Der antike Roman : Eine Einführung 3538071152

Der antike Roman, lange von den Altphilologen stiefmütterlich behandelt, ist seit anderthalb Jahrzehnten zunehmend ins B

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German Pages [176] Year 2001

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Der antike Roman : Eine Einführung
 3538071152

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Niklas Holzberg Der antike Roman Eine Einführung

Der antike Roman

Niklas Holzberg

Der antike Roman Eine Einführung

Artemis & Winkler

Für Christine und Daniel

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Holzberg, Niklas: Der antike Roman: Eine Einführung / Niklas Holzberg. Düsseldorf; Zürich: Artemis und Winkler, 2001 1SBN 3-538-07115-2

© 2001 Patmos Verlag GmbH 8c Co. KG Artemis 8c Winkler Verlag, Düsseldorf/Zürich Alle Rechte, einschließlich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks, der fotomechanischen und elektronischen Wiedergabe, vorbehalten. Umschlaggestaltung: Groothuis und Consorten, Hamburg Satz: Fotosatz Moers, Mönchengladbach Druck und Bindung: Wöhrmann, NL-Zutphen ISBN 3-538-07115-2

Inhalt

Vorwort zur zweiten Auflage....................................................

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1. Die Gattung............................................................................ Beispiel für das stereotype Handlungsschema: -Xenophons Ephesiaka........................................................... Die erhaltenen Texte ............................................................. Antike Begriffe zur Bezeichnung der Gattung.................... Typische Gattungselemente des idealisierenden und komisch-realistischen Romans..................................... Weitere romanhafte Prosaerzählungen der Antike (»fringe novels«) ................................................................... Definition der Gattung .........................................................

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2. Die Entstehung der Gattung ................................................ Herleitung aus anderen Gattungen ..................................... Roman und Historiographie................................................ Der Ninos-Roman................................................................. Der Sesonchosis-Roman ...................................................... Der idealisierende Roman ein profaner Erlösungsmythos?............................................ Die antiken Romanleser ...................................................... Idealisierender Roman und Zweite Sophistik ....................

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3. Der idealisierende Roman: Ältere Texte ............................ Chariton, Kallirhoe............................................................... Romane um Parthenope, Chione und Kalligone............... Xenophon von Ephesos, Ephesiaka..................................... Lollianos, Phoinikika ........................................................... Antonios Diogenes, Die Wunderdinge jenseits von Thule .

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4. Der komisch-realistische Roman......................................... Bruchstücke aus zwei komisch-realistischen Romanen in griechischer Sprache ....................................... Petron, Satyrica......................................................................

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Die beiden »Eselsromane«.................................................... 98 Die griechischen Metamorphosen....................................... 102 Apuleius, Metamorphosen.................................................... 105

5. Der idealisierende Roman: Jüngere Texte........................ Der Herpyllis-Roman ........................................................... Iamblichos, Babyloniaka....................................................... Achilleus Tatios, Leukippe und Kleitophon ...................... Longos, Daphnis und Chloe ................................................ Heliodor, Aithiopika.............................................................

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Personen- und Sachregister ....................................................... 143 Literaturhinweise........................................................................ 146

Vorwort zur zweiten Auflage

Die 1986 erschienene erste Auflage dieser Einführung, die auf Un­ tersuchungen zum antiken Roman aus einem Zeitraum von etwas über hundert Jahren fußte, war bereits im Druck, als ein Buch her­ auskam, das eine neue Epoche in der Forschungsgeschichte einlei­ tete: John J. Winkler, Auctor & Actor: A Narratological Reading of Apuleius’s Golden Ass (Berkeley u. a. O. 1985). Winkler hatte seine Analyse eines antiken Romans zum ersten Mal konsequent auf die Erkenntnisse der modernen Literaturwissenschaft gestützt, und das gab den Anstoß dazu, daß in den letzten fünfzehn Jahren zu einem Thema, dem die Klassische Philologie bis dahin verhält­ nismäßig wenig Beachtung geschenkt hatte, mehr Arbeiten ent­ standen als in der ganzen Zeit zuvor. Außer zahlreichen Aufsätzen und Monographien wurden mehrere Sammelbände publiziert, die größtenteils aus zwei großen Tagungen und aus der Tätigkeit von neugegründeten Arbeitsgruppen hervorgingen. Der einen der bei­ den Tagungen, der »International Conference on the Ancient Novel« (ICAN TWO), veranstaltet im Juli 1989 vom Dartmouth Col­ lege in Hanover / New Hampshire in den U.S.A., war bereits 1976 eine ICAN in Bangor in Wales vorausgegangen. Diese »Stiftungs­ konferenz«, der das 100. Jubiläum des Erscheinens von Erwin Rohdes epochaler Monographie über den griechischen Roman zum Anlaß diente, hatte bereits alles in Gang gesetzt. Aber erst ab Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts und dann vor allem nach der Konferenz in Hanover stieg nicht nur die Zahl der Publi­ kationen zum antiken Roman erheblich, sondern es wurden auch Diskussionsforen geschaffen, die den direkten gedanklichen Aus­ tausch förderten: die »Groningen Colloquia on the Novel« und die regelmäßigen Kolloquien und Vortragsveranstaltungen der ameri­ kanischen »Society of Biblical Literature« (die sich vor allem der christlichen Romanliteratur widmete) sowie der Münchner Sekti­ on der 1970 in den U.S.A. gegründeten »Petronian Society«. Und im Juli 2000 fand in Groningen die dritte »International Confe­ rence on the Ancient Novel« (ICAN 2000) statt. Die moderne Erforschung des antiken Romans begann also ei­

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gentlich nach dem Erscheinen der ersten Auflage dieser Ein­ führung. Wichtige Ergebnisse der vielen unmittelbar danach publi­ zierten Untersuchungen fanden bereits 1995 in die englische Über­ setzung (The Ancient Novel: An Introduction, London / New York) und 1998 in die davon abhängige niederländische Überset­ zung (De roman in de oudheid, Amsterdam) Eingang. Aber auch in der kurzen Zeit nach dem Erscheinen dieser neuen Fassungen geschah in der Forschung immer noch so viel, daß für die zweite Auflage in deutscher Sprache nunmehr ganze Abschnitte neu zu schreiben waren; insbesondere die Ausführungen zur Entstehung der Gattung haben, weil wir inzwischen weit mehr über die nach­ klassische griechische Literatur wissen als früher, eine wesentliche Veränderung erfahren. All das, was ich in den letzten fünfzehn Jahren dazugelernt habe, verdanke ich freilich nicht nur Büchern und Aufsätzen, sondern auch den häufigen Diskussionen mit den »novel people« in aller Welt. Bei der Nennung von Personen muß ich mich auf diejenigen Freunde und Kollegen beschränken, von deren Untersuchungen, Äußerungen in Diskussionen und persönli­ chen Gesprächen sowie Briefen ich ganz besonders für diese Ein­ führung profitiert habe: Klaus Alpers, Andreas Beschorner, Jan Bremmer, Gerlinde Bretzigheimer, Susanne Brodersen, Gian Biagio Conte, Ken Dowden, Brigitte Egger, Massimo Fusillo, Tomas Hägg, Heinz Hofmann, Rolf Kussl, Barbara Leininger, Danielle van Mal-Maeder, Stefan Mairoser, Roland Mayer, SicfaDLMfixkle, Elisa Mignogna, Peter von Möllendorff, John Morgan, Hans Peter Obermayer, Richard Pervo, Rudi van der Paardt, Karin Prasch, Bryan Reardon, Ulrich Rütten, Gareth Schmeling, Antonio Stramaglia, Simon Swain, James Tatum, Alfons Wouters und Maaike Zimmerman. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt, ins­ besondere Peter von Möllendorff, der das Manuskript kritisch durchsah und mir wertvolle Verbesserungsvorschläge machte. Außerdem gilt mein Dank den beiden Freunden Hartmut Längin und Sven Lorenz, die mir bei den Korrekturen halfen. Es ist im Grunde ein neues Buch geworden. Nicht nur bei der Erforschung der Natur werden neue Erkenntnisse gewonnen, son­ dern auch in der Literaturwissenschaft. Speziell bei der Gattung Roman, deren wohl bedeutendster antiker Vertreter den Titel Me­ tamorphosen trägt - ebendieser Text hatte ja Winkler zu seinem Buch angeregt ist es auch gar nicht verwunderlich, daß einmal

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für gültig gehaltene Lehrmeinungen sich wandeln. Um so notwen­ diger ist es, daß über den jüngsten Stand des Mutationsprozesses immer wieder einmal berichtet und dabei vor allem ein leichtfaßli­ cher Überblick vermittelt wird. Wenn es der vorliegenden Ein­ führung gelungen ist, dies zu leisten, hat sie ihre Aufgabe erfüllt. München, im August 2000

Niklas Holzberg

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Die Gattung

m Bereich des ausschließlich der Unterhaltung dienenden TVSpielfilms, der sich seit etwa vierzig Jahren einer ähnlichen Popu­ larität erfreut wie zuvor der triviale Liebes- und Abenteuerroman, gehören zu den weltweit bisher größten Publikumserfolgen ameri­ kanische Familienserien, in denen die Wechselfälle des Schicksals von Ölbaronen und anderen Millionären dargestellt werden. Al­ lein in der Bundesrepublik Deutschland interessierten sich in den frühen achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts jede Woche rund 14 Millionen Fernsehzuschauer für das in Seifenopern wie Dallas und Dynasty erzählte Leben von Angehörigen der reichen Oberschicht, in dem Freud und Leid mehrerer Liebespaare, Intrigen und Schur­ kereien, Reiseerlebnisse, Bedrohung durch Krankheit oder Tod und Wiedersehen mit totgeglaubten Familienmitgliedern, Ge­ richtsverhandlungen etc. ebenso eine beherrschende Rolle spielen wie in Illustrierten- und Groschenromanen und in dem - analog zu dem obligatorischen Happy-End dieser Art von Literatur - die einzelnen Episoden zumindest für die Hauptfiguren der Serie in der Regel glücklich ausgehen. Den meisten Konsumenten von TV-Produktionen des genannten Typs dürfte kaum bewußt sein, daß es bereits in der griechischen Literatur der Antike, die man doch gemeinhin für geistig höchst anspruchsvoll und eher er­ baulich als unterhaltsam hält, eine motivische Entsprechung gab: einen bestimmten Typ von fiktionaler Prosaerzählung, der, als literarische Gattung vermutlich in den ersten Jahrzehnten nach Christi Geburt entstanden, bis etwa zur Mitte des 3. Jahrhunderts eine gewisse Blütezeit erlebt haben dürfte, dann aber wohl von der literarischen Bühne verschwand. Jedenfalls entstand, soweit wir wissen, nur in diesem relativ kurzen Zeitraum eine nicht geringe Anzahl von hierher gehörenden Texten, die teils entweder voll­ ständig oder fragmentarisch überliefert, teils verlorengegangen

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sind. Diese »Romane« - auf den Begriff ist zurückzukommen weisen in der Motivik ihrer Bauelemente nicht nur eine starke Ähnlichkeit mit der Motivik der genannten und anderer Fernseh­ serien auf, sondern sind auch untereinander thematisch so eng verwandt, daß man von einem stereotypen Handlungsschema sprechen kann. Die Bekanntschaft mit diesem Schema ist eine wichtige Voraussetzung für die Interpretation der Texte. Deshalb beginne ich meine Einführung in die Gattung damit, kurz einen Roman nachzuerzählen, dessen Autor von den traditionellen Mo­ tiven besonders ausgiebigen Gebrauch gemacht hat: die Ephesiaka (»Ephesische Geschichten«) des Xenophon von Ephesos.

Beispiel für das stereotype Handlungsschema: Xenophons Ephesiaka Die beiden Helden des Romans sind der junge Ephesierifdabroke^ ma^ und seine etwas jüngere Frau Anthia, die bald nach ihrer Hochzeit auseinandergerissen werden und erst nach längerer Irr­ fahrt durch den östlichen Mittelmeerraum zu einem von nun an glücklichen Eheleben zusammenfinden. Daß der als ungewöhnlich schön beschriebene, mit allen Geistesgaben und Fähigkeiten reich­ lich ausgestattete und von einem vprnehmen Bürger abstammende Habrokomas sich zu Beginn der Handlung in die ebenso schöne Anthia verliebt, wird als Folge seiner durch übermäßigen Stolz auf seine körperlichen und geistigen Vorzüge verursachten Verachtung der Macht des Liebesgottes dargestellt. Aus Zorn über eine solche Überheblichkeit läßt (Eros den sechzehnjährigen Jüngling, als die­ ser bei einer Artemisprozession die vierzehnjährige Anthia zum er­ sten Mal erblickt, sofort in heftiger Liebe zu ihr erglühen und zu­ sammen mit dem bald darauf ebenso heftig in ihn verliebten Mädchen eine Zeitlang seelische Qualen erleiden, bis die besorgten Eltern durch den Apoll von Kolophon von der Liebe ihrer Kinder erfahren und sie verheiraten. Nicht nur dieser Eröffnung des Ora­ kels, sondern auch einer weiteren glaubt man durch Taten entspre­ chen zu müssen: In dem Spruch des Gottes ist dunkel von Irrfahr­ ten und Heimsuchungen des Paares bis zur Wende zu einem besseren Schicksal die Rede, und deshalb werden Habrokomas und Anthia nicht lange nach ihrer Hochzeit auf eine Schiffsreise

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geschickt. Zu Beginn dieser Reise schwören die Liebenden einan­ der ewige Treue; aber ihr guter Vorsatz wird schon bald zum ersten Mal auf die Erobe gestellt. Nach einem kurzen Aufenthalt des Habrokomas und der Anthia auf Rhodos, wo die beiden eine gol­ dene Rüstung im Tempel des Sonnengottes weihen, wird ihr Schiff von Seeräubern überfallen, die das Paar auf das Landgut ihres An­ führers in der Nähe des phönizischen Tyros verschleppen. Dort entbrennt der Unterführer in Leidenschaft zu Habrokomas, wäh­ rend ein anderer Pirat Anthia begehrt. Das erste von insgesamt fünf Büchern des Romans endet wie die Episode einer TV-Serie da­ mit, daß die gerade geschaffene Situation den Rezipienten vor eine spannende Frage stellt. In diesem Falle möchte er wissen, wie Habrokomas und Anthia, die, als sie von dem Verlangen der bei­ den Seeräuber erfahren, um Bedenkzeit bitten, sich in ihrer be­ drohlichen Lage verhalten werden. Zu Beginn des zweiten Buches wird die Spannung zunächst auf den Höhepunkt getrieben, weil das Paar beschließt, sich der Ge­ fahr durch Selbstmord zu entziehen. Aber dann beansprucht der Anführer der Piraten Habrokomas und Anthia als Sklaven für sich und nimmt sie zusammen mit ihren bisherigen Dienern, dem Paai^Leukon und Rhode, mit nach Tyros. Da sich dort Manto, die Tochter des Anführers, in Habrokomas verliebt, aber trotz mehrerer Anträge auf Ablehnung stößt, ergibt sich aufgrund der Rachsucht der Enttäuschten eine Situation, die die Trennung des Ehepaares herbeiführt: Wie (Joseph von Potiphars Weib wird Habrokomas von Manto bei ihrem Vater der versuchten Verge­ waltigung beschuldigt, deswegen ausgepeitscht und ins Gefängnis geworfen; Anthia muß Manto, die einen Syrer heiratet, als Sklavin zusammen mit Leukon und Rhode nach Antiochia folgen. Von nun an springt die Handlung in meist sehr kurzen Abschnitten zwischen den Erlebnissen der beiden Hauptfiguren in einer Weise hin und her, die besonders stark an die Szenenführung von TVSerien mit ihren oft nicht einmal eine Minute dauernden Einzelepi­ soden innerhalb einer Folge erinnert. Bis zum Ende des zweiten Buches wird noch in je drei einander abwechselnden Habrokomasund Anthia-Abschnitten erzählt, wie Anthia von Manto gezwun­ gen wird, einen Ziegenhirten zu heiraten, der sie jedoch aus Mit­ leid mit ihrem Schicksal nicht anrührt; wie sie, weil der Ehemann der Manto sich in sie verliebt, auf deren Befehl von dem Ziegen-

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hirten getötet werden soll und dieser sie statt dessen an -kilikische Händler verkauft; wie sie nach einem Schiffbruch vor der kilikischen Küste in die Gewalt der Räuberbande desjHippothoos gerät, dem Ares geopfert werden soll, von ^erilaos, einem vornehmen hohen Beamten aus Tarsos, durch einen Überfall auf die Bande be­ freit wird und sich, als Perilaos um ihre Hand anhält, dreißig Tage Bedenkzeit ausbittet. Währenddessen wird sie von ihrem inzwi­ schen für unschuldig befundenen Ehemann auf seiner Suche nach ihr immer nur sehr knapp verfehlt; hier handelt es sich um ein ebenfalls in TV-Serien verwendetes Mittel zum Zweck der Anein­ anderreihung von Abenteuern, das bis zum Ende des Romans wirksam ist. Habrokomas erfährt nach seiner Befreiung aus dem Gefängnis direkt durch den Ziegenhirten von Anthias Scheinehe und erneuter Versklavung und trifft am Ende des zweiten Buches in Kilikien auf den beim Überfall auf die Räuber entkommenen Hippothoos, mit dem er Freundschaft schließt. Unterwegs nach Kappadokien. wo Hippothoos eine neue Bande anzuwerben hofft, erzählen die Freunde einander ihre Lebensge­ schichte, die der Erzähler im Falle des Räubers als in die Roman­ handlung eingelegte Novelle von der tragisch endenden Liebe des Hippothoos zu einem Knaben gestaltet. Anthia hat sich inzwi­ schen nach Ablauf ihrer Bedenkzeit von einem ephesischen Arzt Giftpulver geben lassen, ist, da es sich in Wirklichkeit um ein Schlafmittel handelt, nach ihrer »Bestattung« in der Gruft er­ wacht, von Grabräubern verschleppt und in Alexandria verkauft worden; dorthin lenkt der Zufall kurz darauf auch Habrokomas, nachdem dieser von der Beraubung des Grabes erfahren und sich von Hippothoos getrennt hat. In Ägypten erwartet die beiden Lie­ benden wieder Bedrohung ihrer Keuschheit. Während Anthia von ihrem neuen Herren, einem Inder, umworben wird und sich sei­ nem Verlangen dadurch zu entziehen weiß, daß sie behauptet, sie sei seit ihrer Geburt und nun noch ein Jahr der Göttiulsis geweiht, wird Habrokomas, nachdem er auf dem Weg nach Alexandria im östlichen Nildelta gestrandet ist und Räuber ihn in Pclusion an einen alten ausgedienten Soldaten verkauft haben, von der Frau dieses Veteranen begehrt. Er weist ihre Anträge zurück und wird am Ende von Buch 3, als die Frau ihren Mann ermordet und den sich jetzt erst recht verweigernden Habrokomas dieses Mordes we­ gen verklagt hat, vor den Statthalter von Ägypten geführt.

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Bereits zu Beginn des vierten Buches wird die Erweiterung des Romangeschehens durch einen dritten Handlungsstrang angebahnt. Es wird kurz erzählt, wie Hippothoos mit einer inzwischen neu an­ geworbenen Räuberbande auf der Suche nach Habrokomas über Ägypten nach Äthiopien gelangt. Habrokomas wird unterdessen am Ufer des Nils ans Kreuz gebunden, betet in seiner Not zum Sonnengott, woraufhin er infolge eines plötzlichen Windstoßes in den Fluß stürzt, aber an der Mündung aus dem Wasser gefischt, zum F^oertod verurteilt und zum zweiten Male durch den Fluß, der jetzt über die Ufer tritt, gerettet wird, weshalb der Statthalter ihn bis zur Klärung dieses wundersamen Geschehens vorläufig ein­ kerkern läßt; nach einer Fortführung des Berichtes über Anthia er­ fahren wir, daß Habrokomas nach seiner Freilassung beschließt, sie jetzt in Italien zu suchen. Im Gefolge des Inders ist Änthia in­ zwischen nach Äthiopien gelangt, dort erneut in die Hände des Hippothoos geraten, wobei aber beide einander nicht wiederer­ kennen, und erlebt dann in der letzten Episode des vierten Buches eine weitere Attacke auf ihre Beharrlichkeit bei der Bewahrung der ehelichen Treue, und zwar die Werbungen eines der Räuber aus der Bande des Hippothoos. Da Anthia den Mann ersticht, als er sie vergewaltigen will, wirft man sie zusammen mit zwei riesigen Hunden in eine Grube und deckt diese mit Balken und Erde zu. Aber ein weiterer Räuber, der ein Auge auf Anthia geworfen hat, verhindert, daß sie gefressen wird, indem er die Tiere heimlich durch Füttern besänftigt. Das fünfte und letzte Buch führt die Protagonisten der drei Handlungsstränge nacheinander nach Italien, ohne sie jedoch dort schon zu vereinen, und knüpft dann einen vierten Handlungsfaden durch ein zeitweiliges Hinüberblenden nach Rhodos, wo der im zweiten Buch abgebrochene Bericht über das Schicksal des Diener­ paares Leukon und Rhode, die inzwischen freigelassen und reich wurden, wiederaufgenommen wird. Die erste Episode des Buches handelt von Habrokomas, der sich eine Zeitlang bei einem alten Fischer in Syrakus aufhält und sich dessen Lebensgeschichte wieder schiebt Xenophon eine Novelle ein - erzählen läßt. Nach­ dem wir abwechselnd drei weitere Hippothoos-Episoden, -4rei Fortsetzungen des Geschehens um Anthia sowie den Beginn der neuen Leukon-Rhode-Handlung gelesen haben, erfahren wir, daß Habrokomas sich anschließend nach Nucerium in Unteritalien be-

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geben hat und dort seinen Lebensunterhalt bei einem Steinmetz verdient. Hippothoos ist unterdessen mit seiner Bande wieder nach Ägypten gezogen, hat erneut als einziger einen Überfall überlebt und ist nach Sizilien gesegelt; überfallen hat die Bande diesmal die Truppe eines hohen ägyptischen Beamten, in dessen Hände kurz darauf die inzwischen von dem zweiten verliebten Räuber aus der Grube gerettete Anthia geraten ist. Zwar hat sie sich dem Werben des Ägypters durch die Flucht in einen Isistempel entzogen, und dort wurde ihr die Wiedervereinigung mit Habrokomas geweissagt, aber sie wurde erst einmal das Opfer der Eifersucht der Frau ihres neuen Verehrers, die sie nach Tarent an einen Bordellwirt verkauft hat. Bei diesem ist sie dem Ausüben der Tätigkeit einer Prostituierten einstweilen nur durch Vortäuschen einer Epilepsie ausgewichen, bis endlich - das lesen wir unmittelbar nach der Nachricht über die Steinmetztätigkeit des Habrokomas - Hippo­ thoos, der unterdessen in Tauromenion eine reiche ältere Frau ge­ heiratet, diese nach ihrem Tode beerbt und sich in Begleitung eines von ihm geliebten Knaben nach Tarent begeben hat, Anthia dort findet, sie wiedererkennt und ihr bisheriges Schicksal erfährt. Anschließend wird uns die Ankunft sowohl des Habrokomas als auch der Anthia und des Hippothoos in Rhodos erzählt, wo alle drei mit Leukon und Rhode Zusammentreffen. Um aber das Happy-End möglichst lange hinauszuzögern, zer­ legt der Autor das Geschehen auf Rhodos in drei Wiedererken­ nungsszenen: 1. Leukon und Rhode stoßen im Heliostempel auf Habrokomas, und zwar bei einer Säule, die sie zur Erinnerung an ihn und Anthia neben der von den Liebenden einst dort geweihten goldenen Rüstung aufgestellt haben. 2. Leukon und Rhode begeg­ nen im Heliostempel auch Hippothoos und Anthia, nachdem Anthia am Tag zuvor eine von dem ehemaligen Dienerpaar ent­ deckte Locke zusammen mit einer Inschrift für Habrokomas ge­ weiht hat. 3. Habrokomas hört von dieser Wiedererkennung, rennt »Anthia« rufend durch die Stadt und trifft die anderen vor dem Isistempel. Es folgt noch eine Nacht, in der Habrokomas und Anthia einander ihre Abenteuer erzählen und dabei schwören, die einst gelobte Treue nie gebrochen zu haben. Am nächsten Tag kehren alle nach Ephesos zurück, wo sie von nun an zusammen­ bleiben und ein glückliches Leben verbringen.

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Die erhaltenen Texte Verfaßt um die Wende des 1. zum 2. Jahrhundert n. Chr., weisen die Ephesiaka sowohl in ihrer Motivik als auch in ihrer narrativen Technik - darauf wird noch näher eingegangen - eine unverkenn­ bare Verwandtschaft mit einer ganzen Reihe von Werken der griechischen Erzählprosa des 1.-3. Jahrhunderts n. Chr. auf. Im folgenden gebe ich eine (in den drei Abschnitten jeweils chronolo­ gisch geordnete) Übersicht über diese Texte, bei der ich mich auf Hinweise zum Autor (wenn er bekannt ist), zum Titel und zur Art der Überlieferung beschränke. 1. In mittelalterlichen Abschriften antiker Ausgaben auf uns ge­ kommen und seit dem Beginn der Neuzeit erstmals in Westeuro­ pa bekannt geworden sind außer den (vermutlich nur in einer gekürzten Fassung erhaltenen) Ephesiaka des Xenophon von Ephesos die Romane Kallirhoe des Chariton, Leukippe und Kleitophon des Achilleus Tatios, Daphnis und Chloe des Lon­ gos und Aithiopika (»Äthiopische Geschichten«) des Heliodor. Während diese Texte in Kodizes überliefert sind, deren äußere Form derjenigen unseres modernen Buches gleicht, standen die antiken Textvorlagen überwiegend auf Papyrusrollen. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat man zahlreiche Fragmente sol­ cher Rollen, die größtenteils der ägyptische Wüstensand kon­ serviert hatte, aber auch Bruchstücke antiker Kodizes wieder­ entdeckt. Dabei fanden sich im Bereich der Romanliteratur neben Resten der genannten Werke von Chariton, Achilleus Ta­ tios und Heliodor 2. Fragmente des Ninos-, Sesonchosis-, Chione-, Kalligone- und Herpyllis-Romans, der Phoinikika (»Phönizische Geschichten«) des Lollianos sowie kleinere, inhaltlich z.T. kaum faßbare Text­ reste, die in ihrer Zugehörigkeit zu unserem Typus der fiktionalen Prosaerzählung meist zweifelhaft sind. Neben solchen Bruch­ stücken sind uns in mittelalterlichen Kodizes Inhaltsangaben verlorener Romane erhalten, und zwar von Tä hyper Thoülen äpista (»Die Wunderdinge jenseits von Thule«) des Antonios Diogenes und den Babyloniaka (»Babylonische Geschichten«) des Iamblichos; von diesen beiden Romanen besitzen wir auch Fragmente in antiken und mittelalterlichen Handschriften.

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Mit dem Romantyp, der durch die genannten Texte repräsentiert wird, sind fünf weitere Werke der antiken Erzählprosa eng ver­ wandt, und zwar ebenso im Bereich der narrativen Technik wie in dem der Motivik. Doch sie bilden eine eigene Gruppe, da ihre Ver­ fasser mit den Motiven, die für Romane von der Art der Ephesia­ ka charakteristisch sind, ein literarisches Spiel treiben. Ein solches Spiel ist auch in einigen der bisher aufgezählten Texte durchaus erkennbar, aber nur in den jetzt zu nennenden Romanen wird die Grenze zu komischer Verzerrung von Motiven, wie sie die Ephesiaka enthalten, konsequent überschritten. Es sind folgende griechische und lateinische Texte:

1. Zwei in lateinischer Sprache verfaßte Romane, die Satyrica (»Geschichten aus dem Lande der Satyrn«) des Petronius, die wir nur in mittelalterlichen Exzerpten des Originals und weite­ ren (kleinen) Bruchstücken besitzen, und die, wie es scheint, vollständig erhaltenen Metamorphosen des Apuleius, bekannter unter dem (vermutlich) von dem Kirchenvater Augustin stam­ menden Titel Der goldene Esel. 2. Pseudo-Lukian, Lotikios ? Önos (»Lukios oder Der Esel«), eine Epitome (Kurzfassung) der griechischen Vorlage des Apuleius, eines verlorenen Romans mit dem Titel Metamorphosen, als dessen Verfasser uns von dem Patriarchen Photios ein Lukios von Patrai genannt wird. 3. Ein Papyrusfragment des griechischen Iolaos-Romans und meh­ rere Bruchstücke des griechischen Protagoras-Romans, die in dem byzantinischen Lexikon Etymologicum Magnum überlie­ fert sind. In Pseudo-Lukians Lukios steht z.B. statt eines Liebespaares (wie in Xenophons Roman) ein junger Mann, der in einen Esel verwan­ delt ist, im Zentrum des Geschehens. Seine Erlebnisse werden uns aber nicht nur als komische Varianten der in den Romanen vom Typ der Ephesiaka üblichen Abenteuer dargeboten - z.B. droht ihm einmal statt der Ermordung die Kastration -, sondern auch mit krassem Realismus geschildert. Man pflegt die fünf zuletzt ge­ nannten Romane deshalb als »komisch-realistisch« zu bezeichnen. Es stellt sich nun die Frage, ob sie derselben Gattung zuzurechnen sind wie die vorher aufgezählten Prosaerzählungen, die, weil sie

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eine Wunschwelt als die Wirklichkeit präsentieren, »idealisie­ rende« Romane genannt werden. Damit stehen wir vor dem äu­ ßerst schwierigen Problem einer Definition des literarischen Gen­ res »antiker Roman«. Eine Lösung des Problems wird zusätzlich durch die Tatsache erschwert, daß in altertumswissenschaftlichen Handbüchern unter dieser Überschrift meist noch weitere Werke fiktionaler Prosa wie »utopischer Roman«, »Alexander-« oder »Briefroman« geführt werden, also Texte, die sich stofflich und er­ zähltechnisch teils mit den zwei gerade vorgestellten Romantypen berühren, teils aber auch erheblich von ihnen unterscheiden. Über­ dies läßt uns die antike Literaturkritik beim Versuch einer Gat­ tungsdefinition weitgehend im Stich. Denn für die erhaltenen anti­ ken Abhandlungen zur Literaturtheorie ist die fiktionale Prosaerzählung kein Thema, ja, sie haben nicht einmal einen Gat­ tungsnamen geprägt: Der Terminus »Roman« ist französischen Ursprungs, er entstand im Mittelalter zur Bezeichnung von länge­ ren Vers- oder Prosaerzählungen, die nicht im Latein der Gelehr­ ten, sondern in der romanischen Sprache der weniger Gebildeten geschrieben waren.

Antike Begriffe zur Bezeichnung der Gattung Daß die antiken Dichtungstheoretiker, die sich doch bei den mei­ sten Literaturformen um umfassende Definitionen bemüht haben, den Roman ignorierten, hat vielleicht ganz einfach folgenden Grund: Die gattungstypologischen Klassifizierungen der Antike stammen in der Hauptsache von alexandrinischen Gelehrten der hellenistischen Epoche, und in dieser Zeit existierten die beiden Typen der oben genannten fiktionalen Erzählungen, der idealisie­ rende und der komisch-realistische Roman, noch gar nicht. Aber glücklicherweise sind uns in griechischer Sprache aus byzantini­ scher Zeit und auf lateinisch sogar schon aus der Spätantike einige »Ersatzbegriffe« bezeugt, die immerhin ahnen lassen, daß man zu­ mindest mit einer bestimmten Gruppe längerer fiktionaler Prosa­ erzählungen einigermaßen feste inhaltliche Vorstellungen verband. Wenn wir in beiläufigen Äußerungen zu den uns hier interessieren­ den Texten immer wieder die griechischen Termini dräma, (Syntag­ ma) dramatikon (»dramatische Erzählung«) oder kömödia und

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die lateinischen Begriffe fabula oder mitnus finden, dann wird ohne weiteres deutlich, daß der antike Leser sich durch das Ro­ mangeschehen an Dramenhandlungen erinnert fühlte. Und das in zweifacher Hinsicht aus gutem Grund: Zum einen ist der Aufbau sowohl einiger Tragödien des späten Euripides als auch aller erhal­ tenen Komödien des Menander, Plautus und Terenz von ganz ähn­ lichen Verwicklungen um ein Liebespaar geprägt wie die Struktur der Romane nach Art der Ephesiaka, zum anderen spielt bei anti­ ken Definitionen der Gattung »Komödie« das Kriterium der Wirk­ lichkeitsnähe eine wichtige Rolle. Während einerseits der Epiker und der Tragiker Stoffe neu bearbeiteten, die aus dem Mythos, also aus dem Bereich der Wirklichkeitsferne und des Wunderbaren stammten, andererseits der Historiker über wahrhaftige Begeben­ heiten berichtete, vereinte der Komödiendichter in gewisser Weise diese beiden einander entgegengesetzten Möglichkeiten. Er erfand seine Stoffe zwar selbst, gab ihnen aber bewußt den Anschein der Realität. Genau diese fiktionale Abbildung der Lebenswirklichkeit des antiken Menschen finden wir auch in den bisher aufgezählten narrativen Texten. Im weitesten Sinne bedeutet also die höchst­ wahrscheinlich schon in der Spätantike gebrauchte Bezeichnung syntagma dramatikön »fiktionale Erzählung aus dem Bereich der sonst in der Komödie dargestellten Erfahrungswelt des Rezipien­ ten«. Und da eine solche Definition durchaus auch auf die neuzeit­ lichen Texte zutrifft, die wir Romane nennen, können wir die oben aufgeführten antiken Erzählungen getrost als solche bezeichnen.

Typische Gattungselemente des idealisierenden und komisch-realistischen Romans Nicht nur bei den Lesern dieser Werke, die die gerade genannten »Ersatzbegriffe« verwendeten, dürfen wir mit einer festen Vorstel­ lung vom stofflichen Rahmen eines bestimmten Typs von Prosaer­ zählung rechnen, sondern erst recht bei den Autoren selbst. Bei ih­ nen hat diese feste Vorstellung offensichtlich dazu geführt, daß sie, wie bereits angedeutet, innerhalb des stofflichen Rahmens bei der Wahl sowohl der einzelnen Handlungsmotive als auch der ver­ schiedenen Mittel zu ihrer Darstellung immer wieder einem gera­ dezu stereotypen Schema folgten. Dieses ist auch in den Texten der

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Romanerzähler, die auf irgendeine Weise davon abweichen oder ihr literarisches Spiel damit treiben, mindestens andeutungsweise stets präsent. Zusammen mit den »Ersatzbegriffen« liefert das bloße Vorhandensein von ständig wiederkehrenden Gattungsele­ menten eine Grundlage für die von uns gesuchte Gattungsdefiniti­ on. Ich stelle diese konstanten Elemente daher im folgenden kurz zusammen, und zwar zunächst anhand des vorhin am Beispiel der Ephesiaka Xenophons erstmals näher betrachteten Gattungstyps •des idealisierenden Romans. 1. Motive: Hauptpersonen des Geschehens sind ein junger Mann und ein junges Mädchen von vornehmer Abstammung und unvergleichlicher Schönheit, die, bereits verheiratet oder einander fest versprochen, auf einer längeren Reise in ferne Länder teils zu­ sammen, teils getrennt eine Serie von meist leidvollen Abenteuern zu bestehen haben. Häufigste Ursache ihrer Leiden ist der Schwur unverbrüchlicher Treue, dessen strikte Einhaltung sie als Gefange­ ne von Räubern bzw. Piraten oder als Sklaven reicher Herren bzw. Herrinnen in gefährliche Situationen bringt. Besonders oft sind sie von der Ermordung bedroht. Oder sie fassen, auf eine andere Wei­ se in die Enge getrieben, den verzweifelten Beschluß, sich selbst umzubringen, worauf entweder Rettung im letzten Augenblick fol­ gen kann oder ein Scheintod, der weitere Verwicklungen hervor­ ruft. Bevorzugte Schauplätze dieser Abenteuer sind die Länder Kleinasiens und des Nahen Ostens, in denen das Liebespaar so­ wohl mit Griechen als auch mit exotischen Orientalen zusammen­ trifft. Wenn das Paar auf dem Meer reist, gerät es in der Regel in einen Sturm, der einen Schiffbruch verursacht. Am Ende der Lei­ denskette stehen Wiedervereinigung und Heimkehr zu einem von nun an uneingeschränkt glücklichen Leben. Über dem Geschehen walten zuweilen eine oder mehrere Gottheiten, die z.B. - wie schon in Homers Odyssee - dadurch, daß sie einem oder beiden Protagonisten wegen einer Verfehlung zürnen, die Abenteuerserie in Gang gesetzt haben. 2. Erzähltechnik: In betonter Anlehnung an die zur Zeit der Entstehung des antiken Romans einzig vergleichbare Gattung nar­ rativer Prosa, das Geschichtswerk, erzählt der Autor wie ein Hi­ storiograph das Geschehen linear bzw. in Parallelberichten, die aufgrund einer Trennung der beiden Protagonisten erforderlich werden. Dabei kann er novellenartige Kurzerzählungen über die

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Erlebnisse anderer Personen oder Exkurse, z. B. mythographischer oder fachwissenschaftlicher Natur, einschalten. Kompliziertere narrative Techniken wie Ich-Erzählung, Retrospektive oder Ver­ schachtelung, ja Verrätselung der Handlung, die sich von der Dar­ stellungsweise der Historiographie entfernen, in neuzeitlicher Ro­ manliteratur dagegen um so häufiger anzutreffen sind, werden vom antiken Roman erst im Laufe der Gattungsgeschichte ent­ wickelt. Dabei bleibt jedoch bis zum letzten der uns erhaltenen Vertreter der Gattung die gesuchte Nähe zu den Darstellungsmit­ teln der Geschichtsschreibung gewahrt. Auf besonders einfache Weise kann sich das bereits im Titel offenbaren. Denn Überschrif­ ten wie Ephesiaka, Phoinikika, Babyloniaka und Aithiopika (wei­ tere Titel dieser Art sind für verlorene Romane bezeugt oder für er­ haltene zu erschließen) hätte auch ein antiker Historiograph seinem Werk geben können; bekanntestes Beispiel sind die Hellenika (»Griechische Geschichte«) des Xenophon von Athen aus klas­ sischer Zeit. Die Einzelepisode des antiken Romans steht dagegen eher in der Tradition typischer Tragödien- und Komödienszenen und erinnert damit wieder besonders stark an die moderne Fern­ sehserie. Lange Dialoge ersetzen oft über weite Strecken die Be­ richterstattung des Erzählers, und häufige Monologe und Reden dramatisieren das Geschehen, dessen Höhepunkt eine Gerichtsver­ handlung bilden kann. Dieselben Mittel narrativer Technik finden wir nun, wie gesagt, bei den komisch-realistischen Romanen. Die beiden lateinischen Texte, Petrons Satyrica und besonders die Metamorphosen des Apuleius, erreichen, was die Anwendung kunstvoller Erzählweisen betrifft, ebenso wie die am Ende der Entwicklung des idealisieren­ den Romans stehenden Texte des Achilleus Tatios, Longos und Heliodor ein bemerkenswert hohes literarisches Niveau und lie­ fern zusammen mit ihnen der modernen Narratologie reiches An­ schauungsmaterial. Im stofflich-motivischen Bereich bieten die ko­ misch-realistischen Romane, wie ebenfalls bereits angedeutet wurde, anstelle einer idealisierenden Darstellung der fiktionalen Wirklichkeit komische oder derb-realistische Schilderung. So spie­ len z. B. Szenen voll praller Erotik, die es in Romanen vom Typ der Ephesiaka wegen des Motivs des Treueschwurs der beiden Protagonisten nicht geben kann, bei Petron, Pseudo-Lukian und Apuleius eine wichtige Rolle (und das galt vermutlich auch für den

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Iolaos- und den Protagoras-Roman). Doch die Liebe ist auf jeden Fall ein in den Texten beider Gattungstypen dominierendes The­ ma, und hier wie dort werden überwiegend leidvolle Abenteuer aneinandergereiht. Ferner ist das Ende des Romangeschehens bei Pseudo-Lukian und Apuleius - bei Petron, dem Iolaos- und dem Protagoras-Roman kennen wir es nicht, dürfen aber Entsprechen­ des vermuten - »happy« wie im idealisierenden Roman. Wie die Vertreter dieses Typs kann man die fünf komisch-realistischen Romane jeweils als syntagma dramatikön bezeichnen, denn auch hier wird durch die Welt, in der sich die Akteure bewegen, die der Lebenswirklichkeit des Lesers abgebildet. Schließlich werden sich auch beim Vergleich der jeweiligen Weitsicht der beiden Roman­ typen gedankliche Berührungen zeigen. Die griechischen Romane, die wie jede Literatur unter ganz bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen entstanden sind, spiegeln in gewisser Weise die Ein­ stellung ihrer Autoren zu der besonderen sozialen und politischen Situation ihrer Zeit wider, und die Art, in der die Verfasser der komisch-realistischen Romane das Menschenbild der idealisie­ renden Romane in verzerrter Form präsentieren, weist Züge von satirischer Moral- und Literaturkritik auf.

Weitere romanhafte Prosaerzählungen der Antike (»fringe novels«) Die beiden bisher nur unter allgemeinen Gesichtspunkten betrach­ teten Typen fiktionaler Prosaerzählungen des klassischen Alter­ tums können - so viel dürfte deutlich geworden sein - einer einzi­ gen Gattung, der des antiken Romans, zugeordnet werden. Aber bevor ich diese Gattung, von der in den nächsten Kapiteln aus­ schließlich die Rede sein soll, zusammenfassend zu definieren ver­ suche, möchte ich eine Übersicht über alle weiteren fiktionalen Prosaerzählungen geben, die man bisher zuweilen ebenfalls dem antiken Roman zugeordnet hat, sei es in ihrer Gesamtheit oder we­ nigstens teilweise. Die summarische Betrachtung dieser Texte, die mit Recht den ins Deutsche nicht übersetzbaren Namen »fringe novels« tragen, wird zeigen, warum es zweifelhaft erscheint, sie zusammen mit den idealisierenden und komisch-realistischen Ro­ manen unter einem gemeinsamen Gattungsbegriff zu subsumieren.

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Nur so viel vorweg: Während der komisch-realistische Roman sich mit dem idealisierenden Roman im Bereich der äußeren Form, des Stoffes und der Motive sowie der Weitsicht - zumindest unter um­ gekehrten Vorzeichen - aufs engste berührt, weisen die »fringe no­ véis« jeweils nur partielle Übereinstimmungen sowohl mit diesem Typ antiker Prosaerzählung als auch untereinander auf.

1. Utopie und phantastische Reise

Durch das Motiv »Reise in fremde Länder« sind dem bisher be­ handelten Romantyp zwei uns nur durch Inhaltsangaben und Fragmente kenntliche Erzählungen verwandt, deren Autoren je­ weils einen Ich-Erzähler von dessen Fahrt zu Inseln außerhalb der bekannten Welt berichten ließen. Als Euhemeros von Messene, der im Auftrag des Königs Kassander von Makedonien (305-297 v. Chr.) mehrere Reisen unternommen habe, bezeichnete sich der Sprecher in dem einen der beiden fiktionalen Berichte, der Hiera anagraphé (»Heilige Aufzeichnung«), deren Inhalt die im 1. Jahr­ hundert v. Chr. entstandene Bibliotheca histórica des Diodorus Siculus wiedergibt (5.41-46; 6.1). Es heißt dort, Euhemeros sei auf einer seiner Fahrten zu einer Gruppe von Inseln gelangt, deren größte, Panchaia, in zweifacher Hinsicht höchst bemerkenswert gewesen sei. Zum einen habe sich dort ein prachtvoller Zeustempel befunden, der, in einer märchenhaft schönen und ungewöhn­ lich fruchtbaren Landschaft gelegen, in seinem Inneren eine Säule mit Aufzeichnungen über die Entstehung des griechischen Götter­ glaubens geborgen habe: Zeus und die anderen Olympier seien ursprünglich nichts weiter als sterbliche Könige gewesen, die we­ gen ihrer großen Verdienste um den kulturellen Fortschritt der Menschheit nach ihrem Tode vergöttert worden seien. Zum ande­ ren habe das Gesellschaftssystem der Inselbewohner, das Euheme­ ros offenbar ausführlich darstellte, Merkmale eines primitiven Kommunismus aufgewiesen. Als Ich-Erzähler des anderen Berichtes, der eine Inselbeschrei­ bung enthielt, nennt Diodor einen Kaufmann namens Iambulos, der, auf einer Reise durch Arabien erst von Räubern und dann von Äthiopiern gefangengenommen, von diesen zusammen mit einem Gefährten zu einer »glücklichen Insel« geschickt worden sei. Auch dort hätten - so Diodor (2.55-60) - hinsichtlich des Klimas und

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der Fruchtbarkeit des Landes paradiesische Zustände geherrscht, und die soziale Ordnung der Insulaner sei wie die der Panchaier von Prinzipien des Urkommunismus geprägt gewesen. Andere Ku­ riositäten, die Iambulos geschildert habe, hätten vor allem die Phy­ sis von Mensch und Tier betroffen; z. B. habe man mit dem Blut eines schildkrötenartigen Tieres abgeschnittene Körperteile wieder ankleben können. Man hat immer wieder behauptet, es habe sich bei den beiden Erzählungen um utopische Romane, also Vorläufer von Thomas Morus’ bekanntem Werk Utopia, gehandelt. Außerdem gingen viele Forscher mit Selbstverständlichkeit davon aus, daß sowohl bei »Euhemeros« als auch bei »Iambulos« - die Namen der Ich-Er­ zähler pflegen mit denen der Autoren gleichgesetzt zu werden - der Rahmen der Inselbeschreibung die Form eines Reiseromans hatte. Letzteres ist jedoch im Falle der Heiligen Aufzeichnung reine Spe­ kulation. Dem kurzen Hinweis Diodors auf die »offizielle« Rei­ setätigkeit des »Euhemeros« kann in der Ich-Erzählung eine eben­ so kurze Bemerkung entsprochen haben, die lediglich die Funktion eines Beglaubigungsapparates hatte, also dem Zweck diente, das Erzählte als real geschehen auszugeben. Für den Ich-Erzähler Iam­ bulos dagegen bezeugt die Bibliotheca histórica, daß er sowohl über seine Fahrt zu der Insel als auch über seine Rückreise nach Griechenland berichtete, die ihn durch Indien und Persien führte und auf der er noch manches Abenteuer erlebte. Zwar nimmt die Inselbeschreibung den größten Raum in Diodors Referat ein, aber dies vermutlich deshalb, weil der Verfasser der Universalgeschich­ te einzig an den mirabilia einer nur in dem Werk des »Iambulos« beschriebenen exotischen Zivilisation interessiert war. So dürfte sich auch erklären, warum das Referat in verwirrender Weise zwi­ schen den Themen »Lebensweise der Insulaner«, »Gesellschafts­ ordnung«, »Flora und Fauna der Insel« etc. hin und her springt: Der Ich-Erzähler des vollständigen Textes schilderte die Kuriositä­ ten der Insel in der Reihenfolge, in der er aus verschiedenen Anläs­ sen mit ihnen konfrontiert wurde, Diodor dagegen ließ diese An­ lässe einfach aus. Es besteht somit kein Grund zu der Annahme, die Inselbeschreibung habe schon bei Iambulos im Zentrum der Erzählung gestanden und sei wie diejenige des Euhemeros die sy­ stematische Darstellung einer utopischen Staatsordnung gewesen. Die Existenz wenigstens einer romanhaften Reiseerzählung aus

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hellenistischer Zeit darf also als wahrscheinlich gelten. Aber ob die Art, in der darin über die Abenteuer des Protagonisten in fernen Ländern berichtet wurde, derjenigen vergleichbar war, die uns aus den erhaltenen kaiserzeitlichen Romanen vom Typ der Ephesiaka vertraut ist, wissen wir nicht. Vielleicht gibt uns Lukian von Samosata (um 120-180) in den zwei Büchern seiner Alethe dieg&nata (»Wahre Geschichten«), dem Bericht eines (mit dem Autor gleich­ namigen) Ich-Erzählers über eine phantastische Reise, einen gewis­ sen Eindruck von der Darstellungsweise des Iambulos, aber wenn ja, dann nur in komischer Verzerrung. Denn eines der Anliegen Lukians ist es offenbar, die Berichte der verschiedensten griechi­ schen Autoren - darunter auch »Iambulos« - über die mirabilia fremder Kulturen zum Gegenstand seines Spotts zu machen. Aber obwohl wir viele Texte kennen, auf die der Ich-Erzähler der Wah­ ren Geschichten Bezug nimmt - er treibt ein ebenso amüsantes wie subtiles intertextuelles Spiel mit den verschiedensten Gattungen der griechischen Prosa und Poesie und macht somit die Abenteuer­ fahrt, von der er berichtet, zur metaliterarischen Reise durch das Meer der Wörter und Texte -, haben wir keine Möglichkeit, seine Verspottung von Werken wie denen des »Iambulos« angemessen zu würdigen. Denn nicht nur dessen Erzählung, sondern auch alle anderen vergleichbaren Darstellungen sind verloren. Dennoch sind die Abenteuer »Lukians«, wenn man sie einfach als solche liest, höchst unterhaltsam und lustig. Er erlebt sie auf dem Mond mit Kohlvögeln und Rettichschleuderern, Seleniten und Helioten, im Bauch eines Wals, im Eismeer, auf dem Milchsee mit der Käseinsel, bei den Korkfüßlern, auf den Inseln der Seligen, der Verdammten und der Träume, bei Kürbispiraten, Nußschiffern, Ochsenköpflern, Phallonauten und Eselsfüßlerinnen. Aber das ist nun endgül­ tig eine Welt, die an diejenige der erhaltenen idealisierenden und komisch-realistischen Romane der Antike nur noch sehr entfernt erinnert.

2. Romanhafte Biographie In meiner Übersicht über die Werke, die ich dem eigentlichen »Ro­ man« der Antike zurechne, erscheinen mit dem Ninos- und dem Sesonchosis-Roman zwei Exemplare eines besonderen Typs dieser Gattung: Hier sind die männlichen Helden historisch nachweisba-

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re, berühmte Könige orientalischer Großreiche in vorgriechischer Zeit. Wenn nun die Literaturgeschichten griechische Prosatexte wie Xenophons Darstellung der Vita des Perserkönigs Kyros mit dem Titel Kyrupädie, die anonyme Äsop-Vita, Pseudo-Kallisthenes’ Vita Alexanders des Großen und Philostratos’ Vita des Apollonios von Tyana in der Regel als »Romane« etikettieren, so mag das insoweit berechtigt sein, als in allen vier Werken romanhafte Erfindung den historischen Kern fast ganz zudeckt. Aber diese vier »Romane« mit historischen Figuren als Protagonisten unterschei­ den sich von den zwei vorher genannten in einem wesentlichen Punkt: Dort orientiert sich das Romangeschehen - das zeigen die Fragmente, wie wir sehen werden, sehr deutlich - wie in den Ephesiaka des Xenophon von Ephesos an ganz bestimmten Abenteuern des Protagonisten, und zwar ebenfalls an solchen, wie sie sich aus seiner unverbrüchlichen Treue zu der von ihm geliebten Frau erge­ ben, also Schiffbruch, Trennung, Anfeindungen etc. Hier dagegen liefert das Leben des Protagonisten bis zu seinem Tode den Rah­ men der Handlung, und Fiktionalität ist nicht die Grundessenz der Erzählung, sondern Zutat, die dem Zweck einer speziellen Form von Präsentation der Lebensgeschichte eines berühmten Mannes dient: Die Vita soll entweder lehrhaft sein oder eine mit trockener Historie unzufriedene Leserschaft unterhalten oder beides. Bei der acht Bücher umfassenden Kyrou paideia (»Erziehung des Kyros«) des athenischen Schriftstellers Xenophon (um 425 bis 355 v. Chr.) handelt es sich um das romanhafte Porträt eines in jeder Hinsicht vollkommenen Monarchen, zu dem der Autor den Perserkönig durch bewußte Veränderung der biographischen Fak­ ten und eigene Erfindungen gemacht hat. Wir verfolgen das Leben des Kyros anhand seiner Erziehung zum Feldherrn, der dann Zug um Zug die asiatischen Völker unterwirft, sowie seiner Entwick­ lung zum wohltätigen Herrscher. Die größtenteils fiktiven Ereig­ nisse von seiner Kindheit bis zu seinem Lebensende bilden nicht mehr als den Hintergrund für eine Bewährung seiner zahlreichen Tugenden. Was hier »Roman« ist, hat also in erster Linie die Funk­ tion, das Porträt eines Staatsmannes, in dem die Leser die Ideal­ figur eines solchen erkennen sollen, als narrativen Text darzubie­ ten. Vielleicht hat eine Randepisode der äußeren Handlung eine motivische Anregung zur Entstehung der Erzählungen vom Typ der Ephesiaka geliefert: die Pantheia-Novelle. In unverbundenen

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Abschnitten über die Bücher 4-7 verteilt, erzählt diese Geschichte von der erfolglos in Versuchung geführten Treue der schönen Pantheia zu ihrem Gatten Abradates und dem Selbstmord der Frau über der Leiche des in einer Schlacht gefallenen Mannes. Außer­ dem fand das Motiv der Erziehung eines Prinzen zum Feldherrn weitere Verwendung. Es kehrt in den Bruchstücken des Ninos-Romans und wahrscheinlich in denen des Sesonchosis-Romans wie­ der, und kriegerische Heldentaten vollbringt auch Chaireas in Charitons Kallirhoe sowie Rhodanes in den Babyloniaka des Iamblichos. Obwohl selbst kein Roman wie die Erzählungen vom Typ der Ephesiaka des anderen Xenophon (der den Namen des berühmten Atheners vielleicht als Pseudonym trug; s. S. 45), war die Kyrupädie für diese stilistisch und motivisch ein wichtiges Vor­ bild. Im Grunde tat Xenophon mit der Abfassung seiner romanhaf­ ten Kyros-Biographie etwas, das auch diejenigen griechischen Dichter, Rhetoren und Historiker vor und nach ihm taten, die in ihre Texte zum Zweck der Exemplifizierung eines Gedankens eine Fabel einlegten: Lehren durch Erzählen. Der unbekannte Autor des ungefähr ins 2. Jahrhundert n. Chr. zu datierenden Bios toü Aisöpou (»Leben Äsops«) ging sogar so weit, der gesamten Vita ein in Aesopica häufig verwendetes Gliederungsschema zugrunde zu legen. Denn seine Schilderung der Ereignisse, die zur Ermor­ dung Äsops durch die Priester in Delphi führen, ist strukturell of­ fenbar von dem Fabeltyp beeinflußt, in dem in drei Geschehensab­ schnitten erzählt wird, wie eine Person erst richtig, dann falsch handelt und so ihren Tod verursacht. Über den Mord an Äsop be­ richten bereits Quellen des 5. Jahrhunderts v. Chr., und unser An­ onymus stellt nun die zu der Bluttat führende Entwicklung so dar: Seinem Äsop fehlt im ersten Teil der Vita die Sprechfähigkeit, aber der Sklave weiß eine gegen ihn gerichtete Intrige durch stummes Agieren zu vereiteln und wird kurz darauf zum Dank für eine fromme Tat von den Musen mit besonderer Wortgewandtheit be­ schenkt. Diese Gabe nutzt er im Hauptteil der Vita dazu, als Skla­ ve des Philosophen Xanthos zunächst die Freilassung und dann als Berater des Volkes von Samos und des Königs von Babylon hohe Ehren und Reichtum zu erwerben. Da er aber am Ende dieses Ge­ schehensabschnittes in einem Heiligtum, das er den Musen zum Dank für ihr Geschenk weiht, in der Mitte der Statuen der Göttin-

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nen nicht ein Standbild des Musageten Apollon errichtet, sondern eines, das ihn selbst darstellt, zieht er sich Apollons Zorn zu. Der Gott unterstützt während eines Aufenthaltes Äsops in Delphi im dritten Teil der Vita seine Priester bei einer Intrige gegen den Fa­ belerzähler und trägt so zu dessen Ermordung bei. Das fabula docet ist klar: Hybris bringt auch den mit Wortge­ wandtheit Begabten zu Fall. Ihm, der sich einst nur durch Mimik rettete, hilft es jetzt dagegen nicht einmal, daß er im Angesicht des ihm drohenden Todes seine besondere rhetorische Befähigung zur Geltung bringt, indem er durch das Erzählen von Fabeln narrativ argumentiert. Aber in dieser schlichten Lehre liegt gewiß nicht der eigentliche Reiz der romanhaften Vita, sondern im Inhalt der einzelnen Episoden, die dem Bericht über den Tod Äsops voraus­ gehen. Viele von ihnen erinnern deutlich an die Episoden eines pikaresken Romans, da hier einerseits von raffinierten Schelmen­ streichen des Protagonisten erzählt, andererseits die Aufdeckung des Unterschieds zwischen Schein und Sein thematisiert wird. Eine gewisse Verwandtschaft des »Äsop-Romans« mit Petrons Satyrica, Pseudo-Lukians Lukios oder Der Esel und den Metamorphosen des Apuleius ist unverkennbar, aber sie ist nicht eng genug für eine Zuordnung des Textes zur Gruppe der komisch-realistischen Ro­ mane. Volkstümliche Erzählungen vom Typ der Äsop-Vita wurden in der Antike und im Mittelalter nicht immer im originalen Wortlaut weitertradiert, sondern sprachlich und inhaltlich überarbeitet, wo­ bei auch erweiterte oder gekürzte Fassungen entstanden. Die mei­ sten Veränderungen dieser Art wurden an der bekanntesten unter den romanhaften Biographien der Antike vorgenommen: an dem in der uns vorliegenden Form im 3. Jahrhundert n. Chr. verfaßten und fälschlich unter dem Namen des hellenistischen Historikers Kallisthenes (2. Hälfte 4. Jh. v. Chr.) überlieferten »Alexander-Ro­ man« mit dem Titel Bios kai präxeis Alexändrou toü Makedönos (»Leben und Taten Alexanders des Makedonen«). In mindestens fünf verschiedenen Handschriftenrezensionen ist der Text auf uns gekommen, und diese werden durch die lateinische Version des Iulius Valerius (um 300) sowie die vielleicht auf weitere Überlie­ ferungsstränge zurückgehenden Übersetzungen in andere Spra­ chen (z.B. Armenisch) ergänzt. Die Überlieferungslage ist so kom­ pliziert, daß die Erforschung des »Alexander-Romans« bis heute

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nicht wesentlich über Versuche einer Rekonstruktion der Textge­ schichte und der ursprünglichen Fassung der Vita sowie ihrer Quellen hinausgelangt ist. Auf eine Zusammenfassung der Ergeb­ nisse dieser Untersuchungen kann hier freilich verzichtet werden. Denn man bediente sich hier bis in jüngere Zeit der historistischen Methoden des 19. Jahrhunderts, denen gegenüber man heute nicht skeptisch genug sein kann. Betrachtet man dagegen ganz unvoreingenommen »Rezension A«, die dem Originaltext am nächsten stehen dürfte, dann stellt man fest, daß auch der große Makedonenkönig an vielen Stellen der Vita am ehesten mit dem Protagonisten eines Romans vom Typ der Satyrica Petrons vergleichbar ist. Eine wichtige Erklärung für diesen zunächst überraschenden Befund dürfte darin liegen, daß Pseudo-Kallisthenes im Gegensatz zu den Alexander-Historikern nicht primär an den militärischen Erfolgen des Königs interessiert ist und ihn wohl deshalb als eine Art fahrenden Abenteurer dar­ stellt, ja ihn selbst über seine Erfahrungen in der Fremde berichten läßt. So schreibt Alexander z. B. seinem ehemaligen Lehrer Aristo­ teles einen ausführlichen Brief über die mirabilia Indiens (3.17), der an das Referat Diodors über die Ich-Erzählung des Iambulos erinnert. Zu einem solchen Alexander paßt es dann sehr gut, daß er sich sogar in den wenigen Situationen, in denen man von ihm auf jeden Fall die Bewährung von Herrschertugenden erwarten würde, wie ein Picaro verhält. So besiegt er den Inderkönig Poros, der ihn an Länge erheblich überragt, im Zweikampf nur deshalb, weil er einen kurzen Moment, in dem der Gegner durch einen plötzlichen Lärm abgelenkt wird, geschickt zum entscheidenden Schwertstreich nutzt (3.4). Eine solche Szene fügt sich auch des­ halb bestens in diese Vita, weil das Leben, das sie schildert, seine Genese der Tatsache verdankt, daß Alexanders Mutter Olympias ihren Sohn nicht von ihrem Mann, König Philipp von Makedoni­ en, sondern von dem ägyptischen Pharao und Zauberer Nektanebos während eines durch List und Hokuspokus erschlichenen Bei­ schlafs empfängt (1.1-12). Hier steht der »Alexander-Roman« motivisch sogar bestimmten erotischen Abschnitten in den ko­ misch-realistischen Romanen nahe. Doch das macht den Text noch nicht zum Vertreter dieses Gattungstyps. In der letzten der hier zu besprechenden fiktionalen Biographi­ en, dem von dem Sophisten Philostratos Anfang des 3. Jahrhun-

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derts n. Chr. verfaßten Werk Tä es tön Tyanea Apoltönion (»Leben des Apollonios von Tyana«) in acht Büchern, wird die Vita eines neupythagoreischen Zauberers, der nachweislich im 1. Jahrhun­ dert n. Chr. wirkte, als Serie frommer Taten eines asketischen Wei­ sen dargestellt. Als Lehrer und Mahner zur Tugend zieht Apolloni­ os, zahlreiche Mirakel wie Weissagung, Dämonenaustreibung, Heilung von Kranken und Auferweckung eines toten Mädchens vollbringend, durch den gesamten Mittelmeerraum bis nach Ägyp­ ten und Äthiopien sowie nach Indien. Auf diesen Reisen erlebt er auch allerlei Abenteuer, die in einigen Fällen - Buch 8 enthält z.B. eine Szene vor Gericht - typische Motive des idealisierenden und des komisch-realistischen Romans in die Erinnerung rufen. Den Erzählungen des Iamblichos, Achilleus Tatios und Heliodor ähnelt die Vita speziell darin, daß sie Exkurse über Flora und Fauna der von dem Wundermann besuchten fernen Länder enthält. Diese Motivverwandtschaft macht das in erster Linie der Erbauung und pythagoreisch-religiöser Propaganda dienende Werk, das wahr­ scheinlich von Julia Domna, der Frau des Kaisers Septimius Seve­ rus in Auftrag gegeben wurde, noch lange nicht zum »Roman«. Aber da ist noch etwas. Offenbar ist ein wichtiger Gedanke, der der Vita zugrunde liegt, derjenige, daß ein Leben in Weisheit, Ge­ rechtigkeit und Frömmigkeit, wie es der heilige Mann auf so ex­ emplarische Weise durchläuft, überall auf der Welt vor jeder Art von Gefahren schützt. Das findet seine Entsprechung nicht nur in den unter Nr. 5 dieses Abschnittes zu behandelnden christlichen »Romanen«, wo die von einem unerschütterlichen Glauben her­ vorgerufenen Tugenden der Protagonisten diesen immer wieder zur Lösung aller Probleme verhelfen, sondern auch in den Erzäh­ lungen vom Typ der Ephesiaka, in denen dasselbe die eiserne Treue leistet, die die Liebenden einander wahren. Es gibt also mehrere gute Gründe dafür, die Apollonios-Vita ebenso wie die apo­ kryphen Apostelakten zumindest am »fringe« der Gattung »anti­ ker Roman« anzusiedeln. 3. Historische Erzählung in Briefform Inhaltlich verwandt mit den romanhaften Biographien sind die wie diese ausschließlich in griechischer Sprache überlieferten Samm­ lungen pseudepigrapher Briefe, die, chronologisch angeordnet,

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eine bestimmte Ereignisabfolge im Leben des Briefe schreibenden Ich widerspiegeln. Sie dürfen als antike Vorläufer der neuzeitlichen Gattung Briefroman gelten. Die vermutlich älteste Sammlung die­ ser Art - sie existierte in der heute vorliegenden Form vielleicht schon um 200 v. Chr. - ist diejenige der Briefe Platons. Mag sich unter ihnen auch der eine oder andere echte Brief befinden (ich persönlich glaube freilich nicht an diese Möglichkeit), so bildet das Korpus dennoch ein geschlossenes Ganzes, dessen erste Hälfte in einer Retrospektive die Erlebnisse des Philosophen am Hofe des Tyrannen Dionysios II. von Syrakus nachzeichnet. Die übrigen Sammlungen von Briefen, die auf eine fortlaufende Handlung Be­ zug nehmen, entstanden bis auf eine Ausnahme im Späthellenis­ mus und in der frühen Kaiserzeit und enthalten mit Sicherheit kei­ nen echten Brief derjenigen historischen Persönlichkeit, deren Namen sie jeweils tragen. Es sind die Sammlungen der Briefe des Themistokles, Euripides, des Sokrates und der Sokratiker, des Hippokrates, des Chion von Herakleia und des Aischines. Lediglich die Sammlung der (insgesamt 147) Briefe des sizilischen Tyrannen Phalaris gehört - zumindest in der uns erhaltenen Fassung - wahr­ scheinlich erst ins 4. Jahrhundert n. Chr. Sie unterscheidet sich auch darin von den bisher genannten Briefbüchern, daß sie kein Handlungskontinuum, sondern nur Gruppen thematisch zusam­ mengehöriger Briefe aufzuweisen hat. Einzelne dieser Gruppen las­ sen sich allerdings dann, wenn man die überlieferte Reihenfolge der jeweils zu ihnen gehörenden Briefe ändert, als chronologisch angeordnete Briefsequenzen lesen. Durch Umgruppierung läßt sich außerdem aus einer Reihe von Briefen, die Diogenes Laertios in seine Philosophiegeschichte eingelegt hat, eine Sammlung pseudepigrapher Briefe der »Sieben Weisen« wenigstens teilweise re­ konstruieren. Wir haben es hier mit antiken Vorläufern des neuzeitlichen Briefromans zu tun, was aber erst in jüngster Zeit das Interesse der Altertumswissenschaftler weckte. Denn seit Richard Bentley in einer berühmten Abhandlung von 1697 die Phalaris-Briefe, die man bis dahin für echt hielt, als »Fälschung« erwiesen hatte, setz­ te man sich mit dieser Sorte von Epistolographie allenfalls unter dem Aspekt des Echtheitsproblems, am liebsten aber gar nicht aus­ einander. Dabei weisen alle diese historischen »Romane« in Brief­ form eine ebenso geschlossene Erzählstruktur auf wie die übrigen

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Werke der in griechischer Sprache verfaßten fiktionalen Prosa. Nehmen wir nur die Handlung, deren Verlauf wir uns aus den pseudepigraphen Briefen des Hippokrates zusammensetzen kön­ nen! Statt auf Bitten des Königs Artaxerxes nach Persien zu gehen, folgt der Arzt der Aufforderung der Abderiten, in ihre Stadt zu kommen und Demokrit, den sie wegen seines ständigen Lachens für wahnsinnig halten, zu heilen. In einem längeren Gespräch mit Demokrit, in dessen Verlauf der Philosoph ausführlich über die Verrücktheit menschlichen Handelns redet - er schreibt nämlich gerade ein Buch über den Wahnsinn -, erkennt Hippokrates, daß Demokrit in Wahrheit der weiseste Mensch ist. Romanhaft ist in diesem Briefkorpus besonders die Spannungslinie, die sich durch sieben der Ankunft des Arztes in Abdera vorausgehende Briefe hindurchzieht. Während neun von den zehn genannten Briefsammlungen an bekannte Namen geknüpft sind, wählte der anonyme Verfasser der Chion-Briefe als Epistolographen einen Mann, über den man zur Zeit der Entstehung der Briefe - im 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr. - außer der Tatsache, daß er im Jahre 353/352 v. Chr. den Tyran­ nen Klearchos von Herakleia ermordete, kaum etwas gewußt ha­ ben dürfte. Deshalb hatte der Autor dieses »Briefromans« bei der Charakterisierung seines Protagonisten und bei der Handlungs­ führung größere poetische Freiheit als die anderen Verfasser von Sammlungen pseudepigrapher Briefe. Er nutzte diese Freiheit, in­ dem er die Briefe eine geistige Entwicklung widerspiegeln ließ: Chion, der sich während der Abfassung des ersten Briefes auf dem Weg nach Athen befindet, wo er bei Platon studieren will, und den letzten von insgesamt siebzehn Briefen am Tag vor dem Tyran­ nenmord in Herakleia schreibt, reift während der dazwischenlie­ genden Zeitspanne schrittweise zu einem ethisch vollkommenen Menschen und zu einem verantwortlich handelnden Staatsbürger heran. Und das alles entnehmen wir den Worten eines »Ich-Er­ zählers«, was diesen »Briefroman« ebenso wie die übrigen ver­ wandten Texte hinsichtlich ihrer narrativen Technik in die Nähe der Romane Petrons, Pseudo-Lukians, des Apuleius und des Achil­ leus Tatios rückt. Freilich ist der dort »ich« sagende Erzähler frei erfunden, während er hier den Namen einer historischen Person trägt.

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4. Romanhafte Troja-Erzählung Es wurde bereits erwähnt, daß im Ninos- und im Sesonchosis-Roman jeweils eine berühmte, historisch bezeugte Herrscherfigur zum Protagonisten einer frei erfundenen Erzählung gemacht wur­ de, und im nächsten Kapitel wird zu zeigen sein, welche Rolle die­ se Verbindung von Historie und Fiktionalität bei der Entstehung der Gattung »antiker Roman« gespielt haben könnte. Im momen­ tanen Zusammenhang ist erst einmal festzuhalten, daß die Erzähl­ literatur der Antike auch einen Fall aufzuweisen hat, in dem das bei Ninos- und Sesonchosis-Roman angewandte Verfahren gleich­ sam umgedreht wurde: Der Typ des sogenannten »Troja-Romans« bietet ein in die Welt des Mythos gehörendes fiktionales Gesche­ hen als historisch verbürgt dar. Es ist ein verlockender Gedanke, daß es sich bei den (verlorenen) Troika (»Trojanische Geschich­ ten«) des zu Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. lebenden Schrift­ stellers Hegesianax von Alexandria um die erste Prosaerzählung dieser Art gehandelt haben könnte. Aber die erhaltenen fiktionalen Troja-Berichte stammen aus der Kaiserzeit und sind in lateinischer Sprache abgefaßt: die Ephemeris belli Troiani (»Tagebuch des Tro­ janischen Krieges«) eines im griechischen Heer kämpfenden »Au­ genzeugen«, der sich Diktys von Kreta nennt (wahrscheinlich 4. Jh. n. Chr.), und die in zwei Rezensionen überlieferte Historia de excidio Troiae (»Geschichte vom Untergang Trojas«) eines auf tro­ janischer Seite am Krieg teilnehmenden »Augenzeugen«, des Phrygers Dares (vor Ende 5. Jh. n. Chr.). Ein griechisches Original der Ephemeris (1./2. Jh. n. Chr.) ist noch in Papyrusfragmenten kennt­ lich, für die Historia ist die Existenz einer solchen Vorlage mit ei­ niger Wahrscheinlichkeit zu erschließen. In beiden Texten wird der Trojanische Krieg betont anders dar­ gestellt, als wir es aus der mit Homer beginnenden mythologischen Tradition kennen. So berichten weder »Diktys« noch »Dares« et­ was vom Agieren der Götter. Neuere Untersuchungen interpretie­ ren dieses radikale Abrücken von der vertrauten Darstellung als li­ terarisches Spiel. Das möchte man angesichts des anspruchslosen Stils beider Texte - der des »Dares« ist geradezu primitiv zunächst nicht glauben. Aber der Verzicht auf elegante Diktion erweist sich bei näherem Hinsehen als Resultat des Bemühens der hinter den beiden »Augenzeugen« stehenden Autoren, um je-

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den Preis den Anschein von Glaubwürdigkeit zu erwecken. Das beginnt bereits mit der jeweils im Prolog geäußerten Behauptung, daß das, was man jetzt lesen werde, auf abenteuerliche Weise »wiederentdeckt« worden sei: der Bericht des Diktys in einem Grabe, der des Dares bei einem Besuch des »Cornelius Nepos«, des Verfassers der an »Sallust« gerichteten Widmungsepistel zu der Historia, in Athen. Bedenkt man im Hinblick auf den Be­ glaubigungsapparat für die Schrift des »Diktys von Kreta«, daß die Kreter im Altertum als notorische Lügner galten, wird man in der Ephemeris von vornherein das Produkt eines literarischen Spiels sehen und dies dann auch für die Historia voraussetzen kön­ nen. Dementsprechend ist es sehr wahrscheinlich, daß die Autoren der beiden Texte ganz bewußt ihre »Augenzeugen« nicht in ge­ hobenem Stil, sondern »protokollarisch« Bericht erstatten ließen, und zwar so wie Cäsar in seinem Commentarius über den Gal­ lischen Krieg: in kunstloser Sprache, streng sachlich und von sich selbst in der dritten Person Singular redend. Da sich Beglaubigungsapparate auch in einigen idealisierenden Romanen finden, zeigt sich eine Verbindungslinie von diesen Tex­ ten zu den Troja-Berichten. Hinzu kommt etwas, das wir schon beim »Alexander-Roman« sahen: Wieder wird entheroisiert. So läßt z. B. der Verfasser der Ephemeris seinen Achilleus den Troja­ ner Hektor nicht heldenhaft im offenen Kampf, sondern denkbar feige durch einen Überfall aus einem Hinterhalt töten (3.15). Da­ mit wird das hehre Ringen göttergleicher Recken zur alltäglichen kämpferischen Auseinandersetzung zwischen normalen Menschen degradiert. Gleichzeitig wird ein Effekt erzielt, der gar nicht weit entfernt ist von einem in Romanen vom Typ der Satyrica Petrons immer wieder verwendeten Mittel der Komik: dem parodistischen Spiel mit heroischen Posen und falschem Pathos. Ansonsten liegt jedoch ein so weiter Abstand zwischen »Diktys« und »Dares« ei­ nerseits und den komisch-realistischen Romanen andererseits, daß der Gedanke der gemeinsamen Zuordnung zu einer Gattung be­ sonders abwegig erscheint.

5. Frühchristliche romanhafte Literatur

Man hat immer wieder beobachtet, daß sich in der Apostelge­ schichte des Lukas Erzählmotive finden, die man auch aus den Ro­

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manen vom Typ der Ephesiaka kennt, z.B. »gefahrvolle Reise«, »Schiffbruch«, »Scheintod« und »Gerichtsverhandlung«. In jüng­ ster Zeit fand man überdies heraus, daß die vier Evangelien in ih­ rer Episodenstruktur und ihrem anspruchslosen Stil nicht nur mit jüdisch-hellenistischen Prosaerzählungen wie Judith und Tobit, sondern auch mit fiktionalen Biographien wie den Viten Äsops und Alexanders nahe verwandt sind. Doch bei diesen fünf kanoni­ schen Texten des Neuen Testamentes sind es historische Ereignisse, die in romanhafter Form erzählt werden, und ihre Darbietung ist in den Dienst der Vermittlung der christlichen Lehre gestellt. Die apokryphen Apostelgeschichten dagegen, die wie die Acta des Lu­ kas, ja in noch weit höherem Maße als diese, motivisch an ideali­ sierende Romane erinnern, gehören, auch wenn ihre Protagonisten historische Figuren sind und einzelne Abschnitte einen wahren Kern enthalten dürften, eindeutig zur fiktionalen Literatur. Sie transportieren ebenfalls theologische Unterweisung, aber da diese teilweise nicht mit den Dogmen, die Kirchenväter und frühe Kon­ zilien entwickelten, in Einklang stehen - eine dominierende Rolle spielt die Aufforderung zur Enkratie, d. h. der sexuellen Enthalt­ samkeit selbst in der Ehe -, wurden sie nicht als kanonisch aner­ kannt. Zwischen 150 und 230 n. Chr. entstanden, erfreuten sich die fünf großen apokryphen Apostelgeschichten, die Acta des Jo­ hannes, Paulus, Petrus, Andreas und Thomas (dies ist vermutlich die chronologische Reihenfolge), zunächst bis ins 4. Jahrhundert hinein großer Beliebtheit, wurden dann aber von der Kirche abge­ lehnt. Das ist vermutlich auch ein wesentlicher Grund dafür, daß keiner dieser Texte in seiner ursprünglichen Gestalt überliefert ist. Während wir von den in syrischer Sprache verfaßten Thomasakten immerhin eine vollständige griechische Übertragung besitzen, sind die übrigen Apostelgeschichten nur fragmentarisch bzw. in späte­ ren Bearbeitungen, u. a. in lateinischer Sprache, auf uns gekom­ men. Außer in den Acta des Petrus, deren Thema die Wundertaten und das Martyrium des Apostels in Rom sind, erzählen diese Tex­ te von der Missionsreise des Protagonisten und - hier bilden nur die Johannesakten eine Ausnahme - von seinem gewaltsamen Tod. Da das Lebensende nach einer Serie von Bewährungen in einer dem Apostel immer wieder feindlich gesinnten Welt mit dem Be­ ginn der ewigen Seligkeit verbunden ist, stellt der strukturelle

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Rahmen dieser Erzählungen unverkennbar eine Entsprechung zu demjenigen der idealisierenden Romane mit ihrem happy euer after nach den Bewährungen der Treue der Liebenden während ihrer Reiseabenteuer dar. Überdies korrespondiert das Festhalten an der einmal dem Partner geschworenen Liebe in den Erzählungen vom Typ der Ephesiaka dem Festhalten an der Bereitschaft zur Enkratie in den Acta: Die Apostel, die zum Verzicht auf Sex mahnen, und die (meist schon verheirateten) Frauen aus vornehmen Familien, die die Mahnung auch dann noch beherzigen, wenn sie von der Gesellschaft mit dem Tod bedroht werden, erscheinen geradezu als das Liebespaar der christlichen »Romane«. Besonders deutlich er­ kennbar wird die Analogie in einem (auch separat überlieferten) Teilabschnitt der Paulusakten: Hier begleitet eine von dem Apostel zu fleischlicher Enthaltsamkeit bekehrte Frau namens Thekla ihn eine Zeitlang auf seiner Reise. Freilich treten in den Texten neben Gegnern der Apostel und der von ihnen bekehrten Menschen auch Personen auf, die von dem enkratitischen Ethos einer Frau zu be­ sonderer Liebe zu ihr stimuliert werden. Das gibt den Erzählern Gelegenheit zur Darbietung erotischer Geschichten, von denen ei­ nige motivisch an die pikanten Novellen in Petrons Satyrica und in den Metamorphosen des Apuleius erinnern. So schildert z.B. die Geschichte von Drusiana und Kallimachos in den Johannesakten sehr anschaulich einen Fall von versuchter Schändung einer weib­ lichen Leiche in einer Grabkammer. Doch in den apokryphen Apo­ stelgeschichten ist der Anteil solcher wahrhaft romanhafter Ele­ mente am Text so gering gegenüber dem der Passagen, die auf christliche Belehrung und Erbauung ausgerichtet sind, daß man große Schwierigkeiten hätte, eine Zuordnung dieser Erzählungen zu der von idealisierendem und komisch-realistischem Roman konstituierten Gattung überzeugend zu rechtfertigen. Wegen der bemerkenswerten Ähnlichkeit in der Erzählstruktur könnte man aber immerhin daran denken, die nicht-kanonischen Acta als Gruppe der christlichen neben die der paganen antiken Romane zu stellen. Neben den fünf »Apostel-Romanen« hat die frühchristliche Er­ zählliteratur zwei weitere Texte aufzuweisen, die den Romanen vom Typ der Ephesiaka motivisch nahestehen. Bei dem einen von beiden, dem in seiner ursprünglichen Gestalt vermutlich im zwei­ ten Viertel des 3. Jahrhunderts n. Chr. entstandenen griechischen

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»Klemens-Roman«, handelt es sich um die fiktive Selbstbiographie des Nachfolgers des Apostels Paulus als Bischof von Rom (wes­ halb man die beiden erhaltenen Teile als Pseudo-Klementinen zu bezeichnen pflegt). Wir lesen diese Erzählung heute in zwei Bear­ beitungen des 4. Jahrhunderts n. Chr., den griechischen Homilt'ai (»Predigten«) und den nur in der lateinischen Übersetzung des Ru­ finus von Aquileia auf uns gekommenen Recognitiones (»Wieder­ erkennungen«). Wie schon die beiden Titel verraten, haben die of­ fenbar mehr an einer Verteidigung des christlichen Glaubens als an einer Wiedergabe der ursprünglichen Romanhandlung interessier­ ten Bearbeiter den Umfang der von ihnen hinzugefügten, rein der theologischen Belehrung dienenden Teile verschieden bemessen: Wir erfahren von den Erlebnissen des späteren Bischofs in den Re­ cognitiones mehr als in den Homiliai. Es sind die Wechselfälle des Schicksals der schon während seiner Kindheit im ganzen Mittel­ meerraum umhergetriebenen Eltern des Klemens und seiner beiden Brüder, die in enger motivischer Nachbarschaft zu dem Geschehen im idealisierenden Roman stehen; wahrscheinlich haben Heliodors Aithiopika sogar direkt auf den »Klemens-Roman« gewirkt. Nach mancherlei Abenteuern wie Schiffbruch, Gefangenschaft durch Pi­ raten etc. treffen die einzelnen Familienmitglieder der Reihe nach wieder mit Klemens zusammen, der sich inzwischen dem Apostel Petrus angeschlossen hat. Wenn die Rolle, die das Liebespaar im idealisierenden Roman spielt, hier durch miteinander verwandte Menschen übernommen wird, braucht das nicht das Resultat einer christlichen Überarbei­ tung der Originalfassung des Romans zu sein. Denn in der Histo­ ria Apollonii regis Tyri (»Geschichte vom König Apollonius von Tyrus«), in der das christliche Element zwar auch vorhanden ist, aber keine allzu große Bedeutung hat, finden wir diese Konstella­ tion gleichfalls. Die in zwei lateinischen Versionen des 5./6. Jahr­ hunderts n. Chr. (RA und RB) überlieferte Erzählung handelt von den Abenteuern des Königs Apollonius, seiner (namenlosen) Frau und seiner Tochter Tarsia. Nachdem er seine Frau während einer Seereise verloren hat - sie ist, als sie Tarsia zur Welt gebracht hat, scheintot und wird in einem Sarg im Meer bestattet -, trennt er sich freiwillig von seiner Tochter, die er in der Obhut von Pflegeel­ tern in Tarsos aufwachsen läßt, und begibt sich als Kaufmann auf Reisen. Nach vierzehn Jahren trifft er Tarsia, die von Piraten nach

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Mytilene entführt wurde, als keusch gebliebene Sklavin eines Zuhälters wieder. Ein Engel weist ihn im Traum nach Ephesos, wo er seine totgeglaubte Frau als Priesterin der Diana vorfindet. Bereits aus dieser Kurzübersicht über die Haupthandlung der Historia geht eine Besonderheit der Erzählung hervor: das kuriose Nebeneinander von Paganem und Christlichem. Ein weiteres Cha­ rakteristikum des Textes ließe sich nur anhand einer längeren In­ haltsanalyse aufzeigen: Der Plot besteht aus einer bunten Serie von in sich geschlossenen Episoden, die nicht mit der von einer Ro­ manhandlung zu erwartenden Stringenz verknüpft sind und gele­ gentlich sogar in einem gewissen Widerspruch zueinander stehen. Angesichts dieses Befundes ist man sich heute weitgehend einig darüber, daß die beiden spätantiken Versionen, deren eine (RB) eine leichte Überarbeitung der anderen (RA) darstellt, nur eine Kurzfassung der Apollonius-Geschichte präsentieren, die ihnen in griechischer Sprache vorlag und die sie unter dem Einfluß spätan­ tiker hagiographischer Literatur ins Lateinische übertrugen. Die Vorlage der griechischen Epitome, die ihrerseits bereits mit Rück­ sicht auf die christliche Lehre angefertigt worden sein dürfte, setzt man vermutlich mit Recht ins frühe dritte Jahrhundert. Aus ihr stammen vielleicht zwei etwa in dieselbe Zeit zu datierende Papyrusfragmente einer griechischen Prosaerzählung. Darin finden sich eine Szene, in der ein Apollonios bei einem Gastmahl mit einem König und einer Königin auftritt, sowie eine Szene, in der die Kö­ nigin offenbar dazu ansetzt, Apollonios zu verführen (PSI 151 + P. Mil. Vogliano 260). Nun ist es aufgrund der Tatsache, daß die Historia in der erhal­ tenen Form Romanen vom Typ der Ephesiaka Xenophons moti­ visch verwandt ist, gut denkbar, daß das verlorene Original eroti­ sche Szenen wie die zweite des Fragmentes enthielt, die der christliche Epitomator dann gestrichen hätte; jedenfalls ist im gekürzten Text in Kap. 15-17 eine Gastmahlszene mit einem Kö­ nig - die Königin mußte vielleicht schon hier herausgenommen werden - noch vorhanden. Aber diese Gastmahlszene weist mit derjenigen des Fragments keinerlei Berührungen im Wortlaut auf. Man müßte also, wenn man den Roman, aus dem das Bruchstück stammt, als die verlorene Urfassung ansetzen wollte, davon ausge­ hen, daß der griechische Epitomator seine Vorlage nicht nur kürz­ te, sondern den Text auch neu formulierte. Derartige Überlegun­

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gen sind jedoch zu spekulativ, als daß es uns gestattet wäre, einem verlorenen Apollontos-Roman, der unter die idealisierenden Ro­ mane zu zählen wäre, den Text der Historia zuzuordnen und diese aus der Gruppe der »fringe novels« herauszunehmen.

Definition der Gattung

Wir sind damit am Ende der Übersicht über die »fringe novels« an­ gelangt. Es hat sich gezeigt, daß die einzelnen Vertreter dieser Gruppe mit den idealisierenden und komisch-realistischen Roma­ nen motivisch und teilweise sogar strukturell verwandt sind. Wür­ de man nun von dem neuzeitlichen Gattungsbegriff »Roman« aus­ gehen, der bekanntlich ein denkbar breites Spektrum narrativer Prosa abdeckt, hätte man wohl keine Schwierigkeiten, alle diese Texte als Romane zu definieren. In der Antike dagegen dürfte es weder Leser noch Literaturtheoretiker gegeben haben, die auch nur auf den Gedanken gekommen wären, die Reiseerzählung des »Iambulos«, die Äsop-Vita, die Sammlung pseudepigrapher Hippokrates-Briefe, die Ephemeris des »Diktys von Kreta«, die Paulusakten und die Historia Apollonii regis Tyri zusammen mit Helio­ dors Aithiopika und Apuleius’ Goldenem Esel als Spielart ein und desselben literarischen Genos zu betrachten. Man sollte daher, wenn man vom »antiken Roman« spricht, darunter nur die ideali­ sierenden und die komisch-realistischen Romane verstehen. Denn sie allein bilden eine gattungstypologisch einigermaßen homogene Gruppe, die die antike Literaturkritik, wenn sie sich zu einer Aus­ einandersetzung mit diesen Texten herbeigelassen hätte, vermut­ lich als einheitliches Genre anzuerkennen bereit gewesen wäre. Nur diese Texte wird also meine Einführung in den antiken Ro­ man behandeln. Zuvor möchte ich seine wichtigsten Merkmale in einer Definition der Gattung zusammenfassen: Als »antiken Ro­ man« begreife ich eine frei erfundene längere Prosaerzählung, in der erotische Motive und eine Serie von meist auf Reisen erlebten Abenteuern, bei denen sich bestimmte Typen unterscheiden lassen, das Geschehen beherrschen. Die Protagonisten bzw. der Protago­ nist agieren in einer als real existierend dargestellten Welt, die, auch wenn das Geschehen in einer für Autor und Leser vergange­ nen Zeit spielt (was in mehreren Texten, aber nicht immer der Fall

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ist), im wesentlichen die Erfahrungswelt der frühkaiserzeitlichen Gesellschaft des Mittelmeerraumes widerspiegelt. Das Menschen­ bild entspricht entweder einer idealisierenden oder einer komisch­ realistischen Sichtweise. Die einzelnen Vertreter der Gattung sollen im Rahmen einer Darstellung der chronologischen Entwicklung der Gattung vom 1. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. behandelt werden. Ich bin mir dessen bewußt, daß sowohl mein Versuch, die Romane in eine zeitliche Abfolge einzuordnen, als auch die Zuweisung der Texte zu den beiden Untergruppen, dem idealisierenden und dem ko­ misch-realistischen Roman, keineswegs unproblematisch sind. Untersuchungen zur Chronologie sind fast ganz auf Wahrschein­ lichkeitsüberlegungen, ja teilweise sogar auf Spekulationen an­ gewiesen, und wissenschaftliche Arbeiten aus jüngster Zeit, ins­ besondere diejenigen zu den Papyrusfragmenten, haben ergeben, daß die Grenze zwischen den beiden Romantypen nicht so klar zu ziehen ist, wie Ben Edwin Perry, der die Begriffe erstmals in einer Monographie über den antiken Roman verwendete (The Ancient Romances: A Literary-Historical Account of Their Origins, Berkeley 1967), noch annahm. Aber eine Einführung bedarf der übersichtlichen Gliederung eines Stoffgebietes, das vielen der Ein­ zuführenden denkbar fremd sein dürfte. Und vor dem Papyrusfund, der alles Datieren und Klassifizieren endgültig Lügen straft, müssen schließlich alle, die antike Texte zu erklären versuchen, gewaltige Angst haben.

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Die Entstehung der Gattung

ie Texte, die im ersten Kapitel unter den Begriff des antiken Romans gestellt wurden, erscheinen innerhalb des Gattungs­ spektrums der griechischen und römischen Literatur formal wie inhaltlich als etwas so Außergewöhnliches, daß sich die Frage nach der Entstehung dieser Gattung besonders eindringlich stellt. Es war daher durchaus legitim, daß Erwin Rohde, als er im Jahre 1876 mit seiner umfangreichen Monographie Der griechische Ro­ man und seine Vorläufer die moderne Erforschung der Gattung in Gang setzte, den Schwerpunkt seiner Untersuchung auf das Ur­ sprungsproblem legte. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem antiken Roman kam dann allerdings fast hundert Jahre lang über die Suche nach den Vorläufern kaum hinaus, und daran ist Rohde nicht ganz unschuldig. Gewiß, es war zu der Zeit, als sein Buch erschien, und noch weit bis ins 20. Jahrhundert hinein nahezu die Regel, daß Altertumswissenschaftler bei der Textinter­ pretation den Blick statt auf die zu untersuchenden literarischen Werke auf die dahinter verborgenen Quellen richteten. Aber im Falle des Romans hatte das Ignorieren der Texte noch einen anderen Grund: Rohde und die anderen Klassischen Philologen des späten 19. Jahrhunderts betrachteten die Prosaerzählungen vom Typ der Ephesiaka Xenophons von Ephesos als literarästhetisch nahezu wertlos, und diese Sichtweise prägte zusammen mit dem quellenpositivistischen Forschungsansatz bis vor etwa dreißig Jahren die wissenschaftlichen Bemühungen um die Gattung.

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Herleitung aus anderen Gattungen

Da man die idealisierenden Romane für trivial hielt - wegen ihrer motivischen Verwandtschaft mit Abenteuerfilmen und TV-Fami­

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lienserien wird der nicht fachkundige moderne Leser diese Mei­ nung zumindest auf den ersten Blick teilen hätte es sich eigent­ lich angeboten, vorrangig nach den soziokulturellen Vorausset­ zungen für die Entstehung der Gattung zu fragen. Aber damit begann man deshalb erst verhältnismäßig spät, weil sich das Fahn­ den nach Vorläufern und damit nach Gattungen, aus denen sich der idealisierende Roman entwickelt haben könnte, als extrem schwierig erwies. Es fehlte ein Text, in dem man mit Sicherheit den ersten Roman hätte sehen können, Angaben der Autoren zu ihrer Person, der literarischen Tradition und der Intention ihrer Werke gibt es so gut wie keine, und eine antike Gattungstheorie existiert, wie gesagt, überhaupt nicht. So fanden Rohde und seine unmit­ telbaren Nachfolger denn auch keine jedermann überzeugenden Lösungen. Aber das führte nicht zur Resignation, sondern zu um so emsigerem Weiterforschen, so daß immer wieder neue Entste­ hungshypothesen vorgelegt wurden. Kein Wunder also, daß die Prosaerzählung vom Typ der Ephesiaka nahezu aus allen Gat­ tungen der griechischen Dichtung und Prosa, die irgendwie einen narrativen Charakter haben, hergeleitet wurde: aus dem Epos, aus hellenistischer Geschichtsschreibung, Novellistik, Reisefabulistik und Liebespoesie, aus dem Märchen und anderen als »volkstüm­ lich« geltenden Erzählformen, aus dem Drama - besonders der Komödie und dem Mimus - sowie den Deklamationsübungen der Rhetorenschule. Aber die Quellensuche beschränkte sich nicht auf die griechi­ sche Literatur, sondern weitete sich aus auf hellenistisch-orien­ talische Göttermythen und ägyptische Prosaerzählungen, ja ein Forscher, Graham Anderson, glaubte sogar, die Spuren der Gat­ tungsentwicklung bis zu sumerischen Keilschrifttexten zurück­ verfolgen zu können (Ancient Fiction: The Novel in the GraecoRoman World, London 1984). Von all den als möglichen Vorläufern in die Diskussion einge­ brachten literarischen Gattungen weisen die meisten verwandten Elemente das frühgriechische Epos, die attische Neue Komödie des 4./3. Jahrhunderts v. Chr. und die hellenistische Geschichtsschrei­ bung auf. Was die beiden poetischen Genres betrifft, verkörpert im Bereich des Epos die Odyssee geradezu die »Urform« sowohl des idealisierenden als auch des komisch-realistischen Romans. Denn der Text erzählt einerseits von den größtenteils leidvollen Reise-

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abenteuern des Helden Odysseus und der Wiedervereinigung mit seiner Gattin Penelope zum happy ever after, andererseits von sei­ nem listenreichen Vorgehen in Notlagen und seinen erotischen »Affären« mit Kirke und Kalypso. Dieses Epos dürfen wir auf je­ den Fall als Strukturmuster und Motivarsenal für den antiken Ro­ man ansehen, und dasselbe gilt mutatis mutandis für die Komödie etwa eines Menander. Dort haben wir als Parallele im Bereich der Handlungsgliederung die Serie der Schwierigkeiten, die für einen jungen Mann aus gutem Hause zu überwinden sind, bis er das von ihm geliebte Mädchen endlich heiraten darf, und motivische Ver­ wandtschaft zeigt sich z. B. darin, daß Familien, die aufgrund von Kriegen, Überfällen durch Piraten oder durch Schiffbruch ausein­ andergerissen wurden, wieder zusammenfinden. Man hat nun ge­ sagt, daß der idealisierende Roman ein Prosaepos sei, in dem die fabulösen Abenteuer mythischer Helden, wie man sie der Adelsge­ sellschaft der archaischen Epoche erzählt hatte, durch realitätsna­ he Reiseerlebnisse vornehmer Bürger der hellenistisch-kaiserzeitli­ chen Gesellschaft ersetzt seien. Dementsprechend bezeichnete man den Roman als Lesedrama, in dem die enge Bühne der Polis durch den großen Schauplatz des östlichen Mittelmeerraumes und folg­ lich die szenische durch die narrative Vermittlung ersetzt sei. Der Roman sei als Transformation dieser zwei älteren Gattungen ent­ standen, und zwar deshalb, weil die Gesellschaft, in der das neue Genre rezipiert wurde, sich gegenüber den Epochen, in denen Epos und Komödie geblüht hatten, verändert und folglich zeitgemäßere Literatur verlangt habe. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß im 1.-3. Jahrhundert n. Chr. nicht nur weiterhin die Homerischen Epen und die Menandrischen Komödien sich großer Beliebtheit bei Lesern bzw. Theaterbesuchern erfreuten, sondern auch das Verfassen und Rezipieren von Dichtungen beider Gattungen fort­ gesetzt wurde. Die Möglichkeit einer genetischen Entwicklung des Romans aus Epos und Komödie ist also nicht sehr wahrscheinlich; allein an strukturellen und motivischen Einfluß der beiden poetischen Gen­ res auf die neue Prosagattung ist zu denken. Aber wie steht es mit der Historiographie? Bei einem Geschichtswerk handelt es sich wie bei fast allen Texten und Textbruchstücken, die dem idealisieren­ den Roman zugeordnet werden, um eine längere, meist in mehrere Bücher untergliederte Prosaerzählung, deren Verfasser im Präter-

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itum und in der 3. Person, also aus auktorialer Perspektive, berich­ tet. Speziell mit der hellenistischen Historiographie, soweit sie Darstellungsmittel der Tragödie und der Rhetorik einsetzt, ist der idealisierende Roman so auffallend eng verwandt, daß es sich lohnt, die Ähnlichkeiten im einzelnen zu betrachten.

Roman und Historiographie

Wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt wurde (S. 22), er­ wecken mehrere der vollständig bzw. bruchstückhaft erhaltenen idealisierenden Romane durch Titel wie Ephesiaka, Phoinikika, Babyloniaka und Aithiopika den Eindruck, es seien Werke der ethnographisch-geographischen Geschichtsschreibung. Wenn die Handschrift der Ephesiaka als Verfasser einen Xenophon von Ephesos angibt, handelt es sich dabei vielleicht um das Pseudonym eines Mannes, der sich auch durch den von ihm angenommenen Namen, den des Verfassers sowohl des Geschichtswerkes Hellenika als auch der (vermutlich) ersten romanhaften Prosaerzählung, der Kyrupädie, als »echter« Historiograph ausgeben möchte. Dafür spricht, daß die Suda, ein auf antike Quellen zurückge­ hendes byzantinisches Lexikon, bei einer Aufzählung von Liebes­ romanen neben den Ephesiaka des Xenophon von Ephesos die Ba­ byloniaka eines Xenophon von Antiochia und die Kyprika eines Xenophon von Kypros nennt. In diesem Zusammenhang ist ferner bemerkenswert, daß mehrere idealisierende Romane mit einem Be­ glaubigungsapparat beginnen. Während Achilleus Tatios das von ihm erzählte Geschehen nur dadurch »authentisiert«, daß er be­ hauptet, der Protagonist habe es ihm erzählt, und Longos sich le­ diglich auf die Darstellung seiner Geschichte auf einem Gemälde beruft, enthalten der Thule-Roman des Antonios Diogenes, Xeno­ phons Ephesiaka, die Babyloniaka des Iamblichos und Fassung RB der motivisch mit den idealisierenden Romanen verwandten Historia Apollonii regis Tyri (s. S. 38ff.) Verweise auf »real« existierende mündliche bzw. schriftliche Quellen für den Bericht. In der Gruppe der Romane, die man sich heute vor der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstanden denkt und die vielleicht die ältere von zwei Entwicklungsstufen der Gattung repräsentieren, finden sich mehrfach Personen der Handlung, die historisch be-

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zeugt sind: der Assyrerkönig im Ninos-Roman, der Ägypterkönig im Sesonchosis-Roman, eine (hier Kallirhoe genannte) Tochter des syrakusanischen Strategen Hermokrates und der Perserkönig Artaxerxes II. (5./4. Jh. v. Chr.) in Charitons Kallirhoe, eine (hier Parthenope genannte) Tochter des athenischen Strategen Miltiades, der Chorlyriker Ibykos und der Philosoph Anaximenes (6./5. Jh.) im Parthenope-Roman sowie der Philosoph Pythagoras und der Tyrann Ainesidemos von Leontinoi (um 490 v. Chr.) bei Antonios Diogenes. Auch wenn solche Personen in den späteren Romanen nicht mehr auftreten, behält noch Heliodor in seinen Aithiopika, dem vermutlich jüngsten der erhaltenen Texte - die Handlung spielt im 6. Jahrhundert v. Chr. in dem von den Persern beherrschten Ägyp­ ten die Pose des Historikers bei: Er schreibt von einzelnen Bege­ benheiten, er »glaube« oder es »scheine« ihm, daß sie sich »viel­ leicht« so zugetragen hätten, oder er macht manchmal nur ungefähre Entfernungs- und Zeitangaben, ja nennt sogar alterna­ tive Möglichkeiten für den Verlauf einer Romanepisode, obwohl er so etwas als allwissender Autor nicht nötig hätte. Überhaupt begegnen uns in allen erhaltenen Texten auf Schritt und Tritt Darstellungsmittel der Historiographie: ein Sprachgebrauch, der intertextuelle Bezüge zu berühmten griechischen Historikern wie Herodot, Thukydides und Xenophon herstellt, aus Geschichtswer­ ken bekannte Motive und sogar länder- und völkerkundliche Ex­ kurse. Schließlich werden sogar die Romane des Achilleus Tatios und des Longos, deren Handlung nicht explizit in eine vor der Zeit der Abfassung liegende Epoche verlegt ist, dadurch der Gegenwart des Lesers entrückt, daß die Römer, die Herren des gesamten Mit­ telmeerraums im 2. Jahrhundert n. Chr., in keiner Weise in Er­ scheinung treten, ja nicht einmal erwähnt werden. Es verwundert daher nicht, daß in der Suda in dem gerade genannten Zusammen­ hang die drei Romanautoren mit Namen Xenophon als historikoi bezeichnet werden. Und besonders bemerkenswert ist, daß Kaiser Julian in einem Brief aus dem Jahre 393, in dem er sich dazu äußert, was seine Priester lesen sollen und was nicht (89, 301 B), »fiktionale Erzählungen (pläsmata), die von Autoren früherer Zei­ ten in Gestalt eines Geschichtswerkes verbreitet wurden, Liebesge­ schichten und alles derartige« erwähnt (und als Lektüre ablehnt). Die zahlreichen Berührungen des idealisierenden Romans mit

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der Historiographie gaben schon Anfang des 20. Jahrhunderts An­ laß zu einer noch in jüngerer Zeit von einzelnen Gelehrten vertre­ tenen Entstehungshypothese: Der Roman habe sich direkt aus der hellenistischen Geschichtsschreibung entwickelt, deren besonderes Kennzeichen es ist, daß die Autoren ihre Berichterstattung beliebig durch romanhafte Züge ausschmückten oder sogar durch erfunde­ ne Begebenheiten erweiterten, um wie die Tragödiendichter beim Rezipienten Furcht und Mitleid zu erwecken. Zwar seien - so wur­ de immer wieder argumentiert - Zwischenstufen zwischen den Werken, die man noch als Historiographie bezeichnen kann, und den »historischen Romanen« wie der Erzählung von König Ninos (dazu gleich mehr) nicht erhalten, aber das Nebeneinander von Hi­ storie und Fiktion in narrativen Texten wie dem »Alexander-Ro­ man« zeige deutlich, daß die Grenzen zwischen Faktum und Er­ fundenem in der Zeit der Entstehung der Gattung Roman fließend gewesen seien. Es gibt jedoch Belege für die Fähigkeit zur Unter­ scheidung von Realität und Fiktion, die den Prosaerzählern und den hellenistischen Historikern hier bestritten wird. Auf der einen Seite haben wir den (vermutlich schon in hellenistischer Zeit ent­ standenen) Erzähltyp des »Augenzeugenberichtes« über den Tro­ janischen Krieg, der, wie wir gesehen haben (s. S. 34f.), ein fik­ tionales Geschehen zur beglaubigten Historie umfunktioniert und durch dieses literarische Spiel mit Dichtung und Wahrheit sein Vermögen, zwischen beiden Bereichen zu differenzieren, implizit zu erkennen gibt. Auf der anderen Seite darf man davon ausgehen, daß die hellenistischen Alexander-Biographen, wenn sie die Vita des Königs anekdotisch ausschmückten, oder die römischen Anna­ listen bis hin zu Livius, wenn sie Sagen aus der Frühzeit Roms in ihren Jahr-für-Jahr-Report aufnahmen, ihre Berichterstattung gleichwohl als ernstzunehmende Geschichtsschreibung begriffen. Denn sie benutzten ihre fiktionalen Zutaten als ein Mittel, dunkel oder lückenhaft überlieferte Ereignisse dadurch, daß sie diese er­ zählten, wie sie sich abgespielt haben könnten, wenigstens für eine Sinndeutung der von ihnen behandelten Geschichtsepoche frucht­ bar zu machen. Die idealisierenden Romane dagegen geben sich, auch wenn sie den Anschein von Historizität erwecken, eindeutig als eine ausschließlich im Bereich der Fiktionalität angesiedelte Darstellung. Das gilt auch für zwei Texte, die, vermutlich zu den ältesten Vertretern der Gattung gehörend, Werken der hellenisti-

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sehen Historiographie stofflich besonders nahestehen: die Erzäh­ lungen von Ninos und von Sesonchosis.

Der Ninos-Roman

Die Bruchstücke des Ninos-Romans - der Titel könnte Babyloniaka oder Assyriaka gelautet haben - stammen aus zwei Papyrusrollen, von denen eine (P. Berol. 6926 + P. Gen. 85) nicht lange vor 100/101 n. Chr. mit dem Romantext beschrieben wurde. Überlieferungs- und sprachgeschichtliche Argumente aus jüngster Zeit lassen es als ziemlich sicher erscheinen, daß der Text etwa in der Mitte des 1. Jahrhunderts, also nicht, wie man früher annahm, in hellenistischer Zeit verfaßt wurde. Die Reste der einen Papyrusrolle, die heute in Berlin und Genf aufbewahrt werden, bestehen aus drei Teilstücken, einem Fetzen mit nur zehn verstümmelten Zeilen (in Genf) und zwei überwiegend gut erhaltenen längeren Textpas­ sagen (in Berlin), die durch eine größere Lücke getrennt sind und in den Ausgaben als Fragment A und B bezeichnet werden. Frag­ ment C aus der anderen Rolle (heute in Florenz, PSI 1305) hat uns eine in der Romanhandlung vermutlich später als A und B anzu­ setzende Szene in einem kürzeren Textabschnitt bewahrt. Die Pa­ pyri geben keine eindeutigen Hinweise auf die Reihenfolge der Passagen A und B. Aber da B die in A erwähnte Hochzeit, die dort noch in Frage steht, offenbar als bereits erfolgt voraussetzt, besteht kein Anlaß, denjenigen Erklärern zu folgen, die A hinter B plazie­ ren. Hauptpersonen der Handlung sind der siebzehnjährige assyri­ sche Königssohn Ninos und seine vier Jahre jüngere Kusine, die er liebt und die wahrscheinlich wie in der historisch-legendären Überlieferung Semiramis hieß. Aus Text A erfahren wir, daß Ni­ nos, der gerade zum ersten Mal allein einen Kriegszug unternom­ men hat, gleich nach seiner Heimkehr Semiramis zu heiraten be­ gehrt, obwohl das Mädchen noch nicht fünfzehn Jahre alt und deshalb nach den Gesetzen des Landes noch nicht heiratsfähig ist. Das entnehmen wir einer an die Mutter des Mädchens gerichteten Bittrede des Ninos, deren wichtigste Argumente seine bisherigen Ruhmestaten und seine während der ganzen Zeit gewahrte Keuschheit sind, sowie einer Szene mit Semiramis und der Mutter

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des Ninos, in der das Mädchen vor lauter Verlegenheit und unter Tränen kein Wort herausbringt. Der erhaltene Text bricht mit dem Anfang eines Gesprächs der beiden Mütter ab. Text B setzt mit einem aufgrund von Textlücken schwer verständlichen Dialog ein, einer Auseinandersetzung zwischen Ninos und Semiramis, die wohl durch unbegründete Eifersucht des Mädchens ausgelöst wur­ de; sie endet jedenfalls mit einem Treueschwur. Kurz darauf zieht Ninos mit einem Heer seines Vaters, das der Autor des Romans mit griechischen Söldnern und Kriegselefanten ausgestattet hat, gegen die Armenier. Am Schluß des Fragmentes lesen wir noch eine ausführliche Beschreibung der Aufstellung der Soldaten zur Schlachtordnung und den Anfang einer Rede des Prinzen. In Text C finden wir Ninos nach einem Schiffbruch an der Kü­ ste von Kolchis in großer Verzweiflung; die Textreste lassen es als denkbar erscheinen, daß man seine Frau als Kriegsgefangene weg­ geschleppt hat. Daß der Prinz irgendwann im Laufe des Romans von Semiramis getrennt wurde, ergibt sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aus der Darstellung auf einem Mosaik, das man in einer in Daphne bei Antiochia am Orontes in Syrien ausge­ grabenen Villa entdeckt hat: Es zeigt Ninos auf einem Bett liegend beim Betrachten des Porträts einer Frau (Abbildung in: T. Hägg, Eros und Tyche. Der Roman in der antiken Welt, Mainz 1987, S. 34). Die wichtigsten Elemente der möglicherweise zweiteiligen Handlung waren also - so darf man annehmen - Schilderungen der ersten militärischen Taten des späteren Assyrerkönigs, eine Art »Ninopädie« (s. S. 28), und (vermutlich nach seiner Rückkehr zu Semiramis) der »eigentliche« Roman, die Trennung des Paars und eine Serie von Abenteuern bis hin zur glücklichen Wiedervereini­ gung. Bei einem Vergleich des Romantextes mit dem mehr legenden­ haften als historischen Bericht des Geschichtsschreibers Ktesias von Knidos (Anfang 4. Jahrhundert v. Chr.) über Ninos und Semi­ ramis, der sich mit einiger Wahrscheinlichkeit aus Diodors Bibliotheca Historica (2.1-20) rekonstruieren läßt, ergeben sich außer dem lokalen Hintergrund und der Nennung von Kriegszügen keine Gemeinsamkeiten. Ninos ist bei Ktesias der typische orientalische Herrscher, und Semiramis, die schon einmal verheiratet war und nach Ninos’ Tod ein ausschweifendes Leben als blutrünstige Al­ leinherrscherin führt, erinnert nicht im geringsten an das schüch­

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terne Mädchen im Roman. Die Liebenden sind dort wie Griechen gezeichnet, ihre orientalische Umwelt weist griechisches Kolorit auf, und das Romangeschehen, in das einige für die Gattung typi­ sche Motive eingebracht sind, ist frei erfunden. Es gibt keinen An­ haltspunkt für die Annahme, diese fiktionale Erzählung, bei der es sich ja durchaus um den ältesten idealisierenden Roman handeln könnte, sei das Produkt der genetischen Transformation einer ro­ manhaft ausgeschmückten historischen Darstellung.

Der Sesonchosis-Roman

Inhaltlich verwandt mit der Erzählung von dem Assyrerprinzen war offensichtlich der Sesonchosis-Roman, dessen männlicher Protagonist ebenfalls der Sohn des Königs einer orientalischen Großmacht vergangener Zeiten war; sein historisches Vorbild Senwosret I. regierte im Ägypten der 12. Dynastie. Die drei erhaltenen Papyrusfragmente des Romans, A (P. Oxy. 1826), B (P. Oxy. 2466) und C (P. Oxy. 3319), stammen aus dem 3. und 4. Jahrhundert n. Chr., aber der Text, der in einer nicht sehr anspruchsvollen Sprache verfaßt ist - lediglich in Fragment C erhebt sie sich auf ein etwas höheres Niveau -, könnte aus einer frühen Phase der Ent­ wicklung des idealisierenden Romans, also aus dem 1. Jahrhundert stammen. In dem Text des Bruchstückes A, von dem sich kein ein­ ziger Satz vollständig rekonstruieren läßt, ist vermutlich von dem Vater des Sesonchosis und von der Ausbildung des heranwachsen­ den Prinzen speziell auf militärischem Gebiet die Rede. Das besser erhaltene Fragment B, in dem wir von einem ersten Sieg der Ägyp­ ter über die von einem Webelis angeführten Araber und ihren Vor­ kehrungen gegen weitere Angriffe der einstweilen Unterlegenen er­ fahren, bricht mitten in einem Satz ab, demzufolge Sesonchosis von einem Thai'mos über diese Ereignisse informiert wurde. Dar­ aus sollte man eigentlich erschließen, daß der Prinz an dem Kriegs­ zug nicht teilnahm, obwohl man im Vergleich mit dem Ninos-Roman eher annehmen möchte, Sesonchosis habe im Kampf gegen die Araber seine ersten militärischen Erfahrungen gesammelt. Der Text des vermutlich aus derselben Rolle wie Fragment B stammenden dritten Bruchstückes (C) setzt bereits die Rückkehr des Sesonchosis aus mehreren Kriegen, zugleich aber den Verlust

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seiner früheren Machtstellung in Ägypten voraus. Wir entnehmen einem Gespräch des Prinzen mit einem Pamounis, daß ihm vor die­ sen Kriegen die Hand einer Königstochter versprochen worden war, deren Vater er zu seinem Vasallen gemacht hatte, und daß er sich im Augenblick offenbar inkognito in dessen Land aufhält. In einer weiteren Szene wird Sesonchosis von einem Mädchen na­ mens Meameris erblickt, das, durch seine Schönheit betroffen - die für die Gattung typische Liebe auf den ersten Blick -, bei einem anschließenden Mahl nichts essen kann. Der Text endet, als sie sich jemandem, der neben ihr sitzt, offenbaren will. Die in der For­ schung geäußerte Vermutung, daß diese Meameris die in dem Ge­ spräch mit Pamounis erwähnte Verlobte ist, die vor dessen Kriegs­ zügen noch zu jung war, um ihn jetzt wiedererkennen zu können, hat viel für sich. Trifft das zu, dann verursachte ein Versteckspiel des Sesonchosis, das gut zu einem Roman passen würde, vielleicht eine Reihe von Verwicklungen, die schließlich doch zur Hochzeit mit dem Mädchen und zur Rückeroberung der einstigen Macht führten. Ob eine weitere Rekonstruktion der Handlung mit Hilfe der Be­ richte über den Ägypterkönig bei Herodot und Diodor erlaubt ist, erscheint angesichts der Tatsache, daß Ninos-Roman und NinosHistorie so auffallend wenig miteinander zu tun haben, eher frag­ lich. Immerhin haben die Überlegungen, die James O’Sullivan diesbezüglich angestellt hat {Zeitschrift für Papyrologie und Epi­ graphik 56, 1984, 39ff.), einiges für sich. Daraus ergäbe sich z. B., daß Sesonchosis während seiner Abwesenheit von seinem Bruder aus der Herrschaft über Ägypten verdrängt worden war und daß es sich bei dem Vasallen um den im Text von Fragment B auftre­ tenden Araber Webelis handelte. Doch für die Liebesgeschichte und ihre mutmaßlichen Folgen findet sich in der historiographischen Parallelüberlieferung kein Vorbild. Dieser Teil der Handlung fügt sich mit den Abschnitten über die Erziehung des Prinzen und über seine Kriegsabenteuer nach der Verlobung - immer vorausge­ setzt, daß die hier referierte Rekonstruktion einigermaßen richtig ist - zu einem Handlungsgerüst zusammen, das wegen seiner Ähn­ lichkeit mit dem Aufbau des Ninos-Romans doch wohl nur dies vermuten läßt: Auch bei der Erzählung von dem Prinzen Seson­ chosis handelte es sich um einen idealisierenden Roman mit einer frei erfundenen Handlung.

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Die Betrachtung der beiden Texte dürfte deutlich gemacht haben, daß der idealisierende Roman, auch wenn er der hellenistischen Historiographie stofflich und darstellungstechnisch zweifellos ganz besonders eng verwandt ist, sich als Gattung sehr wahr­ scheinlich ebensowenig direkt aus der älteren Form der Prosaer­ zählung entwickelte wie aus dem Epos, der Komödie oder anderen literarischen Genres. Es war Ben Edwin Perry, der in seinem Buch The Ancient Romances: A Literary-Historical Account of Their Origins von 1967 erstmals die Frage stellte, ob denn für die Gene­ se einer literarischen Gattung immer so etwas wie eine Neuent­ wicklung aus bereits vorhandenen Gattungen, die an evolutionäre Vorgänge in der Natur erinnert, notwendig sei. Angesichts der un­ bestrittenen Tatsache, daß sich in einer literarischen Gattung im­ mer irgendwie der Zeitgeist einer Epoche widerspiegelt, war es für diesen Gelehrten besser vorstellbar, daß der idealisierende Roman seine Genese einer Idee verdankte, mit der ein origineller Kopf auf offenbar vorhandene, aber bisher nicht angemessen befriedigte Le­ serbedürfnisse seiner Gegenwart reagierte. Perry formulierte die­ sen Gedanken in zwei mittlerweile berühmt gewordenen Sätzen so: »The first romance was deliberately planned and written by an in­ dividual author, its inventor. He conceived it on a Tuesday afternoon in July, or some other day or month of the year« (S. 175). Und die Leserbedürfnisse, denen der geniale Anonymus Rechnung trug, ergaben sich für den Gelehrten aus dem Verlangen des helle­ nistischen und kaiserzeitlichen Griechen nach Kompensation pri­ vater Probleme durch eskapistische Träume von einer Wunsch­ welt. Falls Perry recht hatte, wäre der Roman vom Typ der Ephesiaka auch in diesem Punkt der »Traumfabrik« des Fernseh­ films vergleichbar.

Der idealisierende Roman - ein profaner Erlösungsmythos?

Traf Perry mit seiner Entstehungshypothese das Richtige? Um es gleich zu sagen: Jüngste Untersuchungen zur soziokulturellen Lage des Griechentums in der Zeit der Entstehung der ersten idealisie­ renden Romane haben ergeben, daß dies sehr wahrscheinlich nicht der Fall ist. Aber da Perrys Theorie in der Forschung fast dreißig Jahre lang geradezu dogmatische Gültigkeit besaß - auch ich

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stimmte ihr in der 1. Auflage dieses Buches rückhaltlos zu sei kurz ausgeführt, wie er argumentierte. Zuvor jedoch möchte ich darauf hinweisen, daß wenige Jahre vor dem Erscheinen von Perrys Buch Reinhold Merkelbach eine These zur Entstehung des antiken Romans vortrug, die in eine ganz andere Richtung zu ge­ hen scheint, in Wirklichkeit aber auf ähnlichen Überlegungen be­ ruhte wie diejenige seines amerikanischen Kollegen. Merkelbach versuchte in seinem Buch Roman und Mysterium in der Antike von 1962 fast alle erhaltenen antiken Romane als liturgische Texte zu Mysterienritualen für Isis, Dionysos etc. zu deuten. Diese These wurde mehrfach so überzeugend widerlegt, daß eine nähere Aus­ einandersetzung damit sich hier erübrigt. Aber eines sei im Hin­ blick auf Perrys These festgehalten: Ebenso wie den in einen Mysterienkult Eingeweihten nach Bestehen der vorgeschriebenen Prüfungen noch auf Erden Geborgenheit unter dem Schutz seiner Gottheit, seelische Befreiung von seinen Nöten und Ängsten und nach dem Tode ewige Glückseligkeit erwarten, winken, wie wir am Beispiel der Ephesiaka Xenophons gesehen haben, den Ro­ manhelden nach einer Kette gefährlicher Abenteuer das HappyEnd und künftig unangefochtene Geborgenheit unter dem Schutz der Ehegemeinschaft. Diese literarische Fiktion kann ja, weil von ihr ein Identifikationsangebot ausgeht, wie die Mysterienreligionen Hoffnungen auf die Erlösung von Leiden und das Eingehen in ein besseres Dasein wecken. Deshalb interpretierte Perry, gefolgt von dem ebenfalls sehr einflußreichen Romanforscher Bryan Reardon (Phoenix 23, 1969, 291 ff.), das Handlungsschema des ideali­ sierenden Romans als einen profanen Erlösungsmythos. Und die Probleme, von denen der sich mit Romanhelden identifizierende Leser der ersten Erzählungen vom Typ der Ephesiaka befreit zu werden wünschte, sahen die beiden Gelehrten in den politischen, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen für das Leben im griechischen Sprachraum in den ersten Jahrhunderten nach dem Tod Alexanders des Großen gegeben. Perry und Reardon gingen davon aus - und hier folgten sie Geschichtstheorien des 20. Jahrhunderts, die offenkundig von po­ litischen Erfahrungen der eigenen Zeit geprägt waren -, daß die Errichtung der Diadochenmonarchien, durch die die Polisgemeinschaft der klassischen Epoche Griechenlands ihrer politischen Be­ deutung beraubt worden sei, einen Rückzug der bisher in den

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Stadtstaaten an der Regierungsverantwortung beteiligten Bürger ins Private und zugleich eine Vereinsamung des Individuums be­ wirkt habe. Dadurch, daß die neue Führungsmacht in der Regel vom einzelnen Bürger weit entfernt war, sei bei ihm eine gewisse Unsicherheit darüber entstanden, ob seine politischen und ökono­ mischen Interessen immer noch die von ihm gewünschte staatliche Unterstützung fanden; jedenfalls habe, er sich von der im 3./2. Jahrhundert v. Chr. nicht abreißen wollenden Serie von Kriegen und von der stetig steigenden Zahl von Räuber- und Piratenban­ den in seinem privaten Glück ständig bedroht gesehen. Nach der Übernahme der Macht im griechischen Sprachraum durch die Rö­ mer sei der Vereinsamung des Individuums trotz des nunmehr be­ ginnenden allgemeinen Friedens und der deutlichen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage kein Ende gesetzt worden. Denn nun seien dem einzelnen Bürger die Herren, die Politik machten, erst recht fremd gewesen, so daß für ihn noch mehr Anlaß bestanden habe, sich ins Private zurückzuziehen, dort Beschäftigungen nach­ zugehen, die Ersatz für die einst ganz selbstverständliche Aus­ übung von Ämtern im politischen Bereich boten, und so auch eskapistische Literatur zu lesen, die eine Traumwelt präsentierte und Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen weckte. Eine wichtige Voraussetzung für die Richtigkeit der Überle­ gungen Perrys zur Gattungsgenese wäre, daß die vermutlich älte­ sten der erhaltenen Romantexte bereits in hellenistischer Zeit entstanden, Charitons Kallirhoe im 1. Jahrhundert v. Chr. und der Ninos-Roman sogar schon im ausgehenden 2. Jahrhundert v. Chr. Neuere Untersuchungen, die sich vor allem auf die Sprachanalyse stützten, gelangten jedoch zu dem überzeugenden Ergebnis, daß beide Romane frühestens in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. verfaßt wurden. Der antike Roman ist, wie gleich näher auszuführen sein wird, sehr wahrscheinlich ein Produkt der in etwa von 50-250 n. Chr. anzusetzenden geistigen Epoche der Zweiten Sophistik, so daß auch nicht davon auszugehen ist, daß Kallirhoe und Ninos-Roman hellenistische Vorläufer hatten, von denen sich nur zufällig keine Spuren erhalten haben. Doch wenn die ersten idealisierenden Romane nicht in der Zeit des Hellenis­ mus geschrieben wurden, wie steht es dann mit den Lesern, die sich von dem »profanen Erlösungsmythos« aus der eigenen Ge­ genwart in eine Wunschwelt entführen lassen wollten? Wenn es

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dieses Publikum während der Zeit der politischen Umwälzungen bis zum Beginn der Regierungszeit des ersten römischen Kaisers, des Prinzeps Augustus, noch nicht gab, formierte es sich dann unter seiner Herrschaft? Perry und diejenigen Gelehrten, die sei­ ner Entstehungshypothese zustimmten, dachten sich als Leser von Texten, die im Vergleich mit der als klassisch geltenden griechi­ schen Literatur eher trivial wirken, ein denkbar breites mittelstän­ disches Publikum mit geringem geistigen Anspruch und desto größerem Bedürfnis nach einem profanen Erlösungsmythos. Es ist nun zu zeigen, daß speziell diese Art von Rezipienten des ideali­ sierenden Romans weder im Hellenismus noch in der Kaiserzeit existiert haben dürfte.

Die antiken Romanleser

Unser Wissen auf dem Gebiet der Lesersoziologie der klassischen Antike ist denkbar gering, aber man darf aufgrund jüngster Ar­ beiten zu diesem Thema davon ausgehen, daß höchstens 15% der Gesamtbevölkerung lesen und schreiben konnten und als Konsu­ menten von Literatur lediglich die Angehörigen der reichen und gebildeten Oberschicht in Frage kommen. Nur sie waren es auch, die sich die Anschaffung von Büchern, deren Herstellung sehr auf­ wendig und entsprechend teuer war, leisten konnten. Was speziell die erhaltenen Fragmente von Papyrusrollen betrifft, auf denen Romantexte stehen, unterscheiden sie sich in der Qualität der Auf­ machung und der Schrift in keiner Weise von den Resten der Rol­ len, auf denen Klassikertexte zu lesen sind. Allein schon aus diesem Befund darf man folgern, daß es dieselben Leute waren, die sich einen Chariton und einen Thukydides kauften. Und daß es gerade nicht ein breites Publikum war, das Romane las, darf man daraus schließen, daß der Anteil von Texten dieser Art von Literatur ge­ genüber den Texten der übrigen Dichtungs- und Prosagattungen innerhalb der bisher entdeckten Papyrusfragmente auffallend ge­ ring ist. Nun ist bekannt, daß in der Antike die mündliche Verbrei­ tung von Literatur eine weit größere Rolle spielte als das Lesen der Texte. Aber selbst wenn die relativ wenigen Besitzer von Roman­ ausgaben andere Interessierte und darunter auch solche, die nicht zur Oberschicht gehörten, durch das Veranstalten von Rezitatio-

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nen mit Texten wie Charitons Kallirhoe oder Heliodors Aithiopika bekannt machten, dürften die Illiteraten unter den Zuhörern wenig Gewinn davon gehabt haben. Denn die Texte sind in einer anspruchsvollen Literatursprache verfaßt und setzen inhaltlich, wenn man sich nicht auf das Rezipieren des äußeren Verlaufs einer Romanhandlung beschränken will, die Kenntnis von Literatur anderer Gattungen voraus, auf die die Romanautoren intertextuell Bezug nehmen. Da es nicht die Aufgabe einer Einführung in die Welt des anti­ ken Romans sein kann, den Stil der griechischen und lateinischen Originaltexte und ihre ausgeklügelte Intertextualität ausgiebig zu beschreiben und dazu Textbeispiele anzuführen - das würde nun auch bei meinen Lesern besondere Sprach- und Literaturkenntnis­ se voraussetzen -, beschränke ich mich im wesentlichen (einige Hinweise werden noch gegeben) auf eine kurze allgemeine Bemer­ kung zu diesen beiden Themen. Für die Epoche der Zweiten Sophistik ist es zum einen charakteristisch, daß die Produzenten von Prosaliteratur die attische Literatursprache des 5./4. Jahrhunderts v. Chr., also die kunstvolle Diktion eines Platon und Demosthenes und der anderen »Klassiker«, in Wortwahl, Syntax und Stil nach­ ahmten. »Attizismus«, wie man diese Art von sprachlich-stilisti ­ scher Norm nennt, kennzeichnet vor allem die jüngeren idealisie­ renden Romane des späten 2. und frühen 3. Jahrhunderts, aber in Ansätzen auch schon die älteren Texte des 1. und frühen 2. Jahr­ hunderts. Zum anderen demonstrieren die Prosaautoren der Zwei­ ten Sophistik und unter ihnen die Verfasser von Romanen - dies gilt gleichfalls für die beiden römischen Schriftsteller Petron und Apuleius - ihre hohe literarische Bildung, die Paideia (griech. paideia zu paideüein »erziehen«), durch explizites und implizites Evo­ zieren von Werken der archaischen und klassischen griechischen Literatur von Homer an. Dabei kann an die Vertrautheit des Lesers mit den Texten in ihrer Gesamtheit, also mit ihrer Struktur und ih­ rer geistigen Aussage, oder mit einzelnen Textabschnitten oder auch nur kurzen Textstellen appelliert werden, und diese Art von Intertextualität spielt wiederum in den späteren Romanen eine größere Rolle als in den frühen. Aber auch Autoren wie Chariton und Xenophon von Ephesos erwarten von ihren Lesern schon so viel Verständnis einer gehobenen Sprache und so viel literarische Bildung, daß man sich schwer vorstellen kann, sie hätten für ein

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anderes Publikum als die Oberschicht geschrieben. Der zu Beginn des ersten Kapitels gezogene Vergleich der antiken Romane mit TV-Familienserien erweist sich also nur im Bereich der Motivik, nicht jedoch in dem des geistigen Niveaus als berechtigt. Die wenigen aus der Antike überlieferten Hinweise auf Perso­ nen, die mit Sicherheit oder vermutlich griechische Romane gele­ sen haben, bestätigen die aus Beschaffenheit und Anzahl der Papyrusfragmente und der impliziten Aussage der Texte gezogenen Folgerungen. Es ist möglich (wenn auch nicht sehr wahrschein­ lich), daß schon Ovid mit der bekannten Erzählung von Pyramus und Thisbe in seinen auf etwa 8 n. Chr. zu datierenden Metamor­ phosen (4.55-166) parodistisch auf den idealisierenden Roman anspielt und daß Persius, der 34-62 n. Chr. lebte, Charitons Kallirhoe meint, wenn er Lesern, die höhere Literatur nicht zu schät­ zen wüßten, »vormittags ein Edikt des Prätors und nach dem Mit­ tagessen Kallirhoe« übergibt (1.134). Aber vermutlich dürfen wir für Petron, dessen Satyrica man allgemein in die Mitte des 1. Jahr­ hunderts n. Chr. datiert, die Bekanntschaft mit dem idealisieren­ den Roman voraussetzen, da es, wie wir sehen werden (s. S. 83 ff.), gut denkbar ist, daß er diesen Gattungstyp in seinem komisch­ realistischen Roman spielerisch abwandelte. Die drei Römer ge­ hörten der Oberschicht ihres Staates an, und das gilt ebenso für den um 200 n. Chr. lebenden Schriftsteller Philostrat, der in sei­ nem 66. Brief vermutlich Chariton attackiert, und insbesondere für Kaiser Julian, dessen Bemerkung über »Liebesgeschichten« ich bereits zitiert habe (s. S. 46). Schließlich sind natürlich die übrigen griechischen und römischen Romanautoren zu nennen, die, wie sich aus ihrem anspruchsvollen Stil und ihrer Belesenheit ergibt, Familien angehört haben müssen, die es sich leisten konnten, ihren Söhnen eine höhere Schulbildung zuteil werden zu lassen. Ist einmal festgestellt, daß idealisierende Romane frühestens in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. und von Anfang an für die Elite der Gesellschaft im griechischen Sprachraum verfaßt wurden, dann wird man fragen müssen, ob es auch unter dieser Voraussetzung denkbar ist, daß die Leser der Prosaerzählungen vom Typ der Ephesiaka dem öffentlichen Leben entfremdete und sich vereinsamt fühlende Individuen waren. Darauf kann man spä­ testens seit dem Erscheinen von Simon Swains Buch Hellenism and Empire: Language, Classicism, and Power in the Greek World,

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AD 50-250 (Oxford 1996) wohl nur noch eine negative Antwort geben. Die folgenden Ausführungen zum Verhältnis des idealisie­ renden Romans zu dem politischen Selbstverständnis, das die grie­ chische Oberschicht in den ersten Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit unter dem Einfluß der Zweiten Sophistik entwickelte, fußen im wesentlichen auf Swains Darstellung.

Idealisierender Roman und Zweite Sophistik

Zunächst einmal ist davon auszugehen, daß die Angehörigen der griechischen Oberschicht nicht, wie die lange gültigen Theorien über die Ursachen der Entstehung der Gattung Roman voraus­ setzten, mit der Errichtung der Flächenstaaten nach Alexanders des Großen Tod ihre bis dahin im Rahmen der Polisverwaltung ausgeübte politische Macht verloren. Noch unter der Römer­ herrschaft, und zwar insbesondere zu der Zeit, in der die aus der Antike überlieferten Romane entstanden, bekleidete die Elite Staatsämter und trug die Verantwortung für das Funktionieren kommunaler Institutionen. Freilich war man sich in der Ober­ schicht darüber im klaren, daß man die höchste Regierungsgewalt an die Herren aus dem Westen hatte abgeben müssen. Aber man konnte ihrer auf militärische Überlegenheit gegründeten Macht­ position die eigene »Position der Stärke« entgegenhalten: das Ver­ fügen über ein großes Reservoir geistiger »Macht«, welches sich auf die ebenso umfangreiche wie hoch angesehene literarische Produktion des Griechentums in der klassischen Vergangenheit (5./4. Jahrhundert v. Chr.) gründete. Dieses kulturelle Erbe ge­ genüber den Römern zu vertreten mußte ein wichtiges Anliegen für die in einer Polis führenden Männer sein, da sie sich nur auf solche Weise so etwas wie eine übergreifende politische Identität schaffen konnten. Dazu mußten sie nicht nur von vornehmer Ab­ stammung und wohlhabend sein, sondern auch über Paideia, also über eine solide Vertrautheit mit den Errungenschaften der helleni­ schen Kultur, verfügen. Um diese Vertrautheit zu erlangen, ließen sie sich von den Vertretern der sogenannten Zweiten Sophistik un­ terweisen, die ganz im Sinne des Zeitgeistes an die Tradition einer Gelehrtenbewegung des klassischen Griechenlands, der »ersten« Sophistik, anknüpften. Bei ihnen handelte es sich um Rhetoren, die

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über denkbar breite geistes- und naturwissenschaftliche Kenntnis­ se verfügten und diese als Schulleiter, Fest- und Wanderredner vermittelten. Soweit sie literarisch tätig waren - hier sind als be­ kannteste Schriftsteller Plutarch, Dion von Prusa, Aelius Aristides, Lukian und Philostrat zu nennen -, schöpften sie bewußt aus dem Motivarsenal der archaischen und klassischen griechischen Dich­ tung und Prosa und sorgten so dafür, daß die geistige Macht eines Homer, Sophokles oder Thukydides stets gegenwärtig war. Diese gezielte Reproduktion von Griechenlands großer Vergan­ genheit findet im idealisierenden Roman ihre Entsprechung in der attizistischen Diktion, der Intertextualität und vor allem in der (bereits S. 45f. näher betrachteten) historischen Einkleidung der Handlung mehrerer Texte, deren Protagonisten Griechen sind, bzw. in dem Ausklammern der römischen Staatsmacht aus den Er­ zählungen, die nicht ausdrücklich fingieren, sie enthielten Ereignis­ se früherer Zeiten. Griechentum wird aber nicht nur als bedeuten­ des historisches Phänomen evoziert und glorifiziert, sondern auch im Kontrast zu jeder Art von Barbarentum. So dürfte es sich u. a. erklären, daß die Bedrohung des im Zentrum der idealisierenden Romane stehenden Liebespaars durch Angehörige fremder Völker, insbesondere Räuber und Piraten, eine besonders wichtige Rolle in der Erzählstruktur spielt. Da der bedrohte Grieche und seine Part­ nerin sich stets aus jeglicher Notlage zu befreien wissen, wird dem Leser spannend und anschaulich zugleich demonstriert, wie Grie­ chentum sich überall in der Fremde behauptet. Dieses Prinzip ist durchaus auch im Ninos-Roman erkennbar, obwohl dort die Lie­ benden selbst Barbaren sind. Denn der unbekannte Verfasser des Romans hat, wie wir sahen, seine Darstellung der assyrischen Kul­ tur so stark griechisch eingefärbt, daß die zeitgenössischen Leser sich mit Ninos und Semiramis, die gegenüber der historischen Tra­ dition auffallend »zivilisiert« erscheinen, ohne weiteres identifizie­ ren konnten, und für den Sesonchosis-Roman dürfte Entsprechen­ des gegolten haben. Vielleicht war das Muster in beiden Fällen Xenophons Kyrupädie (s. S. 27f.) mit ihrer Darstellung eines »ed­ len Barbaren« als eines Staatsmannes, der auch und gerade für die Oberschicht der griechischen Polis - sie sprach der Autor ja an vorbildlich sein sollte. Bezeichnenderweise ist das Ambiente aller Manifestationen von Barbarei und Gefahr in den idealisierenden Romanen stets das

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Land, das so wiederum in Kontrast zur Polis als dem wichtigsten Ort der Repräsentation hellenischer Kultur gesetzt wird. Die Stadt kann aber nur dann ein unerschütterliches Symbol des Griechen­ tums sein, wenn die vornehmen und wohlhabenden Familien Sor­ ge dafür tragen, daß ihre Kinder die Kinder anderer vornehmer und wohlhabender Familien heiraten, ihrerseits Kinder zeugen und so die Kontinuität ihrer Machtposition sicherstellen. Zur Unter­ stützung und Bewahrung dieses Prinzips tragen in den Romanen die aus besten Verhältnissen stammenden Liebenden im Zentrum des Geschehens auf geradezu spektakuläre Weise bei, indem sie sich zu Beginn der Handlung ewige Treue schwören, diese einan­ der auf ihrer abenteuerlichen Reise auch in Not und Gefahr eisern halten und so schließlich ermöglichen, daß sie am Ende der Reise ein von nun an nicht mehr gefährdetes Dasein als Verheiratete führen. Die Ehe und damit auch die Familie als ein wichtiges Fundament der Polisgemeinschaft ist offensichtlich ein durch die idealisierenden Romane mindestens implizit vertretenes Ideal, und dieses paßt gut zu einer literarischen Gattung, deren erster Nähr­ boden, wie jüngste Untersuchungen glaubhaft zeigen konnten, ver­ mutlich Westkleinasien mit seiner in der Kaiserzeit besonders aus­ geprägten Stadtkultur war. Es ist gewiß kein Zufall, daß Chariton und Xenophon, die Verfasser der beiden ältesten erhaltenen ideali­ sierenden Romane, wie fragwürdig auch immer die Authentizität ihrer Namen und der mit ihnen verbundenen Herkunftsorte sein mag, in der Textüberlieferung in Zusammenhang mit den Städten Aphrodisias und Ephesos stehen. Die Romane vom Typ der Ephesiaka erzählen also keinen Erlö­ sungsmythos, sondern den Mythos von der Selbstbehauptung des auf eine große kulturelle Vergangenheit gestützten Griechentums in einer feindlichen Welt. Mag sein, daß auch dieser Mythos eska­ pistische Züge trägt. Aber der »griechische Traum«, wie er sich jetzt als Thema des idealisierenden Romans präsentiert, ist ein Pro­ dukt dessen, was man heute Nationalstolz nennen würde, nicht ein Produkt der Angst. Perry, der mit seiner Theorie der Gattungsge­ nese offenbar auf der falschen Spur war, hatte dennoch sicherlich recht mit seiner Zurückweisung der »biologischen« zugunsten einer soziokulturellen Erklärungsmethode. Vielleicht gab es sogar seinen inventor der Gattung, jenen genialen Anonymus, der an

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einem Dienstagnachmittag im Juli oder an einem anderen Tag in einem anderen Monat zur Feder griff. War es so, dann schrieb er den ersten europäischen Roman jedenfalls nicht in der hellenisti­ schen Epoche, sondern zu einer Zeit, als der siebte Monat auch wirklich schon seinen an Julius Cäsar erinnernden Namen trug. Es paßt eigentlich ganz gut, daß das Wort Rom in dem modernen Gattungsbegriff steckt.

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Der idealisierende Roman: Ältere Texte

ine literarhistorische Betrachtung der erhaltenen antiken Ro­ mane und Romanfragmente sieht sich mit dem Problem kon­ frontiert, daß die Datierung der Texte sehr unsicher ist. Aus fol­ genden Überlegungen heraus habe ich dennoch versucht, die Entwicklungsgeschichte der Gattung wenigstens in groben Zügen nachzuzeichnen: Für die kleine Gruppe der vollständig (bzw. in einem Falle als Epitome) überlieferten Texte darf als sicher gelten, daß die Romane Charitons und Xenophons in der ersten Hälfte der Epoche der Zweiten Sophistik, also ungefähr zwischen 50 und 150 n. Chr., und die Romane des Achilleus Tatios, Longos und Heliodor in der zweiten Hälfte dieser Epoche - vermutlich zwi­ schen 150 und 250 - verfaßt wurden. Verhältnismäßig früh - viel­ leicht schon zu Beginn der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts, wenn die Datierung von Petrons Satyrica auf etwa 65 n. Chr. zu­ trifft - dürfte der Gattungstyp des komisch-realistischen Romans entstanden sein, und zwar ging er möglicherweise aus spielerischer Auseinandersetzung mit dem idealisierenden Roman hervor. Es bietet sich also an, drei Gruppen zu bilden und diese in je einem Kapitel zu behandeln: zunächst Kallirhoe und Ephesiaka zusam­ men mit den fragmentarisch überlieferten Texten, die man zeitlich und/oder thematisch in ihre Nähe gerückt hat, dann die komisch­ realistischen Romane und schließlich die drei jüngeren idealisie­ renden Romane wieder zusammen mit den ihnen zeitlich und/oder thematisch nahestehenden Romanbruchstücken. Diese von Achil­ leus, Longos und Heliodor beherrschte Gruppe habe ich deswegen hinter die der komisch-realistischen Romane gestellt, weil die drei jüngeren idealisierenden Romane zumindest stellenweise sehr deutlich mit den Gattungskonventionen spielen und somit Elemen­ te beider Erzähltypen miteinander vereinen.

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Chariton, Kallirhoe

Der höchstwahrscheinlich älteste der vollständig erhaltenen anti­ ken Romane, Charitons Kallirhoe, ist zwar nur in einer einzigen mittelalterlichen Handschrift überliefert (Cod. Laur. Conv. Soppr. 627 in Florenz), aber Reste von drei zwischen 150 und 250 n. Chr. beschriebenen Papyrusrollen (P. Fayüm. 1; P. Oxy. 1019 und 2948; P. Michael. 1) und einem Pergamentpalimpsest aus dem 6. oder 7. Jahrhundert (Cod. Theb.) belegen, daß er bis in die Spätantike ge­ lesen wurde. Über den Autor wissen wir nur das wenige, was er uns selbst sagt. Er bezeichnet sich als Sekretär eines Rhetors und nennt als seinen Herkunftsort Aphrodisias im südwestlichen Kleinasien. Der Kult der Aphrodite in dieser Stadt war offenbar mit dem Venus-Kult des julisch-claudischen Kaiserhauses verbun­ den und garantierte so entsprechend gute Verbindungen zwischen der Oberschicht der Polis und Rom. Chariton schreibt Koine-Griechisch, verwendet aber bereits Attizismen, so daß diejenigen recht haben dürften, die seinen Roman in die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. oder etwas früher datieren; die bereits erwähnte Bemer­ kung des Persius (s. S. 57) gäbe eine Bestätigung, falls er Charitons Kallirhoe meint. Daß der Titel des Romans nur aus diesem Namen bestand und nicht, wie der Codex Florentinus angibt, »Die Liebes­ geschichte von Chaireas und Kallirhoe« lautete, darf man aus dem Schlußsatz des Autors folgern: »So viel habe ich über Kallirhoe niedergeschrieben.« Denkbar wäre freilich auch der pseudohistori­ sche Titel Sikelika, da die Handlung im Syrakus des ausgehenden 5. Jahrhunderts v. Chr. beginnt und endet. Wie bei Xenophon von Ephesos (s. S. 72ff.) heiraten die beiden Liebenden bereits zu Beginn des Romans und werden nicht lange nach der Hochzeit getrennt. Aber die Abenteuer, die Chaireas und Kallirhoe bis zu ihrer Wiedervereinigung jeweils erleben, werden nicht wie in den Ephesiaka in einander rasch abwechselnden Kurz­ episoden erzählt, sondern in größeren Handlungsblöcken, die identisch sind mit Buchpaaren des insgesamt acht Bücher umfas­ senden Romans. In Buch 1 und 2 steht das Geschehen um Kalli­ rhoe im Vordergrund, im zweiten Buchpaar dominieren die Leiden des Chaireas, in Buch 5 und 6 befinden sich beide, wenn man sie auch immer noch voneinander getrennt hält, am selben Ort, und im letzten Buchpaar liegt der Schwerpunkt wieder auf den Erleb­

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nissen des Chaireas. Daß diese symmetrische und entsprechend le­ serfreundliche Handlungsgliederung vom Autor intendiert ist, er­ kennt man auch daran, daß zu Beginn von Buch 5, also zu Beginn der zweiten Werkhälfte, kurz das bisher erzählte Geschehen zu­ sammengefaßt wird. Am Anfang des letzten Buches findet sich so­ gar eine Liste der wichtigsten Erzählmotive des Romans (8.1.4): Ich glaube aber, daß gerade dieses letzte Buch für die Leser sehr er­ freulich sein wird; denn es befreit von den betrüblichen Dingen der früheren Bücher: Darin gibt es keinen Raub mehr, keinen Sklaven­ dienst, keinen Prozeß, keinen Kampf, keinen Gedanken an Selbst­ mord, keinen Krieg und keine Gefangenschaft, sondern rechtmäßi­ ge Liebe und gesetzliche Ehe.

Es ist ganz deutlich, daß der Erzähler implizit das Ethos der griechischen Oberschicht propagiert, das ich im letzten Kapitel (s. S. 58ff.) behandelt habe. Die »gesetzliche Ehe« als wichtiges Fundament der Polisgemeinschaft erscheint als Emblem einer selbstbewußten hellenischen Kultur, die sich betont von einer au­ ßerhalb ihres Herrschaftsbereiches drohenden Welt der Barbarei, des Unrechts und der Gewalt absetzt. Chaireas verliert seine Frau, die Tochter des Strategen Hermokrates, dadurch, daß er ihr, von den zurückgewiesenen Freiern auf­ gehetzt, einen derben Fußtritt versetzt. Sie fällt in Ohnmacht, wird als Scheintote in einem Gewölbe beigesetzt, durch Grabräuber von Syrakus nach Milet gebracht und dort als Sklavin an Dionysios, den vornehmsten Bürger der Stadt, verkauft, der sich sofort in sie verliebt und sie heiraten möchte. Da Kallirhoe von Chaireas schwanger ist, willigt sie aus Rücksicht auf den künftigen sozialen Status ihres Kindes in die Ehe ein. Aber diese Verzweiflungstat sie ist im Motivarsenal der erhaltenen Romane singulär - rettet sie, die jeder beim ersten Anblick für Aphrodite hält, nicht vor weite­ ren Nachstellungen. Nachdem Chaireas bald danach auf der Suche nach seiner Frau von dem Anführer der Grabräuber ihr weiteres Schicksal erfahren hat, ihr nach Milet gefolgt ist und im benach­ barten Karien als Sklave in die Gewalt des persischen Satrapen Mithridates geraten ist, versucht der längst in Kallirhoe verliebte Perser in der Hoffnung, sie am Ende für sich selbst zu gewinnen, Chaireas zu helfen. Dionysios, der Mithridates daraufhin als Riva-

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len verdächtigt, beschwert sich bei Pharnakes, dem Satrapen von Lydien und Ionien. Aber da auch dieser Mann Kallirhoe liebt und die Sache dem Großkönig meldet, werden Dionysios und Mithri­ dates am Ende der ersten Hälfte des Romans an den Hof nach Ba­ bylon zitiert, damit sie sich dort vor Gericht verantworten. Natür­ lich ahnt man aufgrund der eher beiläufigen Bemerkung des Erzählers, König Artaxerxes wolle außerdem die wegen ihrer Schönheit berühmte Kallirhoe kennenlernen, wer ihr nächster Ver­ ehrer sein wird. Der nun folgende, den zweiten Teil des Romans eröffnende Pro­ zeß, der als Höhepunkt des Geschehens mit allen Mitteln dramati­ scher Darstellungskunst geschildert wird und in dem von Mithri­ dates inszenierten überraschenden Auftritt des von Kallirhoe und Dionysios mittlerweile für tot gehaltenen Chaireas gipfelt, führt zu keiner Entscheidung darüber, wem die junge Frau künftig gehören soll. Denn Artaxerxes behält sich seinen Schiedsspruch für einen späteren Termin vor und benutzt die dadurch gewonnene Zeit dafür, der Kallirhoe durch einen Vertrauten seine Liebe erklären zu lassen. Seine Werbungen werden jedoch durch einen Aufstand der von Persien abhängigen Ägypter unterbrochen, der eine gänzlich neue Situation schafft: Chaireas, der bisher wenig Aktivität gezeigt hat, erhält eine Gelegenheit, sich an Artaxerxes für dessen Verhal­ ten zu rächen, indem er auf der Seite der Ägypter als Feldherr kämpft. Obwohl auch sein Rivale Dionysios im Dienste des Perser­ königs großartige Kampftaten vollbringt und dadurch zur Nieder­ schlagung des Aufstandes erheblich beiträgt, gelingt es Chaireas, zunächst die Stadt Tyros und dann die Insel Arados zu erobern, wohin Artaxerxes Kallirhoe zusammen mit den Frauen seines Ha­ rems geschickt hat. Wir greifen mit dieser immerhin das gesamte siebte Buch umfassenden, ein wenig unvorbereitet in das Gesche­ hen eingebauten Beschreibung des Liebhabers als eines Kriegshel­ den ein innerhalb der jüngeren idealisierenden Romane nur noch in den Babyloniaka des Iamblichos sicher nachzuweisendes Motiv. Letztendlich auf Xenophons Kyrupädie zurückgehend und hier durch die Wahl des Schauplatzes an den »Alexander-Roman« erin­ nernd, dürfte es, wie sein Vorkommen in Ninos- und SesonchosisRoman und Kallirhoe vermuten läßt, in den älteren Texten insge­ samt eine wichtige Rolle gespielt haben. Das achte Buch enthält dann, gewissermaßen als Kontrast, ein wie in einer Komödie in­

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szeniertes Verwechslungsspiel mit anschließender gegenseitiger Wiedererkennung der Liebenden, die nun endlich nach Syrakus zurückkehren und dort ihr restliches Leben in ungetrübtem Ehe­ glück verbringen können. An Charitons Erzähltechnik fällt neben der Klarheit des Handlupgsaufbaus besonders die Dramatisierung weiter Teile des Ro­ mangeschehens auf. Man hat errechnet, daß etwa 90% der Hand­ lung in Form von bühnenartigen Szenen präsentiert werden, wovon rund die Hälfte aus direkter Rede besteht, und nur 10% als reiner Faktenbericht. Dadurch, daß der Erzähler die agierenden Personen so häufig selbst zu Wort kommen läßt - nicht selten in langen Monologen -, setzt er das äußere Geschehen teilweise in seelische Vorgänge um und gewinnt zugleich die Möglichkeit, die Grenzen, die die Gattungstradition der Entfaltung seiner Psycholo­ gisierungskunst steckt, immer wieder zu überschreiten. Besonders bei den Nebenfiguren - z.B. dem Räuberanführer Theron - sind ihm einige Charakterbilder mit individuellem Profil geglückt. Roh­ des abfällige Äußerungen über die schriftstellerische Leistung Cha­ ritons, die lange nachwirkten, sind daher - das konnte eine Reihe von Interpretationen aus jüngster Zeit eindeutig zeigen - verfehlt. Dies gilt ebenso für die Beurteilung des offenbar am Vorbild Xenophons von Athen geschulten Stils der Kallirhoe, dessen schlichter Sachlichkeit man mit Attributen wie »farblos« nicht gerecht wird. Xenophon und andere Klassiker der griechischen Historiogra­ phie sind überhaupt in dem Roman Charitons durch intertextuelle Bezüge präsent. Das beginnt gleich mit dem ersten Satz, der deut­ lich an den ersten Satz des Thukydides erinnert: Ich, Chariton von Aphrodisias, Sekretär des Rhetors Athenagoras, will eine Liebesgeschichte erzählen, die sich in Syrakus zugetragen hat.

Thukydides von Athen hat den Krieg der Peloponnesier und Athe­ ner aufgezeichnet.

Man hat die Handlungszusammenfassungen bei Chariton mit den kurzen Rückblicken zu Beginn der Bücher 2-5 von Xenophons Anabasis, die uns die Handschriften überliefern, verglichen. Ferner wurde darauf hingewiesen, daß in ähnlicher Weise, wie der

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Romanautor eine in Syrakus spielende Liebesgeschichte ankün­ digt, ihren Schauplatz aber schon am Ende des ersten Buches von Sizilien nach Kleinasien verlegt, die Titel von Anabasis und Kyrupädie sich jeweils nur auf das erste Buch des Werkes beziehen. Eine der Anspielungen auf die Anabasis scheint mir besonders feinsinnig: Der bei Xenophon am Anfang geschilderte Marsch der Zehntausend gegen Artaxerxes II. findet in der Reise der rivalisie­ renden Liebhaber der Kallirhoe an den Hof desselben Perserkönigs seine pikante Entsprechung. Insgesamt spielt Intertextualität bei Chariton freilich noch keine so große Rolle wie in den jüngeren idealisierenden Romanen. Of­ fenbar verfügte dieser Autor nicht in so hohem Maße über die von Vertretern der Zweiten Sophistik erwartete Paideia, wie wir es in späteren Texten etwa bei Apuleius oder bei Heliodor finden. So sind denn auch die sich durch sein ganzes Werk hindurchziehenden Bezüge auf Homer nicht von der ausgeklügelten Subtilität wie bei den genannten Romanschriftstellern. Geradezu betulich wirkt es zumindest auf den ersten Blick -, wenn der Erzähler der Kallirhoe gelegentlich einen oder mehrere Verse aus der Ilias oder der Odys­ see, die zur gerade vorliegenden Situation passen, in seinen Prosa­ text einlegt. Entweder er läßt eine der handelnden Personen eine direkte Rede mit den Worten Homers fortsetzen bzw. bekräftigen; z. B. beendet Chaireas, als er dem Ägypterkönig erklärt, er wolle für ihn kämpfen, das, was er sagt, mit diesen Worten (7.2.4):

Ich wäre schon längst tot, gemessen an dem vielen Unglück, das ich durchgemacht habe, in Zukunft will ich aber nur noch leben, um meinem Feind zu schaden. Wahrlich, nicht ohne Mühe und rühmlos will ich zugrund gehn, Sondern Großes vollbringend, wovon auch die Spätren erfahren. Oder der Erzähler läßt seinen eigenen Bericht in ein Verszitat über­ gehen, z. B. am Ende der Szene, in der die Liebenden nach ihrer Wiedervereinigung einander erzählen, was sie seit der Trennung erlebt haben (8.1.17):

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Als es aber genug war der Tränen und des Erzählens, da umfingen sie einander, und

Freudig kamen sie dann zu der Stätte des Lagers wie einstmals.

Man hat gesagt, Chariton habe die Homerzitate deswegen in sei­ nen Roman eingelegt, weil er die junge und von den Lesern noch nicht als vollwertig anerkannte Literaturgattung durch den Rekurs auf den großen epischen Erzähler »salonfähig« machen wollte. Aber woher wissen wir, daß der Roman einer Legitimation ge­ genüber seinem Publikum überhaupt bedurfte? Wenn die ver­ wandte neuzeitliche Gattung im 17./18. Jahrhundert gewisse Schwierigkeiten zu überwinden hatte, um sich zu etablieren, muß das nicht für den idealisierenden Roman des 1. Jahrhunderts gel­ ten. Es liegt näher, daran zu denken, daß Chariton seine insgesamt eher pathetische Liebesgeschichte ein wenig durch Situations­ komik auflockern wollte. Denn es ist schon amüsant, wenn der bis zu der eben zitierten Stelle ziemlich passive Chariton sich plötz­ lich der Worte bedient, die Hektor vor seinem letzten Zweikampf, dem mit Achilleus, spricht (Ilias 22.304f.). Und an der zwei­ ten Stelle, wo der Erzähler die Liebesvereinigung von Chariton und Kallirhoe unmittelbar vor dem fade-out mit derjenigen von Odysseus und Penelope gleichsetzt (Odyssee 23.296), mag der Leser sich schmunzelnd vor Augen führen, daß die Frau des hero­ ischen Dulders (der Chaireas gewiß nicht ist) während der Abwe­ senheit ihres Mannes einer ganzen Truppe von Freiern widersteht, während Kallirhoe - aus welch edlen Gründen auch immer - nach der Trennung von Chaireas gleich ihren ersten Verehrer heira­ tet. Da es durchaus möglich ist, daß Charitons Roman nicht der allererste Vertreter des neuen Erzähltyps war, müssen wir damit rechnen, daß sich in der Kallirhoe schon zaghafte Ansätze zum Spiel mit der Gattung finden.

Romane um Parthenope, Chione und Kalligone Hatte Chariton, soweit er für seinen Stoff historisches Material verwendete, auf Thukydides und Xenophon zurückgegriffen, so bezog der Verfasser des Parthenope-Romans wichtige Anregungen

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von Herodot. Er holte sich aus dessen Geschichtswerk Metiochos, den Sohn des athenischen Strategen Miltiades, als jugendlichen Liebhaber und den Tyrannen Polykrates von Samos als Vater für seine weibliche Hauptfigur Parthenope. Zwei nicht allzusehr be­ schädigte Textkolumnen auf Papyrusbruchstücken des 2. Jahrhun­ derts n. Chr., die heute in Berlin aufbewahrt werden (P. Berol. 7927 + 9588 + 21179), enthalten die Schilderung einer Gelagesze­ ne am Hof des Polykrates zu Beginn des Romans. Diese Szene setzt die erste Begegnung des sich als Gast bei dem Herrscher aufhalten­ den Metiochos mit Parthenope voraus, bei der sie sich auf den er­ sten Blick ineinander verliebt haben. Offensichtlich ohne Kenntnis davon erklärt Polykrates am Anfang des erhaltenen Textes, er kön­ ne sich Metiochos als seinen Schwiegersohn vorstellen, und eröff­ net dann den Umtrunk und eine Diskussion über das Wesen des Eros unter dem Vorsitz des Philosophen Anaximenes (der viel­ leicht in dem Textfragment P. Erl. 7 spricht). In dem nach dem Vorbild des Platonischen Symposion konzipierten Redewettstreit spricht als erster Metiochos, der aus rationalistischer Sicht Zweifel an der Existenz des göttlichen Knaben und seiner Waffen äußert und dies damit belegt, daß er die Leiden der Liebe noch nicht ken­ ne und auch nicht kennenlernen wolle. Mit dem Anfang einer zor­ nigen Erwiderung der Parthenope, die an dem herkömmlichen Mythos festhalten möchte, bricht der Text ab. Wir wissen aber, wie die Handlung an dieser Stelle weiterging. Denn die Gastmahl­ szene findet sich auch in einer persischen Bearbeitung des Parthenope-Romans, dem fragmentarisch erhaltenen Versroman Vämiq u ‘Adhrä (»Wamik und Asra«) des im 11. Jahrhundert lebenden Dichters Abu’l-Qäsim ‘Unsurt. Diesem Text zufolge besang an­ schließend der Chorlyriker Ibykos zur Lyra die Schönheit der Par­ thenope und des Metiochos, und als im Anschluß daran jemand sich nach der Herkunft der Lyra erkundigte, erzählte Metiochos den Mythos von der Erfindung des Instrumentes durch den Gott Hermes. Verstreute antike Notizen über die Handlung des verlorenen Romans sowie Reste eines verzweifelten Briefes des von Parthe­ nope getrennten Metiochos an die Geliebte auf einem Ostrakon (O. Bodl. 2175) machen es wahrscheinlich, daß die beiden irgend­ wann im Laufe der Romanhandlung auseinandergerissen wurden und daß es Parthenope auf der Suche nach Metiochos nach Unter­

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italien und Persien verschlug, wobei ihre Keuschheit ständig be­ droht war; aus der Darstellung dieser Irrfahrt stammt vielleicht das kurze Fragment P. Oxy. 435. Tomas Hägg, der den eben genannten persischen Versroman für eine Rekonstruktion des Parthenope-Romans auswertete, konnte weiteres Material für sein Puzzle aus der in einem Fragment sowie in arabischer Übersetzung überlieferten koptischen Märtyrerlegende von der heiligen Parthenope gewinnen, die vermutlich auf ein spätantikes griechisches Original zurückgeht. Seine Kombinationen erscheinen plausi­ bel. Denn zwei von ihm erschlossene Szenen - eine gewaltsame Entführung der Parthenope durch den Perserkönig und ein listig inszenierter Scheintod, durch den sie sich seinen Nachstellungen entzieht - sind, wenn wir Charitons Kallirhoe und andere griechi­ sche Romane zum Vergleich heranziehen, gut vorstellbar. Schließ­ lich ist auf zwei Mosaike, die Metiochos und Parthenope zeigen, zu verweisen (Abbildungen in: Hägg, Eros und Tyche, Mainz 1987, S. 35-37). Das eine von beiden - es wurde wie das bereits erwähnte Ninos-Mosaik in einer Villa in Daphne bei Antiochia in Syrien entdeckt - könnte, da der junge Mann darauf militärische Kleidung trägt, eine Szene vom Ende des Romans mit der Wie­ dervereinigung der beiden Liebenden nach der Rückkehr des Metiochos von einem Feldzug festhalten. Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen dem Parthenope-Roman und Charitons Kallirhoe sowohl in einzelnen Motiven als auch im Sprachgebrauch läßt es denkbar erscheinen, daß Chariton beide Romane verfaßte. Außerdem macht ihn die Tatsache, daß sich sti­ listisch und thematisch Verwandtes auch in den Fragmenten eines Chione-Romans sowie in zwei Berliner Bruchstücken einer Papyrusrolle des 2. oder 3. Jahrhunderts n. Chr. (P. Berol. 10535 + 21234) findet, zum potentiellen Autor mehr als eines Romans. Für seine Verfasserschaft könnte im Falle des Chione-Romans auch sprechen, daß die Fragmente aus demselben Pergamentpalimpsest des 6. oder 7. Jahrhunderts n. Chr. stammen, in dem man Bruch­ stücke der Kallirhoe entdeckt hat (Cod. Theb.). Leider ist der sechs Blätter umfassende Text - vier Blätter mit Resten aus Buch 8 der Kallirhoe und zwei Blätter vom Anfang des Chione-Romans nicht einmal mehr vollständig erhalten. Der Kodex verbrannte nach seiner Überführung von Ägypten nach Deutschland im Hafen von Hamburg, und wir besitzen nur die Textteile, die der Ent­

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decker der Handschrift, Ulrich Wilcken, u. a. während einer nächtlichen Bootsfahrt auf dem Nil beim Schein einer flackernden Lampe entziffern konnte. Von dem Text des Chione-Romans, der überdies entstellt war, weil man ihn für die Abschrift einer kopti­ schen Predigt weggeschabt hatte, haben wir noch drei Kolumnen. Entsprechend lückenhaft ist das Bild, das dieser Text von der Handlung zu Beginn des Chione-Romans vermittelt. Immerhin darf man es für wahrscheinlich halten, daß auch dieser Roman einen pseudohistorischen Hintergrund hatte. In der ersten Kolum­ ne ist entweder von einer Königsherrschaft (basileia) oder einer Königin (basileia) die Rede. Wenn die zweite Lesart stimmt, dann spricht viel für eine von Nicoletta Marini geäußerte Vermutung (Athenaeum 80, 1993, 587ff.): Die Königin könnte eine ähnliche Rolle wie die Frau des Königs Artaxerxes II. in Charitons Kallirhoé gespielt haben. Chione, wahrscheinlich die Protagonistin des Romans, geriet vielleicht dadurch in Schwierigkeiten, daß sie einen anderen Mann liebte als den für sie bestimmten Bräutigam. Denn die dritte Kolumne zeigt sie offenbar im Gespräch mit dem Mann ihrer Wahl, dem sie für den Fall, daß es keine Rettung aus ihrer Lage gibt, ihre Bereitschaft zum Selbstmord andeutet. Anschei­ nend begann bald darauf die übliche Serie von Abenteuern des Paars bis zur glücklichen Wiedervereinigung. Ein Versuch Michael Gronewalds, die eben genannten Berliner Bruchstücke, über deren Inhalt sich wenig sagen läßt, mit dem Chione-Roman in Verbin­ dung zu bringen (Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 35, 1979, 15 ff.), führte zu keinem überzeugenden Ergebnis. Historisches Kolorit dürfte schließlich auch der Kalligone-Roman gehabt haben, aus dem zwei Fragmente einer kalligraphisch beschriebenen Papyrusrolle des 2. Jahrhunderts n. Chr. (PSI 981) und zwei bruchstückhafte Kolumnen eines Papyrus des 3. Jahr­ hunderts n. Chr. (P. Oxy. ined. 112/130) erhalten sind. Die Szene in der älteren Handschrift spielt vermutlich im Balkanraum während eines Krieges der Sarmaten gegen die Skythen. Hier wird uns erzählt, wie Kalligone - doch wohl die Heldin des Romans sich im Zelt eines gewissen Eubiotos mit einem Dolch umbringen will und den Mann beschimpft, weil er sie daran hindert. Die Ur­ sache für ihre Verzweiflung könnte, da sie unter Tränen den Tag verflucht, »an dem sie Erasinos auf der Jagd gesehen hatte«, die Trennung von dem von ihr geliebten Mann oder die Annahme

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sein, daß dieser tot ist. Der Text bricht ab, als sie gerade erklärt hat, sie sei keine Amazone und keine Themisto, sondern Griechin, und dann dem Eubiotos droht, ihn zu erwürgen. Aus dem jüngeren Papyrusfragment erfahren wir, daß Kalligone mit einem Schiff an einer »amazonischen Küste« gestrandet ist. Als Gefangene vor die Amazonenkönigin Themisto geführt, stellt sie sich ihr vor und er­ wähnt in diesem Zusammenhang die milesische Kolonie Borysthenes, das griechische Olbia. Hellenentum wurde offenbar wieder einmal mit einer besonders exotischen fremden Welt konfrontiert. Auch der Kalligone-Roman ist in einem Griechisch verfaßt, das zeitliche Nähe des Werkes zu der Kallirhoe anzeigt. Nimmt man die in diesem Kapitel bisher besprochenen Texte mit den im letzten Kapitel behandelten Romanen um Ninos und Sesonchosis zusam­ men - auch diese beiden Texte gehören ja aufgrund ihrer Sprache offenkundig in die Frühzeit des idealisierenden Romans -, erhält man eine stattliche Reihe von Werken der Erzählprosa des 1. Jahr­ hunderts n. Chr., die vermutlich alle als Vorläufer des neuzeitli­ chen historischen Romans anzusehen sind. Die drei im folgenden zu behandelnden Romane, Xenophons Ephesiaka, die Phoinikika des Lollianos und der Thule-Roman des Antonios Diogenes, deren Entstehungszeit ebenfalls nicht allzuweit von derjenigen der Kalli­ rhoe abliegen dürfte, lassen erkennen, daß schon in der ersten Pha­ se der Entwicklung des idealisierenden Romans die Gattung eine bemerkenswerte Variationsbreite aufwies.

Xenophon von Ephesos, Ephesiaka

Die Ephesiaka (»Ephesische Geschichten«) des Xenophon von Ephesos in fünf Büchern, deren Inhalt ich bereits im ersten Kapitel ausführlich referiert habe (S. 12 ff.), gehören vielleicht einer etwas späteren Entwicklungsphase des idealisierenden Romans an als Charitons Kallirhoe. Denn Xenophon häuft unbekümmert Aben­ teuer auf Abenteuer, übertrifft somit die Episoden bei Chariton durch seine vergleichbaren Episoden an Zahl bei weitem, und dar­ aus könnte man auf eine routinierte Selbstverständlichkeit schlie­ ßen, mit der ein Romanautor sich mittlerweile der traditionellen Gattungselemente bedient. Es wird im allgemeinen davon ausge­ gangen, daß die Ephesiaka frühestens am Ende des 1. Jahrhun­

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derts n. Chr. entstanden, da das Amt eines eirenärches (»Friedens­ richter«), auf das in 2.13.3 und 3.9.5 vermutlich angespielt wird, erst für die Regierungszeit des Kaisers Trajan (98-117) bezeugt ist. Man wird mit der Datierung freilich auch nicht über 150 n. Chr. hinausgehen, weil ein Vergleich mit dem in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstandenen Roman des Achilleus Tatios es wahrscheinlich macht, daß Xenophon der ältere Autor ist. Be­ reits im letzten Kapitel wies ich darauf hin, daß es möglich ist, in dem Namen des Verfassers der Ephesiaka ein Pseudonym zu se­ hen, das seine Verehrung für Xenophon von Athen als eine Art »Archegeten« der Gattung zum Ausdruck bringen soll (S. 45). Seine sonst nur noch durch die Suda belegte Herkunft aus Ephesos ist vielleicht ebenfalls fingiert. Xenophons Angaben über die Stadt sind nicht die eines Ortskenners, und deshalb ist gleichfalls gegenüber der Behauptung des byzantinischen Lexikons, der Romanautor habe auch ein Buch »Über die Stadt der Epheser« und weitere Werke geschrieben, Skepsis angezeigt. Laut Suda umfaßte der Roman nun auch nicht fünf, sondern zehn Bücher, und diese Angabe zählt zu einer ganzen Reihe von Argumenten, die man immer wieder dafür vorgebracht hat, daß es sich bei dem uns vorliegenden Text der Ephesiaka, der nur in einer einzigen mittelalterlichen Handschrift überliefert ist (Cod. Laur. Conv. Soppr. 627 in Florenz), um eine Epitome handelt. Die wich­ tigsten Indizien dafür sind die häufig fehlende Motivierung für eine bestimmte Handlungsentwicklung - z.B. wird in 4.4 mit kei­ nem Wort erklärt, warum Habrokomas seine Suche nach Anthia plötzlich von Ägypten nach Italien verlegt - und die rasche Abfol­ ge der Ereignisse. Der Erzähler nennt sie meist nur als reine Fak­ ten, ja berichtet über sie geradezu protokollarisch, oder wie Erwin Rohde es formuliert hat: »Er hat überall Eile, er reisst uns, wie ein mürrischer Galleriediener, mit geschäftsmässiger Hast von einem Bilde zu dem andern, so dass uns kaum irgendwo die so flüchtig vorüberhuschenden Gestalten recht deutlich werden« (Der grie­ chische Roman und seine Vorläufer, Leipzig 1876, S. 402). Unter­ suchungen des Textes, die zu dem Ergebnis kamen, daß er gekürzt ist, überzeugen mehr als solche, die den überlieferten Roman für die Originalversion halten. Da die Ereignisse bis zur Trennung des Ehepaars in der Mitte des zweiten Buches und dann wieder die Szenen im fünften Buch, in dem es zur Wiedervereinigung mehre­

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rer Personen der Handlung kommt, ausführlicher dargestellt sind, kann man davon ausgehen, daß nur der Bericht über die Reise­ abenteuer auf eine Aufzählung der wichtigsten Fakten reduziert wurde. Doch auch diejenigen Partien der Ephesiaka, die nicht im Verdacht stehen, gekürzt zu sein, verraten das Bestreben des Er­ zählers, Ereignisse nicht wirklich zu schildern oder gar auszuma­ len, sondern wie ein Chronist aneinanderzureihen. Denn Xenophon macht sich im Gegensatz zu Chariton nicht die Mühe, die Charaktere seiner Figuren individuell zu zeichnen, sondern läßt sie lediglich als Funktionsträger agieren; bei den Nebenpersonen ist das besonders auffällig. Xenophons Sprache, die nur einen leichten Anstrich von Atti­ zismus aufweist, ist arm an Ausdrucksmitteln und schmucklos, ja syntaktisch geradezu primitiv. Besonders charakteristisch für die Diktion dieses Romanautors sind stereotype Formulierungen und monotone Überleitungsfloskeln. Ihre Häufigkeit veranlaßte James O’Sullivan dazu, den Nachweis zu versuchen, der uns vorliegende Romantext stehe mit seiner Formelsprache in einer volkstümli­ chen, mündlichen Erzähltradition, sei also nicht das Ergebnis einer Kürzung und müsse wegen seiner schlichten Darstellungsweise so­ gar als der älteste der überlieferten griechischen Romane angese­ hen werden (Xenophon of Ephesus: His Compositional Technique and the Birth of the Novel, Berlin 1995). Die Forschung hat diese These einhellig abgelehnt; mit Recht wurde z. B. gesagt, daß gerade die stereotypen Floskeln bei der Epitomierung des Textes verwen­ det worden sein dürften, da sie sich zum Raffen der Erzählung gut eignen. Daß nicht Xenophons Ephesiaka die Reihe der erhaltenen idealisierenden Romane anführt, sondern Charitons Kallirhoe, hat man schon mehrfach aus einem Vergleich der beiden Autoren ge­ schlossen. Xenophon sucht Chariton offensichtlich nicht nur in der Zahl der Abenteuer zu übertrumpfen, sondern auch darin, daß er Szenen seines Werks, die mit Szenen in der Kallirhoe motivisch verwandt sind, melodramatische und sensationelle, ja groteske Züge verleiht. Bei beiden Autoren findet sich z. B. eine Szene, in der die für tot gehaltene Protagonistin in eine Grabkammer einge­ schlossen ist. Während nun Kallirhoe ganz einfach um Hilfe ruft und ihr Schicksal beweint, ist Anthia, die sich ja vergiften wollte, aber, ohne es zu wissen, nur ein Schlafmittel einnahm, jetzt zum Hungertod entschlossen. Das allein schon ist stark überzeichnetes

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Pathos, und noch deutlicher zeigt sich das, wenn man ihre Worte an die Räuber, die das Grab aufbrechen, mit Kallirhoes Worten in der analogen Situation vergleicht. Diese sagt beim Anblick Therons, der mit vorgehaltenem Schwert in die Gruft eindringt (1.9.5): »Habe Mitleid, wer immer du bist, mit einer Frau, die kein Mitleid fand bei Mann und Eltern. Töte nicht die, die du gerettet hast!« Anthia dagegen sagt, als die Grabräuber sie mitnehmen wollen (3.8.4):

»Männer, wer immer ihr seid, nehmt und tragt fort diesen ganzen Schmuck, wie kostbar er auch ist, und alles, was mit mir ins Grab gelegt wurde, aber verschont mich. Zwei Göttern bin ich geweiht, Eros und Thanatos [Tod], Ihnen laßt mich dienen. Bei euren heimi­ schen Göttern, zeigt mich nicht dem Tageslicht, mich, die ich erlit­ ten habe, was in Nacht und Finsternis gehört.« Es grenzt an Parodie, wenn Xenophon diese Frau darum bitten läßt, sie nicht aus der Grabkammer zu holen. Wie Chariton dürfte auch Xenophon zumindest ansatzweise mit der Gattungstradition gespielt haben. Hätten wir den Originaltext, würden wir das viel­ leicht deutlicher sehen. Das Bemühen Xenophons um quantitative und qualitative Er­ weiterung des traditionellen Motivarsenals äußert sich auch darin, daß er den Göttern einen ungewöhnlich hohen Anteil am Gesche­ hen zuweist. Chariton hatte im wesentlichen die Schicksalsgöttin Tyche walten und darüber hinaus Aphrodite die aus dem Epos überkommene Rolle der zürnenden Gottheit spielen lassen. Die­ ses Motiv verwendete vermutlich auch der Autor des Parthenoperomans. Denn daraus, daß Metiochos eine Rede gegen die Macht des Eros hält, und daraus, daß in der koptischen Legende von der heiligen Parthenope der Teufel Einfluß auf das Geschehen ausübt, darf man schließen, daß der Zorn des Liebesgottes als Mittel zum Vorantreiben der Handlung eingesetzt war. Auch Xenophon läßt Eros zürnen und die Liebenden mit seiner Rache verfolgen, aber davon ist im erhaltenen Text schon zu Beginn des zweiten Buches zum letzten Mal die Rede. Gleichgültig ob dieser Gott in der Ori-

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ginalfassung nochmals auftauchte oder nicht, jedenfalls wirken, je nachdem, wo Habrokomas und Anthia sich jeweils gerade aufhal­ ten, mehrere andere Götter auf das Geschehen ein. Unter ihnen zeichnen sich besonders Helios und Isis durch ihre Hilfeleistungen aus. Mag sein, daß dies für tiefe Religiosität des Autors spricht, aber der aufwendige Einsatz eines Götterapparates dürfte auch einem erzählstrategischen Zweck dienen. Der Mythos vom grie­ chischen Menschen, der, aus der Geborgenheit der Polis gerissen, in eine Serie von lebensbedrohenden Abenteuern gerät und den­ noch wohlbehalten an den Sitz der jahrhundertealten Kultur, die ihn geprägt hat, zurückkehrt, erhält dadurch, daß die Götter an der Inszenierung des Geschehens beteiligt sind, höhere Weihe.

Lollianos, Phoinikika Aufgrund eines aufregenden Papyrusfundes, der vor rund dreißig Jahren gemacht wurde, wissen wir jetzt, daß in der frühen Kaiser­ zeit nicht nur der Typ des »historischen Romans«, den für uns al­ lein Charitons Kallirhoe als vollständiger Text repräsentiert, mehr­ fach vertreten war. Die Phoinikika (»Phönizische Geschichten«) des Lollianos belegen, daß es auch neben Xenophons Ephesiaka mindestens einen weiteren Roman gab, in dem möglichst sensatio­ nelle und spannende Abenteuer in rascher Folge aneinandergereiht waren, kein allzu großer Wert auf eine individuelle Personencha­ rakterisierung gelegt und in einem stilistisch anspruchslosen Grie­ chisch mit nicht sehr umfangreichem Wortschatz und einfachem Satzbau erzählt wurde. Von den Phoinikika sind uns Reste eines Papyruskodex der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. (P. Colon. 3328) und ein in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. auf die Rückseite einer Urkundenrolle geschriebenes Text­ stück (P. Oxy. 1368) erhalten. Der Roman dürfte also wie die Ephesiaka in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstan­ den sein. Zur Frage nach der Identität des Autors ist grundsätzlich zu bemerken, daß der römische Name Lollianus in dieser Zeit häu­ fig belegt ist. Der in der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. in Athen als Professor der Rhetorik wirkende Sophist P. Hordeonius Lollia­ nus muß es also nicht gewesen sein; die einfache Sprache des Tex­ tes macht die Zuweisung an ihn eher unwahrscheinlich. Freilich ist

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unsere Kenntnis der Phoinikika viel zu lückenhaft, als daß wir in der Autorfrage eine endgültige Entscheidung für oder gegen den Rhetor treffen könnten. Von den insgesamt 46 Fragmenten des Kölner Papyrus verraten das meiste über den Inhalt des Romans zwei kurze Textpassagen vom Ende des ersten Buches und zwei längere Abschnitte, mit de­ nen ein späteres Buch (die Buchzahl läßt sich nicht feststellen) schließt und das darauffolgende beginnt. Im letzten Fragment des ersten Buches lesen wir den Bericht eines jungen Mannes über sei­ ne erste Liebesnacht; er verbrachte sie mit einer Frau namens Persis. Das Thema und die unverhüllte Form der Darstellung rücken diese und die übrigen Szenen der Phoinikika, die uns erhalten sind, in die Nähe des komisch-realistischen Romans. Man hat in der Tat bei Lollianos an mehreren Stellen Motivverwandtschaft mit Petrons Satyrica, Pseudo-Lukians Lukios oder Der Esel und den Me­ tamorphosen des Apuleius festgestellt. Da jedoch nirgendwo in unseren Fragmenten etwas von offener Komik oder Satire zu ver­ spüren ist, besteht kein Anlaß, die Phoinikika gleichfalls unter die komisch-realistischen Romane zu rechnen. Ebenso wirkungsvoll wie das erste ist auch das andere uns erhaltene Buchende gestaltet. Bis in alle Einzelheiten wird hier geschildert, wie in Gegenwart eines gewissen Androtimos - wohl des Protagonisten - Räuber einen Knaben schlachten, von dessen gebratenem und in zwei Hälften zerschnittenem Herzen kosten und beim Blut des Herzens einen Eid schwören, daß sie ihren Anführer (?) niemals verlassen und ihn weder in Gefängnishaft noch unter Folterqualen verraten werden. Zu Beginn des nächsten Buches lesen wir die Beschreibung eines auf den Knabenmord fol­ genden orgiastischen Gelages, bei dem Erbrochenes und das unge­ nierte Rülpsen und Furzen der Räuber den Ekel des Androtimos erregen. Schließlich schlafen sie sogar vor seinen Augen mit ihren Frauen. Um Mitternacht werden irgendwelche Leichen entkleidet, durchs Fenster nach draußen gebracht und einen Felsabhang hinuntergeworfen. Die Räuber verlassen dann den Raum, nach­ dem die einen weiße Gewänder angezogen und ihre Gesichter mit Bleiweiß gefärbt haben, um nicht erkannt zu werden, die anderen schwarze Kleidung angelegt und sich die Gesichter mit Asche eingerieben haben. Am Ende des Textbruchstücks erfahren wir noch, daß Androtimos als gut bewachter Gefangener zurückbleibt,

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und lesen ohne erkennbaren Zusammenhang das Wort »Gold­ schmiedewerkstatt«. Albert Henrichs, der Erstherausgeber der Kölner Fragmente, hielt den Teil der Erzählung, der von der Ermordung des Knaben bis zur Vermummung der Räuber reicht, für einen originalgetreu­ en Bericht über den Verlauf der Einweihungszeremonien des Dionysos-Zagreus-Mysterienkultes und sah dadurch die Deutung der meisten antiken Romane als Mysterientexte durch Reinhold Merkelbach (s. S. 53) bestätigt. Andere Forscher haben jedoch den Text mit Szenen bei Xenophon von Ephesos und Achilleus Tatios verglichen, in denen Räuber Ritualmorde planen oder vollziehen, und sie haben wahrscheinlich machen können, daß wir es hier wie dort mit einer Variante des für die Gattung typischen ScheintodMotivs zu tun haben. Mit guten Gründen wurde vermutet, daß es sich bei dem Knaben, der in Wirklichkeit also gar nicht geopfert wird, um den Geliebten des Androtimos oder eher noch um seine als Knabe verkleidete Geliebte handelte. Ebenso fand man für die seltsame Vermummung der Räuber eine plausible »profane« Er­ klärung. Eine auffallend ähnliche Szene in den Metamorphosen des Apuleius (4.22) legt den Gedanken nahe, daß die Räuber sich ganz einfach als schwarze und weiße Gespenster zurechtmachten, um bei ihrem nächsten Raubüberfall (auf die rätselhafte Gold­ schmiedewerkstatt?) unerkannt zu bleiben und gleichzeitig ihre Opfer oder deren potentielle Helfer zu erschrecken. Daher wird man annehmen dürfen, daß auch die Gruselszene, die wir in dem Fragment aus Oxyrhynchos lesen, sich irgendwann als Hokuspo­ kus herausstellte oder dem Leser schon von vornherein als solcher durchschaubar war. In diesem Text erscheint einem gewissen Glauketes, der auch in den Fragmenten des ersten Buches eine Rolle spielt, während eines nächtlichen Ritts der Geist eines ermordeten jungen Mannes und bittet ihn, seinen Leichnam und den eines gleichfalls ermordeten schönen Mädchens, die unter einer Platane lägen, etwas abseits vom Wege zu bestatten. Als Glauketes jedoch nur erschrocken nickt, verschwindet die Erscheinung.

Antonios Diogenes, Die Wunderdinge jenseits von Thule

Es hätte sich angeboten, von den Phoinikika des Lollianos direkt

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zu den komisch-realistischen Romanen überzugehen. Aber aus zwei Gründen behandle ich zuvor noch Tä hyper Thotilen äpista (»Die Wunderdinge jenseits von Thule«) des Antonios Diogenes. Zunächst einmal ist der Text vermutlich vor der Mitte des 2. Jahr­ hunderts entstanden, gehört also zeitlich in die Nähe der bisher in diesem Kapitel besprochenen Romane. Außerdem handelte es sich bei dem Thule-Roman, den wir nur aus einer Inhaltsangabe und wenigen Papyrusbruchstücken kennen, vielleicht um eine Art Mischform aus idealisierendem und komisch-realistischem Ro­ man. Denn den Romanen vom Typ der Ephesiaka glich dieser Text darin, daß ein junges Paar - in diesem Falle waren es allerdings Ge­ schwister - Reiseabenteuer erlebte. Und die Tatsache, daß der Au­ tor des Thule-Romans sich selbst (vermutlich im Proömium) als »Dichter der Alten Komödie« bezeichnete und damit doch wohl in die Tradition des Aristophanes und der anderen Vertreter dieser Gattung stellte, läßt an thematische Verwandtschaft mit Romanen vom Typ des in gewisser Weise »aristophanischen« Lukios oder Der Esel Pseudo-Lukians denken. Komisch könnten z. B. die Pas­ sagen des Thule-Romans gewesen sein, in denen von utopischen Reisestationen die Rede war; vielleicht ähnelte der Text hier Lukians Wahren Geschichten. Der Verlust des Originaltextes dieses einzigartigen literarischen Werkes ist vermutlich der bedauerlichste auf dem Gebiet der uns nicht direkt überlieferten Texte der griechischen Erzählliteratur. Deshalb ist es als ein besonderer Glücksfall anzusehen, daß wir außer drei kürzeren Textfragmenten eine Inhaltsangabe des im 9. Jahrhundert n. Chr. lebenden byzantinischen Patriarchen Photios besitzen (cod. 166). Auf dieses Referat ist freilich nicht allzuviel Verlaß. Denn der Vergleich der erhaltenen Aithiopika Heliodors mit der Zusammenfassung, die der Patriarch von der Handlung dieses Romans gegeben hat (cod. 73), zeigt, daß, wenn wir darauf angewiesen wären, die Aithiopika anhand der Angaben des Photi­ os zu rekonstruieren, unser Bild vom tatsächlichen Inhalt erheblich abweichen würde. Über den Autor des Thule-Romans können wir nicht mehr sagen, als der römische Bestandteil seines Namens ver­ rät. Danach nahm er aus irgendwelchen Gründen den Gentilnamen der Antonii an. Da dieser in Verbindung mit Diogenes einzig in Aphrodisias inschriftlich bezeugt ist, ergibt sich die Möglich­ keit, daß unser Antonios aus demselben geistigen Umfeld wie Cha-

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riton kam. Falls der Faustinus, an den er das Proöm richtete, mit dem reichen Freund Martials (z. B. in Epigramm 1.25) identisch war, wäre der Thule-Roman schon um 100 n. Chr. entstanden. Der Terminus ante quem, den die erhaltenen Papyri (PSI 1177; P. Oxy. 3012; P. Gen. 187 [?]) setzen, liegt allerdings erst bei etwa 200 n. Chr. Die allein schon im Referat des Photios kaum zu überblickende Fülle der Einzelepisoden des wie die Homerischen Epen über 24 Bücher verteilten Romangeschehens erlaubt mir hier keine allzu genaue Wiedergabe des Inhalts, geschweige denn eine Besprechung der erhaltenen Textstücke. Die komplizierte Verschachtelungstech­ nik des Aufbaus erschwert es zusätzlich, auf engem Raum einen ei­ nigermaßen befriedigenden Gesamteindruck zu vermitteln. Derje­ nige Teil des Romans, der in etwa dem Handlungsschema des idealisierenden Romans entsprach, war in eine vierfache Umrah­ mung eingebettet und umfaßte die Bücher 2-23. Darin erzählte die junge Tyrierin Derkyllis ihrem Liebhaber Deinias, wie sie zusam­ men mit ihrem Bruder Mantinias aus ihrer Heimatstadt fliehen mußte, weil die beiden, angestiftet von dem bösen ägyptischen Priester und Zauberer Paapis, ihren Eltern einen vermeintlich hei­ lenden Trank gegeben hatten, der diese in einen todesähnlichen Schlaf versetzte. Ihre anschließenden Reiseerlebnisse im westlichen und östlichen Mittelmeerraum bestanden teils aus ganz ähnlichen Abenteuern, wie wir sie aus den Romanen mit einem Liebespaar im Zentrum der Handlung kennen - es findet z. B. auch eine vor­ übergehende Trennung des Paares statt -, teils aber auch aus phan­ tastischen Begebenheiten, ja sogar aus solchen, die im außerirdi­ schen Bereich spielten. Die Reise endete vorläufig hoch im Norden auf der Insel Thule, wo Paapis, der die Geschwister die ganze Zeit über verfolgt hatte, sie in einen vampirartigen Zustand versetzte. Sie mußten tagsüber im Todesschlaf liegen, so daß Derkyllis ihren Abenteuerbericht auf mehrere Nächte verteilen mußte; wahr­ scheinlich waren es 22, entsprechend der Buchzahl des Teils des Romans, der ihre Erzählungen enthielt. Ihr Zuhörer Deinias war im ersten Buch auf einer längeren Erkundungsreise nach Thule ge­ kommen, setzte diese Fahrt dann in Buch 24 nach der Erlösung der Geschwister von dem Todeszauber - darüber berichtete im Roman sein Freund Azulis - bis zum Mond fort und traf schließlich in Ty­ ros, wohin ihm Derkyllis zusammen mit ihrem Bruder vorausge-

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reist war, mit der Geliebten zu einem glücklichen Happy-End zu­ sammen. Auch der Deinias-Rahmen war nur Mittelstück einer mehrfa­ chen Verschachtelung, der der Autor zusätzlich ein Proömium in Form eines Briefes an Faustinus vorausschickte. Das anschließende Widmungsschreiben an seine Schwester Isidora enthielt wiederum einen Brief, in dem Balagros, der Leibwächter Alexanders des Großen, seiner Frau Phila berichtete, wie der König nach der Er­ oberung von Tyros (332 v. Chr.) im Grab des Deinias in einem Kästchen Schreibtafeln aus Zypressenholz mit der Lebensgeschich­ te des Verstorbenen gefunden habe. Der Athener Erasinides hatte sie aufgrund der Darstellung aufgezeichnet, die Deinias seinem Landsmann Kymbas in Tyros gegeben hatte, als dieser ihn in seine ursprüngliche Heimat Arkadien zurückholen wollte. Die verschie­ denen Erzählebenen des Romans beschränkten sich jedoch nicht auf die vierfache Umrahmung der Abenteuererzählungen der Derkyllis und den Bericht des Azulis in Buch 24. Denn Derkyllis traf nach der Trennung von ihrem Bruder den Pythagoreer Astraios, der ihr von seiner Kindheit, der des später persönlich auftretenden Pythagoras-Schülers Zamolxis und dem Leben des Meisters selbst erzählte. Und natürlich hatte auch Mantinias nach der Wiederver­ einigung mit seiner Schwester viel von seinen inzwischen erlebten, größtenteils höchst seltsamen Abenteuern zu berichten. Wir wissen nicht, welchen Umfang die Astraios-Zamolxis-Teile, über deren Inhalt die Pythagoras-Vita des Porphyrios unter Beru­ fung auf Antonios Diogenes einiges erzählt (Kap. 10ff.), innerhalb des Romanganzen hatten. Aber das Referat des Photios läßt ver­ muten, daß sie auf zwei um die Mitte des Derkyllis-Berichtes grup­ pierte Erzählabschnitte verteilt waren und somit den innersten Ring der gesamten Romanhandlung bildeten. Da sie nun neben zahlreichen Wundergeschichten, die z. T. an Philostrats Leben des Apollonios von Tyana erinnern, auch viel philosophische und reli­ giöse Belehrung enthielten und da die Geschwister vor ihrer Tren­ nung sogar eine Reise in die Unterwelt machten, hat man ange­ nommen, die romanhaften Partien des Werkes hätten lediglich das Handlungsgerüst für eine erbauliche Tendenzschrift im Dienste des Neupythagoreismus geliefert. Mit Recht wurde jedoch zur Wider­ legung dieser These auf die Tatsache verwiesen, daß in der Inhalts­ angabe des Patriarchen, der an philosophischer und religiöser The-

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matik ganz besonders interessiert war, die bunten Erzählungen von den Abenteuern des Geschwisterpaars sowie von den phanta­ stischen Reiseerlebnissen des Deinias und des Mantinias einen viel breiteren Raum einnehmen und jeden Bezug zur pythagoreischen Lebens- und Denkweise vermissen lassen. In dem schichtenreichen Erzählwerk führten also drei heterogene Hauptthemen, die durch Anverwandlung des idealisierenden Romans, der Erzählung über phantastische Reisen und der fiktiven Philosophenbiographie ge­ wonnen waren, ein gleichberechtigtes Dasein. Doch der Versuch des Antonios Diogenes, die stereotypen Abenteuer der Helden in Romanen vom Typ der Ephesiaka durch die Erweiterung des Raumes ins Utopische und durch die Konfrontation mit der philo­ sophisch-religiösen Sphäre zu variieren und dadurch der Gattung Roman neue geistige Dimensionen zu erschließen, fand, soweit wir wissen, keine Fortsetzung in einem griechischen Roman. Allein die von Apuleius von Madauros verfaßte lateinische Bearbeitung der Metamorphosen des »Lukios von Patrai« hat, wie wir sehen wer­ den, Vergleichbares aufzuweisen. Um so bedauerlicher ist der Ver­ lust des Thule-Romans. Man wird deshalb verstehen, daß ich, wenn eine gute Fee mir die Möglichkeit gäbe, erhaltene antike Texte gegen verlorene einzutauschen, eine ganze Reihe von »Klas­ sikern« aufzuzählen wüßte (ich nenne lieber keine Namen), die ich, ohne mit der Wimper zu zucken, für ein vollständiges Exem­ plar der Wunderdinge jenseits von Thule herschenken würde.

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Der komisch-realistische Roman

ie Entwicklungsgeschichte des neuzeitlichen europäischen Romans ist bis ins 19. Jahrhundert hinein wesentlich geprägt von einer Auseinandersetzung des realistischen Romans mit der idealisierten Welt des mittelalterlichen und barocken Ritterromans und heroisch-galanten Romans. Das gilt bereits für den im 16. Jahrhundert entstandenen pikaresken Roman mit seinem neuen Typus des Anti-Helden und insbesondere für den ersten großen Roman der abendländischen Literatur, Cervantes’ Don Quixote mit seiner Konfrontation von ritterlicher Idealwelt und brutaler Alltagswirklichkeit. Ein anderer Autor, den man ebenfalls als einen der führenden Wegbereiter des europäischen Romans be­ zeichnen kann, fand zur realistischen Darstellung dadurch, daß er zunächst einen idealisierenden Roman parodierte, die dabei ge­ schaffene Gegenwelt aber im Laufe des Erzählens mehr und mehr um ihrer selbst willen schilderte: Henry Fielding, dessen Joseph Andrews (1742) von einer Verspottung des durch Samuel Richard­ sons Pamela verkörperten Tugendidealismus ausgeht und sich im Laufe der Handlung immer stärker an die im Vorwort ausgespro­ chene Devise hält, der Roman als das neue »Epos in Prosa« habe nicht eine Idealwelt, sondern die Realität darzustellen. Der Versuch, beim Vergleich zwischen antikem und neuzeitli­ chem Roman Analogien aufzuweisen, ist, wie bereits an einem Bei­ spiel gezeigt wurde (s. S. 68), nicht unproblematisch. Aber es ist doch sehr auffällig, daß in Petrons Satyrica typische Szenen des idealisierenden Romans in grotesker Verzerrung erscheinen. Man kann den Eindruck gewinnen, der römische Autor habe bestimmte Elemente der Handlung in Erzählungen von der Art der Ephesiaka Xenophons ganz bewußt ihres wirklichkeitsfremden Pathos be­ raubt, und daraus darf man folgern - beweisen läßt sich das frei­ lich nicht -, daß der komisch-realistische Roman aus dem spieleri­

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sehen Umgang mit dem idealisierenden Roman hervorgegangen ist. Ein literarisches Spiel liegt bei Petrons Präsentation seiner Abenteuerhandlung auf jeden Fall vor. Nehmen wir das Motiv »Liebespaar in einem Seesturm«. Bei Achilleus Tatios richtet Kleitophon, der sich mit Leukippe auf ein Wrackteil gerettet hat, ein Gebet an Poseidon, er möge die Liebenden, wenn sie schon sterben müßten, mit einer einzigen Woge überdecken oder sie von ein und demselben Fisch verschlingen lassen (5.5.4). In vergleichbarer Si­ tuation schlüpft bei Petron der von Enkolpius geliebte Knabe Giton unter dessen Tunika und legt überdies um beide seinen Gürtel, um sicherzustellen, daß »die allzu mißgünstige Flut die Verschlun­ genen nicht auseinanderreiße« (114.10). Wird hier durch die Karikatur implizit zum Ausdruck gebracht, daß eine Szene wie die bei Achilleus Tatios im wirklichen Leben vielleicht weniger thea­ tralisch verlaufen würde, so kann Petron der Idealisierung be­ stimmter Vorgänge, wie wir sie in Romanen vom Typ der Ephesiaka Xenophons finden, ganz direkt die Realität gegenüberstellen: Während z.B. ein Gastmahl im Parthenope-Roman den Anlaß für einen Wettstreit pathetischer Reden über die Macht des Eros bietet (s. S. 69), läßt Petron die bei dem reichen Freigelassenen Trimalchio dinierenden Gäste sich über Alltagsprobleme und noch dazu in vulgärer Sprache unterhalten. Und wie in den Satyrica finden wir in den »Eselsromanen« Pseudo-Lukians und des Apuleius ne­ beneinander das komische Karikieren von typischen Episoden des idealisierenden Romans und einen Realismus, der zwar eine fiktive Welt präsentiert wie der idealisierende Roman, aber in weit höhe­ rem Maße als dieser Bezüge zur Erfahrungswelt des Lesers her­ stellt. Petrons Satyrica setzt man im allgemeinen in die Mitte des 1., den griechischen »Eselsroman« in die erste Hälfte des 2. Jahrhun­ derts n. Chr. Wenn diese Datierungen richtig sind, wäre unser älte­ stes Beispiel für einen komisch-realistischen Roman ein lateini­ scher Text. Nun ist immer wieder behauptet worden, die Satyrica seien kein Roman, sondern stünden in der Tradition der menippeischen Satire, und zwar in ihrer spezifisch römischen Form, die M. Terentius Varro (116-27 v. Chr.) begründete. Denn Petrons Werk weist eine Besonderheit auf, die es mit dieser Gattung, aber nicht mit den beiden »Eselsromanen« gemeinsam hat: In den Prosatext der Satyrica sind immer wieder größere oder kleinere Verspartien

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eingelegt, die teils vom Autor selbst stammen, teils aus lateinischen Dichtungen zitiert werden, d. h., das Werk ist im Prosimetrum ver­ faßt. Außerdem ist es nur in Auszügen überliefert, so daß die Mög­ lichkeit besteht, wir hätten gar nicht die Reste eines narrativen Textes mit einer kontinuierlich fortlaufenden Handlung vor uns, sondern Einzelepisoden, wie sie eine menippeische Satire ohne weiteres hätte bieten können. Man hat beim Versuch einer Wider­ legung der Auffassung, die Satyrica seien der römischen Satire zu­ zuordnen, u. a. darauf verwiesen, daß hier die Instanz des auktorialen satirischen Sprechers fehlt. Denn wir vernehmen in dem Werk nur die Stimme eines das Geschehen miterlebenden Ich-Er­ zählers, des Strolches Enkolpius. Ein wichtiger Einwand, aber es wäre besser gewesen, wenn man - doch das war lange Zeit nicht möglich - unter Verweis auf einen im Prosimetrum verfaßten ko­ misch-realistischen Roman in griechischer Sprache hätte argumen­ tieren können. Die Existenz eines solchen hätte es wahrscheinlich gemacht, daß Petron nicht in der Tradition der römischen Menippea steht, sondern wie später Apuleius mit seinen Metamorphosen eine römische Entsprechung zu griechischer Erzählprosa bietet. Erst seit 1971 kennen wir einen griechischen Text, der, wenn auch nur noch in einem kleinen Ausschnitt vorhanden, eine bemerkens­ werte formale und motivische Ähnlichkeit mit den Satyrica auf­ weist: den Iolaos-Roman. Und seit 1996 dürfen wir davon ausge­ hen, daß wir 41 kleine Bruchstücke eines komisch-realistischen Protagoras-Romans besitzen, von denen zwei (Frg. 4 und 31) wörtlich an drei Stellen der Satyrica (21.2 bzw. 23.4 und 85.3) anklingen.

Bruchstücke aus zwei komisch-realistischen Romanen in griechischer Sprache

Das aus einer Papyrusrolle des 2. Jahrhunderts n. Chr. stammende Fragment des Iolaos-Romans (P. Oxy. 3010) erzählt - zunächst in schlichter Prosa -, daß jemand, dessen Name nicht genannt wird, in die Mysterien der Kybele (einer kleinasiatischen Fruchtbarkeits­ göttin, deren Priester Kastraten waren) eingeweiht worden sei. Den von der neuen Lehre Erfüllten sehen wir im Gespräch mit einem Iolaos, den er - der nachfolgende Text ist sehr lückenhaft -

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anscheinend ebenfalls in die Kybelemysterien einweihen will. Seine Rede besteht nun aus 20 Versen in Sotadeen, einem Metrum, das wir auch aus den Satyrica kennen. Nach einem weiteren Satz in Prosa, der von der Unterweisung des Iolaos durch den neuen Mysten berichtet, endet der erhaltene Text mit Euripides-Versen über den hohen Wert eines treuen Freundes. Es gibt übrigens noch ein weiteres (Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. geschriebenes) Frag­ ment eines prosimetrischen narrativen Textes in griechischer Spra­ che, des »Tinuphis-Romans« (P. Haun. Inv. 400). Aber die Hand­ lung, die im Umfeld eines orientalischen Königshofes angesiedelt ist, läßt keine Verwandtschaft mit der eines komisch-realistischen Romans, sondern mit je einem Abschnitt des aramäischen »Achikar-Romans« und des zum »fringe« der Gattung zu rechnenden »Äsop-Romans« erkennen. Im Iolaos-Bruchstück dagegen ist in den Sotadeen, deren Sprache ziemlich vulgär ist, auch von eroti­ schen Abenteuern des Iolaos, u. a. mit einem Schwulen, die Rede, und man liest an einer Stelle die Worte »mit List ficken«. Es wurde deshalb folgende plausible Erklärung vorgeschlagen: Iolaos sei wie Enkolpius in Petrons Satyrica ein pikaresker Anti-Held, der in der Verkleidung eines Kybele-Kastraten leichten Zugang zu einem Mädchen bekommen will und, um entsprechend sicher auftreten zu können, sich von seinem Spießgesellen Einblick in die Mysteri­ en der Großen Mutter verschaffen läßt. Über den Geschehensverlauf des Protagoras-Romans läßt sich nicht mehr sagen, als daß es während der Handlung, die wohl hauptsächlich im Athen des 5. Jahrhunderts spielte, zwei Seereisen gab: Protagoras (der Protagonist?) fuhr nach Abdera, und minde­ stens zwei Personen begaben sich nach Samos. Jedenfalls ist das Milieu, dem die von Klaus Alpers in dem byzantinischen Lexikon Etymologicum Magnum entdeckten 41 kurzen Prosatexte zuzu­ ordnen sind, wie in Petrons Roman das einer Halbwelt, in der Hetären- und Knabenliebe, das Gastmahl und komödienhafte Figu­ ren wie der Vater mit dem nicht seinen Wünschen entsprechenden Sohn, der Lustgreis und die Vettel eine Rolle spielen. Außerdem weist die Darstellung der handelnden Personen und ihrer Aktionen durch ihre Anschaulichkeit eine deutliche Verwandtschaft mit den realistisch wirkenden Schilderungen der Satyrica auf. Schließlich ist das satirisch-parodistische Element unverkennbar: Wie etwa Eumolpus oder Gorgias (141.5) bei Petron tragen Protagoras und

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ein gewisser Kailias Namen, die auch berühmte Gestalten in Grie­ chenlands großer kultureller Vergangenheit trugen, aber wie in dem römischen Roman haben wir es auch hier mit zweifelhaften Charakteren zu tun. Der von Texten wie den idealisierenden Ro­ manen verbreitete Mythos vom klassischen Hellas wurde also in diesem Roman ins Komische verzerrt, und das wurde formal da­ durch unterstrichen, daß der Text durchgehend attizistisch ist. Für die Datierung liefert der Vergleich von Frg. 20 mit einer Stelle bei Longos (1.28.1), der diese als die spätere erscheinen läßt, einen Terminus ante quem. Danach wäre der Protagoras-Roman späte­ stens um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. geschrieben wor­ den, aber er könnte durchaus auch schon bis zu hundert Jahren früher entstanden sein. Wann immer es war - zusammen mit dem Iolaos-Rotnan liefert dieser Text, auch wenn die Fragmente nichts von Prosimetrum erkennen lassen, ein gewichtiges Argument dafür, daß Petrons Satyrica in der Tradition griechischer komisch­ realistischer Romane stehen dürften. Auf die sich nunmehr erge­ bende Frage, wie man sich die zeitliche Abfolge der einzelnen Tex­ te vorzustellen hat, komme ich noch zu sprechen (s. S. 94).

Petron, Satyrica Ist einmal anerkannt, daß Petrons Werk wirklich ein Roman ist, erweist sich der Titel Satyricon oder Satiricon, den die Handschrif­ ten nennen, als griechischer Genetiv Plural satyricön zu satyrica, abhängig von Uber (Buch; vgl. Vergils Georgicon Uber = Georgica) und damit als spielerische Abwandlung von Titeln wie Ephesiaka oder Phoinikika, wie sie einige idealisierende Romane tragen. Sa­ tyrica würde dann »Geschichten aus dem Lande der Satyrn« be­ deuten, und das brächte zum Ausdruck, daß Petrons Romanhand­ lung nicht in einer idealisierten Welt spielt, sondern daß seine Menschen teils komische, teils realistische Züge tragen. Denn die Satyrn, die ausgelassenen, lüsternen Begleiter des Weingottes Dionysos, kennt man vor allem aus dem griechischen Satyrspiel, dem vierten Stück einer tragischen Tetralogie, in dem die heroisch­ pathetische Welt der Tragödie in einer stellenweise sehr derben Sprache komisch verzerrt wird. Vor dem Hintergrund des ideali­ sierenden Romans erweist sich die Klassifizierung der Satyrica als

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menippeische Satire auch dann nicht mehr als zwingend, wenn man sich an die Homerzitate erinnert, die in den Text von Charitons Kallirhoe eingelegt sind. Mögen die poetischen Einlagen schon dort einen komischen Effekt haben (s. S. 68), so ist dieser bei Petron aufgrund seiner Parodie pathetischen Sprechens und der oft einen grellen Kontrast bewirkenden Einbindung der Verse in den Kontext erheblich höher. So berichtet der Ich-Erzähler Enkolpius z. B. über eine Liebesnacht mit dem Knaben Giton zunächst in poetisch höchst anspruchsvollen Elfsilblern, die in amüsanter Wei­ se das Pathos der berühmten Kußgedichte Catulls (c. 5 und 7) evozieren. Aber dann wird die romantische Stimmung durch die prosaische Fortsetzung des Berichtes jäh zerstört (79.8 f.):

Götter, Göttinnen, welche Nacht erlebt’ ich, und wie weich war das Lager! Wir umschlangen heiß uns, und von den Lippen eins ins andre gossen schweifende Seelen wir. Lebt wohl denn, Menschensorgen! Ich wollte so vergehen. Grundlos aber beglückwünsche ich mich. Denn als ich, benommen von dem starken Wein, hatte sinken lassen in meinem Rausch die Hände, da nahm Askyltos, der Erfinder jeder Art von Schandtat, mir in der Nacht den Knaben weg und trug ihn in sein Bett hinüber, und er wälzte sich dort hemmungslos mit dem Brüderchen, das ihm nicht gehörte und das die Schandtat entweder nicht merkte oder nicht merken wollte, und schlief ein in entwendeter Umarmung, vergessend alles menschliche Recht.

Und noch eines stellt die Satyrica in die Romantradition. Eine be­ sonders auffallende epische Reminiszenz im Roman Charitons, bei Xenophon von Ephesos und wahrscheinlich auch im ParthenopeRoman, das Motiv der Verfolgung des Liebespaars durch den Zorn eines Gottes, in diesem Falle der Aphrodite bzw. des Eros (s. S. 21), findet gleichfalls in den Satyrica ihre komisch-realisti­ sche Entsprechung: Dem Protagonisten Enkolpius zürnt Priapos, der als Statue mit einem überdimensionalen Phallus ausgestattete Fruchtbarkeitsgott, und bestraft ihn u. a. mit etwas, das es in der idealisierend dargestellten Liebe nicht gibt, in der sexuellen Rea­ lität dagegen um so häufiger: Impotenz (128 ff.).

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Wie der Thule-Roman des Antonius Diogenes könnten die Satyrica, wenn der Autor sie vollendete, nach dem Muster der Homeri­ schen Epen 24 Bücher umfaßt haben. Denn der Text, den wir ha­ ben, stammt laut Angabe der Handschriften aus Buch 14-16 und vermutlich noch aus Buch 17-20. Leider sind die Buchgrenzen nicht mehr erkennbar (und unsere Ausgaben deshalb nur in Kapi­ tel eingeteilt), da der Text dieser Bücher, der noch im 9. Jahrhun­ dert vollständig vorhanden war, nur in Exzerpten erhalten ist. Der längste der Textausschnitte, das »Gastmahl des Trimalchio«, dürf­ te in etwa denselben Umfang haben wie der entsprechende Ab­ schnitt in der verlorenen Vorlage und gilt auch, was die Wiederga­ be des Wortlauts der Vorlage betrifft, als einigermaßen zuverlässig. Die Exzerpte aus den Büchern 14ff. vor und nach dem »Gast­ mahl« weisen dagegen zahlreiche Lücken von unbestimmter Länge auf und sind sprachlich an vielen Stellen verdächtig. Das vorhan­ dene Textmaterial reicht jedoch dazu aus, daß man sich vom Inhalt der Bücher 14-20 (?) ein einigermaßen befriedigendes Bild machen und von da aus auf das zentrale Thema des gesamten Romans schließen kann. Danach handelte vermutlich das ganze Werk wie die uns vollständig bekannten idealisierenden Romane von den Abenteuern eines Liebespaars, des jungen hübschen Enkolpius, der als Ich-Erzähler fungiert, und des von ihm geliebten Knaben Giton, aber diesmal in einem sozial niedrigen Milieu des Mittel­ meerraums. Die Handlung der erhaltenen Exzerpte spielt in einer unbekannten Stadt an der Küste Campaniens, während einer See­ reise und in dem unteritalienischen Kroton. Aus dem Text eines der insgesamt 52 kürzeren Fragmente, die aus Quellen außerhalb der Handschriften stammen, darf man vielleicht die Vermutung ableiten, daß die beiden Protagonisten sich irgendwann auch in Massilia (Marseille) aufhielten. Gleich die erhaltenen Szenen vor dem »Gastmahl des Trimal­ chio« zeigen den Liebhaber Enkolpius in Schwierigkeiten, die an die Leiden des liebenden Helden im idealisierenden Roman erin­ nern. Als er nach dem Besuch einer Rhetorenschule (wo er eine öffentliche Deklamation hört und anschließend mit dem Rhetorik­ professor Agamemnon über den Verfall der Beredsamkeit disku­ tiert) und nach einem Irrweg durch die Stadt in sein Quartier zurückgekehrt ist, muß er feststellen, daß sein Gefährte Askyltos ein Auge auf Giton geworfen und bereits versucht hat, den Knaben

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zu vergewaltigen. Bevor aber die beiden Rivalen aus dieser Situa­ tion, die ein weiteres Zusammenleben unmöglich macht, Konse­ quenzen ziehen, erleben sie zusammen mit Giton noch drei Aben­ teuer: 1. eine (wegen der uns nicht mehr kenntlichen Vorgeschichte nur teilweise verständliche) Auseinandersetzung mit einem Bauern und seiner Frau auf dem Marktplatz, bei der die Freunde eine zu­ vor verlorene Tunika, in der Goldstücke eingenäht waren, zurück­ erhalten, 2. eine nächtliche Orgie im Hause einer Quartilla zu Ehren des Priapos mit einer Reihe von obszönen Episoden, die uns von den mittelalterlichen Exzerptoren besonders lückenhaft über­ liefert wurden, 3. das Gastmahl des Trimalchio. Die Cena Trimalchionis steht in einer älteren literarischen Tra­ dition als der des Romans. Sie evoziert das Gastmahl in Platons Symposion, bei dem sich die Teilnehmer statt mit Musik- und Tanzvorführungen durch Gespräche mit verschiedenen Themen und durch Erzählungen unterhalten. Dort dienen Essen und Trin­ ken nur als Vorwand und Hintergrund für die Lehren, die durch die Diskussionen von Gastgeber und Gästen an den Leser vermit­ telt werden. Petron dagegen verwendet beide Elemente, die Abfol­ ge der Speisen und Getränke auf der einen und die Reden und Dia­ loge auf der anderen Seite zu einer ebenso farbigen wie grotesken Schilderung der Lebens- und Denkart einer bestimmten Schicht der römischen Gesellschaft: der zu Vermögen und Einfluß gelang­ ten Freigelassenen. Trimalchio ist ein teils in komischer Verzer­ rung, teils realistisch gezeichneter Parvenü. Er wartet mit immer wieder neuen kulinarischen Genüssen protzig auf, demonstriert aufdringlich seine Halbbildung durch skurrile Erörterungen über Astrologie, Medizin, Rhetorik, Mythologie, bildende Kunst und Literatur und führt seinen Gästen unbekümmert Szenen aus sei­ nem Privatleben vor, darunter den Austausch von Zärtlichkeiten mit einem Knaben und einen heftigen Streit mit seiner Frau. In einer Verlesung seines Testaments und der Generalprobe zu seinem eigenen Begräbnis erreichen diese Geschmacklosigkeiten ihren Höhepunkt. Zwischen Trimalchios Darbietungen sind die Ge­ spräche anderer Freigelassener über ihre Alltagsprobleme mit ihrem Beruf, den Lebensmittelpreisen, der Erziehung ihrer Kinder etc. eingestreut. Dabei scheut Petron sich weder hier noch bei Tri­ malchios Salbadereien davor, in einer für die antike Literatur bei­ spiellosen Weise das von diesen ehemaligen Sklaven gesprochene

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Vulgärlatein der frühen Kaiserzeit nahezu naturgetreu wiederzuge­ ben. Die Porträts der Freigelassenen in den Satyrica gehören des­ halb zu den faszinierendsten Psychogrammen der antiken Erzähl­ literatur. Die Handlung wird nach der Cena mit der vorübergehenden Trennung des Paars Enkolpius/Giton fortgesetzt, da der Knabe sich nach einem Streit zwischen den beiden Rivalen überraschend für Askyltos entscheidet und mit ihm zusammen seinen bisherigen Liebhaber verläßt. In der Zeit bis zum Wiedersehen mit Giton lernt Enkolpius in einer Bildergalerie Eumolpus kennen, einen herunter­ gekommenen Gelegenheitspoeten in vorgerücktem Alter. Dieser erzählt ihm von seiner einstigen Liebe zu einem Knaben in Perga­ mon - dies ist die eine von zwei längeren Novelleneinlagen (85-87) -, hält ihm einen Vortrag über Bildung und bildende Kün­ ste und liefert zu einem Gemälde, das den Untergang Trojas dar­ stellt, eine Beschreibung in 65 jambischen Senaren, dem häufigsten Sprechvers des römischen Dramas. Obwohl der neue Freund sich nach Gitons Rückkehr ebenso wie Askyltos, der bald darauf aus der Handlung verschwindet, für den Knaben interessiert und da­ durch einen Selbstmordversuch des Enkolpius verursacht, bleibt man zusammen und begibt sich zu dritt an Bord eines Schiffes. Erst auf hoher See entpuppen sich der Schiffseigentümer Lichas und seine Passagierin Tryphaena als alte Feinde des Enkolpius. Die nicht zu verhindernde Begegnung und gegenseitige Wiedererken­ nung führen zunächst zu einer Prügelei, aber man versöhnt sich rasch. Daraufhin erzählt Eumolpus seine zweite Novelle, die Ge­ schichte von der Matrone von Ephesos (111 f.), einer für ihre Keuschheit weithin bekannten Frau, die gleich nach dem Tode ih­ res Mannes beschließt, den Rest ihres Lebens bei dem Leichnam in einer Grabkammer zu verbringen, sich dort unten aber von einem Soldaten verführen läßt. Dieser hat in der Nähe der Gruft Wache gehalten, um zu verhüten, daß einige gekreuzigte Verbrecher von ihren Angehörigen bestattet werden. Als dies während eines Stell­ dicheins des Soldaten mit der Witwe in einem Falle dann doch noch geschieht, bietet sie den Leichnam ihres Mannes als Ersatz an. Sturm und Schiffbruch reißen die eben Versöhnten wieder aus­ einander. Auf der Weiterreise nach Kroton rezitiert Eumolpus sei­ nen Gefährten Enkolpius und Giton ein kurz zuvor verfaßtes Epos

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über den Bürgerkrieg Cäsars gegen Pompejus in 295 Hexametern. Eumolpus gibt sich an dem neuen Aufenthaltsort, wo ausschließ­ lich Erblasser und Erbschleicher wohnen, als kinderloser, krän­ kelnder Besitzer riesiger Reichtümer in Afrika aus und macht sich bei den Leuten von Kroton entsprechend beliebt. Währenddessen erlebt Enkolpius ein Liebesabenteuer mit einer Dame namens Cir­ ce, das aber ein jähes Ende findet, weil ihn plötzlich (die vorhin er­ wähnte) Impotenz befällt. Nach zwei weiteren Szenenfolgen, in de­ nen die Priesterin Oenothea, eine unansehnliche Vettel, Enkolpius durch allerlei Hokuspokus von seinem Leiden zu heilen versucht und Eumolpus verkündet, Voraussetzung, ihn zu beerben, sei das Verzehren seines Leichnams, brechen die Exzerpte jäh ab. Auch aus dieser kurzen Inhaltsangabe dürfte erkennbar sein, daß Petron für den Aufbau seiner Handlung eine ganze Reihe von Motiven des idealisierenden Romans verwendet. Wie er diese ins Komische verzerrt, sei außer an der bereits angesprochenen Schiff­ bruchszene an zwei weiteren Beispielen betrachtet. 1. Selbstmord­ versuch und Scheintod: Als Eumolpus einmal wieder Giton offen nachstellt und dann zusammen mit ihm Enkolpius allein läßt, ver­ sucht dieser, sich aufzuhängen. Giton und Eumolpus kommen dar­ über hin, der Knabe schreit, entreißt dem Diener des Eumolpus ein Rasiermesser, setzt es sich an den Hals und sinkt zu Boden. Als der nun noch verzweifeltere Enkolpius sich ebenfalls damit töten will, stellt er fest, daß Giton unversehrt ist, da das Messer eine von Bar­ bierlehrlingen benutzte Attrappe war (94). 2. Wiedererkennung: Auf dem Schiff identifiziert Lichas den von ihm einst geliebten und jetzt gehaßten Enkolpius - dieser hat sich aus Angst vor ihm als Sklave verkleidet und eine Glatze schneiden lassen - nicht wie sonst in antiken Wiedererkennungsszenen anhand einer Narbe oder eines Muttermals, sondern anhand seines Penis (105). Bereits zu Beginn des Kapitels wies ich darauf hin, es biete sich an, Szenen wie diese so zu lesen, daß man in ihnen das heroische Pathos typischer Episoden des idealisierenden Romans durch Übertreibung ins Lächerliche gezogen, mit der nüchternen Wirk­ lichkeit der Welt der Satyrica konfrontiert und so als hohl entlarvt sieht. Ob sich aus einer solchen Interpretation nun auch Folgerun­ gen für die Genese des Gattungstyps »komisch-realistischer Ro­ man« ziehen lassen oder nicht - ein literarisches Spiel wird hier, wie jetzt noch deutlicher geworden sein dürfte, auf jeden Fall ge-

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trieben. Deshalb darf man die Frage stellen, ob Petron seine Leser damit einfach unterhalten wollte, oder ob er seine Art der Darstel­ lung als ein Mittel verstand, eine bestimmte Weitsicht zum Aus­ druck zu bringen. Eine Antwort ist nicht leicht, vielleicht sogar un­ möglich, da uns ja das gesamte Geschehen in dem erhaltenen Text aus der Sicht des Ich-Erzählers geschildert wird, so daß der Autor nirgends direkt zu Wort kommt (auch nicht in 132.15, wie manche Erklärer annehmen). Die Wirkungsintention Petrons steckt also al­ lein in der Präsentation der fiktionalen Realität durch den Mund des Ich-Erzählers. Aber vielleicht hilft es weiter, einen Blick auf die Person des Autors und die Zeit, in der er schrieb, zu werfen. Da berichtet uns nun der Geschichtsschreiber Tacitus in seinen Annalen (16.17.1; 18-20.1) von einem Titus (?) Petronius, der nach seiner Tätigkeit als Statthalter von Bithynien und Konsul im engsten Vertrautenkreis Neros am Hofe des Kaisers als »oberste Instanz in Fragen des feinen Geschmacks« {arbiter elegantiae) ge­ wirkt habe. Dafür sei er besonders gut geeignet gewesen, weil er es verstanden habe, sein überwiegend dem Genuß geweihtes Leben nicht als Verschwender, sondern mit »kultiviertem Aufwand« (erudito luxu) zu führen. Ein Neider habe es jedoch dahin ge­ bracht, daß dieser Mann, dessen Taten und Worte, »je zügelloser sie waren und ein gewisses Sichgehenlassen zeigten, um so bereit­ williger als Ausdruck eines natürlichen Wesens aufgefaßt« worden seien, bei Nero in Ungnade fiel. Da habe dieser Petronius (im Jah­ re 66 n. Chr.) Selbstmord durch Aufschneiden der Pulsadern be­ gangen, sei aber auch dabei noch seinem bisherigen Charakter treu geblieben, indem er sein Sterben durch vorübergehendes Abbinden der Wunden verzögert, statt eines philosophischen Vortrags über die Unsterblichkeit der Seele lockere Lieder und gefällige Verse an­ gehört und schließlich nach dem Essen im Schlaf den Tod gefunden habe. Dem Kaiser habe er ein Verzeichnis von dessen sexuellen Ausschweifungen mit namentlicher Nennung der daran beteiligten Lustknaben und Frauen hinterlassen. Die Satyrica erwähnt Tacitus mit keinem Wort. Sorgfältige Analyse des Romans hat zu zeigen versucht, daß sei­ ne Entstehung sowohl wegen einer Reihe von Anspielungen auf hi­ storische Personen und bestimmte soziale und ökonomische Gege­ benheiten als auch wegen seiner engen sprachlichen Berührungen mit inschriftlichen und literarischen Dokumenten der Mitte des 1.

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Jahrhunderts n. Chr. tatsächlich in die Zeit Neros datiert werden kann. Heute wird deshalb die Identität des »Petronius Arbiter« so nennen die Handschriften den Autor - mit dem arbiter elegantiae Petronius bei Tacitus allgemein vorausgesetzt. Autor und Werk passen ja auch gut zusammen. Vielleicht zu gut? Im Grunde ist es ein Zirkelschluß, wenn man sagt: Wer ein solches Leben wie Neros Höfling geführt hat, eignet sich vorzüglich als Verfasser eines Werkes voller Obszönitäten, und dieses Werk wiederum, für dessen Datierung in die Neronische Epoche es viele Argumente gibt, kann nur von dem genußfrohen Petron des Tacitus stammen. Es wäre doch möglich - man erinnere sich an das S. 45 zu den drei Romanautoren mit Namen Xenophon Gesagte -, daß ein uns un­ bekannter Autor in späterer Zeit, etwa im 2. Jahrhundert n. Chr., sich seinen Lesern gegenüber als ebendieser »gut passende« Mann ausgab, wobei er den Beinamen Arbiter von der Bezeichnung des Tacitus für Petrons »Hofamt« ableitete, und die Handlung in der Nerozeit spielen ließ. Wir hätten dann wie in mehreren idealisie­ renden Romanen und wie im Protagoras-Roman eine historische Einkleidung und gleichzeitig wieder einen Kontrast vor uns, den man durchaus komisch finden kann: Griechenlands glorreicher de­ mokratischer Vergangenheit wäre die Epoche eines römischen Kai­ sers entgegengesetzt, der der Nachwelt als der Tyrann par excellence galt. Eine Datierung der Satyrica ins 2. Jahrhundert - die früheste erhaltene Erwähnung ist auf etwa 200 n. Chr. zu datieren (Terentianus Maurus, De metris GL VI p. 399 u. 409) - würde es auch leichter vorstellbar machen, daß »Petronius Arbiter« mit der Romantradition spielt: Er hätte dann nicht nur mehrere idealisie­ rende Romane, sondern auf jeden Fall auch den Iolaos- und den Protagoras-Roman kennen können. Doch auch wenn Petrons Roman etwa in den sechziger Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. entstand, ist es denkbar, daß sein Au­ tor mindestens einen idealisierenden Roman - z. B. Charitons Kallirhoe oder den Parthenope-Roman - und einen komisch-reali­ stischen Roman in griechischer Sprache kannte; Iolaos- und Prota­ goras-Roman könnten ohne weiteres schon unter Nero geschrie­ ben worden sein. Für die Suche nach der Wirkungsabsicht Petrons, der, wie man sieht, als historische Person nicht zweifelsfrei zu iden­ tifizieren ist, genügt es ohnehin zu wissen, daß das Werk in der Ro­ mantradition steht und daß mit der idealisierten Welt der Romane

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vom Typ der Kallirhoe seine komisch-realistisch dargestellte Welt kontrastiert. Für diese Welt ist es nun charakteristisch, daß die in ihr agieren­ den Menschen einschließlich des Ich-Erzählers Enkolpius nicht zwischen Schein und Sein zu unterscheiden vermögen. Enkolpius sehnt sich nach der Zeit zurück, in der es noch erhabene, klassi­ sche Literatur gab, und deshalb sieht er die Realität immer wieder im Lichte der Handlungsmuster, die ihm die großen Werke des Epos und der Tragödie vorgeben. So kann er sich wie Chaireas bei Chariton (s. S. 67f.) in mythische Rollen, etwa die eines Achilleus, versetzen, gerät dabei aber im Gegensatz zu dem Protagonisten des idealisierenden Romans regelmäßig in peinliche und entsprechend lächerliche Situationen. Petron, der Enkolpius so handeln und dar­ über berichten läßt, betrachtet solche Situationen und Enkolpius’ Darstellung seines Verhaltens offenbar mit Ironie und macht uns Leser dabei zu seinen »Komplizen«. Es ist also diese ironische Be­ trachtungsweise des Romangeschehens und ihres Erzählers, aus der wir erschließen können, welche Haltung der »versteckte Au­ tor«, wie Gian Biagio Conte ihn nennt (The Hidden Author: An Interpretation of Petronius’ Satyricon, Berkeley 1996), gegenüber der Welt der Satyrica einnimmt. Die Diskrepanz zwischen Schein und Sein bei einer Aktion des Ich-Erzählers zeigt z.B. die Szene in Kapitel 82, in der er, nachdem Giton ihn mit Askyltos verlassen hat, in der Absicht, die beiden zu bestrafen, sich wie ein epischer Held »ein Schwert an die Seite gürtet« und, »auf nichts anderes als Mord und Blut« sinnend, durch die Stadt streift, bis er einem ech­ ten Soldaten begegnet, der ihn wegen seines unmilitärischen Schuhwerks auslacht, ihm die Waffe abnimmt und so dem pseudo­ heroischen Auftritt ein Ende setzt. Was das von fehlender Erkenntnis der Realität geprägte Verhal­ ten der übrigen Personen des Romangeschehens betrifft, bietet be­ sonders das Gastmahl des Trimalchio gute Beispiele. Man hat ge­ sagt, Petrons Roman sei eine einzige Aufforderung an den Leser, »Lust am Leben« zu empfinden. Trimalchio selber spreche sie ja aus (34.6-10):

Man brachte gläserne Henkelflaschen, die sorgfältig mit Gips ver­ siegelt waren und an deren Hälsen Etiketten angeklebt waren mit folgender Aufschrift: »Falerner, abgefüllt unter Opimius, hundert-

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jährig.« Während wir die Aufschriften lasen, klatschte Trimalchio in die Hände und sagte: »Oh weh, also länger lebt der Wein als ein Menschlein. Darum wollen wir Prosit machen. Wein ist Leben. Echten Opimianer kredenze ich. Gestern habe ich keinen so guten vorgesetzt, wo doch viele vornehme Leute bei mir speisten.« Als wir also tranken und auf das gründlichste seinen Luxus bewunder­ ten, brachte ein Sklave ein silbernes Skelett herein, das so konstru­ iert war, daß sich seine Glieder und Gelenke verrenkt in jede Rich­ tung biegen ließen. Als er dieses eins ums andre Mal über den Tisch geworfen hatte und der bewegliche Mechanismus allerlei Figuren bildete, bemerkte Trimalchio dazu: »Ach wir Elenden, wie doch das ganze Menschlein ein Nichts ist. So ergeht es uns allen, nachdem uns der Orkus tät wegholn. Laßt uns drum leben, solang möglich das Wohlsein ist noch.«

Auf den ersten Blick erinnert Trimalchios Aufforderung zum Le­ ben (auch wenn seine Verse nicht die schönsten sind) an epiku­ reische Todesverachtung und das Horazische carpe dient (»Nutze den Tag«). Aber das, was Trimalchio und die anderen Freigelasse­ nen unter »Leben« verstehen, ist ein rein materialistisches Streben nach immer mehr Besitz sowie hemmungsloses Genießen der aus­ gesuchtesten Speisen und Getränke, nicht etwa eine besonnene Le­ bensweise, wie Epikur sie als Alternative zur Todesfurcht emp­ fiehlt. Zum anderen entwickelt sich das Gastmahl mehr und mehr zum Totenmahl für Trimalchio, der am Schluß sein eigenes Be­ gräbnis probt. Bei genauer Betrachtung der Intertextualität zahl­ reicher Stellen erweist sich sogar, daß der Ort des Gastmahls, das Haus eines Mannes mit großem Reichtum (griech. ploütos), die von Pluto regierte Unterwelt evoziert, so daß der Besuch des Enkolpius bei Trimalchio für die Katabasis eines epischen Helden steht. Ähnlich wie an der eben zitierten Stelle fordert die Magd der Witwe von Ephesos ihre Herrin auf zu »leben« (111.12), was schließlich bewirkt, daß die Witwe mit dem Soldaten schläft. Aber das geschieht in einer Grabkammer, noch dazu derjenigen ihres Mannes. Gewiß, der Drang, das Leben auszukosten, ist ein beherr­ schendes Thema der Satyrica. Doch es wird ständig dargestellt, wie diejenigen, die sich dem Lebensgenuß hemmungslos hingeben, Schein und Sein nicht voneinander unterscheiden.

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Man könnte nun sagen, die Wirkungsabsicht Petrons sei, der Leser solle die Situationen, in denen dieses mangelnde Unterschei­ dungsvermögen sich zeigt, nicht nur als komisch, sondern auch als abschreckend empfinden, den Roman also als Moralsatire lesen. Doch beweisen läßt sich das nicht. Gewiß, es ist jedem unbenom­ men, aus den Satyrica Lehren zu ziehen. Aber taten das auch die zeitgenössischen Leser? Wir wissen es nicht. Wie schwierig es ist, die Aussage des Textes zu erfassen, demonstriert besonders deut­ lich die Vielfalt der bisher vorgelegten Interpretationen der beiden großen Verseinlagen, der »Troiae Halosis« (89) und des »Bellum civile« (118-125). Man mag davon ausgehen - explizit gesagt wird das nicht -, daß der Referenztext im ersten Falle das Tragö­ dienkorpus Senecas, im zweiten Falle Lucans Pharsalia ist; das wäre dann auch ein Argument - wenn auch kein zwingendes - für die Abfassung der Satyrica in der Neronischen Zeit, in der die bei­ den Dichter lebten. Aber was bezweckt Petron nun mit den beiden poetischen Texten? Offenkundig präsentiert er uns ein Maximum an tragischem und epischem Pathos, aber für die einen will er die Referenztexte damit dichterisch überbieten, für die anderen par­ odieren. Gehen wir einmal davon aus, daß die zweite Möglichkeit zutrifft. Das würde ja dazu passen, daß Petron, wie gerade gezeigt wurde, auch tragisches und episches Pathos im Handeln des Enkolpius (und anderer) lächerlich macht und damit den Unterscheid zwischen Schein und Sein erkennen läßt. Aber falls wir daraus moralisch etwas lernen sollen, was wäre dann die Lehre, die die zeitgenössischen Leser aus den Parodien von Versen Senecas und Lucans hätten ziehen können? Es ist zu bedenken, daß »Troiae Halosis« und »Bellum civile« in der Fiktion des Romans »Werke« desselben Autors sind wie die beiden Novellen »Der Ephebe von Pergamon« und »Die Matrone von Ephesos«, nämlich des Eumolpus. Ferner, daß wir von »reader response« erfahren: Auf Eumolps Rezitation einer der beiden Dich­ tungen, der »Troiae Halosis«, reagieren einige Zuhörer mit Steinwürfen (90.1), während nach dem Ende seiner auf dem Schiff vorgetragenen Erzählung der Geschichte von der Matrone die Ma­ trosen lachen, Tryphaena errötend ihr Gesicht an Gitons Nacken schmiegt, also sich durch die frivole Thematik angesprochen zeigt, und Lichas moralische Entrüstung über das Handeln der Witwe äußert(113.1 f.). Tragisches Pathos hat nur eine Wirkung: Es stößt

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auf empörte Ablehnung, und der Dichter, der es verströmt, wirkt als Zielscheibe für Wurfgeschosse ebenso komisch wie der pseudo­ heroische Enkolpius, dem der Soldat das Schwert abnimmt. Ro­ manhafte Prosa dagegen - denn das bietet die Novelle von der Matrone - wird teils als amüsante oder erotisch anregende Unter­ haltung, teils als moralisches Exempel »gelesen«. Wir sollten dar­ aus für die Autorintention vielleicht nicht mehr folgern als dies: Tragische und epische Verse, wie Eumolpus sie vorträgt, sind so lächerlich wie Menschen in tragischen und epischen Posen, während die fiktionale Prosaerzählung allein schon deswegen In­ teresse verdient, weil sie ebenso unterhaltsam wie lehrreich sein kann. Und das kann man, wenn man will, als eine implizite meta­ literarische Aussage Petrons auffassen.

Die beiden »Eselsromane« Den hermeneutischen Schwierigkeiten, vor die uns Petrons Satyrica stellen, sind diejenigen, die die beiden erhaltenen »Eselsroma­ ne« bereiten, in mehrfacher Hinsicht vergleichbar. Das beginnt gleich mit den Problemen, die sich aus der Form der Darbietung ergeben. Den phantastischen Bericht über den jungen Thessalien­ reisenden, der wegen seiner Neugier auf Bekanntschaft mit magi­ schen Künsten in einen Esel verwandelt wird und vor der Wieder­ erlangung seiner menschlichen Gestalt eine Serie von Abenteuern erlebt, präsentiert uns sowohl in der griechischen als auch in der lateinischen Version wieder nicht der Autor, sondern der Protago­ nist, der Lukios bzw. Lucius heißt, als Ich-Erzähler. Die griechische Version mit dem Titel Lotikios S Önos (»Lukios oder Der Esel«) ist uns unter den Werken Lukians überliefert und hat etwa den Um­ fang der meisten seiner Dialoge, stammt aber - zumindest in dieser Form - sicher nicht von ihm. Die wesentlich umfangreichere latei­ nische Version - es sind elf Bücher überliefert - trägt in den Hand­ schriften den Titel Metamorphoses (»Metamorphosen«) und wur­ de von Apuleius von Madauros verfaßt. Während das eigentliche Romangeschehen in den Metamorphosen durch eingeschaltete Novellen erweitert ist - darunter die rund zwei Bücher umfassende Geschichte von Amor und Psyche (4.28-6.24) -, fehlen solche Ein­ lagen bei Pseudo-Lukian ganz. Doch die Lukios-Handlung dieses

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Textes stimmt bis unmittelbar vor der Rückverwandlung mit der Lucius-Handlung bei Apuleius inhaltlich im wesentlichen überein und berührt sich streckenweise sogar eng mit ihr im Wortlaut; ei­ nige Abschnitte allerdings sind in den Metamorphosen erweitert bzw. anders erzählt als im Lukios. Das Geschehen nach der Rück­ verwandlung wird dann ganz unterschiedlich dargestellt. Der grie­ chische Autor läßt den Ich-Erzähler in seiner wiedergewonnenen menschlichen Gestalt noch ein Abenteuer erleben und dann in sei­ ne Heimat Patrai zurückkehren. In der überlieferten Fassung der Metamorphosen dagegen ist die in Buch 11 erzählte Entzauberung des Lucius mit einer in allen Einzelheiten geschilderten Weihe des Erlösten zum Jünger der Mysteriengottheiten Isis und Osiris ver­ bunden. Es gab in der Antike noch eine umfangreichere griechische Fas­ sung des Romans. Wir kennen sie nur aus einem Bericht des Photios über gelesene Bücher (cod. 129). Er zitiert den verlorenen Text als »Metamorphosen des Lukios von Patrai«. Da der Ich-Erzähler bei Pseudo-Lukian sich ebenfalls so nennt, ist unklar, ob der Name zum Werktitel gehört - dann hätte der Text dem Photios ohne An­ gabe des realen Autors vorgelegen - oder ob der reale Autor so hieß. Der Patriarch vergleicht in seinem Bericht die griechischen Metamorphosen mit Lukios oder Der Esel und stellt dabei fest, daß er es mit zwei voneinander irgendwie abhängigen Versionen zu tun hat. Seine z. T. sehr dunklen Bemerkungen zu Inhalt und Bucheinteilung der verlorenen griechischen Metamorphosen, zu ihrem Stil und zur Einstellung der beiden Autoren zu ihrem Stoff haben der Altertumswissenschaft seit über 200 Jahren immer wie­ der Kopfzerbrechen bereitet. Aber heute besteht unter der Mehr­ heit der Forscher folgender Konsens über das Verhältnis der bei­ den griechischen Versionen untereinander und zu der Version des Apuleius: Die griechischen Metamorphosen behandelten in einer uns unbekannten Anzahl von Büchern (vermutlich waren es zwei) denselben Stoff wie der Lukios Pseudo-Lukians und die Metamor­ phosen des Apuleius. Diesem Autor diente der verlorene Text als direkte Vorlage, während es sich bei dem Lukios um eine mecha­ nisch angefertigte Epitome handelt. Sie stimmt bis auf geringfügige Änderungen im Bereich der Stellen, wo gekürzt wurde, mit den entsprechenden Teilen des verlorenen griechischen Textes überein. Man ist heute auch nahezu einhellig der Meinung, daß der

Schluß der griechischen Metamorphosen mit dem des Lukios iden­ tisch war und daß das Isisbuch der lateinischen Metamorphosen dementsprechend auf eine Änderung des Apuleius zurückgeht. Un­ einigkeit herrscht in der Frage, ob die verlorene Originalfassung Einlageerzählungen hatte oder nicht. Quellenpositivistische Analy­ se früherer Zeiten suchte mit viel detektivischem Scharfsinn nach »Schnittstellen« in der Epitome, glaubte solche zu entdecken und leitete vor allem daraus die These ab, daß die meisten Novellen im Apuleius-Text - »Amor und Psyche« allerdings nicht - in der ver­ lorenen griechischen Vorlage ein Vorbild gehabt haben müßten. Die jüngere Forschung neigt dagegen eher zu der Meinung, daß nur Apuleius Novellen in die Haupthandlung einfügte, und be­ gründet das plausibel damit, daß alle diese Geschichten thematisch mehr oder weniger eng auf den neuen Schluß, den die Haupt­ handlung in den lateinischen Metamorphosen hat, bezogen sind. Natürlich kann man nicht ausschließen, daß auch schon in den griechischen Metamorphosen im Rahmen der Haupthandlung Ge­ schichten erzählt wurden, aber angesichts des mit guten Gründen zu erschließenden Umfangs von nur zwei Büchern dürften es nur wenige und diese sehr kurz gewesen sein. In meiner nun folgenden Inhaltsübersicht ziehe ich Lukios oder Der Esel und die lateini­ schen Metamorphosen dort, wo sie übereinstimmen, zusammen, nenne aber die wichtigsten Abweichungen bei Apuleius, wobei die von ihm geänderten Eigennamen in eckigen Klammern erscheinen. Der auf übernatürliche Begebenheiten neugierige Lukios/Lucius ist zu Beginn der Handlung in Hypata in Thessalien Gast bei dem Geizhals Hipparchos [Milo], dessen Frau heimlich zaubert. Die Magd Palaistra [Photis], mit der Lukios/Lucius mehrere Liebes­ nächte verbringt - die erste wird ausführlich geschildert -, ver­ schafft ihm eine Gelegenheit, ihrer Herrin unbemerkt dabei zuzu­ sehen, wie sie sich in einen Vogel verwandelt und davonfliegt. Er will es der Frau nachtun, benutzt aber die falsche Hexensalbe und wird zum Esel mit unverändertem Denken und Fühlen. Bei Apulei­ us hört Lucius vor seiner Verwandlung zwei längere Geschichten über Hexenkünste, die ihn implizit ebenso vor seiner Neugier auf dergleichen warnen wie ein Erlebnis, bei dem er selbst - sozusagen probeweise - das Opfer von Zauberei wird: Drei im Dunkel der Nacht vor dem Hause seines Gastgebers auf ihn eindringende Ge­ stalten, die er für Räuber hält und mit seinem Schwert mehrmals

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durchbohrt, erweisen sich am nächsten Tag als Ziegenschläuche, die durch die magischen Künste der Frau des Gastgebers vorüber­ gehend belebt worden waren. Nach seiner Verwandlung wird Lukios/Lucius von Räubern, die bei seinem Gastgeber einbrechen, als Lasttier mitgenommen und in deren Lager gebracht. Bei Apuleius wird das Geschehen bis zu diesem Punkt in drei Büchern be­ handelt. Das Räuberlager ist die erste Station auf einem langen Leidens­ weg des Lukios/Lucius von Hypata bis Thessalonike [Korinth]. Dabei wechselt er mehrfach die Besitzer, die ihn in dem Glauben, es mit einem richtigen Esel zu tun zu haben, auf jede erdenkliche Art mißhandeln, mit Kastration und Tod bedrohen oder ihr Spiel mit ihm treiben. Er muß sich dem allen unterziehen, weil ihm im­ mer wieder mißlingt, in den Besitz von Rosen zu gelangen, deren Verzehr allein die Entzauberung ermöglicht. So lernen wir im An­ schluß an die Räuberepisode nacheinander u. a. eine Gruppe von Priestern der syrischen Göttin [Kybele], einen Müller, einen Gärt­ ner, einen römischen Soldaten und schließlich in Thessalonike [Korinth] einen Zuckerbäcker, einen Koch und deren reichen Herrn Menekles [Thiasos] kennen. Als dieser von seinen beiden Bediensteten erfährt, daß der vermeintliche Esel sich wie ein Mensch benehmen kann, läßt er Lukios/Lucius zunächst zur Belu­ stigung seiner Gäste allerlei Kunststücke vorführen und vermietet ihn dann an eine reiche Dame, die seine Darbietungen gesehen hat, für zwei Liebesnächte. Daraufhin möchte Menekles [Thiasos] ihn öffentlich im Theater eine zum Tode verurteilte Frau bespringen lassen. Bei Apuleius wird die Vorbereitung dieses Schauspiels kurz vor dem Ende des Buches 10 erzählt. Während dieses Buch zwei Novellen über Mord aus Leidenschaft erzählt und das vorausge­ hende Buch vier Ehebruchsgeschichten aneinanderreiht, lesen wir in dem Abschnitt, in dem Lucius sich im Lager der Räuber befin­ det, Räubergeschichten. Außerdem hört der Esel in dieser Gesche­ hensphase die lange Geschichte von Amor und Psyche, die die alte Haushälterin der Räuber einer von ihnen entführten jungen Frau erzählt. Wie man sieht, erlebt Lukios/Lucius unmittelbar vor seiner Rückverwandlung wie schon unmittelbar vor seiner Verwandlung ein erotisches Abenteuer. Doch dem geplanten öffentlichen Liebes­ akt kann er sich entziehen. Im griechischen Text gelingt es Lukios,

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kurz bevor das Schauspiel stattfinden kann, endlich Rosen zu fres­ sen. Augenblicklich in seine menschliche Gestalt zurückverwan­ delt, erklärt er dem erstaunten Provinzstatthalter, der im Theater anwesend ist, er sei Lukios von Patrai, ein Verfasser verschiedenar­ tiger Geschichten, worauf dieser, da er zufällig die Familie des Lukios kennt, ihm die Rückfahrt in die Heimat gestattet. Bevor Lukios sich einschifft, findet noch eine weitere Begegnung mit der Dame statt, eine Szene, auf die ich im nächsten Abschnitt zurück­ komme. Bei Apuleius kann Lucius ebenfalls das geplante Sexspek­ takel von vornherein verhindern, aber nur durch die Flucht zum Hafen von Kenchreai, wo er sich am Ende von Buch 10 schlafen legt. Das elfte Buch erzählt dann von seiner Rückverwandlung durch Isis, die ihm durch ihren Priester Rosen zu fressen geben läßt, und seiner Weihung zum Jünger dieser Göttin und des Osiris. Buch und Werk brechen jäh damit ab, daß der Ich-Erzähler, der inzwischen nach Rom gelangt ist, sich als kahlköpfigen Priester beschreibt, der seine Glatze nach allen Seiten zur Schau stellt.

Die griechischen Metamorphosen Die knappe Inhaltsübersicht dürfte gezeigt haben, daß in dem grie­ chischen Text der Metamorphosen, wie ihn uns die Epitome über­ liefert, in ähnlicher Weise mit typischen Motiven des idealisieren­ den Romans gespielt wird wie in Petrons Satyrica. Da wir diesmal die ganze Handlung kennen, können wir sehen, daß sogar das tra­ ditionelle Strukturmuster von Erzählungen wie Xenophons Ephesiaka komisch variiert wird. Während im idealisierenden Roman Liebe auf den ersten Blick, die auf die rechtmäßige eheliche Verei­ nigung zielt, sowie der Treueschwur am Anfang und die Vereini­ gung der Liebenden am Ende deren leidvolle Abenteuer rahmen, sind die Leiden des Lukios zwischen die voyeuristisch beschriebene erste Liebesnacht mit der Magd Palaistra und das letzte Rendez­ vous mit der reichen Dame gelegt. Der Kontrast ist überdeutlich. Von den übrigen Handlungselementen erinnern vor allem die Ge­ fangenschaft des Lukios bei den Räubern, die Sklavendienste für verschiedene Herren und die häufigen Rettungen in letzter Not an die entsprechenden Erlebnisse der beiden Protagonisten im ideali­ sierenden Roman. Mit Petrons Roman haben die griechischen Me­

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tamorphosen außerdem die Tendenz gemeinsam, der idealisierten Wirklichkeit der Romane vom Typ der Ephesiaka eine komisch­ realistische Darstellung der fiktiven Welt, in der das Geschehen sich abspielt, entgegenzuhalten. Wieder ist es ein sozial niedriges Niveau, in dem der Ich-Erzähler sich hauptsächlich bewegt, und jetzt begegnen wir auch - u. a. in der Gestalt des Soldaten, dem Lukios vorübergehend dient - der römischen Staatsmacht, die alle erhaltenen idealisierenden Romane aus der von ihnen präsentier­ ten griechischen Welt konsequent ausblenden. Zu dem Realismus der Epitome des griechischen »Eselsromans« paßt auch die Spra­ che des Werks: Sie ist monoton in Wortgebrauch und Satzbau, ja geradezu vulgär. Der Autor mischt unbekümmert attische mit nicht-attischen Formen, verwendet sogar Solözismen und erfüllt damit nicht die Ansprüche an Erzählprosa, wie sie der idealisieren­ de Roman von den ältesten erhaltenen Texten an stellt. Wer war dieser Autor? Wenn das Titelzitat des Photios so zu verstehen ist, daß in seiner Ausgabe der Ich-Erzähler Lukios von Patrai auch als realer Verfasser der griechischen Metamorphosen genannt war, stellt sich die Frage, ob es in der Antike möglich war, daß jemand von sich erzählte, er sei in einen Esel verwandelt wor­ den. Forscher, die das nicht glauben, suchen nach der Identität des Griechen, der wie Apuleius einen von seiner Person verschiedenen Ich-Erzähler einsetzte (was übrigens der Kirchenvater Augustin of­ fenbar nicht bemerkte; vgl. civ. 18.18). Vielen gilt Lukian von Samosata als der Autor der griechischen Metamorphosen, da die Epi­ tome des Textes unter seinem Namen überliefert ist; als solche hat er sie, falls sie auf den vollständigen Text eines anderen Autors zurückging, schwerlich verfaßt. Als weiteres Argument wurden motivische Berührungen des »Eselsromans« mit mehreren von Lukians Schriften angeführt. Diese sind in der Tat vorhanden. Wie Lukios das Treiben seiner Mitmenschen von einem außerhalb der Realität liegenden Standpunkt aus beobachtet, läßt Lukian Figu­ ren seiner Dialoge u. a. vom Mond nach unten und von der Unter­ welt nach oben blicken, und einmal steckt ein Betrachter des Welt­ theaters auch in einer Tierhaut: der in einen Hahn verwandelte Pythagoras in Der Traum oder Der Hahn. Aber würde der ge­ wandte Stilist Lukian eine solch primitive Sprache schreiben, wie sie die Epitome der griechischen Metamorphosen aufweist? Luki­ an verfügte durchaus über ein breites Spektrum von Stilebenen,

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aber hätte er einen Schriftsteller - als einen solchen bezeichnet sich der Ich-Erzähler - Solözismen verwenden lassen? Es ist zu beden­ ken, daß in Lukians Bericht über eine phantastische Reise, den Wahren Geschichten, der reale Autor denselben Namen trägt wie der Ich-Erzähler. Also wäre das auch für die griechischen Meta­ morphosen denkbar. Man wird deshalb einen Lukios von Patrai als Autor nicht gänzlich ausschließen dürfen, auch wenn wir über diesen Mann nicht mehr wissen, als daß er seinen Roman vor der Entstehungszeit der Metamorphosen des Apuleius und somit ver­ mutlich in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. verfaßte. Als ebenso spannende wie amüsante Erzählung voller Kurio­ sitäten und Obszönitäten dürfte der griechische »Eselsroman« von seinem Autor in erster Linie für die Unterhaltung und Erheiterung der Leser bestimmt gewesen sein. Aber das schließt nicht aus, daß die Wahl der »fiktionalen Linse«, durch die auf menschliches Trei­ ben geblickt wird, mit der Absicht verbunden war, den Unter­ schied zwischen Schein und Sein aufzudecken. Lukios ist ja zu Be­ ginn des Romans betont an einer Scheinwelt, nämlich der der Magie, interessiert. Er wird aber dann, als er selbst das Opfer von Zauberei geworden ist, in die rauhe Wirklichkeit des leidvollen Eselsdaseins und gleichzeitig einer Umwelt versetzt, die sich nun ihrerseits vom Schein täuschen läßt, indem sie ihn für einen Esel hält und dem in der Tierhaut Versteckten ahnungslos ihr wahres Wesen enthüllt. So z.B. die Dame, die Sodomie mit ihm treibt. Doch nach der Rückverwandlung wird Lukios wieder vom Schein getäuscht. Denn als er zu der Dame zurückkehrt, glaubt er, er wer­ de ihr in seiner menschlichen Gestalt besser gefallen. Aber die Dame stellt, als sie ihn entkleidet sieht, lediglich fest, daß er kör­ perlich den von ihr erhobenen Ansprüchen nicht mehr gewachsen sei, und läßt ihn, nackt wie er ist, kurzerhand auf die Straße wer­ fen. Die Szene ist in ihrer Derbheit und Frivolität gewiß vor allem komisch. Aber sie schildert auch sehr anschaulich die besonders brutale Zerstörung der Illusion eines Menschen, der sich bis dahin zwischen Schein und Sein ständig hin und her bewegt hat. Wie bei Petron darf man sich nicht nur unterhalten, sondern durchaus auch belehrt fühlen.

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Apuleius, Metamorphosen Der Verfasser der lateinischen Bearbeitung der griechischen Meta­ morphosen erweckt zu Beginn seines Romans den Eindruck, er wolle seine Leser lediglich unterhalten. Er äußert sich nämlich über Inhalt, Stil und Intention der Erzählung in einer Vorrede, in der er auch seine Verwandlung von dem realen Autor Apuleius in den Ich-Erzähler Lucius vollzieht. Und dieser sagt am Ende der Vorrede:

Eine griechische Geschichte beginne ich. Leser, paß auf: Du wirst deinen Spaß daran haben (lector intende: laetaberis).

Zumindest auf den ersten Blick und bei planer Lektüre ist auch al­ les, was erzählt wird, sogar die Mysterienweihe des Lucius in Buch 11, ausgesprochen unterhaltsam. Aber wer beim Lesen - etwa bei einem wissenden »second reading« - die anspruchsvolle Intertextualität mit einer Fülle von Werken der antiken Literatur und das Netz intratextueller Wechselbezüge in dem Roman wahrnimmt, der kann zu der Überzeugung gelangen, daß Apuleius, ein Vertre­ ter der Zweiten Sophistik (s. S. 58ff.), auch »lehren« wolle: nicht nur durch die Aufdeckung des Unterschieds zwischen Schein und Sein, also moralsatirisch, sondern auch auf den höheren Ebenen der philosophischen und religiösen Unterweisung. Sehen wir, ob sich eine solche lehrhafte Intention tatsächlich festmachen läßt. Doch zunächst ist etwas dazu zu sagen, wie der Erzähler in den lateinischen Metamorphosen seine Ankündigung, dem Leser Spaß verschaffen zu wollen, wahr macht. Er erreicht das ganz einfach dadurch, daß er seine Vorlage, die ja schon unterhaltsam genug ist, von einer verhältnismäßig schlichten Erzählung in ein Wunder­ werk narrativer und stilistischer Kunst umwandelt. Dabei verfährt er - abgesehen davon, daß er, wie bereits erwähnt, Novellen in die Romanhandlung einlegt - im großen und ganzen in folgender Wei­ se: Er motiviert die Handlung sorgfältiger und dramatisiert sie stärker als der griechische Autor, stellt die Charaktere der agieren­ den Personen in regelrechten Psychogrammen dar, malt bei Be­ schreibungen die Details liebevoll aus, macht Komisches noch ko­ mischer und Pathetisches noch pathetischer und läßt seinen Lucius so engagiert erzählen, daß der Leser sich geradezu in das Roman-

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geschehen einbezogen fühlt. Als Beispiel für einen Textvergleich habe ich die Stellen in den griechischen und lateinischen Meta­ morphosen gewählt, an denen der jeweilige Ich-Erzähler schildert, wie er reagiert, als er die Verwandlung der Frau seines Gastgebers in einen Vogel erblickt. Während der griechische Autor nur den Gedankenschritt »Traum? Nein, Wirklichkeit!« nachvollziehbar macht, läßt Apuleius den Leser eine dreistufige Gefühlsentwick ­ lung miterleben: Ich aber, einen Traum zu sehen glaubend, berührte mit den Fingern meine Augenlider, nicht trauend meinen eigenen Augen, weder daß sie sahen, noch daß sie wach waren. Wie ich mich aber mit Mühe und langsam davon überzeugt hatte, daß ich nicht schlief, da bat ich Palaistra ... (Lukios 13).

Ich, ohne durch einen Spruch verhext zu sein, war nur vom Staunen über das leibhaft Gesehene an die Stelle gebannt und schien mir al­ les andere zu sein als Lucius: So ganz außer mir, betroffen bis zum Wahnsinn, träumte ich wachend. Sehr lange rieb ich mir die Augen und suchte zu erfahren, ob ich wach war. Schließlich und endlich kehrte ich zurück zum Bewußtsein der gegenwärtigen Lage, ergriff die Hand der Photis ... und sagte ... (Met. 3.22). Was das Textbeispiel natürlich nicht belegen kann, ist die sprachli­ che Virtuosität des Apuleius. Hier sei nur so viel gesagt, daß er sich auf mehreren Sprachebenen von der hochpoetischen Diktion mit Rhythmen und Reimen bis zu Fachjargon und Kolloquialismus be­ wegen kann und unerschöpflich ist in Redefiguren, Metaphern und Neuprägungen. Seine stilistische Wandlungsfähigkeit gehört somit gewissermaßen auch zu den Metamorphosen, die das The­ ma des Romans sind. Daß Apuleius nicht nur unterhaltsam und mitreißend erzählen kann, sondern seinen Leser auch zum Nachdenken bringen möch­ te, mag man nun zunächst daraus ersehen, daß er seinen Ich-Er­ zähler einmal über die Eselsperspektive als einen Blickwinkel, der sich für die moralkritische Menschenbeobachtung gut eignet, räsonnieren läßt. In Buch 9 im 12. und 13. Kapitel schildert Lucius den absoluten Tiefpunkt menschlicher Erbärmlichkeit in einer Sklavenmühle, in der Menschen und Tiere auf gräßliche Weise

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körperlich so sehr geschunden werden, daß sie ihre Arbeit kaum noch ausführen können. Dazu kommentiert er, er habe, so qualvoll dieser Anblick gewesen sei, dennoch in seiner ihm angeborenen Neugier (curiositas) Erholung finden können, da ja alle, ohne auf seine Gegenwart zu achten, freizügig alles, was sie wollten, getan und gesagt hätten. Und dann vergleicht er sich mit Odysseus. Wie dieser viele Städte und Völker kennengelernt habe, so verdanke er es seiner Eselshaut, daß er darin in verschiedenen Schicksalsschlä­ gen geübt und dabei wenn auch nicht klug, so doch vielwissend ge­ worden sei. Nein, klug ist er nicht geworden und wird als Esel auch nicht klüger werden. Denn unmittelbar vor seiner Rückver­ wandlung ist er immer noch genauso neugierig, lüstern und vor al­ lem leichtgläubig wie zu Beginn seines Leidensweges, hat also nichts dazugelernt. Man betrachtet ihn also in seiner Pose des er­ fahrenen Beobachters, der hinter die Kulissen schaut, mit dersel­ ben Ironie wie Petrons Enkolpius in der nicht zu ihm passenden Rolle des epischen Helden (s. S. 95). Aber das ändert nichts an dem allgemeinen Eindruck, daß auch für Apuleius die Diskrepanz zwischen Illusion und Realität ein Thema ist, und die Neugier des Lucius, die ihm ja wirklich ermöglicht, diese Diskrepanz zu er­ kennen, bekommt unter diesem Aspekt sogar den Anstrich einer positiven Charaktereigenschaft. Man ist deshalb bei der Erstlektüre einigermaßen überrascht, wenn man in Buch 11 unmittelbar nach dem Bericht über die Rückverwandlung einen bisher nicht genannten Grund dafür er­ fährt, daß Lucius zum Esel werden mußte. Ein Isispriester erläutert den an Lucius vollzogenen Akt göttlicher Gnade und Barmherzig­ keit so (Kap. 15):

Nachdem du viele und mannigfache Mühen überstanden hast und von heftigen Unwettern und heftigsten Stürmen Fortunas umherge­ trieben worden warst, bist du endlich zum Hafen der Ruhe und zum Altar der Barmherzigkeit gekommen, Lucius. Nicht haben dir deine Herkunft und nicht einmal deine Stellung oder gar sie, durch die du dich auszeichnest, deine Bildung, irgendwo genützt, son­ dern, infolge der Haltlosigkeit deines jugendlichen Alters in sklavi­ sche Lüste verfallen, hast du für deine unglückselige Neugier (cu­ riositas) einen schlimmen Lohn davongetragen. Aber jedenfalls hat dich die blinde Fortuna, während sie dich mit den schlimmsten Ge-

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fahren peinigte, zu dieser frommen Glückseligkeit geführt mit ihrer nichtsahnenden Bosheit. Hier wird auf einmal erklärt, Lucius habe es durch die Befriedi­ gung seiner »sklavischen Lüste« - damit wird offenbar auf die Lie­ besnächte mit der Sklavin Photis angespielt - und seine Neugier auf magische Künste dahin gebracht, daß ihm die Leiden, die er in der Gestalt eines Esels zu erdulden hatte, als göttliche Strafe aufer­ legt worden seien. Sein Handeln vor der Verwandlung erscheint also im nachhinein als religiöser Frevel. Doch davon hatte der IchErzähler Lucius in den Büchern 1-10 kein Wort gesagt. Dabei hät­ te es doch nahegelegen, daß er beim Rekapitulieren der Ereignisse, die zu seiner Metamorphose in einen Esel führten, den Leser we­ nigstens darauf hingewiesen hätte, er sei sich zu keiner Zeit dessen bewußt gewesen, daß er ein Sakrileg begehe. Besteht ein Wider­ spruch zwischen Buch 11 und den übrigen Büchern? Immerhin finden sich in der Darstellung der Vorgeschichte der Verwandlung in Buch 1-3 der Metamorphosen implizite Vorver­ weise auf das, was wir in Buch 11 über die Ursachen der Verwand­ lung erfahren. So erzählt Lucius z. B. einmal, wie er im Haus seiner Tante Byrrhena in Hypata eine Marmorgruppe betrachtet, die dar­ stellt, wie Aktäon der Göttin Diana neugierig beim Baden zusieht und dafür in einen Hirsch verwandelt wird (2.4-5). Wenn die Tan­ te nun dabei zu ihm sagt: tua sunt cuncta quae uides, kann man das als Äußerung der Gastfreundschaft verstehen und folglich ein­ fach so übersetzen: »Dir gehört alles, was du siehst.« Aber man kann es gleichzeitig als versteckte Warnung auffassen, indem man liest, was die Worte auch bedeuten können: »Dir gilt alles, was du siehst.« Oder betrachten wir kurz die Szene, in der Lucius von Photis auf die Beobachtung der Hexereien ihrer Herrin vorbereitet wird (3.15): Die bereits in die Kunst der Magie eingeweihte Magd nimmt unverkennbar die Pose einer Mystagogin ein, ermahnt Lu­ cius zum Schweigen über das, was er jetzt schauen wird, und preist die Macht ihrer Herrin mit Worten, die sonst bei der Verherrli­ chung einer Göttin üblich sind. In Buch 11 stößt man dann auf motivische, ja wörtliche Entsprechungen zu dieser Szene bei dem Bericht über die religiöse Verehrung der Isis. Der Leser kann also im nachhinein den Hokuspokus der Photis als blasphemische Imi­ tation religiöser Einweihungsriten auffassen. Denn z. B. über eine

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Hexe zu sagen, ihr dienten die Elemente (3.15.7), kann vom Leser spätestens dann als Sakrileg aufgefaßt werden, wenn Lucius nach seiner Rückverwandlung in seinem Hymnus an Isis sagt: »Dir die­ nen die Elemente« (11.25.3). Wer die Intratextualität zwischen Buch 1-3 und Buch 11 im Sinne einer Abwertung der Neugier auf Zauberei gegenüber der Verehrung für Isis liest, ist - zumindest bei der zweiten Lektüre der Metamorphosen - nicht überrascht, wenn Lucius durch die Worte des Isispriesters als religiöser Frevler hin­ gestellt wird. Den Eindruck, daß Neugier (curiositas) unter religiösem Aspekt ein Frevel ist, kann der Leser der Metamorphosen außer aus Buch 1-3 aus einem längeren Abschnitt im Zentrum des Romans gewin­ nen: aus der Erzählung von Amor und Psyche (4.28-6.24). Psyche ist eine Königstochter, die, wegen ihrer göttlichen Schönheit vom Zorn der Venus verfolgt, aufgrund eines Orakels als Braut für einen unbekannten Unhold auf einem einsamen Felsgipfel ausge­ setzt, von dort von sanften Lüften zu einem prachtvollen, aber menschenleeren Palast getragen wird und darin Nacht für Nacht mit Amor schläft, ohne daß dieser sich ihr zu erkennen gibt. Da der Gott ihr auch seinen Anblick verwehrt, treibt die Neugier, die von ihren dreimal zu Besuch kommenden Schwestern zusätzlich angestachelt wird, Psyche schließlich trotz der Warnungen Amors dazu, ihn eines Nachts beim Schein einer Lampe zu betrachten. Dafür bestraft er sie, indem er sich in die Lüfte erhebt und sie ver­ läßt. Nach einem vergeblichen Selbstmordversuch begibt Psyche sich auf die Suche nach Amor, den sie, seit sie ihn gesehen hat, in glühender Leidenschaft liebt. So kommt sie zu Venus, und die Göt­ tin verhält sich ihr gegenüber wie eine böse Schwiegermutter. Sie trägt ihr drei Aschenputtelarbeiten auf, die Psyche nur mit Hilfe von Tieren und Pflanzen bewältigen kann, und als Venus sie auch noch in die Unterwelt schickt, die Büchse der Proserpina zu holen, öffnet Psyche, obwohl sie vorher wieder vor Neugier gewarnt wur­ de, die Büchse und fällt in einen todesähnlichen Schlaf. Amor weckt sie jedoch auf, und damit beginnt das Happy-End: Von Ju­ piter mit Unsterblichkeit beschenkt, darf Psyche den Liebesgott heiraten, und aus der Verbindung der beiden geht Voluptas (»Lust«) als Tochter hervor. Sogar in ihrer Kürze gibt die Inhaltsangabe zu erkennen, daß diese Erzählung, die Apuleius vermutlich selbst erdacht hat, in

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einzelnen Motiven und in ihrem Verlauf die Lucius-Handlung (und mit ihr das Handlungsschema des idealisierenden Romans) wider­ spiegelt. Aber der sorgfältig mitdenkende und kundige Leser lector scrupulosus nennt ihn der Ich-Erzähler einmal (9.30.1) - er­ kennt neben dem narrativen noch einen philosophischen Referenz­ text: Platons Phaidros. Die Beschreibung des Weges der Psyche von ihrer aus Neugier begangenen Fehlhandlung bis zur Erringung der Unsterblichkeit klingt deutlich, ja stellenweise wörtlich an die­ jenigen Passagen des Dialogs an, in denen die Entwicklung der menschlichen Seele (griech. psychi) bis zur Schau des Göttlichen in mythischen Bildern dargestellt wird. Jedenfalls besteht eine unver­ kennbare motivische Verwandtschaft zwischen Psyches vergebli­ chem Bemühen, den sich in die Lüfte erhebenden Gott aufzuhal­ ten, und der Stelle bei Platon, wo es heißt, daß die menschliche Seele, die zwischen ihren Inkarnationen Begleiterin eines Gottes sein und göttliche Wahrheiten schauen kann, wenn sie nichts sieht, zum Fliegen zu schwer ist: Wenn sie aber ... nichts sieht und, irgendeinen Unfall erleidend, von Vergessenheit und Trägheit angefüllt, niedergedrückt wird und so niedergedrückt das Gefieder verliert und auf die Erde fällt, dann gilt das Gesetz ... (Phaidr. 248c).

Doch Psyche ergreift sogleich, als er sich erhebt, sein rechtes Bein mit den Händen, bei seiner luftigen Auffahrt ein jammervoller An­ hang und, in den Wolkenschichten des schwebenden Zuges letztes Glied, sinkt sie schließlich ermattet zu Boden (Met. 5.24). Ebenso evident sind die Ähnlichkeit der brennenden Sehnsucht Psyches und der menschlichen Seele nach Gott Amor bzw. dem Göttlichen (Met. 5.23 / Phaidr. 251e) sowie die Übereinstimmung beider in der Bereitschaft, für die Erfüllung ihrer Sehnsucht Skla­ vendienste zu leisten (Met. 6.1.1 / Phaidr. 252a). Das von curiositas gesteuerte Verhalten der Psyche bei Apuleius wird also im Lichte des Vergleichs der Erzählung mit dem Phaidros negativ bewertet, was analog auf das Handeln des Lucius übertragen wer­ den darf. Ist »Amor und Psyche« also als platonischer Mythos zu lesen, der die Verurteilung der curiositas des Lucius als eines Sakri­ legs durch den Isispriester aus philosophischer Sicht bestätigt?

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Nun, es fällt schwer, »Amor und Psyche« auf eine Stufe mit My­ then zu stellen, die Platon verfaßte. Die Erzählung ist stellenweise sehr frivol, trägt bei der Beschreibung der Götter und speziell der Venus burleske Züge und ist überwiegend ausgesprochen komisch, z.B. in ihrem spielerischen Umgang mit den Motiven des idealisie­ renden Romans. Überdies ist nun kurz aufzuzeigen, daß auch der Bericht über die Weihung des Lucius zum Jünger der Isis und des Osiris in Buch 11 komische Züge aufweist. Der von Isis Erlöste muß nämlich auffälligerweise ein ähnliches Leben führen wie zu­ vor als Esel, und zwar insofern, als er auch jetzt eine Reihe von Entbehrungen ertragen und - wie das Grautier seinen menschli­ chen Herrn - den von ihm zu verehrenden Gottheiten und ihren Priestern ständig sklavisch dienen, ja sogar viel Geld für sie ausge­ ben muß. Diese neuen Entbehrungen sind Teil einer Geschehens­ entwicklung, die durch ihren Wiederholungscharakter besonders stark an die in Buch 4-10 immer wieder zu beobachtende Abfolge einander ähnelnder Leiden des Esels erinnert. Lucius muß sich nach seiner Rückverwandlung unter Verzicht auf viele bisherige Lebensgewohnheiten nicht nur dem mit der Weihe zum Isis-Jünger verbundenen Ritual (11.22-25), sondern bald darauf auch zwei Initiationen in die Osiris-Mysterien (26-29) und schließlich noch der weihevollen Aufnahme in das oberste Priesterkollegium des Gottes unterziehen (30). Außerdem darf er nach seiner ersten Initiation nur für wenige Tage in die Heimat zurückkehren und muß sich dann nach Rom begeben, wo er neben seiner Tätigkeit als Mitglied der Priestergemeinschaft der Pastophoren den Beruf eines Anwalts ausüben und seine Einkünfte an die Gemeinschaft der Geweihten abführen muß. Die erste Initiation ist durchaus noch so beschrieben, daß der Leser, auch wenn ihm Einblick in das Einweihungsritual verwehrt wird, das Glück des Novizen, der nach der Weihe im weißen Ge­ wand vor das Volk hintritt, nachvollziehen kann. Aber die Art, wie der Ich-Erzähler von der dreimaligen Wiederkehr der Weiheproze­ duren berichtet, läßt mehr und mehr den Eindruck entstehen, das ewige Fasten, Meditieren, Anbeten etc. werde ihm allmählich ebenso zur Plage wie der einst mit dem Eselsdasein verknüpfte Ver­ zicht auf ein normales Leben. Der Isis- und Osirisjünger Lucius nimmt geradezu Ludwig Thomas Geschichte vom Münchner im Himmel und dessen Verdruß über das permanente Halleluja-Sin-

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gen vorweg. Wenn der Roman dann mit der Beteuerung des IchErzählers endet, »wieder« (rursus; so bereits dreimal 11.26.4 und noch einmal 29.1) habe er seinen Dienst »freudig« auf sich genom­ men, ohne daß es ihn gestört habe, daß das Priesteramt ihn zur Glatzköpfigkeit (die in der Antike charakteristisch für Sklaven war!) verpflichtete, dann tut man sich schwer, diese Art von »Freu­ de« uneingeschränkt mitzuempfinden. Im Gegenteil: Wer der Auf­ forderung des Erzählers im Prolog, Spaß zu haben, bei der Lektüre der Abenteuer des Esels in Buch 4-10 Folge leisten konnte und ebenso an der Erzählung von Amor und Psyche Vergnügen emp­ fand, hat eigentlich keinen Grund, jetzt auf die bisherige Form von Spaß zu verzichten und statt dessen religiös erbaut zu sein. Danielle van Mal-Maeder hat in einem sehr wichtigen Aufsatz zum Isis-Buch (Groningen Colloquia on the Novel 8, 1997, 87ff.) darauf aufmerksam gemacht, daß man die Intratextualität der Er­ zählung des Lucius über Hexenkunst in Buch 1-3 und seiner Äußerungen über die göttliche Macht der Isis keineswegs in dem Sinne auffassen muß, Magie werde gegenüber dem Isiskult im nachhinein abgewertet. Es spreche vielmehr einiges dafür, daß der reale Autor die Göttin durch die Wortbezüge zu dem, was am An­ fang der Metamorphosen über Hexen gesagt wird, mit diesen auf eine Stufe stelle. Gemeinsam haben der Anfang und der Schluß des Romans ja auch, daß Lucius dem »Übernatürlichen« mit größter Naivität gegenübersteht: Er unterzieht sich der Einweihung in die Isis- und Osirismysterien mit derselben Leichtgläubigkeit wie der Einweihung in die Magie. Doch er verdankt Isis lediglich, daß sie ihm Rosen verschafft hat, die er doch wohl auch selbst hätte fin­ den können, und dafür nimmt er dann die Mühen all der Initiatio­ nen auf sich und zahlt obendrein sehr viel Geld an die Priester. Bedenkt man nun, durch van Mal-Maeder daran erinnert, daß Juvenal in der berühmten Satire gegen die Frauen sowohl die Käuf­ lichkeit der Osirispriester als auch die Leichtgläubigkeit der Isisverehrerinnen scharf verspottet (6.526 ff.), dann ergibt sich erst recht die Möglichkeit, hinter der Erzählung des Lucius über seine Initiationen Ironie des »versteckten Autors« Apuleius zu ent­ decken und somit nicht nur die Parallelität der Leiden des Isis- und Osirisjüngers mit denen des Esels komisch zu finden. Der glatz­ köpfige Lucius im letzten Satz des überlieferten Textes der Meta­ morphosen erscheint in mehrfacher Hinsicht als lächerliche Figur.

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War es überhaupt der letzte Satz im Originaltext? Der im 9. Jahrhundert in Monte Cassino geschriebene Codex Laurentianus 68, 2 in Florenz, den Ende des 4. Jahrhunderts ein gewisser Sallustius revidierte, weist am Ende von Buch 11 folgende zwei Beson­ derheiten auf: 1. fehlt dort die Subskription des Sallustius, die das Buchende anzeigt und die unter den Büchern 1-10 regelmäßig zu lesen ist, 2. findet sich zwischen dem Satz mit dem glatzköpfigen Lucius und dem Beginn der Florida des Apuleius, die in der Hand­ schrift auf seine Metamorphosen folgen, ein Leerraum von der Art der unbeschriftet gelassenen Stellen in Kodizes des Klosters Monte Cassino, die einen Textausfall anzeigen. Es besteht also, wie van Mal-Maeder mit Recht betont, begründeter Verdacht, daß der Schluß der Metamorphosen des Apuleius uns nicht vollständig überliefert ist. Da wir aus der Epitome der griechischen Vorlage wissen, daß der Ich-Erzähler nach seiner Entzauberung zu der rei­ chen Dame zurückkehrte und von ihr nackt auf die Straße gewor­ fen wurde, bietet es sich an zu vermuten, daß er sich dementspre­ chend bei Apuleius am Ende des Romans von Rom wieder nach Korinth begab und dort ebenfalls von der Dame gedemütigt wur­ de. Das aber würde bedeuten, daß in den lateinischen Metamor­ phosen seine Weihung zum Osirispriester und sein Aufenthalt in Rom nicht die letzte Episode der Romanhandlung war, sondern ihm im weiteren Verlauf dieser Episode irgendwann klar wurde, daß die Behauptung des Isispriesters, seine Neugier auf magische Künste sei ein Frevel gewesen, ein Schwindel war und er sich durch die Initiationen zum Narren hatte machen lassen. Unter diesen Voraussetzungen würde die Aufforderung der Vorrede an den Le­ ser, er möge seinen Spaß haben, auf alle Fälle für den gesamten Ro­ man gegolten haben. Denn die curiositas des Lucius wäre dann auch in den lateinischen Metamorphosen nichts weiter als eine ko­ mische Charaktereigenschaft des Ich-Erzählers, die ihn auf eben­ falls komische Weise in die Lage versetzt, eine Kette höchst unter­ haltsamer und amüsanter Abenteuer zu erleben, dabei gleichzeitig Einblicke in den Unterschied zwischen Schein und Sein zu gewin­ nen und obendrein selbst als Beispiel für eine komische Figur zu dienen, die (wie Enkolpius bei Petron; s.S. 95) beide Bereiche stän­ dig miteinander verwechselt. Trifft diese Interpretation zu, dann erweisen sich »Amor und Psyche« und das Isisbuch ganz einfach nur als Produkte eines Aus­

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greifens des Apuleius in philosophische und religiöse Bereiche der Intertextualität, das von dem (schon in der Vorlage vorhandenen) Neugier-Motiv seinen Ausgang nahm. Es diente der Bereicherung des literarischen Spiels eines Romanautors, der sich - ähnlich wie Antonios Diogenes - nicht damit zufrieden gab, allein auf antike Werke der Literatur im engeren Sinne immer wieder subtil und amüsant zugleich anzuspielen. Die Vielfalt der intertextuell aufge­ rufenen Diskurse stimmt zudem bestens mit dem überein, was wir über die geistigen Interessen des Apuleius wissen. Um 125 n. Chr. in Madauros in der römischen Provinz Africa proconsularis (Nordafrika) geboren, verfaßte er mehrere platonische Schriften, bezeichnete sich selbst stolz als »philosophus Platonicus« und ließ sich während eines längeren Aufenthaltes in Griechenland und Kleinasien in mehrere Mysterienkulte aufnehmen. Platonismus und Mysterienkult bildeten aber nur einen Teil dessen, womit Apuleius, der ganz eindeutig als bedeutender Vertreter der Zwei­ ten Sophistik anzusehen ist, sich beschäftigte. Er wirkte als Rhetor vorübergehend in Rom und dann in Karthago, wo er auch das Amt des Äskulappriesters innehatte, verfaßte neben den Platonica und Reden Gedichte, einen weiteren (verlorenen) Roman - er trug den Titel Hermagoras -, historische Werke und Schriften zur Na­ turwissenschaft, Arithmetik und Musik. Wenn seine einzige voll­ ständig erhaltene Rede, die Apologie, nicht ein fiktionaler Text ist, wurde ihm sogar Beschäftigung mit Zauberei nachgesagt. Denn der Rede zufolge mußte er sich deswegen vor Gericht verantwor­ ten, und zwar in Sabrata in Nordafrika. Da man die Apologia auf etwa 158/159 n. Chr. zu datieren pflegt und darin die Metamorphosen nicht erwähnt sind, obwohl es sich vom Thema her vielleicht angeboten hätte, setzt man die Entstehung des Romans allgemein in die Zeit danach, wobei man davon ausgeht, daß er zunächst in Nordafrika publiziert wurde. Ken Dowden ist mit guten Gründen dafür eingetreten, daß die Metamorphosen in den frühen fünfziger Jahren des 2. Jahrhun­ derts n. Chr. in Rom verfaßt und veröffentlicht wurden (in: J. Tatum [Hg.J, The Search for the Ancient Novel, Baltimore 1994, S. 419ff.). Eine seiner Prämissen ist freilich, daß der Text eine ernsthafte philosophische und religiöse Aussage beinhalte. Ich habe das vorübergehend auch geglaubt, nachdem ich zunächst nur der Aufforderung der Vorrede gefolgt war, den Roman einfach un­

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terhaltsam und lustig zu finden. Wie man sieht, bin ich zu dieser Auffassung zurückgekehrt. Aber am Ende liegt das daran, daß man bei allzu häufiger Lektüre der Metamorphosen sich selbst, ohne es zu merken, allmählich in einen leichtgläubigen Esel ver­ wandelt.

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Der idealisierende Roman: Jüngere Texte

ie in diesem Kapitel zu behandelnden Texte, die - bis auf den Herpyllis-Roman - zwischen der Mitte des 2. Jahrhunderts und derjenigen des 3. Jahrhunderts n. Chr. entstanden, gehören wie die in Kapitel 3 erörterten zur Gruppe der idealisierenden Ro­ mane, unterscheiden sich aber von ihnen darin, daß sie stärker un­ ter dem Einfluß der Zweiten Sophistik stehen. In Übereinstim­ mung mit dem Bildungsideal ihrer Epoche (s. S. 58 ff.) verwenden die Verfasser der jüngeren idealisierenden Romane eine sehr an­ spruchsvolle Kunstsprache und bereichern die Erzählung von den Abenteuern eines jungen Liebespaars durch zahlreiche intertextuelle Bezüge auf Werke der Dichtung, Historiographie und Philo­ sophie, ja sogar auf naturwissenschaftliche, geographische und ethnologische Schriften. Sie verstehen es, Örtlichkeiten und Ge­ genstände mit Liebe zum Detail zu schildern und in die Personen­ darstellung feinsinnige psychologische Beobachtungen einzuflech­ ten. Diese griechischen Schriftsteller erreichen daher auf dem Gebiet der Porträtierung der in ihren Werken agierenden Figuren ein Niveau, das in der Entwicklungsgeschichte der Gattung bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts unter den uns noch kenntlichen Roman­ autoren nur Petron und Apuleius aufzuweisen haben. Wie die bei­ den Verfasser komisch-realistischer Romane verfügen die Verfas­ ser der jüngeren idealisierenden Romane über ein enormes Talent, Menschen aus Fleisch und Blut zu formen und die fiktionale Wirk­ lichkeit, in der sich diese Menschen bewegen, so realitätsnah wie möglich zu präsentieren. Mit den komisch-realistischen Romanen haben diese Texte außerdem gemeinsam, daß sie höchst geistreich mit der Gattungstradition spielen und dabei zumindest stellenwei­ se ähnlich wie die Satyrica und die Metamorphosen komische Ef­ fekte erzielen.

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Der Herpyllis-Roman Das aus dem Herpyllis-Roman erhaltene Papyrusfragment (P. Dubl. Inv. C 3) stammt zwar vermutlich noch aus der ersten Hälf­ te des 2. Jahrhunderts n. Chr., steht aber sprachlich und inhaltlich den Romanen des Iamblichos, Achilleus Tatios, Longos und Helio­ dor näher als denen Charitons und Xenophons. Da jemand in der ersten Person Singular berichtet - es ist vermutlich der männliche Protagonist könnte es sich um eine Ich-Erzählung handeln, wie wir sie im Bereich der idealisierenden Romane sonst nur noch von Achilleus Tatios kennen. Der Erzähler und die von ihm geliebte Frau Herpyllis - der Name ist eindeutig nicht als »Derkyllis« zu le­ sen, so daß die Zuordnung des Fragments zum Thule-Roman des Antonios Diogenes durch Susan Stephens und John Winkler (Ancient Greek Novéis: The Fragments, Princeton 1995, 158ff.) auf einer falschen Voraussetzung beruht - befinden sich, nachdem sie wehklagend voneinander Abschied genommen haben, auf ver­ schiedenen Schiffen, die trotz einer Sturmwarnung auslaufen. Von dem Unwetter wird aber dann nur das Schiff des Erzählers betrof­ fen, da das Schiff der Herpyllis in den Hafen zurückkehren kann. Der größte Teil des Textes besteht aus einer detaillierten Beschrei­ bung des Sturms, die sowohl durch die Benutzung von Vokabular aus Epos und Tragödie und ihre rhetorische Stilisierung als auch durch die Vielschichtigkeit ihrer Intertextualität bemerkenswert ist. Der unbekannte Romanautor, der eigentlich nur ein für die Gattung typisches Motiv verwendet, rekurriert dabei nicht allein auf die seit Homer in Sturmschilderungen üblichen poetischen Topoi, sondern spielt sogar auf meteorologische Prosaschriften an. Eine kurze implizite Bezugnahme auf den Mythos von Keyx und Alkyone und auffallende motivische Berührungen mit Ovids Ver­ sion der Sage (Metamorphosen 11.410 ff.) legen den Gedanken nahe, daß der Text des Fragmentes eine Szene bietet, in der die Lie­ benden für längere Zeit getrennt werden. Man darf aber davon ausgehen, daß sie im Gegensatz zu dem Liebespaar des Mythos spätestens am Ende des Romans wieder vereint wurden.

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Iamblichos, Babyloniaka

Die Babyloniaka (»Babylonische Geschichten«) des Iamblichos, die zu Beginn des letzten Drittels des 2. Jahrhunderts n. Chr. ent­ standen sein dürften, sind uns wie der Herpyllis-Roman nur frag­ mentarisch überliefert. Aber wir besitzen vom Text eine große An­ zahl kleiner Bruchstücke sowie drei Abschnitte, die jeweils etwa den Umfang eines Kapitels haben, in byzantinischen Kodizes, und darüber hinaus haben wir eine Inhaltsangabe des Patriarchen Photios (cod. 94). Iamblichos machte irgendwo im Roman am Ende eines Exkurses über verschiedene Arten von Magie Angaben zu seiner Person. Doch in der Wiedergabe des Photios erinnern sie an die Auskünfte des Ich-Erzählers Lukios von Patrai über seine Fa­ milie und seinen Beruf am Ende der Epitome der griechischen Me­ tamorphosen (Lukios 55). Denn Iamblichos bezieht sich in ähnli­ cher Weise wie Lukios von Patrai in die exotische Welt seines Romanes mit ein, indem er sagt, er sei ein sowohl mit magischen Künsten als auch mit griechischer Bildung vertrauter Babylonier und habe Beginn und Ende des Krieges, den Lucius Verus 162-165 n. Chr. gegen den Partherkönig Vologaeses III. führte, vorausge­ sagt. Die Historizität dieser Äußerungen ist ebenso zweifelhaft wie die durch eine Randnotiz in einer Photios-Handschrift vermittel­ ten Informationen über das Leben des Autors der Babyloniaka. Verdächtig ist hier die Behauptung, Iamblichos sei von Haus aus Syrer gewesen, und ein babylonischer Sklave habe ihn seine Spra­ che und die Magie gelehrt, ihn in den Sitten seines Landes unter­ wiesen und ihm die »Babylonischen Geschichten« erzählt. Das klingt nach einem Beglaubigungsapparat, wie ihn möglicherweise auch der kurze Steckbrief des Ich-Erzählers in den griechischen Metamorphosen darstellt (s. S. 102ff.). Glaubhaft ist dagegen die Angabe der Marginalglosse, Iamblichos sei ein versierter Rhetor gewesen. Denn uns sind zwei längere Proben seiner sophistischen Darstellungskunst erhalten: die Beschreibung des prachtvollen Aufzuges des Königs von Babylon (Frg. 1 Stephens/Winkler) und die Anklagerede eines Ehemanns gegen seine Frau, die gestanden hat, daß sie im Traum mit einem Sklaven die Ehe gebrochen hat (Frg. 35). Auch die von Photios erwähnten Exkurse dürften in Stil und wissenschaftlichem Anspruch dem Bildungsideal der Zweiten Sophistik entsprochen haben.

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Eine Übersicht über die laut Suda auf 39 (andere Lesart: 35) Bücher verteilte Handlung würde, da das Romangeschehen an Einzelepisoden ungemein reich ist, den Rahmen einer Einführung sprengen. Außerdem wäre das dann auch nichts weiter als die In­ haltsangabe einer Inhaltsangabe. Bei dem Liebespaar im Zentrum des Romans handelt es sich um Eheleute namens Rhodanes und Sinonis. Sie erleben ihre Abenteuer auf der Flucht vor dem grau­ samen babylonischen König Garmos. Die einzelnen Episoden der Erzählung, die auf verschiedenen Schauplätzen des vorpersischen Mesopotamien spielt, sind in ähnlich bunter Folge aneinanderge­ reiht bzw. parallel berichtet wie die Erlebnisse des Ehepaars Habrokomas und Anthia bei Xenophon von Ephesos (s. S. 12 ff.) und erinnern angesichts der Vorliebe des Autors für grelle Effekte und Szenen, in denen viel Blut fließt, an die Phoinikika des Lollianos. So kommen im Laufe der Handlung ein menschenfressender Räuber und ein Leichen verzehrender Hund vor, Bienen und eine Fliege bewirken durch ihren Stich den Tod, der König bestraft durch das Abschneiden von Ohren und Nase oder Begraben bei lebendigem Leibe und tanzt trunken mit Flötenspielerinnen um den irgendwann einmal ans Kreuz gebundenen Rhodanes. Von den konventionellen Motiven finden Scheintod und (versuchter) Selbstmord besonders häufige Verwendung. Die offenbar mehr­ fach erzeugte morbide Atmosphäre - es gab sogar einen Exkurs über Henkersbräuche - war vermutlich ein wesentlicher Bestand­ teil der Charakterisierung der orientalischen Welt als grausam und ungesittet. Nun hat, wie wir gesehen haben, Grabgeruch in den er­ haltenen Exzerpten aus Petrons Satyrica geradezu leitmotivische Bedeutung, und die Erlebnisse des Lukios/Lucius in den beiden »Eselsromanen« bestehen zu einem großen Teil darin, daß er als Esel sadistisch gequält wird. Es eröffnet sich also die Möglichkeit, daß Schmerz und Tod, die in den übrigen erhaltenen idealisieren­ den Romanen keine so große Bedeutung haben wie hier, ähnlich wie bei Petron, »Lukios von Patrai« und Apuleius eine wichtige Rolle in dem durch die Babyloniaka vermittelten Weltbild des Iamblichos spielten. Der Erzähler könnte wie die genannten Auto­ ren komisch-realistischer Romane in drastischer Weise Diskrepan­ zen zwischen Schein und Sein aufgezeigt haben. Damit könnte er eventuell sogar die Tendenz verbunden haben, mit der Gattungs­ tradition des idealisierenden Romans zu spielen.

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Photios verrät uns darüber freilich nichts, sondern läßt uns so­ gar wieder einmal Rätsel raten. Kurz vor dem Ende seiner Inhalts­ angabe sagt er, Rhodanes habe nach seinem Sieg in einem Feldzug gegen die Syrer, in den Garmos ihn geschickt hatte, Sinonis, von der er vorher getrennt gewesen war, wiedergewonnen und habe dann als König über die Babylonier geherrscht. Das klingt nach dem Happy-End, das, wie man annehmen darf, in dem Roman am Ende des 39. (bzw. 35.) Buches erreicht wurde. Aber im Referat des Patriarchen heißt es dann noch weiter, die Wiedervereinigung der Eheleute und die Übernahme der Königsherrschaft durch Rho­ danes seien durch ein Vogelzeichen angezeigt worden; dieses wird kurz beschrieben, und dann schließt die Inhaltsübersicht mit den Worten: »So endet das sechzehnte Buch.« Das kann man auf den ersten Blick so verstehen, als habe Photios nur bis zu diesem Buch gelesen. Aber wenn es so wäre, würde sich die Frage stellen: Was folgte noch nach einem Ereignis, das so eindeutig nach »Ende gut, alles gut« aussieht? Mit Recht vermutet John Morgan in seinem umfassenden Forschungsbericht über die fragmentarisch überlie­ ferten griechischen Romane (Aufstieg und Niedergang der römi­ schen Welt II 34.4, 1998, 3327), nur von dem Vogelzeichen sei am Ende von Buch 16 die Rede gewesen; Photios habe erst an dieser Stelle seiner Inhaltsangabe bemerkt, daß er es bisher nicht erwähnt hatte und die kurze Beschreibung deshalb im Zusammenhang mit seinem Bericht über den glücklichen Ausgang der Abenteuer des Rhodanes und der Sinonis nachgetragen.

Achilleus Tatios, Leukippe und Kleitophon Mit Achilleus Tatios, Longos und Heliodor kommen wir zu denje­ nigen griechischen Romanautoren, deren Werke in der europäi­ schen Literatur der Neuzeit am häufigsten rezipiert wurden. Der Roman Leukippe und Kleitophon des Achilleus Tatios dürfte sich bereits in der Antike einer gewissen Beliebtheit erfreut haben. Denn es sind Fragmente von sieben Papyri des späten 2. bis frühen 4. Jahrhunderts n. Chr. erhalten; das jüngste Bruchstück (P. Oxy. 1250) stammt offenbar aus einer Epitome. Über den Autor des Werkes, das aufgrund dieses Überlieferungsbefundes und be­ stimmter Anhaltspunkte im Text vermutlich in die zweite Hälfte

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des 2. Jahrhunderts n. Chr. gehört, ist wieder einmal so gut wie nichts bekannt. Wir wissen nicht einmal seinen genauen Namen. Ein Teil der mittelalterlichen Handschriften nennt ihn Statios, was nicht unbedingt auf ein irrtümliches Herüberziehen des »s« von Achilleus zurückzuführen ist. Für den sehr selten belegten Namen Tatios hat man früher unter Verweis auf Tat (Thot), den Namen eines ägyptischen Gottes, argumentiert. Es wurde aber auch darauf verwiesen, daß in Kleinasien, wo mit hoher Wahrscheinlichkeit mehrere der erhaltenen griechischen Romane entstanden (s. S. 60), Namen mit der Wurzel Tat- wie Tata, Tatis, Tatias oder Tation weitverbreitet waren. Die Suda, derzufolge Achilleus in Alexan­ dria geboren wurde - aber das kann einfach daraus erschlossen sein, daß er die Stadt zu Beginn von Buch 5 seines Romans ausführ­ lich beschreibt -, weist dem Schriftsteller außer dem Roman Werke über die Himmelssphäre, Etymologie und das Leben bedeutender Männer zu. Obwohl die Bruchstücke, die wir daraus besitzen - sie stammen aus der astronomischen Schrift -, stilistisch von der Sprachform der Leukippe erheblich abweichen, besteht kein Grund, dem Schriftsteller, der ein vielfältig interessierter Sophist ge­ wesen sein könnte, diese Werke abzusprechen. Bei dem Roman handelt es sich um die einzige Ich-Erzählung unter den vollständig erhaltenen idealisierenden Romanen. Der Autor berichtet am Anfang, wie ihm im phönizischen Sidon (viel­ leicht lautete der ursprüngliche Titel des Romans Phoinikika} die Betrachtung eines Gemäldes, das die Entführung der Europa dar­ stellte, eine Bemerkung über die Macht des Erosknaben entlockt habe und er dadurch mit Kleitophon, dem Protagonisten des Ro­ mans, ins Gespräch gekommen sei. Dieser habe ihm dann, an jene Bemerkung anknüpfend, in einem schattigen Platanenhain seine Lebensgeschichte bis zur Hochzeit mit der schönen Leukippe er­ zählt. Durch die Gliederung des Romantextes in acht Bücher, die wir auch bei Chariton finden, werden die Hauptmotive des her­ kömmlichen Handlungsschemas auf vier Blöcke zu je zwei Bü­ chern verteilt. Die beiden Buchpaare am Anfang und am Ende des Romans (1/2 und 7/8) beinhalten den Beginn der Liebesgeschichte und die unmittelbare Vorbereitung des Happy-Ends, während in dem Abenteuerteil, den diese beiden Buchpaare rahmen, die Rei­ seerlebnisse (3/4) von den Versuchungen der Liebenden durch die Werbungen Fremder (5/6) getrennt sind. Für den Bericht des Ich­

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Erzählers über die beginnende Liebe benötigt Achilleus deshalb zwei Bücher, weil die von der Gattungstradition geforderte leiden­ schaftliche Zuneigung auf den ersten Blick bei ihm nur den Mann erfaßt. Bis Leukippe Kleitophons Liebe erwidert, verfolgen wir längere Zeit seine verschiedenartigen Annäherungsversuche, sein Leiden an Liebesschmerzen und seine Beratungen mit einem Freund und dem Sklaven Satyros, um anschließend von dem Be­ richt darüber, wie Kleitophon (fast) zum Ziel seiner Wünsche ge­ langt, völlig überrascht zu werden: In der Mitte von Buch 2 läßt Leukippe sich dazu überreden, ihn nachts in ihrem Schlafzimmer zu erwarten, und die voreheliche Vereinigung der Liebenden wird nur dadurch im letzten Moment verhindert, daß Leukippes Mutter darüber hinkommt. Obwohl Kleitophon unerkannt entwischen kann, fürchtet er Unannehmlichkeiten und beschließt, mit der Ge­ liebten zu fliehen. So begibt sich das Paar zusammen mit Satyros und zwei Freunden zu Schiff nach Alexandria. Die überwiegend in Ägypten spielenden Bücher 3 und 4 begin­ nen mit Sturm und Schiffbruch, die die Gesellschaft vorüberge­ hend auseinanderreißen. Eine Bande von Räubern, in deren Ge­ walt die Liebenden im Nildelta geraten, bestimmt Leukippe für ein Sühneopfer. Kleitophon, den kurz nach seiner Gefangennahme Soldaten befreien, muß zusehen, wie man der Geliebten am jensei­ tigen Ufer eines breiten Grabens den Bauch aufschlitzt und sie da­ nach in einen Sarg legt. Erst in der nächsten Nacht erfahren er und der Leser, daß Satyros und einer der Freunde nach ihrer Landung ebenfalls von den Räubern gefangen worden waren und sich zur Opferung des Mädchens bereit erklärt hatten, diese Tat dann aber unter Verwendung eines Theaterdolchs mit zuschnappender Klin­ ge und einem um Leukippes Leib gebundenen Sack voller Tierein­ geweide nur vorgetäuscht hatten. Zu Beginn des fünften Buches er­ folgt dann noch eine scheinbare Enthauptung Leukippes durch neue Entführer. Der wahre Hintergrund dieses Vorgangs bleibt dem Leser lange verborgen, denn die »Hinrichtung« findet auf einem davonsegelnden Schiff statt. Der hinterherfahrende Kleito­ phon, der dabei zusieht und die Geliebte nun endgültig für tot hält, begibt sich für eine Weile nach Ägypten zurück. Dort heiratet er Melite, eine reiche Witwe aus Ephesos, reist mit ihr in ihre Heimat, weigert sich aber auf dem Weg dorthin, mit ihr zu schlafen. Auf ihrem Landgut findet er seine Leukippe als Sklavin wieder.

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Der größte Teil des dritten Buchpaares handelt davon, wie Kleitophon sich weiterhin sträubt, die Ehe mit Melite zu vollziehen, und wie Leukippe von den Nachstellungen Thersanders, des recht­ mäßigen Gatten der Melite, bedrängt wird. Der Mann ist, nach­ dem er von seiner Frau für tot gehalten worden war, plötzlich von der Reise, auf der er angeblich umkam, zurückgekehrt. Da er Kleitophon mit seinem Haß verfolgt, ergibt sich für Melite eine Gele­ genheit, diesem aus einer Notlage zu helfen - sie befreit ihn aus Fesseln, in die Thersander ihn gelegt hat - und ihn so dafür zu gewinnen, mit ihr zu schlafen. Wieder ist man einigermaßen ver­ blüfft. Eine Intrige des Ehemannes führt zu Beginn von Buch 7 dazu, daß Kleitophon zum dritten Mal wähnt, Leukippe sei getötet worden, sich daraufhin in seiner Verzweiflung selbst des Mordes anklagt und gerade gefoltert werden soll, als - ein wenig an den Eremiten in Webers Freischütz erinnernd - der Priester der Artemis von Ephesos, der im letzten Buch eine führende Rolle spielen wird, die Szene betritt. Das Eintreffen einer Festgesandtschaft bei ihm verlangt vorderhand den Abbruch des Verfahrens gegen Kleito­ phon, und da sich Leukippes Vater unter den Gästen des Priesters befindet, beginnt nun die Lösung aller Verwicklungen, die schließ­ lich die Heirat der beiden Liebenden ermöglicht. Dem Happy-End geht noch eine Episode voraus, die die Reihe der überraschenden Wendungen der Romanhandlung würdig beschließt: Es wird von einem Gottesurteil erzählt. Diesem müssen sich Melite und Leukippe unterziehen, die eine, um die Bewahrung ihrer ehelichen Treue, die andere, um die Unversehrtheit ihrer Virginität zu bewei­ sen. Dabei stellt sich nicht nur die Unschuld des Mädchens, son­ dern auch die der Frau heraus, freilich nur, weil Melites Mann, der das Gottesurteil verlangt, die Gültigkeit des Schwurs, den sie vor der rituellen Handlung zu leisten hat, auf die Zeit seiner Abwesen­ heit von Ephesos einschränkt. In meiner knappen Inhaltsübersicht habe ich diejenigen Hand­ lungselemente etwas deutlicher hervortreten lassen, die Leukippe und Kleitophon einem komisch-realistischen Roman verwandt er­ scheinen lassen. Zunächst zur narrativen Technik. Die Wahl der Ich-Erzählung, die Achilleus Tatios mit Petron und den Verfassern der beiden »Eselsromane« verbindet, hat zur Folge, daß der Leser das Geschehen aus der Sicht des berichtenden Protagonisten erlebt und sich dadurch mit ihm und anderen Personen besonders leicht

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identifiziert. Der Autor kann das, wie später anhand seiner Cha­ rakterisierungskunst noch näher gezeigt werden soll, dazu benut­ zen, die Handlung denkbar realistisch zu gestalten, wofür allein schon der Umstand, daß der Ich-Erzähler nicht (pseudo)historische Begebenheiten, sondern seine zeitlich nicht weit zurückliegen­ den eigenen Erlebnisse vorträgt, günstige Voraussetzungen schafft. Außerdem eröffnet das Ersetzen der auktorialen durch die aktoriale Erzählweise die Möglichkeit, die restringierte Perspektive des er­ zählenden Ich, das nicht alle Zusammenhänge und Hintergründe des von ihm gerade erlebten Geschehens durchschauen kann, zu einer Erhöhung der Spannung zu verwenden. Zwar berichtet Kleitophon auch immer wieder - vor allem in der zweiten Romanhälf­ te - von Ereignissen, die ihm nur aus der Rückschau bekannt sein können, aber daneben gibt es die aufregenden Szenen mit den ver­ meintlichen Ermordungen der Leukippe durch Schlachtung bzw. Enthauptung, die dadurch, daß der Berichterstatter sie im Moment des Erzählens für bare Münze nimmt, auf den Leser besonders schockierend wirken. Heliodor hat dann, wie wir sehen werden, von diesem auch von den Autoren der komisch-realistischen Ro­ mane verwendeten Darstellungsmittel der Einschränkung des Blickwinkels - man vgl. z. B. das Abenteuer des Lucius mit den Schläuchen bei Apuleius (2.32-3.18; s. S. 100f.) - noch ausgiebi­ ger Gebrauch gemacht. Ein anderes Mittel der Erzähltechnik, das wir bei Achilleus Tatios häufig finden, belegt seine Zugehörigkeit zur geistigen Bewe­ gung der Zweiten Sophistik besonders eindrucksvoll. Mitten in die Darstellung des faktischen Geschehens, deren Diktion ohnehin schon anspruchsvoll und nahezu poetisch ist, läßt er den Ich-Er­ zähler sprachlich nach allen Regeln der Kunst ausgefeilte Glanz­ nummern seiner Rhetorik einlegen: detaillierte Beschreibungen von Personen und Sachen, mythographische oder naturwissen­ schaftliche Instruktionen - z. B. über das Nilpferd oder das Kro­ kodil (4.2 und 19) -, kürzere psychologische Kommentare und Diskussionen über das Für und Wider eines das Geschehen nur am Rande berührenden Problems. Die Altertumswissenschaft hat über solche Einlagen lange Zeit oft geringschätzig geurteilt, da sie sie von ihrem klassizistischen Dichtungsverständnis her als zu tech­ nisch und somit als unkünstlerisch empfand. Dabei erkennt man einen durchaus künstlerischen Gestaltungswillen des Achilleus Ta-

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tios allein schon daran, daß er seine Schilderungen, Exkurse, theo­ retischen Abhandlungen und Redeagone meist an Ruhepunkten der Handlung einsetzt. So ist z. B. eine Diskussion des Kleitophon mit seinen Freunden darüber, ob der Liebe zu Knaben oder Frauen der Vorzug zu geben sei, so plaziert, daß sie den Bericht des Ich-Er­ zählers über den Beginn seiner Liebesgeschichte und damit zu­ gleich Buch 2 beschließt. Sorgfältige Analyse der rhetorischen Prunkstücke des Achilleus Tatios hat jetzt sogar ergeben, daß diese Einlagen - insbesondere die bildhaften Beschreibungen - immer wieder der impliziten Kommentierung des Romangeschehens die­ nen, da sich einzelne Handlungsabschnitte in ihnen widerspiegeln oder durch sie atmosphärisch vorbereitet werden können. Im Rahmen der gerade erwähnten Diskussion gibt Kleitophon z. B. die ausführliche Beschreibung eines Zungenkusses und spricht von seinen Beobachtungen zum weiblichen Orgasmus (2.37). Das gehört wieder zu einem Bereich der Darstellungsweise des Achil­ leus, der seinen Roman in die Nähe der komisch-realistischen Ro­ mane rückt: das Bemühen um eine möglichst genaue Wiedergabe der Verhaltensweisen von Menschen in allen nur denkbaren Situa­ tionen, verbunden mit einem stark ausgeprägten psychologischen Interesse. Ein Textbeispiel soll veranschaulichen, wie der Roman­ autor durch den Mund seines Ich-Erzählers seelische Vorgänge mi­ nuziös analysieren kann (7.4.3-6): Da kamen mir die Tränen und leiteten den Schmerz an die Augen weiter. Denn so wie bei den Schlägen auf den Körper nicht sofort der Striemen hervortritt, sondern der Schlag zunächst keine Aus­ wirkung zeigt und die Anschwellung erst nach einiger Zeit auftritt, und jemand, der vom Hauer eines Ebers verletzt worden ist, sofort nach der Wunde sucht und sie nicht finden kann, diese sich aber noch untergetaucht und verborgen hält, um in Ruhe die von dem Schlag verursachte Verletzung herauszubilden, und dann plötzlich ein weißer Strich erscheint, der Vorbote des Blutes, und dieses nach kurzer Pause kommt und reichlich fließt, so ist auch die Seele, wenn sie vom Pfeil des Schmerzes getroffen wird, den ein Wort abge­ schossen hat, zwar sofort verwundet und trägt die Verletzung in sich, aber die Schnelligkeit des Schusses hat die Wunde noch nicht geöffnet und die Tränen von den Augen weit weggetrieben; denn die Tränen sind das Blut der Wunde der Seele. Sobald der Zahn des

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Schmerzes das Herz allmählich aufgefressen hat, bricht die Wunde der Seele auf, es öffnet sich den Augen das Tor der Tränen, die aber schießen nach kurzer Zeit aus der Öffnung hervor. So ließen auch mich gleichsam die Pfeile der vernommenen Kunde, die auf meine Seele prallten, zuerst verstummen und verstopften die Quellen der Tränen, dann aber begannen sie zu fließen, nachdem sich die Seele in Ruhe auf das Unglück eingestellt hatte. Besonders stark macht sich das psychologische Interesse des Achil­ leus Tatios in den erotischen Episoden seines Romans bemerkbar. In den komisch-realistischen Romanen sind betont wirklichkeits­ nahe Schilderungen von Szenen des menschlichen Sexuallebens man denke etwa an die Erzählung von dem »Ringkampf« des IchErzählers mit der Magd Palaistra (»Ringschule«) in der Epitome der griechischen Metamorphosen (Lukios 9 f.; vgL Apul. Met. 2.17) - ein typisches Gattungsmerkmal. Doch in den älteren idea­ lisierenden Romanen vom Typ der Kallirhoe Charitons, an deren Tradition Achilleus Tatios in erster Linie anknüpfte, hatte sich die Darstellung von Erotik im wesentlichen auf die Erzählung von der Liebe auf den ersten Blick, vom Schwur ewiger Treue und der standhaften Überwindung aller Anfechtungen sowie der Hochzeit als Happy-End beschränkt. Jetzt wagte der Verfasser von Leukippe und Kleitophon erstmals - zumindest für die uns bekannten Texte gilt das - Modifikationen dieses starren Systems. Er läßt die Liebe der beiden Protagonisten zunächst einseitig sein und ermög­ licht so, daß Kleitophon seine Leukippe durch Werbestrategien er­ obert, die er aus dem ersten Buch von Ovids Liebeskunst gelernt haben könnte. Ferner macht Achilleus einen Geschlechtsverkehr der männlichen Hauptperson mit der von ihm geliebten Frau vor der Hochzeit immerhin denkbar, indem er ihn erst im letzten Mo­ ment verhindert werden läßt (2.23); da hier offenbar das her­ kömmliche Motiv »Rettung in letzter Not« im Hintergrund steht, bemerkt man besonders deutlich, daß Achilleus’ Variationen der erotischen Thematik nicht nur seinem Drang nach Psychologisie­ rung entspringen, sondern auch einen spielerischen Zug haben. Schließlich gestattet dieser Romanautor seinem Protagonisten un­ ter exzeptionellen Bedingungen - dieser ist gerade von Fesseln be­ freit - einen Seitensprung (5.27). Melite, die Frau, die sich dieses »Einmal-ist-keinmal« unter Tränen ausbittet, ist nicht einfach nur

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»lüstern«, wie Erwin Rohde und andere sie empört nannten, son­ dern einer der differenziertesten Charaktere der antiken Roman­ literatur. Wenn der Ich-Erzähler erklärt, daß »das, was da geschah, keine Hochzeit mehr war, sondern Medizin für eine kranke Seele« (5.27.2), dient das gewiß der Selbstrechtfertigung. Damit schafft er natürlich nicht aus der Welt, daß er die (von der Gattung vorge­ schriebene) Treue zu seiner Geliebten gebrochen hat, ja, was er sagt, wirkt unter diesem Aspekt frivol und überdies komisch. Aber man fühlt sich auch ein bißchen an moderne Psychotherapie erin­ nert, und deren Prinzipien entspräche dann bei dem antiken Autor das Bemühen, seine Romanfiguren ihre sexuellen Beziehungen ein wenig menschlicher gestalten zu lassen, als die Gattungstradition es ihm eigentlich gestattete.

Longos, Daphnis und Chloe

Wie wir gesehen haben, ersetzte Achilleus Tatios die von der Gat­ tungstradition verlangte »Liebe auf den ersten Blick« durch eine allmähliche Entwicklung der sexuellen Beziehung seines Liebes­ paars. Während er der Schilderung dieser Entwicklung immerhin das erste Viertel seines Romans widmete, ging Longos in Daphnis und Chloe (ursprünglich Lesbiaka?) sogar so weit, daß er den Lie­ benden seines Romans bis zum Ende des Werks Zeit gab, zueinan­ der zu finden. Man möchte meinen, daß Longos als derjenige, der einem in der Gattung sonst nur bei Achilleus Tatios vorhandenen Handlungselement sehr viel mehr Raum gibt als der Autor von Leukippe und Kleitophon, an diesen Roman anknüpfte. Es wäre aber auch der umgekehrte Vorgang denkbar: Achilleus ließ sich motivisch von Longos anregen und machte dann aus der Beschrei­ bung der Liebesentwicklung bewußt nur die Vorgeschichte der ei­ gentlichen Handlung seines Romans. Die Entstehung von Daphnis und Chloe wird in der Forschung meist um 200 n. Chr. angesetzt, was u. a. damit begründet wird, antike Maltechnik in dieser Zeit ähnele der Erzähltechnik des Longos. Aber eine Argumentation dieser Art ist nicht beweiskräftig. Da bisher keine Papyri mit Re­ sten von Daphnis und Chloe gefunden wurden und die früheste Anspielung auf den Roman sich (vielleicht) in einem Gedicht des Konstantin von Sizilien im 10. Jahrhundert findet, muß das zeitli-

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ehe Verhältnis des Longos zu Achilleus Tatios und Heliodor offen bleiben. Wir können nicht einmal genau sagen, woher der Autor von Daphnis und Chloe stammt. Zwar ist auf Lesbos, wo die Handlung des Romans spielt, eine Familie der Pompeii Longi in­ schriftlich bezeugt, aber es ist umstritten, ob Longos, der im Werk so gut wie nichts über seine Person verrät, die Insel aus eigener An­ schauung kannte. Der Anfang des Romans weist ein Motiv auf, das sich bei Achil­ leus Tatios ebenfalls am Anfang findet: eine Bildbeschreibung als Ausgangspunkt der Handlung. Während der Jagd in einem Nym­ phenhain bei Mytilene auf Lesbos erblickt der Erzähler ein Gemäl­ de. Dieses dient ihm nicht einfach als Anknüpfungspunkt für seine Geschichte, sondern es stellt die Romanhandlung bereits visuell dar und weckt in ihm das Verlangen, mit dem Maler literarisch zu wetteifern. Die Darstellung der Romanhandlung in Worten gerät ihm denn auch zu einem Klangbild der rhythmisierten Sätze, der Reime und des reichen rhetorischen Schmucks. Daphnis und Chloe, die von ihren (verschiedenen) Eltern nach der Geburt aus­ gesetzt und von einer Ziege bzw. einem Schaf gesäugt worden sind, werden zu Beginn der Handlung von den jeweiligen Hirten gefun­ den und in deren Familien aufgezogen. Beim gemeinsamen Hüten der Ziegen und Schafe durch den fünfzehnjährigen Daphnis und die dreizehnjährige Chloe erwacht die Liebe der beiden zueinan­ der, gleichzeitig beginnen aber auch die unvermeidlichen Schwie­ rigkeiten zweier ahnungsloser Kinder, das für sie unerklärliche Ge­ fühl der Sehnsucht nach einem engeren Verhältnis zum Partner in aktive Äußerungen der Zuneigung umzusetzen. Damit ist das Leit­ motiv der »Reiseabenteuer« dieses Romans geschaffen. Es ist zwar keine Reise in ferne Regionen, die die beiden machen, aber die ebenso »abenteuerliche« Reise durch das fremdartige Land der seelischen Erfahrungen von zwei jungen Menschen, die die körper­ liche Liebe Schritt für Schritt entdecken. Die »Reisestationen« sind dabei die neuen Erkenntnisse, die sowohl anhand von Beobach­ tungen an Tieren und aus Belehrungen durch andere als auch aus Mißerfolgen gewonnen werden. Diese Erkenntnisse nehmen im Ablauf der Jahreszeiten stetig zu, weshalb Bryan Reardon treffend formuliert hat: »Daphnis and Chloe embark on a journey not in space, but in time« (Phoenix 23, 1969, S. 301). Die bald hilfreichen, bald bedrohlichen Begegnungen der Lie-

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benden mit der übrigen Welt erinnern, was die Bedrohungen be­ trifft, deutlich an die Erlebnisse der Protagonisten in den anderen idealisierenden Romanen. Im ersten von insgesamt vier Büchern rauben phönizische Piraten, die an der Küste von Lesbos landen, Daphnis zusammen mit einer Herde Rinder. In Buch 2 wird Chloe von einer Gesellschaft reicher junger Männer aus der Stadt Methymna auf deren Schiff entführt. Beide Male erfolgt Rettung im letzten Augenblick. Im ersten Fall bewirkt das Syrinxspiel Chloes, daß die Rinder von dem gerade abfahrenden Seeräuberschiff ins Meer springen und das Fahrzeug zum Kentern bringen (das Schiff­ bruchmotiv!), im anderen Falle verhindert der Hirtengott Pan das Davonsegeln durch schreckliche Erscheinungen. Daneben finden sich die ebenfalls aus den übrigen Romanen bekannten Versuche von Rivalen, den Protagonisten bzw. die von ihm geliebte Frau für sich zu gewinnen: In Buch 1 begehrt ein anderer Hirte Chloe, und in Buch 4 lesen wir, wie ein mit dem Sohn des reichen Gutsherrn befreundeter Parasit Daphnis nachstellt und wie ein weiterer Hirt Chloe vorübergehend in seine Gewalt bringt. Diese Bedrohungen sind wie die Abenteuer mit den Piraten und den Mytilenäern kurz und im Grunde harmlos. Mit den meist lebensgefährlichen Verfol­ gungen der Helden in Romanen vom Typ der Ephesiaka Xenophons ist das alles nur entfernt verwandt, ja wirkt eher wie das Produkt spielerischer Variation der bekannten Motive. Ort des Geschehens ist überdies eine ländliche Idylle, über deren Frieden schützende Gottheiten wachen, und so fügt es sich gut zu der vor­ wiegend heiteren Atmosphäre der Episoden mit den »echten« Abenteuern des Daphnis und der Chloe, daß Longos das Motiv für sein Happy-End dem Motivarsenal der Neuen Komödie entlehnte: Der Schluß des Romans wird durch zwei überraschende Wieder­ erkennungsszenen eingeleitet, in denen sich herausstellt, daß Daphnis und Chloe die Kinder reicher Bürger von Mytilene sind. Unmittelbar darauf folgen die Hochzeit und die erste Liebesver­ einigung der beiden. Wie man sieht, haben die »echten« Abenteuer für die Roman­ handlung bei weitem nicht dieselbe Bedeutung wie vergleichbare Ereignisse in den anderen idealisierenden Romanen und sind somit eher Teil einer Art Nebenhandlung. Die Haupthandlung konstitu­ iert sich aus den einander abwechselnden Fortschritten und Rück­ schlägen auf dem schwierigen Weg zum vollkommenen Liebes-

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glück. Longos schildert ihn in allen Einzelheiten von dem Moment an, wo Chloe ihre ersten erotischen Gefühle wahrnimmt, nachdem sie Daphnis nackt gesehen hat (1.13), bis zur Hochzeitsnacht. Höhepunkte dieser Entdeckungsreise des jungen Paars durch das Reich der Sinne sind in der ersten Hälfte des Romans die Szenen, die von den Unterweisungen über das Wesen des Eros aus dem Munde eines alten, erfahrenen Hirten namens Philetas in Gang ge­ setzt werden. Da er Daphnis und Chloe erklärt, gegen die Macht der Liebe könnten »nur Kuß und Umarmung und Zusammenlie­ gen mit nackten Körpern« helfen (2.7.7), probieren die beiden das alles - das dritte Mittel erst nach einigem Zögern - der Reihe nach aus und halten es zunächst für »das Äußerste des Liebesgenusses« (2.11.3). Die in den Sommer fallenden »Übungen« werden dann durch die gerade referierten gefährlichen Abenteuer der Liebenden und den Winter unterbrochen. Doch gleich im Frühling knüpft Daphnis an das bisher Versuchte an, indem er Chloe erklärt, sie müßten jetzt das tun, was auf Küssen, Umarmung und Liegen fol­ ge, und zwar das, »was die Widder den Schafen tun und die Böcke den Ziegen«. Also kommt es zur Mimesis, die zunächst noch ihren Ausgang von der dritten Stufe des Philetas’schen Gesetzes nimmt (3.14.5):

Daphnis ... legte sich zusammen mit ihr hin und lag lange Zeit, und weil er das, wonach er heftig verlangte, nicht zu tun verstand, rich­ tete er sie auf und umfing sie fest von hinten, die Böcke nachah­ mend. Da er sich aber nun erst recht nicht auskannte, setzte er sich hin und weinte darüber, daß er unwissender sei als die Widder in den Werken der Liebe.

Auch in dieser erotischen Situation erfolgt »Rettung in höchster Not«, aber diesmal - im Gegensatz zu der Schlafzimmerszene bei Achilleus Tatios (s. S. 122) - zugunsten der Erotik. Lykainion, eine junge Frau aus der Stadt, die mit einem älteren Bauern verheiratet ist und sich in Daphnis verliebt hat, beobachtet heimlich die gera­ de angesprochene Szene und verbindet daraufhin die Erfüllung der eigenen Wünsche mit einem gründlichen Unterricht in angewand­ ter Sexualkunde für den schönen jungen Mann. Dieser gibt sein neues Wissen nur deshalb nicht gleich, sondern erst in der Hoch­ zeitsnacht an Chloe weiter, weil Lykainion ihn abschreckt, indem

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sie ihn warnend auf die für seine Liebespartnerin mit der Deflora­ tion verbundenen körperlichen und seelischen Begleiterscheinun­ gen hinweist (3.15-20). All das wird nicht nur ungemein geistreich und witzig erzählt, sondern erweist Longos auch als einen weiteren Meister der psy­ chologischen Beobachtungskunst innerhalb der Gattung. Man teilt heute allgemein die Meinung Goethes, der am 9., 18. und 20. März 1831 Eckermann gegenüber »Verstand, Kunst und Ge­ schmack« des Hirtenromans (»... wogegen der gute Virgil freilich ein wenig zurücktritt ...«) enthusiastisch pries, zu der erotischen Entdeckungsreise der jungen Leute bemerkte, daß »dabei die größ­ ten menschlichen Dinge zur Sprache« kämen, und empfahl, das Werk »alle Jahre einmal zu lesen, um immer wieder daran zu ler­ nen und den Eindruck seiner großen Schönheit aufs neue zu emp­ finden«. Die Altertumswissenschaft dachte lange Zeit anders. Bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus hielt man es mit Rudolf Helm, der sich empört von der »sexuellen Perversität« und der »schwülen Schlüpfrigkeit« der »niederen, ans Pornographische grenzenden Sphäre« des Romans abwandte und Goethes »seltsa­ mes Fehlurteil« bedauerte (Der antike Roman, 1948, S. 51). Seit den sechziger Jahren versuchte man dann besonders eifrig, die Be­ deutung des ländlichen Hintergrundes von Daphnis und Chloe und der darin wirkenden göttlichen Mächte herauszufinden, während man die erotischen Szenen mehr oder weniger unbeachtet ließ. Die Tatsache, daß nunmehr die Interpretation des Romans als einer Propagandaschrift für einen Mysterienkult (diesmal der des Dionysos und/oder Eros) ausgerechnet im Fall eines solchen Textes auf ungewöhnlich breite Anerkennung stieß, erscheint im Lichte der vorher geäußerten moralischen Entrüstung deutlich als Folge des Umschlagens in ein anderes Extrem. Erst seit etwa zwanzig Jahren bemüht man sich, den Roman als literarisches Werk in der Tradition seiner Gattung und ihres »Sitzes im Leben« zu verste­ hen. Den ersten wichtigen Vorstoß in diese Richtung unternahm Bernd Effe. Er sieht in der auf ihn heil wirkenden Welt der Hirten bei Longos, die in kindlicher Unschuld und in einem von den Göt­ tern garantierten Frieden leben, ein Kontrastbild zu der vom Autor als überzivilisiert und moralisch depraviert empfundenen Lebens­ wirklichkeit der städtischen Kultur in der frühen Kaiserzeit (Her­

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mes 110,1982, 65 ff.). Deutlich unter dem Einfluß der in Kapitel 2 behandelten Entstehungstheorie Perrys und Reardons stehend, setzt diese Interpretation als Leser von Romanen wie Daphnis und Chloe das einsame Individuum in der fremdbeherrschten Polis vor­ aus, das sich in ein alternatives Dasein hineinträumt. Doch weder ist die Welt der Hirten bei Longos wirklich heil - Piraten und Männer, die die Unschuld der Protagonistin bedrohen, treiben im ländlichen Teil von Lesbos ebenso ihr Unwesen wie in den unzivi­ lisierten Regionen des Ostmittelmeerraums in den anderen ideali­ sierenden Romanen -, noch wird Urbanität negativ dargestellt. Nein, auch für Longos gilt, daß griechische Poliskultur - es ist wie­ der die der klassischen Zeit, denn Methymna und Mytilene bekrie­ gen sich in Buch 2 als autonome Stadtstaaten - als die ideale Vor­ aussetzung für menschliches Zusammenleben betrachtet wird. Speziell in Daphnis und Chloe kommt das u. a. darin zum Aus­ druck (was auch Effe nicht verkennt), daß die Hirtenkinder zum Happy-End letztlich nur durch die »Lebenshilfe« der Städterin Lykainion und die Wiedervereinigung mit ihren reichen Eltern in Mytilene geführt werden. Zwar feiern sie ihre Hochzeit auf dem Land, aber Chloe trägt ein elegantes städtisches Brautkleid, und als sie sich darin erstmals zeigt, bemerkt der Erzähler: »Jetzt konnte man sehen, was Schönheit ist, wenn Pflege und Schmuck hinzu­ kommen« (4.32.1). Aber wenngleich für Longos ebenso wie für die Autoren der an­ deren idealisierenden Romane gilt, daß die städtische der ländli­ chen Kultur eindeutig überlegen ist und deshalb sehr wohl als der erstrebenswertere Lebensraum erscheint, sind für diesen Roman­ autor die Gefahren für das Liebespaar auf dem Lande, wie wir ge­ sehen haben, eher Nebensache. Was den Kontrast zwischen Stadt und Land für Longos offenbar wirklich interessant macht, ist das von ihm in der Haupthandlung ausführlich beschriebene Phäno­ men, daß seine beiden als Säuglinge von Städtern ausgesetzten Prot­ agonisten sich deswegen, weil sie nicht in der Polis, sondern unter Ziegen und Schafen aufwachsen, während der ganzen Roman­ handlung immer wieder tölpelhaft - das Wort paßt hier wegen sei­ ner Etymologie gut - benehmen. Ihre ebenso tumben wie vergebli­ chen Bemühungen um die Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse sind einerseits ungemein komisch, wie unser Textbeispiel zeigt, an­ dererseits - da hatte die ältere Altertumswissenschaft durchaus

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recht, nur war sie in ihrer Prüderie ebenfalls tumb - erotisch sti­ mulierend, ja obszön. Komisch und erotisch anregend sind die an infantile »Doktorspiele« erinnernden Aktionen der Hirtenkinder vor allem in den Augen des zeitgenössischen Bürgers der städti­ schen Oberschicht und damit des Lesers, aus deren Perspektive Daphnis und Chloe sozusagen stellvertretend von Lykainion heim­ lich voyeuristisch beobachtet werden. Was das mit Romanen vom Typ der Ephesiaka vertraute antike Publikum aber auch noch sah, war das literarische Spiel mit dieser Gattung. Wie Gerlinde Bretzigheimer herausgefunden hat (Gymnasium 95, 1988, 515ff.), wird z.B. das Prinzip der Bewahrung der Unschuld der Liebenden, die der obligatorische Treueschwur zu Beginn der Handlung des idealisierenden Romans fordert, bei Longos dadurch permanent auf den Kopf gestellt, daß Daphnis und Chloe während des gesam­ ten Romangeschehens auf nichts anderes sinnen, als ihre Unschuld zu verlieren. Wie der Roman des Achilleus zeigt sich also auch der des Lon­ gos durch seine Neigung zur Parodie bestimmter Gattungskonven­ tionen den komisch-realistischen Romanen eng verwandt. Und wieder muß man feststellen, daß die Psychologie dieser Art von fiktionaler Erzählung - im Falle des Hirtenromans ist es endgültig fast nur noch Sexualpsychologie - auch durchaus einen Beitrag zur Erforschung der menschlichen Mentalität leistet und somit etwas Lehrhaftes in sich trägt. Der Erzähler der Geschichte von Daphnis und Chloe erhebt in seiner Vorrede sogar Anspruch auf eine di­ daktische und gleichzeitig therapeutische Wirkung seines Textes, denn er bezeichnet ihn dort als erfreulichen Besitz für alle Menschen, der den Kranken heilen, den Trauernden trösten, den, der geliebt hat, süß erinnern, dem, der noch nicht geliebt hat, eine Vorschule sein soll. Gewiß, das steckt voller Ironie. Man merkt es allein schon daran, daß Longos mit der Formulierung »Besitz für alle Menschen« au­ genzwinkernd auf die berühmte programmatische Erklärung in der Geschichte des Peloponnesischen Krieges des Thukydides an­ spielt, das Werk sei ein »Besitz für immer«. Aber zur unvergängli­ chen Weltliteratur gehört der Roman des Longos auf jeden Fall, und das dürften auch die meisten von den Lesern zugeben, die

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Goethe nicht darin folgen, daß sie den Text zu ihrer alljährlichen Lektüre machen.

Heliodor, Aithiopika

Heliodors Roman Aithiopika (»Äthiopische Geschichten«) dürfte, obwohl er von allen griechischen Romanen das reichste Nachleben hatte und speziell die anfängliche Entwicklung des neuzeitlichen europäischen Romans nicht unwesentlich beeinflußt hat, heutige Leser nicht so unmittelbar ansprechen wie Longos’ Daphnis und Chloe. Denn von den drei vollständig erhaltenen späten idealisie­ renden Romanen steht er den frühen Vertretern des Gattungstyps am nächsten, und seine literaturgeschichtliche Bedeutung liegt vor allem im Äußerlich-Technischen: in der hochentwickelten Erzähl­ kunst seines Autors, die alle bisherigen Leistungen griechischer Romanschriftsteller auf diesem Gebiet übertrifft und deshalb in jüngster Zeit zum beliebten Forschungsobjekt subtiler narratologischer Untersuchungen wurde. Ein besonders charakteristisches Mittel der Technik Heliodors ist die Verrätselung der Handlung, durch die der Leser bis unmittelbar vor dem Ende des Romans zu höchster Aufmerksamkeit, Mitdenken und Kombinieren genötigt wird. Gleich zur Eröffnung des Romangeschehens wird dieses Mit­ tel höchst wirksam eingesetzt. Ich beginne meine Inhaltsübersicht deshalb mit einem Zitat der beiden ersten Sätze des berühmten Romananfangs: Als das Tageslicht eben durchbrach und die Sonne auf die Berggip­ fel herabstrahlte, zeigten sich Männer in Räuberbewaffnung auf der Anhöhe, die sich über dem Ausfluß des Nils an der Herakleotischen Mündung erstreckt, hielten kurz inne, ließen ihre Augen über das unter ihnen liegende Meer wandern und richteten ihre Blicke zunächst auf die offene See; da diese aber nicht befahren war und keine Beute versprach, senkten sie ihre Blicke zur nahen Küste hin­ ab. Dort war folgendes zu sehen ...

Es ist ein mysteriöses, unheimliches Szenario, das sich nun den Augen der Räuber und damit zugleich der Leser darbietet; das Prinzip der »stellvertretenden Romanlektüre« durch handelnde

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Personen, das schon bei Longos am Beispiel der Lykainion zu be­ obachten war (s. S. 133), wird bei Heliodor den ganzen Roman hindurch immer wieder angewandt. Die Szenerie des Roman­ anfangs wird mit Hilfe einer Präsentationsform, die an die Kame­ raführung heutiger Filme erinnert, durch Aneinanderreihung von Einzelbildern erstellt, die allmählich einen geschlossenen Eindruck ergeben. Gemeinsam mit den Räubern erblicken wir nacheinander ein schwerbeladenes unbemanntes Schiff, davor am Strand zwi­ schen umgestoßenen Tischen und Resten eines üppigen Gelages viele Leiber gerade Erschlagener, deren Glieder zum Teil noch zucken. Nachdem wir zusammen mit den Räubern zum Strand hinuntergegangen sind, sehen wir in »Nahaufnahme« ein wunder­ schönes Mädchen, das auf einem Felsen sitzt und traurig - jetzt fol­ gen wir und die Räuber seinem Blick - einen vor ihm am Boden liegenden hübschen jungen Mann, der verwundet ist, betrachtet. Auf dieselbe Art, wie Heliodor uns ohne jede Vorbemerkung Schritt für Schritt in das Zentrum seines Eröffnungstableaus zu dem jungen Paar führt, läßt er uns erst nach mehreren darauf fol­ genden Szenen wissen, daß es sich bei den beiden um Charikleia und Theagenes, die beiden Protagonisten des Romans, handelt (1.8). Dann dauert es noch bis zum Ende der ersten Hälfte des Ro­ mans, der insgesamt zehn Bücher umfaßt, bis wir über sämtliche Detailinformationen verfügen, die zum Verständnis der mysteriö­ sen Ouvertüre notwendig sind. Es würde hier viel zu weit führen, wenn ich auch nur in groben Zügen nachzuzeichnen versuchte, wie sich in den ersten fünf Büchern der Aithiopika die Vorge­ schichte unter gleichzeitiger Fortsetzung des Geschehens, das mit dem Auftreten der Räuber beginnt, in der Retrospektive enthüllt. Ich begnüge mich mit wenigen Bemerkungen zu der besonders komplizierten narrativen Technik, die Heliodor hier anwendet. Er läßt eine Person der Handlung, den Priester Kalasiris, das bisheri­ ge Schicksal der Liebenden einem Mann namens Knemon er­ zählen. Hier wird der Erzähler »vertreten«, und dadurch, daß sich in der Darstellungsweise des Kalasiris diejenige des Erzählers wi­ derspiegelt, wird diese dem Leser sozusagen »metanarrativ« be­ sonders verdeutlicht. Der Bericht des Kalasiris ist einerseits durch eingelegte Berichte so sehr verschachtelt, daß wir streckenweise »erzählte erzählte Erzählung« geboten bekommen und, wie ge­ sagt, sehr aufmerksam sein müssen, andererseits erscheint der Be­

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richt aufgrund der eingestreuten Zwischenbemerkungen des Zu­ hörers Knemon, die wiederum artikulieren, was wir Leser denken könnten, als lebendige Dialogszene. Knemon ist aber nicht nur unser »Stellvertreter«, sondern auch Hauptfigur einer Nebenhand­ lung, über die uns teils der Erzähler selbst, teils Knemon infor­ miert, und da dieser wie Theagenes Protagonist einer Liebesge­ schichte war, nutzt Heliodor die Möglichkeit, durch Parallelen und Kontraste die Haupthandlung zu spiegeln. Während der Be­ richte des Kalasiris und Knemons schreitet die Haupthandlung ste­ tig voran, ja der Bericht darüber unterbricht immer wieder die bei­ den eingelegten Berichte. Das alles ist, narratologisch betrachtet, höchst faszinierend, aber gleichzeitig auch so verwirrend, daß ich im folgenden die wichtigsten Ereignisse des Romangeschehens in linearer Nacherzählung nenne. Charikleia ist die mit Erkennungszeichen ausgesetzte Tochter des äthiopischen Königspaars Hydaspes und Persinna. Sie wächst in Delphi in Griechenland auf, wo sie Kalasiris begegnet, der be­ hauptet, er sei - scharfsinnige Analyse des Textes hat das als Lüge erweisen können - von Persinna auf die Suche nach ihr geschickt worden. In Delphi nimmt auch die Liebesgeschichte mit Theagenes ihren Anfang. Alle drei begeben sich auf die Reise nach Äthiopien, geraten auf hoher See in die Gefangenschaft von Piraten und wer­ den zusammen mit ihnen von einem Sturm an die Herakleotische Nilmündung getrieben. Dort führt ein Streit zweier in Charikleia verliebter Seeräuber dazu, daß alle Piraten sich gegenseitig um­ bringen (dieses Ereignis setzt der Anfang des Romans unmittelbar voraus) und das Paar anschließend Sumpfräubern in die Hände fällt, während Kalasiris entfliehen kann. Nach neuen gefährli­ chen Erlebnissen der Liebenden mit den Banditen und mit dem von ihnen ebenfalls gefangengehaltenen Athener Knemon, der ein Abenteuer vom Typus der Phädra-Tragödie hinter sich hat, wird Charikleia vorübergehend von Theagenes getrennt, trifft aber, nachdem sie Kalasiris wiedergefunden hat, in Memphis, der Hei­ matstadt des Priesters, auch mit ihm wieder zusammen. Mittler­ weile ist das Romangeschehen bis zum siebten Buch fortgeschrit­ ten, und erst dort beendet der Erzähler das sukzessive Nachtragen der Vorgeschichte zu den einzelnen Handlungssträngen. Nachdem Knemon schon in Buch 6 aus dem Romangeschehen ausgeschieden ist und wir inzwischen teils in der Rückschau, teils direkt die ver-

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wickelte Familiengeschichte des Kalasiris erfahren haben, wird nun mit dem Tod des Priesters endgültig der Punkt erreicht, von dem an die Charikleia/Theagenes-Handlung bis zum Schluß des Romans einsträngig erzählt werden kann. Die wichtigsten Ereignisse bis zur Heimkehr des Mädchens zu seinen äthiopischen Eltern sind rasch referiert. In Memphis gera­ ten die Liebenden dadurch in größte Bedrängnis, daß Theagenes sich standhaft den Liebesanträgen Arsakes, der Frau des persi­ schen Satrapen, verweigert; diese Episode hat motivische Anregun­ gen zu dem Libretto von Verdis Aida geliefert. Das Paar wird aus der lebensgefährlichen Lage in letzter Not befreit, weil der von den Umtrieben seiner Frau in Kenntnis gesetzte Satrap, der sich im Krieg mit den Äthiopiern befindet, Charikleia und Theagenes zu sich holen läßt. Auf dem Wege zu ihm von äthiopischen Kund­ schaftern gefangengenommen und zu Hydaspes gebracht, soll das Paar nach der Eroberung der Stadt Syene durch die Äthiopier, die in Buch 9 ausführlich geschildert wird, bei der Siegesfeier den Göttern geopfert werden. Ähnlich wie bei Xenophon von Ephesos (s. S. 16) wird dann im letzten Buch die Wiedererkennung der Charikleia mit Vater und Mutter durch eine Reihe von Szenen hin­ ausgezögert, die die Spannung zusätzlich erhöhen. So wird u.a. von einem Gottesurteil erzählt, das die unversehrt gebliebene Keuschheit der beiden Liebenden beweist, und davon, wie Thea­ genes, der im Vergleich zu vorher, wo durchweg Charikleia die treibende Kraft war, überraschend aktiv wird, mit einem tobenden Stier und einem kraftstrotzenden Athleten kämpft. Hier wird of­ fensichtlich das Motiv der Kriegstaten der männlichen Helden in den älteren idealisierenden Romanen und bei Iamblichos wieder aufgegriffen (s. S. 28). Der Roman schließt mit der offiziellen Ver­ lobung des Theagenes und der Charikleia und ihrer Weihe zu Prie­ stern des Sonnengottes und der Mondgöttin. Mit der Expositionstechnik der nachträglich gelieferten In­ formationen, die die Erzählung in der ersten Hälfte des Romans wesentlich prägt, hängt sehr eng ein Kunstgriff zusammen, der sich in ähnlicher Form schon im Roman des Achilleus Tatios beobach­ ten ließ. Wie dort gelegentlich dadurch Spannung erzeugt wer­ den kann, daß das Geschehen nur aus der restringierten Sicht des selbst in die Handlung involvierten Ich-Erzählers berichtet wird (s. S. 123 f.), so erzielt Heliodor in einigen Episoden seiner Er-

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Erzählung einen vergleichbaren Effekt durch vorübergehendes Aufgeben der Position auktorialer Allwissenheit. So läßt er z. B. beim Übergang vom ersten zum zweiten Buch den Eindruck ent­ stehen, als sei Charikleia vom Anführer der Sumpfräuberbande erstochen worden, indem er die Tat nur aus der Perspektive des »Mörders« der Charikleia erzählt (1.30), der sich, wie man spä­ ter erfährt, in der Person seines Opfers täuschte. Ebenso wie der Verfasser der Aithiopika auf diese Weise die Verfeinerung der Er­ zähltechnik im Bereich der griechischen Romanprosa zu höchster Vollkommenheit führt, zeigt er eine vom idealisierenden Roman vorher unerreichte Meisterschaft in der realistischen Darstellung von Personen und Gegenständen. Dabei wird Anschaulichkeit auch dadurch erreicht, daß Heliodor die einzelnen Episoden noch kunstvoller als Chariton (s. S. 66) wie Dramenszenen komponiert. Das gibt überdies Gelegenheit, intertextuelle Bezüge zur klassi­ schen Tragödie herzustellen. Aber die literarischen Anspielungen beschränken sich natürlich nicht auf diese Gattung, sondern bezie­ hen sich auf zahlreiche Werke der griechischen Poesie und Prosa von Homer an. Heliodor erinnert auch darin an Chariton, daß er in der Pose des Historikers erzählt. Von den zahlreichen narrativen Raffines­ sen, die das fiktionale Geschehen bei dem Autor der Aithiopika authentisch erscheinen lassen, sei hier nur eine als Beispiel genannt (zu Weiterem s. S. 46): Im vollen Bewußtsein der Tatsache, daß Charikleia und Theagenes es überwiegend mit Nicht-Griechen zu tun haben, nimmt der Erzähler auf die daraus entstehenden Sprachschwierigkeiten konsequent Rücksicht (z.B. 1.3 und 4, 2.18). Ebenfalls nur kurz angesprochen sei, daß auch Heliodor die von den Vertretern der Zweiten Sophistik gepflegte Kunstsprache virtuos beherrscht und damit keineswegs nur in den rhetorischen Prunkstücken brilliert, die er wie Achilleus Tatios (und übrigens auch Longos) zu bieten hat. Heliodors Wortschatz ist sehr um­ fangreich und immer wieder poetisch. Sein Satzbau, der meist eine ungewöhnliche Wortstellung aufweist und durch Partizipialkon­ struktionen überladen ist, macht die Aithiopika schwer lesbar, aber das paßt zu Verrätselung und Verschachtelung im Bereich der Erzähltechnik. Ohne den in diesem Buch mehrfach gebrauchten Begriff des literarischen Spiels über Gebühr ausweiten zu wollen, möchte ich zu erwägen geben, ob es nicht zumindest einen spieleri­

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sehen Zug hat, wenn dieser Romanautor, der offenbar sehr viel Spaß an seiner Erzähl- und Sprachakrobatik hat, in diesem Bereich bis an die Grenzen des in einem Roman Machbaren geht. Neben dem gegenüber Achilleus Tatios und Longos gesteigerten Anspruch hinsichtlich der narrativen Technik finden wir in Helio­ dors Roman im stofflichen Bereich eine auf den ersten Blick als Rückschritt erscheinende Wiederbelebung von typischen Motiven des älteren idealisierenden Romans. Dabei fällt besonders auf, daß dieser Erzähler auf sexualpsychologische Beobachtungen, wie Achilleus und Longos sie bieten, offenbar keinen Wert legte. Es gibt immerhin eine entscheidende Abweichung von dem Hand­ lungsschema der frühen Romane vom Typ der Ephesiaka des Xenophon von Ephesos, und diese ist vielleicht so zu deuten, daß Heliodor bestrebt war, den vorgegebenen Stoff durch eine neue geistige Dimension zu erweitern. Bei ihm kehren die Liebenden (die während ihrer Abenteuerreise nur einmal kurz getrennt sind) am Schluß des Romans nicht an den Ort im griechischen Sprachraum zurück, von dem die Reise ihren Ausgang nahm. Statt dessen verbringen sie ihr Leben nach dem Happy-End in einem fer­ nen Land, das zwar äußerlich in einer historisch faßbaren Wirk­ lichkeit lokalisiert wird - wir sollen uns in die Zeit hineinverset­ zen, in der Ägypten noch von den Persern beherrscht wurde, und zwar offenbar in das 6. Jahrhundert v. Chr. -, dessen Beschreibung aber vielleicht als eine Art Staatsutopie zu lesen ist. Von einem idealen Herrscher gelenkt, der sich von der neupythagoreisch und neuplatonisch gefärbten Weisheit seiner Priester, der Gymnosophi­ sten, beeinflussen läßt, stellen Heliodors Äthiopier eine Gesell­ schaft vollkommener Menschen dar. Ihrem hohen humanen Ethos verhelfen sie dadurch endgültig zum Durchbruch, daß sie nach der Wiedererkennung der für ein Siegesopfer bestimmten Königstoch­ ter Charikleia durch ihre Eltern beschließen, von nun an keine Menschen mehr zu schlachten. Welche Intention Heliodor, der sich im letzten Satz der Aithiopika als aus Emesa im phönizischen Syrien stammender Priester des Helios und damit des allerhöch­ sten äthiopischen Gottes bezeichnet, mit der Darstellung Äthiopi­ ens als einer idealen Volksgemeinschaft verband, läßt sich nicht sa­ gen. Bemerkenswert ist immerhin, daß Theagenes und Charikleia, die am Ende des Romans zu Priestern geweiht werden, aus Delphi, einem der religiösen Zentren des klassischen Griechenland, nach

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Äthiopien gekommen sind und von dort ihre griechische Paideia mitgebracht haben. Dieses bedeutende kulturelle Erbe läßt sich eben nicht nur im Bereich der Polis, sondern auch in der Fremde pflegen und durch die Vereinigung mit einer ebenfalls altehrwürdi­ gen Kultur sinnvoll bereichern. Da ich die Person des Autors angesprochen habe - wir wissen sonst fast nichts über ihn (s. S. 141) stellt sich nun auch die Fra­ ge nach der Datierung seines Werkes. Von den Aithiopika ist uns nur ein einziges Papyrusfragment erhalten (P. Amh. 160). Es stammt aus dem 6. Jahrhundert n. Chr., aber wir haben mehrere Anhaltspunkte innerhalb und außerhalb des Textes, die es wahr­ scheinlich machen, daß die Entstehung der Aithiopika in das zweite Viertel des 3. Jahrhunderts zu setzen und damit zeitlich nicht allzuweit von der mutmaßlichen Entstehung der Romane des Achilleus Tatios und des Longos abzurücken ist. Zu nennen sind vor allem die für Heliodor vermutlich vorauszusetzende Kenntnis der Philostratschen Biographie des Apollonios von Tyana (Anfang 3. Jh.; s. S. 30 f.); die Erwähnung der Kataphrakten, einer spe­ ziellen persischen Reitertruppe (9.14f.), die die Römer 232/233 n. Chr. in einem Krieg des Alexander Severus kennenlernten; die offizielle Erhebung der religiösen Verehrung des Sonnengottes zum Reichskult durch das severische Kaiserhaus; und Hinweise in den ebenfalls im zweiten Drittel des 3. Jahrhunderts in ihrer Urform entstandenen Pseudo-Klementinen (s. S. 37f.) auf die Bekannt­ schaft ihres Verfassers mit den Aithiopika. Nun sind aber mehrere Heliodorforscher der Meinung, der Roman sei frühestens in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts verfaßt worden. Sie nennen als Beleg dafür die beiden Preisreden des Kaisers Julian auf Constantius II., in denen die Belagerung der Stadt Nisibis in Meso­ potamien durch Schapur II. im Jahre 350 n. Chr. geschildert wird (or. 1.27 Bff.; 2.63 Cff.). Denn dieser Bericht und vor allem die Beschreibung einer bestimmten Belagerungstechnik zeigen so auf­ fallende Berührungen mit Heliodors Erzählung der Belagerung von Syene in Buch 9 der Aithiopika, daß an der Abhängigkeit des einen von dem anderen Text nicht zu zweifeln ist, und da bietet sich natürlich zunächst der Gedanke an, daß die Beschreibung des historischen Ereignisses als eines solchen dem Romanautor zum Vorbild diente. Vergleiche des Julianischen Berichtes mit den übri­ gen antiken Darstellungen der Belagerung von Nisibis ergaben nun

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aber, daß der Kaiser gerade in einem besonders romanhaften Zug seiner Schilderung von der gesamten Parallellüberlieferung ab­ weicht, jedoch mit Heliodor übereinstimmt: Beide erzählen von der Verwendung von Kriegsschiffen auf einem künstlichen See, der um die belagerte Stadt gelegt wird. Man darf also ohne weiteres annehmen, daß Julian, der ja nachweislich griechische Romane kannte (s. S. 46), für seine Rede Heliodors Roman benutzte, und an der Datierung der Aithiopika in das zweite Drittel des 3. Jahr­ hunderts n. Chr. festhalten. Die Verfechter des Spätansatzes berufen sich auch immer wieder gerne darauf, daß der im 5. Jahrhundert n. Chr. lebende Kirchen­ historiker Sokrates Scholastikos die Aithiopika zu dem Jugend­ werk eines Heliodor macht, der später Bischof von Trikka gewor­ den sei und in Thessalien den Zölibat eingeführt habe. Diese Nachricht wird nicht glaubhafter durch die Behauptung eines an­ deren Kirchenhistorikers, des um 1320 schreibenden Nikephoros Kallistos, Heliodor sei von einer Synode dazu aufgefordert wor­ den, entweder den Roman zu verbrennen oder auf sein geistliches Amt zu verzichten. Die Behauptung des Sokrates Scholastikos läßt sich aber erst recht nicht dadurch untermauern, daß man die Meinung vertritt, in der Humanität der Gymnosophisten in Helio­ dors Äthiopien sei ein Hauch von christlichem Geist zu verspüren. Hier stellt sich sofort die Frage, welchen sonstigen Gesinnungen der so auffällig an sexuellen Themen interessierte Romanautor Achilleus Tatios es verdankte, daß auch er - so behauptet jeden­ falls die Suda - die Bischofswürde errang. Folgende Erklärung für die Entstehung der genannten »biographischen« Angaben über Heliodor und Achilleus Tatios wäre eventuell denkbar: Ziemlich genau in der Zeit zwischen 150 und 250, als einige von der Zwei­ ten Sophistik besonders stark beeinflußte griechische Schriftsteller den Versuch unternahmen, das im 1. Jahrhundert n. Chr. entstan­ dene Genre des idealisierenden Romans inhaltlich und stilistisch auf ein höheres Niveau als das zu heben, was es bisher gehabt hat­ te, blühte auch die für ein breiteres Publikum bestimmte roman­ hafte Literatur mit christlicher Thematik (s. S. 35ff.). Verglichen mit diesen Produkten der fiktionalen Prosa wirkten Romane wie der des Heliodor mit seinem komplizierten Stil, seiner ausgeklügel­ ten narrativen Technik und seiner Intertextualität so anspruchs­ voll, daß sie, in Konkurrenz mit den christlichen Erzählungen

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tretend, vielleicht weniger Leser fanden als die älteren idealisieren­ den Romane. Aber einen kleinen Kreis von Interessenten gab es, wie die Papyrusfragmente von Leukippe und Kleitophon belegen, offenbar immer noch. Und so mag es denn dazu gekommen sein, daß man, um die Lektüre der heidnischen Romane neben der­ jenigen der fiktionalen Prosa christlicher Autoren auch weiterhin zu rechtfertigen, zwei Verfasser von Werken dieser Art von Lite­ ratur nachträglich christianisierte. Heliodors Roman markiert für uns nicht nur den Höhepunkt der Gattung im Bereich der Erzählkunst, sondern auch das Ende. Es dürfte auf ideologische Großzügigkeit der Byzantiner gegen­ über den heidnischen Inhalten der Aithiopika und anderer grie­ chischer Prosaerzählungen zurückzuführen sein, daß diese Texte im Mittelalter weiter abgeschrieben und speziell die idealisieren­ den Romane im 12. Jahrhundert sogar in Versromanen nachge­ ahmt wurden. Im westlichen Europa wurden antike Romane frei­ lich erst in der Renaissance bekannt, als italienische Humanisten die lateinischen Texte Petrons und des Apuleius wiederentdeckten und sowohl durch griechische Emigranten aus dem von Türken eroberten Ostmittelmeerraum als auch durch eigene Bibliotheks­ reisen in den Besitz der bis in die damalige Zeit geretteten altgrie­ chischen Literatur gelangten. Wollte ich jetzt noch einen Überblick über die Rezeption des antiken Romans seit dem 16. Jahrhundert versuchen, könnte ich in dem mir gesteckten Rahmen nicht mehr bieten als die übliche, aber im Grunde nutzlose Auflistung von Autoren, Titeln und Daten. Das Thema sollte deshalb lieber in einer eigenen Monographie behandelt werden. Ich fürchte aller­ dings, daß der Verfasser oder die Verfasserin einer solchen nicht mit derselben Seitenzahl auskäme wie ich mit dieser Einführung in den antiken Roman.

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Personen- und Sachregister

»Achikar-Roman« 86 Achilleus Tatios, Leukippe und Kleitophon 31, 46, 73, 78, 84,120-127, 127f., 130, 133, 137, 138, 141 »Äsop-Roman« s. Leben Asops » Alexander-Roman « s. Pseudo-Kallisthenes Alpers, K. 86 Anderson, G. 43 antiker Roman antike Gattungsbegriffe 19f. Beglaubigungsapparat 25, 35, 45, 81, 118 Definition 19 f., 40 f. Entstehung 42-61 Entwicklungsgeschichte 62, 72, 83 f., 116 Epitomierung 39, 73 f., 98 f., 103, 120 Erotik 22, 30, 37, 39, 44, 68, 69, 77, 86, 88, 98, 100, 101, 104, 111, 125 f., 127, 129f., 132f„ 139 Erzähltechnik 21 f., 123-125, 134-136, 137f., 141 Exkurse 31, 118, 119, 124f., 138 Forschungsgeschichte 42 f., 46 f., 52-55, 57 f. Ich-Erzählung 24 f., 33, 85, 93, 98, 104,117, 121, 123 f. idealisierender Roman 19,20-23, 62-82,116-142 Intertextualität 26, 46, 56, 66-68, 105, 114, 117, 133, 138, 141 Komik 68,79,105,111-113,127, 131, 132f. Komisch-realistischer Roman 18, 22 f„ 30, 35, 77, 83-115, 116, 124, 133 Leser 55-58 Mosaikdarstellungen 49, 70

Motive 21, 31,44, 64, 92,103, 117, 126, 128, 129,130,133, 137 Nachleben 120,134,142 pseudonyme Autoren 28,45, 60, 73, 94, 99,103 psychologische Beobachtung 66, 91,105, 125 f., 133 Realitätsbezug 20, 23, 84, 103, 104, 124,138 Schein und Sein 29, 95-97, 104, 107,113, 119 Spiel mit der Gattung 18,21,26, 34 f., 47,57,62,68, 79, 83 f., 92 f., 94,102,114,116,119, 126, 133, 138f. Sprache 50, 56, 63, 66, 72, 74, 76, 87, 90f„ 103,106,117,128, 138f., 141 und Drama 20, 22, 44, 66, 79, 105,129, 138 und Epos 43 f., 95 und Historiographie 21 f., 45-51, 63, 66, 68f.,71, 94,124,132, 138,139 und Mysterien 53, 78, 85, 111-113, 131 und Polisgemeinschaft 53 f., 60, 64, 132, 140 und Zweite Sophistik 54, 56, 58-60, 67,105,114,116,118, 121, 124,141 Weitsicht 23, 93,95 f., 119 Antonios Diogenes, Wunderdinge jen­ seits von Thule 45, 46, 78-82, 89, 114, 117 Apokryphe Apostelakten 31, 36 f. Apollonios-Roman 39 f. Apostelgeschichte 35 f. Apuleius Apologie 114

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Hermagoras 114 Metamorphosen 29, 37, 56, 77, 78, 82, 84, 98-102,105-115, 116, 119,124, 126, 142 Augustin 18,103 Biographie s. Romanhafte Biographie Bretzigheimer, G. 133 Briefe Chions 33 Briefe des Hippokrates 33 Briefe des Phalaris 32 Briefe Platons 32 Briefe der Sieben Weisen 32 Briefroman 31-33 Catull 88 Cervantes, M. 83 Chariton, Kallirhoe 28, 46, 54, 56, 57, 60, 63-68, 70 f., 74 f„ 75, 79 f„ 88, 95, 138 Chione-Roman 70 f. christliche Romanliteratur 31, 35-40, 141 Conte, G. B. 95 Dares Phrygius 34 f. Diktys von Kreta 34 f. Diodor 24f„ 30,49 Dowden, K. 114 Eckermann, J. P. 131 Effe.B. 131 f. Euhemeros 24 f. Epikur 96 Etymologicum Magnum 18,86 Evangelien 36 Fielding, H. 83 Goethe, J. W. v. 131 Gronewald, M. 71 Hägg, T. 49,70 Hegesianax von Alexandria 34 Heliodor, Aithiopika 31, 38, 46, 79, 124, 128,134-142 Helm, R. 131 Henrichs, A. 78 Herodot 46, 69 Herpyllis-Roman 117 Historia Apollonii 38-40,45 Homer 34,80, 117 Ilias 68 Odyssee 21,43,68

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Iambulos 24-26, 30 Iamblichos, Babyloniaka 28,31,45, 65, 118-120,137 lolaos-Roman 85f., 87, 94 Iulius Valerius 29 Johannesakten 37 Jüdisch-hellenistische Erzählprosa 36 Julian, röm. Kaiser 46, 57, 140 f. Juvenal 112 Kalligone-Roman 71 f. Kodizes Cod. Flor. Laur. 68,2 113 Cod. Flor. Laur. Conv. Soppr. 627 63, 73 Cod.Theb. 63, 70 f. Konstantin von Sizilien 127 Ktesias von Knidos 49 Leben Äsops 28 f., 36, 86 Lollianos, Phoinikika 76-78 Longos, Daphnis und Chloe 46, 87, 127-134 Lucan 97 Lukian (s. a. Pseudo-Lukian) 59, 98, 103f. Hahn 103 Wahre Geschichten 26, 79, 104 Lukios von Patrai, Metamorphosen 99,102-104,118,119 Mal-Maeder, D. van 112f. Marini, N. 71 Martial 80 menippeische Satire 84 f. Merkelbach, R. 53,78 Morgan, J. 120 Nero 93,94,97 Nikephoros Kallistos 141 Ninos-Roman 26, 28, 34, 46, 47, 48-50,51,54, 59, 65, 70,72 O’Sullivan, J. 51,74 Ovid 57, 117, 126 Papyri P. Amh. 160 140 P. Berol. 6926 48 P. Berol. 7927 69 P. Berol. 9588 69 P. Berol. 10535 70, 71 P. Berol. 21179 69

P. Berol. 21234 70,71 P. Colon. 3328 76 P. Dubl. Inv. C 3 117 P. Erl. 7 69 P. Fayüm. 1 63 P. Gen. 85 48 P. Gen. 187 80 P. Haun. Inv. 400 86 P. Michael. 1 63 P. Mil. Vogliano 260 39 P. Oxy. 435 70 P. Oxy. 1019 63 P. Oxy. 1250 120 P. Oxy. 1368 76 P. Oxy. 1826 50 P. Oxy. 2466 50 P. Oxy. 2948 63 P. Oxy. 3010 85 P. Oxy. 3012 80 P. Oxy. 3319 50 P. Oxy. ined. 112/130 71 PSI 151 39 PSI 981 71 PSI 1177 80 PSI 1305 48 Parthenope-Roman 46, 68-70, 75, 84, 88, 94 Paulusakten 37 Perry, B. E. 41, 52-55, 60, 132 Persius 57, 63 Petron, Satyrica 29, 30, 37, 77, 83-98, 116, 119,142 Petrusakten 36 Phiiostrat 57, 59 Apollonios von Tyana 30f., 81, 140 Photios 79 f„ 99, 103, 118, 120 pikaresker Roman 29, 30, 86 Platon Phaidros 110

Symposion 69, 90 Porphyrios 81 Protagoras-Roman 86 f., 94 Pseudo-Kallisthenes, Leben Alexan­ ders 29 f„ 35,36,47,65 Pseudo-Klementinen 37f., 140 Pseudo-Lukian, Lukios oder Der Esel 29, 77, 79, 84, 98-104,113, 118, 119,126 Reardon, B. P. 53, 128, 132 Reiseerzählung 24-26 Rohde, E. 42, 66, 73, 127 Roman s. antiker Roman romanhafte Biographie 26-31 Seneca 97 Sesonchosis-Roman 26, 28, 34, 46, 50-52, 59, 65, 72 Sokrates Scholastikos 141 Stephens, S. 117, 118 Suda 45,73,119,121,141 Swain, S. 57 f. Tacitus Annalen 93 f. Tatum, J. 114 Terentianus Maurus 94 Thomasakten 36 Thukydides 46, 66, 133 »Tinuphis-Roman« 86 Troja-Roman 34 f., 47 ‘Unsurt, Vämiq u ‘Adhrä 69 Utopie 24—26,139 Varro, M. Terentius 84 Wilcken, U. 71 Winkler, J. 117,118 Xenophon von Athen 45, 46, 66 Anabasis 66 Kyrupädie 27 f., 45, 59, 65 Xenophon von Ephesos, Ephesiaka 12-16, 45, 46, 56, 60, 72-76, 76, 78, 88

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Literaturhinweise

Primärtexte (E. = Edition, Ü. = Übersetzung, K. = Kommentar)

Sammelausgaben von Übersetzungen: B. Kytzler (Hg.), Im Reiche des Eros. Sämtli­ che Liebes- und Abenteuerromane der Antike, 2 Bde., München 1983 (WinklerWeltliteratur); B. P. Reardon (Hg.), Collected Ancient Greek Novels, Berkeley [u. a. O.] 1989; W. Hansen (Hg.), Anthology of Ancient Greek Popular Litera­ ture, Bloomington/Indianapolis 1998. Editionen mehrerer Fragmente: B. Lavagnini (Hg.), Eroticorum Graecorum frag­ menta papyracea, Leipzig 1922; F. Zimmermann (Hg.), Griechische Roman-Pa­ pyri und verwandte Texte, Heidelberg 1936; R. Kussl, Papyrusfragmente grie­ chischer Romane. Ausgewählte Untersuchungen, Tübingen 1991 (Classica Monacensia 2); S. A. Stephens / J. J. Winkler (Hgg.), Ancient Greek Novels: The Fragments. Introduction, Text, Translation, and Commentary, Princeton, N. J. 1995. Vgl. außerdem R. Dostálova, Il romanzo greco e i papiri, Prag 1991; J. R. Morgan, On the Fringes of the Canon: Work on the Fragments of Ancient Greek Fiction (s. Bibliographien und Forschungsberichte); G. Sandy, New Pages of Greek Fiction, in: Morgan/Stoneman (s. Griechischer Roman), S. 130-145; S. Stephens, Fragments of Lost Novels, in: Schmeling (s. Romanhafte Literatur der Antike), S. 655-683. Konkordanzen: F. Conca [u. a.|, Lessico dei romanzieri greci, Hildesheim [u. a. O.| 1989 ff.; W. A. Oldfather [u. a.J, Index Apuleianus, Middletown, Conn. 1934; J. O’Sullivan, A Lexicon to Achilles Tatius, Berlin I New York 1980; M. v. Korn I S. Reitzer, Concordantia Petroniana, Berlin 1986. Achilleus Taños, Leukippe und Kleitophon: E. u. K.: E. Vilborg, Stockholm/Göteborg 1955-62; E. u. K.: Y. Yatromanolakis, Athen 1990; E. u. engl. Ü.: S. Gaselee, London/Cambridge, Mass. 1917 (Loeb Classical Library); E. u. frz. Ü.: J.-Ph. Garnaud, Paris 1991 (Collection Budé); dt. Ü. u. K.: K. Plepelits, Stuttgart 1980; dt. Ü.: F. Ast, in: Kytzler (s. Sammelausgaben), Bd. 2, S. 174ff.; engl. Ü.: J. J. Winkler, in: Reardon (s. Sammelausgaben), S. 170ff.; K. zu Buch 3: T. F. Carney, Salisbury 1961. »Äsop-Roman«: E.: B. E. Perry, Aesopica, Urbana, 111. 1952, Nachdr. New York 1980 [Fassungen G, W, PI.]; E. u. neugr. Ü.: M. Papathomopoulos, Ioannina 21991 [G] bzw. Athen 1999 [W]; E. u. it. Ü.: F. Ferrari I G. Bonelli / G. Sandrolini, Mailand 1997 (Classici della BUR) [GJ; dt. Ü.: G. Poethke, Leipzig 1974 (Sammlung Dieterich 348) [GJ; engl. Ü.: L. W. Daly, New York / London 1961

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lange von den Altphilologen stiefmütterlich behandelt, ist seit anderthalb Jahrzehnten zunehmend ins Blickfeld der Forschung gerückt. Dem trägt Niklas Holzbergs überarbeitete und zu weiten Teilen völlig neu geschriebene Einführung Rechnung, holzberg äußert sich zur Entstehungsgeschichte, gibt eine Typologie der verschiedenen Zweige und faßt die Inhalte der überlieferten Werke interpretierend zusammen. er antike roman,

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All that needs to be said now is that there is simply no better book in any language to put in the hands of a student (or colleague) venturing into the field of ancient fiction for the first time. JOURNAL OF HELLENIC STUDIES 1000

Der Autor: niklas holzberg lehrt am Seminar für Klassische Philologie der Universität München. Übersetzer und Herausgeber zahlreicher Werke v. a. zur römischen Dichtkunst.

Artemis x Winkler