liebesverlangen, ihrem sterblichen Geliebten, dem Hirten Anchises, ersparen. „Nimmer möchte ich, daß du als solches Gebilde /  unter Unsterblichen weiltest und lebtest ewige Zeiten.“20 Stattdessen legt sie ihm VerschwieWeltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  21

genheit über das Verhältnis auf, verspricht aber, ihm eines Tages den gemeinsamen Sohn Aineias zuzuführen, der in der römischen Rezeption der Begründer Roms werden sollte. Das römische Pendant des ewig alternden Tithonos ist die Sibylle, die greise Seherin in Ovids Metamorphosen, die ihren Jahrhunderte währenden Alterungsprozess der Weigerung verdankt, sich mit einem Gott zu verbinden. Sie lebt in einer Grotte bei Cumae, wo sie von Aineias (lat. Aeneas) auf dessen Flucht aus dem eroberten Troia aufgesucht wird. Im 14. Buch der Metamorphosen bittet Aeneas die Sibylle um Zugang zur Unterwelt, um den Schatten des Vaters Anchises aufzusuchen, und bedankt sich für die gewährte Gunst mit dem Versprechen, ihr einen Tempel zu errichten. Sie aber verweigert die göttlichen Ehren und erzählt ihre Geschichte: „Ich bin keine Göttin. Der Ehre des heiligen Weihrauchs /  würdige du kein sterbliches Haupt. Daß du weiter nicht irrest: / Ewiges Licht, das mir nie sollt’ enden, ward mir geboten, / hätte mein Jungfrauentum (virginitas) sich dem liebenden Phoebus erschlossen. / Als er hierauf noch hoffte, mit Gaben mich doch zu bestechen (prae­ corrumpere donis me)/ dachte, sprach er: ,O Jungfrau von Cumae, wähle dir frei, du / wirst erlangen, was du dir wünschst.’ Und ich, eine Handvoll / Staubes ihm weisend, habe verblendet gefordert, so oft als / Teilchen seien im Staub, den Tag der Geburt zu erleben; / und ich vergaß die Jahre als Jugendjahre zu heischen. / Doch er wollte auch dies, ja ewige Jugend (iuventus) mir geben, / wenn seine Liebe ich litt’. Des Phoebus Geschenke (munera) verschmähend, / blieb ich Jungfrau. Doch kehrt schon die bessere Zeit mir den Rücken, / und es naht mit zitterndem Schritt das kränkliche Alter (senectus). / Das ich lange muss leiden. Denn sieben Jahrhunderte siehst du / jetzt schon mich alt, und es bleiben, der Stäubchen Zahl zu erreichen, /  n och dreihundert Ernten, dreihundert Lesen zu schauen. / Ja, die Stunde wird sein, da die lange Frist meinen großen / Leib hier klein mir gemacht, da die Glieder, verzehrt durch das Alter/ auf ein geringstes Gewicht gebracht sind. Es wird dann nicht scheinen, / daß einem Gott ich gefallen. Auch Phoebus selber wird dann mich / nicht mehr kennen vielleicht oder leugnen, geliebt mich zu haben. / Soweit wird die Verwandlung mich bringen. Für keinen zu sehen / bleib ich zu kennen als Stimme (vox), denn die wird das Schicksal mir lassen.“21 Es handelt sich bei Tithonos und der Sibylle um Figuren, die auf das Einverständnis mit der Sterblichkeit des Menschen zielen. Zwei Merk22  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

male trennen den Menschen vom Göttlichen: Jugend und Unsterblichkeit. Sterblichkeit hingegen bedeutet Alterung und Tod. Die Sterblichkeit erscheint in der Erzählung von Tithonos im homerischen Aphroditehymnos und von der Sibylle bei Ovid erstrebenswerter als ein Anteil an Unsterblichkeit in Form eines unaufhörlichen Alterungsprozesses.22 Zugleich ist in beiden Erzählungen mit dem Fortleben der Stimme im greisenhaften Körper auch ein Hinweis auf die Überwindung der Sterblichkeit gegeben. Beider Stimme ist als Sinnbild der Weitergabe von Wissen an die nachfolgende Generation zu verstehen. Im Tithonosmythos ist das Fortleben der Stimme mit einer Änderung der Körpergestalt verbunden. Nach Hellanikos (5. Jh. v. Chr.) wird der alternde Liebhaber der Eos in eine Zikade (téttix) verwandelt und in einem Käfig im Schlafgemach der Göttin aufbewahrt.23 Mit dieser Körpergestalt und mit der Nahrungsaufnahme hat Tithonos, den Charles Segal mit Recht als Mediator zwischen Menschen und Göttern bezeichnet, Anteil an beidem, an der Unsterblichkeit der Götter und an der Sterblichkeit des Menschen. Tithonos isst im Aphroditehymnos sowohl die Speise der Götter, ambrosía, als auch der Menschen, sîtos, Getreide bzw. Brot oder Gerstenbrei.24 Vor allem aber sind mit der Zikadengestalt, mit der auf die Stimme der Alten und damit auf ihre Rolle bei der Weitergabe des Wissens abgehoben wird, auch Aspekte des Göttlichen verknüpft. Als Zikade partizipiert Tithonos an einer weiteren Eigenart der Götter. Zikaden sind nach den Aussagen des Aristoteles ebenso wie die Götter blutlose Wesen.25 Außerdem sind Zikaden in der Lage, sich fortwährend zu erneuern, indem sie, wie der römische Dichter Lukrez (1. Jh. v. Chr.) sagt, im Sommer ihre Tunika wechseln.26 Dem byzantinischen Gelehrten und Kommentator antiker Schriften Tzetzes zufolge erneuern sich Zikaden wie Schlangen.27 Der damit verbundenen Vorstellung der unendlichen Dauer verleiht Kallimachos Ausdruck, der um 263 v. Chr. am ptolemäischen Hof wirkte, indem er sich wünscht, selbst eine Zikade zu sein, sich wie diese vom Tau zu ernähren, um so gleich ihr das Greisenalter wie eine Haut abzustreifen. Zugleich stellt er sich als Schützling der Musen dar, die ihn selbst dann nicht verlassen, „wenn er grau“ geworden sei28 – ein Bild, das Annemarie Ambühl als Ausdruck der „Hoffnung auf Unsterblichkeit und Apotheose durch die Dichtung“ deutet.29 Mit dem Bewahren von Wissensbeständen verknüpft sie auch Platon, für den Zikaden Vorläufer der Musen sind,30 eben jener gött­ Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  23

lichen Sängerinnen, die wie keine andere mythologische Gestalt die Weitergabe von Wissen verkörpern. Im Epos ist das Motiv der Zikade mit den Rat spendenden Alten verbunden. In der Ilias werden die alten Männer Troias mit Zikaden verglichen, weil sie gute Sprecher seien. „Und die um Priamos und Panthoos und auch Thymoites, / Und Lampos und Klytios und Hiketaon, den Sproß des Ares / Und auch Ukalegon und Antenor, verständig beide – /  D ie saßen, die Volksältesten (δημoγέρoντες / dêmogérontes), auf den Skäischen Toren, / Durch ihr Alter schon des Kampfes ledig, doch Redner, / Tüchtige, Zikaden gleichend, die da im Wald / Auf dem Baum sitzend die lilienzarte Stimme entsenden. / So saßen die Führer der Troer auf dem Turm.“31 Spätere Homerkommentatoren wie Hellanikos und Eustathius wussten, dass alte Männer Tithonoi genannt wurden.32 Diese Anspielungen legen nahe, dass mit der Stimme des Tithonos auf die Weitergabe des Wissens durch die Alten verwiesen wird.33 Ob die Körpergestalt der Sibylle eine römische Adaption des griechischen Tithonosmythos zu Beginn der Kaiserzeit ist oder zur ursprünglichen Ausstattung des Sibyllinenbildes gehört, das sich bis in den griechischen Osten (Ephesos, Samos) der archaischen Zeit zurückverfolgen lässt, ist nicht zu entscheiden.34 Mit dem Fortleben der Stimme der Sibylle wird vielleicht weniger auf die Weitergabe des Wissens durch die Alten abgehoben, auch wenn A. Nikolopoulos gerade in der Ovid’schen Sibylle einen Verweis auf die Rolle der alten Frauen als Geschichtenerzählerinnen sehen will,35 als vielmehr auf die Autorität der prophetischen Stimme der Seherin, die in der griechischen Kultur tief verankert ist.36 Mit ihrer Stimme hat die Sibylle Anteil an der göttlichen Unsterblichkeit und damit an der Überwindung lebenszeitlicher Begrenzungen. Darauf verweist die Aussage Heraklits (um 510 v. Chr.), unser ältestes Zeugnis über die Sibylle: „Die Sibylle, mit rasendem Munde Ungelachtes und Ungeschminktes und Ungesalbtes hinwerfend, dringt durch Jahrtausende mit der Stimme, getrieben von Gott.“37 Noch in christlichen Überlieferungen, so in einem Grabepigramm für die Prophetin Nanas aus Phrygien, das vermutlich aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. stammt, findet sich diese Wertschätzung der Stimme im Zusammenhang der Prophetie: Nanas hat Gottesehrfurcht, Engelserscheinungen und vor allem eine Stimme, phônê, die offensichtlich für ihre prophetische Gabe bzw. für die Fähigkeit steht, Offenbarungen Gottes zu empfangen.38 24  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

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Der Meergreis Nereus auf dem Rücken eines Hippocampus. Attische Schale, um 520 v. Chr.; British Museum 428, London

Der Zusammenhang von Alter und Wissen, der sich im Falle des Tithonos und der Sibylle nur mittelbar erschließt, ist in anderen mythologischen Figuren deutlicher zu fassen. Unter den jugendlichen und erwachsenen Gottheiten der Griechen ragt eine Ausnahme hervor, Nereus bzw. Proteus, der Meergreis.39 In der Ikonographie wird er als Greis mit einem Fischschwanz dargestellt.40 Anders als die olympischen Gottheiten hat er Spezialkenntnisse: Er kennt die Tiefen des Meeres41 und teilt mit seinen 50 Töchtern, den Nereïden, die Gabe der Prophetie. Hesiod nennt ihn vor allem einen Rechtskundigen, eine Eigenschaft, die im übrigen in Aristophanes’ Komödie Die Acharner (Vers 688) auch dem hinfälligen Greis Tithonos zugeschrieben wird: „Pontos (das Meer) erzeugt Nereus, den untrüglichen und wahrhaftigen, / Als Ältesten seiner Kinder, sie gaben aber dem Greis diesen Namen, / Weil er ohne Falsch ist und freundlich zugleich, und er vergißt nie der Satzungen (θέμιστες/thé­ mistes), / Sondern gerecht (δίκαια/díkaia) und freundlich (ἤπια/épia) sind die Gedanken, die er hegt.“42 Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  25

4 Nestor empfängt Telemach in Pylos. Detail eines apulischen Kraters, Mitte 4. Jh. v. Chr. Berlin, Antikensammlung

Mit diesem Wissen über die Ratschlüsse der Götter (Seherkunst), über die Einhaltung der Normen (Rechtskundigkeit) und über geographische Räume sind Kompetenzbereiche von Herrscherfiguren des frühgriechischen Epos umrissen. Homerische Könige bzw. Anführer (basilêes) haben ihre Führungsposition kraft ihrer Kenntnis dieser mit thémistes umschriebenen göttlich sanktionierten Normen inne, die sie wiederum befähigt, in Konfliktsituationen Entscheidungen zu treffen.43 Allerdings sind nicht die Herrscher selbst, sondern ihre Ratgeber mit einem hohen Alter ausgezeichnet. Das gilt in erster Linie für Nestor, der bereits in der Antike als Vorbild angesehen wurde.44 Der betagte Heros aus Pylos in Messenien ist in der Ilias der einzige Greis, der am Kriegszug der Griechen gegen Troja teilnimmt. Er ist als kundiger Ratgeber im Kreise der Kriegsanführer, der basilêes, geschätzt. „Ich weise mit Rat und mit Worten, denn das ist das Vorrecht (γέρας/géras) der Alten“, sagt Nestor in Abgrenzung zu den kriegerischen Kompetenzen der jüngeren 26  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

Männer.45 Zwar lässt ihn der Dichter über den körperlichen Verfall klagen, der ihm die Teilnahme am Kampf verwehrt. Umso höher jedoch werden seine rhetorischen Fähigkeiten gepriesen. „Der süßredende, hellstimmige Redner“, wird Nestor genannt, „dem auch von der Zunge süßer als Honig floß die Stimme.“46 „Wie ein Seher blickt er auf das, ,was vorher war‘ und bedenkt, was ,nachher‘ sein wird.“47 Demgegenüber gilt der Gedanke der Jüngeren als „dünn“, ihr Sinn als „hurtig“, ihr Denken „hängt in der Luft“.48 Nestors Lebensalter umfasst denn ebenso wie das des ewig alternden Tithonos und der weisen Sibylle mehr als eine Generation. „Dem waren schon zwei Geschlechter der sterblichen Menschen dahingeschwunden, die vormals mit ihm zugleich ernährt und geboren waren, in Pylos, der hochheiligen, und er herrschte unter den dritten.“49 Es sind vor allem Seher und Gesetzeskundige, denen in der griechischen Literatur ein überlanges Leben zugeschrieben wird. Sieben Leben erhält der blinde Seher Teiresias von den Göttern zugewiesen, der Ödipus vergeblich vor den Folgen seiner übereilten Handlungen warnt.50 Fast dreihundert Lebensjahre soll der Kreter Epimenides aus Phaistos bereits erreicht haben, als ihn der athenische Gesetzgeber Solon um Rat für sein Gesetzeswerk befragte, mit dem er zu Beginn des 6. Jahrhunderts in Athen die eunomía, die gute Ordnung, herstellen wollte.51 Den Zusammenhang von Alterung und Zunahme von Wissen hat Solon selbst formuliert: „Mit dem Altern zugleich lerne ich vieles hinzu.“52 Allerdings scheint Solon weniger auf die traditionelle Weitergabe von Erfahrungswissen an die nächste Generation anzuspielen, als vielmehr auf die Lernfähigkeit des Einzelnen angesichts der Anforderungen, die mit der Stärkung der Volksversammlung gegenüber den Ratsversammlungen und der Entwicklung neuer politischer Diskursformen einhergingen. Die Verknüpfung von hohem Lebensalter und Wissen, die in den oben dargestellten mythologischen Bildern vorgenommen wird, ist nur folgerichtig. Diese Konvention lässt sich mit der mündlichen Form der Tradierung von Wissen erklären, in welcher der menschliche Körper als Gedächtnisträger fungiert. Sie ist typisch für weitgehend orale Gesellschaften, ohne dass wir daraus auf eine alltägliche Wertschätzung alter Menschen schließen können. Wissen, Erfahrung, Fertigkeiten, d. h. kulturelles Kapital, kann in oralen Kulturen wie der des archaischen und teilweise auch klassischen Griechenlands notwendigerweise nur als inkorporiertes, verleiblichtes Wissen bestehen. Wissen haftet am KörWeltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  27

per, bedarf konkreter Menschen, die das Wissen an die nächste Generation weitergeben. Bis in die Schriftkulturen der Antike kann diese Wertschätzung von Alter und Klugheit verfolgt werden, auch wenn zum Körpergedächtnis ein neuer Typus des Gedächtnisspeichers tritt, der schriftliche Text, der in Gestalt von Buchrollen oder Griffel in der Ikonographie des alten Menschen erkennbar ist. Er wird zur Stütze des Körpergedächtnisses. Bereits Platon hat die Wichtigkeit der Schrift mit der Notwendigkeit begründet, einen Vorrat der Erinnerung für das vergessliche Alter zu sammeln,53 von dem dann in der nachfolgenden Literatur so oft in pejorativer Weise die Rede ist.54 In Anpassung an diese Entwicklung ist in der weiter fortgeschrittenen Schriftkultur der Römer die Figur der Sibylle auch als Hüterin eines in Buchrollen gesammelten Wissens gedacht, der libri Sibyllini, der Sibyllinischen Bücher. Auch diese Sibylle, über deren Identität mit der Cumäischen Sibylle in der Forschung gestritten wird,55 ist alt. Gestiftet werden die Sibyllinischen Blätter durch eine alte Frau, die in der augusteischen Rezeption mit den Schicksalsgöttinnen gleichgesetzt wird.56 Welche Autorität diese sibyllinischen Bücher besaßen, vermag man an der Behauptung Diodors ermessen, der – von der Literalität seiner Zeit ausgehend – vorgibt, dass bereits Homer, der Dichter des oralen Zeitalters, seine eigene Dichtkunst mit vielen sibyllinischen Versen geschmückt habe, die Daphne, eine Tochter des Sehers Teiresias, schriftlich nieder gelegt haben soll.57 Es geht bei all diesen mythischen und halbmythischen Figuren um metaphorische Bilder, die nicht allein den körperlichen Alterungsprozess, sondern weit mehr, gesellschaftliche Traditionszusammenhänge vor Augen führen. Sie basieren auf der Vorstellung einer Einheit von göttlicher und menschlicher Ordnung, die erst in der Spätantike mit der Adaption des Christentums gesprengt wird.58

2. Die Alten in der Ikonographie: Vom schönen Greis zum puer senex Die Vorstellung von der Verleiblichung von Wissen ist auch in den Altersbildern männlicher Wissensträger erkennbar, die das Wissen von den göttlichen und menschlichen Dingen verwalten, seien es Seher, seien 28  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

5 Porträt des blinden Dichters Homer. Römische Kopie nach einem griechischen Original um 460 v. Chr. München, Glyptothek

es Dichter oder Philosophen, die Paul Zanker in seiner Studie zum Bild des Intellektuellen in der antiken Kunst untersucht hat. Runzeln, weißes Haar, eine eingefallene Brust sind Bildformeln, die keineswegs nur auf den körperlichen Verfall, sondern auch auf das Ansehen des Alters verweisen können.59 Nicht nur Nestor, der gealterte Krieger, der im Epos andere Krieger berät, sondern auch die Dichter, die diese Gestalten modellierten, wurden als alte Männer gedacht. Ein Porträt Homers aus dem frühen 5. Jahrhundert zeigt den Dichter der Ilias und Odyssee als schönen Greis. Zwar zeigen seine Gesichtszüge die Hinfälligkeit des Alters. Aber die „Züge des körperlichen Verfalls an Wangen, Schläfen und an den tief eingesunkenen Augen sind mit größter Zurückhaltung angedeutet. Homer ist trotz seines hohen Alters ein schöner, würdevoller Greis, ein kalos geron.“60 Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  29

6 Porträt des Euripides. Römische Kopie nach einer griechischen Statue, um 330 v. Chr. Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung

Auch die Bildnisse der Dichter und Philosophen des 5. und 4. Jahrhunderts, die nicht mehr einer rein oralen Kultur angehören, tragen deutliche Altersmerkmale wie Stirnfalten und kontrahierte Brauen. Es sind dies Bildformeln, die dazu dienten, Nachdenklichkeit, aber auch Trauer, Schmerz und Sorge auszudrücken. Sie können mit einem langen Bart einhergehen, der das Greisenalter kennzeichnet, oder mit einem kurzen Bart, der den reifen Bürger charakterisiert.61 Während Tragödiendichter wie Sophokles und Aischylos als Männer mittleren Alters dargestellt werden, tritt Euripides als Greis in sitzender Haltung auf. Für Paul Zanker ist dies ein Zeichen der besonderen Wertschätzung des Tragikers im 4. Jahrhundert v. Chr.62 Philosophen wie Platon und Aristoteles wiederum werden als Männer mittleren Alters mit Stirnfalten und kontrahierten Brauen dargestellt. Diese Bildformel prägt im 4. Jahrhundert das allgemeine Bürgerbild.63 Der ideale Bürger dieser Zeit ist reifen Alters 30  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

und – so die Botschaft – besonnen wie ein Philosoph.64 Mit philosophischen Vorstellungen von jugendlicher Leidenschaftlichkeit sind dagegen Pathosformeln wie hochgezogene Augenbrauen verbunden, die auf eine Mimik der Stärke und Überlegenheit zielen und sich im Herrscherporträt des Hellenismus durchsetzen sollen.65 Mit deutlichen Alterszügen werden dagegen Seher und Priester gezeichnet. Am Ostgiebel des Zeustempels in Olympia, der im 5. Jahrhundert v. Chr. erbaut wurde, ist das Porträt eines Sehers dargestellt, das deutliche Alterszüge trägt.66 Während Heroen wie die Götter in der Regel mit jugendlichen Zügen ausgestattet sind, erscheinen die Heroen der zehn attischen Phylen (Heeresabteilungen), die auf dem Fries des Parthenon-Tempels auf der Akropolis von Athen zu sehen sind, durch den Knotenstock und über ihr nackenlanges Haar als Greise kenntlich gemacht. Das lange Haar ist zugleich ein Kennzeichen der Priester, der Hüter des göttlichen Normenwissens, und als autoritatives Zeichen zu werten.67 Allerdings sind die Aussagen der Bilder nicht immer eindeutig. Bilder vom alten Körper werden im Laufe der Zeit für Wertaussagen ganz unterschiedlicher Art genutzt. So wird im 4. Jahrhundert zunehmend auf Bildformeln des alternden, hinfälligen oder unschönen Körpers zurückgegriffen, um die philosophische Kritik an zeitgenössischen Missständen auszudrücken. Dies deutet sich bereits in der Darstellung des Sokrates an, die nicht am Bürgerideal, sondern an der mythologischen Figur des alten Silens orientiert ist.68 Silene gehören zum Gefolge des Weingottes Dionysos und gelten als Erzieher von Götter- und Heroenkindern. Sie sind meist dickbäuchig und glatzköpfig gestaltet; das typische Silensgesicht zeichnet sich durch die eingedrückte Nase und das strähnige Haar aus. Ein Bronzerelief aus Pompeji (1. Jh. v. Chr.), das auf Vorbilder aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. zurückgeht, zeigt Sokrates auf einen Stock gestützt mit der Physiognomie des Silens im Gespräch mit Diotima bzw. Aspasia.69 Enthalten ist in der Silensgestalt des Philosophen eine Doppelbödigkeit, die einerseits als Kritik am attischen Wertesystem gelesen werden kann, das in der Vorstellungswelt der Sokratiker auf Trugbildern basiert, andererseits aber auch als Verweis auf die Sokratische Methode. Nach Pierre Hadot gibt der Philosoph mit der Maske des Silens dieselbe Unwissenheit und Schamlosigkeit vor, in die er seine Gesprächspartner bringt, um sie über die Infragestellung des OffensichtWeltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  31

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Sokrates im Gespräch mit Aspasia od. Diotima. Bronzerelief auf einer Truhe aus Pompeji. Neapel, Museo Nazionale

8 Schäferin. Rom, Palazzo dei Conservatori

32  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

lichen auf Distanz zur eigenen Person und letztlich zu einem neuen Bewusstsein zu bringen.70 Mit den genrehaften Figuren wie Fischer, Hirten, Ammen, Bettler und Kupplerinnen, die deutliche Alterszüge aufweisen, entstand im Hellenismus ein neuer Typus des Altersporträts, das keinerlei Verknüpfung von Alter und Wissen aufweist, aber für Philosophendarstellungen genutzt wurde.71 So tragen die Bildnisse und Statuen der Kyniker, deren Lehre auf die Rückkehr zum einfachen, naturgemäßen Leben zielte, ebenfalls deutliche Alterszüge, die aber an dieser Ikonographie armer Leute orientiert sind.72 Komödiendichter verulkten diesen ,Konsumverzicht‘ als Beleidigung der Götter und Schaden an Bauern und Händlern: „Durch Wassertrinken schädigst Du die Stadt, raubst den Verdienst dem Bauern und dem Händler. Ich bringe ihnen trinkend gutes Geld, du aber schonst den Ölkrug, prüfst den Stand, als hättest du die Wasseruhr bei dir, nur um nicht einen Tropfen zu verlieren.“73 Die Stoiker hingegen nutzten die Bildformeln des Alterns für ihre Botschaft von der Überwindung von Körperlichkeit und Tod. Mit vom Alter gebeugten, krummen Rücken und angezogenen Beinen, aber scharfem Blick und energisch ausgestreckter Hand erscheint der Stoiker Chrysipp (281–204 v. Chr.) in Bildnissen und Statuen, in denen er die Pose des argumentierenden Redners einnimmt. Der auf diese Weise inszenierte Gegensatz von feurig-philosophischem Geist und hinfälligem greisenhaftem Körper zielt darauf ab, die Unabhängigkeit des Geistes vom körperlichen Verfall zu behaupten. Der alternde Körper dient hier als Metapher für die Überwindung von Körperlichkeit und Tod.74 In einen rituellen Kontext gehört die Figur der „Trunkenen Alten“, die ebenfalls von widersprüchlichen Gestaltungsabsichten geprägt ist. Es handelt sich um eine überlebensgroße Statue, die nach Paul Zanker eine gealterte Hetäre im Weinrausch darstellt. Kostbare, wohlgeordnete Gewänder und eine sorgfältige Frisur stehen im Widerspruch zur mitleidlosen Zurschaustellung des verfallenen, ausgemergelten Körpers und des von Runzeln durchzogenen Gesichts mit dem zahnlosen Mund. Die Statue war vermutlich für ein Dionysosheiligtum in Alexandria bestimmt. Der Krug mit dem schmalen Flaschenhals und nur einem Henkel verweist auf das Lagynophoren-Fest, ein dem attischen ChoenFest nachgebildetes Flaschenfest, das Ptolemaios II. (282–246 v. Chr.) zu Ehren des Dionysos gestiftet hatte. An ihm durfte auch die ärmere Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  33

9 Statue des stoischen Philosophen Chrysipp, spätes 3. Jh. v. Chr. Rekonstruk­ tion in Gips nach einer Statue im Pariser Louvre MA 80 und einer Büste in London, British Museum 1846. München, Museum für Abgüsse

Bevölkerung teilnehmen. Mit der veristischen Schilderung menschlicher Hinfälligkeit waren nach Zanker unterschiedliche Assoziationsmöglichkeiten gegeben, die der heterogenen Zusammensetzung der Festbesucher entsprachen: Spottlust, Lob der berauschenden Wirkung des Getränkes des Dionysos, literarische Anspielungen auf die Figur der Hetäre in der Komödie sowie in Epigrammen oder Erinnerung an eigene Krankheit und Sterblichkeit.75 Nach einer jüngsten Deutung handelt es sich nicht um eine Hetäre, sondern um eine alte Seherin, aus deren Krug Dämpfe entweichen, die sie in Trance versetzen. Die ungewöhnliche Auszehrung, die pralle Halsschlagader und die vergrößerte Schilddrüse könnten auf eine Atropinvergiftung hinweisen, die durch den Genus von Nachtschattengewächsen wie Tollkirsche, Bilsenkraut oder Alraunwurzel entstehen, die solche Alkaloide enthalten. In diesem 34  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

10 Trunkene Alte. Römische Kopie nach einem Original des späten 3. Jhs. v. Chr. München, Glyptothek

Fall wären die Festbesucher mit dem gewohnten Anblick einer Seherin konfrontiert.76 In der Ikonographie des Dichters wird indes auch in der Folgezeit an dem gedanklichen Konnex von Alter und Wissen festgehalten. Ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. wird an den hellenistischen Königshöfen ein Erinnerungskult betrieben, der vornehmlich um die alten Dichter kreist, die im Bild auch als alte Männer dargestellt werden. Die Deutung ihrer Bildnisse setzte laut Zanker einen gebildeten Betrachter voraus, der die biographischen und literarischen Anspielungen, welche die Figur ent­ hielt, zu entziffern vermochte. Diese Dichterporträts korrespondieren mit der neuen literarischen Gattung der Lebensbeschreibungen und Epigramme auf Dichter. Auch erscheinen die Geistesheroen der Vergangenheit wie Homer, Anaxagoras oder Stesichoros in späthellenistischer Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  35

Zeit zunehmend auf Münzen, Wandmalereien und als Statuen in delischen Wohnhäusern oder auf Silbergefäßen.77 Die alten Dichterfiguren wurden nach Zanker in den Dienst der Selbstdarstellung der Eliten genommen, die sich auf diese Weise nach der Eroberung durch Rom einer neuen, kulturell begründeten Identität vergewisserten.78 Altersbildnisse der Römer heben sich deutlich von der griechischen Tradition ab, auch wenn sie stilistisch an sie anknüpften. Die römische Porträtkunst stand im Dienst des Erinnerungskultes für die Ahnen und basierte auf der Totenmaske. In den Atrien der Wohnhäuser der römischen Elite waren die Porträts derjenigen Ahnen versammelt, die sich um das Gemeinwesen verdient gemacht hatten. Starb ein ranghohes Familienmitglied, wurden die Ahnenbildnisse dem Leichenzug voran getragen und so als symbolisches Kapital im Kampf um Machtpositionen den Zuschauern vor Augen geführt. Deshalb tragen römische Bildnisse, auch wenn sie nicht unmittelbar in den Kontext des Ahnenkults gehören, sehr viel deutlichere Alterszüge als die ihrer griechischen Vorbilder, wobei auch hier Idealisierungstendenzen nicht fehlen.79 Die Differenziertheit in der Physiognomie ermöglichte zwar die individuelle Erkennbarkeit; pathognomisch sind die Porträts jedoch höchst eintönig gestaltet. Die Pathognomie verweist nach Luca Giuliani auf einen einheitlichen politischen Wertekanon, der von allen Mitgliedern der Elite geteilt wurde. Dazu gehörten Werte wie gravitas (Ernst), constantia (Festigkeit, Ruhe) und severitas (Strenge), die über Bildformeln des Alters zum Ausdruck gebracht wurden.80 Die Aufstellung von Ehrenstatuen außerhalb des Hauses wurde in Rom seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. betrieben. Römische Politiker versuchten auf diese Weise, ununterbrochene Präsenz in der Öffentlichkeit zu suggerieren. Die öffentlich aufgestellten Porträts unterstützten eine real nicht durchführbare Omnipräsenz. Ein Beispiel bildet das Porträt eines alten Mannes, das vermutlich in der Curie, im Versammlungsort des Senates, aufgestellt war und möglicherweise den älteren Cato (234– 149 v. Chr.) zeigt, dem Cicero seine Schrift über das Alter gewidmet hat. Marcus Porcius Cato war 195 Consul und 184 Zensor („Sittenrichter“) gewesen. Ein greisenhafter Eindruck wird über den zahnlosen Mund mit den eingefallenen Lippen und über bewegliche Fettpolster unter der erschlafften, von Falten durchzogenen Haut geweckt. Im Kontrast dazu steht eine „aktive, auf Kraft und Tatendrang ausgerichtete Mimik“.81 36  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

11 Porträt eines berühmten alten Römers, Cato oder Postumius Albinus. Paris, Kopie des frühen 1. Jhs. nach einem Original des mittleren 2. Jh. v. Chr. München, Glyptothek

Das Porträt hebt sich damit deutlich von der stoischen Tradition ab, „wonach das Alter um so höher gepriesen wird, je mehr sich in ihm die Unabhängigkeit des Geistes vom körperlichen Verfall bestätigt“; es zeigt also keineswegs den alternden Cato in der Pose des Dichters und Denkers. Die Botschaft ist, so Luca Giuliani, eine andere: Während die Dynamik der Mimik auf unverbrauchte Energie schließen lässt, erinnern die deutlichen Altersmerkmale „an vollbrachte Leistungen, an erworbene Erfahrungen, an das Prestige einer langjährigen Laufbahn, an senatorische sapientia und auctoritas.“82 Gefurchte Stirn, kontrahierte Brauen und straff gespannte Wangen sowie ein geschlossener Mund zeichnen dagegen den Politiker mittleren Alters aus und verweisen auf republikanische Tugenden wie Selbstbeherrschung, Strenge, Entschlossenheit. Nach diesem Muster ist auch das Bildnis des Cicero gestaltet, das allerdings eine leichte Abweichung aufweist. Die Lippen sind leicht geöffnet und kennzeichnen ihn als Redner.83 Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  37

12 Cicero. Augusteische Kopie eines zeitgenössischen Bildnisses. Rom, Museo Capitolino. München, Museum für Abgüsse

Im Laufe der römischen Kaiserzeit findet eine Verjüngung der Porträts statt. Diese Entwicklung wird dem jugendlichen Alter der Kaiser gerecht, die in manchen Fällen schon mit zwanzig Jahren in ihre Position gelangten, hängt aber auch mit der Anlehnung an die hellenistische Herrscherikonographie zusammen. Im Hellenismus erscheint der Herrscher in den bildlichen Medien der Selbstdarstellung zumeist in idealisierter Jugendlichkeit, bartlos, aber mit wallendem Haar ausgestattet. Die Entwicklung nahm mit Alexander dem Großen ihren Ausgang, dessen Selbstdarstellung an der Figur des Achilleus orientiert war. Die bewegte Mimik seiner Porträts, der leicht gewendete Kopf, die nach unten vorspringende Stirn, der nach oben gerichtete Blick, hochgezogene Brauen und geöffnete Lippen drückten nach Luca Giuliani die leidenschaftliche Exaltiertheit der Jugend und eine ungebrochene Energie aus.84 Die Figur des jugendlichen Heros oder Gottes, sei es Achilleus, sei 38  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

es Herakles oder Dionysos, blieb mit wenigen Ausnahmen stilbildend für die hellenistischen Herrscherporträts, an welche die römischen Kaiser anknüpften. Nach einer Phase der Verjüngung wurden im 2. Jahrhundert in Rom für die kaiserliche Selbstdarstellung die überkommenen griechischen Traditionen der Verknüpfung von Alter und Wissen wieder aufgegriffen und Philosophen- und Gelehrtenbildnisse in den Dienst politischer Selbstdarstellung genommen. Seit der Regierungszeit Hadrians (117–138) schmückt der Philosophenbart die Kaiserporträts.85 Der Kaiser geriert sich damit, so meine Vermutung, als Wissensinstanz, ein Anspruch, der sich in der Folge verfestigen und mit der Adaption des Christentums Ende des 3. Jahrhunderts zur Verfolgung und Entmachtung der alten Wissensinstanzen, Wahrsager, Magier und OrakelpriesterInnen, führten sollte, den traditionellen Verwaltern göttlichen Wissens, denen ursprünglich auch die Kaiser unterworfen waren.86 Soweit die alten Philosophen weiterhin dargestellt werden, erscheinen auch sie vergöttlicht und entrückt als überragende Lehrergestalten, die sich – ebenso wie die spätantiken Kaiser – keiner diskursiven Auseinandersetzung mehr zu stellen brauchten. „(A)utoritative Inszenierungen und Gesten“, so urteilt Zanker, beherrschten in der Spätantike und im Frühmittelalter „das Bild der Wissensübermittlung.“87 Die christliche Ikonographie folgte zunächst dieser Tradition der paganen Philosophen- und Kaiserbildnisse. Christus hat eine doppelte Imago; er tritt sowohl in der Rolle des philosophischen Lehrers als bärtiger Mann als auch als altersloser Jüngling ähnlich den griechischen Göttern auf. Als Greise wiederum wurden Engel und Apostel, die Jünger Jesu, in der frühchristlichen Kunst dargestellt.88 Auch die Vorbildhaftigkeit der Märtyrer, Asketen weiblichen wie männlichen Geschlechts sowie der christlichen Amtsträger wurde über eine greisenhafte Gestalt visualiert.89 Hier wirkte auch die Tradition der jüdischen Gottesvorstellungen nach. Anders als die Olympischen Götter der Griechen galt der Gott des Alten Testamentes als hochbetagt. Auch den frühen Propheten wird im Alten Testament ein hohes Alter bescheinigt. Der Prophet Abraham stirbt mit 175 Jahren. Ein langes Leben und ein hohes Alter gilt hier als angemessener Lohn Gottes für einen gerechten Lebenswandel – eine Vorstellung, der sich auch die spätantiken Kirchenväter nicht ganz entzogen, die das Altern allerdings auch als Strafe für den Sündenfall ansahen. Augustinus, ab 395 Bischof von Hippo Regius in NordafWeltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  39

rika, der selbst ein Alter von 76 Jahren erreichte, mochte ein hohes Alter keineswegs als Belohnung für Wohlverhalten zu Lebzeiten anerkennen.90 Zugleich aber kursierte das von der Stoa übernommene Ideal der Transzendierung von Altersstufen, demzufolge der wahre Philosoph un­abhängig von Alter und Status gleich bleibt, sich bereits in der Jugend frei von allen jugendlichen Begierden erweist und mit der Klugheit des Alters versehen ist.91 Als typisch christlich muss das Ideal des altersreifen Knaben (puer senex) und des altersreifen Mädchens (puella senilis) gelten, das auf die Überwindung der geistig-sittlichen Mängel von Jugend und Alter gleichermaßen abzielt. Christian Gnilka verweist auf eine 380 n. Chr. in Konstantinopel gehaltene Rede von Gregor von Nazianz, die ein Plädoyer für eine geistige Überwindung der Altersstufen enthält. Der wahre Christ ist dem damaligen Patriarchen von Konstantinopel zufolge bereits in der Jugend frei von Begierde und mit der Klugheit des Greises versehen.92 Bereits in der paganen Bibelexegese des Philon, der vom „Ältestenrat der Vernunft“ spricht, findet Gnilka das Ideal vom Greisenalter der Tugend vorformuliert. Äußeres und inneres Wachstum seien bei ihm nicht gleichgeschaltet, „es ist möglich, als Kind geistig ein Mann zu sein oder gar ein Greis, es ist aber ebenso möglich, hinter der natürlichen Entwicklung zurückzubleiben, d. h. im reifen Alter auf der geistigen Stufe des Kindes zu stehen.“93 Für christliche Bibelexegeten des 4. Jahrhunderts wie Hieronymus, Origines und Ambrosius gilt bereits Abel als Typus des iuvenis senex, des jugendlichen Greises. Vollkommenheit haftet in ihrem Denken nicht an Altersstufen, denn die Seele altert nach christlicher Vorstellung nicht. Dennoch wird die Altersstufentopik übernommen. Es gibt für einen jungen Christen kein höheres Lob, als ihm eine „grauhaarige Jugend“ zu bescheinigen.94 Hieronymus warnt in einem Brief an Paulinus von Nola sogar vor purer Autoritätsgläubigkeit gegenüber dem Alter.95 Dieses Ideal des geistigen Greisenalters ist nach Christian Gnilka jedoch nicht ohne Wertschätzung des natürlichen Greisenalters zu denken. Als Ideal galten eben jene Verstandestugenden, die im überkommenen paganen Denken am alten Körper haften.96

40  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

3. Weibliches Wissen und die Figur der alten Frau in der Ikonographie Die Darstellung alter Frauen in der antiken Ikonographie, die mit der Tradierung von Wissen in Verbindung stehen, ist so widersprüchlich wie die frühgriechische Figur der Graien mit ihrem grauen Haar und dem jugendlichen Gesicht. Anders als die männlichen Wissensträger werden antike Philosophinnen, Dichterinnen und Seherinnen nie als alte Frauen dargestellt, obwohl wir von manchen von ihnen wissen, dass sie im hohen Alter starben. Das Philosophieren gehörte offenbar in die Lebensblüte (akmé) einer gebildeten Frau. Das Gesicht der Diotima, der Lehrerin des Sokrates in Sachen Eros, die Athen vor der Pest verschont haben soll, ist im Gegensatz zu dem ihres Schülers Sokrates auf bildlichen Darstellungen nie mit Merkmalen eines hohen Alters ausgestattet.97 Das Gleiche gilt für Dichterinnen wie Sappho und Korinna, die im Wettstreit mit Dichtern wie Alkaios und Pindar standen. Sie sind stets alterslos gezeichnet.98 Von Hipparchia, die um 300 v. Chr. mit dem Kyniker Krates durch die Lande zog,99 haben wir ein Fresko vom Gelände der Villa Farnesina in

13 Hipparchia und Krates. Rom, Museo Nazionale

Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  41

Rom um 20 v. Chr. Auch sie ist jung dargestellt.100 Die spätantike Philosophin Hypatia, die in Alexandria lebte, wird in zeitgenössischen Quellen als jung und schön beschrieben, obwohl ein byzantinischer Autor überliefert, dass sie als alte Frau starb.101 Auch Priesterinnen oder Seherinnen weisen auf Bildnissen nur selten Alterszüge wie Runzeln oder weißes Haar auf. Susanne Pfisterer-Haas, die die Darstellungen alter Frauen in der griechischen Kunst untersucht hat, führt als Ausnahme den umstrittenen Kopf einer alten Frau auf, der in der Forschung in Verbindung mit dem von Demetrios von Alopeke geschaffenen Standbild der Athenapriesterin Lysimache gebracht worden ist. Sie selbst meint in dem Kopf das Porträt der Aithra zu erkennen, einer mythologischen Figur, die auch in der Vasenmalerei stets mit Altersmerkmalen versehen wird. Aithra ist die Mutter des attischen Kulturheros Theseus, zu dessen Heldentaten auch der Raub der Helena zählte. Noch bevor Helena von Paris nach Troja entführt wurde, so die mythologische Überlieferung, hatte Theseus die noch unverheiratete Helena geraubt und in die Obhut seiner Mutter gegeben. Nach der Befreiung der Helena durch ihre Brüder wurde Aithra Dienerin der Helena und folgte dieser auch nach Troia. Nach der Eroberung Trojas durch die Griechen wurde Aithra von ihren Enkeln unter den gefangenen Troerinnen entdeckt und befreit. Zu diesem Zeitpunkt war Aithra bereits eine alte Frau.102 Eben dieser Befreiungsakt war im 5. Jahrhundert v. Chr. ein Thema der Vasenmalerei. Ein gebeugter Rücken, Stock und Furchen in Gesicht und Hals kennzeichnen Aithra hier deutlich als Greisin.103 Ein weiteres Beispiel bildet das Gesicht der Kybelepriesterin Chairestrate auf einem Grabrelief aus dem späten 4. Jahrhundert, das deutliche Alterszüge aufweist. Stelen von Priesterinnen sind seit Ende des 5. Jahrhunderts belegt. Die älteste Stele stellt das Grabmal der Myrrhine dar, einer Priesterin der Siegesgöttin Nike.104 Solche Grabreliefs bilden neben Vasenbildern eine ergiebige Quelle für weibliche Altersporträts, da hier oftmals Frauen verschiedener Altersstufen dargestellt sind.105 Ein beigefügtes Epigramm bezeichnet Chairestrate als Großmutter.106 Die Altersmerkmale können hier sowohl der Betonung des Generationenbandes als auch der Visualisierung der Weisheit der alten Priesterin geschuldet sein, für die Platon ein Mindestalter von sechzig Jahren vorsah.107 In den meisten Fällen aber, in denen Frauen mit deutlichen 42  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

14 Grabstele der Großmutter und Kybelepriesterin Chairestrate. Mitte 4. Jh. v. Chr. Athen, National­ museum

Alterszügen auf Grabmälern gestaltet sind, stellen sie nach den Beobachtungen von Pfisterer-Haas Mütter der Verstorbenen dar, nicht die Verstorbene selbst. Ein Grabrelief aus dem Karlsruher Landesmuseum zeigt am linken Stelenrand eine ältere Frau in stehender Haltung. Am entgegen gesetzten Rand sitzt eine junge Frau „in Chiton und über den Kopf gezogenem Mantel auf einem lehnenlosen Stuhl dem Betrachter zugewandt.“108 Es handelt sich um die Verstorbene, um deren Tod – vermutlich bei der Geburt – die beiden anderen Frauen auf der Stele trauern. „Krähenfüße an den Augenwinkeln, die vom Nasenflügel wegführende Furche und zwei Einkerbungen unter dem Kinn“ machen die Altersdifferenz zwischen der Toten und der Trauernden sichtbar. Weitere Altersmerkmale sind die enge Manteldrapierung und die leicht gekrümmte Rückenlinie, die sich in dem eingeknickten rechten Bein fortsetzt. Das tatsächliche Alter ist an den Porträts nicht ablesbar. Es handelt sich nach Pfisterer-Haas bei den Alterszügen vielmehr um Trauerchiffren. Je älter Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  43

15 Grabrelief, um 360 v. Chr. Karlsruhe, Badisches Landesmuseum

und hinfälliger die Hinterbliebenen gezeichnet werden, um so bemitleidenswerter wollen sie erscheinen und um so bitterer wird der Tod empfunden.109 Deutliche Alterszüge tragen in der Ikonographie allein diejenigen Frauen, die in Verbindung mit dem Demeterkult gebracht werden können. Es handelt sich überwiegend um Terrakottastatuetten, die nackte alte Frauen mit einem Ferkel im Arm darstellen. Das Schwein ist das Opfertier der Getreidegöttin Demeter.110 Dass Demeterpriesterinnen tatsächlich ein hohes Alter hatten, geht auch aus einer Bemerkung des Reiseschriftstellers Pausanias hervor, der in der römischen Kaiserzeit Griechenland bereiste. Ihm zufolge verrichteten vier alte Priesterinnen im Tempel der Demeter von Hermione ihren Dienst.111 Dies muss ihm 44  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

bemerkenswert erschienen sein, da in Rom ein hohes Alter kein Kriterium für den Zugang zu Priesterämtern war, wie dies Platon für griechische Gemeinwesen forderte. Da aber Priesterfunktionen vielfach lebenslang ausgeübt wurden, müssen unter den Priesterinnen alle Altersstufen vertreten gewesen sein. Unter den Ehrenstatuen für Priesterinnen in der römischen Kaiserzeit finden wir sowohl alterslose Frauenporträts wie das der Eumachia aus Pompeji, das an Göttinnendarstellungen orientiert ist, als auch Individualporträts von Vestalinnen mit deutlichen Alterszügen.112 Diese übten ihr Amt bis zur Menopause aus.113 Die Pythia bzw. ihre göttliche Repräsentantin Themis, die in Delphi die Orakelsprüche des Apollon den Ratsuchenden erteilte, erscheint sowohl als junge als auch als alte weißhaarige Frau in der Vasenmalerei. Allerdings bezieht sich dieser Befund nur auf die unteritalische Vasenmalerei.114 Nach Diodor wurde zu seiner Zeit die Regelung erlassen, dass die Pythia älter als 50 Jahre sein sollte.115 Namentlich bekannte Seherinnen der Literatur wie Kassandra gehen ihrer Tätigkeit indes als junge Frauen nach. Die Magierinnen Kirke und Medea, die Wissensträgerinnen der epischen und tragischen Dichtung, die über Zaubermittel verfügen und den Übergang von der Sphäre der Sterblichen in die der Unsterblichen bewerkstelligen, unterstehen ob dieser Macht nicht dem Alterungsprozess. Erst in der römischen Literatur tritt vermehrt die Figur der alten, Verderben bringenden Magierin auf, die der Vorstellung von der Marginalisierung alter Frauen Vorschub geleistet hat.116 Diese Abwertung verstärkt sich im Kontext der Entwertung traditioneller Wissensinstanzen wie Orakelwesen und Sehertum durch die neue christliche Religion und betrifft auch die männlichen Vertreter des Magiergewerbes.117 Das Fehlen von Altersbildnissen von Dichterinnen und Philosophinnen lässt sich vielleicht mit der Tradition erklären, für die Verkörperung von Werten und Normen weibliche Figuren bzw. weibliche Gottheiten heranzuziehen, die per definitionem alterslos sein müssen. Die Klugheit (mêtis), das Recht (thémis) bzw. das Rechttun (dikê), die Festesfreude (euphrôsýne), die Anmut und die Gegenseitigkeit (cháris), der Friede (eirênê), alle diese Fähigkeiten und Werte, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stiften, werden in der griechischen Kultur grundsätzlich von Göttinnen repräsentiert. Das moralisch Gute erscheint in der Gestalt des ästhetisch Schönen, der schönen jungen Frau. Von daher liegt es nahe, auch die Philosophin in Anlehnung an die weiblichen VerWeltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  45

körperungen der Werte in der Sphäre des Göttlichen nur als junge und schöne Frau zu denken.118 Erst in der spätantiken christlichen Philosophie finden wir ein anderes Modell, das auf die frühgriechische Figur der Graien zurückverweist, die in der altjungen Anna Perenna ihr römisches Pendant hat.119 Im Pas­ tor Hermae, einer christlichen Schrift aus der Zeit um 140 n. Chr., wird die Kirche in Gestalt einer Greisin gedacht, die sich zunehmend verjüngt. Auch die altjunge „Natura“ oder die sich verjüngende „Roma“ bei den spätantiken Dichtern Claudian, Prudentius und Rutilius Claudius Namatianus und die „Philosophia“ in Gestalt einer jugendfrischen Greisin bei Boethius folgen dem Schema der altjungen Heilbringerin. Die Unsterblichkeit des Wissens, die über die Jugend der Götter transportiert wird, erscheint nunmehr mit der Wertschätzung des Körpergedächtnisses, die am alten männlichen Körper haftet, zu einer einzigen, weiblichen Körpergestalt vereint.120 Für eine eigene Form der Wissensvermittlung stehen die Bildnisse alter Ammen. Darstellungen von Ammen sind neben Bildnissen alter Hetären sehr häufig in der griechischen Kunst belegt.121 In der Gestalt alter Ammen treten in der Dichtung vielfach Göttinnen auf, wenn sie sich des Vertrauens der Sterblichen vergewissern wollen. Der Gott Vertumnus, der Pomona, der Göttin der Baumfrüchte, nachstellt und mehrfach vergeblich Einlass in deren Garten begehrt hatte, erreicht in Ovids Metamorphosen erst sein Ziel, als er sich in eine alte Frau verwandelt. Im Verweis auf das reiche Wissen des Alters kann er die göttliche Hüterin der Gartenfrüchte unbeschadet bereden, Vertumnus zum Liebhaber zu nehmen.122 A.D. Nikolopoulos nimmt an, dass mit der Figur der alten Frau auf die Autorität der alten Ammen zurückgegriffen wird,123 deren Gestalt in der griechischen Literatur vor allem die Göttin Demeter annimmt. So verwandelt sich die Getreidegöttin Demeter im homerischen Demeterhymnus in eine alte Frau, die sich als Amme im Hause des Königs von Eleusis verdingt.124 Als Aufgabe der alten Amme betrachtet der Dichter der Odyssee nicht nur die Sorge für die Kinder, sondern auch das Bewahren der Reichtümer des Hauses, was Zuverlässigkeit und Erfahrung erfordert. Dies gilt z. B. für die Amme im Hause des Odysseus, Eurykleia, die das Wissen über den Herrn bewahrt hat und ihn anhand seiner Narbe identifiziert. Von ihr heißt es im Epos zudem, dass sie die Mägde der Hausherrin in der Kunst des Spinnens und Webens 46  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

16 Amme. Terrakotta­ statuette. München, Staat­ liche Antikensammlungen

unterrichtet habe.125 An diese Tradition der Weitergabe handwerklicher Kenntnisse im Bereich der Textilkunst knüpft Ovid in seinen Metamorphosen an, wenn er in der Schilderung des Wettstreits der Athene mit der Lyderin Arachne um die beste Weberin die Göttin „die Gestalt eines Altweibs (anus)“ annehmen lässt: „an den Schläfen / falsches Grau, ihre Glieder gebrechlich, gestützt auf den Stecken.“126 Solche kundigen Ammen hat möglicherweise auch Platon vor Augen, der in seinem Dialog Hippias Sokrates die Gedächtniskunst seines Gesprächspartners Hippias preisen und mit der Fabulierkunst alter Frauen vergleichen lässt. Seiner Meinung nach haben die Lakedaimonier recht, Hippias gern zu hören, da dieser soviel wisse und sie sich deshalb seiner bedienten wie die Kinder der „alten Mütterchen“ (presbýtides), wenn diese ihnen Geschichten erzählten (mythologêsai).127 Dass sich Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  47

hinter solchen „Ammenmärchen“128 die Weitergabe von ernsthaften Traditionen verbergen kann, geht aus einem anderen Dialog hervor. In seinem Dialog Lysis erwähnt Platon Greisinnen, graîai, die Lieder von der Verwandtschaft der Familie des Lysis mit dem Helden Herakles kennen.129 Es handelt sich hier um genealogisches Wissen, um Kenntnis von Familientraditionen. Eben dieses Familiengedächtnis bildet eine wesentliche Quelle, aus der sich nach den Oralitätsforschungen der letzten Jahre die Werke griechischer und römischer Historiker speisten. Das Familiengedächtnis gehört zur ungeformten, lebensgeschichtlich geprägten Überlieferung (oral history) und unterscheidet sich damit von der sinnstiftenden, geformten Überlieferung, die durch autorisierte Formen der Performanz präsent gehalten wird (oral tradition).130 Erinnert wurden vor allem Taten mit Prestigewert, keine verfassungspolitischen Entwicklungen: prunkvolle Hochzeiten bzw. politisch nützliche Eheallianzen, Siege bei überregionalen Wettkämpfen, die Übernahme von Leistungen für das Gemeinwesen: Liturgien, Gesandtschaftsreisen, militärische Taten.131 Gerade Hochzeiten, für die eine Dichterin wie Sappho um 600 v. Chr. ihre Lieder schuf, stellten zentrale Erinnerungsorte dar.132 So waren die Hochzeiten der Töchter des Atheners Kallias oder die des Megakles aus dem Geschlecht der Alkmeoniden es wert, in den Wissensbestand von Historikern aufgenommen zu werden.133 Wir können annehmen, dass ältere Frauen an dieser Bewahrung des Familiengedächtnisses Anteil hatten. Auch für die im 4. Jahrhundert v. Chr. entstandenen Hauswirtschaftslehren lässt sich annehmen, dass darin weibliche Wissensbestände enthalten sind. In den von Ioannes Stobaios gesammelten Fragmenten pythagoreischer Schriften hat Rosa Reuthner Spuren der Verschriftlichung solchen Wissens durch Frauen ermittelt. Einige dieser Schriften tragen den Namen von Frauen und handeln von spezifisch weiblichen Themen, so von der Anleitung der Sklavinnen oder vom rechten Verhalten der Ehefrau.134 Für die römische Kultur liegt eine ganze Reihe von Aussagen vor, aus denen die Bedeutung weiblicher Familienmitglieder für die Weitergabe von Wissensbeständen vor allem an die männlichen Nachkommen eindeutig hervorgeht. Das gilt vor allem für Frauen der Elite. Cornelia, die Mutter der Gracchen, Aurelia, die Mutter von Julius Caesar, oder Atia, die Mutter des Augustus – sie alle werden als Lehrerinnen und Erziehe48  Weltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit

17 Grabrelief eines alten römischen Ehepaares, spätes 1. Jh. v. Chr. Rom, Musei Vaticani

rinnen ihrer Söhne gepriesen.135 Cornelia ist es, die zudem die Erinnerung an ihren Vater Scipio Africanus, dem Sieger über Hannibal, hochhält. In ihrem Haus in Misenum, so lesen wir bei Plutarch, empfängt sie die Anhänger ihres Vaters und sorgt für die Kontinuität des Familiengedächtnisses und für die Beständigkeit der Erinnerungen an die Taten der Cornelier. „Viele Freunde gingen bei ihr ein und aus, die sie in ihrem gastlichen Haus reich bewirtete […]. Die größte Freude bereitete sie ihren Gästen und Freunden, wenn sie vom Leben und den Gewohnheiten ihres Vaters Africanus erzählte; höchste Bewunderung aber musste man ihr zollen, wenn sie ohne Schmerz und ohne Tränen [hier folgt sie dem Ideal der Stoa – B.W.] ihrer Söhne gedachte und allen, die nach ihnen fragten, ihre Taten und Leiden schilderte, als spräche sie von Männern der Vorzeit.“136 Bis in die byzantinische Zeit hinein lassen sich solche Beispiele der weiblichen Gedächtnisarbeit ermitteln.137 Harriet F. Flower zählt daher Frauen wie Cornelia zu den erinnerungswürdigen Ahnen der römischen Elite.138 Aber auch weniger ranghohe Römerinnen werden in dieser Rolle der Vermittlerin von Werten gesehen. So bezeichnet Quintilian in der VorWeltalterstufen, Körpergedächtnis und Altersweisheit  49

rede zu seiner rhetorischen Lehrschrift die Großmutter seines Sohnes als avia educans.139 Der jüngere Plinius würdigt in seinen Briefen die betagte Ummidia Quadratilla als strenge Erzieherin ihres Enkels.140 Eine Inschrift für Oscia Modesta preist diese als avia carissima, teuerste Großmutter, und educatrix dulcissima, angenehmste Erzieherin.141 Parallel zu den Schriftzeugnissen finden sich seit der späten Republik vermehrt Frauenbildnisse mit deutlichen Alterszügen. Als Attribute sind diesen Frauen häufig Buchrollen oder Schreibtafeln beigefügt. Für Kathrin Schade, die diese Bildnisse untersucht hat, legen die Darstellungen Zeugnis von der hohen Wertschätzung der Bildungsaufgaben älterer Frauen ab, wie sie auch die Schriftquellen belegen.142

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II. Die Autorität der Alten in der Politik

1. Ältestenrat und politische Struktur in Griechenland Ist in den homerischen Epen der greise Nestor ein wichtiges Mitglied des Rates der versammelten Kriegsanführer, welche die eigentlichen Entscheidungen treffen, so sind es auf Ithaka und in der imaginären Stadt, die der Schmiedegott Hephaistos im 18. Gesang der Ilias auf dem Schild des Achilleus entwirft, die Alten selbst, die Geronten, die in Konfliktfällen Recht sprechen und Entscheidungen treffen.1 Einige von ihnen, so der Greis Aigyptios in der Versammlung der Geronten auf Ithaka und der greise Seher Halitherses, werden durch ihr reiches Wissen und ihre Erfahrung charakterisiert.2 Historisch belegt ist ein solcher Ältestenrat für Sparta. Hier existierte mit der Gerusie ein Typus der Ratsversammlung, der als reiner Ältestenrat fungierte. Seine Existenz wurde durch die große Rhetra legitimiert, eine Art ,Satzung‘ aus den Anfängen der Geschichte Spartas, die in klassischer Zeit dem legendären Gesetzgeber Lykurg zugeschrieben wurde.3 Die Gerusie (γερoυσία//gerusía, im lakonischen Dialekt γερωχία/ gerôchía) hatte insgesamt 30 Mitglieder, von denen 28 aus dem Kreis der über 60jährigen gewählt wurden; hinzu kamen die beiden Könige, die den Vorsitz führten. Die Zugehörigkeit zur Gerusie bildete ein Privileg und dauerte ebenso wie das spartanische Königsamt lebenslang. Allerdings herrschte bei der Auswahl nicht das dynastische Prinzip vor wie im Königshaus. Die Mitgliedschaft wurde nicht ererbt, sondern über sie entschied die Volksversammlung per Akklamation. Die Kandidaten traten der Reihe nach schweigend vor die Volksversammlung; eine Gruppe ausgewählter Männer lauschte eingeschlossen in einem nahe gelegenen Haus und vermerkte auf Stimmtafeln die Stärke des Geschreis, das sich beim Einzug eines jeden Kandidaten erhob. Wer von den Männern das lauteste Geschrei erzeugt hatte, wurde ausgerufen und bekränzt.4 Der Wahlmodus war nahezu einzigartig und in der Antike höchst umstritten. Ein konservativer Athener wie Xenophon, der die politische Ordnung der Spartaner bewunderte, betrachtete den Wettstreit um die Mitgliedschaft in der Gerusie als ein geeignetes Mittel, eine Auswahl der Die Autorität der Alten in der Politik  51

,besten Seelen‘ zu treffen.5 Aristoteles hingegen kritisierte, dass der Wahlmodus zu sehr den Ehrgeiz fördere und hielt die Abstimmung nach der Lautstärke für ,kindisch‘ und des Amtes nicht würdig.6 Auch zweifelte er an der Entscheidungskompetenz der Greise, da seiner Meinung nach im Alter der Geist nachließe.7 Hinter den antiken Urteilen stehen unterschiedliche politische Werthaltungen. Die lebenslange Mitgliedschaft und die Benennung der Geronten als kaloí kagathoí, ,die Schönen und Guten‘, verweisen auf den aristokratischen oder privilegierten Charakter des Rates, den antike Befürworter einer oligarchischen Verfassung wie Xenophon guthießen. Die Aristotelische Kritik ist dagegen vor dem Hintergrund der Entwicklung demokratischer Institutionen in Athen zu verstehen, die einem größeren Kreis die politische Partizipation ermöglichten, vor allem aber das Recht der Rede und Gegenrede einräumte, das der spartanischen Volksversammlung mangelte.8 Auch wenn weder in Athen noch in Sparta die Frauen an derartigen Wahlen ihre Stimme erhoben, so waren sie in Sparta am Verfahren nicht unbeteiligt. Nach der Wahl der Geronten fand ein Umzug zu den Tempeln statt; junge Männer und viele Frauen bildeten das Geleit und sangen Loblieder auf den Kreis der Gewählten, als ob es sich bei den Geronten um siegreiche Athleten handelte. Von jedem seiner Verwandten erhielt der Auserwählte als Zeichen der Ehre eine Mahlzeit. Beim anschließenden Gemeinschaftsmahl der Spartiaten wurde ihm eine zusätzliche Portion zuteil, die er wiederum an die am meisten geschätzte weibliche Verwandte weitergab.9 Lesen lässt sich dieses Ritual als eine symbolische Verknüpfung der exklusiv männlichen Sphäre der Speisegemeinschaft mit der des Hauswesens, die in diesem Fall von den Frauen bzw. weiblichen Verwandten repräsentiert wird. Die Wahl der Geronten musste durch die Verwandtschaft sanktioniert werden, um das Gleichgewicht zwischen dem Bereich, in dem die Mittel für die Teilhabe an der Speisegemeinschaft produziert wurden, dem Haus, und der Männergemeinschaft herzustellen, die diese Speisen in kollektiven Ritualen konsumierte und sich darüber ihres politischen Zusammenhalts vergewisserte.10 Nicht nur auf horizontaler, sondern auch auf vertikaler Ebene wurde der Zusammenhang symbolisch zum Ausdruck gebracht. Vom König erhielten die neu gewählten Geronten einen Mantel, eine chlaîna, und einen Ochsen. Es handelt sich um zwei Typen von Gütern, die einerseits in gemeinschaftlichen Mählern zum Einsatz kamen, andererseits als 52  Die Autorität der Alten in der Politik

Gastgeschenke zirkulierten und dazu dienten, Bande von Haus zu Haus zu knüpfen.11 Mit ihnen wurde zwischen den Mitgliedern der beiden Königshäuser, den Häusern der Geronten und den Speisegemeinschaften eine dauerhafte Zusammengehörigkeit zum Ausdruck gebracht, die im Bereich des Politischen fortwirkte. Die Geronten übten die nomo­ phylakía aus; d. h. sie wachten über die Einhaltung gesellschaftlicher Normen, die den Zusammenhalt garantierten. Dazu gehörte auch die Entscheidung über Erbstreitigkeiten in den Königshäusern. Vor allem aber führten sie in besonders prekären Situationen, so in Mordfällen, die Gerichtsverfahren durch.12 Das spartanische System hatte bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. Bestand. Unter Kleomenes III. verlor die Gerusie an Bedeutung und das Amt des Geronten entwickelte sich nach dem Vorbild der Ämter anderer Städte zum Jahresamt.13 Auch in der politischen Organisation anderer Gemeinwesen bildete Alter ein Zugangskriterium zu Ämtern. Das betrifft vor allem die Mitgliedschaft in der Ratsversammlung. Das 30. und 60. Lebensjahr markieren hier eine entscheidende Zäsur. Mit 30 Jahren war in Athen ein Mann in den Rat der 500, in die Boulê, wie auch in Gerichte und Ämter per Losverfahren wählbar.14 Im demokratisch verfassten Athen äußerte sich die Wertschätzung des Erfahrungsvorsprungs der Älteren in der Regel, die den über 50jährigen erlaubte, als erste in der athenischen Volksversammlung das Wort zu erheben.15 Auch im Gerichtswesen spielten Altersgrenzen eine Rolle. Im 5. Jahrhundert v. Chr. wurden in Athen Rechtsfälle mit einem Streitwert bis zu 10 Drachmen von herumziehenden Demenrichtern in den Dörfern entschieden; Rechtsfälle mit höherem Streitwert wurden den Schiedsrichtern (diaitêtaí) vorgelegt, die das 60. Lebensjahr vollendet haben mußten.16 Über 50 Jahre alt mussten die Epheten sein, die als Geschworene über Fälle nichtvorsätzlicher Tötung zu urteilen hatten.17 Nach den verheerenden Niederlagen im Peloponnesischen Krieg mit Sparta wurde in Athen zudem auf Antrag des Pythodoros die Proboulê, ein Beratungsgremium, das der eigentlichen Ratsversammlung vorgeschaltet war, um 20 Männer aus dem Kreis der über 40jährigen erweitert.18 Auch für Gesandtschaften griff man in Athen auf ältere Bürger zurück.19 Dass gerade bei Rechtsstreitigkeiten das Wissen der Alten zählte, wissen wir auch aus anderen Regionen. Aus Gonnoi, einer Stadt im Gebiet der Perrhaiber am Fuße des Olymp, die zwischen 352 und 197 v. Chr. Die Autorität der Alten in der Politik  53

zum makedonischen Herrschaftsgebiet gehörte, ist folgender Wortlaut einer Inschrift über einen Gebietsstreit zwischen Gonnoi und Herakleion überliefert: „[…] Ich hörte außerdem die Alten sagen, dass die Grundstücke in Pothnaieus Kallias und Philombrotos gehörten, es waren Bewohner von Gonnoi.“20 Anders aber als in Sparta besaßen im demokratischen Athen des 5. und 4. Jahrhunderts die Alten keine politisch entscheidende Macht.21 Ihre Stimme hatte in der auf Mehrheitsentscheidungen beruhenden Volksversammmlung kein besonderes Gewicht, auch wenn mancher Politiker auf die Besonnenheit der Alten zählte. Als im Jahre 415 v. Chr. in der Athenischen Volksversammlung über die Ausrüstung von Schiffen für den Feldzug nach Sizilien gestritten wurde, mahnte Nikias die Älteren, gegen den gefährlichen Krieg zu stimmen, und warnte davor, die Entscheidung den Jüngeren zu überlassen, die eine solche Sache hitzig um ihres Eigennutzes willen betrieben.22 Die Stimme der Älteren – Nikias selbst war zu dem Zeitpunkt etwa 55 Jahre alt23 – fand allerdings kein Gehör. Nach dem für Athen so verlustreichen Peloponnesischen Krieg griff Platon für seinen Entwurf eines idealen Gemeinwesens denn auch folgerichtig auf das spartanische System zurück, indem er den Alten eine entscheidende politische Rolle zuweist.24 Entsprechend seinem geschlechtsegalitären Modell, das für Männer und Frauen die gleichen Tätigkeiten vorsieht, finden wir bei ihm auch ältere Frauen in Autoritätspositionen. So kommt bei ihm die Aufsicht über die Heirat und die Kinderaufzucht älteren Frauen (gynaîkes) zu, wobei Platon keine genauen Lebensalterangaben macht; diese kümmern sich auch um die Klagen über die Misshandlung der Alten.25 Derartige Konflikte zwischen Jung und Alt in Kriegssituationen sind auch aus anderen Regionen überliefert. So plädierten laut Diodor im Jahre 320 v. Chr. die Ältesten (presbýteroi) der pisidischen Stadt Termessos in der heutigen Türkei dafür, einen zu ihnen geflüchteten schutzflehenden Makedonen an den Diadochen Antigonos Monophthalmos auszuliefern, um einen Krieg abzuwenden, während die Jungen (neôté­ roi) sich dafür aussprachen, den Flüchtigen zu schützen und eine bewaffnete Auseinandersetzung zu riskieren. Die Älteren obsiegten nur kraft einer List, indem sie den Flüchtigen über sein Schicksal im Unklaren ließen und in den Selbstmord trieben, zogen mit ihrer List aber den Hass der Jüngeren auf sich, so dass in der Stadt beinahe ein Bürgerkrieg 54  Die Autorität der Alten in der Politik

ausgebrochen wäre.26 Im kretischen Gortyn des Jahres 220 v. Chr. kam es nach Auskunft des Polybios in einer Bündnisfrage zu einem Streit zwischen Älteren und Jüngeren, der in der Folge eskalierte und in die Vertreibung und Tötung der Jüngeren mündete.27 In hellenistischer Zeit und in der römischen Kaiserzeit existierte nach inschriftlichen Befunden in griechischen und kleinasiatischen Städten wie Athen oder Ephesus ein anderer Typus von Ältestenrat als in Sparta, der vor allem mit der Organisation und Finanzierung der Feste der Stadtgottheit und des Kaiserkults betraut war und deshalb hierá gerusía genannt wurde. Ihre Mitglieder hießen wie in Sparta gérontes oder pres­ býteroi.28 Im nordafrikanischen Kyrene wurden unter der Herrschaft des Ptolemaios I. Geronten aus der Gruppe der über 50jährigen erwählt, die Gerichtsfunktionen übernahmen und für das Steuerwesen zuständig waren.29 In einer Reihe von Papyri aus dem ptolemäischen Ägypten werden Dorfälteste erwähnt, die bei der Streitschlichtung, Urkundenbezeugung oder bei Bittgesuchen zu Rate gezogen wurden und offensichtlich eine Art Bürgermeisterposten innehatten.30 Keines dieser antiken Gemeinwesen überließ allein den Alten die Führung. Selbst in Sparta wurde die körperliche, d.h. kriegerische Kraft der jungen Männer als ebenso wichtig wie das Erfahrungswissen der Alten erachtet. Der Dichter Pindar preist Sparta als einen Ort, wo die Ratschläge der Alten (boulaí geróntôn) und die Lanzenkraft der jungen Männer am besten seien.31 Nach Euripides besagt ein alter Spruch, dass bei den Jüngeren die Kraft in den Taten (érga), bei den Alten in den Ratschlägen (boulaí) liege.32 Dem Historiker Thukydides zufolge vermögen Jugend und Alter ohne einander nichts.33 „Körperliche Kraft und schöne Gestalt sind die Vorzüge der Jugend; die Blüte des Alters aber ist die Weisheit“, lautet die philosophische Lehre des Demokrit (460–370 v. Chr.), der selbst ein hohes Alter erreichte.34 Für seinen Idealstaat, der an den spartanischen Verhältnissen orientiert ist, sieht Platon (427–347 v. Chr.) eine Staffelung der Ämter nach Vermögensklassen und Altersstufen vor. Während die agronómoi, die das Land bewachen, zwischen 25 und 30 Jahre alt sein sollen, verlangt er von denjenigen Archonten, welche die Kontrolle der Knaben- und Mädchenchöre übernehmen, ein Mindestalter von vierzig Jahren; diejenigen, die für die Gesetze und für die Erziehung insgesamt zuständig sind, sollen nicht jünger als fünfzig Jahre sein – ein klares Indiz für den Vorrang des Die Autorität der Alten in der Politik  55

Alters.35 Platon selbst schätzt am Alter die Besonnenheit und Affektlosigkeit in Liebesdingen36 und meint, dass ältere Männer zwischen 50 und 60 Jahren aufgrund ihres Alters und ihrer Einsichtsfähigkeit (ϕρόνησις) am überzeugendsten Rat erteilen.37 Dieser Auffassung folgt Plutarch, der gerade die Alten mit Vernunft, Urteilsfähigkeit und Besonnenheit ausgestattet sieht und daher für ihre Beteiligung an politischen Entscheidungen noch im hohen Alter plädiert.38 Aristoteles (384–322) wiederum, der an der geistigen Kompetenz der Alten zweifelt, will das aktive Bürgerrecht auf die Altersgruppe der militärisch aktiven Männer beschränkt sehen.39 Die Dienstpflicht der Hopliten dauerte in Athen ebenso wie in Sparta vom 18. bzw. 20. bis zum 60. Lebensjahr.40 Auch Platon empfiehlt für seinen Idealstaat für Männer eine Dienstpflicht vom 20. bis zum 60. Lebensjahr, für Frauen bis zum 50. Lebensjahr. Allerdings sollten Frauen erst dann zu Kriegsdiensten herangezogen werden, wenn sie Kinder geboren hätten.41 Wie lange tatsächlich Kriegsdienst geleistet wurde, ist unklar. Sokrates will zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr dreimal im Felde gestanden haben.42 Ein Auszug aller Bürger bis zum 45. Lebensjahr, wie ihn Demosthenes in seiner Rede gegen Philipp II. erwähnt, war ungewöhnlich.43 Eine Beteiligung von Frauen, wie sie sich Platon vorstellt, war – bis auf die Teilnahme an Verteidigungmaßnahmen – nur im Mythos üblich.44 Waffenweihungen an den Kriegsgott Ares, wie sie in Epigrammen überliefert sind, markieren das Ausscheiden aus dem Militärdienst. Betont wird hier stets das Nachlassen der körperlichen Kräfte: „Diesen Schlachtschild aus Stierhaut, die Schutzwehr des Leibes, die Lanze, die seines Gegners Gedärm oftmals gekostet, auch dies Stahlhemd, das von der Brust so viele Geschosse schon wehrte, und dieser eherne Helm, den noch der Roßschweif bedeckt, bringt Lysimachos nun dem Ares zur Weihe: statt aller Waffen nimmt heute der Greis (γηραλέoν) lieber den stützenden Stab.“ 45 Wird hier die neue Lebensphase im Gebrauch des Stockes sinnfällig gemacht, so wird in anderen Epigrammen das Alter mit dem Eintauchen in die weibliche Sphäre gleichgesetzt: „Ich auch mußte nun also das grause Getümmel verlassen, dran sich Ares erfreut, muß an der Artemis Haus Mädchengesängen nun lauschen. Epixenos, der mich hier weihte, wurde vor Alter ja weiß (λευκὸν […] γῆρας) und seine Glieder ihm schwach.“46 56  Die Autorität der Alten in der Politik

2. Altersstruktur und Ansehen römischer Amtsträger Die Gleichsetzung von politischer Klugheit und hohem Alter haben vor allem römische Autoren betont. Anders als in den Aussagen der griechischen Lyriker und Philosophen gilt für Cicero die Weisheit des Alters als ein höheres Gut als die Körperkraft der Jugend. Mustergreis schlechthin ist der ältere Cato, dem Cicero seine Schrift über das Alter aus dem Jahre 44 v. Chr. gewidmet hat. „Bei großer Leistung kommt es nicht auf Kraft, Behendigkeit und Schnelligkeit des Körpers an“, urteilt Cicero, „sondern darauf, daß man klug ist, Ansehen genießt und etwas zu sagen hat: Vorzüge, die man im Alter nicht nur nicht einbüßt, sondern sogar in zunehmendem Maße hat.“47 Jugend setzt Cicero mit Unbesonnenheit und Übermut gleich;48 am Alter schätzt er die Selbstbeherrschung. In der weitgehend literalisierten Kultur der Römer entspricht die Wertschätzung der Altersweisheit der Autorität, die dem pater familias innerhalb des Familienverbandes eingeräumt wurde. Anders als im antiken Griechenland unterstanden die Söhne bis zum Tod des Vaters dessen Gewalt: patria potestas. Ihre Stabilität erklärt sich aus der politischen Funktion der väterlichen Autorität über Söhne, die sich vor allem in politischen Entscheidungssituationen auswirkte. Im Geschichtswerk des Livius von den Anfängen der Stadt bis zum Ende der Republik sind eine Reihe von exempla überliefert, die von der Strenge und Härte des pater familias gegenüber den Söhnen erzählen. Ein Beispiel stellt das Leben des T. Manlius Torquatus dar, der unter der unerbittlichen Strenge seines Vaters gelitten hatte und diese gegenüber seinem eigenen Sohn weiterführte. Als dieser Sohn dem Befehl seines Vaters, der Konsul geworden war, zuwider handelte, wonach „niemand außer Reih und Glied mit dem Feind kämpfen sollte“, und mit diesem Verhalten militärischen Erfolg hatte (er tötete den Feind), wurde er keineswegs bei der Heimkehr geehrt. Sein Vater ließ ihn vielmehr zum Tode verurteilen, weil er gegen die militärische Disziplin verstoßen hatte.49 Derartige exempla von der auctoritas des pater und der pietas (Ehrfurcht) der Söhne stützten die politische Autorität der patres und dienten der Begründung der Vormachtstellung der Elite.50 Cicero zählt in seiner Eloge auf das Alter denn auch alle großen Männer der Vorzeit auf, die vorbildhaft ihre Befehlsgewalt, ihr imperium, über die Ihren ausgeübt haben. Über Appius Claudius Caecus, Zensor und Konsul der frühen Republik, der Die Autorität der Alten in der Politik  57

die Wasserversorgung und das Recht Roms reformierte,51 urteilt er ganz im Sinne der römischen Tradition: „Vier kräftige Söhne, fünf Töchter, eine Menge Bediensteter und Klienten verstand Appius zu beherrschen, obwohl er nicht nur alt, sondern sogar blind war; er hielt eben seinen Geist stets angespannt wie seinen Bogen, machte nie schlapp und ließ sich vom Alter nichts anhaben. Er behauptete nicht nur sein Ansehen (tenebat non modo auctoritatem), sondern auch die tatsächliche Herrschaft über die Seinen (sed etiam imperium in suos). Es fürchteten ihn die Sklaven, mit ehrfürchtiger Scheu begegneten ihm seine Kinder; alle aber hatten ihn lieb; in seinem Hause herrschte Zucht, und ihr zufolge die Sitte unserer Väter (vigebat in illa domu mos patrius disciplina).“52 Hatte ein Sohn ein Amt inne, ruhten die Rechte des Vaters in der Öffentlichkeit; im alltäglichen Zusammenleben aber, bei Tisch, traten wieder, so überliefert es Gellius, „die Rechte (des Alters) der Natur und der Geburt in Kraft.“53 Die Autorität der Alten ist nach Cicero indes keine natürliche Begleiterscheinung des Alterungsprozesses, sondern Frucht eines tätigen Lebens: „Nicht die grauen Haare und auch nicht das zerfurchte Gesicht können einem Menschen mit einem Male Ansehen (auctoritas) verschaffen, sondern nur das vorher ehrenwert verbrachte Leben erntet am Ende als Frucht das Ansehen.“54 Für den kaiserzeitlichen Gelehrten Lucius Annaeus Florus ist es daher konsequent, dass der mythische Stadtgründer Roms, Romulus, die Lenkung des Gemeinwesens, der res publica, in die Hände der Alten gelegt habe. Auch seien die Mitglieder des obersten politischen Entscheidungsgremiums Roms wegen ihrer Autorität ,Väter‘ (patres) und das Gremium selbst wegen des Alters ,Senat‘ (wörtlich: Versammlung der Alten) genannt worden.55 In republikanischer Zeit bestand der Senat allerdings nicht aus den betagten Oberhäuptern der agnatischen Familienverbände, sondern aus den ehemaligen Amtsträgern der Republik. Mit der lex Villia Annalis von 180 v. Chr. war das Zugangsalter zu den jeweiligen Ämtern gesetzlich fixiert und die Ämterlaufbahn formalisiert worden.56 Ein zehnjähriger Militärdienst war Voraussetzung zur Erlangung des ersten Amtes, der Quästur. Nach den Berechnungen von Mary Harlow und Ray Laurence konnte die Quästur in der Zeit der späten Republik nicht vor dem 27. Lebensjahr erreicht werden, meist jedoch erst mit dem 30. Lebensjahr. Durchschnittlich neun bis vierzehn Jahre lagen zwischen Quästur und 58  Die Autorität der Alten in der Politik

den höchsten Ämtern, Prätur und Konsulat. Die Kandidaten erreichten diese Ämter nicht vor dem 39. bzw. 42. Lebensjahr. Diese Regelungen führten dazu, dass die Altersstruktur im Senat einheitlich war und sich jeweils eine Alterskohorte zur Wahl stellte.57 Die Ältesten der Senatoren, die seniores, bildeten nach Livius eine eigene Gruppe, die bei politischen Entscheidungen als solche hervortrat.58 Es ist dies die Gruppe der 46 bis 60jährigen, die keinen Militärdienst mehr ausübten.59 Das Alter von 60 Jahren bildete eine weitere Grenze. Senatoren über 60 waren in der Kaiserzeit von der Pflicht zur Teilnahme an Senatssitzungen entbunden; auch durften Männer über 60 nicht mehr an den Wahlen zu den Zenturiatskomitien teilnehmen, wo die Konsuln und Prätoren gewählt wurden.60 Ältere Personen sollten nicht mehr an Gesandtschaftsreisen teilnehmen, meint Plutarch, der allerdings auch die Erfahrung und Weisheit des älteren Politikers schätzt und vor der Untätigkeit im Alter warnt.61 Die politische Erfahrung hatte ohne militärische Erfahrung und Praxis offensichtlich keinen eigenen Wert. Exempla von den Leistungen alter Männer akzentuieren denn auch immer die militärische Leistungsbereitschaft selbst noch im hohen Alter.62 Das Bild der idealen Altersbeschäftigung, das Cicero von Cato zeichnet, zeigt den betagten römischen Politiker denn auch nicht im Kreise der Senatoren, sondern als einfachen Bauern auf dem Lande. Die Tätigkeit auf dem Landgut ist in den Augen Ciceros die ideale Beschäftigung für alt gewordene Senatoren: „Gut bebautes Land ist das Ergiebigste, aber auch vom Anblick das Schönste, was es gibt. Sich daran zu erfreuen hindert das hohe Alter (senectus) nicht nur nicht, sondern es lädt sogar auf jede Weise lockend dazu ein. Denn wo konnte man sich als alter Mensch, sei es in der Sonne oder am Herdfeuer, besser erwärmen, wo könnte man sich im Schatten oder im Bad gesünder abkühlen als auf dem Lande? Sollen die jungen Leute ruhig ihre Waffenübungen haben, ihre Pferde, Lanzen, die Keule und den Ball, ihre Schwimmübungen und Wettrennen, sofern sie nur uns Alten von den vielen Spielen das Knöchel- und Würfelspiel belassen […].“63 Für sich selbst baute Cicero an einer Bibliothek auf seinem Landgut in Tusculum als Zufluchtsstätte im Alter.64 Aber in den Bürgerkriegs­ jahren der späten Republik hatte das Ideal des ,müßigen‘ Lebens im Alter für Politiker wie Cicero einen eher fiktiven Charakter. Zwar meint er in seinen Briefen an den Freund Atticus, dass ihm die Freundschaft Die Autorität der Alten in der Politik  59

mit den Mächtigen seiner Zeit, Pompeius und Caesar, im Alter ein Leben in Muße bescheren würde: senectutis otium. Aber er wolle lieber auf den Nachruhm, fama, setzen und, wie er Atticus versichert, Standfestigkeit in seinen politischen Überzeugungen wahren.65 In der Tat nahm Cicero ein gewaltsames Ende, nachdem er allerdings mehrfach die Parteiungen gewechselt hatte. In seinem 64. Lebensjahr, also ein Jahr nach der Abfassung der Schrift über das Alter, am 7. Dezember 43 v. Chr., so schildert Plutarch, fiel er den Häschern des Antonius in die Hände. Antonius ließ Ciceros Hände und Kopf über den Schiffsschnäbeln auf der Rednertribüne, der vornehmlichen Wirkungsstätte des Cicero, aufstecken, weil dieser sich auf die Seite seines Gegners Octavian geschlagen hatte. Octavian, bzw. Augustus, wie er sich später nennen ließ, sorgte schließlich für den Nachruhm des Cicero und bestimmte, dass fortan kein Antonier den Namen Marcus tragen dürfe.66 Von daher ist die Schrift des Cicero über das Alter auch als ein Versuch anzusehen, ange­ sichts der politischen Kämpfe seiner Zeit, die zwischen Optimaten und Popularen ausgefochten wurden, die politische Würde der älteren Senatoren zu behaupten. Während die Fraktion der Optimaten, der tendenziell auch Cicero zuneigte, auf dem politischen Führungsanspruch des Senats beharrte, setzten die popularen Politiker bei der Gewinnung von politischer Macht auf die politischen Organe des Volkes, auf das consi­ lium plebis, wo die Volkstribune gewählt wurden. Im politischen Schrifttum der späten Republik wird dieser Kampf zwischen Optimaten und Popularen denn auch als ein Generationenkonflikt dargestellt. Als Anhänger eines popularen Politikers wie Catilina, der sich 62 v. Chr. vergeblich um das Amt des Konsuls bewarb und einen bewaffneten Aufstand wagte, nennt Sallust (86 - 34 v. Chr.) in erster Linie die Jugend Roms und beklagt die Abkehr von der Tradition, als „ausgewählte Männer, deren Körper durch die Jahre schwach, deren Geist an Weisheit stark war, […] dem Gemeinwesen beratend bei­ (standen).“67 In einer Catilina zugeschriebenen Rede läßt er diesen seine Anhängerschaft als jugendkräftig und stark an Geist preisen, die Gegner aber „durch die Jahre und den Reichtum […] vergreist (annis atque divitiis […] consenuerunt)“ darstellen.68 Cicero spricht in seinen Briefen an den Freund Atticus (61 v. Chr.) ebenfalls abfällig über die Jugend und zitiert den Dichter Naevius, der den törichten jungen Leuten Schuld am Sittenverfall gibt.69 Da die Konsuln im Jahr nach ihrem Amt als Prokon60  Die Autorität der Alten in der Politik

suln die lukrative Verwaltung einer Provinz übernahmen, erscheint der Kampf um politische Macht bei Sallust folgerichtig auch als ein Kampf um den Zugriff auf die Reichtümer der Republik.70 Mit Errichtung des Prinzipats durch Augustus, der in den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen dieser Jahre die Oberhand gewann, wurde das Zugangsalter zu den Ämtern gesenkt und der Konflikt entschärft. Die Prätur konnte schon mit 30 Jahren erreicht werden. Agricola, Schwiegervater des Tacitus, der in seinen Annalen eine Chronik der ersten Jahrzehnte des Prinzipats hinterlassen hat, war mit 24 Jahren Quästor und bewarb sich mit 28 Jahren um das Amt des Prätors. Parallel dazu setzte sich das Prinzip der Erblichkeit durch. Die Mitgliedschaft im Senat musste nun nicht mehr von jeder Generation über die Bewerbung um ein Amt neu erworben werden, sondern konnte auf die Söhne und Enkel für eine begrenzte Zeit vererbt werden. Mit diesem Wandel sank in der Kaiserzeit das Durchschnittsalter der Senatorenschaft um 9 bis 10 Jahre gegenüber dem in der Republik. Harlow und Laurence erklären diese Veränderung in der Altersstruktur als eine Folge der neuen dynastischen Struktur, die den Princeps im oft jugendlichen Alter an die Spitze des Gemeinwesens brachte. Ein jugendlicher Princeps habe kaum ältere Konsuln akzeptieren können.71 Gesetzliche Regelungen, die Andreas Gutsfeld untersucht hat, sahen ab der Kaiserzeit neue Altersgrenzen vor, die ältere Amtsträger einerseits finanziell entlasteten, andererseits aber auch von Entscheidungen fernhielten. „Ein Senatsbeschluß von 4 v. Chr. (de iudicio repetundarum) ordnete an, dass zur Senatskommission, die künftig Eingaben von Bundesgenossen zur Rückerstattung von erpresstem Geld behandeln sollte, u. a. keine Mitglieder gehören sollten, die 70 Jahre oder älter waren.“72 Von der unter Augustus durchgesetzten Anwesenheitspflicht der Senatsmitglieder wurden ältere Senatoren entbunden, wobei unklar ist, ob die Altersgrenze noch bei 60 oder nun bei 65 Jahren lag.73 Für die Übernahme städtischer Ämter wie das des Dekurionen, die stets mit finan­ ziellen Belastungen einherging, lag ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. bis zur Zeit Justinians die Altersgrenze bei 55 Jahren. Bis zum dritten nachchristlichen Jahrhundert hatte das 60. Lebensjahr als Grenze für die Übernahme von öffentlichen Lasten, munera civilia, gegolten. Zu ihnen zählte beispielsweise die Sorge um die Wasserversorgung oder um den Unterhalt und Bau von Amtsgebäuden und Tempeln. Zum Teil galt Die Autorität der Alten in der Politik  61

auch das 70. Lebensjahr als Zäsur. Nach Ulpian waren die städtischen Honoratioren von 70 Jahren an von der Sorge für die Getreidebeschaffung befreit.74 Ob diese rechtlichen Bestimmungen ein Zeichen sind, dass das spätantike Staats- bzw. Gemeinwesen nicht mehr auf den Rat und die Erfahrung der Alten, sondern auf die Innovation und Tatkraft der Jugend setzte, wie Gutsfeld meint, ist allerdings anhand der sparsamen rechtlichen Regelungen schwer zu beurteilen.75 In der Literatur ‚Über das Alter‘, so in der Schrift des Iuncus aus dem späten 2. Jahrhundert n. Chr., wird über die Alten gespottet, die sich noch politisch betätigen wollen: „Wer es aber wagen wird, auf die Agora zu gehen, dann verursacht er bei den Zuschauenden Gelächter, weil er weder scharf sieht noch die Rufenden hört, und weil er, wenn er versucht, sich hindurchzuschleppen, taumelnd niederfällt, einer, von dem man sagt, daß er die gemeinsame Luft der Polis belaste und sie verschwinden lasse. Denn nicht wird er in die Gruppe der Phyleten eingeordnet, wenn er in der Volksversammlung anwesend ist, auch ist er nicht in der Lage, einem Amt vorzustehen, sowohl wegen der angegebenen Behinderungen als auch, weil er gebeugt ist und zusammengeschrumpft und mißgestaltet und kraftlos und (weil) er in der Psyche – gemäß dem Sprichwort – wieder ein Kind geworden ist.“76 Auch Juvenal (geb. um 67 n. Chr.) kann einem hohen Alter keinen Nutzwert abgewinnen. In seiner zehnten Satire nimmt er die Bittgesuche seiner Zeitgenossen an die Götter aufs Korn, die sich auf Reichtum, Schönheit und auf ein langes Leben richten, aber nicht die Kehrseite bedenken, den Verlust von Angehörigen oder den eigenen gewaltsamen Tod im hohen Alter. „Diese Strafe ist über die Langlebigen verhängt, daß sie durch eine / immer neue Heimsuchung des Hauses in vielfacher Trauer und / in beständigem Gram und im schwarzen Gewand alt werden.“77 Priamos, der Herrscher von Troja, sei besser früh gestorben und von seinen Söhnen zum Grab geleitet worden, anstatt den Leichnam seines Sohnes zu bestatten, der im Kampf um die Stadt fiel. Auch Pompeius bescheinigt er, dieser sei besser auf der Höhe seines Ruhms in Kampanien dem Fieber erlegen, anstatt die Niederlage bei Pharsalos und den Tod durch Enthauptung zu erleiden.78 Gleichzeitig finden sich in der Kaiserzeit nach wie vor Elogen auf die Weisheit des Alters, wie sie Cicero in der Zeit der Krise der Republik verfasst hatte, auch wenn negative Stimmen überwiegen. Als positives 62  Die Autorität der Alten in der Politik

Beispiel nennt Plinius d. J. (61–112 n. Chr.) Verginius Rufus, der im Alter von 83 Jahren im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte gestorben sei. Von Vestricius Spurinna meint er, dass diesem das Alter einen Zuwachs an Weisheit gebracht habe. Auch lobt er dessen körperlichen Zustand. Im 77. Lebensjahr habe er noch gut gehört und gesehen. Als ideal erscheint ihm eine Lebensführung im Alter, die von Gesprächen, Lektüren, Spaziergängen, Schreiben, Baden und einfachen Mahlzeiten bestimmt sei. Nach einem Jahrhundert kaiserlicher Macht, das den meisten Principes und vielen Senatoren einen frühen gewaltsamen Tod brachte, muss ein ruhiges Leben im Alter geradezu als ein utopisches Lebensziel erschienen sein. Seneca (4. v. Chr. - 65 n. Chr.), der unter Nero zum Selbstmord gezwungen wurde, äußert denn auch Zweifel an einem solchen Lebensziel. Er zieht in seiner Schrift über die Kürze des Lebens ein erfülltes Leben einem langen Leben vor.79

3. Altershierarchie in frühchristlichen Gemeinden Trotz dieser Negativstimmen blieb der traditionelle Konnex von politischer Erfahrung und Alter im politischen Denken der Kaiserzeit bestehen80 und setzte sich in der Spätantike in der Benennung der christlichen Amtsträger als presbýteroi, Älteste, fort. Allerdings ist umstritten, ob alle Personen, die diesen Amtstitel trugen, auch tatsächlich ein hohes Lebensalter besaßen. Elisabeth Hermann-Otto nimmt an, dass in den Anfangsjahren die presbýteroi, die Vorsteher christlicher Gemeinden, tatsächlich ältere Männer waren, denen sich die Jungen, neôteroi, unterzuordnen hatten, wie es im ersten Petrusbrief und im 39. Brief des Bischofs Cyprian an die Gemeinde von Karthago anklingt.81 Vorschriften, die für Bischöfe ein Mindestalter von 50 Jahren vorsahen, entsprangen ihrer Meinung nach Idealvorstellungen, die kaum eingehalten werden konnten, da die Kirchenväter immer wieder auch von jüngeren Bischöfen sprächen, deren Ernennung allerdings unter Erklärungszwang stand. 82 Im Jahre 385 n. Chr. wurde das Mindestalter auf 45 Jahre, unter Justinian dann auf 30 Jahre heruntergesetzt, nach Herrmann-Otto eine Anpassung an das traditionelle Mindestalter für Amtsträger seit den Tagen der griechischen Polis.83

Die Autorität der Alten in der Politik  63

Von einigen epigraphisch bezeugten weiblichen Gemeindevorsteherinnen aus der Zeit zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert haben wir klare Altersangaben. Eine Grabinschrift für die Presbyterin Kale aus Sizilien nennt eine Lebenszeit von fünfzig Jahren; die Presbyterin Laeta aus Bruttium starb mit vierzig Jahren.84 Ob es auch für das Amt der Presbyterin eine Altersgrenze von 40 Jahren für die Amtsübernahme gab, wie sie das Konzil von Kalchedon im Jahre 451 für das Amt der Diakonin durchzusetzen versuchte, ist ungewiss, da das Vorsteherinnenamt insgesamt umstritten war und schließlich mit dem Verbot für Frauen, den Altarraum zu betreten, abgeschafft wurde.85 Da die Inschriften auch sehr junge Diakoninnen belegen, deren Aufgabe es war, für Witwen, Waisen, Fremde und Arme zu sorgen, kommt den Regelungen der Konzile und den späteren Dekreten der Päpste allerdings nur ein begrenzter Aussagewert zu. Das gilt auch für die ‚eingesetzten‘ Witwen, die in der Kirche den Gebetsdienst versahen und in der Gemeinde für die Unterstützung bedürftiger Witwen zuständig waren. Die Didascalia Apostolorum, eine Kirchenordnung aus dem 3. Jahrhundert, die in Syrien entstand, sah vor, dass Witwen ihr Amt nicht vor dem 50. Lebensjahr antreten sollten. Ältere Vorschriften hielten dagegen ein Alter von 60 Jahren für angemessen.86 Grabinschriften belegen teilweise ein hohes Alter von 80, 90 Jahren, das diese ‚eingesetzten‘ Witwen erreichten; Angaben über die lange Dauer des Witwenstandes von bis zu 60 Jahren sprechen wiederum gegen eine allzu späte Amtsübernahme.87 Innerhalb der Gemeinde bildeten diese Witwen eine eigene Statusgruppe, die über die Sitzordnung in der Kirche sichtbar gemacht wurde. „Der Traditio Apostolica aus dem 4. Jahrhundert zufolge (10) sitzen die Witwen hinter den Diakonen und Bekennern, aber vor den Lektoren und Subdiakonen, also zwischen gradus maiores und gradus minores“, d. h. zwischen Statushohen und Statusniedrigen.88 Nach dem Testamentum Domini, einer syrischen Kirchenordnung aus dem 5. Jahrhundert, nahmen die Witwen während der Mahlfeier zusammen mit den übrigen Amtsträgern ihren Platz sogar innerhalb des Altarraumes hinter dem Vorhang (velum) ein, ein Privileg, das die Synode von Laodikea abzuschaffen versucht hatte.89 Die Bemühungen um die Festlegung von klaren Altersgrenzen, die im Kontext der Zentralisierungsbestrebungen der kirchlichen Autoritäten stand, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Befunde sehr disparat sind. Eine einheitliche Regelung der Altersgrenzen für die Ämter64  Die Autorität der Alten in der Politik

übernahme läßt sich in den frühchristlichen Gemeinden, die über den gesamten Mittelmeerraum verstreut waren, nicht feststellen. Zu unterschiedlich waren die lokalen Traditionen, als dass sich eine gemeinsame Praxis nachweisen ließe.

Die Autorität der Alten in der Politik  65

III. Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

Die Wertschätzung der Weisheit des Alters ist ein kulturelles Konstrukt, das der strukturellen Besonderheit der Wissenstradierung und der Autoritätsverteilung in antiken Gesellschaften Rechnung trägt. Inwiefern sie sich in tatsächliches Verhalten gegenüber den Alten umgesetzt hat, muss offen bleiben. Die jüngere Forschung zum Alter in der Antike neigt dazu, den seit den Tagen Hesiods überlieferten Klagen über die Beschwernisse des Alters oder über die Misshandlung der Alten einen höheren Realitätsgehalt zu bescheinigen als den Elogen über die Wertschätzung der Erfahrung der Alten.1 Aber auch diese negativen Aussagen, um die es im Folgenden gehen wird, stehen in Kontext literarischer Konventionen und philosophischer Traditionen und bilden nicht einfach Alltagswirklichkeit ab. Wir wissen aus der antiken Literatur, dass an jedes Lebensalter bestimmte Verhaltenserwartungen geknüpft waren. Dazu gehörte auch die Achtung vor den Alten, die durch die gesamte Antike hindurch betont wird. Den alten Eltern Respekt zu erweisen oder ältere Menschen wie Vater und Mutter zu ehren, fordern griechische wie römische Autoren bis hin zu den Kirchenvätern.2 Wie sich Ehrungen in konkrete Verhaltensmuster umsetzen, geht aus den Reden griechischer Philosophen hervor. Jüngere hatten gegenüber den Älteren zu schweigen und ihnen beim Gastmahl oder in den Gassen den Vorrang zu lassen.3 Auch Aristoteles folgt dieser Tradition, wenn er in seiner Nikomachischen Ethik festhält: „Und jedem älteren Manne soll man die Ehre geben, die seinen Jahren entspricht; sich vor ihm erheben, ihm bei Tisch (den besseren) Platz anweisen und dergleichen.“4 Folgt man dem Historiker Herodot, so war der Respekt der Jugend vor dem Alter eine spartanische und ägyptische Eigenart: „Auch etwas anderes noch haben die Ägypter mit den Griechen – allerdings nur mit den Lakedaimoniern – gemeinsam. Wenn junge Leute älteren begegnen, machen sie diesen Platz und lassen sie vorbeigehen; sie stehen auch bei ihrem Kommen von den Sitzen auf und bieten sie ihnen an.“5 66  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

In Rom stehen derartige Verhaltensanforderungen an die Jugend, wie sie griechische Philosophen äußern, häufig im Kontext politischer Belehrung. Valerius Maximus stellte in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. (27–37 n. Chr.) eine Sammlung von historischen Beispielen zusammen, die ein sittlich hervorragendes Verhalten zeigen und an das tugendhafte Verhalten der männlichen Jugend erinnern sollten: „(9) Die Jugend (iuventa) erwies dem Alter (senectuti) so reiche und hohe Ehre, wie wenn die Älteren (maiores) die gemeinsamen Väter (communes patres) der jungen Leute (adulescentium) wären. Deshalb geleiteten die jungen Männer (iuvenes) am Sitzungstag des Senats jedenfalls immer einen Senator, einen Verwandten oder Freund des Vaters, zur Kurie [wo der Senat tagte] und warteten so lange an den Türen, bis sie ihn auch pflichtgemäß wieder nach Hause bringen konnten. Durch dieses freiwillige Wachestehen stärkten sie Körper und Geist, um für die aktive Ausübung öffentlicher Aufgaben gerüstet zu sein, und durch die gesittete Vorbereitung auf ihre Tätigkeit wurden sie selbst zu Lehrern der Eigenschaften, die sich in Kürze im Licht der Öffentlichkeit bewähren sollten. Wenn sie zum Essen geladen waren, erkundigten sie sich genau, wer bei dem Mahl noch zugegen sein werde, um sich nicht vor der Ankunft Älterer (seniorum adventum) am Tisch niederzulassen; und wenn die Tafel aufgehoben war, ließen sie diese zuerst aufstehen und fortgehen. Daraus kann man klar entnehmen, wie bescheiden und wie wenig sie in Gegenwart von Älteren auch beim Essen zu reden pflegten.“6 Valerius Maximus orientiert sich in seinem Beispiel an zeitgenössischen Verhaltensmustern. Die Senatoren versammelten normalerweise morgens ihre Klienten in ihrem Hause, in deren Begleitung sie dann in den Senat gingen. In dem oben zitierten Fall werden die jungen Männer in dieser Rolle gesehen, die ihrem Patron gleich einem Vater verpflichtende Treue (pietas) schulden. Indem Valerius Maximus das ideale Verhalten aber in der Frühzeit der römischen Geschichte ansiedelt, wird deutlich, dass zu seiner Zeit, wie bereits im vorherigen Kapitel ausgeführt, das Verhältnis der Generation konfliktbehaftet war, sonst hätte es eines solchen Rückgriffs auf vermeintlich gute alte Traditionen nicht bedurft. Es sind vor allem die Lebensalterstufenmodelle, die Aussagen über Verhaltenskodizes für Jung und Alt enthalten. Sie dienten im Unterschied zu frühneuzeitlichen Modellen wie der Lebenstreppe nicht der Befriedigung des Generationenverhältnisses im häuslichen Bereich,7 Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  67

sondern wirkten im politischen Raum. Es geht dabei meistens um die Akzentuierung politischer Tugenden bzw. generationentypischer Verhaltensmuster, die offensichtlich dazu dienten, in einer politischen Umbruchzeit Sicherheit und Orientierung zu bieten.

1. Lebensalterstufenmodelle für den idealtypischen Polisbürger Die Unterscheidung zwischen Jugend und Alter ist die einfachste Teilung, die sich in Spruchweisheiten findet wie: „Bei den Jüngeren (neôté­ roi) liegt die Kraft in den Taten, bei den Älteren (geraitéroi) im Rat.“8 Häufiger aber wird von griechischen Dichtern und Historikern eine Dreiteilung in paîs (Kind), anêr (Mann) und presbýtês bzw. gérôn (Greis) vorgenommen, wie wir sie aus dem eingangs zitierten Rätsel der Sphinx kennen.9 Manchmal erscheint zwischen Kindheit und Mannesalter die Phase der Jugend geschoben, für die eigene Termini wie néos, koûros, neanískos oder meirákion in Gebrauch waren.10 Mit diesen Altersstufen sind in der Regel keine fixen Zeitspannen erfasst, sondern allein Generationenbeziehungen markiert. So kann Xenophon den persischen Großkönig Kyros mit gutem Grund als presbýtês bezeichnen, weil die Vorgängergeneration, Vater und Mutter, nicht mehr unter den Lebenden weilt. Da sie in der Generationenkette an nachgeordneter Stelle stehen, nennt Xenophon die erwachsenen Söhne des Kyros folgerichtig paîdes („Kinder“) und wählt nicht die altersgemäße Anrede ándres („Männer“).11 Auch die Gleichsetzungen von Lebensalterstufen mit Tageszeiten wie im eingangs zitierten Rätsel der Sphinx oder mit dem Jahresumlauf, wie wir dies aus der Literatur sowie aus medizinischen Diskursen kennen, lassen diesen Bezug zur Generationenabfolge erkennen. So ist nach Hippokrates im Frühling und Frühsommer das Befinden und die Gesundheit der Kinder und der nächsten Altersstufe am besten, im Sommer und in einem Teil des Herbstes ist das Befinden der Greise und im Winter das der Angehörigen der mittleren Altersstufe besser.12 In den Altersstufenmodellen wird jede Generation mit bestimmten Fähigkeiten versehen. Um politische Tugenden, die das Zusammenleben in der Gemeinschaft möglich machen, geht es in Hesiods Weltalterstufenmodell, das eingangs als Lebensalterstufenmodell gelesen wurde.13 68  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

Die Lebensphasen des goldenen, silbernen, bronzenen bzw. heroischen sowie eisernen Geschlechts korrespondieren mit Lebensalterstufen wie Kindheit, Jugend, Erwachsenenalter und Greisenalter. Irritation hat dabei die Zweiteilung des Erwachsenenalters in ein bronzenes und heroisches Geschlecht ausgelöst. Glenn W. Most hat darauf aufmerksam gemacht, dass das bronzene und heroische Geschlecht, die beide in Absetzung zum goldenen (Kindheit), silbernen ( Jugend) und eisernen (Greisenalter) Geschlecht als Lebensphasen des erwachsenen Kriegers gedeutet werden, mit unterschiedlichen Werthaltungen aufgeladen sind, womit sich für ihn die Doppelung dieser Lebensphase erklärt. Thematisiert wird der Gegensatz von Streit (éris) und Rechttun (dikê). Während im Zeitalter des bronzenen Geschlechts Streit vorherrscht, ist das Zeitalter des heroischen Geschlechts von Rechttun geprägt, von einer Tugend, die auch die Philosophen des 5. und 4. Jahrhunderts für das Zusammenleben in der Polisgemeinschaft für unabdingbar hielten.14 Möglicherweise verbirgt sich in dem Modell eine Aussage über bürgerkriegsähnliche Situationen (stáseis), welche die Frühgeschichte der griechischen Poleis prägten. Aus den philosophischen Lebensalterstufenmodellen, die meist drei oder vier Phasen umfassen, fällt Solons Alterselegie aus dem frühen 6. Jahrhundert v. Chr. heraus, in der von zehn Stufen die Rede ist. Das Modell ist am männlichen Lebenslauf orientiert und folgt einem Siebenjahresrhythmus, wie er auch im medizinischen Schrifttum zu finden ist.15 Bezugsperson ist nun der Polisbürger, der – herausgelöst aus Generationenbeziehungen – in einem politischen Koordinatensystem steht. Es handelt sich um ein Aufstiegs- und Verfallsmodell. Verhandelt werden Wachstum und Niedergang körperlicher, geistiger und rhetorischer Fähigkeiten, mit denen die Anforderungen an den Polisbürger erfasst sind:16 „Ist noch das Knäblein (paîs) unreif und unmündig, wechselt es seine / Zähne zum ersten Mal bis zum siebenten Jahr. / Ließ ein Gott die folgenden sieben Jahre verstreichen, / treten die Anzeichen der kraftvollen Jugend (hêbê) hervor. / In dem dritten Jahrsiebent entwickeln sich reifend die Glieder, / Bartflaum umschattet das Kinn, kräftiger färbt sich die Haut. / Während des vierten gewinnt ein jeder die mächtigste Stärke; / diese gewährt dem Mann (anêr) Leistung und hohen Erfolg (aretê). / Während des fünften sollte der Mann auf Vermählung (gámos) bedacht sein, /  fortpflanzen sein Geschlecht für die zukünftige Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  69

Zeit. / Während des sechsten festigen sich die Kräfte des Geistes (nóos), /  n icht das Unmögliche mehr hat man als Ziel sich gesteckt. / Während des siebten und achten, vierzehn Jahre, bewährt er / im vortrefflichsten Grad Einsicht und Redegewalt (glôssa). / Kräfte besitzt er noch während des neunten, doch taugen zu höchster / Leistung die Gaben des Geistes (sophíê) wie auch der Rede nicht mehr. / Wurde ihm die Vollendung des zehnten Jahrsiebents beschieden, / hat er die Stunde erreicht, die ihm zum Sterben (moîra thanátou) bestimmt.“17 Sind mit den Charakteristika der vierten und sechsten Altersstufe allgemeine körperliche und geistige Kräfte angesprochen, die ein erwachsener Bürger im antiken Athen vor allem im militärischen Bereich benötigt, so nimmt Solon mit den Merkmalen der siebten bis achten Altersstufe die intellektuellen und rhetorischen Kompetenzen des Polisbürgers auf dem Feld des Politischen, in Volksversammlung und Rat, in den Blick. Zu den Anforderungen eines Polisbürgers gehört auch die Heirat, die Solon der fünften Lebensalterstufe zuordnet und die er für die Fortpflanzung des Geschlechts, oder abstrakt ausgedrückt, für die Reproduktion des Polisbürgers, für unerlässlich hält. Es handelt sich bei derartigen Stufenmodellen um idealtypische Aufteilungen, die nach Meinung von Emiel Eyben unter dem Einfluss der Zahlenmagie standen. Hebdomadische Aufteilungen, von denen das Solonische Lebensalterstufenmodell beherrscht ist, bestimmten in der Antike nicht nur die Wahrnehmung von Lebensphasen, sondern auch die Einteilungen des Monats in vier Perioden zu je sieben Tagen oder die Lehre von den sieben Farben oder den sieben Metallen. Das siebte Jahr galt als Krisenjahr, das mit einschneidenden Veränderungen einherging.18 In der medizinischen Literatur ging man von sieben Lebensabschnitten aus; zugleich kursierte die Vorstellung, dass das Befinden des jungen wie alten Menschen mit den Jahreszeiten korrespondiert. Im Winter litten gerade ältere Menschen an Husten, Schwindel, Gliederschmerzen etc.19 Aber auch das politische Leben war vom numerischen Denken bestimmt. In das frühe 6. Jahrhundert v. Chr. fällt die politische Neuordnung, die Aufteilung der Bürgerschaft in vier Vermögensklassen, und die Neuorganisation des Gewichtssystems, die beide Solon zugeschrieben werden.20 Thomas Falkner betont in seiner Deutung der Alterselegie Solons, dass es sich um eine Abstraktion des Anforderungsprofils an den Polis70  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

bürger handelt und keineswegs um eine Beschreibung der tatsächlichen militärischen und politischen Laufbahn, die ein einzelner Polisbürger absolvierte.21 Gleichwohl ist eine Annäherung an soziale Abläufe unverkennbar. So korrespondiert der Siebenerrhythmus punktuell mit dem System der spartanischen Altersklassen, das vermutlich im 6. Jahrhundert v. Chr. eingerichtet wurde. Ab dem siebten Jahr durchliefen in Sparta die Jungen die Agogê, wo ihre körperliche Kondition trainiert und die typisch spartanische Kommunikationsweise, die ,lakonische Kürze‘ erprobt wurde.22 Geschlechtsreife und militärische Ausbildung, Kennzeichen des dritten Lebensjahrsiebents bei Solon, bildeten weitere Etappen der männlichen Sozialisation, die in nahezu allen griechischen Gemeinwesen von rituellen Handlungen begleitet waren. Mit der Einschreibung in die Phratrie und in den Demos des Vaters, die in Athen im Alter von 18 Jahren erfolgte, endete hier die Kindheit der Jungen. Der Übergang in das Erwachsenenalter wurde mit einem Haaropfer und einem Festmahl zu Ehren des Apollon am Apatourienfest begangen. Damit waren die jungen Männer, bis dahin κoῡρoς/kûros bzw. νέoς/néos genannt, als vollwertige Hopliten und als erwachsene Männer anerkannt. Als einen solchen erwachsenen Mann, ἀνήρ/anêr, bezeichnet ihn auch Solon. Hinzu kam in Athen das Fest der Oschophoria, das um einen rituellen Geschlechtsrollentausch kreiste. Mit ihm wurde die Integration der jungen Männer als vollwertige Mitglieder ihres Hauswesens rituell begangen.23 In Sparta erfolgte die rituelle Eingliederung in den Bürgerverband im Kontext des Kultes der Artemis Orthia und am Fest der Hyakinthia, Karneia und Gymnopaideia. Dies geschah mit etwa 20 Jahren und führte nicht zur Aufgabe des Lebens in der Gemeinschaft der Altersklasse, das wahrscheinlich bis zum 30. Lebensjahr dauerte. Das Solonische Lebensalterstufenmodell, das für das fünfte Lebensjahrsiebent die Heirat vorsieht, ist an der athenischen Praxis angelehnt, da in Athen eine Verheiratung erst mit dreißig Jahren erfolgte, während in Sparta die Heirat bereits in der vierten Lebensalterstufe stattfand und das Zusammenleben der jungen Männer in Speisegemeinschaften nicht unterbrochen wurde.24 Die Heirat markierte in Athen auch den Eintritt in das politische Leben, für das geistige Fähigkeiten, Einsicht und Redegewandtheit, notwendig waren, eben jene Merkmale des sechsten, siebten und achten Lebensjahrsiebent im Solonischen Modell, insofern ein Mann ab dem 30. Lebensjahr in ein Amt wählbar war. Dass die mittleLebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  71

ren Lebensalterstufen und nicht das Greisenalter mit der vollen Blüte der geistigen Kraft verbunden sind, entspricht sowohl dem politischen als auch sozialen System Athens, in dem die Alten weder im Haus noch in der Polis die Führung behielten.25 Auch wenn die körperlichen und geistigen Kräfte im Solonischen Modell in der neunten und zehnten Lebensalterstufe abnehmen, so ist damit keine negative Einschätzung des Greisenalters verbunden wie im Hesiodeischen Weltalter- bzw. Lebensstufenmodell. Das hohe Alter ist bei Solon, der selbst 79 Jahre alt wurde,26 kein kakón, kein Übel. Anders sieht dies bei Aristoteles mehr als zweihundert Jahre später aus. Aristoteles unterscheidet in seiner Schrift zur Rhetorik nur zwischen den drei Phasen Jugend, Mannes- und Greisenalter, wobei er eine politische Tugend, die Selbstbeherrschung, sophrôsýnê, zum Angelpunkt wählt.27 Sie ist die Tugend des Mannesalters, die der Jugend und dem Greisenalter fehlt. Die Jugend ist ihrem Charakter nach zur Begierde disponiert und Sklave ihres Zorns, aber auch hoffnungsvoll und von edler Gesinnung, weil sie noch nicht vom Leben gedemütigt ist. Das Greisenalter verkörpert alle schlechten Eigenschaften: niedrige Gesinnung, Selbstliebe, Feigheit, Geschwätzigkeit, Geiz. Das richtige Maß zwischen Mut und Besonnenheit bzw. Selbstbeherrschung, Sparsamkeit und Verschwendung sieht er nur beim Mannesalter gegeben. Diese Blütezeit erreicht der Körper „zwischen dem dreißigsten und fünfunddreißigsten Lebensjahr, die Seele aber um das neunundvierzigste Lebensjahr.“28 Diese differenzierte Wertschätzung des mittleren Alters entspricht dem politischen System der Athener, das allen männlichen Bürgern ab dem 30. Lebensjahr politische Entscheidungen überließ, zugleich aber auch von Konflikten zwischen jüngeren und älteren Bürgern geprägt war.29

2. Lebensalterstufenmodelle und politische Karrieren in Rom In den Kontext der Fixierung politischer Rollen gehören auch die römischen Altersstufenmodelle, die in der Forschung zum Teil unter der Frage verhandelt werden, ob es eine von Kindheit und Erwachsenenalter abgrenzbare Phase der Jugend mit einem eigenen Lebensstil und eigenen Werten gab.30 72  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

Selbstbeherrschung und Strenge bilden die Fixpunkte der Altersstufenmodelle, die seit der Zeit der späten Republik kursierten und sowohl vier als auch fünf Phasen umfassten: Kindheit (infantia bzw. pueritia), Jugend (adulescentia/ iuventus), Mannesalter (iuventus/ aetas virilis) und Greisenalter (senectus).31 Ältere Aufteilungen kennen nur die drei Lebensabschnitte pueritia, iuventa, senecta und machen noch keinen Schnitt zwischen Jugend- und Mannesalter, wie dies in der späten Republik üblich wird. Nach Aulus Gellius, der sich auf das Geschichtswerk des Q. Aelius Tubero aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. beruft, habe Servius Tullius „die unter 17 Jahre alten zu Knaben (pueri) erklärt und von da aus (die Männer) ab einem Alter von 17 – zu diesem Zeitpunkt waren sie seiner Ansicht nach bereits für die res publica nützlich – in die Aushebungslisten eintragen lassen. Bis zum 46. Lebensjahr hießen sie ,Jüngere‘ (iuniores), danach ,Ältere‘ (seniores).“32 Geltungsbereich der Jugendzeit, von Aulus Gellius mit iuventa bezeichnet, ist die militärisch aktive Lebensspanne zwischen Kindheit (pueritia) und Alter (senecta). Die Ausdifferenzierung in fünf Abschnitte geht auf Marcus Terentius Varro (117–27 v. Chr.) zurück, der zwischen der Phase des Heranwachsens (adulescentia) und der Phase der größten Vitalität und Energie, iuventus, einen Schnitt macht.33 Nach Varro ist ein junger Römer puer bis zum fünfzehnten Lebensjahr, adulescens bis zum dreißigsten, iuvenis bis zum fünfundvierzigsten Lebensjahr. Die Zeit danach unterscheidet er zwischen dem senior und dem senex. Senior blieb man bis zum sechzigsten Lebensjahr, senex bis zum Tod.34 Seine Zeitgenossen Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.) und der Dichter der frühen Prinzipatszeit, Quintus Horatius Flaccus (65–8 v. Chr.), unterscheiden nur zwischen vier Stufen, trennen aber ebenfalls zwischen Jugend und Mannesalter, wobei sie die Jugendlichen als iuvenes bezeichnen und einen neuen Terminus für das Mannesalter einführen: aetas constans bzw. aetas virilis.35 Die Jugend zeichnet sich bei ihnen durch einen Mangel, das Mannesalter hingegen durch eine Vervollkommnung von Selbstbeherrschung und Strenge aus. Diese Modelle berücksichtigen weibliche Lebensläufe nicht, sondern orientieren sich allein am Verhaltenskodex, der an Männer der politischen Elite angelegt wurde.36 Der Zurückhaltung, die in dem von Valerius Maximus zitierten Beispiel in alter Zeit von der Jugend gefordert wurde, steht bei Cicero die Nachsicht gegenüber dem jugendlichen Übermut entgegen: „Jedes Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  73

Lebensalter (aetas) hat infolge der zeitlichen Entwicklung seinen eigenen Charakter; die Schwäche des Kindes (infirmitas puerorum), das Draufgängerische des jungen Mannes (ferocitas iuvenum), der Ernst in bereits gesetzterem Alter (gravitas iam constantis aetatis) und die Reife des hohen Alters (senectutis maturitas) haben etwas Naturgemäßes, das man zur rechten Zeit erkennen muß.“37 Für Cicero gilt das jugendliche Alter als entlastend, wenn es um die Zumessung von Strafen geht. Am 4. April 56 v. Chr. verteidigte er den etwa 25jährigen Sohn eines wohlhabenden Ritters in einem Prozess wegen gewalttätiger Störung der öffentlichen Ordnung. Ciceros Strategie beruht darauf, seinen Klienten mit dem Hinweis auf dessen Jugend zu entlasten – hier stets mit dem traditionellen Terminus adulescentia belegt –, für die eine bestimmte Verhaltensweise charakteristisch sei: „Allerdings hält die Natur mancherlei Verlockungen für uns bereit, so daß unsere Widerstandskraft, eingeschläfert, mitunter ihre Lider senkt; sie weist der Jugend (adulescentia) manchen schlüpfrigen Weg, den man kaum einschlagen oder zurücklegen kann, ohne auszugleiten und hinzufallen: sie schenkt eine bunte Fülle höchst angenehmer Dinge, denen nicht nur die Jugend, sondern auch ein schon gefestigtes Alter erliegen kann […].[…] wir wollen der Altersstufe Zugeständnisse machen und den jungen Leuten mehr Freiheit lassen. Die Vergnügungen dürfen nicht gänzlich verpönt sein; nicht immer muß sich behaupten, was die Vernunft für wahr und richtig erkennt. Gelegentlich dürfen Sinnlichkeit und Vergnügungssucht über die Vernunft siegen – vorausgesetzt, daß hierbei die folgenden Regeln und Grenzen beachtet werden: die Jugend schone das eigene Schamgefühl und verletze nicht das von anderen; sie verprasse ihr Erbe nicht und lasse sich nicht von den Zinsen fressen; sie tue nie dem Ruf eines fremden Hauses Abbruch; sie hüte sich, den Reinen Schande, den Rechtschaffenen Schmach, den Anständigen Unehre zu bringen; sie suche niemanden durch Gewalt einzuschüchtern, beteilige sich nicht an Nachstellungen und begehe kein Verbrechen, und zu guter Letzt: wenn sie den Lockungen des Vergnügens gefolgt ist und sich eine Zeitlang den Genüssen ihrer Jahre und den eitlen Begierden dieser Altersstufe hingegeben hat, dann soll sie eines Tages einhalten und sich dem Hauswesen, dem Gerichtswesen, dem Staatswesen zuwenden, um zu zeigen, daß sie, was sie bisher nicht mit Hilfe der Vernunft zu durchschauen vermochte, aus Über74  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

druß von sich geworfen und aus Erfahrung verachten gelernt hat. […] / Wenn ich darauf aus wäre, dann könnte ich viele vorzügliche und bedeutende Männer aufzählen und ihrer Jugend teils unbändige Wildheit, teils üppige Verschwendung, große Schulden, Schwelgerei und Sinnlichkeit ankreiden – lauter Fehler, die hernach durch zahlreiche gute Eigenschaften aufgewogen wurden und die daher jedermann mit dem Hinweis auf das jugendliche Alter (adulescentia) entschuldigen könnte.“38 Auch wenn der geformte Charakter der Rede offensichtlich ist, so müssen doch Werthaltungen des Publikums angesprochen worden sein, um überhaupt eine Wirkung zu erzielen. Horaz, der Dichter der Kaiserzeit, zeigt in seinem Buch der Dicht­ kunst weniger Verständnis für die Jugendlichen (iuvenes), kritisiert aber auch die Alten (senes): „Die Altersstufen mußt du, jede in ihrer Eigenart, beobachten; mußt den veränderlichen Charakteren nach dem verschiedenen Alter zugestehn, was ihnen zukommt. Alsbald wenn der Knabe (puer) den Sprachlaut nachzubilden weiß und sicheren Schrittes gehen kann, gilt sein Eifer dem Spiel mit seinesgleichen; blindlings erzürnt er sich, plötzlich versöhnt er sich: verwandelt findet ihn die nächste Stunde. Der bartlose Jüngling (inberbis iuvenis), der – endlich! – des Hüters ledig ward, hat sein Vergnügen an Pferden und Hunden, am grünen Rasen des sonnigen Marsfeldes.39 Wachsweich ist er für Eindrücke der Verführung; für Mahnworte harthörig; säumig im Berechnen des Nutzens; großspurig im Geldausgeben; hoch hinausstrebend, rasch im Begehren und schnellfertig wieder aufzugeben, was er liebte. Es wandeln sich die Neigungen: Mannes Alter (aetas virilis), Mannes Art strebt nach Geltung, nach Verbindungen; er dient um Ehre, er meidet gewagte Schritte, die er mit Mühe dann zurücktun müßte. Vielerlei Nöte umringen den Greis (senex): erwerben will er noch, und den Ertrag spart er mit Selbstpein und scheut sich ihn zu nutzen. Scheu und kühl faßt er ein jedes Ding an, abwartend und in die Ferne rechnend, matt im Schaffen und zäh im Hoffen für die Zukunft; eigensinnig und verdrießlich; ein Lobredner der vergangenen Zeit, da er selbst noch jung war; ein Sittenrichter und Tadler der Nachgeborenen. Vieles bringen mit sich die kommenden Jahre an Gaben, viel andres nehmen die scheidenden mit fort: so darf des Jünglings Rolle nichts Greisenhaftes haben und das Kind sich nicht als Mann gebärden; treulich wollen wir an das uns halten, was jedem Alter angemessen und zu eigen ist.“40 Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  75

Der Fünferrhythmus, der in dem Varronischen Altersstufenmodell vorherrscht, prägte auch die Generationenzählung. Einen Zeitraum von dreißig Jahren umfasste bei den Römern eine Generation (aetas); Saturn, der Gott der Zeit, durchlief nach römischer Auffassung innerhalb dieses Zeitraums den Tierkreis.41 Die Dauer der einzelnen Lebensphase (gra­ dus aetatis) wiederum variiert zwischen sieben und vierzehn bzw. fünfzehn Jahren. Jeweils fünfzehn Jahre dauern die fünf Lebensabschnitte in Varros Modell,42 zwischen vier, zehn und neunzehn Jahren schwanken die sieben Lebensabschnitte im Modell des Ptolemaios aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert. Hier ist das Lebensalterstufenmodell mit einem astrologischen Schema verbunden, das zwar auch um den Gegensatz von jugendlicher Unbeherrschtheit und Selbstbeherrschung des erwachsenen Mannes herum konstruiert ist, aber an ältere kosmologische Vorläufermodelle anknüpft, wie sie auch für den griechischen Raum überliefert sind. Unter dem Zeichen des Mondes und des Merkur stehen bei Ptolemaios Kindheit (1.–4. Lebensjahr) und Jugend (4.–14. Lebensjahr); Venus beherrscht die Phase der unkontrollierten Sexualität und des jugendlichen Übermuts (14.–22. Lebensjahr). Unter dem Zeichen der Sonne entfaltet sich das Zeitalter, in dem Ruhm, Reputation und Status gewonnen werden (22.–41. Lebensjahr). Mit den Sternzeichen ,Mars‘ (41.–56. Lebensjahr), ,Jupiter‘ (56.–68. Lebensjahr) und ,Saturn‘ (ab dem 68. Lebensjahr) treten die Phasen des Nachlassens von Ruhm und Schaffenskraft bis hin zum körperlichen Verfall ein.43 Die christlichen Autoren folgen diesen Modellen, setzen aber eigene Akzentuierungen. Die Unterschiede zwischen Jugend und Mannesalter verlieren an Bedeutung. Weit stärker noch als von Horaz werden von den Kirchenvätern die Leidenschaften der Jugend gegeißelt. Für den Mailänder Bischof Ambrosius (um 339–397) stehen sowohl die Phase des Heranwachsens (adulescentia) als auch die der frühen Jahre des Mannesalters (iuventus) unter dem Banner der überbordenden Leidenschaften, die erst im hohen Alter zur Ruhe kommen.44 Die Leidenschaften der Jugend zu bändigen, ist in den Augen der christlichen Autoren Sache eines jeden Einzelnen. Denn erst im Erwachsenenalter wird das rationale Zeitalter (rationales anni) erreicht, das Einsicht in sündhaftes Verhalten möglich macht.45 Als Ausgangspunkt für die Ausdifferenzierung der Lebensalterstufen sind zwei Gesetze zu nennen, die Lex Plaetoria aus dem Jahre 200 v. 76  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

Chr., die Personen unter 25 Jahren vor Übervorteilung schützte, und die Lex Villia annalis aus dem Jahre 180 v. Chr., die eine Altersgrenze für den Beginn der Ämterkarriere festsetzte. In der Lex Plaetoria wurde festgelegt, dass Kredite, die jungen Leuten beiderlei Geschlechts unter 25 Jahren gegeben wurden, nicht einklagbar waren.46 Dieses Gesetz lässt sich als Antwort auf die Verschuldung junger Leute lesen, die unter der patria potestas des Vaters standen und nur begrenzt über das väterliche Vermögen verfügen konnten. Ihre Verschuldung wurde aufgrund der Aufwendungen, die für eine Ämterkarriere notwendig wurden, zunehmend zu einem Problem, wie auch andere Gesetze belegen.47 Mit der Fixierung des Eintrittsalters in den cursus honorum, das vermutlich bei etwa 27 Jahren lag, bekam das Lebensalter eine neue entscheidende politische Bedeutung. Anstelle des Eintritts in den Militärdienst, der mit 17 Jahren erfolgte, wurde nun der Eintritt in die Ämterlaufbahn zur entscheidenden Zäsur. Auf diese Weise trat die Notwendigkeit ein, die militärisch aktive Lebensspanne weiter zu unterteilen.48 Auf den Lebenslauf eines jungen Römers der politischen Elite bezogen, haben die Altersstufenmodelle durchaus paradigmatischen Charakter. Der Beginn der adulescentia ist in Rom durch das Anlegen der toga virilis markiert, die den jungen Mann als vollgültigen römischen Bürger auswies, ohne ihn jedoch mit den Rechten des Vaters auszustatten. So war es ihm anders als in Athen nicht erlaubt, seinen Namen ins Bürgerregister eintragen zu lassen.49 Der Ritus war allerdings nicht an ein fixes Alter gebunden. In der frühen Republik wurde die Männertoga im Alter von siebzehn Jahren – mit Beginn des Militärdienstes – angelegt, in der Kaiserzeit schon mit vierzehn Jahren und wurde damit abhängig von der Geschlechtsreife gemacht. Das Ende der bei Varro als adulescentia bezeichneten Jugendzeit korrespondiert mit dem Beginn der Ämterlaufbahn im 27. bzw. 30. Lebensjahr. Sie verlangt die Tugenden, die Horaz und Cicero nennen: gravitas, severitas, firmitas. Die Zäsur zwischen iuventus bzw. aetas constans oder virilis und aetas senioris entsprach dem Ende der aktiven militärischen Tätigkeit im Alter von fünfundvierzig Jahren. Die aetas senioris endete im 1. vorchristlichen Jahrhundert folgerichtig im 60. Lebensjahr mit dem Ausscheiden aus dem Senat oder dem städtischen Rat.50 In der Dichtung dagegen fehlt diese Trennung zwischen Jugend und Mannesalter; adolescens und iuvenis werden unterschiedslos benutzt. Ihr Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  77

Geltungsbereich ist die Lebensspanne zwischen Geschlechtsreife und Alter, in der die Liebe ihr Recht fordert.51 Diese mangelnde Differenzierung ist nur folgerichtig, da für einen Römer die Aufspaltung zwischen adolescentia und iuventus jenseits politischer Zusammenhänge keinen Sinn machte. Nach Johannes Christes bot die römische Liebeselegie damit denjenigen eine Gegenwelt zum republikanischen Pflichtalltag, die keinen cursus honorum, d. h. keine Ämterkarriere durchliefen.52 Aber auch auf den politischen Wandel lassen sich die Lebensalterstufenmodelle beziehen. Ist das Hesiodeische Weltaltermodell ein am Lebensrhythmus des Individuums orientiertes Verfallsmodell, das auf die Sterblichkeit des Menschen und auf die Instabilität von Rang abhebt, so kursieren in der römischen Kaiserzeit historische Weltaltermodelle, welche die Geschichte Roms ebenfalls an Lebensalterstufen binden. Bei Florus ist die Geschichte der Stadt Rom nach vier menschlichen Lebensalterstufen gegliedert: die Königszeit entspricht der Kindheit, infantia, die Zeit der Republik und Eroberung Italiens bis zum Jahre 264 v. Chr. der aufwachsenden Jugend, adulescentia, die Eroberung des Erdkreises bis zur Herrschaft des Augustus dem blühenden Mannesalter, iuventus. Die Kaiserzeit ist mit dem Greisenalter (senectus) verbunden; erst nach der Herrschaft des Kaisers Trajan kehrt die Jugend wieder (reddita iuventus).53 In einer einzigen Körpergestalt ließ sich also die gesamte Geschichte Roms zur Anschauung bringen. Denkbar ist, dass dieses Modell der generativen Macht Rechnung trug, die mit der Etablierung der Herrschaft eines Hauses die Außendarstellung des Kaiserhauses zunehmend bestimmte. Denn der Körper des Kaisers wurde zur Chiffre des Wohlergehens der res publica.54 Andererseits ist in der Koppelung der Prinzipatszeit mit dem Greisenalter auch die Idee des Verfalls enthalten. Deutlich spricht Seneca diesen Verfall aus. In einer bei dem christlichen Autor Laktanz zitierten Passage verknüpft Seneca die Königszeit mit der Kindheit, wobei er zwischen infantia und pueritia unterscheidet. Erstere bestimmt die Gründung durch Romulus; die pue­ ritia ist die Zeit der Herrschaft der übrigen Könige (ceteri reges). Die adulescentia, die Jugend, ist die Zeit der Herrschaft der Gesetze in der Republik und dauert bis zur Eroberung Karthagos. Sie ist eindeutig positiv konnotiert. Das Mannesalter (iuvenescere) geht ohne scharfe Grenze in das Greisenalter (senectus) über, dessen zeitliche Abgrenzung schwer zu fassen ist. Seneca nennt als Zäsur die Verteidigung der Freiheit 78  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

durch Brutus, mit dem sowohl der Retter der frühen Republik als auch der Cäsarmörder gemeint sein kann, so dass das Greisenalter mit den Bürgerkriegswirren nach 44 v. Chr. assoziiert werden kann. 55 Der menschliche Körper dient hier sehr deutlich als Projektionsfläche für die Kritik an zeitgenössischen Zuständen.56

3. Der weibliche Lebensrhythmus und die ideale Bürgerin Auch wenn der weibliche Lebenslauf keinen Gegenstand von Alterstufenmodellen bildete, da Frauen keine Ämterkarriere durchliefen, so gab es dennoch entscheidende Zäsuren, die rituell markiert waren. Sechs Altersstufen will Ellen N. Davis in den Darstellungen von weiblichen Figuren auf den Fresken des minoischen Thera aus dem 2. Jahrtausend v. Chr. erkennen, die von der Geschlechtsreife bis zum Greisenalter reichen. Das Greisenalter ist hier durch rote Striche im Weiß der Augen kenntlich gemacht; die erwachsene Frau ist an ihren vollen Brüsten erkennbar. Vier verschiedene Phasen des Übergangs von der Kindheit in das Erwachsenenalter sind nach Davis über Unterschiede in der Gestaltung der Haartracht visualisiert. Die Jüngsten haben bis auf eine Haarlocke an Stirn oder Hinterkopf nahezu vollständig geschorene Häupter, die Älteren tragen zusätzlich seitlich herabhängende Locken; nur noch eine Stirnlocke fehlt in der nächsten Phase. Das Fehlen der Haare bezieht Davis auf pränuptiale Initiationsriten, zu denen nach den schriftlichen Quellen der klassischen Zeit auch das Haaropfer gehörte. Die volle Haarpracht zeigt ihrer Meinung nach das geschlechtsreife junge Mädchen an, das sich für die Hochzeit schmückt.57 In den griechischen Poleis der archaisch-klassischen Zeit bildete sowohl die Geschlechtsreife als auch die Mutterschaft eine entscheidende Zäsur. Mädchen und Jungen wurden bis zur Geschlechtsreife gleichermaßen als paîdes bezeichnet. Ein geschlechtsreifes junges Mädchen hieß kórê (κό[ύ]ρη) oder parthénos (παρθένoς).58 Im Rahmen von Stadtfesten oder speziellen Mädchenkulten übten junge Mädchen eine Reihe von alterstypischen rituellen Handlungen aus, die um die zukünftigen Aufgaben im Haus (oîkos) kreisten und den Charakter von Initiationsriten besaßen. Sie dienten zugleich aber auch der Eingliederung in den Polisverband und vermittelten auf diese Weise so etwas wie eine KultLebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  79

bürgerschaft.59 In Athen gehörte dazu der kultische Dienst zu Ehren der Stadtgöttin Athena, sei es als Kanephore (Opferkorbträgerin), sei es als Arrhephore oder Plyntride. Die Arrhephoren hatten die Aufgabe, die Gewebeanfangskante für den Peplos der Athena zu fertigen, mit dem die Göttin an den Panathenäen neu eingekleidet wurde; Sache der Plyntriden war es, die rituelle Reinigung der Kultstatue der Göttin auszuführen.60 Den entscheidenden Übergangsritus aber bildete das Hochzeitsritual, in dessen Zentrum die Überführung der Braut, nýmphê (νύμϕη), in das Haus des Bräutigams stand. Er war auf zahlreichen Hochzeitsgefäßen dargestellt. Als erwachsene Frau, gynê (γυνή), galt die Athenerin erst nach der Geburt eines Kindes. Eine weitere Zäsur bildete für Frauen die Menopause, die in der Forschung meist mit einem Zuwachs an Autorität und Freizügigkeit verknüpft wird.61 Maia (μαῑα), Mütterchen, lautete eine freundliche Anrede für ältere Frauen.62 Die Art und Weise, wie Frauenbildnisse auf attischen Grabmälern des 4. Jahrhunderts v. Chr. ausgeführt waren, lässt diesen Bezug zur Kultbürgerschaft erkennen. So weist die Gestaltung von Gewand und Frisur der Figuren heranwachsender Frauen eine große Übereinstimmung mit der Darstellung der Mädchenfiguren aus dem Festzug des Parthenonfrieses auf.63 Kinderfiguren auf Grabmälern tragen ähnliche Frisuren, wie sie von Weihestatuen kleiner Mädchen aus Brauron bekannt sind.64 Diese neuartigen Bildmotive auf den Grabreliefs heben sich deutlich von den Motiven der weißgrundigen Lekythen des 5. Jahrhunderts ab, auf denen Frauen bei der Grabpflege dargestellt waren, und lassen einen signifikanten Bedeutungswandel erkennen: Stand im 5. Jahrhundert mit der weiblichen Verantwortlichkeit für die Pflege der Gräber die Sicherung der Kontinuität des einzelnen Hauswesens im Vordergrund der Aussage, so wurde mit der Orientierung der Frauendarstellung an der Ikonographie des Kults die Verantwortlichkeit gegenüber der athenischen Gesellschaft allgemein und damit, so lässt sich folgern, der Ausgleich zwischen Gemeinwohl und Eigennutz thematisiert.65 Bildete in Rom das Anlegen der toga virilis für den Mann die entscheidende Zäsur zwischen Kindheit und Erwachsenenalter, war dies für die Römerin die Heirat. Sie verwandelte die virgo („Jungfrau“) in eine Matrone bzw. uxor („Ehefrau“). Der Status der matrona war nicht an den Nachweis der Fruchtbarkeit geknüpft; verheiratet werden konnte eine Römerin auch vor Erlangen der Geschlechtsreife.66 Auf die Phase 80  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

zwischen Pubertät und Mutterschaft bezieht sich die Bezeichnung puella („Mädchen“), die sich vor allem in der Liebeselegie findet.67 Für diese einzelnen Altersphasen galten je eigene habituelle Normen. Dem republikanischen Ideal der auf ihre pudicitia und castitas („Keuschheit“, „Sittsamkeit“) bedachten Matrone, der casta matrona, stand das von den Elegikern verbreitete Bild der puella docta, des gebildeten jungen Mädchens gegenüber.68 Für das Greisenalter galt ebenso wie für Männer das Ideal der Weisheit bzw. Klugheit. Dies geht zumindest aus einer Bemerkung des jüngeren Plinius hervor, der in einem Trostbrief der 14jährigen Tochter des Fundanus bescheinigt, die kurz vor der Hochzeit verstorben war, sie habe die Klugheit der alten Frau (anilis prudentia) und die Würde der Matrone (matronalis gravitas) mit der Lieblichkeit und Zurückhaltung des jungen Mädchens (suavitas puellaris cum virginalis verecundia) vereint.69

4. Altersklage und Sexualität in Griechenland und Rom In Umkehrung zum Ansehen der Älteren, auf das gerade in römischen Lebensaltermodellen abgehoben wird, zirkulierten Parodien auf das unwürdige Verhalten von Greisen und Greisinnen. Indem das Verhalten der Alten dem Spott preisgegeben wurde, mag umso mehr die habituelle Norm bestätigt worden sein. Aber auch diese Parodien sind nicht ohne Ordnung stiftende, kosmologische Dimension zu lesen, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass vor allem eines dem Spott ausgesetzt wurde: das sexuelle Begehren bzw. funktional ausgedrückt: die Reproduktionskraft. Den sozialen Bezugspunkt dieser Altersklagen bilden in Griechenland das Symposion und der Reigen. Als ein Dichter der erotischen Lyrik gilt Mimnermos aus Kolophon (7./6. Jh. v. Chr.), der die mangelnde Attraktivität im Alter beklagt: „Was gilt Leben, was Heiterkeit ohne die goldene Kypris? / Sterben möchte ich gern, bleiben mir künftig versagt / heimliche Liebe (philótês) und zärtliches Kosen auf wonnigem Lager! / Das ist der höchste Genuß jugendlich üppiger Kraft, / den sich Männer wie Frauen ersehnen. Naht erst das bittre / Alter (gêras), das keinen verschont, Elend und Häßlichkeit bringt, / dann überwältigen einen die ständig quälenden Sorgen, / bringt auch des Helios Glanz keinerlei Freuden dem Mann; / lästig Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  81

fällt er der Jugend (παισίν), die Frauen versagen ihm Achtung. / Derart grausam quält alternde Menschen der Gott.“70 Die Aussagen über das Nachlassen des Begehrens im Alter stehen im Gegensatz zum Lob der Freuden der Jugend und lassen sich wie ein Gegenbild zu den von Mimnermos an anderer Stelle explizit gepriesenen Freuden des Symposions lesen, wozu der Verkehr mit Knaben und Hetären gehörte.71 Das Symposion hatte sich in Griechenland im 7./6. Jahrhundert v. Chr. als zentraler Ort männlicher Geselligkeit herausgebildet. Seinen besonderen Charakter erhielt das Trinkgelage unter dem Einfluss orientalischer Gewohnheiten. Dazu gehörte es, dass man beim Essen und Trinken auf kunstvoll gefertigten Klinen (Speisesofas) lag und kostbares Trinkgeschirr, Trinkschalen und Mischgefäße, benutzte. Das Symposion fand in archaischer Zeit zum Teil in eigens errichteten Banketthäusern, in klassischer Zeit innerhalb des Hauses in einem dafür errichteten Raum, dem andrôn, statt, in dem nur eine begrenzte Anzahl von Speisesofas (7–15 Stück) aufgestellt werden konnte. Da auf jeder Kline höchstens zwei Männer lagern konnten, war der Teilnehmerkreis begrenzt und durch Exklusivität bestimmt. Aus der Perspektive des 5. Jahrhunderts galt das Symposion als Inbegriff eines elitären Lebensstils und unterstand einer kritischen Betrachtung. Kostspielig war vor allem das Mieten von Flötenspielerinnen, die auch für sexuelle Dienste zur Verfügung standen. So lagen die Kosten für ein Opferlamm bei etwa 10 Drachmen, die Kosten für ein Symposion mit Flötenmädchen, Harfenspielerinnen, Parfüm, Wein aus Thasos, Aal, Käse und Honig beliefen sich auf ein Mehrfaches, auf 1 Talent, d. h. 6000 Drachmen.72 Auf eine junge Frau, möglicherweise eine Hetäre beim Symposion, bezieht sich auch die Klage des Anakreon von Teos (2. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr.), der als Ratgeber des Tyrannen Polykrates auf Samos lebte. In dichterischer Freiheit hat Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, dessen Übersetzung hier zitiert wird, diese „junge Frau“ (νεᾶνις/neânis) zur Dirne (πόρνη / pornê) gemacht: „Nun wirft mich Goldhaar Eros mit seinem Purpurball und fordert mich auf mit der Dirne (νήνι) im bunten Schuh zu tanzen. Aber die, sie ist ja aus dem stolzen Lesbos, und mein Haar, das ist ja grau; das mag sie nicht und äugelt nach einem anderen.“73 Möglicherweise geht es in dem Gedicht um die Konkurrenz zwischen jungen und alten Symposiasten um die Gunst der Hetären, wie sie in der Komödiendichtung des 5. Jahrhunderts deutlich ausgesprochen wird. 82  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

Hetären schätzen alten Wein, aber nicht alte Männer, meint etwa der Komödiendichter Euboulos im 4. Jahrhundert (376/2 v. Chr.).74 Neben dem Symposion bildete der Reigentanz den Bezugsrahmen der Aussagen der Lyriker über das Alter. „Mir furchte bereits hier, da und dort tief meine Haut das Alter […], weiß wurde das Haar, hing einst in schwarzen Flechten […], nicht tragen auch mehr die Knie […] und tanzen so leicht wie Rehe“, heißt es in einem der Lieder der Sappho von Lesbos, das vermutlich für einen Mädchenchor bestimmt war.75 In ähnlicher Weise führt Alkman, der im 7. Jahrhundert v. Chr. in Sparta für einen Mädchenchor dichtete, die Klage über die schwach gewordenen Knie: „Nicht mehr können, ihr Mädchen mit süßen, lieblichen Stimmen, / meine Glieder mich tragen. Ich möchte zum Eisvogel werden, /  d er mit den Weibchen dahinschießt über die Kämme der Wogen, / furchtlos, ein Vogel des Frühlings, so bunt wie das Leuchten des Meeres!“76 Mit dem Reigen ist eine Geselligkeitsform angesprochen, die vor allem junge Leute pflegten, die im heirats- und damit im reproduktionsfähigen Alter standen. Reigentänze wurden im Rahmen von Hochzeitsritualen aufgeführt, die wie alle Rituale dazu dienten, die soziale Ordnung erfahrbar zu machen und zu bekräftigen. Die Epithalamia, die Sappho für Mädchenchöre dichtete, kreisen um solche Hochzeiten, die sich jedoch in der Götter- oder Heroenwelt abspielen. Nach Thomas Falkner kam der erotischen Dichtung der Sappho eine ritualistische Funktion zu, indem sie Eros als eine Macht vor Augen führte, die über individuelle Lebensläufe hinweg auf Dauer ihre Wirkung entfaltete und damit die soziale Ordnung transzendierte.77 Geht es in der frühgriechischen Dichtung um allgemeine Ordnungsvorstellungen, so werden in klassischer Zeit aktuelle politische Konflikte über den Gegensatz von Jung und Alt verhandelt. In den Aristo­ phan’schen Komödien begegnen wir dem Typus der liebeslüsternen Greisin, die sich einen jungen Liebhaber greift. In seiner Frauenvolksver­ sammlung werden die politischen Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Es regieren die Frauen, der Besitz wird verteilt und alle Frauen haben alle Männer gemeinsam, wobei es die alten Frauen ab 60 Jahren sind,78 die den Vorrang vor den jungen Frauen haben – eine Verkehrung, die von einer jungen Frau kommentiert wird: „Wenn ihr den Brauch einführt, bevölkert ihr / Mit Ödipussen ja das ganze Land.“79 Das Stück endet damit, dass ein junger Mann, der sich auf dem Weg zu einem StelldichLebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  83

ein mit einer jungen Frau befindet, von einer alten Frau abgefangen und zum Beischlaf gezwungen wird.80 Lesen lässt sich die Komödie als Parodie auf den Platonischen Idealstaat, der eine Auflösung der Geschlechterdifferenz und des Hauswesens vorsah. Dies bedeutete Frauen- und Besitzgemeinschaft, ein Modell, aus dem spätere Historiker die Idee eines ursprünglichen Urkommunismus strickten.81 Entscheidend ist auch in dieser Parodie des Aristophanes, dass die Generationenfolge und damit der Reproduktionszyklus gestört sind. Die der Reproduktion nicht mehr mächtigen Alten greifen sich die ,reproduktiven‘ Jungen; der Kreislauf der Generationen kann sich nicht erneuern, wie der Hinweis auf den Ödipusmythos unmissverständlich klar macht. Es ist müßig, diese Parodien unter dem bei Historikern allseits beliebten Topos der attischen Frauenfeindlichkeit zu lesen.82 Denn das unangemessene Liebesbegehren alter Männer war nicht minder Zielscheibe komödiantischen Spotts. In seiner Komödie Die Wespen verspottet Aristophanes in der Figur des prozessierwütigen Philokleon den attischen Demos, „der glaubt, durch seine Richtertätigkeit an den Volksgerichten Autorität zu besitzen, in Wirklichkeit aber nur Handlangerdienste für den Demagogen Kleon leistet.“83 Denn dieser hatte den Richtersold von zwei auf drei Obolen erhöht. Der Sohn versucht den Vater zu erziehen und von der Richterwut abzubringen, indem er ihm die Freuden des Symposions nahe bringt. Im Laufe der Komödie verwandelt sich der alte Heliast, der ohne Maß über jeden richtet, in einen unmäßigen Schlemmer, der sich beim Symposion nicht zu benehmen weiß und den Gästen ein Flötenmädchen entführt. In Verkehrung der Generationenbeziehung verspricht er ihr den Freikauf, „sobald mein Sohn gestorben“. „Du alter Narr und Weiberbetätschler, / Du solltest lieber mit dem Sarge buhlen“, beschimpft ihn daraufhin der eigene Sohn.84 Die Verkehrung des VaterSohn-Verhältnisses dient hier dazu, Konflikte in der politischen Arena vor Augen zu führen. Die Generationenkonflikte stehen für Auseinandersetzungen um unterschiedliche Politikstile, die in der von Krisen geschüttelten Zeit des Peloponnesischen Krieges zwischen Sparta und Athen zwischen Demokraten und Oligarchen ausgetragen wurden.85 Wenn in den Komödien des Menander aus dem späten 4. Jahrhundert Konflikte zwischen Vater und Sohn um die Liebe einer Hetäre oder die angemessene Heirat des Sohnes ausgetragen werden, so geht es trotz der vordergründig ,privaten‘ Thematik ebenfalls um politische Ord84  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

nungsvorstellungen. In Menanders Samia planen zwei Väter auf einer Reise die Verheiratung ihrer Kinder, die sich ohne ihr Wissen längst zusammengefunden und bereits Nachwuchs haben. Das Stück bezieht seinen Witz aus der Misskommunikation zwischen Vater und Sohn, die daraus resultiert, dass die Hetäre des Vaters den Nachwuchs zur Pflege nimmt und so dessen Eifersucht hervorruft. Anders als bei Aristophanes endet das Stück nicht in der Agonie, sondern mit der Wiederherstellung der häuslichen Harmonie zwischen Vater und Sohn. Das junge Paar heiratet, die Rivalität zwischen Vater und Sohn um die Hetäre erweist sich als unbegründet.86 Das gilt auch für Menanders Perikeiromene (Die Geschorene), wo sich die vermeintliche Hetäre, mit der Polemon zusammenlebt, als Tochter des eigenen Freundes und damit als freie Bürgerin erweist, der eine Mitgift zusteht. Auch dieses Stück endet mit der Heirat; der Söldner und die Konkubine verwandeln sich in ein Bürgerpaar.87 Die Bestätigung der bürgerlichen Statusrollen und der Solidarität zwischen Arm und Reich – fassbar in der Auseinandersetzung um die Heirat einer armen Bürgertochter88 – innerhalb der Bürgergemeinschaft betrachtet David Konstan als das eigentliche Ziel der Neuen Komödie.89 Die Stücke enthalten zudem ein klares Plädoyer für die Heirat innerhalb der jungen Generation, wofür die Zustimmung der älteren Generation gewonnen werden muss. Trotz der vermeintlich privaten Thematik gehören auch diese Stücke in den Kontext eines politisch-philosophischen Diskurses. Denn die Begrenzung des Bürgerrechts wie auch der Mitgift waren durchaus Themen der Philosophen dieser Zeit.90 Auch können die Aussagen der Neuen Komödie als poetischer Widerhall rechtlicher Auseinandersetzungen um Erbe, Mitgift und Bürgerstatus gelesen werden, von denen die attischen Redner des 4. Jahrhunderts v. Chr. berichten.91 Die römischen Elegiker der späten Republik und frühen Kaiserzeit, Catull, Properz und Tibull, folgen der Tradition, Jugendlichkeit und Liebesgenuss als zusammengehörig zu betrachten. Beklagt wird stets der Verlust der erotischen Anziehungskraft, sichtbar an Runzeln, am grauen Haar, an der Schwäche der Glieder. „Lerne und denke mit Angst, daß deine Schönheit vergeht!“ warnt Properz im ersten vorchristlichen Jahrhundert (ca. 47–2 v. Chr.)92 und wünscht sich dennoch für seine Geliebte: „Wenn doch die Jahre dieses Antlitz nie verwandeln würden, sollte sie auch das Alter der Sibylle von Cumae erreichen!“93 LiebesgeLebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  85

nuss und Jugend gehören zusammen; dem Alter angemessen ist ein Leben in geistiger Muße frei von Leidenschaften: „Aber wenn der Ernst des Alters die Freuden der Liebe einschränkt und weiße Haare sich unter die schwarzen mischen, will ich gern die Naturgesetze gründlich studieren: welcher Gott dieses Weltgehäuse so gut regiert, wieso der Mond im Osten aufgeht, wieso er abnimmt […]“, meint Properz.94 Peinigt den Greis im Alter dennoch das erotische Begehren, so ist dies eine Folge der Flucht vor der Liebe in jungen Jahren. „Ich sah, wie einer, der die unglückliche Liebe eines Jünglings verspottet hatte, später als Greis sein Haupt unters Joch der Venus beugte […]“, warnt Tibull (ca. 50–19 v. Chr.).95 Angesprochen ist damit möglicherweise ein verordnetes Lebens­ ideal der Senatsaristokratie dieser Zeit. Nur für die politische Elite galt das Alter als eine Zeit der Muße und des Wissenserwerbs. Die aktive Mitgliedschaft im Senat, dem obersten politischen Leitungsgremium in Rom, endete in der Kaiserzeit mit dem 60. Lebensjahr.96 In der Republik währte sie dagegen lebenslang. Da seit Augustus die Mitgliedschaft im Senat für drei Generationen vererbbar war, musste für eine gewisse Fluktuation gesorgt werden, um der nachfolgenden Generation Platz zu machen. Da die Kaiser oft im jugendlichen Alter in ihre Position gelangten, wird auch der Princeps selbst Interesse daran gehabt haben, im Senat mit Gleichaltrigen zu kommunizieren und die älteren Senatoren zu verdrängen. Diese Politik könnte erklären, warum nun die Dichtung das Alter für die Senatoren zu einer Lebenskunst erhebt. Für alle anderen galt lebenslanges Arbeiten als Modell. In der heutigen Verallgemeinerung des Mußeideals für die Alten liegt vielleicht einer der größten Unterschiede zwischen modernen und antiken Verhältnissen. Der Spott der Elegiker trifft aber auch die liebeslüsterne Greisin, die unter Seidenkissen die Bücher der Stoiker verwahrt und der Liebesleidenschaft verfallen ist, aber trotz ihres Reichtums den Mann nicht zu reizen vermag. So lesen wir in den Epoden des Horaz (65–8 v. Chr.): „Sei nur begütert; mögen deinen Leichenzug die Bilder / Von Triumphatoren begleiten, / Mag keine Ehefrau sich finden, die mit dickeren / Klunkern beladen ‘rumspaziert – / Was soll’s? Daß stoische Traktate zwischen deinen seidnen / Kissen zu ruhn’ belieben, / Werden darum etwa die ungelehrten Schweller weniger frösteln / Und mein Schwanz weniger schlapp sein? / Damit du den aus spröden Lenden verlockst, / Mußt du mit deinem Mundwerk nachhelfen.“97 Über sie ergießt sich in den Epo86  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

den des Horaz ein Katalog der Hässlichkeiten, den die Satiriker der frühen Kaiserzeit aufgreifen. Der alternden Vetustilla bescheinigt Martial (38/41–102/4 n. Chr.): „Obwohl du dreihundert Konsuln erlebt hast, Vetustilla, / nur noch drei Haare besitzt und vier Zähne, / die Brust einer Grille, die Schenkel und den Teint einer Ameise hast / obwohl deine Stirn mehr Runzeln zeigt, als dein Gewand Falten hat, / und deine Brüste Spinnenweben gleichen, […]����������������������������������������� �������������������������������������������� wagst du es, der schon zweihundert starben, dich heiratslustig aufzuführen, / und suchst, verrückt wie du bist, einen Mann für deine Asche […].“98 Die Verspottung der liebeswilligen Alten ist angesichts der Altersdifferenz, die gerade in Rom zwischen Ehepartnern der politischen Elite bestand, von geringem alltagsgeschichtlichem Wert, auch wenn der Einfluss eigener Erfahrungen und Erlebens von Seiten der Dichter nicht völlig auszuschließen ist.99 Betrug der Altersabstand bei der ersten Eheschließung nicht mehr als zehn Jahre, so stieg er mit der zweiten und dritten Eheschließung stetig an und konnte bis zu 45 Jahre ausmachen.100 Als Ciceros Tochter Tullia den 25jährigen C. Calpurnius Piso heiratete, war sie etwa dreizehn oder fünfzehn Jahre alt.101 Auch Caesars Tochter Julia war fünfzehn Jahre alt, als sie mit dem 47jährigen Pompeius verheiratet wurde, mit dem ihr Vater ein politisches Zweckbündnis eingegangen war.102 Ein ähnlicher Altersunterschied bestand auch zwischen Plinius d. J. (ca. 62–112 n. Chr.) und seiner dritten Frau Calpurnia, in deren Charakter er die Tugend der Matrone, die castitas, und die Bildung einer puella docta gleichermaßen vereint sah.103 Allerdings stehen in den Briefen des Plinius gerade junge Frauen unter dem Verdacht, sich aus Besitzstreben mit alten Männern verbunden zu haben.104 Auch von Männern kursierte das Gerücht, sie suchten die Heirat mit wohlhabenden älteren wie jungen Frauen. So wurde Cicero von seinen politischen Gegnern unterstellt, dass er nach seiner Scheidung von Terentia, mit der er seit seinem 26. Lebensjahr verheiratet gewesen war, wegen seiner Schulden sowohl um eine junge Erbin mit dem Namen Publilia als auch um die hochbetagte, aber wohlhabenden Caerellia geworben habe.105 In seiner Schrift über die politische Tätigkeit der Alten geißelt Plutarch die Verbindung alter Männer mit jungen Frauen.106 Möglicherweise bildeten solche ungleichen Ehen, die im Todesfall zu Erbkonflikten mit den hinterbliebenen direkten Nachkommen führen konnten, den Erfahrungshintergrund für die Kritik an liebeslüsternen Greisen und Greisinnen, Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  87

zumal sich auch Juristen der Kaiserzeit dieses Problems annahmen. Ehen mit Frauen jenseits der Menopause galten seit Mitte des ersten nachchristlichen Jahrhunderts als nicht geschlossen, wenn der Mann noch nicht 60 Jahre alt war; die Mitgift fiel im Todesfall nicht dem Ehemann zu.107 Das kann zumindest für die liebeslüsternen Greisinnen in Horaz’ Epoden gelten, die von ihm als Besitzerinnen von Perlen, Seidenstoffen und Ahnenbildern und somit als vermögend dargestellt werden.108 Diese Einschränkung des Quellenwerts der literarischen Altersklage für Aussagen zur Marginalisierung alter Frauen gilt auch, wenn wir annehmen müssen, dass es in den Liebeselegien nicht um die eheliche Liebe, sondern um die erotische Beziehung von Männern der Elite zu den rangniedrigeren Hetären oder Konkubinen ging, wie sie in den Komödien parodiert wird. Hier handelt es sich vor allem um den Konflikt zwischen Jung und Alt um die Gunst einer Hetäre. Anders als in der griechischen Komödie wird in den römischen Komödien der Konflikt nicht aufgelöst und der senex amator dem Spott ausgesetzt.109 Allerdings ist die Trennlinie zwischen der ranghohen Römerin und der statusniedrigen Geliebten fließend. Der Vorwurf, eine meretrix, eine Dirne, oder ein Lustknabe zu sein, lastete in der späten Republik und frühen Kaiserzeit auf den weiblichen wie männlichen Mitgliedern der politischen Elite.110 Sexuelle Topoi boten ein effektives Waffenarsenal zur Verunglimpfung politischer Gegner. Ihre Wirkung fußte auf der Erschütterung habitueller Normen wie Selbstbeherrschung (firmitas), Strenge (severitas), Festigkeit (constantia) und schließlich Keuschheit (pudicitia), einer Tugend, der beide Geschlechter mit unterschiedlicher Gewichtung unterworfen waren. So hing die Reputation des Einzelnen maßgeblich davon ab, in welchem Maße es gelang, ein entsprechend normgerechtes Bild vom eigenen Verhalten in der Öffentlichkeit zu erzeugen. Über Erzählungen von sexuellen Ausschweifungen ließen sich diese Selbstbilder unterminieren. In der Tat kursierte ein solches Gerede über nahezu alle römischen Politiker der späten Republik. Advokaten wie Literaten besaßen auf diese Weise ein effektives Mittel, den politischen Gegner in seiner Würde (dignitas) zu erschüttern.111 Während sich in den politischen Reden nur Anspielungen auf sexuelle Ausschweifungen finden lassen, befleißigten sich die Dichter einer derben und drastischen Sprache, wie sie für Spottgedichte üblich war.112 Diese wurden gerade bei solchen Festen verbreitet, die wie die Saturnalien oder die Floralia 88  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

mit einer Verkehrung von Statusrollen und der Überschreitung habitueller Normen der Geschlechter einhergingen.113 Möglicherweise ist der Spott der römischen Dichter auch als Reflex auf die Augusteischen Ehegesetze zu lesen, die einen Heiratszwang vorsahen. Im Jahre 18 v. Chr. wurden die lex Iulia de maritandis ordinibus und im Jahre 9 n. Chr. die lex Papia Poppaea erlassen, die vor allem den ordines von Senatoren, Rittern und (städtischen) Dekurionen galten. Sie reglementierten u. a. das Heiratsalter von Männern wie Frauen sowie die Kinderzahl. Heiratszwang bestand für Frauen zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr, für Männer zwischen dem 25. und 60. Lebensjahr. Drei Kinder wurden zur Norm erhoben, wobei die Neugeborenen den neunten Tag, d. h. den Tag der Namensgebung erreichen mussten, um gezählt zu werden. Ziel der augusteischen Ehegesetzgebung war es zum einen, die in den Bürgerkriegen des 1. Jahrhunderts v. Chr. stark dezimierte politische Elite zu erneuern. Zum anderen ging es bei den meisten Gesetzen auch darum, den politischen Einfluss der Familien der Senatsaristokratie zurückzudrängen, indem die Macht des pater familias eingeschränkt wurde, um die Vormachtstellung des Hauses des Princeps nicht zu gefährden. Denn mit Adoptionen und Legaten ließen sich oft besser als mit eigenen Kindern mächtige Bündnisse zwischen verschiedenen Familien schließen.114 Wenn ein Vertreter der senatorischen Geschichtsschreibung wie Tacitus zu wissen meint, dass dennoch die Zahl der Eheschließungen und die Zahl der heranwachsenden Kinder nicht gestiegen sei, die Neigung zur Kinderlosigkeit vielmehr angehalten habe,115 dann ist dies als Hinweis auf einen Diskurs innerhalb der römischen Elite über die neuen Verhaltensanforderungen zu lesen, an dem sich die Elegiker mit den oben zitierten Altersklagen auf ihre Weise beteiligt haben mögen. Von der Art der Altersklage eines Tibull oder Properz hebt sich sehr deutlich die christliche Literatur ab. Der gottesfürchtige Lebenswandel wird zunehmend zum Maßstab für ein glückliches Alter. Ein kurzes Leben gilt dem Kirchenvater Hieronymus in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts als Strafe für begangene Sünden, ein hohes Alter dagegen als Lohn für den gottesfürchtigen Lebenswandel. Hieronymus preist den gottesfürchtigen Hundertjährigen, dessen Augen noch scharf, dessen Fuß noch leicht und sicher und dessen Gehör und Zähne noch gesund und dessen Gedächtnis von jugendlicher Schärfe sei.116

Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage  89

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Altersstufenmodelle sehr stark von politischen Ordnungsvorstellungen geprägt sind, während die literarisch geformte Altersklage dagegen generative Verhaltensmuster ins Visier nimmt, die nicht minder mit politischer Bedeutung aufgeladen sind. Akzentuiert werden in den Altersstufenmodellen stets politische Tugenden wie Gerechtigkeit, Besonnenheit, Selbstbeherrschung und Strenge bzw. politische und militärische Kompetenzen wie Kraft, rhetorische Fähigkeiten oder Beratungskompetenzen. Die einzelnen Lebensabschnitte mit den ihnen zugeordneten Verhaltensmustern lassen sich auf Phasen der politischen Partizipation beziehen, die unterschiedliche Anforderungen stellen. Dies unterscheidet antike Alterstufenmodelle von ihren frühneuzeitlichen Nachfolgemodellen, auch wenn diese sich, wie Ann-Charlotte Trepp am Beispiel des 1518 geborenen Kölner Kaufmanns und Ratsherrn Hermann von Weinsberg vorgeführt hat, explizit auf antike Vorbilder beziehen.117 Generative Aspekte wie Heirat und Sicherung der Nachkommenschaft sind in den antiken Modellen insoweit einbezogen, als sie für den politischen Status bzw. für die Sicherung der Fortdauer des Gemeinwesens von Bedeutung waren. Sie bildeten das vornehmliche Thema der Altersklage, wobei auch hier politische Bezüge erkennbar sind. In der Kritik am unangemessenen Begehren der Alten wird das altersgemäße Sexualverhalten und damit ein dem Gemeinwesen angemessenes ,Reproduktionsverhalten‘ zum Thema gemacht. Die Dichter akzentuieren denn auch stets nur den Gegensatz von Jugend und Alter; Zwischenstufen gibt es bei ihnen nicht. Das Verhältnis der Generationen innerhalb des Hauswesens, Erboder Autoritätskonflikte zwischen Jung und Alt, die in Ciceros Verteidigungsrede für Caelius angesprochen werden, sind nur nachgeordnete Themen der Lebensalterstufenmodelle. Dass derartige Konflikte gleichwohl nicht fehlten, wird im nächsten Kapitel deutlich werden. Festzuhalten aber bleibt, dass es die politische Welt ist, in die Reflexionen über altersgemäße Verhaltensmuster in Form von Lebensalterstufenmodellen und Altersklagen gehören. Die soziale Seite des Verhältnisses zwischen den Generationen, die Weitergabe von Besitz und das Verhalten der Jungen gegenüber den Alten, war dagegen stärker normativ geregelt und in vielen Gemeinwesen Gegenstand gesetzlicher Maßnahmen.

90  Lebensalterstufenmodelle und literarisch geformte Altersklage

IV. Das materielle Band der Generationen: Mitgift und Erbe

1. Bürgerrecht und Vererbungsstrategien in Athen und Sparta Die Sorge für die Alten gehörte in der Antike zu den grundlegenden Verhaltensanforderungen an die nachfolgende Generation;1 zugleich wird die Generationenabfolge mit all ihren verschiedenen Implikationen von Anfang an als störanfällig gedacht.2 In Hesiods Lehrgedicht Werke und Tage zählt die Missachtung des Generationenbandes, sei es der Älteren gegenüber den Jüngeren oder der Jüngeren gegenüber den Älteren, neben Ehebruch und dem Verstoß gegen das Gebot der Gastfreundschaft zu den frevelhaften Taten, für die Verfolgung von Seiten der Götter droht. „Gleichen Frevel begeht, wer dem Gast, wer dem, der um Schutz fleht, Leid antut, wer das Ehbett besteigt seines eigenen Bruders, wer sich ohne Bedenken vergeht an hilflosen Waisen, wer seinen greisen Erzeuger am schlimmen Rand des Lebens feindselig schilt, ihn hart mit kränkenden Worten mißhandelt. Wahrlich, Zeus höchstselbst ist empört über den, und am Ende sucht für sein unrechtes Tun er ihn heim mit schwerer Vergeltung.“3 In Athen war die Fürsorge für die Eltern gesetzlich verankert; Verstöße konnten gerichtlich verfolgt werden. Wer der Pflicht auf Unterhalt für die Eltern nicht nachkam, war vom Verlust des Bürgerrechts bedroht.4 Bei Misshandlung des Vaters – in der Komödie oft parodiert – forderten attische Redner die Todesstrafe.5 Umgekehrt war „der Sohn, den sein Vater kein Handwerk hatte lernen lassen, nicht verpflichtet […], ihn zu unterhalten“.6 Die Verpflichtung galt nur für echtbürtige Nachkommen und implizierte vermutlich ein Verbot, Kinder als Schuldknechte zu verdingen, wie dies heute aus Gebieten der Dritten Welt bekannt ist.7 Adressat war damit möglicherweise die unterste Schätzungsklasse der Solonischen Vermögensordnung, die Gruppe der Theten. Die von einer Konkubine geborenen Söhne waren von der Pflicht ausgenommen.8 Mitgift und Erbe  91

Am Verhalten gegenüber den Eltern maß sich der gute Leumund. Wer in Athen ein Amt einnahm, musste sich einer Überprüfung (doki­ masía) der väterlichen und mütterlichen Herkunft sowie des Leumunds unterziehen. Die Prüfung fand vor dem Rat der Fünfhundert statt, der gegen Ende des 6. Jahrhunderts eingerichtet worden war. Über die Prüfung der Archonten heißt es in der Athenaion Politeia des Aristoteles: „Bei der Prüfung wird zuerst die Frage gestellt: ‚Wer ist dein Vater und aus welcher Gemeinde stammt er, wer ist der Großvater und aus welchen Gemeinden stammt er, wer die Mutter und wer der Vater der Mutter und aus welchen Gemeinden stammen sie?‘ danach, ob er ein Heiligtum des Apollon Patroos und des Zeus Herkeios unterhalte und wo sie liegen; dann ob er Familiengräber besitze und wo sie liegen; ob er seine Eltern gut behandle, ob er seine Steuern zahle und an den Feldzügen teilgenommen habe.“9 Kontrolliert und abgesichert wurde die Aussage über Zeugen und Eidopfer, die im Kern eine Selbstverfluchung im Falle des Verstoßes beinhaltet.10 Einem dieser Archonten, dem Archôn epóny­ mos, oblag es, die Anklagen wegen Misshandlung von Waisen, Erbtöchtern und Eltern zu verfolgen.11 Als Negativbeispiel für eine entartete Demokratie, in der ein Übermaß an Freiheit herrsche, verweist Platon auf die Umkehrung des Verhältnisses zwischen den Generationen. „Als wenn, sagte ich, ein Vater sich gewöhnt, dem Kind (παῖς/ paîs) ähnlich zu werden und sich also vor den Söhnen zu fürchten, und ein Sohn (sich gewöhnt) den Vater weder zu scheuen (αἰσχύνεσθαι / aischýnesthai) noch die Eltern zu fürchten (δεδιέναι/ dediénai), damit er nämlich recht frei (ἐλεύθερoς/ eleútheros) sei; ebenso ein Mitbewohner (μέτoικoς/ métoikos) (sich gewöhnt) dem Stadtbürger (ἀστός/ astós) und der Stadtbürger dem Metoiken sich gleich zu stellen und der Fremde (ξένoς/ xénos) ebenso.“12 Warum diese ,öffentliche‘ Kontrolle des Verhaltens gegenüber den Alten in Athen? Betrachtet man die Aussagen in ihrem Kontext, so fällt auf, dass keine dieser normativen Aussagen zur Fürsorge für die Alten für sich steht. Hesiod stellt die Achtung der Alten in den Kontext der Beachtung des Ehebandes und der Gastfreundschaft. Die mangelnde Fürsorge für die Eltern ist nach Aristoteles ebenso schwerwiegend wie die Misshandlung von Waisen oder Erbtöchtern. Es geht in allen drei Fällen um die gegenseitige Verpflichtung der Generationen, die eine Sache der philía war. Philia, oft mit ,Freundschaft‘ oder ,Liebe‘ wiedergegeben, ist der zentrale Begriff für Bindungsverhältnisse aller Art, die 92  Mitgift und Erbe

nicht rein hierarchisch strukturiert waren wie das Verhältnis zwischen Herren und Sklaven, sondern auf Gegenseitigkeit beruhten. Auf Gegenseitigkeit, so meinte im 4. Jahrhundert Aristoteles, beruhe der gesellschaftliche Zusammenhalt. Er sah diesen Zusammenhalt in den Chariten verkörpert, einer Gruppe von Göttinnen, die zusammen mit den Musen, den göttlichen Sängerinnen, auch für die Festesfreude zuständig waren. Deshalb, so erklärt Aristoteles in seiner Lehrschrift Nikomachi­ sche Ethik, errichten die Menschen den Chariten in den Poleis Heiligtümer, um die Notwendigkeit der gegenseitigen Gefälligkeit stets gegenwärtig zu halten.13 In Bezug auf die Generationen handelt es sich um eine verzögerte Reziprozität: die Alten erhalten von den Jungen das an Fürsorge zurück, was ihnen in der Kindheit zuteil geworden ist. „Denn was sie in ihrer Vollkraft an den Unmündigen getan haben, empfangen sie zurück von den Erwachsenen, wenn sie im Alter kraftlos werden“, heißt es bei Aristoteles.14 Das unbeherrschte Verhalten des ältesten Sohnes des Sokrates gegenüber seiner Mutter nimmt Xenophon in seinen Erinnerungen an Sokrates zum Paradigma für undankbares Verhalten.15 In agrarischen Gesellschaften bedeutet die Verpflichtung der Generationen vor allem alltägliche Kooperation zur Erhaltung oder Mehrung des Hauswesens und Transfer von Landbesitz, d. h. des Erbes. Tim Parkin vermutet daher, dass es bei der athenischen Gesetzgebung weniger um die Sicherung des Wohls der Alten als vielmehr um den Bestand des Hauswesens ging.16 Der Zeitpunkt der Übergabe der Macht von der älteren zur jüngeren Generation war unterschiedlich geregelt. Die Erbstrategien waren von politischer Relevanz, weil in vielen antiken Gemeinwesen die Zugehörigkeit zur Polis, das Bürgerrecht, bzw. zur Statusgruppe, an Landbesitz gekoppelt war. Aus diesem Grund gab es ein allgemeines Interesse an der Art und Weise des Zusammenlebens der Generationen. Paradigmatisch für die materiellen Verpflichtungen zwischen den Generationen wirkten die Erzählungen über die Familienbeziehungen innerhalb der Herrscherhäuser des epischen Zeitalters. Als der verschollene Odysseus nach seiner langen Irrfahrt nach Ithaka heimkehrt, sucht er auch seinen greisen Vater Laërtes auf, der auf einem abgelegenen Gehöft lebt. Hatte zuvor die Gattin den Verschollenen an der präzisen Beschreibung der von ihr am Webstuhl gefertigten Kleidung und des gemeinsamen Lagers erkannt,17 so gibt Odysseus seinem Vater Laërtes Mitgift und Erbe  93

mit der Erinnerung an die Obst- und Feigenbäume sowie an die Rebstöcke, die dieser ihm einst geschenkt hatte, ein untrügliches Zeichen seiner Identität als Sohn.18 Beide Male heißt es, dass sie das Zeichen, sêma, erkannten.19 Die Art und Weise wie der epische Dichter die Wiedererkennungsszenen gestaltet, zeigt deutlich die materielle Bedeutung des Bandes zwischen den Geschlechtern und Generationen. Wird mit dem Eheband die textile Ausstattung des Hauswesens sichergestellt, so garantiert das Generationenband die Weitergabe agrarischen Lebensgutes.20 Das epische Beispiel legt nahe, dass in der griechischen Antike Väter bereits zu Lebzeiten ihren Besitz an die Söhne abgeben. In der Tat setzen gesetzliche Regelungen, wie sie Solon zugeschrieben werden, eine solche Praxis für Athen voraus. „Gewährt einer seinen Eltern nicht den nötigen Unterhalt, so soll er für ehrlos erklärt werden, ebenso wer sein väterliches Gut verschleudert.“21 Winfried Schmitz geht davon aus, dass der Hausvater im Alter von 60 Jahren die Führung des Hofes an den etwa 30 Jahre alten Sohn abgab und aufs Altenteil ging.22 So erwähnt der attische Redner Demosthenes den Fall des Bouselos, der sein Besitztum (ousía), wie dies üblich war (ὥσπερ προσῆκεν), unter seine fünf Söhne verteilte, als diese heirateten.23 Allerdings scheint genau dieser Übergabezeitpunkt ein Problem gewesen zu sein. In der Komödie findet sich die Figur des geizigen Alten, der im kurzen Mantel auf seiner Geldtruhe liegt und sich selbst nichts gönnt – ein Hinweis auf das Festhalten der Besitztümer im Alter. Besitzgier zählt bei Aristoteles zu den Untugenden des Alters.24 In seinem Dialog Lysis erinnert Platon daran, dass der Vater seinem Sohn erst dann das Hauswesen überlasse, wenn dieser genug davon verstehe.25 Die Kontrolle über den Besitz wird selbst im Fall der Übergabe des Hofes nicht völlig aufgegeben worden sein. In einer Gerichtsrede des Lysias aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert wird die Empfehlung ausgesprochen, nicht alle erworbenen Güter an die Söhne zu verteilen, sondern etwas für das Alter zurückzubehalten, um nicht als bedürftige Person zu erscheinen.26 Eine solche Strategie lässt sich auch heute noch in Regionen außerhalb Europas wie z.B. im indischen Bundesstaat Kerala beobachten, wo eine staatliche Altersversorgung nur rudimentär entwickelt ist.27 Eine gesetzliche Regelung, die den Übergabezeitpunkt bestimmte, gab es nicht. Gesetze, die das Erbe regeln, gehören zwar zu den ältesten 94  Mitgift und Erbe

18 Der alte Geiz­ kragen, 4. Jh. v. Chr. Staatliche Museen, Berlin

Überlieferungen überhaupt, kreisen aber primär um das Problem fehlender Erben. In Athen und Sparta zählen dazu die Bestimmungen über die Erbtochter, die Gesetzgebern des 7. und 6. Jahrhunderts wie Solon und Lykurg zugeschrieben werden. Die uns bekannten Bestimmungen stammen weitgehend aus Gerichtsreden des 4. Jahrhunderts v. Chr. oder aus den Lebensbeschreibungen berühmter Männer, die in der römischen Kaiserzeit entstanden, und sind deshalb in ihrer historischen Einordnung umstritten. Daneben existieren inschriftliche Überlieferungen, unter denen die sogenannte Königin der Inschriften aus dem kretischen Gortyn hervorragt. Es handelt sich um eine Gesetzessammlung aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., die älteres Recht fixiert. Sie war auf Steinen eingemeißelt, die für den Bau einer christlichen Kirche weiterverwendet worden waren, und ist uns deshalb erhalten geblieben. Hier war festgelegt, Mitgift und Erbe  95

dass weder Vater noch Mutter zu Lebzeiten zur Teilung ihres eigenen Gutes genötigt sein sollten.28 Grundsätzlich gab es in Griechenland kein Erstgeburtsrecht, sondern es herrschte Realteilung.29 Als Kontinuitätsträger des Oikos fungierten die Söhne. Sie trugen den Namen des Vaters weiter und waren für die Sorge der Grabstätte zuständig. Söhne erbten zu gleichen Teilen den väterlichen und mütterlichen Besitz; die Töchter erhielten über die Mitgift einen Anteil am Familienbesitz. In Gortyn war dies die Hälfte des Anteils der Brüder.30 Für Athen ist umstritten, ob Töchter Land erbten, da in den Gerichtsreden die Höhe der Mitgift meist in Geldwerten ausgedrückt wurde; allerdings sprechen jüngere Forschungen dafür, dass auch in Athen Land an Töchter vererbt wurde.31 Für das hellenistische und römische Ägypten belegen Heiratsverträge die Vergabe von Land als Mitgift der Töchter.32 Entgegen älteren Lehrmeinungen, die davon ausgingen, dass es unter den Bedingungen der Erbteilung zu einer Aufsplitterung des Landbesitzes kam, der kaum mehr eine Familie ernährte, neigt die Forschung heute dazu, das eigentliche Problem im Mangel von Erben zu sehen.33 Dass das Fehlen von Erben als Problem angesehen wurde, zeigt die Empfehlung Hesiods, dass mindestens ein Sohn da sein solle, damit der väterliche Oikos sicher bestehe.34 Eine größere Kinderzahl ist nach Hesiod ein Segen und erhöht den Zuwachs, erfordert aber auch mehr Fürsorge.35 Lane Fox nimmt in Anlehnung an de Ste. Croix an, dass Kinder, die ein Haushalt nicht ernähren konnte, vor den Solonischen Reformen an Großgrundbesitzer verdingt wurden.36 Die Ablösung dieser Praxis durch das Solonische Gesetz der Lastenabschüttelung, das meist als Gesetz der Entschuldung der Bauern (miss)verstanden wird,37 könnte vielleicht den Hintergrund für das oben erwähnte Solonische Gebot bilden, dass Söhne ein Handwerk lernen sollten.38 Erbteilung kann sowohl zur Aufsplitterung des Grundbesitzes als auch zu einer Konzentration von Landbesitz in den Händen weniger führen. Die Entwicklung hängt von der Fertilitäts- und Todesrate ab. Bei mehreren Söhnen kommt es zu einer Aufsplitterung des Grundbesitzes; beim Fehlen von Söhnen geht der gesamte Besitz an Nebenverwandte über und es vermindert sich die Zahl der eigenständigen Haushalte. Man hat errechnet, dass im Durchschnitt nur sechs von zehn Haushalten Erben haben, davon zwei Haushalte wiederum nur Töchter.39 96  Mitgift und Erbe

Frühe Gesetzeswerke regelten vor allem das Verfahren im Falle des Fehlens männlicher Erben. Fehlte ein Sohn, so sah das Solonische Recht vor, dass die Tochter den nächsten männlichen Verwandten des Vaters, oft den Bruder, heiratete.40 Die aus dieser Verbindung hervorgegangenen Söhne erbten dann das großväterliche Land. Um die Nachfolge sicherzustellen, sah das Solonische Gesetz vor, dass der Ehemann der Erbtochter dreimal im Monat beiwohnen musste.41 Die Tochter fungierte hier als Überträgerin des väterlichen Landloses und hieß deshalb epíklêros (von klêros = Landlos). In Gortyn konnte die Erbin unter Verzicht der Hälfte des Erbanteils dem Zwang der Verheiratung mit dem nächsten Verwandten des Vaters entgehen.42 In Sparta war die Erbin in der Wahl des Heiratspartners frei.43 Laut Aristoteles besaßen in Sparta die Erbtöchter daher zwei Fünftel des gesamten Landes.44 Diese Auskunft steht wiederum in Widerspruch mit der Überlieferung bei Plutarch, dem zufolge die Vererbung nicht individuell erfolgte, sondern jedem Kind, dessen Aufzucht die Ephoren zuließen, eines der 9000 Landlose zugewiesen wurde, welche die abhängige Landbevölkerung, die Heloten, bearbeiteten. Schmitz nimmt deshalb an, dass sich die Aussage Plutarchs auf das eroberte messenische Land bezieht, Aristoteles aber das ererbte lakonische Land in der Eurotasebene meint.45 Unabhängig von der Klärung dieses Widerspruchs, der nicht zuletzt vom Zeitbezug der jeweiligen Aussage abhängt, verweisen beide Feststellungen auf das Problem der Koppelung von Bürgerrecht und Landbesitz, für das es offensichtlich unterschiedliche Lösungen gab. Grundsätzlich ermöglicht ein solches System der divergierenden Übereignung, das beide Geschlechter als Erblasser und Erben berücksichtigt, eine Risikostreuung. Bei der Heirat wird zwar Land abgegeben, aber auch dazu gewonnen. Wie das System funktioniert, lässt sich anhand der Erbpraktiken im Böotien der 1950er Jahre beobachten. Hier herrschte Realteilung vor. Nach den Untersuchungen von Ernestine Friedl erfolgte bei der Heirat zunächst eine Schätzung des Geldwerts des Besitzes der Brauteltern und des Anteils der Tochter. Nur ein geringer Teil der Mitgift wurde tatsächlich in Geld gegeben, der größte Teil bestand aus Land. Der Ehemann der Tochter bearbeitete zunächst das Mitgiftland selbst, neigte aber dazu, dieses Land gegen näher bei seinem Besitztum gelegenes Land auszutauschen. Dabei nahm er stets Rücksprache mit dem Schwiegervater und den Brüdern der Ehefrau. Die ZerMitgift und Erbe  97

splitterung stimuliert also den Austausch von Land, allerdings in begrenzter Weise. Um den Unterhalt zu gewährleisten, war der Zukauf von Land mit Geld aus der Mitgift möglich, nicht aber der Verkauf von Mitgiftland. Die Mitgift ist im neuzeitlichen Böotien gewissermaßen der Witwenteil, der an den Sohn geht, bei dem die Mutter bis zum Tode lebt. Ansonsten wird es wie das übrige Erbe unter den Nachkommen aufgeteilt.46 Diese breite Streuung des Grundbesitzes ist auch Kennzeichen der antiken Besitzstrukturen Attikas. Die einzelnen Besitztümer lagen in Attika nicht nur in verschiedenen Gemeinden (Demen), sondern darüber hinaus auch in unterschiedlichen Regionen bzw. Herrschaftsgebieten. Das gilt zumindest für die politische Elite Athens. Ein Beispiel ist Themistokles, der 493 v. Chr. als Archon Athens Flottenbauprogramm vorantrieb. Er verfügte sowohl in seiner Herkunftsgemeinde über Land als auch über ein Haus in Melite und über Besitz in Phlya, nach seiner Verbannung darüber hinaus in Magnesia in Kleinasien. Zu den reichen Männern Athens gehörte auch Kimon (510–450 v. Chr.), der mit Perikles um die Vormacht in Athen stritt. Sein Vater Militiades, der Sieger der Schlacht bei Marathon gegen die Perser von 490 v. Chr., hatte eine Thrakerin geheiratet. Kimons Besitz umfasste deshalb neben Feldern im väterlichen Demos Lakiadai, auch Minen(rechte) in Thrakien und vermutlich weiteres Land auf der Chersones, von wo seine Mutter stammte.47 Dass auch im antiken Athen die Heiratsstrategien einem Diversifikationsinteresse des bäuerlichen Besitzes folgten, hat eine Studie von Anne Cheryl Cox ergeben, die auf Gerichtsreden des 4. Jahrhunderts und auf inschriftlichem Material basiert. Ihre Auswertung von Dotalinschriften legt nahe, dass auch in Athen Land als Mitgift gegeben wurde.48 Die Steine, die alle aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. stammen, weisen als Herkunftsbezeichnung das Demotikon der Frau auf und enthalten Angaben über den Landbesitz, der von den Ehemännern als Sicherheit für die gewährte Mitgift bereitgestellt wurde. Nach Aussagen der Redner gaben Familien, die ihre Tochter mit einer Mitgift ausstatteten und dafür Sicherheiten in Form von Land entgegennahmen, der Eheschließung unter Verwandten den Vorzug.49 Die Inschriften selbst geben ein differenzierteres Bild ab. Von den zehn Schuldsteinen, die im ländlichen Raum gefunden wurden, verzeichnen sechs Inschriften Ländereien, die 98  Mitgift und Erbe

weit entfernt vom Herkunftsdemos der Frau lagen; zwei von diesen Frauen stammen aus einem städtischen Demos. Die übrigen vier Steine geben Landbesitz in der Nähe des Herkunftsdemos der Frau an, verweisen also auf Heiratsbeziehungen zwischen benachbarten Demen. Nach den Wertangaben des Besitzes zu urteilen, scheinen auf dem Lande eher reiche Frauen eine entfernte Ehe einzugehen. Von den fünf städtischen Dotalinschriften verweisen vier auf Heterogamie, da der als Sicherheit angegebene Besitz weit entfernt vom Herkunftsdemos der Frau lag. In nur einem Fall befand sich der Landbesitz in der Nähe des Demos der Ehefrau.50 Die Befunde weisen nach Cox darauf hin, dass in den Fällen, in denen eine Frau in einen weiter entfernten Demos einheiratete, deren Kinder wiederum via Heirat in den mütterlichen Demos zurückkehrten. Hinter den verschiedenen Heiratsstrategien vermutet Cox in der Mehrzahl Besitzinteressen. Diese bestimmten ihrer Meinung nach auch das Verhältnis zwischen Ehepartnern. Anhand der Aussagen der Redner zeigt sie, dass die Ehefrauen oft genaue Kenntnisse über die Güter des Ehemannes hatten und auch die Ehemänner an den Besitzverhältnissen im elterlichen Oikos der Ehefrau sehr interessiert waren.51 Besitzinteressen kennzeichnen ihr zufolge auch das Verhältnis zwischen den Generationen und zwischen Geschwistern. Während das Verhältnis von Brüdern nach den Aussagen der Redner von Konkurrenz geprägt war, scheinen Brüder und Schwestern einander bei der Sicherung des Erbes und der Mitgift nach dem Tod des Vaters gegenseitig stärker unterstützt zu haben.52 Für Athen nimmt Robin Lane Fox an, dass das Erbtochtersystem die Konzentration von Landbesitz verhinderte, wie sie für Sparta belegt ist. Kombiniert mit der Beischlafregel sollte es der Bereitstellung von Erben dienen, so dass der Besitz in der nächsten Generation in mehreren Händen lag. Diesem Zweck unterlag auch die Einführung der Adoption post mortem unter Solon. Der Erblasser konnte eine Verfügung für den Fall treffen, dass beim plötzlichen Tod kein leiblicher Erbe vorhanden war.53 Nach Auskunft der attischen Gerichtsreden des 4. Jahrhunderts, in denen viele Erbprobleme zur Sprache kamen, war die Verfügung nicht wirksam, wenn sie unter dem Einfluss von Frauen getroffen wurde. 54 Möglicherweise sollte auf diese Weise verhindert werden, dass die Verwandten der Ehefrau Zugriff auf das Erbe nahmen. Eben dies belegen die Gerichtsreden.55 Mitgift und Erbe  99

Dennoch wurde auch in Athen der Kreis der Erben beschränkt. Das attische Bürgerrechtsgesetz von 451 v. Chr. machte eine ganze Polis zur endogamen Einheit, indem es die beiderseitige Herkunft von attischen Eltern zur Voraussetzung für die Erlangung des Bürgerrechts machte.56 Das Gesetz zog eine strikte Grenze zwischen der legitimen Ehefrau, γυνή γαμετή /ἐγγυητή/ (gynê gametê bzw. engyêtê), und der Konkubine, παλλακή/ pallakê), und begrenzte auf diese Weise die Zahl der Bürger und rechtmäßigen Erben eines Oikos. Zielten in Athen die Erbgesetze auf eine Verhinderung der Landkonzentration in den Händen weniger, so nahm die spartanische Entwicklung eine andere Richtung. Die dortigen Verhältnisse ähnelten einer Kastengesellschaft. Bearbeitet wurde das Land von den Heloten, die keinerlei politische Rechte genossen. Das Land selbst besaßen die Spartiaten, die Nutznießer der Arbeit der Heloten waren und selbst dem Geschäft des Krieges nachgingen. Anders aber als auf Kreta, wo die Klaroten das Land bearbeiteten, wurden die Erträge von der ,Kriegerkaste‘ nicht gemeinschaftlich konsumiert, sondern individuell aufgeteilt. In beiden Gesellschaften war die Zugehörigkeit zur Klasse der ,Besitzenden‘ an die Teilnahme an den gemeinsamen Mählern gebunden. Die Mittel dazu wurden in Sparta von den einzelnen Teilnehmern aufgebracht. Wo der Status jedoch von Land abhängt, wird grundsätzlich eine Strategie der Begrenzung der Anzahl der Erben verfolgt, die unter den Bedingungen des spartanischen Bürgerrechts gleichzeitig zu einer Verminderung der Statusgruppe der Spartiaten führten musste.57 Grundsätzlich schafft ein allgemeines Frauenerbrecht mehr Gleichheit als ein beschränktes und dient als stabilisierender Faktor. Das Land wechselt sowohl bei Heirat als auch beim Tod den Besitzer; die Besitzverhältnisse unterliegen einem dauernden Prozess der Erneuerung.58 Unter solchen Bedingungen bilden Heiratsstrategien das entscheidende Vehikel zur Veränderung. So ist für Sparta die Heirat innerhalb der engen Verwandtschaft (,close kin marriage‘) sowie Polyandrie, die Verheiratung einer Frau mit mehreren Brüdern, überliefert. Beides mindert die Zahl der Erben und dient damit der Konzentration des Landes in den Händen einer kleinen Gruppe.59 Tatsächlich sank die Zahl der Spartiaten zwischen 480 und 371 v. Chr. von 8000 auf 1500 Bürger.60 Eben deshalb

100  Mitgift und Erbe

machten sich die Philosophen des 4. Jahrhunderts, die über die ideale Polis nachdachten, Gedanken um die Anzahl der Erbtöchter in Sparta. Erklären lässt sich mit dem Gleichheitsideal auch ein merkwürdiger spartanischer Heiratsritus, der bei Plutarch überliefert ist: „Man heiratete durch Raub […].����������������������������������������������� ��������������������������������������������������� Die Geraubte nahm die sogenannte Brautbedienerin in Empfang, schor ihr den Kopf bis auf die Haut ab, zog ihr ein Männergewand und Schuhe an und legte sie allein ohne Licht auf eine Streu. Dann kam der Bräutigam herein […], nachdem er wie immer bei dem Gemeinschaftsmahl gespeist hatte, löste ihren Gürtel, hob sie auf und legte sie aufs Bett. Doch er blieb nicht lange bei ihr, sondern ging sittsam davon, um wie früher am gewohnten Ort mit den anderen jungen Leuten zu schlafen.“61 Winfried Schmitz deutet den Ritus als Beleg für die Abschaffung der rechtsgültigen Eheschließung. Die Spartaner hätten daher auch nicht als individuelle Väter ihrer Kinder, sondern nur als gemeinsame Väter aller Kinder gegolten; Mitgiften habe es nicht geben können.62 Vergleicht man indes den Heiratsritus der Spartaner mit den Hochzeitsritualen der Athener, so wird ein entscheidender Gegensatz deutlich: Sichtbarkeit versus Unsichtbarkeit. Die Braut wurde in Athen im Wagen oder zu Fuß vor aller Augen zum Haus des Bräutigams geführt; sie ist schön ausgestattet und strahlt über Haar und Kleidung cháris, Anmut, aus. Der Ritus korrespondiert mit der Bedeutung des Transfers von Gütern anlässlich der Hochzeit. Jeder Mann, jede Frau konnte über die Ausstattung der Braut den Reichtum eines Hauses erkennen. In Sparta war das nicht möglich. Die geschorene Braut war ihrer Attraktivität beraubt, keiner konnte ihren Reichtum, ihr Vermögen sehen. Suggeriert wurde auf diese Weise die Vorherrschaft des Gemeinsinns; individueller Reichtum wurde in Sparta weder bei Bestattungen noch bei der Hochzeit – und das sind die entscheidenden Anlässe – vorgeführt. Wir wissen aber über Aristoteles und Xenophon, dass dies nur die vordergründige Sicht auf Sparta ist. Im Umfang der Zukost in Gestalt von Fleisch oder Weizenbrot zum alltäglichen Getreidebrei, die reiche Spartaner zu den gemeinsamen Mählern beisteuerten, waren Vermögensunterschiede durchaus erkennbar.63

Mitgift und Erbe  101

2. Vererbungsstrategien und die Reproduktion der politischen Klasse in Rom Aus dem republikanischen Rom sind keine gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Alten überliefert. Erst ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. beginnt unter Juristen eine Diskussion über die Pflichten von Eltern gegenüber ihren Kindern und vice versa.64 Der Jurist Ulpian (frühes 3. Jh. n. Chr.) fragt, ob ein Vater Söhne unterhalten müsse, die nicht mehr seiner Gewalt (in potestate) unterliegen und stellt fest, dass sie Anspruch auf Unterhalt von ihren Eltern haben, aber auch umgekehrt ihren Eltern Unterhalt schulden (alendos a parentibus et vice mutua alere parentes debere).65 Von regelrechten Unterhaltsprozessen berichten die Sententiae Hadriani. Hadrian verurteilt einen Mann, der seinen verarmten Vater nicht unterstützt, der sich für seine Erziehung ruiniert hat, und droht einem Mann, der seiner Mutter Unterstützung verweigert, mit dem Entzug des römischen Bürgerrechts.66 Tim Parkin erklärt diese spät einsetzende Diskussion mit dem Institut der patria potestas, das dem römischen Hausvater bis zu seinem Tode die Macht über den Familienbesitz beließ. Dreh- und Angelpunkt der patria potestas ist die Sicherung des Besitztransfers in die nächste Generation. Der pater familias war der Wächter des Bauches; die Annahme eines Neugeborenen durch ihn macht ein Neugeborenes, infans, erst zum legitimen Kind (tollere liberos) und damit zum rechtmäßigen Erben.67 Grundsätzlich ging auch in Rom das Erbe an beide Geschlechter, jedoch nur in männlicher Linie. Die Vererbungsformen korrespondieren mit der agnatischen Struktur der römischen familia. Es handelt sich bei der römischen familia – nicht zu verwechseln mit unserer „Familie“ – um eine agnatische Abstammungsgemeinschaft, die alle männlichen Nachkommen eines noch lebenden „Hausvaters“, eines pater familias, (Söhne und Enkel) sowie die unverheirateten weiblichen Nachkommen bzw. die verheirateten weiblichen Nachkommen umfasst, soweit sie nicht in die „Gewalt“ (manus) des Ehemannes übergegangen waren. Ideell bestand die familia aus all denen, die sich in männlicher Linie auf einen gemeinsamen Ahnen zurückführten. Drei Vorväter (parentes) aufzuweisen, war aristokratische Norm, jenseits davon lagen die Ahnen, das Reich der maiores. In der Kaiserzeit ging der Senatorenstatus ab der vierten Generation ver102  Mitgift und Erbe

loren. Aufgrund der Bedeutung der Drei-Generationenregel wurde in dieser Zeit der Gründervater Aineias (Aeneas) mit seinem Vater Anchises und mit seinem Sohn Askanios an der Hand gezeigt.68 Mehrere familiae bildeten eine gens. Die Ehefrau gehörte also nicht unbedingt zur familia, es sei denn, sie war eine manus-Ehe eingegangen und der Gewalt des Ehemannes unterworfen. Zur familia gerechnet wurden auch die Sklaven und Besitztümer, d. h. der bewegliche und unbewegliche Besitz. Folgt man Cato, dann bedeutete familia zunächst nichts anderes als die bewegliche Habe sowohl an Vieh als auch an Personen, die unter der patria potestas standen, im Unterschied zur domus, dem Haus. Das Haupt der familia, der pater familias, hatte die Besitzherrschaft, das dominium, inne.69 Seine soziale Relevanz entfaltete der ,Rechtsverband‘ familia also auf dem Gebiet der Besitzübertragung bzw. des Vermögenstransfers. Die Frauen, die eine manus-Ehe eingingen und damit aus dem väterlichen Familienverband ausschieden, beerbten ihren Ehemann.70 Bis zum 2. Jahrhundert v. Chr. war die manus-Ehe die vorherrschende Eheform. Im 1. Jahrhundert setzte sich innerhalb der Senatsaristokratie die usus-Ehe durch. Töchter verblieben auch nach der Heirat juristisch in ihrem väterlichen Familienverband und waren damit der Gewalt des Vaters unterworfen. Um dies zu bekräftigen, mussten sie pro Jahr drei Tage lang das Haus des Ehemanns verlassen. Mit diesem symbolischen Akt war die Zugehörigkeit zur familia des Ehemannes unterbrochen. Auf diese Weise konnten Väter ihre Töchter stärker für ihre wechselnden Allianzinteressen in Dienst nehmen und eine Trennung vom Ehemann verlangen, um sie neu zu verheiraten. Judith Hallet spricht hier von einem System der Filiafokalität.71 Die agnatische Struktur der familia blieb bis in die Spätantike bestehen. Söhne und Töchter erbten zu gleichen Teilen den Besitz ihres Vaters. Sie erbten nicht von der Mutter. Väterliche und mütterliche Linie blieben getrennt. Gelegentlich finden wir Bestimmungen, die Sonderregelungen treffen und Söhne bevorzugen. Ein Kaufmann und Geldverleiher, der sein Vermögen seinen beiden Söhne und beiden Töchtern vererbt hatte, fügte seinem Testament die Bestimmung hinzu, dass sein Haus mit allem Inventar an die beiden Söhne gehen sollte.72 In den Digesten wird der Fall eines Vaters erwähnt, der alle seine Söhne als Erben eingesetzt hatte, aber zwei von ihnen „über ihr Erbteil hinaus als Mitgift und Erbe  103

Vorvermächtnis das Eigentum seiner Mutter, ihrer Großmutter, hinterlassen“ hatte.73 Es gibt nach den Untersuchungen von Yan Thomas jedoch keinen Anhaltspunkt, dass Söhne oder gar der älteste Sohn systematisch bevorzugt wurden.74 Kaum eine Regel macht den konstruierten Charakter des römischen Verwandtschaftssystems so deutlich wie diese Strategie der Verhinderung der Weitergabe des mütterlichen Erbes an ihre Kinder. Allerdings konnte die agnatische Erbfolge bereits in der Republik über Legate umgangen werden. Das Testierrecht besaßen Mädchen bereits ab dem 12. Lebensjahr, Jungen erst ab dem 14. Lebensjahr. Über eine Reihe von Senatsbeschlüssen und kaiserlichen Edikten wurde dieses strenge Konstrukt langsam aufgelöst. Mütter konnten bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. nur via Testament ihren Besitz an ihre Kinder vermachen, waren aber oft auch Begünstigte von Testamenten.75 Bürgern der ersten Zensusklasse war seit der lex Voconia von 169 v. Chr. untersagt, eine Frau als Haupterbin in ein Testament einzusetzen. Auch bestimmte das Gesetz, dass „niemand als Vermächtnis oder sonst von Todes wegen mehr erwerben dürfe, als die Erben erwarten.“76 Mit der lex Falcidia (40 v. Chr.) wurde sichergestellt, dass den Erben mindestens ein Viertel der gesamten Erbschaft blieb.77 Nach Yan Thomas sicherte der Pflichtteil vor allem Familienfremde ab, die mangels Kindern oder naher Verwandter als Erben eingesetzt wurden, nicht aber die eigenen Nachkommen des Erblassers. Haus- und Landbesitz seien grundsätzlich den Söhnen und Töchtern zugekommen, allein das flüssige Vermögen sei als Vermächtnis an Dritte verteilt worden.78 Die große Bedeutung, die testamentarischen Bestimmungen eingeräumt wurde, schuf dem Erblasser immerhin einen großen Spielraum. So konnte z. B. über ein Fideikomiß eine Frau zur Haupterbin gemacht werden, indem dem männlichen Begünstigten die Auflage gemacht wurde, einen Teil der Erbschaft einer Frau zuzuwenden.79 Oft dienten derartige Regelungen dazu, den Kindern der Tochter das großväterliche Vermögen zu übermitteln, wie Suzanne Dixon in ihrer Untersuchung der Vermögensverhältnisse der Terentia, der Ehefrau des Cicero, festgestellt hat.80 Diese Vermögensübertragungen waren von politischer Relevanz, da die Zugehörigkeit zum Senatorenstand nicht nur von der Ämterkarriere, sondern auch vom Vermögen abhing. Terentia brachte z. B. eine Mitgift von 400 000 Sesterzen mit in die Ehe. Dies war eine 104  Mitgift und Erbe

Summe, die dem Ritterzensus entsprach.81 Der Senatorenzensus lag zu dieser Zeit bei einer Million Sesterzen. Der Rückgriff auf das Vermögen der mütterlichen Verwandtschaft eröffnete daher auch weniger begüterten Familien den Weg in die politische Spitze. Allerdings traten die von ihren Müttern begünstigten Nachkommen nicht die Rechtsnachfolge in der familia ihrer Mutter an. Diese war untrennbar mit der pat­ ria potestas verbunden, die nur in männlicher Linie weitergegeben werden konnte.82 Frauen blieben lebenslang unter der Geschlechtsvormundschaft. Das Institut der tutela, von den Juristen mit der geschlechtsbedingten Leichtfertigkeit des weiblichen Gemüts (animi levitas) begründet,83 garantierte, dass das Vermögen in der Herkunftsfamilie verblieb. Im Unterschied zu den noch unmündigen Kindern, die der Vormundschaft unterstanden, bedurften die unter tutela stehenden Frauen zwar bei Schuldverträgen der Zustimmung ihres Tutors, führten aber die Geschäfte selbst. Keine Zustimmung des Tutors war notwendig, wenn es um Schiffe, Schmuck und Geld ging, also um nicht traditionelle Güter. Frauen konnten daher auch Kredite vergeben.84 Das Institut der tutela sollte verhindern, dass das Vermögen der Frauen den Agnaten verlorenging. Die Vormundschaft war zwangsläufig ein männliches Amt; in der Spätantike eroberten auch die Mütter das Amt des Tutors für ihre unmündigen Kinder.85 Die Ausdifferenzierung der Vererbungsstrategien prägte die Kaiserzeit. Die Testamente stellten die Cognaten den legitimen Erben, den Agnaten, finanziell gleich; eine Entwicklung, die schließlich dazu führte, dass unter der Herrschaft des oströmischen Kaisers Justinian (527–565 n. Chr.) die Zugehörigkeit zur agnatisch strukturierten fami­ lia nicht mehr die Voraussetzung für den Anspruch auf das Erbe bildete. Bereits der Tertullianische Senatsbeschluß (senatusconsultum Tertullia­ num) aus der Zeit des Kaisers Hadrian hatte den Müttern einen Anspruch auf das Erbe ihrer verstorbenen Kinder vor den Agnaten eingeräumt. Der Orfitianische Senatsbeschluß (senatusconsultum Orfitia­ num) von 178 n. Chr. ließ nun auch die Kinder in den Genuss der legitimen Erbfolge ihrer Mutter kommen. Allerdings galten sie nur als legitimi, als rechtmäßige Erben, nicht aber als liberi, als rechtmäßige Nachkommen, da nur der Vater die Familiengewalt vererben und die legitime Abkunft sichern konnte.86 Die einer legitimen Ehe entstamMitgift und Erbe  105

menden Nachkommen folgten in der Kaiserzeit der origo (Herkunft) des Vaters; die außerhalb einer solchen Ehe Geborenen der origo der Mutter. Sowohl Mütter als auch Väter konnten damit das Bürgerrecht vermitteln; jedoch war die über die Mutter erworbene origo mit dem Geburtsort der Mutter identisch; die über den Vater erworbene origo hingegen reichte weiter zurück und lag in der Stadt, aus der der Vater selbst seine Herkunft bezog. Die origo des Vaters funktionierte also jenseits von Geburtsort und -zeit und konstruierte somit einen übergeordneten Zusammenhang der politischen Zugehörigkeit.87 Diese Entwicklung ging mit der zunehmenden Emanzipation der Agnaten aus der Vormundschaft des pater familias und der Neuaufnahme in die familia durch Adoption einher. Beides, emancipatio und adoptatio, stellten nach den Untersuchungen von Jane Gardner Strategien zur Sicherung des Bestandes und Wohlstandes der familia dar. Denn agnatische Bande blieben auch im Falle eines Ausscheidens aus der ursprünglichen familia bestehen. Gerade die Entlassung der Frau aus der patria potestas des pater familias, die mit dem Rückgang der manusEhe einherging, wurde in der späten Republik vielfach als bewusste Strategie eingesetzt, um die in dieser Zeit wirksame Begrenzung von Vermögen zu umgehen, indem der Besitz auf mehrere Familienmitglieder verteilt wurde.88 Worin liegt die Logik des römischen Systems? Nicht für das Bürgerrecht wie in Sparta, sondern für die Zugehörigkeit zur Senatsaristokratie war der Reichtum eines römischen Hauswesens von entscheidender Bedeutung. Zwar gab es in der Zeit der Republik Bemühungen, das Vermögen Einzelner zu beschränken. Es sind dies Versuche, die darauf zielten, den Zusammenhalt innerhalb der regierenden Klasse herzustellen. Zugleich bildete aber ein Mindestvermögen die Voraussetzung für die Übernahme von politischen Ämtern, die wiederum die Zugehörigkeit zur Senatsaristokratie bestimmte. Um dieses Mindestvermögen zu halten, wurden in Rom eher Strategien verfolgt, die Zahl der Erben zu mindern, um eine allzu große Zersplitterung des Vermögens zu verhindern. Späte Heirat der Männer und eine strikte Auswahl bei der Anerkennung der geborenen Nachkommen durch den Vater bildeten Möglichkeiten, die Zahl der Erben zu begrenzen. Die Kehrseite war, dass es nur einem Bruchteil der senatorischen Familien gelang, sich in ausreichendem Maße selbst zu reproduzieren, d. h. den Besitz an männliche Erben wei106  Mitgift und Erbe

terzugeben, die wiederum eine erfolgreiche politische Karriere machten und zu Mitgliedern der Senatsaristokratie avancierten. Die politische Elite Roms hatte also mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie die Klasse der Spartiaten in Griechenland. Prosopographische Untersuchungen zur republikanischen Elite haben erwiesen, dass die Mitglieder der Senatsaristokratie bis zu 75 Prozent pro Generation erneuert wurden. Mehrfachehen und Adoption waren deshalb Strategien, diese Kontinuitätslücken zu schließen. Begehrt waren in Kreisen der Senatsaristokratie Frauen, die bereits geboren hatten. Aus der Zeit der späten Republik sind Fälle überliefert, dass Ehefrauen weiterverheiratet und nach Geburt eines ,Erben‘ zurückgeheiratet wurden. Plutarch überliefert das Beispiel des Cato Uticensis, der seine schwangere Ehefrau Marcia dem Hortensius überließ. Nach dem Tod des Hortensius kehrte Marcia als reiche Witwe zu Cato zurück.89 Livia war im 6. Monat schwanger, als sie ihren Ehemann Claudius Nero verließ und Octavian, den späteren Kaiser Augustus, heiratete.90 Dass ihr Sohn, der spätere Kaiser Tiberius, gezwungen wurde, seine schwangere Ehefrau zu verlassen, um Julia, die Tochter seines Stiefvaters Augustus zu heiraten, ist vor dem Hintergrund senatorischer Heiratsbeziehungen völlig unlogisch,91 lässt sich aber mit den Interessen des Princeps Augustus erklären, das agnatische Prinzip durchzusetzen und einen eigenen Enkel als Nachfolger zu designieren. Zu den Tugenden einer Römerin gehörte es, dem Ehemann die Scheidung anzubieten, wenn der ersehnte Nachwuchs ausblieb. „Als du an deiner Fruchtbarkeit zweifeltest und dich über mein kinderloses Dasein grämtest, sprachst du“, so erinnert sich der Ehemann in der inschriftlich überlieferten Trostrede zu Ehren seiner verstorbenen Gattin, „um mir zu ersparen, daß ich, wenn ich dich als Ehefrau behielte, die Hoffnung auf Kinder aufgäbe und darüber unglücklich wäre, von Scheidung. Dies in keiner anderen Absicht, als daß du mir im Geiste unserer bekannten Eintracht selbst eine standesgemäße und passende Verbindung suchtest und verschafftest […].“92 Ob in Rom ebenso wie im heutigen Indien vor allem weiblicher Nachwuchs den Strategien, die Zahl der Erben zu begrenzen, zum Opfer fiel, ist äußerst umstritten. Das Verbot, die Erstgeborene zu töten, spricht zwar dafür,93 dass ein eklatanter Mangel an fruchtbaren Frauen verhindert werden sollte. Andererseits ist das Zahlenmaterial, das aus der Antike überliefert ist, derartig widersprüchMitgift und Erbe  107

lich, dass zunehmend vor verallgemeinernden Aussagen über demographische Entwicklungen gewarnt wird.94 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unsere Informationen über Erbstrategien häufig im Zusammenhang von Überlegungen zur politischen Zugehörigkeit stehen. Der Regelungsbedarf entsteht erst dann, wenn die Interessen des einzelnen Hauswesens mit denen der politischen Gemeinschaft kollidieren. Das heißt: Die rechtlichen Regelungen zum Erbe dienen in erster Linie der Sicherung der Reproduktion eines „politischen Körpers“, sei es der Polisgemeinschaft wie im antiken Griechenland, sei es der politischen Elite wie im Falle der römischen Senatsaristokratie, und erst in zweiter Linie der Beständigkeit der sozialen Einheiten, der bäuerlichen Hauswirtschaften.

108  Mitgift und Erbe

V. Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

In der attischen Komödie wird die Sorge um die Alten immer wieder pa­rodistisch aufgespießt. Auf Gerstenschleim, ein behagliches Wams und eine Dirne für das leibliche Wohl werden die Bedürfnisse des alten Vaters des Antikleon in den Wespen des Aristophanes, einer Parodie auf die Leidenschaft der älteren, nicht mehr waffenfähigen Bürger für das Richten, reduziert.1 Ein weiches Lager zum Schlafen, Bäder und ausreichendes Essen, das ist das Recht der Alten, heißt es im Homerischen Epos.2 Dies setzt voraus, dass der alte Vater zusammen mit seinem Sohn unter einem Dach lebt. War dies gelebte Wirklichkeit? Oder trifft vielmehr die Klage des kaiserzeitlichen Gelehrten Iuncus aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert den bitteren Alltag der alten Menschen: „Wenn aber etwa einen gealterten Mann auch noch Armut treffen sollte, dann dürfte jener selbst sich wünschen, endgültig aus dem Leben scheiden zu dürfen wegen der Schwierigkeit mit allem: weil er keinen Wegführer findet, keinen, der ihn füttert, (weil er) nicht ausreichend Kleidung an sich trägt, kein Dach (über dem Kopf ) besitzt, keine Nahrung, möglicherweise auch einen entbehrt, der für ihn Wasser schöpft.“3

1. Demographie, Lebenserwartung und Haushaltsstruktur Da ist zunächst das Lebensalter zu berücksichtigen. Demographische Untersuchungen stützen sich für die Antike in erster Linie auf Altersangaben auf Grabdenkmälern und auf Zensusangaben bei antiken Autoren und auf ägyptischen Papyri, die viele Ungenauigkeiten bergen.4 Grundsätzlich ist festzuhalten, dass antike Zahlenangaben äußerst vage und tendenziös sind. Medizinschriftsteller wie Galen oder Hippokrates sprechen von 112 bzw. 116 Jahren als das höchste zu erreichende Lebensalter.5 Das ist die Lebensaltersgrenze, die auch heute gilt. Dennoch kamen bei den Volkszählungen, die in der römischen Kaiserzeit durchgeführt wurden, immer wieder höhere Altersangaben vor, die antiken Autoren wie Plinius Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  109

selbst zweifelhaft erschienen. Als Beispiel für die Unsicherheit der Wissenschaft führt Plinius einen Zensus des Jahres 73 n. Chr. an: „zu Parma nannten drei Personen 120 Jahre, ein Mann zu Brixellum ebenso, zwei zu Parma 125, einer zu Plancentia und eine Frau zu Faventia 130, L. Terentius, Sohn des Marcus, zu Bononia 135, zu Arimium M. Aponius 140 und Tertulla 137 Jahre.“6 Da die Angaben auf Selbstaussagen basieren, bieten die Zensusangaben keinen sicheren Anhaltspunkt für genaue Berechnungen über das Lebensalter der Bewohner des römischen Reiches. Zensusangaben aus dem römischen Ägypten, die für die Zeit zwischen 12 und 259 n. Chr. vorliegen, weisen entgegen den Angaben bei Plinius nur wenige Personen auf, die älter als 50 Jahre waren. Bagnall und Frier haben aus den rund 300 erhaltenen Zensuslisten eine durchschnittliche Lebenserwartung von 22 bis 25 Jahren errechnet, wobei die der Frauen unter der der Männer liegt.7 Allerdings handelt es sich bei der Oase Fayum, aus der ein Großteil der Papyrusinschriften stammt, um ein typisches Malariagebiet, so dass lokale Faktoren die Mortalitätsrate mitbestimmt haben können.8 Insgesamt aber entspricht das für das römische Ägypten ermittelte demographische Muster den Zahlen, die aus Entwicklungsländern stammen. Nach Bagnall und Frier weichen die für die Antike überlieferten Zahlen nicht von denen ab, die für das moderne Indien der 1970er Jahre ermittelt wurden. Erklären lässt sich das niedrige Durchschnittsalter mit der hohen Kindersterblichkeit. War die Kindheit überstanden und das zehnte Lebensjahr erreicht, war für Männer eine Lebenserwartung von 40 bis 50 Jahren realistisch, für Frauen lag sie aufgrund der hohen Mortalitätsrate bei der Geburt zwischen 34 und 37 Jahren.9 Den Schätzungen von Tim Parkin zufolge belief sich der Anteil derjenigen, die ein Alter über 60 Jahre erreichten, im gesamten römischen Reich auf etwa fünf bis zehn Prozent der Gesamtbevölkerung.10 Diese Schätzungen zur Lebenserwartung beruhen neben der Auswertung von Zensuslisten und Angaben auf Grabsteinen auch auf Überlegungen zu Ernährungsgewohnheiten und Krankheiten. Mit welchen Krankheiten die antiken Menschen zu kämpfen hatten, zeigen Untersuchungen an Skelettfunden. Eingehend untersucht sind z. B. die Gräber einer Siedlung im Süden der Argolis aus dem 2. Jahrtausend v. Chr., deren Bewohner von der Landwirtschaft lebten. Die hier gemachten Beobachtungen lassen vermuten, dass Nahrungsmangel, sichtbar am unregelmäßi110  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

gen Knochenwuchs, und schwere körperliche Arbeit, erkennbar an der starken Abnutzung von Gelenken, zu Arthrose oder Missbildungen führten. Auch Knochentuberkulose und Malaria gehören zu den Krankheiten, die am Skelettbefund diagnostiziert werden können. Gallensteine hingegen, die bei einem der Toten gefunden wurden, der in einem fürstlichen Grab bei Mykene bestattet war, lassen auf eine fleischreiche Kost schließen.11 Welche Krankheit gemeint ist, wenn in antiken Quellen von Seuchen die Rede ist, die ganze Landstriche entvölkern, ob Pest, Pocken oder Massenvergiftung durch verdorbene Lebensmittel, lässt sich heute nicht eindeutig klären.12 Parasitenbefall wiederum ist durch die Ausgrabung von Abortgruben gut erforscht.13 Vereinzelt lassen sich auch heute weit verbreitete Krankheiten wie Krebs nachweisen, ohne dass wir Aussagen über ihren Anteil an der Mortalitätsrate machen können. Arthritis, Atemwegserkrankungen, Blindheit und Impotenz galten in der medizinischen Literatur als typische Geißeln des Alters.14 Zum Teil erhielt das Alter in medizinischen Diskursen den Charakter einer Krankheit zugewiesen. Eine eigene geriatrische Literatur, die sich mit Krankheiten alter Menschen und ihren Behandlungsmöglichkeiten befasste, gab es nicht, wohl aber Empfehlungen zur altersgemäßen Lebensweise. Sie setzen im 5. vorchristlichen Jahrhundert mit dem Werk des Hippokrates (um 460–370 v. Chr.) ein und erreichen ihren Höhepunkt in der römischen Kaiserzeit.15 Galenos (129–200 n. Chr.), der Leibarzt des Kaisers Marc Aurel, entwickelte eine Alterspflege, gêro­ kômê, die den Alterungsprozess zu verlangsamen suchte: Dazu gehörten Massage, eine spezielle Diät, Bewegung und Atemübungen.16 Ausgangspunkt des medizinischen Diskurses ist die Viersäftelehre, mit der ein bestimmtes Körperbild einhergeht. Die Hippokratische Lehre geht davon aus, dass der menschliche Körper eine bestimmte Quantität von Hitze und Feuchtigkeit enthält, die mit dem Alterungsprozess abnimmt. Der alte Körper ist trockener und kälter als der junge Körper. Für Aristoteles hängt die Austrocknung mit dem Blutmangel zusammen; der alte Körper leide an einem Mangel an Blut, das das Herz nähre.17 Ihm zufolge leben Männer länger als Frauen, weil ihre Körper länger die Hitze bewahren und weniger unter Blutmangel leiden als der weibliche Körper, der durch Geburten erschöpft werde.18Altersdemenz leitet Galen, der der Auffassung von der Alterung als Krankheit nicht folgte, von der Kälte ab. Ovid wiederum kann aufgrund der Vorstellung vom Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  111

alten Körper als kalt das Alter mit dem Winter gleichsetzen.19 Um der Erkaltung des Körpers entgegenzuwirken, empfehlen die antiken Ärzte warmes Essen und vor allem den Genuss von Wein, weil Wein den Körper erhitze und vor Depressionen des Alters schütze.20 Platon zählt den Wein zu den helfenden Heilmitteln (phármakon) gegen den strengen Ernst des Alters.21 Livia (Iulia Augusta), die 86 Jahre alt wurde, schrieb laut Plinius dem Älteren ihr langes Leben dem Wein von Pucinum zu.22 Auf einem Grabstein in Ostia preist sich der Verstorbene ob der vielen Jahre, die er den Bädern, dem Wein und der Liebe verdankte.23 Auch wenn in diese Vorstellungen zweifellos Erfahrungen des biologischen Alterungsprozesses eingeflossen sind, so stehen auch die medizinischen Diskurse in einer Tradition kosmologischer Ordnungsvorstellungen, die ihrerseits wiederum erfahrungsgetränkt sind. Richard B. Onians hat in seiner Analyse frühgriechischer Körpervorstellungen deutlich gemacht, dass der Körper als ein System von Substanzen verstanden wird, die ihre Entsprechung in der natürlichen Umwelt haben. So ist in den Epen Homers der Stoff des Lebens, aiôn, der den Körper ebenso wie die psychê, die „Seele“, im Falle des Todes verlässt, als eine Flüssigkeit imaginiert, die sich in Tränen, Schweiß, Samen und Rückenmark manifestiert, welche ihrerseits der befruchtenden Wirkung des Wassers auf den natürlichen Wachstumsprozess entsprechen. Die medizinische Vorstellung der Alterung als Austrocknung und der von den Ärzten propagierte Nutzen des Weines – zu verstehen als eine Lebensflüssigkeit zur Bewässerung des Körpers – ist für Onians Resultat dieser gedanklichen Gleichsetzung von menschlichem und pflanzlichem Leben, die er bis in die Schriften der Spätantike gegeben sieht.24 Ebenso wie der Boden bedarf daher auch der Körper der regelmäßigen Pflege und erfordert verantwortliches Handeln. Die Vorstellung vom Körper als Projektionsfläche für eine natürliche Umwelt und vice versa bedeutet also nicht, dass es keinen Spielraum für individuelles Handeln gab. In den medizinischen Diskursen wird vielmehr zunehmend die Verantwortlichkeit des Einzelnen für ein gesundes Alter betont.25 Ebenso wie es klare Vorstellungen vom „guten Tod“ gab,26 existierten präzise Anweisungen für das verantwortliche Altern. Allerdings beziehen sich viele dieser Aussagen auf den Körper des Kaisers, dessen Beschaffenheit wiederum als Metapher für den angemessenen Umgang mit den Ressourcen des Römischen Reiches gelesen werden kann.27 112  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

Zu Tode kamen erwachsene Männer und Frauen in der Antike vermutlich am häufigsten infolge von Kriegshandlungen und Geburten. Wenn in Sparta im Krieg gefallenen Männern und Frauen, die bei der Geburt gestorben waren, besonders ehrenvolle Bestattungen zugestanden wurden,28 so sagt dies gewiss etwas über die kriegerischen Wertvorstellungen der spartanischen Gesellschaft aus, lässt aber auch Schlüsse über die Verbreitung von Todesarten zu. Kriege waren endemisch und beeinflussten die Lebenserwartung nicht nur auf direkte, sondern auch indirekte Weise. Frauen und Kinder wurden im Falle der Eroberung einer Stadt in der Regel versklavt. Wurden Gefangene zu Bergwerkssklaven gemacht oder in Getreidemühlen eingesetzt, war ihre Lebenserwartung kaum höher als die von Häftlingen der Konzentrationslager während des Zweiten Weltkrieges. 29 Andererseits wissen wir aus Grabinschriften auch von Sklaven, die neunzig Jahre alt wurden. Es handelt sich dabei in erster Linie um Sklaven, die in kaiserlichen Diensten standen, und ranghohe Posten im kaiserlichen Haushalt einnahmen.30 Von ihren Herren und Herrinnen kann man annehmen, dass sie aufgrund der besseren Lebensbedingungen ohnehin älter als der Durchschnitt wurden. Der republikanische Feldherr Marius wurde siebzig Jahre alt; Kaiser Augustus starb mit 77 Jahren; seine Gattin Livia mit 86 Jahren. Politische Konflikte wiederum konnten die durchschnittliche Lebenserwartung der Mitglieder der Elite erheblich reduzieren. Viele Kaiser der frühen Prinzipatszeit starben bereits in jungen Jahren, weil sie die Spielregeln der Kommunikation mit der entmachteten Senatorenschaft nicht beherrschten und einem Mordanschlag zum Opfer fielen.31 Aufschlüsse über das tatsächliche Zusammenleben der Generationen bieten über demographische Untersuchungen hinaus vor allem Forschungen zur Haushaltsstruktur. Während in der älteren Familienforschung die Annahme vorherrschte, dass sich in der Antike eine Entwicklung von der Großfamilie zur Kleinfamilie vollzogen habe, wird in der jüngeren Forschung inzwischen differenzierter argumentiert und von einer Vielzahl von Typen der häuslichen Gemeinschaft ausgegangen. Neben dem „nuclear household“ mit dem Ehepaar und den Kindern findet sich in Griechenland häufig der Typus der „joint family“.32 Nach den Untersuchungen von Cheryl Anne Cox zur Haushaltsstruktur im antiken Athen beherbergte ein attisches Hauswesen (oîkos33) im 4. Jahrhundert zu 60 bis 67 Prozent zwei bis vier freie Personen; Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  113

29 Prozent erreichten dagegen die für vorindustrielle Gesellschaften typische Größe von vier bis sechs freien Personen. Ihre Daten basieren auf der Auswertung von Gerichtsreden und Grabinschriften. Die Varianten in der Größe der Haushalte erklärt sie mit Witwenschaft, Vormundschaft, Adoption oder Mehrfachheiraten. Sie weist mit Nachdruck darauf hin, dass Krieg, Tod bei der Geburt und Verbannung den normalen Lebenszyklus der Familie oftmals erheblich störten. Viele Kinder, die später in den Gerichtsreden als Kläger auftreten und ihren Besitz von Verwandten einfordern, wurden nicht von ihren eigenen Vätern und Müttern, sondern von dem Bruder des Vaters oder der Schwester des Vaters aufgezogen.34 Der Oikos war demnach weniger stabil, als es die obige Aussage zur Fürsorge für den alten Vater aus der Komödie suggeriert. Gerade für die Männer der Elite, denen aufgrund von Verbannung und Krieg ein hohes Maß an Mobilität abverlangt wurde, muss das Zusammenleben mit der Familie nur allzu oft eine fiktive Größe gewesen sein. So heißt es in einer Rede des Demosthenes, in der der Sprecher vom Schicksal seines Vaters erzählt, dass dieser während des Krieges gefangen genommen und als Sklave nach Leukas verkauft worden sei. Seine Mutter habe sich deshalb als Amme verdingen müssen.35 Demosthenes selbst, der als Gesandter häufig in Makedonien war, wurde von seinen Gegnern wegen seiner seltenen Anwesenheit in Athen angegriffen.36 Auch in den Fällen, in denen das um 508 v. Chr. eingeführte Scherbengericht (ostrakismós) die zeitweise Verbannung erzwang – im Athen des 5. Jahrhunderts v. Chr. waren rund 20 Familien betroffen –, blieben Kinder und Ehefrauen oftmals in Athen zurück, während die Männer das Exil aufsuchten. Hinzu kommen Nichtverwandte, die zeitweise oder dauerhaft in den Haushalt aufgenommen wurden: die Konkubine oder der männliche Liebhaber, die zahlreiche Konflikte heraufbeschwören; die freigelassene Amme, die den Lebensabend im Hause ihres Ziehkindes verbringt; der freigelassene Sklave, der wie Phormion die Bankgeschäfte seines Herrn weiterführt und in dessen Familie einheiratet; die Freunde und Nachbarn, die sich im Falle der Abwesenheit des Hausherrn um das zurückgelassene Vermögen kümmern oder dieses veruntreuen, wie in den Gerichtsreden beklagt wird; der Gastfreund aus der Fremde, der zeitweise zum Familienmitglied und in manchen Fällen sogar als Heiratskandidat geschätzt wird.37 114  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

Noch bunter wird man sich das Zusammenleben der Generationen in einem römischen Haushalt der Senatsaristokratie, in einer domus, vorstellen müssen. Gemeint ist mit domus der Raum, in dem die Hausgemeinschaft lebte, das Haus, aber auch die dort lebende Hausgemeinschaft selbst, womit auch die mütterlichen Verwandten einbezogen sind. Auch konnte domus das Vermögen des Hauses meinen, den sichtbaren Status eines Hauses.38 Gerade das römische Stadthaus bildete keine private und abgeschlossene Zuflucht, sondern stand in weiten Teilen jedermann offen. Denn von vornehmen Bürgern der Stadt wurde erwartet, dass sie ihr Leben wie auf einer Bühne führten.39 Für die Heranwachsenden war das Haus eines römischen Senators aufgrund seines öffentlichen Charakters ein Ort, an dem sie in das politische Leben eingeführt wurden. Da war zum einen der Morgenempfang der Klienten, die salutatio, die im Atrium des Hauses stattfand und den Umfang der Gefolgschaft eines römischen Aristokraten erkennen ließ. Tagsüber war das Haus von der Geschäftigkeit der Sklaven und Freigelassenen erfüllt, die für die alltäglichen Bedürfnisse und die aufwendigen Gastmähler sorgten, die am Abend für die politischen Freunde in reichen Häusern stattfanden. Der dort betriebene Aufwand wird nicht ohne Eindruck auf die jüngere Generation geblieben sein, die darüber mit ihrem zukünftigen Lebensstil vertraut wurde.40 Auch außerhalb des Hauses nahmen die jungen Römer am politischen Leben des Vaters teil, begleiteten ihn zum Forum, in den Senat, folgten ihm in die Provinzen. Über die Teilhabe am Leben des Vaters wurden die jungen Römer zu Bürgern erzogen. Autoren wie Cicero, Seneca oder Plinius sprechen in ihren Schriften immer wieder von der beispielhaften Erziehung durch den Vater. Denn so wie es Bürgerpflicht für einen Römer war, Söhne zu haben, so war die politische Erziehung des Sohnes zum Bürger vornehmliche Pflicht eines jeden Vaters.41 Für die römische Oberschicht bzw. Senatsaristokratie war nach jüngsten Untersuchungen sowohl die Kern- als auch Mehrgenerationenfamilie typisch.42 Damit ist weniger das Zusammenleben von Großeltern, Eltern und Kindern gemeint, sondern von Geschwistern unterschiedlichen Alters. Da in der Spätphase der römischen Republik die Männer aus politischen Gründen, aber auch aufgrund der hohen Müttersterblichkeit mehrere Ehen eingingen, war der Altersunterschied zwischen den Kindern eines Mannes oftmals sehr beträchtlich, zumal die Söhne Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  115

von Senatoren vergleichsweise spät, mit etwa 25 Jahren, heirateten, die Töchter aber schon sehr früh mit zwölf oder vierzehn Jahren eine Ehe eingingen.43 Sulla, Pompeius und Marcus Antonius schlossen beispielsweise fünf Ehen, die Kaiser Augustus, Claudius und Caligula immerhin noch vier Ehen.44 Auf diese Weise konnte es dazu kommen, dass in einem Haushalt trotz einer Konzentration auf die Kernfamilie (Eltern und Kinder) faktisch drei Generationen zusammenlebten. Oftmals lebten erwachsene Söhne auch bei Verwandten, Großmüttern, Müttern oder Tanten, die für die Erziehung aufkamen. Als Beispiel sei der junge Ummidius Quadratus genannt, der von seiner Großmutter Ummidia Quadratilla aufgezogen und als Erbe bedacht wurde. Plinius erwähnt in einem seiner Briefe den Tod der fast achtzigjährigen Ummidia Quadratilla und lobt ihren Familiensinn, weil sie ihrem Enkel zwei Drittel, ihrer Enkelin ein Drittel ihres Vermögens vererbt habe. Ganz nebenbei gibt er einen Einblick in die Vergnügungen einer alten Dame: „Aus ihrem eigenen Munde hörte ich, als sie mir die Studien des jungen Mannes ans Herz legte, als Frau pflege sie sich die vielen Mußestunden ihres Geschlechts mit dem Brettspiel zu vertreiben oder sich von ihren Pantomimen etwas vorspielen zu lassen, aber wenn sie das eine oder das andre wolle, schicke sie stets ihren Enkel hinaus an seine Bücher, was sie wahrscheinlich weniger aus Liebe als aus Scheu vor seiner Jugend tat.“ Erst im Alter von 24 Jahren bekommt der Enkel erstmals eine Kostprobe von den Künsten des freigelassenen Pantomimen seiner Großmutter, als er mit seinem Erzieher Plinius an den Priesterspielen einem Wettstreit der Pantomimenkünstler beiwohnt.45 Söhne der senatorischen Oberschicht verließen aber in der Regel mit dem Anlegen der toga virilis das Haus des Vaters und nahmen eine eigene Wohnung. Cicero verteidigt in seiner Rede für M. Caelius Rufus dessen Anmietung einer Wohnung auf dem Palatin, da dieses mit Billigung des Vaters geschehen war.46 Caelius hatte zu diesem Zeitpunkt bereits erste Prozessreden gehalten und wird nicht älter als 25 Jahre gewesen sein. Vor allem verheiratete Söhne gründeten einen eigenen Hausstand, ohne dass sie damit allerdings rechtliche oder wirtschaftliche Autonomie erlangten.47 Taten sie dies nicht, wurde dies als Zeichen der Bedürftigkeit einer Familie gewertet.48 Im Falle der Scheidung konnte es vorkommen, dass Söhne ins väterliche Haus zurückkehrten, wie dies Cicero von seinem Neffen Quintus berichtet.49 116  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

Aus Pompeji kennen wir darüber hinaus auch Beispiele des Zusammenlebens von Brüdern. Von zwölf Häusern, deren Inschriften mehrere patres familiae verzeichnen, weisen sechs für ihre Bewohner den gleichen Gentilnamen aus, d. h. es handelt sich um Häuser von Brüdern oder Seitenverwandten.50 Da die Digesten das rechtliche Problem behandeln, wer im Falle des Zusammenwohnens die Haushaltungskosten trägt, kann diese Wohnstruktur nicht allzu selten gewesen sein.51 Plutarch überliefert, dass Marcus Crassus mit seinem Bruder unter dem väterlichen Dach lebte und beide mit ihren Gattinnen an einem Tisch speisten.52 M. Laenius Flaccus aus Brundisium teilte sein Haus mit Vater und Bruder, erfahren wir von Cicero.53 Für eher selten hält es Yan Thomas, dass Söhne bei verwitweten Müttern lebten, wie dies für den Sohn der Marcia in Senecas Trostrede für die Mutter belegt ist.54 Verwitwete Mütter zogen eher zu ihren Söhnen. Auch ist es nach den Untersuchungen von Saller und Shaw aufgrund des hohen Heiratsalters der Väter unwahrscheinlich, dass Väter und Söhne lange zusammen unter einem Dach lebten.55 Für das römische Ägypten des 1. bis 3. Jahrhunderts n. Chr. haben Bagnall und Frier auf der Basis von 167 Zensusinschriften eine Haushaltsstruktur ermittelt, die auf eine etwa gleich hohe Zahl an Haushalten mit Mehrgenerationenfamilien und „Single“-Haushalten verweist. Das von ihnen ermittelte Muster entspricht der Haushaltsstruktur, wie sie etwa das frühneuzeitliche Florenz im 15. Jahrhundert aufweist. In beiden Fällen setzt sich die Mehrzahl der Haushalte (Ägypten: 43,1 Prozent; Florenz: 54,8 Prozent) aus Paaren mit Kindern zusammen (conjugal family); in etwa 15 Prozent der Haushalte (Florenz: 10,6) kommen Verwandte hinzu (extended family); Drei- bzw. Mehrgenerationenhaushalte (multiple family) machen 21 Prozent aus (Florenz: 18,7). Als Beispiel für eine multiple Haushaltsstruktur führen Bagnall und Frier den Weber Herodes (50) an, der mit seiner Ehefrau Eirene (54) und acht überlebenden Kindern zusammenlebt; der älteste Sohn (29) hat eine Schwester geheiratet; sie haben zusammen zwei Söhne im Alter von einem Jahr. Ein weiterer Sohn (26) hat eine Frau (29) außerhalb der Verwandtschaft geheiratet. Auch dieses Paar hat Söhne, der ältere ist 13 Jahre alt. Hinzu kommen vier erwachsene Kinder des Bruders des Herodes; zwei von ihnen sind verheiratet und haben Töchter im Alter von einem Jahr.56 Möglicherweise hängt diese Zusammensetzung mit der Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  117

ökonomischen Struktur eines Weberhaushaltes zusammen. Vor allem Inschriften aus dem städtischen Bereich weisen viele Gewerbetreibende im Textilbereich (Leinenweber, Wollwäscher, Walker etc.) auf.57 In sieben Fällen konnten sie die Veränderung der Haushaltsstruktur über einen längeren Zeitraum beobachten. In einem Haushalt in Arsinoë lebten bei der ersten Zensuszählung drei Brüder im Alter von 30, 20 und 7 Jahren zusammen, von denen der Älteste mit einer 25jährigen Frau verheiratet war. Im nächsten Zensus ist dieser älteste Bruder nun 44 Jahre und nicht mehr verheiratet, d. h. er ist entweder geschieden oder Witwer geworden. Der jüngste Bruder ist inzwischen 21 und verheiratet mit einer 25jährigen Frau; sie haben keine Kinder. Bei der dritten Zählung ist der älteste Bruder, der nun 58 Jahre alt wäre, verstorben; die anderen beiden Brüder (48 und 35 Jahre alt) sind beide verheiratet und haben Kinder. In einem anderen Fall aus Arsinoë leben Frauen verschiedener Generationen zusammen. Eine Frau im Alter von 53 lebt mit zwei erwachsenen Söhnen im Alter von 33 und 32 Jahren, mit ihrer Schwester, die 28 Jahre alt ist, sowie mit der siebzigjährigen Schwester der Schwiegermutter zusammen. Vierzehn Jahre später ist die ältere Generation tot und es leben nun die beiden Söhne mit ihren Ehefrauen sowie drei Söhnen und zwei Töchtern zusammen.58 Insgesamt kommen Bagnall und Frier auf eine Durchschnittsgröße von 4,3 Personen pro Haushalt, wobei die Anzahl der Haushalte von Alleinstehenden immerhin 16,2 Prozent ausmacht.59 Diese Alleinstehenden sind es, deren Situation im Alter prekär ist, wie etwa die Bittschrift einer alten Bierverkäuferin belegt, die mit dem Fortgang ihrer Tochter sowohl Einkommen als auch Alterspflege verloren hat.60 Umgekehrt zeigt sich eine Mutter über die Tätigkeit des Sohnes als Lehrer für die Kinder eines Arztes beruhigt, da ihm damit der Lebensunterhalt für das Alter sicher sei.61 Daraus lässt sich folgern, dass es eher die Vermögensverhältnisse und nicht die Kinder waren, die Garant für ein sorgloses Altern waren.

2. Alterspflege Ein Übel ist für den frühgriechischen Dichter Mimnermos das Alter, wenn Unglücksfälle wie der Verfall des Oikos, der Verlust der Kinder 118  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

(paîdes) oder verzehrende Krankheiten eintreten.62 Das bedeutet nicht, dass es immer die Kinder waren, die für die Alten sorgten, wenn diese gebrechlich wurden. Für Rom muss man ohnehin annehmen, dass innerhalb der Senatsaristokratie die tägliche Fürsorge für die Alten nicht auf den Kindern lastete, sondern die Vermögensverhältnisse es erlaubten, Sklaven und Freigelassene für die körperliche Pflege, vor allem aber, wie das Beispiel der Ummidia Quadratilla zeigt, für die Unterhaltung zu beauftragen. Wer immer sich positiv über ein hohes Lebensalter äußert, erwähnt auch eine Grundbedingung: ausreichendes Vermögen. Das gilt bereits für den epischen Dichter Homer. „Wäre ich doch der Sohn eines glücklichen Mannes, der mit seinem Besitz ein hohes Alter erreichte (ὃν κτεάτεσσιν ἑoῖς ἔπι γῆρας ἔτετμε)!“, heißt es von Telemachos im Homerischen Epos.63 Besitz in Gestalt eines Reb- und Obstgartens steht seinem Großvater Laërtes noch im hohen Alter zur Verfügung; für das alltägliche Wohl sorgt eine alte sikelische Magd, wohl eine Sklavin.64 Freilassungsurkunden, die aus dem kleinasiatischen Herakleia und aus Delphi stammen, sehen für die freigelassene Person häufig die Verpflichtung vor, für den Freilasser im Alter zu sorgen und bis zum Tode bei ihm zu bleiben.65 In Menanders Komödie Aspis findet sich der Typus des alten Mannes, der weder Verwandte noch Freunde hat, aber eine alte Magd (γραῦν ἕχων διάκoνoν), die für ihn sorgt.66 Gleichwohl wird auch auf die Fürsorge durch Ehefrauen und Töchter verwiesen. Im Monotro­ pos (Einsiedler), einer Komödie des Phrynichos aus dem Jahre 414 v. Chr., heißt es: „Mein Name sei Einsiedler, ich führe mein Leben nach Art des Timon, unverheiratet, ungebunden, jähzornig, unzugänglich, ohne ein Lächeln auf den Lippen, ohne mich mit jemandem zu unterhalten, als alter Mann, ohne Frau […].“67 Plinius d. J. nennt als Negativbeispiel für ein langes Leben den gebrechlichen Domitius Tullus, der auf die Fürsorge der Ehefrau und seiner Sklaven angewiesen sei.68 Tim Parkin nimmt an, dass in Rom eine jüngere Ehefrau eine Versicherung gegen das Unbill des Alters war. Wiederverheiratung von verwitweten Männern sei in Rom die Norm gewesen. In diesem Sinne deutet er auch die Aussage des Plinius über seine dritte Ehefrau Calpurnia, die sich nicht von der körperlichen Erscheinung, die einem Alterungsprozess unterworfen sei, sondern vom Ruhm (gloria) des Ehemannes angezogen gefühlt habe.69 Manche wählten auch den Weg der Adoption, um im Alter versorgt zu sein.70 Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  119

In Athen war die Wiederverheiratung von Witwern aus Gründen des Erbrechts selten. Hier nahmen sich verwitwete Männer vielmehr eine Konkubine, die für die Alterspflege zuständig war.71 Wenn auf die Notwendigkeit der Fürsorge durch Kinder verwiesen wird, geht es eher um wirtschaftliche als um pflegerische Nöte. Aus dem ptolemäischen Ägypten sind Bittgesuche von Müttern überliefert, die sich über den Fortgang ihrer Töchter grämen. So beklagt sich Aunchis im Jahre 253 v. Chr., dass ihre Tochter fortgegangen sei, die ihr beim Bierverkauf geholfen habe, wozu sie sich aufgrund ihres Alters allein nicht mehr in der Lage sehe.72 Der christliche Armutsdiskurs kreist um eben diese verlassenen Alten der unteren Schichten, die für ihren Lebensunterhalt nicht mehr sorgen konnten. Ihrer nahmen sich zunehmend die christlichen Gemeinden an.73 Aber auch die Frauen, die zugunsten eines asketischen Lebens ihre Angehörigen verließen und ihr Vermögen den christlichen Gemeinden vermachten, waren auf Fürsorge im Alter angewiesen.74 Die Lebensbedingungen der Sklaven und Freigelassenen im Alter hingen grundsätzlich von der Nähe zum Patron oder der Patronin bzw. von ihrem Tätigkeitsfeld ab. Ein Herr (ánax), so heißt es im Epos, lässt auch seine alten Sklaven nicht elend gekleidet herumlaufen, wenn sie noch arbeiten können.75 Sklaven, die einem Gewerbe nachgingen, hatten die Möglichkeit zur selbständigen Altersvorsorge. So werden die zum Teil reichen Schmuckgeschenke, die Hetären von ihren Freiern erhielten, als Alterssicherung gewertet.76 Ältere Hetären mussten, wenn ihnen der Freikauf und die dauerhafte Aufnahme als Konkubine in den Haushalt des Liebhabers nicht gelang, mit der Abschiebung in Bordelle rechnen. Mit einem Liebestrank hatte sich die Konkubine (pallakê) eines gewissen Philoneos vor der Abschiebung ins Bordell zu retten versucht, war aber gescheitert. Denn der Trank erwies sich als so stark, dass der Mann starb, wie in einer attischen Gerichtsrede überliefert ist.77 Auch waren ältere Hetären als Kupplerinnen tätig bzw. lebten vom Gewerbe ihrer Töchter.78 Die Armut, Penia, tritt in der Komödie bezeichnenderweise in der Gestalt der alten, hässlichen (Bordell-)Wirtin (kapêlis) auf.79 Kaiserliche Sklaven wie ehemalige dispensatores (Rechnungsführer) konnten im hohen Alter mit Freilassung rechnen, wie Heinrich Chantraine nachgewiesen hat, und sich aufgrund ihres Reichtums den Kauf eines Landgutes leisten.80 Columella beklagt in der Vorrede zu seinen 120  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

zwölf Büchern über die Landwirtschaft, dass ein reicher Gutsbesitzer „aus der Masse seines Gefolges und seiner Sänftenträger den ältesten und klapprigsten auf das Landgut“ abgestellt habe, der von seiner neuen Tätigkeit nichts verstünde.81 Mit besonders aufmerksamer Fürsorge konnten Ammen rechnen. Der jüngere Plinius überlässt seiner Amme ein Landgut im Wert von einhunderttausend Sesterzen. „Ich danke Dir, daß Du es übernommen hast“, schreibt er an einen Freund, „das Gütchen, das ich meiner Amme geschenkt hatte, zu bewirtschaften. Als ich es ihr schenkte, war es 100 000 Sesterze wert; hernach bei abnehmenden Erträgen verminderte sich auch sein Wert, der jetzt unter Deiner Verwaltung wieder steigen wird. Denke nur immer daran, daß es nicht die Bäume und Äcker sind, die ich Deiner Obhut übergebe, sondern ein Geschenk von mir! Daß es so ertragreich wie möglich wird, daran liegt mir, der ich es verschenkt habe, nicht weniger als ihr, die es bekommen hat.“82 Zum Vergleich: Der Jahressold eines Legionärs, von dem noch Aufwendungen abgezogen wurden, betrug zur gleichen Zeit, unter der Herrschaft des Kaisers Domitian, 1200 Sesterze.83 Diese Fürsorge für unfreie Bedienstete eines städtischen Hauswesens ist nicht auf Landsklaven zu übertragen. Agrarschriftsteller wie Cato gaben die Empfehlung aus, alte und kranke Sklaven zu verkaufen – eine Haltung, die Plutarch in seiner Cato-Biographie heftig kritisiert. 84 Zynismus klingt auch in der Bemerkung des alternden Seneca an, der beim Besuch eines seiner Landgüter einen alten, in Jugendjahren hoch geschätzten Sklaven auf der Türschwelle sitzend erblickt und sich unvermittelt mit dem eigenen Alter konfrontiert sieht: „Wohin ich mich wende, sehe ich Beweise für mein hohes Alter (argumenta senectutis meae). Ich war in mein Gut vor der Stadt gekommen und beklagte mich über die Reparaturkosten für das schadhafte Gebäude. Da erklärte mir der Verwalter, daran sei nicht Schlamperei seinerseits schuld; er tue alles mögliche, doch das Landhaus sei eben alt. Dieses Landhaus wurde nach meinen Weisungen erbaut. Was steht mir noch bevor, wenn schon Steine meines Alters so morsch sind? […] Ich wende mich zur Tür: ,Wer ist das dort?‘ frage ich, ,der altersschwache Bursche, den man zu Recht vor den Eingang gesetzt hat? Er schaut ja schon nach dem Leichenwagen! Wo hast du den nur aufgeklaubt? Was macht es dir für ein Vergnügen, fremde Todeskandidaten einzusammeln?‘ Da ruft der Alte: ,Erkennst du mich denn nicht? Ich bin Felicio, dem du immer Wachs­ Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  121

püppchen (sigillaria)85 mitbrachtest; ich bin der Sohn des Verwalters Philositus, dein kleiner Liebling (deliciolum tuum).‘ – ,Er ist völlig übergeschnappt‘, denke ich, ,ein kleiner Junge (pupulus), mein Liebling (deli­ cium meum) gar ist er geworden. Ganz gut möglich! Ihm fallen eben die Zähne aus.’“86 Deliciolum, wie sich hier der alte Sklave selbst bezeichnet, oder deliciae nannte man kleine Sklavenkinder, an denen man als Zeitvertreib Gefallen fand und die wie Ziehkinder behandelt wurden; manche von ihnen dienten auch den sexuellen Bedürfnisse ihrer Herren. Mit der letzten Bemerkung spielt Seneca auf die Zahnlosigkeit der Alten an, mit der sie Kindern gleichen, die ihre Milchzähne verlieren.87 Der Platz an der Türschwelle und der Blick nach draußen ist als Verweis auf den nahen Tod zu deuten: In der Eingangshalle des Hauses wurden die Toten aufgebahrt; von hier führte der Leichenzug zur Grabstätte. Die Bemerkung des Seneca lässt keinen Zweifel daran, dass alt gewordene Lustknaben als Last empfunden wurden. Wenn unter Kaiser Claudius ausgediente Sklaven, die im Alter ausgesetzt wurden, für frei erklärt wurden, ist das weniger als Schutzmaßnahme für die Sklaven zu verstehen, sondern eher als Freisetzung des Patrons von der Pflicht der Versorgung. Denn wovon sollte sich ein ausgedienter Sklave noch ernähren können außer vielleicht vom Betteln?88 Die Attraktivität des Christentums mag man auch daran ermessen, dass die Fürsorge der christlichen Gemeinden für die Alten auch solche alte Sklaven und Freigelassene einschloss. Waren Notleidende zunächst im Haus des Bischofs untergebracht, entwickelte sich aus dieser persönlichen Gastfreundschaft die Institution des Xenodocheions als Stätte christlicher caritas, in denen Arme und Alte Unterkunft fanden. Unter den Päpsten Pelagius und Gregor entstanden spezielle Altersasyle.89

3. Generationenkonflikte in Griechenland So strikt die normativen Anforderungen an das Verhalten der Jugend gegenüber den Alten in allen antiken Gemeinwesen auch waren, so muss doch an der Befolgung dieser Normen gezweifelt werden. Seit Beginn der literarischen Überlieferung sind gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Generationen thematisiert, die keineswegs immer als tragischer Konflikt inszeniert werden wie die Geschichte von Ödipus, der 122  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

unwissentlich seinen Vater tötete und seine Mutter heiratete. In der epischen Dichtung werden Söhne oftmals im Loyalitätskonflikt zwischen Mutter und Vater gezeigt, der tödlich endet. Im 9. Gesang der Ilias lässt der Dichter den Erzieher des Achilleus, Phoinix, von den Umständen seiner Flucht nach Phthia berichten. Auslöser war ein Konflikt um die Nebenfrau des Vaters. Auf Wunsch der Mutter schläft Phoinix mit ihr, „damit sie verabscheue den Alten“. Er wird daraufhin von seinem Vater verflucht, der ihm wünscht, „daß niemals auf “ sein „Knie gesetzt werde ein eigener Sohn, der von“ ihm „gezeugt sei“.90 Auch die Tragödie, vor allem aber die attische Komödie thematisieren Konflikte zwischen Vätern und Söhnen. Der Vater-Sohn-Konflikt fungiert hier vielfach als Folie für Konflikte in der politischen Arena.91 Geht es in den Wespen (422 v. Chr.) des Aristophanes um die Richterwut der alten, nicht mehr waffenfähigen Athener, so werden in den Wol­ ken die Wortklaubereien der Sophisten aufgespießt. In den Wespen lenkt der Sohn das Interesse des alten Vaters am Gerichtswesen erfolgreich um auf die Freuden des Symposions; der ehemalige Heliast wird zum Schlemmer. Dabei schlägt der Vater über die Stränge; er entführt eine Flötenspielerin vom Symposion und verspricht ihr den Freikauf, wenn der Sohn gestorben sei. Die Verspottung des alten Vaters als „abgetragener Schuh“ oder „wertlosen Kehricht“ (Verse 441–47; 539–543) spiegelt nach den Untersuchungen von Barry S. Strauss indes ebenso wenig wie die Frauenherrschaft in anderen Komödien die Alltagswirklichkeit und damit das Vater-Sohn-Verhältnis im Haus wider, sondern verweist auf Konflikte zwischen Jung und Alt in der politischen Arena, die in der häuslichen Sphäre verhandelt werden und deshalb komisch wirken. Den politischen Hintergrund der Wespen bildet die Erhöhung des von Perikles eingeführten Richtersoldes von zwei auf drei Obolen durch Kleon, der sich auch in sprechenden Namen der Protagonisten Philokleon („der Kleon liebt“) und Bdelykleon bzw. Antikleon („der Kleon verabscheut“) niedergeschlagen hat.92 Wenn in den Wolken die Lehre bei den Sophisten dazu führt, dass der Sohn dem Vater plausibel machen kann, dass es recht ist, den alten Vater zu prügeln („Die Alten sind bekanntlich zweimal Kinder, / Und zweimal mehr verdienen sie drum Prügel als die Jungen“, Vers 1417/8), dann ist auch dies weniger ein Beleg für die Alltagswirklichkeit, für die Zunahme von Gewalt gegen die Alten, sondern eher eine Anspielung auf die Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  123

Macht der Rhetorik, die geeignet ist, die althergebrachten Verhältnisse umzukehren. Da politische Entscheidungen seit der Entmachtung des Areopags (462/1 v. Chr.) in erster Linie in der Volksversammlung fielen, war die Rhetorik im Laufe des 5. Jahrhunderts v. Chr. zu einem bestimmenden Element der Politik geworden. Die Anhängerschaft musste durch rednerische Überzeugungskraft immer wieder neu gewonnen werden. Gerade über Kleons Redegewalt kursierten zahlreiche Schmähungen, die in der Aussage des kaiserzeitlichen Biographen Plutarch kulminieren, der die Komödientexte gut kannte: „Er war der erste, der beim Reden losbrüllte, sich das Gewand von der Schulter riß, auf den Schenkel schlug, während des Sprechens hin und her rannte und so unter den Politikern die Würdelosigkeit und die Missachtung des Schicklichen aufbrachte.“93 In Aristophanes’ Komödie Die Ritter wird dieser neue Redestil, den Kleon pflegte, mit einer niedrigen Herkunft verbunden: „[…] den Demos suche stets für dich zu gewinnen, / indem du ihn freundlich stimmst mit gut zurechtgekochten Wörtlein. / Die anderen demagogischen Fähigkeiten sind dir zu eigen; / Eine grässliche Stimme hast du, niedrige Herkunft, und du bist von der Agora.“94 Das ist kein Hinweis auf die tatsächliche niedrige Herkunft der Politiker des 5. Jahrhunderts95 als vielmehr auf einen bewussten Politikstil, der nach Christian Mann in der gezielten Ablehnung der Bildung (mousikê téchnê) und damit in der Zurschaustellung der Zugehörigkeit zur Mehrheit des dêmos lag. Ein gebildeter Mann, anér mousikós, habe, so Christian Mann, weit schlechtere Chancen gehabt, vom Volk gehört zu werden als ein Demagoge, der als ungebildet (amathês) aufgetreten sei.96 Explizit wird auch in den Acharnern (425 v. Chr.) die Kritik am neuen Politikstil über einen Generationengegensatz zum Ausdruck gebracht. Hier beklagt der Chor der Alten die Missachtung der Generation, die noch vor Marathon gekämpft und die Perser geschlagen habe (Verse 676–718), jetzt aber von „jungen, losen Rednern“ verspottet werde: „Klage führen wir, die Alten aus der alten, guten Zeit: / Schlecht hat uns der Staat vergolten, daß wir ihm zur See gedient; / So verpflegt ihr uns im Alter für der Jugend saure Mühn, / Daß ihr allen Tort uns antut, an den Hals Prozesse werft, / Uns verspotten laßt von jungen, losen Rednern, uns, gebeugt / Von den Jahren, schwach und heiser, ausgeblasnen Flöten gleich, / Deren Hort und Retter einzig noch des Alters Krücke ist. /  Wankend, mit gebrochner Stimme stehn wir an dem Rednerstein […]. Ja, 124  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

wie ist’s Sünde nicht, einen Mann / Alt und grau, zu verderben im Gericht, / Der doch einst viel Mühn auf sich lud und den Schweiß, /  Männlich, heiß, triefend reich von der Stirn, abgewischt, /  Und dereinst in Marathon um die Stadt sich bewährt?“97 Tatsächlich kann zur Zeit der Aufführung des Stückes im Jahre 425 v. Chr. kein Athener mehr bei Marathon (490 v. Chr.) mitgekämpft haben. Konkret geht es hier um die politischen Auseinandersetzungen um die rechte Kriegstaktik im Peloponnesischen Krieg, die anhand eines Gegensatzes von jungen Volksrednern und kriegserfahrenen Strategen vor Augen geführt werden. Anders als es die Komödie suggeriert, waren die familiären Verhältnisse von der ungebrochenen Autorität des Vaters bestimmt.98 Für konfliktträchtig im Alltag erachtet Winfried Schmitz in Athen vor allem die Hofübergabe an die nächste Generation, die für ihn den eigentlichen Hintergrund für die oben erwähnten gesetzlichen Regelungen bildet. Nach Schmitz galt als mündlich tradierte Norm, dass der Vater mit etwa 60 Jahren die Hausgewalt übergeben sollte.99 Schriftlich überliefert sind indes nur die Verpflichtungen der Söhne. Nach Dionysios von Halikar­ nassos haben Gesetzgeber wie Solon, Pittakos und Charondas Strafen gegen ungehorsame Söhne festgelegt und diese vom Erbe ausgeschlossen.100 Mit der Solonischen Regelung, dass den alten Eltern Unterhalt zu gewähren ist und das väterliche Gut nicht verschleudert werden darf,101 sind, so hat Fritz Gschnitzer mit Recht argumentiert, weniger die griechischen Bauern als vielmehr die grundbesitzlosen Bürger Athens angesprochen.102 In diesen Kontext können wohl die Strafen für gewalttätige Söhne eingeordnet werden, die Platon in seinem Idealstaat für notwendig erachtet. Während er für die Verletzung eines nahe stehenden oder befreundeten Menschen nur die Verbannung ohne Vermögenseinzug vorsieht, fordert er für Vergehen an Mitgliedern eines Hauswesens und an Verwandten die Todesstrafe: „Wenn aber ein Kind seine Eltern oder ein Sklave seinen Herrn in gleicher Weise vorsätzlich verletzt hat, so sei seine Strafe der Tod. Auch wenn ein Bruder seinen Bruder oder seine Schwester oder wenn eine Schwester ihren Bruder und ihre Schwester auf die gleiche Weise verwundet hat und der vorsätzlichen Verletzung schuldig befunden wird, soll ihre Strafe der Tod sein. Wenn aber eine Frau ihren Mann in der Absicht, ihn zu töten, verletzt hat oder ein Mann seine Frau, so sollen sie auf immer verbannt sein.“103 Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  125

Zu den strafwürdigen Vergehen gegenüber den Älteren zählt Platon aber nicht nur unmittelbar körperlich ausgeübte Gewalttätigkeiten (βιαία / biaía), die zum Tode führen, sondern auch den mangelnden Respekt. „(E)ine Gewalttätigkeit (biaíon) ist aber auch jede Art von schmachvoller Behandlung (αἴκεια, αἰκία / aíkeia, aikía). Bei dergleichen muß jeder Mann, jedes Kind und jede Frau stets bedenken, daß die höhere Altersgruppe (τὸ πρεσβύτερoν / presbýteron) weit höhere Achtung als die jüngere genießt, und zwar sowohl bei den Göttern als auch bei den Menschen. Eine schmachvolle Behandlung, die an einem Älteren in der Polis begangen wird, ist daher als schändlich und gottverhaßt anzusehen. Dagegen gehört es sich für jeden jungen Menschen, der von einem Greis (γέρων / gérōn) geschlagen wird, daß er dessen Zorn mit Gleichmut erträgt, wodurch er sich selbst diese Ehre für sein Greisen­ alter (γῆρας / gêras) verdient. Folgendes soll also gelten. Jeder hat in Tat und Wort demjenigen, der älter ist als er, Ehrfurcht zu erweisen (αἰδείσθαι / aideísthai); denjenigen, der ihm um zwanzig Jahre voraus ist, ob männlich oder weiblich, soll er wie seinen Vater und seine Mutter ansehen und rücksichtsvoll behandeln; und überhaupt soll er sich um der Geburtsgötter willen niemals an der Altersstufe vergreifen, die ihn hätte zeugen oder gebären können.“104 Platon meint mit der schmachvollen Behandlung Schläge, die er ebenso geahndet wissen will: „Wenn jemand einen schlägt, der zwanzig oder mehr Jahre älter ist als er selbst, so soll sie erstens jeder, der gerade dazukommt und weder gleichaltrig noch jünger als die Streitenden ist, auseinanderbringen. […] Außerdem soll derjenige, der einen um die genannten Jahre Älteren zu schlagen gewagt hat, sich wegen Mißhandlung (aíkeia) verantworten, und wenn er im Prozeß schuldig gesprochen wird, soll er nicht weniger als ein Jahr im Gefängnis gehalten werden […].“105 Eine alternative Bestrafung ist die Verbannung, die den Verlust des Bürgerrechts implizierte: „[…] Wenn aber jemand der Mißhandlung seiner Eltern schuldig befunden wird, so soll er erstens für immer aus der Stadt (ásty) in den Rest des Landes (chôra) verbannt und von allen heiligen Stätten ausgeschlossen sein; will er sich aber nicht ausschließen lassen, so sollen ihn die Sklavenaufseher mit Schlägen bestrafen oder ganz wie es ihnen sonst beliebt; kehrt er aber zurück, soll er mit dem Tod bestraft werden.“106 Umgekehrt sind Anklagen gegen die Alten von Seiten der Söhne überliefert. Laut Cicero soll dies Sophokles widerfahren sein. In seinen 126  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

Augen stellt der Dichter ein Beispiel für geistige Beweglichkeit auch im hohen Alter dar. Er schrieb „bis ins hohe Alter Tragödien […]; sein Eifer darin erweckte den Anschein, als kümmere er sich um sein Hauswesen (res familiaris) überhaupt nicht mehr; daher brachten ihn seine Söhne vor Gericht: Die Richter sollten ihm wegen Schwachsinns (desipientia) die Verfügungsgewalt über sein Vermögen entziehen so wie auch bei uns einem Vater, der schlecht wirtschaftet, die Vermögensverwaltung abgesprochen zu werden pflegt. Da hat nun, wie es heißt, der greise Dichter die Tragödie, die er gerade in den Händen hielt und kurz vorher verfaßt hatte, seinen ,Oidipus auf Kolonos‘, den Richtern vorgelegt und dann die Frage gestellt, ob diese Dichtung nach ihrer Ansicht von einem Schwachsinnigen stamme. Auf die Rezitation hin erkannten die Richter auf Freispruch.“107 Trotz der Bescheinigung der Geistesfrische für den alten Dichter Sophokles müssen wir davon ausgehen, dass Altersstarrsinn und Altersdemenz auch in der Antike das Zusammenleben der Generationen belastete.108 Gesetze über Testamente enthalten meist einen Passus, der die Ungültigkeit im Falle geistiger Unzurechnungsfähigkeit festhält.109 Das römische Zwölftafelrecht sah vor, dass ein custos bestellt wurde, falls der pater familias nicht mehr zurechnungsfähig war.110 Auch Platon, der die Autorität der Alten schätzte und ihnen in seinem Idealstaat eine leitende Rolle einräumte, akzeptiert die Entmündigung des Vaters im Falle der Geistesverwirrung.111 In Athen war eine Klage wegen paranoía des Vaters möglich; hatte die Klage Erfolg, ging die Führung des Hofes an den Sohn über.112 Während Tragödie, Komödie und Gerichtsreden für Athen im Hinblick auf Konflikte zwischen den Generationen eine deutliche Sprache sprechen, fehlen für Sparta derartige Hinweise. Konflikte zwischen Alten und Jungen verliefen im hohen Maße in ritualisierten Bahnen. Ein Ventil für den Druck, der ob der Machtstellung der Alten auf den Jungen lastete, bildeten nach Schmitz Spottgedichte auf die Alten, deren Nachhall möglicherweise in der ritualisierten Altersklage zu fassen ist. Laut Plutarch kamen Jung und Alt auf der Agora zusammen, um unter Scherz und Gelächter gute Handlungen zu loben und schlechte zu tadeln. Lykurg selbst habe den Scherz als eine Versüßung des mühseligen und strengen Lebens zur rechten Zeit in die Gastmähler und Zusammenkünfte bringen wollen.113 Über das Auftreten von Lebensalter-ChöDie Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  127

ren an Festveranstaltungen wiederum wurde ein enger Zusammenhalt von Jung und Alt inszeniert. „Der Chor der Greise eröffnete und sang: ,wir waren einstmals wehrhaft junges Volk‘, ihm erwidernd sangen die in den Jahren der Kraft: ,wir sind es jetzt; versuch es, wenn du willst!‘, und als dritter sang der Chor der Knaben: ,Wir aber werden noch viel stärker sein‘.“ 114 Die aufeinander abgestimmten Aussagen der Chöre enthalten das Versprechen, dass die kriegerischen Leistungen der Jungen mit Privilegien im Alter belohnt werden. Diese Vorrangstellung der Alten, die mit dem politischen Herrschaftsanspruch der Geronten korrespondiert, ging in Sparta mit der Wertschätzung des Heldentods der Jungen einher. In Athen dagegen galt ein Leben erst dann als vollendet, wenn die Sicherung des Fortbestandes des Hauswesens gewährleistet war. (Vgl. Kap. VI/1) Hinter diesen mentalen Mustern stehen unterschiedliche Strukturen in Athen und Sparta: Bestand die athenische Polis aus einem Zusammenschluss verschiedener Hauswesen, die in einem Gleichgewicht zueinander gehalten werden mussten, um die Entstehung einer Tyrannis zu verhindern, so dominierten in Sparta korporative, nach Altersklassen gegliederte Zusammenschlüsse wie Tischgemeinschaften das politische Leben, die der Durchsetzung des Senioritätsprinzips Vorschub leisteten.

4. Delikt Vatermord. Generationenkonflikte in Rom Für die römische Gesellschaft sind Generationenkonflikte vor allem seit der Zeit der späten Republik überliefert. Sie betreffen in erster Linie das Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen innerhalb der Senatsaristokratie. Aufschlüsse über die Art der Konflikte bieten neben der Briefliteratur vor allem Komödientexte. Eine Quelle von Konflikten bildeten in Rom vorrangig politische Fraktionierungen, die quer durch die senatorischen Familien liefen. Der politische Machtkampf zwischen der mittleren und älteren Generation führte nach Suzanne Dixon zu gravierenden Konflikten, die den Zusammenhalt der senatorischen Familien ernsthaft erschüttern konnten.115 Als Beispiel führt Dixon die politischen Kontroversen zwischen Cicero und seinem Neffen Quintus an, die zeitweise gefährliche Formen annahmen, da Quintus seinen Onkel bei dessen politischem Gegner 128  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

anschwärzte. So berichtet Cicero in seinen Briefen an den Freund Atticus, dass Quintus junior auf allen Gastmählern über ihn und seinen Bruder Quintus senior herziehe und verbreite, Onkel und Vater seien die ärgsten Feinde Caesars. Während Cicero zunächst keinerlei Besorgnis zeigt, da er sich seiner Freundschaft mit Caesar sicher ist,116 ist ihm einige Zeit später die Rede des Neffen nicht geheuer, dass dieser alles Caesar, seinem Vater aber nichts verdanke. „Was für ein verworfener Mensch!“ schreibt er an Atticus.117 Die Familiensolidarität aber überdauerte diesen politischen Konflikt. Denn in einer anderen Situation nimmt Quintus junior Rücksicht auf Vater und Onkel. So überwirft er sich mit Antonius, weil dieser ihm zugemutet habe, „ihn zum Dictator zu ernennen“, dann jedoch arrangiert er sich wieder mit Antonius, aus Furcht, wie er seinem Vater schreibt, „in seiner Wut könne er Dir Schaden zufügen. So habe ich mich mit ihm ausgesöhnt.“118 Andere Konflikte betrafen Auseinandersetzungen der Söhne mit ihren Vätern um einen verschwenderischen Lebensstil und der daraus resultierenden Verschuldung sowie um die Wahl des Heiratspartners. Bis zur Regierungszeit des Antoninus Pius war nicht nur die Zustimmung des Vaters zur Heirat seiner Kinder notwendig; er konnte diese auch gegen den Willen seiner Töchter und Söhne lösen.119 Auch Scheidungen der Eltern konnten zu innerfamilialen Loyalitätskonflikten führen. Als es im Jahre 44 v. Chr. zur Scheidung zwischen Quintus senior und seiner Frau Pomponia kommt, ergreift Quintus junior die Partei der Mutter: „Vater Quintus“, so schreibt Marcus Cicero an den Freund Atticus, „beklagt sich bitter bei mir über seinen Sohn, vor allem, daß er jetzt zu seiner Mutter halte, mit der er sich früher, obwohl sie es gut mit ihm meinte, nicht vertragen konnte. Sein Brief an mich ist voller leidenschaftlicher Vorwürfe gegen ihn.“120 Auch widersetzt sich Quintus junior den Wiederverheiratungsplänen des Vaters, wie Cicero an Atticus meldet: „Quintus jun. hat seinem Vater einen bitterbösen Brief geschrieben; er erhielt ihn, als wir in Pompeji eintrafen. Der Hauptpunkt war jedoch, Aquila als Stiefmutter sei für ihn untragbar.“121 Ein Vorbild familialer Eintracht bildete dagegen das Hauswesen des Atticus, von dem es bei Cornelius Nepos heißt: „Was soll ich viel sagen über die pietas des Atticus? Es genügt doch dies eine: anlässlich der Bestattung seiner neunzigjährigen Mutter – er selbst war damals 67 – rühmte er sich in meiner Gegenwart selbst zu Recht, nie habe es zwischen ihnen die NotwendigDie Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  129

keit einer Versöhnung gegeben und nie habe er Streit gehabt mit seiner Schwester.“122 Nach Dixon waren Konflikte, wie sie im Hause Ciceros zwischen Vater und Sohn stattfanden, typisch für eine bestimmte Lebensphase und hatten keine gravierenden Auswirkungen auf den Familienzusammenhalt.123 Anders als Suzanne Dixon beurteilt Eva Cantarella die innerfamilialen Auseinandersetzungen. Sie sieht gerade in der Verschuldung von Söhnen eine Quelle schwerwiegender Konflikte zwischen Vätern und Söhnen, die sogar zum Vatermord führen konnten. Die Komödien und Satiren zeichnen ihr zufolge ein anderes Bild als die Briefe des Cicero. Der Schuldendruck barg insofern ein schwerwiegendes Konfliktpotential, als Söhne ihres Erbes nie sicher sein konnten. Plinius berichtet in einem seiner Briefe stolz von seinem gelungenen Plädoyer für Attia Viriola, die von ihrem achtzigjährigen Vater enterbt worden sei, und zwar elf Tage, nachdem er eine Stiefmutter ins Haus gebracht habe.124 Ein solcher Fall sei selten, meint Plinius, und habe deshalb ein großes Publikum gefunden: „Den Gerichtshof bildeten 180 Richter […].[…] rings um das weite Tribunal eine Unmenge Anwälte beider Parteien. ����������������� […]�������������� auch die Tribünen waren gedrängt voll und sogar aus dem Obergeschoß der Basilika lehnten sich hier Frauen, dort Männer […]. Riesige Spannung bei Vätern und Töchtern und besonders bei den Stiefmüttern.“125 Den Aussagen der Komödiendichter und auch der Juristen zufolge lebten die Söhne in ständiger Furcht vor Enterbung, während die Väter von der Angst vor Mordanschlägen der Söhne getrieben waren. Denn die Väter mussten die Gründe für die Enterbung nicht angeben. Es reichte die Angabe der Namen der enterbten Söhne im Testament.126 In Plautus’ Komödie Aulularia („Goldtopf-Komödie“) aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. erzählt der Lar Familiaris, der Schutzgeist des Hauses, von einem Vater, der seinem Sohn selbst auf dem Totenbett nicht verraten habe, wo er den Familienschatz verborgen hielt. Er selbst will der Urenkelin den verborgenen Schatz aufdecken, weil sie die einzige sei, die ihn mit Weihrauch und anderen Gaben ehre.127 In der Komödie Mostel­ laria („Das Hausgespenst“) wünscht der Sohn den Tod des Vaters herbei, damit er Zugriff auf das Erbe nehmen und es an seine Geliebte weitervererben könne.128 Auch die Mutter ist in der Komödie nicht sicher vor Nachstellungen. „Ganz klar, zuerst rode ich den Vater mit der Wurzel aus und dann die Mutter, Jetzt schaff ich dieses Geld dorthin zu der, 130  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

die ich mehr als meine Mutter liebe“, heißt es im Truculentus.129 Es geht in diesen Komödien vor allem um Konflikte, die aus den Aufwendungen für Liebesaffären und den daraus resultierenden Schulden entstehen. Bei Terenz (Terentius) findet sich die rhetorische Frage: „Wer sollte jemandem Geld leihen, dessen Vater noch lebe.“130 Die Sorge des Vaters spießt der kaiserzeitliche Dichter Juvenal in seinen Satiren auf, wenn er die Position des Vaters mit der eines Löwendompteurs vergleicht, der von seinem Zögling gefressen wird: „Auch du Ärmster wirst nicht verschont, und den angsterfüllten Dompteur/ wird im Käfig mit großem Gebrüll der Löwe töten, den er aufzog. / Bekannt ist den Astrologen dein Horoskop, doch es ist lästig, / die träge Spindel abzuwarten: du wirst sterben, bevor noch dein Faden / angerissen ist. Schon jetzt stehst du im Wege und verzögerst die Erfüllung der Wünsche, / schon quält den Sohn dein langes, dem des Hirschen gleichendes Alter.“131 Seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. diskutierten römische Juristen das Problem der Verschuldung, von dem die Komödientexte handeln; seit der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. gehen Gesetze gegen den Vaterbzw. Verwandtenmord, parricidium, vor, den Juvenal als drohendes Unheil imaginiert. Söhne aus begüterten Häusern erhielten aus dem väterlichen Besitz bereits zu dessen Lebzeiten Haus, Sklave und Rente (peculium) zur eigenen Verfügung.132 Allerdings hafteten die Väter nicht für die Schulden ihrer Söhne, ein Problem, mit dem sich seit der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. die Juristen zu beschäftigen begannen. Väter waren grundsätzlich nur in Höhe des peculiums zur Begleichung der Schulden ihrer Nachkommen verpflichtet. Unter Augustus wurde mit der Schaffung des peculiums castrense, mit dem das im Zuge des Militärdienstes erworbene Gut bezeichnet wurde, eine Entlastung möglich. Den Söhnen war erlaubt, damit frei umzugehen.133 Dennoch waren damit die Probleme der Verschuldung nicht ausgeräumt, zumal die Ämterkarriere ein Vermögen kostete. Cantarella nimmt daher an, dass Väter aufgrund der Kosten in der Regel nur die Karriere eines Sohnes förderten.134 Denn bei mehreren Kindern konnten die Väter schnell an ihre finanziellen Grenzen gelangen. Die Sorge der Väter, dass ihre verschuldeten Söhne zum Mittel des Vatermords griffen, zeigt sich nach Cantarella in dem Senatsbeschluss (senatus con­ sultum Macedonianum) aus der Zeit zwischen 70 und 79 n. Chr., der vorsah, dass ein Geldverleiher, der einem filiusfamilias Geld gibt und Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  131

nicht zurückerhält, dieses Geld auch nicht nach dem Tod des Vaters zurückfordern konnte. Der im Senatsbeschluß verhandelte Fall betraf den jungen Macedo, der seinen Vater aufgrund des Schuldendrucks getötet hatte.135 Cicero dagegen kann in seiner Verteidigungsrede des Sextus Roscius den Verdacht des geplanten Vatermords mit dem Hinweis entkräften, der Vater habe keine Enterbung geplant.136 Laut Sueton war das parricidium die große Sorge der Kaiser. Unter Claudius wurde als neue Strafe für Vatermörder vorgesehen, sie mit Hund, Schlange und Affen in einen Sack zu stecken und im Tiber zu versenken. Seneca meint, dass unter Claudius mehr Mörder in den Sack gesteckt als ans Kreuz geschlagen worden seien.137 Die Konzentration der Überlieferung auf die Zeit der späten Repu­ blik und frühen Kaiserzeit spricht dafür, dass in dieser Zeit das Institut der patria potestas, die dem pater familias die lebenslange Verfügung über den Familienbesitz beließ, zunehmend in Widerspruch zu den Notwendigkeiten und Möglichkeiten geriet, eine Ämterkarriere durchzuziehen und den Status des Vaters beizubehalten. So findet sich in der Literatur dieser Zeit in satirischer Überspitzung die Empfehlung, keine Ämterkarriere anzustreben. In Horaz’ Satiren nimmt ein alter Vater seinen Söhnen auf dem Sterbebett das Versprechen ab: „Daß euch der Ruhm (gloria) nicht verlocke; will ich euch beide verpflichten / Durch heiligen Eid: wird einer von euch einmal Prätor / Oder Ädil, dann soll er vor Menschen und Göttern verflucht sein.“138 Horaz selbst (68 v. Chr. geb.) zeigt sich froh, nicht die Bürde des Amtes tragen zu müssen. „Ständig hätte ich damit zu tun, mein Vermögen zu mehren, / Hätte viel öfter Besuche zu machen und diesen und jenen / Als Begleiter zu nehmen, dürfte allein nicht mehr reisen / Sei es aufs Land oder weiter, müsste mehr Knechte und Pferde / Halten, auch Kutschen mir mieten.“139 Eine Reihe von Forschern geht davon aus, dass die politischen Konflikte der späten Republik auch als Generationenkonflikte zu verstehen sind.140 Denn in der politischen Rhetorik der späten Republik wird immer wieder auf den Gegensatz von ,Jung‘ und ,Alt‘ verwiesen, der zum Teil auch als ein Gegensatz von ,verschuldet‘ und ,begütert‘ dargestellt wird. Das gilt vor allem für die Auseinandersetzungen um die Catilinarische Verschwörung und um den Frevel des Clodius. Als Anhänger des Catilina, der nach zwei vergeblichen Anläufen um die Erlangung des Konsulats 62 v. Chr. den bewaffneten Aufstand erprobte 132  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

und damit scheiterte,141 nennt Sallust (86–34 v. Chr.) in erster Linie junge Nobiles. In einer Catilina zugeschriebenen Rede lässt er den Verschwörer die eigene Anhängerschaft als zwar arm und verschuldet, aber jugendkräftig im Alter und geistesstark (viget aetas, animus valet) preisen, die der Gegner aber als vergreist herabwürdigen. Bei ihnen sei „durch die Jahre und den Reichtum alles vergreist“ (annis atque divitiis omnia consenuerunt).“142 Sallust selbst setzt auf die Klugheit des Alters und beklagt in seiner Darstellung der Vorgänge die Abkehr von der Tradition, als „ausgewählte Männer, deren Körper durch die Jahre schwach, deren Geist an Weisheit stark war, […] dem Gemeinwesen beratend“ beistanden und die für die Verteidigung des Gemeinwesens zuständige Jugend (iuventus) „ihre Lust mehr an schönen Waffen und Streitrossen als an Dirnen und Gelage“ hatte.143 Er wirft Catilina vor, dass dieser seine Gefolgschaft mit Bedacht aus jenen jungen Leuten rekrutiert habe, „deren noch weichen und ungefestigten Charakter […] man ohne Schwierigkeiten mit List umstricken“ konnte. „Denn wie die Leidenschaft eines jeden dem Alter entsprechend entbrannt war, so gab er den einen Dirnen, anderen kaufte er Hunde und Pferde; schließlich sparte er überhaupt nicht mit Aufwand und seinem Ansehen, wenn er sich nur jene verpflichtete und treu ergeben machte.“144 Die Partizipation am Reichtum der Alten ist nach Sallust ein wesentlicher Ansporn für den bewaffneten Kampf der Anhänger Catilinas.145 Auch für Cicero, der im Senat durchsetzt, dass die ,Verschwörer‘ hingerichtet werden, handelt es sich bei den Anhängern Catilinas um einen von den bedacht handelnden älteren Senatoren unterschiedenen Personenkreis. Als es im selben Jahr den Anhängern Catilinas gelingt, einen Freispruch des Clodius zu erwirken, dem vorgehalten wurde, das Bona Dea Fest entwürdigt zu haben – er soll sich in Frauenkleidern unter die weibliche Festgesellschaft im Hause Caesars gemischt haben –, desavouiert der Ankläger Cicero seine Gegner als barbatuli iuvenes, als „milchbärtige Jugendliche“: „Als nun der Termin herankam, an dem der durch Senatsbeschluß vorgesehene Antrag [zur Verurteilung des Clodius] eingebracht werden sollte, strömten all die milchbärtigen Jungen, die ganze Catilinarierbande ��������������������������������������������� […]������������������������������������������ zusammen und beantragten in der Volksversammlung, den Antrag abzulehnen.“146 Da mit iuvenes keine klare Altersdefinition verbunden ist, ist der Zusatz barbatuli notwendig, um auf die Altersdifferenz aufmerksam zu machen. Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  133

Um welche Altersgruppe es sich bei den Anhängern des Catilina und des Clodius tatsächlich handelte, ist nur schwer zu ermitteln. In jüngster Zeit wurde argumentiert, dass es junge Nobiles waren, die noch keine Ämter innehatten und daher noch nicht voll in das politische System inkludiert waren. Nach Jan Trimmer hatten Angehörige dieser Gruppe, die er nicht als Jugend im modernen Sinne verstehen will, da sie sich nicht mit eigenen Werten und einem eigenen Lebensstil von den Älteren abgesetzt habe, die Aufgabe, politische Entscheidungen mit Gewalt zu erzwingen, nachdem das auf Konsens ausgerichtete politische System der Römer in eine Krise geraten und handlungsunfähig geworden war. Für ihn geht es um einen in städtische Kontexte überführten Rügebrauch. Dieser hatte normalerweise den Zweck, die von der Gemeinschaft vertretenen Normen gegenüber einzelnen Devianten durchzusetzen. Hier aber sei es darum gegangen, durch Androhung oder Einsatz von körperlicher Gewalt Entscheidungen im politischen Raum zu erzwingen.147 Unabhängig von den Konflikten um Catilina und Clodius muss das erfolgreiche Werben um Anhängerschaft unter der nachwachsenden Generation bei den Wahlen einen gewichtigen Erfolgsfaktor gebildet haben. Die Jüngeren zu gewinnen empfiehlt auch Quintus Cicero seinem Bruder Marcus in seiner Schrift über die Wahlwerbung. „Zuerst muss man die equites kennenlernen (es sind nämlich nur wenige), dann muss man an sie herangehen (um vieles leichter schließt man nämlich eben jene, die im jugendlichem Alter (adulescentulorum […] aetas) stehen, freundschaftlich an sich an). Ferner hast von der Jugend gerade die Besten (ex iuventute optimum) und diejenigen um dich herum, die sich am meisten um gebildeten Umgang bemühen.“148 Da die Kriegserfolge der Römer in der Zeit der späten Republik, wie wir wissen, gerade von denjenigen erzielt wurden, die noch nicht das notwendige Lebensalter für die Übernahme von Ämtern hatten, war der Widerspruch zwischen Leistung und politischer Macht eklatant; Konflikte zwischen den älteren Amtsträgern und jugendlichen Kriegsherren waren notwendigerweise vorprogrammiert. Bereits die Karriere des Scipio Africanus bewegte sich jenseits allgemeiner Normen. Er war 25 Jahre alt, als er Hannibal besiegte und wurde bereits mit 31 Jahren Konsul.149 Pompeius stellte schon mit 23 Jahren ein eigenes Heer auf;150 Marcus Cicero junior zog mit siebzehn Jahren als Kommandant einer Kavallerie in die Ent134  Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen

scheidungsschlacht zwischen Caesar und Pompeius bei Pharsalos (48 v. Chr.). Octavian, der beim Tod seines Adoptivvaters Caesar achtzehn Jahre alt war, führte zusammen mit Antonius trotz seines jugendlichen Alters den Rachefeldzug gegen die Caesarmörder an und wurde mit zwanzig Jahren erstmals Konsul.151 Von daher ist es nur folgerichtig, dass in den ersten Jahrzehnten des Prinzipats das Zugangsalter zu den Ämtern gesenkt und für drei Generationen die Erblichkeit des Senatorenstandes durchgesetzt wurde.152 Auf diese Weise wurde der Konflikt um die Ämter und um die damit verbundenen Privilegien entschärft. Eben diese Widersprüche zwischen Leistung und Machtverteilung innerhalb der römischen Elite dürften den Anlass für dieses neue Nachdenken über das Verhältnis der Generationen in Rom geboten haben.

Die Fürsorge für die Alten und das Zusammenleben der Generationen  135

VI. Die Sorge für die Toten und der gute Tod

1. Der gute Tod Vom lydischen König Kroisos nach dem glücklichsten Menschen gefragt, verweist Solon auf die beiden Preisträger athletischer Wettkämpfe, Kleobis und Biton, die im jugendlichen Alter starben und von den Argivern mit einer Statue geehrt wurden. Sie hatten sich anstelle der Ochsen, die nicht rechtzeitig vom Felde zurück waren, ins Joch eines Ochsenkarrens spannen lassen, um ihre Mutter 45 Stadien weit zum Heiligtum der Hera zu ziehen. Von der Mutter um eine Dankesgabe für die tüchtigen Söhne gebeten, lässt die Göttin Hera die beiden jungen Männer im Tempelbezirk einschlafen und sterben. „An ihnen offenbarte der Gott,“ so überliefert Herodot, „daß der Tod besser sei als das Leben. Die umstehende Menge der Argeier lobte die Kraft der jungen Männer. Die Frauen aus Argos aber priesen ihre Mutter, daß sie solche Kinder geboren habe. Hocherfreut über die Tat und den Ruhm der Söhne, trat die Mutter vor das Götterbild und betete, die Göttin möge ihren Kindern Kleobis und Biton, die ihre Mutter so hoch geehrt hätten, das Schönste verleihen, was ein Mensch erlangen kann. Als sie nach dem Gebet geopfert und am Mahl teilgenommen hatten, schliefen die Jünglinge unmittelbar im Tempelbezirk ein und wachten nicht mehr auf. Sie fanden dieses Ende. Die Argeier ließen Standbilder von ihnen machen und stellten sie in Delphi auf als Bilder edler und wackerer Männer.“1 Der gute Tod, so lehrt die Geschichte, ist der Tod, der dauerhaftes Erinnern garantiert. Standbilder und Erzählungen zeugen davon. Die spartanischen Bestattungsgebräuche sahen vor, nur die Namen derjenigen zu erinnern, die in der Schlacht oder im Kindbett gestorben waren. Der spartanische Dichter Tyrtaios findet es im 7. Jahrhundert v. Chr. unangemessen, wenn die alten Krieger vor den jungen fallen: „Schande und Greuel bedeutet es doch, wenn ein älterer Krieger / unter den Vorkämpfern fällt, noch vor der jüngeren Schar, / einer mit grauendem Bart und silbern schimmernden Haupthaar […].“2 Dauerhaftes Erinnern ist hier wie im epischen Vorbild nur durch den Tod in der Schlacht garantiert. Der jugendliche Held Achilleus kann wählen zwischen dem frü136  Die Sorge für die Toten und der gute Tod

hen Tod in der Schlacht, der ihm den Nachruhm sichern wird, oder einem ruhmlosen Altern.3 Noch Pindar stellt im 5. Jahrhundert v. Chr. den gefährlichen, aber Ehre garantierenden Kampf in der Jugend dem ruhmlosen Altern gegenüber.4 Vornehmliches Medium der Erinnerung an solche jugendlichen Heroen bildeten Grabmäler, die sich seit dem 11. Jahrhundert v. Chr. zu lokalen oder regionalen Treffpunkten entwickelten – so z. B. das Pelopsgrab in Olympia – und zu Kristallisationspunkten eines sich langsam herausbildenden überregionalen Gemeinschaftsbewusstseins wurden. In Umkehrung zu den Überlieferungen über den guten Tod des jungen Kriegers in der Schlacht kursierten im 5. Jahrhundert v. Chr. Erzählungen von Praktiken fremder Völker, die den Tod im hohen Alter für besonders erstrebenswert erachteten. Von den Massageten heißt es bei Herodot: „Eine Altersbegrenzung gibt es bei ihnen nicht. Wird aber ein Mann doch zu alt, dann kommen die Angehörigen zusammen und schlachten ihn mit anderen Opfertieren; sie kochen das Fleisch und essen es. Darin sehen sie ein hohes Glück. Denn wenn jemand an einer Krankheit stirbt, verspeisen sie ihn nicht, sondern begraben ihn. Man hält es dann für ein Unglück, daß er nicht so alt geworden ist, um geschlachtet zu werden.“5 Diese Erzählung vom ,Kannibalismus‘ der Massageten, die gerne als ein Hinweis auf die griechische Vorstellung von Wildheit und Unzivilisiertheit gelesen wird,6 ist vor dem Hintergrund der Techniken der Wissenstradierung in oralen Kulturen als ein anschauliches Bild von der Inkorporation des Wissens der Alten durch die nachfolgende Generation zu lesen. Besteht in den obigen Erzählungen kein Zweifel am Zeitpunkt des „guten Todes“, so wurde dieser im demokratischen Athen des 5. Jahrhunderts Gegenstand eines literarischen Diskurses. Der gute Tod erscheint nun ins hohe Alter verschoben. In seinem Drama Alkestis, das 438 v. Chr. aufgeführt wurde, lässt Euripides die Protagonistin für ihren Mann Admetos ohne Rücksicht auf das eigene Jugendalter (hêbê) in den Tod gehen: „Weil ich dich ehre und das Licht der Sonne dir an meiner Statt vergönnte, sterbe ich für dich, […]. Nicht wollte ohne dich, mit den verwaisten Kindern ich leben, nahm auch Rücksicht nicht auf meine Jugend“, verkündet sie und führt zugleich Klage über die Hartherzigkeit der Schwiegereltern, die ein solches Opfer verweigert hatten, obwohl es ihnen zugekommen wäre: „Aus dessen Samen du entstanden Die Sorge für die Toten und der gute Tod  137

und die dich geboren haben, sie gaben dich preis (καίτoι σ᾿ ὁ ϕύσας χἠ τεκoῡσα πρoύδoσαν), geziemend (καλῶς) aber wäre es für sie gewesen, ihr Leben zu beenden, / g eziemend den Sohn zu retten und ruhmvoll zu sterben.“7 Haben in Sparta die Jungen für die Alten zu sterben, so gilt hier die umgekehrte Maxime. Der Chor der Alten bekräftigt die für Athen geltende Moral des Vorrangs der Jugend: „Es wollte die Mutter nicht für ihr Kind den Leib in der Erde bergen, es wollte der greise Vater auch nicht, ihn, den sie zeugten, ihn wagten sie nicht zu erretten, die Elenden, mit ihren grauen Haaren. Doch du, in frischer Jugend, du starbest für den Mann dahin!“8 Das Drama endet versöhnlich, indem Herakles Alkestis aus den Fängen des Hades wieder befreit. Es lässt aber keinen Zweifel an der Unangemessenheit des Verhaltens der alten Eltern des Admetos aufkommen, denen der Sohn die angemessene Alterspflege aufkündigt. Ernst Baltrusch deutet das Drama als Reflex auf eine zunehmende Entwertung des Wissens der Alten im Athen des 5. Jahrhunderts v. Chr.9 Indem jedoch die Frontlinie zwischen der jungen Mutter Alkestis, die in der vollen Blüte ihrer Reproduktionskraft steht, und den alten, nicht mehr repoduktionsfähigen Schwiegereltern gezogen wird, scheint es eher um das strukturelle Problem der Sicherung des Fortbestandes des Hauswesens und der rechten Generationenfolge zu gehen, die über die Neubestimmung des Zeitpunkts des guten Todes erfolgt. So lässt der Dichter Admetos über die leere Bettstatt der Gattin (Vers 945) trauern und Alkestis selbst Klage führen, dass die Mutter die Hochzeit der Töchter und die Geburt der Enkel nicht erleben wird (Vers 317/8). Als Vollendung des Lebens gilt denn für den Dichter – wie bereits für die Lyriker10 – das gemeinsame Altern des Paares bis zum Greisenalter: gêras (Vers 412/13). Die Eltern haben dieses Alter erlangt und damit den rechten Zeitpunkt des Todes erreicht (Vers 643). Der Fortbestand ihres Hauswesens ist über den Sohn Admetos gesichert, der bereits einen Teil des Erbes zu Lebzeiten erhalten hat.11 Denn nur wer kinderlos stirbt, der hinterlässt das Haus verwaist zum Raube (Vers 656/7). Diese Deutung, dass es in Athen mit der Debatte um den guten Tod um den Bestand des Hauswesens geht, das sich über das Bindungsverhältnis des Paares konstituiert, legt auch eine andere Erzählung nahe. Der gute Tod in der Schlacht konnte in klassischer Zeit auch einen älteren Bürger ereilen. Laut Herodot zählte für Solon neben Kleobis und 138  Die Sorge für die Toten und der gute Tod

Biton auch der Athener Tellos, der im Krieg zwischen Athen und Megara fiel, zu den glücklichsten Menschen. Er erlangte zum einen Nachruhm in Form einer öffentlichen Bestattung, zum anderen über seine Kinder und Enkelkinder: „Tellos lebte in einer blühenden Stadt, hatte gute und schöne Kinder (παῑδες ἦσαν καλoί τε κἀγαθoί) und sah, wie ihnen allen Nachkommen (τέκνα) geboren wurden und wie diese alle am Leben blieben. Er hatte nach unseren heimischen Begriffen ein gutes Leben (βίoυ εὖ), und die strahlendste Vollendung des Lebens (τελευτὴ τoῡ βίoυ λαμπρoτάτη) wurde ihm zuteil. In einer Schlacht zwischen Athenern und ihren Nachbarn in Eleusis brachte er durch sein Eingreifen die Feinde zum Weichen und starb den schönen Tod (ἀπέθανε κάλλιστα). Die Athener begruben ihn auf Kosten des Gemeinwesens (δημoσίῃ τε ἔθαψαν ἀυτoῡ) an der Stelle, wo er gefallen war, und ehrten ihn sehr.“12 In Athen ist der Zeitpunkt des guten Todes des Kriegers in der Schlacht im Vergleich zu den epischen und spartanischen Beispielen verschoben. Die Sicherung der Generationenabfolge und des Bestandes des Gemeinwesens bestimmen hier gleichermaßen den Zeitpunkt des guten Todes. Dieses Beispiel spricht nicht für eine grundsätzliche Entwertung der Alten. Vielmehr belegt die Erzählung die Wichtigkeit sowohl der Sicherung der Nachkommenschaft als auch der territorialen Integrität der Polis. Tellos stirbt, nachdem sowohl die Reproduktion des eigenen Hauswesens als auch der Bestand des politischen Gemeinwesens, der Polis, gesichert sind. Der Nachruhm, hier über das von der Polisgemeinschaft errichtete Grab gesichert, ist ihm daher auch durch den Tod im höheren Alter sicher.13 Für die Philosophen des 5. und 4. Jahrhunderts hingegen war der gute Tod vor allem eine Frage der Unsterblichkeit des Denkens. Nach Sokrates trachten die Philosophierenden danach zu sterben. Der Tod bedeutet die Trennung von Körper und Seele und damit die Befreiung von der Tyrannei der Begierde, die am Körper haftet. Wer sich von den Leidenschaften befreit und Klarsichtigkeit im Denken erlangt, fürchtet nach Sokrates auch nicht den Tod, denn er verliert die Angst. Philosophie bedeutet für ihn denn auch nichts anderes als Üben im Sterben.14 Diese positive Haltung der Philosophen zum Sterben schließt auch die Selbsttötung, autothanasía, nicht aus. Erst im Christentum fällt der Selbstmord der Ächtung anheim. Seit Augustinus zählt Selbstmord zur Sünde und gilt nun als Ausdruck einer verwerflichen Lebensführung.15 Die Sorge für die Toten und der gute Tod  139

Für viele paganen Philosophen indes bedeutet die Selbsttötung den Höhepunkt der philosophischen Lebensweise. „Verachtet den Tod; er setzt euch entweder das Ziel oder bringt euch weiter. […] Ob den Hals ein Gürtel zuschnürte, ob den Atemweg Wasser verschloß, ob Leuten, die auf den Kopf fielen, beim Aufschlag auf den harten Boden die Schädeldecke brach, ob verschluckte Glut der wiederkehrenden Atemluft den Weg abschnitt – es mag sein, was es will: rasch ist’s vorbei.“ So heißt es in stoischer Todesverachtung bei Seneca.16 Die jeweils gewählte Todesart ist in keinem der Fälle bedeutungslos. Der Nahrung soll der greise Pythagoras entsagt haben, der mit achtzig oder neunzig Jahren starb.17 Nach den Untersuchungen von Johannes van Hooff stand die Nahrungsverweigerung in der Hierarchie der Todesarten an oberster Stelle und wurde von alten Menschen bevorzugt, die an unheilbaren Krankheiten litten.18 Ein prominentes Beispiel bildet der Fall des Atticus, des Freundes von Cicero. Als er mit einer unheilbaren Krankheit konfrontiert war, entschied sich der 70jährige für den Hungertod.19 Die spektakulärste Methode des Selbsttötung wählte der Pythagoras-Schüler Empedokles, von dem Diogenes Laërtius erzählt, er sei im hohen Alter – die Angaben schwanken zwischen 60, 77 oder 109 Jahren – in die Feuerschlünde des Ätna gesprungen.20 Es handelt sich um eine Variante der Selbstverbrennung, die vor allem im heroischen Umfeld überliefert ist und als eine Form der Vergöttlichung gedeutet werden kann. So wird Herakles, der von einem mit Gift getränkten Gewand Brandwunden erleidet und schmerzgepeinigt auf einen Scheiterhaufen steigt, nach der Selbstverbrennung in den Olymp aufgenommen.21 Auch Senecas Tod im Bade, der sich die Pulsadern aufschneiden ließ und langsam verblutete, zählte zu den heroischen Todesarten.22 Der Tod mit dem Strick, der Sturz in die Tiefe oder der Trank aus dem Giftbecher, die Seneca erwähnt, gehören dagegen in den Augen eines Römers zu den weniger würdigen Todesarten.23 Sie werden bereits in Aristophanes’ Komödie Die Frösche der Lächerlichkeit preisgegeben. Zu Beginn des Stückes lässt sich der Gott Dionysos von Herakles den Weg in den Hades weisen, von wo er den verstorbenen Dichter Euripides zurückholen will: Dionysos: „Nenne mir den Weg, / der uns am schnellsten in den Hades führt; / Doch hätt ich’s nicht gern heiß noch allzu kalt.“ Herakles: „Nun, welchen nenn ich dir zuerst? Laß sehn! / der eine, über Strick und Schemel – Wenn / du dich erhängst.“ Dionysos: 140  Die Sorge für die Toten und der gute Tod

„Oh, der ist zum Ersticken!“ Herakles: „Ein Pfad sodann, nicht lang und wohlgestampft, / Der durch den Mörser.“ Dionysos: „Schierling meinst du?“ Herakles: „Ja!“ Dionysos: „ Der ist mir doch zu kalt und winterlich; / Da werden einem starr wie Eis die Schenkel.“ Herakles: „Soll’s einer sein, der rasch herunter führt?“ Dionysos: „O ja, ich bin nicht eben gut zu Fuß.“ Herakles: „Zum Kerameikos schlendre hin!“ Dionysos: „Und dann?“ Herakles: „Steig auf den hohen Turm.“ Dionysos: „Was mach ich dort?“ Herakles: „Gib Achtung, wenn der Fackellauf beginnt; / Und schreit das Publikum dann: Los! – sofort / Auch los mit dir! Dionysos: „Wohin?“ Herakles: „Den Turm hinab!“ Dionysos: „Da bräch ich vom Gehirn mir wohl die Schalen! Den Weg probier ich nicht!“24 In mythologischen Kontexten bilden die hier parodierten Todesarten eine durchaus angemessene Form der Selbsttötung. Die Heroine Ino Leukothea, die sich vom hohen Felsen ins Meer stürzt, erlangt durch ihren Tod göttliche Ehren.25 Zahlreiche Heldinnen der attischen Tragödie töten sich durch den Strang: Antigone, die gegen das Gebot des Kreon verstößt und den toten Bruder bestattet, Iokaste, die Mutter und Ehefrau des Ödipus, nachdem sie den inzestuösen Charakter ihrer Ehe entdeckt hat; Phädra, die vergeblich den eigenen Stiefsohn begehrt – sie alle erhängen sich.26 Geradezu zur ethischen Pflicht erhoben erscheint die Selbsttötung mit der Waffe im Kontext politischer Konflikte. Paradigmatisch ist der Tod des homerischen Helden Ajax, der sich in sein Schwert stürzt, nachdem er feststellt, dass er im Wahn seine eigenen Schafherden für den militärischen Gegner gehalten und getötet hat.27 Die Selbsttötung ist hier eine Sache männlicher Ehre, die es wiederherzustellen gilt, nachdem der Held einen Gesichtsverlust erlitten hat. Anders als in der Moderne findet die Selbsttötung nicht im Verborgenen statt, sondern bedarf des Publikums, das die Einhaltung des Ehrenkodexes kontrolliert.28 Auf Vasen ist der Tod des Ajax immer wieder abgebildet.29 Während die Selbsttötung mit der Waffe in Griechenland vor allem Figuren der Mythologie begehen, ist sie für Rom eher für historische Figuren überliefert. Gerade in der Zeit der Bürgerkriege bedeutete die Selbsttötung die Bestätigung der vom politischen Gegner erschütterten Würde, dignitas. Cato Uticensis und Brutus, die Gegner Caesars, und Antonius, der Gegenspieler des siegreichen Octavian – sie alle wählten im Augenblick der militärischen Niederlage den Freitod.30 Auch kursierDie Sorge für die Toten und der gute Tod  141

ten in Rom Geschichten vom Heldentod in der Schlacht. So erinnert Plutarch in seiner Vita des Caesarmörders Brutus an den Sohn des jüngeren Cato, der bei Philippi den Heldentod gefunden habe: „Hier kämpfte auch Catos Sohn, Marcus, unter den vornehmsten und edelsten Jünglingen Roms. Er kam ins Gedränge, aber er floh und wankte nicht, sondern wehrte sich, rief mit lauter Stimme seinen und seines Vaters Namen; dann fiel er auf einem Haufen erschlagener Feinde nieder. Auch außer ihm fielen hier die Tapfersten in der Verteidigung des Brutus.“31 Doch ist der Tod des jungen Kriegers in der Schlacht für die Römer kein Ideal. Für Cicero steht der Tod in jungen Jahren sogar im Widerspruch zur Natur.32 „Der aber, wer in der Blüte des Jugendalters starb“, so meint zwei Jahrhunderte später Juncus, „wird sowohl unerfahren und unerfüllt in den Freuden bleiben.“33 Für die Römer ist das Alter Ziel des Lebens. Eine Tugend des Greisenalters ist es indes, dem Tod ohne Furcht entgegenzusehen.34 Allerdings kennen wir eine Reihe von Fällen beispielhafter ritueller Selbstopferung (devotio) im Augenblick der Gefahr: So ist von drei Mitgliedern eines plebejischen Geschlechts, den drei Deciern, Vater, Sohn und Enkel, überliefert, dass sie jeweils nach dem Vorbild der Vorväter im Kampf den Tod suchten, um die Feinde in den Untergang zu reißen. In seinem Geschichtsdrama Decius lässt Accius den zweiten Decius, der 295 v. Chr. im dritten Samnitenkrieg bei Sentinum den Tod fand, sagen: „Nach des Vaters Beispiel will ich auch mich und mein Leben zum Verderben weihen den Feinden.“35 Diesem Ehrenkodex gehorchten auch die weiblichen Mitglieder der römischen Elite. Als exemplum weiblicher Tugend schlechthin wird in der Zeit der späten Republik die Selbsttötung der Lucretia dargestellt, die sich nach der Vergewaltigung durch den etruskischen Königssohn Tarquinius öffentlich erdolcht und damit das Fanal für den Sturz der etruskischen Königsherrschaft gibt. Ihr Tod, den Vater und Ehemann rächen, steht für die Unversehrtheit der Republik und ist bewusst als republikanischer Gründungsmythos konstruiert.36 Diesem Vorbild folgte Porcia, die Ehefrau des Caesarmörders Brutus und Tochter des Cato Uticensis, deren Selbsttötung für Valerius Maximus als Beispiel ehelicher Eintracht (concordia) gilt und ebenfalls politischen Zeichencharakter hatte. Als Porcia vom Tode des Brutus hörte, der bei der Schlacht von Philippi fiel, schluckte sie glühende Kohlen.37 Das ist als Anspielung auf die karische Regentin Artemisia zu verstehen, welche die 142  Die Sorge für die Toten und der gute Tod

Asche ihres verstorbenen Gatten Mausolos in eine Flüssigkeit gegeben und getrunken haben soll.38 Vor allem die Beteiligung am Tyrannenmord galt aus der Sicht der senatorischen Geschichtsschreibung als nachahmenswert. Tacitus lobt in seinen Annalen das Vorbild der Epicharis, die der Verschwörung gegen Kaiser Nero beschuldigt wurde und Selbstmord beging.39 Als Paulina, die Ehefrau des Seneca, dem Beispiel ihres Gatten folgen und sich durch Aufschneiden der Pulsadern den Tod geben wollte, wurde sie von Nero, der den Tod seines ehemaligen Erziehers Seneca selbst bestimmt hatte, an der Ausführung gehindert.40 Die Zurschaustellung weiblicher Loyalität und Bekräftigung der ehelichen concordia auch im Tode konnte nicht im kaiserlichen Interesse liegen. Doch jenseits politischer Kontexte stand Selbsttötung als Ausdruck ehelicher concordia in hohem Ansehen. Plinius der Jüngere zeigt sich beeindruckt von dem Mut einer treuen Ehefrau, die mit ihrem unheilbar kranken Mann in den Tod geht und sich gemeinsam mit ihm im Lariner See in Kampanien ertränkt.41 Es handelt sich bei all diesen Beispielen um Erzählungen mit hochgradig topischem Charakter. Über die tatsächlichen Vorgänge sagen sie wenig, zumal oft mehrere Varianten von der Todesart kursierten. Dieser topische Charakter wird vor allem im kaiserzeitlichen Diskurs über das Sterben des Princeps deutlich, den Tobias Arand untersucht hat. In den Augen der senatorischen Geschichtsschreibung können gute Kaiser, die nach republikanischen Tugenden leben, durch den Tod Nachruhm ernten; schlechte Kaiser aber finden gerechterweise ein schmähliches Ende und sterben den gewaltsamen Tod.42 Die Historiker betreiben mit ihren Todesschilderungen, wie Arand nachweist, bewusst Erinnerungspolitik. So will Aurelius Victor mit seinen Schilderungen verhindern, dass die Anständigen um den Lohn der Erinnerung (memoria) gebracht werden und die Schlechten auf ewig herrlichen Ruhm erlangen, sonst sei das Streben nach virtus sinnlos.43 Wie für einen Vatermörder vorgesehen, wurde der Leichnam des Elagabalus (218–222) mit Gewichten beschwert in den Tiber geworfen, um auf diese Weise eine ehrenvolle Bestattung auf immer unmöglich zu machen.44 „Tiberius in den Tiber“, ertönte im Volk der Ruf beim Tode des Kaisers Tiberius.45 Die grausige Behandlung der Leichen, Verstümmelung und Versagen der Bestattung, die vor allem Usurpatoren trifft,46 ist als Versagen der Memoria, des Totengedenkens, zu verstehen. Die Erinnerung wird auf Die Sorge für die Toten und der gute Tod  143

Dauer gelöscht. Gute Kaiser wie Titus, Nerva oder Antoninus Pius sterben hingegen den undramatischen, meist friedlichen Tod.47 Auch der Tod in der Schlacht und manchmal auch die Selbsttötung galten als ehrenvolle Todesarten und kennzeichnen den gerechten Herrscher. Gerade mit dem Motiv des Todes in der Schlacht wird an heroische und republikanische Tugenden angeknüpft. Nero, der sich selbst tötet, findet dennoch nicht die Hochachtung der Senatsaristokratie, da er die Tat nicht allein, sondern mit Hilfe eines Freigelassenen durchgeführt haben soll.48 Auch der Tod auf dem Krankenbett gilt als Zeichen schlechter Herrschaft. Das Gerücht um den Schlaganfall des Commodus hält Herodian ob der maßlosen Lebensweise des Kaisers für glaubhaft.49 Es sind in erster Linie die christlichen Autoren, die das Leiden der Herrscher ausmalen und Krankheiten für eine Strafe Gottes halten. Eine Ekel erregende Krankheit und ein langes Siechtum trifft in ihren Augen gerechterweise die Christenverfolger; sie erleiden einen besonders qualvollen Tod. Von Würmern zerfressen wird z. B. Galerius; sein Leib löst sich in Fäulnis auf.50 Kaiser Konstantin, der die Christen schützte, ward dagegen, so der Bischof von Nikomedeia, Eusebios, „ein glückliches und dreimal seliges Ende“ beschieden.51 Das Versagen der Bestattung aber, wie es die pagane Literatur für den schlechten Herrscher vorsieht, konnte vor dem Hintergrund der christlichen Jenseitsvorstellungen vom jüngsten Gericht für christliche Autoren keine Option sein.52

2. Bestattungsaufwand und politische Macht Alle antiken Gesellschaften kannten aufwendige Formen des Totengedenkens, die jedoch regional und zeitlich stark variierten. Wurde in Athen bei der Prüfung der Amtstauglichkeit das Verhalten gegenüber den Eltern des Bewerbers um ein politisches Amt kontrolliert, so endete das Verfahren nicht mit dem Tod der Eltern. Die Fürsorge für die verstorbenen Eltern, d. h. die Pflege des Grabes, war nicht minder wichtig für den Leumund als die Pflege der alt gewordenen Erzeuger. „Und sogar beim Zeus, wenn jemand die Grabhügel seiner verstorbenen Eltern nicht pflegt, auch das berücksichtigt der Staat bei den Prüfungen der Archonten“, heißt es in Xenophons Erinnerungen an Sokrates.53 So wird denn im Schrifttum der Griechen neben der Sicherstellung der Kontinuität des 144  Die Sorge für die Toten und der gute Tod

Hauses immer wieder auch die Sorge um die angemessene Bestattung als entscheidendes Motiv für die Erzeugung von Nachkommenschaft genannt.54 In einer Gerichtsrede des Lysias gegen den Denunzianten Agoratos aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. heißt es über die schlimmen Folgen des Denunziantentums, das zur Verbannung führt: „Manche mußten ihre alten Eltern zurücklassen, die gehofft hatten, im Alter von ihren Kindern versorgt und am Ende ihres Lebens von ihnen begraben zu werden (taphêsesthai).“55 Das Generationenband war über den Tod hinaus wirksam und durch Grabstätten, die meist am Rande der Stadt lagen, vor aller Augen sichtbar. Vor allem dort, wo mit dem Tod ein Transfer von Besitz einherging wie im antiken Athen oder Rom, wurde ein aufwändiger Totenkult betrieben. Próthesis (Aufbahrung), ekphorá oder pompa funebris (Überführung zur Grabstätte) und Grabpflege bilden wesentliche Elemente des Totenrituals. Die sorgsame Herrichtung des Leichnams für die Auf-

19 Totenklage. Lutrophore, um 440 v. Chr. München, Staatliche Antikensammlungen, Slg. v. Schoen

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bahrung, das Waschen, Salben und Kleiden des Toten, war in Griechenland wie in Rom Sache der Frauen des Hauses. Sie waren zudem für die Totenklage zuständig, zu der auch gemietete Klagefrauen und Sänger herangezogen werden konnten. Über Klagegesten wie das Raufen der Haare, das Zerkratzen des Gesichtes und Schlagen der Brüste, wie sie vielfach auf Vasenbildern zu sehen sind, wurde der Schmerz über den Verlust des Toten ausgedrückt.56 Allerdings bewegten sich solche Gesten des Schmerzes im Rahmen rituell vorgegebener Formen und zielten da­rauf, unter den Trauernden emotionale Zustände der Übereinstimmung auszulösen. Eine wesentliche Zweckbestimmung der Totenrituale kann daher in der Inszenierung von Loyalitäten und Zugehörigkeiten gesehen werden. In Athen entsprach der Kreis derjenigen, die Zugang zu dem Toten hatten, der erbberechtigten Verwandtschaftsgruppe, der anchisteía.57 Der Teilnehmerkreis ging in der Regel jedoch über den Kreis der Anverwandten des Toten hinaus. Vor allem an der Überführung zur Grabstätte nahmen neben den anverwandten Frauen und Männern in der Regel auch Mitglieder der Gemeinde, Nachbarn und Gefolgsleute teil, deren Loyalitätsbekundungen von politischer Bedeutung sein konnten. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal im Totengedenken liegt daher in der politischen Bedeutung, die einem Hauswesen in der jeweiligen Gesellschaft zugewiesen wurde. Wo es um die Verankerung und Tradierung dauerhafter Machtpositionen ging wie im römischen Kaiserhaus, wurde für die Herrschenden ein sehr viel aufwändigerer Grabkult betrieben als für die übrigen Mitglieder der Gesellschaft einschließlich der Elite. Allerdings deutet sich diese Entwicklung bereits in der späten Republik an, wo die Familien der Elite auch im Grabaufwand miteinander konkurrierten. Das größte Grabmal, ein mit Travertin verkleideter Rundbau von elf Metern Höhe und einem Durchmesser von fast 30 Metern, wurde für Caecilia Metella, Tochter des Konsuls Quintus Metellus Creticus und Ehefrau des jüngeren Crassus, errichtet, das heute noch an der Via Appia zu sehen ist.58 Monumentalisierung und dauerhafte Vergegenwärtigung sicherten Machtansprüche ab. In republikanisch bzw. demokratisch verfassten Gemeinwesen hingegen, in denen Ämter zirkulierten und Machtpositionen nicht vererbt wurden wie in Athen, fand eher eine Reglementierung von Bestattungsaufwand statt, die vor allem die Mitglieder der Elite betraf. Auf diese Weise wurde die 146  Die Sorge für die Toten und der gute Tod

20 Grabmal der Caecilia Metella an der Via Appia, Rom

Konkurrenz innerhalb der Elite eingedämmt und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt. Gleichzeitig aber wurden in vielen antiken Gemeinwesen die Gräber, wie im obigen Beispiel erkennbar, als Garanten der Kontinuität der Häuser geschützt. In Athen soll Solon eine Reihe von Maßnahmen zur Beschränkung von Bestattungsaufwand ergriffen haben. Er schaffte nach Plutarch „das Zerkratzen der Gesichter, das Singen von Klageliedern und den Brauch ab, auch bei den Begräbnissen anderer mitzuklagen. Er erlaubte nicht, einen Ochsen als Totenopfer zu bringen, mehr als drei Kleider aufzuwenden und fremde Grabmäler zu besuchen außer bei der Bestattungsfeier.“59 Da im frühen Griechenland Bindungen zwischen Häusern über Kleidergeschenke symbolisiert wurden und das gemeinsame Opfermahl die vorherrschende Vergemeinschaftungsform bildete, ließ sich mit Stoffen und Tieropfern die Bindungsfähigkeit der einzelnen Häuser vortrefflich repräsentieren.60 Eben diese Fähigkeiten sollten im Zuge der demokratischen Entwicklung beschnitten und die Errichtung einer Die Sorge für die Toten und der gute Tod  147

Tyrannenherrschaft verhindert werden. Wer gegen Tyrannen opponierte wie der archaische Dichter Theognis aus Megara, verweigert dem Tyrannen beim Tod die Tränen und damit die Loyalität.61 Gemeinschaftsbestattungen wiederum, wie sie zu Beginn des Peloponnesischen Krieges für die gefallenen Krieger in Athen durchgeführt wurden, lenkten dem gegenüber die Aufmerksamkeit auf die Bande zwischen den Mitgliedern der Polisgemeinschaft, deren Werte in öffentlichen Grabreden herausgestrichen wurden. Mit den Perserkriegen zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. kam in Athen die Sitte auf, die Gebeine der athenischen Kriegsgefallenen nach Athen zurückzuführen, wo alle Gefallenen auf Kosten der Gemeinschaft in einem gemeinsamen Grabmal bestattet wurden. Dieses dêmosion sêma befand sich vor den Mauern Athens im äußeren Kerameikos (Töpferviertel). Ein angesehener Bürger hielt die Grabrede.62 Anlässlich der Bestattung der Gefallenen des ersten Kriegsjahres des Peloponnesischen Krieges (431–404 v. Chr.) war es der athenische Politiker Perikles, dem diese Aufgabe zufiel. Thukydides hat die Grabrede überliefert, in der Perikles Athen als Schule für ganz Hellas preist.63 Diese Wertschätzung der Polisgemeinschaft trat in der Folge wieder hinter der des Hauswesens zurück. Seit dem späten 5. Jahrhundert wurde in Athen anstelle von Kleideraufwand vor allem architektonischer Aufwand bei der Gestaltung der Grabmäler betrieben. Vermutet wird, dass über die Bildgestaltung das Ideal des Zusammenwirkens der Generationen in der Sepulkralkunst sichtbar gemacht werden sollte, indem Personen unterschiedlicher Altersgruppen abgebildet wurden. Indem gerade auf Grabmälern jung verstorbener Männer wie Frauen neben den Toten weitere Personen mit deutlichen Alterszügen dargestellt sind, wurde die Stellung des Verstorbenen in der Generationenkette betont. Ob mit diesen Familiengräbern ein politischer Führungsanspruch einzelner Familien einherging, ist umstritten.64 Nach Carola Reinsberg und Johannes Bergemann sollten diese mehrfigurigen Familienszenen vielmehr die Eintracht des Oikos vor Augen führen und waren nicht mit machtpolitischer Bedeutung aufgeladen.65 Natascha Sojc allerdings meint, dass es auch im Grabkult auf die Akzentuierung idealer Bürgertugenden ankam, so dass von einem Gegensatz zwischen politischer und häuslicher Gemeinschaft nicht gesprochen werden kann.66

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In Sparta hingegen fehlte ein aufwändiger Grabkult. Anders als in den übrigen griechischen Städten war es erlaubt, die Toten innerhalb des Stadtgebietes in der Nähe der Tempel zu bestatten. Die Gräber erhielten indes keine Namensaufschriften, es sei denn, die Toten waren im Felde oder im Kindbett gestorben.67 Nur der Tod in der Schlacht und damit der Tod des jungen Kriegers sowie der Tod der jungen Frau bei der Geburt wurden mit Nachruhm vergolten. Auf diese Weise wurde auch im Alltag an die Allgegenwart des Todes erinnert. Zugleich wurden die Lebenden über den ,guten Tod‘ belehrt. Reichtum und Bindungsfähigkeit des Hauswesens waren somit im Tod unsichtbar. Das Ideal der Gleichheit der Spartiaten, der homoíoi, die in Tischgemeinschaften und Altersklassen organisiert waren, zeigte sich auch im Grabkult. Der römische Bestattungsaufwand unterschied sich von den griechischen Formen erheblich. Zentral ist hier der Ahnenkult, der aber lange Zeit nicht im Gegensatz zu den Werten der Gemeinschaft stand. Die Einführung eines funus publicum, eines öffentlichen, von der Gemeinschaft ausgerichteten Leichenbegängnisses, wie wir es aus dem klassischen Athen kennen, wird in der römischen Historiographie mit den Anfängen der Republik (um 510 v. Chr.) verbunden. Als erster soll im Jahre 509 v. Chr. P. Valerius Publicola für seinen im Felde gefallenen Mitkonsul Brutus ein öffentliches Begräbnis (funus publicum) veranstaltet und für ihn die Leichenrede (laudatio funebris) gehalten haben.68 Über die Gewährung eines funus publicum entschied in republikanischer Zeit der Senat. Zu den mit einem öffentlichen Begräbnis geehrten Personen gehörten vor allem die Feldherren und Amtsträger der späten Republik wie Sulla (78 v. Chr.), Lucullus (56 v. Chr.) oder Caesar (44 v. Chr.). In der Spätphase der Republik erhielten vermehrt auch ranghohe Frauen derartige Ehren. 43 v. Chr. wurde Atia, der Mutter des Augustus, ein funus publicum bereitet.69 Mit der Errichtung des Prinzipats konzentrierte sich die Gewährung eines öffentlichen Begräbnisses auf die Mitglieder des Kaiserhauses, wobei auch die Freigelassenen des Kaiserhauses einbezogen wurden. So ließ Augustus seinen Erzieher und Freigelassenen Sphairos mit einem öffentlichen Begräbnis ehren.70 Das Ritual lehnte sich an Praktiken an, die innerhalb der römischen Aristokratie üblich waren. Da erst der Tod des Vaters, nicht die Geburt von eigenen Kindern, einen römischen Bürger zum pater machte und Die Sorge für die Toten und der gute Tod  149

ihn in den Besitz der patria potestas brachte, kam dem Ahnenkult in der römischen Gesellschaft eine entscheidende Bedeutung zu. Mit seinen Ahnenbildnissen im Atrium bildete das Haus den Hort des Gedächtnisses der Generationen. Die Masken der Ahnen (imagines), die sowohl der väterlichen als auch der mütterlichen Verwandtschaft entstammten, hingen an den Wänden der Atrien und wurden im Falle des Todes eines der Familienangehörigen beim Leichenzug (pompa funebris) mitgeführt.71 In der Leichenrede (laudatio funebris) wurde der Leistungen des Verstorbenen für das Gemeinwesen gedacht. Hinzu kam die Durchführung von Leichenspielen in Form von Theateraufführungen (ludi funebres) sowie von Gladiatorenspielen, die ursprünglich auf dem Forum Romanum abgehalten wurden. Auch wurden dem Volk Geschenke, munera, in Form von öffentlichen Speisungen gewährt. Sie hatten den Zweck, gloria, virtus, dignitas und honos der ganzen gens, welcher der Verstorbene angehörte, ins Gedächtnis zu rufen. Polybios, der nach dem dritten makedonischen Krieg (171–168 v. Chr.) als Geisel nach Rom kam, zeigte sich beeindruckt vom Prunk der Leichenzüge, die am Tag stattfanden und nicht, wie bei einfachen Menschen, in der Nacht. Ihm bot sich ein Schauspiel, das in einzigartiger Weise die Leistungen der Senats­ aristokratie zur Schau stellte und damit immer von neuem den Anspruch auf ihre Führungsrolle festigte. Vorangeführt wurden ausschließlich die Totenmasken derjenigen Ahnen, die kurulische Ämter wie das des Ädils, Prätors oder Konsuls innegehabt hatten. Auf diese Weise machte der Leichenzug die soziale und politische Verortung des Verstorbenen und seiner Familie deutlich. Im Zentrum der Leichenreden, die im Anschluss an den Leichenzug auf der Rednertribüne auf dem Forum gehalten wurden, standen solche Taten der Verstorbenen und ihrer Ahnen, die besondere Bedeutung für das Gemeinwesen als Ganzes besaßen. Dies waren insbesondere Taten kriegerischer Art. Polybios verweist vor allem auf die erzieherische Funktion für die Jugend. „Da auf diese Weise die Erinnerung an die Verdienste der hervorragenden Männer immer wieder erneuert wird, ist der Ruhm derer, die etwas Großes vollbracht haben, unsterblich, das ehrende Gedächtnis der Wohltäter des Vaterlandes bleibt im Volke wach und wird weitergegeben an Kinder und Enkel. Vor allem aber wird die Jugend angespornt, für das Vaterland alles zu ertragen, um ebenfalls des Ruhmes, der dem verdienten Manne folgt, teilhaft zu werden.“72 150  Die Sorge für die Toten und der gute Tod

Eine bei Plinius dem Älteren (gest. 79 n. Chr.) teilweise überlieferte Leichenrede für den 221 v. Chr. verstorbenen Lucius Caecilius Metellus zeigt, wie der Verweis auf die kriegerischen Erfolge dazu diente, auch für die Zukunft den Führungsanspruch der Meteller zu untermauern. Er sei es gewesen, „der nach dem ersten Punischen Krieg erstmals Elefanten im Triumph“ aufgeführt habe. „Sein Wunsch sei es gewesen“, so heißt es weiter, „der erste Krieger, der beste Redner, der tapferste Feldherr zu sein.“73 Bei den Bestattungen in der römischen Senatsaristokratie wurde nicht nach Geschlechtern differenziert. Allerdings wurde ursprünglich nur den verheirateten Frauen, den matronae, eine öffentliche laudatio gehalten.74 Als 22 n. Chr. die hochbetagte Aristokratin Iunia Tertia starb, erhielt sie einen prächtigen, mit vielen Ahnenbildern geschmückten Leichenzug und eine Lobrede auf dem Forum.75 Daher konnten auch aufwendige Bestattungen für weibliche Verwandte in Rom als symbolisches Kapital in den Kämpfen um politische Macht in die Waagschale geworfen werden. So nutzte im Jahre 329/8 v. Chr. M. Flavius die Beerdigung seiner Mutter zur Darstellung seiner Freigebigkeit, indem er Fleisch an die stadtrömische Bevölkerung verteilen ließ, und erlangte auf diese Weise den Sieg bei der Bewerbung um das Amt des Volkstribunen.76 Als Caesar die Totenrede zu Ehren seiner Tante, der Gattin des Marius, hielt, bewarb er sich gerade für das Amt des Quästors.77 Die politische Funktion der pompa funebris geht auch aus Suetons Beschreibung der Bestattung Caesars hervor, der 44 v. Chr. an den Iden des März von seinen politischen Gegnern um Brutus getötet worden war. „Der Herold gab den Tag des Begräbnisses bekannt; dann wurde ein Scheiterhaufen auf dem Marsfeld dicht neben dem Grabmal der Julia errichtet und vor der Rednerbühne ein vergoldetes Modell des Tempels der Venus Genetrix aufgestellt; in dessen Innern stand ein elfenbeinernes Bett mit einer mit Goldfäden durchwirkten Purpurdecke und am Kopfende ein ‚stummer‘ Diener mit den Kleidern, in denen Caesar ermordet worden war. Diejenigen, die Totengaben (munera) dem Sarg vorantragen wollten, erhielten, da ein Tag dafür wahrscheinlich nicht ausreichen werde, die Anweisung, diese, ohne daß man sich einer Prozession anschloß, auf Wegen, die jedem frei gestellt waren, auf das Marsfeld zu bringen. […] An Stelle der Leichenrede ließ der Konsul Antonius durch einen Herold den Beschluß des Senats verlesen, durch den er Caesar in Die Sorge für die Toten und der gute Tod  151

demselben Moment alle göttlichen wie menschlichen Ehren zuerkannt hatte […]�������������������������������������������������������������� ����������������������������������������������������������������� “. In einem Akt scheinbar spontaner Trauer zünden zwei Unbekannte das Gerüst an, auf dem der Leichnam lag: „Eiligst trugen die, die rundherum standen, trockenes Reisig, die Richterstühle und auch die Bänke und noch was an Geschenken (donum) da war zusammen. Darauf zogen die Musikanten und Schauspieler die Festkleider (vestem), die sie von den Triumphzügen her besaßen und extra für die Feier angelegt hatten, aus, rissen sie in Stücke und warfen sie in die Flammen; die Legionssoldaten, die ehemals unter ihm gedient hatten, taten das gleiche mit den Waffen (arma sua), mit denen sie sich herausgeputzt hatten, um so der Feier beizuwohnen; auch die meisten Frauen (matronae) warfen die Schmuckstücke, die sie an sich trugen, ins Feuer, ebenso die Amulette und Kleider (bullas atque praetextas) ihrer Kinder.“78 Caesars Bestattung steht am Beginn eines Vergöttlichungskultes der römischen Kaiser. An der Stelle, wo der Leichnam Caesars verbrannt wurde, wurde später der Tempel des Divus Iulius errichtet. Der Akt der Vergöttlichung hängt unmittelbar mit der Leichenverbrennung, der Zerstörung der irdischen Gestalt, zusammen. Sie bildete die Voraussetzung für die Apotheose, den Aufstieg in den Götterhimmel, den später nahezu alle Kaiser vollzogen. Als Augustus starb, wurden beim Leichenzug nicht nur die Bilder seiner Ahnen, sondern aller bedeutenden Römer bis auf Romulus zurück gezeigt.79 Auf diese Weise verleibte sich die domus des Augustus die gesamte römische Tradition ein und machte damit ihren Machtanspruch sinnfällig. Die laudatio hielt sein Nachfolger Tiberius von der Rednertribüne (rostra) vor dem Tempel des Divus Julius, dem Familientempel der Julier, und wich damit von der republikanischen Tradition ab, die Leichenrede von den rostra auf dem Forum aus zu halten. Damit stellte er sich als Nachkomme eines zum Gottgewordenen dar. Der Vergöttlichungskult der römischen Kaiser erfasste auch die weiblichen Mitglieder. Die erste Frau der julisch-claudischen Familie, die eine Vergöttlichung erfuhr, war Drusilla, die Schwester des Caligula. Eine Vergöttlichung der Livia, der ersten Augusta, hatte Tiberius noch verboten. Allerdings erhielt Livia ein öffentliches Begräbnis und der Senat verfügte ein Trauerjahr für die Frauen Roms, wie es auch beim Tod des Augustus durchgeführt worden war, während die Trauer der Männer nur wenige Tage gewährt hatte. Unter Claudius (42 n. Chr.) wurde dann 152  Die Sorge für die Toten und der gute Tod

die Divinisierung der Livia nachgeholt. 80 Claudius war der erste Princeps, dem schon vor der Bestattung eine Konsekration zuteil wurde. Die laudatio hielt sein Nachfolger Nero; die Rede selbst gilt als Werk des Seneca.81 Der Vergöttlichungskult, der um einen verstorbenen Princeps abgehalten wurde, führte letztendlich zur Auflösung der republikanischen Tradition des öffentlichen Begräbnisses für die Angehörigen der Senatsaristokratie. Das letzte funus publicum für eine Person, die nicht dem Kaiserhaus angehörte, ist für das Jahr 108 n. Chr. belegt.82 Der Gegensatz zum Begräbnis der Armen war eklatant. Sie wurden ohne Leichenzug, nachts im Schein der Fackeln in aller Stille verbrannt und beerdigt. Die Allerärmsten wurden in Massengräbern verscharrt. Die Ausgrabungen am Esquilin zeigen, dass die Einzelgruben von 20 qm Durchmesser und zehn Meter Tiefe außer menschlichen Leichnamen auch Tierkadaver und Abfall enthielten.83 In kleineren Städten wie Pompeji traf man hingegen Vorsorge, den Armen auf öffentlichem Grund vor der Porta Nolana innerhalb des Pomeriums Grabplätze anzuweisen. Gelegentlich fand sich auch ein wohltätiger Bürger, der einen solchen Grabplatz für die Armen erwarb. Antoninus Pius ordnete während der Pest die Bestattung einfacher Leute, die der Seuche zum Opfer gefallen waren, auf öffentliche Kosten an.84 Für Sklaven und Freigelassene errichteten die Angehörigen des Kaiserhauses oder der Senatsaristokratie sogenannte Columbarien (wörtlich: Taubenschlag, von columba, lat. Taube), in denen mehrere hundert Urnen Platz fanden. Das berühmteste Beispiel ist das Monumentum Liviae. Es handelt sich um eine Grabanlage für die familia der Augusta, die sich aus Freigelassenen und Sklaven zusammensetzte. Die Anlage bestand aus einem Mauerwerk, in das Nischen mit Statuen und Marmortafeln eingelassen waren, auf denen Name, oft auch Funktion der bestatteten Person verzeichnet waren, sowie aus freistehenden Gedenksteinen und Statuen. Es wurde von einem Kollegium aus Sklaven und Freigelassenen aus der familia gepflegt.85 Andere Columbarien wurden von Vereinen unterhalten, die Mitglieder von Berufsgruppen wie Tuchoder Holzhändler gegründet hatten.86 Daneben gibt es eine Reihe von Grabinschriften, die einzelne Personen als Stifter von Grabstelen für Sklaven erkennen lassen. Häufig fungieren Angehörige als Stifter. Eine Grabstele aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. aus dem Salzburger Land verzeichnet folgende Inschrift: „Für PereDie Sorge für die Toten und der gute Tod  153

grinus, den Sklaven des Iulius Moderatus; (er starb) mit 21 Jahren.“ Gestiftet wurde das Grabmal von seinen Eltern.87 In Istrien ließ im 1. Jahrhundert n. Chr. ein Sklave mit dem Namen Modestus seiner Mutter Fausta und ihrem Lebensgefährten eine Kalksteinstele errichten. Aus Triest stammt folgende Inschrift: „Für Atticus, Eisenschmied auf dem Landgut des Sisenna, hat seine Mitsklavin Venusta (den Grabstein) setzen lassen.“88 Neben Grabinschriften geben auch literarische Epigramme aus der Feder eines Dioskurides oder Theaitetos Auskunft über Sklavenbestattungen: „Lyder bin ich, ja Lyder; doch hast du ins Grab eines Freien mich, den Timanthes, o Herr (despótês), der dich gepflegt hat, gesenkt. Lebe denn lange im leidlosen Glück! Und kommst du im Alter zu mir gegangen, ich bin, Herr, auch im Hades noch dein“, lautet ein Epigramm des Dioskurides von Nikopolis.89 Leonhard Schumacher vermutet, dass diese Epigramme nicht primär Wirklichkeit spiegelten, sondern Idealbilder von rechtschaffenen Sklaven zeichneten, die sich um den Herrn verdient gemacht haben, da sie Fleiß, Gehorsam, Treue und Ergebenheit der verstorbenen Sklaven priesen.90 Dass auch die Sklaven und Freigelassenen in das Totengedenken einbezogen waren, zeigt uns, welch hoher Stellenwert dem Totenritual für die Stiftung von sozialem Zusammenhalt zukam. Die memoria stiftete in der Antike jenes Band, das in einer von extremen sozialen Unterschieden geprägten Welt das Gewebe der Gesellschaft reißfest hielt. Wem die Bestattung und damit die memoria versagt wurde, stand tatsächlich außerhalb der Gesellschaft. Die Christen folgten dieser Tradition und bekräftigten sie sogar, indem sie ihren Toten unabhängig von Herkunft und sündiger Lebensweise eines sicher zu stellen versprachen: die Bestattung. Bis ins 18. Jahrhundert hinein blieb dieser Gedächtniszusammenhang zwischen Toten und Lebenden bestehen.

154  Die Sorge für die Toten und der gute Tod

Ausblick: Marginalisierte Alte?

Lebten die Alten „am schlimmen Rand des Lebens“, waren sie von der vollen Teilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen, wie Tim Parkin in einer jüngsten Studie zum Alter meint?1 Oder hat Karen Cokayne Recht, wenn sie behauptet, dass die Alten, Männer wie Frauen, aufgrund der Wertschätzung ihrer Erfahrung in Rom mit Respekt und Anerkennung rechnen konnten?2 Die Quellen geben eine eindeutige Antwort nicht her und es ist zudem zweifelhaft, ob dies die richtigen Fragen sind. Folgt man dem Rechtsphilosophen Norberto Bobbio, so ist „die Ausgrenzung der Alten“ ohnehin ein modernes Phänomen, nicht etwa eine Sache traditionaler Gesellschaften. Nur hier, so der Soziologe Gerd Göckenjan, sei Alter die „unerbittliche biographische Schlussphase“ ohne jegliche Heilsvergewisserung.3 Ihm zufolge stellen Altersklage wie Alterslob bzw. Alterstrost diskursive Strategien dar, die zwar über Zeiten und Räume hinweg kontinuierlich benutzt werden, aber auf jeweils unterschiedliche soziale und politische Kontexte verweisen; sie bilden nicht die Wirklichkeit der Alten ab und eignen sich daher auch nicht als Mittel zur Analyse der Alltagswirklichkeit alter Menschen.4 Eben diese Einschätzung bestätigen die antiken Altersdiskurse, wie sie in den literarischen Altersklagen der griechischen Lyriker und römischen Elegiker, in den Trostschriften der Philosophen und Historiker über das Alter oder in den Lebensalterstufenmodellen der Dichter zu greifen sind. Es handelt sich um hochgradig geformte Reden über das Alter, hinter denen ganz unterschiedliche Erfahrungen stehen. Auch wenn die überlieferten Traktate über das Altern zweifellos Reflexionen über die rechte Kunst des Alterns enthalten und Empfehlungen für eine altersgemäße Lebensführung geben, so haben diese Modelle mit dem Konzept des aktiven oder erfolgreichen Alterns der modernen Erlebnisgesellschaft5 nichts gemein. Ein dritte Lebensphase jenseits des Erwerbslebens gab es in der Antike nicht. Lebenslanges Arbeiten war vielmehr selbstverständliche Praxis bis vor nicht allzu langer Zeit. Auffallend ist der normative Charakter der Aussagen über das Alter in antiken Texten. Ein nahezu durchgängiges Muster antiker Altersdiskurse ist es, dass das Ausblick: Marginalisierte Alte?  155

Verhältnis zwischen Jung und Alt konflikthaft gedacht wird.6 Viele der hier behandelten Altersdiskurse enthalten Aussagen über politische Ordnungssysteme; das Generationenverhältnis gibt hier die Folie ab, auf der Konflikte im politischen Raum verhandelt werden. Diese Rolle teilen Altersdiskurse mit dem Geschlechterdiskurs, der ebenfalls von Anfang an um Konflikte kreist. In der fundamentalen Bedeutung von Alter und Geschlecht als gesellschaftlichen Ordnungskategorien ist vielleicht der größte Unterschied zu heutigen Debatten über das Alter zu sehen, in denen stärker das Individuum mit seinen Erfahrungen im Zentrum der Betrachtung steht. Weder in den antiken Altersstufenmodellen mit ihren numerischen Altersangaben noch in Trostschriften ist Alter als eine fixe Lebensspanne zu fassen, die mit dem biologischen Vorgang des Alterns kongruent ist. Gerade Lebensalterstufenmodelle bilden idealtypische politische Rollen, nicht aber unmittelbare Körpererfahrungen ab. Konkretere Einsichten in die Lebensbedingungen der Alten sind zu gewinnen, wenn man das Generationenverhältnis jenseits des politischen Raumes betrachtet. In einer bäuerlichen Gesellschaft, in der Status nicht von der Erwerbstätigkeit, sondern primär vom Landbesitz und den daraus zu beziehenden Einkünften abhängt, ist die Stellung der Alten grundsätzlich anders als in der heutigen Erwerbsgesellschaft einzuschätzen. Die vielen negativen Aussagen über die geizigen und habgierigen Alten, die in der antiken Literatur zu finden sind, scheinen mir eher ein Indiz für die schwierige Situation der Jüngeren als Ausdruck der Missachtung der Älteren zu sein. Denn es waren in allen antiken Gesellschaften die Älteren, die den Besitz in Händen hielten. Das gilt nicht nur für die römische Gesellschaft mit ihrer Institution der patria potes­ tas, die dem Hausvater die lebenslange Besitzherrschaft über die familialen Güter ließ. Auch in Athen gaben die Alten nach den wenigen Quellen, die wir haben, den Besitz nie ganz aus der Hand. Allerdings lassen jüngste demographische Studien den Teil derjenigen, die im erwachsenen Alter noch Eltern hatten, als gering erscheinen, so dass Konflikte um die Hof- bzw. Vermögensweitergabe nicht die Regel gewesen sein können.7 Als prekär muss auf jeden Fall die Situation der besitzlosen Alten angesehen werden, die ihren Lebensunterhalt mit einem Gewerbe bestritten und auf die Solidarität der Kinder angewiesen waren. Ihnen galten wohl auch die Regeln zum Schutz der Alten, die für manche Regionen 156  Ausblick: Marginalisierte Alte?

überliefert sind. In allen antiken Gesellschaften, so kann mit Fug und Recht behauptet werden, hing die Situation der Alten vom Besitz ab. Die aus unterschiedlichen Erbstrategien resultierenden Konflikte bilden einen maßgeblichen Hintergrund für die drastischen Schmähungen alter Männer wie Frauen, die in der antiken Dichtung zu finden sind. Eine besondere Marginalisierung alter Frauen, wie sie Tim Parkin unter Berufung auf die Forschungen von Jan Bremmer und John Henderson aus den 1980er Jahren behauptet, lässt sich nicht bestätigen, wenngleich geschlechtsspezifische Unterschiede in den Altersdiskursen nicht abzustreiten sind. Dies gilt insbesondere für die Altersstufenmodelle, die ganz auf männliche Lebensverläufe ausgerichtet sind, weil sie um politische Rollen kreisen. Zweifellos orientierten sich Bilder vom weiblichen Lebenslauf stärker an generativen als an politischen Mustern und sind daher eher in der Altersklage zu finden, die eben von dem Verlust der sexuellen Attraktivität und damit von der Reproduktionskraft handelt.8 Eben dieser Verlust bildet neben dem Maß der Bewegungsfähigkeit von Frauen den Angelpunkt für die Negativbewertungen alter Frauen. So erklärt Jan Bremmer Hinweise auf Aktivitäten alter Frauen außerhalb des Hauses, die er in den Quellen findet, mit deren sexuellen Unattraktivität und leitet daraus die Marginalisierung alter Frauen ab, während er eine Marginalisierung junger Frauen als Folge ihres Mangels an Bewegungsfreiheit ansieht.9 Es handelt sich gerade bei der Bewegungsfreiheit um eine Kategorie, die an modernen Wertvorstellungen orientiert ist und wie die Idee der Eingeschlossenheit ins Haus hochgradig ideologisch aufgeladen ist.10 Die produktiven, handwerklichen wie bäuerlichen, Fähigkeiten, vor allem aber der Anteil von alten Frauen an der Weitergabe von Wissen bleiben von ihm unberücksichtigt. Eben diesen Beitrag der alten Frauen an der Tradierung gesellschaftlicher Normen und Wissensbestände haben inzwischen jüngere Forschungen herausgearbeitet.11 Ebenso wie für die männlichen Alten gilt auch hier die Abhängigkeit der Lebensbedingungen vom Besitz. Gerade die alten Frauen der römischen Elite, die über große Vermögen verfügten, müssen zu den Privilegierten der Gesellschaft gezählt werden.12 Wenn Richard P. Saller das Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen in Rom weniger von Befehl und Gehorsam als vielmehr von pietas und Reziprozität geprägt sieht,13 so kann diese Einschätzung auch auf das Verhältnis zwischen den Generationen ganz allgemein bezogen werden. Die Ausblick: Marginalisierte Alte?  157

Krise der Reziprozität – das ist vielleicht die einzige Gemeinsamkeit, die zwischen modernen und antiken Altersdiskursen festzustellen ist. Worin diese Krise aber besteht, das ist eine stets neu zu verhandelnde Frage.

158  Ausblick: Marginalisierte Alte?

Anmerkungen

Einleitung 1 So die Überlieferung bei Asklepiades FGrH 12 F 7a = Athenaios 10,456 b (Übers. U. u. K. Treu) um 300 v. Chr. Vgl. auch Diodor 4,64,4 u. Hyginus, fabulae 67,5. Der älteste Beleg für die Sage befindet sich im Werk des boiotischen Dichters Hesiod (um 700 v. Chr.), der das Wüten der Sphinx in seiner Götterentstehungslehre erwähnt: „Sie aber (Edichna) gebar/ Die verderbliche Phix (Sphinx), / Verderben für die Kadmeer, von Orthos bewältigt […].“ (Hesiod, Theogonie 326– 328; Übers. W. Marg ). Eine eigene Ausgestaltung erfährt die Sage in der Sophokleischen Tragödie Oidipous Tyrannos, mit dem der Dichter im Dichterwettstreit der Großen Dionysien des Jahres 430 v. Chr. den zweiten Preis gewann. 2 Apollodoros, Bibliothekê 3,52–55; Übers. Ch. G. Moser u. D. Vollbach. 3 Zu den Bildbefunden vgl. Borg, Der Logos des Mythos 2002, 88–95. 4 Aischylos, Agamemnon 80–82. Übers. Oskar Werner. 5 Die Miniaturkannen wurden in großer Zahl in Kindergräbern gefunden. Sie werden meist als Geschenke an Kleinkinder gedeutet, die auf diese Weise in die Welt der Erwachsenen integriert wurden. Zu Abbildungen und Deutungen vgl. Rühfel, Kinderleben 1984, 125–168 mit Abb. 96. u. 97; Hamilton, Choes and Anthesteria 1992, 113–121 mit Abb. 7; Seifert, Choes, Anthesteria und die Sozialisationsstufen der Phratrien 2008 mit Abb. 4 u. 9. 6 Vgl. u. a. Eyben, Die Einteilung des menschlichen Lebens 1973, 150–190; Boll, Die Lebensalter 1913, 89–145. 7 ��������������������������������������������������������������������������������� Falkner, Slouching towards Boeotia 1989, 42–60; ders., The Politics and the Poetics of Time 1995, 153–168. 8 So die Deutung von Flaig, Tragischer Vatermord 1998. 9 Vgl. etwa Alter in der Antike. Katalog zur Ausstellung im LVR-Landes Museum Bonn 25.2.2009–7.6.2009, sowie Konferenzberichte wie Age and Ageing in the Roman Empire von 2007, hg. v. Mary Harlow und Ray Laurence. 10 Vgl. Richardson, Old Age Among the Ancient Greeks 1933/1969; Minois, Histoire de la vieillesse 1987; Mattioli, Senectus 1995; Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002. Vgl. ansonsten die Bibliographien zum Alter von Eyben, Old Age 1989, 230–251 und Suder, Geras 1991. 11 Zu nennen sind hier vor allem die Studien von Thomas M. Falkner: Falkner / de Luce, Old Age in Greek and Latin Literature 1989; Falkner, The Poetics of Old Age 1995. Vgl. auch Preisshofen, Untersuchungen zur Darstellung des Greisenalters in der frühgriechischen Dichtung 1977. Vgl. dazu Kap. IV/1 u.2. 12 Ein neues Thema der Altersforschung bildet der Alterssuizid. Vgl. Brandt, Am Ende des Lebens. Alter, Tod und Suizid in der Antike 2010. Einleitung  159

13 Am idealtypischen Lebenslauf eines ranghohen Römers ist beispielsweise die von Mary Harlow und Ray Laurence vorgelegte Untersuchung Growing Up and Gro­ wing Old in Ancient Rome. A Life Course Approach von 2002 orientiert. Zum ��������� griechischen Raum vgl. Garland, The Greek Way of Life 1990. Sowohl die physischen als auch die intellektuellen und emotionalen Aspekte des Alterns in der römischen Gesellschaft hat Karen Cokayne in ihrer Studie Experiencing Old Age in Ancient Rome von 2003 untersucht. Vgl. ansonsten die Arbeiten von Tim G. Parkin, Age and the Aged in Roman Society 1992; ders., Demography and Roman Society 1992; ders., Out of Sight, out of Mind 1997, 123–148; ders., Ageing in Antiquity: Status and Participation 1998, 19–42; ders., Old Age in the Roman World 2003. Die sozialgeschichtliche Debatte hat eröffnet: Moses I. Finley, The Elderly in Classical Antiquity 1981, 156–171. 14 Eine Reihe von Sammelbänden zur Familie oder zum Verhältnis der Geschlechter enthalten daher auch Aufsätze zum Alter in der Antike. Vgl. u.  a. Blok / Mason, Sexual Asymmetry 1987, 191–215 ( J. Bremmer); Rawson / Weaver, The Roman Family in Italy 1997, 123–148 (T. Parkin). 15 Speziell zu Generationenkonflikten vgl. u. a. Bertram, The Conflict of Generations 1976; Kleijwegt, Ancient Youth 1991; Eyben, Restless Youth 1993; Strauss, Fathers & Sons 1993; Christes, Jugend in Rom 1998, 141–166. Zur demographischen Debatte vgl. Kap. V/1. 16 Vgl. z. B. Davis, Youth and Age in the Thera Frescoes 1986, 399–406; Meyer, Alte Männer auf attischen Grabstelen 1989, 49–82; Pfisterer-Haas, Die Darstellung alter Frauen 1989; Zanker, Die Trunkene Alte 1989; ders., Die Maske des Sokrates 1995; Amedick, Unwürdige Greisinnen 1995, 141–170; Schade, Anus ebria 2001, 259–276. 17 Gutsfeld / Schmitz, Am schlimmen Rand des Lebens 2003/2009, 16 ff. 18 Hesiod, Erga 331–333; Übers. Walter Marg. 19 Parkin, Das Alter – Segen oder Fluch? 2005, 53. Ausführlich: Ders., Old Age in the Roman World 2003, 86 f., 246 f.; Bremmer, The Old Women of Ancient Greece 1987, 203. Zur Debatte über die Marginalisierung alter Frauen vgl. Henderson, Older Women in Attic Old Comedy 1987; Schade, Anus ebria 2001; WagnerHasel, Alter, Wissen und Geschlecht 2006. 20 Rader, Prismen der Macht 2000, 311–346. 21 Bagnall / Frier, The Demography of Roman Egypt 1994; Scheidel, Measuring Sex, Age and Death in the Roman Empire 1996. Den Weg von der Alltagsgeschichte zur demographischen Forschung in den Altertumswissenschaften zeichnet nach: Rawson, From ,Daily Life‘ to ,Demography‘ 1995, 1–20. Vgl. auch die Literaturangaben in Kap. V/1. 22 Vgl. die Zusammenstellung bei Boll, Die Lebensalter 1913, 94, Anm. 1 sowie Sigismund, Über das Alter 2003, 67–74. 23 Powell, Cicero: Cato maior de senectute 1988. 24 Byl, Plutarque et la vieillesse 1977, 107–123; Senn, Beiträge zur Erläuterung von Plutarchs Schrift 1978. 160  Anmerkungen

25 Sigismund, Über das Alter 2003, 46–67. 26 Vgl. insb. die Arbeiten von Christian Gnilka, Aetas Spiritalis. Die Überwindung der natürlichen Altersstufen als Ideal frühchristlichen Lebens 1972; ders., Neues Alter, neues Leben 1970, 5–38; ders., Altersklage und Jenseitssehnsucht 1980; ders., KAΛOΓHΡΩΣ. Die Idee des guten Alters bei den Christen 1980, 5–21. Einen Vergleich zwischen christlichen und paganen Altersvorstellungen nimmt vor: Dönni, Der alte Mensch in der Antike 1996. 27 Einen Einblick in die Vielzahl der literarischen Quellen zum Alter bieten Falkner / de Luce, Old Age in Greek and Latin Literature 1989. Zur Quellenproblematik vgl. die Bemerkungen von Cokayne, Experiencing Old Age 2003/2011, 3–5. 28 So die Forderung von Laes, À la recherche de la vieillesse dans l'antiquité grécoromaine 2005, 243–255 in seiner Besprechung der Werke von Brandt, Cokayne und Parkin.

Kapitel I 1 Harlow / Laurence, Growing Up 2002, 3. Allgemein: Ehmer, Das Alter in Geschichte und Geschichtswissenschaft 2008. 2 Vgl. z. B. die Schmähung Alexanders d. G. durch den attischen Redner Demosthenes und durch den eigenen Kriegsgefährten Philotas. Plutarch, Alexander 11,3–4 (Demosthenes); 48,4–5 (Philotas). 3 Cicero, in M. Antonium orationes Philippicae (Philippische Rede) 2,118: Defendi rem publicum adulescens (gegen Catilina) non deseram senex; Livius 30,30,10. ���� Weitere Belege bei Parkin, Old Age 2003, 20–26. 4 CIL 8.9158 = ILS 8503. 5 Dazu Parkin, Old Age 2003, 20–26. 6 So die Formulierung von Sagner, Alter und Altern in einfachen Gesellschaften 2003, 32. 7 Auf die flexiblen Altersdefinitionen in der römischen Kultur verweist Cokayne, Experiencing Old Age 2003, 1 f. Vgl. dazu die Bemerkungen zu Lebensalterstufen (Kap. III) und zur Demographie und Lebenserwartung (Kap. V). 8 Hesiod, Erga 106–179. Zur Verknüpfung von Zeitalter- und Lebensalterstufen vgl. Falkner, Age and Age-Grading 1989, 52–55, der im bronzenen Geschlecht den noch jungen, unbesonnen handelnden Krieger, im Geschlecht der Heroen dagegen den in der Blüte der Jahre stehenden Mann sieht. Verbindungslinien zum homerischen Epos zieht Most, Hesiod’s Myth of the Five (or Three or Four) Races 1998, 104–127, der zwei Aspekte des hesiodeischen Zeitalters der Heroen, Körperkraft und Einkehr in die Elysischen Gefilde, im Homerischen Epos thematisiert findet. Stärke zeichnet Heroen wie Theseus oder Kaineus aus, die der greise Nestor noch gekannt haben will (Homer, Ilias 1,259–268); mit der Körperkraft eines Helden wie Herakles mag sich Odysseus nicht messen (Homer, Odyssee 8,219–225); in die Elysischen Gefilde wird Menelaos eingehen, wo bereits RhadaKapitel I  161

manthys weilt (Homer, Odyssee 4,561–569). Das Eisenzeitalter findet er in der Darstellung des Odysseus als aus Eisen geschaffen repräsentiert (Homer, Odyssee 12,279–282). 9 Hesiod, Erga 180–188; Übers. Walter Marg. Zu den orientalischen Vorläufern des hesiodeischen Weltaltermythos und Varianten bei anderen antiken Autoren vgl. Gatz, Weltalter 1967, insb. 1–27 u. 87–103. 10 Platon, Kritias 110 e. Vgl. dazu Wagner-Hasel, Entwaldung in der Antike? 1988, 12 f. Zu den Bezügen des Atlantismythos zum Athen des 5. Jahrhunderts vgl. Nesselrath, Platon und die Erfindung von Atlantis 2002, insb. 8 u. 36–38. 11 ����������������������������������������������������������������������������� Beaumont, Born Old or Never Young? ������������������������������������������ 1998, 71–95. Allerdings gibt es Altersstufen unter den Göttern. Manche sind älter, presbýteros, d. h. „früher geworden“, weil sie einem früheren Göttergeschlecht angehören. Vgl. Preisshofen, Untersuchungen 1977, 6–8. 12 Sophokles, Oidipous auf Kolonos 607–609; Übers. W. Willige u. K. Bayer. Vgl. dazu Van Nortwick, „Do not go gently“, 1989, 132–156. 13 Hesiod, Theogonie 211–226. 14 Hesiod, Theogonie 270–273. Allerdings gibt es auch ein weibliches Pendant zu Gêras, Geropso, die greise Betreuerin des Herakles, die ihm die Leier hinterher trägt. Sie ist mit zahnlosem Mund und tief eingegrabenen Falten dargestellt. Zur Verkörperung der Jahreszeiten durch die Horen vgl. Wegner, Zeiten – Lebensalter – Zeitalter 1991, 33 ff. 15 Hesiod, Erga 90–105; Übers. Walter Marg. „Lieb altert sie zusammen mit dem liebenden Mann, nachdem sie geboren hat ein schönes und ruhmvolles Geschlecht“, preist Semonides fr. 7, 86/7 in seinem Frauenkatalog die von der Biene abstammende tadellose Frau (Übers. Preisshofen, Untersuchungen 1977, 79). 16 Hesiod, Theogonie 570–616; Übers. Walter Marg. 17 Auf die weibliche Rolle der Vorratshaltung bezieht Reuthner (Die Büchse der Pandora 2008, 129) den Mythos. 18 Hymnos an Aphrodite 218–237. Bereits bei Homer tritt Tithonos als der Geliebte der Eos auf. Homer, Ilias 11,1 und Odyssee 5,1. Anspielungen auf den Mythos finden sich in der nachfolgenden Literatur häufig. Vgl. u.a. Mimnermos fr. 1 West; Sappho fr. 65a Diehl; Aristophanes, Die Acharner 676–691; Cicero, Cato maior de senectute 1,3; Ovid, Fasten 3,403; Vergil, Aeneis 8,384. Zu weiteren literarischen Quellen sowie zu den Bildbelegen vgl. Kossatz-Deissmann, Tithonos 1997, 34–37. 19 h.Aphr. 218–238; Übers. nach Anton Weiher. 20 h.Aphr. 239/40. 21 Ovid, Metamorphosen 14, 130–153; Übers. Erich Rösch. Die Verbindung mit Apollon gehört in den Kontext der augusteischen Religionspolitik, als Augustus den Apollonkult für sich dienstbar machte. Zur Rolle der Sibylle in der augusteischen Religionspolitik vgl. Foulon, Sibylles élégiaques 2004, 69–74.

162  Anmerkungen

22 So die Argumentation von King, Tithonos and the Tettix 1989, 68–89. Ähnlich Preisshofen, Untersuchungen 1977, 13–19, der meint, dass der Tithonosmythos darauf ziele, die natürliche Ordnung des Seins zu erkennen. 23 FGrHist 4 F 140. In einem Scholion zur Ilias und zur Alexandra des Lykophron bittet der alternde Tithonos um den Tod. Eos kann ihm diese Bitte nicht gewähren, aber sie kann ihn in eine Zikade (téttix) verwandeln, so dass sie sich immerhin an seiner Stimme erfreuen kann. Belege bei King, Tithonos and the Tettix 1989, 73. 24 Segal, Tithonos and the Homeric Hymn 1986, 37–47. 25 Auf diesen Zusammenhang verweist King, Tithonos and the Tettix 1989, 82. 26 Lukrez, De rerum natura (Von der Natur) 4,58. 27 Tzetzes, chiliades 8,166,79: […] ἐπεὶ καὶ τέττιγες ἀυτoὶ νεάξoυσιν ὡς ὄϕεις ( Johannes Tzetzes, Historiae, ed. Petrus A. Leone, Neapel 1968). 28 Kallimachos, Aitia fr. 1,29–40 Pf./M. 29 Ambühl, Literarische Innovation als Verjüngung der Tradition 2004, 36. Dies., Kinder und junge Helden 2005. Dies gilt auch für Sappho. So du Bois, Athens 2010, 40–45. 30 Platon, Phaidros 259 b. 31 Homer, Ilias 3,145–153; Übers. Wolfgang Schadewaldt. Auf dieses Homerische Bild von der zikadengleichen Stimme der Alten wird auch in der peri gêrôs-Literatur Bezug genommen. Vgl. Iuncus ap. Stobaios, Florilegium IV 50, 95 Hense. Neben der zikadenhaften Stimme wird hier auch die Würde der Körperhaltung, ein ruhiger Gang sowie Kenntnis des Schicklichen als Kennzeichen der Alten betont. Dazu Sigismund, Über das Alter 2003, 151. 32 Hellanikos: Scholia in Homeri Iliadem 3,151 (ed. Erbse, Bd. I, S. 385); Eustathius: Scholia in Homeri Iliadem 3,151 (ed. van der Valk). 33 Anders Preisshofen, Untersuchungen 1977, 22, Anm. 62, der den Zikadenvergleich im Epos als Hinweis auf die dünn gewordene Stimme der Alten versteht, allerdings das Mehrwissen der Alten unterstreicht. Kraft und Unkraft des Alters sieht Schadewaldt (Lebenszeit und Greisenalter 1933, 286) im Bild der Zikade, „dem trockenen zerschrumpften Tier mit der hellen gellenden Stimme“, „wunderbar vereint“. Vgl. auch Euripides, Melanippe fr. 509, wo es heißt: „ϕωνὴ καὶ σκιὰ γέρων ἀνὴρ: Ein alter Mann ist (nur) Stimme und Schatten.“ 34 Zur Verehrung der Sibylle, die nach literarischen Überlieferungen zu urteilen im griechischen Osten (Ephesos, Samos) beginnt, in Cumae archäologisch aber bereits für die archaische Zeit nachzuweisen ist, vgl. Parke, Sibyls and Sibylline Prophecy 1988/1992, Kap.4; Potter, Sibyls in the Greek and Roman World 1990, 471–483; Bouquet/Morzadec, La Sibylle 2004. 35 Nikolopoulos, Tremuloque gradu venit aegra senectus 2003, 58. 36 Die Figur der Seherin ist bereits im homerischen Epos belegt. Allerdings sind auch diese mythischen Seherinnen wie Kassandra oder Medea keineswegs alt. Auch die Etrusker kennen die Figur der Seherin, welche die Etrusca disciplina, die Weissagung, beherrscht. Sie trägt jedoch einen anderen Namen (Vegoia oder Begoe). Kapitel I  163

Nach Champeaux, Figures romaines de la Sibylle 2004, 43–52 fixiert erst Vergil das Bild der Sibylle als Prophetin. Die Annalisten kennen sie als alte Frau. 37 Plutarch, Moralia 397 A; frg. 92 Diels/Kranz. J. Lightfoot, The Sibylline Oracles (ed., trad., comm.), Oxford 2007. Sibyllensprüche waren seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. in Athen verbreitet. Vgl. dazu Gauger, Sibyllinische Weissagungen 2002, 333–478. 38 Beleg und Diskussion des Epigramms bei Eisen, Amtsträgerinnen im frühen Chris­ tentum 1996, 65–73. 39 Die Figur des Meeralten ist unter vier Namen überliefert: Nereus, Proteus, Phorkys und Glaukos. Buschor, Meermänner 1941, 3; Preisshofen, Untersuchungen 1977, 9–12. 40 Buschor, Meermänner 1941, insb. 28 u. 31 u. 40; Der Neue Pauly 8, 2000 s.v. Nereus ( Jan N. Bremmer). 41 Homer, Odyssee 4,385 (Proteus). In der Ilias (18,141) tritt der Meergreis nur als Vater der Thetis auf, einer der Nereïden. 42 Hesiod, Theogonie 233–236; Übers. Walter Marg; vgl. auch Preisshofen, Untersu­ chungen 1977, 10–13. 43 Hinzu kommt ihre kriegerische Leistungsfähigkeit, die über die Rekrutierung von Gefolgschaft und Nutzung räumlicher Ressourcen vervielfältigt werden kann. Zur Diskussion vgl. Wagner-Hasel, Der Stoff der Gaben. 2000, Kap. IV mit weiteren Literaturhinweisen. 44 Vgl. u.a. Ovid, Metamorphosen 12,177/8: „Sag uns, denn alle erfüllt das gleiche Verlangen zu hören, redegewandter Greis, du Weisheit unseres Jahrhunderts […]“. Diogenes von Oinoanda frg. 142. Dazu Sigismund, Über das Alter 2003, 339. 45 Homer, Ilias 4,323. Vgl. auch Ilias 9,422/3. 46 Homer, Ilias 1,249; Übers. Wolfgang Schadewaldt. 47 Homer, Ilias 3, 109; Zitat: Schadewaldt, Lebenszeit 1933, 286. 48 Homer, Ilias 23,590 u. 3,106. In der Odyssee gelten allerdings auch junge Leute als besonnen. Vgl. dazu Schadewaldt, Lebenszeit 1933, 285–287. 49 Homer, Ilias 1, 250–252; Übers. Wolfgang Schadewaldt. Vgl. auch die römische Rezeption der Nestorerzählung bei Ovid, Metamorphosen 12,177–188, die ebenfalls auf den Konnex von Wissen und hohem Alter abhebt, allerdings auch das Vergessen im Alter thematisiert. Zu weiteren epischen Befunden, die den Zusammenhang von Alter und Wissen bestätigen, vgl. Schadewaldt, Lebenszeit 1933, 282–302; Preisshofen, Untersuchungen 1977, 21–42. 50 Keinerlei Schlüsse für das Leben der Alten vermag Finley, The Elderly in Classical Antiquity 1989, 10 daraus zu ziehen. 51 Plutarch, Solon 12; Diogenes Laërtius 1,109–112. 52 Solon fr. 22,7 Diehl: γηράσκω δ’ ἀεὶ πoλλὰ διδασκόμενoς. Übers. Hermann Fränkel. 53 Platon, Phaidros 276 d. 54 Belege bei Cokayne, Experiencing Old Age 2003/2011, 59–79.

164  Anmerkungen

55 So hält Parke, Sibyls and Sibylline Prophecy 1988, 81 die Sibylle von Cumae für griechisch, die der Sibyllischen Bücher für römisch. Zur aktuellen Diskussion vgl. Bouquet/Morzadec, La sibylle 2004. 56 Vgl. u.a. Aulus Gellius, Noctes Atticae (Attische Nächte) 1,19,1–11; Dionysios von Halikarnassos, Antiquitates Romanae 4,62,2–4 (hier ist nur von einer gynê die Rede, deren Alter nicht spezifiziert wird). Eine Zusammenstellung der Belegstellen findet sich bei Gauger, Sibyllinische Weissagungen. 2002, 333–478, der die Verknüpfung der Prodigienbücher mit der Sibyllentradition ans Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. datiert (381). Zur Koexistenz von Schreiben und Stimme vgl. Février, Le double langage de la Sibylle 2004, 19. 57 Diodor 4,66,5–6. 58 Fögen, Die Enteignung der Wahrsager 1993, 19. 59 So Giuliani, Bildnis und Botschaft 1986, 196 für die römische Porträtkunst, die einen schonungslosen Verismus pflege. 60 So die Formulierung von Zanker, Die Maske des Sokrates 1995, 23. 61 Zanker, Die Maske des Sokrates 1995, 78. Zur Vieldeutigkeit solcher Bildformeln wie kontrahierte Brauen vgl. Giuliani, Bildnis und Botschaft 1986, 134–140. 62 Zanker, Die Maske des Sokrates 1995, 57–60. 63 Ebd. 76. 64 Andere Bildzeugnisse wie die Stele des mit 90 Jahren verstorbenen Charion aus dem späten 4. Jahrhundert v. Chr., der mit einer Buchrolle gezeigt wird, führen die Übereinstimmung von Altersweisheit und Bürgerstatus vor Augen. Es sei dies das erste Mal, dass Alter in der Sepulkralkunst mit einem positiven Wert versehen worden sei, meint Meyer, Alte Männer auf attischen Grabstelen 1989, 55. Sie deutet die Buchrolle als Zeichen der Gelehrsamkeit des Verstorbenen. Ebd. 71. Ernst Baltrusch (An den Rand gedrängt. Altersbilder im klassischen Athen 2003, 62–72) vermutet aufgrund von Schriftquellen für das 5. und 4. Jahrhundert eine Entwertung des Greisenalters. 65 Giuliani, Bildnis und Botschaft 1986, 140–144. 66 Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, Abb.11. 67 Vgl. Meyer, Alte Männer 1989, 77–78, welche die Langhaarfrisur der Phylenheroen als ein Mittel deutet, das Alter zu veranschaulichen, dabei aber das Unschöne des Alters zu vermeiden. 68 Zanker, Die Maske des Sokrates 1995, 45. 69 Ebd., Abb. 23. 70 Hadot, Philosophie als Lebensform 2002, 136–148. 71 Befunde bei Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 102–113. 72 Ebd. 127–131. 73 Baton ap. Athenaios, Gelehrtenmahl 4,163 b; Übers. U. u. K. Treu. 74 Zanker, Die Maske des Sokrates 1995, 98ff. 75 Zanker, Die Trunkene Alte 1989, insb. 48–55, 69 u. 74. Zur Verspottung alternder Hetären in der Komödie und in Epigrammen vgl. Anthologia Graeca XI, 66 u. 67 u. 274; V, 76; Plautus, Mostellaria 273–278 (alte Hetären riechen trotz des Kapitel I  165

Gebrauchs von Salben schlecht). Zu weiteren Deutungen vgl. Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 109 f., der die karikierenden Aspekte der Darstellung hervorstreicht. 76 Die jüngste Interpretation als seherische Trance findet sich bei Ute Übel, „Die alte Priesterin“ 2007, 90–93. Als Priesterin des Dionysoskultes deutet sie Schade, Anus ebria 2001, 263. 77 Zanker, Die Maske des Sokrates 1995, 152–173. 78 Ebd. 173. In diesem Sinne deutet er die Darstellung von Buchrolle und Griffel auf Grabmälern, mit denen sich die Mitglieder der Elite nun als Denkende und Lesende darstellten. „Selbst Frauen bekommen auf diese Weise gelegentlich Paideia nachgerühmt“ (183). 79 Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 137–153. Zur politischen Bedeutung des Ahnenkults vgl. Flaig, Die Pompa Funebris 1995, 115–148, Hölkeskamp, Senatus populusque Romanus 2004, 188–190. 80 Giuliani, Bildnis und Botschaft 1986, 239–245. 81 Ebd. 192. 82 Ebd. 197, 199. 83 Ebd. 230. 84 Giuliani, Bildnis und Botschaft 1986, 148; 151–156. 85 Zanker, Die Maske des Sokrates 1995, 206–221. Zanker ordnet diese Bartmode des Kaisers, der auch andere folgen, in den Kontext eines Bildungskultes ein, der auf Vergegenwärtigung der kulturellen Vergangenheit zielt. Den elitären Charakter betont Borg, Das Bild des Philosophen 2009, 215–221, die zwar die griechische paideia, nicht aber die Philosophie als semantischen Bezugspunkt der Bartmode gelten lassen will. 86 Zur Entwicklung dieses Prozesses vgl. Fögen, Die Enteignung der Wahrsager 1993. 87 Zanker, Die Maske des Sokrates 1995, 309. Zu den spätantiken Philosophenbildnissen ebd. 288–305. 88 Gnilka, Aetas spiritalis 1972, 129. Zur Doppelcharakter der Christus-Bildnisse vgl. Zanker, Die Maske des Sokrates 1995, 272–288. 89 Gnilka, Aetas spiritalis 1972, 128–132. 90 Ebd., 127 f.; Dönni, Der alte Mensch in der Antike 1996, 78; Herrmann-Otto, Die ,armen Alten‘. Das neue Modell des Christentums? 2003, 185. Vgl. auch Kap. VI. 91 Gnilka, Aetas spiritalis 1972, 93. 92 Gregor von Nazianz, or. 26,11 (PG 35, 1241c). Vgl. Gnilka, Aetas spiritalis 1972, 23 ff., 70. 93 Gnilka, Aetas spiritalis 1972, 87. 94 Gregor von Nazianz in einer Grabrede auf Basilius, or. 43,23 (PG 36,525 C). Vgl. dazu die Erörterungen von Gnilka, Aetas spiritalis 1972, 88–94; 119. 95 Ebd. Zu den Altersvorstellungen der einzelnen Kirchenväter vgl. ausführlich Dönni, Der alte Mensch in der Antike 1996. 96 Gnilka, Aetas spiritalis 1972, 135.

166  Anmerkungen

97 Vgl. das Bildnis der Diotima vor dem thronenden Sokrates auf einem Wandbild in Boscoreale aus der frühen Kaiserzeit, das Vorbildern aus der Zeit um 320 v. Chr. folgt und sich heute im Paul Getty Museum in Malibu befindet. Schefold, Die Bildnisse der antiken Dichter 1997, Abb. 85. 98 Vgl. neben der Darstellung von Sappho und Alkaios auf einem Mischgefäß um 480 v. Chr. (Schefold, Bildnisse 1997, Abb. 19) die Bronzebüste der Sappho aus der Villa dei Papiri, ein Abguß einer Bronzestatue um 350 v. Chr. (Schefold, Bildnisse 1997, Abb. 60 u. 61), oder die Darstellung der Sappho in einem Dichterzyklus aus der Villa Imperiale in Pompeji (Schefold, Bildnisse 1997, Abb. 186) sowie das Wandbild der Korinna aus Pompeji (ebd. Abb. 162). 99 Diogenes Laërtios 6,97. Vgl. dazu Mratschek, ‚Männliche‘ Frauen 2007, 211– 227; Hartmann, Kynische Grenzüberschreitungen 2007, 229–246. 100 Mratschek, ‚Männliche‘ Frauen 2007, Tafel 7, Abb. 3. 101 Harich Schwarzbauer, Philosophinnen 2000/2006, 162–174; dies., Polyphones Schweigen 2003, 61–77; dies., Fort-schreiben 2004, 421–419. 102 Pfisterer-Haas, Darstellungen alter Frauen 1989, 101–105. 103 Ebd., 23–24; Abb. 16–21. 104 Connelly, Portrait of a Priestess 2007, 227. Ab dem 4. Jh. stellen Priesterinnen für sich auch Ehrenstatuen auf. Dillon, The Female Portrait 2010, 9. 105 Sojc, Trauer auf attischen Grabreliefs 2005, 104 f. 106 Pfisterer-Haas, Darstellungen alter Frauen 1989, 12; dies., Ältere Frauen auf attischen Grabdenkmälern 1990, 194; Connelly, Portrait of a Priestess 2007, 235– 237. 107 Platon fordert in seiner Schrift über die Gesetze (Nomoi 759 d) sowohl für Priesterinnen als auch für Priester ein Mindestalter von 60 Jahren. 108 Pfisterer-Haas, Ältere Frauen 1990, 187; 194f. Der Akzent liegt damit auf den Generationenbeziehungen. 109 Pfisterer-Haas, Darstellungen alter Frauen 1989, 187 u. 194/5. 110 Ebd. 69–77. Zwei 80jährige Priesterinnen der Demeter und der Chariten sind auf einem Grabepigramm aus de 3. Jh. v. Chr. belegt. Connelly, Portrait of a Priestess 2007, 223–227. 111 Pausanias 2,35,7–8. 112 Schade, Anus ebria 2001, 265 u. 273. 113 Insgesamt ist es schwer, Angaben zum Alter von kultischen Amtsträgern zu finden. Der antike Diskurs über Altersbeschränkungen für Ämter bezieht sich allein auf den Bereich der Politik, nicht auf den Bereich des Kultes. Parkin, Ageing in Antiquity 1998, 37. Jenseits der Menopause mußte die Priesterin der Geburtsgöttin Eileithyia in Elis sein (Pausanias 6,20,2). Manche Opferhandlungen wurden ebenfalls von älteren Frauen durchgeführt, so das Opfer zu Ehren der Göttin Tacita bei den Totenfeiern, den Feralia (Ovid, Fasten 2,571 ff.). Weitere Beispiele bei Bremmer, Old Women 1987, 199. 114 Pfisterer-Haas, Darstellungen alter Frauen 1989, 58.

Kapitel I  167

115 Diodor 16,26. Zum Hintergrund vgl. Rosenberger, Griechische Orakel 2001, 34. Zur Autorität der Pythia vgl. Maurizio, The Voice at the Center of the World 2001, 38–54.; Schnurr-Redford, Weissagung und Macht: Die Pythia 2000/2006, 132–146. 116 So bei den Elegikern (Horaz, Tibull, Properz). Zur Diskussion vgl. Bremmer, Old Women 1987, 205 f. Hellenistische Vorläuferinnen tauchen in der Jüngeren Komödie und bei Theokrit auf. Ebd. 204. Dass eine alte Frau wegen ihrer magischen Praktiken getötet wird, ist bei Ammianus Marcellinus 29,2,26 überliefert. Zur Figur der Magierin in der römischen Dichtung vgl. Hömke, Die Entgrenzung des Schreckens 2006, 161–185. 117 Die Kontrolle über alte Wissensinstanzen setzt ein mit dem Verbot der Astrologie (ars mathematica) unter Diokletian (294 n. Chr.) und setzt sich fort über das Verbot der Eingeweideschau und Entmachtung der haruspices unter Konstantin dem Großen bis hin zur Kriminalisierung aller traditionellen Formen der Wissenserhebung einschließlich der der Magier und Auguren unter Constantius II., auf welche die frühen Kaiser noch zurückgegriffen hatten. Es sind vor allem die christlichen Theologen wie Eusebios, Tertullian und Laktanz, die ein Konkurrenzmodell zu den alten Wissenskonzepten entwickeln, indem sie philosophisches Erkenntnisstreben negieren, anstelle von Wissbegierde Glaube setzen und damit erstmals göttliches Wissen der menschlichen Erkenntnis entziehen. Zugleich apostrophieren sie die Willensfreiheit des Einzelnen, die Unabhängigkeit vom fatum der Sterne. Die Einheit der alten Wissensordnung, der scientiae rerum divinarum et humanarum, wird damit gesprengt, das Wissen um göttliche und menschliche Dinge nicht mehr als Einheit gedacht, die Trennung von göttlichem und menschlichem Wissen vollzogen. Indem aber die traditionelle Einheit von kaiserlicher und göttlicher Macht bestehen bleibt, der Kaiser nun aber Stellvertreter eines mit menschlicher Erkenntnis nicht fassbaren Gottes wird, entzieht sich mithin auch das kaiserliche Handeln dem fatum der Sterne, dem es zuvor unterworfen war, es wird sakrosankt. Die Ermittlung des göttlichen Willens, der auch für einen Kaiser verbindlich gewesen war, wird über die Kriminalisierung der Astrologen, Magier und Auguren verboten, ein kaiserliches Weltdeutungsmonopol durchgesetzt. So die Argumentation von Fögen, Die Enteignung der Wahrsager 1993. 118 Diese Überlegung verdanke ich einem Gespräch mit Henriette Harich-Schwarzbauer. 119 Anna Perenna, die Priesterin des Liber, verkörpert ebenfalls beide Seiten, die Jugend und das Alter. Sie erneuert sich alljährlich am 15. März. Ovid, Fasten 3,523–696; 725–770. Auch die Parzen, das römische Pendant zu den Moiren, den Schicksalsgöttinnen, sind greise Frauen (Catull 64,305). 120 Belege bei Gnilka, Aetas spiritalis 1972, 42–43. 121 Sie machen die Mehrzahl der von Pfisterer-Haas (Darstellungen alter Frauen 1989) zusammengestellten Bildnisse alter Frauen aus. Vgl. auch Brandt, Wird

168  Anmerkungen

auch silbern mein Haar 2002, 111. Zu Ammenbildnissen vgl. Neils et al., Coming of Age 2003; Backe-Dahmen, Die Welt der Kinder in der Antike 2008. 122 Ovid, Metamorphosen 14,654–660 u. 695. 123 Nikolopoulos, Old Age in Ovid’s Metamorphoses 2003, 55. 124 h.Dem.101–104 125 Homer, Odyssee 2,337–347; 22, 421–427. Dazu Preisshofen, Untersuchungen 1977, 39–41 126 Ovid, Metamorphosen 6, 26/7; Übers. Erich Rösch. 127 Platon, Hippias 285 e. Übers. Friedrich Schleiermacher. 128 So Bremmer, Old Women 1987, 201 im Verweis auf Platons Dialog Gorgias, den Sokrates mit der rhetorischen Frage abschließt (527a), ob Kallikles seine Aussagen über die Unterwelt als mýthos verstehe, wie er von einer alten Frau (graòs) erzählt werde, und deshalb gering achte. Bremmer schließt daraus auf eine Missachtung der Mythenerzählerinnen. Dagegen geht es Platon, wie an anderer Stelle deutlich wird, um die Ächtung bestimmter Arten von Göttererzählungen. Vgl. insb. Platon, Politeia 277 c, wo Sokrates den Ammen und Müttern die Rolle zuweist, den Kindern solche Mythen zu erzählen, die er für wertvoll hält. 129 Platon, Lysis 205 c-d. Der Reichtum, die Pferdezucht und die Siege der Ahnen des Lysis bei den Pythischen, Isthmischen und Nemeischen Spielen waren Platon zufolge Gegenstand von Liedern und Erzählungen, die in der ganzen Polis bekannt gewesen seien. 130 Cobet, Herodot und die mündliche Überlieferung 1988, 227. 131 Raaflaub, Athenische Geschichte und mündliche Überlieferung 1988, 214–217. 132 MacIntosh Snyder, Women and the Lyre 1989; Vazaki, Mousike gyne 2003. 133 Der Erinnerung wert ist vor allem die Höhe der Mitgift. Herodot 7,122: „Denn als sie zur Heirat heranwuchsen, bedachte er [Kallias] sie mit einer großartigen Mitgift und erwies ihnen folgende Gunst: Er gab seine Töchter dem Manne aus Athen, den jede von ihnen sich zum Gatten erwählte (ἐπειδὴ γὰρ ἐγίνoντo γάμoυ ὡραῖαι, ἔδωκέ σϕι δωρεὴν μεγαλoπρεπεστάτην ἐκείνῃσί τε ἐχαρίσατo. ἐκ γὰρ πάντων τῶν ᾿Aθηναίων τὸν ἑκάστη ἐθέλoι ἄνδρα ἑωυτῇ ἐκλέζασθαι, ἔδωκε τoύτῳ τῷ ἀνδρί).“ Übers. J. Feix. [Die meisten Kommentatoren halten diesen Absatz aufgrund des Sprachstils für unherodoteisch, die Fakten allerdings bis auf den Hinweis der freien Wahl – ἐλευθερῶν – (das Wort fehlt deshalb in der hier zitierten Ausgabe) für gesichert. Vgl. Maccen 1895, Bd. 1, 4–5; How / Wells 1957 (1912), Bd. 2, 110. Vgl. auch die kritische Ausgabe von Rosèn, Teubner 1997, Bd. 2, 147 f. Zur Deutung der Passage vgl. Stahl, Aristokraten und Tyrannen 1987, 118, der darin einen Hinweis auf den Reichtum des Kallias sieht. 134 Reuthner, Philosophia und Oikonomia als weibliche Disziplinen 2009, 416–437. Zum Bildmaterial vgl. Fabricius, Kleobulines Schwestern 2009, 17–46. 135 Belege bei Hallett, Fathers and Daughters 1984, 8. Zur Frauenbildung in Rom vgl. Hemelriijk, Matrona docta 1999. 136 Plutarch, Gaius Gracchus 19; Übers. W. Wahrmann. 137 Vgl. Harder, Die Aristokratin als Mäzenin 2000/2006, 183–197. Kapitel I  169

138 Flower, Were Women ever „Ancestors“ in Republic Rome? 2002, 159–184. 139 Quintilian, institutio oratoria IV proömion 8, Übers. H. Rahn: „Darin aber bestand die Tücke des Schicksals, um mich noch stärker zu quälen, dass er zu mir am liebsten war, mich lieber hatte als seine Kinderfrauen, seine Großmutter, die ihn erzog, als alle, mit denen Kinder in solchem Alter sich zu beschäftigen pflegen (illud vero insidiantis, quo me validius cruciaret, fortunae fuit, ut ille mihi blandissimus me suis nutricibus, me aviae educanti, me omnibus, qui sollicitare illas aetates solent, anteferret).“ 140 Plinius d.J., Epistulae (Briefe) 7,24,3. 141 Beleg bei Schade, Anus ebria 2001, 272. 142 Schade, Anus ebria 2001, 264. Vgl. auch Kunst, Lesende Frauen 2009, 47–64. Für Kunst bildet die Schreibtafel einen Hinweis auf die hauswirtschaftlichen Verwaltungsaufgaben der Frauen. Nicht auf den Bildungsstand, sondern auf die Lebensführung bezieht Zanker, Die Maske des Sokrates 1995, 255–257 u. 268/9; Abb. 156 Attribute wie Saiteninstrument und Buchrolle, die auf Altersbildnissen von Sarkophagen der Spätantike Männern wie Frauen beigegeben sind. Saiteninstrument und Buchrolle seien als Bildkürzel für ein glückliches Leben zu lesen, das die Verstorbenen geführt hätten. Weiteres Bildmaterial ist zusammengestellt bei Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 199–208.

Kapitel II 1 Auf der homerischen Schildbeschreibung halten die Geronten inmitten des Volkes eine Ratsversammlung ab (Homer, Ilias 18, 503). 2 Homer, Odyssee 2,16 u. 188: πoλλά τε εἰδὼς (Aigyptios); 2,157: μυρία ᾔδη (Halitherses). 3 Plutarch, Lykurg 5–6; Platon, Nomoi (Gesetze) 3,691 e; Tyrtaios fr. 3 b. 4 Plutarch, Lykurg 26, 2–3. Vgl. dazu Flaig, Die spartanische Abstimmung nach der Lautstärke 1993, 139–160; Timmer, Altersgrenzen 2008, 317–320. Ihnen zufolge bildet die Abstimmung über die Lautstärke die hierarchische Steuerung der Entscheidungsfindung ab, da auf diese Weise Gruppendruck erzeugt werden konnte, und entspricht dem konsensualen System der Spartaner. 5 Xenophon, Lakedaimonion politeia (Die Verfassung der Spartaner) 10,3. Ebenso Plutarch, Lykurg 26. 6 Aristoteles, Politika 1271 a 9–20. 7 Aristoteles, Politika 1270 b 40. Auch meint er, dass das Alter dieselben Leiden verursache wie Krankheiten. Aristoteles, de generatione animalium 784 b 34. 8 Zur antiken Diskussion vgl. David, Old Age 1991, 20–26. 9 Plutarch, Lykurg 26,3–4. 10 Vgl. dazu die Analyse von Schmitt Pantel, Entre public et privé, le politique? 1998, 408–410. 11 Wagner-Hasel, Der Stoff der Gaben 2000, Kap. 2. 170  Anmerkungen

12 Xenophon, Lakedaimonion politeia (Die Verfassung der Spartaner) 10,1–3. Zu den Machtkompetenzen der Geronten vgl. David, Old Age 1991, 26–36. Nahezu absolut fasst sie Schmitz, Nicht ,altes Eisen‘ 2003, 87–112. 13 Plutarch, Kleomenes 31,2. Weber, Zwischen Macht und Ohnmacht 2003, 123. 14 Belege bei Develin, Age Qualifications for Athenian Magistrates 1985, 149–159 und Timmer, Altersgrenzen 2008, 24–49. 15 Aischines, Gegen Ktesiphon 3,2–4. Ihm zufolge geht das Rederecht der Älteren auf Solon zurück. Vgl. auch Plutarch, Moralia 794 c-d. Möglicherweise wurde es in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts ausgesetzt. Zur Diskussion über die Anwendung der Regelung im Athen des 5. und 4. Jahrhunderts vgl. Timmer, Altersgrenzen 2008, 29–32; ders., „Wer, der über 50 Jahre ist, will sprechen?“ 2012. 16 Aristoteles, Athenaion politeia 53,1–4; Pollux, Onomasticon 8,126 (ed. Erich Bethe, Leipzig 1931). 17 Schmitz, Nicht ,altes Eisen‘ 2003, 89. 18 Aristoteles, Athenaion Politeia 29,2. Zur Einrichtung der proboulê vgl. Thukydides 8,1,3. Von einer Zeit der Rückkehr der Väter spricht Strauss, Fathers & Sons 1993, 179–187. 19 Ernst Baltrusch, An den Rand gedrängt 2003, 85, u. a. im Verweis auf Xenophon, Anabasis 5,7,17, der drei ältere Männer (τρεῖς ἄνδρες τῶν γεραιτέρων) als Unterhändler erwähnt, die vom Gegner gesteinigt wurden. Zur Stärkung des Senioritätsprinzips im 4. Jahrhundert v. Chr. vgl. Timmer, Altersgrenzen 2008, 289–295. 20 Zitiert nach Daverio Rocchi, Kulturmodelle und Gerichtserfahrungen bei Hirtengemeinschaften 1996, 338. Zur Rolle von älteren Bürgern in Konfliktsituationen vgl. auch Weber, Zwischen Macht und Ohnmacht 2003, 131, Anm. 78. 21 So Reinhold, Generation Gap 1976, 29, der dies mit der Schwächung der Familienbande zugunsten der Polisbande erklärt. Mit den demokratischen Institutionen bringt Baltrusch, An den Rand gedrängt 2003, 57–86 diese Entwicklung in Verbindung. Zur Diskussion vgl. auch Kap. III/4 u. V/3. 22 Thukydides 6,12–13. Auch Tragödiendichter wie Euripides thematisieren den unbändigen Ehrgeiz der Jugend, der – so in seinen Hiketiden (Die Schutzflehen­ den) 229–237, die um 424/421 aufgeführt wurden – zum unheilvollen Kriege drängt. Zum Zusammenhang von Mehrheitsentscheidung und Aufhebung des Senioritätsprinzips im antiken Athen vgl. Timmer, Altersgrenzen 2008, 284–295. 23 Sigismund, Über das Alter 2003, 138. 24 Baltrusch, An den Rand gedrängt 2003, 72–80, der allerdings den utopischen Charakter unterstreicht. 25 Platon, Nomoi (Gesetze) 794 b; 932 b. Vgl. auch Kap. V. 26 Diodor 18,46–47. 27 Polybios 4,53. Dazu Weber, Zwischen Macht und Ohnmacht 2003, 131 f. Einen ähnlichen Konflikt überliefert Plutarch, Pyrrhos 13 für Tarent, wo sich die Jüngeren für einen Krieg gegen Rom unter der Führung von Pyrrhos aussprachen und obsiegten, während die Älteren dagegen plädierten.

Kapitel II  171

28 Zur Verbreitung und Herkunft dieser sakralen Gerusie vgl. Oliver, The Sacred Gerusia 1941, der die inschriftlichen Belege zusammengetragen und übersetzt hat. Weber, Zwischen Macht und Ohnmacht 2003, 125 f. 29 Weber, Zwischen Macht und Ohnmacht 2003, 124. 30 Belege bei Weber, Zwischen Macht und Ohnmacht 2003, 127. 31 Pindar fr. 189 Bowra. 32 Euripides, Melanippe fr. 508 Seeck. 33 Thukydides 6,18. 34 Demokrit fr. 294 Diels-Kranz. Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 50 f.; Herter, Demokrit über das Alter 1975, 83–92. 35 Platon, Nomoi (Gesetze) 760 b-c (agronómoi), 764 e (Chorwesen), 764 e u. 765 d - 766 b (nomothétes). 36 Platon, Politeia 328 d- 331 d. Dazu Stein, Platons Charakteristik der menschlichen Altersstufen 1966. 37 Platon, Nomoi (Gesetze) 665 d. Mit dem Alter wächst die Freude an Reden (lógoi): Politeia 328 d. 38 Plutarch, Moralia: an seni respublica gerenda sit (εἰ πρεσβυτέρῳ πoλιτευτέoν) 783 B - 797 F; Parkin, Ageing in Antiquity 1998, 26. 39 Aristoteles, Politika 1277 b 35; Rhetorik 1389 b 13 – 1390 a 24. 40 Aristoteles, Athenaion Politeia 53,4–7 (Athen); Xenophon, Hellenika 5,4,13. David, Old Age in Sparta 1991, 8–9 (Sparta). 41 Platon, Nomoi 785 b. Als gute Zeit für die Bekleidung von Ämtern sieht er für Frauen das 40. Lebensjahr an. Weitere Diskussion bei Sigismund, Über das Alter 2003, 113. 42 Belege bei Sigismund, Über das Alter 2003,112 f. 43 Demosthenes 3,4. Zur Bewertung vgl. Sigismund, Über das Alter 2003, 112. 44 So erzählt der athenische Historiker Thukydides (3,74,1), dass sich die Frauen Korkyras entgegen der ihnen zugeschriebenen Natur (phýsis) an Kriegshandlungen beteiligten und die Feinde mit Dachziegeln torpedierten. David Schaps, Women in Wartime, in: Classical Philology 77, 1982, 193–213. 45 Anthologia Graeca 6,8; Übers. Hermann Beckby. 46 Anthologia Graeca 6,227; Übers. Hermann Beckby. 47 Cicero, Cato maior de senectute 6,17. Übers. Max Faltner. 48 Ebd. 6,20. 49 Livius 7,10,4. Vgl. auch Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia (Denkwür­ dige Taten und Worte) 5,8. 50 Letzteres betont Polo, Die nützliche Erinnerung 2004, 168; ebenso Walter, „Ein Ebenbild des Vaters“ 2004, 406–425. 51 Zur Reputation des Appius Claudius Caecus vgl. Fögen, Römische Rechtsgeschich­ ten 2002, 150. 52 Cicero, Cato maior de senectute 11,37; Übers. nach Max Faltner. 53 Aulus Gellius, noctes Atticae (Attische Nächte) 2,2,9; Übers. Fritz Weiß. 54 Ebd. 18,62. Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 117–132. 172  Anmerkungen

55 Florus, Epitome 1,1,15: consilium rei publicae penes senes esset, qui ex auctoritate patres, ob aetatem senatus vocabantur. 56 Livius 40,44,1. Vgl. Kleijwegt, Did the Romans Like Young Men? 1992, 181–195; Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 105. Zum Verhältnis von Jung und Alt in der Politik vgl. u. a. Neraudeau, La jeunesse 1976; Kleijwegt, Ancient Youth 1991; Christes, Jugend im antiken Rom 141–166. Zur politischen Relevanz der lex Vil­ lia Annalis vgl. Beck, Karriere und Hierarchie 2005, 51 ff. sowie Timmer, Alters­ grenzen 2008, 307–315, der meint, dass ein höheres Einstiegsalter in die politische Karriere der Verlängerung der Phase der politischen Sozialisation und darüber der Verbesserung der Konsensfähigkeit innerhalb der Senatorenschaft gedient habe. 57 Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 104–110. 58 Livius 38,53,6 u. 42,47,4. Weitere Belege bei Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 119 ff. 59 Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 118. Das Ausscheiden aus dem Militärdienst war eine strikte Zäsur. Männern über 60 war es nicht mehr erlaubt, an den Wahlen zu den Zenturiatskomitien teilzunehmen. Ebd. 60 Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 118. 61 Plutarch, Moralia 794 A. Dies entspricht römischen Gesetzen. Vgl. Ziethen, Gesandte vor Kaiser und Senat 1994, 12. Vgl. auch Parkin, Ageing in Antiquity 1998, 26. 62 Zu nennen wären der 80jährige Cincinnatus (Livius 3,26 u. 4,13 ff.), der von der Feldarbeit weggeholt und zum Dictator bestimmt wurde, um das römische Heer gegen die Aequer zu führen, und Camillus (Livius 6,22 ff.), der als senex am Krieg gegen die Volsker teilnahm, obwohl er nicht mehr alleine ein Pferd besteigen konnte, sowie Appius Claudius Caecus (Cicero, Cato maior de senectute 16), der bereits hochbetagt und blind die jüngeren Senatoren zum Krieg gegen Pyrrhos anspornte. Als Vorbild gilt auch Fabius Maximus, der „mit einer Rüstigkeit, die man seinem Alter nicht mehr zugetraut hätte“, gegen die Karthager kämpfte (Plutarch, Fabius Maximus 12,5; Übers. Konrat Ziegler). Allerdings wird ihm auch ein Mangel an Wagemut im Alter bescheinigt. Gegenüber dem jüngeren Cornelius Scipio, der mit 31 Jahren Konsul wurde, verwahrt er sich laut Plutarch im Streit über die Kriegstaktik (25,2) gegen die Unvernunft des jungen Mannes (ἀνδρὸς ἀνoήτoυ καὶ νέoυ). Vgl. auch Plutarch, Sertorius 18, der die Schwerfälligkeit des Alters als Nachteil gegenüber dem Wagemut der Jugend sieht. Weitere Beispiele bei Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 120 ff. 63 Cicero, Cato maior de senectute 57–58; Übers. Max Faltner. 64 Cicero, Epistulae ad Atticum (Briefe an Atticus) 1,6,4. 65 Ebd. 2,3,4. 66 Plutarch, Cicero 47–49. 67 Sallust, De coniuratione Catilinae (Die Verschwörung des Catilina) 6–7; Übers. K. Büchner.

Kapitel II  173

68 Ebd. 20. Vgl. auch Sallust, Epistulae ad Caesarem senem de re publica (Politische Briefe an Caesar) 1,5,5, wo er klagt, dass homines adulescentuli fremdes Gut verbrauchen wollen. 69 Cicero, Epistulae ad Atticum (Briefe an Atticus) 1,16,11. Vgl. Cicero, Cato maior de senectute 20. 70 Auf diese Dimension des Generationenkonfliktes in den politischen Kämpfen der späten Republik verweist Plescia, Patria potestas and the Roman Revolution 1976, 143–169, der ihn allerdings allein auf die Institution der anachronistisch gewordenen patria potestas bezieht. Eyben (Youth and Politics during the Roman Republic 1972, 66 ff.) und Parkin (Ageing in Antiquity 1998, 24–26) beziehen ebenfalls den zeitgenössischen Kontext ein und meinen, dass Ciceros Schrift auf eine Idealisierung der Autorität der Alten gezielt habe, die der Realität seiner Zeit widersprochen habe. Vgl. auch Kap. V/4. 71 Nero war 17, Commodus 19, Caracalla 23, als sie zum Princeps erhoben wurden. Zur Diskussion vgl. Eyben, Restless Youth 1993, 57; Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 111–116. �������������������������������������������������������� Die Entwicklung bis zur Spätantike zeichnet nach: Wiedemann, Adults and Children 1989, 113–142. Zur Altersstruktur der Senatoren vgl. die zusammenfassenden Bemerkungen bei Gutsfeld, ‚Das schwache Lebensalter‘ 2003, 116. 72 Gutsfeld, ‚Das schwache Lebensalter‘ 2003, 166. 73 Zum Entpflichtungsalter der Senatoren vgl. McAlindon, The Senator’s Retiring Age 1957, 108, der von einer Erhöhung der Altersgrenze auf 65 Jahre unter Claudius ausgeht; Wiedemann, Adults and Children 1989, 113–142. 74 Gutsfeld, ‚Das schwache Lebensalter‘ 2003, 166–168 mit Belegen. Zur Entlastung von den munera vgl. die Zusammenstellung bei Neesen, Die Entwicklung der Leistungen und Ämter (munera et honores) 1981, 216–223. Die Gesetze regelten auch das Mindestalter für die Übernahme der munera, das im 4. Jahrhundert n. Chr. bei zwanzig Jahren lag. Aus Epidauros ist für das 1. Jahrhundert n. Chr. ein vierjähriger Gymnasiarch überliefert, der für die laufenden Kosten des Gymnasiums aufkommen musste. Belege bei Wiedemann, Adults and Children 1989, 136– 138. Wiedemann erklärt sich diese Entwicklung mit der Verallgemeinerung des römischen Bürgerrechts seit 212, das die ehemals entscheidende Grenze zwischen Kindheit und Bürgerdasein, die durch das Ablegen der toga praetexta markiert war, unwichtig werden ließ. 75 Gutsfeld, ‚Das schwache Lebensalter‘ 2003, 176. 76 Stobaios, Florilegum IV 50,85 (Hense), frg. 9–10; Übers. Sigismund, Über das Alter 2003, 97. 77 Juvenal, Satiren 4,10,243–245. Übers. Joachim Adamietz. 78 Ebd. 258–270; 283–286. 79 Plinius, Epistulae 2,1,4; 3,1. Seneca, De Brevitate Vitae. 80 Vgl. etwa Plutarch, Moralia 783 B - 797 F, der die Erfahrung der alten Männer lobt und sie als kluge Ratgeber schätzt. Gutsfeld, ‚Das schwache Lebensalter‘ 2003, 176 f. meint allerdings, dass die Altersweisheit keine besondere Wertschätzung 174  Anmerkungen

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mehr erfahren habe und stattdessen der einwandfreie Lebenswandel wichtig geworden sei. Vgl. dazu die Ausführungen zum puer senex-Ideal. Hermann-Otto, Die ,armen‘ Alten 2003, 195–202; Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 122. Herrmann-Otto, Die ,armen‘ Alten 2003, 200. Sie folgt hier Gnilka, Aetas spirita­ lis 1972, 172–189, der den Kirchenvätern eine elastische Haltung in der Altersfrage bescheinigt, aber auch ein Bestreben feststellt, die kirchliche Ämterfolge durch fixe Mindestalter zu regeln (173). Es sind dies Kirchenordnungen wie die Apostolischen Konstitutionen und die syrische Didaskalie (3. Jh.), die vorschrieben, dass ein Bischof mindestens 50 Jahre alt sein solle, doch auch die Erteilung eines Altersdispenses vorsahen. Die geistige senectus, darauf verweist Gnilka, blieb jedoch immer unabdingbare Voraussetzung (180). Hermann-Otto, Die ,armen‘ Alten 2003, 202. Belege bei Eisen, Amtsträgerinnen im frühen Christentum 1996, 112–137. Zu den Diakoninnen vgl. ebd. 154–192. Eisen kann auch zwei Bischöfinnen nachweisen, das Alter der Amtsübernahme ist aber nicht zu ermitteln. Ebd. 193– 209. Eisen vermutet aufgrund von Polemiken gegen die Lehr- und Tauftätigkeit der eingesetzten Witwen, dass diese ursprünglich ähnliche Aufgaben wie die Bischöfe ausübten, die jedoch im Zuge der Bemühungen um die Stärkung des Bischofsamtes beschnitten wurden. Ebd. 138–153. Belege ebd. 141–144. Herrmann-Otto, Die ,armen‘ Alten 2003, 198, Anm. 37. Belege bei Eisen, Amtsträgerinnen im frühen Christentum 1996, 148 f.

Kapitel III 1 Zu einer Negativbewertung aufgrund der Aussagen der Tragödie kommt Baltrusch, An den Rand gedrängt 2003, 86: „Das eingangs zitierte ‚goldene Zeitalter‘ für die Alten in vorindustriellen Perioden, von sozial- und kulturwissenschaftlicher Seite ohnehin längst in das Reich der Phantasie verwiesen, ist im klassischen und demokratischen Athen ganz gewiss nicht anzusiedeln.“ Auf den Spott, den die Komödie über die Alten ausgießt, verweist Schmitz, Nicht ,altes Eisen‘ 2003, 87 f. 2 Eyben, Die Einteilung des menschlichen Lebens 1973, 150–190; HerrmannOtto, Die ,armen‘ Alten 2003, 184. 3 „�������������������������������������������������������������������������������� […]����������������������������������������������������������������������������� daß die Jüngeren vor den Älteren schweigen, wie es sich ziemt, und sich verneigen und aufstehen, und die Achtungsbezeigungen gegen die Eltern und wie man sich schert und kleidet und beschuht und das ganze äußerliche Ansehen und was sonst dergleichen ist […]. Gesetze darüber zu geben, halte ich für einfältig, denn es geschieht doch nicht und würde sich auch nicht erhalten, wenn wortwörtlich und buchstäblich vorgeschrieben.“ Platon, Politeia 425 b; Übers. Friedrich Schleiermacher. Vgl. auch Xenophon, der in seinen Erinnerungen an Sokrates Kapitel III  175

(Memorabilia 2,3,16; Übers. Peter Jaerisch) einen Dialog des Meisters zitiert, in dem es heißt: „Da sagte Chairekrates: Du sprichst sonderbar, Sokrates, und keineswegs, wie man es von dir erwartet, wenn du eben mich als den Jüngeren aufforderst, darin voranzugehen; bei allen Menschen wird doch gerade das Gegenteil davon für richtig gehalten, nämlich daß der Ältere in jeder Hinsicht die Führung hat in Wort und Tat. Wie? So sagte Sokrates. Wird es denn nicht überall für recht gehalten, daß der Jüngere dem Älteren auf dem Wege Platz macht, wenn er ihm begegnet, daß er vor ihm aufsteht, wenn er sitzt, daß er ihm das weichere Lager zugesteht und sich seinen Worten fügt? Mein Lieber, zögere nicht, so sagte er, sondern bemühe dich, den Mann versöhnlich zu stimmen, und gar bald wird er dir entgegenkommen.“ 4 Aristoteles, Nikomachische Ethik 1165 a 27–29; Übers. Franz Dirlmeier. 5 Herodot 2,80; Übers. Josef Feix. Vgl. auch Aelian, de natura animalium 6,61, der die Empfehlung Lykurgs, junge Männer (neôtéroi) sollten den Älteren (presbýteroi) ihren Sitz anbieten und den Weg freimachen, zum allgemeinen Postulat erhebt und mit Beispielen aus dem Tierreich untermauert. Ihm zufolge lehrt die Natur die Fürsorge für die Älteren. 6 Valerius Maximus, facta et dicta memorabilia (Denkwürdige Taten und Worte) 2,1,9–10; Übers. Ursula Blank-Sangmeister. 7 Vgl. Ehmer, „The Life Stairs“ 1996. 8 So bei Euripides, Melanippe fr. 508; Übers. Gustav Adolf Seeck. Bei Hesiod sind Ratschläge (boulaí) mit der mittleren Generation verbunden, die kriegerischen Taten sind Sache der Jungen, während der Lobpreis den Alten gehört: Hesiod fr. 321 Merkelbach: ἔργα νέων, βoυλαὶ δὲ μέσων, εὐξαὶ δὲ γερόντων. Vgl. Falkner, The Poetics of Old Age 1995, 49. 9 Vgl. z. B. Pindar, Nemeische Ode 3,72 u. 66, der zwischen paîs bzw. néos, anêr und palaiós unterscheidet. 10 Vgl. etwa Xenophon, Symposion 4,17 (paîs, meirákion, anêr, presbýtês) und Kyrupä­ die 8,7,6 (paîs, neanískos, anêr, presbýtês). Vgl. Wegner, Zeiten - Lebensalter - Zeit­ alter 1991, 60 ff. 11 Xenophon, Kyrupädie 8,7,1 u. 8,7,6. 12 Hippokrates, Aphorismen 3,19. Vgl. auch Ovid, Metamorphosen 15,199–213. 13 Vgl. Kap. I/1. 14 Most, Hesiod’s Myth of the Five (or Three or Four) Races 1998, 104–127. 15 So in der pseudo-hippokratischen Schrift Περὶ ἑβδoμάδων, wo das Mannesalter dreimal sieben Jahre (von 28–49) umfaßt. Bis 56 ist ein Mann presbýtês, danach gérôn. Die Sieben ist durch den Umlaufrhythmus des Mondes vorgegeben und spielt im philosophischen Denken eine wichtige Rolle. In der pythagoreischen Zahlenlehre gilt die Sieben als die perfekte Zahl; sieben Planeten kennt die hellenistische Astrologie. Vgl. Boll, Die Lebensalter 1913, 109 u. 112–124. 16 Falkner, The Politics and the Poetics of Time 1995, 153–168. 17 Solon fr. 19 Diehl; Übers. Dietrich Ebener.

176  Anmerkungen

18 Vgl. etwa die Angaben aus Varros Schrift „Die Wochen“ und „Über Charakterköpfe (Lebensbilder, hebdomates vel de imaginibus)“, die bei Aulus Gellius, Noctes Atticae (Attische Nächte) 3,10,1–17 zitiert sind. Weitere Belege bei Eyben, Einteilung des menschlichen Lebens 1973, 172. 19 Zur Siebenzahl: Hippokrates apud Censorinus, de die natali 14,3 (dt. Übers. Sallmann 1988); zur Korrespondenz von Krankheit und Jahreszeit: Hippokrates, Aphorismen 3,18–31. 20 Falkner, The Politics and the Poetics of Time 1995, 159. 21 Ebd. 157 ff. 22 So Plutarch, Lykurg 16–18 u. 26, der zwischen fünf Stufen unterscheidet, zwischen den jüngeren und älteren Knaben, paîdes (ab 7 Jahre) und melleírenes (ab 12 Jahre), zwischen Jugendlichen und jungen Männern, eirénes (ab 20 Jahre) und néoi. Am Ende stehen die Alten, die gérontes. Die nach Altersgruppen gegliederten Chöre, die laut Plutarch an den Gymnopaidien auftraten, folgten dagegen einer Dreiteilung in die Gruppe der Knaben, in die Gruppe der in der Blüte der Jahre stehenden (Männer) und in die Gruppe der Geronten (Plutarch, Lykurg 21). Zum spartanischen Erziehungssystem vgl. Vidal-Naquet, Der schwarze Jäger 1989, 144–149, der den bewusst archaisierenden Charakter des spartanischen Systems betont und die Entstehung der Agogê in den Zusammenhang der Formierung der Hoplitenphalanx stellt. Einen Zusammenhang mit Altersklassensystemen, wie sie für afrikanische Gesellschaften überliefert sind, will dagegen Schmitz, Nicht ,altes Eisen‘ 2003, 92–97 u. 105–108 sehen, der damit an ältere Forschungen aus den 1930er Jahren anknüpft. Schmitz stützt sich u. a. auf die Angaben von sieben Altersstufen bei dem alexandrinischen Gelehrten Aristophanes von Byzanz (Λέξεις ῾Hρoδότoυ s.v. εἰρήν), die wahrscheinlich die Neuerungen unter Kleomenes III. aus dem 3. Jh. v. Chr. wiedergeben. In Xenophons Schrift über die Verfassung der Spartaner (Lakedaimonion politeia 2,1–14 u. 3.1–5, 4,1–6) aus dem 4. Jh. v. Chr. ist nur die Unterscheidung in die drei Gruppen der „Knaben“, paîdes (7–13), „Jugendlichen“, paidiskoí (14–19), und der „zur Reife gelangten jungen Männer“, hêbôntes (20–29), greifbar. Vor der Annahme eines fixen Altersklassensystems warnt deshalb Kennell, The Gymnasium of Virtue 1995, insb. 143–148. 23 Vgl. Waldner, Geburt und Hochzeit des Kriegers 2000, insb. 102–175; Hartmann, Heirat 2002, 76–97. 24 Nach Meinung der Philosophen galten Mädchen ab dem 16. Lebensjahr als heiratsfähig; für Männer wurde ein späteres Heiratsalter um 30 Jahre empfohlen, das zugleich den Eintritt in das aktive politische Leben Athens markierte, da ihnen ab dem 30. Lebensjahr politische Ämter offen standen; für Frauen gilt bei Platon eine Grenze von 40 Jahren für die Übernahme von Ämtern. Platon, Nomoi (Gesetze) 785b; Aristoteles, Politika 1335 a 6–35. Dies entsprach nach den Aussagen der Gerichtsreden in etwa der attischen Praxis. Für Sparta und für Kreta ist ein geringerer Altersabstand überliefert. Hermippos ap. Athenenaios, Deipnosophistai (Gelehrtenmahl) 13,555C; Strabon, Geographika 10,4,20; Inscriptiones Creticae (Inschrift von Gortyn) VIII 35 u. VII 18–19 , ed. Willetts, The Law Code 1967. Kapitel III  177

25 26 27 28 29 30

Vgl. Baltrusch, An den Rand gedrängt 2003, 61. Cokayne, Experiencing Old Age 2003/2011, 60. Aristoteles, Rhetorik 1389 a - 1390 b. Ebd. 1390 b 4. Das gilt vor allem für das 5. Jahrhundert v. Chr. Vgl. Kap. II/1 u. V/3. Eröffnet wurde die Debatte von Emiel Eyben (zuletzt: Restless Youth 1993, 5–41), der eine solche Phase nachzuweisen versucht. Zur Kritik vgl. Christes, Jugend im antiken Rom 1998, 141–166; Kleijwegt, Ancient Youth 1991; ders., Did the Romans Like Young Men? 2002, 181–195. Die zeitliche Begrenzung der antiken Debatte auf die Umbruchphase von der späten Republik zur Kaiserzeit und der politische Kontext der Aussagen lassen indes verallgemeinerbare Aussagen zur römischen Jugend kaum zu. Zur römischen Jugend in der Zeit der Republik vgl. den Überblick bei Neraudau, La jeunesse 1979; zur Kaiserzeit vgl. Wiedemann, Adults and Children 1989. 31 Vgl. Eyben, Einteilung des menschlichen Lebens 1973, 172–179. ����������� Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 16. 32 Aelius Tubero ap. Aulus Gellius, Noctes Atticae (Attische Nächte) 10,28; Übers. Hans Beck u. Uwe Walter (Die Frühen Römischen Historiker Bd. II, Darmstadt 2004). 33 Eyben, Restless Youth 1993, 6; Christes, Jugend im antiken Rom 1998, 148. 34 Varro apud Censorinus, de die natali 14,2 (dt. Übers. Sallmann 1988); weitere Belege bei Eyben, Einteilung des menschlichen Lebens 1973, 172–179. 35 Cicero, Cato maior de senectute 33 u. 76; Horaz, de arte poetica 156–178. 36 Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 15. 37 Cicero, Cato maior de senectute 33, Übers. Max Faltner. Vgl. auch Seneca, Epistulae (Briefe) 121,15–17. 38 Cicero, Pro Caelio (Verteidigungsrede für Caelius) 41–43;��������������������� Übers. Manfred Fuhrmann. 39 Das Marsfeld lag nordwestlich vor den Toren der Stadt am Tiber. Hier ging die Jugend zur Zeit des Augustus sportlichen Übungen nach und versammelte sich die Heeresversammlung (comitia centuriata) zur Abstimmung. 40 Horaz, de arte poetica (Das Buch von der Dichtkunst) 156–178; Übers. W. Schöne. 41 Eyben, Einteilung des menschlichen Lebens 1973, 175. 42 Varro apud Censorinus, de die natali 14, 2 (dt. Übers. Sallmann 1988); weitere Belege bei Eyben, Einteilung des menschlichen Lebens 1973, 172–179. 43 Zitiert bei Eyben, Restless Youth 1993, 34–36. Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 16. 44 Ambrosius, de Noe 22,81 (Corpus scriptorum ecclesiastiorum Latinorum 32, ed. C. Schenkl, Ndr. New York – London 1962). Eyben, Restless Youth 1993, 29. Dem Kirchenvater Hieronymus (um 331/348–419/420) zufolge war ein Mann von 50 Jahren veteranus oder senior, ein Mann von 60 Jahren dagegen senex oder gravis. Herrmann-Otto, Die ,armen‘ Alten 2003, 182.

178  Anmerkungen

45 Augustinus, Epistulae 180,2 u. 166,16. Weitere Belege bei Eyben, Restless Youth 1993, 11 f. 46 Eyben, Restless Youth 1993, 7 f.; Christes, Jugend im antiken Rom 1998. 47 Vgl. Kap. V/4. 48 Christes, Jugend im antiken Rom 1998, 155–159 vermutet, dass die Hellenisierung nach den Punischen Kriegen und der Übernahme griechischer Bildungsideale einen Freiraum des Lernens notwendig gemacht habe. Zur Fixierung von Altersgrenzen im Rahmen der Ämterkarriere vgl. Beck, Karriere und Hierarchie 2005 u. Timmer, Altersgrenzen 2008, 112 f., 307–315. 49 Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 323. 50 In der Kaiserzeit verschoben sich die Altersgrenzen von 45 auf 50 bzw. von 60 auf 70 Jahre. Eyben, Einteilung des menschlichen Lebens 1973, 182 f. Zu den Altersgrenzen im politischen System der Römer und ihrer Bedeutung vgl. Timmer, Altergrenzen 2008, 67–114 u. 295–317. Vgl. auch Anm. 73 (Kap. II). 51 Christes, Jugend im antiken Rom 1998, 148 u. 158 f. 52 Ebd. 159. 53 Florus, Epitome praefatio 4–8. In ähnlicher Weise unterschied nach Lactanius (Laktanz), divinae institutiones 7,15,14–16 Seneca. Weitere Beispiele bei Gatz, Weltalter 1967, 109 f. Zur Diskussion des Modells von Florus vgl. Hose, Erneue­ rung der Vergangenheit 1994, 66–76. 54 Vgl. dazu Gowers, The Loaded Table 1993, 13 u. 21 f., die dies auf die Speisegewohnheiten des Kaisers bezieht. 55 So die Überlegung von Lühr, Weltreiche und Lebensalter 1978, 19–35, der als Vorlage für Seneca (ob der Redner oder der Philosoph gemeint ist, lässt sich ihm zufolge nicht bestimmen) Varros Schrift de vita populi romani und Dikaiarchs Bíos Helládos annimmt. Zur Diskussion vgl. auch Häusler, Vom Ursprung und Wandel des Lebensaltervergleichs 1964, 313–341, der den Bogen von der frühgriechischen Dichtung bis zu den Kulturstufenmodellen der Historiker des 19. Jahrhunderts schlägt, sowie Wegner, Zeiten – Lebensalter– Zeitalter 1991. 56 Lühr, Weltreiche 1978, 29 schließt denn auch nicht aus, dass sich in diesem Modell die Kritik der Senatsaristokratie an der Macht des Princeps artikuliert. Zur Metaphorik der Altersstufen vgl. Fuhrer, Augustinus’ aetates-Lehre 2012, 267. 57 Davis, Youth and Age in the Thera frescoes, 1986, 399–406. Zum Haaropfer im Rahmen von Hochzeitsriten in klassischer Zeit vgl. Oakley/Sinos, The Wedding in Ancient Athens 1993, 14 f. 58 Der Neue Pauly 4, 1998, Sp. 1008–1012 s.v. Geschlechterrollen (Beate WagnerHasel). 59 Der Begriff der „Kultbürgerschaft“ geht auf de Polignac, La naissance de la cité 1984 zurück, der die kultische Dimension der Polisbürgerschaft untersucht hat, und ist inzwischen auch auf Frauen übertragen worden, die rituelle Handlungen im Rahmen von Poliskulten durchführten. Vgl. Waldner, Kulträume von Frauen in Athen 2000, 53–81; Blok, Recht und Ritus 2004, 1–26.

Kapitel III  179

60 Einen Überblick über die weiblichen Kulte bieten Brulé, La fille d’Athènes 1987; Bruit Zaidman, Die Töchter der Pandora 1993; Waldner, Kulträume 2000. Speziell zum Weben der Arrhephoren vgl. Barber, The peplos of Athena 1992. 61 So z. B. Bremmer, Old Women 1987, 192/3 und Baltrusch, An den Rand gedrängt 2003, 83 u. 72 im Verweis auf Tragödientexte: In seinem Drama Helena lässt Euripides eine Greisin (graîa) als Türwächterin auftreten, deren Wort Gehorsam verlangt (Helena 441/2). Eben dieses Torwächteramt aber droht nach den Worten der troischen Königin Hekabe den alten Frauen, die versklavt werden (Euripides, Troerinnen 194 ff.). Zu den antiken Vorstellungen zur Menopause vgl. Gourevitch, Le mal d’être femme 1984, 89–91; Falkner, The Wrath of Alcmene 1989, 114–131. 62 Belege bei Henderson, Older Women 1987, 108 u. 123; Schnurr-Redford, Frauen im klassischen Athen 1996, 184–187. Weitere Bezeichnungen für ältere Frauen sind présba (πρέσβα) bzw. présbeira (πρέσβειρα) und presbýtis (πρεσβύτις). Das weibliche Pendant zu gérôn (γέρων), Greis, ist graûs (γραῦς), Greisin. Der Neue Pauly 6, 1999, Sp. 1207–1212 s.v. Lebensalter (Gerhard Binder, Maren Saiko). 63 Sojc, Trauer auf attischen Grabreliefs 2005, 107. 64 Ebd. 113–115. 65 Ebd. 113. Auch dem Nebeneinander von junger und älterer Frau lässt sich ein kultischer Bezug entnehmen: Die Komposition verweist auf das Göttinnenpaar Demeter und Persephone als paradigmatische Mutter-Tochter-Beziehung und hebt über den göttlichen Bezug das Ideal einer emotionalen Beziehung zwischen den Generationen auf eine allgemeine Ebene. Ebd. 115–117. Zu einzelnen Bildformeln (z. B. Handschlag) und ihrer Bedeutung für die Veranschaulichung des Generationenbandes vgl. ebd. 117–124. 66 Kunst, Eheallianzen und Ehealltag in Rom 2000, 32–52. 67 Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 36. 68 Hemelrijk, Matrona docta 1999, 59–96. 69 Plinius, Epistulae (Briefe) 5,16,2. 70 Mimnermos fr. 1 Diehl; Übers. Dietrich Ebener. 71 Zum Verhältnis von Eros und Alter im Kontext der Symposionsliteratur vgl. Preiss­ hofen, Untersuchungen 1977, 48–110, der den Lyrikern eine weniger negative Sicht auf das Greisenalter bescheinigt, als dies gemeinhin angenommen wird. Nach Preisshofen ist das Thema der Lyriker der Gegensatz von Jugend und Alter, hêbê und gêras. Gerade das Lob der hêbê, das Mimnermos singt (fr. 1 Diehl), steht im Zentrum der Symposionsliteratur (80–90). Zur Knabenliebe vgl. Bremmer, Adolescents, symposion, and Pederasty, 1990, 135–148. Eine Parallelität zwischen der Knabenliebe und der Beziehung zu jungen Frauen, die hier auffällt, auch in der Ikonographie betont Schmitt-Pantel, Le banquet et le „genre“ sur les images grecques 2003, 83–95. 72 Belege bei Davidson, Kurtisanen und Meeresfrüchte 1999, 65–70, 114–121. Zur Bedeutung des Symposions für die politische Kultur vgl. Schmitt Pantel, Sacrificial Meal and symposion 1990, 14–33. 180  Anmerkungen

73 Anakreon fr. 5 Diehl = Athenaios, Deipnosophistai (Gelehrtenmahl) 13,599. Übers. Ulrich v. Wilamowitz-Moellendorff. Die Übersetzung von Dietrich Ebener lautet: „Eros, schüttelnd sein goldenes Haar, / wirft den purpurnen Ball mir zu, / reizt zum Spiel mit dem Mädchen mich / in den bunten Sandalen. / Doch vom lachenden Lesbos stammt / sie und mustert verächtlich nur / meine Haare, die grauen – sie hält nach frischerem Ausschau.“ Nicht das Alter, sondern der Tod wird von Anakreon gefürchtet. Beleg bei Preisshofen, Untersuchungen 1977, 71–77. 74 Euboulos fr. 122 PCG; Davidson, Kurtisanen und Meeresfrüchte 1999, 63. 75 Sappho fr. 65 a Diehl; Übers. Max Treu. Vgl. dazu Preisshofen, Untersuchungen 1977, 56–64, der Sappho trotz der negativen Aussagen über das Alter bescheinigt, die Hilflosigkeit des Alters überwunden zu haben. Seine Deutung stützt sich auf das Lob der genossenen Freuden am Ende des Gedichtes (fr. 58). 76 Alkman, fr. 94 Diehl; Übers. Dietrich Ebener. 77 Falkner, Erotic Dismembering 1995, insb. 91–107. Speziell zu Sappho’s Hochzeitsliedern für Mädchenchöre vgl. auch Lardinois, Keening Sappho 2001, 75–92. 78 Vgl. Aristophanes, Ekklesiazusai (Frauenvolksversammlung) 982–85, wo der ausersehene Jüngling argumentiert: „Die Übersechzigjähr’gen kommen heute / Nicht dran, die sind auf nächstes Mal vertagt. / Die unter zwanzig nimmt man heute vor.“ Die alte Frau aber kontert: „So war’s wohl unterm alten Regiment.“ Übers. Ludwig Seeger. 79 Aristophanes, Ekklesiazusai (Frauenvolksversammlung) 1041/2. 80 Aristophanes, Ekklesiazusai (Frauenvolksversammlung) 877–882; Übers. Ludwig Seeger: „Wo nur die Männer bleiben? – Zeit ist’s längst! – / Ich stehe da, hübsch weiß und rot geschminkt, / Im Safrankleide, trillre vor mich hin / Zum Zeitvertreib ein Liebeslied und tändle / Verführerisch, um im Vorbeigehn einen / Zu kapern […]“. 938–941: „Dürft ich doch bei dem blühenden Mädchen (νέᾳ) schlafen. / Eh’ ein Affengesicht zuerst, ein altes / Weib (πρεσβύτεραν) in die dürren Arme mich nimmt! / Solches erträgt, bei Gott, nimmer ein freier Mann!“ Die lüsterne Alte wird auch in Aristophanes Komödie Ploutos (Der Reichtum) 1050–1065 parodiert. Zur Diskussion vgl. Henderson, Older Women 1987, 117–120. Vgl. auch Anthologia Graeca 11,68. 81 Wagner-Hasel, Rationalitätskritik und Weiblichkeitskonzeptionen 1992, 333. 82 So Parkin, Das Alter – Segen oder Fluch? 2005, 53. Ausführlich: Parkin, Ageing in Antiquity 1998, 36–37; ders., Old Age in the Roman World 2003, 86 f., 246 f. Er verweist auf die Forschungen von Bremmer, Old Women 1987, 203, sowie auf Henderson, Older Women 1987, 105–129. Vgl. auch die Überlegungen von Amedick, Unwürdige Greisinnen 1995, 141–170 und Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 67–69. 83 Sherberg, Das Vater-Sohn-Verhältnis 1995, 12. 84 Aristophanes, Die Wespen 1351–1353 u. 1364–1366. 85 So die Einschätzung von Strauss, Fathers & Sons 1993, 161–163. Stärker auf soziale Gegensätze zwischen Aristokraten und Neureichen hebt Konstans (Greek Kapitel III  181

Comedy 1995, 15–44) Deutung der Wespen ab. Vgl. auch Stark, Die hämische Muse 2004, insb. 131–136, 260–262; Holzberg, Aristophanes 1910. Ausführlich: Kap. V/3. 86 Vgl. den Überblick bei Sherberg, Vater-Sohn-Verhältnis 1995, 26–65. Zur Diskussion vgl. auch MacCary, Menander’s Old Men 1971, 303–325; Weissenberger, Vater-Sohn-Beziehung 1991, 415–435. 87 Menander, Perikeiromene, in: Komödien und Fragmente. Eingeleitet und übertragen von Günther Goldschmidt, Zürich 1949, 65 f. u. 74 f.; Konstan, Greek Comedy 1995, 107–119. 88 So die Konstellation in Menanders Aspis. Die Heirat des reichen Onkels mit einer Nichte, wie es das attische Erbtochterrecht vorsieht, findet hier keine Akzeptanz. Vgl. auch Sherberg, Vater-Sohn-Verhältnis 1995, 26–28. 89 Konstan, Greek Comedy 1995, 118. 90 Vgl. Kap. VI. 91 Hartmann (Heirat 2002, 204) verweist z. B. auf das Problem der Diffamierung von vermeintlichen Hetärenkindern als Bastarde, denen sowohl Bürgerrecht als auch Erbanteile vorenthalten wurden. Zu den häuslichen Konflikten um die ins Haus gebrachte Hetäre vgl. ebd. 212–235. 92 Properz, carmina 3,25,38; Übers. R. Helm. 93 Properz, carmina 2,2,15–16; Übers. Georg Luck. 94 Properz, carmina 3,5,23–32; Übers. Georg Luck. Zum Ideal der Affektlosigkeit im Alter vgl. auch Cicero, Cato maior de senectute 58. Für sich selbst plant Cicero für das Alter ein Leben in Muße auf seinem Landgut. Cicero, Epistulae ad Atticum (Briefe an Atticus) 1,6,4. Vgl. auch Vergil, Georgica 4,125–146. 95 Tibull 1,2,91–92; Übers. Georg Luck. Vgl. auch Horaz, carmina 1,9,17–18, der ebenfalls der Jugend empfiehlt, die süßen Spiele der Liebe auszukosten, „solang du voll Kraft und noch kein Graukopf bist, kein mürrischer.“ Übers. Gerhard Fink. 96 Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 118. 97 Horaz, Epode 8,11–20, Übers. Gerhard Fink. Vgl. auch Epode 12. Zur Deutung der beiden Epoden vgl. Richlin, The Garden of Priapus 1992, 109–116. Zur Alterstopik bei Horaz vgl. auch Fuhrer, Alter und Sexualität 2009, 49–69. 98 Martial 3,93; Übers. Paul Barié u. Winfried Schindler. Auch für den alternden Mann gilt das spärliche und grau gewordene Haar als Metapher für die Unangemessenheit des Liebesbegehrens. „Deine spärlichen Haare sammelst du“, heißt es in einem anderen Epigramm Martials, „von hier, von da, / und bedeckst, Marinus, der blanken Glatze weites Feld / mit Haaren von den Schläfen, / doch wenn der Wind es will, bewegen sie sich und kehren zurück: / so werden sie sich selber wiedergeschenkt, bekränzen / den nackten Kopf mit dicken Strähnen […]. Nichts ist widerlicher als ein langhaariger Glatzkopf.“ Martial 10,83. Vgl. auch Horaz, Epode 1,25. Weitere Beispiele bei Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 29–38, 176–208, der hier eine private und subjektive Sicht gegenüber dem Alter ausgedrückt sieht.

182  Anmerkungen

99 Ganz auf die persönliche Erlebnisdimension hebt die Deutung von Hohnen, Zeugnisse der Altersreflexion bei Horaz 1988, 154–172 ab. Önnerfors, Vater­ porträts in der römischen Poesie 1974. 100 Vgl. die Aufstellung bei Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 95–98. 101 Cicero, Epistulae ad Atticum (Briefe an Atticus)1,3,3; 3,19,2. In zweiter Ehe war Tullia mit Furius Crassipes, in dritter Ehe auf Betreiben der Terentia mit P. Cornelius Dolabella verheiratet. 102 Belege bei Kunst, Eheallianzen und Ehealltag in Rom 2000, 37; Cokayne, Expe­ riencing Old Age 2003/2011, 125–127; Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 95–98. Grundlegend: Treggiari, Roman Marriage 1991; Hersch, The Roman Wedding 2010. 103 Plinius, Epistulae (Briefe) 4,19. Dazu Hemelrijk, Matrona docta 1999, 81. 104 Plinius, Epistulae (Briefe) 8,19; 6,33. 105 So der Vorwurf des Q. Fufius Calenus bei Cassius Dio 46,18,3–4. Ihm zufolge soll Caerellia bereits 70 Jahre alt gewesen sein, vermutlich eine Invektive. So Hemelrijk, Matrona docta 1999, 81. Zu den Motiven der Ehe mit der jungen Publilia vgl. Plutarch, Cicero 41. 106 Plutarch, Moralia 788 E - 789 B. 107 Belege bei Höbenreich/Rizzeli, Scylla 2003, 181 f. Vgl. auch Harlow, Blurred Visions 2007, 200, die den Fall der Wiederverheiratung der reichen Witwe Aemilia Pudentilla behandelt. Der Ehemann Apuleius wurde deshalb von den Erben der Aemilia mit einer Klage wegen des Einsatzes magischer Praktiken überzogen. 108 Die Zugehörigkeit zur Elite betont Richlin, The Garden of Priapus 1992, 109– 113. 109 Beispiele bei Dunsch, „…– Vater sein dagegen sehr“ 2002/03, 7–32; Sherberg, Das Vater-Sohn-Verhältnis 1995, 26–65 und 75–130; Konstan, Roman Comedy 1983; Dutsch, Feminine Discourse in Roman Comedy 2008. 110 Vgl. z. B. Sueton, Divus Julius 50–52 und Sueton, Divus Augustus 68–69, der das Gerücht überliefert, Octavian, der spätere Kaiser Augustus, habe seinem Onkel Julius Caesar sexuelle Dienste geleistet. Zum Vorwurf der meretrix vgl. Griffin, Meretrices 1986, 112–141; Günther, Sexuelle Diffamierung 2000, 227–241. 111 Vgl. Edwards, Politics of Immorality 1993; Meyer-Zwiffelhoffer, Im Zeichen des Phallus 1995; Langlands, Sexual Morality 2006, 286–296. Vgl. auch Meister, Pisos Augenbrauen 2009. 112 Cokayne, Experiencing Old Age 2003/2011, 128–130, 140–144 mit weiterer Literatur. Inwiefern auch ranghohe Römerinnen an solchen Spottgedichten Gefallen fanden, ist umstritten. Hemelrijk, Matrona docta 1999, 51 f. Speziell zu den Sprachmustern der sexuellen Schmähung vgl. Meyer-Zwiffelhoffer, Im Zei­ chen des Phallus 1995, insb. 24–63 sowie Richlin, The Garden of Priapus 1992. 113 Zu den hervorstechenden Merkmalen der Saturnalien, eines Festes zu Ehren des Gottes Saturnus, das am Jahresende im Dezember gefeiert wurde, gehörte die befristete Aussetzung der sozialen Distinktion zwischen Herren und Sklaven. Kapitel III  183

Das Fest wurde mit Opferfeiern und Gastmählern begangen, an denen Herren und Sklaven gemeinsam speisten und Spottgedichte und Rätsel vorgetragen wurden. Vgl. Graf, Der Lauf des rollenden Jahres 1997, 24–25. Die Floralia gehören zu den volkstümlichen agrarischen Festen mit stark erotischem Einschlag. Sie fanden zwischen Ende April und Anfang Mai statt und wurden zu Ehren der Göttin Flora gefeiert. Zu den Riten gehörten Hasen- und Ziegenhetzen im Circus Maximus sowie Aufführungen von Mimen und Entkleidungsszenen von Tänzerinnen. Begangen wurde das Fest nicht nur von freien Römerinnen, sondern auch von Prostituierten. Dorothea Baudy, Floralia, in: Der Neue Pauly 4, 1998, Sp. 562–563. 114 Mette-Dittmann, Die Ehegesetze des Augustus 1991, 166–186; vgl. auch Gutsfeld, ‚Das schwache Lebensalter‘ 2003, 161. 115 Tacitus, Annalen 3,25,1. 116 Hieronymus, Epistulae (Brief an den greisen Paulus zu Concordia) 10,2; Herrmann-Otto, Die ,armen‘ Alten 2003, 181. Vgl. auch Kap. II/3. 117 Trepp, Zum Wandel von Altersbildern 2008, die auf den Wechsel von heilsgeschichtlichen zu bürgerlichen Wertvorstellungen in frühneuzeitlichen Lebensalterstufenmodellen abhebt.

Kapitel IV 1 Parkin, Ageing in Antiquity 1998, 37. 2 Drerup, Das Generationenproblem in der griechisch-römischen Kultur 1933; Reinhold, The Generation Gap in Antiquity 1976, 15–54. 3 Hesiod, Erga 327–334. Übers. Walter Marg. 4 Nach Demosthenes (24,103) bestimmte Solon, dass derjenige, der gegen seine Erzeuger Schlechtes tat (κακώσεως τῶν γoνέων), auf der Agora ins Gefängnis geworfen werden sollte. Nahezu wortgleich: Aristoteles, Athenaion politeia 56,6 (γoνέων κακώσεως). Bei Diogenes Laërtius 1,55 ist überliefert, dass nach einem Gesetz Solons diejenigen als ehrlos erklärt werden sollten, die ihren Eltern keinen Unterhalt gewährten und ihr väterliches Gut verschleuderten. Nach Gschnitzer, Sozialgeschichte Griechenlands 1981, 89 galt die Regelung für den besitzlosen Teil der Bürgerschaft; auf die gesamte Bevölkerung will Schmitz, Nachbarschaft 230 f. die Regelung bezogen sehen. 5 Lysias, Gegen Agoratos (13) 91. 6 Plutarch, Solon 22,1. Übers. Konrat Ziegler. Vgl. auch Demosthenes 25,24 (Gegen Aristogeiton I), wo der Respekt (aischýnê) der Jüngeren gegenüber den Erzeugern wie Älteren allgemein zu den Qualitäten der Stadt gezählt wird: πάντα γὰρ τὰ σεμνὰ καὶ καλὰ καὶ δι᾿ ὧν ἡ πόλις κoσμεῑται καὶ σῴζεται, ἡ σωϕρoσύνη, πρὸς τoὺς γoνέας καὶ τoὺς πρεσβυτέρoυς ὑμῶν ἡ παρὰ τῶν νέων αἰσχύνη, […].

184  Anmerkungen

7 ��������������������������������������������������������������������������� Vgl. Gaborieau, The Law of Dept in Nepal 1975, 131–156. ������������������� Das römische Zwölftafelrecht sah die Entlassung der Söhne aus der patria potestas nach dreimaligem Verkauf vor, was sich vermutlich auf die Schuldknechtschaft bezog. So Finley, Die Schuldknechtschaft 1977, 173–204. 8 Plutarch, Solon 22. 9 Aristoteles, Athenaion Politeia 55,3. Übers. Peter Dams wie auch im Folgenden. Vgl. auch Xenophon, Memorabilia (Erinnerungen an Sokrates) 2,2,13. 10 Aristoteles, Athenaion Politeia 55,3: „Nach dieser Befragung ergeht die Aufforderung: ,Nenne dafür Zeugen’[…]. Sind die Kandidaten auf diese Weise begutachtet, schreiten sie zu dem Stein, auf dem die Opferstücke liegen, an dem auch die Schiedsrichter den Eid leisten, bevor sie ihre Urteile in Streitfällen abgeben, ebenso die Zeugen, wenn sie ihre Aussagen bekräftigen. Zu diesem steigen nun die neun Archonten hinauf und schwören […]“. 11 Aristoteles, Athenaion politeia 56,6. 12 Platon, Politeia (Staat/ Republik) 562 a u. 652 e; Übers. nach Schleiermacher. 13 Aristoteles, Nikomachische Ethik 5,1133 a 4–5. Als Garantinnen der Gegenseitigkeit werden die Chariten auch in der Stoischen Philosophie wahrgenommen. Bei Seneca stellt die älteste der drei Chariten die Verkörperung des Gebens dar, die mittlere Charite repräsentiert das Empfangen, und die jüngste der Chariten steht für das Wiedergeben. Seneca, de Beneficiis 1,3,2–10. 14 Aristoteles, Über Haushaltung in Familie und Staat (Oikonomika) 1343 b 20–21. Übers. Paul Gohlke. 15 Xenophon, Memorabilia (Erinnerungen an Sokrates) 2,2,1. 16 Parkin, Elderly Members 1997, 128. 17 Homer, Odyssee 19,215 ff.; 23,206. Vgl. Wagner-Hasel, Geschlecht und Gabe 1988, 72 f. 18 Homer, Odyssee 24,336–346. 19 Homer, Odyssee 23,206 u. 24,346. 20 Schmitz meint, dass mit der epischen Schilderung der Lebensbedingungen des Laërtes die Situation des auf sein Altenteil zurückgezogenen Vaters erfasst ist (Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft 2004, 94–98 u. 205–210). 21 Diogenes Laërtius 1,55. Übers. O. Apelt / H.G. Zekl. 22 Schmitz, Nicht ,altes Eisen‘ 2003, 89. Er schließt dies vor allem aus den philosophischen Empfehlungen zum Heiratsalter. Ihm folgt Timmer, Altersgrenzen 2008, 154–161 mit Diskussion der Quellen. 23 Demosthenes 43,19. 24 Aristoteles, Rhetorik 1389 b 13,6. 25 Platon, Lysis 209 d. 26 Lysias 19, 37 (Übers. Ingeborg Huber): „Bedenkt außerdem, dass auch jemand, der Vermögen an seine Kinder verteilt, das er nicht erworben, sondern vom Vater ererbt hat, immer einen ordentlichen Teil für sich zurückbehält, denn alle wollen lieber als Vermögende von ihren Kindern gepflegt werden, als mittellos auf sie angewiesen sein.“ Dass die Übergabe Konflikte barg, dafür sprechen auch die StraKapitel IV  185

fen gegen Söhne, die Vätern nicht gehorchten. Dann war die Lossagung von den Söhnen, d.h. Enterbung möglich. Dionysios von Halikarnassos, Antiquitates Romanae 2,26,2–3 (Solon F 142 Ruschenbuch). 27 de Jong, Die (un)umstrittene Bedeutung der Familie für die soziale Sicherheit in Kerala, Indien. Vortrag auf der Tagung „Perspektiven in der Genderforschung: Ein Dialog zwischen Ethnologie und Historischer Anthropologie“, Berlin 9.5.2003. Dies., Ageing in Insecurity 2005. 28 Inscriptiones Creticae (Inschrift von Gortyn) Col. IV 72 II 45–III 1; 72 IV23–29, ed. R.F. Willetts, The Law Code of Gortyn, Berlin 1967; Koerner, Inschriftliche Gesetz­ estexte 1993, Nr. 165 u. 170. 29 Lane Fox, Aspects of Inheritance 1985, 212. 30 ��������������������������������������������������������������������������������� Inscriptiones Creticae (Inschrift von Gortyn) Col. III 15–19; IV 31–V 1 (ed. Willetts, Law Code 1967). Zur Diskussion vgl. Stavrianopoulou, Gruppenbild mit Dame 2006, 108 f. 31 Ein Tochtererbrecht verneinen Wolf, Grundlagen der griechischen Eherechts 1952, 1–29, 157–181; ders., Marriage Law and Family Organization in Ancient Athens 1944, 43–95; Schaps, Economic Rights 1979; Lane Fox, Aspects of Inheritance 1985, 223 sowie in jüngster Zeit Schmitz, Nachbarschaft und Dorfgemein­ schaft 2004, 220, der das textile Vermögen der Frauen nicht berücksichtigt und sogar meint, dass Frauen in Athen keinerlei Rechte am häuslichen Vermögen besessen hätten. Für ein Tochtererbrecht argumentieren Foxhall, Household, Gender and Property in Classical Athens 1989, 22–44 und Cox, Household Inte­ rests 1998, insb. 76 u. 116–120. Für nicht ausgeschlossen hält dies auch Krause, Familie 2003, 52 im Verweis auf Todd, Athenian Law 1993, 208 f. Zum weibl. Vermögen an Textilien vgl. Wagner-Hasel, Geschlecht und Gabe 1988; dies., Der Stoff der Gaben 2000, 141–152; sowie Reuthner, Wer webte Athenes Gewänder? 2006. Belege für die Verfügungsgewalt von Frauen über ihr Vermögen hat Virginia Hunter (Women’s Authority in Classical Athens 1989) aus den Gerichtsreden zusammengetragen. 32 Belege bei Pomeroy, Women in Hellenistic Egypt 1990, 83–124; Yiftach-Firanko, Marriage and Marital Arrangements in Egypt 2003, 164–173. Eine ������������������� große Diversität der Familienstrukturen im hellenistischen Ägypten betont Pomeroy, Families in Ptolemaic Egypt 1996. 33 Lane Fox, Aspects of Inheritance 1985, 215 f.; Thomas, Rom: Väter und Söhne 1996, 307 ff. 34 In diesem Sinne ist die Aussage Hesiods, Erga 376/7 zu interpretieren: μoυνoγενὴς δὲ πάις εἴη παρώιoν oἶκoν ϕερβέμεν. Walter Marg übersetzt dagegen: „Ein Sohn, aber nur einer sei da, daß des Vaters Besitztum sicher besteht.“ Der Unterschied in der Übertragung hängt an der Deutung von mounon als „mindestens einer“ oder „nur einer“. Anders Schmitz, Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft 2004, 95 der davon ausgeht, dass Realteilung vermieden und deshalb nur ein Sohn aufgezogen werden sollte.

186  Anmerkungen

35 Hesiod, Erga 379/80. 36 Lane Fox, Aspects of Inheritance 1985, 216 f. 37 Zu den sehr kontrovers eingeschätzten Agrarreformen Solons vgl. u. a. Finley, Schuldknechtschaft 1977; Gallant, Agricultural System 1982; Ando, A Study of Servile Peasantry of Ancient Greece 1988, 323–330; Welwei, Verschuldung attischer Bauern 2005; Blok / Lardinois, Solon of Athens 2006. 38 Belege in Anm. 4 (Kap. IV). Anders argumentiert Weeber, Ein vernachlässigtes Solonisches Gesetz 1973, 30–33, der meint, dass es um eine Forcierung von Handel und Gewerbe zur Überwindung der wirtschaftlichen und sozialen Krise und um die Förderung der Verantwortung des Einzelnen ging. 39 Lane Fox, Aspects of Inheritance 1985, 214. 40 Plutarch, Solon 20. 41 Ebd. 42 Inscriptiones Creticae (Inschrift von Gortyn) Col. IV 31 - V 1 (ed. Willets, Law Code 1967). 43 Aristoteles, Politika 1270 a 25. Zu vermögenden Frauen in Spartas Elite vgl. auch Plutarch, Agis 4. 44 Aristoteles, Politika 1270 a 23–25. 45 Schmitz, Nicht ,altes Eisen‘ 2003, 102 f. meint, dass in Sparta eine rechtsgültige Eheschließung fehlte und somit die legitime Nachfolge vom Vater auf den Sohn unterbunden war. 46 Friedl, Some Aspects of Dowry 1963, 113–135. 47 Cox, Household Interests 1998, 137. 48 Ebd. Für die Kykladeninseln Mykonos, Tenos und Delos belegen Inschriften die Vergabe von Häusern und Grundstücken als Mitgift. Vgl. Stavrianopoulou, Grup­ penbild mit Dame 2006, 60–155, insb. 72–74. 49 Vgl. z. B. den Fall des Sositheus, der seine Tochter mit dem Sohn seines Bruders verheiratet. Demosthenes 43,74. 50 Cox, Household Interests 1998, 64–66. 51 Ebd., 77. 52 Ebd. 105–129. 53 ������������������������������������������������������������������������������� Lane Fox, Aspects of Inheritance 1985, 224–227; ebenso Asheri, Laws of Inheritance 1963, 16–20. 54 Das Gesetz zitiert Demosthenes 46,14. 55 Die hohe Mortalitätsrate von Männern im Krieg und von Frauen im Kindbett, Vormundschaft, Adoption und Wiederverheiratung müssen nach den jüngsten Untersuchungen von Cox (Household Interests 1998, 154) die Macht der männlichen Agnaten unterminiert und den weiblichen Verwandten der agnatischen Linie sowie den mütterlichen Verwandten, die bei der Adoption bevorzugt wurden, zu maßgeblichem Einfluss verholfen haben. 56 Plutarch, Perikles 37; Aristoteles, Athenaion Politeia 42; Demosthenes 59,16 u.52; 57,30; Isaios 8,43. Um die Zielsetzung des Gesetzes wird gestritten. Vgl. Boegehold, Pericles’ Citizenship Law of 451/50 B.C. 1994, 57–66; French, Pericles’ Kapitel IV  187

Citizenship Law 1994, 71–75; Patterson, Pericles’ Citizenship Law of 451/50 B.C. 1990. 57 Hodkinson, Inheritance, Marriage and Demography 1989, 79–121. 58 Ebd. 59 ������������������������������������������������������������������������������ Ebd. Eben ������������������������������������������������������������������������� diese Ungleichheit des Landbesitzes, die durch polyandrische Eheformen entsteht (Xenophon, Lakedaimonion Politeia (Verfassung der Lakedaimo­ nier) 1,9; Polybios 12,6 b), wird von Aristoteles (Politika 1270 a 10–30) beklagt. Zu alternativen Deutungen vgl. Scott, Plural Marriage 2011. 60 Lane Fox, Aspects of Inheritance 1985, 211. 61 Plutarch, Lykurg 15,4–6; Übers. Konrat Ziegler. 62 Schmitz, Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft 2004, 102. Zur Kritik vgl. auch Rodemeyer, Geraubt – Geschoren – Geehelicht 2003, 48–64. 63 Xenophon, Lakedaimonion Politeia (Verfassung der Spartaner) 5,2 (Fleisch von der Jagd und Weizenbrot). Vgl. dazu den Kommentar von Stefan Rebenich, Darmstadt 1998, 110. Vgl. auch Athenaios, Deipnosophistai (Gelehrtenmahl) 4, 138 b - 142 a. Allgemein: Lavrencic, Spartanische Küche 1993. 64 ����������������������������������������������������������������������������� Parkin, Out of Sight, Out of Mind 1999, 131–134; Gutsfeld, ,Das schwache Lebensalter‘ 2003, 174 f.; Gnilka, Aetas spiritalis 1972. 65 Digesten 25,3,5,1. Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 285. 66 Corpus glossariorum latinorum III 387 u. 389. 67 Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 279–284. 68 Ebd., 289–291 mit Bild 281. Vgl. auch die Ausführungen von Krause, Familie 2003, 95 f. 69 Die Darlegung basiert auf den Aussagen des römischen Juristen Ulpian (223 n. Chr. gestorben), der an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert n. Chr. in seinen Rechtsregeln die verschiedenen Bedeutungen von familia darlegte. Vgl. dazu Saller, Patriarchy 1997, 74–101; Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 277 ff. führt Cato, de agri cultura 132, 134 u. 139 an, wo dieser um Schutz der Götter für Kinder, Haus und familia (= Hab und Gut) bittet. 70 Vgl. Dixon, Polybios on Roman Women and Property 1985, 147–170, deren Untersuchung sich auf die gens Aemilia und Cornelia konzentriert. Vgl. auch Saller, Roman Heirship Strategies 1991, 31; Thomas, Teilung der Geschlechter 1993, 119–125. 71 Hallett, Fathers and Daughters 1984. 72 Digesten 33,7,12,43: cum pater pluribus filiis heredibus scriptis duobus praeceptio­ nem bonorum aviae praeter partes hereditarias dedisset, pro partibus coherendum viriles habituros legatorios placuit. Vgl. dazu Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 295. 73 Digesten 33,7,2. Vgl. dazu Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 295. 74 Ebd. 75 Saller, Roman Heirship Strategies 1991, 32; Dixon, Polybios on Roman Women and Property 1985, 147–170; Thomas, Die Teilung der Geschlechter 1993, 125 f.; Gutsfeld, ‚Das schwache Lebensalter‘ 2003, 172. 188  Anmerkungen

76 Gaius II 226, Übers. Ulrich Manthe. Zur Einschätzung vgl. Martin, Zur Anthropologie von Heiratsregeln und Besitzübertragung 1993, 157. 77 Gaius II 227, Übers. Ulrich Manthe: „Deshalb wurde später das Falcidische Gesetz erlassen, in welchem bestimmt wurde, dass der Erblasser nicht mehr durch Vermächtnis hinterlassen dürfe als drei Viertel. Deshalb behält der Erbe notwendigerweise ein Viertel der Erbschaft; und heutzutage wenden wir dieses Recht an.“ 78 Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 295. 79 Thomas, Teilung der Geschlechter 1993, 125. 80 Dixon, Family Finances 1986, 93–120. 81 Thomas, Teilung der Geschlechter 1993, 126. 82 Darauf insistiert mit Nachdruck Thomas, Teilung der Geschlechter 1993, 138. Beschreiben Philosophen das Verhältnis zwischen Vätern und Söhnen immer wieder in Termini von Macht und Herrschaft, so haben die Untersuchungen von Yan Thomas zur patria potestas ergeben, dass ihr primärer Zweck in der Regelung der Erbfolge der legitimen Nachkommenschaft lag. Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 118. 83 Entgegen der Diktion von der Schwäche des weiblichen Geschlechts sprachen manche Juristen den Frauen die Urteilsfähigkeit nicht ab. Für den Juristen Paulus war sie Sache der mores, des Brauchtums, nicht der natura. Ein Viertel der kaiserlichen Entscheidungen, darauf verweist eine neuere Studie, ging an weibliche Adressaten. Höbenreich/Rizzelli, Scylla 2003, 61–85. 84 Dass Frauen große Vermögen besaßen, geht aus Strafzumessungen hervor. Die Tochter des Appius Claudius Caecus, die zur Zeit des Ersten Punischen Krieges ihrem Ärger Luft verschaffte, als sie sich vom Gedränge der Massen bei öffentlichen Spielen belästigt gefühlt und gewünscht hatte, ihr Bruder möge noch einmal eine Flotte verlieren, damit sich die Menschenmassen in Rom verringerten, wurde ob ihres unpatriotischen Verhaltens zur Leistung von 25 000 Stück ungemünzten Kupfers verurteilt. Aulus Gellius, noctes Atticae (Attische Nächte) 10,6,1–4; Sueton, Tiberius 2,3. Zur Diskussion Höbenreich/Rizelli, Scylla 2003, 86–96. 85 Höbenreich/Rizelli, Scylla 2003, 40–55 mit Belegen. 86 Thomas, Teilung der Geschlechter 1993, 135 f.; Gardner, Frauen im antiken Rom 1995, 201–206. 87 So Thomas, Teilung der Geschlechter 1993, 156. 88 Gardner, Family 1998, 85–113, Saller, Roman Heirship Strategies 1991, 32–35; Thomas, Teilung der Geschlechter 1993, 126 ff. 89 Plutarch, Cato d. J. 25. 90 Plutarch, Augustus 62; Plutarch, Tiberius 4; Cassius Dio 48,44. Zur Diskussion: Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 307–313; Kunst, Eheallianz und Ehealltag in Rom 2000, 32–52; Dierichs, Das Idealbild der römischen Kaiserin 2000, 241–262. 91 So Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 311 f. 92 Laudatio Turiae 31–39; Übers. Dieter Flach. 93 Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 314. Eine gezielte Aussetzung von neugeborenen Mädchen nimmt Krause (Familie 2003, 36–38) an, der den ökonomiKapitel IV  189

schen Beitrag von Töchtern zum Wohlergehen des Haushalts nicht sieht, sondern nur die Kosten der Mitgift berücksichtigt. Allerdings setzten sich in der Spätantike (unter Valentian um 374 n. Chr.) ein allgemeines Aussetzungsverbot und ein Verbot der Kindestötung durch. Demandt, Spätantike 1989, 304; Tuor-Kurth, Kindesaussetzung und Moral 2010. Für Athen hat unlängst Wayne Ingalls davor gewarnt, aus den wenigen antiken Quellenaussagen auf eine vermehrte Aussetzung weiblicher Säuglinge gegenüber männlichen zu schließen, wie dies in der älteren Forschung im Verweis auf die finanzielle Bürde der Mitgift (so etwa Golden, Demography 1981, 325) vielfach behauptet worden ist. Ingalls, Demography and Dowries 2002, 246–254. Ihre Analyse der demographischen Angaben der attischen Redner zur Familiengröße ergibt vielmehr ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Töchtern und Söhnen. Ingalls Argumentation richtet sich insb. gegen die Position von Pomeroy, Infanticide in Hellenistic Greece 1983, 207–222. 94 So Suder, Prosopographie et démographie des femmes de l’ordre sénatorial 1999, 117–125.

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Aristophanes, Vespai/Wespen 736. Vgl. auch Kap. III/4. Homer, Odyssee 24,254/5. Iuncus bei Stobaios, Florilegium IV 50,85; Übers. Sigismund 2003, 115. Bagnall/Frier, The Demography of Roman Egypt 1994; Clauss, Probleme der Lebensalterstatistiken 1973, 395–417; Eck, Altersangaben in Senatorischen Grabinschriften 1981, 127–134; Scheidel, Measuring Sex, Age and Death in the Roman Empire 1996; ders., Roman Age Structure 2001, 1–26; Wierschowski, Die historische Demographie 1994, 255–380; Corvisier, La vieillesse en Grèce ancienne 1985, 53–70; Bellancour-Valdher/Corvisier, La démographie historique antique 1999; Dahlheim, Bevölkerungsgeschichte 1989, 291–321. Vgl. auch die zusammenfassenden Bemerkungen von Krause, Familie 2003, 23–28. Hippokrates apud Censorinus, De die natali (Betrachtungen zum Tag der Geburt) 15,1–3; Plinius, Naturalis historia (Naturgeschichte) 7,160. Weitere Belege bei Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 7. Plinius, Naturalis historia (Naturgeschichte) 7,162–163. Zur Berechnung des Durchschnittsalters, der Altersstruktur und Lebenserwartung vgl. ausführlich Bagnall/Frier, Demography of Roman Egypt 1994, Kap. 4 u. 5 mit den Tabellen 4,1 u. 5,1. Parkin, Demography and Roman Society 1992, 91–136; zusammenfassend: Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 10. Zu ���������� aktuellen Fragestellungen vgl. Holleran/Pudsey (Hg.), Demography and the GraecoRoman World 2011. So Scheidel, Roman Age Structure 2001, 15–18.

190  Anmerkungen

9 Bagnall/Frier, Demography of Roman Egypt 1994, 90 u. 99–102; vgl. auch Saller, Patriarchy 1994, 43–73. Zur Kindersterblichkeit vgl. Laes, Children in the Roman Empire 2006. 10 Bagnall/Frier, Demography of Roman Egypt 1994, Parkin, Elderly Members 1999, 137. 11 Krug, Heilkunst und Heilkult 1984, 13. 12 Ebd. 21. Vgl. auch Hope/Marshall, Death and Disease in the Ancient City 2000. Zu Einzelfragen s. Leven, Antike Medizin. Ein Lexikon 2005. Zusammenfassend: Stahlmann, Krankheit 1993, 187–195. 13 Krug, Heilkunst und Heilkult 1984, 20. 14 Hippokrates, Aphorismen III 31. Zu Altersleiden vgl. Brandt, Am Ende des Lebens 2010, 33–43; Wöhrle, Der alte Mensch im Blickfeld der antiken Medizin 2009, 163–16. Zur Behandlung von Altersbeschwerden vgl. Schmitz, Antike Quellen zur Behandlung von Altersbeschwerden 2009, 169–171. Nichtmedizinische Literatur bezieht ein: Finch, Evolving Views of Ageing and Longevity 2010. 15 Zu den medizinischen Diskursen zum Alter vgl. Parkin, Old Age 2003, 247–156; Cokayne, Experiencing Old Age 2003/2011, 34–56 mit Belegen; Steger, Alterstopoi in der antiken Medizin 2009. 16 Cokayne, Experiencing Old Age 2003/2011, 35–44. 17 Ebd. 35. 18 Ebd. 38. 19 Beleg bei Cokayne, Experiencing Old Age 2003/2011, 39. 20 Ebd. 39. 21 Platon, Nomoi (Gesetze) 666 b. 22 Plinius, Naturalis historia (Naturgeschichte) 14,8,60; zum Alter der Livia vgl. Cassius Dio 58,2. 23 CIL 14,914 = CLE 1318. 24 Onians, Origins 1951/1988, 200–253. 25 Cokayne, Experiencing Old Age 2003, 43. 26 Humphreys, Death and Time 1982, 262–263; van Hooff, Autothanasia 1990, Arand, Das schmähliche Ende 2002; Brandt, Am Ende des Lebens 2010, 127–136. 27 Dies lässt sich aus den Aussagen über den Speiseluxus ableiten. Vgl. meine Überlegungen in Wagner-Hasel, Politik und Verschwendung 2002. 28 Plutarch, Lykurg 27. 29 Diodor 3,12,2–13,2. Zur Bergwerksarbeit vgl. Burford, Künstler und Handwerker 1985, 86–90. Ein anschauliches Bild von den Mühen in der Getreidemühle zeichnet im 2. Jh. n. Chr. Apuleius, Metamorphosen 9,11–13. 30 Belege bei Chantraine, Außerdienststellung und Altersversorgung kaiserlicher Sklaven und Freigelassener 1973, 308, Anm. 5, der einen faber, aedituus und mehrere procuratores nennt. 31 Vgl. dazu Winterling, Caligula 2003. Zur Diskussion von Todesursachen im römischen Reich vgl. Carroll, Spirits of the Dead 2006, 151–179.

Kapitel V  191

32 Hübner/Katzan (Hg.), Growing Up Fatherless 2009, 11 mit Literaturverweisen. Zur Forschungsgeschichte vgl. Smith, The Roman Clan 2006. Zur Rekonstruktion der Familienstruktur nach Grabmälern vgl. Carroll, Spirits of the Dead 2006, 180–208. 33 In der Hauswirtschaftslehre (Oikonomikós) des Xenophon aus dem 4. Jh. v. Chr. meint oîkos die Wirtschaftseinheit, die aus Sklaven, Land und Vieh bestehende landwirtschaftliche Produktionsstätte, die der gemeinsamen Leitung des „Ehepaares“ bedarf. Auch bei den attischen Rednern bezeichnet oîkos weniger die Familie oder Abstammungsgruppe, wozu Philosophen wie etwa Aristoteles neigen, als vielmehr den Besitz einer Familie, der aus mehreren oikiai, d. h. Häusern und Werkstätten, sowie aus Land bestehen konnte. Speziell zum Begriff des oîkos in den Gerichtsreden vgl. MacDowell, The Oikos in Athenian Law 1989. 34 Cox, Household Interests 1998, 144. Zum Problem der Vaterlosigkeit in der Antike und den Kompensationsstrategien vgl. Hübner/Katzan (Hg.), Growing Up Fatherless 2009. 35 Den Fall des Demosthenes diskutiert Cox, Household Interests 1998, 158. 36 Ebd. 157. 37 Cox, Household Interests 1998, 207 meint, dass gerade innerhalb der Elite gesetzliche Bestimmungen wie das attische Bürgerrechtsgesetz von 451 v. Chr., das Kindern aus Ehen mit Fremden das Bürgerrecht versagte, vielfach unterlaufen worden sei. 38 Vgl. Krause, Familie 2003, 95 f. 39 Zum öffentlichen Charakter eines römischen Hauses vgl. Saller, Familia, domus, and the Roman Conception of the Family 1984, 336–355; Zanker, Pompeji 1995, 18–20; Wallace-Hadrill, Houses and Households 1991, 191–243; Rilinger, Domus und res publica 1997, 73–90; Dickmann, Domus frequentata 1999; Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 20–33. 40 Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 20–24. 41 Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 325; Önnerfors, Vaterporträts 1974, 55 ff. 42 Bradley, Remarriage 1991, 79–98; Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 31. u. 92–103 betonen die Instabilität des Haushalts aufgrund der Mehrfachehen in der Elite; Parkin, Out of Sight 1999, 124; Dixon, Conflict in the Roman Family 1999, 155. Den Akzent auf die Kernfamilie setzen u.a. Garnsey/Saller, Das Römische Kaiserreich 1989, 184 f. und Krause, Familie 2003, 38, 40–43. 43 Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 2; Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 318 ff.; Saller, Men’s Age at Marriage 1987, 21–34; Shaw, The Age of Roman Girls at Marriage 1987, 30–45; Lelis, The Age of Marriage in Ancient Rome 2003. 44 Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 308 f. 45 Plinius, Epistulae (Briefe) 7,24; Übers. Helmut Kasten. 46 Cicero, Pro Caelio 18. Von Sulla ist überliefert, dass er gegen Zahlung eines Mietzinses in jungen Jahren eine Wohnung nahm. Plutarch, Sulla 1. 47 Zum Folgenden vgl. Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 297–307. 48 Bradley, Remarriage 1991, 79–98 192  Anmerkungen

49 Cicero, Epistulae ad Atticum (Briefe an Atticus) 5,21. 50 Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 299. 51 Vgl. Digesten 10,2,202. Hier heißt es, dass ein Familienoberhaupt die Haushaltskosten zu tragen hat, weil ihm die Nutzung der Mitgift der Schwiegertöchter zustand. 52 Plutarch, Crassus 1. 53 Cicero, Pro Sestio 131; pro Plancio 97. 54 Seneca, Ad Marciam de consolatione 24, Übers. Gerhard Fink: „Als Kind verlor er seinen Vater und stand bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr unter der Obhut seiner Vormunde, unter der Aufsicht seiner Mutter allezeit! Obwohl er einen eigenen Hausstand hatte, wollte er den Deinen [Marcias] nicht verlassen und blieb mit seiner Mutter zusammen, während andere Söhne es kaum beim Vater aushalten können. Nach Größe, Aussehen und Körperkraft der geborene Soldat, verschmähte er den Kriegsdienst, um nicht von dir fortgehen zu müssen. Überschlage Marcia, wie selten Mütter ihre Kinder sehen, wenn sie fern von ihnen wohnen!“ Thomas (Rom: Väter als Bürger 1996, 300; 303) nimmt an, dass unter solchen Umständen städtische wie ländliche Villen in verschiedene Wohnungen aufgeteilt waren. So verweist er auf das Beispiel des Plinius, aus dessen Schilderung seines täglichen Besuches bei seiner Frau Calpurnia auf die Existenz einer Wohnung in einem separaten Gebäude (diaeta) zu schließen sei. Ebd. 305. 55 Dagegen richtet sich die Argumentation von Cantarella, Fathers and Sons 2003. 56 Bagnall/Frier, Demography in Roman Egypt 1994, 57–63 mit Tabelle 3,1. Zu berücksichtigen ist dabei auch der Stadt-Land-Gegensatz, auf den hier nicht näher eingegangen werden soll. 57 Ebd. 72–73. Vgl. auch Thompson, The Hellenistic Family 2006, 93–112; Pomeroy, Families in Ptolemaic Egypt 1997, 193–229. 58 Bagnall/Frier, Demography in Roman Egypt 1994, 64. 59 Ebd. 67 f. 60 Beleg bei Weber, Zwischen Macht und Ohnmacht 2003, 113. 61 Urkunden aus der Ptolemäerzeit, hg. v. Ulrich Wilcken, Bd. I: Papyri aus Unterä­ gypten, Berlin – Leipzig 1927, Nr. 148 (= Griechische Papyri aus Ägypten, Griechisch – Deutsch, hg. v. J. Hengstl unter Mitarbeit von G. Häge u. H. Kühnert, München 1978, Nr. 99). 62 Mimnermos fr. 2 Diehl; Preisshofen, Untersuchungen 1977, 90. 63 Homer, Odyssee 1,218. 64 Homer, Odyssee 24, 210 u. 226. 65 Belege bei Weber, Zwischen Macht und Ohnmacht 2003, 118. 66 Menander, Aspis 115–121. 67 Phrynichos, Monotropos fr. 19/20 (K.-A./PCG). Übers. B. Zimmermann, Die griechische Komödie 1998, 226. Zum Problem der Ehelosigkeit vgl. Hartmann, Heirat 2002, 108–111. 68 Parkin, Ageing in Antiquity 1998, 30.

Kapitel V  193

69 Plinius, Epistulae (Briefe) 4, 19, 5. Parkin, ������������������������������������������������ Out of Sight 1999, 136. Zur Altersdifferenz in den Ehen der römischen Elite vgl. die Aufstellung bei Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 95–99, die für die erste Ehe einen Abstand von 10 Jahren, für die zweite Ehe von 25 Jahren und für die dritte Ehe von 45 Jahren ermittelt haben. Die ägyptischen Papyri bestätigen die Tendenzen, wie sie bei Erstheiraten auftreten. Die Altersdifferenz lag im Durchschnitt bei 7,5 Jahren. In Einzelfällen konnte zwischen dem Ehemann und der Ehefrau eine Altersdifferenz zwischen 17 und 28 Jahren liegen. Bagnall und Frier vermuten, dass junge und alte Männer um junge Frauen konkurrierten, da in den überlieferten Zensusinschriften auffallend viele junge Männer unverheiratet sind. Während für verwitwete Männer die Wiederverheiratung häufig war, ist sie für verwitwete Frauen in den Zensusinschriften kaum zu belegen. Bagnall/Frier, Demography in Roman Egypt 1994, 118–121, 124–127. 70 Kunst, Adoption 2005 nennt die Altersversorgung als ein wesentliches Motiv, den Weg der Adoption zu beschreiten. 71 So die Argumentation von Hartmann, Heirat 2002, 212–235. Zur Versorgung der Witwen vgl. Krause, Familie 2003, 83–88; ders., Witwen und Waisen Bd. 2, 1994, 123–160. 72 Beleg bei Weber, Zwischen Macht und Ohnmacht 2003, 113. 73 Herrmann-Otto, Die ,armen‘ Alten 2003, 192–195 u. 202–208. 74 Belege bei Dönni, Der alte Mensch 1996, 182–194, 197–200. 75 Homer, Odyssee 24, 249–251. 76 So Hartmann, Heirat 2002, 180. 77 Antiphon 1, 14–20. Zur Situation der alternden Hetäre vgl. Davidson, Kurtisanen und Meeresfrüchte 1999, 111 f., der meint, dass alternde Hetären sich als Wollarbeiterinnen verdingten. Zur Freilassung von Hetären und zum Konkubinat vgl. Hartmann, Heirat 2002, 228–234. 78 Vgl. insbesondere das Beispiel der Nikarete in der Demosthenischen Rede gegen Neaira (59,17), die mit sieben Mädchen ein Bordell betrieb. Weitere Belege bei Hartmann, Heirat 2002, 180–181. Zu Bordellen vgl. Davidson, Kurtisanen und Meeresfrüchte 1999, 105–114. 79 Aristophanes, Ploutos (Reichtum) 422–437. Zur Armut in Rom vgl. Atkinson/ Osborne, Poverty in the Roman World 2006. 80 Chantraine, Außerdienststellung 1973, 307–330. 81 Columella, De re rustica (Über die Landwirtschaft) 1 praefatio 12; Übers. Will Richter. Vgl. dazu Wiedemann, Servi senes 1996, 275–293. 82 Plinius, Epistulae (Briefe) 6,3; Übers. nach Helmut Kasten. 83 Cassius Dio 67,3,5 (100 Drachmen); Sueton, Domitian 7,3 (Erhöhung des Soldes um drei Aurea, d.h. ein Viertel des bisherigen Soldes). Zur Umrechnung in Sesterze vgl. Szaivert/Wolters, Löhne, Preise, Werte 2005, 21 f. Zur Besoldung vgl. auch die dort angegebene Literatur (368 f.). 84 Cato, De agri cultura (Vom Landbau) 3,7: „[…] den alten Wagen, altes Eisengerät, einen alten Sklaven (servum senem), einen kränklichen Sklaven (servum morbo­ 194  Anmerkungen

sum) und was sonst überflüssig ist, verkaufe er. Ein Hausvater (pater familias) muß verkaufslustig, nicht kauflustig sein.“ Übers. Otto Schönberger. 85 Solche Wachspüppchen wurden anläßlich der Saturnalien, die mit einem Rollentausch zwischen Herren und Sklaven einhergingen und zwischen dem 13. und 21. Dezember gefeiert wurden, verteilt. 86 Seneca, Epistulae (Briefe an Lucilius) 12, 1–3; Übers. Gerhard Fink. Für wichtige Hinweise zur Deutung der Briefpassage danke ich Christiane Kunst. 87 Den Verlust der Milchzähne setzt Plinius, Naturalis historia (Naturgeschichte) 7,15,68 im siebten Lebensjahr an. Die Entwicklung der Zähne ist für Seneca auch an anderer Stelle ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen infans, puer, (adulescens) und senex (Epistulae 121,15–16). Infans ist die Bezeichnung für Kinder unter sieben Jahren in Rechtstexten, pueri nannte man Kinder beiderlei Geschlechts bis zur Pubertät sowie die Sklaven. Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 36/7. Zum Los von Kindersklaven vgl. Wieber, Eine schwarze Kindheit und Jugend 2012. 88 Zur Bettelei vgl. Bolkestein, Wohltätigkeit und Armenpflege 1939, 229–341. 89 Dönni, Der alte Mensch 1996, 195; Herrmann-Otto, Die ,armen‘ Alten 2003, 187 f. 90 Homer, Ilias 9, 452–456. 91 Zur Verarbeitung der Vater-Sohn-Beziehung im attischen Drama vgl. Strauss, Fathers & Sons 1993, insb. Kap. 5 sowie Griffith, The King and Eye 1999, 20–84. Psychologisch argumentiert Reckford, Father-Beating in Aristophanes’ Clouds 1976, 89–118. 92 Vgl. III/4. 93 Plutarch, Nikias 8. Zu Kleons Rhetorik vgl. auch die bei Thukydides (3,38) wiedergegebenen Reden. Vgl. dazu McGlew, Citizens on Stage 2002, 86–111. Ihm zufolge stellt Aristophanes’ Kleon das Gegenbild zum Thukydideischen Perikles dar, dessen Redestil von einem Habitus der Gemessenheit getragen war. 94 Aristophanes, Die Ritter 214–219; Übers. Niklas Holzberg, Aristophanes 2010, 66. 95 Nach den Untersuchungen von Walter R. Connor, The New Politicians 1991 stellt Kleon einen neuen Typus des Politikers dar, der sich ganz und gar auf die Indienstnahme politischer Institutionen, der Volksversammlung und der Volksgerichte, konzentrierte und politische Freundschaften und familiäre Reputation hintanstellte. Deshalb ist über seine Herkunft nicht viel mehr bekannt als die Schmähungen der Komödie wiedergeben. Zum Bild des Politikers im 5. Jh v. Chr. vgl. auch Schmitt Pantel, Hommes illustres 2009. 96 Mann, Demagogen 2007, 178. Kleon habe die Unbildung, amathía, die in der Komödie den Bauern Strepsiades (Wolken 135; 492; 842) kennzeichnet, bewusst eingesetzt. 97 Aristophanes, Die Acharner 676–718; Übers. Ludwig Seeger. 98 So Strauss, Fathers & Sons 1993, 147. 99 Schmitz, Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft 2004, 94–98, 206 f., 209 u. 230– 233. Kapitel V  195

100 Dionysios von Halikarnassos, Antiquitates Romanae 2,26,2–3. Dazu Schmitz, Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft 2004, 209 mit weiteren Belegen. 101 So die Überlieferung bei Diogenes Laërtius 1,55. Demosthenes 24,103 spricht von schlechten Taten gegen die Erzeuger (κακωσεῶς τῶν γoνέων); Solon F 55 a–c; 74 a, 104 b, 111, 152 (Ruschenbusch). In parodistischer Weise lässt Aristophanes Peithetairos ein vermeintliches Gesetz im Reich der Vögel zitieren, das an die Solonischen Bestimmung angelehnt scheint: „Wenn seine Jungen, bis sie flügge sind, / Ein Storchenvater nährt und pflegt (τρέϕων), dann sollen / Dafür die Jungen ihren Vater pflegen (τρέϕειν)!“ (Aristophanes, Vögel 1353–57; Übers. Ludwig Seeger) Nach Herakleides Pontikos waren Kinder einer Konkubine nicht zum Unterhalt des Erzeugers verpflichtet (Plutarch, Solon 22). 102 Gschnitzer, Sozialgeschichte Griechenlands 1981, 79. Vgl. IV/1. 103 Platon, Nomoi (Gesetze/ Leges) 876 e; 877 b; Übers. Friedrich Schleiermacher. 104 Ebd. 879 c; Übers. nach Schleiermacher. 105 Ebd. 881 d; Übers. Friedrich Schleiermacher. 106 Ebd. 107 Cicero, Cato maior de senectute (Cato der Ältere über das Alter) 22; Übers. Max Faltner. 108 Parkin, Out of Sight 1997/1999, 141–148. 109 Ebd. 141. 110 Lex XII tab. 7 a - b. 111 Platon, Nomoi (Gesetze/ Leges) 929 d-e. 112 So Schmitz, Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft 2004, 209. 113 Plutarch, Lykurg 25; Schmitz, Nicht ,altes Eisen‘ 2003, 90. 114 Plutarch, Lykurg 21. Ein modifiziertes Modell übernimmt Platon, Nomoi (Gesetze/ Leges) 664 b - 673 d. Dazu Baltrusch, An den Rand gedrängt 2003, 78. 115 Dixon, Conflict in the Roman Family 1999, 153. 116 Cicero, Epistulae ad Atticum (Briefe an Atticus) 13,37. Vgl. auch 9,2; 10.1; 11,8,2. 117 Ebd. 14,17,4. 118 Ebd. 15,21,1. Vgl. dazu Dixon, Conflict in the Roman Family 1999, 160 f. 119 Cantarella, Fathers and Sons in Rome 2003, 291. 120 Cicero, Epistulae ad Atticum (Briefe an Atticus) 14,10,4. 121 Ebd. 14,17,3. 122 Cornelius Nepos, De viris illustribus (Berühmte Männer): Atticus 17,1 (Übers. K. Harders). Zu den Hintergründen vgl. Harders, Suavissima soror 2008, 249– 268. 123 Dixon, Conflict in the Roman Family 1999, 153. Zu den Konflikten um Heirat vgl. Treggiari, Ideals and Practicalities in Matchmaking 1991, 93–96; Saller, The Social Dynamics of Consent to Marriage and Sexual Relations 1993, 83–104. 124 Plinius, Epistulae (Briefe) 6,33. Dazu Dixon, Conflict in the Roman Family 1999, 161 f.

196  Anmerkungen

125 Plinius, Epistulae (Briefe) 6,33. Es handelt sich um eine Verhandlung vor den Centumvirn: sie bildeten das ursprünglich aus 105 Personen, seit Trajan aus 180 Personen bestehende Centumviralgericht. Hier wurden vor allem zivilrechtliche Prozesse, besonders Familien-, Eigentums-, und Erbrechtsfälle verhandelt. Der Gerichtshof tagte in vier Kammern und wurde daher auch Vierkammergericht genannt, das von den Zehnmännern zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten geführt wurde. Die Oberleitung hatte ein Prätor, der die Voruntersuchung vornahm, die Decemvirn instruierte und die Centumvirn einberief. 126 Cantarella, Fathers and Sons in Rome 2003, 290. 127 Plautus, Aulularia 3–27. 128 Plautus, Mostellaria 233/4. Dazu Dunsch, … – Vater sein dagegen sehr 2003, 11. Vgl. auch Rissom, Vater- und Sohnmotive 1971; Konstan, Roman Comedy 1983; Sherberg, Das Vater-Sohn-Verhältnis 1995; Hunter, The New Comedy 1985; Sutton, Ancient Comedy 1993. 129 Plautus, Truculentus 660–662. Übers. Boris Dunsch. 130 Terenz, Phormio 2,302/3: Si quidem quisquam crederet te vivo. 131 Juvenal, Satiren 14,246–251; Übers. Joachim Adamietz. 132 Thomas, Rom: Väter als Bürger 1996, 301. Der Geiz der Väter ist deshalb ein beliebtes Thema der Satiriker und Komödiendichter. Belege bei Önnerfors, Vaterporträts 1994, 48 ff. Gutsfeld, ‚Das schwache Lebensalter‘ 2003, 172 f. meint in Anlehnung an Saller, dass gewaltunterworfene Söhne in der Praxis zunehmend frei über ihr Eigengut verfügen konnten. Zu den Gesetzen über das peculium s. Digesten 15,1,1–58. 133 Cantarella, Fathers and Sons 2003, 288 f. 134 Ebd. 289. Nach Kunst, Adoption 2005 gefährdete Kinderreichtum politische Karrieren. 135 Sueton, Vespasianus 11; Übers. Hans Martinet: Er veranlasste den Senat zu dem Beschluss, dass „diejenigen, die an die Söhne des Hauses (filiifamilias) Geld verliehen, niemals das Recht haben, den Kredit zurückzufordern, nicht einmal nach dem Tode des Vaters.“ Vgl. dazu Cantarella, Fathers and Sons 2003, 294/5. Zum Wortlaut des Edikts s. Digesten 14,6,1. 136 Cicero, Pro Sexto Roscio Amerino 39 u. 52; Übers. Martin Fuhrmann: „Sextus Roscius hat seinen Vater ermordet. Was ist er für ein Mensch? Ein verdorbener und von Taugenichtsen verleiteter junger Mann? Er ist über 40 Jahre alt. Dann ist er also ein eingefleischter Meuchelmörder, ein verwegener Mensch, und war oft in Bluttaten verwickelt. Aber dergleichen hat der Ankläger, wie ihr vernommen habt, nicht einmal zu behaupten versucht. Demnach haben Vergnügungssucht, ungeheure Schulden und zügellose Leidenschaften den Mann zu diesem Verbrechen angestiftet. Indes, von dem Vorwurf der Vergnügungssucht hat Erucius ihn gereinigt, indem er sagte, jener habe fast niemals auch nur an einer Gasterei teilgenommen. Zudem ist er nie etwas schuldig geblieben. Was für Leidenschaften kann ferner jemand haben, der nach des Anklägers eigenen, als Vorwurf gemeinten Worten stets auf dem Lande gewohnt und vom Ackerbau gelebt hatt: Kapitel V  197

eine solche Lebensweise ist im höchsten Maße von Leidenschaft entbunden und mit Pflichtbewußtsein verbunden. Wer also hat dem Sextus Roscius diese furchtbare Wahnsinnstat eingegeben? […] Gibt es sonst noch etwas? ,Jawohl, es gibt noch etwas‘, behauptet er [der Ankläger], ,der Vater trug sich mit der Absicht, den Sohn zu enterben.‘ Ich horche auf: jetzt bringst du etwas vor, was zur Sache gehört […]“. 137 Seneca, De clementia (Von der Gnade) 1,23,1: „Dein Vater hat mehr Menschen innerhalb von fünf Jahren in den ledernen Sack einnähen lassen als in allen Jahrhunderten eingenäht worden sind, wie wir vernahmen. Viel weniger wagen die Kinder das äußerste Verbrechen zu begehen, solange das Verbrechen ohne Gesetz war […], wirklich befand sich die Kindesliebe (pietas) auf einem besonders schlechten Platze, nachdem wir öfter lederne Säcke gesehen hatten als Kreuze.“ 138 Horaz, Sermones (Satiren) 2,3,178–181; Übers. Gerd Herrmann. 139 Ebd. 1,6,100–104; Übers. Gerd Herrmann. 140 Vgl. Plescia, Patria potestas and the Roman Revolution 1976, 143–179, dessen Argumentation auf den Nachweis des anachronistischen Charakters der Institution der patria potestas zielt. Auf den politischen Charakter des Generationenkonflikts hebt die Argumentation von Emiel Eyben, Youth and Politics 1972 ab. Vgl. auch ders., Restless Youth 1993, 56–72. Nach Parkin, Ageing in Antiquity 1998, 24–26 zielt die Schrift Ciceros, de Senectute auf eine Idealisierung der Autorität der Alten, die der Realität der Zeit widersprach. Gegen die Vorstellung vom Generationenkonflikt argumentiert Isayev, Unruly Youth? 2007, 8–12. 141 Zu den Hintergründen der Catilinarischen Verschwörung vgl. Will, Der römi­ sche Mob 1991. 142 Sallust, De coniuratione Catilinae (Die Verschwörung des Catilina) 20; Übers. Karl Büchner. 143 Ebd. 6–7. Übers. Karl Büchner. 144 Ebd. 14. 145 Ebd. 17. Vgl. II/2. 146 Cicero, Epistulae ad Atticum (Briefe an Atticus) 1,14,5. Auch Clodius, der zu diesem Zeitpunkt sein erstes Amt, die Quästur, erlangte, wird von Cicero als milchbärtiger Jugendlicher bezeichnet. Ebd. 1,16.11. 147 Timmer, Barbatuli iuvenes 2005, 197–219. 148 Quintus Tullius Cicero, Commentariolum petitionis 33; Übers. Günter Laser. 149 Eyben, Restless Youth 1993, 48. 150 Bereits dem unbärtigen Jüngling sei die Ehre des Triumphs gewährt worden. Plutarch, Sertorius 18. 151 Eyben, Restless Youth 1993, 62; Harlow/Laurence, Growing Up 2002, 111–116. 152 Vgl. Kap. II/2.

198  Anmerkungen

Kapitel VI 1 Herodot 1,31,3–5. Übers. Josef Feix. Zur Deutung vgl. Chiasson, Myth 2005. 2 Tyrtaios fr. 10 West; Übers. Dietrich Ebener. 3 Homer, Ilias 9, 410–415. Zum guten Tod vgl. Humphreys, Death and Time 1982, 262 f.; von Reden, Exchange 1995, 18–24. 4 Paradigmatisch wird diese Moral am Beispiel der Heroen vorgeführt. So zieht Pelops dem ruhmlosen Alter den gefährlichen Kampf um Hippodameia vor. Pindar, Olympische Ode 1,82–84. In der römischen Kultur gilt es als Sohnespflicht, unter Einsatz des eigenen Lebens den Vater zu retten. Vgl. Vergil, der im 10. Gesang der Aeneis (789–800) schildert, wie der Tyrrhener Lausus sich aus Sohnestreue (pietas) in Todesgefahr begibt. 5 Herodot 1,216,2–3. Übers. Josef Feix. 6 So etwa Baltrusch, An den Rand gedrängt 2003, 59. 7 Euripides, Alkestis 282–284 (Übers. Dietrich Ebener) u. 290–292 (eig. Übers). 8 466–472. Übers. Dietrich Ebener. 9 Baltrusch, An den Rand gedrängt 2003, 62–72. 10 Vgl. Semonides von Amorgos fr. 7,86/7: „Lieb altert sie zusammen mit dem liebenden Mann, nachdem sie geboren hat ein schönes und ruhmvolles Geschlecht.“ Preisshofen, Untersuchungen 1977, 79. 11 Euripides, Alkestis 686–8: „Was du von mir erhalten solltest, hast du. / Viel Volk beherrschst du (πoλλῶν μὲν ἄρχεις), und ich werde dir vererben, / viel Hufen Landes (πoλυπλέθρoυς δέ σoι γύας λείψω): Sie bekam ich schon vom Vater.“ 12 Herodot 1,30,4–5. Übers. in Anlehnung an Josef Feix. 13 Die Wertschätzung der gesicherten Generationenfolge bestätigt auch ein Blick auf die Siegeslieder Pindars, der nicht nur den Tod des jungen Kriegers in der Schlacht preist. Die Leistungen der Jugend bescheren ihm zufolge ein ruhiges Alter. Pindar fr. 94 a, 14 ff. Vgl. dazu Preisshofen, Untersuchungen 1977, 96–110, insb. 101– 103. 14 Hadot, Philosophie als Lebensform 2002, 29–37. 15 Dönni, Der alte Mensch 1996, 113–115 mit weiterer Literatur; van Hooff, From Autothanasia to Suicide 1990, XV, 181–197. Allerdings gab es bereits unter den paganen Philosophen Gegenstimmen und galt der Suizid in manchen Fällen als Frevel gegen die Polis. Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik 5,1138 a. 16 Seneca, De providentia (Über die Vorsehung) 6; Übers. Gerhard Fink. 17 Diogenes Laërtius 8,1,39–44. Allerdings kursierten unterschiedliche Erzählungen vom Tod des Pythagoras. So soll Pythagoras im Krieg zwischen Syrakus und Agrigent zu Tode gekommen sein. Ebd. 18 van Hooff, From Autothanasia to Suicide 1990, 39, 42–47; 58. Vgl. auch Brandt, Am Ende des Lebens 2010, 87–125. 19 Cornelius Nepos, De viris illustribus (Berühmte Männer): Atticus 21,3–22,4. Zum Fall des Atticus vgl. Brandt, Am Ende des Lebens 2010, 111 f. Weitere Fälle der Selbsttötung mittels der Verweigerung der Nahrungsaufnahme finden sich bei PliKapitel VI  199

nius, Epistulae (Briefe) 1,12,1–11 u. 3,7,1. Aelian erwähnt in seiner Poikílê historía (Bunte Geschichte) ein Gesetz der Bewohner von Keos, das alten Menschen, die ihrem Vaterland keine Dienste mehr erweisen konnten, „da ihr Verstand mit dem Alter schon ein wenig töricht geworden ist“ den Schierlingsbecher verordnete (3,37; Übers. Hadwig Helms). 20 Diogenes Laërtius 8,2, 67–72. Auch diese Erzählung war umstritten, wie Diogenes Laërtius berichtet. Zu den Todesarten der Philosophen vgl. van Hooff, From Autothanasia to Suicide 1990, 36 f. 21 So die Gestaltung des Todes des Helden in Sophokles’ Drama Die Trachinierinnen 1145 ff. Als Sinnbild des würdigen Todes nach Art indischer Weiser galt auch die Selbstverbrennung des leidenden Kalanos während des Alexanderfeldzuges (Arrian, Anabasis 7,3; Plutarch, Alexander 69). 22 Sueton, Nero 37; Tacitus, Annalen 15,60,2–64,4. Zur Todesauffassung des Seneca, die er vor allem in seinen Briefen an Lucilius niedergelegt hat (vgl. insb. Epistula 24) vgl. Edwards, Death in Ancient Rome 2007, 109–112. 23 Edwards, Death in Ancient Rome 2007, 35–45. 24 Aristophanes, Batrachoi (Frösche) 117–135; Übers. Ludwig Seeger. 25 Homer, Odyssee 5, 334/5; Pausanias 1,44,7–8. Zur Deutung der Figur der Ino Leukothea vgl. Waldner, Geburt und Hochzeit des Kriegers 2000, 162–165. 26 Sterben die tragischen Heroinen den männlichen Tod mit der Waffe, so richtet sich diese, das hat Nicole Loraux in ihrer Studie über Tragische Weisen eine Frau zu töten gezeigt, gegen die Brust. Männer dagegen richten sich mit einem tödlichen Stoß in die Leber oder in die Lunge. Hals und Brust bilden nach Nicole Loraux, die dem weiblichen Sterben im Denken der Griechen nachgegangen ist, den verletzlichsten Punkt des weiblichen Körpers und stehen für ihre weibliche Schönheit. Loraux, Tragische Weisen eine Frau zu töten 1993, insb. 77–85. 27 Sophokles, Aias 815–865. 28 So van Hooff, From Autothanasia to Suicide 1990, 131. Den Bühnencharakter betont Edwards, Death in Ancient Rome 2007, 43, die sich in ihrer Untersuchung auf die frühe Kaiserzeit konzentriert. 29 Belege bei van Hooff, From Autothanasia to Suicide 1990, Abb. 8. u. 9. 30 Beispiele bei van Hooff, From Autothanasia to Suicide 1990, 47–54. 31 Plutarch, Brutus 49; Eyben, Restless Youth 1993, Kap. 2. 32 Cicero, Cato maior de senectute 11,71. 33 bei Stobaios, Florilegium 4,50,25–27. Vgl. dazu Sigismund, Über das Alter 2003, 155–156. 34 Musonius, Diatriben (Lehrgespräche) 17. 35 Accius F 15 Ribbeck; Übers. H. Petersmann. Bei Livius 10,7,3–4 erinnert Publius Decius Mus an den Opfertod des Vaters für das Volk und die römischen Legionen. Zur Diskussion: Walter, „Ein Ebenbild des Vaters“ 2004, 418 ff. Zu weiteren Fällen der devotio vgl. van Hooff, From Autothanasia to Suicide 1990, 54–57, 126–129.

200  Anmerkungen

36 So die Deutung von Fögen, Römische Rechtsgeschichten 2002. Zu den Quellen vgl. Prescendi, Weiblichkeitsideale in der römischen Welt 2000, 217–227 mit weiteren Literaturhinweisen. 37 Valerius Maximus, Facta et dicta memorabilia (Denkwürdige Taten und Worte) 4,6,2–5. Vgl. auch Cassius Dio 44, 13; Plutarch, Brutus 13. 38 Von Artemisias Tat berichtet Aulus Gellius, Noctes Atticae (Die Attischen Nächte) 10,18,1–7. Zum politischen Hintergrund vgl. Carney, Women and dunasteia in Caria 2005, 184–195. Zu den geschlechtsspezifischen Dimensionen der Erzählungen über die Selbsttötung in Rom vgl. Edwards, Death in Ancient Rome 2007, 179–206. 39 Tacitus, Annalen 15, 57. Edwards, Death in Ancient Rome 2007, 203 f. 40 Tacitus, Annalen 15, 61/2. 41 Plinius, Epistulae (Briefe) 6,24. Vgl. auch den Fall der Arria, die ihrem Mann mit gutem Beispiel vorangeht. Ebd. 3,16. Mit dem weiblichen Sterben beschäftigt sich Anja Schulz, Das weibliche Sterben. Untersuchung von weiblichen römischen Sterbe­ szenen von der Königszeit bis zum 3. Jh. n. Chr., phil. Diss. Universität Osnabrück (in Vorbereitung). 42 Zum folgenden vgl. Arand, Das schmähliche Ende 2002, der 511 Textstellen ermittelt und 405 konkrete Fälle ausgewertet hat. 43 Aurelius Victor, Caesaren (Die römischen Kaiser) 33,26. Dazu Arand, Das schmäh­ liche Ende 2002, 119. 44 Historia Augusta: Heliogabal 16,5–17,7. Ebenso geschah es mit dem Leichnam des Vitellius: Sueton, Vitellius 17, 1–2; Aurelius Victor, Caesaren 8,6. Weitere Beispiele bei Arand, Das schmähliche Ende 2002, 131 ff. Für die Frühzeit Roms überliefert diese Sitte Diodor 4,62,4 als Strafe für das Vergehen des Marcus Atilius, nicht sorgsam genug die Sibyllinischen Bücher bewacht zu haben, wahrscheinlich eine spätere Projektion. Zur Strafe für Vatermord vgl. Anm. 137 (Kap. V). 45 Sueton, Tiberius 75; nach Tacitus, Annalen 6, 50, 1–5 wird Tiberius durch das Überwerfen von Decken erstickt. Nach Arand, Das schmähliche Ende 2002, 131 ist dies der erste Erstickungstod, der in der römischen Literatur erwähnt wird. 46 Vgl. Sueton, Galba 20. Weitere Belege bei Arand, Das schmähliche Ende 2002, 214–217. 47 Belege bei Arand, Das schmähliche Ende 2002, 225–230. 48 Ebd. 210. 49 Herodianos 2,1,3. Ammianus Marcellinus (21,15,3; 30,6,6) schildert ausführlich den langen Todeskampf der ‚schlechten‘ Kaiser Constantius II. und Valentian I. 50 Eusebius, Kirchengeschichte 8,16,4 (hg. v. Heinrich Kraft, übers. v. Philipp Haeuser (1932), neu durchgesehen v. Hans Armin Gärtner, München 1967). Vgl. auch Lactantius, de mortibus peresecutorum (Über die Todesarten der Verfolger) 33. Diese Todesart überliefert Plutarch auch für Sulla. Plutarch, Sulla 36. 51 Eusebius, Kirchengeschichte 8, Appendix 4. 52 Arand, Das schmähliche Ende 2002, 217.

Kapitel VI  201

53 Xenophon, Memorabilia (Erinnerungen an Sokrates) 2,2,13. Vgl. auch Aristoteles, Athenaion Politeia 55,3 (Zitat Anm. 386). 54 Hesiod, Erga 376–380 „Mindestens ein Sohn sei, daß des Vaters Haus (oîkos) sicher besteht. So wird in den Kammern wachsen der Wohlstand. Spät erst mögest du sterben, den Sohn hinterlassend als Nächsten. Leicht kann auch mehreren Zeus verleihn unendlichen Segen. Mehrere mehren die Sorge, doch auch größer der Zuwachs.“ Übers. in Anlehnung an Walter Marg; Aristoteles, Nikomachische Ethik 8,12,1162a5–6: gegenseitiger Nutzen der philía zwischen Erzeugern und Nachkommen; Isaios 2,10: Menekles will einen Sohn adoptieren, um Pflege im Alter zu haben (γηρoτρoϕήσoι) und jemanden, der ihn nach dem Tod bestatten möge (θάψoι); Demosthenes 59,122: Pflege im Alter durch die Konkubine, rechtmäßige Kinder von der Ehefrau; Xenophon, Oikonomikos 7,13 u.19: Zweck der Ehe: Nachwuchs, um möglichst tüchtige Pfleger und Helfer für das Alter bzw. Pflege für das eigene Alter zu haben; Euripides, Ion 472–481: „Altes Erbteil der Güter pflanzen vom Vater sie fort.“ Allerdings gibt es auch ablehnende Stimmen. Demokrit ap. Stobaios 4, 611, 18–21; Theophrast ap. Hieronymus, Adversus Iovinianum 1,47. 55 Lysias 13,45. Übers. Ingeborg Huber. 56 Zum Trauergestus auf der hier abgebildeten Lutrophore aus der Zeit um 440 v. Chr. (Abb. 19) vgl. Huber, Ikonographie der Trauer 2001, 128 f. mit Abb. 12. Zum Ritual vgl. Garland, The Greek Way of Death 1985; Holst-Warhaft, Dangerous Voices 1992. Zu den römischen Praktiken vgl. Prescendi, Klagende Frauen 2000, 102–111 mit weiteren Literaturhinweisen. 57 Demosthenes 43,62. Stears, Death Becomes Her 1998, 113–127. 58 Zum Grabmal der Caecilia Metella vgl. Carroll, Spirits of the Dead 2006, 33–35. Zur politischen Indienstnahme von Totenfeiern für Frauen der Elite vgl. WeschKlein, Funus publicum 1993, 46 ff. 59 Plutarch, Solon 21; Übers. nach Konrat Ziegler. Solche Begrenzungen des Kleideraufwandes sind auch aus anderen Regionen überliefert. Eine Zusammenstellung der Reglementierungen findet sich bei Engels, Funerum sepulcrorumque magnifi­ centia 1998. 60 Zur Bewertung des funeralen Kleideraufwandes vgl. Wagner-Hasel, Die Reglementierung von Traueraufwand 2000, 81–102 und Blok, Solon’s Funerary Laws 2006, 197–247, die eine Begrenzung von textilen Grabbeigaben annimmt, mit der eine Politik der zunehmenden Trennung der Bereiche der Lebenden und der Toten verfolgt worden sei. 61 Corpus Theognideum 1203–1206. 62 Der Beginn dieser Sitte ist umstritten. Vgl. dazu Loraux, L’invention d’Athènes 1981; Czech-Schneider, Dêmosion sêma 1998. 63 Thukydides 2, 34, 1–5. 64 In diesem Sinne Alcock, Tomb Cult and the Post Classical Polis 1991, 441–467. Anders Humphreys, Family Tombs 1980, 96 ff., dies., Death and Time 1982, 271.

202  Anmerkungen

65 Bergemann, Demos und Thanatos 1997, dem Brandt, Wird auch silbern mein Haar 2002, 85 folgt; Reinsberg, Frauenrepräsentation im klassischen Athen 1996, 12 ff. 66 Das gilt insbesondere für die Darstellungen junger Mädchen auf Grabreliefs. Die Bilder betonen nach Sojc eine rituelle Funktion für die Gemeinschaft. Sojc, Trauer auf attischen Grabreliefs 2005, 112. 67 Plutarch, Lykurg 27: „Den Namen des Toten auf ein Grabmal zu setzen war nicht erlaubt, außer wenn ein Mann im Felde oder eine Frau im Wochenbett gestorben war.“ Übers. Konrat Ziegler. 68 Livius 2,7,4; Plutarch, Publicola 9,7. 69 Cassius Dio 47,17,6; Sueton, Divus Augustus 61,2. 70 Cassius Dio 48,33,1. 71 Thomas, Teilung der Geschlechter 1993, 124 mit Lit. in Fußnote 43. Vgl. auch III/2. 72 Polybios 6,53–54; Übers. Hans Drexler. 73 Plinius, Naturalis historia (Naturgeschichte) 7, 140; Übers. R. König u. G. Winkler. 74 Plutarch, Caesar 5,4. 75 Sueton, Divus Iulius 84; Übers. Max Heinemann. 76 Livius 8,22,2. 77 Sueton, Divus Iulius 6,1. Auch seine jung verstorbene Gattin ehrte er mit einer Leichenrede. Plutarch, Caesar 5,3. 78 Sueton, Divus Iulius 84, 1–4; Übers. Hans Martinet. Vgl. auch Tacitus, Annalen 1,8,3 und Plutarch, Caesar 68. 79 Cassius Dio 56,34,2. 80 Tacitus, Annalen 5,1,1–3; Sueton, Caligula 10,1; Sueton, Claudius 11,2. 81 Tacitus, Annalen 13,3,1. 82 Wesch-Klein, Funus publicum 1993. Licinius Sura war allerdings ein enger Freund Trajans und damit symbolisch Teil der familia des Princeps. 83 Zur Bestattung der Armen und Namenlosen vgl. Carroll, Spirits of the Dead 2006, 59–78. 84 Historia Augusta, Marcus Antoninus 13,6. 85 Helke Kammerer Grothaus, Camere sepolcrali de liberti e liberte di Livia Augusta ed altri Caesari, in: DEFRA 91, 1979, 315–342; Jukka Korpela, Die Grabinschriften des Kolumbariums liberorum Liviae Augustae. Eine quellenkritische Untersuchung, in: Arctos 15, 1981, 52–66; zur Auswertung der Inschriften zur Rekonstruktion der familia der Livia vgl. Treggiari, Domestic Staff 1973. 86 Carroll, Spirits of the Dead 2006, 44–48. 87 Belege bei Schumacher, Sklaverei in der Antike 2001, 244–252. 88 Ebd. 251. 89 Anthologia Graeca 7,178; Übers. Hermann Beckby. 90 Schumacher, Sklaverei in der Antike 2001, 249.

Kapitel VI  203

Ausblick 1 Parkin, Old Age 2003, 239. 2 Cokayne, Experiencing Old Age 2003, 174. 3 Bobbio, Vom Alter 2004, 29; Göckenjan, Das Alter würdigen 2000, 11. 4 Göckenjan, Das Alter würdigen 2000, insb. 399–430. Auch in aktuellen Diskursen findet er dieses Muster bestätigt. Alterstrost enthalten seiner Meinung nach die von der Werbung verbreiteten Konzepte vom erfolgreichen Altern; die Altersklage sei in der Rede über die Pflegebedürftigkeit der Alten zu greifen, die auf Ressourcenmobilisierung zugunsten der älteren Generation ziele. 5 Ebd. 6 Zur Frage der Verallgemeinerung des Generationenkonfliktes vgl. Reinhold, The Generation Gap 2002, 3–24. 7 Saller, Patriarchy 1997, 228 f.; Hübner/Kotzan (Hg.), Growing up Fatherless 2009. 8 Parkin, Old Age 2003, 203–235. Zum weiblichen Lebenslauf vgl. Harlow, Blurred Visions 2007, 198, die zwar die Bedeutung der Menopause, aber auch den Zuwachs an Autorität betont. 9 Bremmer, Old Women 1987, 191 f. 10 Zum ideologischen Gehalt dieser Fixierung auf Bewegungsfreiheit vgl. WagnerHasel, Rationalitätskritik und Weiblichkeitskonzeptionen 1992, 313 ff.; dies., Das Private wird politisch 1988, 11–50. 11 Schade, Anus ebria 2001, 259–276; Wagner-Hasel, Alter, Wissen und Geschlecht 2006, 15–36. 12 Vgl. Saller, Patriarchy 1997, 128, der deshalb auch die Charakterisierung der ehelichen Beziehung als patriarchalisch ablehnt und der Meinung ist, dass Besitz den Frauen Macht gegeben habe (224). 13 Ebd. 102–132 u. 225–232. Ohnehin nimmt die Bedeutung der patria potestas in der Spätantike ab und werden stärker affektive Bindungen betont. Vgl. Zittel, Zwischen Emotion und Normerfüllung 2009.

204  Anmerkungen

Verzeichnis der Abbildungen Abb. 1: Herakles bekämpft das personifizierte Greisenalter (Geras). Rotfigurige Pelike des Geras-Maler, um 480 v. Chr. Paris Louvre G 234. Abb. 2: Eos entführt Tithonos. Skyphos aus Capua. Cambridge, ������������������������������ Corpus Christi College. Aus Boardman, John: Rotfigurige Vasen aus Athen. Die klassische Zeit. Ein Handbuch, Mainz 1991, Abb. 93 = J. D. Beazley, Attic Red-figured Vase-painters, Cambridge 21963, 973, 15. Abb. 3: Der Meergreis Nereus auf dem Rücken eines Hippocampus. Attische Schale, um 520 v. Chr.; British Museum 428, London. Aus: Richard Buxton, Das große Buch der griechischen Mythologie, Darmstadt 2004, S. 47. Abb. 4: Nestor empfängt Telemach in Pylos. Detail des apulischen Kraters, Mitte 4. Jh. v. Chr. Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung F 3289. Abb. 5: Porträt des blinden Dichters Homer. Römische Kopie nach einem griechischen Original um 460 v. Chr. München Glyptothek 273. Abb. 6: Porträt des Euripides. Römische Kopie nach einer griechischen Statue, um 330 v. Chr. Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung Sk 297. Abb. 7: Sokrates im Gespräch mit Aspasia od. Diotima. Bronzerelief auf einer Truhe aus Pompeji. Neapel, Museo Nazionale. Aus: Herman Hafner, Bildlexikon antiker Personen, Düsseldorf 2001, S. 63. Abb. 8: Schäferin. Palazzo dei Conservatori, Rom. Aus: Pat Thane (Hg.), Das Alter. Eine Kulturgeschichte, Darmstadt 2005, S. 33. Abb. 9: Statue des stoischen Philosophen Chrysipp, spätes 3. Jh. v. Chr. Rekonstruktion in Gips nach einer Statue im Pariser Louvre MA 80 und einer Büste in London, British Museum 1846. München, Museum für Abgüsse Th 38. Abb. 10: Trunkene Alte. Römische Kopie nach einem Original des späten 3. Jhs. v. Chr. München Glyptothek 437. Abb. 11: Porträt eines berühmten alten Römers, Cato oder Postumius Albinus. Paris, Kopie des frühen 1. Jhs. nach einem Original des mittleren 2. Jh. v. Chr. Louvre MA 919 / München, Museum für Abgüsse klassischer Bildwerke DFG 149. Abb. 12: Cicero. Augusteische Kopie eines zeitgenössischen Bildnisses. Rom, Museo Capitolino. München, Museum für Abgüsse klassischer Bildwerke DFG 165. Abb. 13: Hipparchia und Krates. Rom, Museo Nazionale. Aus: Herman Hafner, Bildlexikon antiker Personen, Düsseldorf 2001, S. 165. Abb. 14: Grabstele der Großmutter und Kybelepriesterin Chairestrate. Mitte 4. Jh. v. Chr. Athen, Piräusmuseum 1031. Aus: Alexander Conze (Hg.), Die attischen Grabreliefs, Bd. I, Tafeln, Berlin 1893, Nr. 95, Tafel XXXVII. Abb. 15: Grabrelief, um 360 v. Chr. Karlsruhe Badisches Landesmuseum Inv. 66/64. Abb. 16: Amme. Terrakottastatuette. München, Staatliche Antikensammlungen TC 5253. Verzeichnis der Abbildungen  205

Abb. 17: Grabrelief eines alten römischen Ehepaares, spätes 1. Jh. v. Chr. Rom, Musei Vaticani, Galleria Chiaramonti LIV 21. Inv. 2109. Abb. 18: Der alte Geizkragen. Unteritalischer Kelchkrater, um 350/40 v. Chr. Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung. Aus: Pat Thane (Hg.), Das Alter. Eine Kulturgeschichte, Darmstadt 2005, S. 63. Abb. 19: Totenklage. Lutrophore, um 440 v. Chr. München, Staatliche Antikensammlungen Slg. v. Schoen 66. Abb. 20: Grabmal der Caecilia Metella an der Via Appia, Rom. Aufnahme K. Hasel.

206  Verzeichnis der Abbildungen

Bibliographie

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232  Bibliographie

Register A Abel S. 40 Abraham S. 39 Accius S. 142; S. 200, Anm. 35 Achilleus S. 38; S. 51; S. 123; S. 136 Admetos S. 137 . Adoption S. 89; S. 99; S. 106 f.; S. 114; S. 119; S. 187, Anm. 55; S. 194, Anm. 70 adulescentia S. 73–78 Aelianos (Ailianus) S. 176, Anm. 5; S. 199, Anm. 19 Q. Aelius Tubero S. 73 Aemilia Pudentilla S. 183, Anm. 107 agôgê S. 71; S. 177, Anm. 22 Agoratos S. 145 Agricola S. 61 Ahnenkult S. 36; S. 149 f.; S. 166, Anm. 79 Aigyptios S. 51 Aineias (Aeneas) S. 22; S. 103 Aithra S. 42 Aischines S. 171, Anm. 15 Aischylos S. 9; S. 30 Ajax (Aias) S. 141 Alexander der Große S. 38; S. 161, Anm. 2 Alkaios S. 41; S. 167, Anm. 98 Alkestis S. 137 f. Alkman S. 83 Altersdemenz S. 111; S. 127 Altersgrenzen S. 53; S. 64; S. 179, Anm. 48 u. 50 Alterssuizid S. 159, Anm. 12 Ältestenrat S. 12; S. 40; S. 51; S. 55 Ambrosius (Ambrosios) S. 40; S. 76 Amme S. 33; S. 46 ff.; S. 114; S. 121; S. 169, Anm. 121 u. 128 Ammianus Marcellinus S. 168, Anm. 116; S. 201, Anm. 49

Anakreon S. 82; S. 181, Anm. 73 Anaxagoras S. 35 anchisteîa S. 146 Anchises S. 20 ff.; S. 103 Anna Perenna S. 46; S. 168, Anm. 119 Antigone S. 141 Antigonos Monophthalmos S. 54 Antiphon S. 194, Anm. 77 Antonius, Marcus S. 16; S. 60; S. 116; S. 129; S. 135; S. 141; S. 151 Antoninus Pius (röm. Kaiser 138–161) S. 129; S. 144; S. 153 Aphrodite S. 20 f.; S. 23; S. 162, Anm. 18 Apollodoros S. 9 Apollon S. 45; S. 71; S. 92; S. 162, Anm. 21 Apuleius S. 183, Anm. 107; S. 191, Anm. 29 Aquila S. 129 Arachne S. 47 Ares S. 17; S. 24; S. 56 Aristion von Keos S. 15 Armut S. 109; S. 120; S. 194, Anm. 79 Arria S. 201, Anm. 41 Arrian S. 200, Anm. 21 Aristophanes S. 25; S. 84 f.; S. 109; S. 123 f.; S. 140; S. 162, Anm. 18; S. 177, Anm. 22; S. 181, Anm. 78 u. 80; S. 194 f., Anm. 79 u. 93; S. 196, Anm. 101 Aristophanes von Byzanz S. 15; S. 177, Anm. 22 Aristoteles S. 15; S. 23; S. 30; S. 52; S. 56; S. 66; S. 72; S. 92 ff.; S. 97; S. 101; S. 111; S. 170 ff., Anm. 7 u. 16 u. 18 u. 40; S. 177, Anm. 24; S. 184 f., Anm. 4 u. 10; S. 187 f., Anm. 43 u. 56 u. 59; S. 192, Anm. 33; S. 199, Anm. 15; S. 202, Anm. 53 u. 54; S. 199, Anm. 15; S. 202, Anm. 54 Register  233

Arsinoë S. 118 Artemis S. 56; S. 71 Artemisia S. 142; S. 201, Anm. 38 Askanios S. 103 Aspasia S. 31 f., Abb. 7 Athenaios S. 159, Anm. 1; S. 165, Anm. 73; S. 176, Anm. 24; S. 181, Anm. 73; S. 188, Anm. 63 Athene (Athena) S. 47; S. 80 Atia S. 48; S. 149 Atilius, Marcus S. 201, Anm. 44 Attia Viriola S. 130 Atticus, Titus Pomponius S. 59 f.; S. 129; S. 140; S. 199, Anm. 19 Augustinus S. 15; S. 39; S. 139; S. 179, Anm. 45 Augustus (Octavian) S. 48; S. 60 f.; S. 78; S. 86; S. 107; S. 113; S. 116; S. 131; S. 135; S. 141; S. 149; S. 152; S. 162, Anm. 21; S. 178, Anm. 39; S. 183, Anm. 110 Aunchis S. 120 Aurelia S. 48 Aurelius Victor S. 143; S. 201, Anm. 44 B Basilius S. 166, Anm. 94 Baton S. 165, Anm. 73 Biton S. 136; S. 139 Begoe S. 163, Anm. 36 Boethius S. 46 Bouselos S. 94 Brutus, Marcus Iunius S. 79; S. 141 f.; S. 149; S. 151 C Caecilia Metella S. 146 f., Abb. 20; S. 202, Anm. 58 Caerellia S. 87; S. 183, Anm. 105 Caesar, Gaius Iulius S. 48; S. 60; S. 87; S. 129; S. 133; S. 135; S. 141; S. 149; S. 151 ff.; S. 183, Anm. 110 Camillus S. 173, Anm. 62

234  Register

Caligula (C. Iulius Caesar Germanicus, röm. Kaiser 37–41) S. 116; S. 152 Calpurnia S. 87; S. 119; S. 193, Anm. 54 Caracalla (M. Aurelius Antoninus, röm. Kaiser 211–217) S. 174, Anm. 71 Catilina, Lucius Sergius S. 16; S. 60; S. 132 ff.; S. 198, Anm. 141 Cato (der Ältere), Marcus Porcius (Censorius) S. 36 f.; S. 57; S. 59; S. 103; S. 121; S. 188, Anm. 69 Cato (der Jüngere), Marcus Porcius (Uticensis) S. 107; S. 141 f. Catull (Gaius Valerius Catullus) S. 85; S. 168, Anm. 119 Censorinus S. 177 f., Anm. 19 u. 34 u. 42; S. 190, Anm. 5 Cicero, Marcus Tullius S. 10; S. 15 f.; S. 36 ff., Abb. 12; S. 57 ff.; S. 62; S. 73 f.; S. 77; S. 87; S. 90; S. 104; S. 115 ff.; S. 126; S. 128 f.; S. 130; S. 132 ff.; S. 140; S. 142; S. 162, Anm. 18; S. 172 ff., Anm. 52 u. 62 u. 70; S. 182, Anm. 94; S. 198, Anm. 140 u. 146 Cicero, Marcus Tullius junior S. 134 Cicero, Quintus Tullius S. 129; S. 134 Cicero, Quintus Tullius junior S. 116; S. 128 f. Chairekrates S. 165, Anm. 75 Chairestrate S. 42 f., Abb. 14 Charion S. 165, Anm. 64 Charondas S. 125 Christus S. 39; S. 166, Anm. 88 Chrysipp S. 33 f., Abb. 9 Cincinnatus, Marcus Quintius S. 173, Anm. 62 Claudian S. 46 Claudius (Ti. Claudius Caesar Augustus Germanicus, röm. Kaiser 41–54) S. 116; S. 122; S. 132; S. 152 f.; S. 174, Anm. 73 Claudius, Appius Caecus S. 57 f.; S. 172 f., Anm. 51 u. 62; S. 189, Anm. 84

Clodius Pulcher, Publius S. 132 ff.; S. 198, Anm. 146 Columella (Lucius Iunius Moderatus Columella) S. 120 Commodus (M. Aurelius Commodus, röm. Kaiser 180–192) S. 144; S. 174, Anm. 71 Constantius II. (röm. Kaiser 337–361) S. 168, Anm. 117; S. 201, Anm. 49 Cornelia S. 48 f. Crassus, Marcus Licinius S. 117; 146 cursus honorum S. 77 f. Cyprian S. 63 D Daphne S. 28 Decius (Publius Decius Mus) S. 142; S. 200, Anm. 35 Demeter S. 44; S. 46; S. 167, Anm. 110; S. 180, Anm. 65 Demetrios von Alopeke S. 42 Demetrios von Phaleron S. 15 Demokrit S. 55; S. 202, Anm. 54 Demosthenes S. 56; S. 94; S. 114; S. 161, Anm. 2; S. 184, Anm. 4 u. 6; S. 187, Anm. 49 u. 54 u. 56; S. 192, Anm. 35; S. 194, Anm. 78; S. 196, Anm. 101; S. 202, Anm. 54 u. 57 Dikaiarch S. 179, Anm. 55 Cassius Dio S. 183, Anm. 105; S. 189, Anm. 90; S. 191, Anm. 22; S. 194, Anm. 83; S. 201, Anm. 37; S. 203, Anm. 69 u. 70 u. 79 Diodoros S. 28; S. 45; S. 54; S. 159, Anm. 1; S. 191, Anm. 29; 201, Anm. 44 Diogenes Laërtius S. 140; S. 164, Anm. 51; S. 167, Anm. 99; S. 184 f., Anm. 4 u. 21; S. 196, Anm. 101; S. 199, Anm. 17 Diogenes von Oinanda S. 164, Anm. 44 Diokletian (C. Aurelius Valerius Diocletianus, röm. Kaiser 284–305) S. 168, Anm. 117

Dionysos S. 9; S. 31; S. 33 f.; S. 39; S. 140 f.; S. 166, Anm. 76 Dionysios von Halikarnassos S. 125; S. 165, Anm. 56; S. 186, Anm. 26 Diotima S. 31 f., Abb. 7; S. 41; S. 167, Anm. 97 Dolabella, Publius Cornelius S. 183, Anm. 101 Domitian (T. Flavius Domitianus, röm. Kaiser 81–96) S. 121 domus S. 103; S. 115; S. 152 Drusilla S. 152 E Eileithyia S. 167, Anm. 113 Eirene S. 117 Elagabalus (M. Aurelius Antoninus, röm. Kaiser 218–222) S. 143 Empedokles S. 140 Eos S. 20 ff., Abb. 2; S. 162 f., Anm. 18 u. 23 Epicharis S. 143 Epimenides S. 27 Epixenos S. 56 Erbtöchter S. 92; S. 95; S. 97; S. 99; S. 101; S. 182, Anm. 88 Euboulos S. 83 Eumachia S. 45 Euripides S. 30; S. 55; S. 137; S. 140; S. 163, Anm. 33; S. 171, Anm. 22; S. 176, Anm. 8; S. 180, Anm. 61; S. 199, Anm. 11; S. 202, Anm. 54 Eusebios S. 144; S. 168, Anm. 117; S. 201, Anm. 5 Eustathius S. 24 Eurykleia S. 46 F Fabius Maximus S. 173, Anm. 62 familia, pater familias S. 57; S. 89; S. 102 ff.; S. 115 ff.; S. 125–132; S. 153; S. 156; S. 188, Anm. 69; S. 190, Anm. 139; S. 194; Anm. 84; S. 195; Anm.

Register  235

95; S. 197, Anm. 139; S. 203; Anm. 82 u. 85 Favorinus S. 15 M. Flavius S. 151 Flora S. 184, Anm. 113 Florus, Lucius Annaeus S. 58; S. 78 Fundanus S. 81 Funus publicum S. 149; S. 153 Furius Crassipes S. 183, Anm. 101 G Gaia S. 19 Gaius S. 189, Anm. 76 u. 77 Galen S. 109; S. 111 Galerius (G. Galerius Valerius Maximianus, röm. Kaiser 305–311) S. 144 Glaukos S. 164, Anm. 39 Gellius, Aulus S. 58; S. 73; S. 165, Anm. 56; S. 177, Anm. 18; S. 189, Anm. 84; S. 201, Anm. 38 Gêras S. 9 f., Abb. 1; S. 19; S. 21; S. 26; S. 81; S. 126; S. 138; S. 162, Anm. 14; S. 180, Anm. 71 Graien S. 19; S. 41; S. 46; S. 48 Gregor von Nazianz S. 40; S. 166, Anm. 94 H Hadrian (P. Aelius Hadrianus, röm. Kaiser 117–138) S. 39; S. 102; S. 105 Halitherses S. 51 Hannibal S. 16; S. 49; S. 134 Hebe S. 19, S. 21; S. 69; S. 137; S. 180, Anm. 71 Hekabe S. 180, Anm. 61 Helena S. 17; S. 42; S. 180, Anm. 61 Hellanikos S. 23 f. Hephaistos S. 51 Hera S. 19; S. 136 Herakleides Pontikos S. 196, Anm. 101 Herakles S. 9 f., Abb. 1; S. 39; S. 48; S. 138; S. 140 f.; S. 161 f., Anm. 8 u. 14 Heraklit S. 24

236  Register

Hermippos S. 177, Anm. 24 Herodes S. 117 Herodian (Herodianos) S. 144; S. 201, Anm. 49; Herodot S. 66; S. 136 ff.; S. 169, Anm. 133 Heros S. 26 Hesiod S. 9; S. 12; S. 17 ff.; S. 25; S. 66; S. 68; S. 72; S. 78; S. 91 f.; S. 96; S. 159, Anm. 1; S. 176, Anm. 8; S. 186, Anm. 34; S. 202, Anm. 54 Hetäre S. 33 f.; S. 46; S. 83 ff.; S. 88; S. 120; S. 165, Anm. 75; S. 182, Anm. 91; S. 194, Anm. 77 Hieronymus S. 15; S. 40; S. 89; S. 178, Anm. 44; S. 202, Anm. 54 Hipparchia S. 41, Abb. 13 Hippias S. 47 Hippodameia S. 199, Anm. 4 Hippocampus S. 25, Abb. 3 Hippokrates S. 68; S. 109; S. 111; S. 177, Anm. 19; S. 191, Anm. 14 Historia Augusta S. 201, Anm. 44; S. 203, Anm. 84 Hochzeit S. 48; S. 79; S. 80–83; S. 101; S. 138; S. 179, Anm. 57; S. 181, Anm. 77 Homer S. 15; S. 17; S. 24; S. 26; S. 28 f.; S. 35; S. 51; S. 109; S. 112; S. 119; S. 141; S. 161, Anm. 8; S. 163 f., Anm. 31 u. 36 u. 41; S. 170, Anm. 1; S. 194, Anm. 75; S. 200, Anm. 25 Homerische Hymnen S. 20; S. 23; S. 46 Horaz (Q. Horatius Flaccus) S. 10; S. 73; S. 75 ff.; S. 86 ff.; S. 132; S. 168, Anm. 116; S. 182 f., Anm. 95 u. 98 u. 99 Hortensius S. 107 Hyginus S. 159, Anm. 1 Hypatia S. 42 I Initation S. 79 Ino Leukothea S. 141; S. 200, Anm. 25 Iokaste S. 141

Isaios (Isaeus) S. 187, Anm. 56; S. 202, Anm. 54 Iuncus S. 15; S. 62; S. 109; S. 142; S. 163, Anm. 31 Iunia Tertia S. 151 iuventus S. 22; S. 73; S. 77 ff.; S. 133 J Julia S. 87; S. 107; S. 151 Jupiter S. 76 Justinian (Iustinianus I., oström. Kaiser 527–565) S. 61; S. 63; S. 105 Juvenal (D. Iunius Iuvenalis) S. 62; S. 131 K Kaineus S. 161, Anm. 8 Kalanos S. 200, Anm. 21 Kale S. 64 Kallias S. 48; S. 54; S. 169, Anm. 133 Kallikles S. 169, Anm. 128 Kallimachos S. 23 Kassandra S. 45; S. 163, Anm. 36 Kimon S. 98 Kirke S. 45 Kleobis S. 136; S. 138 Kleomenes III. S. 53; S. 177, Anm. 22 Kleon S. 84; S. 123 f.; S. 195, Anm. 93 u. 95 u. 96 Klytios S. 24 Konstantin I. (Flavius Valerius Constantinus, röm. Kaiser 306–337) S. 144; S. 168, Anm. 117 Korinna S. 41; S. 167, Anm. 98 Krankheit S. 18 ff.; S. 34; S. 110 f.; S. 119; S. 137; S. 140; S. 144; S. 170, Anm. 7; S. 177, Anm. 19 Krates S. 41; ebd. Abb. 13 Kreon S. 141 Kroisos S. 136 Kyros S. 68 L Laërtes S. 93; S. 119; S. 185, Anm. 20 Laeta S. 64

Laios S. 9 Laktanz (Lactantius) S. 78; S. 168, Anm. 117; S. 179, Anm. 53; S. 201, Anm. 50 Lampos S. 24 Laudatio Turiae S. 189, Anm. 92 Lausus S. 199, Anm. 4 Lebenserwartung S. 13; S. 109 f.; S. 113; S. 190, Anm. 7 Licinius Sura S. 203, Anm. 82 Livia S. 107; S. 112 f.; S. 152 f.; S. 191, Anm. 22 Titus Livius S. 16; S. 57; S. 59; S. 173, Anm. 56 u. 62; S. 200, Anm. 35; S. 203, Anm. 68 u. 76 Lucretia S. 142 Lucullus, Lucius Licinius S. 149 Lukrez S. 23 Lykurg S. 51; S. 95; S. 127; S. 176, Anm. 5 Lysias S. 94; S. 145; S. 184, Anm. 5 Lysimache S. 42 Lysimachos S. 56 M Macedo S. 132 T. Manlius Torquatus S. 57 Mark Aurel (Marcus Aurelius Antoninus, röm. Kaiser 161–180) S. 111 Marcia S. 107; S. 117; S. 193, Anm. 54 Marinus S. 182, Anm. 98 Marius, Gaius S. 113; S. 151 Martial (M. Valerius Martialis) S. 87; S. 182, Anm. 98 Massageten S. 137 matrona S. 80 f.; S. 151 f. Mausolos (Mausolus) S. 143 Medea S. 45; S. 163, Anm. 36 Megakles S. 48 Memoria S. 143; S. 154 Menander S. 84; S. 85; S. 119; S. 182, Anm. 88 Menekles S. 202, Anm. 54 Menelaos S. 161, Anm. 8 Metellus, Quintus Creticus S. 146

Register  237

Metellus, Lucius Caecilius S. 151 Militiades S. 98 Mimnermos S. 81; S. 82; S. 118; S. 162, Anm. 18; S. 180, Anm. 71 Mortalität S. 110 f.; S. 187, Anm. 55 Musonius Rufus S. 15; S. 200, Anm. 34 Myrrhine S. 42 N Naevius S. 60 Namatianus, Rutilius Claudius S. 46 Nanas S. 24 Neaira S. 194, Anm. 78 Nepos, Cornelius S. 129; S. 199, Anm. 19 Nereïden S. 25; S. 164, Anm. 41 Nereus S. 25; Abb. 3; S. 164, Anm. 39 Nero (Nero Claudius Caesar, röm. Kaiser 54–68) S. 63; S. 107; S. 143 f.; S. 153; S. 174, Anm. 71 Nerva (M. Cocceius Nerva, röm. Kaiser 96–98) S. 144 Nestor S. 26 f.; Abb. 4; S. 29; S. 51; S. 161, Anm. 8; S. 164, Anm. 49 Nikarete S. 194, Anm. 78 Nike S. 42 Nikias S. 54 O Ödipus (Oidipous) S. 9 ff; S. 17; S. 19; S. 27; S. 83 f.; S. 122; S. 127; S. 141; S. 159, Anm. 1 Odysseus S. 46; S. 93; S. 161, Anm. 8 oikos S. 79; S. 92; S. 96; S. 99 f.; S. 113 f.; S. 118; S. 148; S. 192, Anm. 33; S. 202, Anm. 54 Origines S. 40 Orthos S. 159, Anm. 1 Oscia Modesta S. 50 Ovid (Publius Ovidius Naso) S. 22 ff.; S. 46 f.; S. 111; S. 162, Anm. 18; S. 164, Anm. 44 u. 49; S. 167, Anm. 113; S. 168, Anm. 119; S. 176, Anm. 12

238  Register

P paîs S. 16; S. 68 f.; S. 92; S. 176, Anm. 9 zu 10 Pandora S. 19 f. Panthoos S. 24 Paris S. 42 parthénos S. 79 parricidium (Verwandtenmord) S. 131 f. patria potestas S. 57; S. 77; S. 102 f.; S. 105 f.; S. 132; S. 150; S. 156; S. 174, Anm. 70; S. 185, Anm. 7; S. 189, Anm. 82; S. 198, Anm. 140; S. 204, Anm. 13 Paulina S. 143 Paulinus von Nola S. 40 Pausanias S. 44; S. 200, Anm. 25 Pelops S. 199, Anm. 4 Perikles S. 98; S. 123; S. 148; S. 195, Anm. 93 Persephone S. 180, Anm. 65 Phädra S. 141 Philipp II. S. 56 Philombrotos S. 54 Philon S. 40 Philoneos S. 120 Philositus S. 122 Philotas S. 161, Anm. 2 Phoinix S. 123 Phorkys S. 19; S. 164, Anm. 39 Phormion S. 114 Phrynichos S. 119 pietas S. 57; S. 67; S. 129; S. 157; S. 198, Anm. 137; S. 199, Anm. 4 Pindar S. 41; S. 55; S. 137; S. 176, Anm. 9; S. 199, Anm. 4 u. 13 Piso, C. Calpurnius S. 87 Pittakos S. 125 Platon S. 18; S. 23; S. 28; S. 30; S. 42; S. 45; S. 47 f.; S. 54 ff.; S. 84; S. 92; S. 94; S. 112; S. 125 ff.; S. 167, Anm. 107; S. 169, Anm. 128; S. 170, Anm. 3; S. 172, Anm. 41; S. 175, Anm. 3; S. 177, Anm. 24 Polemon S. 85

Plautus, Titus Maccius S. 130; S. 165, Anm. 75 Plinius d. J. (Gaius Plinius Caecilius Secundus) S. 50; S. 63; S. 81; S. 87; S. 119; S. 121; S. 143; S. 193, Anm. 54; S. 197, Anm. 125; S. 199, Anm. 19 Plinius d. Ä. (Gaius Plinius Secundus) S. 109 f.; S. 112; S. 115 f.; S. 130; S. 151; S. 190, Anm. 5; S. 195, Anm. 87 Plutarch S. 15; S. 49; S. 56; S. 59 f.; S. 87; S. 97; S. 101; S. 107; S. 117; S. 121; S. 124; S. 127; S. 142; S. 147; S. 161, Anm. 2; S. 164, Anm. 37 u. 51; S. 170, Anm. 3 u. 4 u. 5 u. 9; S. 171, Anm. 13 u. 15 u. 27; S. 173, Anm. 62; S. 174, Anm. 80; S. 177, Anm. 22; S. 183, Anm. 105; S. 184 f., Anm. 6 u. 8; S. 187, Anm. 40 u. 43 u. 56; S. 191, Anm. 28; S. 192, Anm. 46; S. 196, Anm. 101; S. 198, Anm. 150; S. 200, Anm. 21; S. 201, Anm. 37 u. 50; S. 203, Anm. 67 u. 68; S. 203, Anm. 74 u. 77 u. 78 Polybios S. 55; S. 150 Pollux S. 171, Anm. 16 Polykrates S. 82 Pomona S. 46 Pompeius S. 60; S. 62; S. 87; S. 116; S. 134; S. 135 Pomponia S. 129 Porcia S. 142 Postumius Albinus S. 37, Abb. 11 Priamos S. 24; S. 62 Prometheus S. 19 Properz (Sex. Propertius) S. 85 f.; S. 89; S. 168, Anm. 116 Proteus S. 25; S. 164, Anm. 39 u. 41 Prudentius S. 46 Ptolemaios S. 76 Ptolemaios I. S. 55 Ptolemaios II. S. 33 Publilia S. 87; S. 183, Anm. 105 Publicola, P. Valerius S. 149

puella S. 40; S. 81; S. 87 Pyrrhos S. 171, Anm. 27; S. 173, Anm. 62 Pythagoras S. 140; S. 199, Anm. 17; S. 176, Anm. 15; S. 199, Anm. 17 Pythia S. 45; S. 168, Anm. 115 Pythodoros S. 53 Q Quintilianus, Marcus Fabius S. 49 R Radamanthys S. 161, Anm. 8 Romulus S. 58; S. 78; S. 152 Sextus Roscius S. 132; S. 197, Anm. 136 Rufus, M. Caelius S. 116 S Sallust (Gaius Sallustius Crispus) S. 60 f.; S. 133 Sappho S. 41; S. 48; S. 83; S. 162 f., Anm. 18 u. 29; S. 167, Anm. 98; S. 181, Anm. 75 u. 77 Saturn S. 76; S. 183, Anm. 113 Scipio Africanus minor (Publius Cornelius Scipio Aemilianus) S. 49; S. 134; S. 173, Anm. 62 Semonides von Amorgos S. 162, Anm. 15; S. 199, Anm. 10 Seneca, L. Annaeus S. 63; S. 78; S. 115; S. 117; S. 121 f.; S. 132; S. 140 f.; S. 153; S. 178, Anm. 37; S. 179, Anm. 55; S. 185, Anm. 13; S. 195, Anm. 87; S. 198, Anm. 137; S. 200, Anm. 22 senectus S. 22; S. 59; S. 73; S. 78; S. 175, Anm. 82 Senioritätsprinzip S. 128; S. 171, Anm. 19 Servius Tullius S. 73 Sibylle S. 22 ff.; S. 27 f.; S. 85; S. 162 ff., Anm. 21 u. 34 u. 36 u. 37; S. 165, Anm. 55 u. 56 Sklaven S. 14; S. 16; S. 58; S. 93; S. 113; S. 115; S. 119–122; S. 126; S. 153 f.;

Register  239

S. 183, Anm. 113; S. 191, Anm. 30 u. 33; S. 194 f., Anm. 84 u. 85 Sokrates S. 31 f., Abb. 7; S. 41; S. 47; S. 56; S. 93; S. 139; S. 167, Anm. 97; S. 169, Anm. 128; S. 175, Anm. 3 Solon S. 10; S. 27; S. 69 ff.; S. 91; S. 94 ff.; S. 99; S. 125; S. 136; S. 138; S. 147; S. 171, Anm. 15; S. 184, Anm. 4; S. 187, Anm. 37 u. 38; S. 196, Anm. 101 Sophokles S. 10; S. 19; S. 30; S. 126 f.; S. 159, Anm. 1; S. 200, Anm. 21 u. 27 Sositheus S. 187, Anm. 49 Sphairos S. 149 Sphinx S. 9; S. 11; S. 68; S. 159, Anm. 1 Stesichoros S. 35 Ioannes Stobaios S. 15; S. 48; S. 163, Anm. 31; S. 200, Anm. 33; S. 202, Anm. 54 Strabon S. 177, Anm. 24 Sueton (C. Suetonius Tranquillus) S. 132; S. 151; S. 183, Anm. 110; S. 189, Anm. 84; S. 194, Anm. 83; S. 197, Anm. 135; S. 200, Anm. 22; S. 201, Anm. 44 u. 45 u. 46; S. 203, Anm. 69 u. 75 u. 77 u. 78 u. 80 Sulla, Lucius Cornelius S. 116; S. 149; S. 192, Anm. 46; S. 201, Anm. 50 T Tacita S. 167, Anm. 113 Tacitus, P. Cornelius S. 61; S. 89; S. 143; S. 200, Anm. 22; S. 201, Anm. 45; S. 203, Anm. 78 u. 80 u. 81 Tarquinius S. 142 Teiresias S. 27 f. Telemach (Telemachos) S. 26, Abb. 4; S. 119 Tellos S. 139 Terentia S. 87; S. 104; S. 183, Anm. 101 Terenz (P. Terentius Afer) S. 131 Testament S. 103 ff.; S. 127; S. 130 Themis S. 45 Themistokles S. 98

240  Register

Theognis S. 148 Theokrit S. 168, Anm. 116 Theophrast S. 15; S. 202, Anm. 54 Thetis S. 164, Anm. 41 Tertullian (Sept. Florens Tertullianus) S. 168, Anm. 117 Theseus S. 42; S. 161, Anm. 8 Thukydides S. 55; S. 148; S. 171, Anm. 18 u. 22; S. 172, Anm. 44; S. 195, Anm. 93; Thymoites S. 24 Tiberius (Ti. Iulius Caesar Augustus, röm. Kaiser 14–37) S. 107; S. 143; S. 152; S. 201, Anm. 45; S. 201, Anm. 45 Tibull (Albius Tibullus) S. 85 f.; S. 89; S. 168, Anm. 116 Tithonos S. 20 ff., Abb. 2; S. 27; S. 162, Anm. 18; S. 163, Anm. 22 u. 23 Titus (Flavius Vespasianus, röm. Kaiser 79–81) S. 144 Trajan (M. Ulpius Traianus, röm. Kaiser 98–117) S. 78; S. 197, Anm. 125; S. 203, Anm. 82 Tullia S. 87; S. 183, Anm. 101 Tyrtaios S. 136; S. 170, Anm. 3 Tzetzes S. 23 U Ulpian S. 62; S. 102; S. 188, Anm. 69 Ummidia Quadratilla S. 50; S. 116; S. 119 V Valentian (Flavius Valentianus, röm. Kaiser 364–375) S. 201, Anm. 49 Valerius Maximus S. 67; S. 73; S. 142; S. 172, Anm. 49 Varro (Marcus Terentius Varro) S. 73; S. 76 f.; S. 177, Anm. 18; S. 179, Anm. 55 Vegoia S. 163, Anm. 36 Venus (Genetrix) S. 76; S. 86, S. 151

Vergil (Publius Vergilius Maro) S. 162, Anm. 18; S. 164, Anm. 36; S. 182, Anm. 94; S. 199, Anm. 4 Vertumnus S. 46 Vetustilla S. 87 Vitellius (Aulus Vitellius, röm. Kaiser 69) S. 201, Anm. 44

X Xenophon S. 51 f.; S. 68; S. 93; S. 101; S. 144; S. 171, Anm. 12 u. 19; S. 172, Anm. 40; S. 175, Anm. 75; S. 176 f., Anm. 10 u. 22; S. 185, Anm. 9; S. 188, Anm. 59; S. 192, Anm. 33; S. 202, Anm. 54

W Witwen S. 64; S. 98; S. 114; S. 175, Anm. 86; S. 194; S. 71

Z Zeus S. 12; S. 17; S. 19 ff.; S. 91 f.; S. 144; S. 202, Anm. 54

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BRIGITTE RÖDER, WILLEMIJN DE JONG, KURT W. ALT (HG.)

ALTER(N) ANDERS DENKEN KULTURELLE UND BIOLOGISCHE PERSPEKTIVEN (KULTURGESCHICHTE DER MEDIZIN, BAND 2)

Die letzten Dekaden des Lebens werden zunehmend aus der verengten Perspektive eines Jugendlichkeitskultes und der Demographiedebatte wahrgenommen und folglich überwiegend negativ konnotiert. Dieser Tendenz setzt der Band die kulturelle Vielfalt des Alter(n)s entgegen: Zwanzig Beiträge aus biologischen, sozialwissenschaftlichen und kulturhistorischen Disziplinen beleuchten das Alter(n) in verschiedenartigsten Kulturen – angefangen bei ur- und frühgeschichtlichen Gemeinschaften über antike Hochkulturen des Mittelmeerraumes bis hin zu den Gesellschaften der Gegenwart. Durch diesen weiten Fokus werden unterschiedlichste historische und soziale Lebenswirklichkeiten alter Menschen präsentiert. Sie schärfen den Blick für die vielfältigen Prozesse, Erfahrungen und Potenziale des Alter(n)s und möchten so die Voraussetzungen dafür schaffen, Alter(n) anders zu denken. 2012. 441 S.. 55 S/W- U. 19 FARB. ABB.. GB.. 155 X 230 MM. ISBN 978-3-412-20895-0

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JULIAN KRÜGER

NERO DER RÖMISCHE KAISER UND SEINE ZEIT MIT EINEM GELEITWORT VON ALEXANDER DEMANDT

Nero ist eine der berühmtesten und schillerndsten Gestalten der antiken Welt. Sein zweifelhafter Ruf als größenwahnsinniger Kaiser, narzisstischer Tyrann und Brandstifter Roms bestimmt bis heute das allgemeine Bewusstsein. Julian Krügers Buch über Nero ist mehr als eine Biographie. Es stellt die Geschichte seiner Zeit in breiter Vielfalt dar, sachlich, differenziert und unter Berücksichtigung des gesamten Quellenmaterials. „Julian Krüger […] legt eine Biographie des Kaisers vor, die alle älteren einschlägigen Werke an Ausführlichkeit übertrifft. Hier werden nicht nur die schillernde Gestalt des Monarchen, sondern ebenso das Jahrhundert, die frühe Kaiserzeit, in ihren kulturellen Facetten lebendig.“ Alexander Demandt 2012. 654 S. 5 KARTEN. GB. MIT SU. 170 X 240 MM. ISBN 978-3-412-20899-8

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Alex Ander demAndt

PhilosoPhie der Geschichte Von der Antike zur GeGenwArt

Seit Homer und der Bibel gibt es Vorstellungen über den Lauf der Zeiten und die Stellung der Gegenwart zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die Grund­ figuren bei den Klassikern der Geschichtsphilosophie sind immer ähnlich, das zeigt Alexander Demandt in diesem Buch. Er liefert einen in dieser Zu­ sammenschau einmaligen Überblick über das europäische Geschichtsdenken seit der Antike: Der antike Dekadenzgedanke (Hesiod, Platon), Fortschritts­ bewusstsein (Xenophanes, Aristoteles) und Fortschrittskritik (Diogenes, Seneca), frühe Kreislauftheorien (Salomon, Empedokles), jüdisch­christliche Heilsgeschichte (Daniel, Augustinus), das Epochenbewusstsein der Renais­ sance (Machiavelli, Vico), die Geschichte als Aufklärung (Kant, Condorcet), Historischer Idealismus (Hegel, Humboldt), Goethes universaler Individua­ lismus, der Historismus (Ranke, Meinecke), der Historische Materialismus (Marx, Engels), paradigmatische Geschichtskonzepte (Nietzsche, Burck­ hardt), Morphologien der Weltgeschichte (Spengler, Toynbee), Geschichts­ biologismus (Darwin, Lorenz) und posthistorische Apokalyptik (Fukuyama, Baudrillard). 2011. 438 S. Gb. mit SU. 155 x 230 mm. iSbN 978-3-412-20757-1

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