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German Pages 568 [576] Year 1979
de Gruyter Lehrbuch
Allgemeines Verwaltungsrecht Herausgegeben von Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens bearbeitet von Peter Badura
Fritz Ossenbiihl
Hans-Uwe Erichsen
Walter Rudolf
Wolfgang Martens
Wolfgang Riifner
Ingo von Münch
Jürgen Salzwedel
Zitiervorschlag ζ. B . Badura in Erichsen/Martens Allg. VerwR, 4. Α . , S. 278
4., unveränderte Auflage
w c DE
1979
Walter de Gruyter · Berlin · New York
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Allgemeines Verwaltungsrecht / hrsg. von Hans-Uwe Erichsen u. Wolfgang Martens. Bearb. von Peter Badura . . . — 4., unveränd. Aufl. - Berlin, N e w York : de Gruyter, 1979. (De-Gruyter-Lehrbuch) ISBN 3-11-007828-7 N E : Erichsen, Hans-Uwe [Hrsg.]; Badura, Peter [Mitarb.]
© Copyright 1979 by Walter de Gruyter Sc C o . , vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp., 1000 Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Ubersetzung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz: Walter de Gruyter & Co., 1000 Berlin 30 Druck: K.Gerike, 1000 Berlin 36 Buchbinderei: Wiibben & Co., 1000 Berlin 42
Vorwort zur vierten Auflage Die vor gut einem Jahr erschienene dritte Auflage dieses Buches ist bereits vergriffen. Die damalige Neubearbeitung hat die Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder bereits berücksichtigt. Angesichts der Kürze der seither verstrichenen Zeit und im Blick auf den Stand der Diskussion dieser Gesetze in Rechtsprechung und Schrifttum erschien es vertretbar, auf Ergänzungen zu verzichten und eine unveränderte vierte Auflage vorzulegen. Eine Neubearbeitung ist für die nächste Auflage geplant. Das in Fortsetzung und Ergänzung dieses Werkes von Ingo von Münch herausgegebene und teilweise von denselben Autoren mitverfaßte Lehrbuch „Besonderes Verwaltungsrecht" ist im Frühjahr 1979 in 5. Auflage erschienen. Für Kritik und Anregungen sind Autoren und Herausgeber auch weiterhin dankbar. Bochum/Hamburg, im Mai 1979
V
Vorwort zur dritten Auflage Schneller als erwartet ist nunmehr bereits die 3. Auflage erforderlich geworden. Sie berücksichtigt Gesetze, Rechtsprechung und Schrifttum bis zum Herbst 1977. Insbesondere ist die Einarbeitung der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder auch weiterhin Gegenstand der besonderen Aufmerksamkeit der Autoren gewesen. Da die Länder entweder inhaltsgleiche oder sogar Verweisungsgesetze erlassen haben, sind die Äußerungen zum Verwaltungsverfahrensrecht gleicherweise für die bundes- wie auch für die landesgesetzlichen Kodifikationen aussagekräftig. Die Frage des Anwendungsbereichs von Bundes- und Landesverwaltungsverfahrensgesetzen ist sowohl im Teil Verwaltungsverfahren als auch im Teil Verwaltungshandeln im Zusammenhang mit jenen Komplexen erörtert worden, die insoweit Probleme aufwerfen. Die 3. Auflage ist von Heinz-Gerd Sokolish, Mitarbeiter am Lehrstuhl für öffentliches Recht I der Ruhr-Universität Bochum, redaktionstechnisch betreut worden. Auch das Abkürzungsverzeichnis, in das das Verzeichnis der häufig zitierten Schriften integriert wurde, sowie Inhalts- und Sachverzeichnis wurden von ihm bearbeitet. Fortsetzung und Ergänzung des vorliegenden Werkes ist das von Ingo von Münch herausgegebene und teilweise von denselben Autoren mitverfaßte Lehrbuch „Besonderes Verwaltungsrecht", das im Herbst 1976 in 4. Auflage erschienen ist. Für Kritik und Anregungen sind Autoren und Herausgeber weiterhin dankbar.
VI
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage Das Allgemeine Verwaltungsrecht mit seinen Rechtsinstituten, seinen Grundsätzen und seiner inneren Systematik muß sich an dem Fortgang der Staatsaufgaben und an der Entwicklung der Rechtsformen des Verwaltungshandelns orientieren. Autoren und Herausgeber haben sich das Ziel gesetzt, die damit gestellten Anforderungen zu erreichen. Das Buch ist zuerst auf die Bedürfnisse der Studenten zugeschnitten. Ihnen will es allerdings mehr geben als eine Einführung oder ein Kurzlehrbuch. Auf der anderen Seite bringt es die Absicht, ein Hilfsmittel für Studium und Prüfung zur Verfügung zu stellen, mit sich, daß nach Stoffverarbeitung und Darstellung nicht die Ansprüche eines großen Lehrbuchs oder Handbuchs angestrebt werden. Autoren und Herausgeber haben freilich auch das Ziel verfolgt, durch die selbständige Behandlung des umfangreichen Materials und durch die Auseinandersetzung mit Literatur und Rechtsprechung zur wissenschaftlichen Durchdringung des Allgemeinen Verwaltungsrechts beizutragen und dem Interesse der Praxis an den dogmatischen Grundlagen und Zusammenhängen des Verwaltungsrechts entgegenzukommen. Das Werk ist eine Gemeinschaftsarbeit. Autoren und Herausgebern war von Anbeginn klar, daß die Gesamtdarstellung des Allgemeinen Verwaltungsrechts durch mehrere Autoren ein Wagnis ist. Diese Überzeugung hat sich im Verlauf der Entstehung des Werkes bestätigt und noch verstärkt. Sie hoffen aber, daß es — bei aller Unterschiedlichkeit der acht Autoren in einzelnen Standpunkten — gelungen ist, ein Werk zustande zu bringen, das durch die Verbindung systematischen Vorgehens mit eingearbeiteten Fällen und Beispielen sowohl eine Veranschaulichung der Fragestellungen und Probleme des Allgemeinen Verwaltungsrechts als auch eine wissenschaftliche Fundierung dieses Rechtsgebiets fördern kann. Jeder Autor trägt für seinen Beitrag die alleinige Verantwortung. Der 3. Teil des Lehrbuchs über das Verwaltungshandeln ist von den Herausgebern gemeinsam erarbeitet worden, wobei die Verantwortung für §10 II 1 — 4 und 7, §§11, 17, 2 1 - 3 2 bei Hans-Uwe Erichsen und für die §§ 10 I, II 5 und 6, §§ 12-16, 18-20, 33—35 bei Wolfgang Martens liegt.
VII
Autoren- und Inhaltsübersicht Dr. Ingo von Münch o. Professor an der Universität Hamburg
Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat
1
Dr. Fritz Ossenbühl o. Professor an der Universität Bonn
Die Quellen des Verwaltungsrechts
55
Dr. Hans-Uwe Erichsen o. Professor an der Universität Bochum Dr. Wolfgang Martens o. Professor an der Universität Hamburg
Das Verwaltungshandeln
119
Dr. Peter Badura o. Professor an der Universität München
Das Verwaltungsverfahren
267
Dr. Jürgen Salzwedel o. Professor an der Universität Bonn
Anstaltsnutzung und Nutzung öffentlicher Sachen
339
Dr. Wolfgang Rüfner o. Professor an der Universität Kiel
Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen 395 Dr. Walter Rudolf o. Professor an der Universität Mainz
Verwaltungsorganisation
461
IX
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis
.
ERSTER TEIL Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat § 1
Begriff der öffentlichen Verwaltung I. Allgemeine Umschreibung des Begriffs öffentliche Verwaltung II. Abgrenzung von Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung III. Merkmale der öffentlichen Verwaltung
§ 2
Arten der öffentlichen Verwaltung I. Möglichkeiten der Unterteilung II. Hoheitliche Verwaltung 1. Unterscheidung öffentliches Recht — Privatrecht 2. Eingriffsverwaltung 3. Leistungsverwaltung 4. Planende Verwaltung III. Fiskalische Verwaltung 1. Begriff der fiskalischen Verwaltung 2. Arten der fiskalischen Verwaltung
§ 3
Verfassung und Verwaltung I. Grundprinzipien der Verfassung: Bundesstaat, Demokratie, Sozialstaat, Rechtsstaat 1. Politische Bedingtheit des Verwaltungsrechts 2. Bundesstaat 3. Demokratie 4. Sozialstaat 5. Rechtsstaat II. Bindung und Freiheit der Verwaltung 1. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 2. Verwaltung und Grundrechte 3. Politische oder unpolitische Verwaltung
§ 4
öffentliche Verwaltung im technischen Zeitalter I. Automation II. Datenverarbeitung
Inhaltsverzeichnis ZWEITER
TEIL
Die Quellen des Verwaltungsrechts §5
55
Verwaltung und Recht
55
I. Bedeutung des Rechts für die Verwaltung
55
II. Gesetzmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Verwaltung §6
57
Rechtsquelle und Rechtsnorm
62
I. Der Begriff der Rechtsquelle
62
II. Der Begriff der Rechtsnorm 1. Der historisch-konventionelle Rechtssatzbegriff 2. Der rechtstheoretische Rechtssatzbegriff III. Aufgabe der Rechtsquellenlehre § 7
Arten der Rechtsquellen
66
I. Verfassungsgesetze
66
II. Gesetze 1. Begriff des Gesetzes 2. Gegenwärtige Problematik der (förmlichen) Gesetze 3. Kodifikationsproblem III. Rechtsverordnungen 1. Begriff und Funktion 2. Verhältnis von Gesetz und Verordnung 3. Verordnungsgeber 4. Verfahren IV. Verwaltungsvorschriften 1. Begriff und Terminologie 2. Typologie der VerwaltungsVorschriften 3. Rechtsnatur 4. Bindungswirkung 5. Rechtserzeugung V. Sonderverordnungen 1. Begriff 2. Problematik VI. Satzungen 1. Begriff und Funktion 2. Abgrenzung zu verwandten Rechtsquellen 3. Inhalt der Satzungen 4. Rechtserzeugung VII. Gewohnheitsrecht 1. Die herkömmliche Lehre und Rechtsprechung 2. Neuere Ansätze einer Negation des Gewohnheitsrechts VIII. Richterrecht 1. Das Problem 2. Auffassungen in Lehre und Rechtsprechung 3. Lösungsansätze XII
63 64 65 65
. .
68 68 70 71 72 72 73 75 76 77 78 78 80 81 86 87 87 87 90 90 91 93 94 94 95 97 98 98 99 101
Inhaltsverzeichnis IX. Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts 1. Begriff 2. Beispiele 3. Rechtsnatur X. Europäisches Gemeinschaftsrecht 1. Grundlagen 2. Normschichten und Normkategorien 3. Fundstellen XI. Völkerrecht
103 103 104 105 107 108 108 109 109
§ 8 Rangordnung der Rechtsquellen I. Notwendigkeit der Rangordnung II. Völkerrecht und innerstaatliches Recht III. Europäisches Gemeinschaftsrecht und innerstaatliches Recht 1. Europäisches Gemeinschaftsrecht und innerstaatliche Gesetze 2. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Grundrechte IV. Stufen der innerstaatlichen Rangordnung
111 111 111 112 112 113 114
§9
115 115 115 116 116 117 118 118
Geltungsbereich der Rechtsquellen I. Zeitlicher Geltungsbereich 1. Inkrafttreten 2. Außerkrafttreten 3. Rückwirkung 4. Fortgelten vorkonstitutionellen Rechts II. Räumlicher Geltungsbereich III. Persönlicher Geltungsbereich
DRITTER
TEIL
Das Verwaltungshandeln
119
§10 Verwaltungshandeln und Verwaltungsrechtsverhältnis I. Übersicht II. Das Verwaltungsrechtsverhältnis 1. Die Begründung von Verwaltungsrechtsverhältnissen 2. Die Rechtsfähigkeit 3. Die verwaltungsrechtliche Handlungsfähigkeit 4. Der Inhalt von Verwaltungsrechtsverhältnissen 5. Die subjektiven öffentlichen Rechte 6. Die Nachfolge im Verwaltungsrechtsverhältnis 7. Die Beendigung des Verwaltungsrechtsverhältnisses
119 119 120 121 123 125 128 130 133 135
1. Abschnitt: Der Verwaltungsakt
137
§11 Bedeutung und Begriff des Verwaltungsaktes I. Geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung
137 137 XIII
Inhaltsverzeichnis II. Die einzelnen Merkmale der Definition des Verwaltungsaktes 1. Die Maßnahme 2. Die Behörde 3. Die Gebietsklausel. . 4. Die Regelung 5. Die unmittelbare Rechtswirkung nach außen 6. Der Einzelfall § 12 Arten der Verwaltungsakte I. Befehlende, gestaltende und feststellende Verwaltungsakte 1. Befehl 2. Gestaltung 3. Feststellung
140 140 142 144 145 149 154 158 158 159 159 159
II. Gebundene Verwaltungsakte, Ermessensakte und freie Verwaltungsakte . . 1. Gebundene Verwaltungsakte 2. Ermessensakte 3. Gesetzesfreie Verwaltungsakte
159 160 164 169
III. Begünstigende und belastende Verwaltungsakte ; Verwaltungsakte mit Drittwirkung 1. Begünstigende und belastende Verwaltungsakte 2. Verwaltungsakte mit Drittwirkung
170 170 171
IV. Mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakte
173
§ 1 3 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes
174
§ 1 4 Nebenbestimmungen I. Arten 1. Befristung, Bedingung und Widerrufsvorbehalt 2. Auflage und Auflagenvorbehalt II. Zulässigkeit
175 176 176 176 177
§ 1 5 Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten I. Der rechtmäßige Verwaltungsakt 1. Zuständigkeit, Verfahren, Form 2. Inhaltliche Anforderungen II. Der rechtswidrige Verwaltungsakt 1. Begriffliche Abgrenzung 2. Rechtsfolgen der Rechtswidrigkeit 3. Teilrechtswidrigkeit § 16 Aufhebung von Verwaltungsakten durch die Verwaltung — Einführung § 1 7 Der Widerruf begünstigender Verwaltungsakte I. Notwendigkeit des Widerrufs II. Die Regelung des Widerrufs begünstigender Verwaltungsakte § 18 Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte I. Vom Grundsatz freier Rücknahme zum Vertrauensschutz XIV
179 180 180 181 185 185 185 188 191 193 193 194 203 203
Inhaltsverzeichnis II. Verwaltungsakte auf Geld- oder Sachleistungen 1. Vertrauensschutz als Bestandsschutz 2. Rücknahme für die Zukunft und rückwirkende Rücknahme 3. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch III. Andere begünstigende Verwaltungsakte § 19 Widerruf und Rücknahme belastender Verwaltungsakte I. Materiellrechtliche Grundsätze 1. Widerruf 2. Rücknahme II. Der Rechtsschutz des Betroffenen § 20 Vollstreckung von Verwaltungsakten I. Vollstreckung von Geldforderungen II. Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen 2. Abschnitt:
205 205 205 206 207 208 210 210 211 213 215 216 218
Plan und Planung
221
§ 21 Gegenwärtige Bedeutung
221
§ 22 Der Plan als Handlungsform
223
§ 23 Planaufstellung, Planänderung und Plangewährleistung
226
3. Abschnitt: Verwaltungsrechtlicher Vertrag und andere verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen
229
§ 24 Begriff und Arten des verwaltungsrechtlichen Vertrages
229
§ 25 Die Zuordnung eines Vertrages zum öffentlichen Recht
230
I. Die Notwendigkeit der Unterscheidung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag II. Unterscheidungskriterien
230 230
III. Der öffentlich-rechtliche Vertrag unter Privaten
234
IV. Die Anwendung der Verwaltungsverfahrensgesetze
235
§ 26 Der koordinationsrechtliche Vertrag § 27 Der subordinationsrechtliche Vertrag I. Die Zulässigkeit des subordinationsrechtlichen Vertrages II. Abschlußfreiheit, Form und Verfahren
235 236 236 238
III. Die Freiheit inhaltlicher Gestaltung
240
IV. Der fehlerhafte subordinationsrechtliche Vertrag
243
§ 28 Vertragserfüllung und Leistungsstörungen
247
§ 29 Die Vollstreckung aus subordinationsrechtlichen Verträgen
249
§ 30 Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse I. Das verwaltungsrechtliche Verwahrungsverhältnis
250 251
II. Die öffentlich-rechdiche Geschäftsführung ohne Auftrag
252
III. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch
255 XV
Inhaltsverzeichnis 4. Abschnitt: Handeln der Verwaltung in privatrechtlichen Formen
257
§ 31 Freiheit der Formenwahl
257
§ 32 Die Bindung der Verwaltung beim Handeln in privatrechdichen Formen
258
5. Abschnitt: Der Verwaltungs-Realakt
261
§ 33 Begriff und Bedeutung
261
§ 34 Rechtliche Einordnung
262
§ 35 Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit
263
VIERTER
TEIL
Das Verwaltungsverfahren
267
§ 36 Rechtsquellen und Literatur I. Rechtsquellen II. Das Kodifikationsproblem III. Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) IV. Ausland V. Literatur
267 267 270 273 275 275
§ 37 Was ist das Verwaltungsverfahren ? 276 I. Verwaltungsverfahren, Verwaltungsverfahrensrecht und Allgemeines Verwaltungsrecht 277 II. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens 278 III. Nichtförmliche und förmliche Verwaltungsverfahren 279 IV. Typischer Ablauf eines Verwaltungsverfahrens 280 § 38 Die Zuständigkeit zur Entscheidung 280 I. Die Behörde 280 II. Unparteilichkeit der Amtsführung und Ausschluß wegen Befangenheit . . . 282 III. „Partizipation" an Verwaltungsentscheidungen 283 § 39 Die Einleitung des Verwaltungsverfahrens I. Beginn des Verfahrens von Amts wegen oder auf Antrag II. Der Antrag III. Antrags- und mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt
285 285 285 287
§ 40 Das Verfahren vor der Entscheidung I. Die Beteiligten II. Die Verfahrensgrundsätze 1. Untersuchungsgrundsatz, Mitwirkungspflicht der Beteiligten 2. Beweisaufnahme 3. Das Recht auf Gehör 4. Akteneinsicht
287 288 289 289 290 291 292
XVI
Inhaltsverzeichnis 5. Auskunfts- und Beratungspflicht der Behörde 6. Grundsätze der Rechtsanwendung
294 295
III. Die Mitwirkung anderer Behörden oder Verwaltungsträger
296
IV. Die Amtshilfe
299
§ 4 1 Die Entscheidung I. Der Verwaltungsakt als Bescheid II. Form und Inhalt des Verwaltungsaktes 1. Formvorschriften 2. Automatisierte Bescheide 3. Begründung und Begründungszwang 4. Rechtsmittelbelehrung 5. Inhalt, Auslegung und Bestimmtheit des Verwaltungsaktes 6. Bekanntgabe und Zustellung des Verwaltungsaktes 7. Vorbescheid III. Bedeutung und Heilung von Verfahrensmängeln IV. Nachschieben von Gründen und Konversion V. Die Bestandskraft des Verwaltungsaktes 1. Bestandskraft oder Rechtskraft? 2. Berichtigung von Verwaltungsakten 3. Wiederaufgreifen eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens, wiederholende Verfügung und Zweitbescheid, Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten § 42 Das Planfeststellungsverfahren I. Grundlagen des Planfeststellungsrechts II. Besonderheiten des Verfahrens III. Der Planfeststellungsbeschluß
300 300 302 302 303 307 309 309 312 314 315 320 321 324 321
325 328 328 331 334
FÜNFTER TEIL Anstaltsnutzung und Nutzung öffentlicher Sachen
339
§ 43 Zwei Formen der Inanspruchnahme von Daseinsvorsorge
339
§ 44 Die Anstaltsnutzung
341
I. öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Nutzung II. Zulassung und Benutzung III. Benutzung und Sonderbenutzung, Benutzungsordnung IV. Rechtsschutz für die Benutzer V. Benutzungsgebühren und Entgelte VI. Haftung der Anstalt § 45 Begriff der öffentlichen Sache I. öffentlich-rechtliches Regime II. Widmung
341 345 347 349 352 354 356 357 358 XVII
Inhaltsverzeichnis III. öffentliches Sachenrecht als Statusrecht IV. öffentliche Sache und Verwaltungsvermögen § 46 öffentliche Sachen im Gemeingebrauch I. Beteiligte II. Individuelles Recht auf Gemeingebrauch III. Sondernutzungen IV. Eigentum und Kontrahierungszwang V. AnHeger VI. Verkehrssicherungspflicht VII. Enteignungsverfahren
360 360 361 361 365 369 372 373 374 375
§ 47 öffentliche Sachen im Sondergebrauch I. Widmung
377 378
II. Eigentum und Duldungspflichten
380
III. Wasserrechtliches Nachbarrecht IV. Erlaubnis und Bewilligung
381 382
V. Rücknahme und Widerruf VI. Polizeiliche Befugnisse
384 386
VII. Verkehrsgebrauch und wasserwirtschaftliche Benutzung § 48 öffentliche Sachen im Anstaltsgebrauch I. Verhältnis des Anstalts- zum Sachenrecht II. Umfang der sachenrechtlichen Widmung von Anstaltsgegenständen . . . .
386 388 389 390
III. Schutz vor Zweckentfremdung und Mindestanforderungen an Publizität . .
391
IV. Notwendige Widmung
392
§ 49 öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch
SECHSTER
392
TEIL
Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen
395
§ 50 Einleitung
395
§ 51 Amtshaftung
400
I. Grundlagen 1. Geschichtliches 2. Geltendes Recht II. Amtshaftung wegen Verletzung von Amtspflichten im öffentlich-rechtlichen Rechtskreis 1. Anspruchsgegner 2. Begriff des Beamten 3. Amtspflicht gegenüber einem Dritten 4. Verschulden 5. Mitverschulden und Versäumung eines Rechtsmittels XVIII
400 400 401 402 402 406 407 411 413
Inhaltsverzeichnis III. Amtshaftung wegen Verletzung einer Amtspflicht im privatrechtlichen Rechtskreis 1. Haftung des Beamten 2. Haftung des Dienstherrn IV. Art und Höhe des Schadensersatzes § 52 Enteignung und Aufopferung I. Grundlagen 1. Geschichtliche Entwicklung 2. Geltendes Recht II. Rechtmäßige Enteignung im einzelnen 1. Zulässigkeitsvoraussetzungen 2. Tatbestand der Enteignung 3. Entschädigung III. Enteignungsgleicher und enteignender Eingriff 1. Tatbestand 2. Entschädigung IV. Aufopferung 1. Tatbestand 2. Entschädigung § 53 Ergänzungen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsrechts durch besondere Normen I. Sonderbestimmungen des Polizeirechts II. Entschädigung bei Widerruf oder Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte III. Soziale Entschädigung IV. Schadensersatzansprüche aus verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen V. Folgenbeseitigungsanspruch VI. De lege lata diskutierte Ansprüche 1. Allgemeiner öffentlich-rechtlicher Wiedergutmachungsanspruch 2. öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung 3. Plangewährleistungsanspruch
414 414 414 415 416 416 416 418 420 420 421 426 430 430 436 439 439 443 443 443 444 445 447 450 454 454 455 456
§ 54 Reform des öffentlich-rechdichen Schadensersatz- und Entschädigungsrechts . . . 457 I. Reform des Enteignungsrechts 457 II. Reform des Staatshaftungsrechts 458
SIEBTER TEIL Verwaltungsorganisation
461
§ 55 Grundlagen der gegenwärtigen Verwaltungsorganisation I. Bedeutung der Organisation II. Geschichtliche Entwicklung der Verwaltungsorganisation
461 461 462 XIX
Inhaltsverzeichnis 1. Landesverwaltung 2. Reichsverwaltung III. Verfassungsrechtliche Grundlagen § 56 Organisationsrecht I. Organisationsgewalt der Verwaltung II. Verwaltungsträger 1. Unmittelbare und mittelbare staatliche Verwaltung 2. Juristische Personen des öffentlichen Rechts 3. Sonstige Verwaltungsträger
469 471 471 474 475 476 481
III. Behörden und sonstige Verwaltungsstellen 1. Amt und Behörde 2. Sonstige Verwaltungsstellen
482 483 488
IV. Institutionelle Beziehungen in der Verwaltung 1. Zuständigkeit 2. Beziehungen innerhalb eines Verwaltungsträgers 3. Beziehungen zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern
490 490 493 496
§ 57 Uberblick über die Verwaltungsorganisation in Bund, Ländern und Gemeinden
497
I. Bundesverwaltung 1. Unmittelbare Bundesverwaltung 2. Bundesmittelbare Verwaltung
497 498 501
II. Landesverwaltung 1. Unmittelbare Landesverwaltung 2. Mittelbare Landesverwaltung
502 502 504
III. Kommunalverwaltung 1. Gemeindeverwaltung 2. Verwaltung der Gemeindeverbände Sachverzeichnis
XX
463 467
505 506 508 515
Abkürzungsverzeichnis a. Α. a. a. O . AbfG ABl. abl. Abs. abw. AcP a. E. AFG AG AGVwGO ALR a. M. AmtsO Anh. Ani. Anm. AöR AO A O 1977 ApothG Art. AS AtomG
Aufl. AuslG AVG AWD AW G
anderer Ansicht am angegebenen O r t Gesetz über die Beseitigung von Abfällen (Abfallbeseitigungsgesetz) i. d. F. vom 5. 1. 1977 (BGBl. I S. 41) Amtsblatt ablehnend Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis am Ende Arbeitsförderungsgesetz vom 25. 6. 1969 (BGBl. I S. 582) Aktiengesellschaft, Ausführungsgesetz Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 anderer Meinung Amtsordnung Anhang Anlage Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts s. R A O Abgabenordnung vom 16. 3. 1976 (BGBl. I S. 396) Gesetz über das Apothekenwesen vom 20. 8. 1960 (BGBl. I S. 697) Artikel Amtliche Sammlung Gesetz über die friedliche Anwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) i. d. F. vom 31. 10.1976 (BGBl. I S. 3053) Auflage Ausländergesetz vom 28. 4. 1965 (BGBl. I S. 353) Angestelltenversicherungsgesetz i. d. F. vom 16. 10. 1972 (BGBl. I S. 1965) Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Außenwirtschaftsgesetz vom 28. 4. 1961 (BGBl. I S. 481)
B, Bl. Blatt BAB1. Bundesarbeitsblatt Bachof, Rspr. BVerwG I, II Otto Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Bd. I, 3. Auflage 1966; Bd. II 1967 XXI
Abkürzungsverzeichnis BauNVO BauO BauR BaWüVBl. Bay. BayBauO BayBS BayEDVG BayGemO BayJagdG BayKomZG BayObLGZ BayVBl. BayVerfGH BayVGH (BayVGHE) BayWG BB BBahnG BBankG BBauBl. BBauG BBG Bd. BDSG
BEG
Begr. Bek. Beri. BerlVwVfG bes. Bes. VerwR Betr. betr. BezO BezVerwG BFH BFStrG XXII
VO über die bauliche Nutzung der Grundstücke i. d. F. vom 15. 9. 1977 (BGBl. I S. 1763) (Baunutzungsverordnung) Bauordnung Baurecht, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt Bayern, bayerisch Bayer. Bauordnung i. d. F. vom 1. 10. 1974 (GVBl. S. 513) Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts Gesetz über die Organisation der elektronischen Datenverarbeitung im Freistaat Bayern vom 12. 10. 1970 (GVBl. S. 457) Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern i. d. F. vom 5. 12. 1973 (GVBl. S. 618) Bayerisches Jagdgesetz vom 18. 7. 1962 (GVBl. S. 131) Bayer. Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit vom 12. 7. 1966 (GVBl. S. 1380) Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Zivilsachen) Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof; Amtliche Sammlung von EntScheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Bayerisches Wassergesetz i. d. F. vom 7. 3. 1975 (GVBl. S. 39) Der Betriebs-Berater Bundesbahngesetz i. d. F. vom 13. 12. 1951 (BGBl. I S. 955) Bundesbankgesetz vom 26. 7. 1957 (BGBl. I S. 745) Bundesbaublatt Bundesbaugesetz i. d. F. vom 18. 10. 1976 (BGBl. I S. 2557) Bundesbeamtengesetz i. d. F. vom 3. 1. 1977 (BGBl. I S. 1) Band Gesetz zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung (Bundesdatenschutzgesetz) vom 27. 1. 1977 (BGBl. I S. 201) Bundesgesetz zur Entschädigung f. Opfer d. nationalsoz. Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz) i. d. F. vom 29. 6. 1956 (BGBl. I S. 559, 562) Begründung Bekanntmachung Berlin, berlinisch Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 8. 12. 1976 (GVBl. S. 2735) besonders Besonderes Verwaltungsrecht Der Betrieb betreffend Bezirksordnung Bezirksverwaltungsgericht Bundesfinanzhof Bundesfernstraßengesetz i. d. F. vom 1. 10. 1974 (BGBl. I S. 2413)
Abkürzungsverzeichnis BGB BGBl. BGH BGHZ BGSG BHO BImSchG
BK Bln. BM BNotO BPersVertrG BRat Brem. BremPG brit. Mil. Reg. BRRG BRS BSeuchG
BSG BSGE BSHG BStBl. BT BT-Drucks. Buchholz BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BVFG BVwVG BW BWahlG BWaStrG, BWassStrG
Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 (RGBl. S. 195) Bundesgesetzblatt, Teile I und II 1951 ff., Teil III 1958ff. Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Gesetz über den Bundesgrenzschutz i. d. F. vom 18. 8. 1972 (BGBl. I S. 1834) Bundeshaushaltsordnung vom 19. 8. 1969 (BGBl. I S. 1284) Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundesimmissionsschutzgesetz) vom 15. 3. 1974 (BGBl. I S. 721) Kommentar zum Bonner Grundgesetz — Bonner Kommentar — Loseblattkommentar, Stand: 36. Lieferung (August 1976) Berlin, berlinerisch Bundesminister Bundesnotarordnung vom 24. 2. 1961 (BGBl. I S. 989) Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15. 3. 1974 (BGBl. I S. 693) Bundesrat Bremen, bremisch Bremisches Polizeigesetz vom 5. 7. 1960 (GBl. S.73) britische Militärregierung Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Beamtenrechtsrahmengesetz) i. d. F. vom 3. 1. 1977 (BGBl. I S. 21) Baurechtssammlung Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (Bundes-Seuchengesetz) vom 18. 7. 1961 (BGBl. I S. 1012) Bundessozialgericht (Entscheidungen des BSG) Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessozialhilfegesetz i. d. F. vom 13. 2. 1976 (BGBl. I S. 290) Bundessteuerblatt Bundestag Drucksache des Deutschen Bundestages (Wahlperiode und Nummer) Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht i. d. F. vom 3. 2. 1971 (BGBl. I S. 105) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Ges. ü. d. Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) i. d. F. vom 23. 10. 1961 (BGBl. I S. 1883) Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz vom 27. 4. 1953 (BGBl. I S. 157) Baden-Württemberg, baden-württembergisch Bundeswahlgesetz i. d. F. vom 1. 9. 1975 (BGBl. I S. 2325) Gesetz ü. d. vermögensrechtlichen Verhältnisse d. Bundeswasserstraßen vom 21. 5. 1951 (BGBl. I S. 352) XXIII
Abkürzungsverzeichnis BwBauO BWVB1. BWVGH BWVPr. bzw.
Baden-Württembergische Bauordnung i. d. F. vom 20. 6. 1972 (GBl. S. 351) Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt Baden-Württembergischer Verwaltungsgerichtshof Baden-Württembergische Verwaltungspraxis beziehungsweise
DAAD Deutscher Akademischer Austauschdienst DDR Deutsche Demokratische Republik ders. derselbe Der Staat Zeitschrift „Der Staat" Dez. Dezember DGO Deutsche Gemeindeordnung vom 30. 1. 1935 (RGBl. I S. 49) d. h. das heißt Diss. Dissertation DJT Deutscher Juristentag DÖV Die öffentliche Verwaltung Drews/Wacke/ Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, II Bill Drews/Gerhard Wacke/Klaus Vogel/Wolfgang Martens, Gefahrenabwehr, Bd. 1 von Klaus Vogel, 8. Auflage 1975, Bd. 2 von Wolfgang Martens, 8. Auflage 1977 Deutsche Richterzeitung DRZ Deutsches Steuerrecht DStR Die Verwaltung (Zeitschrift) DV Deutsches Verwaltungsblatt DVB1. Datenverarbeitung im Recht DVR E EAG EAGV EDV EGBGB EGKS EGKSV EheG Einl. EinlALR Erl. EStG ESVGH
XXIV
Entscheidung; Amtliche Sammlung der Entscheidungen des davorgenannten Gerichts Europäische Atomgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) vom 25. 3. 1957 (BGBl. II S. 1014) Elektronische Datenverarbeitung Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18. 8. 1896 (RGBl. S. 604) Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montan-Union) vom 18. 4. 1951 (BGBl. II S. 445) Ehegesetz vom 20. 2. 1946 (= Gesetz Nr. 16 des Kontrollrats, Amtsblatt des Kontrollrats S. 77) Einleitung Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht Erläuterung Einkommensteuergesetz i. d. F. vom 5. 9. 1974 (BGBl. I S. 2165) Entscheidungssammlung des Hess, und des Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshofes
Abkürzungsverzeichnis etc. EuGH EuR Ev. EvStL EVwVfG 1963 EVwVfG 1970 EVwVfG 1973 EWG EWGV Eyermann/Fröhler, VwGO
f. Festschr. FeuerbG ff. Fg. FinVwG
und so weiter Europäischer Gerichtshof Europarecht (Zeitschrift) Evangelisch Evangelisches Staatslexikon, 2. Aufl. Stuttgart, Berlin 1975 Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, 1964, 2. Aufl. 1968 Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (Bundestags-Drucks. 6/1173) Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (Bundestags-Drucks. 7/910) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957 (BGBl. II S. 766) Erick Eyermann/Ludwig Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 7. Auflage 1977
Fs. FStrG
folgende (Seite) Festschrift Gesetz über die Feuerbestattung vom 15. 5. 1934 (RGBl. I S. 380) folgende (Seiten) Festgabe Gesetz über die Finanzverwaltung i. d. F. vom 30. 8. 1971 (BGBl. I S. 1426) Fleischbeschaugesetz i. d. F. vom 15. 3. 1960 (BGBl. I S. 186) Flurbereinigungsgesetz i. d. F. vom 16. 3. 1976 (BGBl. I S. 546) Fußnote Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, Allgemeiner Teil, 10. Auflage 1973 Festschrift sh. BFStrG
G GastG GBl. GBO gem. GemO GemTag GeschO GeschOBReg GewArch. GewO GG ggf.
Gesetz(e) Gaststättengesetz vom 5. 5. 1970 (BGBl. I S. 465) Gesetzblatt Grundbuchordnung i. d. F. vom 5. 8. 1935 (RGBl. I S. 1073) gemäß Gemeindeordnung Zeitschrift „Der Gemeindetag" Geschäftsordnung Geschäftsordnung der Bundesregierung Gewerbearchiv Gewerbeordnung i. d. F. vom 26. 7. 1900 (RGBl. S. 871) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 gegebenenfalls
FleischbeschauG FlurBG Fn. Forsthoff, VwR
XXV
Abkürzungsverzeichnis G G O II GjS GmbH GMBl. GO GoA GS GSNW GüKG GVBl. (GVOBl.) GVG GVNW GWB
Hamann/Lenz, GG Hamb. HambOVG HambSOG HandwO HaushaltsgrundsätzeG (HGrG) HdbDStR (HDStR) Hess. Hesse, VerfR HessGO HessSOG HessStGH HessVGH HGB HGrG h. M. HochSchG HRRVwR Hrsg. Hs. XXVI
Besonderer Teil der gemeinsamen Geschäftsordnung der Reichsministerien (Bundesministerien) Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften i. d. F. vom 29. 4. 1961 (BGBl. I S. 498) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeinsames Ministerialblatt Gemeindeordnung Geschäftsführung ohne Auftrag Gesetzes-Sammlung Sammlung des bereinigten Landesrechts von Nordrhein-Westfalen (bis 1956) Güterkraftverkehrsgesetz i. d. F. vom 6. 8. 1975 (BGBl. I S. 2312) Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz i. d. F. vom 9. 5. 1975 (BGBl. I S. 1077) Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. vom 4. 4. 1974 (BGBl. I S. 870) Andreas Hamann/Helmut Lenz, Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, Kommentar, 3. Auflage 1973 Hamburg, hamburgisch Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Hamb. Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vom 14 . 3. 1966 (GVBl. S. 77) Handwerksordnung i. d. F. vom 28. 12. 1965 (BGBl. 1966 I S. 1) Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder vom 19. 8. 1969 (BGBl. I S. 1273) Handbuch des Deutschen Staatsrechts, herausgegeben von G. Anschütz und R. Thoma, Bd. I 1930, Bd. II 1932 Hessen, hessisch Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 9. Auflage 1976 Gemeindeordnung des Landes Hessen i. d. F. vom 1. 7. 1960 (GVBl. S. 103) Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung i. d. F. vom 26. 1. 1972 (GVBl. S. 24) Hessischer Staatsgerichtshof Hessischer Verwaltungsgerichtshof Handelsgesetzbuch vom 10. 5. 1897 (RGBl. S. 219) sh. HaushaltsgrundsätzeG herrschende Meinung Hochschulgesetz Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht Herausgeber Halbsatz
Abkürzungsverzeichnis ibid. i. d. F. i. d. R. i. S. i. V. m.
ibidem (lat. = ebenda) in der Fassung in der Regel im Sinne in Verbindung mit
JA Jahrb. Jan. W. Jellinek, VwR JGG JIR JöR JR JurJb. JuS JW JZ
Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch Januar Walter Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Auflage 1931, Neudruck 1966 Jugendgerichtsgesetz i. d. F. vom 11. 12. 1974 (BGBl. I S. 3427) Jahrbuch für Internationales Recht Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Rundschau Juristen-Jahrbuch Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
KAG KG KGfEG
KrO KSchG KStG KStZ KSVG
Kommunalabgabengesetz Kammergericht Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz i. d. F. vom 2. 9. 1971 (BGBl. I S. 1545) Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, hrsg. von Hans Peters 3 Bde., 1956f. Gesetz über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen i. d. F. vom 22. 7. 1974 (GVB1. S. 665) Gesetz ü. d. Kommunale Zusammenarbeit vom 12. 7. 1966 (GVB1. S. 218) Ferdinand O . Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Auflage 1977 Ferdinand O . Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1977 Kreisreformgesetz Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Kreuzungsgesetz) i. d. F. vom 21. 3. 1971 (BGBl. I S. 337) Kreisordnung Kündigungsschutzgesetz i. d. F. vom 25. 8. 1969 (BGBl. I S. 1317) Körperschaftssteuergesetz i. d. F. vom 18. 7. 1975 (BGBl. I S. 1933) Kommunale Steuerzeitschrift Kommunalselbstverwaltungsgesetz
LAG LBauO LG LKO LM
Lastenausgleichsgesetz i. d. F. vom 1. 10. 1969 (BGBl. I S. 1909) Landesbauordnung Landgericht Landkreisordnung Lindenmaier-Möhring
KomHdb. KomWG N W KomZGBay. Kopp, V w G O Kopp, VwVfG KreisreformG KreuzG
XXVII
Abkürzungsverzeichnis LOG N W LPersVG LS LuftVG LVbO LVwG LVwG (Schl.-Holst.) LWG LWG N W
v. Mangoldt/Klein, GG
Landesorganisationsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10. 7. 1962 (GVB1. S. 421) Landespersonalvertretungsgesetz Leitsatz Luftverkehrsgesetz i. d. F. vom 4. 11. 1968 (BGBl. I S. 1113) Landschaftsverbandsordnung Landesverwaltungsgesetz f. Schl.-Holst. vom 18. 4. 1967 (GVB1. S. 131) Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein vom 18. 4. 1967 (GVB1. S. 131) Landeswohnungsgesetz Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. 5. 1962 (GVB1. S. 235)
Hermann v. Mangoldt/Friedrich Klein, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 3 Bde., Bd. I, II, 2. Auflage 1966, Bd. III. 1974
Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, G G
Theodor Maunz/Günter Dürig/Roman Herzog/Rupert Scholz, Grundgesetz, (Loseblatt-)Kommentar, Stand: 15. Lieferung (Mai 1977) Theodor Maunz, Deutsches Staatsrecht, Studienbuch, 21. Auflage 1977 Maunz, StaatsR 0 . Mayer, VwR 1,11 Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 2 Bde., 3. Auflage 1924, Neudruck 1969 MDR Monatsschrift für deutsches Recht MenschRKonv. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950 (BGBl. 1952 II, S. 686) Mill. Million(en) MRVO Militärregierungsverordnung m. w. N . mit weiteren Nachweisen 1. v. Münch, GGK I, II, III Ingo von Münch (Herausgeber), Grundgesetz Kommentar, Bd. I 1974, Bd. II 1976, Bd. III 1978 I. v. Münch, Bes. VwR Ingo von Münch (Herausgeber), Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Auflage 1976
Nds. NdsGemO Nds.SOG NJW Nr. NW NWBauO NWKAG
XXVIII
Niedersachsen, niedersächsisch Niedersächsische Gemeindeordnung i. d. F. vom 7. 1.1974 (GVB1. S. 1) Niedersächsisches Gesetz ü. d. öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 21. 3. 1951 (GVB1. Sb. I S. 89) Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen i. d. F. vom 27. 1. 1970 (GVB1. S. 96) Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. 10. 1969 (GVB1. S. 712)
Abkürzungsverzeichnis NWKomWG NWLWG NWOBG
OEG ÖR ÖVD OLG OVG OVGE
OWiG
PartG PersBefG (PBefG) PersVertrG PolG PostG PostVG Pr. PrOVG, PrOVGE PrPVG PStG PVG RAO
Gesetz über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen i. d. F. vom 22. 7. 1974 (GVB1. S. 665) Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. 5. 1962 (GVB1. S. 235) Ordnungsbehördengesetz für Nordrhein-Westfalen i. d. F. vom 28. 10. 1969 (GVB1. S. 488) Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 11. 5. 1971 (BGBl. I S. 1181) öffentliches Recht öffentliche Verwaltung und Datenverarbeitung Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land NordrheinWestfalen in Münster sowie für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg mit Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes Nordrhein-Westfalen und des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs Gesetz über Ordnungswidrigkeiten i. d. F. vom 2. 1. 1975 (BGBl. I S. 80) Gesetz über die politischen Parteien vom 24. 7. 1967 (BGBl. I S. 773) Personenbeförderungsgesetz vom 21. 3. 1961 (BGBl. I S. 241) Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15. 3. 1974 (BGBl. I S. 693) Polizeigesetz Gesetz über das Postwesen vom 28. 7. 1969 (BGBl. I S. 1006) Postverwaltungsgesetz i. d. F. vom 24. 7. 1953 (BGBl. I S. 676) Preußen, preußisch Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz vom 1. 6. 1931 (GS S. 77) Personenstandsgesetz i. d. F. vom 8. 8. 1957 (BGBl. I S. 1126) Polizeiverwaltungsgesetz Reichsabgabenordnung vom 13. 12. 1919 i. d. F. vom 22. 5. 1931 (RGBl. I S. 161) Raumordnungsgesetz vom 8. 4. 1965 (BGBl. I S. 306) Recht der Wasserwirtschaft
RaumOrdG RdWWi. Redeker/v. Oertzen, VwGO Konrad Redeker/H.-J. von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 5. Auflage 1975 RelKErzG Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. 7. 1921 (RGBl. S. 939) RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt 1871-1921, dann RGBl. Teil I 1922-1945, RGBl. Teil II 1922-1945 XXIX
Abkürzungsverzeichnis RGR Kommentar RGZ RHeimstG RhPf. RhPfGO RhPfPVG RhPfZweckVG RKG Rn., Rdn., Rdnr. ROW Rspr. RuStAG RVO
S. s., sh. Saarl. SaBl. Schunck/de Clerk, VwGO SGB-AT SGG SH SHAnz. SHLVwG SKV sog. SOG Sp., (1., r.) SPE StaatsR StabG StAnpG StBFG
Stein, StaatsR StGB XXX
Das Bürgerliche Gesetzbuch. Großkommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofs. 11. Aufl. 1959ff., 12. Aufl. 1974ff. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Reichsheimstättengesetz vom 10. 5. 1920 (RGBl. I S. 1291) Rheinland-Pfalz, rheinland-pfälzisch Gemeindeordnung für Rheinland-Pfalz vom 14. 12. 1973 (SaBl. 1974 S. 370) PVG für Rheinland-Pfalz i. d. F. vom 29. 6. 1973 (GVB1. S. 180) Zweckverbandsgesetz f. Rheinland-Pfalz i. d. F. vom 3. 12. 1954 (GVB1. S. 156) Reichsknappschaftsgesetz i. d. F. vom 1. 7. 1926 (RGBl. I S. 369) Randnummer Recht in Ost und West Rechtsprechung Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. 7. 1913 (RGBl. S. 583) Reichsversicherungsordnung vom 19. 7. 1911 i. d. F. vom 15. 12. 1924 (RGBl. I S. 779) Seine siehe Saarland, saarländisch Sammelblatt für Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder Egon Schunck/Hans de Clerk, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 3. Auflage 1977 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - vom 11. 12. 1975 (BGBl. I S. 3015) Sozialgerichtsgesetz i. d. F. vom 23. 8. 1958 (BGBl. I S. 613) Schleswig-Holstein, schleswig-holsteinisch Schleswig-Holsteinische Anzeigen Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein vom 18. 4. 1967 (GVB1. S. 131) Staats- und Kommunal-Verwaltung sogenannt Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (s. auch HambSOG, HessSOG, NdsSOG) Spalte, linke, rechte Ergänzbare Sammlung schul- und prüfungsrechtlicher Entscheidungen (herausgegeben von P. Seipp und H . Knudsen) Staatsrecht Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. 6. 1967 (BGBl. I S. 582) Steueranpassungsgesetz vom 16. 10. 1934 (RGBl. I S. 925) (Städtebauförderungsgesetz) Gesetz über städtebauliche Sanierungsund Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden i. d. F. vom 18. 8. 1976 (BGBl. I S. 2318) Ekkehart Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, 5. Auflage 1976 Strafgesetzbuch i. d. F. vom 2. 1. 1975 (BGBl. I S. 1)
Abkürzungsverzeichnis StiftG str. StVO StVZO
Stiftungsgesetz streitig Straßenverkehrsordnung v o m 16. 11. 1970 ( B G B l . I S. 1565) Straßenverkehrs-Zulassungsordnung i. d. F . vom 15. 11. 1974 ( B G B l . I S. 848)
TÜV Tz(n.)
Technischer Oberwachungsverein Textziffer(n)
u. a. Ule, VerwGbarkeit Ule, VerwprozeßR
und andere; unter anderem Carl H e r m a n n U l e , Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2. A u f l a g e 1962 Carl H e r m a n n U l e , Verwaltungsprozeßrecht, Studienbuch, 6. A u f l a g e 1975 Urteil und so weiter unter U m s t ä n d e n G e s e t z über A u s ü b u n g u n d G r e n z e n des unmittelbaren Z w a n g s v o m 22. 5. 1962 ( G V B l . S. 260)
Urt. usw. u. U . UZwG NW
v. VerbandsGO VereinsG
vgl.
vom/von Verbandsgemeindeordnung G e s e t z zur R e g e l u n g des öffendichen Vereinsrechts v o m 5. 8. 1964 ( B G B l . I S. 593) Verfassungsrecht Verhandlungen Versammlungsgesetz v o m 24. 7. 1953 ( B G B l . I S. 684) Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv Verwaltungsrechtsprechung in D e u t s c h l a n d . Sammlung obergerichtlicher Entscheidungen aus d. Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtsh o f s mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, des Bayerischen Dienststrafhofs u n d des Bayerischen Gerichtshofs f ü r Kompetenzkonflikte. N e u e Folge vergleiche
ViehseuchG VkBl. VO Vorbem. VRS VSSR WDStRL VwGO VwR
Viehseuchengesetz i. d. F . v o m 23. 2. 1977 ( B G B l . I S . 3 1 3 ) Verkehrsblatt Verordnung Vorbemerkung Verkehrsrechtssammlung Vierteljahresschrift f ü r Sozialrecht Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung v o m 21. 1. 1960 ( B G B l . I S. 71) Verwaltungsrecht
VerfR Verh. VersG VersR VerwArch. VerwRspr. VG VGH V G H E n. F.
XXXI
Abkürzungsverzeichnis VwVfG VwVG VwVG Rhld.-Pf. VwZG
WaffG WaStrG WG WHG WiR WoGG Wolff/Bachof, VwR I, II
Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25. 5. 1976 (BGBl. I S. 1253) s. BVwVG Verwaltungsvollstreckungsgesetz Rheinland-Pfalz vom 8. 7. 1957 (GVBl. S. 101) Verwaltungszustellungsgesetz vom 3. 7. 1952 (BGBl. I S. 379)
Waffengesetz vom 8. 3. 1976 (BGBl. I S. 432) Bundeswasserstraßengesetz vom 2. 4. 1968 (BGBl. II S. 173) Wassergesetz Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) i. d. F. vom 16. 10. 1976 (BGBl. I S. 3017) Zeitschrift „Wirtschaftsrecht" 2. Wohngeldgesetz i. d. F. vom 14. 12. 1973 (BGBl., 1974 I S. 106)
Wolff, VwR III WRV
Hans J . Wolff/Otto Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, Verwaltungsrecht II, 4. Auflage 1976 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht III, 3. Auflage 1973 Weimarer Reichsverfassung vom 11. 8. 1919 (RGBl. 1383)
ZAR z. B. ZBR ZDF ZfW Ziff. ZMR ZPO ZRP z. T. ZZP
Zeitschrift für Arbeitsrecht zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zweites Deutsches Fernsehen Zeitschrift für Wasserrecht Ziffer Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozeßordnung i. d. F. vom 12. 9. 1950 (BGBl. S. 533) Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil Zeitschrift für Zivilprozeßrecht
XXXII
ERSTER TEIL
Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat von Ingo von Münch §1
Begriff der öffentlichen Verwaltung I. Allgemeine Umschreibung des Begriffs öffentliche Verwaltung „Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare." Treffender als der Volksmund mit diesem Spruch kann man die Einbindung des Menschen in Verwaltungsvorgänge nicht beschreiben. Ein Mensch wird — vielleicht in einem städtischen Krankenhaus — geboren: Die Geburt ist dem Standesbeamten anzuzeigen, der sie in das Geburtenbuch einträgt und den Geburtsschein ausstellt; das Einwohnermeldeamt ergänzt die Meldekartei; dem Finanzamt ist Mitteilung zu machen, damit gegebenenfalls die Steuerklasse neu festgesetzt wird; über das Arbeitsamt erfolgt die Zahlung des Kindergeldes ; das Gesundheitsamt händigt das Impfbuch aus, damit der Impfarzt gegebenenfalls die Bescheinigung über die gesetzliche Pockenschutz-Impfung ausstellen kann; die Allgemeine Ortskrankenkasse erstattet einen Teil der Kosten der Geburt. Die Liste der Berührungen mit der öffentlichen Verwaltung wäre lang, wenn der Lebensweg eines Menschen (Schule, Arbeitsplatz, Freizeit, Altersversorgung usw.) bis hin zum Tode weitergezeichnet würde. Neben den Sachverhalten, in denen ganz offensichdich ein Handeln der öffentlichen Verwaltung vorliegt, gibt es aber auch Situationen, für welche diese Feststellung zweifelhaft sein kann : Das städtische Wasserwerk liefert an private Haushalte Wasser; ein Elektrizitätswerk, dessen Aktien sich teils im Eigentum mehrerer Städte, teils im Eigentum von Privatpersonen befinden, liefert Strom; Straßenbahn und Bundesbahn befördern Fahrgäste ; ein Bundesland kauft Bleistifte und Bücher für seine Universität; eine Rundfunkanstalt verkauft Sendezeiten für Werbung. Ist das alles öffentliche Verwaltung? Die Frage zielt auf den Begriff der öffentlichen Verwaltung. Das Bemühen, diesen Begriff zu definieren, beschäftigt die deutsche Verwaltungsrechtswissenschaft seit mehr als hundert Jahren. Eine Legaldefinition ist nicht vorhanden. Die Spannweite der Ansichten im wissenschaftlichen Schrifttum zeigt ein Vergleich der 1 1
Allgemeines Verwaltungsrecht
Ingo von Münch
beiden Standardwerke des Allgemeinen Verwaltungsrechts : Für Ernst Forsthoff ist öffentliche Verwaltung nicht definierbar, sondern nur beschreibbar; denn „die Mannigfaltigkeit, in der sich die einzelnen Verrichtungen der Verwaltung ausfächern, spottet der einheitlichen Formel" 1 . Demgegenüber definiert Hans Julius Wolff: „öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne ist also die mannigfaltige, konditional oder nur zweckbestimmte, also insofern fremdbestimmte, nur teilplanende, selbstbeteiligt entscheidend ausführende und gestaltende Wahrnehmung der Angelegenheiten von Gemeinwesen und ihrer Mitglieder als solcher durch die hierfür bestellten Sachwalter des Gemeinwesens."2 Auszugehen ist jedenfalls von der Tatsache, daß der Begriff öffentliche Verwaltung mehrdeutig ist 3 : öffentliche Verwaltung kann als Verwaltungstätigkeit (das Verwalten) verstanden werden — öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne (Bsp: Versetzung oder Nichtversetzung eines Schülers; Verkehrsregelung durch einen Polizeibeamten; Gewährung einer Ausbildungsförderung; Ausstellung eines Reisepasses; Schließung eines Gewerbebetriebes; Erteilung einer Baugenehmigung). öffentliche Verwaltung kann aber auch die Einrichtungen (d. h. die Behörden) bedeuten, durch die verwaltet wird — öffentliche Verwaltung im organisatorischen Sinne (Bsp.: Jugendamt; Justizprüfungsamt; Gewerbeaufsichtsamt; Baubehörde; Finanzamt; Arbeitsamt; Wasser- und Schiffahrtsdirektion)4. öffentliche Verwaltung kann schließlich alle von der Verwaltung im organisatorischen Sinne ausgeübte Tätigkeit bezeichnen, und zwar gleichgültig, ob es sich dabei um Verwaltung im materiellen Sinne handelt oder nicht — öffentliche Verwaltung im formellen (funktionalen) Sinne (Bsp. : Finanzamt erläßt Steuerbescheid; Finanzamt kauft Aktenordner; Finanzamt macht Betriebsausflug). Am schwierigsten zu fassen ist der Begriff der öffendichen Verwaltung im materiellen Sinne, da er weder — wie der Begriff der öffentlichen Verwaltung im organisatorischen Sinne — an reale organisatorische Einheiten („Zuständliches") 5 anknüpft, noch — wie der Begriff der öffentlichen Verwaltung im funktionalen Sinne — undifferenziert jede Tätigkeit der Verwaltungsbehörden umgreift. Walter Jellinek, einer der bedeutendsten Verwaltungsrechtslehrer in der Zeit der Weimarer Republik, hat die öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne definiert als die „Tätigkeit des Staates oder eines sonstigen Trägers öffentlicher Gewalt außerhalb von Rechtsetzung und Rechtsprechung"6. Diese als „Substraktionsdefinition" („Negativdefinition") bezeichnete Begriffsbestimmung trifft insoweit zu, als sie die öffentliche Verwaltung abgrenzt von Gesetzgebung und 1 2 3
4 5 6
2
Forsthoff, VwR, S. 1; vgl. dazu Rengeling, DVB1. 1976, 354. Wolff/Bachof, VwR I, § 2 III. Vgl. zum folgenden Wolff/Bachof, VwR I, § 2 IV, der über die nachstehende Aufzählung hinaus noch (nach dem Grad der Weisungsabhängigkeit) die öffentliche Verwaltung im modalen Sinne nennt. Vgl. dazu den Teil „Verwaltungsorganisation" unten §§ 55—57. Ausdruck von Forsthoff, VwR, S. 13. W. Jellinek, VwR, S. 6.
Verwaltung und Verwaltungsrecht
§1
II
Rechtsprechung, so wie dies Art. 1 Abs. 3 G G in seiner ursprüngliche^ Fassung („Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht") zum Ausdruck brachte. Die Substraktionsdefinition (Negativdefinition) ist jedoch unvollständig, da sie den ebenfalls von der Verwaltung abzugrenzenden Bereich der Regierung nicht erwähnt. Zwar steht die Verwaltung der Regierung ungleich näher als der Gesetzgebung und der Rechtsprechung, weshalb sich die Zusammenfassung von Verwaltung und Regierung unter dem in Art. 1 Abs. 3 G G (neue Fassung)7 verwendeten Oberbegriff „vollziehende Gewalt" rechtfertigen läßt. Aber dennoch bleiben Regierung und Verwaltung zwei voneinander unterscheidbare Tätigkeiten ; richtig formuliert die Verfassung von Berlin (West): „Die vollziehende Gewalt liegt in den Händen der Regierung und der ihr nachgeordneten Verwaltung." 8 Die klassische Substraktionsdefinition muß also erweitert werden zu dem Leitsatz: Der Begriff der öffentlichen Verwaltung umfaßt die staatliche Tätigkeit, die nicht Gesetzgebung, Regierung oder Rechtsprechung ist.
II. Abgrenzung von Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung Das Griffige, fast Simple dieser Umschreibung verführt zu der Annahme, daß das Problem der Bestimmung des Begriffs öffentliche Verwaltung damit zufriedenstellend gelöst sei. Das ist jedoch nicht der Fall, und zwar deshalb nicht, weil auch die Begriffe Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung ihrerseits nicht chemisch rein voneinander getrennt sind. Das Prinzip der Gewaltentrennung9 kann nämlich nicht dahin verstanden werden, daß hier wie in einem Küchenschrank fest umwandete Gefäße mit Zucker, Pfeffer und Salz nebeneinander stehen; denn das Gewaltentrennungsprinzip soll nicht logisch-puristischer Begrifflichkeit dienen, sondern hat eine aus geschichtlichen Erfahrungen gewachsene Funktion, die konkret von der Ausgestaltung der jeweiligen Verfassung bestimmt wird 10 . Dabei ist es im vorliegenden Zusammenhang gleichgültig, ob die Gewaltentrennung primär als eines von mehreren Mitteln zur Sicherung der individuellen Freiheit (nämlich durch Verhinderung von Machtkonzentration) gesehen wird oder vor allem als eine Frage der sachgemäßen Bestimmung und Zuordnung der staatlichen Funktionen und der sie wahrnehmen-
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Durch 7. G . zur Änderung des G G v. 19. 3. 1956 (BGBl. I S. 111); die neue Fassung wurde in das G G eingefügt, um auch die Bundeswehr, die nicht Verwaltung im engeren Sinne ist, in Art. 1 Abs. 3 G G unterzubringen. Art. 3 Abs. 1 S. 2. — Zur Verwaltung als „eigenständiger Staatsgewalt" vgl. auch die Hinw. bei Schmidt-Aßmann, W D S t R L 34 (1976), 229. Literaturhinweise bei Wolff/Bachof, VwR I, § 16. — Der Sprachgebrauch ist nicht einheitlich: Hesse, VerfR, § 13, verwendet den Ausdruck Gewaltenteilung.
Hesse, VerfR, §13 1.2. Hierzu und zum Folgenden: Ericbsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit II, 1973 S. 97f.
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den Organe 1 1 : Nach beiden Auffassungen sind Überschneidungen zwischen den verschiedenen Staatsgewalten möglich, für erstere solange die Durchbrechung der Gewaltentrennung nicht in den Kernbereich einer anderen Gewalt eingreift 12 , für letztere solange das prinzipielle Verbot der Wahrnehmung oder Zuweisung von Funktionen, die der Struktur des Organs und der von ihm wahrzunehmenden Grundfunktion nicht entsprechen, eingehalten wird. Mit dem Grundsatz der Gewaltentrennung sind deshalb gewisse Verwischungen der Grenzlinie zwischen den Staatsgewalten vereinbar ; Beispiele hierfür sind : die Ausübung des Hausrechts und der Polizeigewalt durch den Bundestagspräsidenten im Bundestagsgebäude 13 , wie überhaupt die gesamte Parlamentsverwaltung; der Erlaß von Rechtsverordnungen durch die Regierung 14 ; die Abnahme der juristischen Staatsprüfungen durch die Justizprüfungsämter, wie überhaupt die gesamte Justizverwaltung 15 . Die auf der Trennung der Staatsgewalten beruhende Definition der Verwaltung ist also nur brauchbar, wenn man sich der Relativität der Gewaltentrennung und damit auch der Relativität jener Definition bewußt bleibt : Die Verwaltung läßt sich also von den anderen Staatsgewalten im Sinne der Substraktionsdefinition nur abgrenzen, wenn man auf die für Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung typischen und ihnen wesenseigenen Tätigkeiten abstellt. Als typisch und wesenseigen wird für die Gesetzgebung ,,die Setzung genereller, abstrakter Rechtsnormen" 1 6 angesehen, für die Regierung „die wesentlich vom Politischen her bestimmte Leitung der Verwaltung" 17 , und für die Rechtsprechung „die zu rechtskräftiger Entscheidung führende rechtliche Beurteilung von Sachverhalten in Anwendung des geltenden objektiven Rechts durch ein unbeteiligtes (Staats-) Organ" 1 8 . Selbst in dieser Relativität bleibt noch Problematik genug; erinnert sei hier nur an die Diskussion um die Zulässigkeit sog. „Maßnahmegesetze", d.h. auf einen konkreten Sachverhalt abgestellter Gesetze, von denen gesagt worden ist, daß sie „in ihrer logischen Struktur dem Verwaltungshandeln verwandt" seien 19 , sowie an das Ineinanderfließen von Regierung und Verwaltung20. Schließlich gibt es Institutionen, deren Tätigkeit nicht von vornherein erkennbar oder nicht notwendig der Gesetzgebung, Regierung, Rechtsprechung oder Verwaltung zuzuordnen ist; Beispiele hierfür sind der Bundesrechnungshof und die Rechnungshöfe der Länder, die Bundesbank und die Landeszentralbanken, der Wehrbeauf11 12 13 14 15
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In letzterem Sinne Hesse, VerfR, § 13 I. 2. Vgl. B V e r f G E 34, 52, 59 ( J A O Hessen). Art. 40 Abs. 2 S. 1 G G . Art. 80 G G ; dazu neuestens Bryde, in: I. v. Münch, G G K III, Art. 80. Vgl. § 4 E G G V G . Forsthoff, VwR, S. 9; Wolff/Bachof, V w R I, § 17 I I b ; Erichsen (Fn. 10) S. 95f. Forsthoff, VwR, S. 17. Wolff/Bachof, V w R I, § 19 Ic. Forsthoff, VwR, S. 10. — Das BVerfG hat den Begriff des Maßnahmegesetzes für verfassungsrechtlich irrelevant erklärt ( B V e r f G E 25, 371, 396 — lex Rheinstahl). Vgl. dazu F. Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1977 S. 7f. ; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1977 S. 25.
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tragte des Bundestages und der in neuerer Zeit häufig diskutierte Bürgerbeauftragte (ombudsman). Zusammenfassend läßt sich also feststellen: Eine begrifflich ganz saubere A b grenzung der Verwaltung von der Gesetzgebung, der Regierung und der Rechtsprechung ist nicht möglich, weil 1. auch die O r g a n e der Gesetzgebung, der Regierung und der Rechtsprechung (wenn auch in beschränktem U m f a n g ) echte Verwaltungstätigkeit ausüben, 2. Gesetze in F o r m von Maßnahmegesetzen dem Verwaltungshandeln verwandt sind, und 3. weil es Institutionen gibt, die nicht von vornherein entweder der Verwaltung zugeordnet oder von ihr abgesondert werden können. Die erweiterte Substraktionsdefinition (Verwaltung ist die staatliche Tätigkeit, die nicht Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung darstellt) ist also — wenn überhaupt — nur als ein Grobraster brauchbar.
III. M e r k m a l e der öffentlichen V e r w a l t u n g Eine positive Ausfüllung des Begriffes der öffentlichen Verwaltung wird sich damit begnügen müssen, die Merkmale aufzusuchen, die das Wesen der öffentlichen Verwaltung ausmachen. Auch hier kann es sich wieder nur um die skizzenhafte Aufzeichnung einiger Hauptlinien handeln, nicht um die enzyklopädische E r f a s s u n g aller Details. 1. M e r k m a l der öffentlichen Verwaltung ist zunächst, daß sie im öffentlichen Interesse handelt. Diese Feststellung klingt einfach und selbstverständlich; in Wahrheit verbirgt sich dahinter ein Problem von großer Schwierigkeit und verwickelter Komplexität, nämlich die F r a g e : Was ist im öffentlichen Interesse, was dagegen nur im privaten Interesse? Es geht hier also um die Bestimmung des Rechtsbegriffs „ ö f f e n t l i c h " 2 1 . Der Begriff „ ö f f e n t l i c h " wird in zahlreichen Gesetzen verwendet. So gewährt das V e r s a m m l u n g s G jedermann das Recht „öffentliche Versammlungen und Aufzüge z u veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen" 2 2 . N a c h Art. 21 A b s . 1 Satz 3 G G müssen die politischen Parteien „ ü b e r die H e r k u n f t ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft g e b e n " . Die Polizei- und Ordnungsbehörden haben aufgrund der Polizei- und Ordnungsgesetze der Länder „ d i e A u f g a b e , Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder O r d n u n g bedroht w i r d " 2 3 . Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind „ d i e öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht a b z u w ä g e n " 2 4 . D i e Errichtung eines 21
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Vgl. dazu Haberle, öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, und W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, beide m. w. Hinw. § 1 Abs. 1 VersammlungsG. Vgl. z. B. §§ 1, 36 BremPG; 1, 3 HambSOG; 1, 30 N d s . S O G ; 1, 14 N W O B G ; 1, 49 RhPfPVG. § 1 Abs. 4 BBauG. 5
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Kernkraftwerkes darf nur genehmigt werden, wenn „überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Reinhaltung des Wassers, der Luft und des Bodens, der Wahl des Standorts der Anlage nicht entgegenstehen" 25 . Die Beispiele zeigen, daß der Begriff „öffentlich" mehrdeutig ist. Im Fall der öffentlichen Versammlungen geht es darum, daß eine unbestimmte Zahl von Personen (unbestimmt welche und unbestimmt wieviele) die Möglichkeit des Zuganges hat. Nicht auf den Zugang, wohl aber auf Wahrnehmbarkeit durch eine unbestimmte Zahl von Personen kommt es an bei der Verpflichtung der politischen Parteien, über ihre Mittel öffentlich Rechenschaft abzulegen, wobei das ParteienG die Veröffentlichung im Bundesanzeiger vorschreibt 26 . Das Vorliegen einer Gefahr, durch welche die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Polizeirechts bedroht wird, ist wiederum unabhängig von Zugangsmöglichkeit und Wahrnehmbarkeit; hier geht es vielmehr um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter (Unversehrtheit von Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit und Vermögen des Bürgers sowie der Einrichtungen des Staates), ohne daß es auf Publizität ankommt: so kann die Polizei ζ. B. in einen abgeschlossenen, nicht einsehbaren Raum eindringen, um einen Selbstmordversuch zu vereiteln, „öffentliche Belange" und „öffentliche Interessen" im Sinne des Baurechts und des Gewerberechts wiederum sind nicht nur solche, welche die besonders hochwertigen Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung betreffen, sondern unter Umständen auch rein ästhetische Gesichtspunkte oder Schutz vor bloßen Belästigungen. Jedenfalls aber ist der Begriff des öffentlichen Interesses von der Ausrichtung auf das Ganze der menschlichen Gemeinschaft geprägt; die Verwaltung soll, um die Formulierung des Art. 14 Abs. 2 S a t z 2 G G zu gebrauchen, dem Wohle der Allgemeinheit dienen, und zwar — insofern anders als die Sozialbindung des Privateigentums — nicht „zugleich", sondern primär. Dabei kann nicht verheimlicht werden, daß die Formel „Wohl der Allgemeinheit" terminologisch in bedenklicher Nähe zu dem in der nationalsozialistischen Zeit häufig gebrauchten und mißbrauchten „Gemeinwohl" steht 27 . Eine bloße Ähnlichkeit im Wortklang kann jedoch kein Grund zur Aufregung sein; entscheidend ist vielmehr, daß die Verwaltung unter dem Grundgesetz das Allgemeinwohl nicht nach dem Motto „Du bist nichts, Dein Volk ist alles" bestimmen kann, sondern — wie unten noch auszuführen sein wird 28 — die Wertordnung des Grundgesetzes, ins25
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§ 7 Abs. 2 N r . 5 A t o m G . Die Frage der Genehmigung von Kernkraftwerken hat bereits unter verschiedenen Aspekten zu zahlreichen Gerichtsentscheidungen geführt; vgl. z. B. : BVerwG DVB1. 1972, 678 (Würgassen); B a y V G H DVB1. 1975, 199 u. V G Würzburg N J W 1977, 1645 (Grafenrheinfeld); Bad.Württ. V G H D Ö V 1975 , 744 u. V G Freiburg N J W 1977, 1645 ( W h y l ) ; O V G Lüneburg DVB1. 1975, 190 (Stade); V G Schleswig N J W 1977, 644 (Brokdorf). § 23 Abs. 2 ParteienG. Vgl. dazu Hempfer, Die nationalsozialistische Staatsauffassung in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, 1974; Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, 1974. In § 3 (Verfassung und Verwaltung).
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besondere also die Grundrechte, das Demokratiegebot, das Sozialstaatsgebot und das Rechtsstaatsgebot zu erfüllen hat. Festzuhalten ist dabei auch, daß eine Verwaltungstätigkeit nicht unbedingt im unmittelbaren Interesse oder auch nur im Interesse der Mehrzahl der Bürger liegen muß in dem Sinne, daß allen oder den meisten Bürgern direkt Schutz oder Zuwendung geleistet wird 2 9 . Hilfe für Heimatvertriebene, Obdachlose, Sozialhilfeempfänger, Förderungsmaßnahmen für Landwirtschaft und Gewerbe in wirtschaftsschwachen Gebieten, Zahlung von Ausbildungshilfen an Studenten, ja selbst die Subventionierung eines Theaters, das vielleicht nur von einem winzigen Bruchteil der Bevölkerung einer Großstadt besucht wird — alles das sind Maßnahmen zum Wohle der Allgemeinheit, weil mit der Hilfe für den Einzelnen primär ein gesamtgesellschaftliches Interesse erfüllt wird. Ein privates Interesse kann zum Gegenstand eines inhaltsgleichen öffentlichen Interesses werden (Beispiel: Polizeiliches Eingreifen zum Schutz privatrechtlicher Ansprüche, soweit gerichtliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist), wie auch ζ. B. eine Enteignung zugunsten Privater, etwa zugunsten eines Industriebetriebes, aus öffentlichem Interesse rechtlich zulässig ist. Welche Maßnahmen die Verwaltung im Einzelfall zu ergreifen oder zu unterlassen hat, um dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen, kann dabei nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte festgestellt werden („differenzierende und spezialisierende Interpretation" 3 0 ); hierauf wird — insbesondere bei der Behandlung der Arten der Verwaltungsakte 31 und der Darstellung des Ermessens 32 — zurückzukommen sein. Maßstab im Sinne von allgemeinem Gebot oder allgemeinem Verbot ist in jedem Fall die Verfassung ( G G und die Verfassung des betreffenden Bundeslandes); auch hierauf wird — im Abschnitt „Verfassung und Verwaltung" 3 3 — zurückzukommen sein. Die Erfüllung öffentlicher Interessen allein reicht jedoch als Merkmal der öffentlichen Verwaltung nicht aus; denn mehr und mehr wird darauf hingewiesen, daß auch die großen Unternehmen der Privatwirtschaft — z. B. ölkonzerne, Großbanken, die größeren Chemieunternehmen — öffentliche Verantwortung tragen. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob, und wenn ja wieweit diese im wirtschaftspolitischen Raum artikulierte öffentliche Verantwortung sich dem Rechtsbegriff des öffentlichen Interesses nähert. Jedenfalls aber ist die Erfüllung öffentlicher Interessen kein Monopol der öffentlichen Verwaltung: Unzweifelhaft handeln auch Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung in Erfüllung öffentlicher Interessen ; und selbst private Einzelpersonen können — wie das Beispiel der Ver29
Die öffentlichen Interessen sind also nicht mit den übereinstimmenden Interessen aller oder auch nur der meisten Rechtsgenossen gleichzusetzen; so zutreffend Martens (Fn. 2 1 ) S. 177 m . w. Hinw.
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Martens (Fn. 21) S. 199.
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§ 12. § 12 II 2 . Unten § 3.
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folgung und Festnahme eines flüchtigen Verbrechers durch Passanten 3 4 zeigt — im öffentlichen Interesse tätig werden. Die Tatsache, daß auch Private im Einzelfall im öffentlichen Interesse handeln können, darf jedoch nicht den Blick auf den Regelfall verstellen, der eben gerade nicht in der Erfüllung öffentlicher Interessen durch Private liegt. Deshalb kann als weiteres Merkmal der öffentlichen Verwaltung das Handeln durch öffentlichrechtlich organisierte Rechtsträger genannt werden. In der Terminologie der oben vorgenommenen allgemeinen Umschreibung bedeutet dies: öffentliche Verwaltung im materiellen und im formellen (funktionalen) Sinn wird — jedenfalls im Regelfall — von öffentlicher Verwaltung im organisatorischen Sinne ausgeübt 3 5 . Der Hinweis auf den Regelfall enthält zugleich die Erwähnung der möglichen Ausnahmen, die mit dem Beispiel des sog. Beliehenen — d. h. einer mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteten Privatperson 36 — illustriert werden können (Polizeibefugnisse des Flugkapitäns an Bord eines Flugzeuges 37 oder des Feld- und Forsthüters; andere Beispiele: Fleischbeschauer; Bezirksschornsteinfeger; Bestattungsverein; T Ü V ) 3 8 . Dagegen sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die ausschließlich oder überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, nicht öffentliche Verwaltung. Die Deutsche Lufthansa A G , die zu 7 4 , 3 % im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland steht, die Volkswagenwerk A G , an der die Bundesrepublik Deutschland mit 1 6 % , das Land Niedersachsen mit 2 0 % beteiligt sind, werden durch diese Eigentumsverhältnisse nicht zu einem Teil der öffentlichen Verwaltung. Merkmal der öffentlichen Verwaltung ist ferner, daß sie umfassender Leitung und Kontrolle unterliegt, gleichwohl aber mit weiter Handlungsfreiheit ausgestattet ist. Leitung und Kontrolle sind dabei in weitem Sinne zu verstehen. Geleitet wird die öffentliche Verwaltung zunächst vom Gesetz, das ihr als Rahmen und Aufgabe vorgegeben und aufgegeben ist. Anders als das Parlament kann die Verwaltung Gesetze nicht ändern, und anders als die Verfassungsgerichte kann die Verwaltung Gesetze nicht aufheben 3 9 . Geleitet und kontrolliert wird die Verwaltung durch die ihr eigentümliche Entscheidungsfindungsstruktur, die — auch in den Formen des Kollegialprinzips oder des Teamworks — hierarchisch in sich eingebunden und der Regierung nachgeordnet ist. Rechtsaufsicht (d. h. Aufsicht über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns), Fachaufsicht (d. h. Aufsicht über die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns) und Dienstaufsicht (d. h. Aufsicht über die Erfüllung der Pflichten der einzelnen Bediensteten) mögen hier als Stichworte genügen. Kontrolle der Verwaltung findet auch in der Form des Rechtsschutzes des
36
Vgl. § 127 Abs. 1 S t P O und § 539 Abs. 1 N r . 9 R V O . Vgl. dazu den Teil „Verwaltungsorganisation" unten §§ 55—57. Vgl. dazu Ossenbühl/Gallwas, W D S t R L 2 9 (1971) 137ff., 2 1 1 f f . ; v. Mutius, VerwArch. 64 (1973), 4 3 3 f f . ; Steiner, öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, und unten in „Verwaltungsorganisation" § 56 II 3.
37
Vgl. dazu H e s s V G H DVB1. 1976, 716.
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Vgl. dazu W. Reuß, DVBl. 1976, 929.
39
Zur Geltungsprüfung vgl. Wolff/Bachof,
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VerwR I, § 28 II, sowie unten § 40 II 6.
Verwaltung und Verwaltungsrecht
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Einzelnen gegen Handlungen oder Unterlassungen der Verwaltung durch die Gerichte — insbesondere die Verwaltungsgerichte — statt 40 . Nicht justizförmig, aber oft nicht weniger wirksam ist die Kontrolle durch die öffentliche Meinung, vor allem durch die Massenmedien (Presse, Hörfunk, Fernsehen). Auch Petitionen 41 können in diesem Zusammenhang noch genannt werden, selbst wenn ihre Wirkung als Kontrollinstrument nicht allzuhoch veranschlagt werden kann. Insgesamt gesehen steht die Verwaltung unter dem ständigen Druck individueller oder organisierter Einwirkungen 42 . Trotz dieses Bündels von Leitung und Kontrolle bleibt der öffentlichen Verwaltung ein großer Raum weiter Handlungsfreiheit. Die öffentliche Verwaltung ist, worauf im Abschnitt „Die Quellen des Verwaltungsrechts" zutreffend hingewiesen wird, eben nicht „eingeklemmt zwischen erster und dritter Gewalt" 4 3 . Für das Verhältnis zur dritten Gewalt ist dies offenkundig: eine gerichtliche Kontrolle findet nur statt, wenn gerichtlicher Rechtsschutz begehrt wird („Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter"), also nur in den Fällen, in denen das Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung auf das Äußerste gestört ist. Gemessen an der Gesamtzahl der täglich vorgenommenen Verwaltungshandlungen bilden die Fälle, die vor Gericht kommen, nur einen winzigen Bruchteil. Zwar gibt es keine genaue Statistik über die Zahl der Verwaltungshandlungen in der Bundesrepublik Deutschland, und eine solche könnte wohl auch gar nicht erstellt werden, zumal wenn man sich vor Augen hält, daß ζ. B. auch jede mündlich gegebene Anweisung eines Polizeibeamten und jedes Signalzeichen einer Verkehrsampel eine Verwaltungshandlung darstellt; aber anhand der bekannten Zahl der Gerichtsverfahren wird eine Schätzung nicht fehlgehen, die das Verhältnis verwaltungsrechtlicher Streitfälle zu den nicht streitigen Fällen weit unterhalb der Promille-Grenze ansetzt. Zur Veranschaulichung: Im Bezirk der Oberpostdirektion Hamburg wurden im Jahre 1976 12446454 Fernmelderechnungen abgesandt; davon wurden 5349 hinsichtlich der Gebührenhöhe auf Verlangen der Fernsprechteilnehmer überprüft; in 3 (!) Fällen haben Fernsprechteilnehmer den Rechtsweg beschritten. Was das Verhältnis der öffentlichen Verwaltung zum Gesetz betrifft, so besteht hier aufgrund des Demokratiegebotes und des Rechtsstaatsgebotes eine strikte Bindung der Verwaltung an das Gesetz. Dennoch führt diese Bindung weder rechtlich noch tatsächlich zum „Eingeklemmt-Sein" der Verwaltung. Gewiß gibt es Situationen, in denen ein Gesetz so eindeutige, detaillierte und zwingende Verhaltensweisen vorschreibt, daß die öffentliche Verwaltung nur Vollzugsorgan ist. Aber dem steht die große Zahl der Situationen gegenüber, in denen das Gesetz die Verwaltung am langen Zügel laufen läßt, indem der Verwaltung nicht nur weitgehend freigestellt ist, wie sie tätig wird, sondern sogar auch, oh sie tätig wird 44 . 40 41
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Vgl. dazu Scholz/Schmidt-Aßmann, W D S t R L 34 (1976), S. 145ff., 221ff. Zum Begriff „Petition" vgl. BVerwG NJW 1976, 637. Vgl. dazu W. Schmidt/Bartlsperger, W D S t R L 33 (1975), S. 183ff„ 221ff. Unten § 5 1 . Vgl. dazu die Darstellung der Ermessensakte und der gesetzesfreien Verwaltungsakte unten im Teil „Das Verwaltungshandeln" § 12 II 2. 9
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So hat das L G Hannover 4 5 — in diesem Fall allerdings wohl fälschlich — es für rechtmäßig erklärt, daß die Polizei auf Anweisung des Landesinnenminsters 5 Tage lang der gewaltsamen Blockade und völligen Lahmlegung des Straßenbahn- und Omnibusverkehrs in Hannover zusah ohne einzugreifen; das L G Hannover hat deshalb die Klage der Straßenbahngesellschaft auf Schadensersatz zurückgewiesen. Uber die Richtigkeit dieser Entscheidung kann man — wie angedeutet — streiten; denn die Entscheidung der Behörde, in einem bestimmten Fall nicht tätig zu werden, kann in einem so hohen Maße fehlerhaft sein, daß sie eben nicht mehr von der Entscheidungsfreiheit der Verwaltung gedeckt ist 4 6 . Jedoch sind diese Fälle der Verpflichtung der Behörden zu einem bestimmten Handeln (und eines entsprechenden Anspruches des Bürgers darauf) nicht notwendige Folge der gesetzlichen Bindung der Verwaltung an das Gesetz ; eine derartige Bindung würde auch, weil das Gesetz selbst bei detaillierter Regelung abstrakt bleiben muß, der Gerechtigkeit, die sich letztlich nur am Einzelfall konkretisieren kann, widersprechen: Die Verwaltung hat vor der Gesetzgebung den Vorsprung der Betroffenennähe, d. h. der Nähe der verwalteten Person, der Nähe des verwalteten Raumes und der Nähe der verwalteten Zeit. Deshalb sind Ermessen und Beurteilungsspielraum ein Lebensgesetz der Verwaltung, und der Gesetzgeber wäre gut beraten, nicht durch perfektionistische Gesetze die Entscheidungsfreiheit der Verwaltung zu strangulieren. Zu den Merkmalen der öffentlichen Verwaltung gehört schließlich, daß sie in verschiedenen Rechtsformen tätig werden kann. Ganz überwiegend bewegt sich das Handeln der Verwaltung in der Form des öffentlichen Rechts ; jedoch bedient sie sich in nicht unerheblichem Umfang auch des Privatrechts. Auf die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht wird noch einzugehen sein 47 wie auch auf die Frage, ob — und wenn ja: in welchem Umfang — die Verwaltung für ihr Handeln zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht frei wählen kann 4 8 .
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DVBl. 1970, 520 ff. Vgl. dazu BVerwGE 11, 95, 97 (Belästigung der Nachbarn eines Kohlen- und Fuhrgeschäfts durch Staub und Lärm); BVerwGE 37, 112, 113 (Versperrung einer Garagenausfahrt); BGH VwRspr. 5, 319ff. (Minen im Garten); BGH VwRspr. 5, 832ff. (Räuberbande); OVG Saarlouis NJW 1976, 908 (Anspruch des Nachbarn auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten); OVG Hamburg NJW 1977, 1254 (Pflicht der Universität zur Ermöglichung des Vorlesungsbesuches bei Vorlesungsboykott) ; OVG Lüneburg DVBl. 1976, 718 (verneint für polizeil. Einschreiten gegen Sportplatzlärm). Weitere Hinw. bei Friauf in: / . v. Münch, BesVwR, 3. Abschnitt II If.; V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Auflage 1977, S. 71 f.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, S. 162 ff. ; Frotscher, DVBl. 1976, 703; Ossenbübl, DÖV 1976, 463 ff. Unten § 2 11 1. Unten § 3 II 2.
Verwaltung und Verwaltungsrecht
§ 2 A r t e n der öffentlichen Verwaltung I. Möglichkeiten der Unterteilung In der allgemeinen Umschreibung des Begriffs der öffentlichen Verwaltung war bereits auf die Mehrdeutigkeit des Begriffs öffentliche Verwaltung hingewiesen worden 1 . Geburtshilfe in einem städtischen Krankenhaus, Benotung einer Klassenarbeit in der Schule, Anschaffung von Heizöl für eine Universität, Verkehrsregelung durch Polizeibeamte usw. — alle diese Vorgänge haben einen Bezug zur öffentlichen Verwaltung, aber offensichtlich zu verschiedenen Arten der Verwaltung. An Versuchen, die verschiedenen Arten der Verwaltung in Kategorien zu unterteilen, hat es in der Verwaltungsrechtswissenschaft nicht gefehlt. Die verschiedenen Arten der Einteilung werden dabei an unterschiedliche, aber einander nicht immer ausschließende Gesichtspunkte angeknüpft, so daß insgesamt ein sich vielfältig überschneidendes Bild entsteht2. Zunächst kann die Unterteilung der Arten der Verwaltung an die Organisation, genauer: an den Träger, anknüpfen 3 — dann ergibt sich die Dreiteilung von Bundesverwaltung, Landesverwaltung und Gemeindeverwaltung. Innerhalb der Staats(Bundes- oder Landes)verwaltung kann weiter danach aufgefächert werden, ob sie unmittelbar durch ihre eigenen Behörden handelt (Unmittelbare Staatsverwaltungj oder durch rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheiten, die eigene Rechtsfähigkeit oder Teilrechtsfähigkeit besitzen (Mittelbare Staatsverwaltung). Mittelbare Staatsverwaltung kann erfolgen durch 1. Körperschaften des öffentlichen Rechts, d. h. mitgliedschaftlich strukturierte Verbände (Beispiel: Universität; Industrie- und Handelskammer), 2. rechtsfähige Anstalten des ö f f e n t lichen Rechts, d. h. Bestände an Sachmitteln, die in der Regel Benutzern zur Verfügung stehen (Beispiel: Rundfunkanstalten), und 3. rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts, d. h. einem bestimmten Zweck gewidmete Vermögensmassen (Beispiel: Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder" [Contergan-Stiftung]). Eine andere Möglichkeit der Unterteilung der Arten der Verwaltung stellt auf die Rechtsform4 ab: Wird die Verwaltung in der Form des öffentlichen Rechts tätig, so spricht man von hoheitlicher Verwaltung, während die in der Form des Privatrechts tätige Verwaltung als fiskalische Verwaltung bezeichnet wird. Wiederum eine andere Unterteilung geht von den Verwaltungsaufgaben und der Art ihrer Erfüllung aus : Gefahrenabwehr erfolgt vor allem durch Eingriffsverwal1 2 3
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Oben S. 2. Vgl. Wolff/Bachof, V w R I, § 2 c - 5 und § 3 . Vgl. dazu im einzelnen den Teil „Verwaltungsorganisation" unten § 55—57; F. Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Auflage 1977, S. 5 7 f f . Vgl. dazu Wolff/Bachof, V w R I, § 23, sowie unten S. 13.
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tung (Bsp.: Polizei; Ordnungsbehörden) 5 ; Eingriffsverwaltung ist auch die der Deckung des Finanzbedarfs dienende Abgabenverwaltung (Finanz- und Steuerbehörden). Demgegenüber erfolgt die Deckung des Personal- und Sachbedarfs durch die Bedarfsverwaltung (auch Intendanturverwaltung genannt) nur zu einem geringen Teil im Wege des Eingriffs — die Einstellung eines Bewerbers als Beamter ist zwar ein Hoheitsakt, aber kein Eingriff, und der Kauf von Heizöl ist noch nicht einmal ein Hoheitsakt, geschweige denn ein Eingriff. Bedarfsverwaltung im Sinne der Anschaffung der für die Verwaltungstätigkeit notwendigen Sachgüter (sog. Hilfsgeschäfte der Verwaltung)6 liegt dagegen nicht vor, wenn die öffentliche Hand eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit ausübt (Bsp.: Verkauf von Bier aus einer landeseigenen Brauerei; Verkauf von Holz aus einem Gemeindewald)7. Bedarfsverwaltung und erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand haben aber — von den wenigen Ausnahmefällen abgesehen, in denen die Bedarfsverwaltung mit dem Mittel des Eingriffes tätig wird — gemeinsam, daß beide Tätigkeiten im Bereich der fiskalischen Verwaltung anzusiedeln sind. — Der Daseinsvorsorge, d. h. der „Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse zu sozial angemessenen Bedingungen" (Forsthoff), dient die Leistungsverwaltung (Bsp. : Arbeitsvermittlung; Sozialhilfe; Wirtschaftsförderungsverwaltung), die überwiegend gewährend, aber auch — obschon in geringerem Maße — eingreifend tätig wird 8 . Neben die Leistungsverwaltung wird vereinzelt noch ein Begriff der Lenkungsverwaltung gestellt; Merkmal der Lenkungsverwaltung soll nicht die Befriedigung eines Bedürfnisses sein, sondern die Gestaltung, wofür als Beispiel die sozial- oder wirtschaftspolitische Subventionsgewährung genannt wird 9 . Leistungsverwaltung und Lenkungsverwaltung lassen sich jedoch im Grunde nicht trennen; auch besteht, wenn der Begriff der Leistungsverwaltung weit genug gefaßt wird, kein Bedürfnis für eine solche Unterscheidung. — Im traditionellen Schema der Arten der Verwaltung fand die planende Verwaltung (Bsp.: Ausarbeitung eines Stadtentwicklungsplanes in einer Stadtverwaltung) keinen Platz; die wachsende Bedeutung dieses Bereiches der Verwaltung und ihre Verschiedenheit von den übrigen Arten der Verwaltung lassen es aber heute angebracht erscheinen, sie gesondert aufzuführen10. Neben den hier genannten Arten der Verwaltung wird schließlich noch nach dem Ausmaß der Bindung an das Gesetz unterschieden zwischen bestimmt gebundener, unbestimmt gebundener, ermessensfreier und frei gestaltender Verwaltung 11 . Jedoch handelt es sich bei dieser Unterscheidung nicht im eigentlichen Sinne um Arten der Verwaltung. 5 6 7 8
9 10
11
12
Dazu Dazu Dazu Dazu
unten unten unten unten
§ 2 II 2. § 2 III 2, § 3 II 2. § 2 III 2. §2113.
Badura, DÖV 1966, 630. Dazu unten § 2 II 4.
Wolff/Bachof
VwR I, § 3 I e.
Verwaltung und Verwaltungsrecht
§ 2 II 1
Die Möglichkeiten der Unterteilung der Arten der Verwaltung sind in folgenden Schaubildern darstellbar :
VERWALTUNG
BundesV.
LandesV.
GemeindeV.
VERWALTUNG
Hoheitliche V. (öffentliches Recht)
Fiskalische V. (Privatrecht) VERWALTUNG , I
EingriffsV.
AbgabenV.
BedarfsV.
LeistungsV.
Eingriff (Belastung)
Planende V.
Gewährung (Begünstigung)
II. Hoheitliche Verwaltung 1. Unterscheidung öffentliches Recht — Privatrecht Es war bereits angedeutet worden, daß die Unterteilungen der Arten der Verwaltung sich vielfältig überschneiden. Sucht man nach einem greifbaren Unterscheidungsmerkmal, so bietet sich — abgesehen von den hier nicht zu behandelnden Trägern der Verwaltung — die Unterscheidung nach der Rechtsform des Handelns an : Hoheitliche Verwaltung handelt in der Form des öffentlichen Rechts, fiskalische Verwaltung handelt in der Form des Privatrechts. Die Erörterung der Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht rührt an die Grundlagen des Rechts überhaupt. Zwei Fragen sind hier zu stellen: 1. Gibt es einen Unterschied von öffentlichem Recht und Privatrecht? 2. Wenn es einen solchen Unterschied gibt — wie ist das öffentliche Recht vom Privatrecht abzugrenzen ? 13
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Nach Rudolf Wiethölter ist der Unterschied zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht im modernen Recht „nahezu völlig zertrümmert" 12 ; er habe „seine Existenzberechtigung verloren" 13 : „In den Stichworten Arbeits-, Wirtschaftsund Sozialrecht, die alle weder öffentlich-rechtlich noch privatrechtlich zu begreifen sind, offenbart sich die umfassende historische Uberwindung verklungener Modellansätze 14 ." So markig dieser Ausspruch ist, mit dem geltenden Recht steht er nicht im Einklang; denn die Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland geht von diesem Unterschied aus: Nach §13 GVG gehören „alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen" grundsätzlich vor die ordentlichen Gerichte, während nach §40 Abs. 1 Satz 1 V w G O der Weg zu den Verwaltungsgerichten „in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art" gegeben ist. Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung „öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen" ist wiederum der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet (§ 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Ersatzansprüche können ihre Grundlage im öffentlichen Recht oder im Privatrecht haben, und zwar mit durchaus unterschiedlichen Rechtsfolgen 15 . Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts unterliegen zahlreichen Sonderregelungen. Die „öffentlich-rechtlichen Geldforderungen" werden anders als privatrechtliche Forderungen vollstreckt, nämlich im Verwaltungswege (vgl. § 1 Abs. 1 VwVfG). Gemäß § 1 VwVfG soll das Verwaltungsverfahrensgesetz für die „öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit" der Verwaltungsbehörden gelten 16 . Die Beschreibung dieses Istzustandes des geltenden Rechts besagt jedoch noch nichts über seine Wünschbarkeit. Vielmehr bleibt die Frage offen, ob die Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht überhaupt sinnvoll ist, was wiederum nur dann angenommen werden kann, wenn es brauchbare Kriterien für die Grenzziehung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht gibt. Die Bemühungen um die Lösung der Frage nach den Kriterien der Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht sind bis heute noch nicht zur Ruhe gekommen 17 . Die Zahl der Theorien, die hierzu aufgestellt sind, läßt sich Wiethölter, Rechtswissenschaft, 1968 S. 23, allerdings mit dem Zusatz „vielleicht von der Gerichtsbarkeit abgesehen". " Wiethölter (Fn. 12) S. 167. 14 Wiethölter (Fn. 12) S. 168; vgl. auch Kimminich, Einführung in das öffentliche Recht, 1972 S. 59. 1 5 Vgl. dazu den Abschnitt „ D a s Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen", unten §§ 50—54. 1 6 Weitere Bsp. bei W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969 S. 92 Fn. 73. 1 7 Vgl. dazu Bullinger, öffentliches Recht und Privatrecht, 1968; Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1976 S. 18ff. ; Herb. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966 S. 319ff.; Menger, in: Festschrift für Hans J . Wolff, 1974 S. 149ff. m. w. Hinw. auf S. 153, Fn. 18; Wolff/Bachof, VwR I, § 2 2 ; Zuleeg, Die Rechtsform der Subventionen, 1965 S. 26ff.; Pestalozza, D Ö V 1974, 1 8 8 f f „ J Z 1975, 50ff. 12
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nicht genau ermitteln; genannt werden zwischen 20 und 30. Jedoch sind in diesem Wirrwarr drei Haupttheorien erkennbar, nämlich die Interessentheorie, die Subjektionstheorie und die Subjektstheorie. Die Interessentheorie, die auf den römischen Juristen Ulpian zurückgeht („Publicum ius est quod ad statum rei Romanae spectat, privatum quod ad utilitatem singulorum") 1 8 , weist diejenigen Rechtssätze, die dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt sind, dem öffentlichen Recht zu, während diejenigen Rechtssätze, die private Interessen verwirklichen, dem Privatrecht angehören sollen 19 . Demgegenüber stellt die Subjektionstheorie (auch Subordinationstheorie genannt) darauf ab, ob — wie bei hoheitlichem Handeln des Staates gegenüber dem Bürger — ein Verhältnis von rechtlicher Überordnung (des Staates) zur Unterordnung (des Bürgers) besteht (dann öffentliches Recht), oder ob ein Verhältnis der rechdichen Gleichordnung vorliegt (dann Privatrecht) 20 . Für die neuere Subjektstheorie21 (auch Sonderrechtstheorie genannt) sind öffentliches Recht diejenigen Rechtssätze, „deren berechtigtes oder verpflichtetes Zuordnungssubjekt ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt ist" 2 2 ; von diesem Sonderrecht unterscheiden sich die Rechtssätze des Privatrechts dadurch, daß sie potentiell oder aktuell jedermann verpflichten oder berechtigen. Betrachtet man diese drei Theorien, so zeigt sich, daß keine von ihnen gänzlich unproblematisch ist. Gegen die Interessentheorie ist eingewendet worden, daß alles Recht der Ordnung des menschlichen Zusammenlebens diene und damit auch das Privatrecht im öffentlichen Interesse Geltung besitze; auch gebe es „allenfalls eine typische, nicht jedoch eine klassifikatorische Unterscheidung" der lediglich öffentlichen von den lediglich privaten Interessen 23 ; zudem sei der Begriff des öffentlichen Interesses gegenwärtig nicht definierbar 2 4 ; schließlich müsse bei Annahme der Interessentheorie die Frage aufgeworfen werden, ob es überhaupt noch rechtssatzmäßig begründete subjektive öffentliche Rechte geben könne, da die Konstitutionsnorm zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt sein müsse 2 S .
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Digesten 1,1,1. - Ulpian lebte von 1 7 0 - 2 2 8 n. Chr. Vertreten z. B. von Roellecke, Grundbegriffe des Verwaltungsrechts, 1972 S. 21. Vertreten insbesondere vom R G (vgl. z. B. RGZ 166, 1 1 8 f „ 226; RGZ 167, 281 f., 287) und vom BGH (vgl. z . B . BGHZ 14, 222f., 227; NJW 1970, 811), vereinzelt auch vom BVerwG (vgl. z. B. BVerwGE 29, 161). Zum Unterschied zwischen der älteren und der neueren (modifizierten) Subjektstheorie vgl. unten § 2 II 1. Wolff/Bachof, VwR I, § 22 II c. Wolff/Bachof, VwR I, § 22 II a 6 ; vgl. auch Menger (Fn. 17) S. 158. Erichsen (Fn. 17) S. 18f. Erichsen (Fn. 17) S. 19.
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Gegen die Subjektionstheorie (Subordinationstheorie) ist vorgebracht worden, daß es auch im Privatrecht Über-Unterordnungsverhältnisse gibt (als Beispiel werden das Eltern-Kind-Verhältnis und die Vormundschaft genannt)26; daß, wie das Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Vertrages zeige, auch dem öffentlichen Recht Gleichordnungsverhältnisse nicht unbekannt sind 27 ; schließlich, daß die Rechtsnormen, die das Uber-Unterordnungsverhältnis nicht ausgestalten, sondern es begründen, die also erst das Kriterium für die Kategorisierung schaffen, von der Subjektionstheorie nicht erklärbar seien 28 . Die Subjektstheorie in ihrer älteren Form (sog. ältere Subjektstheorie) mußte sich entgegenhalten lassen, daß die Unterscheidung nach dem Zuordnungssubjekt des Rechtssatzes (Staat und seine Untergliederung auf der einen Seite — Privatperson auf der anderen Seite) sich nicht mit der Unterscheidung zwischen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht deckt: Handelt der Staat oder eine seiner Untergliederungen fiskalisch29 — Beispiele: die Bundeswehr kauft Socken; die Bundesbahn kauft Lokomotiven; eine Gemeinde kauft Heizöl für das Rathaus — so ist zwar Zuordnungssubjekt der dieses Rechtsverhältnis regelnden Rechtssätze (§§ 433ff. BGB) der Staat bzw. eine seiner Untergliederungen, gleichwohl bleiben diese Rechtssätze solche des bürgerlichen Rechts. Umgekehrt zeigt das Beispiel des bereits erwähnten beliehenen Unternehmers, d. h. einer Privatperson, die hoheitliche Funktionen ausübt, daß auch eine Privatperson Zuordnungssubjekt öffentlich-rechtlicher Rechtssätze sein kann, nämlich derjenigen Rechtssätze, die jene hoheitlichen Funktionen regeln30. Die neuere Subjektstheorie (Sonderrechtstheorie; modifizierte Subjektstheorie)31 entgeht diesem Einwand, indem sie das öffentliche Recht als das „Amtsrecht" der Träger hoheitlicher Gewalt und ihrer Organe faßt, „durch das nicht jedermann, sondern notwendig eben nur ein Träger oder (meist) ein bestimmtes Organ hoheitlicher Gewalt berechtigt und verpflichtet wird" 32 , öffentliches Recht sind darüber hinaus auch diejenigen Rechtssätze, die solche staatlichen oder unterstaatlichen Rechtssubjekte errichten ( = und ihnen „bestimmte eigentümliche Verpflichtungen und Berechtigungen zuordnen", ζ. B. Gründungsakt einer neuen Universität)33, schließlich auch „die Rechtsbeziehungen zwischen Zivilpersonen, 26
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Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung I, 1950; Menger (Fn. 17) S. 155; Wolff/Bachof, VwR I, § 22 II a 7. Menger (Fn. 17) S. 155f., 164. Zur Einordnung von durch die Verwaltung geschlossenen Verträgen in das öffentliche Recht oder in das Zivilrecht vgl. auch BVerwG VerwRspr. 25 (1974), S. 613; BVerwG DVB1. 1968, 797; BGH JZ 1967, 443. - Zum öffentlichrechtl. Vertrag im einzelnen vgl. §§ 54ff. VwVfG, sowie die Erl. unten in §24—29 dieses Lehrb.
Erichsen (Fn. 17) S. 19.
Zum fiskalischen Handeln im einzelnen vgl. unten § 2 III 2, § 3 II 2. Zutreffend Wolff/Bachof, VwR I, § 2 2 Ile. Die neuere Subjektstheorie ist von WolffAöR 76 [1950/51], S. 205 ff.) entwickelt worden. Wolff/Bachof, VwR I, § 2 2 I I c . Wolff/Bachof, VwR I, § 2 2 I I c .
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soweit sie eine Modifikation öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse enthalten oder sonstwie durch amtsrechtliche Pflichten oder Rechte bestimmt s i n d " 3 4 . Es war bereits angedeutet worden, daß weder die Interessentheorie noch die Subjektionstheorie noch die (neuere) Subjektstheorie (Sonderrechtstheorie) völlig unproblematisch ist. Äußeres Zeichen hierfür ist, daß keine dieser Theorien sich unangefochten die Krone der „herrschenden Lehre" auf's Haupt setzen konnte. Vielmehr lag eine Zeitlang die Subjektionstheorie vorn, dann wieder die Interessentheorie, während derzeit wohl die neuere Subjektstheorie (Sonderrechtstheorie) als herrschende Lehre zu bezeichnen ist, ohne allerdings frei von Kritik zu sein 3 5 . Das alles spricht aber weniger gegen die genannten Theorien als gegen den von ihnen zu erklärenden Sachverhalt, d. h. die Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht. Ganz offensichtlich handelt es sich hierbei um ein Problem, das nicht von vornherein immer einsichtig gelöst werden kann. Wie anders wäre es sonst zu erklären, daß ein Bundesjustizminister (Dr. Dehler) eine Rechtsstreitigkeit (es ging um die vom damaligen Bundeskanzler Adenauer entgegen einem ursprünglich abgegebenen Versprechen verweigerte Herausgabe des Tondbandprotokolls eines Regierungskoalitionsgespräches) als zivilrechtliche ansah, während der B G H 3 6 den Bundesjustizminister belehrte, daß es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handele und der Justizminister deshalb vor dem falschen, nämlich sachlich unzuständigen Gericht ( L G Bonn) geklagt habe; nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß auch die Entscheidung des B G H unrichtig ist, allerdings nicht in bezug auf die Qualifizierung des Rechtsstreites als öffentlich-rechtlich, wohl aber in der Annahme, die zwischen dem Bundeskanzler und dem Bundesjustizminister geschlossene Vereinbarung sei ein verwaltungsrechtlicher Vertrag gewesen (in Wahrheit handelte es sich um einen verfassungsrechtlichen Vertrag) 3 7 . Unterschiedlich beurteilt wird auch die Ausstrahlung von Hörfunk- und Fernsehsendungen. Das O L G Frankfurt a. M . 3 8 entschied über einen Unterlassungsanspruch gegen eine Fernsehsendung zur Aufklärung von Verbrechen („Aktenzeichen X Y ungelöst") nach §§ 823ff., 1004 B G B , während das O L G
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Wolff/Bachof, V w R I, § 22 I l e . Vgl. ζ. B. den Hinweis von W. Martens (Fn. 16) S. 94, daß wichtige Fragen nach wie vor offenbleiben: „ D a z u gehört namentlich die Beurteilung des im Bereich der Leistungsverwaltung (noch geläufigen) nicht gesetzesakzessorischen Verwaltungshandelns, bei dem man sich mit einer Vermutung für öffentlich-rechtliches Handeln auf Grund öffentlichrechtlicher Zuständigkeitsnormen begnügen muß". Zur Kritik auch Menger und Erichsen, VerwArch. 59 (1968), 379ff. B G H J Z 1959, 499ff. S o zutreffend Ule, J Z 1959, 501. — Zur Abgrenzung des verwaltungsrechtl. Vertrages vom verfassungsrechtl. Vertrag vgl. B V e r f G E 42, 103ff., 113ff. (Staatsvertrag über Studienplatzvergabe). O L G Frankfurt/Main N J W 1971, 47ff. m. zust. A n m . von Fette, S. 2210. D a z u und zur in Fn. 39 aufgeführten Entscheidung vgl. Erichsen, VerwArch. 62 (1971), 181ff. 17
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München 3 9 auf den polizeilichen Fahndungszweck abstellte und dementsprechend Staatshaftungsgrundsätze, § 839 B G B i. V . mit Art. 34 G G , anwandte. Der B G H 4 0 vertritt in ständiger Rspr. die Auffassung, daß eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes eines Bürgers durch eine Rundfunk- oder Fernsehsendung Rechtsverhältnisse des Privatrechts, nicht des öffentlichen Rechts, betrifft. Dieser — im Schrifttum heftig kritisierten 41 — Auffassung steht laut B G H auch nicht entgegen, daß die betr. Rundfunkanstalt (es handelte sich um den N D R ) „als Anstalt des öffendichen Rechts errichtet und zu hoheitlichen Akten ermächtigt ist, daß sie insbesondere bei der Nachrichtengebung im weitesten Sinne — einschließlich der Beiträge politisch engagierter Fernsehmagazine — öffentliche Aufgaben wahrnimmt, die dem Bereich der öffentlichen Verwaltung zugerechnet werden . . . Ebensowenig widerspräche ihr, wenn das Nutzungsverhältnis zwischen dem Rundfunkhörer bzw. Fernsehzuschauer öffentlich-rechtlich ausgestaltet sein s o l l t e 4 2 . " Alle diese auf ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis deutenden Merkmale schiebt der B G H beiseite. Weil Art. 5 Abs. 1 G G dem Rundfunk die Freiheit der Programmgestaltung verfassungsrechtlich gewährleistet, folgert der B G H , daß Rundfunk und Fernsehen „nicht nur aus jeder Staatsverwaltung herausgelöst, sondern ihr geradezu gegenübergestellt" seien, und deshalb „als Grundrechtsträger in einer dem Bürger vergleichbaren R o l l e " stünden: „Nicht anders als zwischen Bürgern sind auch ihre Beziehungen zum Bürger, soweit es um Ubergriffe der Sendung in die Persönlichkeitssphäre geht, in der (horizontalen) Spannungslage kollidierender Grundrechte, nicht in der (vertikalen) Gegenüberstellung eines Grundrechtsträgers zum Gemeinwesen geordnet. Diese Gleichordnung auf der verfassungsrechtlichen Ebene legt das Verhältnis auch für die Ebene des einfachen Rechts fest; auch für diese können Rundfunk und Fernsehen für jene Beziehungen weder (öffentliches) Sonderrecht in Anspruch nehmen, noch tritt auf andere Weise Verwaltungshandeln als solches h e r v o r . " 4 3 . Mit dem S t i c h w o r t , , S o n d e r r e c h t " scheint der B G H sich der Sonderrechtstheorie angeschlossen zu haben; jedoch ist dies nicht ganz klar, weil zugleich (ob alternativ oder kumulativ wird auch nicht klar) das Merkmal des Hervortretens des „Verwaltungshandelns als solches" als Merkmal des öffentlichen Rechts eingeführt wird. Jedenfalls aber kann aus der Tatsache allein, daß die Rundfunkanstalten in ihrer Programmfreiheit durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 G G grundrechtlich geschützt sind, nicht auf die privatrechtliche Natur des Rechtsverhältnisses mit den Rundfunkteilnehmern geschlossen werden; denn auch die Hochschulen sind gegenüber dem Staat in der Freiheit von Forschung und Lehre grundsätzlich geschützt (vgl. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 G G ) , ohne daß deshalb das Verhältnis zwischen Hochschule 39 40 41
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OLG München NJW 1970, 1745ff. m. abl. Anm. von T. Schmidt, S. 2026. NJW 1976, 1198ff. (mit weiteren Hinw.). Vgl. z . B . Bettermann, NJW 1977, 513ff.; Bethge, VerwArch. 63 (1972), S. 173 f.; Bethge, NJW 1973, 1508f.; Erichsen, VerwArch. 62 (1971), S. 184. NJW 1976, 1199. NJW 1976, 1199.
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und Student zu einem Privatrechtsverhältnis wird. Die vom B G H beschworene Gleichordnung zwischen Rundfunkanstalt und Fernsehzuschauer ist faktisch gesehen ein Witz, die vom B G H gezogene Parallele zur Presse ist falsch, weil die Presse privatwirtschaftlich und damit privatrechtlich, die Rundfunkanstalten dagegen bewußt und gewollt anders — nämlich öffentlich-rechtlich — organisiert sind. Kontroversen haben sich ferner entzündet an der Vergabe und Sperrung von Aufträgen durch die öffentliche H a n d 4 4 , an Maßnahmen der Einfuhr- und Vorratsstellen 4 5 , im Subventionswesen 4 6 , beim Vorkaufsrecht der Gemeinden nach § 24 B B a u G 4 7 , bei der Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung, deren Benutzung privatrechtlich ausgestaltet ist (Bsp. : kommunaler Kindergarten 4 8 , Badeanstalt 4 9 ), bei dem durch eine Behörde ausgesprochenen Hausverbot 5 0 . N u r mit historischem Rückblick ins Postkutschenzeitalter läßt sich erklären, warum die Personenbeförderung in Omnibussen der Bundespost sich nach öffentlichem Recht richtet, die Personenbeförderung in Omnibussen der Bundesbahn dagegen nach Privatrecht 5 1 . Jedoch sollte dies alles auch nicht dramatisiert werden. Die Brauchbarkeit einer Unterscheidung muß nicht an den schwierigsten Grenzfällen, sondern am Normalfall beurteilt werden : In der Mehrzahl aller Fälle bereitet die Qualifizierung eines Rechtssatzes oder eines Rechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich keine Schwierigkeiten 5 2 . Allerdings ist der Kritik an der Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht zuzugeben, daß diese Unterscheidung nicht dem Recht schlechthin vorgegeben ist (es gibt andere Staaten, in deren Rechtssystemen die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht 44 45
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Vgl. BGHZ 14, 222 einerseits, BVerwGE 5, 325 andererseits. Vgl. BVerwGE 6, 205 und BVerwGE 6, 244 einerseits, BGHZ 20, 77 und BVerwGE 7, 264 andererseits. Vgl. die Hinw. bei W. Martens (Fn. 16) S. 95 Fn. 87. Vgl. BGHZ 60, 275ff., 279 m. w. Hinw.; Erichsen (Fn. 17) Fall 1. Hess. VGH NJW 1977, 452. VGH Mannheim DVB1. 1976, 186. Vgl. BVerwG DVB1. 1971, l l l f . = DÖV 1971, 137ff. = J Z 1971, 96ff. mit Anm. von Bahls, DVB1. 1971, 275ff.; Bettermann, DVB1. 1971, 112; Knemeyer, DÖV 1971, 303f.; Stürner, J Z 1971, 98f. - Neuestens: Bethge, Der Staat 10 (1977), S. 313ff. Kritisch dazu schon Baur, JZ 1963, 41 ff. ; zur Kaufmannseigenschaft der DB vgl. Becker, NJW 1977, 1674f.; zum Hausrecht der DB vgl. BayObLG DÖV 1977, 107f. Erleichtert wird die Feststellung auch dadurch, daß eine Vermutung dafür spricht, „daß sich eine Behörde zur Erfüllung typischer Aufgaben aus dem Bereich der ihr übertragenen Befugnisse in der Regel öffentlich-rechtlicher Mittel bedient, so daß für eine privatrechtliche Gestaltung im Einzelfall besondere Umstände vorliegen müssen" (BGH NJW 1975, 106, 107; vgl. auch Erichsen, JR 1972, 130 und VerwArch. 65 [1974], 312 ff.). Eine Gemeinde kann die Vermutung jedoch durch den Nachweis widerlegen, daß „sich aus der Bereitstellung einer Einrichtung eindeutig ergebe, sie solle als private Einrichtung betrieben werden (OVG Münster DVB1. 1976, 398 ff. — Düsseldorfer Rheinwiesen — gegen BGHZ 41, 264). 19
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nicht vorhanden oder jedenfalls nicht so ausgeprägt ist wie bei uns) 5 3 , und daß die Verwischung der Trennung von Staat und Gesellschaft auch die Trennung von öffentlichem Recht und Privatrecht mehr und mehr problematisiert. Drittwirkung der Grundrechte 5 4 , neuere Entwicklungen im Arbeitsrecht und im Sozialrecht 5 5 , Rechtsstatus von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften 5 6 seien hier nur als Frage- und Merkpunkte genannt.
2.
Eingriffsverwaltung
Auf dem Feld des öffendichen Rechts operiert die Eingriffsverwaltung; ihr Wesen liegt darin, daß hier „Subjekte öffentlicher Verwaltung einseitig verbindlich regelnd, d. h. abstrakt oder konkret verbietend, gebietend, entscheidend, Zwang androhend oder anwendend (ζ. B . durch Polizeibefehl, Ordnungsanordnung, Steuerbescheid und deren Durchsetzung) in die Freiheitssphäre der Verwalteten eingreifen" 5 7 . Kürzer formuliert: sie ist die Verwaltung, „die mit Erlaubnisvorbehalten, Befehlen und notfalls mit Zwang in das freie Belieben der Menschen eingreift" 5 8 . Paradebeispiele sind die Gefahrenabwehr durch die Polizeiund Ordnungsbehörden59, wie sie sich insbesondere in den dem § 14 P r P V G nachgebildeten Bestimmungen der Polizeigesetze und Ordnungsbehördengesetze, noch handgreiflicher im Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes ( U Z w G ) und den ihm entsprechenden Gesetzen der Länder manifestiert, sowie die Deckung des Finanzbedarfs durch die Abgaben-(Steuer-) Verwaltung6". Instrument der Eingriffsverwaltung ist der belastende Verwaltungsakt. Eingriffsverwaltung ist stets hoheitliche Verwaltung; umgekehrt ist nicht jede hoheitliche Verwaltung Eingriffsverwaltung. Die rechtsdogmatische und praktische 53
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Erklärungen für das Fehlen eines umfassenden Systems des öffentl. Rechts in England bei Riedel, Kontrolle der Verwaltung im englischen Rechtssystem, 1976. Vgl. dazu BVerfGE 7, 198 ff. (Lüth-Urteil) m. w. Hinw.; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, Blinkfüerfall (BVerfGE 25, 256ff.), S. 51 ff. Vgl. dazu van der Vert, in: Festschrift für Rudolf Reinhardt, 1972, S. 167ff. Vgl. dazu Drewes, Die Gewerkschaften in der Verwaltungsordnung, 1958; Ossenbiihl, NJW 1965, 1561 ff. ; Ridder, Zur verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften, 1960; Scheffler, NJW 1965, 849ff.; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, 195ff.; Popp, öffentliche Aufgaben der Gewerkschaften und innerverbandliche Willensbildung, 1975; Gießen, Die Gewerkschaften im Prozeß der Volks- und Staatswillensbildung, 1976. Wolff/Bachof, VwR I, § 23 lila. Wolff/Bachof, VwR I, § 3 Ic2. Vgl. dazu Friauf, in: I. v. Münch, Bes. VwR, 3. Abschnitt II 1; V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Auflage, 1977, § 3 ; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, § 8. Vgl. die Hinweise bei Wolff/Bachof, VwR I, § 42.
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Bedeutung der Einordnung einer Verwaltung als Eingriffsverwaltung liegt im sog. Vorbehalt des Gesetzes (Gesetzesvorbehalt). Der Vorbehalt des Gesetzes, auf den unten noch näher eingegangen wird 6 1 , bedeutet, daß Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers einer gesetzlichen Grundlage bedürfen; derartige Eingriffe darf die Verwaltung also nicht von sich aus vornehmen, sondern nur in Anwendung eines dazu berechtigenden Gesetzes: Eingriffe in Freiheit und Eigentum sind dem Gesetz vorbehalten. Eingriffsverwaltung ist also strikt gesetzesgebunden: nicht nur in dem Sinne, daß die Eingriffsverwaltung wie jede Verwaltung nicht gegen das Gesetz handeln darf, sondern auch in dem Sinne, daß ihr Handeln nur mit einem Gesetz möglich ist. Das Gesetz ist für die Eingriffsverwaltung also Bremse und Gaspedal zugleich: ohne Gesetz kann die Eingriffsverwaltung nicht fahren. 3.
Leistungsverwaltung
Auch in der Form des öffentlichen Rechts, jedoch nicht nur in ihr, handelt die Leistungsverwaltung (leistende Verwaltung) 6 2 . Die Leistungsverwaltung wird umschrieben als die Verwaltung, „die für die Lebensmöglichkeit und Lebensverbesserung der Mitglieder des Gemeinwesens sorgt, indem sie deren Interessenverfolgung durch Gewährungen unmittelbar fördert" 6 3 . Beispiele für Handlungen der Leistungsverwaltung, die mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, sind die Leistungen der Arbeitslosenversicherung nach dem Arbeitsförderungsgesetz ( A F G ) , die Gewährung von Hilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz ( B S H G ) , die Gewährung von Ausbildungsbeihilfen nach dem Bundesgesetz über die Ausbildungsförderung ( B A f ö G ) , die Gewährung von Wirtschaftssubventionen (Grüner Plan; Filmförderung u. ä.) und die Bereitstellung von öffentlichen Krankenhäusern, Kindergärten, Museen usw. 6 4 . Instrument der Leistungsverwaltung, soweit sie in öffentlich-rechtlicher Form tätig wird, ist insbesondere der begünstigende Verwaltungsakt65. Jedoch ist Kennzeichen der Leistungsverwaltung gerade auch die Vielfältigkeit ihres Instrumentariums. So ist ζ. B . die Entscheidung über die Gewährung einer Subvention ein begünstigender Verwaltungsakt, während die Abwicklung der Subvention in
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Vgl. § 2 1 1 3 , § 3 II 1 sowie im Abschnitt „Die Quellen des Verwaltungsrechts" unten §51,11. Der Begriff der Leistungsverwaltung ist herausgearbeitet worden vor allem von Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938. Vgl. auch Forsthoff, DÖV 1959, 22ff.; Forsthoff, VwR, S. 368ff.; Badura, Verwaltungsrecht im liberalen und sozialen Rechtsstaat, 1966; Badura, DÖV 1966, 624ff.; W. Martens, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 429ff.; Ossenbühl, DÖV 1971, 513ff. - Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967, S. 17ff. Wolff/Bachof VwR I, § 3 I b 2 . Vgl. dazu Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung, 1973. Einzelheiten dazu im Teil „Das Verwaltungshandeln" unten § 12 III 1. 21
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privatrechtlicher Form, etwa als Darlehen, erfolgen kann (sog. Zwei-StufenTheorie) 66 . Die Gewährung einer Subvention67 an einen Wirtschaftszweig oder an einzelne Unternehmen und die darin liegende Begünstigung kann aber zugleich auch eine Belastung bilden — eine Belastung nämlich des konkurrierenden Wirtschaftszweiges bzw. Unternehmens (Bsp. : Subventionierung der Steinkohle als Konkurrent des Heizöls; Subventionierung kleiner und mittelgroßer Ölmühlen als Konkurrenten großer Ölmühlen 68 ; Subventionierung kleiner Zeitungsunternehmen als Konkurrenten größerer Zeitungsunternehmen69). Die Leistung an den Einen kann also einen Eingriff gegenüber einem Anderen darstellen, wie überhaupt auch die Leistungsverwaltung Zwang und Eingriffe kennt. Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung sind also kein strenger Gegensatz 70 . Eine neuere, von Otto Bachof vertretene Ansicht geht über diese Feststellung noch hinaus und verneint schon die Trennbarkeit: Es „lassen sich Eingriffs(= ordnende) und Leistungsverwaltung weder nach Zwecken und Aufgaben noch nach dem Instrumentarium einigermaßen deutlich scheiden. Eine Zerlegung des Verwaltungsrechts „in zwei Teile von je ausgeprägter struktureller Eigentümlichkeit" (Forsthoff) läßt sich anhand jener Unterscheidung nicht vornehmen" 71 . Der Begriff der leistenden Verwaltung sei — ebenso wie die Begriffe Daseinsvorsorge, ordnende, lenkende, austeilende und umverteilende Verwaltung — nur ein heuristischer Begriff 72 , aber kein Rechtsbegriff; er habe keine dogmatische und keine systematische Bedeutung 73 . Wäre die Auffassung von der Untrennbarkeit von Eingriffsverwaltung und Leistungsverwaltung richtig, so hätte dies eine erhebliche praktische Bedeutung,
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Die Zwei-Stufen-Theorie ist entwickelt worden von H. P. Ipsen, öffentliche Subventionierung Privater, 1956. - Vgl. auch BVerwGE 13, 3 0 7 ; Bay V G H DVB1. 1967, 3 8 3 ; B G H D Ö V 1969, 6 4 0 ; B G H NJW 1972, 210. Kritisch zur Zweistufentheorie Erichsen, VerwArch. 65 (1974), 2 1 9 ; Bethge, J R 1972, 139ff.
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Zum Begriff der Subvention vgl. die Legaldefinition der Subvention i. S. des Strafrechts in § 2 6 4 StGB i. d. F . des l . G . zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität v. 29. 7. 1976 (BGBl. I, S. 2034). Zu den Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Subventionswesen allgemein vgl. V. Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966; H. P. Ipsen/Zacher, Verwaltung durch Subventionen, VVDStRL 25 (1967) S. 257ff., 308ff.; Zuleeg, Die Rechtsform der Subventionen, 1965; Herbst, D Ö V 1973, 617ff.; Meister, DVB1. 1972, 593ff.; OVG Lüneburg N J W 1977, 773. - Zu Subventionen im Gemeinsamen Markt: H. P. Ipsen, D Ö V 1977, 613f.
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Dieser Fall lag der Entscheidung in BVerwGE 6, 287 ff. zugrunde. Dieser Fall lag der Entscheidung des O V G Berlin D Ö V 1974, 100 ff. zugrunde. Vgl. dazu auch Schenke, Der Staat 15 (1976), S. 553ff. Zutreffend Wolff/Bachof, VwR I, § 3 I b 2 , § 3 I c 2 . Bachof, W D S t R L 30 (1972), 242; vgl. auch dort S. 227f. D. h. lediglich ein methodisch-didaktisches Hilfsmittel zur wissenschaftlichen Erkenntnisfindung (vom griechischen „heurein" = finden). Bachof, W D S t R L 30 (1972), 242.
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nämlich für die Frage der Geltung des Gesetzesvorbehalts74. Nach bisheriger Ansicht steht die Leistungsverwaltung nicht im gleichen Maße unter dem Gesetzesvorbehalt wie die Eingriffsverwaltung: Die Gewährung von Leistungen bedarf danach — anders als Eingriffe — nicht unter allen Umständen einer gesetzlichen Grundlage75; diese ist vielmehr nur dann erforderlich, wenn durch eine Regelung „eine untrennbare Wechselbeziehung zwischen der Auferlegung von Belastungen und der Gewährung von Begünstigungen geschaffen wird" 76 . Im Normalfall, d. h. wenn keine solche untrennbare Wechselbeziehung zwischen Begünstigung und Belastung besteht, ist jede parlamentarische Willensäußerung (ζ. B. ein einfacher Parlamentsbeschluß), ja schon die bloße etatmäßige Bereitstellung der finanziellen Mittel für die Gewährung der Leistung eine hinreichende Legitimation. Es mehren sich allerdings die Stimmen, die auch die Leistungsverwaltung dem Gesetzesvorbehalt unterwerfen wollen 77 ; so „schickt sich das BVerfG an, die überkommene, wenngleich nicht mehr unumstrittene Auffassung vom Vorbehalt des Gesetzes als Eingriffsvorbehalt zu verabschieden"78. Zur Begründung führt das BVerfG u. a. an: „Staatliches Handeln, durch das dem Einzelnen Leistungen und Chancen gewährt und angeboten werden, ist für eine Existenz in Freiheit oft nicht weniger bedeutungsvoll als das Unterbleiben eines ,Eingriffs'." Damit würden auch Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung nicht egalisiert, weil naeh Ansicht des BVerfG im Bereich der gewährenden Verwaltung (sprich: Leistungsverwaltung) „eine besondere Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers"19 (sprich: eine besonders weite Gestaltungsfreiheit) besteht. Die Differenzierung zwischen Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung in bezug auf Gesetzesvorbehalt und Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers setzt allerdings voraus, daß zwischen Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung selbst unterschieden werden kann. Das aber ist nicht so selbstverständlich wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Auf die Tatsache, daß die Gewährung von Begünstigungen im wirtschaftlichen Bereich zugleich sich als ein Eingriff in die Stellung des Konkurrenten darstellen
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Vgl. dazu unten § 3 II 1 und im Teil „Die Quellen des Verwaltungsrechts" § 5 II. Vgl. dazu B V e r f G E 8, 155, 167 (Lastenausgleich): Selbst bei Annahme der Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts „gilt jedenfalls auch heute kein Gesetzesvorbehalt für die Z u ständigkeiten und das Verfahren der leistungsgewährenden Verwaltung. Dieses Gebiet liegt besonders weit von dem Bereich der Eingriffe in Freiheit und Eigentum entfernt. Erwägungen, die den Gesetzesvorbehalt für die Eingriffsverwaltung begründen, können also nicht herangezogen w e r d e n . " — Vgl. auch W. Martens ( F n . 62) S. 433ff.
76
B V e r w G E 6, 282 (Ölmühlen-Fall); B V e r w G D Ö V 1977, 6 0 6 f . (Prämie für Verpachtung eines geerbten landwirtschaftlichen Betriebes).
77
O V G Münster DVB1. 1963, 8 6 0 ; weitere H i n w . in O V G Berlin D Ö V 1974, 102. Vgl. auch B V e r f G E 33, 303, 331, 3 3 3 f . ; Kisker, N J W 1977, 1313ff. ( 1 3 6 0 ) ; Krebs, V o r behalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, S. 118ff.
78
W. Martens, J R 1976, 193, in bezug auf B V e r f G E 40, 237. B V e r f G E 6, 7 7 ; 11, 6 0 ; 12, 1 6 6 ; 17, 216.
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Ing°
von
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kann, war bereits o b e n hingewiesen w o r d e n 8 0 . Immerhin läßt sich in diesem Beispiel die D o p p e l k ö p f i g k e i t der M a ß n a h m e n o c h erkennbar machen, weil verschiedene Adressaten im Spiel stehen. W i e aber ist ζ. B . die Pockenschutzimpfung zu qualifizieren? 1st sie (wenn gesetzlich angeordnet und das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit berührend) Eingriffsverwaltung oder ist sie (weil kostenlos und gerade z u m Schutz des Grundrechts der körperlichen Unversehrtheit v o r g e n o m m e n ) Leistungsverwaltung 8 1 ? W i e ist die Zwangsernährung eines im Hungerstreik befindlichen Untersuchungs- oder Strafgefangenen zu beurteilen? Steht hier Z w a n g im Vordergrund oder G e w ä h r u n g 8 2 ? N i c h t leicht einzukategorisieren ist auch der Bereich der Schule ; sie wird traditionell als Leistungsverwaltung begriffen 8 3 . A b e r ist dies wirklich richtig? Ist obligatorischer Sexualkundeunterricht für Zehnjährige eine Leistung oder ein Eingriff oder beides z u g l e i c h 8 4 ? Offensichtlich gehen Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung ineinander ü b e r 8 5 . D i e Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und O r d n u n g — die typische Aufgabe der Eingriffsverwaltung — ist eben auch staatliche Leistung im weitesten S i n n e 8 6 ; deshalb ist es auch folgerichtig, wenn es heute nicht mehr nur um den Anspruch des Bürgers auf Unterlassen polizeilicher Handlungen (d. h. die A b w e h r von Eingriffen) geht, sondern auch ein Anspruch des Bürgers auf Tätigwerden der Polizei (also auf Gewährung) diskutiert und bejaht w i r d 8 7 . So sehr die G r e n z e n zwischen Eingriffsverwaltung und Leistungsverwaltung auch fließend sein m ö g e n , so ist doch zu bedenken, daß der größte Teil des Verwaltungshandelns sich (noch) klar und eindeutig entweder der Leistungsverwaltung oder der Eingriffsverwaltung zuordnen läßt, und daß die U n t e r scheidung wegen der in beiden Bereichen unterschiedlichen Maßstäbe für das Handeln des Gesetzgebers und der Verwaltungsbehörden auch (noch) sinnvoll ist. J e d o c h werden sich wandelnde Verwaltungsaufgaben und -technik ständig den Sinn dieser Unterscheidung neuer Befragung aussetzen; möglicherweise wird in Zukunft die Unterscheidung tatsächlich bedeutungslos werden.
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Oben § 2 II 3. Vgl. dazu BVerwGE 9, 78ff. Vgl. dazu § 101 StVollzG, sowie Linck, NJW 1975, 18f.; Weis, ZRP 1975, 83ff. So z . B . Wolff/Bachof, VwR I, § 2 . Vgl. dazu O V G Berlin NJW 1973, 819ff.; OVG Hamburg D Ö V 1973 , 574ff.; BVerfG N J W 1975, 1879; Evers, JZ 1973 , 555 f. ; Jessen, N J W 1973, 1340 ff.; Stober, D Ö V 1973, 554 ff. Vgl. dazu Beinhardt, DVB1. 1961, 608ff.; f . Unruh, DVBl. 1972, 469; V. Götz (Fn. 59) §312. Zutreffend Becker, Die Leistungsaufgaben der öffentlichen Verwaltung, 1956. — Kritisch dazu, weil damit der Begriff der Daseinsvorsorge und der Leistungsverwaltung seinen spezifischen Sinn verliere, Forsthoff, VwR, S. 370 Fn. 3. Vgl. die Hinw. in § 1 Fn. 46.
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§ 2
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Verwaltung
D i e Verschiebung des Schwergewichts von der Eingriffsverwaltung zur Leistungsverwaltung geht einher mit einer immer wichtiger werdenden besonderen F o r m der Verwaltung, nämlich der planenden Verwaltung. D i e Tätigkeit der planenden Verwaltung ist ein Teil der staatlichen Planung überhaupt 8 8 . Ziel der Planung ist „die programmierende Gestaltung eines Sachbereichs unter Abwägung und Ausgleichung aller betroffenen R e c h t e und Interessen und unter B e r ü c k sichtigung aller erheblichen U m s t ä n d e " 8 9 . D i e Entwicklung der Planung zeigt die Veränderungen in der Staatstätigkeit seit der Anerkennung des Verwaltungszweckes der Daseinsvorsorge: Begann die Verwaltung zunächst lediglich als eine A r t „sozialer P a n n e n d i e n s t " 9 0 mit lediglich reaktivem Verwaltungshandeln 9 1 , so geht die Entwicklung nunmehr dahin, daß der Staat „sich die Verspätung als Regelfall nicht mehr leisten k a n n " 9 2 . Das bedeutet, daß frühzeitig geeignete Vorstellungen entwickelt werden müssen, um Notsituationen vorzubeugen, d. h. es m u ß geplant werden — S t i c h w o r t : „Planende Verwaltung als Aufgabe der Gegenwart93." D i e Planung wirft verfassungsrechtliche und verwaltungsrechtliche P r o b l e m e auf. D i e verfassungsrechtlichen Fragen beziehen sich auf das Verhältnis von Parlament und planender Exekutive ( S t i c h w o r t : Entmachtung des Parlaments 9 4 ). D i e verwaltungsrechtlichen Fragen, ζ. B . zur Selbstbindung der planenden Verw a l t u n g 9 5 und zur gerichtlichen K o n t r o l l e 9 6 planender Verwaltung, sind so viel-
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Zu den Begriffen „Planung" und „Plan" vgl. Hoppe, in: Festgabe zum 25-jähr. Bestehen des BVerfG, Bd. I, 1977, S. 663 ff., 665 ff. - Einzelheiten bei J. H. Kaiser (Hrsg.), Planung, zuletzt Bd. VI (1972); Harnischfeger, Planung in der sozialstaatlichen Demokratie; 1969; Steiger, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, 385 ff.; Ossenbühl, Verh. d. 50. DJT, Bd. I, 1974, Β Iff.; weitere Hinw. im Teil „Das Verwaltungshandeln" unten §§21-23. Definition von Badura, unten § 4 2 I. Vgl. auch Erichsen/Martens, unten § 2 1 . Zur Definition auch Herzog, EvStL, Sp. 1520. Denninger, Sozialstaat, in: Görlitz (Hrsg.), Handlexikon der Rechtswissenschaft, 1972, S. 428. Forsthoff, VwR, S. 59. Η. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 2. Aufl., 1977, S. 424. W. Weber, zit. bei Blümel in: Festschrift für Werner Weber, 1974, S. 1. Vgl. dazu Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit II, 1973 S. 97ff.; E.-W. Böckenförde, Der Staat 11 (1972), 429ff.; Kewenig, DÖV 1973, 23ff.; Liesegang, ZRP 1972, 259ff.; Liesegang, DÖV 1972, 847ff.; Schlußbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform (BTags-Drucks. 7/5924, Kap. 6.1). - Weitere Hinw. bei Frowein/ v. Münch, W D S t R L 31 (1973), 13ff„ 51ff. Vgl. dazu Heimerl, BayVBl. 1977, 268. Vgl. dazu Hoppe, in: Festgabe zum 25-jährigen Bestehen des BVerfG, Bd. I, 1977, S. 663ff.; Papier, NJW 1977, 1714ff. 25
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Ingo von Münch
schichtig, daß sie hier nicht näher erörtert werden können. Es wird insoweit auf die in den folgenden Teilen dieses Buches über das Verwaltungshandeln 97 und über das Verwaltungsverfahren 98 gemachten Ausführungen verwiesen. III. Fiskalische Verwaltung 1. Begriff
der fiskalischen
Verwaltung
Fiskalische Verwaltung ist Verwaltung durch den Fiskus. Die Geschichte des Fiskusbegriffes, die eine Geschichte seiner Wandlungen ist, kann hier im einzelnen nicht nachgezeichnet werden. Grob skizziert lassen sich drei Fiskustheorien festhalten 99 : 1. Im Zeitalter des Absolutismus wurde der Fiskus zunächst als eine neben dem obrigkeitlich handelnden Staat stehende selbständige Rechtsperson angesehen, an die der Bürger, wenn er durch den obrigkeitlich handelnden Staat geschädigt war, sich mit finanziellen Ersatzansprüchen halten konnte. Der Bürger vermochte also zwar obrigkeitliche Eingriffe nicht zu verhindern, aber er konnte vor Gericht den Fiskus finanziell zur Rechenschaft ziehen („dulde und liquidiere"). 2. Für diesen Fiskusbegriff war kein Raum mehr, als man im 19. Jahrhundert begann, den Staat als eine einheitliche Rechtsperson zu begreifen. Als Fiskus verstand man nunmehr den Staat in seiner Eigenschaft als Vermögensträger; auch diese Konstruktion diente dem Rechtsschutz des Bürgers, weil einerseits alle Vermögensrechte dem Privatrecht zugeordnet wurden, andererseits gerichtlicher Rechtsschutz nur für privatrechtliche Streitigkeiten eröffnet war. 3. Heute bezeichnet man als Fiskus den Staat oder einen der ihm eingegliederten öffentlich-rechtlichen Verbände in seiner Eigenschaft als Privatrechtssubjekt, d. h. als Teilnehmer (Partner) am Privatrechtsverkehr. Der Staat geht hier, um ein Bild von Walter Jellinek zu gebrauchen, nicht in Uniform, sondern in Zivil 100 . 2. Arten der fiskalischen
Verwaltung
Die Verwaltung geht in Zivil bei drei Tätigkeitsarten: 1. als Bedarfsverwaltung im Sinne der Anschaffung der für die Verwaltungstätigkeit notwendigen Sachgüter, sog. Hilfsgeschäfte der Verwaltung; 2. bei erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit der
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Unten § 2 1 ; vgl. auch Lecheler, DÖV 1974, 441 ff. Unten § 42. Zum folgenden vgl. Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 221 ff.; Forsthoff:VwR, S. 112; O. Mayer, VwR I, S. 49ff.; Erichsen, Staatsrecht u. Verfassungsgerichtsbarkeit I, Fiskalgeltungsfall (BGHZ 52, 325ff.), S. 108; Burmeister, DÖV 1975, 695ff. W. Jellinek, VwR, S. 25.
Verwaltung und Verwaltungsrecht
§ 2
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öffentlichen Hand; 3. wenn die Verwaltung — was im Bereich der Leistungsverwaltung häufig vorkommt — sich zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben der Rechtsform des Privatrechts bedient (sog. Verwaltungsprivatrecht). Verhältnismäßig unproblematisch ist von diesen Fällen derjenige der Hilfsgeschäfte der Verwaltung, d. h. der Anschaffung der für die Verwaltungstätigkeit notwendigen Sachgüter 101 . Es bedarf keiner Erläuterung, daß tagtäglich eine riesige Fülle von Sachgütern angeschafft werden muß, um die Verwaltungsmaschinerie am Laufen zu halten: Papier für Universitäten, Kohlen fürs Finanzamt, Streifenwagen für die Polizei, Benzin für die Bundeswehr, Bau einer Schule, usw. usw. — alle diese Güterbeschaffungsvorgänge werden in Form des Privatrechts (meist durch Kauf von Waren, aber auch durch Mieten von Gebäuden und durch andere Rechtsgeschäfte nach BGB) abgewickelt. Als Käufer, Mieter usw. ist der Staat Privatmann, so daß sich hier keine Fragen des Verwaltungsrechts, sondern solche des Privatrechts stellen. Auf das Sonderproblem der sog. Fiskalgeltung der Grundrechte wird in anderem Zusammenhang noch einzugehen sein 102 . Größere Schwierigkeiten ergeben sich dagegen für die Erwerbstätigkeit der öffentlichen Hand103. Bund, Länder und Gemeinden nehmen in großem Maße am Wirtschaftsleben teil, indem sie sich als Unternehmer erwerbswirtschaftlich betätigen. Volkswagenwerk, Lufthansa, Preußag, Hüttenwerk Salzgitter A G , Saarbergwerke A G , Ruhr-Stickstoff A G , Howaldtswerke AG, Bayerische Wasserkraftwerke A G und Württembergische Elektrizitäts A G sind Beispiele für Bundesbeteiligungen 104 . Die Liste dieser Beispiele ließe sich, auch für die Länder und Gemeinden, eindrucksvoll verlängern ; schon seit langem ist die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand über die klassischen Regiebetriebe (Königlich Preußische Porzellanmanufaktur; Staatsforsten; Domänen; Bierbrauereien) hinausgewachsen; selbst als Damenstrumpfproduzent (Tilly's Strumpffabrik) hat
ιοί Vgl. d a z u Altmann, Das öffentliche Auftragswesen, 1960; Badura, in: I. v. Münch, B e s V w R , 5. Abschnitt III 2 d ; Bogs, BB 1963, 1269; Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, 1963; F.-]. Kunert, Staatliche Bedarfsdeckungsgeschäfte und öffentliches Recht, 1977; H. Müller, Staatliche Preislenkung bei öffentlichen Aufträgen, 1970. D a z u unten § 3 II 2. 103 Vgl. dazu die Hinweise bei Badura, in: /. v. Münch, BesVwR, S. 319 Fn. 259, insbes. auf Bettermann, in: Berliner Festschrift für E . Hirsch, 1968, S. I f f . ; Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969; Crupp, Z H R 140 (1976), S. 3 6 7 f f . ; H. H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1969; Th. Schwarz, Die wirtschafdiche Betätigung der öffentlichen Hand, 1970; Wenger, Die öffentlichen Unternehmen, 1969. 102
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Eine genaue Aufstellung findet sich in: Beteiligungen des Bundes im Haushaltsjahr 1972 (Anhang zum Finanzbericht 1974), hrsg. vom Bundesministerium der Finanzen. — Frühere Aufstellungen in : Der Bund als Unternehmer, hrsg. vom Bundesministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes, 1960, und in: D a s industrielle Bundesvermögen im Jahre 1964/1965, hrsg. vom Bundesschatzministerium, 1966. 27
§ 2
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sich der Bund versucht 1 0 5 . Angesichts der ebenso vielfältigen wie umfangreichen erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand ist der Formulierung zuzustimmen, die den Fiskus als „erstaunlichen Karrieremacher und Allroundman" bezeichnet, „der es vom ,Prügelknaben' zum Wirtschaftsmagnaten gebracht h a t " 1 0 6 . Zugleich stellt sich aber die Frage ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. Im Verhältnis zu den privaten nichtstaatlichen Unternehmern hat die öffentliche Hand den Vorteil, daß sie Verluste, die sie bei ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit erleidet, aus den öffentlichen Haushalten (sprich: den Steuereinnahmen) ausbügeln kann. Diesem Startvorteil am Markt steht kein entsprechender Nachteil gegenüber; denn von der die Daseinsvorsorge verwirklichenden Leistungsverwaltung durch Bundespost, Bundesbahn und die kommunalen Versorgungsbetriebe (Gasund Wasserversorgungsunternehmen; Verkehrsbetriebe) unterscheidet sich die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand durch das Fehlen eines besonderen öffentlichen Interesses 1 0 7 , was sich vor allem darin zeigt, daß die öffentliche Hand bei ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit keine „sozialen Preise" — ζ. B . durch Fahrpreisermäßigung für Schülerfahrkarten, durch Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes auf unrentablen Strecken in Förderungsgebieten (früher Zonenrandgebiet genannt) usw. — zu zahlen hat. Die öffentliche Hand kann sich hier vielmehr wie jeder andere Marktbewerber verhalten und sich ausschließlich nach Angebot und Nachfrage richten, dies aber — wie bereits gesagt — immer auf dem Notpolster des Steuersäckels. Gleichwohl lehnt die h. L. es ab, aus dem Verfassungsrecht (Subsidiaritätsprinzip; Art. 2 I G G ) Beschränkungen für die staatliche erwerbswirtschaftliche Tätigkeit abzuleiten, die über die für alle geltenden Beschränkungen hinausgehen 1 0 8 . Diese nicht unproblematische Ansicht mag bei maßvollem Engagement des Staates hingenommen werden können. Jedoch darf die Gefahr nicht übersehen werden, die zumindest darin liegen kann, daß der Staat im Wirtschaftsbereich die nichtstaatliche Wirtschaftstätigkeit auf kaltem Wege (nämlich als staatlicher Unternehmer) zurückdrängt, und damit das an den Gesetzgeber gerichtete Verbot umgeht, das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 I G G ) einfach dadurch auszuschalten, daß er eine an sich wirtschaftliche Tätigkeit zur hoheitlichen Aufgabe erklärt und ein sog. Verwaltungsmonopol errichtet 1 0 9 . Das Gesetz gegen unlos j ) a s Unternehmen hatte als Unternehmen des Reiches im 2. Weltkrieg Socken für die Wehrmacht produziert und war dann gemäß Art. 134 Abs. 1 GG Bundesvermögen geworden. Mallmann, W D S t R L 19 (1961), 165. Badura, in : I. v. Münch, BesVerwR, S. 320. ιοβ Vgl. die Hinweise bei Badura, in: I. v. Münch, BesVerwR, S. 320. — a. Α.: Dürig, in: Maurizi Düng/Η erzog/Scholz, GG, Art. 2 Rdnr. 52, wonach das „staatsgerichtete Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit" die öffentliche Hand hindere, in Wettbewerbskonkurrenz zur Privatwirtschaft zu treten. 109 Vgl. dazu BVerfGE 21, 245ff., 248 (Arbeitsvermittlungsmonopol); vgl. aber auch BVerfGE 41, 205ff., 218 betr. Zulässigkeit bei Inkrafttreten des GG schon bestehen106 107
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lauteren W e t t b e w e r b ( U W G ) und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ( G W B ) bieten wegen ihrer engen Voraussetzungen jedenfalls kaum Schutz gegen ausufernde staatliche E r w e r b s t ä t i g k e i t 1 1 0 . W ä h r e n d die staatliche erwerbswirtschaftliche Tätigkeit also nach h. L . ohne weiteres zulässig ist, wird die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden an die Erfüllung bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen g e k n ü p f t 1 1 1 . D i e dem § 6 7 D G O 1 1 2 nachgebildeten Bestimmungen der Gemeindeordnungen der Länder (ζ. B . § 8 8 N R W G e m O ) fordern, daß 1. ein dringender öffentlicher Z w e c k das wirtschaftliche U n t e r n e h m e n der G e m e i n d e erfordert, 2 . dieser Z w e c k durch andere ( d . h . nichtgemeindliche) U n t e r n e h m e n nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann, und 3. das wirtschaftliche U n t e r n e h m e n der G e m e i n d e nach A r t und U m f a n g in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der G e m e i n d e und zur voraussichtlichen Belastung steht. N a c h Ansicht des B G H im Blockeis-Fall (eine Gemeinde und ein Privatunternehmen stellten B l o c k e i s h e r ; das Privatunternehmen klagte auf Unterlassung) ist § 6 9 A b s . 1 a. F . ( = § 88 A b s . 1 n. F . ) N W G e m O allerdings kein Schutzgesetz i. S. des § 823 A b s . 2 B G B ; denn in § 6 9 A b s . 1 ( = § 8 8 A b s . 1 n. F . ) N W G e m O „steht das eigene Interesse der Gemeinden an einer gesunden Gemeindewirtschaft im Vordergrund und stellt der Schutz des beschränkten Personenkreises der Inhaber von privaten wirtschaftlichen Unternehmen nur einen N e b e n z w e c k von nachgeordneter Bedeutung d a r " 1 1 3 . Neuerdings scheint sich eine Entwicklung anzubahnen, von den G e m e i n den wahrgenommene Aufgaben zu (re-)privatisieren. D i e Befürworter der Privatisierung (Entstaatlichung) öffentlicher Aufgaben begründen dies mit dem Vorteil größerer Effizienz und niedrigerer K o s t e n ; tatsächlich sind die von öffentlichen
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der Verwaltungsmonopole (Gebäudeversicherungsanstalt). Zum Ganzen vgl. Fiedler, DÖV 1977, 390 ff. Zur Frage des Rechtsweges gegen die öffentliche Hand als Wettbewerber vgl. BGH NJW 1976, 1794ff.; Bettermann, DVB1. 1977, 180ff.; Scholz, NJW 1978, 16ff. - Zur Frage der Anwendung des Gesetzes über die allg. Geschäftsbedingungen auf die öffentl. Hand vgl. Stober, DÖV 1977, 398ff. Ausführlich zur Frage des Umfangs zulässiger wirtschaftlicher Betätigung der Gemeinden BVerwGE 39, 329ff. (Gemeindlicher Bestattungsordner), dazu: H. R. Müller/ Hannemann, DVB1. 1977, 440ff.; Hoffmann-Becking, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 445ff.; H. H. Klein (Fn. 103) S. 73ff.; Köttgen in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT, 1960, I. S. 577ff.; /. Rauball/R. Rauball, GemO für NRW, Komm., 2. Auflage 1974, Erl. zu § 88; Stern, BayVBl. 1962, 129ff.; vgl. auch § 75 bayGemO. Diese Subsidiaritätsklausel ist nicht enthalten in der GemOBW (§ 85) — vgl. dazu BVerwGE 39, 336 - und in der GemO Hess. (§ 98) und GemO SH (§ 82). DVB1. 1962, 102ff., 104. Vgl. auch BVerwGE 39, 336, wonach § 85 GemO BW „nicht dazu bestimmt ist, den einzelnen Unternehmer oder die Privatwirtschaft insgesamt vor der Konkurrenz der öffentlichen Hand zu schützen". — Vgl. ferner LG Wiesbaden NJW 1961, 2118f. (Anzeigen in Kundenzeitschrift der Stadtwerke); BGH NJW 1974, 1333 (Verkauf von KFZ-Kennzeichenschildern durch KFZ-Zulassungsstelle). Zur kommunalen Wohnungsvermittlung vgl. Bulla, DVB1. 1975, 643ff.; BayVGH JZ 1976, 641 ff. 29
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Monopolunternehmen (ζ. B. Verkehrsbetrieben) festgesetzten Preise prozentual stärker gestiegen als die von Privatunternehmen. Jedoch ist der Meinungsstand zum Thema Privatisierung (Entstaatlichung) öffentlicher Aufgaben — weil auch ideologisch befrachtet — strittig 114 . Die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden kann im übrigen verschieden organisiert sein 1 1 5 ; sie kann vorgenommen werden 1. durch unselbständige Anstalten mit unmittelbarer Verwaltung durch gemeindliche Ämter (Bsp. : Fuhrpark; Badeanstalt; Schlachthof); 2. durch Eigenbetriebe, d . h . gemeindliche Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit, die nach den EigenbetriebsVOen der Länder als Sondervermögen unter gesonderter Verwaltung und gesonderter Kassenführung stehen (Bsp.: Gaswerk; Wasserwerk; Verkehrsunternehmen — sog. Gemeindewerke oder Stadtwerke); 3. durch Eigengesellschaften, d. h. durch juristische Personen (häufig Aktiengesellschaften), die im Eigentum einer Gemeinde stehen (Bsp.: Hamburgische Staatsoper AG); 4. durch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, d. h. juristische Personen (wiederum häufig Aktiengesellschaften), an denen neben Gemeinden auch private Wirtschaftsunternehmen und Einzelpersonen beteiligt sind (Bsp. : Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke AG [RWE]; Vereinigte Elektrizitätswerke AG [VEW]; Hamburgische Elektrizitätswerke A G [HEW]). Was schließlich das Verwaltungsprivatrecht betrifft, so handelt es sich hierbei zwar um ein Handeln der Verwaltung in privatrechtlicher Form, jedoch nicht um fiskalische Verwaltung im eigentlichen Sinne. Die Probleme des Verwaltungsprivatrechts werden daher an anderer Stelle behandelt 116 .
§ 3 Verfassung und Verwaltung I. Grundprinzipien der Verfassung: Bundesstaat, Demokratie, Sozialstaat, Rechtsstaat 1. Politische Bedingtheit
des
Verwaltungsrechts
Als Otto Mayer im Jahre 1924 die 3. Auflage seines Lehrbuchs „Deutsches Verwaltungsrecht" veröffentlichte, lagen zwischen diesem Jahr und dem Erscheinungsjahr der Vorauflage ein verlorener Weltkrieg, der Sturz der Monarchie, Stellungnahmen zu diesem Thema bei Bischof)YNikusch, Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1977; vgl. auch Görgmaier, DÖV 1977, 356ff.; Tiemann, Der Staat 16 (1977), S. 171ff.; Wais, DÖV 1977, 268ff. u s Vgl. dazu Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963; Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 1969; Püttner, Das Recht der kommunalen Energieversorgung, 1967; J. Rauball/R. Rauball (Fn. 111), Erl. zu § 88; Zeifi, Das Eigenbetriebsrecht der gemeindlichen Betriebe, 3. Aufl. 1976; Zeiß, DÖV 1969, 821 ff. 1 1 6 Vgl. unten § 3 II 2. 114
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Verwaltung und Verwaltungsrecht
§3 I 1
eine Revolution, eine neue Verfassung. Gleichwohl schrieb Otto Mayer in das Vorwort der Neuauflage die berühmtgewordenen Worte: „ G r o ß Neues ist ja seit 1914 und 1917 nicht nachzutragen. ,Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht'; dies hat man anderwärts schon längst beobachtet. Wir haben hier nur die Anknüpfungspunkte entsprechend zu berichtigen." Dagegen überschrieb ein halbes Menschenalter später Fritz Werner, der damalige Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, eine Abhandlung mit dem Titel: „Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht 1 ." Offensichtlich liegen hier gegensätzliche Auffassungen vor. Aber wer hat Recht 2 ? Verwaltungsrecht ist konkretes Recht. Das Verwaltungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland enthält andere Regeln als das Verwaltungsrecht Äthiopiens. Die deutsche Verwaltung von 1871 ist nicht identisch mit derjenigen von 1933 3 , 1945, 1975. O b eine Störung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts vorliegt, mag in Oberammergau anders beurteilt werden als in St. Pauli 4 . Das alles spricht gegen Otto Mayers These. Andererseits: Die Gasversorgung einer Gemeinde schert sich nicht um Monarchie oder Republik. Müllabfuhr läuft im Prinzip im Jahre 1975 nicht anders als 1935 oder 1905. Zwischen der Tätigkeit der Feuerwehr in Frankfurt am Main und derjenigen in Frankfurt an der Oder bestehen kaum Unterschiede. Trifft Otto Mayers Ansicht also doch zu? Alles Recht ist mehr oder weniger politisch bedingt. Für das öffentliche Recht gilt dies in besonderem Maße, wenn auch hinsichtlich der einzelnen Teilgebiete des öffentlichen Rechts (Verfassungsrecht [Staatsrecht], Verwaltungsrecht, Gerichtsverfassungsrecht, Prozeßrecht, Strafrecht, Staatskirchenrecht, Völkerrecht) in unterschiedlichem Maße. In bezug auf das Verwaltungsrecht ergeben sich folgende Erwägungen : Die politische Grundentscheidung für das staatliche Handeln in der Bundesrepublik Deutschland ist im G G getroffen. D a der Gesetzgeber an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt ( = Regierung und Verwaltung) an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 G G ) , ergibt sich für die Verwaltung, die die Gesetze vollzieht, eine ständige Anbindung an die Verfassung. Für die Grundrechte ist dies ausdrücklich noch einmal in Art. 1 Abs. 3 G G statuiert. Gesetzgebung und Verwaltung sind aber nicht nur gehalten, die Verfassung nicht zu verletzen, sondern sie müssen auch aktiv auf die Verwirklichung der Grundentscheidungen der Verfassung hinarbeiten. Die Möglichkeiten hierfür sind je nach Art der Verwaltung unterschiedlich groß. Im Bereich der Versorgungsbetriebe und der sog. technischen Betriebsverwaltungen (Bundesbahn, Bundespost) wird die Bindung an die Verfassungsentscheidungen sich nicht ständig praktisch aktualisieren; ausgeschlossen ist dies aber auch hier nicht, wie die Sozialtarife (Fahrpreis1 2
DVB1. 1959, 527ff. Zur Bewertung dieser beiden „geflügelten W o r t e " vgl. auch den Teil „ D i e Quellen des Verwaltungsrechts" unten § 7 I.
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Zur Verwaltung in der NS-Zeit vgl. Wolff/ Bachof, VwR I, § 10 I.
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Ähnlich auch Drews/Wacke,
Allgemeines Polizeirecht, 7. Auflage 1961, S. 76f.
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ermäßigungen) bei der Bundesbahn (Einfluß des Sozialstaatsgebotes) zeigen. Verwaltungsrecht ist also in der Tat konkretisiertes Verfassungsrecht.
2.
Bundesstaat
Die in Art. 20 Abs. 1, 79 Abs. 3 G G festgelegte bundesstaatliche Struktur 5 der Bundesrepublik Deutschland wirkt sich im Verwaltungsrecht in mehrfacher Weise aus: 1. Die Gesetzgebungskompetenzverteilung der Art. 70ff., 105 G G enthält keine Regelung eines einheitlichen Rechtsgebietes „Verwaltungsrecht", und zwar weder des „Allgemeinen Verwaltungsrechts" (d. h. der für alle Verwaltungsrechtsgebiete geltenden Regeln) noch des „besonderen Verwaltungsrechts" (d. h. der einzelnen speziellen Materien). Die Kompetenzkataloge müssen deshalb jeweils daraufhin „abgeklopft" werden, ob das betreffende Rechtsgebiet der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis des Bundes, der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis, der Rahmengesetzgebungsbefugnis des Bundes oder der Gesetzgebungsbefugnis der Länder unterliegt. Am 1. Januar 1977 ist das vom Bundestag am 1 . 4 . 1976 beschlossene und vom Bundesrat am 9. 4. 1976 gebilligte Verwaltungsverfahrensgesetz in Kraft getreten 6 . Aus dem besonderen Verwaltungsrecht unterliegen einige Rechtsgebiete der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis des Bundes (ζ. B . Bundeseisenbahnen und Luftverkehr — Art. 73 Nr. 6 G G ; Post- und Fernmeldewesen — Art. 73 N r . 7 G G ; die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen — Art. 73 N r . 8 G G ) ; andere Verwaltungsrechtsgebiete fallen in die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes (so z . B . das Vereins- und Versammlungsrecht — Art. 74 Nr. 3; das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer — Art. 74 N r . 4; die öffentliche Fürsorge — Art. 74 N r . 7; Maßnahmen gegen gemeingefährliche und übertragbare Krankheiten — Art. 74 N r . 19; Straßenverkehr und Kraftfahrwesen — Art. 74 N r . 22 ; Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung — Art. 74 N r . 24); Rahmenvorschriften darf der Bund ζ. B . über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (Art. 75 N r . 1 a), den Naturschutz (Art. 75 N r . 3), die Raumordnung (Art. 75 N r . 4) und das Meldeund Ausweiswesen (Art. 75 Nr. 5) erlassen. Rechtsgebiete aus dem besonderen Verwaltungsrecht, die nicht in einem der Gesetzgebungskompetenzkataloge der Art. 73ff., 105 G G enthalten sind, unterliegen gemäß Art. 70 Abs. 1 G G der Gesetzgebungsbefugnis der Länder (Beispiel: Polizei- und Ordnungsrecht; Schulrecht). Es gibt also Bundesverwaltungsrecht und Landesverwaltungsrecht. 2. Organisatorische Konsequenz der bundesstaatlichen Struktur ist die Teilung der Verwaltung in Bundesverwaltung und Landesverwaltung; die sich hieraus 5 6
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Vgl. dazu Hesse, VerfR, § 7. BGBl. 1976 I S. 1253ff. Vgl. zum VwVfG V. Götz, 1976, 485ff. ; Ule, DVB1. 1976, 421 ff.
NJW 1976, 1425ff.; Maurer,
JuS
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ergebenden Fragen werden unten im Abschnitt „Die Verwaltungsorganisation" behandelt7. 3.
Demokratie
Schwieriger als die Einwirkung des Bundesstaatsprinzips auf die Verwaltung ist das Verhältnis von Demokratiegebot und Verwaltung zu bestimmen. Die Schwierigkeit hat vor allem ihre Ursache in der Vieldeutigkeit des Demokratiebegriffs; denn „es gibt kaum einen verfassungsrechtlichen Begriff, dem so unterschiedliche Deutungen gegeben werden wie dem der Demokratie" 8 . Auch das G G , aus dem der Demokratiebegriff für die Bundesrepublik Deutschland konkretisiert werden muß, gibt zum Thema Demokratie und Verwaltung9 nicht viele weiterführende Anhaltspunkte. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geht alle Staatsgewalt, also auch die öffentliche Verwaltung, vom Volke aus (Grundsatz der Volkssouveränität)· Der Ursprung der Staatsgewalt signalisiert zugleich ihren Zweck; sie ist nicht um des Staates willen, sondern um des Bürgers willen existent, eines Bürgers, der nach der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des G G nicht als Untertan, sondern als mündiger Staatsbürger zu behandeln ist. Die Ausrichtung der Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung am Wohl des Bürgers reicht aber allein nicht aus. Da der Staat unter den Bedingungen der modernen Industrie- und Massengesellschaft nicht durch die Bürger selbst unmittelbar verwaltet werden kann, die Staatsgewalt vielmehr u. a. durch „besondere Organe der vollziehenden Gewalt" ausgeübt wird (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), muß nach organisatorischen Formen gesucht werden, den Bürger an der Entscheidungsbildung der Verwaltung zu beteiligen. Es geht hier um die sog. Partizipation an Verwaltungsentscheidungen10, die in Form der Mitwirkung (Anhörung, Erörterung, Vorschlagsrecht) und in Form der Mitentscheidung (in Kollegialorganen) vorkommt. Beispiele einer Mitwirkung ist die Anhörung von Beteiligten nach dem BBauG und dem StädtebauförderungsG; Beispiele einer Mitentscheidung finden sich in den Rundfunk- und Fernsehräten, im Verwaltungsrat der Bundespost, im Verwaltungsrat der Bundesbahn und in der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften. Aus dem GG sind allerdings für Art und Umfang der Partizipation an Verwaltungsentscheidungen keine festen Maßstäbe zu gewinnen. Deshalb ist die Frage der Partizipation in hohem Maße kontrovers. 7 8 9
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§57. Hesse, VerfR, § 5. - Vgl. auch von Simson/Kriele, WDStRL 29 (1971), 3ff., 46ff., m. w. Hinw. Vgl. dazu die Beiträge in: Demokratie und Verwaltung. 25 Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 1972, insbes. die Beiträge von Herzog, S. 485ff. ; Luhmann, S. 21 Iff.; Schnur, S. 557ff. Vgl. auch W. Zeidler, DVB1. 1973, 719ff.; Maetzel (Tagungsbericht), DÖV 1976, 234. Vgl. dazu die Hinw. im Teil „Das Verwaltungsverfahren" unten § 38 III. 33
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Soweit es um die Anhörung eines einzelnen Bürgers geht, in dessen Rechte der beabsichtigte Erlaß eines Verwaltungsaktes eingreifen würde (vgl. § 28 VwVfG) 11 , ist diese allerdings mehr im Rechtsstaatsgebot angesiedelt als im Demokratiegebot. Geht es dagegen um ein Betroffensein der Allgemeinheit, so steht die Anhörung in engerem Zusammenhang mit dem Demokratiegebot. Jedoch sind die Grenzen zwischen beiden Fallgruppen fließend, wie ζ. B. Umweltschutzprobleme zeigen. Auch ist die Frage, ob eine Anhörung bei Verwaltungshandlungen, welche die Allgemeinheit betreffen, überhaupt rechtlich geboten ist, umstritten. Im Fall der Erhöhung der Straßenbahntarife durch den Rat der Stadt Köln hat das LG Köln dies aus dem Bekenntnis des GG zu einer freiheitlichen demokratischen, sozialen Ordnung bejaht: „Eine solche Gesellschaftsordnung kennt keine Obrigkeit, sondern zur Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben durch Teilung von Verantwortung und Arbeit, nur Einrichtungen, die von der Gemeinschaft aller abhängen und ihr verantwortlich sind. Diese Einrichtungen, zu denen auch der Rat der Stadt Köln gehört, müssen in aller Regel schon bei der Vorbereitung ihrer Entscheidungen denjenigen Gelegenheit zur Stellungnahme geben, die von der Entscheidung betroffen werden sollen; das gilt für individuelle Maßnahmen ebenso wie für generelle 12 ." Demgegenüber verneint der BGH ein solches Anhörungsrecht der Allgemeinheit: „Ein verfassungsmäßiges Recht des Bürgers oder irgendeiner Organisation, von sämtlichen öffentlichen Stellen und Behörden vor jeglicher Maßnahme gehört zu werden, die den Einzelnen oder die seine Interessen wahrnehmende Organisation in diesen Interessen berührt, existiert nicht und kann auch gar nicht wünschbar sein, weil dadurch die Tätigkeit der Organe von Gesetzgebung und Verwaltung schon allein im Hinblick auf die Schwierigkeit einer Ermittlung des oder der berufenen Adressaten in ganz unerträglicher Weise erschwert und, was entscheidend ist, zum Nachteil des Ganzen behindert würde. Eine Anhörung solcher Art kann vielmehr immer nur eine Frage des politischen Taktes oder der politischen Klugheit sein 13 ." Die Mitwirkung von Bürgern in kollegialen Entscheidungsgremien wirft ebenfalls Fragen auf, nämlich die Frage nach der Effizienz ehrenamtlicher Mitwirkung durch Einzelne14, die Frage nach den Prinzipien der Auswahl dieser Einzelnen als Vertreter von Betroffenen oder Gruppen 15 , schließlich — soweit es sich um Verbandsvertreter handelt — die Frage nach dem zulässigen Ausmaß des Einflusses der Verbände und politischen Parteien auf die Verwaltung: hierauf wird im Abschnitt „Politische oder unpolitische Verwaltung" zurückzukommen sein 16 .
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Einzelheiten dazu im Teil „Das Verwaltungsverfahren", unten § 40 II 3. J Z 1969, 80, 82. J Z 1969, 637, 6 4 0 (Läpple-Urteil). Vgl. dazu W. Thieme, Verwaltung und Gesellschaft, in: Handbuch der Verwaltung H . 1.1, 1974, Rn. 1149.
W. Thieme (Fn. 14) Rn. 1149.
Dazu unten § 3 II 3.
U. Becker/W. Thieme
(Hrsg.),
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Im demokratischen Prinzip wurzeln auch die Prinzipien der Selbstverwaltung und der AutonomieHier geht es um die Verselbständigung (Ausgliederung) staatlicher Verbände und um die Verleihung des Rechtes an diese Verbände, Rechtsvorschriften für die ihnen angehörigen Personen zu erlassen (Satzungsautonomie). Beispiele solcher Selbstverwaltungsträger sind die Gemeinden (kommunale Selbstverwaltung; vgl. Art. 28 Abs. 2 GG) als Gebietskörperschaften und die Industrie- und Handelskammern, Rechtsanwaltskammern und Ärztekammern als sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts. In seiner FacharztEntscheidung (ein Facharzt für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe hatte in einem einzigen Fall auch einen männlichen Patienten, nämlich den Ehemann einer Patientin, behandelt, und war deshalb aufgrund der Berufsordnung der Ärztekammer vom Berufsgericht für Heilberufe verurteilt worden) hat das BVerfG dazu ausgeführt: „Die Verleihung von Satzungsautonomie hat ihren guten Sinn darin, gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen könne, eigenverantwortlich zu überlassen und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat zu verringern. Zugleich wird der Gesetzgeber davon entlastet, sachliche und örtliche Verschiedenheiten berücksichtigen zu müssen, die für ihn oft schwer erkennbar sind und auf deren Veränderung er nicht rasch genug reagieren könnte 18 ." Fügt der Selbstverwaltungs- und Satzungsautonomiegedanke sich also sinnvoll in die demokratische Ordnung ein, so setzt das Demokratieprinzip (zusammen mit dem Rechtsstaatsprinzip) jedoch zugleich auch Schranken, nämlich die, „daß der Gesetzgeber sich seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußern und seinen Einfluß auf den Inhalt der von den körperschaftlichen Organen zu erlassenden Normen nicht gänzlich preisgeben darf . . . Der Gesetzgeber darf seine vornehmste Aufgabe nicht anderen Stellen innerhalb oder außerhalb der Staatsorganisation zu freier Verfügung überlassen. Dies gilt besonders, wenn der Akt der Autonomieverleihung dem autonomen Verband nicht nur allgemein das Recht zu eigenverantwortlicher Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben und zum Erlaß der erforderlichen Organisationsnormen einräumt, sondern ihn zugleich zu Eingriffen in den Grundrechtsbereich ermächtigt" 19 . Handelt es sich bei der Selbstverwaltung und Satzungsautonomie um den Zusammenhang zwischen Demokratieprinzip und Ausgliederung aus der unmittelbaren Staatsverwaltung, so ist mit dem Stichwort „Demokratisierung der Verwaltung"20 eine andere Frage angeschnitten, nämlich die, ob und inwieweit die 17 18 19 20
BVerfGE 33, 125, 159 (Facharzt). BVerfGE 33, 125, 156f. BVerfGE 33, 125, 158. Vgl. v. Oertzen (Hrsg.), „Demokratisierung" und Funktionsfähigkeit der Verwaltung, 1974, sowie die Hinw. in Fn. 9. Speziell zur Mitbestimmung im Schulwesen vgl. H.Heckel, DÖV 1976, 51 Iff. (513); F.Meyer, Demokratie in der Schule (Aktuelle Dokumente de Gruyter), 1973. 35
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Organisation der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung selbst demokratisch strukturiert werden muß oder kann. Hier könnte zunächst an eine Wahl der in der Verwaltung Tätigen durch das Volk gedacht werden, so wie dies nach den Gemeindeordnungen einiger Bundesländer in bezug auf den Oberbürgermeister der Fall ist. Sieht man aber das Riesenheer der im öffentlichen Dienst Beschäftigten (ζ. Z. mehr als 3 Millionen Personen, d. i. jeder 8. Bundesbürger)21, so zeigt sich, daß schon wegen dieser Riesenzahl — ganz abgesehen von anderen Gründen — eine solche Wahl nicht gangbar ist. Aber selbst in kleinen Gemeinden mit einer überschaubaren Zahl wäre die Wahl problematisch: Sollen die Lehrer, die im Dienste des Landes stehen und von diesem besoldet werden, von allen Bürgern des Landes gewählt werden oder nur von den Bürgern der Gemeinde oder nur von solchen Bürgern der Gemeinde, deren Kinder der zu wählende Lehrer unterrichten soll 22 ? Unter Demokratisierung der Verwaltung wird ferner die Ablösung hierarchischer Organisationsstrukturen und ihre Ersetzung durch Formen kollegialer Führung (Teams; Arbeitsgruppen u. ä. 23 ) verstanden. Jedoch handelt es sich hierbei um Probleme, die mit dem Demokratiegebot nur in einem sehr verdünnten, entfernten Zusammenhang stehen24. Ein Sonderproblem, dessen Stellung und Lösung sich auf die allgemeine Verwaltung nicht übertragen läßt, ist die Mitbestimmung an den Hochschulen (Paritäten-Frage usw.) 25 , und die paritätische Mitbestimmung in kommunalen Versorgungsunternehmen26. Nicht die Organisation, sondern die Tätigkeit der Verwaltung ist angesprochen, wenn Öffentlichkeit (Transparenz) der Verwaltungsvorgänge gefordert wird. „Verfassungsrechtliche Grundvorstellung ist die öffentliche Verwaltung' im Sinne einer höchstmöglichen transparenten, zugänglichen und informierenden Verwal21
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Stichwort: „Beamtenrepublik"; vgl. dazu DER SPIEGEL Nr. 51 vom 16. 12. 1974 S. 28ff. — Uberblick über die Entwicklung seit 1913 bei v. Münch, in: I. v. Münch, BesVwR, S. 13 m. w. Hinw. In der Schweiz werden die Beamten nicht auf Lebenszeit, sondern nur für eine bestimmte Amtsdauer (i. d. R. 4 Jahre), durch die zuständige Behörde ernannt und sodann von der Behörde wieder„gewählt". Eine echte Wahl und Wiederwahl der Beamten durch das Volk gibt es in einigen Kantonen und Gemeinden, ζ. B. im Kanton Zürich für Lehrer; vgl. dazu O. Kaufmann/Lobsiger, in: J. H. Kaiser/F. Mayer/Ule (Hrsg.), Recht und System des öffentlichen Dienstes in den Ländern Schweden, Schweiz, Spanien, USA, Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bd. 2, 1973, S. 111. - Kritisch Herzog (Fn. 9) S. 490. Vgl. dazu Herzog (Fn. 9) S. 486ff.; Schnur (Fn. 9) S. 557ff. Herzog (Fn. 9) S. 490. Vgl. dazu BVerfGE 35, 79ff. (NdsVorschaltG); StGH Bremen DÖV 1977, 595ff. Vgl. dazu Biedenkopf/Säcker, ZAR 1971, 211 ff. ; Zeller, Kommunale Mitbestimmung, 1972; Püttner, Die Mitbestimmung in kommunalen Unternehmen, 1972; H.-P. Schneider, DÖV 1972 , 598ff.; Duden, ZRP 1972 , 29ff.; VG Düsseldorf DVBl. 1971, 225; O L G Bremen NJW 1977, 1153 = DÖV 1977, 899ff. m. Anm. Püttner, S. 901 f.
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t u n g 2 7 . " In der Praxis ist diese Grundvorstellung allerdings weitgehend nur ein Wunschbild. Dies liegt nicht nur an einem gestörten Verhältnis der Verwaltung zur Öffentlichkeit (hier ist zweifellos vieles verbesserungsfähig), sondern auch daran, daß dem generellen Informationsinteresse der Allgemeinheit oft konkrete Vertraulichkeitsinteressen Einzelner entgegenstehen. So garantiert § 30 VwVfG den an einem Verwaltungsverfahren Beteiligten einen Anspruch darauf, „daß ihre Geheimnisse, insbesondere die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse sowie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden" 2 8 . Diese Geheimhaltungspflicht der Behörden wird in bezug auf den einzelnen Beamten in den Beamtengesetzen und für die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst in den Tarifverträgen durch Auferlegung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit 2 9 , darüber hinaus strafrechtlich durch § 353 b S t G B abgesichert. - Das Recht des Beteiligten auf Akteneinsicht (§ 2 9 VwVfG) folgt mehr aus dem Rechtsstaatsgebot als aus dem Demokratiegebot; dieses Recht wird im Abschnitt „Das Verwaltungsverfahren" behandelt 3 0 . Zum Thema Verwaltung und Demokratie sind schließlich noch die Anstöße zu nennen, die von Presse, Rundfunk, Bürgerinitiativen 31 , Petitionen usw. genommen und gegeben werden, genommen im Sinne von Anstoß als Kritik, gegeben als Anstoß im Sinne von Anregungen und Informationen.
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Sozialstaat
Gemäß Art. 20 Abs. 1 G G ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat; auch in den Ländern muß — wie Art. 28 Abs. 1 S. 1 G G vorschreibt — die verfassungsmäßige Ordnung den Grundsätzen des sozialen Rechtsstaates entsprechen 3 2 . Zu den Staatszielbestimmungen der Verfassung gehört also auch das Sozialstaatsgebot. Der Inhalt dieses Prinzips ist an sich kaum leichter zu bestimmen als derjenige des Demokratiegebotes ; jedoch hat 27
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Scholz, NJW 1973, 482. — Vgl. auch Berggreen, Die „dissenting opinion" in der Verwaltung. Zum Problem der Öffentlichkeit staatlicher Entscheidungsvorgänge, 1972. Einzelheiten dazu im Teil „Das Verwaltungsverfahren" unten § 40 II. Vgl. dazu v. Münch, in: I. v. Münch, BesVwR, 1. Abschnitt III 4b dd. — Zur sog. „Flucht in die Öffentlichkeit" vgl. BVerfGE 28, 191 ff. und BGHSt. 20, 342ff. (PätschUrteile im sog. Keller-Fall), und die Hinw. bei v. Münch, in: I. v. Münch, BesVwR, 1. Abschnitt III 8 a aa. Unten § 40 II 4. Zu Bürgerinitiativen vgl. die ausführlichen Hinw. bei Blümel, in: Festschrift für Werner Weber, 1974, S. 541 Fn. 8; vgl. auch Knirsch/ Nickolmann, Die Chance der Bürgerinitiativen, 1976; Mayer-Tasch, Die Bürgerinitiativbewegung, 1976. Vgl. dazu die Hinw. bei Hesse, VerfR, § 6 II 3, sowie Κ. A. Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren, 1975; Menzel, DÖV 1972, 357ff. ; W. Schreiber, Das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes in der Rechtsprechung, 1972. 37
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das Sozialstaatsgebot vermittels intensiver Ausfüllung durch den Gesetzgeber und häufiger Auslegung durch die Rechtsprechung festere Konturen gewonnen. Aus dem umfangreichen, kaum noch überschaubaren gesetzgeberischen Werk zum Sozialrecht im weitesten Sinne erlangt in wirtschaftlichen Krisenzeiten (Öl-Krise 1973/74) das StabilitätsG besondere Bedeutung: In Ausfüllung des in Art. 109 G G aufgestellten Gebotes, daß Bund und Länder den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen haben, nennt § 1 StabilitätsG das sog. „magische Viereck": Die wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen von Bund und Ländern sind so zu treffen, „daß sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen." Die Entscheidung, ob der Gesetzgeber sozial tätig werden will oder nicht, ist nicht in das Belieben des Parlaments gestellt. Dazu hat das B V e r f G nämlich schon in einer seiner ersten Entscheidungen (im Fall einer Kriegerwitwe, die für sich und ihre drei Kinder im Alter von 6, 13 und 16 Jahren eine Rente von 183,—DM nach dem BVersG + 20,— D M nach dem SoforthilfeG bekam) festgestellt: Der Gesetzgeber „ist gewiß verfassungsrechtlich zu sozialer Aktivität, insbesondere dazu verpflichtet, sich um einen erträglichen Ausgleich der widerstreitenden Interessen und um die Herstellung erträglicher Lebensbedingungen für alle die zu bemühen, die in N o t geraten s i n d " 3 3 . Jedoch wäre das Sozialstaatsgebot zu eng verstanden, wenn daraus nur eine soziale Nothilfe abgeleitet werden würde, so wie sie — wenn auch nur sehr allgemein umschrieben — in dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis mit den Stichwörtern „Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen" (Art. 74 N r . 6 G G ) , „öffentliche Fürsorge" (Art. 74 N r . 7), „Kriegsschäden und Wiedergutmachung" ( A n . 74 N r . 9) und „Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen" (Art. 74 N r . 10) umschrieben ist. Vielmehr ist der Staat nicht nur verpflichtet, bestehende Notlagen zu beheben, sondern auch, einen Ausgleich zwischen wirtschaftlich Schwachen und Starken zu finden, d . h . konkret: den Abstand zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen von Arm und Reich sich nicht vergrößern oder im status quo beharren zu lassen, sondern ihn zu verringern 3 4 . Dies ist im übrigen auch ein Gebot materieller Gerechtigkeit 3 5 , was zeigt, wie eng Sozialstaatsgebot und Rechtsstaatsgebot zusammenhängen.
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B V e r f G E 1, 97, 105 (allerdings mit dem Zusatz, daß ein unmittelbarer Anspruch des Einzelnen aus dem Sozialstaatsprinzip nur ausnahmsweise erwachsen könne). Ubersicht über Vermögensbildungspläne bei F. Klein, Vermögensbildung und Eigentumsgarantie, 1974; Pulte, Vermögensbildung — Vermögensverteilung (Aktuelle Dokumente de Gruyter), 1973; Ekkeh. Stein, Vermögenspolitik und Grundrechte, 1974. — Tatsachenmaterial in: Die Einkommens- und Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland (hrsg. vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung), 1974. Weitere Hinw. bei Badura, in: 1. v. Münch, BesVerwR, S. 272 Fn. 38. Zur materiellen Gerechtigkeit als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips vgl. unten § 3 I 5.
Verwaltung und Verwaltungsrecht
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Die aus dem Sozialstaatsgebot des GG resultierende Verpflichtung des Gesetzgebers zu sozialer Aktivität wirkt in mehrfacher Weise auf die Verwaltung ein. Zunächst obliegt der Verwaltung als Teil der vollziehenden Gewalt die Aktualisierung wie aller Gesetze so auch der Sozialgesetze. Dies ist schon quantitativ gesehen eine ungeheure Aufgabe, wenn man die Riesenflut von Gesetzen im Sozialbereich betrachtet 36 und die astronomische Höhe der finanziellen Leistungen, die von der Verwaltung bewegt werden. Die im Sozialbudget zusammengefaßten Sozialleistungen (Altersrenten, Witwenrenten, Kinder- und Waisengeld, Gesundheitsleistungen, Kriegsfolgelasten, Sparförderung, Arbeits- und Berufsförderung, Arbeitslosen- und Kurzarbeitsgeld usw.) stiegen von 110,6 Milliarden DM im Jahre 1965 auf 169,0 Milliarden D M im Jahre 1970 und auf 218,1 Milliarden D M im Jahre 1972 (für 1972 waren dies rd. 26% des Bruttosozialprodukts); für 1979 wird mit 452 Milliarden DM gerechnet 37 . Insgesamt wurden 1974 pro Kopf der Bevölkerung 3653,— DM für Sozialleistungen aufgebracht, ein Betrag, der bis 1979 voraussichtlich auf 6000,— DM jährlich steigen wird 3 8 . Je größer aber die finanziellen Leistungen sind, die zur Verteilung durch die Verwaltung anstehen, um so größer wird auch der Verwaltungsapparat werden, der diese Verteilung durchführt. Die Steigerung der Sozialleistungen, die positiv zu bewerten ist, führt also zu der negativen Auswirkung der Außlähung der Verwaltung*9 ; die Aufblähung der Verwaltung wiederum führt zwangsläufig zu steigenden Personalkosten; wegen der Belastung mit diesen Personalkosten wird die freie Manövriermasse der öffentlichen Haushalte immer kleiner 40 ; das heißt: für andere Zwecke als die Besoldung der im öffentlichen Dienst tätigen Personen (also ζ. B. für den Bau von Schulen, Krankenhäusern, Straßen usw., d. h. für den Ausbau der sog. Infrastruktur) stehen prozentual gesehen immer weniger Mittel zur Verfügung (Slogan : „Die Beamten fressen den Staat auf"). Reichen die Einnahmen nicht mehr aus, so helfen sich Staat und Gemeinden dadurch, daß sie Schulden machen. Die Schulden müssen aber wiederum verwaltet werden (Bundesschuldenverwaltung; Schulden-
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Instruktiver Uberblick bei Wertenbruch, in: I. v. Münch, BesVwR, 6. Abschnitt, Übersicht: Gesetze, S. 336ff. — Weitere Informationen finden sich in Soziale Sicherung (hrsg. vom BMin. f. Arbeit und Sozialordnung), 10. Aufl. 1977. Vgl. Gesellschaftliche Daten 1973 in der Bundesrepublik Deutschland (hrsg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung), S. 210ff., und Soziale Sicherung (Fn. 36) S. 26. Soziale Sicherung (Fn. 36) S. 27. Zutreffend Badura, D Ö V 1968, 450: „Die Gesetze des wohlfahrtsstaatlich entfesselten Parlaments, Akte weitgreifender Sozialgestaltung, Planung und Umverteilung, verwandeln die Verwaltung in eine ständig expandierende Apparatur der Lenkung und Leistung. Der Wohlfahrtsstaat ist notwendig „Verwaltungsstaat" in dem Sinne, daß er seine Zwecke nur durch einen umfangreichen und bürokratisch organisierten Verwaltungsstab verwirklichen kann." So betrug ζ. B. der Anteil der Personalkosten am Haushalt des Landes Hessen 1974 fast 43%. 39
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Verwaltungen der Länder; Gemeindefinanzverwaltung), und kosten Zinsen. So dreht sich die Schraube ohne Ende. Die massenhafte Erledigung von Anträgen führt aber auch zu technokratischer Bürokratiemaschinerie*1. Die computergesteuerte Behandlung und Erledigung von Anträgen auf Zuteilung eines Studienplatzes durch die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen 42 ist dafür ein Beispiel. Die Gewährung von sozialen Leistungen (im weitesten Sinne) führt ferner zu einer Gewichtsverlagerung von der Eingriffsverwaltung zur Leistungsverwaltung. Ablösung des auf Gefahrenabwehr beschränkten Nachtwächterstaates durch den Daseinsvorsorge betreibenden Leistungsstaat, Entthronung des Polizeirechts durch das Planungsrecht, das Wirtschaftsverwaltungsrecht, das Sozialrecht und das Kulturverwaltungsrecht als charakteristische Materien des sozialen Rechtsstaates 4 3 können hier als Stichworte genannt werden. Fast ins Gastronomische geht schon der von Hans]. Wolff geprägte Ausdruck der „Einschenkverwaltung" 4 4 . Allerdings wäre es nicht richtig, den Beginn dieser Gewichtsverlagerung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des G G anzusetzen : denn schon lange vor Einführung des Sozialstaatsgebotes als Verfassungssatz ist — jedenfalls in Deutschland — mit der Absicherung der sozialen Grundrisiken begonnen worden, so mit dem G über die Krankenversicherung der Arbeiter von 1883, dem UnfallversicherungsG von 1884 und dem G über Invaliditäts- und Alterssicherung von 1889, die in der R V O von 1911 zusammengefaßt wurden 4 5 . Die Entwicklung zum Leistungsstaat ist dann im Verlaufe des 1. Weltkrieges, der Nachkriegszeit und der Weltwirtschaftskrise rasant beschleunigt worden, und hat schließlich ihren Höhepunkt nach dem 2. Weltkrieg erreicht, zunächst mit der Bewältigung der Folgen des NS-Regimes und des Krieges (Wiedergutmachung an rassisch Verfolgte; Kriegsopferversorgung; Eingliederung der Heimatvertriebenen; Zuweisung von Wohnraum an Ausgebombte und aus Kriegsgefangenschaft Entlassene; Lastenausgleich usw.), sodann mit dem Ausbau der sozialen Sicherung (BundessozialhilfeG; Rentenreform; Sicherung rückständiger Lohnforderungen im Fall eines Konkurses ; Entschädigung für Opfer von Straftaten ; Förderung des sozialen Wohnungsbaues ; Schwerbeschädigtenrecht ; therapeutische Hilfen für Drogen- und Rauschmittelgeschädigte). Verwaltet werden muß auch die starke Ausweitung des Bildungswesens
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Badura, DÖV 1968, 450, spricht — noch schärfer — von „technokratischer Entartung der Bürokratie". Zu damit zusammenhängenden Rechtsfragen vgl. OVG Münster, DVBl. 1974, 946f.; OVG Münster DVBl. 1974, 947f.; OVG Münster DVBl. 1974, 948f. ; Haas, DVBl. 1974 , 929ff. Vgl. Badura, DÖV 1968, 450. Wolff/Bachof VwR I, § 3 I c 1. Vgl. Kraemer, Anforderungen der demokratischen Gesellschaft an die Sozialverwaltung der Länder unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Rheinland-Pfalz, in: Demokratie und Verwaltung (Fn. 9) S. 375 , 376; vgl. auch Forsthoff, VwR, S. 62ff.
Verwaltung und Verwaltungsrecht
§ 3 14
(Schlagwort: „Bildungsgesellschaft") 46 ; so soll die Zahl der Studenten, die sich im Jahre 1970 auf 503 000 belief, im Jahre 1975 auf 841 000 stieg, auf 814 000 bis 867 000 im Jahre 1980 und auf 965 000 bis über eine Million (1 047 000) im Jahre 1985 emporschnellen 47 . Für Weiterbildung nach Aufnahme der Berufstätigkeit sollen 1985 709 Millionen DM bereitgestellt werden (zum Vergleich: 1970: 173 Millionen DM) 4 8 . Schließlich stellt auch die große Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Ausländer und ihrer Familienangehörigen (Gesamtzahl Ende 1977: rd. 4 Millionen; jeder 14. Einwohner der Bundesrepublik besitzt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit) die Verwaltung vor schwierige Aufgaben. Die genannten Beispiele zeigen aber auch, daß Eingriffsverwaltung und Leistungsverwaltung nicht immer scharf voneinander getrennt sind; so war die Zuteilung von Wohnraum an Ausgebombte (Leistung) nur möglich durch Zwangseinquartierung (Eingriff); um für Ausländer Wohnraum und Schulen bereitzustellen (Leistung) wird in einigen Städten eine gegen neu hinzukommende Ausländer gerichtete Zuzugssperre geplant (Eingriff). Die Ausweitung der Leistungsverwaltung bewirkt auch eine verstärkte Wahl von an sich für die Verwaltung atypischen Rechtshandlungen, etwa in der Form des Zivilrechts; dies gilt insbesondere für den Bereich der Wirtschaftsförderung*9. Aktualisiert wird das Sozialstaatsgebot bei der Vornahme von Verwaltungshandlungen dadurch, daß die Verwaltung das Sozialstaatsgebot bei der Auslegung von Gesetzen und bei der Betätigung des Ermessens zu berücksichtigen hat 50 . Schließlich hat die Rechtsprechung aus dem Sozialstaatsgebot eine — wenn auch nicht generelle, sondern nur aus konkreten Einzelumständen folgende — Pflicht der Verwaltung zur Belehrung des Bürgers über die Rechtslage oder über für ihn bedeutsame tatsächliche Umstände abgeleitet. Die Leitentscheidung des B G H (Fall eines Schwerbeschädigten Rentners) sagt dazu, es gehöre „gerade in einem sozialen Rechtsstaat zu den Amtspflichten der mit der Betreuung der sozial schwachen Volkskreise betrauten Beamten, diesen zur Erlangung und Wahrung der ihnen vom Gesetz zugedachten Rechte und Vorteile nach Kräften beizustehen" 51 . In späteren Entscheidungen hat der B G H die Schwierigkeit eines Spezialrechtsgebietes für einen rechtsunkundigen Antragsteller52 und das BVerwG das vorge-
J
" Die Kosten des Bildungswesens insgesamt werden mit mehr als 29 Milliarden für 1970 und mit 56,2 Milliarden D M für 1975 angegeben; vgl. Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung — Bildungsgesamtplan BTags-Drucks. 7 / 1 4 7 4 , S. 52ff. Vgl. auch: Bildungspolitische Zwischenbilanz, hrsg. vom BMin. f. Bildung und Wissenschaft, 1976, S. 26 ff. — Zur finanzpolitischen Willensbildung in der Exekutive vgl. H. H. Wilhelmi, Entscheidungsprozesse in der staatlichen Bildungsfinanzierung, 1977.
47 48 49 50 51 52
Bund-Länder-Kommission (Fn. 46) S. 29. Bund-Länder-Kommission ( F n . 4 6 ) S. 35. Vgl. dazu Badura, in: 7. v. Münch, BesVwR, 5. Abschnitt III 2 b . Einzelheiten dazu im Teil „ D a s Verwaltungshandeln" unten § 12 112. N J W 1957, 1873, 1874. N J W 1965, 1226, 1227 (Automatenaufstellung in Spielhalle). 41
§ 3 15 rückte Alter nommen54.
Ingo von Münch des
Betroffenen53
als
5.
Anlaß
für
eine
Belehrungspflicht
ge-
Rechtsstaat
D e r Begriff des Rechtsstaates 5 5 , der in Art. 2 8 A b s . 1 G G ausdrücklich genannt wird und inhaltlich in zahlreichen anderen Bestimmungen des G G (ζ. B . in denjenigen über die Grundrechte und über die Rechtsprechung) Ausdruck gefunden hat, kann formell oder materiell verstanden werden. D e r formelle Rechtsstaatsbegriff bezeichnet einen Staat, in dem alle staatlichen Machtäußerungen anhand von Gesetzen meßbar sind; für den materiellen Rechtsstaatsbegriff ist wesentlich, daß der Staat auf die Idee der Gerechtigkeit bezogen i s t 5 6 . D e r Rechtsstaatsbegriff des G G umfaßt sowohl das formelle als auch das materielle Verständnis. D e r Rechtsstaatsgedanke steht dabei in engem Zusammenhang mit dem demokratischen und dem sozialstaatlichen. Zwischen Rechtsstaatsprinzip und Sozialstaatsprinzip besteht — entgegen der Ansicht von Forsthoff51 — kein unauflösbarer Widerspruch. Zwar kann nicht bestritten werden, daß der gewährende, versorgende, lenkende und planende Staat gleichzeitig ein nehmender Staat ist 5 8 , insbesondere wenn bei knappen Ressourcen Mangel zu verwalten i s t 5 9 , und daß die zunehmende Abhängigkeit von staatlichen Daseinsvorsorgeleistungen für den Bürger auch eine Freiheitsbedrohung darstellen k a n n 6 0 , v o r allem dann, wenn die Leistung dem Empfänger gegen seinen Willen aufgedrängt wird ( S t i c h w o r t : V o m Sozialstaat zum Wohlfahrtsstaat) 6 1 , und damit jede Eigeninitiative und Eigenverantwortung abgenommen wird (Stichworte: „Schicksal als einklagbarer R e c h t s a n s p r u c h " 6 2 ; „ D e r selbständige und der betreute M e n s c h " 6 3 ) . A b e r aus dieser Gefahr darf nicht gefolgert werden, daß Sozialstaatsgebot und Rechtsstaatsgebot
53 54
55
56 57 58
59 60 61 62 63
42
Buchholz 427.3 § 258 LAG Nr. 4. Aufkläfungs- und Beratungs- und Auskunftspflichten enthalten die §§ 13, 14, 15 des neuen Sozialgesetzbuches, dessen Allg. Teil im wesentlichen seit 1 . 1 . 1976 in Kraft ist (SGB-AT v. 11. 12. 1975, BGBl. I, 3015); vgl. auch § 25 VwVfG. Umfangreiche weitere Hinw. bei Laubinger in: Demokratie und Verwaltung (Fn. 9) S. 439, 455. — Vgl. auch den Teil „Das Verwaltungsverfahren" unten § 4 0 II 5. Vgl. die Hinw. bei Hesse, VerfR § 6 , F n . 2 ; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit II, 1973 S. 2 3 f . ; Leisner, JZ 1977, 537ff.; Schnapp, in: I. v. Münch, GGK I, Rdnr. 21 ff. zu Art. 20. Schnapp (Fn. 55) Rdnr. 22 zu Art. 20. W D S t R L 12 (1954), 19. Denninger, Sozialstaat, in: Görlitz (Hrsg.), Handlexikon der Rechtswissenschaft, 1972, S. 428. Zur Verwaltung des Mangels vgl. W. Berg, Der Staat 15 (1976), S. Iff. Wolff, VwR III, § 137 I b. Zum Begriff Wohlfahrtsstaat vgl. die Hinw. bei v. Münch, JZ 1960, 303 Fn. 3. Vgl. F. Werner, DVB1. 1959, 527ff. (530). Titel eines Buches von H. Schelsky, 1976.
Verwaltung und Verwaltungsrecht
§3
111
einander ausschließen. Notwendig ist vielmehr eine sorgfältige Abwägung im Einzelfall 64 , wo die Akzente stärker gesetzt werden müssen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Grundrechte — wie die Diskussion sog. sozialer Grundrechte (Leistungsgrundrechte; soziale Teilhaberechte) zeigt — „sozial aufgeladen" werden 65 . Die Einwirkungen des Rechtsstaatsgedankens auf das Verwaltungsrecht sind so vielfältig und zahlreich, daß sie hier nicht im einzelnen dargestellt werden können : Das System des deutschen Verwaltungsrechts ist vom liberalen bürgerlichen Rechtsstaat gezeugt und auch heute noch dadurch geprägt. Zu nennen sind hier insbesondere der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der in anderem Zusammenhang im einzelnen erörtert wird 66 , und der gerichtliche Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte. Mit der für den Bürger erstrebten Rechtssicherheit und Möglichkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes hängt, wie ebenfalls unten noch ausführlich dargestellt werden wird 6 7 , die zentrale Bedeutung des Begriffes des Verwaltungsakts im deutschen Verwaltungsrecht zusammen. Allerdings ist der Begriff des Verwaltungsakts später mehr und mehr ausgeweitet worden, was zu Erschrecken geführt hat: „Der wahrlich nicht verwöhnte Betrachter der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik, dem der Schrecken der Staatsrechtslehrertagung von 1971 noch immer in die Knochen fährt, so oft er an das Glückwunschtelegramm als Verwaltungsakt denkt . . , 6 8 ." Eine zentrale Bedeutung haben für das Verwaltungsrecht insbesondere auch die Bindung der Verwaltung an die Grundrechte (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG), die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und das Recht des Betroffenen auf Anhörung.
II. Bindung und Freiheit der Verwaltung 1. Gesetzmäßigkeit
der
Verwaltung
Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ist die Gesetzgebung (nur) „an die verfassungsmäßige Ordnung", die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind dagegen (auch) „an Gesetz und Recht" gebunden. Das darin enthaltene Prinzip. der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung enthält den Vorrang des Gesetzes (d. h. : das förmliche [= vom Parlament im formellen Gesetzgebungsverfahren beschlossene] Gesetz geht allen anderen Rechtsquellen vor, insbesondere also Rechtsverord64
65
66 67
68
H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 1973, S. 372. - Vgl. auch Schnapp (Fn. 55) Rdnr. 28, 29 zu Art. 20. Vgl. dazu BVerwGE 33, 303, 332ff. (numerus clausus-Urteil); W. Martens/ Haberle, W D S t R L 30 (1972), 7ff., 43 ff. m. w. Hinw. Im Teil „Die Quellen des Verwaltungsrechts" unten § 5 II. Im Teil „Das Verwaltungshandeln" unten § 1 1 1 . Renck, N J W 1974, 1550 (angespielt wird dabei auf eine Äußerung von Brohm, W D S t R L 30 (1972), S. 288 Anm. 190). 43
§3
II 1
Ingo von Münch
nungen, Verwaltungsanweisungen u. ä.) und den Vorbehalt des Gesetzes ( d . h . : Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers dürfen — weil dem Gesetzgeber vorbehalten — nur bei Vorliegen eines dazu ermächtigenden Gesetzes erfolgen). Geschichtliche Entwicklung und heutige Problematik des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung werden im Abschnitt „Die Quellen des Verwaltungsrechts" dargestellt69 und können daher hier unerörtert bleiben; an dieser Stelle sollen deshalb nur einige Hinweise vorgetragen werden, die sich auf das Verhältnis des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu Bindung und Freiheit der Verwaltung beziehen. Der Vorrang des Gesetzes bindet die Verwaltung insoweit, als sie keine Verwaltungshandlungen vornehmen darf, die geltendem Recht widersprechen. Umzäunt also das Gesetz den Raum, innerhalb dessen die Verwaltung sich bewegen kann, so bleibt der Verwaltung in der Praxis gleichwohl noch eine große Entscheidungsfreiheit, wie sie sich in diesem Raum bewegen will; denn trotz des Dranges des Gesetzgebers zu perfektionistischer Gesetzgebung sind weite Sachfelder nur lückenhaft von Gesetzesnormen bedeckt. Anders wäre die unübersehbare Fülle von Ministerialerlassen, Verwaltungsrichtlinien usw. nicht erklärlich. Der Vorbehalt des Gesetzes gilt nach h. L. auch heute noch nur für Eingriffe; der immer wichtiger werdende Bereich der LeistungsVerwaltung fällt also, soweit mit den Leistungen nicht in untrennbarer Wechselbeziehung Eingriffe verbunden sind, aus der Geltung des Vorbehalts des Gesetzes heraus 70 . Damit sind der (Leistungs-)Verwaltung vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten freigestellt. Auf die Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von Ermessensentscheidungen war bereits hingewiesen worden 71 . Für die Wahrung einer gewissen Gestaltungsfreiheit der Verwaltung ist schließlich auch nicht unwichtig, daß das Verhältnis von Parlament zu Verwaltung nicht als Feindverhältnis gedeutet werden kann. Die Überlastung des Parlaments und die Konzentration von Sachwissen und Informationen in den Ministerien führen dazu, daß die meisten Gesetzesvorlagen von der Bundesregierung und in den Landtagen von den Landesregierungen, also von der Spitze der Verwaltung, eingebracht werden; hier wirkt also die Verwaltung auf den Inhalt des im Parlament zu beratenden Gesetzes ein. Auch mag für die Belange der Verwaltung nicht ungut sein, daß in den Parlamenten Angehörige der öffentlichen Verwaltung zahlenmäßig stark vertreten sind; so gehören ζ. B. von den 110 Abgeordneten des im Jahre 1974 gewählten hessischen Landtages 67 dem öffentlichen Dienst an; die restlichen Abgeordneten verteilen sich auf 18 Angestellte, 16 Selbständige, 3 Bauern, 3 Arbeiter und 3 Hausfrauen. Von den 518 Abgeordneten des Bundestages sind 181 Beamte und 36 Angestellte des öffentlichen Dienstes 72 . 69
Unten § 5 II.
70
Vgl. dazu oben § 2 II 3. Oben § 1 III. Ausführliche Statistik in: Parlament aktuell (hrsg. vom Presse- und Informationszentrum des Deutschen Bundestages) 4 / 1 9 7 7 , S. 3 3 ; abgedr. auch in ZParl. 8 (1977), S. 196.
71 72
44
Verwaltung und Verwaltungsrecht 2. Verwaltung
§3 und
112
Grundrechte
Der Freiraum der Verwaltung geht jedoch nicht so weit, daß sie Grundrechte verletzen darf; dies wäre mit Art. 1 Abs. 3 GG unvereinbar. Die Gefahr, daß von seiten der Verwaltung Grundrechtsverletzungen begangen werden, ist besonders groß, größer jedenfalls als von Seiten des Parlaments und der Rechtsprechung. Die Ursache für diese erhöhte Gefahrenlage bei der Verwaltung liegt nicht darin, daß die Verwaltung weniger verfassungstreu ist, sondern zunächst ganz einfach in der viel größeren Zahl der Entscheidungen, die sie zu treffen hat, vor allem aber auch in dem viel stärkeren Zeitdruck, unter dem die Verwaltung steht: während im Parlament schon vor Einbringung einer Gesetzesvorlage monatelange, oft sogar jahrelange rechtliche Prüfungen in den beteiligten Ministerien stattfinden, sodann im Parlament selbst wiederum lange Erörterungen in Fachausschüssen, Anhörungen von Sachverständigen usw. erfolgen, und während die Rechtsprechung sich im nachhinein mit dem Fall beschäftigt („Am Mittwoch ist man klüger als am Montag"), dazu noch von den im Prozeß auftretenden Anwälten Argumente frei Haus geliefert bekommt, muß der einzelne Verwaltungsbeamte — ζ. B. im Polizeieinsatz — oft blitzschnell entscheiden, was zu tun ist. Grundrechte können jedoch nur dann verletzt werden, wenn ihre Geltung außer Frage steht. Im Zusammenhang mit dem Tätigwerden der Verwaltung stellen sich hierzu zwei Fragen, nämlich die nach der sog. Fiskalgeltung der Grundrechte und die nach der Geltung der Grundrechte im sog. besonderen Gewaltverhältnis. 1. Unter dem Stichwort „Fiskalgeltung der Grundrechte" ist die Frage zu verstehen, ob der Bürger sich gegenüber dem fiskalisch ( = in Form des Zivilrechts) handelnden Staat oder einer seiner Untergliederungen auf Grundrechte berufen kann 73 . Die Antwort ist im Verfassungsrecht, nicht im Verwaltungsrecht zu suchen; sie soll daher hier nur skizziert werden. Fiskalisches Handeln des Staates oder einer seiner Untergliederungen kommt — wie bereits bei der Erörterung der Arten der fiskalischen Verwaltung dargestellt wurde 74 — in drei Tätigkeitsarten vor: 1. bei der Anschaffung der für die Verwaltungstätigkeit notwendigen Sachgüter (sog. Hilfsgeschäfte der Verwaltung); 2. bei erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand; 3. bei Erfüllung ihrem Wesen nach öffentlicher Aufgaben in der Rechtsform des Privatrechts (sog. Verwaltungsprivatrecht). Die herrschende Lehre 75 verneint die Grundrechtsgeltung in bezug auf Hilfsgeschäfte der Verwaltung und in bezug auf die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der 73
74 75
Vgl. dazu unten Eruhsen/Martens, §31; Mallmann/Zeidler, WDStRL 19 (1961), 165ff., 208ff. Oben § 2 III 2. Badura, in: I. v. Münch, BesVwR, 5. Abschnitt III 2d; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgericlìtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976, S. 103 ff. ; Mallmann/Zeidler, WDStRL 19 (1961), 165ff., 208ff. ; Ossenbühl, DÖV 1971, 513ff.; Schnapp (Fn. 55) Rdnr. 40 zu Art. 20; Wolff/Bachof, VwR I, § 23 II a. 45
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öffentlichen Hand16. Zur Begründung kann angegeben werden, daß Art. 1 Abs. 3 GG zwar nicht zwischen öffentlich-rechtlich handelnder Verwaltung einerseits und fiskalisch handelnder Verwaltung andererseits unterscheidet, aber der Sinn des Art. 1 Abs. 3 GG und der Zusammenhang mit den dort genannten anderen Staatsgewalten (Gesetzgebung, Rechtsprechung) diese Unterscheidung erfordern. Gleichwohl ist die Verneinung der Grundrechtsgeltung in diesen Fällen nicht unproblematisch: Soll die öffentliche Hand, die in der Bundesrepublik im Bauwesen der größte Auftraggeber ist 77 , bei der Vergabe von Bauaufträgen Bewerber aus konfessionellen Gründen bevorzugen oder benachteiligen dürfen, weil es sich ja „nur" um ein Hilfsgeschäft der Verwaltung handelt? Oder kann die Bundesbahn bei der Verpachtung eines Zeitungskiosks — weil es dabei „nur" um erwerbswirtschaftliche Betätigung geht — die Mieter dazu verpflichten, Presseerzeugnisse einer bestimmten politischen Richtung nicht zu verkaufen78? Manches spricht dafür, zumindest eine Bindung an Art. 3 Abs. 3 GG anzunehmen79, eine Bindung, die sich bei der — von der Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG 80 , und der herrschenden Lehre allerdings abgelehnten — Ansicht von der unmittelbaren Geltung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr (sog. unmittelbare Drittwirkung)81 ohnehin ergibt. Bejaht wird dagegen auch von der herrschenden Lehre die Grundrechtsgeltung im Bereich des sog. Verwaltungsprivatrechts, d. h. dort, wo die Verwaltung Aufgaben, die ihrem Wesen nach (genuin) öffentliche sind, in der Form des Privatrechts erfüllt (fiskalisches Handeln im weiteren Sinne); so ζ. B. in dem vom BGH entschiedenen Bayerischen Siedlerfall (Verpachtung von Land an Flüchtlinge zum Zwecke ihrer Eingliederung)82. Hier kann der Staat nicht die „Flucht in das Privatrecht" 83 antreten und sich den Mantel des Zivilrechts anziehen, um sich der Bindung an die Grundrechte zu entziehen. Anderenfalls könnte die Verwaltung durch bloßen Kleidertausch den Art. 1 Abs. 3 GG aus dem Wege schieben; die Verwaltung würde dann — um ein plastisches Bild von Walter Jellinek zu gebrauchen — fiskalisch handeln „aus dem gleichen Grunde, weshalb ein Offizier unter Umständen lieber in Zivil als in Uniform ausgeht: um in der Bewegungsfreiheit weniger behindert zu sein" 84 . 76 77
78
79 80 81 82 83
84
46
Vgl. auch Β G H Z 36, 91 ff. (AOK-Gummistrumpf-Fall). Angaben über die Höhe der Aufträge von Bundesbahn und Bundespost bei Badura, in: I. v. Münch, BesVwR, 3. Aufl. 1972, S. 287 Fn. 194. Fall bei Ridder, Meinungsfreiheit, in: Neumann/Nipperdey /Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, II, 1954, S. 280 Fn. 125. Erichsen (Fn. 75) S. 103ff., 111. Vgl. BVerfGE 7, 198ff., 204f, (Lüth-Urteil) m. w. Hinw. BAG JZ 1955, 68 (KPD-Propaganda im Betrieb). B G H Z 29, 76ff. Vgl. auch BGHZ 33, 230ff. (233); B G H DÖV 1969, 861 f. Ausdruck von Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Auflage 1928, S. 326. — Vgl. auch Pestalozza, „Formenmißbrauch" des Staates, 1973. W. Jellinek, VwR, S. 25.
Verwaltung und Verwaltungsrecht
§3
112
2. Als „besonderes Gewaltverhältnis" bezeichnete Otto Mayer „die verschärfte Abhängigkeit, welche zugunsten eines bestimmten Zweckes öffentlicher Verwaltung begründet wird, für alle einzelnen, die in den vorgesehenen besonderen Zusammenhang treten" 8 5 . Als Beispiele nannte Otto Mayer insbesondere die „Dienstgewalt über die Beamten" und „die Anstaltsgewalt über alles, was in den Betrieb der öffentlichen Anstalt aufgenommen i s t " 8 6 . Das besondere Gewaltverhältnis mit seinen erhöhten Pflichten war als das Gegenstück zum (allgemeinen) Gewaltverhältnis gedacht, dieses wiederum als „die umfassende rechtliche Abhängigkeit . . ., in welcher der Untertan zum Staat s t e h t " 8 7 . Der Ausdruck „besonderes Gewaltverhältnis" ist von anderen Autoren durch andere Ausdrücke („SonderrechtsVerhältnis"; „gesteigertes Abhängigkeitsverhältnis"; „besonderes Pflichtverhältnis"; „Sonderstatus"; „personales Kontaktverhältnis") ersetzt worden; an der Sache — nämlich dem Merkmal einer besonders engen Bindung des Bürgers durch die staatliche Gewalt — änderte sich durch derlei Wortspiele nichts. Als Beispiele solcher Rechtsverhältnisse, in denen die Intensität der Bindung des Betroffenen über diejenige des allgemeinen Rechtsverhältnisses zwischen Bürger und Staat hinausgeht, werden Beamtenverhältnis, Wehrdienstverhältnis, Hochschulverhältnis, Schulverhältnis und Strafvollzugs Verhältnis genannt; dagegen gilt die bloße Anstaltsbenutzung (Bsp. Museumsbesuch; Postbenutzerverhältnis) entgegen Otto Mayers Ansicht heute nicht mehr als besonderes Gewaltverhältnis 8 8 , vor allem deshalb, weil bei der Anstaltsnutzung eine (wenn überhaupt) nur kurzzeitige Bindung des Benutzers eintritt. Die Konstruktion des besonderen Gewaltverhältnisses fand ihren Sinn darin, Grundrechtseinschränkungen im besonderen Gewaltverhältnis auch ohne Gesetz zu rechtfertigen und damit den Vorbehalt des Gesetzes beiseite zu räumen 8 9 . Die Rechtsgrundlage der Grundrechtseinschränkung wurde zunächst im Verzicht des Gewaltunterworfenen zwar nicht auf das betreffende Grundrecht selbst, wohl aber auf die Ausübung des Grundrechts gesehen („volenti non fit iniuria"). Die Problematik dieser gekünstelten Konstruktion führte dazu, daß man später eine gesetzliche Grundlage für die Grundrechtseinschränkung auch im besonderen Gewaltverhältnis forderte; jedoch wurde bei Fehlen seines solchen Gesetzes die Rechtsgrundlage der Grundrechtseinschränkung auch in der Verfassungsbestim85
86 87 88
89
O. Mayer, VwR I, S. 101. — Die Rspr. und Lit. zum besonderen Gewaltverhältnis ist inzwischen fast unübersehbar geworden. Vgl. ζ. B. aus der Rspr. BVerwGE 14, 21 ff. (Zölibatsklausel der saarländischen Bereitschaftspolizei); BVerwGE 21, 50ff. (Teilnahme eines Beamten an politischen Aktionen im Ausland); OLG Celle DVB1. 1961, 157f. (Eheschließung eines Zuchthausinsassen). Aus der Lit. vgl. Fuss, DÖV 1972, 765ff.; Herb. Krüger/Ule, W D S t R L 15 (1957), 109ff., 133f.; Erichsen, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 219ff. m. w. Hinw. O. Mayer, VwR I, S. 102. O. Mayer, VwR I, S. 107. Im Ergebnis ebenso — wenn auch mit anderer Begründung — Wolff/Bachof, VwR I, § 32 IV c 4. Vgl. zum folgenden die Darstellung der Entwicklung bei Erichsen (Fn. 85) S. 220 ff. 47
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Ingo von Münch
mung gesehen, die — wie z. B. Art. 7 Abs. 1 das Schulverhältnis und Art. 104 Abs. 1 und 2, Art. 74 Nr. 1 GG das Strafvollzugsverhältnis — das besondere Gewaltverhältnis institutionalisiert. Der Umfang der zulässigen Grundrechtseinschränkung war allerdings in mehrfacher Weise beschränkt : nicht jedes Grundrecht sollte im besonderen Gewaltverhältnis eingeschränkt werden können (ζ. B. nicht das Grundrecht der Menschenwürde — Art. 1 Abs. 1 G G ) , und auch die an sich im besonderen Gewaltverhältnis einschränkbaren Grundrechte sollten diese Einschränkungen nur insoweit erdulden müssen, als die Funktion (der Zweck) des in Rede stehenden besonderen Gewaltverhältnisses gerade diese Einschränkung notwendig macht90. Im Hinblick auf den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz wurde zwischen Grundverhältnis und Betriebsverhältnis unterschieden 91 . Maßnahmen, die das Grundverhältnis ( = den Status als solchen) des Gewaltunterworfenen betreffen (ζ. B. Verweis eines Schülers von der Schule [Relegation]), wurden als Verwaltungsakte qualifiziert und damit verwaltungsgerichtlich angreifbar gemacht, wohingegen nur das Betriebsverhältnis berührende Maßnahmen (ζ. B. Anordnung an einen Beamten, eine bestimmte Akte vorzulegen) als verwaltungsgerichtlich nicht anfechtbare innerdienstliche Weisungen qualifiziert wurden. Für generelle und abstrakte Regelungen der Verwaltung im besonderen Gewaltverhältnis wurde der Begriff „Sonderverordnungen" 9 2 empfohlen; ihr Erlaß gehöre nicht in den Vorbehaltsbereich des Gesetzgebers, da der Gesetzesvorbehalt nur auf die Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger im Staat-Bürger-Verhältnis gemünzt sei. Die Frage der Einschränkbarkeit von Grundrechten im besonderen Gewaltverhältnis ist nunmehr vom BVerfG für den Strafvollzug dahin beantwortet worden, daß auch die Grundrechte von Strafgefangenen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können 9 3 . Zur Begründung weist das BVerfG auf Art. 1 Abs. 3 GG hin und führt dazu aus: „Dieser umfassenden Bindung der staatlichen Gewalt widerspräche es, wenn im Strafvollzug die Grundrechte beliebig oder nach Ermessen eingeschränkt werden könnten. Eine Einschränkung kommt nur dann in Betracht, wenn sie zur Erreichung eines von der Wertordnung des Grundgesetzes gedeckten, gemeinschaftsbezogenen Zweckes unerläßlich ist und in den dafür verfassungsrechtlich vorgesehenen Formen geschieht". 9 4
90 91 92
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48
Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 32 IV c 3. Dazu auch unten § 11 II 5. Vgl. dazu E. W. Böckenförde ! Grawert, AöR 95 (1970), 1 ff. ; Enchsen (Fn. 85) S. 219ff.; Ossenbiihl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968; H. H. Rupp, JuS 1975, 609ff.; Weyreuther, DVB1. 1976, 853ff.; Wolff/Bachof VwR I, § 2 5 VIII. BVerfGE 33, Iff.; vgl. dazu Erichsen (Fn. 85) S. 238ff. m. w. Hinw.; Rupprecht, N J W 1972, 1345f.; Starck, JZ 1972, 360ff. BVerfGE 33, 1, 11. Der Gesetzgeber ist der Forderung des BVerfG mit dem StrafvollzugsG v. 16. 3. 1976 (BGBl. I S. 581) nunmehr nachgekommen; dazu Müller-Dietz, N J W 1976, 913 ff.
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Das B V e r f G scheint damit den Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses über B o r d geworfen zu haben. D e m B V e r f G schließt sich in immer stärkerem U m f a n g die übrige Rechtsprechung an. D e r Schwerpunkt liegt z. Z t . im S c h u l r e c h t 9 5 : „ D a s Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes verpflichten den Gesetzgeber, bei der Regelung des Schulverhältnisses die grundlegenden Entscheidungen selbst zu treffen und nicht dem Ermessen der V e r waltung zu ü b e r l a s s e n " 9 6 , d. h. der Gesetzgeber muß zwar nicht alle Einzelregelungen treffen, wohl aber die wesentlichen Entscheidungen (sog. Wesentlichkeitstheorie) 9 7 . F ü r die Entbehrlichkeit des Begriffes sprach in der T a t von Anfang an, daß voneinander sehr verschiedene Rechtsverhältnisse (ζ. B . das B e a m t e n verhältnis einerseits — das Strafvollzugsverhältnis andererseits) unter ein Begriffsdach gezwängt wurden. A b e r es läßt sich auch nicht bestreiten, daß zumindest einige dieser Rechtsverhältnisse — so jedenfalls das Strafvollzugs Verhältnis, das Wehrdienstverhältnis und das Beamtenverhältnis — durch eine besonders starke Pflichtenbindung charakterisiert sind; Beispiele hierfür bilden § 16 S o l d a t e n G , der dem im Ausland befindlichen Soldaten „jede Einmischung in die Angelegenheiten des Aufenthaltsstaates versagt", und § 54 S. 3 B B G , w o n a c h das Verhalten des Beamten „innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden (muß), die sein B e r u f e r f o r d e r t " . Vermag nach der Ansicht des B V e r f G der Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses per se keine Grundrechtseinschränkungen m e h r zu rechtfertigen, so bleibt der Begriff als Kategorie für einige, bestimmte rechtliche Gemeinsamkeiten aufweisende Rechtsverhältnisse brauchbar. Die N a c h r u f e , welche die herrschende L e h r e auf das besondere Gewaltverhältnis v e r f a ß t 9 8 , treffen deshalb nur einen Scheintoten.
3. Politische
oder unpolitische
Verwaltung
In bezug auf die Verwaltung werden ihre Politisierung und Entpolitisierung beklagt.
95 96
97
98
Zu diesem Rechtsgebiet allgemein: Oppermann, Gutachten C zum 51. DJT, 1976. BVerwG NJW 1975, 1182 (5-Tage-Woche an Hmb. Schulen); ebenso im Vorlagebeschluß beziigl. des Sexualkunde-Unterrichts an Hmb. Schulen, NJW 1975, 1180 (vgl. dazu BVerfG NJW 1975, 1879); vgl. zu den Entsch. des BVerwG Erichsen, VerwArch. 67 (1976), S. 93ff. - Für die Schulverweisung: OVG Münster JZ 1976, 273 ff. m. zust. Anm. E vers; für die Versetzung: VGH Mannheim NJW 1976, 869; VG Freiburg NJW 1976, 865; für die sog. Schrägversetzung: VG Schleswig NJW 1976, 989; für den Ausschluß von einer Einrichtung des zweiten Bildungsweges BVerfG JZ 1976, 363ff. m. Anm. Dietze S. 367ff. Zur Wesentlichkeitstheorie vgl. BVerfG NJW 1977, 1723f., 1724 (Reform der gymnasialen Oberstufe); Kisker, NJW 1977, 1313f., 1317; BVerfG NJW 1977, 2349, 2352 (hbg. EnteignungsG). So z. B. Erichsen (Fn. 85) S. 236; Fuss (Fn. 85) S. 765. 49
4
Allgemeines Verwaltungsrecht
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Ingo von Münch
Die Politisierung (genau gesagt: Partei-Politisierung) wird unter dem Stich wort Ämterpatronage im öffentlichen Dienst getadelt, weil dadurch „das Beamtentum in zunehmendem Maße zur Unterbringung von Exponenten politischer oder sozialer Machtgruppen ohne entsprechende Eignung und Befähigung mißbraucht wird" 9 9 . Auch der Einfluß der Verbände100 auf die Verwaltung wird kritisch betrachtet 101 . Schließlich wird die Ursache einer unmittelbaren Politisierung der Verwaltung auch in Öffentlichkeitsaktionen gesehen, deren begriffliches Merkmal allein die Erzeugung von Druck ist, „vor allem durch Mobilisierung der öffentlichen Meinung oder durch systemverweigernde Gegenmacht" 1 0 2 . Die eine Entpolitisierung der Verwaltung bedauernde Ansicht geht von einem anderen Ansatz aus, nämlich von der Entwicklung des gefahrenabwehrenden Staates zum „Wohlfahrtsstaat", der nur durch den Verwaltungsstaat verwirklicht werden könne; für den Verwaltungsstaat sei charakteristisch „der bürokratische Charakter mit seiner Entpersönlichung des Amtes, seiner subtilen und festen Zuständigkeitsordnung und seiner Gleichförmigkeit und Neutralität der Aufgabenerfüllung" 1 0 3 ; diese Entwicklung berge die Gefahr in sich, „daß die Verwaltung apparathaft zu einer entpolitisierten, scheinbar nur an Sachgesetzlichkeiten orientierten Technokratie entartet . . . Die technokratische Entartung der Bürokratie bedeutet . . . die Entpolitisierung der Verwaltung, ihre Ausklammerung aus dem politischen Integrationsprozeß, wodurch sie sich der politischen Kontrolle durch das parlamentarische Regierungssystem entzieht und sich von den gesellschaftlichen Bedürfnissen isoliert" 104 . Wie ist die Frage „politische oder unpolitische Verwaltung" zu beantworten? 1 0 5 Zutreffend hat Luhmann festgestellt, daß es selbstverständlich ist, „daß öffentliche Verwaltung als Teil des politischen Systems immer politische Verwaltung ist" 1 0 6 . Jedoch stellt sich die Frage, wieweit die Verwaltung parteipolitische Erwägungen in ihre Entscheidungen einfließen lassen darf. Das BBG und die Beamtengesetze der Länder 1 0 7 gebieten dem Beamten — wie schon Art. 130 Abs. 1 WRV —, daß er „dem ganzen Volke dient, nicht einer Partei"; diese beamtenrechtliche Pflicht zieht die Folgerung aus dem in Art. 3 Abs. 3 G G ausgesprochenen Verbot der Benachteiligung oder Bevorzugung wegen politischer Anschauungen. Aus dem
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Grabendorff, D Ö V 1953, 723; weitere Hinw. bei v. Münch, in: I. v. Münch, BesVwR, 1. Abschnitt II 2 c. 100 Vgl. Eschenburg, Herrschaft der Verbände? 2. Aufl. 1963; E.-W. Böckenförde, Der Staat 15 (1976), S. 457 ff. 101 Weitere Hinw. bei Evers, Der Staat 3 (1964), 41 ff., der selbst jedoch eine differenzierende Ansicht vertritt. 102 Bartlsperger, D Ö V 1974, 811 (II N r . 5). 103 Badura, D Ö V 1968, 450. 104 Badura, D Ö V 1968, 450. 105 Vgl. auch Lecheler, D Ö V 1974, 444f.; Ψ. Schmidt, D Ö V 1974, 810 (811). 106 Luhmann, in: Demokratie und Verwaltung (Fn. 9) S. 219. 107 Vgl. die Hinw. bei v. Münch, in: I. v. Münch, BesVwR, 1. Abschnitt III 4 b bb. 50
Verwaltung und Verwaltungsrecht
§3
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parlamentarisch-demokratischen Regierungssystem folgt aber auch, daß die Anliegen der durch die Wahlentscheidung des Volkes legitimierten Partei durch am Allgemeinwohl orientierte Gesetze und Erlasse durchgesetzt werden können 108 . An Weisungen des zuständigen Fachministers als Spitze der Verwaltung ist der Beamte gebunden, allerdings nur, wenn das Gesetz selbst eine Sachfrage nicht abschließend regelt; denn der Beamte ist — ebenso wie der Minister — aufgrund des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes an das (verfassungsmäßige) Gesetz gebunden. Der Beamte darf deshalb nur diejenigen politischen Ziele des Gesetzes verfolgen, die im Gesetz Ausdruck gefunden haben, er darf nicht seinerseits weitere politische Ziele hinzufügen und muß auch die politischen Gedanken des Gesetzes zu Ende denken 109 . Zutreffend hat das BVerfG darauf hingewiesen, daß das Berufsbeamtentum nur in dieser strengen Bindung an das verfassungsgemäße Gesetz die ihm obliegende Funktion erfüllen kann, „eine stabile Verwaltung zu sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften zu bilden" 110 . Dort, wo die Verwaltung massenhaft Entscheidungen treffen muß, wie im Bereich der Leistungsverwaltung, wird die Zahl der Vorgänge in der Tat die Bearbeitung entpersönlichen und — wenn politisches Handeln als Wählen zwischen mehreren Möglichkeiten zu verstehen ist — auch entpolitisieren. Jedoch ist der Massenanfall von Vorgängen im Bereich der Leistungsverwaltung die Konsequenz des Sozialstaatsgebotes, die mit dem Klagelied über Entpolitisierung der Verwaltung nicht relativiert werden sollte. Was schließlich das Verhältnis der Verwaltung zu Öffentlichkeitsaktionen betrifft, so hat Luhmann das gewandelte Verhältnis Verwaltung — Publikum richtig gesehen: „In dem Maße, als die Verwaltung nicht nur ein Selbstdarstellungszeremoniell praktiziert und nicht nur Sicherheit und Ordnung (also gegen einzelne im Namen aller anderen leicht durchsetzbare Ziele) garantiert, sondern gesellschaftliche Effekte zu bewirken sucht, wird sie abhängig von kooperativen Beiträgen ihres Publikums, die sich nicht ohne weiteres zentral (etwa rechtsförmig oder haushaltsmäßig) garantieren lassen" 111 . Und: „Der Erfolg des politischen Systems und seiner Verwaltung kann nicht mehr allein auf unabhängig einsetzbaren Arbeitsmitteln wie Zwangsgewalt, Entscheidungskompetenzen oder Geld beruhen. Daher drängen sich tauschförmige, kompromißhafte, auf Verständigungen mit maßgebenden Kreisen basierende Umweltsbeziehungen auf. Diese Erfordernisse prägen vor allem den politisch-administrativen Stil lokaler Verwaltungen . . , 1 1 2 ". ios Vgl. Frowein, Die politische Betätigung der Beamten, 1967, S. 14; v. Münch, 1. v. Münch, BesVwR, 1. Abschnitt III 4 b bb. 109
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Scheuner, Die politischen Pflichten und Rechte des deutschen Beamten, in: F. Gärtner (Hrsg.) Dt. Berufsbeamtentum 4 (1962), 19ff., 26. BVerfGE 8, 1, 16 (Beamtenbesoldung). Kritisch dazu F. Schäfer, 48. DJT, II, O 18. Luhmann (Fn. 9) S. 226. Luhmann (Fn. 9) S. 227. Zur Problematik der politischen Verwaltung allgemein vgl. auch Grauhan, Modelle politischer Verwaltungsführung, 1969.
Ingo von Münch § 4
ö f f e n t l i c h e Verwaltung im technischen Zeitalter I. Automation Im Jahre 1959 veröffentlichte Karl Zeidler eine Schrift mit dem Titel „Über die Technisierung der Verwaltung", in welcher er Rechtsfragen der Ersetzung menschlicher Tätigkeit durch die Verwendung von Maschinen untersuchte. Seitdem ist dieses Thema in zahlreichen Arbeiten erörtert worden 1 . Die Rechtsprobleme ergeben sich dabei offensichtlich nicht aus der Verwendung solcher Maschinen, die eine manuelle Tätigkeit nur erleichtern oder beschleunigen (Bsp.: Schreibmaschine, Photokopieapparat usw.), sondern aus der Verwendung von Automaten, d. h. selbsttätigen Systemen, die unabhängig von äußeren steuernden Eingriffen funktionieren, also von Maschinen, die Menschen ersetzen. Beispiele hierfür sind Computer, die Telefonrechnungen, Steuerbescheide, Wohngeldbescheide2, Rentenberechnungen usw. herstellen, und Verkehrsampeln. Eine Rechtsfrage, die sich hier stellt, ist ζ. B. ob jene Computerbescheide Verwaltungsakte sind oder eine besondere Rechtskategorie der sog. „Verwaltungsfabrikate" bilden. Die h. L. bejaht heute zu Recht die Verwaltungsakteigenschaft3; die Tatsache, daß damit ζ. B. ein dreijähriges geisteskrankes Kind oder ein Volltrunkener durch Druck auf den Ampelknopf an einem Fußgängerüberweg einen Verwaltungsakt setzt, darf dabei nicht verwundern. Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach den rechtlichen Auswirkungen der Technisierung der Verwaltung auf das System der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen4, also ζ. B. die Frage der Haftung bei sog. Ampelunfällen (infolge eines technischen Versagens zeigt eine Verkehrsampel nach allen Seiten grün). Der B G H 5 hat einen Ersatzanspruch des Geschädigten verneint, weil es an einer Anspruchsgrundlage fehle; de lege ferenda befürwortet der B G H für diese Fälle eine gesetzliche Einführung einer öffentlich-rechtlichen Gefährdungshaftung6. Die Verwendung von Automaten in der Verwaltung hat schließlich auch dazu geführt, daß angebliche Grundrechtsverletzungen gerügt wurden. So ist ζ. B. die 1
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Vgl. die Hinw. im Teil „Das Verwaltungsverfahren" unten § 4 1 II 2 ; zur Automatisierung der Verwaltung vgl. neuestens H. Popper, DVB1. 1977, 509ff., sowie Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, Zürich 1977. Zur Berichtigung von computergefertigten Wohngeldbescheiden vgl. BVerwG NJW 1976, 337; zum Computer-Bußgeldbescheid: L G Frankfurt a. M. N J W 1976, 1906. Dazu Näheres im Teil „Das Verwaltungshandeln" unten § 11 II 1 und im Teil „Das Verwaltungsverfahren" unten § 41 II 2. Dazu J. Schöning, Rechtliche Auswirkungen der Technisierung der Verwaltung auf das System der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen. Diss. Bochum 1973; vgl. auch den Teil „Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen", unten § 52 III 2. B G H Z 54, 332ff. ; kritisch dazu H. P. Bull, DÖV 1971, 305ff. - Stichwort: „Ampelunfälle als Schicksalsschläge?". Vgl. dazu auch die Hinw. bei Schöning (Fn. 4) S. 149 Fn. 384.
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II
Pflicht zur Befolgung der Zeichen von Verkehrsampeln als mit der Würde des Menschen unvereinbar bezeichnet worden, da die „Übertragung von Befehlsgewalt an einen Roboter" einer Sache Gewalt über den Menschen gebe und der Selbstverantwortlichkeit des Menschen widerspreche 7 . Der Gebrauch der U m schreibung „ o e " statt „ ö " in einer vom Computer hergestellten Fernsprechrechnung veranlaßte den Empfänger der Rechnung, die Verletzung seines Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu rügen 8 . In beiden Fällen liegt keine Grundrechtsverletzung vor. I I . Datenverarbeitung Eine besondere Form der Automation ist die elektronische Datenverarbeitung ( E D V ) 9 ; ihre wichtigsten Anwendungsgebiete 1 0 sind in der Bundesverwaltung die Berechnung und Zahlung von Bezügen der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, der Rentenrechnungsdienst, der Postscheckdienst, wissenschaftliche Berechnungen, Statistik und Ausländerzentralregister. Im Aufbau befindlich sind eine Verkehrsdatenbank, eine Statistische Datenbank, ein allgemeines kriminalpolizeiliches Informations- und Auskunftssystem sowie ein „allgemeines arbeitsteiliges Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland"; letzteres soll „möglichst lückenlos die notwendigen Informationen aus verschiedenen Datenbanken bereitstellen können und grundsätzlich allen Beteiligten zur Verfügung stehen" 1 1 . Am B S G ist eine „Sozialrechtsdatenbank" eingerichtet, deren Anschlüsse an die ersten Benutzer übergeben worden sind; es handelt sich dabei um einen ersten Schritt auf dem Weg zur Einrichtung eines juristischen Informationssystems ( J U R I S ) , das die sog. „Informationskrise auf dem Gebiet des R e c h t s " 1 2 beheben soll, unter Einsatz der E D V 1 3 . Hier — wie auch im Bereich der Datenverarbeitung in den einzelnen Bundesländern — ergeben sich ganz neue Probleme, nämlich in bezug auf das Zugangsrecht, die Kontrolle und den Datenschutz 1 4 . Weitere Einzelheiten zur Datenverarbeitung werden im Abschnitt „Das Verwaltungsverfahren" dargestellt 1 5 . Schreiter, DÖV 1956, 692ff. BVerwGE 31, 238 ff. 9 Vgl. dazu Eberle, Organisation der automatisierten Datenverarbeitung in der öffentlichen Verwaltung. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung organisationsrechtlicher Fragen, 1976. 1 0 Vgl. Schöning (Fn. 4) S. 16. » BT-Drucks. VI/648 S. 13. 12 Vgl. dazu Nodier, JZ 1977, 296ff. 13 Vgl. Baiser, DVBl. 1976, 24ff. (Bericht). 14 Vgl. dazu Bundesdatenschutzgesetz vom 27. 1. 1977 (BGBl. I, S. 201); dazu Kröger, DÖV 1977, 301 ff. ; Simitis, NJW 1977, 729ff.; hess. Datenschutzgesetz vom 7. 10. 1970 i. d. F. vom 4.11.1974 (GVBl. S. 361); rheinl.-pfälz. Landesdatenschutzgesetz vom 24. 1. 1974 i. d. F. vom 24. 2. 1975 (GVBl. S. 84). 15 Unten § 41 II 2. 7 8
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ZWEITER TEIL
Die Quellen des Verwaltungsrechts von Fritz Ossenbiihl §5 Verwaltung und Recht I. B e d e u t u n g des Rechts f ü r die V e r w a l t u n g
Die Bedeutung des Rechts für die Verwaltung bleibt den meisten Studenten mangels Kenntnis der Verwaltungspraxis verschlossen. Das hat seinen Grund in der juristischen Sichtweise, die sie im Zivil- und Strafrecht erfahren und mit der sie auch an das Verwaltungsrecht herangehen. Das Recht erscheint als ein Reservoir von Konfliktregelungen, denen der urteilende Richter seine Maßstäbe für die Entscheidung des ihm unterbreiteten Falles entnimmt. Auch im Verwaltungsrecht ist es — leider — weithin üblich, das Verwaltungshandeln ausschließlich aus der Perspektive des entscheidenden Richters und damit der Prozeßsituation zu betrachten. Mit diesem Prozeßdenken sind Fehlvorstellungen und Verzerrungen verbunden, die sich bei dem Betrachter der Verwaltung und des Verwaltungsrechts einstellen. Der verwaltungsprozessuale Aspekt bringt immer nur die sog. „Pathologie der Verwaltung" (Werner Weber) zum Vorschein. Das Bild der Verwaltung wird vom Ausnahmefall geprägt. Verwaltung erscheint im wesentlichen als Gesetzesvollzug. Es entsteht das Trugbild einer Verwaltung, die — gewissermaßen eingeklemmt zwischen erster und dritter Gewalt — die Entscheidungen des Parlaments vollstreckt und durch die Gerichte hierbei kontrolliert wird. Verdeckt bleibt bei dieser Sichtweise, daß die Verwaltung in großem Stile auch ohne besondere gesetzliche Vorschriften ständig Werte für das Gemeinwesen schafft und damit unmittelbar dem Gemeinwohl dient und die Staatszwecke in gleicher Weise wie die Legislative eigengestaltend verwirklicht1. Das gilt namentlich für den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung, die einen großen Teil jener Aufgaben zu bewältigen hat, die der Daseinsfürsorge und Daseinsvorsorge der Bürger dienen (z.B. Verkehrs- und Versorgungsbetriebe, Badeanstalten, Krankenhäuser, Schulen, Altersheime, Sportplätze, Grünflächen, Parkanlagen, Theater, 1
Hierauf hat namentlich Hans Peters (Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 5 f . ; in: Festschrift für Wilhelm Laforet, 1952, S. 19ff. ; Die Wandlungen der öffentlichen Verwaltung in der neuesten Zeit, 1954) unermüdlich hingewiesen. 55
Fritz Ossenbiihl
Museen usw.). — Unberücksichtigt bleibt ferner jener weite und praktisch bedeutsame Bereich, in dem die Verwaltung vom Parlament nur grobe Zielweisungen etwa in Gestalt von Vermerken im jährlich zu erlassenden Haushaltsgesetz empfängt, im übrigen aber nach selbstbestimmtem Verteilungsschlüssel Milliardenbeträge an Subventionen ausschüttet, sei es im Interesse sektoraler oder territorialer Wirtschaftspolitik, sei es im Interesse der Unterstützung hilfsbedürftiger Bevölkerungsgruppen. Hinzu tritt der in jüngster Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnende Bereich der Planung, der in der Regie der Exekutive liegt und auf weiten Strecken gesetzlicher Vorschriften oder Richtschnuren entbehrt. — Schließlich darf die Gleichung : Verwaltung = Gesetzesvollzug selbst dort, wo der Gesetzgeber Sonderbereiche gesetzlich durchnormiert hat (wie etwa im Polizei- und Ordnungsrecht, im Sozialhilferecht oder im Ausländerrecht), nicht zu der Annahme verleiten, das Verwaltungshandeln sei rechtlich vollständig determiniert und auf die Realisierung eines vorgegebenen, fremden, nämlich des parlamentarischen Willens beschränkt. Vielmehr sind auch in den gesetzlich durchnormierten Bereichen in unterschiedlicher Dosierung Räume administrativer Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit offengehalten, die sich bei unbestimmten Rechtsbegriffen rechtsdogmatisch als Beurteilungsspielräume, bei der Rechtsfolgebestimmung (Verwaltungsermessen) als administrative Wahlfreiheit oder im Planungsbereich als „Planungsermessen" der Verwaltung niederschlagen 2 . Zielweisungsgehalt und Bindungsdichte der Gesetze sind also in vielfacher Weise abgestuft 3 . Verwaltung erschöpft sich keineswegs im Gesetzesvollzug. Vielmehr läßt sich die Bedeutung des Gesetzes für die Verwaltung in dreifacher Richtung bestimmen 4 : 1. Das Gesetz gibt der Verwaltung den Auftrag, in Recht transformierte politische Ziele zu verwirklichen. Dabei können sowohl die Zieldirektiven wie auch die vorgesehenen Mittel in ganz unterschiedlicher Weise konkretisiert sein. 2. Das Gesetz schafft im Rahmen des sog. Gesetzesvorbehalts die rechtliche Grundlage für administrative Eingriffe in den Rechtskreis des Bürgers (Eingriffsermächtigung). Belastungen des Bürgers bedürfen im demokratischen Rechtsstaat des Parlamentsbeschlusses in Gestalt des förmlichen, d. h. verfassungsmäßig zustandegekommenen Gesetzes. Es bildet — in der Terminologie des Zivilrechts gesprochen — die Anspruchsgrundlage im Verhältnis zwischen Hoheitsträger und Bürger. 3. Das Gesetz zieht der Verwaltung Schranken, soweit sie im gesetzesfreien oder gesetzlich nicht abschließend normierten Raum eigene Zwecksetzungen trifft oder mit selbstgewählten Mitteln ihre Ziele verfolgt. Von hier aus gesehen tritt der Verwaltungsbeamte im Bereich frei gestaltender Verwaltung 5 aus einer anderen Perspektive dem Recht gegenüber als der Richter. Für den Richter liefert das Recht 2
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Vgl. unten § 12 I. Vgl. zum Problem: Herzog,
W D S t R L 24 (1966), 190ff.
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Vgl. Scheuner, DÖV 1969, 585.
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Vgl. zum Begriff: Ossenbühl,
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Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 315.
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II
Entscheidungsmaßstäbe, mit deren Hilfe ein Konfliktsfall gelöst werden soll. Der Verwaltungsbeamte trifft im gestaltenden Bereich nicht nur Konfliktentscheidungen, sondern er realisiert im Interesse des Gemeinwohls ins Auge gefaßte Projekte; er fragt danach, ob und wie ein Projekt im Einklang mit der Rechtsordnung verwirklicht werden kann. Wenn beispielsweise die Pflege des „guten Films" als öffentliches Bedürfnis empfunden wird, hat die Gemeinde zu überlegen, ob sie etwa ein kommunales Kino einrichten darf, in welcher Rechtsform dies ggf. geschehen soll, welche Eintrittspreise erhoben werden dürfen etc. 6 . II. Gesetzmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Verwaltung Die Bedeutung des Gesetzes für die Verwaltung und die damit verbundene Beziehung zwischen Gesetzgebung und Verwaltung findet ihren Ausdruck in dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) 7 . Inhalt und Tragweite dieses Prinzips sind in der Theorie nach wie vor umstritten, bereiten jedoch der Praxis keine nennenswerten Schwierigkeiten mehr. Das Gesetzmäßigkeitsprinzip enthält zwei Ausprägungen : den Vorrang und den Vorbehalt des Gesetzes. Der Gesetzesvorrang ist unproblematisch. Er bringt die Überlegenheit des förmlichen Gesetzes gegenüber allen abgeleiteten Rechtsquellen zum Ausdruck und bestimmt, daß die Verwaltung nicht gegen das Gesetz verstoßen darf. Dagegen ist mit dem Begriff „Vorbehalt des Gesetzes" die grundlegende und schwierige Frage aufgeworfen, welche Sachentscheidungen und Sachbereiche dem Parlament zur alleinigen Entscheidung per Gesetz verfassungsrechtlich „vorbehalten" sind, anders gesagt : ob und gegebenenfalls welche Sachbereiche die Verwaltung selbständig, d.h. ohne parlamentarisches Gesetz, ordnen kann. Die Problematik des Gesetzesvorbehalts in ihrer gegenwärtigen Gestalt erschließt sich nur demjenigen, der bereit ist, einige Grundtatsachen der neueren deutschen Verfassungsentwicklung zur Kenntnis zu nehmen. Dazu sind hier nur einige skizzierende Bemerkungen möglich8. — Das Vorbehaltsproblem als Kompetenzproblem konnte historisch erst in dem Augenblick auftreten, in dem die im Absolutismus in der Hand des Landesherrn monopolisierte Staatsgewalt auf verschiedene Gewaltenträger aufgeteilt wurde. Eine solche Auflösung des landesherrlichen Gewaltmonopols war das Ziel und Ergebnis der liberalen Verfassungsbewegung in Deutschland. Die konstitutionellen Bestrebungen richteten sich jedoch nicht auf Mitgestaltung der Staatsordnung, sondern auf eine Kontrolle der herkömmlicherweise dem Landesherrn zukommenden Staatsgewalt und damit auf eine Sicherung Weiterer aktueller Fall: Kommunale Wohnungsvermittlung ; dazu z . B . Rocke, DVB1. 1973, 398 ff. 7 Die Literatur zu diesem Thema ist kaum mehr überschaubar. Neuere Gesamtdarstellungen: Selmer, JuS 1968, 4 8 9 ; Ossenbübl (Fn. 5) S. 2 0 8 - 2 4 9 ; Walter Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975. Aus dem älteren Schrifttum ist nachdrücklich zu empfehlen die Lektüre von Riebard Thoma, in: HdbDStR II, S. 221—236. * Ausführlicher und mit Nachweisen: Selmer, JuS 1968, 489, 4 9 0 ; ferner V G H Kassel DVB1. 1963, 443. 6
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der Individualsphäre. Diese Individualsphäre der bürgerlichen Gesellschaft konstituierte sich durch persönliche Freiheit und Privateigentum. In diese R e c h t e sollte die Exekutivgewalt, verkörpert durch den M o n a r c h e n , künftig nur n o c h und erst eingreifen k ö n n e n , wenn und soweit die betroffene bürgerliche Gesellschaft über ihr Repräsentationsorgan, nämlich das Parlament, ihr Placet erteilte. Diese Legitimation der Exekutive z u m Eingriff wurde in der F o r m des Gesetzes abgegeben. Daraus ergibt sich, daß in dem politischen Antagonismus zwischen M o n a r c h und B ü r g e r t u m , der sich verfassungsrechtlich in dem G e g e n ü b e r von Exekutive und Parlament ausdrückte, das „ G e s e t z " lediglich die Chiffre für die G r e n z z i e h u n g zweier Machtsphären darstellt. U m f a n g und Inhalt des Gesetzesbegriffs bestimmten das M a ß der Machtbeschränkung des M o n a r c h e n , positiv gewendet: das M a ß der Mitbestimmung des Bürgertums. D e r Gesetzesbegriff war damit als K o m petenzbegriff nur ein „juristischer P r o b l e m a u s d r u c k " für die sich dahinter verbergende realpolitische Rivalität zwischen M o n a r c h und Parlament 9 . Entsprechend der politischen Zielsetzung der liberalen Verfassungsbewegung waren der Regelung durch Gesetz n u r solche Anordnungen „ v o r b e h a l t e n " , die in die Individualsphäre des Bürgers, d . h . in „Freiheit und E i g e n t u m " eingriffen. D a m i t erwies sich der „ G e s e t z e s v o r b e h a l t " als „ E i n g r i f f s v o r b e h a l t " und hatte als solcher seine politische Stoßrichtung und verfassungsrechtliche Sicherungswirkung gegenüber der Exekutive. Zugleich leuchtet unmittelbar ein, daß der Gesetzesbegriff ursprünglich als R e g e lung, die in Freiheit und Eigentum eingreift, definiert wurde. Jenseits des Sachbereichs „Freiheit und E i g e n t u m " blieb die gesetzesunabhängige Exekutivgewalt erhalten. Relikte solcher v o m Gesetz nicht geregelter R ä u m e reichen bis in die G e g e n w a r t , weichen aber einem allmählichen A b b a u ( S t i c h w o r t : B e s o n d e r e Gewaltverhältnisse) 1 0 . „ G e s e t z e s v o r b e h a l t " und „ G e s e t z e s b e g r i f f " sind also in eine bestimmte historische E p o c h e verstrickt, anders gesagt: auf eine bestimmte politische Konstellation und Verfassungsstruktur hin definiert; damit als historisch-konventionelle Begriffe gekennzeichnet. E s lag deshalb auf der H a n d , nach dem grundlegenden Wandel der Verfassungsstrukturen (Wegfall der konstitutionellen M o n a r c h i e , Begründung des demokratischen Rechtsstaates) auch „ G e s e t z e s v o r b e h a l t " und „ G e s e t z e s b e g r i f f " neu zu orientieren. Solche Versuche liegen v o r 1 1 . D i e radikalste 9
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Vgl. Ernst-Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. II, 1960, S. 16ff. Aus gegenwärtiger Sicht geht es um die Kompetenzabgrenzung zwischen Parlament und Regierung, wofür die neuere Diskussion um den Gesetzesvorbehalt im Schulrecht beispielhaft ist; dazu Oppermann, Gutachten C zum 51. Deutschen Juristentag, 1976, S. 44 ff. ; Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Probleme der Kooperativen Schule, 1977, S. 21 ff. Vgl. z . B . BVerfGE 33, 1 = NJW 1972,811 (Strafvollzugsgesetz); BVerwGE 47,194 (Sexualerziehung). Hervorzuheben sind: Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. unveränd. Aufl. 1968; Imboden, Das Gesetz als Garantie rechtsstaatlicher Verwaltung, 2. Auflage 1962; Kupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 135.
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Form in Gestalt eines „Totalvorbehalts", d . h . einer durchgehenden, umfassenden Gesetzesabhängigkeit der Verwaltung wird allerdings von niemandem konsequent vertreten. Ein solcher „Totalvorbehalt" wäre auch von den praktischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten her gesehen pure Utopie. Allerdings liegen beachtliche Konzeptionen vor, die mit unterschiedlichen Gründen, einerseits mit Hilfe des Demokratiegebotes 1 2 , andererseits auf der Grundlage des Rechtsstaatsprinzips 1 3 , einen das gesamte unmittelbar bürgergerichtete Verwaltungshandeln umfassenden Gesetzesvorbehalt fordern. Solche Theorien erscheinen unter dem Aspekt des Wandels der Verfassungsstrukturen und der politischen Realien folgerichtig und einleuchtend, haben sich aber in ihrer Tendenz zur Subalternisierung der Exekutive aus vielen Gründen nicht durchsetzen können. Richtig ist an der Argumentation aus dem demokratischen Prinzip, daß die Exekutive mit dem Wegfall der Monarchie — jedenfalls verfassungsrechtlich — ihre Führungsrolle im Staat verloren hat, und daß das Parlament, das früher nur als „beschränkendes Element" 1 4 der monarchischen Gewalt fungierte, zum obersten Staatsorgan avanciert ist. Indessen vermag diese Spitzenstellung des Parlaments wohl den Vorrang parlamentarischer Willensakte gegenüber exekutiven Entscheidungen zu begründen, nicht aber Anhaltspunkte für einen totalen Gesetzesworbehalt zu liefern. Daß überdies in unserem Verfassungssystem auch die Exekutive auf eine eigene demokratische Legitimation verweisen kann, wird oft übersehen 1 5 . — Ein anderer Begründungsversuch setzt bei der inhaltlichen Veränderung des Freiheitsbegriffs an 1 6 . In der liberalen Epoche habe der Freiheitsbegriff eine autonome Eigensphäre des einzelnen bezeichnet, in die der Staat nur durch Gesetz eindringen konnte. An die Stelle der autonomen Eigensphäre, eines selbstbeherrschten und auch als beherrschbar gedachten Lebensraumes, sei die völlige soziale Abhängigkeit vom Staat getreten. Damit habe der Freiheitsgedanke heute eine andere Zielrichtung. D e r Bürger versuche, die in der sozialen Abhängigkeit liegende Unfreiheit durch gesetzliche Rechtsverbürgungen abzuschütteln und die Freiheit wieder herzustellen. „Freiheit" bedeute demnach heute nicht — nur — Abwesenheit staatlicher „Eingriffe", sondern auch „Teilhabe" an staatlichen Leistungen. Deshalb müsse der Gesetzesvorbehalt über den „Eingriffsvorbehalt" hinaus auf die gesamte leistende Verwaltung erstreckt werden. Das Bestreben, dem Bürger unter den gewandelten Daseinsbedingungen einen gefestigten status positivus socialis zu verschaffen, ist legitim und verfassungsrechtlich geboten (Sozialstaatsprinzip!). Diesem Ziel kann aber durch eine Erweiterung des Gesetzesvorbehaltes nicht wirksam gedient werden. Vielmehr erweisen sich 12 13 14
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So Jesch (Fn. 11). So Rupp (Fn. 11).
Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 7. Auflage 1919, S. 268, 334. Vgl. zu dieser Legitimation: Ossenbühl (Fn. 5) S. 198ff. Vgl. Rupp, DVB1. 1959, 81, 84; den. (Fn. 11) S. 113ff. ; Mallmann, VVDStRL 19 (1961), 190; Stern, J Z 1960, 525; Friauf, DVBl. 1966, 737; schon vorher Scheuner, VVDStRL 11 (1954), 17.
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solche Postulate nach Vorbehaltserweiterungen für den Bürger letztlich als D a n a e r geschenk. D e n n : daß der Gesetzgeber die leistende Verwaltung nach der geltenden Verfassung ohne weiteres mit gesetzlichen Grundlagen versehen kann, ist völlig unbestritten. Insoweit zieht der Gesetzesvorbehalt keine K o m p e t e n z g r e n z e m e h r , die den parlamentarischen Entscheidungsbereich beschneiden k ö n n t e . E i n „ T o t a l v o r b e h a l t " hätte danach vornehmlich die W i r k u n g , nicht dem Parlament neue E n t scheidungsmöglichkeiten zu eröffnen, sondern den Aktionsraum der Exekutive einzuengen. W e r deshalb für den „ T o t a l v o r b e h a l t " optiert, raubt dem Bürger die C h a n c e , Leistungen in einem Bereich zu erhalten, in dem der Gesetzgeber bislang keine eigene Initiative ergriffen hat, sei es, weil er b e w u ß t untätig bleibt, sei es, weil er effektiv nicht in der Lage ist, den „ N o r m h u n g e r der V e r w a l t u n g " 1 7 zu stillen 1 8 . Konsequenterweise müßte nach der K o n z e p t i o n eines Totalvorbehaltes auch die seit über zwanzig Jahren praktizierte, ausgedehnte Subventionsverwalt u n g 1 9 für verfassungswidrig erklärt w e r d e n , o b w o h l die Verwaltung nichts anderes tut, als im parlamentsbeschlossenen Haushaltsgesetz eingesetzte Milliardenbeträge nach den Zielweisungen des Gesetzgebers — aber selbstgesetztem Verteilungsschlüssel in Gestalt von Subventionsrichtlinien — auszuschütten. D i e h ö c h s t richterliche Rechtsprechung 2 0 umgeht die Vorbehaltsproblematik im Subventionsbereich, indem sie zwar an dem Erfordernis einer gesetzlichen Legitimation für die Darreichung von Subventionen festhält, aber eine ausreichende gesetzliche Legitimation als gegeben erachtet, wenn — im Haushaltsplan als Bestandteil des förmlichen Haushaltsgesetzes entsprechende Mittel eingesetzt sind, — innerhalb des Haushaltsplans eine ausreichende U m r e i ß u n g der Z w e c k bestimmung dieser Mittel vorgesehen ist, — die Vergabe dieser Mittel zu den den betreffenden Verwaltungsinstanzen zugewiesenen verfassungsmäßigen Aufgaben gehört. O b man allerdings das Haushaltsgesetz als geeignete formalgesetzliche G r u n d lage im Sinne des Gesetzesvorbehaltes ansehen kann, ist umstritten 2 1 . Hiergegen 17 18
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So eine plastische Formulierung von Forsthoff. Vgl. Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, S. 96; Wolff, VwR III, § 138 IIIb; Ossenbühl, (Fn. 5) S. 217; Kisker, Neue Aspekte im Streit um den Vorbehalt des Gesetzes, NJW 1977, 1313 ff. Dazu namentlich Ipsen/Zacher, W D S t R L 25 (1967), 257ff.; 308ff.; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967; Schelling, Rechtspraxis der Subventionierung, 1973. Vgl. BVerfGE 8, 155; BVerwGE 6, 282; NJW 1959, 1098 = DÖV 1959, 706 = DVB1. 1959, 573; DÖV 1961, 426; DVB1. 1961, 207; DÖV 1963, 387; BVerwGE 18, 352 = DVB1. 1964, 824; DÖV 1977, 606; OVG Lüneburg DVBl. 1956, 24 (25); VGH Kassel ESVGH 6 , 2 3 1 ; 14, 5 5 = DVBl. 1963, 443; DVBl. 1968, 259 (261); BayVGH BayVBl. 1970, 408. Vgl. z . B . Stern, JZ 1960, 521 f.; Kupp, NJW 1966, 1098; BVerfGE 20, 56 = NJW 1966, 1501 (Parteienfinanzierung); Sellmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß, 1966; Jesch, (Fn. 11), S. 227; Ipsen, W D S t R L 25 (1967), 291; Selmer, VerwArch. 59 (1968), 140; Scheuner, DÖV 1969, 585 (591).
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§ 5
II
sprechen eine Reihe nicht unerheblicher B e d e n k e n , namentlich das sog. B e p a k kungsverbot 2 2 und die Beschränkung der haushaltsgesetzlichen Bestimmungen auf den sog. innerorganschaftlichen Rechtskreis, also die fehlende Außenwirkung im Verhältnis Staat—Bürger 2 3 . Überdies wird man zumindest die Frage stellen müssen, o b die weitgreifenden und hochabstrakten Ziel- und Zwecksetzungen, die in Haushaltsvermerken z u m Ausdruck k o m m e n , nicht eine so (abgeschwächte) „minimale O r i e n t i e r u n g " der Verwaltung am Gesetz darstellen, daß von einer G e s e t z e s b i n d u n g der Exekutive schlechterdings keine Rede mehr sein k a n n 2 4 . Das Bundesverwaltungsgericht 2 5 hat sich — z . T . auch gegen die Kritik einiger Instanzgerichte 2 6 — über diese B e d e n k e n hinweggesetzt. W ä h r e n d sich der Streit um die Erstreckung des Gesetzesvorbehaltes im Subventionsrecht weitgehend beruhigt hat, ist er in anderen politisch brisanten Bereichen mit großer Kraft neu aufgebrochen; und er wird hier nicht nur unter juristischem A s p e k t , sondern auch auf der politischen E b e n e mit Leidenschaft diskutiert. Dies gilt einmal für die rechtliche Ausgestaltung der Schule und des Schulverhältnisses. D i e seit Jahren auch in der Tagespresse notierten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen über die Einführung der Sexualkunde 2 7 , der M e n g e n l e h r e 2 8 , der 5-Tage-Woche in der S c h u l e 2 9 , über die R e f o r m der gymnasialen O b e r s t u f e 3 0 , den Erlaß von Prüfungs- und Versetzungsordnungen 3 1 , die Zulässigkeit von Schulstrafen und Schulverweisen 3 2 etc. sind im Zusammenhang mit dem Gesetzesvorbehalt zu sehen 3 3 . Es geht um das P r o b l e m , o b die Schulverwaltung die vorgenannten Fragen aus eigener K o m p e t e n z regeln und ordnen kann oder o b sie hierzu gesetzlicher Zielweisungen und Ermächtigungen bedarf. N a c h grundlegenden und richtungweisenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts 3 4 hat sich hier bereits recht schnell ein gewisser G r u n d k o n s e n s eingestellt 3 5 . Indessen steht zu befürchten, daß die politische Praxis (Verwaltung und Legislative!), in der offenbar das G r u n d problem des Gesetzesvorbehaltes in seiner fundamentalen, staatsstrukturellen 22
23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
34
35
Dazu A. v. Portatius, Das haushaltsrechtliche Bepackungsverbot, 1975; BSG DÖV 1975, 133. Vgl. dazu BVerfGE 20, 56. Vgl. Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966, S. 299. Vgl. etwa BVerwGE 18, 352 (Honnefer Modell). Vgl. z. B. VG Frankfurt DVBl. 1961, 52; OVG Münster DÖV 1963, 860 (861). BVerwGE 47, 194. BayVerfGH DVBl 1975, 425. BVerwGE 47, 201. VGH Kassel NJW 1976, 1856. HessStGH DÖV 1971, 201; VG Freiburg NJW 1976, 865 = DÖV 1976, 56. BVerfGE 41, 251. Vgl. Ossenbübl, Zur Erziehungskompetenz des Staates, in: Festschrift für F. W. Bosch, 1976, S. 751 ff. ; den. (Fn. 9) S. 21 ff. ; Oppermann (Fn. 9) C 52ff. BVerfGE 33, 1, 9 (Strafvollzugsgesetz); 33, 125, 157 (Facharztausbildung); 33, 303, 346 (numerus clausus); 41,251 (Schulverweis). Vgl. Beschluß des 51. Deutschen Juristentages 1976, Sitzungsbericht M; wiedergegeben in BVerfG DVBl. 1977, 713, 715. 61
Fritz Ossenbühl
Dimension nicht voll erfaßt wird, dem Abklärungsprozeß kurzerhand durch rechtsstaatlich bedenkliche, weil pauschale Rechtsgrundlagengesetze ein Ende macht und auf diese Weise nur eine Umetikettierung der Regelungsformen (Rechtsverordnungen statt Verwaltungsvorschriften) vornimmt, aber im übrigen alles beim alten beläßt 36 . — Nicht mindere Aktualität besitzt die Frage des Gesetzesvorbehaltes im Kernenergierecht. Sie betrifft hier die Problematik der parlamentarischen Mitwirkung bei der Standortplanung, der Einführung neuartiger Technologien und der Genehmigung einzelner Kernkraftwerke. Symptomatisch ist beispielsweise der Vorlagebeschluß des OVG Münster betreffend die Errichtung eines „Schnellen Brüters" 3 7 . Abschließend sei -ein weiterer Gedanke hervorgehoben. Wieweit man auch immer die Reichweite des Gesetzesvorbehaltes ziehen mag, die Verwaltung ist, auch wenn und soweit sie im sog. gesetzesfreien Raum agiert, keineswegs rechtlich ungebunden. Die nicht selten stillschweigend und zuweilen auch unreflektiert vollzogene Gleichung: „gesetzesfreie Verwaltung = rechisireie Verwaltung" ist schlicht falsch. Wie jede andere staatliche Instanz unterliegt die Verwaltung den Bindungen der Verfassung. Insoweit hat die Rechtsprechung namentlich unter Heranziehung des Gleichheitssatzes der Verwaltung Bindungen auferlegt, von denen man mit Recht sagen kann, daß ihnen gesetzesgleiche Wirkung zukommt 3 8 . §6
Rechtsquelle und Rechtsnorm Eine Skizze der Rechtsquellenlehre kann nicht eröffnet werden, ohne jene Begriffe zu erläutern, die immer wieder auftauchen: Rechtsquelle und Rechtsnorm. Dies ist um so notwendiger, als zahlreiche Kontroversen in der Rechtsquellenlehre ihren Grund ausschließlich in der mangelnden Klärung des begrifflichen Instrumentariums haben. Andererseits ist eine Beschränkung auf die herrschende Position geboten, obgleich, wie es in einer neueren Spezialuntersuchung heißt, „die Unklarheiten hinsichtlich des Gesetzesbegriffs noch übertroffen (werden) durch diejenigen, die den Begriff der Rechtsquelle verdunkeln" 1 . I. Der Begriff der Rechtsquelle 2 Was man sich unter dem „sympathischen Bild der Q u e l l e " 3 in Verbindung mit dem Recht alles vorstellen kann, ist vielfach beschrieben worden. Insoweit sind 36 37 38
1 2
3
62
Vgl. Ossenbühl, Schule im Rechtsstaat, D Ö V 1977, 801. Beschluß v o m 18. August 1977 - VII A 338/74, D Ö V 1977, 854. D a z u unten § 7 IV 4.d). Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, 1971, S. 49. Literatur: Ross, Theorie der Rechtsquellen, 1929; Liver, Der Begriff der Rechtsquelle, in: Rechtsquellenprobleme im Schweizerischen Recht, 1955, S. 1 ff. ; Meyer-Cording (Fn. 1) S. 4 9 f f . ; Wolff/Bachof, VwRI, §24. Meyer-Cording (Fn. 1) S. 50.
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§ 6
II
eine Reihe von „Quellen-Kategorien" aufgestellt worden4. Von diesen seien die wichtigsten genannt. 1. Rechtserzeugungsquellen, die Vorstellung und Verhalten der Menschen und damit das Recht bestimmen. Sie sind praktisch kaum abzugrenzen, weil sie von der Religion über das Klima eines Landes bis zu den Produktionsverhältnissen reichen. 2. Rechtswertungsquellen, welche die Maßstäbe für die Rechtsordnung angeben (ζ. B. Gerechtigkeit, Gleichheit, Rechtssicherheit, Vernunft). 3. Rechtserkenntnisquellen als Rechtsquellen im engeren Sinne, denen das geltende Recht unmittelbar entnommen werden kann (z.B. Gesetze, Verordnungen, Satzungen usw.). Solche Systematisierungen sind gewiß wertvoll, weil sie den Prozeß der Rechtserzeugung im Schnittpunkt zahlreicher Disziplinen (Soziologie, Theologie, Völkerkunde, Philosophie usw.) sehen. Für eine Betrachtung der Rechtsquellenlehre unter dem speziellen Aspekt der Rechtstheorie sind sie nur bedingt verwendbar. Für die juristisch-technische, rechtstheoretische Fragestellung ist immer noch die im Jahre 1929 von Alf Ross5 aufgestellte Definition maßgeblich, nach der die Rechtsquelle bestimmt wird als „Erkenntnisgrund für etwas als Recht"6. In diesem Sinne sind als Rechtsquellen alle Handlungsanweisungen und Maßstäbe zu verstehen, die Verhaltensmuster vorschreiben, Ziele und Mittel des Verwaltungshandelns festlegen und die rechtliche Entscheidung von Konfliktfällen bestimmen ; gleichgültig in welcher äußeren Form sie auftreten.
II. Der Begriff der Rechtsnorm 7 Richard Thoma8 schrieb im Jahre 1916, daß der Begriff des Rechtssatzes (der Rechtsnorm) mehrdeutig sei und deshalb „unsere bedeutendsten Staatsrechtslehrer in unfruchtbare Streitigkeiten verwickelt" habe. Diese Feststellung gilt mit geringen Abstrichen auch heute noch. 4
Vgl. Ross (Fn. 2) S. 2 9 0 f f . ; Liver (Fn. 2) S. 3ff. ; Meyer-Cording (Fn. 1) S. 50ff. ; Obermayer, Grundzüge des Verwaltungsrechts und des Verwaltungsprozeßrechts, 2. Aufl. 1975, S. 2 7 f .
5
(Fn. 2) S. 291 f. Vgl. W. Jellinek, V w R , S. 117; Esser, Grundsatz und N o r m in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 1956, S. 134 ff. ; Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, 1969, S. 78 f. ; Kruse, Richterrecht als Rechtsquelle des innerstaatlichen Rechts, 1971, S. 1; Wolff/Bachof, VwR I, § 2 4 I und Liver (Fn. 2) S. 12 (die letzteren mit dem Zusatz: „Erkenntnisgrund für etwas als positives R e c h t " ) .
6
7
Literatur: Meyer-Cording (Fn. 1) S. 17ff. ; Ossenbiihl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 154ff. ; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. unveränd. Aufl. 1968, S. 9ff. ; E. W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1 9 5 8 ; Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz, 1 9 6 9 ; Achterberg, D Ö V 1973, 2 8 9 ; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970.
s
in: Festgabe für O t t o Mayer, 1916, S. 176. 63
§6
111
Fritz Ossenbühl
Die verschiedenen Rechtssatzdefinitionen aufzuführen, die in den letzten h u n dert Jahren geprägt worden sind, ist hier unmöglich 9 . Wichtig erscheint es jedoch z u wissen, daß gegenwärtig vielfach noch Rechtssatzbegriffe verwendet werden, die entweder historisch überholt oder unter einem dogmatisch verengten Blickwinkel gebildet w o r d e n sind, aber gleichwohl als allgemeingültige Definitionen ausgegeben w e r d e n . Dieser Umstand hat, w i e noch zu zeigen sein w i r d , auch den Blick für die Quellen des Verwaltungsrechts erheblich verkürzt.
1. Der historisch-konventionelle
Rechtssatzbegriff
Die Überlegungen z u m Gesetzesvorbehalt haben bereits gezeigt, in welcher Weise der Gesetzesbegriff an einer bestimmten historischen Situation und Verfassungsstruktur orientiert w a r . Die Gleichsetzung von Gesetz und Recht und die damit einhergehende Definition des Rechtssatzbegriffs als einer Regelung, die Freiheit und Eigentum der Bürger berührt oder darin eingreift 1 0 , ließ von vornherein weite Bezirke außerhalb der so verstandenen Rechtsordnung. Dazu gehörten sowohl der sog. Innenbereich des Staates, namentlich die innere Organisation und das Funktionieren der Verwaltung, als auch die staatlichen Anstalten, die dem Bürger, anstatt Eingriffe zuzufügen, Leistungen darboten. Diese Bereiche waren der N o t w e n d i g k e i t einer Regelung durch Rechtssätze entzogen und der H a n d lungsfreiheit der Verwaltung überlassen. Zum selben Ergebnis k a m jene für die spätkonstitutionelle Staatsrechtslehre maßgebliche Auffassung, nach der das wesentliche Merkmal für den Rechtssatzbegriff in der Schrankenziehung zwischen selbständigen Willenssphären bzw. Rechtssubjekten gesehen wurde 1 1 . Auch der Staat w u r d e ebenso w i e jeder andere Hoheitsträger als impermeables Rechtssubjekt begriffen, dessen innere Vorgänge als „Verwaltungsinterna" sich außerhalb der Rechtsordnung bewegten. Die „innere O r d n u n g " des Staates stellte keine Schrankenziehung zwischen selbständigen Rechtssubjekten dar und blieb deshalb ex definitione außerhalb des Rechts. Die historisch-konventionelle Verengung des damit verbundenen Rechtssatzbegriffs und die auf Laband12 zurückgehende zivilistische Denkweise (Schrankenziehungsformel) sind längst erkannt worden. Trotz dieser Erkenntnis sind bis heute jedoch die notwendigen Folgerungen — auch für die Rechtsquellenlehre — nicht gezogen w o r d e n .
9 10
11
Vgl. dazu Böckenförde
(Fn. 7).
Namentlich Anschütz, Kritische Studien zur Lehre von Rechtssatz und formellem Gesetz, 2. Auflage, 1913, S. 68, 97, 163 und passim.
Namentlich Laband
und G.Jellink;
inzwischen dazu Böckenförde
257ff., 272ff. 12
64
Vgl. dazu Böckenförde
(Fn. 7) S. 226ff.
(Fn. 7) S. 233ff.,
§ 6
Die Quellen des Verwaltungsrechts
2. Der rechtstheoretische
II 2 , III
Rechtssatzbegriff
Eine zeitgemäße Rechtsquellenlehre kann nicht mit einem Rechtssatzbegriff operieren, der der Verfassungsdogmatik des 19. Jahrhunderts zugeordnet ist. Andererseits ist nicht viel gewonnen, wenn man den historisch-konventionellen Rechtssatzbegriff kurzerhand durch einen rechtstheoretischen Rechtssatzbegriff ersetzt und Rechtssatz beispielsweise definiert als Satz, welcher dazu bestimmt ist, „an einen vorausgesetzten Tatbestand subjektive Rechte und Pflichten zu begründen oder mit einem gewissen Tatbestand gewisse Rechte und Pflichten zu verknüpfen" 1 3 . Freilich würde auf diese Weise erreicht, daß die bislang aus dem Verwaltungsweg oder doch der Rechtsquellenlehre verdrängten Regelungsphänomene wie etwa die Verwaltungsvorschriften und Sonderverordnungen nicht mehr bedenkenlos als Nicht-Recht abgestempelt werden könnten. Indessen liegt das Problem anderswo. Die aktuellen Fragen der Rechtsquellenlehre können nicht dadurch gelöst werden, daß man einen neuen Rechtssatzbegriff aufstellt. Denn die Problematik liegt keineswegs in der Definition des Rechtssatzes, sondern vielmehr in der Heterogenität der vorhandenen Rechtssätze14. Kurz gesagt: Rechtssatz ist nicht gleich Rechtssatz. Denn schon die herkömmlich als solche anerkannten Rechtssätze weisen etwa nach dem Rang im Rechtsquellensystem, ihren Erzeugungsbedingungen, Adressaten, Verletzungsfolgen usw. erhebliche Unterschiede auf.
III. Aufgabe der Rechtsquellenlehre Aus dieser Erkenntnis folgt unmittelbar die Aufgabe der Rechtsquellenlehre. Es gibt weder eine £¿n¿e¿ísrechtsquelle noch einen Einbeitsrcchissatz. Vielmehr haben die Rechtssätze unterschiedliche Eigenschaften. Diese Eigenschaften (Erzeugungsmodus, Geltungsbereich, Kontrolle, Rang im Rechtsquellensystem, Verletzungsfolgen etc.) sind in vielfacher Weise abgestuft und kombiniert und führen zu Klassifikationen der Rechtssätze, die von erheblicher rechtlicher Bedeutung sind. Welche Eigenschaften einem Rechtssatz zukommen, ist namentlich der Verfassung zu entnehmen. Aufgabe der Rechtsquellenlehre ist es deshalb, die verschiedenen Rechtssätze und Rechtsquellen anhand ihrer Eigenschaften zu beschreiben, zu erklären und in einen systematischen Zusammenhang zu bringen.
13
14
So schon Haenel, Das Gesetz im formellen und materiellen Sinne, 1888, S. 122; ferner Engisch, Einführung in das juristische Denken, 5. Aufl. 1971, S. 20; Radbruch, Rechtsphilosophie, 1956, S. 129. Näheres bei Ossenbühl (Fn. 7) S. 159.
65 5
Allgemeines Verwaltungsrecht
Fritz Ossenbiihl
§7 Arten der Rechtsquellen Verschiedene Arten von Rechtsquellen sind nur dort denkbar, wo die Rechtsetzungsmacht nicht bei einer Instanz monopolisiert ist, sondern mehrere Normgeber in sachgegenständlich, personal oder territorial unterschiedlichen Bereichen Rechtsetzungsgewalt ausüben. Die Vielzahl der Rechtsquellen im Verwaltungsrecht, ihre Abstufung nach Inhalt, Wirkungsgrad und Form, ist deshalb Konsequenz und Spiegelbild der Verfassungsstruktur; sie hat ihre Ursache namentlich in drei Besonderheiten der deutschen Verfassungsentwicklung: 1. In der Differenzierung der Staatgewalt, die sich in Deutschland mit der Verfassungsbewegung im 19. Jahrhundert als Ergebnis des gewaltenteilenden Rechtsstaates eingestellt hat. 2. In der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik, in der neben dem Bund die Länder als selbständige Staaten mit eigener Gesetzgebungsgewalt existieren. 3. In der rechtlichen Verselbständigung gewachsener oder geschaffener Lebensbereiche mit eigener gegenständlich, personell und territorial beschränkter Rechtsetzungsbefugnis (ζ. B. Autonomie der Gemeinden, Universitäten, Rundfunkanstalten, Sozialversicherungsträger). Für alle vorgenannten Instanzen und Lebensbereiche ist die Rechtserzeugung in Verfassungen und Gesetzen im einzelnen geregelt. Neben den auf diese Weise organisierten Rechtsquellen steht das nichtorganisierte, gewachsene Recht (Gewohnheitsrecht). Nach der Herkunft des Rechts und der Qualität des Normsetzers wird dementsprechend in der herkömmlichen Rechtsquellenlehre unterschieden zwischen dem geschriebenen (kodifizierten, gesetzten, positiven) Recht und dem ungeschriebenen Recht (Gewohnheitsrecht, Observanzen); ferner zwischen staatlichem und autonomem Recht. Das staatliche Recht teilt sich infolge der föderalistischen Struktur und der Gewaltenteilung wiederum auf in Bundesrecht und Landesrecht sowie in originäres und abgeleitetes Recht, je nachdem, ob dem Normsetzer (wie etwa dem Bundestag) eine eigene verfassungsverbürgte Rechtsetzungsgewalt zukommt oder ob er (wie die Bundesregierung oder einzelne Minister) nur aufgrund einer durch ein parlamentsbeschlossenes Gesetz erteilten Ermächtigung (Delegation) Normen schaffen darf. Die folgende Einzelbetrachtung geht von der üblichen Einteilung der Rechtsquellen nach der normsetzenden Instanz aus. I. Verfassungsgesetze1 Wo das Verhältnis von Verfassung und Verwaltung zur Sprache kommt, gehört es zum üblichen Ritual, zwei einander entgegensetzte Zitate anzuführen, die sich 1
66
Zur Bedeutung der Verfassung als Rechtsquelle der Verwaltung: 2 . Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, 1. B d . , 1960, S. 141 ff.
Die Quellen des Verwaltungsrechts
inzwischen zu geflügelten Worten des Verwaltungsrechts entwickelt haben. Das erste Wort stammt von Otto Mayer, der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts das Verwaltungsrecht als eigenständige Disziplin begründet hat. Im Vorwort seines 1924 in 3. Auflage erschienenen „Deutschen Verwaltungsrechts" heißt es: „Groß Neues ist ja seit 1914 und 1917 (den beiden Vorauflagen) nicht nachzutragen. Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht."2 — In diesem meist mißverstandenen Satz3 kommt eine gewisse Indolenz oder doch Beharrungskraft des Verwaltungsrechts gegenüber sich wandelnden Verfassungsstrukturen zum Ausdruck. Eine solche Resistenz des deutschen Verwaltungsrechts gegenüber verändertem Verfassungsrecht war bis weit nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes zu beobachten, ist aber heute eher einer die Verfassungsabhängigkeit des Verwaltungsrechts überbetonenden und übertreibenden Haltung gewichen. Das Wort von Fritz Werner4, der das „Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht" apostrophiert hat, ist viel zitiert worden und hat die Neigung des unmittelbaren Zugriffs auf die Verfassung im Prozeß der Rechtsanwendung verstärkt5. Die Verfassung wird nun nicht mehr nur als geistiger Uberbau der (einfachen) Gesetze betrachtet, sondern wirkt unmittelbar in die tägliche Arbeit des Rechtsanwenders hinein. Der übliche Weg ist freilich der, daß verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Grundprinzipien in erster Linie in Form des Gesetzes durch den Gesetzgeber selbst konkretisiert, ausgeprägt und dadurch in anwendbares Recht umgesetzt werden. Aber in vielen Fällen muß der Rechtsanwender seine Entscheidungsmaßstäbe auch selbst unmittelbar der Verfassung entnehmen. Das gilt namentlich für jenen Bereich, in dem einfache, die Verfassung konkretisierende Gesetze fehlen. Häufig wird der Rechtsanwender aber auch mit Gesetzen konfrontiert, die angesichts gewandelter Grundrechtsauffassungen heute anders interpretiert werden müssen als vor 10 oder 20 Jahren. Ein einleuchtendes und in den vergangenen Jahren aktuelles Beispiel hierfür bildet etwa die Rechtsprechung und Lehre zur Versammlungsfreiheit6. — Größte Bedeutung, insbesondere auch im Rahmen der Rechtsquellenlehre, kommt ferner dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG zu. Auf dem Boden dieses Verfassungsartikels ist praktisch ein neues eigengeartetes Administrativrecht entwickelt worden7. Grundlegend sind auch andere, nicht ausdrücklich als solche formulierte, aber anerkannte und mit Verfassungsrang ausgestattete Prinzipien, die das Verwaltungshandeln in der täglichen Arbeit des Beamten und Richters bestimmen. Hervorzuheben ist namentlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit8. 2 3 4 5 6
7 8
Otto Mayer, VwR I, Vorwort. Klärend: Bachof, W D S t R L 30 (1972), 193, 204. DVB1. 1958, 527. So auch die Beurteilung von Bachof (Fn. 3) 1 9 3 f f . , 195. Vgl. Ossenbühl, Der Staat 10 (1971), 53; vgl. auch die allerdings umstrittene Rechtsprechung zur Straßennutzung zum Zwecke der politischen Kommunikation (z.B. Pappermann, Die Verteilung politischen Werbematerials auf öffendichen Straßen, N J W 1976, 1341). Dazu unter „IV. Verwaltungsvorschriften". Vgl. Wittig, D Ö V 1968, 817; Genu, N J W 1968, 1601; Grabitz, A ö R 98 (1973), 568 ff. 67
5'
§7
II
Fritz Ossenbühl
Schließlich hat die Verfassung unmittelbare Bedeutung für die Verwaltungsorganisation9. Hingewiesen sei insbesondere auf die Art. 83 ff. und Art. 28 des Grundgesetzes. II. Gesetze 1. Der Begriff des Gesetzes ist mehrdeutig. Kennzeichnend für die deutsche Staats- und Verwaltungsrechtslehre ist der bis heute verwendete dualistische Gesetzesbegriff10. Er geht zurück auf einen der maßgebenden Staatsrechtslehrer des 19. Jahrhunderts: Paul Laband*1. Der von Laband gemeinte Doppelsinn des Gesetzesbegriffs knüpft an den Inhalt und an die Form des Gesetzes an. Inhaltlich, materiell gesehen, ist Gesetz jeder Rechtssatz. Gesetz, Rechtssatz, Rechtsnorm sind danach synonyme Begriffe für abstrakt-generelle Anordnungen (Imperative), die menschliches Verhalten regeln. — Der formelle (förmliche) Gesetzesbegriff knüpft dagegen nicht an den Norminhalt, sondern an das Zustandekommen des Gesetzes an. Gesetz im formellen Sinne ist danach jeder im verfassungsmäßig vorgesehenen (förmlichen) Gesetzgebungsverfahren zustande gekommene Willensakt der Gesetzgebungsorgane ohne Rücksicht auf den Inhalt 12 . „Gesetz im materiellen Sinne und Gesetz im formellen Sinne verhalten sich daher zueinander nicht wie Gattung und Art, wie ein weiterer und ihm untergeordneter engerer Begriff, sondern es sind zwei durchaus verschiedene Begriffe, von denen jeder durch ein anderes Merkmal bestimmt wird, der eine durch den Inhalt, der andere durch die Form einer Willenserklärung" 13 . Nach einem Bild von Albert Haenel14 sind beide Gesetzesbegriffe zwei sich teilweise deckenden, einander schneidenden Kreisen vergleichbar: was dem Bereich des einen angehört, kann, muß aber nicht, auch in den des anderen fallen. Gesetze können zugleich formellen und materiellen Charakter tragen (Regelfall bei parlamentsbeschlossenen Bundes- und Landesgesetzen) oder solche im nur formellen (ζ. B. Zustimmungsgesetzen nach Art. 59 Abs. 2 G G ) oder nur materiellen Sinne sein (ζ. B. Rechtsverordnungen, Satzungen, Gewohnheitsrecht). Die Entgegensetzung von „materiellem" und „formellem" Gesetz hatte zu Labands Zeiten eine konkrete politisch-staatsrechtliche Funktion 15 . Der materielle 9 10
n
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68
Dazu unten Siebter Teil. Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958 ; H. W. Kopp, Inhalt und Form der Gesetze, 2 Bände, 1958; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 54ff. Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der Preußischen Verfassungsurkunde unter Berücksichtigung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, Berlin 1871. Wolff/Bacbof, VwR I, § 24 Ile; BVerfGE 18, 389 (391). Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. II, 5. Auflage, 1911, S. 63. Studien zum Deutschen Staatsrecht, II. Bd., 1888, S. 110. Vgl. namentlich Böckenförde (Fn. 10) S. 226ff.; H. W.Kopp, Inhalt und Form der Gesetze, 1958, Bd. I, S. }2H.; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. unveränd. Aufl. 1968, S. 12 ff., 15 ff.
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§7
II
Gesetzesbegriff war nichts anderes als die juristische Ubersetzung „jenes eigentümlichen Spannungsverhältnisses zwischen Staat und Gesellschaft, für das der konstitutionelle Staat des .monarchischen Prinzips' das getreue juristische Abbild w a r " 1 6 . „Inhalt und Umfang des Gesetzesbegriffs bezeichneten (daher) das Maß, in dem die Gesellschaft sich den Staat erobert hatte und ihn dirigieren k o n n t e " 1 7 . Die Verstrickung des dualistischen Gesetzesbegriffs in eine bestimmte politische Zeitsituation und sein historisch-konventioneller Charakter sind längst erkannt 1 8 . Namentlich das Haushaltsgesetz, für Lab and, das thema probandum (Budgetrecht!) und Prototyp eines förmlichen Gesetzes, wird heute in einem anderen Licht gesehen 19 . Kompetenzscheidende Kraft und Bedeutung kommt dem Gesetzesbegriff gegenwärtig nicht mehr zu. Das Parlament kann nicht unter Berufung auf den konkret-individuellen Gehalt einer Maßnahme oder Willenserklärung von deren Regelung durch (förmliches) Gesetz abgehalten werden. Demgemäß hat auch die Rechtsprechung 2 0 sog. Individual- und Maßnahmegesetze, die sich trotz ihrer abstrakten Formulierung nur auf eine einzelne bestimmte Maßnahme oder bestimmte Personen beziehen 2 1 , für verfassungsrechtlich zulässig und den Begriff des Maßnahmegesetzes für „verfassungsrechtlich irrelevant" erklärt 22 . Deshalb stellt sich die Frage, ob uns der dualistische Gesetzesbegriff heute noch etwas bieten kann oder in die Rumpelkammer des konstitutionellen Staatsrechts gehört. Hierauf ist zu antworten, daß der doppelte Gesetzesbegriff durch die Veränderung der Verfassungsstruktur seine politisch-staatsrechtliche Brisanz verloren hat, aber gleichwohl noch in der gegenwärtigen Begriffswelt eine Verständigungsfunktion erfüllen kann und auch vom Gesetzgeber selbst zuweilen in diesem Sinne benutzt wird (z. B . Art. 104 Abs. 1 G G ) . Taucht in einem Gesetz oder in der Verfassung der Begriff „ G e s e t z " auf, bedarf es häufig der Präzisierung, ob nur das förmliche oder jedes materielle Gesetz gemeint ist 2 3 . Freilich ist dies eine Aufgabe, für die der dualistische Gesetzesbegriff als solcher keine (Auslegungs-)Hilfe zu bieten vermag.
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20 21 22 23
Jescb (Fn. 15) S. 20. Böckenförde (Fn. 10) S. 131. Vgl. außer den vorgenannten Autoren: Forsthoff, VwR, S. 133; Wolff/Bacbof VwR I, §24 IIc); Bachof Rspr. BVerwG I, S. 246; Ossenbühl (Fn. 10) S. 54ff.; Ernst Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 61 ff. ; Böckenförde/Gr,awert, AöR 95 (1970), 1 (6ff.). Vgl. BVerfGE 20, 56, 89 ff. unter ausdrücklicher Ablehnung der Auffassung von Laband; Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, 1976. BVerfGE 4, 7, 8f.; 10, 89, 108; 15, 126, 146f.; 24, 33, 52; 25, 371, 396. Dazu Meessen, DÖV 1970, 314ff. BVerfGE 25, 371, 396. Z.B. Art. 2 Abs. 2 GG (Gesetz = förmliches Gesetz); Art. 3 Abs. 1 GG (Gesetz = materielles Gesetz); Art. 100 Abs. 1 (Gesetz = förmliches (nachkonstitutionelles) Gesetz); BVerfGE 1, 18ff.; 124ff.; kritisch: Stern, Bonner Kommentar Art. 100, Zweitbearbeitung (1967), Rdnr. 59ff. 69
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1!
Fritz Ossenbiihl
2. Die gegenwärtige Problematik der (förmlichen) Gesetze liegt nicht in ihrem Charakter als Rechtsquelle, sondern vielmehr in der Frage, ob sich das überkommene, verfassungsrechtlich vorgesehene Gesetzgebungsverfahren und damit das Gesetz als geeignet erweist, um die gegenwärtigen Aufgaben der staatlichen Daseinsfürsorge und -Vorsorge zu bewältigen, oder ob die tradierten Rechts- und Entscheidungsformen des liberalen Rechtsstaates den sozialstaatlichen Anforderungen inadäquat sind und durch flexiblere Rechtsetzungsformen ergänzt werden müssen 24 . Sichtbaren Ausdruck findet diese Problematik in der vielbeklagten Hypertrophie der Gesetze und der — schon durch den Ausdruck selbst hinreichend charakterisierten — Gesetzgebungsmaschine, die auf Bundesebene alle drei Tage ein Gesetz produziert 25 und maßgeblich zu der oft beschworenen „Informationskrise des Rechts" 2 6 beiträgt. Mit diesem Befund wird der Anfänger namentlich im Verwaltungsrecht konfrontiert, weit mehr als im Zivil- oder Strafrecht. Niemand kann alle Gesetze — auch nur dem Namen nach — kennen. Für den Neuling im Verwaltungsrecht ebenso für den Praktiker kommt es deshalb darauf an, erstens die für die jeweilige Entscheidung einschlägige Rechtsnorm aufzufinden und zweitens, das gefundene Gesetz sachgemäß zu erfassen, d. h. seinen Sinn und Zweck zu ermitteln, es auszulegen und in seinen oft vagen und mehrdeutigen Formulierungen die Kategorien und Denkfiguren des allgemeinen Verwaltungsrechts ( z . B . unbestimmter Gesetzesbegriff, Verwaltungsermessen, Erlaubnis, Dispens usw.) zu entdecken. Der Begriff zum einschlägigen Gesetz setzt eine genaue Kenntnis der Vorschriften des Grundgesetzes über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen voraus (Art. 70ff., 105 GG). Aus ihnen ergibt sich, ob eine bestimmte Regelungsmaterie durch Bundes- oder/und Landesrecht geordnet werden kann. Die wichtigsten Gesetze, Verordnungen und Satzungen des Bundes und der Länder sind in verschiedenen Textsammlungen systematisch zusammengefaßt. Bundesrecht: Sartorius, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze der Bundesrepublik. Loseblattsammlung; die Sammlung ist nicht vollständig, sie klammert wichtige Sondermaterien, wie ζ. B. Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht aus, für die besondere Textsammlungen bestehen. Landesrecht : Baden-Württemberg: Günter Diirig, Gesetze des Landes Baden-Württemberg, Loseblattsammlung; Harald Fliegauf, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze in Baden-Württemberg. 24
25
26
70
Vgl. Ossenbiihl, SKV 1971, 57, 60; Herzog, Verwaltung und Verwaltungsrecht in der freiheitlichen Industriegesellschaft, 1970, S. 12; aufschlußreich und lehrreich in diesem Zusammenhang die Typologie von „Leistungsgesetzen" bei Haberle, in : Festschrift für G. Küchenhoff, 1972, S. 453ff., 456. Vgl. die Nachweise für die ersten vier Legislaturperioden bei Loewenberg, Parlamentarismus im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, 1969, S. 334, 436f. So die gleichnamige Schrift von Spiros Simitis, Informationskrise des Rechts und Datenverarbeitung, 1970.
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§ 7
II
Bayern: Georg Ziegler / Paul Tremel, Verwaltungsgesetze des Freistaates Bayern, Loseblattsammlung. Berlin: Kuhle/Steuerwaid, Berliner Gesetze, Loseblattsammlung. Hamburg: Grapengeter/Becker/Mascheck, Hamburgisches Landesrecht, Loseblattsammlung; Hans Peter Ipsert, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht. Hessen : Eberhard Fuhr / Erich Pfeil, Hessische Verfassungs- und Verwaltungsgesetze, Loseblattsammlung; Hubert Görg / Klaus Müller, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze des Landes Hessen, Loseblattsammlung. Niedersachsen: Gert März, Niedersächsische Gesetze, Loseblattsammlung; Werner Weber, Niedersächsisches Landesrecht, Loseblattsammlung. Nordrhein-Westfalen : Ernst v. Hippel / Helmut Rehborn, Gesetze des Landes Nordrhein-Westfalen, Loseblattsammlung; Klaus Müller, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze des Landes Nordrhein-Westfalen, Loseblattsammlung; Norbert Achterberg, Staats- und verwaltungsrechtliche Gesetze in Nordrhein-Westfalen. Rheinland-Pfalz: R. Rumetsch, Landesrecht in Rheinland-Pfalz, 3 Bände, Loseblattsammlung; Rudolf Stich, Die wichtigsten Landesgesetze von Rheinland-Pfalz, Loseblattsammlung. Schleswig-Holstein: W. Bausenhart / Guilleaume, Verfassungs- und Verwaltungsrecht in Schleswig-Holstein, 2 Bände, Loseblattsammlung. 3. Eine besondere Schwierigkeit des Verwaltungsrechts besteht darin, daß die Grundsätze und Institutionen des allgemeinen Verwaltungsrechts nicht zusammenfassend kodifiziert sind. Die Ursache hierfür ist namentlich die, daß das Verwaltungsrecht noch ein recht junges Gebiet darstellt, dessen kaum begonnene Tradition überdies durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes in weiten Partien unterbrochen worden ist 27 . Die Entwicklung des Verwaltungsrechts unter der Geltung des Grundgesetzes ist deshalb besonders stark im Fluß. Über die Kodifikationsreife des allgemeinen Verwaltungsrechts ist bis in die Gegenwart viel gestritten worden 2 8 . Gleichwohl hat es nicht an Anläufen gefehlt, die auf eine Kodifizierung des allgemeinen Verwaltungsrechts abzielten 29 . Im Lande Schleswig-Holstein besteht seit 1967 ein Allgemeines Verwaltungsgesetz 30 . Nach langjährigen Beratun27
Vgl. dazu die Bestandsaufnahmen von Bachof, Über Entwicklungstendenzen im gegenwärtigen Verwaltungsrecht, in: Staatsbürger und Staatsgewalt, 1963, S. 3 f f . ; Zeidler, Der Staat 1 (1962), 321 ; Badura, Verwaltungsrecht im liberalen und sozialen Rechtsstaat, 1966; ders., D Ö V 1968, 446; ders., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Friauf, in: Der Staat 9 (1970), 223; Ossenbühl (Fn. 24) 57.
28
Vgl. die Gutachten, Referate und Diskussionsbeiträge auf dem 43. Deutschen Juristentag 1960 in München, in: Verhandlungen des 43. DJT (1960); weitere Nachweise bei Ossenbühl, Die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte, 2. Auflage 1965, S. 161 mit Fußnoten S. 157, 158. Vgl. Brintzinger, D Ö V 1968, 16. LVwG Schleswig-Holstein vom 18. 4. 1967, GVB1. SH, S. 131.
29 30
71
§ 7
III 1
Fritz Ossenbühl
gen 31 und mehreren Anläufen im Gesetzgebungsverfahren 32 ist nunmehr auch für den Bund ein Verwaltungsverfahrensgesetz erlassen worden 33 . Ihm sind in den wesentlichen Punkten gleichlautende Gesetze der Länder gefolgt 333 . Die Verwaltungsverfahrensgesetze sind, obwohl sie das allgemeine Verwaltungsrecht nur partiell erfassen, eine wichtige Grundlage zur Erfassung der Probleme des allgemeinen Verwaltungsrechts.
III. Rechtsverordnungen 34 1. Begriff und
Funktion
Vergegenwärtigt man sich Begriff und Funktion der Rechtsverordnungen, so wird deutlich, daß sie als Rechtsquelle in der gegenwärtigen Form erst mit dem gewaltenteilenden Rechtsstaat auftauchen und aus noch näher zu erläuternden Gründen in der Rechtsetzungspraxis seit dem Ersten Weltkrieg eine ständig zunehmende Bedeutung gewinnen. — Nach dem Schema der Gewaltengliederung steht die Rechtsetzungsgewalt prinzipiell allein dem Gesetzgeber (Parlament, ggf. zweite Kammer) zu. Aus mancherlei Gründen (z. B. Langwierigkeit des Gesetzgebungsverfahrens ; entscheidungsarmer, bloß technischer oder kurzfristiger Gehalt bestimmter Regelungen) bedarf der Gesetzgeber der Entlastung. Deshalb eröffnen die Verfassungen ihm den Weg der partiellen Übertragung von Rechtsetzungsgewalt auf die Exekutive, die diese ihr zustehende Gesetzgebungsbefugnis durch den Erlaß von Rechtsverordnungen betätigt. Rechtsverordnungen sind damit als abgeleitete Rechtsquellen Ausdruck einer delegierten Rechtsetzung, einer Dekonzentration der Gesetzgebung. Als hoheitliche, abstrakt-generelle Regelungen der Regierungs- und Verwaltungsorgane sind Rechtsverordnungen ebenso wie förmliche Gesetze Rechtsquellen, aus denen allgemein-verbindliches, d. h. für den Bürger ebenso wie für den Beamten und den urteilenden Richter maßgebliches und zu beachtendes Recht fließt. Die Rechtsverordnung soll das Gesetz nicht ersetzen, sondern von technischen Details und ephemeren Regelungen sowie rein fachorientierten, sachbedingten Anordnungen ohne oder mit nur geringem politischen Entscheidungsgehalt ent31
Vgl. Sendler, Zum Stand der Erörterungen über ein Verwaltungsverfahrensgesetz, A ö R 94'(1969), 130ff. 32 Vgl. BT-Drucks. 6/1173; 7/910; BR-Drucks. 269/70; 227/73. 33 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vom 25. Mai 1976 (BGBl. I 1253). 33a Vgl. die Aufstellung bei Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977, S. 319ff. 34 Literatur: Wilke, Bundesverfassungsgericht und Rechtsverordnungen, A ö R 98 (1973), 196ff. ; Z. Giacometti (Fn. 1) S. 148ff. ; Wolfgang Sturmhöfel, Das Verordnungsrecht im Gewaltenteilungssystem des Grundgesetzes, Diss. Mainz, 1964; Magiera, Allgemeine Regelungsgewalt („Rechtssetzung") zwischen Parlament und Regierung, in: Der Staat 1974, i f f . ; Kirchhof, Rechtsquellen und Grundgesetz, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, II, 1976, S. 50ff. (82ff.); Heinz Mayer, Die Verordnung, 1977. 72
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§ 7
1112
lasten 3 5 . Insoweit ist das R e c h t s verordnungsrecht der Exekutive nicht nur verfassungsrechtlich legitim, sondern schlechthin unentbehrlich. E i n e besonnene Anwendung der Rechtsverordnungsbefugnis führt keineswegs zu einem Machtverlust des Parlaments im legislativen Bereich, sondern hat im Gegenteil den E f f e k t , daß das (förmliche) parlamentsbeschlossene G e s e t z seine eigentliche Aufgabe und F u n k t i o n , nämlich in der Flut der Paragraphen die tragenden politischen Entscheidungen für das Gemeinwesen zu treffen, wiedergewinnt. D i e praktische Bedeutung der Rechtsverordnung mußte somit in dem Maße zunehmen, in dem der Staat im Zeichen eines weit verstandenen Sozialstaatsprinzips ein umfassendes Mandat für eine aktive Wirtschafts-, Gesellschafts- und K u l t u r politik für sich in Anspruch nahm. In der Zeit von 1949 bis 1965 sind auf Bundesebene 1298 Gesetze und 4 2 2 8 Rechtsverordnungen (pro W e r k t a g : eine R V O ) erlassen w o r d e n 3 6 . D i e Zahlen sind in der Folgezeit weiter angestiegen 3 6 ". B e z e i c h nend ist, daß die meisten Rechtsverordnungen im Bereich des F i n a n z - und W i r t schaftsrechts sowie des Sozialrechts gezählt wurden.
2. Verhältnis
von
Gesetz
und
Verordnung
Schon diese Zahlen erwecken den E i n d r u c k , als träte die Rechtsverordnung im modernen Industriestaat in K o n k u r r e n z zum G e s e t z . Geschichtliche Erfahrungen in Deutschland bestätigen diese Vermutung. Deshalb hat das Verhältnis von G e setz und Rechtsverordnung stets besondere Beachtung gefunden 3 7 . a) D o g m a t i s c h ist dieses Verhältnis von G e s e t z und Rechtsverordnung nach geltendem Verfassungsrecht prinzipiell eindeutig. E i n e echte K o n k u r r e n z zwischen beiden Rechtsetzungsformen kann es nicht geben. D i e Verordnungsermächtigung bedeutet Übertragung rechtsetzender Gewalt durch die Legislative auf die E x e k u tive. N a c h der seit Triepel38 eingebürgerten T e r m i n o l o g i e erweist sich diese Ü b e r tragung als Fall einer unechten Delegation, weil der Gesetzgeber die Delegation „stets unter stillschweigendem V o r b e h a l t künftiger und jederzeit möglicher eigener Ausübung seiner Zuständigkeit" v o r n i m m t , also im Gegensatz zur echten (devolvierenden) Delegation kein Kompetenzverlust eintritt 3 9 . Überdies wird die Ü b e r legenheit des Gesetzes gegenüber der Rechtsverordnung durch den sog. Vorrang des Gesetzes gesichert. Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942, S. 111; Wilke, AöR 98 (1973), 196ff., 213. 3 6 Vgl. Hasskarl, DÖV 1968, 558ff. 36* Vgl. Antwort der Bundesregierung vom 22. 3. 1977, BT-Drucks. 8/212 (516 Gesetze in der 7. Legislaturperiode); auch abgedruckt in DÖV 1977, 438. 3 7 Vgl. Bossung, Gesetz und Verordnung, 1936; Stratenwerth, Verordnung und Verordnungsrecht im Deutschen Reich, 1936; Roetbe, AöR 59 (1931), 194, 321 ; Jacobi, AöR 39 (1920), 273. 3 8 Delegation und Mandat, S. 58. 3 9 Vgl. Peter, AöR 92 (1967), 357ff., 368. 35
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Allerdings schützt diese dogmatische Konstruktion nicht vor einer politischen Praxis, in der der Gesetzgeber die „Flucht aus der Verantwortung" 4 0 antritt und die ihm zustehende und obliegende Rechtsetzungsmacht im Übermaß auf die Exekutive delegiert. Namentlich diese Gefahr, freilich auch umgekehrt die einer Kompetenzusurpation durch die Regierung und Verwaltung, muß man im Auge behalten, wenn man die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das eine Verordnungsermächtigung enthaltende Gesetz betrachtet 41 . b) Das Erfordernis einer formalgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß von Rechtsverordnungen folgt prinzipiell schon aus deren Charakter als abgeleiteter Rechtsquelle. Indessen kann diese Ermächtigungsgrundlage unterschiedlich aussehen. Sie kann sowohl in der Verfassung wie auch in einem förmlichen Gesetz enthalten sein und inhaltlich entweder allgemein oder nur für bestimmte Materien und Fragen spezifiziert erteilt sein. Spezifizierende Einengungen der exekutivischen Verordnungsgewalt waren der Weimarer Verfassung fremd. Nicht einmal die Bindungen der Verfassung selbst galten für eine vom Gesetzgeber entsprechend ermächtigte Exekutive als unüberwindbar 42 . Der Erlaß von Rechtsverordnungen avancierte damit zur „vereinfachten Form der Gesetzgebung" 4 3 . Hinzu kamen die Erfahrungen mit den sog. Diktaturverordnungen auf der Grundlage des Art. 48 WRV 4 4 , die „das förmliche Gesetz fast zur Ausnahmeerscheinung gegenüber der Rechtsverordnung machten" 4 5 . Schließlich folgte die förmliche Inthronisierung der Reichsregierung als Gesetzgeber im nationalsozialistischen Staat 46 . — Als Antwort des Verfassungsgebers auf diesen Verfall rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien ist Art. 80 G G zu verstehen 47 , der auf Bundesebene verfassungsrechtliche Kautelen gegen eine geräuschlose Verschiebung der Rechtsetzungsmacht auf die Exekutive vorsieht. Deshalb müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Dieser Bestimmtheitsgrundsatz liefert jedoch für die Entscheidung des Einzelfalles keine konkreten Maßstäbe. Der disziplinierende Effekt des Art. 80 G G hängt deshalb weitgehend von der Rechtsprechung ab. Die Auffassungen und Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts schwanken und werden im Schrifttum 40
41
42 43 44
45 46
47
74
Vgl. Friedrich Klein, Die Übertragung rechtsetzender Gewalt nach deutschem Verfassungsrecht, in: Übertragung rechtsetzender Gewalt im Rechtsstaat, 1952, S. 79ff. (85); Maunz bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 80 Rn. 2. Dazu unter dem besonderen Aspekt der Weimarer Verhältnisse: Jacobi, Die Rechtsverordnungen, HdbDStR II, § 77, S. 239; ferner BVerfGE 34, 52 (59) = D Ö V 1973, 132. Vgl. Jacobi (Fn. 41) S. 240f. Vgl. Wilke bei von Mangoldt/Klein, GG, Bd. III, Art. 80 Anm. II l a , S. 1905. Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, S. 279f. So Jacobi (Fn. 41) S. 239. Art. 4 des Gesetzes über den Neuaufbau des Reichs vom 30. Januar 1934 (RGBl. I S. 75): „Die Reichsregierung kann neues Verfassungsrecht setzen". Vgl. Wilke bei von Mangoldt/Klein, GG, Bd. III, Art. 80 Anm. II 1 c, S. 1906.
§7
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unterschiedlich gewürdigt 4 8 . Nach neueren Entscheidungen genügt es, „wenn Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigungsvorschrift nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus ihrem Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften des Gesetzes und aus dem von der gesetzlichen Regelung insgesamt verfolgten Ziel unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ermittelt wenden können" 4 9 . Kritik an einer angeblichen Engherzigkeit der Rechtsprechung läßt sich aufgrund dieser allgemein gehaltenen Formulierungen wohl kaum rechtfertigen 50 . Dem Bestimmtheitserfordernis, das auch in einigen Landesverfassungen wiederkehrt 5 1 , genügen auch die landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen 5 2 für den Erlaß von Polizeiverordnungen bzw. Ordnungsverordnungen53, denn die Formel „Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder O r d n u n g " hat durch jahrzehntelange Lehre und Rechtsprechung eine konkrete Gestalt gewonnen 5 4 . Umstritten ist die Frage, ob auch gesetzändernde Rechtsverordnungen zulässig sind 5 5 . Über diese Frage abstrakt-dogmatisch zu diskutieren, würde an den praktischen Problemen vorbeiführen. Trotz eines starken Gegenargumentes aus Art. 129 Abs. 3 G G besteht ein unabweisbares „Entlastungsinteresse" des delegierenden Gesetzgebers, welches zu einer ausnahmsweisen Zulässigkeit gesetzändernder Rechtsverordnungen nötigt 5 6 . § 10 des Ladenschlußgesetzes bildet hierfür ein einleuchtendes Beispiel 5 7 . Gesetzvertretende Rechtsverordnungen sind dagegen verfassungswidrig, sofern das Grundgesetz sie für Einzelfälle nicht selbst ausnahmsweise zuläßt (vgl. Art. 119 G G ) 5 8 . 3.
Verordnungsgeber
Die potentiellen Verordnungsgeber sind nicht auf die Exekutivspitze beschränkt, sondern auf alle Verwaltungsstufen verteilt. Rechtsverordnungen können von der Regierung, von einzelnen Ministern, aber auch von nachgeordneten Behörden (Regierungspräsidenten, Polizeipräsidenten, Ordnungsbehörden) erlassen werden. 48 49 50 51
52
53 54 55
56 57
58
Vgl. die sorgfältige Analyse von Hasskarl, A ö R 94 (1969), 85 ff. B V e r f G E 26, 16, 27; 29, 198, 210 - Verweisung auf Gemeinschaftsrecht. Vgl. Wolff/Bacbof, VwR I, § 25 V i l a ) 1. BW Art. 61; H a m b . A n . 53; N d s . Art. 34; N W Art. 70; S H Art. 33; anders Hess. Art. 118. Für die Art. 80 G G als ¿ « » ¿ « g e s e t z l i c h e Vorschrift nicht unmittelbar gilt (BVerfGE 12, 319, 325; 19, 253, 256). Vgl. §§ 2 7 f f . N W O B G . Vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Auflage 1977, S. 30ff. Dazu Peter, A ö R 92 (1967), 3 5 7 f f . ; Schack, J Z 1964, 252; Hans-Richard Lange, J R 1968, 8 ; Sinn, Die Änderung gesetzlicher Regelungen durch einfache Rechtsverordnung, 1971; Wilke, A ö R 98 (1973), 196ff., 243ff. Vgl. Peter, A ö R 92 (1967), 3 5 7 f f . , 375; Wolff/Bachof, VwR I, § 2 5 V I I b ) l ß . Sartorius N r . 805. Wolff/Bachof V w R I, § 25 VII b) 2.
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a) Art. 80 Abs. 1 G G zählt als potentielle Adressaten einer Verordnungsermächtigung die Bundesregierung, einen Bundesminister und die Landesregierungen auf. Erläßt eine Landesregierung auf bundesgesetzlicher Grundlage Rechtsverordnungen, so entsteht die Frage, ob diese Verordnungen (territorial beschränktes) Bundesrecht oder Landesrecht darstellen. Die Rechtsprechung qualifiziert sie als Landesrecht59. b) Meist eröffnen die Verfassungen die Möglichkeit zu bestimmen, daß die Verordnungsermächtigung an nachgeordnete Instanzetj weitergegeben werden kann 60 . Einen solchen Weg genereller Subdelegation eröffnet das Bundesgesetz über Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen 61 den Landesregierungen.
4.
Verfahren
Das Verfahren für das ordnungsgemäße Zustandekommen von Rechtsverordnungen ist unterschiedlich geregelt. Für Polizei- und Ordnungsverordnungen bestehen durchweg detaillierte Regelungen über Form und Verfahren, die sich aus den Länderverfassungen und speziellen Polizei- und Ordnungsgesetzen ergeben 62 . a) Der Erlaß von Bundesrechtsverordnungen ist nur sporadisch geregelt. Das (interne) Verfahren ergibt sich aus der Geschäftsordnung der Bundesregierung 63 und der gemeinsamen Geschäftsordnung für die Bundesministerien 64 . b) Nach Art. 80 Abs. 2 G G bedürfen bestimmte Gruppen von Rechtsverordnungen der Zustimmung des Bundesrates. In der Praxis ist diese Zustimmung die Regel 65 . Die Zustimmung des Bundestages ist als Gültigkeitsvoraussetzung für Rechtsverordnungen im Grundgesetz nicht vorgesehen. Gleichwohl werden parlamentarische Zustimmungsverordnungen allgemein für zulässig gehalten, weil der parlamentarische Zustimmungsvorbehalt „im Vergleich zur vollen Delegation der Rechtsetzung auf die Exekutive ein Minus" darstellt 66 . Die Zustimmungsverordnung hat sich namentlich im finanz- und wirtschaftspolitischen Bereich als ein geeignetes Regelungsinstrument erwiesen 67 , das die Vorteile der Verordnungsgebung und die 59
60 61 62 63 64 65 66
67
76
BVerfGE 18, 407; DVB1. 1965, 565; BayVerfGH DVB1. 1963, 101; HessStGH D Ö V 1970, 132; a.A. mit beachtlichen Gründen: Wilke bei von Mangoldt/Klein, G G , Bd. III, Art. 80 A n m . V 4 c , S. 1928ff.; Menger/Erichsen, VerwArch. 1966, 64ff. Art. 80 Abs. 1 Satz 4 G G , Art. 70 Satz 4 LV N W . Sartorius N r . 8. Vgl. Götz (Fn. 54) S. 211. Sartorius N r . 38, §§ 15 I b , 26 II, 30. Lechner/Hülshoff, Parlament und Regierung, 3. Auflage 1971, S. 414 ( G G O II). Vgl. Wilke, A ö R 98 (1973), 196ff., 224ff. BVerfGE 8, 274, 321; Grupp, Zur Mitwirkung des Bundestages bei dem Erlaß von Rechtsverordnungen, DVB1. 1974, 177. Vgl. z . B . § 5 1 Abs. 2 EStG in der durch § 2 6 N r . 3 Stabilitätsgesetz neu geschaffenen Fassung (BGBl. 19671, S. 582); dazu Wilke, A ö R 93 (1968), 270 (299); vgl. ferner § 2 7
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§7
IV
Bewahrung der Verantwortung des Bundestages in glücklicher Weise miteinander verbindet. Die Zulässigkeit eines Zustimmungsvorbehaltes zugunsten von Parlamentsausschüssen wird dagegen verneint68. Die ablehnenden Begründungen erscheinen indessen zu pauschal. Die Aktivierung der Parlamentsausschüsse auch für die Verordnungsgebung kann in gewissen Grenzen durchaus sinnvoll erscheinen69. c) Wie alle Rechtsnormen bedürfen Rechtsverordnungen schließlich der ordnungsgemäßen Verkündung. Rechtsverordnungen des Bundes werden im Bundesgesetzblatt oder im Bundesanzeiger70, Rechtsverordnungen der Landesregierungen und Landesminister in den Gesetz- und Verordnungsblättern der Länder verkündet 71 . Für Rechtsverordnungen nachgeordneter Instanzen bestehen besondere Verkündungsblätter. IV. Verwaltungsvorschriften 72 Die Verwaltungsvorschriften werden auch in den herkömmlichen Darstellungen des Verwaltungsrechts im Kapitel der Rechtsquellenlehre mitbehandelt; dies jedoch nicht deswegen, weil man die Verwaltungsvorschriften als Rechtsnormen betrachtet, sondern weil sich in der Gegenüberstellung von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften die nach der konstitutionellen Lehre echten Rechtsquellen in anschaulicher Weise von den Regelungen im sog. Innenbereich der Verwaltung, der nicht dem Recht zugerechnet wurde, abtrennen lassen. Mit dem Wegfall der Grundlagen der konstitutionellen Verwaltungsrechtslehre ist diese Gegenüberstellung von Recht und Nicht-Recht hinfällig geworden. Die deutsche Verwaltungsrechtslehre und noch zögernder die Judikatur haben indessen erst im vergangenen
Abs. 2 A W G (Recht des Bundestages, die Aufhebung in Kraft getretener Rechtsverordnungen zu verlangen). 68
BVerfGE 4, 193; Maunz bei M a u n z / D ü r i g / H e r z o g , G G , Art. 80 R n . 2 7 ; Fleck bei Geller/Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes N R W , 2. Auflage, 1963, Art. 70 Anm. 12 c).
69
Vgl. zum Problem: von Lucius, Gesetzgebung durch Parlamentsausschüsse, A ö R 97 (1972), 5 6 8 ; ferner: Wilfried Berg, in: Der Staat 9 (1970), 21.
70
Gesetz über die Verkündung von Rechtsverordnungen vom 30. Januar 1950 (Sartorius N r . 70). Vgl. z . B . Art. 71 Abs. 2 LV N W .
71 72
Literatur: Brohm, Verwaltungsvorschriften und besonderes Gewaltverhältnis, D Ö V 1964, 2 3 8 ; Hans Klein, Rechtsqualität und Rechtswirkung von Verwaltungsnormen, in: Festgabe für Ernst Forsthoff, 1967, S. 163; Ossenbiihl, Die Verwaltungsvorschriften in der verwaltungsgerichtlichen Praxis, A ö R 92 (1967), S. 1; ders. (Fn. 10); Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1 9 6 9 ; Selmer, Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift, VerwArch. 59 (1968), 1 1 4 ; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 19ff. ; Menger, Verwaltungsrichtlinien — autonome Rechtsetzung durch die Exekutive?, in: Demokratie und Verwaltung, Schriftenreihe der H o c h schule Speyer 1972, S. 2 9 9 ; Kirchof {Fn. 34) S. 88ff. 77
§7
IV1, 2
Fritz Ossenbiihl
Jahrzehnt begonnen, aus dieser Erkenntnis die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Der sachgerechte Einbau der Verwaltungs Vorschriften in die Rechtsquellenlehre ist als Gegenwartsaufgabe erkannt und schon teilweise vollzogen, auch wenn es z . T . noch neuere Lehrbücher gibt, die hiervon keine Notiz nehmen 7 3 .
1. Begriff und
Terminologie
Die Schwierigkeiten einer Darstellung der im Wandel befindlichen Kategorie der Verwaltungsvorschriften setzt schon bei der rein sprachlichen Verständigung ein 7 4 . Unter Verwaltungsvorschriften 75 versteht man heute solche Regelungen, die innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Verwaltungsinstanzen oder Vorgesetzten an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete ergehen und die dazu dienen, Organisation und Handeln der Verwaltung (ζ. B. Gesetzesvollzug, Ermessensausübung, Verwaltungsverfahren) näher zu bestimmen 7 6 . Die Bezeichnungen sind unterschiedlich. Ministerielle Verwaltungsvorschriften ergehen regelmäßig als Erlasse; Verwaltungsvorschriften anderer Behörden heißen Verfügungen, Dienstanweisungen, Richtlinien, Anordnungen usw. Die am Gesetzesvorbehalt orientierte konstitutionelle Verengung des Rechtssatzbegriffs hat früher dazu geführt, daß unter dem Sammelbegriff Verwaltungsvorschriften alle Regelungen zusammengefaßt wurden, die nicht in den Vorbehaltsbereich der Legislative fielen 7 7 . Deshalb wurden auch die sog. Anstaltsordnungen zu den Verwaltungsvorschriften gerechnet. In jüngerer Zeit sind jedoch die Regelungen in besonderen Gewaltverhältnissen (Schule, Universität, Strafanstalt usw.) als eigene Kategorie aus den Verwaltungsvorschriften eliminiert und unter dem Terminus „Sonderverordnungen" zusammengefaßt worden 7 8 .
2. Typologie der
Verwaltungsvorschriften
Obgleich die Kategorie der Verwaltungsvorschriften durch die Ausklammerung der Sonderverordnungen kräftig entschlackt worden ist und rechtliches Profil gewonnen hat, ist ihr denkbarer sachgegenständlicher Inhalt sehr unterschiedlich ; er deckt sich praktisch mit der Weite des Funktionsbereichs der Verwaltung
73
74 75 76 77 78
78
So etwa Landmann/Giers/Proksch, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1969, S. 40 ff. ; Franz Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1972, S. 13ff. ; anders jetzt in der 4. Auflage, 1977, S. 21 ; vgl. auch Forsthoff, VwR, S. 139. Vgl. Ossenbühl (Fn. 10) S. 29 ff. Heute weniger gebräuchlich: Verwaltungsverordnungen. Wolff/Bachof, VwR I, §24 II d) 2. ; Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 1, 20. Vgl. noch Forsthoff, VwR, S. 139. Dazu unter V.
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§7
IV 2
schlechthin. Die folgende Ubersicht gibt nur eine grobe, weiterer Differenzierung bedürftige Einteilung wieder 79 . a) Organisatorische Vorschriften regeln den Aufbau und die innere Ordnung, sowie Zuständigkeiten und Verfahren der Behörden im Rahmen der exekutiven Organisationsgewalt 80 . b) Verhaltenslenkende Verwaltungsvorschriften leiten die Verwaltung in ihren Aktionen. aa) Als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften 81 (Auslegungserlasse) dienen sie der Klärung rechtlicher Zweifelsfragen, die bei jedem Gesetz aufzutauchen pflegen, nehmen dem Heer von rechtsanwendenden Bediensteten an der Verwaltungsfront zeitraubende und oft auch dort nicht zu bewältigende Denkarbeit ab und tragen damit zur Rationalisierung der Verwaltungsarbeit und Vereinheitlichung der Rechtsanwendung bei 8 2 . bb) Als Ermessensrichtlinien liefern die Verwaltungsvorschriften Entscheidungsmaßstäbe und Entscheidungsmuster für eine sachgemäße Ausübung des Verwaltungsermessens. Unter ihnen bilden di e Subventionsrichtlinien die praktisch bedeutsamste, aber auch rechtlich problemreichste Kategorie, weil das „subventionäre" 83 Ermessen über die Kapazität des herkömmlichen gesetzesakzessorischen, d.h. gesetzlich weitgehend determinierten und dirigierten administrativen Ermessens weit hinausgeht, so daß den Subventionsrichtlinien die „Funktion von gesetzesvertretenden Verordnungen" 84 zufällt. cc) Als Vereinfachungsanweisungen sind Verwaltungsvorschriften namentlich im Steuerrecht gang und gäbe, und sie dienen hier dazu, den Vorgang der Besteuerung durch Pauschalierungen, Bagatellgrenzen und Schätzungsrichtlinien zu vereinfachen 85 . c) Schließlich können Verwaltungsvorschriften auch über den Bereich eines Verwaltungsträgers hinausreichen und sich an die Adresse eines anderen Verwaltungsträgers richten. Solche intersubjektiven Verwaltungsvorschriften existieren nicht nur im Verhältnis zwischen Bund und Ländern (Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 G G ) sowie Ländern und Gemeinden, sondern auch zwischen anderen Verwaltungsträgern 86 .
79 80 81 82 83 84
Näheres bei Ossenbübl (Fn. 10) S. 2 5 0 - 4 5 0 . Dazu Ernst-Wolfgang Böckenförde (Fn. 18) S. 21 ff.; Ossenbübl (Fn. 10) S. 250ff. B V e r w G E 34, 2 7 8 , 281. Ossenbübl (Fn. 10) S. 2 8 4 . Ipsen, W D S t R L 25 (1967), 282. Friedrich Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen der Gemeinschaftsaufgaben, in: Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 11, 1961, S. 25 (171); Menger ( F n . 72), S. 310.
85
Dazu Kampe, Verwaltungsvorschriften und Steuerprozeß, 1965, S. 31 ff. ; Jaenke, waltungsvorschriften im Steuerrecht, 1959, S. 117ff.
86
Näheres bei Ossenbübl
Ver-
(Fn. 10) S. 3 6 2 - 4 5 0 .
79
§7
Fritz Ossenbühl
IV 3 3.
Rechtsnatur
Die Frage nach der Rechtsnatur, genauer: nach dem Rechtsquellencharakter der Verwaltungsvorschriften gilt weithin als das Kernproblem dieser Regelungskategorie. Die einen konstatieren apodiktisch „keine Rechtsnormen" 87 , die anderen schreiben „zweifellos Rechtsnormen" 88 . Solche Evidenz, mit der diametral gegenüberstehende Feststellungen umgeben werden, kann ihren Grund nur in einer unterschiedlichen Sichtweise haben. In der Tat wird seit Jahrzehnten ständig auf zwei verschiedenen Ebenen diskutiert89, ohne daß dies — namentlich in der Judikatur — voll bewußt geworden wäre. Die Gleichung : Verwaltungsvorschriften = Nicht-Recht stimmt nur in dem Koordinatensystem des Rechts, welches dem historisch-konventionell verengten Rechtssatzbegriff des 19. Jahrhunderts zugrunde liegt. Dagegen sind Verwaltungsvorschriften unter rechtstheoretischem Aspekt in der Tat „zweifellos Rechtsnormen" 90 . Der entscheidende, aber längst erkannte Fehler liegt nun darin, daß das historisch-konventionelle Begriffsarsenal der Rechtsquellenlehre verabsolutiert, d. h. als rechtstheoretisches Rüstzeug ausgegeben wird. Auf diese Weise hat sich eine verhängnisvolle Befangenheit im Denken entwickelt, die es der Verwaltungsrechtslehre und namentlich der Judikatur verwehrt, über den Schatten der eigenen Vergangenheit zu springen. Mit am geltenden Recht orientierten dogmatischen Begriffen lassen sich nun einmal keine rechtstheoretischen Aussagen machen; umgekehrt gilt dasselbe. Demnach erweist sich die Frage nach der Rechtssatzeigenschaft der Verwaltungsvorschriften als ein Scheinproblem. Ob sie Rechtssätze im Sinne der konstitutionellen Doktrin darstellen, interessiert für das geltende Recht nicht mehr91. Andererseits besagt die Feststellung, daß Verwaltungsvorschriften Rechtssätze im rechtstheoretischen Sinne sind, nichts für die praktisch interessierenden Fragen nach den Modalitäten der Rechtserzeugung, der Bindungswirkung und dem Rechtsschutz. 87
88 89 90
91
80
Franz Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage 1972, S. 15; etwas abgemildert in der 4. Auflage, 1977, S. 21. Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, 1971, S. 119. Eindringlich dargestellt bei Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 1, 6 ff. Diese Erkenntnis ist schon klar ausgesprochen von Erich Kaufmann, Artikel „Verwaltung, Verwaltungsrecht", in: von Stengel-Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, 1914, Bd. III, S. 688, 696 r. Sp.; Thoma, Der Vorbehalt des Gesetzes im preußischen Verfassungsrecht, in: Festgabe für Otto Mayer, 1916, S. 107, 176; ders., Grundbegriffe und Grundsätze, HdbDStR II, S. 124f.; Hinweise auch schon bei Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Bd. II, S. 190 Fn. 6. — Vgl. aus neuerer Zeit Meyer-Cording (Fn. 88); Ossenbühl (Fn. 10) S. 160ff. Böckenförde/ Grawert, AöR 95 (1970), 1, 18 f. ; Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, passim; ders., JuS 1971, 184, 187ff. Daran kranken auch die Ausführungen von Menger (Fn. 72) S. 301, der stillschweigend von einem überholten Begriff der Rechtsnorm ausgeht; vgl. dagegen Walter Schmidt, JuS 1971, 184, 187f.
§ 7 IV 4
Die Quellen des Verwaltungsrechts
Diese Fragen lassen sich nur nach geltendem Recht und nur in differenzierender Sicht beantworten 92 . Dabei muß trotz der notwendigen Begriffsabhängigkeit des Denkens bewußt bleiben, daß der verfassungsdogmatische Begriff des Rechtssatzes selbst nur verfassungsrechtliche Machtlagen und Funktionsbereiche einfangen und verbal fixieren soll. In differenzierteren Rechtssystemen sind Rechtsquellen stets nach ihrer Eigenart verschieden. Diese Eigenart festzustellen, ist Aufgabe der Rechtsquellenlehre. Mit der Subsumtion unter vorgefaßte Begriffe läßt sich hier kein Problem lösen.
4.
Bindungswirkung
Unter den verschiedenen Eigenarten und Eigenschaften einer Rechtsquelle steht sicherlich deren Bindungswirkung im Vordergrund. Um den verschiedenen Verwaltungsvorschriften nach der Intensität und Reichweite ihrer Bindungswirkung gerecht zu werden, muß in mehrfacher Weise differenziert werden. a) Die Verwaltungsvorschriften sind durchweg an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete adressiert, die kraft der Geschäftsleitungs- oder/und Organisationsgewalt der vorgesetzten Stelle an diese Vorschriften gebunden sind. Diese sog. Innenwirkung der VerwaltungsVorschriften ist niemals kontrovers gewesen. Aber sie ist bislang als die einzige rechtliche Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften erachtet worden. Bis in die Gegenwart werden die Verwaltungsvorschriften gerade wegen dieser Beschränkung auf den „Innenbereich" den Rechtsverordnungen gegenübergestellt, denen unmittelbare Verbindlichkeit im „Außenbereich", d . h . im Verhältnis Hoheitsträger—Bürger zukommt 9 3 . b) Indessen wird bei einer solchen pauschalierenden Entgegensetzung von „Innenbereich" und „Außenbereich" außer Ansatz gelassen, daß von jeher rechtliche Verknüpfungen zwischen beiden Bereichen bestanden, durch die Verwaltungsvorschriften extravertiert wurden. So hat schon das Reichsgericht 94 anerkannt, daß Amtspflichten, deren Verletzung nach § 839 B G B die Amtshaftung auslöst, durch allgemeine Dienstbefehle und Einzelbefehle an Bedienstete der öffentlichen Verwaltung begründet werden können. Ähnliche Verflechtungen zwischen Verwaltungsvorschriften und Gesetzesrecht lassen sich im Strafrecht nachweisen 95 . 92
93 94
95
Vgl. Böckenförde (Fn. 18) S. 69; Ossenbühl (Fn. 10) S. 154 ff.; Böckenförde ! Gr awert, AöR 9 5 (1970), 19. Vgl. BVerwG N J W 1972, 1483 m. Anm. Helmers, ebenda S. 2012. RG J W 1906, 745 (Beachtung der Dienstvorschriften über Schußwaffen der Polizeibeamten schließt Rechtswidrigkeit i. S. v. § 839 BGB aus!), Warneyer Erg.-Bd. 1915, 48lff. ; J W 1925, 956 Nr. 26; J W 1934, 2398, 2399; RGZ 148, 256; 145, 215; 105, 100; 87, 4 1 4 ; 51, 261. - Ebenso Β GHZ 10, 389, 390; 26, 232, 234; 27, 278, 282 = N J W 1958, 1234, 1235 m. Anm. Nedden ebenda S. 1819; 34, 375 = VersR 1961, 471; VersR 1961, 5 1 2 ; 1963, 845. Vgl. Ossenbühl (Fn. 10), S. 491 ff. 81
6
Allgemeines Verwaltungsrecht
§7
IV 4
Fritz Ossenbiihl
c) Darüber hinaus geht die höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, daß Zuständigkeitsvorschriften und Verfahrensregelungen der Verwaltung, die eine bewußt offengelassene Regelungslücke ausfüllen und ein förmliches Gesetz erst vollziehbar machen, eine unmittelbare, nicht erst durch Gesetze vermittelte Außenwirkung haben und damit allgemeinverbindliches Recht erzeugen96. Zuständigkeitsregelungen können, müssen aber nicht durch förmliches Gesetz oder Rechtsverordnung getroffen werden, unterliegen also nicht dem Gesetzesvorbehalt. Andererseits ist die Zuständigkeit der Behörden, was sich namentlich im Verwaltungsprozeß zeigt, auch im Verhältnis zwischen Hoheitsträger und Bürger von oft ausschlaggebender Bedeutung97. Regeln aber solche administrativen Zuständigkeitsvorschriften (Verwaltungsvorschriften) mit allgemeinverbindlicher Wirkung das Staat-Bürger-Verhältnis, so stehen sie auch in der Bindungswirkung den Rechtsverordnungen im herkömmlichen Sinne nicht nach ; im Gegenteil : sie erweisen sich als nicht von der Legislative abgeleitetes, als originäres Exekutivrecht. Freilich ist auch hierbei die Wirkungsweite des Gesetzesvorbehaltes zu beachten. Deshalb können solche Verfahrensregelungen nicht als Verwaltungsvorschriften erlassen werden, die einschneidende Eingriffe in Grundrechtspositionen enthalten oder solche Positionen maßgeblich ausprägen. So hat das Bundesverwaltungsgericht mit Recht die Vergaberichtlinien für die Bewerberauswahl bei der Zuteilung von Güterfernverkehrsgenehmigungen für verfassungswidrig erklärt, weil sie in das Grundrecht des Art. 12 I GG eingreifen und deshalb der gesetzlichen Grundlage bedürfen97*. d) Man muß indessen noch einen Schritt weitergehen. In weit intensiverem Maße als durch organisatorische Regelungen wird das Staat-Bürger-Verhältnis durch verhaltenslenkende Verwaltungsvorschriften tangiert und determiniert. Man denke nur etwa an die Vielzahl der Steuerrichtlinien, die die Praxis der Finanzbehörden widerspiegeln und auch beim Steuerpflichtigen häufig mehr Beachtung finden als die förmlichen Steuergesetze. Erwähnt seien ferner ministerielle Auslegungsvorschriften zum Wehrpflichtgesetz oder Subventionsrichtlinien, die den vitalen Lebenskreis der Bürger oft stärker und nachhaltiger berühren als Gesetz und Verfassung. Inwieweit solche verhaltenslenkenden Verwaltungsvorschriften das sog. Außenverhältnis mitgestalten, hängt von ihrem Inhalt ab. Betrifft dieser Inhalt den von Verfassung wegen der Verwaltung zugeordneten oder eröffneten Funktionsbereich, kann man, wie bei den Zuständigkeitsvorschriften, die Annahme einer Außenwirkung von Verfahrensvorschriften nicht ausschließen. aa) Bei den norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften wird im allgemeinen ein eigenfunktioneller Bereich der Verwaltung nicht anerkannt98. Nur in Aus96
97 97a 98
82
Vgl. BVerwGE 36, 327 = DÖV 1971, 3 1 7 ; D Ö V 1972, 129; BayVGH BayVBl. 1970, 4 0 8 ; betr. Verfahrensvorschriften: BVerfGE 40, 237. Näheres bei Ossenbühl (Fn. 10) S. 597 ff. B V e r w G N J W 1977, 9 1 5 ; dazu Selmer, JuS 1977, 616. Vgl. BVerwG N J W 1972, 1483 m. Anm. Helmers, ebenda S. 2 0 1 2 ; O V G Münster N J W 1976, 2360 = DVB1. 1976, 790.
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§7
IV 4
nahmefällen wird der Verwaltung hier ein Beurteilungsspielraum zugestanden". Prinzipiell gilt aber die Interpretation des Gesetzes als ureigene Aufgabe des Richters 1 0 0 . Norminterpretierende VerwaltungsVorschriften haben deshalb für den Richter keinen größeren „Beweis- und Bindungswert" als Stellungnahmen des Schrifttums. Problematisch wird die Lage aber auch im Normauslegungsbereich dann, wenn die Verwaltung in ihren Auslegungserlassen zu Eingriffsgesetzen einen für den Bürger günstigeren Standpunkt einnimmt als die Gerichte, diesen Standpunkt jedoch in Einzelfällen nicht einhält 101 . Dann stehen Gesetzesbindung der Verwaltung und Gleichheitsgebot unversöhnlich gegenüber. Die überwiegend vertretene Auffassung 102 , es gebe keine Gleichheit im Unrecht und keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung, vermag dann nicht stets zu befriedigenden Ergebnissen zu führen 1 0 3 ; sie erscheint aber unvermeidlich, will man nicht mit dem Hebel des Gleichheitssatzes die Gesetzesbindung der Verwaltung aus den Angeln heben 1 0 4 . bb) Anders liegen die Dinge bei den anderen verhaltenslenkenden Verwaltungsvorschriften, namentlich den Ermessensrichtlinien. Sie betreffen im Gegensatz zu den norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften einen Bereich, in dem die Verwaltung eigene Maßstäbe setzen kann und einen Entscheidungsspielraum hat, der nur in beschränktem Umfang der richterlichen Kontrolle unterliegt. Hier geht es nicht um eine vollständige Determinierung des Verwaltungshandelns, deren gesetzliche Direktiven nur verdeutlicht, nicht aber ergänzt oder ausgefüllt werden könVgl. BVerwGE 39, 197; dazu Bachof, JZ 1972, 208 ; Ossenbühl, DÖV 1972, 401 ; SchmidtEichstaedt, AöR 98 (1973), 173ff. ; ferner BVerwG DVBl. 1972, 895 mit Anm. Redeker (Importquotenurteil); VG Berlin NJW 1973, 1148; dazu Ossenbühl, DVBl. 1974, S. 309; — Für den Bereich dieser Beurteilungsspielräume kommt dann freilich auch eine Gleichheitsbindung der Verwaltung durch norminterpretierende Verwaltungsvorschriften in Betracht; vgl. Walter Schmidt, JuS 1971, 184, 188; Menger, VerwArch. 63 (1972), 213. 100 Vgl jesch (Fn. 15) S. 233; den., JZ 1961, 520. 101 Dazu BVerwGE 34, 278 = NJW 1970, 675 = DÖV 1970, 275; 36, 313 = NJW 1971, 1578; NJW 1972, 1483 mit Anm. Helmers, NJW 1972, 2012; Menger, VerwArch. 63 (1972), 213; Ossenbühl, DÖV 1970, 264. 102 BVerwGE 5, 1, 8; BSGE 7, 75, 78; 15, 137, 141; BGHZ 19, 348; OVG Münster OVGE 11, 196, 201; Ipsen, Gleichheit, in: Die Grundrechte II, 111, 148; Dürig, Der Gleichheitssatz als Verfassungsrechtssatz in: Staatslexikon, 6. Aufl., Bd. III Sp. 989; ders. bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 3 Rdnr. 437; Mertens, die Selbstbindung der Verwaltung auf Grund des Gleichheitssatzes, 1963, S.26; Stern, Ermessen und unzulässige Ermessensausübung, 1964, S. 33 mit Fn. 119; Bettermann, Die Bindung der Sozialbehörden an Gesetz und Recht, in: Rechtschutz im Sozialrecht, 1965, 47, 61 ; Bachof, JZ 1962, 399 (402); Randelzhofer, JZ 1973, 536ff. 103 Allerdings ist der Fall des VGH Mannheim DVBl. 1972, 186 = ESVGH 21, 195 entgegen Götz (Urteilsanmerkung DVBl. 1972, 189 sowie DVBl. 1968, 93) hierfür kein Beleg (vgl. zutreffend Dürig bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 3 I Rdnr. 185 a, 186). 104 Vgl. Näheres bei Ossenbühl, DÖV 1970, 264; zustimmend VG Berlin NJW 1974, 330, 332; ferner Walter Schmidt, JuS 1971, 184ff.; Arndt, Ungleichheit im Unrecht?, in: Festschrift für Armbruster, 1976, S. 233. 99
6"
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nen. Deshalb entfällt hier der Konflikt zwischen Gesetzesbindung der Verwaltung und Gleichheitsgebot. Vielmehr ist der Gleichheitssatz die dogmatische Brücke, über die sich die Verwaltungsgerichte Zugang zu dem „inneren Bereich" der Verwaltung verschaffen. Auf der Grundlage des Gleichheitsgebotes haben Lehre und Judikatur eine dogmatische Hilfskonstruktion entwickelt, die zu einer durch Art. 3 Abs. 1 G G vermittelten Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften führt (sog. Theorie der Selbstbindung der Verwaltung)105, welche die Verwaltungsvorschriften den herkömmlichen Rechtsquellen wie Gesetz und Rechtsverordnung immer mehr annähert. Der Gedanke der Selbstbindung der Verwaltung ist keineswegs neu. Unbegründetes Abweichen von selbstgesetzten Entscheidungsmaßstäben im Ermessensbereich galt von jeher unter dem Aspekt des Willkürverbotes als „klassischer" Ermessensfehler106. Erst unter der Geltung des Grundgesetzes ist die administrative Selbstbindung aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitet worden 107 . Der Gleichheitssatz verlangt, daß die Verwaltung ihr Ermessen gleichmäßig ausübt. Gleichbehandlung ist jedoch nur im Hinblick auf vorentschiedene Fälle denkbar. Unter Hinweis auf das Gleichbehandlungsgebot kann ein betroffener Bürger Abweichungen von Ermessensrichtlinien immer nur mit der Behauptung geltend machen, andere in gleicher Lage befindliche Bürger hätten bereits entsprechend den Richtlinien bestimmte Vergünstigungen erhalten. Anknüpfungspunkt für die Gleichheitsprüfung, Vergleichsmerkmal im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 G G sind nicht die Verwaltungsvorschriften, sondern die ständige Verwaltungs/mms (Verwaltungs»¿>K«g)108. Die Verwaltungsvorschriften sind lediglich Indizien für das Vorhandensein einer entsprechenden Verwaltungspraxis. Denn kraft der für die Bediensteten der öffentlichen Verwaltung geltenden Gehorsamspflicht besteht eine tatsächliche Vermutung, daß Verwaltungsvorschriften und Verwaltungspraxis sich decken. Deshalb kann ein Abweichen von den Verwaltungsvorschriften unmittelbar als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz qualifiziert werden. Art. 3 GG fungiert damit als Schrifttum: Hans-Joachim Mertens, Die Selbstbindung der Verwaltung auf Grund des Gleichheitssatzes, 1963; Dax, Das Gleichbehandlungsgebot, 1967; Scholler, Selbstbindung und Selbstbefreiung der Verwaltung, DVB1. 1968, 409; ders., Die Interpretation des Gleichheitssatzes, 1969, bes. S. 59ff. ; Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, 1968; Dicke, Der allgemeine Gleichheitssatz und die Selbstbindung der Verwaltung, VerwArch. 59 (1968), 293; Ossenbühl (Fn. 10) S. 514ff.; Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 15ff. ; ders., Die Gleichheitsbindung an Verwaltungsvorschriften, JuS 1971, 184; Dürig, bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 3 Rdnr. 428ff. ; Rechtsprechung: Vgl. die Darstellung von Ossenbühl, Die Verwaltungsvorschriften in der verwaltungsgerichtlichen Praxis, AöR 92 (1967), 1, 13ff. (Stand: 1967); aus der Zeit danach: BVerwGE 34, 278, 280; 36, 313; 36, 323; 44, 1; 44, 136. 106 Vgl. die Nachweise bei Walter Jellinek, Gesetz, Gesetzanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, S. 323ff.; ders., VwR S. 446. 105
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Zuerst VG Stuttgart, D R Z 1950, 571, 572. Vgl. Ossenbühl, AöR 92 (1967), 1, 14ff.; Düng bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 3 Rdnr. 432 ff.
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§ 7 IV 4
„Umschaltnorm" 109 , die verwaltungsinterne Weisungen in die das Staat-BürgerVerhältnis unmittelbar regelnde (Außen-)Rechtsordnung extra vertiert. Dies wird besonders in jenen Entscheidungen deutlich, in denen der komplizierte Unterbau der Selbstbindungskonstruktion mit den Verwaltungsvorschriften als bloßen Indizien nicht mehr in Erscheinung tritt, sondern für die Frage der Verletzung des Gleichheitssatzes unmittelbar an die Verwaltungsvorschriften selbst angeknüpft und zum Ausdruck gebracht wird, daß sich die Verwaltung durch diese Vorschriften (und nicht erst durch die V e r w a l t u n g s w e g ) gebunden habe 110 . Damit bahnt sich fast unmerklich eine entscheidende Wendung an. Denn nunmehr tritt die Selbstbindung der Verwaltung nicht erst kraft administrativen Handelns (Verwaltungspraxis, Verwaltungsübung), ein, sondern kraft eines — in den Verwaltungsvorschriften — verlautbarten Willensaktes der Verwaltung111. Damit ist die auf Art. 3 GG basierende Selbstbindungskonstruktion aufgegeben, ein selbständiger rechtserzeugender Normwille der Verwaltung im eigenen Funktionsbereich anerkannt, letztlich ein originäres Administrativrecht mit Außenwirkung kreiert. Es wäre in der Tat besser, ein solches selbständiges Verordnungsrecht anzuerkennen 112 , anstatt sich, wie in neueren Entscheidungen, mit der Fiktion einer „antizipierten Verwaltungspraxis" zu behelfen 113 , die dazu gedacht ist, die alte Seibstb'mdungskonstruktion zu erhalten, aber gleichwohl eine Selbstbindung schon mit dem Erlaß der Verwaltungsvorschriften, also von deren erster Anwendung zu begründen. So wird denn auch in anderen Urteilen für eine Begründung der administrativen Selbstbindung (schon) von der Bekanntgabe der Verwaltungsvorschriften ab mit Recht nicht mehr auf Art. 3 GG zurückgegriffen, sondern der Vertrauensschutzgedanke herangezogen 114 . Doch bedarf es auch dieser Krücke nicht, wenn man erkennt und anerkennt, daß die Verwaltung im Ermessensbereich eigene Maßstäbe setzen kann, und zwar auch mit selbstbindender Außenwirkung. Der Einwand, ein selbständiges Verordnungsrecht der Exekutive widerspreche dem Grundgesetz, geht solange fehl, wie das Verwaltungsermessen selbst verfassungsrechtlich abgesichtert ist 115 . Eine gefahrdrohende Zementierung der Verwal109 110 111
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Zacher, W D S t R L 24 (1966), 237. Nachweise bei Ossenbuhl, AöR 92 (1967), 1, 1 5 f f . So O V G Koblenz DVBl. 1962, 757 = VerwRspr. 15, 282 unter Berufung auf Menger, V e r w A r c h . 51 (1960), 71 Fn. 3 3 ; vgl. auch BVerwG ZBR 1965, 2 1 2 ; V G H Kassel DVBl. 1963 , 443, 445; BVerwGE 35, 159, 162 (Einfuhrausschreibungen nach § 12 II A W G ) ; vgl. auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, Bd. 1, 8. Aufl. 1975, S. 160 ff. Hans Klein, in: Festschrift für Forsthoff, 1967, S. 163, 186; Magiera, in: Der Staat 1974, 1 (24). So B V e r w G D Ö V 1971, 748 (betr. Prüfungsordnung für den auswärtigen Dienst). So BVerwGE 35, 159, 162 = N J W 1970, 1563 = D Ö V 1971, 173; O V G Münster G e w A r c h . 1976, 290. Vgl. dazu Horst Joachim Müller, Das Ermessen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, D Ö V 1969, 1 1 9 f f . , 127. 85
§7
Fritz Ossenbühl
IV 5
tungspraxis steht nicht zu befürchten, weil die Selbstbindung der Verwaltung anders wirkt als die Gesetzesbindung im herkömmlichen Sinne 116 . Dies ist auch der Grund, warum keine völlige Egalisierung zwischen Rechtsverordnungen im überkommenen Sinne und Verwaltungsvorschriften eintritt. Denn die Bindungsintensität beider Regelungskategorien ist unterschiedlich. Administrative Selbstbindung bewirkt eine elastische, d. h. Abweichungen für besondere Ausnahmen zulassende Bindung. Gesetzesbindung ist prinzipiell strikte Bindung, sie duldet keine Ausnahmen. Der Charakter der administrativen Selbstbindung erweist sich dagegen am Ausnahmefall. Aus besonderen, in der individuellen Sachlage liegenden Gründen kann die Verwaltung von ihren Entscheidungsmustern abweichen 117 . Überdies ist ihr Differenzierungsschema insgesamt disponibel, d. h. sie kann ihre Richtlinien jederzeit aus sachlichen Gründen ändern. 5.
Rechtserzeugung
a) Die Befugnis zum Erlaß der Verwaltungsvorschriften ist der Exekutivgewalt inhärent. Gesetze, die den Erlaß von Verwaltungsvorschriften regeln, sind deshalb im allgemeinen lediglich Kompetenznormen, nicht dagegen Ermächtigungsgrundlagen. Grundlage für den Erlaß von Verwaltungsvorschriften bildet die auf die verschiedenen Verwaltungsinstanzen verteilte Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt der Exekutive. Jede Behörde und jeder Verwaltungsträger kann nur soweit Verwaltungsvorschriften erlassen, wie seine Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt reicht. Deshalb bedarf es für intersubjektive Verwaltungsvorschriften im Regelfalle einer besonderen gesetzlichen Grundlage. Die Art. 84 Abs. 2 und 85 Abs. 2 erweisen sich damit als Ermächtigungsnormen118. b) Gesetzliche Regelungen über die Form und das Verfahren beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften sind nur sporadisch und in zahlreichen Spezialgesetzen zu finden 119 . Daneben enthält die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO II) detaillierte Regelungen über die äußere Form 1 2 0 . Die Beteiligung inner- und außeradministrativer Stellen (ζ. B. Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen, Berufsverbände) beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften reicht von der Anhörung über die Mitberatung und Mitwirkung bis zur Zustimmung und Genehmigung. c) Als Rechtssätze bedürfen Verwaltungsvorschriften für ihre Wirksamkeit der Publikation. Die Verkündung muß sich an jene richten, die durch die Verwaltungsvorschrift betroffen sind. Die Mindestanforderungen an die Verkün-
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Näheres bei Ossenbühl (Fn. 10) S. 522 ff. Vgl. Walter Schmidt, JuS 1971, 184 (186). Näheres bei Ossenbühl (Fn. 10) S. 453; ebenso zuletzt BVerfGE 26, 338 (397). Nachweise bei Ossenbühl (Fn. 10) S. 459ff. §§ 72ff. GGO II.
§7
Die Quellen des Verwaltungsrechts
V 1, 2
dung richten sich nach den personellen, zeitlichen und räumlichen Dimensionen der angesprochenen Personenkreise 121 .
V. Sonderverordnungen 122 Die rechtliche Problematik der Verwaltungsvorschriften und deren Qualifikation und Behandlung durch Lehre und Judikatur gelten in weiten Partien auch für die Sonderverordnungen. 1.
Begriff
Diese Vergleichbarkeit der Problemlage rührt daher, daß die Sonderverordnungen erst in jüngerer Zeit aus der Kategorie der Verwaltungsvorschriften ausgeschieden sind und als eigene Regelungsgattung angesehen werden 123 . Allerdings hat der Begriff der Sonderverordnungen in der Rechtsprechung noch keine Verbreitung gefunden. Mit Sonderverordnungen sind jene Vorschriften der Verwaltung gemeint, die innerhalb sog. besonderer Gewaltverhältnisse (ζ. B. Wehrdienst, Schule, Universität, öffentlicher Dienst, Anstalten) ergehen. Als Anstaltsordnungen, namentlich Schulordnungen, Prüfungsordnungen, Versetzungsrichtlinien, Dienstordnungen, Hausordnungen usw. richten sie sich an die Sonderstatusinhaber (Soldaten, Schüler, Beamte, Strafgefangene usw.) und haben die Aufgabe, die innere Ordnung und das Funktionieren des besonderen Gewaltverhältnisses zu regeln und zu gewährleisten. 2. Problematik Die Kategorie der Sonderverordnungen wird vom besonderen Gewaltverhältnis her definiert und teilt deshalb auch seine Problematik. Diese besteht darin, daß die 121
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Böckenförde/Grawert, A ö R 95 (1970), 1, 3 6 ; O V G Berlin DVBl. 1976, 266 = D Ö V 1976, 53. Literatur: Wolff/Bachof VwR I, § 25 VIII; Brohm, Verwaltungsvorschriften und besonderes Gewaltverhältnis, D Ö V 1964, 238 ; Böckenförde/Grawert, Sonderverordnungen zur Regelung besonderer Gewaltverhältnisse, A ö R 95 (1970), 1; Groß, Die Rechtsqualität der Sonderverordnungen für besondere Gewaltverhältnisse und der Organisationsbestimmungen, N J W 1969, 2 1 8 6 ; ders., Zur originären Rechtsetzung der Exekutive, D Ö V 1971, 186; Rupp, Ministerialerlasse — Ausdruck originärer Rechtsetzung der Exekutive? N J W 1970, 4 1 2 ; Peter Becker, Prüfungsordnungen und Rechtsstaatsgebot, D Ö V 1970, 7 3 0 ; Walter Schmidt (Fn. 105) S. 182, 2 0 5 ; Erichsen, Besonderes Gewaltverhältnis und Sonderverordnung, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 219ff. Vgl. schon Nebinger, Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1949, S. 190, 192; ferner Wolff/Bachof, VwR I, § 25 VIII; Düng, bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 19 IV Rdnr. 3 0 ; Vogel, W D S t R L 22 (1965), 158; Thieme, Zur Systematik verwaltungsrechtlicher Handlungsformen, in: Festschrift für Friedrich Schack, 1966, S. 157 ff., 164; ders., D Ö V 1956, 87
§7 V 2
Fritz Ossenbühl
konstitutionelle Verwaltungsrechtslehre unter dem Begriff der besonderen Gewaltverhältnisse eine Reihe von Lebensbereichen aus dem (historisch-konventionellen) Gesetzesbegriff ausklammerte und damit für eine originäre Regelungsgewalt der Exekutive reservierte 1 2 4 . Entsprechend dem historisch-konventionellen Gesetzesund Rechtsbegriff bildeten die besonderen Gewaltverhältnisse auf diese Weise gleichsam rechtsfreie Enklaven (daher Gewalt- nicht Rechtsverhältnisse!), deren innere Ordnung eben durch die als Nicht-Rechtssätze qualifizierten Verwaltungsvorschriften geregelt war. Diese eingefahrene Vorstellung hat sich erstaunlich lange gehalten; sie wird erst in der Gegenwart konsequent abgebaut. Daß die besonderen Gewaltverhältnisse in Wirklichkeit Sonderrechtsverhältnisse sind, wird nicht mehr ernstlich bestritten. Desgleichen kann der Rechtsquellencharakter der Sonderverordnungen trotz bis in die Gegenwart zu konstatierender gegenteiliger Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Zweifel gestellt werden 1 2 S . Denn wer vermöchte einzusehen, daß Zulassungsordnungen, Schulaufnahmeordnungen, Versetzungsrichtlinien, Prüfungsordnungen, Strafvollzugsordnungen etc., die in intensivem Maße in den vitalen Lebenskreis des einzelnen Bürgers eingreifen und ihm Lebens-, Erfolgs- und Aufstiegschancen zuteilen oder versperren, keine Rechtsnormen sein sollten. Die Frage ist allein die, wer (Legislative oder Exekutive) dieses „Sonderrecht" setzen darf. Anders ausgedrückt: es geht darum, ob die Regelung besonderer Gewaltverhältnisse insgesamt dem Gesetzesvorbehalt unterliegt oder — wenigstens partiell — durch originäres Administrativrecht getroffen werden kann. Diese Frage kann man (theoretisch) bejahen oder verneinen oder differenziert beantworten. Wer für eine — wenn auch nur partielle — Erstreckung des Gesetzesvorbehaltes auf die Sonderrechtsverhältnisse plädiert, sieht sich dann allerdings sofort mit einer ausgedehnten rechtswidrigen Verwaltungspraxis konfrontiert. Das bestehende Gesetzesvakuum kann nicht von heute auf morgen aufgefüllt werden. Man muß entweder zu den Krücken einer gewohnheitsrechtlichen Ermächtigung der Exekutive zur Rechtssetzung in besonderen Gewaltverhältnissen greifen 1 2 6 oder eine durch Verfassungswandel verursachte Ubergangszeit der „Rechtlosigkeit" konstatieren, die alsbald durch den Gesetzgeber zu beenden ist 1 2 7 .
521 ff. (526); Brohm, D Ö V 1964, 238; Ossenbühl (Fn. 10) S. 23; Böckenförde/Grawert, A ö R 95 (1970), 1, 21 ; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage 1975, S. 120. Ablehnend dagegen H e s s S t G H D Ö V 1971, 201. 124 v g l . Evers, Das besondere Gewaltverhältnis, 1972. 1 2 5 Vgl. etwa O V G Münster N J W 1967, 949 mit krit. Anm. von Selmer, N J W 1967, 1435; vgl. dagegen V G H Kassel E S V G H 24, 46 (Ausbildungs- und Prüfungsordnungen). 1 2 6 So Wolff/Bachof, V w R I, § 2 5 V I I I b . 1 2 7 Vgl. B V e r f G E 33, 1 = N J W 1972, 811, 812 (Strafvollzugsgesetz); B V e r w G E 41, 261 (266) (Ärztliche Notfalldienstregelung); 42, 296 (Richtlinien für die Zulassung zum Medizinstudium); 48, 305 (312) (Graduierung von Ingenieuren); N J W 1977, 915 (916) (Vergabe von Güterfernverkehrsgenehmigungen); O V G Berlin J R 1975, 348 (Reifeprüfungsordnung).
88
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§7 V2
Die pragmatisch verfahrende Rechtsprechung behilft sich mit dem Institut der Selbstbindung der Verwaltung und kommt auf diese Weise zu Resultaten, die den Individualrechtsschutz durchweg gewährleisten 128 . Soweit allerdings Regelungen von Sonderstatusverhältnissen nach neuerer Erkenntnis dem Gesetzesvorbehalt unterfallen, gelten die überkommenen Verwaltungsvorschriften kraft „Notkompetenz der Verwaltung" als „Ubergangsrecht" bis zum Inkrafttreten unverzüglich zu erlassender rechtsstaatlich einwandfreier Normen weiter, sofern die Funktionsfähigkeit notwendiger Verwaltungstätigkeit dies erfordert 1 2 7 . Das Problem der Ermächtigungsgrundlage verliert mit der zunehmenden formalgesetzlichen Regelung, namentlich im schulischen Bereich, an Gewicht. Indessen zeigen gerade die Schulgesetze aus jüngerer Zeit 1 2 9 die Grenzen einer Regelungsmöglichkeit von Sonderstatusverhältnissen durch den Gesetzgeber. Im Rahmen weitgesteckter Ermächtigungen und Generalklauseln 130 wird die Detailregelung stets der Verwaltung überlassen bleiben müssen. Deshalb ist der praktische Unterschied zur gegenteiligen Auffassung, die wohl ein Zugriffsrec^t des Gesetzgebers anerkannt, jedoch einen Gesetzes vorbehält ablehnt und den Regelungsrahmen der Exekutive durch den Verwaltungszweck und die Funktionsbestimmung des besonderen Gewaltverhältnisses begrenzt und bestimmt 1 3 1 , als gering zu erachten, wenngleich die Ausgangspunkte beider Standpunkte dogmatisch einander diametral gegenüberstehen. Die Alternative: Sonderverordnungen als abgeleitete Rechtsquellen oder originäres Administrativrecht ist lediglich eine andere Einkleidung der Frage nach den Funktionsbereichen der Legislative und Exekutive. Dieser Frage wird man nur in differenzierenden Lösungen gerecht werden können. Dies zeigt die neuerlich einsetzende Welle einschlägiger Rechtsprechung im Schulrecht sehr deutlich 1 3 2 .
128 VG Kassel DÖV 1956, 636 (Versetzungsrichtlinien); VG Düsseldorf, Recht der Jugend 1965, 45, 47 (Versetzungsordnung); BVerwG NJW 1959, 1843 (Prüfungsverfahren); DÖV 1963, 474 = DVB1. 1963, 104 (Versetzungsrichtlinien); OVG Lüneburg DVBl. 1962, 271 (Zulassung zum Hochschulstudium); OVG Münster NJW 1967, 949, 952, (Prüfungsordnung); VGH Kassel DÖV 1956, 629, 630 (Gymnasialaufnahmebestimmungen). 129
130
131 132
Vgl. z. B. § 37 Abs. 2 HessSchulverwaltungsgesetz v. 28. 6. 1961 (GBl. S. 87); § 26 NW Schulverwaltungsgesetz v. 3. 6. 1958 (GVB1. S. 241). Zur Unvermeidbarkeit von Generalklauseln vgl. auch BVerfGE 33, 1 = NJW 1972, 811, 812. So Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 1, 31 f. Vgl. zur Sexualkunde: BVerwGE 47, 194; OVG Hamburg DÖV 1973, 574; OVG Berlin DVBl. 1973, 273 = NJW 1973 , 819; VGH Mannheim SPE I A II S. 1; VG Hamburg DÖV 1973, 54; zur 5-Táge-Woche : BVerwGE 47, 201; VG Berlin SPE I A IV S. 11; VG Hamburg SPE I A VI S. 1; ferner: BayVerfGH DVBl. 1975, 425 (Mengenlehre); BVerfGE 34, 165 (Hess. Förderstufe); VGH Mannheim DÖV 1974, 858; DÖV 1975, 568 (Schulversuch); OVG Berlin JR 1975, 348 (Reifeprüfungsordnung); OVG Münster DVBl. 1975, 445 = NJW 1976, 725 (Schulverweisung); VG Schleswig NJW 1976, 989 (Orientierungsstufe); VGH Kassel NJW 1976, 1856 (Ober Stufenreform).
89
§7
Fritz Ossenbiihl
VI 1 VI. Satzungen 1 3 3 1. Begriff
und
Funktion
Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von in den Staat eingeordneten juristischen Personen des öffentlichen Rechts (ζ. B . Gemeinden, Universitäten, Berufsverbände wie Handwerks- und Ärztekammern, Sozialversicherungsträger, Wasserverbände, Rundfunkanstalten, Deutsche Bundesbank) im Rahmen der ihnen gesetzlich verliehenen Autonomie (Rechtsetzungsgewalt, Satzungsbefugnis) erlassen werden 1 3 4 . Die Satzungsgewalt ist teils unmittelbar durch die Verfassung verbürgt 1 3 5 , teils beruht sie auf der Grundlage einfacher (förmlicher) Gesetze 1 3 6 . Die Autonomie ist Normsetzungsmacht zur Festlegung der inneren Ordnung 1 3 7 und zur Bewältigung der Aufgaben 1 3 8 staats- oder regierungsunabhängiger rechtlich selbständiger Verwaltungseinheiten 1 3 9 , insbesondere der Selbstverwal-
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Literatur: Hans Peters, Die Satzungsgewalt innerstaatlicher Verbände, in: HdbDStR II, S. 264; Hans Schneider, Autonome Satzung und Rechtsverordnung, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1965, S. 521 ; Badura, Rechtsetzung durch Gemeinden, DÖV 1963, 561 ; Conrad, Gemeindliche Autonomie und Gesetzesvorbehalt, BayVBl. 1970, 384; Starck, Autonomie und Grundrechte, AöR 92 (1967), 449; ders., Regelungskompetenzen im Bereich des Art. 12 Abs. 1 GG und ärztliches Berufsrecht, NJW 1972, 1489; Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 Rdnr. 105 ff. (Zweitbearbeitung) ; Jacob, Eingriff kommunaler Satzungen in „Freiheit und Eigentum", DÖV 1970, 666; Kirchhof (Fn. 34) S. 85ff.; Meyn, Autonome Satzung und demokratische Legitimation, DVB1. 1977, 593 ff. §§40, 44, 49, 65ff. SHLVwG. BVerfGE 33, 125, 156 = NJW 1972, 1504, 1506 (Facharztbeschluß); BVerfGE 10, 20, 49f. ; Starck, AöR 92 (1967), 449f. Die gemeindliche Satzungsautonomie folgt schon aus Art. 28 Abs. 2 („regeln"); dazu BVerwGE 6, 247, 252; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 144 mit Nachweisen; ferner Stern, Bonner Kommentar, Art. 28 Rdnr. 105; Hans Schneider, in: Festschrift für Möhring, 1965, S. 521 ; für die Universitäten vgl. ζ. B. 16 LV NW. Beispiele: Handwerkskammern: § 55 HandwO. Ärztekammern: §§ 5 Abs. 3, 17 Gesetz über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Apotheker, Tierärzte und Zahnärzte NW. Rundfunkanstalten: § 1 Abs. 2 ZDF-Staatsvertrag. Ζ. B. Satzung des Westdeutschen Rundfunks Köln (von Hippel/Rehborn Nr. 74b); Hauptsatzung der Gemeinden. Ζ. B. Gebührenordnungen, Beitragssatzungen, gemeindliche Satzungen über den Anschluß- und Benutzungszwang, Marktordnungen etc. Staatsunabhängig: ζ. B. Rundfunkanstalten Regierungsunabhängig: ζ. B. Deutsche Bundesbank, vgl. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 308 f. ; Uhlenbruch, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, 1968; Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, 2. Aufl. 1971.
§ 7 VI 2
Die Quellen des Verwaltungsrechts
tungskörperschaften 140 . Bei den territorial 141 oder gruppenplural 1 4 2 orientierten Selbstverwaltungseinheiten hat die Verleihung der Autonomie einen doppelten Sinn. Sie dient der Aktivierung gesellschaftlicher Kräfte, die durch parlamentarische Vertretungen in einem überschaubaren Bereich kraft ihrer besonderen Sachkunde eigenverantwortlich Entscheidungen treffen und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat verringern. „Zugleich wird der Gesetzgeber davon entlastet, sachliche oder örtliche Verschiedenheiten berücksichtigen zu müssen, die für ihn oft schwer erkennbar sind und auf deren Veränderungen er nicht rasch genug reagieren könnte" 1 4 3 . Deshalb ist der Autonomiegedanke nicht nur politisch sinnvoll, sondern entgegen vereinzelten Stimmen im Schrifttum 144 auch verfassungskonform 145 . 2. Abgrenzung
zu verwandten
Rechtsquellen
a) Satzungen sind ebenso wie Rechtsverordnungen abgeleitete Rechtsquellen und materielle Gesetze mit allgemeinverbindlicher Geltung und Wirkung. Dennoch bestehen zwischen Satzungen und Rechtsverordnungen grundlegende Unterschiede 1 4 6 . Allerdings sind die Grundlagen der Autonomie und der Verordnungsbefugnis identisch ; auch die Autonomie wurzelt im staatlichen Recht, beruht auf staatlicher Verleihung 1 4 7 . Rechtsetzungsmacht innerstaatlicher Verwaltungseinheiten und Verbände — auch der Gemeinden 1 4 8 — existiert nur aufgrund und im Rahmen staatlicher Ermächtigung. Eine Konkurrenz zwischen staatlicher und autonomer Rechtsetzungsmacht besteht insoweit nicht. An dieser „zivilisatorischen" Errungenschaft der staatlichen Souveränität gegenüber der Anarchie unkoordinierter Rechtsschöpfung partikulärer Rechtsgemeinschaften 149 ist festzuhalten, und das Bundesverfassungsgericht hat hieraus mit Recht die notwendigen Konsequenzen gezogen 1 5 0 . Mit der Unterscheidung zwischen Rechtsverordnungen und Satzungen zieht die Rechtsquellenlehre lediglich die Konsequenzen aus zwei voneinander zu trennen140 141 142 143
144 145 146
147
146 149 150
Ζ. B. Gemeinden, Universitäten, Berufsverbände, Wasserverbände. Gebietskörperschaften (Gemeinden, Gemeindeverbände). Ζ. B. Berufsverbände (Ärzte- und Notarkammern, Handwerkskammern). BVerfGE 33, 125, 1 5 7 f f . = N J W 1972, 1504, 1506 (Facharztbeschluß); B V e r w G E 6, 247, 2 5 1 ; Starck, A ö R 92 (1967), 449, 451. Ζ. B. Andreas Hamann, Autonome Satzungen und Verfassungsrecht, 1958, S. 6 5 f . B V e r f G E 33, 125, 1 5 7 f f . = N J W 1972, 1504, 1506. Dazu: Hans Schneider (Fn. 133) S. 5 2 1 ; Wilke (Fn. 59) S. 1 9 1 7 ; Badura, D Ö V 1963, 561. B V e r w G E 6, 247, 2 4 9 f . ; Badura, D Ö V 1963, 561 f . ; Wilke (Fn. 59) S. 1 9 1 9 ; ebenso Hans Schneider (Fn. 133) S. 523 (mit allerdings feinerer Differenzierung). Badura, D Ö V 1963, 561 f f . Badura, D Ö V 1963 , 561 Fn. 2. B V e r f G E 33, 125, 1 5 7 f f . = N J W 1972, 1504, 1 5 0 6 f f . ; dazu Starck N J W 1972, 1489. 91
§ 7 VI 2
Fritz Ossenbiihl
den innerstaatlichen Organisationsprinzipien: der Dekonzentration und der Dezentralisation 1 5 1 . Durch Verordnungsermächtigung wird die dem (parlamentarischen) Gesetzgeber zustehende Normsetzungsbefugnis partiell an eine Stelle der bürokratisch-hierarchisch organisierten staatlichen Exekutive abgegeben (Dekonzentration). Dagegen wird durch gesetzliche Verleihung der Autonomie einer selbständigen, vom staatlichen Verwaltungsapparat separierten Verwaltungseinheit (Dezentralisation), die Befugnis eingeräumt, nicht nur partiell, sondern in dem umfassenden Rahmen ihres gesamten Kompetenzbereiches Recht zu setzen 1 5 2 . Rechtsverordnungen sollen das Parlament in seiner Rechtsetzungsaufgabe entlasten, Satzungen sollen Selbstverwaltungseinheiten instandsetzen, sich zu organisieren und ihre Aufgaben auch durch den Erlaß abstrakt-genereller Anordnungen wirksam zu erfüllen 1 5 3 . Die Autonomie ist deshalb der Selbstverwaltungsidee zwar nicht notwendig immanent 1 5 4 , aber für ihre Realisierung im allgemeinen unentbehrlich. Rechtsverordnungen sind demnach Ausdruck einer dekonzentrierten, Satzungen dagegen Instrumente einer dezentralisierten Rechtsetzung 1 5 5 . Die Automomie als Attribut — wenn auch nicht als essentiale — des Selbstverwaltungsgedankens unterliegt wegen dieses Zusammenhangs nicht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 G G 1 5 6 . Überdies wird die Satzungsgewalt im allgemeinen durch besondere demokratisch legitimierte Organe (ζ. B . Gemeinderat) betätigt 1 5 7 . Deshalb genügt die pauschale Einräumung von Rechtsetzungsmacht für „alle eigenen Angelegenheiten" des selbständigen Verwaltungsträgers. Soweit allerdings ein Selbstverwaltungsträger, wie beispielsweise die Gemeinde, zugleich als Vollzugsinstanz im staatlichen Raum agiert 1 5 8 , bedarf es für diesen Bereich spezieller Verordnungsermächtigungen, so daß sich — zumal im gemeindlichen Bereich — Satzungen und Rechtsverordnungen nur vom Aufgabenbereich (Selbstverwaltungsaufgaben — staatliche Aufgaben) her sachgemäß abgrenzen lassen 1 5 9 . 151
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153 154 155 156
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159
92
Zur Unterscheidung: Bachof, Artikel „Verwaltung", in: Evgl. Staatslex. 2. Aufl. 1975, Sp. 2771 ff.; Hans Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 44ff., 94ff.; Thieme, Verwaltungslehre, 2. Aufl. 1977, Rdnr. 211. Haug, NJW 1962, 675: „Sie (die Autonomie) ist blanko und auf Vorrat verliehene Gesamtbefugnis innerhalb abgesteckter Grenzen". Wilke (Fn. 59) S. 1919. Vgl. aber BverfGE 12, 319, 325: „Ein wesentliches Element der Selbstverwaltung". Vgl. Hans Peters, HdbDStR II S. 264, 270. BVerfGE 12, 319, 325; 19, 235, 267; 21, 54, 62; 32, 346, 360f.; 33, 125, 157ff. = NJW 1972, 1504, 1506; Menger, VerwArch. 63 (1972), 447ff. Zu diesem umstrittenen „demokratischen Argument": BVerfGE 21, 54, 62f. = JZ 1967, 485, m. Anm. Stern/Püttner, ebenda S. 488; BVerfGE 33, 125, 157 = NJW 1972, 1504, 1506 mit Kritik von Starck, NJW 1972, 1489, 1490. Zum Dualismus des Aufgabenkreises der Gemeinden: vgl. Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1975, S. 168 ff ; Ossenbübl (Fn. 10) S. 385 ff. Dazu Badura, DÖV 1963, 521.
§ 7 VI 3
Die Quellen des Verwaltungsrechts
b) Satzungen müssen ferner entgegen einer sowohl im Schrifttum160 als auch in der Rechtsprechung161 anzutreffenden verwirrenden Terminologie von den Geschäftsordnungen staatlicher Organe streng unterschieden werden 162 . Die Befugnis dieser Organe, ihre innere Ordnung im Rahmen der Gesetze und der Verfassung selbst zu bestimmen, mag man als GeschäftsordnungsaMtonomie bezeichnen, muß dann aber im Auge behalten, daß diese mit dem der Selbstverwaltungsidee verbundenen Autonomiebegriff nichts zu tun hat. Geschäftsordnungen staatlicher Organe werden in Wahrnehmung einer staatlichen Kompetenz erlassen und sind daher staatliches, nicht autonomes Recht 163 . Auch Geschäftsordnungen von Selbstverwaltungsorganen (ζ. B. Gemeinderat) sind zwar Rechtsquellen, aber nicht Satzungen, weil sie nicht über den Organbereich hinauswirken. 3. Inhalt der
Satzungen
a) Die Satzungsgewalt wird im Regelfall pauschal für die „eigenen Angelegenheiten" des betreffenden Selbstverwaltungsträgers erteilt. Die Autonomie bezieht sich damit auf einen „von vornherein durch Wesen und Aufgabenstellung der Körperschaft begrenzten Bereich" 164 . Um den potentiellen Inhalt von Satzungen zu bestimmen, muß also von den Selbstverwaltungsaufgaben der öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträger ausgegangen werden. Beispiele aus dem Bereich der Universitäten sind Immatrikulationsordnungen, Prüfungsordnungen sowie Habilitations- und Promotionsordnungen. b) Umstritten ist die Frage, ob und inwieweit Satzungen ohne spezielle formalgesetzliche Ermächtigung in den Rechtskreis des Bürgers, namentlich in seine Grundrechte, eingreifen können 165 . Die Antwort kann nur differenzierend ausfallen. Wie schon hervorgehoben, verbergen sich hinter der Entgegensetzung von staatlichem oder autonomem Recht Gemeinwohl und Partikularinteressen (Gruppeninteressen). Hüter des Gemeinwohls gegenüber Gruppeninteressen ist der staatliche Gesetzgeber. Er hat deshalb auch die grundrechtsprägenden Entscheidungen selbst zu treffen und nicht einem möglicherweise gruppenegoistischen Zunftdenken zu überlassen, welches namentlich bei Berufsverbänden nahe liegt. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht mit Recht unter Heranziehung der am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichteten Stufentheorie zu Art. 12 GG im Bereich des Facharztwesens den Erlaß der leo Vgl. etwa Maunz 161
162
163 164
",s
bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 80 Rdnr. 32.
Vgl. BverfGE 1, 144, 148, wo das Gericht apodiktisch feststellt, die GeschO des Bundestags sei eine „autonome Satzung". Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde (Fn. 80) S. 116 ff. ; Klaus Friedrich Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht, 1966, S. 156ff. Böckenförde (Fn. 80) S. 120. BVerfGE 12, 319, 325; BverfGE 33, 125, 157ff. = NJW 1972, 1504, 1506. Vgl. Starck, AöR 92 (1967), 449; Conrad, BayVBl. 1970, 384; Jakob, DÖV 1970, 666. 93
§7
VI 4 , VII
Fritz Ossenbiihl
statusbildenden Normen (Voraussetzungen für die Facharztanerkennung, zugelassene Fachrichtungen, Mindestdauer der Ausbildung, Anerkennungsverfahren etc.) dem Gesetzgeber vorbehalten 166 . Der Auffassung, Satzungen könnten schon aufgrund der generellen Verleihung von Autonomie auch in Freiheit und Eigentum der Bürger eingreifen 167 , wird man deshalb ebensowenig das Wort reden können wie der Meinung, Grundrechte seien „autonomiefest" 1 6 8 . 4.
Rechtserzeugung
Das Verfahren über das Zustandekommen und die Verkündung 1683 von Satzungen ist regelmäßig spezialgesetzlich geregelt 169 . Zuweilen bedürfen Satzungen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde 170 . Sie ist Wirksamkeitsvoraussetzung und gegenüber dem Satzungsgeber ein Verwaltungsakt 171 .
VII. Gewohnheitsrecht 172 Mit dem Gewohnheitsrecht wird eine seit langem unangefochtene Rechtsquelle angesprochen, die zu dem noch zu erörternden „Richterrecht" und zu den „allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts" so enge Verbindungen aufweist, daß eine thematische Trennung kaum möglich erscheint. Dennoch besteht kein Anlaß, den Begriff des Gewohnheitsrechts zu einem Sammelbegriff für das
BVerfGE 33, 125, 157ff. = NJW 1972, 1504, 1506; dazu Haberle, DVB1. 1972 , 909ff.; ferner BVerfGE 33, 303, 346ff. (Numerus-clausus-Urteil). 1 6 7 Vgl. Jakob, D Ö V 1970, 666; Wolff/Bachof, VwR I, § 2 5 I X b ) . 1 6 8 Vgl. Hans Peters, HdbDStR II S. 2 6 6 ; Köngen, DVB1. 1955, 445. 168» Wolfgang Ziegler, Die Verkündung von Satzungen und Rechtsverordnungen der Gemeinden, 1976. 1 6 9 Vgl. z. B. für Gemeinden: §§ 4, 43 Abs. 2, 61, 64 - 6 7 G O N W ; für Universitäten: § 52 HSchG N W . 1 7 0 Vgl. z . B . § § 2 5 , 93 BayGO ; § § 5 Abs. 1 Satz 2, 117 HessGO; § § 6 Abs. 3, 7 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs., 110 Abs. 1 N d s G O ; §§4 Abs. 1 Satz 2, 88 N W G O ; § 99 RhPf. Selbstverwaltungsgesetz; § § 4 Abs. 1, 101 SHGO. 1 7 1 Vgl. BVerfGE 10, 20, 50; BVerfG D Ö V 1968, 290; O V G Lüneburg, DVB1. 1969, 849. 172 Literatur: Höhn, Gewohnheitsrecht im Verwaltungsrecht, 1960; Forsthoff, VwR, S. 144 ff. ; Gröpper, Gewohnheitsrecht, Observanz, Herkommen und unvordenkliche Verjährung, DVB1. 1969, 945; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, 1972; Friauf, Artikel „Gewohnheitsrecht", in: EvStL, 2. Aufl., 1975, Sp. 874ff. ; Josef Esser, Richterrecht, Gerichtsgebrauch und Gewohnheitsrecht, in: Festschrift für Fritz von Hippel, 1967, S. 95; Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, 1969, S. 53 ff. ; Ulrich Meyer-Cording (Fn. 88) S. 70 ff.; Z. Giacometti (Fn. 1) S. 169ff.; Kirchhof (Fn. 34) S. 92 f. 166
94
§ 7 VII 1
Die Quellen des Verwaltungsrechts
gesamte, nicht gesetzte Recht auszuweiten 173 . Das Gewohnheitsrecht ist als Rechtsquelle kein spezifisch verwaltungsrechtliches Problem 1 7 4 . Vielmehr stammen die grundlegenden Werke des zivilrechtlichen Bereichs zum Gewohnheitsrecht schon aus einer Zeit, in der das 'Verwaltungsrecht noch nicht als selbständige Rechtsdisziplin ausgeprägt war 1 7 5 . Die Frage nach Existenz, Voraussetzungen und Anerkennung des Gewohnheitsrechts ist ein Problem jeder Rechtsordnung.
1. Die herkömmliche
Lehre
und
Rechtsprechung
Nach der überkommenen, auch heute nur vereinzelt, wenn auch energisch angegriffenen Auffassung steht die Existenz von Gewohnheitsrecht außer Frage. a) Rechtserzeugungsvoraussetzungen
sind:
— eine langdauernde und allgemeine Übung (longa consuetudo) (objektives Element) ; — die Überzeugung der Beteiligten von der Rechtmäßigkeit der Übung (opinio iuris) (subjektives Element); — Die Formulierbarkeit der Übung als Rechtssatz (formales Element) 1 7 6 . Gewohnheitsrecht entsteht danach durch eine lange allgemeine Übung, die durch Rechtsüberzeugung getragen wird 1 7 7 . Es ist deshalb von den Rechtsbeteiligten und Betroffenen selbst realisiertes Recht, Urrecht; im Gegensatz zum geplanten, gesetzten Recht (allmählich) gewachsenes Recht. b) Der Geltungsraum des Gewohnheitsrechts deckt sich naturgemäß im wesentlichen mit dem Bereich, für den geschriebenes Recht fehlt. Jedoch hat das Gewohnheitsrecht nicht nur im Verhältnis zum geschriebenen Recht ergänzende und lückenfüllende Funktion; es kann sich auch ausnahmsweise gegen Gesetze (contra legem) entwickeln und durchsetzen (consuetudo abrogatoria) 1 7 8 . 173
174 175
176 177
178
So z. B. Reichel, Gesetz und Richterspruch, 1915, S. 102; Wackernagel, in: Festschrift für Karl Haff, 1950, S. 360ff. ; hiergegen: Liver, in: Rechtsquellenproblem im Schweizerischen Recht, 1955, S. 1, 25; Höhn (Fn. 172) S. 43ff.; Tomuschat (Fn. 172) S. 45. Vgl. Friauf (Fn. 172) Sp. 874ff. Vgl. Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Auflage 1959, 1. Halbband, S. 261 ff. mit weiteren Nachweisen; ferner Nörr, in: Festschrift für Wilhelm Felgentraeger, 1969, S. 353 ff. Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, §25 III; BVerwGE 8, 317, 321. Forsthoff, VwR, S. 146; BSGE 24, 118, 120 = NJW 1966, 692, 693; OVG Münster DÖV 1976, 677. Strittig! Vgl. BVerwGE 8, 317, 321; Wolff/Bachof, VwR I, §25 III; Forsthoff, VwR, S. 147; Friauf (Fn. 172) Sp. 874 ff. ; ablehnend für die Annahme gewohnheitsrechtlich begründeter Eingriffsermächtigungen der Verwaltung: Jesch (Fn. 15) S. 115f.; Vgl. demgegenüber BVerwGE 19, 245. 95
§ 7 VIM
Fritz Ossenbiihl
Freilich hat die Zunahme und Verbreitung des kodifizierten Rechts den Entstehungsbereich für Gewohnheitsrecht zunehmend schrumpfen lassen. Indessen ist zumal für das Verwaltungsrecht typisch das Nebeneinander von minuziöser Detailregelung (im besonderen Verwaltungsrecht) und gesetzlichem Vakuum (im allgemeinen Verwaltungsrecht). Mangels einer Kodifikation des sog. allgemeinen Verwaltungsrechts scheint das Gewohnheitsrecht hier als (Ersatz-)Rechtsquelle seinen ureigenen Entstehungsraum zu finden. In der Tat besteht trotz der inzwischen erlassenen Verwaltungsverfahrensgesetze ein großer Teil des allgemeinen Verwaltungsrechts, insbesondere des Staatshaftungsrechts179 aus ungeschriebenen Regeln. Einige Grundsätze (ζ. B. Aufopferungsgrundsatz180, Grundsatz der freien Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte181, Befugnis der Verwaltung, im Verhältnis hoheitlicher Überordnung sich ergebende Rechtsfolgen durch Verwaltungsakt geltend zu machen1811) sind auch ausdrücklich als Gewohnheitsrecht bezeichnet und anerkannt worden. Namentlich im Bereich der Gemeinden begegnet man örtlich beschränkten Gewohnheitsrechtssätzen (sog. Observanzen), die sich seit altersher etwa im Wasser- und Wegerecht, aber auch im Nachbarrecht gebildet haben 182 . c) Dennoch ist ein Faktum auffällig: die richterlichen Entscheidungen und die Stellungnahmen des Schrifttums, die sich auf Gewohnheitsrecht berufen und stützen, sind selten. Dies hat namentlich zwei Gründe. Einmal ist das allgemeine Verwaltungsrecht, einschließlich Staatshaftungsrecht seit Ende der fünfziger Jahre in einem raschen Wandel begriffen. Die Kontinuität überkommener Grundsätze des Verwaltungsrechts ist angesichts der grundgesetzlichen Regelung weithin unterbrochen oder doch in Frage gestellt. Deshalb fehlt es für die Feststellung von Gewohnheitsrecht an der longa consuetudo. Die opinio iuris allein erzeugt kein Gewohnheits-Recht; sie ist vom Standpunkt der herkömmlichen Auffassung allenfalls Grundlage „allgemeiner Grundsätze des Verwaltungsrechts", die, von Lehre und Judikatur aufgestellt, Gewohnheitsrecht lediglich anbahnen, sich als „Gewohnheitsrecht in statu nacendi" darstellen183. — Ein zweiter, selten bewußt gewordener Grund, hat 179
ι80
181
1812 182 183
96
Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 1976; Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Auflage, 1974, S. 42 f. und passim. Ζ. Β. BGHZ 16, 374; Forsthoff, VwR, S. 354 f.; Schuck, NJW 1959, 307; Josef Esser, in: Festschrift für Fritz Hippel, 1967, S. 96; zu anderen Begründungen vgl. Wolffi Bachof, VwR I, § 61. Vgl. Ossenbühl (Fn. 28) S. 51 ff.; BVerwG DÖV 1977, 606; jetzt kodifiziert in § 4 8 VwVerfG. BVerwG ZBR 1965, 87 (88); DÖV 1977, 606 (607). Vgl. dazu Gröpper, DVB1. 1969, 945, 946; OVG Münster DÖV 1976, 677. Aufschlußreich jene Anekdote (vgl. Rümelin, Die bindende Kraft des Gewohnheitsrechts, 1929, S. 14), nach der ein alter schwäbischer Richter, der einen Referendar auf ein angebliches Gewohnheitsrecht hinwies und auf dessen Einwand, ein solches lasse sich aus der bisherigen Rechtsprechung nicht nachweisen, bemerkte: „Wisse Se, so a Gewohnheitsrecht muß au amol anfange".
§ 7 VII 2
Die Quellen des Verwaltungsrechts
tiefere Ursachen. Sie liegen in der Rationalität zivilisierter Rechtsordnungen184. Das Argument: „Das haben wir immer so gemacht" ist in einer sog. pluralistischen Gesellschaft, der die Homogenität des Rechtsempfindens weithin verloren gegangen ist, verfemt. Als Recht, auch als Gewohnheitsrecht, wird nur das anerkannt, was als vernünftig und einleuchtend begründet angesehen werden kann 185 . 2. Neuere Ansätze einer Negation
des
Gewohnheitsrechts
Mit dem zuletzt aufgenommenen Gedanken ist das Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle im Kern berührt. Der „Selbstand" von Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle scheitert an den (eigenen) Rechtserzeugungsvoraussetzungen. Ist es schon schwer genug, ja häufig ein Akt der Dezision der letztverbindlich Recht anwendenden Instanz, also der Gerichte, die longa consuetudo festzustellen186, so gilt dies um so mehr für die Rechtsüberzeugung der Beteiligten. Abgesehen davon, daß sich allgemeine Rechtsüberzeugungen wegen der Komplexität des Verwaltungsrechts im Volke kaum entwickeln können und auch bezeichnenderweise am Gerichts- und Verwaltungsbrauch abgelesen werden 187 , filtern letztlich die Gerichte nach eigener Wertung jene Verhaltensweisen und Übungen heraus, denen sie das Prädikat „Gewohnheitsrecht" zusprechen. — Da jedoch dieses einmal festgestellte Gewohnheitsrecht allgemeinverbindliche, d. h. prinzipiell auch den Richter bindende Kraft hat, ist es zumal in der Judikatur beliebter, (lediglich) von allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts auszugehen188. In einiger Überspitzung wird von dieser Sicht aus das Resultat unausweichlich: „Das Gewohnheitsrecht ist nichts anderes als Richterrecht" 189 . Denn realistisch betrachtet, gewinnt Gewohnheitsrecht seine praktische Relevanz erst durch „richterliche Anerkennung" 190 . — Ob man freilich aus diesem Faktum den Dazu Meyer-Coräing (Fn. 88) S. 70 ff. iss Meyer-Cording (Fn. 88) S. 73. 1 8 6 Vgl. z. B. BVerwGE 22, 299, 300 = DVBl. 1966, 567, mit der im Jahre 1965 getroffenen Feststellung, seit Inkrafttreten des Grundgesetzes könne sich „schwerlich" bereits ein neues Gewohnheitsrecht gebildet haben. 1 8 7 Vgl. Ossenbühl (Fn. 28) S. 52; Höhn (Fn. 172) S. 55f.; Josef Esser (Fn. 180) S. 125; BSGE 24, 118, 120f. = NJW 1966, 692, 693f. 1 8 8 Gewohnheitsrecht steht der richterlichen Rechtsfortbildung allerdings offen; vgl. BGH VerwRspr. 10, 522 (betr. Aufopferungsanspruch); BVerfGE 15, 226, 233. 1 8 9 So Meyer-Cording (Fn. 88) S. 70. 190 Adomeit (Fn. 172) S. 56; Josef Esser (Fn. 180) bes. S. 124ff.; Hans R y f f e l , Grundprobleme der Rechts- und Staatsphilosophie, 1969, S.429; weitere Nachweise bei Tomuschat (Fn. 172) S. 55 Fn. 49; ferner schon Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, S. 469 unter Hinweis auf Max Weher, Rechtssoziologie, 1960, S. 464. Bemerkenswert BGHZ 34, 64, 69 = NJW 1961, 313, 315: „Die zur Bildung eines Gewohnheitsrechts erforderliche gemeinsame Rechtsüberzeugung entfällt nämlich schon deswegen, weil es an einer bestätigenden Rechtsprechung fehlt." Abgewogen und im Sinne der herkömmlichen Theorie zutreffend dagegen BGH VerwRspr. 10, 522, 523f. 184
97 7
Allgemeines V e r w a l t u n g s r e c h t
§ 7
Fritz Ossenbühl
Vili 1
weitgehenden Schluß einer Negation des Gewohnheitsrechts ziehen darf, erscheint zumindest fraglich 1 9 1 . Konsequenterweise w ü r d e dies zur Inthronisierung eines totalen Richterrechts führen. Denn letztlich hängt auch die (reale) Geltung von gesetzten N o r m e n weitgehend davon ab, daß und v o r allem wie die Gerichte diese auslegen.
VIII. Richterrecht 192 Damit ist die Brücke zu einem der umstrittensten Phänomene der Rechtsquellenlehre geschlagen: dem Richterrecht. Ebenso wie beim Gewohnheitsrecht liegt auch dem Problem des Richterrechts keine spezifisch verwaltungsrechtliche Fragestellung zugrunde. Vielmehr handelt es sich, ohne Übertreibung gesprochen, um ein existentielles Problem der gesamten Rechtsordnung, genauer gesagt: der Rechtswissenschaft193. 1. Das
Problem
Die Problematik des Richterrechts resultiert aus der inzwischen Allgemeingut gewordenen Erkenntnis, daß jede v o n Menschen stammende Gesetzesordnung unvollständig ist und daß auch sorgfältig durchdachte und abgewogene Kodifikationen f ü r einzelne Bereiche der Rechtsordnung ebenso viele Lücken und Pro191 192
Vgl. auch Tomuschat (Fn. 172) S. 55. Literatur: Reinhold Zippelius, Zum Problem der Rechtsfortbildung, N J W 1964, 1981; Hans Peter Schneider, Richterrecht, Gesetzesrecht und Verfassungsrecht, 1969; Germann, Probleme und Methoden der Rechtsfindung, 2. Aufl. 1967, S. 227ff. ; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, S. 457ff.; Baring, Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts als Rechtsquelle?, in: JurJb, Bd. 6 (1965/66), S. 27ff.; Kruse, Das Richterrecht als Rechtsquelle des innerstaatlichen Rechts, 1971; Josef Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 2. Aufl. 1965; ders. (Fn. 172) S. 95ff. ; Ossenbühl, Die Bindung der Verwaltung an die höchstrichterliche Rechtsprechung, AöR 92 (1967) S. 478; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl. 1976, S. 243; Robert Fischer, Die Weiterbildung des Rechts durch die Rechtsprechung, 1971; Tomuschat (Fn. 172) S. 51 ff. ; Meyer-Cording (Fn. 88) S. 60ff. ; Redeker, Legitimation und Grenzen richterlicher Rechtsetzung, N J W 1972, 409; Scholz, Arbeitsverfassung und Richerrecht, in: Der Betrieb 1972, 3ff. (7ff.); Badura, Grenzen und Möglichkeiten des Richterrechts, 1973; Rainer Stahl, Die Bindung der Staatsgewalten an die höchstrichterliche Rechtsprechung, 1973; Dreier, Probleme der Rechtsquellenlehre, in: Festschrift für H a n s J . Wolff, 1973, S. 3 f f . ; Jörn Ipsen, Richterrecht und Verfassung, 1975; Roellecke/ Starck, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, W D S t R L 34 (1976), S. 7ff., 4 3 f f . ; Coing, Zur Ermittlung von Sätzen des Richterrechts, JuS 1975, 277ff. ; Bruno Heusinger, Rechtsfindung und Rechtsfortbildung im Spiegel richterlicher Erfahrung, 1975; Gerhard Müller, Gedanken zum Richterrecht, AuR 1977, S. 129.
193 Vgl. J a z u Larenz, N J W 1958, 695. 98
Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975, S. 6;
Stern,
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§ 7
Vili 2
bleme enthalten wie legislative Entscheidungen. Dieses F a k t u m steht mit dem verfassungsrechtlich begründeten Postulat strikter Gesetzesunterworfenheit des Richters in unversöhnlichem Widerspruch. Die ü b e r k o m m e n e Lehre versucht den Widerspruch dadurch aufzuheben, daß sie das richterliche Urteil als einen A k t der Erkenntnis wertet, der nach den anerkannten Regeln juristischer Interpretation abläuft und die verborgene, aber im Gesetz vorgedachte, eine richtige Entscheidung für den Einzelfall erschließt 1 9 4 . Es ist einleuchtend, daß die Diskussion u m das Richterrecht von hier aus einerseits in den breiten Strom der Erörterungen u m die Methodik der rechtswissenschaftlichen Erkenntnis und der Wissenschaftlichkeit der Jurisprudenz schlechthin einmündet 1 9 5 , andererseits mit grundlegenden Problemen der Verfassungsstruktur (Gewaltenteilung, Funktionenlehre) verknüpft ist 1 9 6 . Es geht etwa u m folgende Fragen: Ist richterliche Tätigkeit, also Rechtsanwendung, durchweg ein rational begründbarer Vorgang mit intersubjektiv verifizierbaren Resultaten oder enthält sie auch volitive Elemente, Bestandteile einer eigenbestimmten Rechtseizwwg? Wenn solche richterliche Rechtsetzung bejaht wird, wie ist sie dann verfassungsrechtlich gegenüber der gesetzgebenden A u f g a b e des Parlaments zu legitimieren 1 9 7 , wie ist ihr Verhältnis zur grundgesetzlich instituierten Legislative, w o liegen die Grenzen eines solchen Richterrechts? 1 9 8
2. Auffassungen
in Lehre und
Rechtsprechung
a) Die Existenz und Legitimität von Richterrecht ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Zweifel gezogen w o r d e n 1 9 9 ; im Gegenteil: nach d e m Selbstverständnis der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt „die Aufstellung allgemeiner Rechtsgrundsätze in der Natur der Tätigkeit der höheren Gerichte" 2 0 0 . — N o c h entschiedener und klarer heißt es im Jahresbericht 1966 für den Bundesgerichtshof : „Darüber ist jedenfalls unter Juristen kein Zweifel m ö g lich, daß in allen übersehbaren Zeiträumen das verwirklichte Recht eine Mischung von Gesetzesrecht und Richterrecht gewesen ist und daß dasjenige Recht, das sich in den Erkenntnissen der Gerichte verwirklicht hat, sich niemals in allem mit dem194
195 196 197 196
199
200
Bülow, Gesetz und Richteramt, 1885 (Neudruck 1972), S. 29; Heck, Das Problem der Rechtsgewinnung, 2. Aufl. 1932, S. 1 ; Riimelin, Werturteile und Willensentscheidungen, Tübinger Kanzlerrede 1891. Vgl. besonders: Rüthers (Fn. 192); Hans Peter Schneider (Fn. 192), S. 24ff. Vgl. Hans Peter Schneider (Fn. 192), S. 30ff.; Kruse (Fn. 192) S. 12ff. Vgl. Rohen Fischer (Fn. 192), S. 6; Redeker, NJW 1972, 409. Hans Peter Schneider (Fn. 192), S. 30 ff. ; Redeker, NJW 1972, 409; Franz-Jürgen Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, 1969, S. 123. Vgl. z.B. BVerfGE 1 3 , 3 1 8 , 3 2 8 ; 1 8 , 2 2 4 , 2 3 7 ; 26,327,337; 34,269 (287ff. - SorayaBeschluß); BAGE 23, 292 (319f.) („gesetzesvertretendes Richterrecht" im Arbeitskampf); BVerwG MDR 1968,348; ferner Hans Peter Schneider (Fn. 192); Robert Fischer (Fn. 192) und Rüthers (Fn. 192), S. 466ff. mit Nachweisen. BVerfGE 26, 327, 337. 99
7'
§ 7
Vili 2
Fritz Ossenbühl
jenigen Recht gedeckt hat, das der Gesetzgeber gesetzt hatte" 201 . — Zu bemerken ist schließlich, daß das Bundesverfassungsgericht im Gleichberechtigungsurteil dem Richter die Schließung einer Gesetzeslücke in „schöpferischer Rechtsfindung"aufgetragen hat mit dem Hinweis, solche schöpferische Füllung weiter Lücken auf der Grundlage einer richtungsweisenden Klausel (hier Art. 3 Abs. 2 GG) sei „eine herkömmliche und stets bewältigte richterliche Aufgabe" 202 . Damit ist zugleich angedeutet, in welchem Raum des Verwaltungsrechts sich Richterrecht entfalten kann. Einmal in jenen Bereichen, in denen (einfach-)gesetzliche Bestimmungen fehlen, zum andern aber auch und namentlich dort, wo der Gesetzgeber sich mit der Aufstellung von Generalklauseln und der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe begnügt und sachnotwendig begnügen ra«/?203. So ist beispielsweise die polizeiliche Generalklausel durch eine jahrzehntelange Rechtsprechung in einer Weise konkretisiert worden, daß ihre Anwendung heute keine nennenswerten Schwierigkeiten mehr bereitet204. Aufschlußreich und paradigmatisch ist auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des Begriffs „Eignung zur sittlichen Jugendgefährdung" 205 . Sie legt Zeugnis davon ab, daß der Umfang des Jugendschutzes und der ihm korrespondierenden Verlegerfreiheit weitgehend von der konkretisierenden Auslegung bestimmt werden, die der Richter bei einem unbestimmten Rechtsbegriff vornimmt (z. B. gefährdungsgeneigter Jugendlicher oder Durchschnittsjugendlicher usw.) 206 . Die ständige Konfrontation der richterlichen Praxis mit ergänzungsbedürftigen Gesetzen und völligen Rechtslücken hat auf diese Weise das Selbstverständnis der Judikatur geprägt. Richterrecht ist ihr zwar problematisch207, aber vertraut, auch wenn es nicht immer unter dieser Bezeichnung in Erscheinung tritt 208 oder gar die Gleichung: richterliche Rechtsschöpfung = Rechtsetzung apodiktisch verneint wird 209 . b) In der Rechtslehre sind die Vorbehalte gegen die Anerkennung von Richterrecht stärker verbreitet210, aber zunehmend im Abbau begriffen211. Es geht im N J W 1967, 816. BVerfGE 3, 225, 243. Weitere Beispiele ähnlicher Art bei Robert Fischer (Fn. 192). 2 0 3 Dazu namentlich Kruse (Fn. 192), S. 7. 2 0 4 Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, Bd. 2, 8. A u f l . 1977, S. 35; zuletzt aber wieder Hans H. Klein, DVB1. 1971, 233; Erbel, DVB1. 1972, 475. 2 0 5 BVerwGE 39, 197 = D Ö V 1972, 419 = N J W 1972 , 596 m. Anm. Müller, ebenda S. 1587. 2 0 6 Dazu Ossenbühl, D Ö V 1972, 401 (403). 2 0 7 Dazu Robert Fischer (Fn. 192), S. 25, 38; B G H Z 54, 332, 337 = N J W 1971, 32 (Ampelunfall); 55, 229 (232) = N J W 1971, 607 (Wasserrohrbruch). 208 Meist ist lediglich die Rede von „allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts" (dazu sub IX.) o. ä. 2 0 9 Ζ. Β. BVerfGE 18, 224, 238. 2 , 0 Vgl. zuletzt besonders: Hirsch, JR 1966, 334; Flume, Richter und Recht, 1967; Z. Giacometti (Fn. 1) S. 1 7 6 f f . ; abwägend Scholz, Der Betrieb 1972, 3 f f . , 7 f f . 2 1 1 Vgl. namentlich Georg Dahm, Deutsches Recht, 1963, S. 35; Kruse (Fn. 192); MeyerCording (Fn. 88) S. 6 6 f f . ; Kriele (Fn. 192) S. 2 4 3 f f . ; Robert Fischer (Fn. 192); Hans 201
202
100
§ 7
Die Quellen des Verwaltungsrechts
Vili 3
Grunde nicht mehr um das Ob, sondern um das Maß und die Grenzen des Richterrechts. Man kann sich dem Problem des Richterrechts von verschiedenen Ansatzpunkten her nähern. Wer vom verfassungsdogmatischen Standpunkt ausgeht, wird es unter dem Aspekt der Gewaltenteilung und der Rechtsunterworfenheit des Richters schwerer haben, zur Anerkennung des Richterrechts zu gelangen. Demgegenüber setzt sich in neuerer Zeit immer mehr eine realistische Betrachtungsweise durch, die von dem Faktum ausgeht, daß sich das geltende Recht niemals nur aus dem Gesetz erschließen läßt, sondern stets die Rechtsprechung hinzugenommen werden muß 212 , ja, daß vielfach das genaue Studium der Judikatur wichtiger ist als Gesetzeskenntnis. Von hier aus wird versucht, das Richterrecht in die Rechtsquellentheorie einzubauen. Diesem Anliegen ist zuzustimmen. Denn eine Theorie, die eine breite und die Rechtsordnung beherrschende Wirklichkeit wie die des Richterrechts ignoriert oder nicht verarbeiten kann, ist unglaubwürdig und wertlos 213 .
3.
Lösungsansätze
Wenn im folgenden von Verbindlichkeit von Richterrecht die Rede ist, so sind jene verfassungsgerichtlichen Entscheidungen ausgeklammert, denen kraft einfachgesetzlicher Anordnung ohnehin Gesetzeskraft zukommt 2 1 4 . a) Daß man dem Richterrecht die Eigenschaft einer Rechtsquelle abgesprochen hat und auch heute noch ausdrücklich oder stillschweigend abspricht, hat nicht zuletzt seinen Grund darin, daß das richterliche Urteil nicht dieselbe Verbindlichkeit aufweist wie die „klassischen" Rechtsquellen (z. B. Gesetze und Rechtsverordnungen). Der schwächere Grad der Verbindlichkeit des Richterrechts rechtfertigt es jedoch nicht, ihm das Prädikat einer Rechtsquelle vorzuenthalten 215 . Der häufig zu hörende Einwand, das richterliche Urteil erzeuge nur Wirkungen und Bindungen zwischen den Prozeßparteien (inter partes), gilt wohl für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits als solchen, nicht aber für den im Urteil zum Ausdruck kommenden, vom Richter aufgestellten Rechtsgrundsatz, der sich über den Einzelfall erhebt und als Entscheidungsmaßstab für künftige Streitfälle
212
213 214 215
Peter Schneider (Fn. 192); Josef Esser (Fn. 180); Franz-Jürgen Säcker (Fn. 198) S. 95 ff.; Germann (Fn. 192); Redeker, NJW 1972, 409 (411); Rüthers (Fn. 192) S. 471 f., alle mit weiteren Nachweisen. Vgl. eindrucksvoll Rüthers (Fn. 192); ferner Kriele (Fn. 192) S. 243ff.; Kruse (Fn. 192) S. 4; Esser (Fn. 180) S. 118f.; Robert Fischer (Fn. 192). Vgl. auch Robert Fischer (Fp. 192) S. 7, lOf. ; Kruse (Fn. 192) S. 20. Z . B . § 3 1 Abs. 2 BVerfGG. Insoweit stellt Rüthers (Fn. 192) S. 472, mit Recht fest, daß es sich bei dem Streit um die Rechtsquellennatur des Richterrechts in erheblichem Maße um „Konstruktions- und: Formulierungskontroversen" handelt. 101
§ 7 Vili 3
Fritz Ossenbiihl
sowohl die Judikatur als auch die übrige Praxis formt und bestimmt 216 . Freilich besteht keine im echten Sinne normative und deshalb prinzipiell unüberwindliche Bindung an Präjudizien; weder für die Verwaltung noch für den Bürger und ebenso nicht für den Richter selbst. Aber der Richter kann in Zukunft nicht ohne weiteres an den Vorentscheidungen vorbeijudizieren ; er wird und muß sich mit ihnen auseinandersetzen. Es entsteht eine Argumentationslast, die man mit Kriele als „präsumtive Verbindlichkeit" (Vermutung zugunsten des Präjudizes) bezeichnen kann 217 . Die Beachtung von Präjudizien bedeutet nicht Erziehung zur unkritischen Autoritätsgläubigkeit, zur Unwissenschaftlichkeit, sondern zur Bewahrung einer gewissen Kontinuität der Rechtsordnung, deren Eigenwert häufig und teilweise aus einer modischen Denkweise heraus allzu leicht verkannt wird. b) Die vorstehenden Ergebnisse lassen sich auch aus dem Blickwinkel der rechtsanwendenden Verwaltungsbehörden bestätigen. Die Verwaltung ist zwar bei der Auslegung von Gesetzen prinzipiell nicht an die Judikatur gebunden. Sie kann sich unter Umständen sogar gegen eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung entscheiden 218 . — Freilich kann man diese Möglichkeit als Extremfall praktisch vernachlässigen. Denn in der täglichen Praxis ist die Verwaltung im Regelfall für jede klärende richterliche Grundsatzentscheidung dankbar, weil sie einen Zustand der Rechtsungewißheit beendet, klare Bahn schafft. Vielfach wird die Rechtsprechung im rechtsanwendenden Bereich „zu der eigentlich entscheidenden Erkenntnisquelle für das Handeln der Verwaltung" 219 . Davon abgesehen gehen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber auch konkret faßbare rechtliche Bindungseffekte für die Verwaltung aus. Denn - abermals aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung (diesmal des RG und B G H ) — ist allgemein anerkannt, daß ein Bediensteter der öffentlichen Verwaltung, der ohne neue und gewichtige Gründe von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht, sich einer Amtspflichtverletzung schuldig macht, die zu entsprechenden Schadensersatzansprüchen des betroffenen Bürgers gegen die Anstellungskörperschaft (z.B. Bund, Land, Gemeinden usw.) führt 2 2 0 . Die präsumtive Verbindlichkeit des höchstrichterlichen Präjudizes erfaßt also auch die administrative Rechtsanwendung. Sie löst eine auf Argumentationslast abgeschwächte Bindung der Verwaltung aus, die mit Hilfe des Amtshaftungsanspruchs indirekt sanktioniert wird. c) Schließlich ist zu bemerken, daß die höchstrichterliche Rechtsprechung das von ihr geschaffene Richterrecht auch in bestimmten Beziehungen wie Gesetzesrecht im herkömmlichen Sinne behandelt. So hat das Bundesverwaltungsgericht
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217 218
219 220
102
Vgl. Dahm (Fn. 211) S. 35 („Kristallisationspunkte für die zukünftige Praxis"); Robert Fischer (Fn. 192) S. 2 4 f . unter Hinweis auf das Phänomen des sog. Musterprozesses. Kriele (Fn. 192) S. 243ff. Näheres bei Ossenbühl, A ö R 92 (1967), 478ff. Robert Fischer (Fn. 192) S. 23. Vgl. Ossenbühl, A ö R 92 (1967), S. 478 (486); ders., Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1978, S. 44ff. mit Nachweisen.
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§7
1X1
unter Z u s t i m m u n g des S c h r i f t t u m s 2 2 1 auch jene „allgemeinen G r u n d s ä t z e des Verwaltungsrechts", die sich bei n ä h e r e m Z u s e h e n als Richterrecht erweisen, als revisibles Bundesrecht im Sinne des § 137 V w G O qualifiziert 2 2 2 . Ferner sieht das Bundessozialgericht eben diese „allgemeinen G r u n d s ä t z e des V e r w a l t u n g s r e c h t s " als „ G e s e t z e " im Sinne des § 77 S G G an 2 2 3 , weil sie „ n a c h ständiger Rechtsprec h u n g wie geschriebene N o r m e n angewendet w e r d e n " 2 2 4 . d) Zieht m a n ein R e s ü m e e , so läßt sich feststellen, daß n u r derjenige d e m Richterrecht die Q u a l i t ä t einer Rechtsquelle absprechen k a n n , der den Rechtsquellenbegriff ebenso wie den RechtsM/zbegriff lediglich auf die herkömmlich anerkannten Rechtsquellen bezieht, ihn also historisch-konventionell einengt 2 2 5 . E i n e zeitgemäße, die Rechtswirklichkeit einbeziehende Rechtsquellentheorie k a n n sich diese Fixierung auf das Begriffsarsenal des 19. J a h r h u n d e r t s auf die D a u e r nicht weiter leisten. Versteht m a n , wie dargetan, die Rechtsquelle als „ E r k e n n t n i s g r u n d f ü r etwas als geltendes R e c h t " , so ist auch das Richterrecht als Rechtsquelle anzusehen226.
IX. Die allgemeinen G r u n d s ä t z e des V e r w a l t u n g s r e c h t s 2 2 7 l.
Begriff
Eine D a r s t e l l u n g der allgemeinen G r u n d s ä t z e des Verwaltungsrechts ist d a d u r c h erheblich erschwert, daß sich n o c h keine einheitliche Terminologie durchgesetzt 221
222
223
224 225 226 227
Ule, VerwprozeßR, S. 273 ; Hardt, Zur Rechtsnatur der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, Diss. Würzburg, 1969, S. 110ff. ; Heinrich Schleifenbaum, Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts als revisibles Bundesrecht, Diss. München, 1966. BVerwG D Ö V 1971, 857 m. Anm. Bachof, ebenda S. 859, 860 (Betrifft: Folgenbeseitigungsanspruch); BVerwG DVB1. 1973, 373, 374. § 77 SGG lautet: „Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist". BSG DVB1. 1963, 249; vgl. auch BVerwG D Ö V 1961, 382. Vgl. oben § 6 II. Vgl. auch Menger, in: Festschrift für Walter Bogs, 1967, S. 89, 90, 92. Literatur: Baring, Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts — eine Rechtsquelle?, in: JurJb 6 (1965/66), S. 27; Hardt (Fn. 221); ders., Die allgemeinen Verwaltungsgrundsätze, D Ö V 1971, 685; ders., Die Revisibilität der allgemeinen Verwaltungsgrundsätze, DVB1. 1973, 235; Menger, Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts als Rechtsquellen, in: Festschrift für Walter Bogs, 1967, S. 89; Schleifenbaum, Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts als revisibles Bundesrecht, Diss. München, 1966; ders., Die Revisibilität des Grundsatzes von Treu und Glauben im Verwaltungsprozeß, DVB1. 1969, 350; Höhn (Fn. 172) S. 56; Tomuschat (Fn. 172) S. 46ff.; 2. Giacomelli (Fn. 1) S. 283ff; Hans-Werner Rengeling, Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1977, S. 90ff. 103
§ 7
Fritz Ossenbühl
1X2
hat, vielmehr fast jeder Autor eigene Begriffsvorstellungen zugrunde legt 228 . Die bestehende Verwirrung wird nicht unbeträchtlich verstärkt, indem auch die Rechtsnatur der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts in die Begriffsbildung einbezogen wird 2 2 9 . Unbestritten ist im Grunde nur die banale Feststellung, daß die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts prinzipiell für alle Gebiete des Verwaltungsrechts gelten und nicht auf Sondermaterien beschränkt sind. — Im übrigen empfiehlt es sich, zur Erfassung des Phänomens der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts induktiv vorzugehen.
2.
Beispiele
Auf der Suche nach Grundsätzen, die unter den Terminus „allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts" rubriziert werden, stößt man beispielsweise auf folgende Regeln: a) die Grundsätze über Bestand, Widerruf und Rücknahme von Verwaltungsakten 2 3 0 ; b) die Grundsätze über die Nichtigkeit von Verwaltungsakten 231 ; c) die Grundsätze über die Verwirkung im öffentlichen Recht 2 3 2 ; d) die Grundsätze über die Selbstbindung der Verwaltung 2 3 3 ; e) die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit 234 ; f) die Grundsätze über das Verwaltungsverfahren (z.B. rechtliches Gehör, Verbot der Entscheidung in eigener Sache, Interessenkollision und Befangenheit) 2343 . g) die Grundsätze über die öffentlich-rechtliche Entschädigung 235 ; h) die Grundsätze über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch 236 und Folgenbeseitigungsanspruch 237 ; 228
Vgl. Schleifenbaum
(Fn. 227) S. 71 ff. ; ders., DVB1. 1969, 351.
Z. B. Gleichsetzung der „allgemeinen Grundsätze" mit Gewohnheitsrecht oder Richterrecht. 2 3 0 Dazu Kimminich, Rücknahme und Widerruf begünstigender Verwaltungsakte, JuS 1965, 249 ; Becker, Zur Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, DÖV 1967,729; ders., DÖV 1973,379; BVerwG DVB1. 1973, 373, 374; jetzt normiert in den §§ 48, 49 VwVfG. 231 Erhel, Die Unmöglichkeit von Verwaltungsakten, 1972; jetzt § 44 VwVfG. 2 3 2 BVerwGE 6, 204 (205). 2 3 3 Vgl. Ossenbühl, AöR 92 (1967), 1, 13ff. ; BVerwGE 34, 278, 280. 2 3 4 Grundlegend: Lerche, Ubermaß und Verfassungsrecht, 1961; ferner: Wittig, DÖV 1968, 817; BVerwG DÖV 1971, 857, 858; Hans Huber, Über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Verwaltungsrecht, in: Ztschr. f. Schweiz. Recht 96 (1977), Iff. 2341 Jetzt kodifiziert im Verwaltungsverfahrensgesetz. 235 Dazu Bender (Fn. 179). 236 Vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1978, S. 207ff.; BVerwGE 18, 308 (314); 20, 295 (297). 237 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1978, S. 190ff. 229
104
§7
Die Quellen des Verwaltungsrechts
1X3
i) der Grundsatz des Vertrauensschutzes 2373 . Dies sind nur einige Beispiele. Die vorstehende Aufzählung ließe sich erheblich erweitern. 3.
Rechtsnatur
Geht man den Ursprüngen, der Entstehungsweise und der Bedeutung der hier gemeinten „allgemeinen Grundsätze" nach, so sind zunächst zwei Feststellungen bemerkenswert. Erstens können diese Grundsätze auf ein unterschiedliches Alter verweisen; einige sind über hundert, andere erst wenige Jahre alt. Zweitens: alle sog. „allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts" werden ohne Rücksicht auf Alter und Herkunft „nach ständiger Rechtsprechung wie geschriebene Normen angewendet" 238 . Dies ist zunächst der empirische Befund. Stellt man die Frage nach der Rechtsnatur, so zeigt sich, daß die „allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts" in Wahrheit keine eigene neue Rechtsquellenkategorie darstellen, sondern als Sammelbegriff für verschiedene — meist ungeschriebene — Rechtsnormen dienen, die sich bei näherem Zusehen als Gewohnheitsrecht oder — häufiger — als Richterrecht, zuweilen auch als Gesetzesrecht erweisen, also in den bereits dargestellten Kategorien von Rechtsquellen aufgehen 239 . a) So findet beispielsweise der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seinen positivrechtlichen Ausdruck in den Polizeigesetzen der Länder 240 . Im Polizeirecht als einer der Materien des „klassischen" Verwaltungsrechts ist dieser Grundsatz auch ursprünglich entwickelt, aber sein Anwendungsbereich inzwischen auf das gesamte Verwaltungsrecht ausgedehnt worden. Überdies wird diesem Grundsatz heute sogar verfassungsrechtlicher Rang zugesprochen 241 . b) Eine Reihe von „allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts" stellt sich als Gewohnheitsrecht dar. Dies gilt beispielsweise für den Grundsatz der freien Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte 242 (jetzt im Verwaltungsverfahrensgesetz kodifiziert) oder die Grundsätze über die öffentlich-rechtliche Entschädigung bei Aufopferung für das Gemeinwohl 243 . c) Die weitaus überwiegende Zahl der „allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts" hat jedoch die Qualität von Richterrecht 244 . Diese Feststellung ist 237» Vgl Ossenbühl, Vertrauensschutz im sozialen Rechtsstaat, DÖV 1972 , 25ff. ; Kisker/ Püttner, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht, W D S t R L 32 (1974), 149ff., 200ff. So BSGE 18, 22 = DÖV 1963, 182; DVB1. 1963, 249. Vgl. auch BVerwG DÖV 1971, 857 m. Anm. Bachof, ebenda S. 859, 860. 2 4 0 Nachweise bei Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl. 1977, S. 73ff. 2 4 1 Dazu Wittig, DÖV 1968, 817: Gentz, NJW 1968, 1600; Grabitz, AöR 98 (1973), 568 ff. ; Götz, Bundesverfassungsgericht und Vertrauensschutz, in : Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, 1976, II S. 421 ff. 2 4 2 Vgl. Ossenbühl (Fn. 28) S. 51, BVerwG DÖV 1977, 606. 243 Vgl. die Nachweise in Fn. 235. 2 4 4 Vgl. Bachof, Rspr. BVerwG II Nr. 290. 238 239
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§7
1X3
Fritz Ossenbühl
daraus zu erklären, daß einerseits ein „allgemeines Verwaltungsgesetz", welches die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts normiert, fehlt, andererseits der Rückgriff auf gewohnheitsrechtliche Prinzipien weitestgehend versagt, weil sich das Verwaltungsrecht seit Inkrafttreten des Grundgesetzes in einem Umbruch befindet. Dieser Umbruch, d. h. die Anpassung der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts an die Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes, vollzieht sich vorerst durch die Rechtsprechung in Form des Richterrechts, um sich nach praktischer Bewährung und Übung entweder zu Gewohnheitsrecht zu verfestigen oder, wie etwa im Landesverwaltungsgesetz für Schleswig-Holstein oder im Verwaltungsverfahrensgesetz, in förmlichen Gesetzen eine festere normative Gestalt anzunehmen. Die vorerst als Richterrecht ausgeprägten allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts lassen sich nach ihrer Herkunft wie folgt differenzieren. aa) Zum großen Teil sind diese Grundsätze Konkretisierungen aus fundamentalen Verfassungsprinzipien245. So ist beispielsweise auf der Grundlage der Konkretisierungskette: Rechtsstaatsgebot—Rechtssicherheit—Vertrauensschutz des Bürgers ein Fundus von Entscheidungsregeln für die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte entwickelt worden, der sich bewährt hat und in gleicher Weise voraussehbare Entscheidungen ermöglicht wie ein detailliertes förmliches Gesetz. Die Ableitung von Grundsätzen aus Verfassungsprinzipien ist erst nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes in Mode gekommen und durch die Vorstellung vom „Verwaltungsrecht als konkretisiertem Verfassungsrecht" beflügelt worden. Sie ist die heute gängigste, wenngleich schwierigste Methode der Rechtsfindung und Rechtsschöpfung im öffentlichen Recht 246 . bb) In den Hintergrund geraten ist auf diese Weise eine andere Methode, deren sich namentlich das Reichsgericht bediente247, die aber auch heute in der Rechtsprechung248 noch eine nicht unerhebliche Rolle spielt: die Analogie. Problematisch ist im Verwaltungsrecht namentlich die Frage der Zulässigkeit von Analogien zu zivilrechtlichen Vorschriften249. Sie wird zum Teil wegen der Strukturunterschiede zwischen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht prinzipiell verneint, aber überwiegend, wenn auch mit Vorbehalten, bejaht. Vgl. Bachof, Rspr. BVerwG II Nr. 290; Stern, JZ 1962, 263 (268); Göldner, Verfassungsprinzip und Privatrechtsnorm in der verfassungskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung, 1969, S. 26ff.; Giacometti (Fn. 1) S. 180, 283ff. 246 Yg] vorige Fußnote. 2 4 7 Dazu Friedrich Schack, „Analogie" und „Verwendung allgemeiner Rechtsgedanken" bei der Ausfüllung von Lücken in den Normen des Verwaltungsrechts, in: Festschrift für Laun, 1948, S. 275. 2 4 8 Vgl. BGHZ 58, 386, 392 ff. = DVB1. 1972 , 672, 673 = NJW 1972, 1364 (Anwendung von § 313 B G B auf Erschließungsverträge nach § 123 Abs. 3 BBauG). 2 4 9 Dazu Schack (Fn. 247); Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967, S. 87ff. ; Flückiger, Das Zivilrecht als Rechtsquelle des Verwaltungsrechts, in: Rechtsquellenprobleme im schweizerischen Recht, 1955, S. 137ff. 245
106
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§7 X
Bei der Verwendung zivilrechtlicher Rechtsvorschriften im öffendichen Recht zeigen sich zwei Spielarten, die allerdings häufig ineinanderfließen250. Einmal kann nach den Grundsätzen der Analogie eine Vorschrift des bürgerlichen Rechts im öffentlichen Recht deshalb Verwendung finden, weil der dieser Vorschrift zugrunde liegende Rechtsgedanke auch hier gilt und die Privatrechtsnorm sich deshalb zur Lösung anbietet 251 . Zum andern kann die zivilrechtliche Norm Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens sein, der als solcher auch im öffentlichen Recht unmittelbare Geltung hat 252 . In der Rechtsprechung werden die „allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts" in der Regel als „Gewohnheitsrecht in statu nascendi" gedeutet, als Grundsätze, die der Rechtsüberzeugung der Beteiligten entsprechen, die aber (noch) kein Gewohnheitsrecht darstellen, weil es an der ständigen Übung fehlt 253 . Solche Qualifikationen fußen ersichtlich auf den Vorstellungen der herkömmlichen Rechtsquellendoktrin und können nach dem Gesagten nur mit Vorbehalten zur Kenntnis genommen werden.
X. Europäisches Gemeinschaftsrecht254 Wenn das Europäische Gemeinschaftsrecht 255 erst an letzter Stelle erwähnt wird, so indiziert dies keineswegs Bedeutung und Rang dieser Rechtsquelle im Verwaltungsrecht 256 ; ihr würde man nach dem derzeitigen Stand der Entwicklung eher gerecht, wenn man das Europäische Gemeinschaftsrecht an die Spitze stellte, was freilich der Entwicklungsgeschichte nicht entspräche. Über den hohen Stellenwert des Europäischen Gemeinschaftsrechts in unserer Rechtsordnung besteht im Prinzipiellen kaum Streit. Um so merkwürdiger erscheint die Feststellung, daß das Europäische Gemeinschaftsrecht in neueren verwaltungsrechtlichen Darstellungen entweder ganz fehlt oder nur am Rande erwähnt wird 257 . 250
251 252 253 254
Vgl. schon Schule, VerwArch. 38 (1933), 4 0 5 f f . ; zuletzt B G H Z 58, 386, 392ff. = DVB1. 1972, 672, 673 = N J W 1972, 1364. Beispiel: B G H Z 58, 386, 392ff. = DVB1. 1972, 672 , 673 = N J W 1972, 1364. Beispiel : öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch ; B V e r w G E 18, 308, 314 ; 20, 2 9 5 , 297. Vgl. BSG DVB1. 1963, 249, 2 5 0 ; Höhn (Fn. 172) S. 56ff. Literatur: Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, insbes. S. 4 f f . , 62ff., 107ff., 120ff., 447ff. ; Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Recht, 1969; ders., Neue Literatur zum Europarecht: Gemeinschaftsrecht und nationale Gesetze, A ö R 97 (1972), 4 2 3 ; Pescatore, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht in der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, N J W 1 9 6 9 , 2 0 6 5 ; Fuß, Rechtssatz und Einzelakt im Europäischen Gemeinschaftsrecht, N J W 1 9 6 4 , 3 2 7 , 9 4 5 , 1 6 0 0 ; Runge, Einführung in das Recht der E u r o päischen Gemeinschaften, 2. Aufl. 1975, S. 6 3 f f . ; Kirchhofen. 34) S. 93ff.
255
Die Terminologie ist nicht einheitlich; synonym werden benutzt: Europarecht, Recht der Europäischen Gemeinschaften, Europäisches Recht.
256
Vgl. z . B . Schmidt, DVB1. 1972 , 247 (bes. 253). Mit dieser Fixierung auf die traditionellen, nationalen Rechtsquellen bricht erfreulicherweise Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, 1971, S. 67ff.
257
107
§ 7 Χ 1, 2
Fritz Ossenbiihl
1.
Grundlagen
Europäisches Gemeinschaftsrecht ist das Recht der drei Europäischen Gemeinschaften (EGKS, EAG, EWG), welches als „primäres Gemeinschaftsrecht" in den europäischen Verträgen 258 normiert ist und als „sekundäres Gemeinschaftsrecht" („Folgerecht", „Organrecht") 2 5 9 in Gestalt von verbindlichen Regelungen (Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen) der Gemeinschaftsorgane (Rat, Kommission) zum Ausdruck kommt. Das Europäische Gemeinschaftsrecht steht in keinem Ableitungszusammenhang mit den unter I.—IX. aufgeführten nationalen Rechtsquellen. Mit der Errichtung der Europäischen Gemeinschaften ist kein Bundesstaat, auch keine internationale Organisation im herkömmlichen Sinne, sondern ein verfaßter Verband eigener Art entstanden, dem eine originäre supranationale öffentliche Gewalt zukommt. Dieser Verband bildet eine eigene Rechtsgemeinschaft der „Marktbürger" mit eigenen Organen, eigenem Rechtsschutzsystem und eigener Rechtsordnung. Das Gemeinschaftsrecht und das innerstaatliche, nationale Recht der Mitgliedstaaten sind „zwei selbständige, voneinander verschiedene Rechtsordnungen" 2 6 0 . Damit soll zum Ausdruck kommen, daß das sekundäre Gemeinschaftsrecht weder von der nationalen Hoheitsgewalt abgeleitet noch von ihm abhängig ist. Andererseits entfaltet das Gemeinschaftsrecht auch im innerstaatlichen Raum unmittelbare Wirkung und überlagert und verdrängt entgegenstehendes nationales Recht 261 .
2. Normschichten
und
Normkategorien
a) Die verschiedenen Ansätze einer Strukturierung des Gemeinschaftsrechts können hier nicht dargeboten werden 262 . Auf die Unterscheidung zwischen Primärrecht und Sekundärrecht ist bereits hingewiesen worden. Notwendig erscheint noch eine weitere Auffächerung des Sekundärrechts. b) Das Sekundärrecht umfaßt Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen (Art. 189 EWGV, Art. 161 EAGV), Empfehlungen und allgemeine Entscheidungen (Art. 14 EGKSV). Die Verordnungen haben allgemeine Geltung. Sie sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten „unmittelbar in jedem Mitgliedstaat" (Art. 189 Abs. 2 258
Fundstellen (Gründungsverträge): Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS): BGBl. 1952 II S. 447; Europäische Atomgemeinschaft (EAG): BGBl. 1957 II S. 1014, 1678; Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) : BGBl. 1957 II S. 766, 1678 ; (BGBl, jeweils Text in 4 Sprachen); SartoriusII, Internationale Verträge — Europarecht; Wohlfarth/Everling/Glaesner/ Sprung, D i e Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, 1960 (Anhang mit deutschem und französischem Text).
259
Ipsen (Fn. 254) S. 6, 111. BVerfGE 22, 293, 2 9 6 f . ; 37, 271, 277; BVerwGE 38, 90, 94; Ipsen (Fn. 254) S. 62f. BVerfGE 31, 145, 174; siehe auch unter § 9 . D a z u Ipsen (Fn. 254) S. 119.
260 261 262
108
§7
Die Quellen des Verwaltungsrechts
X 3 , XI
E W G V ; Art. 161 Abs. 2 EAGV). So können z . B . durch Gemeinschaftsverordnungen Zahlungsansprüche des einzelnen Marktbürgers gegen einen Mitgliedstaat begründet werden, deren Entstehung auch durch innerstaatliche Haushaltsvorschriften nicht gehindert werden kann, und die die innerstaatlichen Gerichte in unmittelbarer Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu wahren haben 263 . — Richtlinien sind dagegen nach dem Wortlaut der Römischen Verträge (Art. 189 Abs. 3 E W G V ; Art. 161 Abs. 3 E A G V ) für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel. Die normative Zielbestimmung der Gemeinschaften bedarf danach noch ergänzender nationaler Rechtsetzungen über Form und Mittel der Zielverwirklichung. Dies schließt aber nicht aus, daß einer Richtlinie auch „Durchgriffcharakter" zukommt mit der Konsequenz, daß der einzelne Marktbürger sich vor nationalen Gerichten unmittelbar auf eine Gemeinschaftsrichtlinie berufen kann. Eine solche unmittelbare Wirkung der Richtlinien in Verbindung mit Ratsentscheidungen hat der Europäische Gerichtshof ( E u G H ) in der Leber-Pfennig-Entscheidung angenommen 264 . Für Empfehlungen nach Art. 14 Abs. 3 E G K S V gilt dasselbe, weil sie kraft Legaldefinition — in freilich verwirrender Terminologie — den Richtlinien nach Art. 189 Abs. 3 E W G V entsprechen. Sekundäre Rechtsnormen sind schließlich die allgemeinen Entscheidungen i. S. der Art. 14 Abs. 2, 15 Abs. 3 E G K S V , die nicht „einen Einzelfall betreffen" 2 6 5 .
3.
Fundstellen
a) Das primäre Gemeinschaftsrecht ist im Bundesgesetzblatt Teil II veröffentlicht. Nichtamtliche Textsammlung: Sartorius II, Europarecht und internationale Verträge. b) Das sekundäre Gemeinschaftsrecht wird im Amtsblatt der Gemeinschaften publiziert.
XI. Völkerrecht Das Völkerrecht hat mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht gemeinsam, daß es als „Zwischensouveränitätenordnung" selbständig neben der staatlichen Rechts263
264
265
Vgl. EuGH, Urt. v. 12 . 5. 1972, Rechtssache 93/71, NJW 1972, 1639 = DVBl. 1973 , 72 (betr. Zahlung einer Schlachtprämie). EuGH, Urt. v. 6. 10. 1970 - RS 9/70, AS I X , 1 = DVBl. 1971, 44 = DÖV 1971, 310 = NJW 1970, 2182; dazu Ipsen (Fn. 254) S. 124ff.; Grabitz, Entscheidungen und Richtlinien als unmittelbar wirksames Gemeinschaftsrecht, EuR 1971,1 ; krit. Rambow, DVBl. 1971, 46; ferner: Wägenbaur, DVBl. 1972, 244. Vgl. Ipsen (Fn. 254) S. 447ff. ; Börner, Die Entscheidungen der Hohen Behörde, 1965, S. 114ff. ; Fuß, N J W 1964, 327, 328.
109
§ 7
XI
Fritz Ossenbiihl
Ordnung steht 2 6 6 . Im Gegensatz zum Europäischen Gemeinschaftsrecht entfaltet das Völkerrecht jedoch keine unmittelbaren Wirkungen im innerstaatlichen Raum. Hierzu bedarf es vielmehr der „Umsetzung" durch innerstaatliche Normen, die nach herkömmlicher Lehre das Völkerrecht in innerstaatliches Recht umwandeln (Transformationslehre), nach einer neueren Auffassung den Charakter des Völkerrechts unangetastet lassen, es jedoch durch Anwendungsbefehl innerstaatlich in Vollzug setzen (Vollzugslehre) 267 . a) Die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts" sind nach Art. 25 G G (generelle Transformation) 2 6 8 „Bestandteil des Bundesrechts". Sie binden deshalb die innerstaatlichen Behörden unmittelbar. Freilich ist die Relevanz dieser „allgemeinen Regeln des Völkerrechts" für das innerstaatliche Verwaltungsrecht gering, weil trotz zunehmender Einbeziehung der Rechtsstellung des Individuums in das Völkerrecht die „allgemeinen Regeln" durchweg an die Staaten adressiert sind 2 6 9 . b) Anders verhält es sich dagegen mit den völkerrechtlichen Verträgen (Staatsverträge, Verwaltungsabkommen) 2 7 0 . Ihre Transformation richtet sich nach Art. 59 Abs. 2 G G . Sie erfolgt bei Staatsverträgen durch besonderes Zustimmungsgesetz und bei sog. normativen Verwaltungsabkommen durch Rechtsverordnung 2 7 1 . Im übrigen bedürfen Verwaltungsabkommen keiner besonderen Transformation, weil sie sich im Rahmen des eigenen Funktions- und Entscheidungsbereiches der Exekutive halten und deshalb durch schlichten, nicht notwendig per Verwaltungsvorschriften (Auslegungserlasse, Ermessensrichtlinien) gelenkten Vollzug im Einzelfall erfüllt werden können. Die Bindung der (innerstaatlichen) Exekutive an die Regelung des Verwaltungsabkommens mit Wirkung gegenüber betroffenen einzelnen (im Gegensatz zum staatlichen Partner des Abkommens) wird man mit dem Institut der Selbstbindung der Verwaltung zu begründen haben. Dualistische Theorie: vgl. Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, 1899, unveränderter Nachdruck 1958, S. 111 ff.; RudolfVölkerrecht und deutsches Recht, 1967, S. 128ff., 139 ff. mit weiteren Nachweisen. 26? Vgl. Rudolf (Fn. 266); zur Vollzugslehre: Partsch, Die Anwendung des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht, Uberprüfung der Transformationslehre, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, 1964; die Rechtsprechung des BVerfG läßt beide Deutungen zu, vgl. den Bericht von Kimminich, AöR 93 (1968), 485, 496ff. ; ferner Bernhardt, Bundesverfassungsgericht und völkerrechtliche Verträge, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, 1976, II, S. 154ff. 266
Transformation, Inkorporation; die Terminologie ist uneinheitlich; vgl. z.B. Maunz bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 25 Rn. 6ff.; Wolff/Bachof, VerwR I, § 25 IV; Menzel, Völkerrecht, 1962, S. 54ff. 269 Vgl. d a Z u etwa Partsch, Die Rechte und Freiheiten der europäischen Menschenrechtskonvention, 1966, S. 29ff., 46ff., abgedr. auch in: Die Grundrechte 1/1, S. 235ff., 263ff., 280 ff. 2 7 0 Zur Terminologie und Begriffsabgrenzung: Maunz bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 59 Rn. 37; von Mangoldt!Klein, GG, Art. 59 Anm. V; näheres bei Härle, Die völkerrechtlichen Verwaltungsabkommen der Bundesrepublik, JIR 12 (1965), 93; Rudolf (Fn. 266) S. 222ff. 2 7 1 Vgl. Maunz bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 59 Rn. 45. 268
110
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§ 8
1,11
Im innerstaatlichen Verwaltungsrecht gewinnen die völkerrechtlichen Verträge namentlich durch den hohen Stand an Gastarbeitern (4 Mill.) zunehmende Bedeutung, soweit sie den status von Ausländern (z.B. Niederlassungsabkommen) außerhalb des Bereichs der EWG betreffen (vgl. § 55 Abs. 3 AuslG) 2 7 2 . - Ein weiterer verwaltungsrechtlich relevanter Vertrag ist beispielsweise die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950 273 , die in der Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht nicht selten eine Rolle spielt 274 .
§8 Rangordnung der Rechtsquellen 1 I. Notwendigkeit der Rangordnung Es gehört zum Wesen einer Rechtsordnung, daß sie eine widerspruchslose Einheit bildet; anders könnte sie ihren Zweck, eine Ordnung zu schaffen, nicht erreichen. Normwidersprüche, die durch die Vielfalt der Normsetzer und Normen unvermeidbar sind, müssen deshalb aufgelöst werden. Diese kollisionsauflösende, einheitsstiftende Funktion kommt den Regeln über die Rangordnung der Normen zu. Rangprobleme treten auf, wenn zwei Voraussetzungen zusammentreffen: a) eine potentielle Doppelkompetenz (Konkurrenz zweier Normsetzer; ζ. B. „konkurrierende" Gesetzgebung nach Art. 74 GG), b) themenidentische, aber inhaltlich einander widersprechende Regelungen verschiedener Herkunft.
II. Völkerrecht und innerstaatliches Recht Die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts" haben kraft der generellen Transformation durch Art. 25 GG im innerstaatlichen Bereich die Qualität von „Bundes272
273
2'4
1
Vgl. aus der Rspr. z.B. BVerwGE 38, 90; D Ö V 1970, 3 4 1 ; BVerwGE 36, 45 = D Ö V 1970, 856; Woschera.nlKloesel, Gewerbeausübung und Niederlassungsabkommen, D Ö V 1970, 814. Zustimmungsgesetz v. 7. 8. 1952 (BGBl. II 685), zuletzt geändert durch Protokoll Nr. 5 v. 20. 1. 1966 (BGBl. 1968 II S. 1120), in Kraft seit 10. 12. 1971 (BGBl. 1972 II S. 105); Sartorius II, Nr. 130; Literatur: Partsch (Fn. 269); Menzel, D Ö V 1970, 509. Z . B . B G H N J W 1966, 1021 und BGHZ 45, 46 = N J W 1966, 726 (betr. Amtshaftung; Art. 5 Abs. 5 MenschRKonv.); O V G Münster D Ö V 1 9 7 0 , 3 4 4 (betr. Versammlungsfreiheit; Art. 11 MenschRKonv.); weitere Beispiele bei Menzel, D Ö V 1970, 5 1 4 f f . Literatur: Hensel, Die Rangordnung der Rechtsquellen, insbesondere das Verhältnis von Reichs- und Landesgesetzgebung, in: HdbDStR II S. 313; Wolff/Bachof, VwR I, § 2 6 ; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 4 6 8 f f .
111
§ 8
Fritz Ossenbühl
III 1
recht mit Verfassungsrang"2. Das nach Art. 59 Abs. 2 G G speziell transformierte Völkerrecht nimmt den Rang des Zustimmungsgesetzes ein.
III. Europäisches Gemeinschaftsrecht und innerstaatliches Recht 3 Die Frage nach der Zuordnung zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht, speziell nach dem „Vorrang des Gemeinschaftsrechts", hat verständlicherweise eine kaum mehr übersehbare Diskussion ausgelöst, weil hinter dem „Vorrangproblem" letztlich die Frage steht, ob die Gemeinschaftsorgane mit dem Hebel des Rechts die europäische Integration beschleunigen können. Der derzeitige Stand der Meinungen stellt sich aus europäischer und deutscher Sicht wie folgt dar: 1. Europäisches
Gemeinschaftsrecht
und innerstaatliche
Gesetze
Eine echte Kollision zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalen Gesetzen besteht bei den Gemeinschaftsnormen mit Durchgriffcharakter (ζ. B. Verordnungen). Diese Kollision wird vom Europäischen Gerichtshof im Sinne des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht gelöst 4 . Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck gebracht, daß die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts „im innerstaatlichen Raum unmittelbare Wirkung entfalten und entgegenstehendes nationales Recht überlagern und verdrängen" 5 . Diese sich immer mehr verfestigende integrationsfreundliche Auffassung ist durch das „Prinzip der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften" motiviert 6 . Aus europäischer Sicht wird die Vorrangregel exemplarisch in den Art. 189 Abs. 2 EWGV, Art. 161 Abs. 2 EAGV und Art. 14 Abs. 2 EGKSV erblickt 7 . Aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts wird der Vorrang aus Art 24 Abs. 1 G G deduziert8, 2
Vgl. im einzelnen zu dem Streit um die Auslegung des Art. 25 G G von Mangoldt/Klein, G G , Art. 25 Anm. V ; Maunz bei Maunz/Dürig/Herzog, G G , Art. 25 Rn. 2 2 f f . ; Partsch, Die Anwendung des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht, 1964, S. 61 ff.
3
Zuleeg, Das Recht der europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, 1969; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 255ff. ; Scheuing, Rechtsfragen beim Vollzug des Gemeinschaftsrechts im deutschen Recht, D Ö V 1975, 145 ff. ; Rengeling, Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1977, S. 229 ff.
4
Entscheidende Wendung zuerst E u G H , Urteil v. 15. 7. 1964, Rechtssache 6 / 6 4 (Costa . / . E N E L ) , AS X , 1251 ( 1 2 6 9 f . ) ; dazu Grossfeld, JuS 1966, 3 4 7 ; ferner: Urteil v. 13. 2. 1969, Rechtssache 14/68 (Farbenhersteller Walt Wilhelm u . a . ) , AS X V , 1 (13ff.). Zur Rechtsprechung des E u G H : Pescatore, N J W 1969, 2 0 6 5 ; E u G H D Ö V 1973, 410.
5
BVerfGE 31, 145, 174 = DVB1. 1972, 271 v. Anm. Sommer (Umsatzausgleichssteuer für Milchpulver); einschränkend BVerfGE 37, 271 betr. Grundrechte; dazu sub 2.
6
Vgl. Ipsen (Fn. 3) S. 2 7 7 f f . , 280ff. Ipsen (Fn. 3) S. 285. Vgl. BVerfGE 31, 145, 1 7 3 f . ; Ipsen (Fn. 3) S. 285.
7 8
112
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§ 8
III 2
der als „Integrationshebel" nicht nur die Möglichkeit eröffnet, daß deutsche Hoheitsgewalt in supranationaler Hoheitsgewalt „aufgeht", sondern als deren Konsequenz auch die innerstaatliche Verbindlichkeit und Unantastbarkeit der supranational gesetzten Nonnen impliziert. Insoweit stellt sich der „Vorrang des Gemeinschaftsrechts" als Ergebnis einer Deutung der Europäischen Gemeinschaften dar, die in ihnen einen mit den herkömmlichen staatstheoretischen und völkerrechtlichen Kategorien nicht erklärbaren Verband eigener Art sieht, dessen Rechtsordnung selbständig und unabhängig vom nationalen Recht existiert, so daß die herkömmlichen Theorien über das Inkrafttreten des Völkerrechts im nationalen Bereich versagen9. Der „Vorrang des Gemeinschaftsrechts" ist freilich nicht in dem schroffen Sinne zu verstehen, wie er in der innerstaatlichen Rechtsordnung etwa in Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht") zum Ausdruck kommt10. Trotz thematischer Identität (z.B. Kartellrecht) können nationale Normen und Gemeinschaftsrecht nebeneinander gelten und zur Anwendung kommen. Das nationale Recht wird nach dem„Prinzip der Funktionssicherung" jedoch insoweit verdrängt, als es „die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftskartellrechts und die volle Wirksamkeit der zu seinem Vollzug ergangenen Maßnahmen auf dem gesamten Gemeinsamen Markt beeinträchtigt"11. 2. Europäisches
Gemeinschaftsrecht
und
Grundrechte12
Die Diskussion um das Problem des „Vorrangs des Gemeinschaftsrechts" steht insbesondere unter dem Eindruck, daß auch die nationalen Grundrechte diesem „Vorrang" weichen müssen und der „Marktbürger" dem Gemeinschaftsrecht „grundrechtsentkleidet" gegenübersteht13. Denn der nationale Richter hätte den „Vorrang des Gemeinschaftsrechts" auch gegenüber der Berufung auf Grundrechte des Grundgesetzes zu beachten, während der Europäische Gerichtshof lediglich 9 10 11
12
13
Dies gilt auch für die „Vollzugslehre"; vgl. Zuleeg (Fn. 3) S. 70f. ; Ipsen (Fn. 3) S. 269f. Näheres bei Ipsen (Fn. 3) S. 287 ff. EuGH, Urt. v. 13. 2. 1969, Rechtssache 14/68 (Farbenhersteller) AS XV, 1 (13ff.); dazu Harms, in : Gemeinschaftsrecht und nationale Rechte, Kölner Schriften zum Europarecht, Bd. 13, 1971, 11/37 ff. Literatur: Zieger, Das Grundrechtsproblem in den Europäischen Gemeinschaften, 1970; dazu Fuß, AöR 96 (1971), 291 ff.; ferner: Benda/Klein, Das Spannungsverhältnis von Grundrechten und übernationalem Recht, DVB1. 1974, 389; Riegel, Zum Problem der allgemeinen Grundsätze und Grundrechte im Gemeinschaftsrecht, NJW 1974, 1585; Fuß, Die Europäische Gemeinschaft und der Rechtsstaatsgedanke, 1967, S. 53 ff. ; Scheuner, Der Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft und die Verfassungsrechtsprechung, AöR 100 (1975), S. 30ff.; Börner, Deutsche Grundrechte und Gemeinschaftsrecht, NJW 1976,2041. Vgl. z.B. Rupp, Die Grundrechte und das Europäische Gemeinschaftsrecht, NJW 1970, 353; BFHE 93, 248 = NJW 1969, 388; zust. Anm. Zuleeg, EuR 1969, 262. 113
8
Allgemeines Verwaltungsrecht
§8
IV
Fritz Ossenbühl
zur Auslegung und Anwendung von Gemeinschaftsrecht und nicht von nationalem Recht kompetent ist. In der Tat hat sich der Europäische Gerichtshof zwar ausdrücklich für den Vorrang des Gemeinschaftsrechts auch gegenüber nationalen Grundrechten ausgesprochen 1 4 , aber ebenso zum Ausdruck gebracht, daß die Beachtung der „von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten" getragenen Grundrechte zu den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen" des Gemeinschaftsrechts gehört, deren Wahrung der Europäische Gerichtshof zu sichern hat 1 5 . Freilich wird der Europäische Gerichtshof im gegenwärtigen Stadium der Entwicklung vermutlich eher dazu neigen, grundrechtliche Bremswirkungen der Integration durch das „Prinzip der Funktionssicherung" zu überwinden 1 6 . Demgegenüber räumt das Bundesverfassungsgericht bei dem gegenwärtigen Stand der Integration (Fehlen eines demokratisch gewählten Parlamentes und eines Grundrechtskataloges) im Konfliktsfalle den grundgesetzlichen Grundrechtsgarantien gegenüber dem Gemeinschaftsrecht den Vorrang ein, weil die Integrationskraft des Art. 24 G G dort ende, wo das Gemeinschaftsrecht „die Identität der geltenden Verfassung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in die sie konstituierenden Strukturen aufheben würde" 1 7 .
IV. Stufen der innerstaatlichen R a n g o r d n u n g Im innerstaatlichen Bereich müssen in einer groben Sichtung zunächst drei Rechtsmassen voneinander abgeschichtet werden: Bundesrecht, Landesrecht und autonomes Recht. Bundes- und Landesrecht gehen als staatliches Recht dem autonomen Recht (ζ. Β kommunalen Satzungen) vor, weil sich die Autonomie aus staatlicher Rechtsetzungsgewalt ableitet. Für das Verhältnis von Bundesrecht zu Landesrecht gilt Art. 31 G G : „Bundesrecht bricht Landesrecht" 1 7 \ Innerhalb des Bundesrechts und des Landesrechts steht die Verfassung im obersten Rang der Normenhierarchie. Ihr folgt das förmliche Gesetz und die auf formalgesetzlicher Grundlage ergehende Rechtsverordnung. Demnach ergibt sich folgende Stufung:
E u G H AS VI/2, 885, 9 2 0 f . ; Urt. v. 17. 12. 1970, Rechtssache 11/70, D Ö V 1971,309. E u G H , Urt. v. 12. 12. 1969, Rechtssache 29/69, AS X V , 419 = DVB1. 1970, 612 m. Anm. Meier; Urteil v. 17. 12. 1970, Rechtssache 11/70, D Ö V 1971, 309. 1 6 Vgl. die vorsichtige Formulierung im Urteil vom 17. 12. 1970 (wie vorige Fußnote): „ D i e Gewährleistung dieser (Grund-)Rechte muß zwar von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten getragen sein, sie muß sich aber auch in die Struktur und die Ziele der Gemeinschaft einfügen." 1 7 Vgl. BVerfGE 37, 271 (279); dazu Rupp, N J W 1974 , 2153; Scbeuner (Fn. 12); Rengeling (Fn. 3) S. 229 ff. 1 7 1 Vgl. B V e r f G E 26, 116 (135); Bundesverfassungsrecht bricht jedoch inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht nicht (BVerfGE 36, 342 = DVB1. 1974, 420). 14
15
114
Die Quellen des Verwaltungsrechts
Grundgesetz Förmliches Bundesgesetz Bundesrechtsverordnung
§9 I 1
Bundesrecht Art. 31 G G
Landesverfassung Förmliches Landesgesetz Landesrechtsverordnung
Landesrecht
Autonomes Recht Gewohnheitsrecht kann sich je nach Rechtsmaterie auf allen Stufen bilden. Es nimmt dann im Rechtsquellensystem den jeweiligen Rang ein. Normwidersprüche zwischen Rechtssätzen verschiedener Stufen werden in der Weise aufgelöst, daß die ranghöhere N o r m vorgeht. Normkollisionen auf derselben Rangstufe werden im allgemeinen mit der lex-specialis-Regel zu lösen sein, wenn sie sich nicht — wie namentlich auf der Verfassungsstufe — nach dem Prinzip der Konkordanz 1 8 klären lassen. O b auf der Stufe der Verfassung oder der förmlichen Gesetze weitere Stufendifferenzierun^en getroffen werden können oder müssen, ist umstritten und in neuerer Zeit namentlich im Verhältnis von Plan- und Vollzugsgesetz sowie allgemeinem Gesetz und Einzelfallgesetz am Beispiel des Haushaltsgrundsätzegesetzes und der kommunalen Neugliederungsgesetze diskutiert worden 1 9 . Ein weiteres Sonderproblem bietet die „Einstufung" der Verwaltungsvorschriften, deren Placierung mit dem Hinweis auf den „Gesetzesvorrang" allein nicht präzise und abschließend umrissen werden kann 2 0 .
Der Zeitpunkt des Inkrafttretens von geschriebenen Rechtsvorschriften ist häufig im jeweiligen Gesetz bestimmt. Er liegt bei Gesetzen, auf die sich die Verwaltung und der Bürger in ihren Dispositionen einstellen müssen, erheblich später als der Zeitpunkt der Verkündung 1 . 18 19
20 1
Vgl. dazu Hesse, VerfR, S. 20ff., 28f. Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, §26111; Günter Püttner, D Ö V 1970, 322; Quaritsch, parlamentslose Parlamentsgesetz, 2. Auflage 1961, 18ff. Dazu ausführlich Ossenbühl (Fn. 1) S. 473 ff. Z.B. § 189 BBauG.
Das
115
§9
Fritz Ossenbühl
12,3
Fehlen spezielle Regelungen über das Inkrafttreten, so gelten die allgemeinen Vorschriften, die allerdings für die einzelnen Rechtsquellenkategorien unterschiedlich aussehen2 und auch von Land zu Land verschieden sind3. Gesetze und Rechtsverordnungen im Bunde wie auch in den meisten Ländern treten 14 Tage nach der Verkündung in Kraft. 2.
Außerkrafttreten
Für das Außerkrafttreten von Normen gelten insbesondere folgende Tatbestände. a) Rechtsvorschriften treten infolge Zeitablaufs außer Kraft, wenn die Rechtsquelle selbst befristet ist oder in ihrer Geltungsweise durch andere Rechtsquellen begrenzt wird. Beispiele sind die Gesetze des Gemeinsamen Ausschusses (Art. 115k Abs. 2 GG) sowie Polizei- und Ordnungsverordnungen4. b) Im Regelfall werden Rechtsvorschriften durch formelle Aufhebung in jüngeren Gesetzen außer Kraft gesetzt. Häufig werden die aufgehobenen Vorschriften genau bezeichnet5; zuweilen wird aber auch dem neu erlassenen Gesetz eine Generalklausel eingefügt, die besagt, daß alle entgegenstehenden oder gleichlautenden Bestimmungen außer Kraft treten. Solche Generalklauseln sind positivrechtlicher Ausdruck des allgemeingeltenden Satzes: lex posterior derogat legi priori 6 . c) Bei Untergang des gesetzgebenden Hoheitsträgers gilt die Rechtsordnung im allgemeinen fort. Sonderregelungen gelten im Bereich des autonomen Rechts7 und der Polizei- und Ordnungsverordnungen8, wenn infolge von Gebietsänderungen einzelne normgebende Instanzen wegfallen und in anderen Hoheitsträgern aufgehen. 3.
Rückwirkung9
Verwaltungsrechtliche Vorschriften haben im allgemeinen keine rückwirkende Kraft. Nicht selten greifen sie jedoch abändernd in bereits vergangene und abge2 3
4
5 6
7
8 9
116
Vgl. z. B. Art. 82 Abs. 2 G G ; § 36 NW OBG, § 36 PrPVG, § 25 Nds SOG. Vgl. z.B. Art. 126 LV Bremen (Inkrafttreten am Tage nach der Verkündung); Art. 71 Abs. 3 LV NW (14 Tage nach Verkündung). Längste Geltung 20 Jahre (§ 34 I NW OBG, § 42 PVG, § 62 II SHLVwG) bzw. 30 Jahre (S 42 Hess SOG, § 23 Nds SOG). Vgl. z.B. § 184 BBauG. Zur Bedeutung der lex-posterior-Regel: Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 264ff.; 278ff.; Renck, JZ 1970, 770. Z. B. § 15 NW GO (Regelung der Uberleitung von Ortsrecht in den Gebietsänderungsverträgen); Volker Hassel, Rechtsfolgen kommunaler Gebietsreform, 1975, S. 105 ff. Z.B. § 3 9 NW OBG. Literatur: Friedrich Klein/Günther Barbey, Bundesverfassungsgericht und Rückwirkung von Gesetzen, 1964; Kisker, Die Rückwirkung von Gesetzen, 1963; Kimminich, Die
Die Quellen des Verwaltungsrechts
§ 9 14
wickelte Tatbestände ein, etwa in der Weise, daß durch nachträglich eingeführte Stichtagsregelungen bereits entstandene Ansprüche gegen den Staat wieder entfallen. Es liegt auf der Hand, daß solche rückwirkenden Gesetze unter dem Aspekt der rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich problematisch sind. Nach einer inzwischen durch eine lange Reihe von Entscheidungen gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 1 0 sind belastende Gesetze, die abgeschlossene Tatbestände rückwirkend erfassen, regelmäßig „unvereinbar mit dem Gebot der Rechtsstaadichkeit, zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit gehört, die ihrerseits für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet". Echte (retroaktive) Rückwirkung in diesem Sinne liegt vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift; hierzu im Gegensatz steht die Einwirkung auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen (sog. unechte, retrospektive Rückwirkung) 1 1 . Ausnahmen von dem Verbot der retroaktiven Rückwirkung gelten nur in den Fällen, in denen das Vertrauen des Bürgers auf eine bestimmte Rechtslage nicht schutzwürdig, weil sachlich nicht gerechtfertigt ist. Solche Ausnahmesituationen hat das Bundesverfassungsgericht in folgenden Fallgestaltungen erblickt 1 2 : a) D e r Bürger mußte nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den zurückbezogen wird, mit der Neuregelung rechnen, ζ. B . weil die bestehende Regelung nur vorläufigen Charakter hat. b) Die geltende Rechtslage ist unklar und verworren oder lückenhaft oder in dem Maße systemwidrig und unbillig, daß ernsthafte Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit bestehen. In diesen Fällen erfordert das Rechtsstaatsprinzip selbst eine rückwirkende Klärung. c) Ein Vertrauenschutz des Bürgers muß dann zurücktreten, wenn rückwirkende Gesetze ihm keinen oder nur einen ganz unerheblichen Schaden zufügen. d) Schließlich sind zwingende Gründe des gemeinen Wohls denkbar, die dem Vertrauensschutz vorgehen und deshalb eine Rückwirkung rechtfertigen können.
4. Fortgelten vorkonstitutionellen
Rechts
Vorkonstitutionelles Recht ist Recht, welches aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes stammt. Der Grundgesetzgeber stand vor der Frage, ob und mit welchem Charakter und Rang jenes Recht in der grundgesetzlichen Ordnung Rückwirkung von Gesetzen, JZ 1962, 518; Selmer, Rückwirkung von Gesetzen, Verwaltungsanweisungen und Rechtsprechung, Steuer-Kongreß-Report 1974, S. 83 ff. Aus der Rechtsprechung ausführlich und lehrreich : BVerfGE 30, 367, 385 (Stichtagsregelung im BEG); ferner BVerfGE 32, 111 = DÖV 1972, 232 (Ausschluß der „Österreichfälle" von der Entschädigung nach dem LAG). 10 Seit der Wende BVerfGE 13, 270; BVerfGE 30, 367, 385. 1 1 Vgl. BVerfGE 30, 367, 386. " BVerfGE 30, 367, 387 ff. 117
§9
Fritz Ossenbiihl
II, III
weitergelten sollte. Dieses Problem hat zwei Seiten. Die inhaltlich-materielle Seite regelt Art. 123 Abs. 1 G G , wonach vorkonstitutionelles Recht nicht fortgilt, soweit es dem Grundgesetz widerspricht. Die Kompetenz- und Rangfrage regeln die Art. 124, 125 G G , die für die Einordnung vorkonstitutioneller Vorschriften in das heutige Rechtsquellensystem an die grundgesetzliche Legislativkompetenz anknüpfen. Reichsgesetze, die Materien regeln, welche nach dem Grundgesetz in die Legislativkompetenz der Länder fallen, gelten danach als Landesgesetze fort (ζ. B . Reichstheatergesetz vom 15. Mai 1934). Die Kompetenz für künftige Gesetzänderungen liegt also beim Landesgesetzgeber.
II. Räumlicher Geltungsbereich 1 3 Der räumliche Geltungsbereich eines Gesetzes deckt sich im allgemeinen mit dem Zuständigkeitsbereich des gesetzgebenden Hoheitsträgers (ζ. B . Bund, Land, Gemeinde). Denkbar ist aber auch, daß der räumliche Geltungsbereich beschränkt wird; dann entsteht partielles Bundes- oder Landesrecht. Zu einem Nebeneinander partiell unterschiedlichen Kommunalrechts auf der Satzungsebene kommt es namentlich bei den ζ. Z. aktuellen Gebietsänderungen und den damit zusammenhängenden Vereinigungen mehrerer bislang selbständiger Hoheitsträger 1 4 . III. Persönlicher Geltungsbereich Der persönliche Geltungsbereich einer Rechtsnorm knüpft im allgemeinen an den räumlichen Geltungsbereich an. Danach richten sich die Rechtsnormen an alle, die es im territorialen Geltungsbereich angeht. Dies gilt ohne Rücksicht auf Wohnsitz, Nationalität oder Art des Rechtssubjekts. Normen des Landespolizeirechts verpflichten deshalb Ausländer 15 in gleicher Weise wie andere inländische Hoheitsträger (ζ. B . den Bund) 1 6 . Rechtsnormen von Hoheitsträgern ohne territoriales Substrat (ζ. B . Personalverbände) wenden sich an die betreffenden Mitglieder.
13 14 15 16
118
Literatur: Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965. Vgl. oben I.2.c). Ausnahme: Exterritorialität der Diplomaten. Vgl. zu diesem ausgiebig diskutierten Problem Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl. 1977, S. 102f. mit weiteren Nachweisen.
DRITTER TEIL
Das Verwaltungshandeln von Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens § 10 Verwaltungshandeln und Verwaltungsrechtsverhältnis I. Übersicht Nicht selten bedienen sich die Träger öffentlicher Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben der Handlungsformen des Privatrechts1. So beschäftigen sie Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes auf der Grundlage privatrechtlicher Dienstverträge. Zur Deckung ihres Sachbedarfs schließen sie Kaufverträge. Auf Grund von Werkverträgen lassen die Träger der Straßenbaulast Straßenbauarbeiten durch Privatunternehmer ausführen. In diesen Fällen handelt es sich um Rechtsverhältnisse des privaten Rechts zwischen öffentlicher Verwaltung und Bürger. Man versteht im Privatrecht unter einem Rechtsverhältnis rechtliche Beziehungen zwischen Personen als Rechtssubjekten, deren wesentliche Elemente Rechte und ihnen korrespondierende Pflichten sind 2 . Häufiger wird die öffentliche Verwaltung jedoch auf dem Boden des für den Staat und seine Untergliederungen geltenden Sonderrechts tätig. Ihr stehen dann besondere Handlungsformen des öffentlichen Rechts zu Gebote. Zu ihnen gehören Rechtsverordnung, Verwaltungsvorschrift, Sonderverordnung und Satzung. Sie sind bereits ausführlich dargestellt worden 3 . Darüber hinaus stellt das geltende Verwaltungsrecht der Verwaltung den Verwaltungsakt und den verwaltungsrechtlichen Vertrag zur Verfügung. Beide, aber auch nur sie, sind Gegenstand von Regelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen. Damit sind allerdings die Möglichkeiten der Verwaltung, im Einzelfall tätig zu werden, nicht erschöpft. Ihr stehen im Außenverhältnis auch die öffentlich-rechtliche Willenserklärung und im innerorganisatorischen Bereich die Einzelweisung zu Gebote. Der Erörterung bedürfen schließlich Planung und Plan der Verwaltung und ihre tatsächlichen
1 2 3
Vgl. oben § 2 III und unten §§31 f. Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 4. Aufl. 1977, § 12 I. Vgl. oben § 7 I I I - V I .
119
§10
II
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Handlungen (ζ. B. Bau und Unterhaltung öffentlicher Straßen), soweit diese als Realakte nach Maßgabe des öffentlichen Rechts vorgenommen werden.
II. Das Verwaltungsrechtsverhältnis Verwaltungsrechtsverhältnisse können einmal zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung bestehen. Aber auch dort, wo die Verwaltung dem Bürger öffentlichrechtlich handelnd gegenübertritt, werden Rechtsverhältnisse begründet, verändert und beendet. Solche Verwaltungsrechtsverhältnisse, die über das bloße Unterworfensein unter die Staatsgewalt hinaus individualisiert sind, bestehen zwischen Verwaltung und Bürger in einer Vielzahl von Fällen. Man kann sie auch als Sonderverbindungen bezeichnen4. Sonderverbindungen zwischen Verwaltung und Bürger können indes nicht nur und ausschließlich nach Maßgabe öffentlichen Rechts begründet, inhaldich gestaltet und beendet werden, wie es beispielsweise beim Beamten- und Strafvollzugsverhältnis der Fall ist; sie können auch wahlweise öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich geordnet sein, wie es etwa viele der unten5 im einzelnen behandelten Anstaltsnutzungsverhältnisse zeigen. Darüber hinaus kommt es — im Bereich der Anstaltsnutzung aber ζ. B. auch bei der Gewährung von Subventionen in Form von Darlehen oder Bürgschaften — zu einer Verknüpfung von öffendichrechtlicher Begründung und zivilrechtlicher Abwicklung in Gestalt von „zweistufigen" Rechtsverhältnissen6. Das Verwaltungsrechtsverhältnis ist bislang als Institution des Verwaltungsrechts wenig beachtet worden 7 . Anders als die A O 8 und das SGB 9 nimmt das VwVfG — seinem Namen durchaus entsprechend — das Verwaltungsrechtsverhältnis nicht zur Kenntnis. Es unterwirft zwar den öffentlich-rechtlichen Vertrag einer Regelung, doch betreffen die Vorschriften im wesentlichen die Zulässigkeit und den Bestand des öffentlich-rechtlichen Vertrages, nicht hingegen den Inhalt des durch ihn begründeten Verwaltungsrechtsverhältnisses. Insoweit enthält das VwVfG in § 62 S. 2 einen eher lakonischen denn hilfreichen Hinweis auf die Regelungen des B G B . Diese Beschränkung der Kodifikation hat seinen Grund in
4
5 6 7
Vgl. zum Verwaltungsrechtsverhältnis auch Henke, W D S t R L 28 (1970), 149, 158 ff. ; Forsthoff, VwR, S. 177ff.; Bachof W D S t R L 30 (1972), 193, 231 f. Zur Sonderverbindung im Steuerrecht vgl. Tipke/Kruse, A O , Stand 1976, Vorbem. zu § § 3 3 — 77 Rn. 1. Im Grundsätzlichen und im einzelnen ist hier noch vieles ungeklärt. Vgl. § 44. Vgl. etwa Badura, in: v. Münch, Bes. VwR, S. 313. Vgl. etwa Bachof, W D S t R L 30 (1972), 183 , 231 f. m. w. Nachw. in Fn. 172; Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, 1974 S. 110; J. Martens, JuS 1977, 664, 666.
Vgl. §§ 37ff. : Steuerschuldverhältnis. « § § 3 8 ff. SGB. 8
120
§10 II, 1
Das Verwaltungshandeln
der bisherigen Fixierung des Verwaltungsrechts auf Entscheidungen der Verwaltung. Immerhin ist das Verwaltungsverfahrensrechtsverhältnis nunmehr, jedenfalls in gewissem Umfang, Gegenstand der VwVfGe und damit die bisherige, statische und auf das Verfahrensprodukt beschränkte Betrachtung durchbrochen. Ob diese Durchbrechung als Anfang dogmatischer Umorientierung im Verwaltungsrecht begriffen werden kann, ist zweifelhaft. Es fehlt insoweit an dem stimulierenden Erlebnis des Mangels, denn es ist keineswegs so, daß es an jeder rechtlichen Ordnung des Verwaltungsrechtsverhältnisses fehlt. Vielmehr sind die einschlägigen Regelungen ausgehend von jener entscheidungsorientierten Systematik entwickelt worden, die seit Otto Mayer die Dogmatik des Allgemeinen Verwaltungsrechts bestimmt. Zwar ist der verwaltungsrechtliche Vertrag zwischen Staat und Bürger, der von Otto Mayer noch mit dem Verdikt der Unzulässigkeit belegt wurde 10 , inzwischen in das Arsenal der verwaltungsrechtlichen Handlungsformen aufgenommen worden; die öffentlich-rechtliche Willenserklärung jedoch, die Verwaltung und Bürger bei Abschluß eines solchen Vertrages austauschen, hat bisher allenfalls insoweit Aufmerksamkeit gefunden, als sie vom Bürger abgegeben worden ist 11 . Aber nicht nur die öffentlich-rechtliche Willenserklärung, sondern auch andere Handlungen der Verwaltung, die im Rahmen des Verwaltungsrechtsverhältnisses stattfinden, wie ζ. B. die Erklärung, die Leistung zu verweigern12 oder sie abzulehnen oder die Mahnung an den Bürger, eine geschuldete Leistung zu erbringen, haben bisher schwerlich die ihnen gebührende Aufmerksamkeit der Dogmatik des Verwaltungsrechts gefunden. Die zuletzt genannten, in der Dogmatik des Zivilrechts als geschäftsähnliche Handlungen13 bezeichneten Maßnahmen der Verwaltung lassen sich durchweg weder den Verwaltungsakten noch der Kategorie des Verwaltungsrealakts14 zuordnen.
1. Die Begründung
von
Verwaltungsrechtsverhältnissen
Verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen können einmal unmittelbar aufgrund Rechtssatzes unabhängig von einem final darauf gerichteten Verhalten der
10 11
12
13
14
Vgl. dazu unten § 27 I. Vgl. dazu etwa Krause, VerwArch. 61 (1970), 297ff.; Middel, öffentlich-rechtliche Willenserklärungen von Privatpersonen, 1971. Mit einem Fall von Leistungsverweigerung seitens des Bürgers befaßt sich das O V G Hamburg, N J W 1977, 1251. Vgl. etwa Soergel/Siebert/Hefermehl, BGB, Allg. Teil, 10. Aufl. 1967, vor § 104 Rn. 3 7 ; Erman/Westermarm, BGB, Bd. 1, 6. Aufl. 1975, Einl. § 104 Rn. 2; Urenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, Allg. Teil, 11. Aufl. 1976 S. 281 (Mahnung) S. 462 (Anzeige nach § 409). Dazu unten §§ 33 ff.
121
§10 II, 1
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Beteiligten zustande kommen 1 5 . So wird der Student bei vorhandener gesetzlicher Regelung durch Immatrikulation Mitglied der als Studentenschaft bezeichneten Gliedkörperschaft der Universität und damit Subjekt eines Verwaltungsrechts(Mitgliedschafts-)verhältnisses 16 . Unabhängig von dem Willen der Beteiligten entstehen verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen u. a. aufgrund gesetzlich festgelegter Anzeige- und Auskunftspflichten 17 oder durch gemeindliche Satzungen, die einen Anschluß- und Benutzungszwang begründen. Sie entstehen bei Schadenszufügung aufgrund von § 839 B G B , Art. 34 G G , indem zwischen der haftenden Körperschaft und dem Geschädigten ein zum Schadensersatz verpflichtendes Rechtsverhältnis begründet wird 1 8 . Verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen entstehen unmittelbar aufgrund objektiven Rechtssatzes auch bei Fehlen oder Wegfall des rechtlichen Grundes für eine Leistung — Erstattungsverhältnis 1 9 — oder bei der Rechtsbeeinträchtigung durch Verwaltungsakt oder verwaltungsrechdichen Realakt — allgemeiner Beseitigungsanspruch 20 . Verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen können weiter durch Verwaltungsakt, also durch ein auf Begründung eines solches Rechtsverhältnisses gerichtetes einseitig hoheitliches Verhalten der Verwaltung begründet werden 21 . So entsteht etwa eine verwaltungsrechtliche Sonderverbindung, wenn dem Bürger durch Ordnungs- oder Polizeiverfügung aufgegeben wird, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu beseitigen. Wenn z. B. die Polizei ein Motorrad wegen Diebstahlverdachts sicherstellt, so begründet sie dergestalt durch Verwaltungsakt ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis 22 . Auch Anstaltsnutzungsverhältnisse werden nach ganz überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur in der Regel durch Verwaltungsakt begründet 23 . 15
So heißt es z. B. in § 38 A O : „Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft." Gleichsinning formuliert § 4 0 Abs. 1 SGB: „Ansprüche auf Sozialleistungen entstehen, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen." Zur Qualifikation des Sozialleistungsverhältnisses als Verwaltungsrechtsverhältnis vgl. etwa Helmar Bley, Sozialrecht, 1975 S. 39. Vgl. im übrigen auch J. Martens, JuS 1977, 664, 666. Zum Verwaltungsrechtsverhältnis im Steuerrecht vgl. etwa Tipke, Steuerrecht, 4. Aufl. 1977, § 9.
16
Vgl. etwa O V G Hamburg NJW 1977, 1251.
17
Vgl. §§ 6, 24 BSeuchG, 9 ViehseuchG, 11 FleischbeschauG, 16f. PStG (Anzeigepflicht); § § 4 6 WaffG, 36 BSeuchG, 73 ViehseuchG, 116 BSHG aber auch § § 1 3 - 1 5 SGB (Auskunftspflicht). Vgl. dazu im einzelnen unten § 51 II. Dazu unten § 30 III. Vgl. dazu im einzelnen unten § 53 V. Vgl. etwa BSG NJW 1977, 77 zur Begründung eines Versorgungsrechtsverhältnisses mittels Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen durch VA. Vgl. LG Köln N J W 1965, 1440; dazu Menger und Erichsen, VerwArch. 57 (1966), 73; Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1974, Rn. 194. O V G RhPf. DÖV 1967, 169; Wolff/Bachof, VwR II, § 9 9 l i l a ; Bender (Fn. 22) Rn. 184; Badura, JuS 1966, 17, 19.
18 19 20 21
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23
122
§10 II, 2
Das Verwaltungshandeln
Die einseitige Begründung einer verwaltungsrechtlichen Sonderverbindung kann auch durch Zusicherung gemäß § 38 Abs. 1 S. 1 V w V f G oder Zusage 2 4 , sie kann w e i ter durch ein Verhalten geschehen, welches auf die Wahrnehmung fremder Interessen gerichtet ist. Hinzuweisen ist auf die Fälle der Geschäftsführung mit (gesetzlichem) 2 5 oder ohne Auftrag 2 6 . Es kann ausnahmsweise auch durch bloßen Verwaltungsrealakt begründet werden, w i e dies etwa im Falle der bloßen Inbesitznahme beim verwaltungsrechtlichen Verwahrungsverhältnis möglich ist 2 7 . Ein Verwaltungsrechtsverhältnis kann darüber hinaus nicht nur durch einseitig hoheitliches Handeln der Verwaltung, sondern auch durch ein darauf gerichtetes einseitiges Verhalten des Bürgers begründet werden. So wird zwischen der Post und ihren Benutzern ein Verwaltungsrechtsverhältnis (Benutzungsverhältnis) durch die tatsächliche Inanspruchnahme der Posteinrichtungen begründet 2 8 . A u c h läßt der freiwillige Beitritt zur Sozialversicherung, der durch eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung des Bürgers erfolgt 2 9 und läßt die Stellung eines Antrags in einem behördlichen Genehmigungsverfahren 3 0 ein Verwaltungsrechtsverhältnis entstehen. Neben der Möglichkeit, einseitig eine verwaltungsrechtliche Sonderverbindung zu begründen, steht die Möglichkeit, zwei- oder mehrseitig durch darauf gerichtete Einigung, also e t w a durch verwaltungsrechtlichen Vertrag ein solches Rechtsverhältnis zu konstituieren. 2. Die
Rechtsfähigkeit
Die Zuordnung von Rechten und Pflichten aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis setzt voraus, daß dem Zuordnungssubjekt Rechtsfähigkeit z u k o m m t . In der wissenschaftlichen Diskussion der Rechtsfähigkeit 3 1 unterscheidet man Vollrechtsfähigkeit und Teilrechtsfähigkeit. Zuweilen wird auch der Begriff der 24
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Zu dieser Unterscheidung unten § 11 II 4. Vgl. im übrigen OVG Lüneburg NJW 1977, 773 f. zur Begründung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses durch Zusicherung. Ζ. Β. § 1 Abs. 3 Gesetz über die Errichtung d. Bundesverwaltungsamtes vom 28. 12. 1959, BGBl. I, 829; §§ 103ff. BSHG. Ζ. B. den gesetzlich geregelten Fall der GoA in § 121 BSHG; dazu des weiteren vgl. unten § 30 II. Vgl. dazu unten § 30 I. BVerwG NJW 1977, 162, wobei die Ausgestaltung der durch die tatsächliche Benutzung entstehenden Rechtsbeziehung durch das Gesetz über das Postwesen erfolgt, vgl. § 7 PostG. Im Hinblick auf die Berücksichtigung von Willensmängeln wird man der im Privatrecht gerade auch zur Bewältigung der Probleme der Daseinsvorsorge und sonstigen Massenverkehrs entwickelten Auffassung folgen müssen und ihre Erheblichkeit nur in einem sehr begrenzten Umfang bejahen können. Zum Stand der Auffassungen im Zivilrecht vgl. Esser, Schuldrecht, Bd. 1, 4. Aufl. 1970, § 14 m. w. Nachw. Vgl. Rüfner, W D S t R L 28 (1970), 187, 213. BSGE 23, 248, 251. Vgl. etwa BGH VersR 1970, 1007. Vgl. etwa Hans J. W o l f f , Organschaft und Juristische Person Bd. 1, 1933, § § 7 f f . ; Bachof, AöR 83 (1958), 208ff.; Fabridus, Die Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963; E.-W. Böckenförde, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973 S. 269ff.
123
§ 1 0
II, 2
H a n s - U w e Erichsen und Wolfgang Martens
Rechtssubjektivität einbezogen und darunter die „Eigenschaft eines Menschen oder eines anderen sozialen Substrats, Zuordnungssubjekt mindestens eines Rechtssatzes zu sein" 3 2 , verstanden. Vollrechtsfähigkeit ist immer dann gegeben, wenn die Rechtsordnung „Rechtsfähigkeit" zuerkennt, wie das in § 1 B G B für den Menschen geschehen ist. Vollrechtsfähigkeit kommt neben ihm auch juristischen Personen des privaten wie des öffentlichen Rechts zu 33 . Vollrechtsfähigkeit bedeutet jedoch nicht etwa die Fähigkeit Träger aller denkbaren Rechte oder Pflichten zu sein. So können beispielsweise juristische Personen nicht Träger familienrechtlicher Rechte und Pflichten sein. Und gemäß Art. 19 Abs. 3 G G gelten die Grundrechte für inländische juristische Personen nur, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind 34 . Für das Verwaltungsrechtsverhältnis besonders wichtig ist die Einsicht, daß auch die natürliche Person im öffentlichen Recht nicht Träger aller Rechte sein kann. So kann sie nicht als solche, sondern immer nur als Amtswalter hoheitliche Befugnisse ausüben. Bezugspunkt der Vollrechtsfähigkeit ist trotz der zunehmenden Einbindung des Menschen in öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit und auch hier nur die Fähigkeit, Rechtssubjekt im vermögensrechtlichen, haftungsrechtlichen und zivilprozessualen Bereich zu sein 35 . Daraus folgt, daß sich mit der Vollrechtsfähigkeit natürlicher und juristischer Personen nicht notwendigerweise ihre Fähigkeit verbindet, Zuordnungssubjekt verwaltungsrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein. Zwar steht ihnen in der Regel weitreichende, einer besonderen Einzelzuweisung nicht bedürftige Rechtsfähigkeit auch im Bereich des Verwaltungsrechts zu, doch können Rechtsvorschriften Abweichendes festlegen. Schließlich gibt es mancherlei Zwischenlösungen, wie sich beispielhaft an Bundesbahn und Bundespost verdeutlichen läßt: Beide sind gemäß §§ 1, 2 Abs. 1 BBahnG, §§3, 4 Abs. 1 PostVG in vermögensrechtlicher, haftungsrechtlicher und prozessualer Hinsicht selbständige Sondervermögen mit einer Stellung im Rechtsverkehr, die der juristischer Personen stark angenähert ist, wie das gemäß § 124 Abs. 1 H G B auch bei der O H G ist 36 , ohne daß ihnen im verwaltungsrechtlichen Bereich eine derart selbständige Stellung zukommt 37 . Teilrechtsfähigkeit liegt demgegenüber dann vor, wenn Rechtssubjektivität in bezug auf einen bestimmten Bereich oder auf bestimmte Angelegenheiten, u. U.
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124
So Wolff/Bachof, VwR I, § 3 2 l i l a . Vgl. Bachof, A ö R 83 (1958), 263. Vgl. zur Tragweite des Art. 19 Abs. 3 G G Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 S. 168f. und v. Mutins, in: B K (Zweitbearbeitung) mit umfassenden weiteren Nachweisen sowie BVerfG N J W 1977, 1960 = DVB1. 1977, 760 und dazu Starck, JuS 1977, 732 ff. Vgl. E.-W. Böckenförde (Fn. 31) S. 3 0 4 ; Bachof, A ö R 83 (1958), 2 6 6 f . Vgl. etwa Sarter/Kittel, Die Deutsche Bundesbahn, 1952 S. 2 5 ; nach Auffassung von Wolff/Bachof, V w R II, § 98 III b 2 sind sie sogar teilrechtsfähige Anstalten mit privatrechtlicher aber nicht zugleich öffentlich-rechtlicher Rechtsfähigkeit. E.-W. Böckenförde (Fn. 31) S. 3 0 5 ; B a y O b L G BayVBl. 1976, 179, 180.
§ 1 0 II, 3
Das Verwaltungshandeln
auch nur eine ganz bestimmte Angelegenheit zuerkannt wird 38 . So kann ζ. B. gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 GastG eine Gaststättenerlaubnis auch nicht rechtsfähigen Vereinen erteilt werden. Regelungen dieser Art, die organisierte Personenund/oder Sachgesamtheiten zu Zuordnungssubjekten einzelner Rechte und Pflichten machen, finden sich im Verwaltungsrecht häufiger 39 . Solchen Gesamtheiten kommt insoweit Teilrechtsfähigkeit zu. Um einen besonderen — verfahrensrechtlichen — Aspekt der Rechtsfähigkeit geht es bei der Beteiligungsfähigkeit40. Darunter ist die Fähigkeit zu verstehen, Beteiligter eines Verfahrens der Verwaltung oder vor dem Verwaltungsgericht zu sein 41 . Beteiligungsfähig sind nach der übereinstimmenden Regelung in § 11 Nr. 1 VwVfG und §61 Nr. 1 VwGO natürliche und juristische Personen. Gemäß §§11 Nr. 2 VwVfG, 61 Nr. 2 V w G O sind darüber hinaus Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen oder — wie zu ergänzen ist 42 — eine Pflicht auferlegt werden kann — beteiligungsfähig. Hier wird für die nichtrechtsfähige Personenvereinigung 43 die materiellrechtliche Teilrechtsfähigkeit verfahrensrechtlich aufgenommen. Wie die „Soweit-Formulierung" ergibt, handelt es sich um eine begrenzte Verfahrensrechtsfähigkeit, die nur auf das Verfahren zur Begründung jenes Rechts oder jener Pflicht bezogen ist, deren Zuordnungssubjekt die Vereinigung sein kann 44 . Gemäß §11 Nr. 3 VwVfG sind schließlich anders als nach §61 Nr. 3 VwGO, der einen Vorbehalt zugunsten landesrechtlicher Regelung enthält, alle Behörden beteiligungsfähig. 3. Die verwaltungsrechtliche
Handlungsfähigkeit
Die rechtlich zuerkannte Fähigkeit einer Person, selbst durch ein Verhalten Rechtsfolgen herbeizuführen, knüpft an die natürliche Zurechnungsfähigkeit an, die sich aus dem Lebensalter und dem damit vermuteten Vorhandensein bestimmter geistiger Fähigkeiten ergibt. So unterscheidet das BGB nach der Art des rechtlich erheblichen Verhaltens zwischen Geschäfts- und Deliktsfähigkeit und trifft 38
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Vgl. Hoppe, Organstreitigkeiten vor den Verwaltungs- und Sozialgerichten, 1970 S. 167, der hier von punktueller Rechtsfähigkeit spricht. Vgl. z. B. §§ 1 Abs. 1 Nr. 5 und 6 K S t G ; 3 PartG; 2 Abs. 1 VereinsG. Gelegentlich wird auch von Beteiligtenfähigkeit gesprochen. Vgl. etwa Kopp, VwVfG, § 11 Anm. 2. Vgl. etwa Wolff/Bachof, VwR I, § 34 IV; Kopp, VwVfG, § 11 Anm. 3b. Dazu im einzelnen Kopp, VwVfG, § 11 Anm. 3 b. Vgl. auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977, § 15 IV b; Kopp, VwVfG, §11 Anm. 3 b. A . A . wohl Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1977, §11 Rdn. 4. 3 unter Bezug auf EVwVfG 1963 S. 101 und BT-Drucks. 7/910 S. 42. Die hier vertretene Auffassung bestimmt auch die Auslegung des § 61 N r . 2 V w G O . Vgl. dazu etwa Kopp, V w G O , § 61 Anm. 3; Redeker/v. Oertzen, V w G O , 5. Aufl. 1975, § 61 Rn. 4; Tschira/ Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 2. Aufl. 1975 S. 56; a. A. Hoffmann-Becking, DVB1. 1972, 299, 301. 125
§10 II, 3
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
dafür verschiedene Regelungen in §§ 104 ff. einerseits und §§ 827 f. andererseits. Umsetzung und Vollzug des materiellen Verwaltungsrechts erfolgen durch Verwaltungsverfahren. Dementsprechend findet sich eine Regelung der Handlungsfähigkeit für den Bereich des Verwaltungsrechts in § 12 V w V f G 4 5 . Nach dieser Vorschrift kann eine natürliche Person dann durch eigenes Verhalten Rechtsfolgen in einem Verwaltungsverfahren herbeiführen, also ζ. B . Anträge 4 6 stellen oder Erklärungen der Verwaltung entgegennehmen, wenn sie nach bürgerlichem Recht geschäftsfähig ist. Natürliche Personen, die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, sind handlungsfähig, soweit sie für den Gegenstand des Verfahrens durch Vorschriften des bürgerlichen Rechts als geschäftsfähig oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt sind. Von Bedeutung im Hinblick auf die erstgenannte Möglichkeit sind insbesondere § § 1 1 2 , 113 B G B . Was die Zuerkennung der Handlungsfähigkeit durch Vorschriften des öffentlichen Rechts betrifft, so findet sich eine Viehahl von Sonderregelungen. So kann etwa der Mensch mit 14 Jahren über sein religiöses Bekenntnis entscheiden 47 und ist er mit 16 Jahren berechtigt, die Feuerbestattung anzuordnen 4 8 . Auch jene Vorschriften, die Altersgrenzen als Voraussetzung für die Erteilung einer behördlichen Erlaubnis festsetzen, wie z. B. § 7 Abs. 1 S t V Z O , oder einen Anspruch auf staatliche Leistung auch bei fehlender Rechts- oder Geschäftsfähigkeit einräumen, wie § 8 PostG, sind nicht nur als Altersgrenzen für das Erlaubtsein der natürlichen Handlung, etwa des Autofahrens oder der Briefversendung anzusehen 4 9 , sondern darüber hinaus als Regelung der Handlungsfähigkeit 5 0 . Der bis zum Inkrafttreten des V w V f G für den Bereich des Verwaltungs- und Verwaltungsverfahrensrechts bestehende Mangel einer allgemeinen gesetzlichen Regelung der Fähigkeit, Rechtsfolgen herbeizuführen, hat zu terminologischer Unklarheit geführt 5 1 . Entsprechend der Formulierung in § 12 Abs. 1 N r . 2 V w V f G , § 7 9 Abs. 1 N r . 2 A O und § 3 6 Abs. 2 S G B ist nunmehr der Begriff 45 46
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126
Vgl. auch § 79 AO, § 36 SGB. Anträge können sowohl materiellrechtliche Bedeutung — Voraussetzung für die Gewährung einer Begünstigung — als auch zugleich verfahrensrechtliche Bedeutung haben. Dazu unten § 39 II und ]. Martens, JuS 1977, 664, 666/667. § 5 S. 1, 2 RelKErzG. § 5 FeuerbG. So Middel (Fn. 11) S. 45ff. So BayVGH VerwRspr. 9, 385; BVerwG MDR 1966, 442 = VerwRspr. 18, 199; Kopp, VwVfG, § 12 Anm. 2; Knack (Fn. 44) § 12 Rdn. 3. 2. 2. Vgl. auch Wolff/ Bachof, VwR I, §32 Vc. So verwendet Hans ]. Wolff, Wolff/Bachof, VwR I, § 32 V b, als allgemeinen Begriff den der „Wirkungsfähigkeit", dem er als Unterbegriffe „Handlungs-, Willens-, Geschäfts-, Verfügungs-, Delikts-, Wahl-Fähigkeit usw." unterordnet. Forsthoff, VwR, S. 181, definiert die „Geschäftsfähigkeit" als „Fähigkeit zu Willenserklärungen und rechtlich relevanten Handlungen" und verwendet sie damit als Oberbegriff.
Das Verwaltungshandeln
§ 1 0 II, 3
Handlungsfähigkeit zu verwenden 52 . Diesem Oberbegriff können ggf. Unterkategorien, die auf Art oder Wirkung des jeweiligen rechtserheblichen Verhaltens abstellen, wie Wahl-, Verfügungs-, Deliktsfähigkeit etc., untergeordnet werden. Da die Zuerkennung der Handlungsfähigkeit an die natürliche Zurechnungsfähigkeit (Alter, Einsichtsfähigkeit) anknüpft, kommt sie primär nur natürlichen Personen zu. Aber auch juristische Personen und sonstigen rechtsfähigen Personenund Sachgesamtheiten muß die Möglichkeit gegeben sein, selbst Rechtsfolgen zu begründen. Das wird rechtstechnisch dadurch ermöglicht, daß natürliche Personen als Organe für diese Rechtsgebilde handeln und deren Verhalten der Organisation als eigenes Verhalten zugerechnet wird (sogenannte organschaftliche Vertretung), wie das in etwa § 12 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG und in §§ 89, 31 B G B der Fall ist 5 3 . Die Vertretungsmacht der Organe richtet sich nach der rechtlichen Ausgestaltung der jeweiligen Organisation, bei Staatsorganen nach ihrer organisationsrechtlich begründeten Zuständigkeit 54 . O b dergestalt den juristischen Personen selbst Handlungsfähigkeit — und damit insbesondere Geschäftsfähigkeit und gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 und nicht gemäß § 62 Abs. 2 V w G O Prozeßfähigkeit — zuteil wird, ist umstritten 55 . Behörden werden gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG 5 6 durch ihren Leiter, dessen Vertreter oder durch besonders Beauftragte vertreten. Wer Leiter einer Behörde bzw. dessen Vertreter ist, bestimmt sich nach den behördeninternen organisatorischen Regelungen, insbesondere nach dem Geschäfts verteilungsplan. Der begrenzte Anwendungsbereich des VwVfG 5 7 wirft das Problem auf, welche Regelungen auf Fälle anzuwenden sind, für die öffentlich-rechtliche Spezialnormen nicht bestehen und das VwVfG nicht eingreift. Bis zum Inkrafttreten des VwVfG wurde die Fähigkeit, durch darauf gerichtete Willenserklärungen Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts zu begründen, in unmittelbarer 58 oder sinngemäßer 59 Anwendung der §§ 104 ff. B G B beurteilt. Dabei wird es bleiben können. Zwar dürfte es bedenklich sein, trotz der Begrenzung des Anwendungsbereichs auch in diesem Fall die Regelungen der VwVfGe unmittelbar anzuwenden ; man kann jedoch davon ausgehen, daß der in ihnen wie auch in § 79 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 A O formulierte Bezug auf die Regelungen des bürgerlichen
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Auch im Hinblick auf das BGB wird die Handlungsfähigkeit als Oberbegriff verwendet. Vgl. Larenz (Fn. 2) § 5 1 ; Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, Erster Halbband, 15. Aufl. 1959, § 83 I. Vgl. auch § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO. Vgl. dazu im einzelnen Kopp, VwVfG, § 12 Anm. 3 b. Vgl. dazu bejahend Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I 1976 S. 55f., v. Mutius, JuS 1977, 99, 101. Kaum überzeugend Ule/Laubinger (Fn. 44) S. 76ff. Vgl. auch § 79 Abs. 1 Nr. 4 AO. Dazu unten Badura § 36 I.
So Hans J. Wolff, VwR I, 8. Aufl. 1971, §33 VII; anders nunmehr
VwR I, § 33 VII.
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Wolff/Bachof,
Middel (Fn. 11) S. 148 Fn. 17. 127
§10
II, 4
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Rechts über die Geschäftsfähigkeit Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes ist 60 . Hinsichtlich der Begründung verwaltungsrechtlicher Rechtsfolgen durch sonstiges tatsächliches, etwa deliktisches Verhalten, kann, sofern öffentlich-rechtliche Regelungen nicht bestehen, wenn die Rechtsfolgen strafähnlichen Charakter haben, auf das Strafrecht, etwa auf § 3 J G G 6 1 , wenn sie in vermögensrechtlicher Haftung bestehen, auf die §§ 827, 828 BGB zurückgegriffen werden. Für handlungunfähige Personen handelt ihr gesetzlicher Vertreter. 4. Der Inhalt von
Verwaltungsrechtsverhältnissen
Was den Inhalt der Rechte und Pflichten angeht, so erhält das Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen Verwaltung und Bürger sein Gepräge dadurch, daß an ihm mit dem Staat oder einer Untergliederung des Staates ein Rechtssubjekt beteiligt ist, dem ein eigener und im Verhältnis zum Bürger prinzipiell verschiedenartiger Status zukommt. Insoweit unterscheidet sich das Verwaltungsrechtsverhältnis grundlegend vom privatrechtlichen Rechtsverhältnis. Der Inhalt des Verwaltungsrechtsverhältnisses kann sehr unterschiedlich sein. Was die Hauptleistungspflichten angeht, so können sie einseitig aber auch gegenseitig sein. Sie können auf einmalige Leistung gerichtet, aber auch — wie etwa im Bereich des Sozialleistungs-62 oder des Steuerrechtsverhältnisses — auf wiederkehrende, ggf. durch Verwaltungsakt zu konkretisierende Leistungen der Verwaltung oder des Bürgers angelegt sein. Die Hauptleistungspflichten werden in aller Regel durch den Begründungsakt bestimmt. So wird etwa durch eine Ordnungsverfügung die Verpflichtung zu einem bestimmten, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit beseitigenden Verhalten festgelegt, werden durch Einigung, wie etwa beim verwaltungsrechtlichen Austauschvertrag, die Beteiligten gehalten, einander bestimmte, im Vertrag bezeichnete Leistungen zu erbringen. Wird die verwaltungsrechtliche Sonderverbindung durch Anwendung eines Rechtssatzes auf einen konkreten Sachverhalt begründet, so beschreibt die Rechtsfolge des Rechtssatzes — häufig in Verbindung mit anderen Normen — den Inhalt der Rechte und Pflichten der verwaltungsrechtlichen Sonderverbindung. So entsteht etwa eine einen Träger öffentlicher Verwaltung zur Leistung von Schadensersatz in bestimmter Höhe verpflichtende verwaltungsrechtliche Sonderverbindung durch Anwendung des § 839 BGB, Art. 34 GG in Verbindung mit §§ 249ff. BGB auf einen konkreten Sachverhalt. Häufig finden sich solche Regelungen auch in Satzungen. So ergehen viele Anstaltsnutzungsordnungen in Form einer Satzung. Sie müssen diese Form beachten, 60 61 62
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Vgl. auch Kopp, VwVfG, § 12 Anm. 6. Forsthoff, VwR, S. 182. Vgl. Rüfner, W D S t R L 28 (1970) 187, 215 und dens., Einführung in das Sozialrecht, 1977 S. 34.
Das Verwaltungshandeln
§ 1 0
II, 4
wenn nach Maßgabe der Gemeindeordnungen Anschluß- und Benutzungszwang 63 für gemeindliche Einrichtungen wie etwa Friedhof 6 4 , Schlachthof 65 , Wasserversorgung 66 , Energieversorgung 67 festgelegt wird 6 8 . Vielfach wird in dieser Satzung auch der Inhalt des Nutzungsverhältnisses und damit u. a. der Hauptleistungspflichten geregelt. Zahlreich sind die Regelungen über den Inhalt von Anstaltsnutzungsverhältnissen in sog. Ordnungen, Nutzungsverordnungen, Nutzungsvorschriften oder wie sie auch immer genannt sein mögen, die unter Bezug auf die sog. Anstaltsgewalt ergehen. Für einige verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen finden sich, soweit es die Hauptleistungspflichten angeht, keine ausdrücklichen Regelungen im Verwaltungsrecht. Hinsichtlich der weiteren Verhaltens- und der sekundären Leistungspflichten 69 — ζ. B. Schadensersatzpflichten — als auch der Einreden und Einwendungen bestehen ebenfalls Regelungsliicken. Auch das VwVfG trifft hier, anders als nunmehr das S G B in seinen § § 3 8 f f . , 60ff., keine Regelung; es sieht nur in § 62 für den verwaltungsrechtlichen Vertrag die ergänzende entsprechende Anwendung der Vorschriften des B G B vor. U m die Lücken auch in anderen Fällen zu füllen, in denen „ein besonders enges Verhältnis des einzelnen zur Verwaltung begründet worden ist und mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis für eine angemessene Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts vorliegt" 7 0 , bedienen sich Rechtsprechung und Schrifttum der Regelungen des B G B über das Schuldverhältnis. Dabei gehen die Auffassungen darüber auseinander, ob diese analog anzuwenden sind 71 , oder ob die in den Vorschriften des B G B zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken 72 hier Bedeutung gewinnen 73 . Mögen die Methoden der Rechtsgewinnung auch unterschiedlich sein, die gewonnenen Ergebnisse stimmen weitgehend überein 74 .
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Vgl. dazu z . B . § 1 9 nw. G O ; §11 bw. G O ; § 8 nds. G O ; § 2 2 rhpf. G O ; § 1 9 Abs. 2 hess. G O ; Art. 24 bay. G O ; Johannes und Reinhard Rauball, Gemeindeordnung für N W , 2. Aufl. 1974 S. 130f.; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963 S. 514f.; Klüber, Das Gemeinderecht in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, 1972 S. 93f. Vgl. etwa OVG Münster O V G E 25, 106f. Vgl. etwa B G H Z 61, 7 ; O V G Münster O V G E 18, 71, 76. Vgl. B G H Z 59, 303, 307. Vgl. L G Frankfurt MDR 1970, 843. Vgl. Fn. 63. Zur Terminologie vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts Bd. I, 10. Aufl. 1970 S. 7. So B G H Z 21, 214; 54, 299; 59, 303. So etwa RGZ 65, 117. So B G H Z 59, 303, 305; OVG Hamburg N J W 1977, 1251; Wolff/Bachof, VwR I, § 44 III b; Bender (Fn. 22) Rn. 199. Vgl. dazu Hermann Weber, JuS 1970, 169, 170; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967 S. 8 4 f . ; Papier, Die Forderungsverletzung im öffentlichen Recht, 1970 S. 17f. ; BVerwGE 13, 17, 22. Vgl. auch Stürner, JuS 1973, 749, 750. 129
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Allgemeines Verwaltungsrecht
§ 1 0 II, 5
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Die — analoge oder rechtsgrundsätzliche — Heranziehung von BGB-Vorschriften beschränkt sich in Rechtsprechung und Schrifttum teilweise75 auf verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen vermögensrechtlicher Art, die zivilrechtlichen Schuldverhältnissen gleichen. Darüber hinaus gibt es indes — wie aus den oben genannten Beispielen bereits ersichtlich geworden ist — eine Fülle sonstiger verwaltungsrechtlicher Sonderverbindungen nicht vermögensrechtlicher Art16. Die sie betreffenden einschlägigen Regelungen sind durchweg ausgehend von jenen verwaltungsrechtssystematischen Determinanten entwickelt worden, die auch die Gliederung des vorliegenden Buches bestimmen. Aus diesem Grunde sind auch die Rechte und Pflichten der auf Seiten der öffentlichen Verwaltung beteiligten Rechtssubjekte hier nicht abzuhandeln. Sie sind Gegenstand des gesamten vorliegenden Buches 78 . Ebenso verhält es sich mit den Pflichten des einzelnen, die durch Verwaltungshandeln begründet, konkretisiert oder aktualisiert werden 79 . Dagegen müssen die Berechtigungen der Bürger, seine subjektiven öffentlichen Rechte im vorliegenden Zusammenhang erörtert werden.
5. Die subjektiven
öffentlichen
Rechte
Dem Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts kommt in einem rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht eine außerordentlich große Bedeutung zu. Das subjektive öffentliche Recht ist nämlich diejenige Rechtsfigur, die den einzelnen aus seiner Rolle als bloßes Objekt hoheitlichen Waltens befreit und in den Status eines Rechtssubjekts erhoben hat, das den Trägern öffentlicher Gewalt anspruchsberechtigt gegenübertritt, von ihnen also ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangen kann. Demjenigen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, eröffnet dementsprechend Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG den Rechtsweg 80 . Und daran anknüpfend, bestimmt für den verwaltungsgerichtlichen Prozeß § 42 Abs. 2 VwGO, daß vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig sind, wenn der Kläger geltend macht 81 , durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in 75
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Anders etwa OVG Hamburg NJW 1977, 1251, welches den in §273 BGB zum „Ausdruck gelangten Rechtsgedanken" auf das öffentlich-rechtliche Mitgliedschaftsverhältnis zu einem öffentlich-rechtlichen Verband anwendet. Vgl. auch Wolff/Bachof, VwR I, § 44 I. Vgl. Bachof, W D S t R L 30 (1972), 193 , 231 f. m. w. N. in Fn. 172; Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, 1974 S. 110. Vgl. auch Forsthoff, VwR, S. 184; Wolff/Bachof, VwR I, § 4 1 vor I. Systematisierung und Darstellung bei Wolff/Bachof, VwR I, § 42. Vgl. zur Tragweite des Art. 19 Abs. 4 GG zusammenfassend Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973. Zu den Anforderungen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung vgl. Erichsen, VerwArch. 64 (1973), 321 ff.; Ule, VerwprozeßR, § 3 3 ; BVerwGE 22, 113; BVerwG DVB1. 1964, 191 und DÖV 1967, 856.
Das Verwaltungshandeln
§10
II, 5
seinen Rechten verletzt zu sein. Der so vorgenommenen Begrenzung der sog. Klagebefugnis entspricht es, daß die Begründetheit der Klage nicht nur objektive Rechtswidrigkeit, sondern darüber hinaus eine Rechtsverletzung des Klägers voraussetzt (§113 Abs. 1 und 4 VwGO). Bei der Bestimmung des Begriffs des subjektiven öffentlichen Rechts ist davon auszugehen, daß es keinen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch gibt. Abgesehen von der Möglichkeit seiner Begründung durch Verwaltungsakt oder verwaltungsvertragliche Vereinbarung, liegt ein subjektives öffentliches Recht vielmehr nur dann vor, wenn a) ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts dem Staat oder einem sonstigen Verwaltungsträger Verhaltenspflichten auferlegt (zwingender Rechtssatz), b) dieser Rechtssatz zumindest auch der Befriedigung von Einzelinteressen (Individualinteressen) zu dienen bestimmt ist, also nicht lediglich die Verwirklichung öffentlicher Interessen (Interessen der Allgemeinheit) bezweckt und c) dem einzelnen die Rechtsmacht eingeräumt ist, die normgeschützten Interessen gegenüber dem durch den Rechtssatz Verpflichteten durchzusetzen 82 . 1. Verhaltenspflichten werden den Trägern öffentlicher Verwaltung zunächst im Bereich strikter Gesetzesbindung auferlegt. Aber auch dort, wo sie nach Ermessen oder gesetzesfrei zu handeln befugt sind, obwaltet insoweit zwingendes Recht, als es um die Einhaltung der Ermessensschranken bzw. der verfassungsrechtlichen Bindungen gesetzesfreier Aktivitäten geht. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß die Berechtigung des Bürgers durch die Verpflichtung der Verwaltung begrenzt wird. Daher kann der einzelne bei Ermessensentscheidungen nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung haben, der lediglich im Fall der Ermessensreduzierung auf Null im Ergebnis zu einem Recht auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln erstarkt 83 . 2. Die letztlich entscheidende Frage bei der Ermittlung eines subjektiven öffentlichen Rechts geht dahin, zu bestimmen, ob der jeweils einschlägige Rechtssatz, der auch eine ungeschriebene, gewohnheitsrechtlich oder als allgemeiner Rechts-
82
83
Grundlegend Bachof, in: W. Jellinek-Gedächtnisschrift, 1955 S. 287ff. Bemühungen um eine Neubestimmung des subjektiven öffentlichen Rechts (vgl. ζ. B. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968; Bartlsperger, VerwArch. 60 (1969), 47f.; ders., DVB1. 1970, 31 f.; Lorenz [Fn. 80] S. 54ff.) haben sich bisher nicht durchsetzen können. Für eine weitgehende Entbehrlichkeit des subjektiven öffendichen Rechts neben den Grundrechten Zuleeg, DVB1. 1976, 509ff. BVerwGE 11, 95, 97; BVerwG DVBl. 1969, 586; O V G Münster DVB1. 1967, 546; W. Martens, JuS 1962, 245, 248; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, S. 169 ff. ; allgemein zum Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung HoffmannBecking, DVBl. 1970, 850f. ; Randelzhofer, BayVBl. 1975, 573ff., 607ff. 131
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§ 1 0 II, 5
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
grundsatz geltende N o r m sein kann 8 4 , zwar nicht notwendigerweise ausschließlich, aber doch jedenfalls auch den Einzelinteressen desjenigen zu dienen bestimmt ist, der sich auf ihn beruft. Die Frage nach der Interessenrichtung des in Betracht kommenden Rechtssatzes stellt sich ausnahmslos, ist also auch bei der Geltendmachung eines Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung zu beantworten 8 5 . Bisweilen ergibt sich die individualschiitzende Funktion einer Rechtsnorm bereits aus ihrem Wortlaut, so etwa bei den Grundrechtsbestimmungen und solchen Vorschriften des einfachen Rechts, die ausdrücklich einen „Anspruch" oder ein „Recht" begründen (vgl. z. B. § 4 I B S H G ; § 39 I SGB-AT). Im übrigen ist auf Sinn und Zweck des Rechtssatzes abzuheben, wobei es auf die gegenwärtige Beurteilung, nicht auf die Wertung des historischen Gesetzgebers ankommt. Das hat unter dem Einfluß der Wertvorstellungen des Grundgesetzes zu einer im Vergleich mit der Vergangenheit erheblich erweiterten Anerkennung subjektiver Berechtigungen des öffentlichen Rechts geführt 8 6 . Trotzdem bietet die Rechtsprechung immer noch das Bild einer verwirrenden und nicht widerspruchsfreien Kasuistik. Sehr deutlich zeigt sich dies bei zwei Fallgruppen, die den Verwaltungsgerichten häufig zur Entscheidung unterbreitet werden. Die eine von ihnen betrifft Klagen gegen begünstigende Verwaltungsakte mit belastender Drittwirkung 8 7 . Bei der anderen Gruppe handelt es sich um Klagen auf behördliches Tätigwerden gegen Dritte. In diesem Zusammenhang ist vor allem das Begehren ordnungsbehördlichen oder polizeilichen Einschreitens gegen Störer zu erwähnen. Der Rückgriff auf Wertvorstellungen des Grundgesetzes hat Rechtsprechung und Lehre entgegen der früheren Auffassung zu der Annahme veranlaßt, daß die polizeiliche Generalermächtigung ebenso wie spezialgesetzliche Ermächtigungen unter bestimmten Voraussetzungen dem Schutz individueller Interessen zu dienen bestimmt sein können 8 8 . 3. Was schließlich die Rechtsmacht des Inhabers des rechtlich geschützten Interesses zu dessen Durchsetzung angeht, so braucht sie unter der Herrschaft des Grundgesetzes nicht mehr besonders geprüft und nachgewiesen zu werden. Das
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132
BVerfGE 27, 297, 307. BVerwGE 39, 235, 237; dazu Erichsen, VerwArch. 64 (1973), 305f.; Düng, in: Maunz/ Dürig/Herzog!Scholz, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 55 Fn. 1. Die Feststellung der individualschützenden Funktion eines Rechtssatzes entbindet selbstverständlich nicht von der Prüfung des Inhalts des durch ihn begründeten subjektiven Rechts. So lassen sich ζ. B. aus den Grundrechtsbestimmungen des Grundgesetzes keine Ansprüche auf bestimmte umweltschützende Maßnahmen ableiten; vgl. BVerwG N J W 1975, 2355; BayVGH BayVBl. 1976, 83; Bettermann, DVB1. 1975, 548. Ebensowenig ergibt sich aus Art. 17 G G ein Anspruch auf Erledigung im Sinne des Petenten; vgl. BVerwG N J W 1977, 118. Vgl. dazu unten § 12 III 2. Vgl. ζ. B. BVerwGE 11, 95; O V G Münster DVB1. 1967, 546; O V G Lüneburg DVB1. 1967, 779; W. Martens, JuS 1962 , 245f.; Menger/Erichsen, VerwArch. 57 (1966), 180f.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, S. 169ff.
Das Verwaltungshandeln
§ 10 II, 6
ergibt sich aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG in Verbindung mit den übrigen das StaatBürger-Verhältnis regelnden Verfassungsbestimmungen89.
6. Die Nachfolge
im
Verwaltungsrechtsverhältnis
Ebenso wie im Privatrecht stellt sich auch im öffentlichen Recht die Frage nach der inhaltlichen und personellen Änderung von Rechtsverhältnissen90. Allerdings spielt sie hier eine weit weniger wichtige Rolle als dort. Immerhin kommt aber namentlich dem Problem der Rechtsnachfolge in verwaltungsrechtliche Rechtspositionen eine gewisse praktische Bedeutung zu. Seine Lösung erfordert zunächst, zwischen der Nachfolge in Rechte und Pflichten der Träger öffentlicher Verwaltung einerseits und der Nachfolge in Rechte und Pflichten des Bürgers andererseits zu unterscheiden. Auf der Seite der Verwaltung ist davon auszugehen, daß im modernen Staat mit seiner rechtssatzmäßig festgelegten Zuständigkeitsordnung die frühere Übung freier Veräußerung von Hoheitsrechten überwunden ist und der Vergangenheit angehört91. Ein Subjektwechsel setzt daher stets eine gesetzliche Grundlage voraus. Das gilt sowohl für die Einzelrechtsnachfolge durch Abtretung als auch für die Gesamtrechtsnachfolge, wie sie ζ. B. bei Maßnahmen der Gebietsreform (Eingemeindungen, Verschmelzung von Gemeinden) in Betracht kommt 92 . Die Nachfolgefähigkeit von Rechten und Pflichten des Bürgers richtet sich ebenfalls primär nach dem Inhalt der einschlägigen gesetzlichen Regelungen, die das Problem jedoch nur punktuell behandeln und überdies ein einheitliches Prinzip nicht erkennen lassen. So finden sich zahlreiche Vorschriften, die eine Gesamtrechtsnachfolge, insbesondere im Wege der Erbfolge, in vermögensrechtliche Verbindlichkeiten des einzelnen anordnen93. Ausnahmsweise wird aber auch das Gegenteil bestimmt94. Zur Frage des Überganges öffentlich-rechtlicher Pflichten bei der Einzelnachfolge finden sich ebenfalls unterschiedliche Regelungen95. Noch unübersichtlicher ist die Gesetzeslage in Ansehung subjektiver öffentlicher Rechte des Bürgers. Die Regelungen reichen von der Eröffnung genereller Nachfolge-
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Bachof (Fn. 82) S. 299f.; BVerfGE 27, 297, 308; vgl. auch Lorenz (Fn. 80) S. 55f. Für das Steuerschuldverhältnis ausführlich erörtert von Kruse, Steuerrecht I Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 1973, § 14. Vgl. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966 S. 870f. Zum Sonderfall der Funktionsnachfolge bei tatsächlicher Übernahme von Kompetenzen eines weggefallenen oder handlungsunfähigen Verwaltungsträgers vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 41 IV c. Vgl. z. B. § 45 AO 1977; § 61 Abs. 3 B B G ; §§ 92 a Abs. 2, 92 c BSHG. § 101 OWiG.
Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, §42 IV d.
133
§10 II, 6
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
fähigkeit 96 über die Zulassung der Übertragung 9 7 und die Bestimmung der Vererblichkeit 98 bis hin zum Ausschluß der Übertragung 9 9 und der Einzel- wie der Gesamtrechtsnachfolge 1 0 0 . Soweit die Frage der Rechtsnachfolge in verwaltungsrechtliche Rechtspositionen des einzelnen gesetzlich nicht normiert ist, kommt es darauf an, ob die in Rede stehende Berechtigung oder Verpflichtung höchstpersönlichen Charakter besitzt oder nicht in dem Ausmaß persongebunden ist, daß ihre Übertragung durch Einzelnachfolge und ihre Vererbung ausgeschlossen erscheinen müßten 1 0 1 . Dieser Ausgangspunkt der Beurteilung ist weitgehend anerkannt. Doch bestehen erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber, zu welchen Ergebnissen er führt. Während nämlich nach überkommener Auffassung öffentlich-rechtliche Rechte und Pflichten grundsätzlich als höchstpersönlich und damit als nachfolgeunfähig anzusehen sind und nur für rein vermögensrechtliche Positionen eine Ausnahme gemacht wird 1 0 2 , beginnt sich gegenwärtig im Gefolge vertiefter wissenschaftlicher Bearbeitung des Problemfeldes 103 eine Tendenz zu stärkerer und sachgemäßerer Differenzierung abzuzeichnen. So hat man einerseits erkannt, daß auch vermögensrechtliche Ansprüche höchstpersönlicher Natur und deshalb nachfolgeunfähig sein können 1 0 4 . Andererseits wird nicht mehr unbesehen angenommen, mit ihrer Nichtvermögenswertigkeit verbinde sich notwendigerweise die Höchstpersönlichkeit einer Rechtsposition. Das hat etwa zu der Einsicht geführt, daß durch Ersatzvornahme 1 0 5 erzwingbare polizeiliche Verhaltenspflichten nicht 96
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Vgl. z . B . § § 8 Abs. 6 und 19a Abs. 4 WHG; ebenso für die Baugenehmigung die Bestimmungen der Landesbauordnungen. Vgl. ζ. B. § 4 8 GewO; §84 Abs. 1 B B G ; begrenzte Ubertragbarkeit von Ansprüchen auf Geldleistungen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 SGB-AT. Vgl. z . B . § 4 5 Abs. 1 AO 1977; §§ 56 ff. SGB-AT (primäre Sonderrechtsnachfolge, subsidiäre Erbfolge in fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen) ; zwar nicht rechtskonstruktiv, wohl aber hinsichtlich ihrer praktischen Auswirkungen gehören auch die berufs- und gewerberechtlichen Hinterbliebenen-Privilegien in diesen Zusammenhang; vgl. etwa § 46 GewO; § 13 ApothG; § 19 GüKG; § 19 PBefG; § 10 GastG. Vgl. z . B . § 5 3 Abs. 1 SGB-AT für Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen; § 4 Abs. 1 B S H G ; § 6 0 d Abs. 1 GewO; § 1 Abs. 3 ApothG. Vgl. z. B. § 4 HambG über die Gewährung von Blindengeld v. 19. 2. 1971 (GVB1. S. 29). Dabei läßt ein gesetzlicher Ausschluß von rechtsgeschäftlichen Verfügungen zu Lebzeiten des Berechtigten noch nicht die Annahme zu, daß damit auch die Rechtsnachfolge im Falle seines Todes ausgeschlossen sei; vgl. BVerwGE 30, 123, 124. Nachw. bei Knöpfle, in: Maunz-Festgabe, 1971, S. 230 Fn. 7; v. Mutius, VerwArch. 62 (1971), 84 Fn. 31. Knöpfle (Fn. 102) S. 225f.; v. Mutius, VerwArch. 62 (1971), 83f. und 63 (1972), 87ff.; Ossenbühl, NJW 1968, 1992ff.; Rimanti, DVB1. 1962, 553f.; Heitmann, Die Rechtsnachfolge in verwaltungsrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen einer Zivilperson von Todes wegen, Diss. Münster 1970; K. Otto, Die Nachfolge in öffentlichrechtliche Positionen eines Bürgers, 1971 ; Willemer, Rechts- und Pflichtennachfolge im Verwaltungsrecht, Diss. Hamburg 1972. Vgl. BVerwGE 21, 302, 303; 25, 23, 25f.; 30, 123, 124ff.; 35, 48f.; 36, 252, 253f. Vgl. unten § 2 0 II la).
Das Verwaltungshandeln
§ 1 0
II, 7
höchstpersönlich sind und deshalb die Erben für die Kosten einer Ersatzvornahme einzustehen106 haben. Als nachfolgefähig werden zunehmend auch solche Rechtsstellungen angesehen, die auf sachbezogenen Regelungen 107 7 beruhen. Daraus folgt z. B., daß der Widerruf einer Baugenehmigung und die Abbruchverfügung gegenüber dem Rechtsnachfolger des Grundstückseigentümers wirken, gegen den sie ausgesprochen wurden 108 . 7. Die Beendigung
des
Verwaltungsrechtsverhältnises
Die im Verwaltungsrechtsverhältnis bestehenden Rechte und Pflichten können aus verschiedenen Gründen erlöschen. In erster Linie sind hier Erfüllung und Verzicht zu nennen; aber auch Verwirkung und Verjährung sind für den Bestand eines Verwaltungsrechtsverhältnisses von Bedeutung. a) Ist Inhalt der verwaltungsrechtlichen Sonderverbindung die Verpflichtung zur einmaligen einseitigen Erbringung oder zum einmaligen Austausch von Leistungen, so erlöschen mit ihrer Erfüllung die Rechte und Pflichten, und die verwaltungsrechtliche Sonderverbindung hat nur noch Bedeutung als Rechtsgrund der Leistung. Bei Dauerverwaltungsrechtsverhältnissen, die auf wiederkehrende Leistungen gerichtet sind, führt die Erbringung der einzelnen Leistung zum Erlöschen der jeweils auf die Erbringung dieser Leistung gerichteten Rechte und Pflichten; das Rechtsverhältnis bleibt als solches bestehen 109 . An die Stelle der Erfüllung der Leistungspflicht kann auch ein Erfüllungssurrogat, z.B. die Aufrechnung, treten 110 . Auflösend bedingte Rechtsverhältnisse erlöschen mit Eintritt der Bedingung. Verwaltungsrechtsverhältnisse können schließlich, wie oben 111 im einzelnen dargelegt worden ist, soweit es um die Erbringung höchstpersönlicher Leistungen geht, durch Tod des Berechtigten oder Verpflichteten, sie können etwa im Fall von Sachbezogenheit durch Veräußerung der Sache beendigt werden. Dauerverwaltungsrechtsverhältnisse, die unmittelbar aufgrund Rechtssatzes bei Erfüllung bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen entstehen, finden in der Regel ihr Ende, wenn diese Tatbestandsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. b) Verzicht (Erlaß 112 ) ist die einseitige Erklärung eines Berechtigten, ein Recht nicht mehr innehaben zu wollen, mit der Rechtsfolge, daß das Recht erlischt. Ein NJW 1968, 1992 ff.
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Ossenbühl,
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Vgl. dazu unten § 11 II 6 b). BVerwG N J W 1971, 1624; OVG Saarlouis BRS 22 Nr. 215; OVG Münster DVB1. 1973, 2 2 7 ; anders noch BayVGH BayVBl. 1970, 329; vgl. dazu auch Niehues, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973 S. 260 ff. ; ausführlich zur Rechtsnachfolge in die Polizeipflicht: Drews/Wacke/Vogel/'Martens, Gefahrenabwehr II, S. 177ff. Vgl. dazu auch § 47 AO.
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Vgl. OVG Münster DÖV 1976, 673f. mit Anm. von Metschies,
DÖV 1977, 141 f.
Ausdrückliche Regelungen der Aufrechnung in § 51 SGB und — mit hilfsweisem Verweis auf die Regelungen des BGB — in § 226 AO. § 10 II 6. Vgl. etwa §§ 163, 227 A O und dazu Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Stand Juni 1977.
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§10
II, 7
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
solcher Verzicht kann sowohl bei einem Verwaltungsrechtsverhältnis, welches auf einmalige Leistung gerichtet ist, er kann auch bei einem auf wiederkehrende Leistungen gerichteten Dauerverwaltungsrechtsverhältnis stattfinden; er kann sich auf die gesamte oder auf Teilleistungen beziehen. Eine Verzichtserklärung kann diese Rechtsfolge nur auslösen, wenn der Verzichtende dispositionsbefugt 113 ist. In bezug auf eine durch Verwaltungsakt eingeräumte Rechtsposition wird gelegentlich die Zulässigkeit des Verzichts mit dem Argument geleugnet, daß derartige Positionen nicht der Verfügungsgewalt des einzelnen entsprungen seien 114 . Dagegen ist einzuwenden, daß es gesetzlich geregelte Fälle des Verzichts auf öffentlich-rechtliche Berechtigungen gibt 1 1 5 . Zum anderen finden sich auch im Zivilrecht Ansprüche, die nicht der Verfügungsgewalt des Anspruchsinhabers entsprungen sind 1 1 6 , aber gleichwohl verzichtbar sind 1 1 7 . Dagegen kann die Dispositionsbefugnis ζ. B. fehlen, weil die Ausübung eines Rechts zugleich im öffentlichen Interesse liegt 118 oder weil mit einem Recht zugleich eine entsprechende Pflicht verbunden ist 1 1 9 . c) Das Institut der Verwirkung ist nach Tatbestand und Rechtsfolge noch recht diffus. Es wird hergeleitet aus dem Grundsatz von Treu und Glauben 1 2 0 . Auf die Verwirkung eines Rechts kann der Verpflichtete — Staat oder Bürger — sich etwa berufen, wenn es erst zu einem Zeitpunkt geltend gemacht wird, zu dem er nach Treu und Glauben nicht mehr mit der Geltendmachung rechnen mußte 1 2 1 . Eine Verwirkung kann — entsprechend der jetzt in § 66 SGB ausdrücklich erfolgten Regelung — bei Ansprüchen des Bürgers gegen den Staat auf eine Leistung ein113
Wilde, Der Verzicht Privater auf subjektive öffentliche Rechte, Diss. Hamburg 1966 S 27; Walsmann, Der Verzicht, 1912 S. 67; Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Halbband, 15. Aufl. 1960, § 1 4 3 III 3 ; Wolff/Bachof, V w R I , § 5 4 I c 2 ; Forsthoff, VwR, S. 287, 288. Auf dieser Einsicht beruht auch die Regelung des § 46 Abs. 2 SGB.
114
Vgl. Forsthoff, VwR, S. 288; anders etwa Landmann/Rohmer/Eyermann/Fröhler, GewO Bd. 1, 12. Aufl. 1969, § 4 9 Rn. 39f. Vgl. die Nachweise bei Brüggemann, Der Verzicht von Zivilpersonen im Verwaltungsrecht, Diss. Münster, 1966 S. 55. Etwa: Erbschaft. Gegen eine derartige „formalistische Kongruenzvorstellung, daß jedes subjektive Recht auch so vergehen müsse, wie es entstanden sei", Wilde (Fn. 113) S. 29. So etwa bei den Grundrechten, vgl. Erichsen, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973 S. 219, 238 und Sturm, in: Festschrift für Willi Geiger, 1974 S. 173, 192f. Hingewiesen sei etwa auf die Konzession zur Personenbeförderung, vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 54 I c, weitere Beispiele bei Brüggemann (Fn. 115) S. 34 f. BVerwGE 44, 294; dazu Menger, VerwArch. 66 (1975), 85ff.; BVerwG N J W 1974, 2247, 2248; Forsthoff, VwR, S. 172; Wolff/Bachof VwR I, § 37 III e 1 ; H.J. Becker, D Ö V 1967, 729, 737. Vgl. etwa BVerwGE 44, 294; BVerfGE 32, 3 0 5 f . ; H.J. Becker, DÖV 1967, 729f.; Wolff/Bachof, VwR I, § 3 7 I l e ; weiter aus dem Zivilrecht etwa B G H Z 25, 47, 51; Soergel/Siebert/Knopp, BGB, 10. Aufl. 1967, § 2 4 2 Rn. 281; Wieacker, in: Recht und Staat 193/194 (1956), 23 f.
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Das Verwaltungshandeln
treten, wenn der Bürger es an der gebotenen und erforderlichen Mitwirkung bei der Feststellung der Tatsachen, die für seinen Leistungsanspruch erheblich sind, fehlen läßt. Eine Verwirkung kommt in jedem Fall nur dann in Betracht, wenn auch ein Verzicht möglich wäre, d. h. bei disponiblen Rechtsgütern 1 2 2 . Als Rechtsfolge der Verwirkung wird überwiegend ein Verbot der Ausübung des Rechts angesehen 123 . Als Rechtsfolge der Verwirkung wegen fehlender Mitwirkung kommt, wie nunmehr in § 66 S G B ausdrücklich geregelt ist, die Befugnis der Verwaltung in Betracht, wegen der durch die fehlende Mitwirkung bedingten Unklarheit der Leistungsberechtigung ohne weitere eigene Sachverhaltsermittlung die Leistung zu versagen oder zu entziehen. d) Eine Verjährung von Ansprüchen aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis findet dort statt, wo sie gesetzlich vorgesehen ist 1 2 4 . Einschlägige Regelungen finden sich etwa in § 228 A O , § 45 S G B , § 24 PostG. Fehlt es an solchen ausdrücklichen Normierungen, so werden die Regelungen der §§194 ff. B G B ergänzend heranzuziehen sein. § 53 V w V f G sieht vor, daß die Verjährung solcher Ansprüche unterbrochen wird, wenn zu ihrer Durchsetzung — zulässigerweise 125 — ein Verwaltungsakt erlassen wird. Im übrigen werden in Ubereinstimmung mit der ausdrücklichen Regelung in § 45 Abs. 2 S G B 1 2 6 die Vorschriften des B G B über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung 1 2 7 analog oder als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens herangezogen 128 .
1. Abschnitt Der Verwaltungsakt §11
Bedeutung und Begriff des Verwaltungsaktes I. Geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung Der Begriff des Verwaltungsakts erscheint im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in der deutschen Staats- und verwaltungsrechtlichen Literatur. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung des französischen Begriffs acte administratif, womit 122
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So auch Wolff/Bachof, VwR I, §37 III e 1 ; a. Α. Soergel/Siebert/Κηορρ (Fn. 121) Rn. 292. Vgl. etwa Wolff/Bachof, VwR I, §54 I a 6 ; H.J.Becker, DÖV 1967, 729, 737; Enneccerus/Nipperdey (Fn. 113) §228 IV 4; Soergel/Siebert/Knopp (Fn. 121). Vgl. Forsthoff, VwR, S. 193; Wolff/Bachof, VwR I, §37 III e 2; BSGE 22, 173; BSG NJW 1968, 1947; BSG DVB1. 1969, 372. Vgl. dazu etwa Erichsen, VerwArch. 68 (1977), 69ff. Vgl. auch §§230, 231, 169ff. AO. Vgl. BVerwG DÖV 1977, 62, 63. Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, §37 III e 2; BSGE 19, 88; BSG DVB1. 1963, 409. 137
§11 I
H a n s - U w e Erichsen und Wolfgang Martens
jede Maßnahme der Verwaltung, sei sie nach Maßgabe des Zivilrechts oder des öffentlichen Rechts ergangen, gemeint war. Demgegenüber wird der Begriff des Verwaltungsakts in Deutschland von Anbeginn an auf Maßnahmen der Verwaltung im Bereich des öffentlichen Rechts beschränkt 1 . Die zentrale Stellung, die dem Institut des Verwaltungsakts in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik auch heute noch zukommt, wurde von Otto Mayer begründet. Nach seiner Definition ist der Verwaltungsakt „ein der Verwaltung zugehöriger obrigkeitlicher Ausspruch, der dem Unterthanen gegenüber im Einzelfall bestimmt, was für ihn Rechtens sein soll" 2 . Daß damit im wesentlichen noch heute Gültiges gesagt worden ist, zeigt sich, wenn man sich die Definition vergegenwärtigt, die in § 3 5 S. 1 VwVfG enthalten ist. Es heißt dort: „Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist" 3 . Der Verwaltungsakt war für Otto Mayer jenes Instrument öffentlicher Verwaltung, mit dem sie der rechtsstaatlichen Forderung nach Rechtssicherheit im Verhältnis des Bürgers zum Staat gerecht werden und „die Bahnen und Grenzen seiner (des Staates) Wirksamkeit wie die freie Sphäre seiner Bürger in der Weise des Rechts genau bestimmen und abgrenzen kann" 4 . Der Verwaltungsakt gewann indes in der Folgezeit in erster Linie unter dem Blickwinkel des Rechtsschutzes Bedeutung. So legte etwa Art. 107 WRV fest: „Im Reich und in den Ländern müssen nach Maßgabe der Gesetze Verwaltungsgerichte zum Schutze der einzelnen gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörden bestehen". Dementsprechend war in manchen Ländern der Rechtsschutz, den die Verwaltungsgerichte gewährten, auf Klagen gegen (häufig auch nur bestimmte — Enumerationsprinzip) Verwaltungsakte beschränkt5. Auch die nach dem 2. Weltkrieg in den westlichen Besatzungszonen zunächst erlassenen Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit machten „den Verwaltungsakt zum Angelpunkt des ganzen Rechtsschutzsystems" 6 . Dieser Bedeutung des Verwaltungsakts entsprechend kam es in § 2 5 VO Nr. 165 der Brit. Militärregierung über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Brit. Zone zur ersten Legaldefinition: „Verwaltungsakt im Sinne dieser Verordnung ist jede Verfügung, Anordnung, 1
Vgl. dazu Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971 S. llOff.
2
Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, 1. Aufl. 1895 S. 6 4 f . , 95. Ebenso § 118 S. 1 A O . Kritisch zur VA-Definition etwa Brohm, W D S t R L 30 (1972), 281 ff. ; Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, 1974 S. 115 ff. Verwaltungsrecht I, S. 62 unter Bezug auf Stahl, Die Philosophie des Rechts, Zweiter Band: Rechts- und Staatslehre, 1870 S. 137.
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Vgl. etwa die §§ 1 0 f . , 7 0 f . der Landesverwaltungsordnung für Thüringen vom 10. Juni 1926. Man spricht insoweit von nachträglichen Verwaltungsstreitsachen; vgl. dazu auch Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954 S. 137 f.
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So Bachof,
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Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd. II, 1963 S. 1, 8.
Das Verwaltungshandeln
§11 I
Entscheidung oder sonstige Maßnahme, die von einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts getroffen wird" 7 . Die V w G O eröffnet in § 4 0 Abs. 1 S. 1 vorbehaltlich abweichender bundesgesetzlicher Regelung den Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art. Damit kommt dem Institut des Verwaltungsakts heute keinerlei Bedeutung für die Eröffnung des Rechtsweges mehr zu 8 . Andererseits macht die V w G O in §§ 68 ff. die Zulässigkeit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht auf Aufhebung oder Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts — Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 V w G O — von besonderen Voraussetzungen abhängig. Diese besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen begrenzen die Möglichkeit des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes und kennzeichnen damit eine Sonderstellung des Verwaltungsakts. So tritt, wenn der Verwaltungsakt nicht innerhalb der Widerspruchs· oder Klagefrist der §§ 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 V w G O angefochten wird, die sog. (formelle) Bestandskraft ein, d. h. die Regelung des Einzelfalles wird von der Rechtsordnung, abgesehen vom Fall der Nichtigkeit des Verwaltungsakts, ohne Rücksicht darauf, ob sie rechtmäßig erlassen wurde oder nicht, als unanfechtbar und damit für den Betroffenen — vorbehaltlich einer Änderung durch die Verwaltung 9 — endgültig verbindlich angesehen 10 . Aber auch schon vor dem Eintritt der Bestandskraft ist der Verwaltungsakt wirksam. Das gilt auch für den rechtswidrigen, aber nicht nichtigen Verwaltungsakt, wie die Regelung des § 43 VwVfG zeigt, in dessen Abs. 3 allein der nichtige Verwaltungsakt für unwirksam erklärt wird 11 . Dies läßt sich auch dem § 80 Abs. 1 V w G O entnehmen, der offensichtlich davon ausgeht, daß auch der rechtswidrige Verwaltungsakt wirksam ist. Die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts kann durch die in § 80 Abs. 2 Nr. 4 V w G O vorgesehene Anordnung der sofortigen Vollziehung auch dann erhalten werden, wenn der Verwaltungsakt angefochten wird 1 2 . Es bleibt noch darauf hinzuweisen, daß die Verwaltung, wie §§ 3, 6 VwVG des Bundes und die entsprechenden Vorschriften der Länder zeigen, mit dem Erlaß eines Verwaltungsaktes die Möglichkeit hat, sich einseitig einen Vollstreckungstitel zu schaffen 13 . 7
Vgl. auch § 22 Abs. 1 MilitärregierungsVO N r . 165 für die britische Zone und § 22 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsgesetzes für die amerikanische Zone. Soweit der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten in den einschlägigen Vorschriften auch für sonstige oder andere öffentlich-rechtliche Streitigkeiten eröffnet war, wußten die Gerichte damit zunächst wenig anzufangen.
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Das B V e r w G hat sich diese Einsicht allerdings erst spät zu eigen gemacht. Vgl. dazu Menger und Erichsen, VerwArch. 58 (1967), 70, 78 und dann B V e r w G E 23, 2 2 3 , 224. Vgl. dazu unten §§ 16ff. Vgl. dazu im einzelnen unten § 41 V. Vgl. auch Krebs, VerwArch. 68 (1977), 2 8 5 , 288 f. Vgl. dazu auch Erichsen/Klenke, D Ö V 1976, 833 f. Vgl. dazu unten § 2 0 II.
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§ 1 1
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11,1
Die Bedeutung des Verwaltungsakts im System der verwaltungsrechtlichen Haridlungsformen ist also schon weitgehend aus den Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze, aus denen des Verwaltungsprozeßrechts und aus jenen des Verwaltungsvollstreckungsrechts erschließbar: mit dem Verwaltungsakt ist der Verwaltung ein Mittel zur schnellen, wirksamen und zwangsweise durchsetzbaren, einseitigen Regelung von Sachverhalten gegeben. Die Verwaltung hat also die Möglichkeit, durch den Erlaß eines Verwaltungsakts einseitig14 die Rechtsfolgen verbindlich gegenüber dem Bürger festzulegen, die sich im Einzelfall aus der Anwendung der Rechtsordnung auf einen Sachverhalt ergeben 15 . Damit tritt der für Otto Mayer entscheidende Aspekt der Rechtssicherheit heute wieder in den Vordergrund16. In dieser Funktion hatte und hat der Verwaltungsakt seine Bedeutung für den Bereich der Eingriffsverwaltung, die den Nährboden seiner Entstehung gab. Der Verwaltungsakt ist seit dem Ende der fünfziger Jahre insbesondere im Hinblick auf seine Brauchbarkeit als Instrument der Leistungsverwaltung gelegentlich in Frage gestellt worden 17 . Sein Einsatz im Bereich der Leistungsverwaltung rechtfertigt sich indessen aus der von ihm durch Konkretisierung, Klarstellung und Stabilisierung bewirkten Rechtssicherheit 18 . Eben diese allein mit dem Verwaltungsakt gegebenen Möglichkeiten lassen ihn als Handlungsform eines Verwaltungsrechts, welches für die effektive Bewältigung einer Vielzahl von zu verwaltenden Sachverhalten Instrumente vorhalten muß, unverzichtbar erscheinen, ja sie legen die Prognose nahe, daß seine Bedeutung auch künftig jedenfalls kaum abnehmen wird.
II. Die einzelnen Merkmale der Definition des Verwaltungsaktes 1. Die
Maßnahme
Die in § 35 S. 1 VwVfG und ebenso in § 118 S. 1 A O enthaltene Formulierung „Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere . . . Maßnahme" 14
Die von / . Martens, DVB1. 1968, 3 2 2 , 3 2 4 / 3 2 5 vertretene These von der „Zweiseitigkeit" des Verwaltungsaktes, die die Nichtanfechtung des Bürgers als Zustimmung erklärt, kommt der verfassungsrechtlich unhaltbaren Figur des Verwaltungsaktes auf Unterwerfung bedenklich nahe. Kritisch zu ]. Martens auch v. Mutius, in: Festschrift für Hans J . Wolff, 1973 S. 167, 191 f.
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Vgl. auch B V e r w G E 49, 3 5 1 ; BVerwG VerwRspr. 23, 3 / 4 N r . 6 1 ; B S G N J W 1977, 77 und die insoweit zutreffenden Ausführungen von J. Martens, DVB1. 1968, 322, 324ff.
16
Vgl. auch RUfner, W D S t R L 2 8 (1970), 187, 2 0 5 und Vogel, ebendort, 269 und dem., BayVBl. 1977, 6 1 7 , 6 1 8 ; Rupp, DVBl. 1963 , 5 7 7 , 5 7 8 ; J.Martens, DVB1. 1968, 322, 323 f.
17
Vgl. etwa Rupp, D V B l . 1959, 81, 8 5 f . ; Menger, VerwArch. 51 (1960), 3 7 5 f . Vgl. auch Bachof, W D S t R L 3 0 (1972), 193, 2 3 2 f . Zur Bedeutung des Verwaltungsakts vgl. auch Haueisen, D Ö V 1961, 121, 1 2 5 f . ; Renck, JuS 1965, 129, 131 f . ; Wolff/Bachof, V w R I, § 50 I ; Rupp, D V B l . 1963 , 5 7 7 , 5 7 8 f .
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Das Verwaltungshandeln
§11
11,1
läßt erkennen, daß die Begriffe Verfügung und Entscheidung nur als Beispiele zur Erläuterung des Oberbegriffs Maßnahme aufgeführt werden. Ein Verwaltungsakt liegt demnach nur vor, wenn eine Maßnahme vorhanden ist. Maßnahme ist jedes zweckgerichtete Verhalten, welches Menschen oder juristischen Personen b z w . deren Untergliederungen zurechenbar ist 1 9 . Als Maßnahme ist also auch jedes Verhalten zu verstehen, welches nicht durch Worte, sondern durch Zeichen, Körperbewegung u. a. Mittel (konkludent) etwas z u m Ausdruck bringen soll. N u n gehört es heute nicht mehr z u den Seltenheiten, daß Entscheidungen der Verwaltung unter Verwendung von Maschinen ergehen 2 0 . Die Steuerung des Verkehrs durch eine Verkehrsampel, der v o m C o m p u t e r erlassene Steuerbescheid oder auch die allmonatliche Telefongebührenrechnung sind nur wenige v o n vielen Beispielen aus der täglichen Verwaltungspraxis. E s sind allerdings zunächst Zweifel daran geäußert worden, ob es sich auch bei diesen Vorgängen automatisierter Verwaltung u m Maßnahmen i. S. der Definition des Verwaltungsaktes handele. Bei ihnen trete im Verhältnis zum Bürger nicht der amtswaltende Mensch, sondern die Maschine in Erscheinung. E s k o m m e so z u einem zweistufigen Gesetzesvollzug, nämlich in einen rechtlich erheblichen und einen rein technischen, der Beherrschung durch den menschlichen Willen entzogenen Teil des Entscheidungsprozesses 2 1 . E s ist indes z u beachten, daß die von einem Elektronenrechner ermittelte Entscheidung immer durch das von Menschen eingegebene Programm bestimmt ist. Vor allem aber wird mit Recht darauf hingewiesen, daß auch diese „Verwaltungsf a b r i k a t e " 2 2 der Verwaltung zuzurechnen sind 2 3 . A u s diesem Grunde handelt es sich auch bei solchen von Maschinen gefertigten „Verwaltungsfabrikaten" u m Maßnahmen i. S. der Verwaltungsaktsdefinition 2 4 . D a v o n , daß solche Maßnahmen Verwaltungsakte sein können, gehen auch die Regelungen der §§ 37 A b s . 4 und 39 A b s . 2 N r . 3 V w V f G 2 5 aus, w o v o n Verwaltungsakten die Rede ist, die „ m i t Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen" werden.
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Zu eng Wolff/Bachof, VwR I, § 46 IV. Vgl. dazu auch oben § 4 I und unten § 41 II 2. Zeidler, Uber die Technisierung der Verwaltung, 1959 S. 15ff., 18. So etwa der Ausdruck von Zeidler (Fn. 21) S. 18. Vgl. Bull, Verwendung durch Maschinen, 2. Aufl. 1964 S. 67, 82; Müller-Heidelberg, DVB1. 1961, 12; Schoeningh, Rechtliche Auswirkungen der Technisierung der Verwaltung auf das System der öffentlich-rechtlichen Ersatzansprüche, Diss. Bochum 1973 S. 97. So die heute wohl ganz überwiegende Auffassung. Vgl. etwa unten Badura §41 II 2 ; Luhmann, Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung, 1966 S. 32; V. d. Groeben/Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, Kommentar, 1968, § 108 Rn. 3.3; Kuhn, Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein, Kommentar, 1968, § 108 Anm. 10; Bull (Fn. 23) S. 62, 73; v. Mutius, VerwArch. 67 (1976) S. 116; O V G Münster DÖV 1974 S. 599ff. Vgl. auch §§ 119 Abs. 4 und 121 Abs. 2 Nr. 3 AO. 141
§11 II, 2
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
2. Die
Behörde
Die Maßnahme muß nach § 35 S. 1 VwVfG von einer Behörde26 getroffen worden sein. a) Der Begriff „Behörde" wird in den Gesetzen sehr häufig verwandt. Insbesondere spricht auch das Grundgesetz mehrfach von „Behörden"261. Begriffsidentität bedeutet hier indes nicht Bedeutungsgleichheit, sondern es werden im Schrifttum mehrere Behördenbegriffe unterschieden27. § 1 Abs. 4 VwVfG des Bundes und die im Zusammenhang damit erlassenen entsprechenden Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder definieren Behörde „im Sinne dieses Gesetzes" also im Hinblick auf das Verwaltungsverfahren als „jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt"28. Diese weite Formulierung wurde gewählt, weil man sich vom organisationsrechtlichen Behördenbegriff abheben wollte29. Die Legaldefinition des § 1 Abs. 4 VwVfG zielt vielmehr auf den Behördenbegriff der VwGO, verfehlt ihn indes mit ihrem Wortlaut — anders als § 3 SHLVwG — um Längen. „Behörden" müssen von unselbständigen Hilfsorganen — etwa Ausschüssen30 — oder Behördenteilen abgegrenzt werden. Daher können — wie es präziser in der Definition des § 3 Abs. 2 SHLVwG heißt — nur „organisatorisch selbständige Stellen" von Trägern öffentlicher Verwaltung Behörden i. S. des § 1 Abs. 4 VwVfG sein. Die „Stelle" im Sinne der Behördendefinition des Verwaltungsverfahrensrechts muß damit eine organisationsrechtlich festgelegte Zuständigkeit zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben besitzen31. Erforderlich ist weiter, daß die „Stelle" Zuständigkeiten für nach außen wirkende öffentlich-rechtliche32 Verwaltungstätigkeit hat33. Als „Stelle" i. S. § 1 Abs. 4 VwVfG des Bundes und der entsprechenden Regelungen der Länder ist 26 26a 27 28
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Zum Begriff der Behörde vgl. auch unten § 38 I und § 56 III. Vgl. etwa Art. 84, 85, 86, 87, 87b G G . Weitere Nachw. bei Wolff/Bachof, VwR II, § 7 6 1 a. Vgl. dazu unten § 56 III 1. Ebenso oder ähnlich O V G Münster N J W 1972, 2 2 4 1 ; Ule, VerwaltungsprozeßR, Anh. zu § 3 2 S. 137; Eyermann/Fröhler, V w G O , § 4 2 Rn. 6 4 ; Redeker/v. Oertzen, V w G O , § 4 2 Rn. 60. Vgl. auch schon § 2 5 Abs. 2 M R V O Nr. 165: „Verwaltungsbehörde i. S. dieser Verordnung ist jede mit Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Geltungsbereich dieser Verordnung betraute deutsche Stelle, ohne Rücksicht auf ihre Rangstufe oder Besetzung, jedoch mit Ausnahme der Gerichte und der Amtsstellen der Religionsgesellschaften". Vgl. Begründung, BT-Drucks. 7/910 S. 32 f. Vgl. dazu Wolff/Bachof, V w R II § 76 I e 7 ; O V G Münster O V G E 18, 1 9 4 f . ; 22, 267, 269 zur Behördeneigenschaft von Prüfungsausschüssen. Vgl. auch Kuhn, Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein, Kommentar, 1968, § 3 Anm. 5 ; Kopp, V w V f G , § 1 Anm. 5 ; Borgs, in: Meyer/Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 1 Rn. 2 9 ; Ule!Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977, § 9 III. So ausdrücklich § 3 Abs. 2 SHLVwG. Dazu auch Kopp, V w V f G , § 1 Anm. 5a. Vgl. auch Wolff/Bachof, V w R II, § 7 6 1 e 7; Ule/Lauhinger (Fn. 31) § 9 1 1 1 1 (S. 39); Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 1 Rn. 8. A . A . Borgs (Fn. 31) § 1 Rn. 30.
Das Verwaltungshandeln
§ 1 1 II, 2
mithin eine durch Organisationsrecht geschaffene, überindividuelle, d. h. vom Wechsel der sie innehabenden Personen unabhängige, in gewisser Weise nach außen verselbständigt in Erscheinung tretende Organisationseinheit zu verstehen 34 , „öffentliche Verwaltung" ist hier im materiellen Sinne gemeint 35 ; es geht also um solche Aufgaben, deren Erfüllung ein Verhalten verlangt, welches seinem Inhalt nach öffentliche Verwaltung darstellt. Behörde i. S. der Verwaltungsaktsdefinition ist demnach jede Organisationseinheit des Staates oder seiner rechtsfähigen Untergliederungen, die aufgrund des Organisationsrechts als solche nach außen in Erscheinung tritt und öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne nach Maßgabe öffentlichen Rechts ausübt 36 . Es werden damit also nicht nur Organisationseinheiten der Verwaltung im organisatorischen Sinne 37 erfaßt, sondern auch solche aus dem Bereich von Gesetzgebung und Rechtsprechung im organisatorischen Sinne. Dementsprechend ist der Präsident des Oberlandesgerichts Behörde, wenn er gemäß § 10 Abs. 2 EheG Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses erteilt, ist der Präsident des Bundestags Behörde, wenn er anordnet, einen Zwischenrufer von der Galerie zu entfernen, und wird etwa der Bundestag als Behörde angesehen, wenn er die gemäß § 46 Abs. 2 G G erforderliche Genehmigung für die Strafverfolgung von Abgeordneten erteilt 38 . b) Behördenfunktionen i. S. der Definition des Verwaltungsakts können auch von natürlichen Personen oder juristischen Personen des Privatrechts im eigenen oder auch im fremden Namen 3 9 wahrgenommen werden, soweit sie durch öffentlich-rechtliche Regelung in den Funktionsbereich des Staates oder seiner rechtsfähigen Untergliederungen einbezogen und mit einer Rechtsstellung ausgestattet sind, die sie in die Lage versetzt, Hoheitsgewalt auszuüben. Man spricht dann von Beleihung*0. Die Beliehenen sind Behörden i. S. des VwVfG 4 1 . Sie sind jenem Träger öffentlicher Verwaltung zugeordnet, dessen Hoheitsgewalt sie ausüben. Insoweit kann etwa kirchlichen Stellen 42 , auf deren Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 34 35 36 37 38
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Vgl. auch die Behördendefinition in BVerfGE 10, 20, 48. Vgl. dazu oben § 1 1 . Vgl. etwa Wolff/Bacbof, VwR I, § 46 II; VwR II, § 76 I d. Vgl. dazu oben § 1 1 . Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, G G , Art. 38 Rn. 4; auch BayVerfGHE n. F. 1, 38, 40 einerseits und 5, 216, 219 andererseits. Vgl. etwa Steiner, öffentliche Verwaltung durch Private, 1975 S. 222 ff. Im einzelnen ist hier vieles streitig. Vgl. zu diesen Fragen: Steiner, öffendiche Verwaltung durch Private, 1975; Ossenbühl und Gallwas, W D S t R L 29 (1971), 137ff., 21 Iff.; W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969 S. 133ff.; v. Mutius, VerwArch. 62 (1971), 291, 300 und 64 (1973), 433ff. ; Wolff/Bachof, VwR I, § 4 I a 2, § 48 II b, § 64 II g 3 ; BVerwGE 29, 166, 169f. ; auch schon Otto Mayer, VwR II, S. 95. Beispiele bei Michaelis, Der Beliehene, Diss. Münster, 1969 S. 90f. und Wolff/Bachof, VwR II, § 104 I b. Vgl. Kopp, VwVfG, § 1 Anm. 5; Borgs (Fn. 31) § 1 Rn. 25. Nur soweit sie vom Staat verliehene Befugnisse ausüben. Vgl. dazu Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit II, 1973 S. 121, 122. 143
§ 1 1 II, 3
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
V w V f G dieses Gesetz allerdings keine Anwendung findet, Behördeneigenschaft zukommen und erläßt der Sachverständige des T Ü V mit Zuteilung der Prüfplakette nach § 29 S t V Z O einen Verwaltungsakt 4 3 . c) Kein Verwaltungsakt ist die der Verwaltung nicht zurechenbare Handlung eines Unbefugten. Bei solcher Betätigung wie etwa der des „Hauptmanns von Köpenick" handelt es sich um strafbare Amtsanmaßung (§ 132 StGB), die verwaltungsrechtlich grundsätzlich 4 4 irrelevant ist, es sei denn, die Verwaltung selbst habe den Schein rechtmäßiger Amtsausübung erweckt. Letzteres bestimmt etwa die Beurteilung von Amtshandlungen des Scheinbeamten: Bei nichtiger oder zurückgekommener Ernennung sind die Amtshandlungen des Ernannten in gleicher Weise gültig, wie wenn sie ein Beamter vorgenommen hätte (§ 14 B B G ) . Jede andere Lösung würde unannehmbare Konsequenzen haben.
3. Die
Gebietsklausel
Die Maßnahme einer Behörde kann nach § 3 5 S. 1 V w V f G nur dann ein Verwaltungsakt sein, wenn sie „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" getroffen wird. Die Rechtsordnung legt gelegentlich fest, daß durch Maßnahmen der Behörden, die sie zur Erfüllung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung treffen, privatrechtliche Beziehungen begründet werden. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang etwa auf die den Gemeinden in § § 2 4 f. B B a u G und § 17 StädtebauförderungsG eingeräumten Vorkaufsrechte beim Verkauf von Grundstücken 4 5 . Ü b t die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht durch entsprechende Erklärung aus, so kommt gemäß § 24 Abs. 4 S. 2 B B a u G i. V. mit § 505 Abs. 2 B G B ein Kaufvertrag zwischen ihr und dem Verkäufer über das betroffene Grundstück zustande 4 6 . Dieser Kaufvertrag unterliegt der Regelung von Rechtsnormen, deren Zuordnungssubjekt jedermann sein kann, also des Privatrechts. Wirkung und Erfolg der Maßnahme treten also auf dem Gebiet des Privatrechts ein. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Ausübung eines der Gemeinde in den §§24 f. B B a u G oder § 17 StädtebauförderungsG eingeräumten Vorkaufsrechtes kein Verwaltungsakt sein kann, denn die Gebietsklausel der Definition stellt nicht darauf ab, in welchem Bereich der Erfolg eintritt, sondern nach Maßgabe welcher N o r m die Behörde gehandelt hat 4 7 . D a die 43
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Vgl. V G Münster N J W 1967, 171, 172; B a y V G H D Ö V 1975 , 2 1 0 f . ; Borchert, J u S 1974, 723, 726. Einzige Ausnahme ist § 11 Abs. 2 E h e G . Zum Vorkaufsrecht nach § 11 RHeimstG vgl. Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 20f. Wie dieser Kaufvertrag zustande kommt, ist fraglich. Vgl. dazu Ernst/Zinkhahn/Bielenberg, Bundesbaugesetz, Kommentar, Loseblattsammlung Stand 1 . 1 . 1977, § 2 4 Rn. 43; Grauvogel, in: Kohlhammer Kommentar zum Bundesbaugesetz, Loseblattsammlung Stand D e z . 1974, § 2 4 V 2 a ; B G H M D R 1963, 303 und N J W 1960, 1806; SchützFrohberg, Bundesbaugesetz, 3. Aufl. 1970, § 2 4 Anm. 4 a und 6. Vgl. dazu Wilke, J u S 1966, 481 ff. u. dens. J Z 1968, 221 ff.
Das Verwaltungshandeln
§ 1 1 II, 4
Vorschriften der § § 2 4 f . B B a u G , § 1 7 StädtebauförderungsG ausschließlich die Gemeinde und damit eine Untergliederung des Staates berechtigen, handelt es sich bei ihnen um öffentliches Recht 4 8 . Die Erklärung über die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts erfüllt daher die Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes 4 9 , was in § 24 Abs. 4 S. 1 B B a u G auch ausdrücklich bestätigt wird. Jene Verwaltungsakte, die, wie die Erklärung über die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts, auf die Gestaltung privatrechtlicher Beziehungen gerichtet sind, werden als privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte bezeichnet 5 0 . Zu ihnen gehören insbesondere auch die nach vielen öffentlich-rechtlichen Regelungen erforderlichen Genehmigungen privatrechtlicher Rechtsgeschäfte. Hinzuweisen ist etwa auf die Bodenverkehrsgenehmigung nach §§ 19 ff. B B a u G , auf die Zustimmung des Arbeitsamtes zu Massenentlassungen nach § 16 KündigungsschutzG und auf die Genehmigung einer Stiftung nach § 80 B G B 5 1 . Die erforderliche Genehmigung wird als Rechtsbedingung qualifiziert 52 . § 35 S. 1 V w V f G verlangt, daß es sich um hoheitliche Maßnahmen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts handeln muß. Hoheitliches Verhalten kann immer nur öffentlich-rechtlich erfolgen. Andererseits wird man aus der Verwendung beider Begriffe in § 35 S. 1 V w V f G zu entnehmen haben, daß nicht jedes öffentlich-rechtliche Verhalten auch hoheitlich im Sinne dieser Vorschrift ist. Das Merkmal hoheitlich findet vielmehr seine Erklärung in dem überkommenen Befund, daß der Verwaltungsakt das Mittel zur einseitigen Regelung von Sachverhalten ist 5 3 . Verwaltungsakte sind also jene Maßnahmen einer Behörde, die einseitig nach Maßgabe öffentlichen Rechts ergehen.
4.
Die
Regelung
Um einen Verwaltungsakt kann es sich nur handeln, wenn die Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles ergeht. Dabei kann Regelung in einem Rechtsstaat nur die rechtliche Regelung sein. 48
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So auch BGHZ 60, 275 f. In dieser vor Inkrafttreten der gesetzgeberischen Qualifikation der Ausübung des Vorkaufsrechts — § 24 Abs. 4 S. 1 BBauG — ergangenen Entscheidung kommt der BGH allerdings dann doch zu dem Ergebnis, es handle sich nicht um einen Verwaltungsakt. Vgl. OVG Lüneburg NJW 1976, 159, 160; OVG Münster NJW 1962, 653; Menger und Erichsen, VerwArch. 59 (1968), 378 f. Vgl. Badura, in: v. Münch, Bes. VwR, S. 313; I.utz Schmidt, Unmittelbare Privatrechtsgestaltung durch Verwaltungsakt, Diss. iur. Bielefeld 1975 mit umfangreichem Beispielsmaterial. BVerwG DVB1. 1970, 179, 180. Vgl. Erman/Battes, BGB, Handkommentar, 1. Bd., 6. Aufl. 1975, Bern, vor §§ 275-292 Rn. 20. Des weiteren dazu Kieckbusch, VerwArch. 57 (1966), 17 und 162ff.; O. Lange, AcP 152 (1952/53), 241ff. sowie RGZ 168, 261, 267; 129, 357, 376. Das Merkmal der Regelung, dem vielfach das Kriterium der Einseitigkeit zugeordnet wird — vgl. etwa Wolff/Bachof VwR I, § 46 V a und neuerdings wieder Meyer, in: 145
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Allgemeines Verwaltungsrecht
§11 II, 4
H a n s - U w e Erichsen und Wolfgang Martens
Das Vorliegen einer rechtlichen Regelung wurde früher für Maßnahmen im sog. besonderen Gewaltverhältnis 54 , wozu etwa das Strafvollzugsverhältnis, das Wehrdienstverhältnis, das Beamtenverhältnis und das Schulverhältnis gerechnet wurden, überwiegend in Abrede gestellt. Heute ist insbesondere noch Gegenstand der Diskussion, ob Gnadenentscheidungen Rechtsqualität zukommt. Auch sie ergehen indes — wie alle Maßnahmen der vollziehenden Gewalt — in Ausübung rechtlich organisierter und übertragener Gewalt sowie nach Maßgabe der über Art. 1 Abs. 3 G G bestehenden umfassenden Bindung an die Grundrechte 55 . Es handelt sich daher bei den Gnadenentscheidungen um Rechtsakte und damit — da sie die übrigen Voraussetzungen, von denen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes abhängt, erfüllen — um Verwaltungsakte S6 . Eine Maßnahme hat nur dann Regelungscharakter, wenn sie nach ihrem Inhalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen. Sie muß, um die griffige Formel Otto Mayers aufzunehmen, durch ihren Entscheidungssatz gegenüber dem einzelnen festlegen wollen, „was für ihn Rechtens sein soll" S 7 . O b eine Maßnahme diesen Inhalt hat, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Das gilt insbesondere für feststellende Maßnahmen von Verwaltungsbehörden. Ihnen soll, wie gelegentlich ausgeführt wird 5 8 , nur deklaratorische Wirkung zukommen. Auch das BVerwG spricht vom „deklaratorisch feststellenden Verwaltungsakt" 59 . O b indessen eine bloße Feststellung dessen, was ist, als Regelung angesehen und eine entsprechende Maßnahme der Verwaltung als feststellender Verwaltungsakt angesehen werden kann, ist zweifelhaft 60 . Andererseits geht die V w G O in § 113 Abs. 2 davon aus, daß es den feststellenden Verwaltungsakt gibt. Man muß sich in diesem Zusammenhang vergegenwärtigen, daß die Anwendung eines Gesetzes auf einen konkreten Sachverhalt kein mechanistischer Prozeß ist, bei dem der Rechtsanwender „en quelque façon nul" ist, sondern, daß hier ein — nunmehr auch verfahrensrechtlich geordneter — Nachvollzug einer gesetzgeberischen Interessenbewertung erfolgt, die in der Regel allgemein, d. h. generell und abstrakt formuliert und
Meyer/Borgs (Fn. 31) § 35 R n . 19 — ist insoweit nicht aussagekräftig, da sich eine Regelung auch einvernehmlich — etwa durch Vertrag — herbeiführen läßt. Bedenken gegen das Kriterium der Einseitigkeit bei J. Martens, DVB1. 1968, 3 2 4 , 325. 54
Dazu Erichsen, 1974, 4 5 4 ff.
ss
Dazu im einzelnen Erichsen, S. 90ff. m . w. N a c h w .
56
So auch Trautmann, M D R 1971, 173, 1 7 6 f . ; Baltes, DVBl. 1972, 562, 5 6 3 ; K. Müller, DVBl. 1963, 18, 2 0 f . ; Eyermann/Eröhler, V w G O , § 4 2 Rn. 3 7 ; Wolff/Bachof, V w R I, § 4 6 III d ; a. A . etwa Ule, VerwGbarkeit, § 4 2 A n m . 6 ; Schätzler, Handbuch des Gnadenrechts, 1976 S. 7 7 ; ders., N J W 1975, 1249ff.
57
O . Mayer, V w R I, S. 95ff. F. Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1972 S. 87. B V e r w G E 14, 151, 152; 34, 353, 354. Vgl. Hoffmann-Becking, D Ö V 1972, 196, 198.
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in: Festschr. für Hans J . Wolff, 1973 S. 219, 2 3 8 f . ; Paetzold,
DVBl.
Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976
Das Verwaltungshandeln
§11
II, 4
damit mit einem gewissen Maß an Offenheit und Unbestimmtheit 6 1 verbunden ist 6 2 . D o c h liegen die Probleme der Rechtsanwendung nicht nur im Bereich des Normativen, der Auslegung, sie sind auch mit der für die Sachverhaltsermittlung notwendigen Tatsachenfeststellung verbunden. Das Recht gilt in gewissem U m fange nach Maßgabe der Entscheidung der zu seiner Anwendung mit Bindungswirkung Berufenen 6 3 . Ist eine Äußerung der Verwaltung darauf gerichtet, die im Verhältnis von Staat und Bürger bestehenden Unsicherheiten zu beseitigen, indem sie die generelle und abstrakte Regelung des Gesetzes verbindlich konkretisiert u n d / o d e r individualisiert, so legt die Verwaltung rechtsgestaltend fest, was im Einzelfall rechtens sein soll und trifft damit eine Regelung 6 4 . Die Regelung liegt also beim feststellenden Verwaltungsakt — wie auch beim sog. gestaltenden Verwaltungsakt 6 5 — in der verbindlichen Feststellung dessen, was im Einzelfall Rechtens sein soll 6 6 . O b eine Regelung vorliegt, kann zweifelhaft sein, wenn beispielsweise der A n trag des A auf Erteilung einer Erlaubnis oder Gewährung einer sonstigen Vergünstigung von der Verwaltung abgelehnt wird, er dagegen zunächst nichts unternimmt, jedoch später einen neuen Antrag stellt und die Behörde diesen Antrag erneut ablehnt. Es stellt sich dann die Frage, ob in dieser zweiten Äußerung der
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Vgl. etwa Latenz, Methodenlehre, 3. Aufl. 1975 S. 181 f.; Esser, .Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, 1970 S. 45f., 6 2 f . ; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 5. Aufl. 1971 S. 106f.; Dreier, in: Festschr. für Hans J . Wolff, 1973 S. 3, 6 f . ; Günter H. Roth, JuS 1975, 617f. Vgl. Engisch, Die Idee der Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft, 1953 S. 85f., 120f.; J. Martens, AöR Bd. 89 (1964), 429, 434f.; ders., ZZP Bd. 79 (1966), 404, 408f.; ders., DVB1. 1968, 322, 324; Hoffmann-Becking, D Ö V 1972, 196, 199; F. Müller, Normstruktur und Normativität, 1966 S. 2 2 f . ; Rottleuthner, Richterliches Handeln, 1973 S. 7 f „ 27f. Vgl. dazu H. L. A. Hart, Der Begriff des Rechts, 1973 S. 196; Erichsen, VerwArch. 63 (1972), 337, 344; Hoffmann-Riem, Der Staat, 1974 S. 335, 347f.; Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, 1973 S. 28; J. Martens, AöR Bd. 89 (1964), 429, 432f.; ders., ZZP Bd. 79 (1966), 404, 41 Iff.; Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969 S. 119f., 142; Ossenhühl, DVBl. 1974, 309f. Vgl. dazu etwa Siemer, Normenkontrolle durch Feststellungsklage?, 1971 S. 38, 4 3 f . ; Hoffmann-Becking, D Ö V 1972, 196, 199; auch Bettermann, W D S t R L 17 (1959), 118f.; Walter Schmidt (Fn. 63) S. 141 f.; Löwenberg, Die Geltendmachung von Geldforderungen im Verwaltungsrecht, 1967 S. 42 f.; J.Martens, DVBl. 1968, 322, 324; ders., JuS 1975 , 69, 72f. J. Martens stellt zutreffend fest, daß „damit der Unterschied zwischen deklaratorischen und konstitutiven Verwaltungsakten im wesentlichen beseitigt ist" — DVBl. 1968, 322, 324. Vgl. auch dens., JuS 1975, 69, 76, sowie Hoffmann-Becking, D Ö V 1972, 196, 198f. Vgl. auch die Definition des feststellenden Verwaltungsakts bei Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954 S. 108f.; Wolff/Bachof, VwR I, § 4 7 1 und Schwerdtfeger, öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 4. Aufl. 1977 S. 15. 147
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Behörde ebenfalls ein Verwaltungsakt liegt. Ob eine auf die Bewirkung einer Rechtsfolge gerichtete Maßnahme vorliegt, ist durch Auslegung ihres Entscheidungssatzes festzustellen61. Wenn also etwa der neue Antrag mit dem Hinweis auf den bereits erteilten Bescheid abgelehnt wird, so soll in der Sache keine neue Rechtsfolge gesetzt werden. Es handelt sich insoweit nicht um einen Verwaltungsakt. Man spricht von einer wiederholenden (wiederholten) Verfügung. Wird sie erlassen, so enthält sie allerdings die Erklärung, daß nicht beabsichtigt sei, das Verwaltungsverfahren wiederaufzugreifen. Sie ist insoweit auf Setzung einer Rechtsfolge gerichtet und damit unter diesem Aspekt ein — verwaltungsverfahrensgestaltender — Verwaltungsakt68. Ergeht hingegen auf den zweiten Antrag ein ablehnender Bescheid mit neuer sachlicher Begründung, so liegt es nahe, daraus zu schließen, daß die Rechtsfolge in der Sache erneut gesetzt und damit eine neue Sachregelung erlassen werden soll. Man spricht in solchen Fällen vom Zweithescheid. Die in ihm getroffene Sachentscheidung kann auf eine zulässige Anfechtungsklage bei Belastungen oder bei Ablehnung eines Antrags auf Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsaktes auf Verpflichtungsklage vom Verwaltungsgericht nachgeprüft werden. Der wiederholenden Verfügung kann hingegen nur mit einer auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens gerichteten Klage begegnet werden. Da über das Wiederaufgreifen des Verfahrens letztlich der Erlaß einer neuen Sachentscheidung begehrt wird, handelt es sich in der Regel um eine Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage69. An einer Regelung mangelt es auch bei der Auskunft und der Beratung. Die Auskunft, so wird schlagwortartig definiert, ist eine Wissenserklärung; sie kann sich auf Tatsachen beziehen oder Rechtsauskunft sein. Auskunft und Beratung, beide nunmehr in § 25 VwVfG zur grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde gemacht 70 sind nicht auf Setzung einer Rechtsfolge gerichtet und daher keine Verwaltungsakte. Von der Auskunft ist im Wege der Auslegung die Zusage abzugrenzen 71 . Sie ist eine gegenüber einem anderen Rechtssubjekt erfolgende, im ungeschriebenen all67
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Vgl. dazu Enchsen/Hoffmann-Becking, JuS 1971, 144, 145; Hoffmann-Becking, DÖV 1972, 196, 199. Vgl. auch B V e r w G E 44, 3 3 4 f . ; Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 127f. und Badura, unten § 4 1 V 3. Zur wiederholenden Verfügung im einzelnen: Wolff/Bachof VwR I, § 4 6 V b 2 ; B a y V e r f G H E 11, 51 f . ; B V e r w G E 13, 9 9 , 101 f . ; BVerwG DVB1. 1963, 186. Die Terminologie ist nicht einheitlich. Während die Rechtsprechung ganz überwiegend von wiederholender Verfügung spricht — vgl. etwa B V e r w G E 23, 175, 1 7 6 ; 27, 181, 184, 185 - wird in der Literatur mehrfach von wiederholter Verfügung gesprochen - vgl. etwa Siegmund-Schultze, DVB1. 1970, 256. Vgl. dazu unten § 19 II. Vgl. auch §§ 13 f. S G B . Vgl. dazu im einzelnen Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, 1974 S. 2 8 8 ff. und 331 ff. Vgl. dazu etwa Monreal, Auskünfte und Zusagen von Finanzbehörden, 1967 S, 41 ff., 168ff. ; Acker, Auskünfte durch die Verwaltung, Diss. Hamburg, 1970 S. 1 0 f . ; BSG DVB1. 1966, 940.
Das Verwaltungshandeln
§ 1 1 II, 5
gemeinen Verwaltungsrecht wurzelnde Selbstverpflichtung der Verwaltung zu einem späteren öffentlich-rechtlichen Tun oder Unterlassen 72 . § 38 Abs. 1 S. 1 V w V f G erfaßt demgegenüber mit seiner Legaldefinition der Zusicherung13 nicht alle denkbaren, sondern nur die gegenüber einem Bürger erfolgende „Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen." Die Zusage oder Zusicherung will demnach eine Rechtsfolge, nämlich die Selbstverpflichtung der öffentlichen Verwaltung begründen. Gleichwohl geht § 38 V w V f G , indem er in Abs. 2 mehrere Regelungen des V w V f G über den Verwaltungsakt für ,,entsprechend" anwendbar erklärt, offenbar davon aus, daß es sich bei der Zusicherung nicht um einen Verwaltungsakt handelt 74 . Gleiches wird dann für die Zusage im allgemeinen anzunehmen sein 75 .
5. Die unmittelbare
Rechtswirkung
nach außen
Es muß sich um eine Regelung handeln, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. a) Dieses Merkmal findet sich noch nicht sehr lange in den Definitionen des Verwaltungsaktes. Das hat seinen Grund darin, daß bis vor nicht allzu langer Zeit das Vorliegen rechtlicher Regelungen nur in jenen Fällen angenommen wurde, in denen es um die Abgrenzung der individuellen Verhaltensfreiheit der Bürger 76 bzw. um Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger 77 ging 78 . Verhaltensgebote 72
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So BVerwGE 26, 31, 36; vgl. auch die Definition des 44. Deutschen Juristentages: „Zusage ist ihrem Wesen nach hoheitliche Selbstverpflichtung der Verwaltung gegenüber bestimmten Erklärungsempfängern. Auskunft ist individuelle Tatsachenmitteilung einer Verwaltungsbehörde. " Vgl. dazu Maiwald, BayVBl. 1977, 449f. So auch Maiwald, BayVBl. 1977, 449, 452; Ule/Laubinger (Fn. 31) S. 203. Für Verwaltungsaktscharakter Meyer, in: Meyer/Borgs (Fn. 31) § 38 Rn. 1 und 9; Schwarze, in: Knack, VwVfG, §38 Rn. 3. 3. Der Regierungsentwurf - BT-Drucks. 7/910 S. 59 ging davon aus, daß mit der Regelung des § 38 keine Aussage über die Rechtsnatur der Zusicherung getroffen worden sei. Angesichts der Regelung des § 38 Abs. 2 V-wVfG ist es bedenklich, die Zusicherung - auch hinsichtlich des Rechtsschutzes — wie einen Verwaltungsakt zu behandeln. So aber Maurer, JuS 1976, 485, 491 ; Maiwald, BayVBl. 1977, 449, 452. Vgl. zu den Rechtsfragen der Zusage auch Krebs, VerwArch. 69 (1978), 85ff. Zu den Begründern dieser Auffassung gehören Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 1, 2. Auf. 1887 S. 590 und Georg Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1887 S. 240 f. Zu den Begründern dieser Auffassung gehören Anscbütz, Art. Gesetz, in: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 2, 2. Aufl. 1913 S. 212, 214 und Thoma, Der Vorbehalt der Legislative und das Prinzip der Gesetzmäßigkeit, in : Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II, 1932 S. 221, 223. Vgl. dazu Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 S. 24f. und oben § 5 II, § 6 II. 149
§ 1 1 II, 5
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
im sog. Innenbereich des Staates, also die oben behandelten Verwaltungsvorschriften und die Einzelweisungen79, wurden nicht als rechtliche Regelungen angesehen80. Nachdem nunmehr auch der Innenbereich des Staates als rechtlich geordnet begriffen wird, wird auch Regelungen im Innenbereich Rechtsqualität zuerkannt. Sie werden gleichwohl nicht in den Verwaltungsaktsbegriff einbezogen, sondern nunmehr durch das Erfordernis der unmittelbaren Rechtswirkung nach außen aus dieser Kategorie eliminiert. Auf diese Weise werden die intrapersonalen Maßnahmen, wie Verwaltungsvorschriften und Weisungen, ausgeschlossen, die nur innerhalb der Organisation eines Trägers öffentlicher Verwaltung Rechtswirkungen äußern und den einzelnen Amtswalter lediglich in seiner Eigenschaft als „Glied der Verwaltung" 81 berechtigen oder verpflichten. Eine Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung ist dann zu bejahen, wenn die Maßnahme auf unmittelbare Bewirkung einer Rechtsfolge für eine natürliche oder juristische Person gerichtet ist, sie unmittelbar betrifft 82 , indem sie ihren Rechtskreis erweiternd, verringernd oder feststellend gestaltet und dergestalt interpersonal wirkt. Unmittelbarkeit in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Entscheidungssatz oder „Tenor" der Maßnahme die angestrebten Rechtsfolgen gegenüber der natürlichen oder juristischen Person bezeichnet. Löst dagegen eine Maßnahme der Verwaltung Rechtsfolgen aus, obwohl es an einem auf diese Rechtsfolgen gerichteten „Tenor" fehlt, so kann dieser „mittelbare" Eintritt der Rechtsfolgen den Verwaltungsaktscharakter der Maßnahme nicht begründen83. Weist ζ. B. eine übergeordnete Behörde die nachgeordnete Bauaufsichtsbehörde an, bestimmte Baustoffe der Firma X wegen ihrer Gefährlichkeit zu verbieten 84 , so liegt eine amtsadressierte, intrapersonale Maßnahme vor, die trotz der nachteiligen Betroffenheit der Firma X kein Verwaltungsakt ist 85 . b) Die Maßnahmen in den sog. besonderen Gewaltverhältnissen wurden früher weitgehend und werden ζ. T. auch heute noch nicht als Verwaltungsakte angesehen. Die Begründungen dafür sind unterschiedlich. Es wird etwa das Unterworfensein unter die besondere Dienst- und Befehlsgewalt zur Begründung heran79 80 81
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150
Vgl. dazu § 7 IV. Vgl. dazu auch Erichsen, in: Festschr. für Hans J. Wolff, 1973 S. 219, 229ff. So BVerwGE 14, 84, 85, 87. Im einzelnen dazu Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 34f.; Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Recht, S. 38f., 68f. Vgl. auch Erichsen, VerwArch. 67 (1976), 102 f. So auch Wolff/Bachof, VwR I, § 46 VII b; Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 34ff.; v. Mutius, JuS 1977, 455, 460; BVerwGE 28, 145, 146; 8, 192; 7, 125, 128; 5, 153; 1, 260. Erichsen/Hoffmann-Becking, JuS 1971, 144, 146. Vgl. württ.-bad.VGH, Deutsche Rechts-Zeitschrift, 1950, 500f., der in diesem Fall das Vorliegen eines Verwaltungsakts bejahte. Vgl. hierzu auch Müller-Volbehr, DVB1. 1976, 57f.; Vehse, BayVBl. 1976, 490f.; Kopp, BayVBl. 1976, 719f.
Das Verwaltungshandeln
§11 II, 5
gezogen 8 6 . Verbreitete Resonanz hat aber vor allem die von Ule87 begründete, gelegentlich auch vom B V e r w G 8 8 herangezogene Unterscheidung von Grund- und Betriebsverhältnis gefunden. Als Grundverhältnis hat Ule die Gesamtheit jener Rechtsbeziehungen bezeichnet, die sich aus der Begründung, Veränderung oder Beendigung des besonderen Gewaltverhältnisses ergeben. Als Betriebsverhältnis werden die Rechtsbeziehungen angesehen, „die sich aus der Geltung der (geschriebenen oder ungeschriebenen) Betriebsordnung' ergeben" 8 9 . „Maßnahmen, die lediglich das ,Betriebsverhältnis', also die Amtsstellung des Beamten oder die Stellung des Schülers oder Studenten im Unterrichts- oder Lehrbetrieb einer Schule oder Hochschule betreffen, sind keine Verwaltungsakte, da sie keine rechtliche Regelung darstellen. Sie treffen den Adressaten nicht als Person; seine individuelle Rechtsstellung wird durch sie nicht berührt" 9 0 . Die Unterscheidung von Grund- und Betriebsverhältnis hat angesichts der gewandelten verfassungsrechtlichen Einschätzung des besonderen Gewaltverhältnisses 91 an dogmatischer Überzeugungskraft verloren. Sie hat sich aber auch schon deshalb als problematisch erwiesen, weil es nicht gelungen ist, brauchbare Kriterien für die Abgrenzung von Grund- und Betriebsverhältnis zu entwickeln 92 . Es kommt vielmehr auch bei einer Maßnahme im sog. besonderen Gewaltverhältnis darauf an, ob sie auf unmittelbare Bewirkung einer Rechtsfolge für eine natürliche Person gerichtet ist 9 3 . Ist das der Fall, so sind insoweit die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes erfüllt. c) Erhebliche Schwierigkeiten bereitet immer wieder die Einordnung von sog. Organisationsakten. Beispielhaft seien hier die Schließung einer Schulklasse durch eine Gemeinde 9 4 , der Abbruch eines Schulversuchs 95 , die Einführung der Fünf86
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So Bacbof, in: Festschrift für Laforet, 1952 S. 285f.; Eyermann/Fröhler, VwGO, §42 Rn. 47f. Vgl. WDStRL 15 (1957), 133, 151 ff.; DVB1. 1957, 17. Ihm folgend: v. Mangoldt/ Klein, GG, Art. 19 Abs. 3, Anm. 6a, S. 579; Redeker/v. Oertzen, VwGO, §42 Rn. 68f. ; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1977 S. 94; vgl. auch Vogel, BayVBl. 1977, 617, 618f. Vgl. BVerwGE 5, 153, 154; 8, 192, 193; BVerwG NJW 1976, 864, wo vom „Grundverhältnis der . . . Kinder zur Schule" die Rede ist. Vgl. auch BWVGH DVB1. 1975, 438, 439. Ule, WDStRL 15 (1957), 152; vgl. auch dens., VerwGbarkeit, Anm. IV 4 zu §42. So Ule, VerwprozeßR, Anhang zu § 32 V 2, S. 149. Vgl. Erichsen, in: Festschr. für Hans J. Wolff, 1973 S. 219, 238f. Vgl. etwa Siegmund-Schultze, DVB1. 1962, 508, 509; Düng, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 25; Menger, VerwArch. 51 (1960), 375ff.; Thieme, JZ 1964, 81, 82f. Zur Kritik auch Fuß, DÖV 1972 , 765, 770; Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 43; Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, 1974 S. 249/250. Vgl. auch BVerwGE 14, 84, 86; Forsthoff, VwR, S. 203 ff. HessVGH DÖV 1951, 306; BVerwGE 18, 40, 41. BVerwG NJW 1976, 864. 151
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Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Tage-Woche in den Schulen 9 6 , die Eingemeindung eines gemeindefreien Forstgebietes durch Beschluß des Landesinnenministeriums 97 , die Änderung von Fleischbeschaubezirken 9 8 oder die Ordnung und Zuweisung von Aufgaben im Rahmen öffentlicher Verwaltung 9 9 genannt. In diesem Zusammenhang wird mehrfach die Auffassung vertreten, diesen Maßnahmen komme eine Doppelnatur zu 1 0 0 . So werden sie einerseits als Verwaltungsakt — etwa wenn sie in den Rechtsbestand von Gebietskörperschaften eingreifen — , zugleich aber auch als justizfreier Regierungsakt — gegenüber den Gebietsangehörigen — angesehen 1 0 1 , oder aber als Verwaltungsakt gegenüber dem Betroffenen und als Rechtsnorm im übrigen qualifiziert 1 0 2 . Daß eine Maßnahme indes einerseits Verwaltungsakt und andererseits Rechtsnorm sollte sein können, ist angesichts der auf eine alternative Klassifikation angelegten Kriterien notwendig ausgeschlossen 103 . Eine Maßnahme kann nur entweder Verwaltungsakt oder Rechtsnorm sein. Betrifft also eine Organisationsmaßnahme unmittelbar den Rechtskreis einer Gebietskörperschaft oder/und ihre Mitglieder 1 0 4 , so handelt es sich um eine Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung und damit — wenn die weiteren Voraussetzungen gegeben sind — um einen Verwaltungsakt. Sie ist dann Verwaltungsakt auch für den, dessen Rechtskreis sie nicht unmittelbar betrifft 1 0 5 . Diesem mangelt es nur an der Klagebefugnis des § 42 Abs. 2 V w G O 1 0 6 . Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch auf die Maßnahmen im Rahmen von Aufsichtsverhältnissen (ζ. B . Kommunalaufsicht). Ihnen kommt unmittelbare Rechtswirkung nach außen zu, wenn sie ein Recht, welches dem Adressaten der Maßnahme — in der Regel einer juristischen Person des öffentlichen Rechts — zugeordnet ist, unmittelbar betreffen 1 0 7 , sie also etwa in den
BVerwGE 47, 201, 205. OVG Lüneburg DÖV 1963, 150; dazu Fichtmüller, JuS 1965, 350 ff. 9 8 BVerwG DVB1. 1961, 86. 9 9 Vgl. BVerwG DÖV 1966, 796; BVerwGE 14, 84. 1 0 0 Dazu Bachof, in: Festschrift für Werner Weber, 1974 S. 515ff. 1 0 1 So Eyermann/Fröhler, VwGO, §42 Rn. 38; OVG Lüneburg DÖV 1963, 150 1. Leits. und S. 151. 1 0 2 So Redeker/v. Oertzen, VwGO, §42 Rn. 39; Schweiger, DÖV 1955, 360. Vgl. auch OVG Münster DVB1. 1968, 660, 662. 1 0 3 So auch Wolff/Bachof, VwR I, § 46 V a 4. 1 0 4 Darauf stellen auch BayVGH BayVBl. 1956, 121 und BayVBl. 1971, 309; OVG Münster OVGE 18, 97 ab. ios Gegen die Theorie von der Doppelnatur auch BayVGH DÖV 1964, 849; Menger, VerwArch. 50 (1959), 283. 1 0 6 So auch Fichtmüller, JuS 1965, 350, 354. 107 Vgl. dazu im einzelnen bzgl. kommunalaufsichtsbehördlicher Genehmigung: BVerwG DÖV 1970, 277ff. ; OVG Lüneburg OVGE 25, 375, 378; bzgl. anderer Maßnahmen der Kommunalaufsicht: OVG Münster OVGE 18, 87; DÖV 1970, 607; Johannes und Reinhard Rauhall, Gemeindeordnung für NW, 2. Aufl. 1974, Anm. 1 zu §112 GO NW, S. 447; bzgl. einer Genehmigung auf dem Gebiet des Handwerksrechts: BVerwGE 16, 83, 84 und dazu: G. Küchenhoff, JuS 1965, 52, 58. 96 97
152
Das Verwaltungshandeln
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Selbstverwaltungsbereich einer Gemeinde eingreifen, wie es beispielsweise die Genehmigung einer gemeindlichen Satzung oder deren Versagung t u n 1 0 8 . d) U n t e r Anwendung der dargestellten Kriterien ist auch die Frage zu beantw o r t e n , o b in jenen Fällen Verwaltungsakte vorliegen, in denen das Gesetz die V o r n a h m e von M a ß n a h m e n durch eine B e h ö r d e an die Mitwirkung (ζ. B . E i n vernehmen, Zustimmung) einer anderen B e h ö r d e knüpft (sog. mehrstufiger Verwaltungsakt109). Das geltende R e c h t macht davon vielfältigen G e b r a u c h . M e h r stufig ist ζ. B . die Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde nach § 3 6 A b s . 1 B B a u G 1 1 0 im H i n b l i c k auf das erforderliche Einvernehmen der Gemeinde und die notwendige Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde. Das gleiche gilt für die Baugenehmigung im Fall des § 9 Abs. 2 F S t r G , die nur mit Zustimmung der obersten Landesstraßenbaubehörde erteilt werden darf. D i e Rechtsprechung des B V e r w G tendiert dahin, die Mitwirkungsakte wegen der in aller Regel fehlenden unmittelbaren Rechtswirkung im Verhältnis zum Bürger als b l o ß e Verwaltungsinterna zu qualifizieren. Sie verweist dann bei Verweigerung des Einvernehmens oder der Zustimmung den Bürger auf die Verpflichtungsklage gegen die nach außen hin zum Handeln berufene Behörde, w o b e i im R a h m e n dieser Klage die Rechtmäßigkeit der Verweigerung mit überprüft und bei Rechtswidrigkeit die Mitwirkungshandlung als durch das Urteil des Verwaltungsgerichts ersetzt angesehen w i r d 1 1 1 . U m die Frage nach der Verwaltungsaktsqualität einer Mitwirkungshandlung zu beantworten, ist zu untersuchen, o b die M a ß n a h m e auf unmittelbare Bewirkung einer Rechtsfolge für ein anderes Rechtssubjekt gerichtet ist. Dieses Rechtssubjekt kann einmal der Träger öffentlicher Verwaltung sein, dessen B e h ö r d e den V e r waltungsakt gegenüber dem B ü r g e r erläßt. In diesem Fall handelt es sich bei der Mitwirkungshandlung einmal dann um einen Verwaltungsakt, wenn durch sie der B e h ö r d e , die gegenüber dem Bürger tätig wird, eine Entscheidung aufgegeben wird, die den Rechtskreis des Trägers öffentlicher Verwaltung, dessen Organ sie ist, unmittelbar betrifft. W e n n also etwa die Zustimmung oder das Einvernehmen versagt wird, dann m u ß die für die Entscheidung gegenüber dem Bürger zuständige B e h ö r d e die beantragte Genehmigung ablehnen. Betrifft diese eine Angelegenheit aus dem eigenen Wirkungskreis des Trägers öffentlicher Verwaltung, dessen Organ sie ist, so liegt ein Verwaltungsakt v o r . Z u m anderen liegt auch dann ein Verwaltungsakt vor, wenn der B e h ö r d e , die den Verwaltungsakt erläßt, etwa durch
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Vgl. dazu Bachof (Fn. 100) S. 515, 518ff. Dazu auch unten § 40 III. Begriffsprägung durch Menger, VerwArch. 50 (1959), 397. Im übrigen auch Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. lOOf. Vgl. auch §§ 14 Abs. 2, 31 Abs. 1 und 2 BBauG. BVerwGE 16, 116; 18, 333; 19, 94; 21, 354; 22, 342; 26, 31; 28, 145; 34, 6 5 ; 45, 13, 17. Kritisch dazu Menger und Erichsen, VerwArch. 58 (1967), 70, 74; Schuegraf, DVB1. 1961, 654; Fickert, DVBl. 1964, 173, 174. Vgl. auch Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 101 f. 153
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Erklärung des Einvernehmens und/oder der Zustimmung die Entscheidung über Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises jenes Trägers öffentlicher Verwaltung, dessen Organ sie ist, freigegeben wird, wenn sie also nunmehr in Wahrnehmung eigener Aufgaben des von ihr repräsentierten Trägers öffentlicher Verwaltung — positiv oder negativ - über den Erlaß eines Verwaltungsaktes gegenüber dem Bürger entscheiden darf 112 . Auch hier gilt, daß eine Maßnahme, der Verwaltungsaktsqualität zukommt, diese immer und gegenüber jedermann besitzt. Soweit diese Fälle nicht schon von § 44 a VwGO erfaßt werden, ist eine Verpflichtungsklage des Bürgers auf Erlaß dieses Verwaltungsakts gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur dann zulässig, wenn er geltend macht, durch die Ablehnung dieses Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Eine Mitwirkungshandlung kann auch dann Verwaltungsakt sein, wenn sie auf unmittelbare Bewirkung einer Rechtsfolge für den Bürger gerichtet ist. Das wird indes nur selten der Fall sein. 6. Der
Einzelfall
Ein Verwaltungsakt liegt schließlich nur vor, wenn es sich um die Regelung eines Einzelfalles handelt. Dieses Merkmal grenzt die Kategorie des Verwaltungsakts gegen die des Rechtssatzes mit Außenwirkung ab 113 , der allgemein gilt. Indessen, so griffig das Merkmal des Einzelfalls auf den ersten Blick erscheint, so schwierig kann die Abgrenzung im Anwendungsfall werden. Das BVerwG sah sich ζ. B. bei folgendem Sachverhalt vor die Frage gestellt, ob ein Verwaltungsakt vorlag: Ende Dezember 1952 traten in Stuttgart und Umgebung epidemische Typhuserkrankungen auf. Bis Mitte Januar 1953 waren etwa 400 Kranke zu verzeichnen. Man kam zu dem Ergebnis, daß Endiviensalat die Infektionsquelle sei. Daher erging am 20. Januar 1953 eine Anordnung des Innenministeriums, daß bis auf weiteres der Groß- und Einzelhandel mit Endiviensalat in den von Typhus betroffenen Kreisen Nord- und Südwürttembergs verboten sei. Diese Anordnung wurde durch Rundfunk und Presse bekanntgemacht. Wenn man in diesem Endiviensalatfall114 auch auf den ersten Blick den Eindruck hat, es handele sich Soweit beispielsweise die Gemeinde die nach außen handelnde Behörde ist, wird ihr durch Art. 28 Abs. 2 G G gewährleisteter Rechtskreis (Planungshoheit) durch die E r teilung oder Versagung der Zustimmung seitens der Mitwirkungsbehörde gemäß § 36 Abs. 1 B B a u G oder § 9 Abs. 2 F S t r G tangiert. Deshalb ist in diesen Fällen die Mitwirkungshandlung Verwaltungsakt. Dagegen ist die Mitwirkungshandlung einer Behörde dann kein Verwaltungsakt, wenn sie lediglich zur Kontrolle der Ausübung von K o m petenzen dient, die auf eine andere Behörde delegiert worden sind; vgl. etwa den B V e r w G DVB1. 1964, 1000 f. zugrunde liegenden Fall. 113 Vgl. dazu mit umfassenden Nachweisen v. Mutins (Fn. 14) S. 167ff. 112
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B V e r w G E 12, 87. Dazu Erichsen, 1977 S. 43 ff.
Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I,
Das Verwaltungshandeln
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um die Regelung eines Einzelfalles, so ergeben sich bei näherer Betrachtung alsbald Zweifel. D a im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung unbekannt war, welche Kreise noch von Typhus befallen werden würden, war der räumliche Geltungsbereich dieses Verbotes im Zeitpunkt seines Erlasses unbestimmt. Weil die Zahl der von diesem Verbot Betroffenen von seiner räumlichen Erstreckung abhing, war auch sie im Zeitpunkt seines Erlasses unbestimmt. Andererseits ging es um die Bekämpfung einer — zeitlich — ganz konkreten Seuchengefahr. a) A u s der Vielzahl der für die Abgrenzung von allgemeiner Regelung und Einzelfallregelung, also zur Unterscheidung von Rechtsnorm und Einzelakt in Betracht gezogenen Kriterien 1 1 5 , werden hier in Ubereinstimmung mit der Regelung des § 35 V w V f G die Zahl der unmittelbaren personalen Adressaten der Regelung und der durch sie geordneten Lebenssachverhalte in die Betrachtung einbezogen 1 1 6 . Es ergeben sich dann folgende Kombinationsmöglichkeiten: Eine Regelung kann sich an eine im Zeitpunkt ihres Erlasses117 unbestimmte Zahl von unmittelbaren personalen Adressaten für unbestimmt viele Sachverhalte richten. Sie ist dann generell und abstrakt. So bestimmt etwa die Satzung und Gebührenordnung über die Straßenreinigung in Dortmund vom 28. Dez. 1971: „Jeder Anlieger hat die Fläche von Unrat zu reinigen, die sich in Länge seiner Grundstücksfront bis zur Mitte der Gesamtstraßenanlage erstreckt." Eine Regelung kann sich an eine im Zeitpunkt ihres Erlasses bestimmte Zahl von unmittelbaren personalen Adressaten für einen bestimmten Sachverhalt richten. Sie ist dann individuell und konkret. Beispiel: Entscheidung, daß der Rechtskandidat A das 1. juristische Staatsexamen am 1 . 4 . 1 9 7 8 nicht bestanden habe. Die Kategorisierung dieser Regelungen ist nach allgemeiner Meinung problemlos 1 1 8 . Im ersten Fall handelt es sich um eine Rechtsnorm — Rechtsverordnung, Satzung —, im zweiten Fall um einen Verwaltungsakt. Eine Regelung kann sich jedoch auch an eine im Zeitpunkt ihres Erlasses bestimmte Zahl von unmittelbaren personalen Adressaten für unbestimmt viele Sachverhalte richten. Sie ist dann individuell und abstrakt. So hatte in einem vom O V G Münster 1 1 9 entschiedenen Fall die Klägerin eine Anordnung des Oberstadtdirektors erhalten, in der ihr aufgegeben wurde, an den Tagen, an denen nicht durch natürliche Witterungseinflüsse allgemeine Glatteisgefahr gegeben sei, sondern sich durch die Abdämpfe der von ihr betriebenen Kühltürme in deren Umgebung Glätte gebildet habe, den hierdurch verursachten polizeiwidrigen 115 116
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Vgl. dazu v. Mutins (Fn. 14) S. 167, 176f. Vgl. dazu Volkmar, Allgemeiner Rechtssatz und Einzelakt, 1962 S. 7 7 f . ; v. Mutius (Fn. 14) S. 167, 195 f. Es k o m m t immer auf den Erlaßzeitpunkt an. Vgl. v. Mutius (Fn. 14) S. 167, 196 ff. Im Einzelfall kann allerdings die Zuordnung bestimmter Rechtsakte zu einer dieser Kategorien Schwierigkeiten bereiten, wie ζ. B . die Bestimmung der Rechtsnatur von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen. Dazu im Ergebnis zutreffend O V G Münster O V G E 29, 96 f. m. Nachw. : generell-abstrakte Regelung. O V G E 16, 289 f. 155
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H a n s - U w e Erichsen und Wolfgang Martens
Zustand zu beseitigen. Solche individuell abstrakten Regelungen werden als Verwaltungsakte qualifiziert 120 . Eine Regelung kann sich schließlich an eine im Zeitpunkt ihres Erlasses unbestimmte Anzahl von unmittelbaren personalen Adressaten für einen räumlich und/oder zeitlich bestimmten Sachverhalt richten. Sie ist dann generell und konkret. Als Beispiele seien die Sperrung einer bestimmten Straße wegen dort bestehender Explosionsgefahr oder das Verbot einer für einen bestimmten Termin geplanten Demonstration angeführt 121 . Bei der generell-konkreten Regelung ist zwar im Zeitpunkt ihres Erlasses die Zahl der Adressaten, die von ihr künftig unmittelbar personal betroffen sind, offen und damit unbestimmt, jedoch lassen sich alle von dieser Regelung Betroffenen durch ihre Beziehung zum geregelten räumlich und/oder zeitlich konkreten Sachverhalt definieren. So richtete sich das Verbot, Endiviensalat zu verkaufen, im Januar 1953 an alle, die in den vom Typhus befallenen Kreisen mit Endiviensalat Handel betrieben, oder betrifft etwa die Widmung der Straße zum Gemeingebrauch alle jene, die diese Straße benutzen wollen. Man spricht in diesen Fällen von einer Allgemeinverfügung122. Sie wird in § 35 S. 2 VwVfG definiert als Verwaltungsakt, „der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft". An einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis muß sich indes auch jeder Rechtssatz richten. Täte er das nicht, so wären die durch ihn Verpflichteten oder Berechtigten nicht feststellbar und der Rechtssatz aus diesem Grunde — wie jede andere Regelung auch — unwirksam 123 . Wenn der Gesetzgeber in § 35 S. 2 VwVfG auf Anregung des Bundesrates 124 schließlich auch den „bestimmbaren Personenkreis" aufgenommen hat, so ist bei dieser Formulierung übersehen worden, daß alles, was bestimmbar ist, auch bestimmt ist 1 2 5 . Mag dergestalt auch die gesetzliche Formulierung mißglückt sein, so ist doch der mit ihr verfolgte Zweck zu beachten und bei der künftigen Anwendung dieser Vorschrift umzusetzen. Es sollte dergestalt der Tatsache Rechnung getragen werden, daß es Regelungen gibt, die sich an eine bei ihrem Erlaß unbestimmte Zahl von unmittelbaren personalen Adressaten richten, die indes den auch zukünftig betroffenen Personenkreis schon etwas mehr individualisieren als es in der Regel beim Rechtssatz der Fall ist. Dies wird dadurch bewirkt, daß die gegenwärtig oder künftig von der Regelung Betroffenen alle durch ihre Beziehung zu Wolff/Bachof, V w R I, § 4 6 VI a 4 ; Volkmar (Fn. 116) S. 150f. ; v. Mutins (Fn. 14) S. 199f.; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1978, S. 90; O V G Münster O V G E 16, 289f. 1 2 1 Vgl. auch Volkmar (Fn. 116) S. 128. 122 Α. A. v. Mutius (Fn. 14) S. 167, 2 0 6 f f . 123 Vgl. Volkmar (Fn. 116) S. 59f. ; Menger und Erichsen, VerwArch. 59 (1968), 368. 1 2 4 Vgl. B T - D r u c k s . 7/4494 S. 8, 7/910 S. 102, 109. 1 2 5 Vgl. schon Volkmar (Fn. 116) S. 68 und jetzt auch Vogel, BayVBl. 1977, 617, 619. 120
156
Das Verwaltungshandeln
§11 II, 6
dem im Zeitpunkt des Erlasses bestimmten geregelten Sachverhalt — Benutzung der X-Straße, Teilnahme an der Demonstration v. 20. 4. 1977 — gekennzeichnet sind. Die Allgemeinverfügung unterscheidet sich von der von Hans J. Wolff sog. Sammelverfügung, die ein Bündel von einzelnen Verwaltungsakten darstellt, deren unmittelbare personale Adressaten und geregelte Sachverhalte im Zeitpunkt ihres Erlasses bestimmt sind 126 , dadurch, daß sie das Einzelfallkriterium in die Zukunft öffnet und die Regelung des Verwaltungsakts für Zu- und Abgänge im unmittelbaren personalen Adressatenkreis freigibt. Im Gegensatz zum Regelbefund der Rechtsnorm regelt die Allgemeinverfügung jedoch immer einen konkreten Sachverhalt 1 2 7 . b) Lange Zeit recht umstritten war die Frage, ob Verkehrszeichen Verwaltungsakte sind. Das Verkehrszeichen trifft eine Regelung darüber, in welcher Weise eine ganz bestimmte Fläche einer Straße von Personen benutzt werden darf. Besonders plastisch wird dies etwa beim Haltverbot, welches in einem bestimmten räumlichen Bereich jedes Halten von Kraftfahrzeugen verbietet. Die Zahl der Personen, die von diesem Haltverbot betroffen sein wird, ist jedoch beim Erlaß dieser Regelung nicht abzusehen. Dementsprechend hat das BVerfG Verkehrszeichen als Allgemeinverfügungen angesehen und damit alsbald Gefolgschaft in der zunächst recht unterschiedlichen, ganz überwiegend jedoch zur Annahme von Rechtsverordnungen tendierenden Rechtsprechung gefunden 1 2 8 . Im Schrifttum wird demgegenüber im Hinblick auf Verkehrszeichen gelegentlich von dinglichen Verwaltttngsakten gesprochen 129 . Darunter werden Regelungen verstanden, die die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betreffen. Diese Kriterien werden nunmehr im zweiten Halbsatz des § 35 S. 2 VwVfG zur Definition der Allgemeinverfügung herangezogen. Der Sachverhalt, der den durch die Regelung betroffenen, bei ihrem Erlaß aber un126 127 128
129
Wolff/Bachof, VwR I, § 45 II c 2. Das wird etwa von Fuß, DÖV 1964, 522, 526 und von J. Martens, DVB1. 1968, 322, 328 für unerheblich gehalten. BVerfG NJW 1965 S. 2395. Vgl. zu diesen Fragen Menger und Erichsen, VerwArch. 56 (1965), 378ff. und VerwArch. 59 (1968), 366f.; Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr I, S. 128ff., der sich - S. 130f. und BayVBl. 1977, 617, 620 zur Rechtssatzqualität von Verkehrszeichen bekennt. Verkehrszeichen sind als Rechtsverordnungen angesehen worden von BVerwG VerwRspr. 9 (1957), 747, 748; OLG Hamm NJW 1954, 735; VGH Bremen DAR 1957, 138; OVG Münster DVB1. 1961, 456; OVG Stuttgart JZ 1964, 716. So zuerst Niehues, DÖV 1965, 319f.; den., in: Festschr. für Hans J. Wolff, 1973 S. 245f. Ihm folgend Wolff/Bachof, VwR I, §46 VIII; Menger und Erichsen, VerwArch. 59 (1968), 366 ff. ; VG Münster NJW 1967, 1630f. BW VGH, BWVPr 1974, 58. Die Annahme von Rechtsbeziehungen zwischen Personen und Sachen stellt sich als rechtstechnische Verkürzung sachbezogener Rechtsverhältnisse unter Personen dar, was etwa Grund, DVB1. 1974, 449ff. verkennt. Vgl. Niehues, in: Festschr. für Hans J. Wolff, 1973 S. 245, 247f. Gegen Grund v. Mutius, DVB1. 1974, 904f. 157
§12 I
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bestimmten Kreis unmittelbarer Regelungsadressaten in gewisser Weise individualisiert, wird hier durch den Bezug auf eine bestimmte Sache konkretisiert. Es handelt sich beim dinglichen Verwaltungsakt also nur um einen Spezialausdruck für die in § 35 S. 2 2. Halbs. V w V f G ausdrücklich zu Allgemeinverfügungen erklärten Regelungen. In die Kategorie des dinglichen Verwaltungsaktes könnten demnach ζ. B. die Widmung 1 3 0 , die Eintragung einer Jahrhunderteiche in das Naturdenkmalbuch 1 3 1 , die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes nach § 19 W H G 1 3 2 oder die Freigabe von Wasserskistrecken 133 eingeordnet werden. Die Rechtsprechung stand dem Terminus „dinglicher Verwaltungsakt" bisher recht zurückhaltend gegenüber, immerhin hat das BVerwG im Zusammenhang mit der Nachfolge in die Ordnungs- und Polizeipflicht sowie im Hinblick auf die Baugenehmigung die Dinglichkeit von Regelungen für bedeutsam erachtet 134 .
§12 A r t e n der V e r w a l t u n g s a k t e Die unter dem Begriff des Verwaltungsaktes zusammengefaßten Verwaltungsentscheidungen weisen eine solche Mannigfaltigkeit auf, daß es zweckmäßig erscheint, die Fülle der Erscheinungen durch Kategorisierung gedanklich zu ordnen. Uberprüft man die im Schrifttum angebotenen sehr unterschiedlichen Gliederungen, erweisen sich diejenigen Einteilungen als besonders fruchtbar, die auf Kriterien von rechtlicher Erheblichkeit beruhen. Dieser Einsicht entspricht die anschließende Gruppierung. Unter bewußtem Verzicht auf Vollständigkeit stellt sie einige rechtsdogmatisch bedeutsame Typen von Verwaltungsakten vor. Damit wird zugleich auch eine Reihe geläufiger terminologischer Festsetzungen vermittelt, auf die dann im Verlauf der weiteren Darstellung ohne erneute Erläuterung zurückgegriffen werden kann.
I. Befehlende, gestaltende und feststellende Verwaltungsakte Die Unterscheidung von befehlenden, gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten knüpft an deren Inhalt an. 130
131 132 133 134
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Vgl. dazu B G H D Ö V 1968, 132; Kodal, Straßenrecht, 2. Aufl. 1964, Anm. II 2 zu „ W i d m u n g " S. 886. Dazu Wolff/Bachof, V w R I, § 46 VIII. B V e r w G E 18, 1. Vgl. V G H Kassel D Ö V 1966, 871. Vgl. B V e r w G D Ö V 1971, 640f. und dazu v. Mutius, VerwArch. 63 (1972), 87ff. und oben § 10 II 6.
§12 II
Das Verwaltungshandeln
1.
Befehl
Befehlende Verwaltungsakte (Verfügungen) gebieten oder verbieten ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen. Ihre Domäne sind die Bereiche der mit den Mitteln des Eingriffs und des Zwanges arbeitenden Polizei- und Ordnungsverwaltung sowie der Abgabenverwaltung. Nur befehlende Verwaltungsakte sind vollstreckungsfähig und ggf. vollstreckungsbedürftig.
2.
Gestaltung
Gestaltende Verwaltungsakte sind auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechtsverhältnissen gerichtet. Gestaltend in diesem Sinn wirken ζ. B. Erteilung und Widerruf einer Erlaubnis, Ernennung und Entlassung eines Beamten. Bezieht sich der Verwaltungsakt auf ein Rechtsverhältnis des privaten Rechts, handelt es sich um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt; privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt ist ζ. B. die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts gemäß §§ 24 ff. BBauG 1 . Widerspruch und Anfechtungsklage haben auch bei gestaltenden Verwaltungsakten aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 S. 2 VwGO).
3.
Feststellung
Feststellenden Charakter haben Verwaltungsakte, die Ansprüche oder bestimmte rechtlich erhebliche Eigenschaften von Personen (ζ. B. Wohnsitz, Wahlrecht) und Sachen (ζ. B. Einheitswert von Grundstücken) feststellen. Im Einzelfall kann es schwierig sein, den feststellenden Verwaltungsakt von der rechtlich unverbindlichen Mitteilung oder Meinungsäußerung abzugrenzen 2 . Unterscheidungsprobleme können sich auch im Verhältnis von feststellendem und gestaltendem Verwaltungsakt ergeben3.
II. Gebundene Verwaltungsakte, Ermessensakte und freie Verwaltungsakte Die Unterscheidung von gebundenen Verwaltungsakten, Ermessensentscheidungen und Verwaltungsakten im gesetzesfreien Raum knüpft an das unterschied-
1
2
3
Vgl. § 24 Abs. 4 BBauG und oben § 11 II 3. Vgl. Bachof, Rspr. BVerwG II Nr. 323ff.; BVerwG DVB1. 1970, 500 mit abl. Anm. Wendt = JZ 1970, 317 mit abl. Anm. Schick; Hoffmann-Becking, DÖV 1972, 196ff. Vgl. in bezug auf die Baugenehmigung Friauf, DVB1. 1971, 719 ff. ; ]. Martens, JuS 1975 , 69 ff. 159
§12
II 1
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
liehe Ausmaß der rechtlichen Bindungen beim Erlaß von Verwaltungsakten an. Diese Bindungen sind im folgenden darzustellen 4 .
1. Gebundene
Verwaltungsakte
a) Von einem gebundenen Verwaltungsakt spricht man dann, wenn ihn die Behörde bei Vorliegen der im gesetzlichen Tatbestand bezeichneten Voraussetzungen erlassen muß oder nicht erlassen darf, insoweit also völlig fremdbestimmt agiert. In diesem Sinne heißt es ζ. B. in §23 Abs. 1 N W O B G : „Die Ordnungsbehörde darf eine Erlaubnis oder Bescheinigung, auf die der Antragsteller unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch hat (gebundene Erlaubnis), nur versagen, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen." Wichtigster Fall einer gebundenen Erlaubnis ist die Baugenehmigung, die zu erteilen ist, wenn das geplante Bauvorhaben allen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht 5 . Gebunden sind in aller Regel auch gewerberechtliche Erlaubnisse. Eine Bindung an strikte Gesetzesbefehle kommt nicht nur bei begünstigenden, sondern ebenso auch bei belastenden Verwaltungsakten in Betracht 6 . So gilt namentlich im Steuerrecht der allgemeine Grundsatz, daß die Behörde zur Geltendmachung der gesetzlich entstandenen Steueransprüche verpflichtet ist 7 . Daneben verdient die unter bestimmten Voraussetzungen obligatorische Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte Erwähnung 8 . b) Die Bindung der Verwaltung an das Gesetz ist indes von unterschiedlicher Intensität. Einzugehen ist in diesem Zusammenhang auf die Erscheinung des unbestimmten Begriffs. Sie ist von den Generalklauseln des Privatrechts (ζ. B. gute Sitten, Treu und Glauben, Verkehrssitte), aber auch von den grundrechtlichen Gewährleistungen des Verfassungsrechts her 9 vertraut. In der Verwaltungsgesetzgebung nehmen derartige Begriffe einen besonders breiten Raum ein, wie die nachstehenden, fast beliebig vermehrbaren Beispiele illustrieren: Gemeinwohl; öffentliches Interesse, Wohl und Bedürfnis; öffentliche Sicherheit und öffentliche Ordnung ; Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ; Gefahr und Störung ; Beeinträchtigung des Landschaftsbildes; anständige Baugesinnung; Zuverlässigkeit; Eignung; Befähigung; Sittlichkeit; Würdigkeit. 4
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160
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der einzelne einen Anspruch darauf hat, daß sich die Träger öffendicher Verwaltung ihren normativen Verpflichtungen entsprechend verhalten, vgl. oben § 10 II 5. Vgl. dazu Friauf, in: I. v. Münch, Bes.VwR, S. 492ff. Zu dieser Unterscheidung vgl. unten III. Kruse, Steuerrecht I Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 1973 S. 37f. ; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, 1973 S. 158 ff. Vgl. z. B. §§ 9 Abs. 1, 23 Abs. 1 B R R G ; 12 Abs. 1, 28, 30 BBG; 15 Abs. 1 und 2 GastG. Vgl. dazu Franz-Jürgen Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, 1969 S. 95 ff.
Das Verwaltungshandeln
§ 1 2 II 1
Solche vagen Begriffe finden sich sowohl (häufiger) auf der Tatbestandsseite wie (seltener) auf der Rechtsfolgeseite der Rechtssätze. Sie werden zumeist „unbestimmte Rechtsbegriffe" genannt. Man pflegt zwei Arten unbestimmter Rechtsbegriffe zu unterscheiden: empirische bzw. deskriptive Begriffe und normative bzw. wertausfüllungsbedürftige Begriffe10. Empirische Begriffe beziehen sich auf Gegenstände und Ereignisse der Wirklichkeit, auf wahrnehmbare oder sonst erfahrbare Objekte (ζ. B. Tagesanbruch, Nachtzeit, Gefahr, Störung). Normativen Begriffen fehlt dieser Wirklichkeitsbezug; sie erschließen sich dem Interpreten erst durch wertende Stellungnahme, der unvermeidbar subjektive Elemente innewohnen. Beide Kategorien des unbestimmten Begriffs werfen eine Reihe von Rechtsfragen auf, die Schrifttum und Rechtsprechung seit langem beschäftigen, ohne daß bisher allgemein anerkannte Lösungen erzielt worden wären. Dabei geht es einmal um seine Auslegung (Interpretation) und Anwendung im konkreten Fall (Subsumtion) durch die Verwaltung. Zum andern bedarf der Klärung, inwieweit die Handhabung des unbestimmten Begriffs durch die Behörde verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung unterliegt11. Betrachtet man zunächst die empirischen Begriffe, so zeigt sich, daß mit ihrer Auslegung keine spezifischen Probleme verbunden sind. Ihr Sinngehalt im Rahmen einer gesetzlichen Vorschrift läßt sich mit den geläufigen Interpretationsmethoden ermitteln12. Dagegen wird die Anwendung dieser Begriffe auf den Einzelfall insbesondere dann nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen führen, wenn es darauf ankommt, Prognosen zu stellen. So kann ζ. B. durchaus zweifelhaft sein, ob bei einem nur teilweise verfüllten stillgelegten Schacht eines Bergwerks das Entstehen eines Tagesbruchs hinreichend wahrscheinlich und damit die öffentliche Sicherheit gefährdet ist. Auch Sachverständige werden hier nicht immer zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen13. Wendet man sich sodann den normativen Begriffen zu, beginnen die Unsicherheiten bereits auf der Ebene der Auslegung14. Solche Begriffe weisen nach einer plastischen Formulierung von Philipp Heck15 neben einem festen „Begriffskern" einen besonders weiten, diffusen „Begriffshof" auf, zu dessen Rändern hin die Entscheidungsgewißheit immer mehr abnimmt. Das wird für manche Begriffe um so deutlicher, je weniger es der gegenwärtigen pluralistischen Gesellschaft gelingt, sich auf gemeinsame Wertvorstellungen zu einigen. Außerdem ist zu beachten, daß bei normativen Begriffen Auslegung und Anwendung häufig praktisch nicht rein voneinander getrennt werden können, weil
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Vgl. zu dieser Unterscheidung etwa Engisch, Einführung in das juristische Denken, 5. Auflage 1971 S. 109ff. ; Lorenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975 S. 268 ff. Vgl. dazu sehr klar Ule, VerwprozeßR, § 2 I und III.
Zutreffend Forsthoff, VwR, S. 85 f.
Vgl. Bachof, J Z 1955, 100; ders., Rspr. BVerwG II, 260ff.; Erichsen, (1972), 341. Erichsen, VerwArch. 63 (1972), 341 f.
VerwArch. 63
Heck, AcP 1914, 112, 173.
161 11
Allgemeines Verwaltungsrecht
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ihre Konkretisierung vielfach erst im Wege der Anwendung erfolgt. Daß es etwa bei der Frage, ob jemand zuverlässig oder ein Verhalten unzüchtig im Sinne eines gesetzlichen Tatbestandes ist, in Grenzfällen Subsumtionszweifel geben kann, läßt sich nicht bestreiten. Als Ergebnis der vorstehenden Überlegungen bleibt festzuhalten : Bei der Handhabung eines unbestimmten Gesetzesbegriffs leiden Interpretations- und Subsumtionsergebnis gelegentlich an mangelnder Eindeutigkeit. Gewiß muß sich auch in derartigen Situationen die Verwaltung zu derjenigen Entscheidung durchringen, die sie allein für richtig hält, hat mithin die Behörde nicht die Wahl zwischen mehreren Entscheidungen 16 . Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß bisweilen verschiedene Beurteiler zu unterschiedlichen Einschätzungen und Bewertungen gelangen können. Darin liegt offenkundig eine Relativierung der Gesetzesgebundenheit der Verwaltung 17 . Man spricht insoweit von einem Beurteilungsspielraum der Verwaltung. Damit wird gesagt, daß mehrere Rechtsanwender bei der Anwendung desselben unbestimmten Rechtsbegriffs auf denselben Sachverhalt zu unterschiedlichen Lösungen kommen können und dürfen 18 . Aus diesem Befund hat die Verwaltungsrechtslehre wichtige Folgerungen in Richtung auf eine Begrenzung der verwaltungsgerichtlichen Prüfungsbefugnis gegenüber Verwaltungsakten in Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe gezogen. So hat Bachof dafür plädiert, im Bereich der Grenzfälle der Behörde bei der Subsumtion einen gerichtlich unüberprüfbaren Beurteilungsspielraum zuzuerkennen 19 . Ganz ähnlich hat sich Ule dafür ausgesprochen, die gerichtliche Kontrolle auf die Vertretbarkeit der Verwaltungsentscheidung zu beschränken 20 . Dem ist unter Einbeziehung der von beiden Autoren ausgesparten Auslegung von normativen Begriffen 21 beizupflichten. Es darf also insoweit das auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns begrenzte Verwaltungsgericht nicht seine eigene abweichende Ansicht an die Stelle derjenigen der Behörde setzen, der mit der Sachkompetenz auch die Verantwortung für die Entscheidung übertragen worden ist. Die Verwaltungsgerichte haben dagegen in der unzutreffenden Annahme, auch die Anwendung unbestimmter Begriffe lasse immer nur eine richtige Entscheidung zu, grundsätzlich eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in Anspruch genommen 22 . Lediglich bei Prüfungsentscheidungen, prüfungsähnlichen Entscheidungen und dienstlichen Beurteilungen im Beamtenrecht haben sie mit Rücksicht
16
Ossenbiihl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968 S. 3 3 1 ; Obermayer, 1963, 1 1 7 8 ; Fellner, DVB1. 1966, 164.
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Vgl. auch Wolff/Bachof, V w R I, § 31 I c 3. Vgl. Erichsen, VerwArch. 63 (1972), 342. Bachof, J Z 1955, 9 7 f f . ; ausführlich dazu Ossenhühl (Fn. 16) S. 328ff. Ule, in: W . Jellinek-Gedächtnisschrift, 1955 S. 3 0 9 f f . Vgl. dazu Jesch, A ö R 82 (1957), 163ff. Vgl. z. B. B V e r w G E 16, 1 1 6 ; 17, 5 ; 18, 40 und 2 4 7 ; 21, 1 8 4 ; 23, 1 1 2 ; 24, 6 0 ; 29, 2 7 9 ; 35, 6 9 ; 4 0 , 3 5 3 ; s. dazu Kellner, N J W 1966, 857ff.
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NJW
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auf die dabei zu fällenden höchstpersönlichen, mithin unvertretbaren und nicht nachvollziehbaren Werturteile die Kontrolle begrenzt und sich damit begnügt zu prüfen, o b die Behörde von falschen Tatsachen ausgegangen ist, rechtsverbindliche Verfahrensvorschriften verletzt, allgemeingültige Bewertungsgrundsätze nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat 2 3 . Einen Wandel der Rechsprechung schien freilich ein Urteil des B V e r w G vom 16. 12. 1971 2 4 zu signalisieren. In Abweichung von seiner bis dahin vertretenen A u f f a s s u n g hat das Gericht hier zu dem Begriff der Eignung einer Schrift, Kinder oder Jugendliche sittlich zu gefährden 2 5 , folgendes ausgeführt: „ D i e A u f n a h m e in die Liste setzt eine Eignung zur Jugendgefährdung voraus. Diese war bisher als ein unbestimmter Rechtsbegriff angesehen worden, der nur eine einzige richtige Entscheidung zuläßt. E s handelt sich bei der Indizierung jedoch nicht lediglich u m die Feststellung von Tatsachen und deren Subsumtion, die Entscheidung über die Eignung zur Jugendgefährdung enthält vielmehr ein vorausschauendes und zugleich richtungweisendes Urteil mit erheblichem Einschlag wertender Elemente. D i e Vorstellung, daß bei der Anwendung des Begriffs der Eignung zur Jugendgefährdung nur eine richtige L ö s u n g möglich sei, erweist sich als eine Fiktion. Von der Sache her sind mehrere L ö s u n g e n , ist eine .Bandbreite der Entscheidungsmöglichkeiten' ( R e d e k e r , D Ö V 1971, 757 [762]) denkbar, die das Recht in gleicher Weise als vertretbar ansehen k a n n 2 6 . " D a v o n ausgehend, beschränkt das Gericht anschließend die richterliche Kontrollbefugnis u n d fährt dann f o r t : „ D i e s e Begrenzung der verwaltungsgerichtlichen N a c h p r ü f u n g verletzt nicht Art. 19 A b s . 4 G G . Gerichtlicher Rechtsschutz dient der Abwehr von Rechtsverletzungen. Sind mehrere rechtmäßige Entscheidungen möglich, verlangt Art. 19 A b s . 4 G G nicht, daß die Auswahl unter ihnen letztverantwortlich vom Gericht getroffen w i r d 2 7 . " Indes scheint dieses Urteil doch nicht die vielfach von ihm erwartete Tendenzwende eingeleitet zu haben, wie sich aus neueren Judikaten entnehmen läßt, die in bezug auf andere unbestimmte Rechtsbegriffe an der vollen Oberprüfbarkeit festhalten 2 8 ' 2 9 . 23
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Vgl. ζ. B. BVerwGE 8, 272; 11, 139 und 165; 12, 20 und 29; 15, 39; 23, 194; 38, 105; BVerwG DVBl. 1964, 321 und 825; 1968, 428; OVG Hamburg DVB1. 1970, 698; ebenso BVerfGE 39, 334, 354; Beispiel für einen — allerdings unwesendichen, weil entscheidungsunerheblichen (s. § 46 VwVfG) - Verfahrensfehler in BW V G H DVBl. 1977, 461 ; s. auch Hummel, Gerichtsschutz gegen Prüfungsbewertungen, 1969. BVerwGE 39, 197 = JZ 1972, 204 mit Anm. Bachof = DVBl. 1972, 388 mit Anm. Schmidt-Salzer und Wagenitz = NJW 1972 , 519 mit Anm. Ott, NJW 1972, 1219; vgl. zu dem Urteil ferner Erichsen, VerwArch. 63 (1972), 338; Ossenbühl, DÖV 1972, 401; Jarosch, DÖV 1974, 123. § 1 I des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften i. d. F. vom 29. 4. 1961 (BGBl. I S. 497). BVerwGE 39, 203. BVerwGE 39, 203, 205. Zwar hat das VG Berlin (DVBl. 1974, 375 und 378) den Begriff des „guten Unterhaltungsfilms" gemäß § 9 Abs. 1 des Filmförderungsgesetzes als unbestimmten Rechts163
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§12
II 2
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens 2.
Ermessensakte
a) Bisweilen bindet der Gesetzgeber die Verwaltung nicht in der strengen Weise, daß sie unter (mehr oder weniger) genau umschriebenen Voraussetzungen zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist. Eine solche Lockerung der Gesetzesgebundenheit wird gesetzessprachlich verschiedenartig formuliert. So werden Behörden manchmal ausdrücklich dazu ermächtigt, nach (pflichtmäßigem) Ermessen zu handeln. Das wichtigste Beispiel dafür liefert die polizeiliche Generalklausel, wie sie sich in § 14 Abs. 1 P r P V G 3 0 und seinen heute geltenden N a c h folgebestimmungen findet. Die gleiche Bedeutung haben Vorschriften, auf Grund derer die Verwaltung etwas tun darf oder kann ( z . B . § § 8 Abs. 1 R u S t A G ; 56 Abs. 2 B S H G ; § 12 Abs. 2 B B G ) oder befugt bzw. berechtigt ist, Maßnahmen zu treffen 3 1 . Durch derartige Wendungen wird also der Verwaltung ebenfalls Ermessen eingeräumt. In allerdings weitaus geringerer Intensität gilt das auch noch für Soll-Vorschriften 3 2 . begriff mit Beurteilungsspielraum qualifiziert; aber zumeist wird ein behördlicher Beurteilungsspielraum ausdrücklich abgelehnt. Vgl. BVerwGE 40, 353 (zum „wichtigen Grund" im Namensänderungsrecht); BVerwGE 45, 309, 322ff. und B G H Z 66, 322, 325ff. (in bezug auf die in § 1 Abs. 4 S. 2 BBauG a. F. = § 1 Abs. 7 BBauG 1976 vorausgesetzte Zusammenstellung des Abwägungsmaterials); BVerwGE 45, 162, 164ff. (für die „Gründe des öffendichen Gesundheitsinteresses" i. S. des § 3 Abs. 3 der Bundesärzteordnung); O V G Münster GewArch. 1975, 243 (in bezug auf die Begriffe des § 9 Abs. 3 BFStrG); O V G Münster DVB1. 1976, 790, 793f. (für die Begriffe des § 5 Nr. 1 BImSchG). 29
In der Verwaltungsrechtslehre treten demgegenüber Bestrebungen hervor, der Verwaltung auch auf der Tatbestandsseite des Rechtssatzes Ermessen (s. dazu anschließend unter 2.) zuzuerkennen und dadurch — in freilich unterschiedlichem Ausmaß — die gerichtliche Kontrolle noch hinter die Grenze zurückzudrängen, die ihr die Lehre vom Beurteilungsspielraum gezogen hat; so vor allem Obermayer, BayVBl. 1975, 257ff. ; W. Schmidt, N J W 1975, 1753 ff. ; Scholz, VVDStRL 34 (1976), 164 ff.; 174 ff. ; SchmidtAssmann, ibid., 251 ff. ; Meyer/Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 40 Rdn. 16ff. Vgl. zur Problemdiskussion weiter Ossenbühl, DVBl. 1974, 309ff.; Stüer, DVB1. 1974, 314ff. ; Schwerdtfeger, Arbeitslosenversicherung und Arbeitskampf, 1974 S. 79ff., 97ff. ; Horn, DVBl. 1977, 13ff.; Nierhaus, DVBl. 1977, 19ff.
30
Danach haben die Polizeibehörden im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht wird. — Die Vorschrift zeigt zugleich, wie unbestimmte Gesetzesbegriffe und Ermessen miteinander verbunden werden können. Nach Auffassung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes handelt es sich auch bei der Entscheidung der Behörde gemäß § 131 Abs. 1 S. 1 R A O (ebenso jetzt § 227 Abs. 1 A O 1977) darüber, ob die Einziehung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre, um eine Ermessensentscheidung, bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens durch den Maßstab der Billigkeit bestimmt werden, vgl. BVerwGE 39, 355, 361 ff. Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 31 II b.
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Das Verwaltungshandeln
§12
II 2
b) Mit der Gewährung von Ermessen33 verleiht der Gesetzgeber der Verwaltung einen Spielraum zu eigener und eigenverantwortlicher Wahl und Entscheidung. Innerhalb dieses Spielraums können mehrere unterschiedliche, ja gegensätzliche Verhaltensweisen in gleicher Weise als zulässig und rechtmäßig zu erachten sein. Dabei lassen sich je nach dem Inhalt der gesetzlichen Ermächtigung Entschließungs- und Auswahlermessen unterscheiden34. Das Entschließungsermessen bezieht sich auf die Frage, ob eine gesetzlich vorgesehene, aber nicht vorgeschriebene Rechtsfolge gesetzt werden soll, also ζ. B. darauf, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit hinreichenden Anlaß zu polizeilichem Einschreiten gebe. Beim Auswahlermessen geht es demgegenüber darum, welche von mehreren zulässigen Maßnahmen oder auch gegen welchen von verschiedenen in Betracht kommenden Adressaten diese eingesetzt werden sollen. In beiden Fällen ist Ermessen demnach als Verhaltensermessen zu verstehen und als solches auf der Rechtsfolgeseite des Rechtssatzes angesiedelt. Auf seiner Tatbestandsseite hat das Ermessen dagegen im rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht unter der Geltung des Grundgesetzes keinen Platz 35 . Auch wenn dort unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet werden, impliziert das — wie oben dargelegt — ungeachtet einer Relativierung ihrer Gesetzesbindung nicht eine Wahlfreiheit der Verwaltung, wie sie das Ermessen kennzeichnet. Diese Wahlfreiheit ermächtigt die Verwaltung zur Setzung der Rechtsfolge im Einzelfall. Die Einräumung von Ermessen ermöglicht, den besonderen Umständen und Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen und ihn dadurch in seiner Eigenart zweckmäßig und gerecht zu entscheiden. Dazu bedarf es stets einer Besinnung auf Sinn und Zweck des ermächtigenden Gesetzes und einer Abwägung der in concreto auf dem Spiel stehenden häufig kollidierenden öffentlichen und privaten Interessen. Forsthoff bezeichnet das Ermessen daher zutreffend als „wählendes Verhalten im Rahmen einer Wertverwirklichung"36. Ermessensausübung ist weder Handeln nach Belieben noch gar nach Willkür 37 , unterliegt vielmehr einer ganzen Reihe verwaltungsrechtlicher und auch verfassungsrechtlicher Bindungen. Von den rechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung soll im folgenden näher die Rede sein, soweit es sich um solche Bindungen handelt, deren Einhaltung gerichtlich überprüfbar ist. Damit scheidet die Zweckmäßigkeit der Ermessensausübung aus der weiteren Darstellung aus. Sie ist 33
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36 37
Zur Geschichte des Ermessens vgl. Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971 S. 157ff. Terminologie nach Wolff/Bachof, VwR I, § 3 1 II c 1. Ossenbiihl (Fn. 16) S. 317 mit zahlreichen Nachweisen; vgl. aber auch - allerdings für einen Sonderfall — BVerwGE 39, 355, 361 ff. Deutliche Tendenzen zur Wiederbelebung eines Tatbestandsermessens zeigen sich in der gegenwärtigen Verwaltungsrechtslehre (vgl. die Nachweise in Fn. 29 und dazu Bachof, W D S t R L 34 (1976), 275ff.). Sachbedingte Besonderheiten gelten freilich für das Planungsermessen (vgl. unten § 42 I). Forsthoff, VwR, S. 87. Wolff'/Bachof, VwR I, § 31 II c 3; Ossenbühl (Fn. 16) S. 315f. 165
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zwar Gegenstand des Widerspruchsverfahrens (§ 68 Abs. 1 S. 1 V w G O ) , nicht jedoch des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, da dieses auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns beschränkt ist 38 . c) Die der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugänglichen Bindungen des verwaltungsbehördlichen Ermessens umschreibt §114 V w G O wie folgt: „Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch 39 , ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist." Die Bestimmung setzt danach voraus, daß die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens einzuhalten (Verbot der Ermessensüberschreitung) und von ihrem Ermessen einen zweckentsprechenden Gebrauch zu machen hat (Verbot des Ermessensmißbrauchs oder Ermessensfehlgebrauchs). Die damit bezeichneten Bindungen des verwaltungsbehördlichen Ermessens formuliert nunmehr ausdrücklich § 40 VwVfG (ebenso §39 Abs. 1 SGB-AT; § 5 A O 1977). Wird diesen Bindungen zuwidergehandelt, liegt ein gerichtlich überprüfbarer Ermessensfehler 40 vor, der Rechtswidrigkeit bewirkt. aa) Ist die Verwaltung befugt, nach Ermessen zu handeln, so ist sie zugleich verpflichtet, dieses Ermessen zu betätigen. Fehlt es daran, ζ. B. weil die Behörde sich irrig für gebunden gehalten hat, liegt darin ein Ermessensfehler, der zur gerichtlichen Aufhebung der Verwaltungsentscheidung führt 4 1 . Ein derartiger Fehler (Ermessensunterschreitung oder Ermessensmangel) steht der Ermessensüberschreitung gleich. Von diesem Fall abgesehen, bindet das Verbot der Ermessensüberschreitung die Verwaltung an den vom Gesetz der Ermessensbetätigung gezogenen Rahmen, untersagt ihr mithin, Entscheidungen zu treffen, die gesetzlich nicht vorgesehen 38
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Vgl. dazu ausführlich Ule, VerwprozeßR, §211; Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr I, S. 138ff. ; für eine - wenn auch begrenzte — gerichtliche Zweckmäßigkeitskontrolle Lohmann, Die Zweckmäßigkeit der Ermessensausübung als verwaltungsrechtliches Rechtsprinzip, 1972; s. auch Soell, Das Ermessen der Eingriffsverwaltung, 1973 S. 74, 119ff. Der Sinn des Wortes „auch" ist dubios. Es dürfte schwerlich zum Ausdruck bringen sollen, daß neben Ermessensüberschreitung und Ermessensmißbrauch auch die zutreffende und vollständige Sachverhaltsermittlung durch die Behörde und die Beachtung etwaiger Verfahrensvorschnften überprüfbar seien; denn das ist selbstverständlich und wird deshalb zu Recht an keiner Stelle im Gesetz besonders erwähnt. Die Wendung führt aber vor allem in die Irre, weil sie eine besonders weitgehende Prüfungsbefugnis suggeriert, während das Gegenteil zutrifft. Bettermann hat daher gemeint, das „auch" sei als „ n u r " zu lesen. Im Schrifttum werden die Ermessensfehler teilweise stärker differenziert; vgl. z. B. Stern, Ermessen und unzulässige Ermessensausübung, 1964; eingehend zu den Ermessensfehlern Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, S. 140ff. BVerwGE 15, 196, 199; 37, 112, 115f.; 48, 81, 84; V G H Kassel DVB1. 1964, 689.
Das Verwaltungshandeln
§12
II 2
sind. So ist ζ. B. nach den Bestimmungen der StVO die Einrichtung bewachter und gebührenpflichtiger Parkplätze zur Regelung des ruhenden Verkehrs auf öffentlichen Straßen und Plätzen unzulässig 4 2 . bb) Ungleich ergiebiger und wichtiger ist das Verbot des Ermessensmißbrauchs bzw. Ermessensfehlgebrauchs. Es verpflichtet die Verwaltung zunächst ganz allgemein dazu, sich von sachlichen und zweckgerechten Erwägungen leiten zu lassen. Die handelnden Amtswalter müssen danach einerseits ihre Entscheidungen von persönlichen Motiven (ζ. B. Freundschaft, Feindschaft) freihalten und dürfen andererseits nur solche Gesichtspunkte berücksichtigen, die der Zweck der gesetzlichen Ermächtigung deckt. Unzulässig ist etwa eine Polizeiverfügung aus fiskalischen Beweggründen 4 3 . Ebenso wenig darf der Erlaß eines Ermessensaktes davon abhängig gemacht werden, daß der Bürger wirtschaftliche Gegenleistungen erbringt, die sich nicht im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Zwecksetzung des von ihm begehrten Verwaltungshandelns halten, also nicht in einem sachlichen Zusammenhang damit stehen (sog. Koppelungsverhot)44. Bindungen des behördlichen Ermessens ergeben sich darüber hinaus vor allem auch aus dem Verfassungsrecht, so aus den Prinzipien der Sozialstaatlichkeit und der Rechtsstaatlichkeit. Freilich hat das Sozialstaatsprinzip insoweit in der Rechtsprechung noch keine besondere Rolle gespielt 45 . Dagegen gehen vom rechtsstaatlichen Übermaßverbot (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) um so kräftigere Impulse aus 4 6 . Es verlangt, daß das eingesetzte Mittel zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich (notwendig) ist und Mittel und Zweck in einem angemessenen Verhältnis stehen. Hervorzuheben sind schließlich grundrechtliche Schranken des Verwaltungsermessens, insbesondere diejenigen, die sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 G G ) und seinen Konkretisierungen (Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 G G ) ableiten lassen 47 . Zwar ist der Gleichheitssatz nicht schlechthin ermessensfeindlich 4 8 ; das (allgemeine) Gleichbehandlungsgebot verpflichtet aber die Verwaltung 42 43 44
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BVerwGE 34, 241. Vgl. Drews/Wacke/Vogel/'Martens, Gefahrenabwehr I, S. 176f. B G H NJW 1972, 1657 und dazu Menger, VerwArch. 64 (1973), 203ff.; s. ferner Willigmann, DVB1. 1960, 752 ff. ; Rupp, NJW 1968, 568ff. ; B G H NJW 1975, 1019. Vgl. aber jetzt BVerwGE 42, 148, 156ff. : Einschränkung des Ermessens aus einer dem Sozialstaatsgrundsatz zu entnehmenden Fürsorgepflicht gegenüber Gastarbeitern bei der Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an eine ausländische Großmutter, die ihre Enkelkinder betreuen soll. Vgl. zum Ubermaßverbot Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, S. 154ff. Aus der Rspr. ζ. B. BVerwGE 23, 4, 8 und 280, 283ff.; 26, 131, 133ff.; 28, 139, 143; 31, 299, 305ff. und 309, 314ff.; 35, 326, 331 f.; 37, 344, 360ff.; 38, 68, 70ff. Ermessensbegrenzend können aber auch andere Grundrechte wirken ; zur Bedeutung des Art. 6 Abs. 1 G G im Ausländerrecht vgl. ζ. B. BVerwGE 42, 133 und 143 = BVerwG DVB1. 1974, 83 und 86 mit Anm. Schnapp; BVerwG DVBl. 1974, 849, 850f. ; BVerwGE 47, 280 und 293 (zur Wahlsichtwerbung durch politische Parteien). Abweichend Bettermann, Der Staat 1, 1962 , 79ff. 167
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Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
zu gleichmäßiger Ermessensausübung. Wo sich also eine feste Verwaltungsübung ausgebildet hat, führt der Gleichheitssatz in gleichartigen Fällen in dem Sinn zu einer Bindung an die bisherige Praxis, daß von ihr nicht ohne zureichenden sachlichen Grund abgewichen werden darf. Häufig wird sich eine solche Praxis aus ermessensbindenden Verwaltungsvorschriften ergeben49. Das Institut der Selbstbindung50 verbietet ζ. B., völlig planlos von A den Abbruch eines baurechtswidrig errichteten Wochenendhauses zu verlangen, wenn die Behörde gegen B, C und D unter gleichen Voraussetzungen untätig geblieben ist und weiter untätig bleibt 51 . Allerdings genügt die bloße Duldung eines Zustandes, der an sich zum Einschreiten berechtigen würde, noch nicht, um eine Selbstbindung auszulösen52. Voraussetzung für die Annahme einer Selbstbindung ist in jedem Fall die Rechtmäßigkeit der bisherigen Verwaltungspraxis. Aus einem rechtswidrigen Vorverhalten vermag sich eine Verwaltungsbindung auf Grund des Gleichheitssatzes nicht zu ergeben, weil anderenfalls im Ergebnis der Vorrang des Gesetzes zur Disposition der Verwaltung gestellt und damit beseitigt würde53. Art. 3 Abs. 1 GG gewährt also niemandem einen Anspruch auf Fehlerwiederholung, auf Gleichheit im Unrecht54. Wenn neuerdings vereinzelt versucht wird, Ausnahmen von dieser Regel nachzuweisen55, so muß dem ganz entschieden entgegengetreten werden 56 ; es gilt hier wie andernorts, den Anfängen zu wehren und den rechtsstaatlich und demokratisch gebotenen Primat des Parlamentsgesetzes zu bewahren. cc) Einräumung von Ermessen verleiht in den vorstehend bezeichneten Grenzen Wahl- und Entscheidungsfreiheit, ermächtigt zu Verhalten gemäß dem Opportunitätsprinzip. Es gibt jedoch Sachlagen, in denen nur eine einzige Entscheidung als ermessensfehlerfrei und damit als allein rechtmäßig angesehen werden kann. Mit anderen Worten: Die Umstände des Einzelfalles vermögen den der Behörde von der gesetzlichen Ermächtigung eröffneten Ermessensrahmen derart zu verengen, daß in concreto nur noch eine der in abstracto möglichen Verhaltensweisen als Ergebnis pflichtgemäßer Ermessensbetätigung erscheint. In der zu dieser Frage grundlegenden Entscheidung des BVerwG heißt es dementsprechend: „Das hier in Rede stehende polizeiliche Ermessen zum Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände hat sich nach der leitenden Aufgabe der Polizei, der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, zu richten . . . Für eine rechtsfehlerfreie Vgl. Ossenbühl oben § 7 IV 2. Vgl. dazu etwa Mertens, Die Selbstbindung der Verwaltung auf Grund des Gleichheitssatzes, 1963; Ossenbühl (Fn. 16) S. 514ff.; Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, 1968; Dürig, in: Maunz/DürigiHerzog/Scholz, GG, An. 3 Abs. 1 Rn. 428ff. «ι BVerwG DVBl. 1973, 636; BWVGH BauR 1972, 43. 52 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, S. 152 ff. 5 3 BVerwGE 34, 278, 280ff.; 36, 313, 315ff.; dazu Menger, VerwArch. 63 (1972), 213ff.; Ossenbühl, DÖV 1970, 264 ff. 54 Düng, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scbolz, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 179ff. 55 Götz, DVBl. 1968, 93ff. ; VGH Mannheim DVBl. 1972, 186 mit Anm. Götz. 5 6 Ebenso Düng, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 185äff. ; vgl. auch Randelzbofer, J Z 1973, 536ff. 49
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Das Verwaltungshandeln
§ 1 2
II 3
Ermessensausübung kann neben anderen Umständen auch das Ausmaß oder die Schwere der Störung oder Gefährdung eine maßgebende Bedeutung haben. Bei hoher Intensität der Störung oder Gefährdung kann eine Entschließung der Behörde zum Nichteinschreiten unter Umständen sogar als schlechthin ermessensfehlerhaft erscheinen. Praktisch kann dieserhalb die rechtlich gegebene Ermessensfreiheit derart zusammenschrumpfen, daß nur eine einzige ermessensfehlerfreie Entschließung, nämlich die zum Einschreiten, denkbar ist und höchstens für das Wie des Einschreitens noch ein ausnutzbarer Ermessensspielraum der Behörde offenbleibt 57 ." Während der Tatbestand einer „ E r m e s s e n s s c h r u m p f u n g auf Null" im Recht der Gefahrenabwehr namentlich bei besonderer Intensität der Gefahr und hohem Rang des bedrohten Rechtsgutes in Betracht kommt, wird in anderen Rechtsgebieten insoweit vor allem an den oben erörterten Grundsatz der Selbstbindung anzuknüpfen sein, der zwar nicht ausnahmslos, aber doch häufig eine Ermessensreduzierung zur Folge hat. d) Verfassungsrechtliche, insbesondere rechtsstaatliche Bedenken gegen das verwaltungsbehördliche Ermessen58 sind unbegründet*9. Dieses Urteil rechtfertigen die gerichtlich überprüfbaren Ermessensbindungen, die in den vorhergehenden Ausführungen entfaltet worden sind. Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß im Bereich der eingreifenden Verwaltung die Einräumung von Ermessen der individuellen Freiheit förderlicher sein kann als die strikte Bindung, weil das Ermessen eben auch die Befugnis enthält, von einem Eingriff abzusehen. Freilich müssen Ermächtigungen zum Erlaß belastender Verwaltungsakte „nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt werden, so daß die Eingriffe meßbar und in gewissem Umfang für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar werden" 60 . Substanzlose Blankettermächtigungen würden dem Rechtsstaatsprinzip und aus grundrechtlicher Sicht dem Art. 2 Abs. 1 GG (ggf. auch speziellen Freiheitsrechten) zuwiderlaufen. 3. Gesetzesfreie
Verwaltungsakte
Anders als der gebundene Verwaltungsakt und der Ermessensakt ist der gesetzesfreie Verwaltungsakt nicht auf eine gesetzliche Grundlage zurückführbar. Gesetzes57
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BVerwGE 11, 95, 9 7 ; ebenso BVerwG DVB1. 1969, 586; O V G Lüneburg DVB1. 1967, 779; O V G Münster O V G E 23, 78; 24, 72; O V G Hamburg N J W 1977, 1254: Verpflichtung der Universität, Störungen des Vorlesungsbetriebes mit Mitteln des Ordnungsrechts entgegenzuwirken; Bachof, DVB1. 1961, 128ff. ; W. Martens, JuS 1962, 245 ff. ; Ule, Streik und Polizei, 1972 S. 52 ff. ; zusammenfassend Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr I, S. 162 ff. Vgl. Imboden, Das Gesetz als Garantie rechtsstaatlicher Verwaltung, 1954 S. 14 ff. ; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965 S. 1 7 7 f f . ; den., N J W 1969, 1273 ff. BVerfGE 8, 274, 326 ; 9, 137, 1 4 6 f f . ; BVerwGE 11, 95, 9 6 f . Ebenso auch die ganz h. M. im Schrifttum; vgl. aus jüngerer Zeit Ossenbühl, D Ö V 1968, 6 1 8 f f . ; 1970, 8 4 f f . ; Schmidt-Eichstaedt, A ö R 98 (1973), 173 ff. BVerfGE 8, 274, 325; s. auch BVerfGE 20, 150, 154 ff. 169
§ 1 2
III 1
H a n s - U w e Erichsen und Wolfgang Martens
freie Verwaltungsakte finden sich im Bereich der Leistungsverwaltung (ζ. B. zahlreiche Subventionsbewilligungen) und in der kommunalen Selbstverwaltung. Allerdings ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit gesetzesfreier Leistungsverwaltung umstritten. Die herrschende Meinung toleriert sie jedoch und hat der im Schrifttum verschiedentlich erhobenen Forderung, den Vorbehalt des Gesetzes vom Eingriffsvorbehalt zum Totalvorbehalt zu erweitern, bisher die Gefolgschaft versagt 61 . Das erscheint annehmbar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Verwaltungsakte im gesetzesfreien Raum nicht zugleich im rechtsfreien Raum ergehen. Denn auch sie unterliegen etlichen normativen Bedingungen, und zwar solchen unmittelbar verfassungsrechtlicher Art. Zu ihnen gehört einmal der Vorrang des Gesetzes, an den auch die gewährende Verwaltung gebunden ist 6 2 . Er verlangt ζ. B. für die Bewilligung von Subventionen, daß im gesetzlich festgestellten (Art. 110 Abs. 2 GG) Haushaltsplan entsprechende Mittel bereitgestellt worden sind 63 . Zum anderen ist das aus Art. 3 Abs. 1 G G abgeleitete Institut der Selbstbindung für die gesetzesfreie Leistungsverwaltung ebenso von Bedeutung wie für die gesetzesakzessorische Ermessensverwaltung64.
III. Begünstigende und belastende Verwaltungsakte; Verwaltungsakte mit Drittwirkung 7. Begünstigende
und belastende
Verwaltungsakte
a) Nach ihren Auswirkungen auf die Rechtssphäre des betroffenen Bürgers sind begünstigende (günstige) und belastende (lästige) Verwaltungsakte zu unterscheiden. Der begünstigende Verwaltungsakt hat die Begründung oder Bestätigung eines subjektiven Rechts oder eines rechtlich erheblichen Vorteils zum Inhalt (ζ. B. Erlaubnis, Genehmigung, Beamtenernennung)65. Dementsprechend belastet jeder Verwaltungsakt, der dem Betroffenen rechtlichen Nachteil bringt, so ζ. B. der Befehl, aber auch die Ablehnung einer Begünstigung und die Aufhebung einer Gewährung. b) Die Zweiteilung in begünstigende und belastende Verwaltungsakte ist für das rechtsstaatliche Verwaltungsrecht, das auch die Interessen des der Verwaltung gegenüberstehenden Bürgers gebührend zu berücksichtigen hat, von grundlegen61
Vgl. W.Martens, in: Festschrift für Hans J . Wolff, 1973 S. 433 ff. ; BVerwG D Ö V 1977, 6 0 6 ; für eine wesentliche Ausdehnung des Vorbehaltsbereichs — allerdings in wenig präziser Ableitung — jetzt aber BVerfGE 40, 237, 248 ff. ; vgl. dazu auch Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975 S. 119ff. und Kisker, N J W 1977, 1314ff.
«
Ausführlich dazu Wolff/Bachof, V w R I, § 3 0 I I ; Wolff V w R III, § 138 III. Vgl. Ipsen, W D S t R L 2 5 (1967), 2 9 4 f f . ; zur Problematik der Subventionsrichtlinien s. Ossenbühl oben § 7 IV 2.
63
64 65
170
Vgl. W, Martens (Fn. 61) S. 442 mit Nachweisen. § 48 Abs. 1 S. 2 V w V f G .
§12
Das Verwaltungshandeln
III 2
der Bedeutung, und zwar sowohl in materiellrechtlicher wie in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Materiellrechtlich stellt das Verfassungsprinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung höhere Anforderungen an den belastenden als an den begünstigenden Verwaltungsakt. Während dieser nach herrschender Meinung im Prinzip zwingend nur den Vorrang des Gesetzes zu beachten hat, unterliegt jener darüber hinaus auch dem Vorbehalt des Gesetzes66. Dieser stärkeren Bindung der Verwaltung beim Erlaß eines belastenden Verwaltungsaktes entspricht es, daß sie beim actus contrarius (Widerruf oder Rücknahme) eines begünstigenden Verwaltungsaktes weniger frei ist als bei der Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes 67 . Verfahrensrechtlich gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 G G , den Anspruch des einzelnen auf gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Auferlegung rechtswidriger Belastungen einerseits und die rechtswidrige Ablehnung oder Vorenthaltung einer Begünstigung andererseits in geeigneter Weise zu sichern. Diesem Gebot entspricht die Regelung des § 4 2 Abs. 1 V w G O : Durch Anfechtungsklage kann die Aufhebung eines (belastenden) Verwaltungsaktes, durch Verpflichtungsklage die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen (begünstigenden) Verwaltungsaktes begehrt werden 68 . 2. Verwaltungsakte
mit
Drittwirkung
a) Häufig erschöpft sich der Rechtsgehalt eines Verwaltungsaktes nicht in der (befehlenden, gestaltenden oder feststellenden) Regelung der Beziehungen zwischen Behörde und Empfänger. Hat ein Verwaltungsakt Auswirkungen auf die Rechtssphäre anderer Personen, spricht man von Drittwirkung oder Doppelwirkung. Schwierige Probleme wirft namentlich der seinen Adressaten begünstigende Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung auf. Seine rechtliche Problematik beruht auf der Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Angesichts der Regelungen der §§42 Abs. 2, 113 Abs. 1 und Abs. 4 V w G O 6 9 genügt es nämlich für die Annahme eines Verwaltungsaktes mit belastender Drittwirkung nicht, daß irgendwelche Interessen Dritter beeinträchtigt werden, ζ. B. durch eine Gaststättenerlaubnis das Interesse des Gastwirts gegenüber an der Fernhaltung lästiger Konkurrenz 70 . Erforderlich ist vielmehr ein rechtlicher Nachteil, eine Beeinträchtigung subjektiver öffentlicher Rechte des Dritten. Danach hängt 66 67 68
69 70
Vgl. oben bei Fn. 61. Vgl. unten §§ 1 6 - 1 9 . V o r der Klageerhebung muß grundsätzlich ein Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) durchgeführt werden, in dem Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu überprüfen sind ( § § 6 8 ff. V w G O ) . Widerspruch und Klage sind fristgebunden (§§ 70, 74 V w G O ) . Vgl. oben § 10 II 5. Vgl. auch O V G Münster DVB1. 1969, 5 6 0 : Kein Rechtsanspruch des Repetitors gegen den Staat auf Erhaltung öffentlicher Einrichtungen, die die Ausübung des Repetitorberufs ermöglichen oder erleichtern. 171
§12
III 2
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
seine Klagebefugnis davon ab, ob er die Verletzung eines in dem oben bezeichneten Sinn zwingenden Rechtssatzes geltend machen kann, der gerade auch seinen Interessen zu dienen bestimmt ist. Und begründet ist die Klage, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung eines derartigen Rechtssatzes beruht. Klagen Dritter beschäftigen die Verwaltungsgerichte in zunehmendem Maße. Im Gefolge der wachsenden Einsicht in die Bedeutung des Umweltschutzes wird sich diese Tendenz weiter verstärken. Die nachstehenden Beispiele markieren einige Schwerpunkte der bisherigen Entwicklung. Baurechtliche Nachbarklage71 : Nachbarn klagen im Wege der Anfechtungsklage 72 gegen die Befreiung (§31 Abs. 2 BBauG) von der planmäßigen (§§9, 30 BBauG) Festsetzung eines reinen Wohngebietes ( § 3 B a u N V O iVm § 2 Abs. 8 BBauG) für die Errichtung eines Hotels. Ihre Klagebefugnis (§42 Abs. 2 V w G O ) setzt nachbarschützenden Charakter der Bestimmung voraus, von der dispensiert worden ist. Die Ausweisung als reines Wohngebiet dient Interessen der Nachbarn (Gesichtspunkt der rechtlichen Schicksalsgemeinschaft der Planbetroffenen) 73 . Die Klage ist auch begründet, da die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BBauG offensichtlich nicht erfüllt und die Nachbarn durch rechtswidrige Abweichung von der zulässigen Art der baulichen Nutzung in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 V w G O ) . Ausnahmsweise kann eine Nachbarklage auch dort Erfolg haben, wo eine nicht nachbarschützende Vorschrift verletzt worden ist. Wenn unter dieser Voraussetzung die Baugenehmigung bzw. ihre Ausnutzung die vorgegebene Grundstückssituation nachhaltig verändert und den Nachbarn dadurch schwer und unerträglich trifft, vermag er sich darauf zu berufen, in seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 G G verletzt zu sein 73a . Immissionsschutzrechtliche Nachbarklage: Nachbarn erheben wegen zu erwartender unzumutbarer Geruchsbelästigungen Anfechtungsklage gegen die Genehmigung einer chemischen Fabrik gemäß §§4ff. BImSchG (bisher §§ 16ff. GewO). Ihre Klagebefugnis ist gegeben, da der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen schon deshalb, weil die unanfechtbar gewordene Genehmigung privatrechtliche Abwehransprüche beschränkt (§ 14 BImSchG), bestimmungsgemäß auch den nachbarlichen Interessen dient. Die Begründetheit der Klage hängt davon ab, ob die von § 5 BImSchG mißbilligten Wirkungen hervorgerufen werden können oder nicht 74 . 71
Vgl. dazu Bender/Dohle, Nachbarschutz im Zivil- und Verwaltungsrecht, 1972; Kemnade, Der Rechtsschutz des Nachbarn im Baurecht, 1965; Kühler/Speidel, Handbuch des Baunachbarrechts, 1970; Timmermann, Der baurechtliche Nachbarschutz, 1969; Pappermann/Gubelt, Fälle zum Wahlfach Bau- und Raumordnungsrecht sowie Straßenrecht, 1976 S. 54 ff. (Fälle 7 und 7a). 72 BVerwGE 22, 129, 131 f. 73 BVerwGE 27, 29, 33. 73a Vgl. BVerwGE 32, 173, 178f. ; BVerwG DVB1. 1974, 358, 767 und 777; zum Nachbarschutz aus Art. 2 Abs. 2 G G s. BVerwG DVB1. 1977, 897, 900. 74 BVerwGE 24, 23; 28, 131; OVG Münster DVB1. 1976, 790; zur gleichartigen Problematik des Nachbarschutzes gegenüber der Genehmigung von Anlagen nach § 7 AtomG 172
Das Verwaltungshandeln
§ 1 2 IV
Konkurrentenklagen75: Zur Ermittlung der Klagebefugnis bei Anfechtungsklagen gegen die Zulassung weiterer Unternehmen muß die Interessenrichtung der jeweiligen Zulassungsregelung bestimmt werden76. Zur Abwehr von Subventionierungen von Konkurrenten im gesetzesfreien Raum kommt ein unmittelbarer Durchgriff auf die Grundrechte der Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht. Das BVerwG erkennt dem übergangenen Wettbewerbsteilnehmer die Klagebefugnis zu, wenn er geltend machen kann, seine schutzwürdigen Interessen seien willkürlich vernachlässigt worden 77 .
IV. Mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakte Mit dem Begriff des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes werden solche Verwaltungsakte bezeichnet, deren fehlerfreier Erlaß von einer Beteiligung des Bürgers abhängt._ Mitwirkungsbedürftig sind zunächst alle Verwaltungsakte, die kraft gesetzlicher Bestimmung oder nach der Natur der Sache einen Antrag des Adressaten voraussetzen. Dazu gehören die meisten begünstigenden Verwaltungsakte (so ζ. B. Beamtenernennung, Einbürgerung, Erlaubnisse und sonstige Gewährungen). Mitwirkungsbedürftig ist aber ζ. B. auch die an die Zustimmung des Eigentümers gebundene straßenrechtliche Widmung78. Die Mitwirkungshandlung (Antrag, Zustimmung) stellt sich als verwaltungsrechtliche Willenserklärung79 derjenigen Privatperson dar, deren Interesse die Mitwirkungsbefugnis dient. Die rechtsdogmatisch vor allem interessierende Frage nach den Folgen für den trotz fehlender oder fehlerhafter Mitwirkung erlassenen Verwaltungsakt wird an späterer Stelle erörtert werden80. Otto Mayer nannte den mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt „Verwaltungsakt auf Unterwerfung" 81 . Neuerdings spricht das BVerwG in Anlehnung an Hans J. Wolff82 dann von einem Verwaltungsakt auf Unterwerfung, wenn ein „Verwaltungsakt von der Übernahme einer Verpflichtung abhängt, die ihn überhaupt erst vgl. BVerwG DVB1. 1972; 678; BayVGH DVB1. 1975, 199; O V G Lüneburg DVB1. 1975, 190; VG Freiburg DVB1. 1975, 343 und N J W 1977, 1645 (Wyhl); VG Würzburg N J W 1977, 1649 (Grafenrheinfeld) ; speziell zur Frage der Klagebefugnis W. Martens, D Ö V 1976, 462 f. Vgl. auch Papier, Fälle zum Wahlfach Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1976 S. 83 ff. (Fall 8). 75
76 77 78 79 80 81 82
Vgl. dazu Scholz, Wirtschaftsaufsicht und subjektiver Konkurrentenschutz, 1971; ders., WiR 1972, 35 ff. ; Zuleeg, Subventionskontrolle durch Konkurrentenklage, 1974. Vgl. BVerwGE 9, 340; 10, 122; 16, 187; 17, 306; 30, 347. BVerwGE 30, 191, 196ff. § 2 Abs. 2 BFStrG und die entsprechenden Bestimmungen der Landesstraßengesetze. Vgl. dazu Krause, VerwArch. 61 (1970), 297ff. Unten § 39 III. O. Mayer, VwR I, S. 98; VwR II, S. 151. Wolff/Bachof, VwR I, § 48 III. 173
§13
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
wirksam macht" 83 . Eine derartige Verpflichtung darf dem Adressaten jedoch nicht auferlegt werden, um damit den Vorbehalt des Gesetzes zu umgehen84.
§ 13 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Gemäß § 41 Abs. 1 VwVfG muß ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten (vgl. § 13 VwVfG), für den er bestimmt ist (Adressat), oder der von ihm betroffen wird (so der Dritte beim Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung), bekanntgegeben werden1. Erst mit der Bekanntgabe wird er dem Adressaten oder Betroffenen gegenüber wirksam (§43 Abs. 1 VwVfG). Diese Regelung entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Der Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht durch die Behörde zurückgenommen oder widerrufen, durch gerichtliches Urteil aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 43 Abs. 2 VwVfG). Wirksamkeit mit der Folge seiner Verbindlichkeit entfaltet auch der rechtswidrige Verwaltungsakt, falls er nicht an einem solchen Mangel leidet, der zur Nichtigkeit führt2. Nur der nichtige Verwaltungsakt ist unwirksam (§ 43 Abs. 3 VwVfG). Die Eigenschaft der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ist in mehrfacher Hinsicht von weittragender Bedeutung. Sie äußert sich zunächst im Verhältnis zum Adressaten. Dieser wird ζ. B. dadurch verpflichtet, einen belastenden Verwaltungsakt zu befolgen, sofern er nicht als gestaltender Verwaltungsakt sich bereits durch seinen Erlaß selbst verwirklicht. Will der Adressat Befolgungspflicht oder Selbstverwirklichung hemmen, muß er Widerspruch einlegen, dem i. d. R. aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 1 VwGO). Auch andere Behörden müssen bei ihren Entscheidungen unbestreitbar jedenfalls von der Existenz des Verwaltungsaktes ausgehen, wenn dieser nicht nichtig ist. Man kann hier von Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes sprechen, die an die Tatsache seines Vorhandenseins anknüpft3. Die Terminologie ist allerdings recht uneinheitlich. „Tatbestandswirkung" wird nämlich häufig auch die Bindung an den Inhalt der Regelung eines fremden Verwaltungsaktes genannt. Eine solche Bindung ist ebenfalls anzuerkennen, weil sonst das System der Zuständigkeits83 84
1
2 3
174
BVerwG DVB1. 1969, 665. Erichsen, VerwArch. 61 (1970), 174ff. ; Renck, JuS 1971, 77ff. in Auseinandersetzung mit der in Fn. 83 erwähnten Entscheidung des BVerwG. Vgl. ausführlich unten § 41 II 6; Skouris, VerwArch. 64 (1974), 264ff. ; zu den Voraussetzungen richtiger Zustellung im Abgabenrecht Domanti, BB 1975 , 507ff. ; Beyer, DStR 1975, 175 ff. Vgl. zur Nichtigkeit unten § 15 II 2. Vgl. Jesch, Die Bindung des Zivilrichters an Verwaltungsakte, 1956 S. 58ff. ; Kopp, VwVfG, Vorbem. 5a) vor § 35.
§14
Das Verwaltungshandeln
Verteilung aus den Angeln gehoben würde. Dagegen sind andere Behörden an die einem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Erwägungen und Feststellungen nur dann gebunden, wenn das gesetzlich bestimmt ist. Feststellungswirkung in diesem Sinn hat nach § 15 Abs. 5 BVFG der zum Nachweis der Vertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft erteilte Ausweis der Vertriebenenbehörde hinsichtlich der Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit. Diese Feststellung bindet die Einbürgerungsbehörde bei der Prüfung gemäß Art. 116 Abs. 1 GG, ob der Antragsteller die deutsche Volkszugehörigkeit besitzt4. Im Grundsatz ebenso ist die Frage nach der Bindung der Gerichte an Verwaltungsakte zu beantworten, wenn man von der Feststellungswirkung absieht, die nicht in Betracht kommt. An Existenz und Inhalt eines Verwaltungsaktes ist auch der Richter gebunden. Das folgt aus dem Verfassungsprinzip der Gewaltenteilung. Das Grundgesetz hat dieses Prinzip jedoch nicht in reiner Form verwirklicht, läßt vielmehr in beträchtlichem Umfang die Gewaltenhemmung durch Gewaltenverschränkung und Gewaltenkontrolle sowie die Gewaltenverlagerung zu 5 . Der Gewaltenkontrolle dient insbesondere auch der (verwaltungs-)gerichtliche Rechtsschutz gegen belastende Verwaltungsakte (Art. 19 Abs. 4 GG, §§40, 42, 113 VwGO). Und im Rahmen der ihnen damit anvertrauten Kontrollbefugnis gegenüber der vollziehenden Gewalt entfällt dann selbstverständlich eine Bindung der Gerichte. Außerdem ist zu beachten, daß es Fälle gibt, in denen ein Gericht zwar nicht zur Aufhebung von Verwaltungsakten, wohl aber zur Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit berufen ist. Wichtige Beispiele dafür liefern die Tatbestände der Amtspflichtverletzung (Art. 34 GG, § 839 BGB) und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (§113 StGB)6.
§ 14 Nebenbestimmungen Begriff und wesentliche Erscheinungsformen der Nebenbestimmungen hat das Verwaltungsrecht dem Privatrecht entlehnt. Die Beifügung solcher Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten hat sich zu einer viel geübten Praxis der Verwaltungsbehörden entwickelt, die sich dieses Mittels vornehmlich zu dem Zweck bedienen, begünstigende Verwaltungsakte inhaltlich oder zeitlich zu begrenzen.
4 5 6
BVerwGE 34, 90ff. ; 35, 316ff. ; vgl. in diesem Zusammenhang auch § 4 Abs. 3 Zuletzt BVerfGE 34, 59 f. Vgl. dazu und zum Begriff der Rechtswidrigkeit in § 113 StGB: Lorenz, DVB1. 165, 171f.; Mohrbotter, JZ 1971, 2 1 3 f f . ; W. Meyer, NJW 1972, 1845ff.; Günther, 1973, 309; K G N J W 1972, 781 mit Anmerkung Rostek S. 1335f.; Wagner, JuS 224 ff.
StVG. 1971, NJW 1975,
175
§14
11,2
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
I. Arten Als Nebenbestimmungen können einem Verwaltungsakt Befristung, Bedingung, Widerrufsvorbehalt, Auflage und Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage beigefügt werden (§36 VwVfG).
1. Befristung, Bedingung und
Widerrufsvorbehalt
Befristung ist eine Bestimmung, nach der eine Begünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt (Beispiel: Erteilung der Erlaubnis zur Aufstellung eines Werbestandes einer politischen Partei auf einem öffendichen Platz während eines Monats vor dem Wahltag). Unter Bedingung versteht man eine Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Begünstigung oder einer Belastung von einem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt. Es sind also wie im Privatrecht (§ 158 BGB) aufschiebende und auflösende Bedingungen zu unterscheiden (Beispiele: Baugenehmigung mit der Maßgabe, daß Einsteilplätze für Kraftfahrzeuge geschaffen werden 1 ; vorsorgliche, durch den Eintritt des Verteidigungsfalles bedingte Einberufung eines gedienten Wehrpflichtigen2). Der Widerrufsvorbehalt ist eine besondere A n der auflösenden Bedingung. Ungewisses zukünftiges Ereignis, von dem der Wegfall des Verwaltungsaktes abhängt, ist die Ausübung des vorbehaltenen Widerrufs (Beispiel : Begründung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf, wenn der Beamte einen Vorbereitungsdienst abzuleisten hat; vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 BRRG, § 5 Abs. 2 BBG).
2. Auflage und
Auflagenvorbehalt
a) Bei der Auflage handelt es sich um eine Bestimmung, durch die dem Adressaten eines begünstigenden Verwaltungsaktes ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. In der Verwaltungspraxis ergibt sich häufig die Notwendigkeit, einen Verwaltungsakt noch nach seinem Erlaß mit Auflagen zu versehen oder diese zu ergänzen. Ein entsprechender Vorbehalt ermöglicht es der Verwaltung, den Verwaltungsakt den gewandelten Erfordernissen anzupassen, ohne Entschädigung leisten zu müssen, was anderenfalls unter Umständen der Fall wäre 3 .
1 2 3
176
BVerwGE 29, 261, 265. BVerwGE 27, 263, 265f.; dagegen VG Saarland N J W 1968, 516. Vgl. dazu unten § § 1 7 III 2 und 53 II; ausführlich zum Auflagenvorbehalt Die Verwaltung 8 (1975), 295 ff.
Kloepfer,
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Das Verwaltungshandeln
II
b) Die Auflage ist im Gegensatz zu den übrigen Nebenbestimmungen nicht integrierender Bestandteil des Verwaltungsaktes, dem sie beigegeben wird, sondern ihrem Rechtsgehalt nach selbst Verwaltungsakt. Ihre Befolgung kann daher auch erzwungen werden. Den Unterschied zwischen (aufschiebender) Bedingung und Auflage hat besonders plastisch C. F. von Savigny formuliert: „Die Bedingung . . . suspendiert, zwingt aber nicht, der Modus zwingt, aber suspendiert nicht 4 ." Ungeachtet dieser klaren begrifflichen Trennung erweist sich die Abgrenzung bisweilen als problematisch. Dafür ist nicht zuletzt mangelnde Genauigkeit der Gesetzes- und Verwaltungssprache verantwortlich. So kann sich etwa die Qualifikation von „Baubedingungen" als außerordentlich schwierig erweisen5. In Zweifelsfällen bedarf es daher der Auslegung. Dabei wird nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit regelmäßig der Annahme einer Auflage als der den Adressaten weniger belastenden Beschränkung der Vorzug zu geben sein (str.) 6 . c) Die Auflage ist die praktisch weitaus bedeutsamste aller Nebenbestimmungen. Sie findet sowohl in der klassischen Ordnungsverwaltung wie auch in den Bereichen der modernen Leistungs- und Lenkungsverwaltung vielfachen Einsatz. Namentlich als „Instrument der Wirtschaftsverwaltung"7 ist die Auflage unentbehrlich geworden.
II. Zulässigkeit Die Frage, ob einem Verwaltungsakt Nebenbestimmungen beigegeben werden dürfen, hat der Gesetzgeber bisweilen ausdrücklich entschieden, indem er die Beifügung entweder verboten8 oder gestattet9 bzw. sogar geboten10 hat. Unabhängig von solchen gesetzlichen Regelungen sind etliche Verwaltungsakte ihrer Natur nach in freilich unterschiedlichem Umfang nebenbestimmungsfeindlich. So duldet z. B. die Einbürgerung als statusbegründender Verwaltungsakt aus Gründen der Rechtssicherheit keinerlei Beschränkung durch Nebenbestimmungen11. Von derartigen Fällen abgesehen, hängt die Zulässigkeit lästiger Nebenbestimmungen entscheidend davon ab, ob ein Anspruch auf den Erlaß eines begünsti-
4 s 6
7
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11
System des heutigen römischen Rechts, 3. Bd. 1840 S. 231. Weyreutber, DVB1. 1969, 232 ff. Vgl. dazuRoellecke, D Ö V 1968, 333ff.; Weyreutber, DVB1. 1969, 232ff.;Kopp, VwVfG, § 3 6 Anm. 5b). Herbert Krüger, DVB1. 1955, 450ff., 518ff.; zur Auflage bei der Vergabe von Subventionen vgl. Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966 S. 45 ff. Z. B. § 53 Abs. 1 GewO. Z. B. §§ 3 Abs. 2, 5 Abs. 2 GastG; § 17 Abs. 1 S. 2 - 4 AtomG. Z. B. § 8 Abs. 2 BFStrG und die entsprechenden Bestimmungen der Landesstraßengesetze. BVerwGE 27, 263, 266. 177
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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genden Verwaltungsaktes besteht oder sein Erlaß in das Ermessen der Behörde gestellt ist. Ein Verwaltungsakt, auf dessen Erlaß ein Anspruch besteht, darf mit einer N e b e n b e s t i m m u n g nur versehen werden, wenn sie gesetzlich zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden (§ 36 A b s . 1 V w V f G ) 1 2 . D a s grundsätzliche Erfordernis gesetzlicher Zulassung folgt daraus, daß die Nebenbestimmung den Anspruch beschränkt. D a z u ist die Verwaltung nur kraft gesetzlicher Ermächtigung b e f u g t 1 3 . Anders verhält es sich nur dort, w o die Nebenbestimmung der Sicherstellung gesetzlich vorgesehener Voraussetzungen dient; denn hier räumt die N e b e n bestimmung gerade anspruchshindernde Versagungsgründe aus (Beispiel : Erteilung einer Gaststättenerlaubnis mit Auflagen z u dem Zweck, die Betriebsräume in einen Zustand zu versetzen, der die Versagung der Erlaubnis nach § 4 I N r . 2 G a s t G nicht (mehr) zulassen würde). Begünstigenden Verwaltungsakten, deren Erlaß im behördlichen Ermessen liegt, dürfen dagegen ganz allgemein Nebenbestimmungen ohne eine besondere gesetzliche Grundlage beigefügt werden (§ 36 A b s . 2 V w V f G ) . D a s Recht zur Vorenthaltung einer Begünstigung schließt dasjenige auf ihre Gewährung unter Beschränkungen ein. D i e Rechtmäßigkeit einer lästigen Nebenbestimmung ergibt sich jedoch nicht schon daraus, daß sie nach den dargestellten Grundsätzen an sich zulässigerweise beigefügt worden ist. Sie muß vielmehr darüber hinaus den Anforderungen gerecht werden, an die unter der rechtsstaatlichen O r d n u n g des Grundgesetzes jede Ermessensbetätigung gebunden ist 1 4 . D e m g e m ä ß muß sich eine Nebenbestimmung im Rahmen der Zwecksetzung des Verwaltungsaktes und der gesetzlichen Regelung halten, muß sie also sachbezogen und sachgerecht sein 1 5 . Unstatthaft ist die Verfolgung ressortfremder öffentlicher Interessen. U n d rechtliche Bindungen des behördlichen Ermessens enthalten schließlich die Grundrechte und das Übermaßverbot (Beispiel : A in der Stadt Tugendheim erhält die Erlaubnis, auf dem Bürgersteig einer öffentlichen Straße einen Zeitschriftenkiosk aufzustellen. Der Erlaubnis ist die Auflage beigefügt, daß nur solche Druckwerke verkauft werden dürfen, die nach dem Gutachten des Jugendausschusses des Stadtrates unbedenklich auch Jugendlichen zugänglich gemacht werden können. Ist die Auflage rechtmäßig? Aufstellung eines Zeitschriftenkiosks ist erlaubnisbedürftige Sondernutzung, Festsetzung von Auflagen an sich zulässig (§ 8 A b s . 1 und 2 B F S t r G und die entsprechenden Bestimmungen der Landesstraßengesetze). D i e beigefügte Auflage leidet jedoch an mehreren Mängeln: D a weder Straßen- noch verkehrsrechtlich motiviert, ist sie vom Gesetzeszweck nicht gedeckt. Zur Verfolgung des Auflagenzwecks fehlt der Gemeinde ferner die Zuständigkeit, wie das G j S ergibt, 12
13 14 15
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So kann die Baugenehmigung nach den Landesbauordnungen mit Auflagen und unter Bedingungen erteilt werden. Vgl. dazu oben § 3 II 1 und unten § 15 I 2. Vgl. dazu oben § 12 II 2c). BVerwGE 36, 145, 147ff. ; zu eng und eigentlich überflüssig daher § 36 Abs. 3 VwVfG.
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Das Verwaltungshandeln
das auch inhaltlich eine solche Maßnahme nicht zuläßt, die überdies gegen Art. 5 Abs. 1 S. 3 und 12 Abs. 1 G G verstößt). Wird einem begünstigenden Verwaltungsakt unzulässigerweise eine lästige Nebenbestimmung beigefügt, so stellt sich die — wie der vorstehende Sachverhalt zeigt — für den Adressaten wichtige Frage, ob die Rechtswidrigkeit der Nebenbestimmung den Verwaltungsakt als Ganzes ergreift oder dessen günstiger Teil bestehen bleibt. Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt aus dem Problemkreis der Teilrechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, der erst an anderer Stelle zusammenhängend behandelt werden kann 1 6 .
§ 15
Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten Der Entscheidung der Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist, kommt im rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht eine außerordentliche Bedeutung zu. Das leuchtet ohne weiteres ein, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sich an die Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes ganz unterschiedliche Rechtsfolgen anknüpfen. So haben etwa Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nur Erfolg, sofern der belastende Verwaltungsakt bzw. die Ablehnung oder Unterlassung des begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist (§113 Abs. 1 und 4 VwGO). Ferner folgt der Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte anderen Rechtsregeln als die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte. Und schließlich spielt die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes auch im System der öffentlich-rechtlichen Entschädigungs- und Schadensersatzleistungen eine wesentliche Rolle. O b ein Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist, beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (letzten) Verwaltungsentscheidung. Ist ein belastender Verwaltungsakt angefochten worden, hat deshalb das Verwaltungsgericht die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zur Zeit des Widerspruchsbescheides zugrunde zu legen (§§73, 79, 113 Abs. 1 VwGO). Eine spätere Änderung dieser Verhältnisse führt weder zur Rechtswidrigkeit eines rechtmäßig erlassenen noch zur Rechtmäßigkeit eines ursprünglich rechtswidrigen Verwaltungsaktes 1 . Als rechtswidrig kann sich jedoch die Aufrechterhaltung eines Verwaltungsaktes erweisen, wenn die Behörde daran festhält, obwohl sie wegen neuer und für seinen Inhalt erheblicher Umstände zu seiner Aufhebung oder Änderung verpflichtet ist. Das gilt einmal in bezug auf noch nicht vollzogene Verwaltungsakte,
16 1
Vgl. dazu unten § 15 II 3. BVerwGE 11, 334, 335f.; 42, 206, 209; 51, 15, 24f.; BVerwG DVB1. 1973, 861, 863 und NJW 1975, 1373 f. 179
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zum anderen für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung2. Darunter sind solche Verwaltungsakte zu verstehen, die auf Dauer angelegte Rechtsverhältnisse zur Entstehung bringen und sich so ständig neu aktualisieren (ζ. B. Gewerbeuntersagung, Rentenbescheid, Gewerbeerlaubnis). Die folgende Darstellung wendet sich zunächst den Voraussetzungen zu, die erfüllt sein müssen, um einen Verwaltungsakt — bezogen auf den Zeitpunkt seines Erlasses — als rechtmäßig erscheinen zu lassen. Im Anschluß daran ist dann der rechtswidrige Verwaltungsakt zu behandeln. I. Der rechtmäßige Verwaltungsakt Wer Klarheit über die Erfordernisse zu gewinnen sucht, denen ein Verwaltungsakt entsprechen muß, um als rechtmäßig prädiziert werden zu können, gelangt alsbald zu der Einsicht, daß es eine allgemeingültige gesetzliche Regelung dieser Erfordernisse weder gibt noch überhaupt geben kann. Und auch dort, wo die Verwaltungsgesetze für einzelne Typen von Verwaltungsakten mehr oder weniger detaillierte Vorschriften enthalten, sind diese durchweg nicht erschöpfend. Zusätzliche Bindungen lassen sich insbesondere aus den für das Handeln der Verwaltung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätzen ableiten. Zusammenfassend formuliert kann rechtmäßig derjenige Verwaltungsakt genannt werden, der von der zuständigen Behörde im richtigen Verfahren und in der gehörigen Form erlassen worden ist und nicht an inhaltlichen Mängeln leidet3. Die damit bezeichneten Rechtsbindungen sind in anderen Zusammenhängen ausführlich zu behandeln. An dieser Stelle genügt es daher, einen Überblick zu geben. 1. Zuständigkeit,
Verfahren,
Form
a) Es entspricht einem elementaren rechtsstaatlichen Gebot, daß die Verwaltungsbehörden nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Zuständigkeit zum Erlaß von Verwaltungsakten befugt sind. Die Verteilung der Zuständigkeiten auf die verschiedenen Subjekte öffentlicher Verwaltung (Verwaltungsträger) und ihre Behörden ist Gegenstand des Rechts der Verwaltungsorganisation, das unten dargestellt werden wird4. Darauf ist hier zu verweisen. b) Ein Verwaltungsakt ist ferner nur dann rechtmäßig, wenn er in einwandfreier Art und Weise zustande gekommen und in der vorgeschriebenen Form verlautbart worden ist. Welche Erfordernisse insoweit Beachtung verlangen, wird im Abschnitt 2
3 4
180
BVerwGE 22, 16, 21 ff.; 28, 202, 203ff.; BVerwG DVB1. 1973 , 861, 863; Eyermann/ Fröhler, VwGO, §113 Rdn. 4 a) Tschira/Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 3. Aufl. 1977 S. 289ff. ; Wolff/Bachof, VwR I, § 51 IVf.); vgl. auch unten § 19 I 1. Wolff/Bachof, VwR I, § 50 II. Vgl. §§55ff.
Das Verwaltungshandeln
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über das Verwaltungsverfahren genommen wird.
erörtert
2. Inhaltliche
werden 5 ,
auf
den
ebenfalls
12
Bezug
Anforderungen
a) Art. 2 0 Abs. 3 G G bindet die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht. Die Bedeutung des damit zum Ausdruck gebrachten Verfassungsprinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung für das Verwaltungshandeln ist bereits mehrfach hervorgehoben w o r d e n 6 . Es handelt sich dabei um ein genuin rechtsstaatliches Postulat, das heute zugleich als demokratisches Verfassungsgebot erscheint 7 . Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit b z w . Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes tritt die Bindungskraft des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in besonderem Maße zutage, und zwar wie folgt: Sowohl belastende wie begünstigende Verwaltungsakte unterliegen dem Vorrang des Gesetzes, dürfen also nicht einem gültigen Rechtssatz widersprechen. F ü r belastende Verwaltungsakte gilt darüber hinaus der Vorbehalt des Gesetzes, der ihre Rückführbarkeit auf eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage verlangt. Beruht ein belastender Verwaltungsakt unmittelbar auf einer Rechtsverordnung oder einer Satzung, so m u ß diese ihrerseits gesetzlich ermächtigt sein 8 . Problematisch erscheint, ob die strafrechtlichen Bestimmungen über Notwehr (§ 32 S t G B ) und rechtfertigenden Notstand (§ 34 S t G B ) als gesetzliche Ermächtigungen im Sinne des Eingriffsvorbehalts angesehen werden können. Verfassungsrechtliche Tragweite und politische Brisanz der Frage sind offenkundig 9 . Bei ihrer
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8
9
Vgl. §§38 ff. Vgl. § § 3 II 1, 5 II, 12 II. Zur Entwicklung des Prinzips Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl. 1968; Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971 S. 147ff. Art. 80 Abs. 1 G G und die entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen für Rechtsverordnungen; BVerwGE 6, 247, 248ff. für das Satzungsrecht. Sie wird im Blick auf die Notwehr in Form der Nothilfe für den gezielt tödlichen Schuß der Polizei zum Zweck der Befreiung von Geiseln aus der Hand von Verbrechern diskutiert (vgl. dazu Drews/Wacke/Vogel!Martens, Gefahrenabwehr I, S. 331 ff. ; Göiz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl. 1977 S. 169ff.). Allerdings sehen die geltenden gesetzlichen Regelungen des polizeilichen Schußwaffengebrauchs vor, daß das Recht zum Gebrauch von Schußwaffen auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften bzw. die Vorschriften über Notwehr und Notstand unberührt bleiben. Diese Notrechtsvorbehalte werden nicht stets zutreffend gewürdigt. U . a. auf rechtfertigenden Notstand hat sich der BM des Innern zur Rechtfertigung des „Lauschangriffs" des Bundesamtes für Verfassungsschutz durch Einbruch in die Wohnung des Atomwissenschaftlers Dr. Traube und das Anbringen eines Abhörgerätes berufen (vgl. Sten. Ber. des B T 8. WP S. 960, 987). Ausführliche Berichterstattung über diesen und weitere Abhörfälle in: Der Spiegel Nr.10—13/1977. Auch die Unterbindung des Kontakts zwischen Häft181
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Beantwortung ist davon auszugehen, daß strafrechtliche Rechtfertigungsgründe und das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auf verschiedenen Ebenen der Rechtsordnung liegen. Ihnen kommen je eigene Funktionen und Rechtsfolgen zu. Notwehr und rechtfertigender Notstand beziehen sich auf an sich strafbare Handlungen und schließen ausnahmsweise zugunsten des Täters deren Rechtswidrigkeit und damit die Strafbarkeit aus. Auf solche Rechtfertigungsgründe kann sich mangels entgegenstehender bundesgesetzlicher Rechtsvorschriften auch ein Amtsträger berufen, der sich in öffentlich-rechtlicher Amtsausübung befindet 10 . Er verwandelt sich dadurch jedoch nicht in einen Privatmann; sein Handeln bleibt vielmehr rechtskategorial dem öffentlichen Recht zugeordnet 11 . Was strafrechtlich als (gerechtfertigte) Tat erscheint, ist deshalb zugleich Staatsakt und unterliegt als solcher den Grundsätzen des staatlichen Sonderrechts, zu denen als unabdingbares Element auch der Vorbehalt des Gesetzes gehört. Dieser meint und verlangt Rechtssätze, durch die nicht jedermann, sondern eben nur ein Träger hoheitlicher Gewalt berechtigt oder verpflichtet wird 1 2 . Um derartige Rechtssätze handelt es sich bei den §§ 32 und 34 StGB ersichtlich nicht. Sie sind daher nicht geeignet, Maßnahmen der staatlichen Eingriffsverwaltung die erforderliche spezifisch verfassungsrechtliche Legitimation zu geben 13 . Dabei ist weiter zu bedenken, daß der Vorbehalt des Gesetzes nicht nur eine Ermächtigung der Exekutive dafür verlangt, überhaupt in die Individualsphäre eingreifen zu dürfen, sondern sich auch auf die Festlegung der Zuständigkeit und des Verfahrens sowie insbesondere die Bestimmung der zulässigen Maßnahmen und Mittel erstreckt. Eine Behörde darf also nicht außerhalb der ihr zugewiesenen Zuständigkeit tätig werden; sie muß das vorgesehene Verfahren beachten und ihr ist untersagt, Maßnahmen zu treffen bzw. Mittel einzusetzen, die ihr das Gesetz vorenthalten hat. Würde der Verwaltung die Berufung auf strafrechtliche Rechtfertigungsgründe gestattet, so hätte das eine
10
11
12 13
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lingen und Verteidigern im Zusammenhang mit der Entführung von Hanns-Martin Schleyer im September 1977 ist bis zum Erlaß des sog. Kontaktsperregesetzes v. 30. 9. 1977 (BGBl. I S. 1877) auf § 3 4 StGB gestützt worden. Vgl. dazu etwa RGSt 67, 337; 72, 305; B G H LM Nr. 5 zu § 53 StGB; O L G Hamburg JR 1973, 69 m. Anm. Fr.-Chr. Schroeder. Ebenso z . B . Lerche, Rechtsgutachten zu § 4 1 Abs. 2 und § 4 4 Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes (= Anlage zum Musterentwurf — Stand: 20. 6. 1975); Schwabe, J Z 1974, 635; a. M. Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr I, S. 332; Kinnen, M D R 1974, 634; widersprüchlich Rupprecht, J Z 1973, 265. Vgl. oben § 2 II 1. Ebenso Amelung, N J W 1977, 8 3 3 f f . ; Kirchhof, in: Merten (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Polizeirechts, 1977 S. 6 7 f f . ; Merten, Gutachtliche Stellungnahme zu § § 4 1 Abs. 2, 44 des Musterentwurfs eines einheidichen Polizeigesetzes (wie Fn. 11), S. 30££. ; Kinnen, M D R 1974, 6 3 3 f . ; vgl. auch A.Arndt, Gesammelte juristische Schriften, 1976 S. 157, 161 ff. ; Forsthoff, V w R , S. 2 9 7 f . ; BVerfGE 33, 1, 17. A . M . R G Z 117, 138, 142 f. (staatliches Notwehrrecht als Rechtfertigungsgrund für polizeiliche Stillegung einer kommunistischen Zeitungsdruckerei); Schwabe, JZ 1974, 636; ders., N J W 1977, 1902ff. ; R. Lange, J Z 1976, 547; B G H EuGRZ 1977, 433.
Das Verwaltungshandeln
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Dispensation von diesen rechtsstaatlichen Bindungen zur Folge. Nach alledem kann ein Eingriff in die Individualsphäre sub specie des öffentlichen Rechts als rechtswidriger Staatsakt zu beurteilen sein, während dem handelnden Amtswalter ein strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund zur Seite steht 14 . Gewicht und Ernst der Frage, ob die vorhandenen gesetzlichen Ermächtigungen angesichts der Erscheinungsformen und Gefahren des gegenwärtigen Terrorismus ausreichen, werden damit nicht verkannt. Die Antwort darauf fällt aber im Verfassungsstaat des Grundgesetzes in die Verantwortung und Zuständigkeit des Parlaments. Ob auch für Einzeleingriffe in die Individualsphäre im Rahmen besonderer Gewaltverhältnisse15 eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist, war bisher umstritten. Uberwiegend nahm man insoweit eine gewohnheitsrechtlich legitimierte Regelungsbefugnis der Exekutive an 16 . Daran kann nicht festgehalten werden, nachdem das BVerfG entschieden hat, daß auch die Grundrechte von Strafgefangenen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können 17 . Diese Ausdehnung des Vorbehaltsbereichs läßt sich nicht auf den Strafvollzug begrenzen; sie ergreift vielmehr auch die übrigen besonderen Gewaltverhältnisse18. Namentlich für das Schulverhältnis setzt sich zu Recht zunehmend die Auffassung durch, daß Maßnahmen im grundrechtlichen Schutzbereich einer Ermächtigung durch förmliches Gesetz bedürfen, also dem Vorbehaltsprinzip unterliegen 19 . Allerdings wird man — dem BVerfG folgend 20 — für eine gewisse Ubergangsfrist solche Maßnahmen ohne gesetzliche Grundlage noch hinnehmen müssen, soweit das um der Funktionsfähigkeit des Schulwesens willen unerläßlich ist. Der Vorbehalt des Gesetzes greift schließlich dort ein, wo eine Begünstigung untrennbar mit einer Belastung verbunden ist 21 , sofern sich diese Belastung nicht darin erschöpft, als (außerhalb gebundener Gewährungen) vorbehaltsfreie Neben-
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Eine solche Relativität ist auch sonst nichts Ungewöhnliches; vgl. zur Relativität der Rechtsfähigkeit oben § 1 0 II 2 ; zur Relativität ein und derselben Notwehrhandlung gegenüber dem Angreifer und im Verhältnis zu anderen Personen Schmidhäuser, Strafrecht - Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1975 S. 352. Vgl. zum Begriff oben § 3 II 2. Vgl. W. Martens, ZBR 1970, 197, 199f. BVerfGE 33, 1 LS 1, 9 ; dazu Erichsen, VerwArch. 63 (1972), 441 ff.; Starck, J Z 1972, 360ff. ; H. Weber, JuS 1972, 339. Durch Erlaß des Strafvollzugsgesetzes vom 16. 3. 1976 (BGBl. I S. 581) ist der Gesetzgeber seinem Regelungsauftrag inzwischen nachgekommen. Vgl. Erichsen, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973 S. 238ff. Vgl. zum Stand der Diskussion BVerfG J Z 1976, 363; BVerwGE 47, 194 und 201; BayVerfGH DÖV 1974, 672 mit Anm. Hennecke; OVG Berlin J Z 1973 , 551 mit Anm. Evers; O V G Koblenz N J W 1973, 1663; O V G Hamburg MDR 1973, 787; O V G Münster J Z 1976, 273 mit Anm. Evers; VGH Mannheim N J W 1976, 869; HessVGH D Ö V 1977, 211 mit Anm. Hennecke; Bosse, DÖV 1975, 350ff., Erichsen, VerwArch. 67 (1976), 93ff.; H. Weber, JuS 1976, 355ff. BVerfGE 33, 1 Ls. 2, 12f.; kritisch dazu Pieroth, VerwArch. 68 (1977), 217ff. Vgl. BVerwGE 6, 282, 288; 20, 101, 102.
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bestimmung die Erreichung des mit der Zuwendung verfolgten öffentlichen Zwecks sicherzustellen22. Dagegen unterliegt ein Verwaltungsakt, der seinen Adressaten ausschließlich begünstigt, nicht dem Vorbehalt, sondern allein dem Vorrang des Gesetzes. Werden also etwa Vermögenswerte Zuwendungen (ζ. B. Subventionen) gewährt, so müssen dafür grundsätzlich im gesetzlich festgestellten Haushaltsplan (Art. 110 Abs. 2 GG) Mittel ausgewiesen sein 23 ; es ist jedoch nicht erforderlich, daß die Modalitäten durch besonderes Leistungsgesetz normativ geregelt sind. Soweit im Schrifttum unter Berufung auf demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien die Ausdehnung des Vorbehaltsbereichs auf die Leistungsverwaltung und damit die Erweiterung des Eingriffsvorbehalts zum Totalvorbehalt gefordert wird, erscheint dies als erwägenswertes rechtspolitisches Postulat. Ihm kommt aber nicht der Rang eines verfassungsrechtlichen Verbots zu Lasten der Verwaltung (und damit im Endergebnis der potentiellen Leistungsempfänger) zu, Leistungen ohne eine über die haushaltsmäßige Deckung hinausgehende gesetzliche Grundlage zu erbringen24. b) Neben der Bindung an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit ist weiter diejenige an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht (Art. 1 Abs. 3 GG) hervorzuheben. Auch dazu ist oben schon grundsätzlich Stellung genommen worden25. Hier bleibt nachzutragen, in welchen Hinsichten grundrechtliche Gebote speziell dem Verwaltungsakt inhaldiche Anforderungen auferlegen. Ergeht ein Verwaltungsakt auf Grund eines Gesetzes und sind die gesetzlichen Voraussetzungen für seinen Erlaß erfüllt, so muß darüber hinaus die Ermächtigungsgrundlage ihrerseits mit den Grundrechten vereinbar sein, also ζ. B. ein Enteignungsgesetz dem Art. 14 Abs. 3 GG, ein berufsregelndes Gesetz dem Art. 12 Abs. 1 GG entsprechen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß zur Prüfung der Grundrechtsmäßigkeit eines Gesetzes26 nur dann Anlaß besteht, wenn insoweit ernsthafte Zweifel bestehen oder in einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe ausdrücklich verlangt wird, seine Verfassungsmäßigkeit zu untersuchen. Während es sich in Fällen der vorstehend bezeichneten Art um eine durch das Gesetz gleichsam mediatisierte Grundrechtsbindung der Verwaltung handelt, hat sie dort unmittelbar die Grundrechte zu beachten, wo sie Verwaltungsakte im gesetzesfreien Raum oder in Ausübung eines ihr vom Gesetzgeber eingeräumten 22 23
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Vgl. oben § 14 II. Zu den Voraussetzungen von Haushaltsüberschreitungen s. Art. 112 GG und dazu BVerfG NJW 1977, 1387. Näher dazu W. Martens, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973 S. 433ff.; einen grundsätzlichen Wandel könnte allerdings BVerfGE 40, 237, 248 ff. signalisieren (vgl. bereits § 12 Fn. 61). Gesetzesvorbehalt für Pressesubventionierung fordert OVG Berlin JR 1975, 435; ebenso schon VG Berlin DVB1. 1975 , 268 mit Anm. Henke. Wie hier zuletzt BVerwG DÖV 1977, 606. Vgl. oben § 3 II 2. Vgl. dazu Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 Fälle 1, 2 und 7; Schwerdtfeger, öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 3. Aufl. 1976 S. 126ff.
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Das Verwaltungshandeln
111,2
Ermessens erläßt. Die grundrechtlichen Gewährleistungen wirken hier als ermessensbegrenzende Faktoren. In der Spruchpraxis der Gerichte haben sich dabei vor allem das aus Art. 3 Abs. 1 G G abgeleitete Prinzip der Selbstbindung der Verwaltung und das den Grundrechten immanente Übermaßverbot als ergiebige Schranken des verwaltungsbehördlichen Ermessens erwiesen 27 . c) Rechtmäßig ist ein Verwaltungsakt schließlich nur dann, wenn er auf einen tatsächlich und rechtlich möglichen Erfolg gerichtet und inhaltlich hinreichend bestimmt ist 28 .
II. Der rechtswidrige Verwaltungsakt 1. Begriffliche
Abgrenzung
Vorab aus der weiteren Erörterung auszuscheiden ist der sog. Nichtakt29. Vom rechtswidrigen ist sodann der unzweckmäßige Verwaltungsakt zu unterscheiden. Die Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes wird zwar im Widerspruchsverfahren nachgeprüft (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO), ist aber nicht Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Besonderen Regeln folgt schließlich der unrichtige Verwaltungsakt. Unrichtig nennt man einen Verwaltungsakt, der Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten (ζ. B. falsa demonstratio) enthält. Solche Mängel kann die Behörde jederzeit und formlos — auch mit Wirkung für die Vergangenheit — berichtigen (§ 42 VwVfG) 3 0 . Rechtswidrig ist nach einer Formulierung des BVerwG derjenige Verwaltungsakt, der durch unrichtige Anwendung bestehender Rechtssätze zustande gekommen ist 3 1 . Was die Fehlerquellen und Fehlergründe im einzelnen betrifft, so kann auf die oben dargestellten Anforderungen verwiesen werden, denen ein rechtmäßiger Verwaltungsakt entsprechen muß. Die Nichtbeachtung auch nur einer von ihnen führt zur Rechtswidrigkeit.
2. Rechtsfolgen
der
Rechtswidrigkeit
Die Rechtsordnung reagiert in unterschiedlicher Weise auf die Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsaktes. In einigen Fällen bleibt die Verletzung geltender Rechtssätze rechtsfolgenlos, wird also der rechtswidrige Verwaltungsakt aufrechterhalten; dies allerdings nur dann, wenn er weder nichtig ist noch an inhaldichen Fehlern leidet. So kann die Aufhebung eines nicht nichtigen Verwaltungsaktes nicht allein 27
28 29 30 31
Vgl. oben § 12 II 2 c).
Vgl. näher dazu Wolff/ Bachof
VwR I, § 50 II d.
Vgl. dazu oben § 11 II 2 c). Vgl. dazu näher unten § 41 V 2. BVerwGE 13, 28, 3 1 ; 31, 222, 223.
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§ 1 5 II 2
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unter Berufung auf einen entscheidungsunerheblichen Mangel des Verfahrens, der Form oder der örtlichen Zuständigkeit beansprucht werden (§ 46 VwVfG) 3 2 . Außerdem kommt eine nachträgliche Heilung des wegen Verletzung von Formund Verfahrensvorschriften ursprünglich rechtswidrigen Verwaltungsaktes in Betracht (§ 45 VwVfG) 3 3 . Kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt nicht aufrechterhalten werden, ist weiter die Möglichkeit seiner Umdeutung (Konversion) in einen anderen Verwaltungsakt zu erwägen, dessen Erlaß rechtmäßig wäre (§ 47 VwVfG) 3 4 . Zumeist wird jedoch ein rechtswidriger Verwaltungsakt weder einer Aufrechterhaltung noch einer Umdeutung zugänglich sein. In solchen Fällen ist die Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit nach deutschem Verwaltungsrecht entweder Nichtigkeit oder Aufhebbarkeit bzw. nach einem verbreiteten Sprachgebrauch Anfechtbarkeit. Die damit signalisierte Anlehnung an Rechtsfiguren des bürgerlichen Rechts darf indes nicht zu dem Fehlschluß verleiten, es bestünden insoweit in beiden Rechtsgebieten auch inhaltlich weitgehend übereinstimmende Regelungen. Das Gegenteil ist richtig. Während nämlich die rechtlich mißbilligte privatrechtliche Willenserklärung grundsätzlich nichtig ist (§§ 125, 134, 138 BGB), bewirkt die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes nur ausnahmsweise seine Nichtigkeit. Das erklärt sich aus der Tragweite dieser Fehlerfolge: Der nichtige Verwaltungsakt ist ohne weiteres rechtlich unwirksam und braucht daher von niemandem (Bürger, Behörde, Gericht) beachtet zu werden. Die im Hinblick auf den immerhin von ihm ausgehenden Rechtsschein zugelassene ( § 4 4 Abs. 5 VwVfG, § 4 3 Abs. 1 V w G O ) und auch zweckmäßige Nichtigkeitsfeststellung hat daher nur deklaratorische Bedeutung. Nichtigkeit als regelmäßige Folge der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes hätte unannehmbare Konsequenzen für die Verwaltung selbst, deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigt würde, aber auch für alle diejenigen, die auf die Rechtmäßigkeit vertraut und darauf ihr Handeln eingerichtet haben. Das gilt um so mehr, als es häufig durchaus zweifelhaft sein kann, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Führt danach die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich nur zu seiner Aufhebbarkeit, so bleibt damit der rechtswidrige Verwaltungsakt einstweilen ebenso wirksam wie der rechtmäßige Verwaltungsakt. Erst seine Aufhebung durch die Verwaltung oder das Verwaltungsgericht beendet seine Geltung 35 . Handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt, so wird die Initiative zu seiner Beseitigung im allgemeinen vom Betroffenen ausgehen, der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. V w G O ) im Wege der An32
33 34 35
186
Vgl. unten §41 III; ausführlich dazu Bettermann, in: Festschrift für H. P. Ipsen, 1977 S. 271 ff. ; zum Problem auch Mußgnug, Das Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten?, 1970; Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, 1973 S. 7ff. Vgl. unten § 41 III. Vgl. unten § 41 IV. Vgl. oben § 13.
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§15
II 2
fechtungsklage (§42 Abs. 1 V w G O ) — deshalb auch der Terminus „Anfechtbarkeit" — seine gerichtliche Kassation begehren wird. Anfechtung ist hier also im Gegensatz zum bürgerlichen Recht nicht Selbst-, sondern Fremdanfechtung, und nicht sie, sondern erst ein weiterer Hoheitsakt beseitigt den rechtswidrigen Verwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, wenn das Gesetz einen Fehler ausdrücklich mit dieser Folge verknüpft. Während die Verwaltungsgesetze sich insoweit bisher zumeist mit punktuellen Regelungen begnügten, hat § 44 Abs. 2 VwVfG (s. auch § 125 Abs. 2 AO 1977) hier einen Wandel gebracht. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, der 1. bei schriftlichem Erlaß die erlassende Behörde nicht erkennen läßt; 2. ohne die rechtssatzmäßig zwingend vorgeschriebene Aushändigung einer Urkunde ( z . B . § 16 RuStG) ergeht; 3. unter Verletzung einer durch Sach- oder Rechtsbelegenheit begründeten und begrenzten örtlichen Zuständigkeit erlassen wird; 4. aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (Beispiel: Abbruchverfügung hinsichtlich eines bereits beseitigten Bauwerks); 5. die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht (Beispiel: Aufforderung an den privaten Polizeihelfer, den verfolgten Verbrecher zu erschlagen); 6. gegen die guten Sitten verstößt (ζ. B. antisemitische Maßnahmen). Daran anschließend bestimmt § 44 Abs. 3 VwVfG, daß ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig ist, weil er an einem der hier in Form eines Negativkatalogs aufgezählten formellen Mängel 36 leidet. Diese Zuständigkeits- und Verfahrensfehler bewirken also nicht die Nichtigkeit eines mit ihnen behafteten Verwaltungsaktes, sondern führen nur zu seiner (einfachen) Rechtswidrigkeit, die zudem unter den Voraussetzungen des § 45 VwVfG geheilt werden kann und nach Maßgabe des § 46 VwVfG folgenlos bleibt. Für alle sonstigen Fehler gilt die Generalklausel des § 4 4 Abs. 1 VwVfG, die also zu den Absätzen 2 und 3 der Vorschrift im Verhältnis der Subsidiarität steht. In Ubereinstimmung mit der bisher schon h. M . 3 7 ist danach ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, was wesentlich dazu bei-
36
Dazu gehören die einfache örtliche Unzuständigkeit, die Mitwirkung einer nach § 20 Abs. 1 S. 1 N r . 2 bis 6 VwVfG ausgeschlossenen Person, das Fehlen des erforderlichen Beschlusses eines durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufenen Ausschusses oder Beschlußfassung trotz Beschlußunfähigkeit sowie schließlich das Unterbleiben der rechtssatzmäßig gebotenen Mitwirkung einer anderen Behörde.
37
B V e r w G E 19, 284, 2 8 7 f . ; vgl. auch B V e r w G E 23, 237, 2 3 8 ; 35, 334, 3 4 3 ; V w R I, § 51 I c).
Wolff/Bachof,
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trägt, daß auch ein im Blick auf seine Tragweite oder den Schutzzweck der verletzten Norm sehr schwerer Fehler nur ausnahmsweise die evidenzabhängige Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes zur Folge haben wird. Zu denken ist etwa an besonders eklatante Verfehlungen der sachlichen Zuständigkeit (Beispiel : Geltendmachung einer privatrechtlichen Schadensersatzforderung durch Polizeiverfügung38), an die Erlaubnis zur Vornahme strafbarer Handlungen (Beispiel: Erlaubnis eines bis zum 2. 4. 1974 gemäß §285 StGB a. F. strafbaren gewerbsmäßigen Glücksspiels39) und an den auf einen rechtlich unmöglichen Erfolg gerichteten Verwaltungsakt (Beispiele: Einbürgerung eines deutschen Staatsangehörigen40; Versetzung eines Nichtbeamten in den Ruhestand 41 ' 42 ). Aufliebbar ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt, sofern die Rechtswidrigkeit nicht folgenlos bleibt, der Verwaltungsakt auch nicht umgedeutet werden kann und nicht nichtig ist. In der Praxis beruht die Aufhebbarkeit zumeist entweder auf der fehlerhaften Interpretation von Rechtssätzen oder auf Subsumtionsfehlern. Eine gewisse Rolle spielt ferner der Verwaltungsakt, der auf eine verfassungswidrige Ermächtigungsgrundlage gestützt und deshalb aufhebbar ist 43 . Erwähnung verdient schließlich die unmittelbar durch einen Verwaltungsakt bewirkte Verletzung verfassungsrechtlicher Prinzipien, ζ. B. des rechtsstaatlichen Ubermaßverbotes. 3.
Teilrechtswidrigkeit
Ist nur ein Teil eines Verwaltungsaktes rechtswidrig, so stellt sich die namentlich im Hinblick auf den mit einer fehlerhaften belastenden Nebenbestimmung versehenen begünstigenden Verwaltungsakt wichtige Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der rechtswidrige Teil den Verwaltungsakt im ganzen infiziert oder aber die Restregelung unberührt läßt. Isolierte Teilrechtswidrigkeit setzt zunächst voraus, daß ein Verwaltungsakt seinem Inhalt nach überhaupt teilbar ist. Das ist einmal bei nur äußerlicher Zu-
38 39 40 41 42
43
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P r O V G E 50, 248. O L G Celle N J W 1969, 2250. B a y V G H VerwRspr. 13, 283ff. B G H Z 2, 315, 317. Dagegen liegt keine rechtliche Unmöglichkeit vor, wenn ein Verwaltungsakt sich an einen von mehreren Berechtigten richtet und diesem eine Handlung gebietet, die er nur mit Zustimmung der anderen Berechtigten vornehmen darf (Beispiel : Abbruchverfügung gegen einen von mehreren Miteigentümern). Die Nebenberechtigung stellt jedoch ein Vollzugshindernis dar, das nachträglich durch Erlaß einer gegen die Mitberechtigten gerichteten Beseitigungs- oder Duldungsverfügung ausgeräumt werden muß, falls nicht die Mitberechtigten ihre Zustimmung geben. Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, S. 189; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr II, S. 182f. Handelt es sich bei der Ermächtigungsgrundlage um ein nachkonstitutionelles förmliches Gesetz, ist nach Art. 100 Abs. 1 G G zu verfahren.
Das Verwaltungshandeln
§ 1 5 II 3
sammenfassung mehrerer materiell selbständiger Anordnungen in einem Bescheid (ζ. B. Polizeiverfügung mit verschiedenen voneinander unabhängigen Befehlen) und zum anderen auch dann der Fall, wenn die nach Abtrennung des fehlerhaften Teils verbleibende Restregelung als selbständiger Verwaltungsakt für sich fortbestehen kann (ζ. B. rechtswidrig bedingte als unbedingte Erlaubnis). Es kommt weiter darauf an, ob die Behörde einen solchen Verwaltungsakt ohne die einschränkende Klausel hätte erlassen dürfen. Ist das nicht der Fall, ergreift die Rechtswidrigkeit den Verwaltungsakt im ganzen. Für die Teilnichtigkeit bestimmt § 44 Abs. 4 VwVfG in Anlehnung an § 139 BGB darüber hinaus, daß sie zur Gesamtnichtigkeit führt, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, daß die Behörde ohne ihn den Verwaltungsakt nicht erlassen hätte. Ob es sachlich gerechtfertigt ist, in dieser Weise die Erstreckung der Teilnichtigkeit vom „Verknüpfungswillen"44 der Verwaltung abhängig zu machen, erscheint angesichts der prinzipiellen strukturellen Unterschiede zwischen privatrechtlicher Willenserklärung und Verwaltungsakt zweifelhaft45. Die Verbindlichkeit des § 44 Abs. 4 VwVfG läßt sich indes durch solche Zweifel nicht in Frage stellen. Bei der Anwendung der Vorschrift ist davon auszugehen, daß im Gegensatz zu § 139 BGB die Teilnichtigkeit des Verwaltungsaktes die Regel, seine Gesamtnichtigkeit die Ausnahme sein soll 46 . Wird das berücksichtigt, so infiziert die Nichtigkeit einer Teilregelung die gültige Restregelung jedenfalls dann nicht, wenn diese ohne den nichtigen Teil hätte erlassen werden müssen47. Insoweit ist ein abweichender Behördenwille rechtlich irrelevant. Das ist anders, wo die Verwaltung nach Ermessen zu handeln befugt ist. Sofern keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt48, wird hier zu fragen sein, wie die Behörde bei Kenntnis der Teilnichtigkeit ihr Ermessen hinsichtlich der Restregelung zulässigerweise und vernünftigerweise betätigt hätte 49 . Das wird nicht selten, aber keineswegs ausnahmslos auf das Ergebnis der Gesamtnichtigkeit hinauslaufen. So würde etwa in dem oben (S. 178) gebildeten Beispiel die Nichtigkeit der Auflage die straßenrechtliche Erlaubnis ungeachtet des Umstandes unberührt lassen, daß es sich dabei um eine Ermessensentscheidung handelt. Das praktisch bedeutsamere Problem, ob die nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Aufhebbarkeit führende Rechtswidrigkeit einer Teilregelung die rechtmäßige
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46 47 48 49
Weyreuther, DVB1. 1969, 234 f. Vgl. W. Martens, DVB1. 1965, 428, 430ff.; Roellecke, DÖV 1968, 333, 340; Erichsen, VerwArch. 66 (1975), 299, 302ff. BT-Drucks. 7/910 S. 65. W. Martens, DVBl. 1965, 428, 431 ; Kopp, VwVfG, § 4 4 Anm. 8. Vgl. dazu oben § 12 II 2 c) cc). Ähnlich Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 44 Rdn. 7. 2; Kopp, VwVfG, § 44 Anm. 8. Eine derartige objektive Betrachtungsweise, die sich vom mutmaßlichen Parteiwillen entfernt, ist zunehmend auch bei der Handhabung des § 139 BGB zu beobachten; vgl. etwa Larenz, BGB Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1977 S. 406 ff. ; Soergel/Hefermehl, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Aufl. 1967, § 139 Rdn. 19. 189
§15
II 3
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Restregelung infiziert, ist positivrechtlich ausdrücklich nach wie vor nicht gelöst. Diese Lücke kann aber durch sinngemäße Anwendung des § 44 Abs. 4 VwVfG geschlossen werden. Das Verfahren der Analogie bietet sich deshalb an, weil zwischen Nichtigkeit und Aufhebbarkeit kein prinzipieller, sondern nur ein gradueller Unterschied besteht. Es ermöglicht, die Auswirkungen der Fehlerhaftigkeit eines Teils eines Verwaltungsaktes auf den Verwaltungsakt im ganzen anhand eines einheitlichen Maßstabs zu beurteilen 50 . Für die behördliche Feststellung auch der Teilnichtigkeit gilt § 44 Abs. 5 VwVfG. Ihre Feststellung durch das Verwaltungsgericht kann nach § 43 VwGO begehrt werden. Für den Fall, daß Fehlerfolge nicht Nichtigkeit, vielmehr bloße Aufhebbarkeit ist, sieht § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO die Möglichkeit einer teilweisen Aufhebung des Verwaltungsaktes durch das Verwaltungsgericht ausdrücklich („soweit") vor. Daher ist gegenüber einem rechtswidrig beschränkten begünstigenden Verwaltungsakt auch die auf die Aufhebung der fehlerhaften Teilregelung begrenzte Anfechtungsklage zulässig51. Die einer Begünstigung beigefügte rechtswidrige Auflage ist selbständig anfechtbar und aufhebbar, da sie inhaltlich als — wenngleich von der Begünstigung abhängiger — Verwaltungsakt erscheint 52 . Eine Ausnahme soll allerdings nach der neueren Rechtsprechung für die sog. modifizierende Auflage gelten, deren Eigenart darin gesehen wird, daß sie den Gegenstand der Genehmigung selbst berührt bzw. verändert. Eine solche Auflage soll integrierender Bestandteil des Verwaltungsaktes und selbständiger Anfechtung und Aufhebung entzogen sein 53 . Die Rechtsfigur der modifizierenden Auflage erscheint indes irreführend und entbehrlich 54 : Wird eine Begünstigung anders gewährt als beantragt (ζ. B. Baugenehmigung für ein Haus mit Flachdach statt des beantragten Satteldaches), liegt überhaupt keine Nebenbestimmung, sondern eine modifizierte Genehmigung vor. Vorhabenbezogene Auflagen (ζ. B. Festsetzung von Emissions- und Immissionswerten) folgen dagegen auch hinsichtlich des Rechtsschutzes den für Auflagen allgemein geltenden Regeln. Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn entweder die Behörde den begünstigenden Verwaltungsakt ohne die fehlerhafte Teilregelung hätte erlassen müssen oder das Gericht zu dem Ergebnis kommt, daß die Begünstigung uneingeschränkt hätte gewährt werden dürfen und die Verwaltung sie bei objektiver Betrachtung auch in Kenntnis der Fehlerhaftigkeit der Teilregelung gewährt hätte. Insoweit wird die in den Vorauflagen vertretene Auffassung aufgegeben. Vgl. W.Martens, DVBl. 1965, 428, 432; Erichsen, VerwArch. 66 (1975), 2 9 9 f f . ; ders., Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 67ff. ; Kopp, V w G O , § 4 2 Anm. 5 ; Meyer/Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 3 6 Rdn. 27f. 5 2 BVerwGE 36, 145, 153f.; 41, 178, 180f. 5 3 «BVerwGE 36, 145, 154; BVerwG D Ö V 1974, 380 und D Ö V 1974, 563; vgl. auch BayVGH BayVbl. 1973, 583 und 1977, 87; HessVGH J Z 1978, 21. 5 4 Vgl. auch Wolff/Bachof, VwR I, § 49 I f.); B.-F. Hoffmann, DVBl. 1977, 514ff.; für ihre Qualifikation als Bedingung Ehlers, VerwArch. 67 (1976), 369 ff. ; ausführlich zum Problem K. Lange, A ö R 102 (1977), 337ff. 50
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§16
Das Verwaltungshandeln
§16
Aufhebung von Verwaltungsakten durch die Verwaltung — Einführung Die im folgenden zu behandelnde Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung berechtigt oder verpflichtet ist, einen Verwaltungsakt wieder aufzuheben oder zu ändern, gehört zu den zentralen Problemen des gegenwärtigen Verwaltungsrechts, dessen Verfassungsabhängigkeit hier erneut sichtbar wird. Die Frage wird nicht etwa durch die gesetzliche Bestimmung von Widerspruchsund Klagefrist (§§ 70, 74 VwGO) beantwortet; denn die mit Fristablauf eintretende Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes (auch „formelle Bestandskraft" oder in Anlehnung an das Prozeßrecht „formelle Rechtskraft" genannt) wirkt nur gegenüber dem betroffenen Bürger, bindet aber nicht zugleich auch die Behörde an den von ihr erlassenen Verwaltungsakt. Das Verwaltungsrecht kennt ferner keine Vorschrift wie § 318 ZPO, der das Gericht an die Entscheidung bindet, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist. Verwaltungsakte erwachsen schließlich nicht in materielle Rechtskraft, wie sie formell rechtskräftigen Urteilen zukommt (§ 121 VwGO, §322 ZPO). Materielle Rechtskraft bedeutet Maßgeblichkeit des Entscheidungsinhalts eines formell rechtskräftigen Urteils für Parteien und Gerichte in einem späteren Prozeß1. Sie dient damit der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Verwaltungsakten kann allenfalls eine der materiellen Rechtskraft in ihrer Wirkung ähnliche materielle Bestandskraft (auch „Bindungswirkung" genannt) beigelegt werden, und dies auch nur insoweit, als sie nach Gegenstand, Verfahren und Inhalt urteilsähnlich sind. Urteilsähnlichkeit setzt voraus, daß ein Verwaltungsakt auf Grund eines abgeschlossenen Sachverhalts in einem prozeßähnlichen Verfahren ergeht und das Bestehen oder Nichtbestehen einer Berechtigung oder einer Verpflichtung feststellt, also streitentscheidend wirkt2. Das ist nur selten der Fall. In aller Regel wird es an einer oder mehreren dieser Voraussetzungen fehlen. So wirken etwa zahlreiche Verwaltungsakte im Dienst sozialgestaltender Funktionen der Exekutive jedenfalls auch in die Zukunft. Insoweit muß die Verwaltung elastisch bleiben und zur Reaktion auf wechselnde Lagen imstande sein. Außerdem bietet der Verwaltungsakt nur ausnahmsweise die Gewähr der Richtigkeit, wie sie dem Urteil auf Grund des rechtsförmlichen Verfahrens und der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters eignet. Daher obliegt es dem rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht, besondere Grundsätze für eine sachgerechte Beurteilung der Beständigkeit und Dauer von Verwaltungsakten zu entwickeln. Diese Grundsätze müssen einerseits den von der Verwaltung zu verfolgenden öffentlichen Interessen, andererseits aber auch den berechtigten 1 2
Vgl. Zeiss, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1976, § 7 0 ; Ule, VerwprozeßR § 5 9 . BVerfGE 2, 380, 3 9 2 - 3 9 4 ; BVerwGE 4, 250, 2 5 2 f . ; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, 1977 S. 180, 220. 191
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Individualinteressen des betroffenen Bürgers gerecht werden. Solche Prinzipien sind ursprünglich — abgesehen von einigen speziellen gesetzlichen Regelungen — vor allem von Rechtsprechung und Wissenschaft erarbeitet worden. Nunmehr haben sich die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder des Themas umfassend angenommen. Im Mittelpunkt der anschließenden Darstellung stehen daher die vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidungen. Sie sind am Modell des VwVfG des Bundes abzuhandeln. Die Ausführungen gelten aber zugleich auch für die VwVfGe der Länder, weil diese insoweit mit den bundesgesetzlichen Vorschriften übereinstimmen, und zwar entweder durch Verweisung darauf oder durch ihre wortgleiche Übernahme 3 . Auch in bezug auf die behördliche Aufhebung von Verwaltungsakten sind allerdings nach seinem § 2 wichtige Rechtsgebiete dem Anwendungsbereich des VwVfG entzogen 4 . Das Gesetz kommt ferner nicht zur Anwendung, soweit Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten (§ 1 Abs. 1 VwVfG). Solche Bestimmungen gehen auch den VwVfGen der Länder vor (Art. 31 GG). Das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht gilt mithin gegenüber fachgesetzlichen Sonderregelungen nur subsidiär. Diesen kommt Prüfungs- und Anwendungsvorrang zu. Daraus folgt im vorliegenden Zusammenhang, daß die Frage, ob die Verwaltung einen Verwaltungsakt aufheben oder ändern darf, erst dann am Maßstab des VwVfG des Bundes oder eines Landes5 zu beurteilen ist, wenn sie keine anderweitige bundesrechtliche Regelung erfahren hat 6 . Derartige Regelungen gibt es in nicht geringer Zahl7. Die behördliche Aufhebung eines Verwaltungsaktes setzt voraus, daß dieser wirksam geworden ist8. Ein wirksamer Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§43 Abs. 2 VwVfG). Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes durch die Verwaltung erscheint entweder als 3
Zusammenstellung der Landes-VwVfGe unten § 36 I. Bei der Bearbeitung verwaltungsrechtlicher Fälle ist selbstverständlich zu beachten, daß das V w V f G des Bundes nicht für die Ausführung von Landesrecht und nach seinem § 1 Abs. 3 nicht f ü r die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist. W o es um die Aufhebung eines Verwaltungsaktes durch eine der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 V w V f G genannten Behörden geht, muß also der Bearbeiter ebenso wie der Rechtsanwender das jeweils einschlägige Landes-VwVfG zugrunde legen.
4
So richtet sich die Aufhebung von Steuer-Verwaltungsakten nach §§ 1 3 0 f f . , 1 7 2 f f . A O 1977 (vgl. § 2 Abs. 2 N r . 1 V w V f G ) . Vgl. dazu Fn. 3. Entsprechende Vorbehalte zugunsten inhaltsgleicher und entgegenstehender landesrechtlicher Bestimmungen finden sich in den V w V f G e n der meisten Länder (Ausnahmen: Bremen, Saarland, Schleswig-Holstein). Beispiele bei Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 4 8 Rdn. 1 . 4 . 1 ; § 4 9 Rdn. 1. 4. Vgl. zur Wirksamkeit oben § 13.
5 6
7
8
192
§17 I
Das Verwaltungshandeln
Widerruf oder als Rücknahme. In Übereinstimmung mit der bisher schon weithin gebräuchlichen Terminologie nennt das Gesetz die Aufhebung eines rechtmäßig erlassenen Verwaltungsaktes „Widerruf", während die Aufhebung eines rechtswidrig erlassenen Verwaltungsaktes als „Rücknahme" bezeichnet wird. Widerruf und Rücknahme folgen je eigenen Rechtsregeln. Wesentlich ist sodann, ob sich Widerruf oder Rücknahme auf einen begünstigenden oder belastenden Verwaltungsakt beziehen. Dabei ist besonders zu beachten, daß ein Verwaltungsakt auch ambivalent sein kann 9 : Ein Rentenbescheid, der die begehrte Leistung lediglich teilweise gewährt, begünstigt den Rentner nicht nur, sondern belastet ihn zugleich insoweit, als die zuerkannte hinter der beantragten Rente zurückbleibt. Die Streichung der Rente ist also als Widerruf oder Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes, ihre Erhöhung als Widerruf oder Rücknahme eines belastenden Verwaltungsaktes zu beurteilen10.
§17 Der Widerruf begünstigender Verwaltungsakte I. Notwendigkeit des Widerrufs Es stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt ein Bedürfnis bestehen kann, einen Verwaltungsakt, der rechtmäßig erlassen wurde, aufzuheben. Die Regelung eines Verwaltungsakts erschöpft sich indes vielfach nicht mit seinen Erlaß. Häufig entfaltet er seine Wirkung auch in die Zukunft, sei es durch Begründung einer Verpflichtung (ζ. B. Ordnungspflicht), einer Berechtigung (ζ. B. Rentenberechtigung) oder einer Eigenschaft (ζ. B. Widmung), oder sei es in der Fortgeltung als rechtliche Grundlage für erbrachte Leistungen o. ä. Die Fortgeltung oder -wirkung der durch den Verwaltungsakt gesetzten Rechtsfolge läßt die Frage entstehen, wie sich Änderungen der Sach- und Rechtslage, die sich nach Erlaß des Verwaltungsakts ergeben, auswirken. Sie haben in der Praxis häufig den „Widerruf des Verwaltungsakts" zur Folge. So hat ζ. B. bei einer Inanspruchnahme nach dem Reichsleistungsgesetz der nachträglich aufgetretene Eigenbedarf des ehedem Leistungspflichtigen zum Widerruf des Beschlagnahme und Zuweisung regelnden Verwaltungsakts gegenüber dem begünstigten Leistungsempfänger geführt1. Die Bestellung eines Tierarztes zum Fleischbeschauer wurde widerrufen, da ein anderer Veterinär Anspruch auf den Beschaubezirk geltend
9 10
1
Bachof, Rspr. BVerwG II, S. 344. Vgl. auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, S. 2 4 4 f . ; Tipke/Kruse, gabenordnung, 8. Aufl. 1976ff., Vorbem. vor § 130 Rdn. 4.
Ab-
Vgl. HessVGH VerwRspr. 1 (1949), 38 (Bettfedernreinigungsmaschine) und O V G Lüneburg VerwRspr. 3 (1951), 675. 193
§ 1 7 II
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
machte 2 ; die Erlaubnis eines Rechtsanwaltes zur Abhaltung auswärtiger Sprechtage wurde widerrufen, als er am OLG zugelassen wurde 3 , und die später eingetretene schwierige Finanzlage einer Gemeinde bewog sie zur Aufhebung eines auf eine Geldleistung gerichteten Bewilligungsbescheides4. Die Erlaubnis zur Benutzung des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes wurde widerrufen, weil der Erlaubnisinhaber Mitbenutzer beleidigte5, und die Erlaubnis zur Aufstellung eines Zeitungskiosks hinter dem „Chor der Johanniskirche" wurde wegen Feilbietens von Heften der sog. Schmutz- und Schundliteratur6 aufgehoben. In dem einer Entscheidung des B G H 7 zugrunde liegenden Sachverhalt war die Genehmigung zur Errichtung einer Tankstelle erteilt worden. Als infolge eines neuen Planfeststellungsbeschlusses eine Änderung der Straßenführung und damit die Beseitigung der Tankstelle erforderlich wurde, widerrief die Gemeinde die Genehmigung. Das BVerwG hatte schließlich folgenden Fall zu entscheiden: Einem Wehrpflichtigen war nach seiner Einberufung eine finanzielle Sonderleistung bewilligt worden. Als aus finanziellen Gründen die dem Bewilligungsbescheid zugrunde liegende Gesetzesvorschrift gestrichen wurde, stellte die Wehrverwaltung die Zahlung ein und widerrief den Bewilligungsbescheid8. In allen diesen Entscheidungen ging es um die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der zu einer rechtlichen Besserstellung des Adressaten führte. Seinem Interesse an der Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts für die Zukunft begegnet das von den Behörden verfolgte Interesse an der Beseitigung des Verwaltungsakts.
II. Die Regelung des Widerrufs begünstigender Verwaltungsakte Die Regelung des Widerrufs ist Gegenstand vielfacher bundesgesetzlicher Regelungen. Beispielhaft sei an dieser Stelle auf § 15 Abs. 2 und 3 GaststättenG 9 , § 21 BImSchG, §17 Abs. 3 - 5 AtomG, §4 Abs. 2 ApothekenG und §47 Abs. 2 - 4 WaffG hingewiesen. Diese Regelungen gehen, soweit sie inhaltsgleich oder entgegenstehend sind und letzteres ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn sie — was häufig der Fall sein wird — abschließend gemeint sind, gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG des Bundes der in § 49 dieses Gesetzes enthaltenen Regelung des Widerrufs von Verwaltungsakten vor. Gleiches gilt gemäß Art. 31 G G im Verhältnis zu den 2 3 4 5 6 7
8 9
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H e s s V G H VerwRspr. 5 (1953), 701. BVerwGE 1, 99. B G H VerwRspr. 6 (1954), 308. BVerwGE 18, 34. V G H Stuttgart VerwRspr. 6 (1954), 569. B G H N J W 1970, 1178 = DÖV 1970, 421; vgl. dazu Menger 61 (1970), 384 f. BVerwGE 36, 71. Vgl. dazu BVerwGE 49, 160ff.
und Erichsen,
VerwArch.
Das Verwaltungshandeln
§17
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Regelungen in den VwVfGen der Länder über den Widerruf von Verwaltungsakten. Die diesbezüglichen in den Vcrwialtungsverfahrensgesetzen der Länder enthaltenen Vorschriften treten darüber hinaus nach dem in fast allen Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder 1 0 festgelegten Vorrang gegenüber inhaltsgleichen oder entgegenstehenden landesrechtlichen Vorschriften zurück. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang insbesondere die im Ordnungs- und Polizeirecht der Länder enthaltenen Vorschriften über den Widerruf von Ordnungs- und Polizeiverfügungen 11 . D a sie nicht inhaltsgleich mit der in § 49 V w V f G e der Länder getroffenen Regelung sind, stellt sich jeweils die Frage, ob sie als abschließende gemeint und damit als entgegenstehende zu begreifen sind 1 2 . Die Regelungen über den Widerruf in den VwVfGen des Bundes und der Länder gehen im Grunde kaum über jenen Erkenntnisstand hinaus, der bereits die Regelung des § 42 P r P V G bestimmte. D e r Grund dafür liegt darin, daß die Verwaltungsrechtswissenschaft die Fragen des Widerrufs von Verwaltungsakten nach dem 2. Weltkrieg vernachlässigt hat. Nachdem Rechtsprechung 1 3 und Wissenschaft 1 4 anfänglich den Grundsatz der freien Widerrufbarkeit von Verwaltungsakten vertreten hatten, führte der Rückgriff auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes alsbald zu einer Abkehr von diesem Prinzip 1 5 . Im einzelnen ist indes vieles unklar geblieben, zeigen Rechtsprechung und Schrifttum keine klare Linie. D e r diffuse Grundsatz des Vertrauensschutzes 16 bestimmt weitgehend die gewonnenen Ergebnisse, die sich allerdings insoweit auf einen Nenner bringen lassen, als der Widerruf begünstigender Verwaltungsakte nur in Ausnahmefällen, d. h. bei Vorliegen besonderer Gründe für zulässig erachtet wurde. Bei der Entscheidung über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte stoßen das Interesse des Begünstigten am Bestand des Verwaltungsakts (Vertrauensschutz) einerseits und das für eine Aufhebung streitende, von der Verwaltung verfolgte öffentliche Interesse andererseits aufeinander. Zur Lösung des Gegensatzes von individuellem und öffentlichem Interesse stellt das G G in den Grundrechten Direktiven bereit, die auch für die Schutzwürdigkeit eines auf Bestand von Rechten gerichteten Vertrauens 1 7 , damit auch für den Widerruf von Verwaltungsakten 10
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Eine Ausnahme gilt für Bremen. Das VwVfG des Saarlandes sieht in § 96 vor, daß entgegenstehende oder inhaltsgleiche Vorschriften vier Jahre nach Inkrafttreten des VwVfG außer Kraft treten. Zur Rechtslage in Schleswig-Holstein vgl. §§315 ff. ShLVwG. Vgl. § 10 Abs. 2 HessSOG, § 31 NdsSOG, § 24 NWOBG, § 49 RhPfPVG. Dazu auch Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 114. Vgl. BVerfGE 2, 380, 393 f. Vgl. Forsthoff, VwR, 1. Aufl. 1950 S. 201. Vgl. BGH VerwRspr. 5 (1953), 278; BayVGH VerwRspr. 3 (1951), 316; Haueisen, NJW 1955, 1457, 1458, 1459 m. w. N . ; Kimminich, JuS 1965, 249, 257. Vgl. Ossenhühl, DÖV 1972, 25f.; Grabitz, DVB1. 1973, 675; Schmidt, JuS 1973, 529; Kisker, WDStRL 32 (1974), 150ff. ; Püttner, WDStRL 32 (1974), 200, 206 alle m. w. N. Zur Verortung des Vertrauensschutzes in den Grundrechten vgl. BVerfG NJW 1977, 2024, 2025/2026. Darüber hinaus W. Schmidt, JuS 1973, 529, 531f. und Maurer, in: 195
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und somit für die diesbezüglichen Regelungen der VwVfGe von Bedeutung sind 1 8 . Dabei ist zu beachten, daß zwei verschiedene Arten von Begünstigungen durch Verwaltungsakt herbeigeführt werden können. Einmal können Verwaltungsakte die Ausübung einer grundrechtlich garantierten Freiheit zulassen und zum anderen können sie Rechte konstitutiv zuerkennen. Daß die Erteilung einer Erlaubnis, die von einem präventiven Verbot befreit, grundrechtlich geschützte Handlungsfreiheit wieder herstellt, ist inzwischen anerkannt 1 9 . So stellt die Bauerlaubnis 20 nach ganz überwiegender Meinung die Eigentümerbefugnis des Art. 14 GG wieder her 2 1 , und die Approbation des Arztes aktualisiert dessen Berufsfreiheit aus Art. 12 GG ebenso wie die Gaststättenerlaubnis die Berufsfreiheit des Gewerbetreibenden 22 . Demgegenüber geht die h. M. davon aus, daß beim Dispens, d. h. bei der Ermächtigung der Verwaltung, unter bestimmten gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen im Einzelfall eine Befreiung von zwingenden Verbotsvorschriften zu erteilen 23 , ein repressives Verbot durchbrochen und damit grundrechtlich garantierte Freiheit nicht wieder hergestellt werde. Mit ihm werde mehr gewährt, als die Behörde zu gewähren verpflichtet gewesen sei 24 . Er könne daher nach „freiem aber pflichtgemäßen Ermessen widerrufen werden, also auch dann, wenn die Behörde ihre Ansicht ändert" 2 5 . Diese Ansicht verkennt, daß der Dispens heute als Mittel zur Aktualisierung und Sicherung größtmöglicher Geltung der Grundrechte zu verstehen ist. Grundrechtseinschränkende Gesetze müssen gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und Gleichheit allgemein sein. Das den Grundrechtseingriff legitimierende öffentliche Interesse muß also als Tatbestand der Norm in abstrakten Falltypen erfaßt werden. Die damit regelmäßig verbundene Verallgemeinerung und Schematisierung führt dazu, daß die abstrakte Formulierung auch den einen oder anderen Sachverhalt erfaßt, in dem der von der Norm vorgesehene Eingriff zur Erreichung des mit dem Gesetz verfolgten Zwecks nicht erforderlich oder im Bezug
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Festschr. zum 50-jährigen Bestehen des Richard Boorberg Verlags, 1977 S. 223f., 226f., 248 f. Vgl. Menger und Erichsen, VerwArch. 61 (1970), 384f., 388; Ansätze bei Kimminich, JuS 1965, 249, 258. Vgl. auch Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 118. Vgl. BVerfGE 20, 150, 154f.; Ossenbühl, DÖV 1968, 618, 624. Vgl. schon PrOVGE 28, 371, 372; ferner BGH MDR 1964, 487. BVerwGE 16, 116, 120; 22, 129, 133; 42, 115, 116; 48, 271, 273; vgl. dazu Friauf, DVB1. 1971, 713, 719f. Vgl. BVerwGE 49, 160, 168. Vgl. BVerwGE 48, 123, 127; BVerwG NJW 1977, 120. Vgl. BVerfGE 25, 112, 116, 119f. ; 9, 338, 353f. und die Argumentation des BGH DÖV 1970, 421 und bei Ossenbühl, DÖV 1968, 618, 624, 625; ferner Hans Joachim Müller, DÖV 1969, 119, 126. Forsthoff, VwR, S. 268; vgl. auch E. R. Huber, AöR 78 (1952/53), 113, 114f.; BGH MDR 1964, 487. Α. A. Wolff/Bachof VwR I, § 53 IV e 6.
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zu ihm unverhältnismäßig ist 26 . Der Dispens eröffnet in diesen Fällen die Möglichkeit, eine Verletzung des Übermaßverbotes zu vermeiden. Damit gehört auch die durch Dispens eingeräumte Freiheit zum Schutzbereich der Grundrechte 27 . Erlaubnis und Dispens haben also grundrechtsaktualisierenden Charakter. Der Widerruf solcher Verwaltungsakte setzt das gesetzliche Verbot der Grundrechtsausübung erneut in Geltung; er bedeutet also eine Verkürzung grundrechtlich garantierter Möglichkeit, Freiheit auszuüben, und stellt daher einen Eingriff dar. So aktualisiert die Genehmigung, anläßlich eines Volksfestes auch an Sonn- und Feiertagen Einzelhandelsgeschäfte geöffnet zu halten 28 , etwa Art. 12 Abs. 1 G G . Ihr Widerrruf muß daher mit den für Eingriffe in die Berufsausübung geltenden Anforderungen übereinstimmen, d. h. auf gesetzlicher Grundlage beruhen und unter Zugrundelegung der aus dem Übermaßverbot 29 vom BVerfG entwickelten Stufenlehre 30 von „vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls" 31 getragen sein. Auch die Erlaubnis zur Aufstellung mechanisch betriebener Spielgeräte32 kann nur widerrufen werden, wenn die Kautelen der Art. 12, 14 G G eingehalten sind. Werden durch Verwaltungsakt Ansprüche auf Leistungen bewilligt oder Rechtspositionen zuerkannt, die von den grundrechtlich garantierten Handlungsfreiheiten nicht umfaßt sind 33 , geht es also nicht um die Wiederherstellung grundrechtlicher Freiheiten 34 , so ergibt sich für die Heranziehung grundrechtlicher Entscheidungsdirektiven zur Regelung des Widerrufs von Verwaltungsakten ein anderer Ansatz. Es stellt sich nämlich im Hinblick auf den jeweiligen Verwaltungsakt die Frage, ob
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Vgl. ausführlich dazu Erichsen, DVB1. 1967, 269ff. ; dem., Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 S. 9 6 f S c h w a b e , JuS 1973, 133ff.; BVerwGE 40, 268, 271 f.; 48, 123, 127f. ; BVerwG DVB1. 1975, 895, 897; BVerwG N J W 1977, 120. So auch Hoppe, DVB1. 1969, 340, 3 4 6 f . ; Schwabe, JuS 1973, 133, 137f.; Mengerl Erichsen, VerwArch. 61 (1970), 384, 388; Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 94 ff. Vgl. B G H AöR 78 (1952/53), 102f. Vgl. Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 S. 29f. Vgl. dazu auch — in Bezug auf den Widerruf einer Gewerbeerlaubnis — BVerwGE 49, 160, 168 f. BVerfGE 7, 377ff. BVerfGE 7, 377, 404 f. Vgl. B G H Z 24, 100. Zur Frage, ob die Grundrechtsgewährleistungen Leistungsansprüche bzw. Teilhaberechte umfassen vgl. etwa W. Martens und Haberle, W D S t R L 30 (1972), 7ff., 43ff. ; BVerfGE 33, 303ff.; 43, 291, 313ff. und v. Mutius, VerwArch. 64 (1973), 1 8 3 f f , ; R u p p , AöR 101 (1976), 161, 176ff., 183ff.; Krebs, DVB1. 1977, 632, 634f.; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2 Aufl. 1976 S. 80f. Vgl. B G H VerwRspr. 5 (1953), 278: Widerruf eines einem Assessor Unterstützung bewilligenden Verwaltungsakts wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben. BGH VerwRspr. 6 (1954), 308: Widerruf der Bewilligung von Trennungsentschädigung wegen akuter Finanznot. BVerwGE 36, 71 : Widerruf eines Verwaltungsakts, der einem Wehrpflichtigen Sonderleistungen bewilligte, wegen Gesetzesänderung.
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die durch ihn geschaffene Rechtsposition des Schutzes ζ. B. des Art. 14 Abs.l G G oder anderer Grundrechte 3 5 teilhaftig sind. Vermögenswerte subjektive öffentliche Rechte sollen etwa dann von Art. 14 Abs. 1 G G geschützt sein, wenn sie durch eigene Leistung und/oder eigenen Kapitalaufwand erworben sind, sich also als Äquivalent eigener Leistung erweisen und nicht auf einseitiger staatlicher Gewährung beruhen 3 6 . Erfüllen die zuerkennenden Verwaltungsakte diese Voraussetzungen, ist ihr Widerruf gemäß Art. 14 G G nur rechtmäßig, wenn er auf der Grundlage eines Gesetzes erfolgt, welches die Sozialbindung des Eigentums konkretisiert oder den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 G G genügt 37 . Ausgehend von diesen Überlegungen sind die Regelungen der VwVfGe über den Widerruf von Verwaltungsakten zu würdigen und zu interpretieren. § 49 Abs. 2 VwVfG 3 8 legt fest, daß ein begünstigender rechtmäßiger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft, also ex nunc 3 9 , nur 4 0 widerrufen werden darf, wenn bestimmte Gründe vorliegen. Damit bekennt diese Vorschrift sich im Grundsatz zur Unwiderrufbarkeit begünstigender Verwaltungsakte, berücksichtigt aber gleichzeitig die auch schon in § 42 PrPVG zum Ausdruck gekommene Auffassung, daß der Vertrauensschutzgedanke für die Verwaltung keine absolute Aufhebungssperre bewirkt. Auch unter Berücksichtigung dessen bleibt jedoch die Regelung des § 50 VwVfG problematisch. Danach soll bei Anfechtung eines begünstigenden Verwaltungsaktes durch einen Dritten die Regelung des §49 Abs. 2 VwVfG nicht gelten, wenn der Widerruf erfolgt, um dem Widerspruch oder der Klage abzuhelfen. Dies kann einmal geschehen, wenn der erlassene Verwaltungsakt im Vorverfahren als unzweckmäßig erkannt und daher aufgehoben wird. Ein rechtmäßig erlassener Verwaltungsakt kann aber auch im Vorverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum Zwecke der Abhilfe widerrufen werden, wenn eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist, die bei der Sachentscheidung zu berücksichtigen ist 41 . Die Regelung des § 50 VwVfG zielt offenbar darauf ab, zugunsten der Behörde, die den begünstigenden Verwaltungsakt erlassen hat, den Grundsatz der freien Widerrufbarkeit für die Dauer des Vorverfahrens und eines verwaltungsgericht35 36
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Vgl. Menger/Erichsen, VerwArch. 61 (1970), 384, 388. So BVerfGE 11, 221, 226; 22, 241, 253; 24, 220, 225f.; kritisch dazu Menger/Erichsen, VerwArch. 61 (1970), 384, 385, 386. Vgl. auch Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 118 ff. sowie jetzt auch BVerfGE 40, 65, 82 f. und BVerfG N J W 1977, 2046, 2047. Vgl. auch W. Schmidt, JuS 1973, 529, 532. Damit sind hier und im folgenden sowohl das VwVfG des Bundes als auch die VwVfGe der Länder gemeint. Vgl. dazu Wolff/Bachof, VwR I, § 53 IV g 2. Es handelt sich um eine abschließende Regelung. Vgl. Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 49 Rn. 6; Kopp, VwVfG, § 49 Anm. 5. Vgl. dazu im einzelnen etwa Eyermann/Fröhler, V w G O , § 113 Rn. Iff.
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liehen Prozesses wirksam werden zu lassen und den numerus clausus der Widerrufsgründe zu beseitigen. Es wird insoweit darauf verwiesen, daß der durch den Verwaltungsakt Begünstigte im Falle der Anfechtung der Begünstigung ohnehin nicht auf den Bestand des Verwaltungsakts vertrauen dürfe 42 . Dabei wird zum einen nicht hinreichend in Rechnung gestellt, daß dieser Vertrauensschutz, soweit er grundrechtlich unterfangen ist, auch vom Gesetzgeber nicht ohne weiteres für unbeachtlich erklärt werden darf. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, daß § 50 VwVfG mit der Außerkraftsetzung des § 49 Abs. 2 VwVfG die gesetzliche Grundlage für den Widerruf durch die erlassende Behörde beseitigt. Einer solchen gesetzlichen Grundlage bedarf es aber, wenn, wie oben dargelegt, der Widerruf von Verwaltungsakten in grundrechtlich gewährleistete Rechtspositionen des einzelnen eingreift. Darüber hinaus begegnet die Regelung des § 50 VwVfG auch insoweit verfassungsrechtlichen Bedenken, als sie beim Widerruf im Rechtsbehelfsverfahren den in § 49 Abs. 5 VwVfG vorgesehenen Anspruch auf Entschädigung ausschließt und dies nach dem eindeutigen Wortlaut auch dann uneingeschränkt gilt, wenn es um die Aufhebung eines Verwaltungsakts geht, der eine dem Schutz des Art. 14 GG unterfallende Rechtsposition begründet hat. Der grundrechtlich gewährleistete Vertrauensschutz schließt indes die gesetzliche Einräumung einer Widerrufsmöglichkeit nicht aus, die an den ausdrücklichen Hinweis anknüpft, daß überhaupt kein Vertrauen in den Verwaltungsakt investiert werden durfte. Das ist entsprechend der in § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG getroffenen Regelung dann der Fall, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschriften zugelassen ist oder wenn die Verwaltung dem Verwaltungsakt — zu ergänzen ist: zulässigerweise43 — einen Widerrufsvorbehalt beigefügt hat 44 . Auch der zulässige Widerrufsvorbehalt läßt indes den Widerruf nicht aus jedem beliebigen, sondern nur aus jenen Gründen zu, die die Beifügung des Widerrufsvorbehalts rechtfertigen 45 . Mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben ist es auch vereinbar, einen Verwaltungsakt zu widerrufen, wenn Anlaß zum Widerruf ein Verhalten des Begünstigten selbst war, durch das er Verhaltenserwartungen, die die Verwaltung zulässigerweise durch Beifügung einer Auflage zum Ausdruck gebracht hat, nicht entspricht 46 oder sie zu enttäuschen droht 47 . Dementsprechend sieht die in § 49
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Vgl. etwa Kopp, VwVfG, § 50 Anm. 1; Knack (Fn. 40) § 50 Rn. 2.2.3. Vgl. auch Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 114f. Wie hier auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977 S. 256; Knack (Fn. 40) § 4 9 Rn. 6 . 1 . A . A . Kuhn, Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein, 1968, § 1 1 7 Anm. 13; grundsätzlich auch Kopp, VwVfG, § 4 9 Anm. 6 a. Vgl. dazu I. v. Münch, JZ 1964, 53f. und 121 ; Wolff/Bachof VwR I, § 53 IV d 2. Vgl. dazu auch Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 1 1 5 f f . ; Knack (Fn. 40) § 49 Rn. 6.1; Wolff/Bachof, VwR I, § 49 Ic; Kopp, VwVfG, § 36 Anm. 5 c. Vgl. Forsthoff, VwR, S. 265, 266 und aus der Rspr. BayVGH VerwRspr. 3 (1951), 316, 318 f. ; Β GHZ 24, 100. So BayVGH VerwRspr. 3 (1951), 316, 318f. 199
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Abs. 2 Nr. 2 VwVfG getroffene Regelung bei Nichterfüllung oder nicht fristgemäßer Erfüllung einer zulässigen Auflage den Widerruf vor 48 . Ist eine Auflage nach den einschlägigen Vorschriften, also etwa nach § 36 VwVfG, zulässig beigefügt, so darf der Verwaltungsakt jedoch selbst bei Nichterfüllung nicht ohne weiteres widerrufen werden. Auch wenn es im Ermessen der Verwaltung steht, ob sie die Auflage selbständig erzwingen oder den Verwaltungsakt widerrufen will 49 , so wird doch das Ubermaßverbot in der Regel gebieten, daß die Behörde zunächst die Erfüllung der Auflage zu erreichen sucht 50 . Darüber hinaus sind in §49 Abs. 2 Nr. 3—5 VwVfG weitere Widerrufs gründe vorgesehen. So wird in § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG der Widerruf für zulässig erklärt, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. In dieser Regelung kommt das frühere ius eminens51, das auch in § 74 Einl. ALR seinen Niederschlag gefunden hat, zum Tragen. Angesichts des Ausnahmecharakters dieser Widerrufsbefugnis wird man § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG eng auszulegen und an die Gefährdung oder Beeinträchtigung des Gemeinwohls hohe Anforderungen zu stellen haben 52 . Alle diese Widerrufsgründe gelten gemäß § 38 Abs. 2 VwVfG auch für die Zusicherung. In § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG ist ein Widerruf dann vorgesehen, wenn die Behörde berechtigt wäre, den Verwaltungsakt aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen — Änderung der Sachlage — nicht zu erlassen. Ist der begünstigende Verwaltungsakt in Vollzug einer Rechtsnorm erlasen worden, so kann die Änderung der Sachlage dazu führen, daß die den Tatbestand dieser Rechtsnorm erfüllenden Tatsachen nicht mehr vorliegen. Handelt es sich dabei um eine Ermessensermächtigung, so kann die Änderung der Sachlage in diesem wie im Fall nicht gesetzesdirigierter Vergünstigung auch dazu führen, daß die Verwaltung bei einem nunmehr gestellten Antrag die Vergünstigung versagen müßte, weil eine andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre; sie kann schließlich dazu führen, daß die Verwaltung die Vergünstigung ermessensfehlerfrei versagen dürfte, ohne daß andererseits eine für den Bürger positive Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre. Auch
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Vgl. Haueisen, N J W 1955, 1457, ]460; Kimminich, JuS 1965, 249, 257; Forsthoff, VwR, S. 265, 266; B G H Z 24, 100, 101; BayVGH VerwRspr. 3 (1951), 316, 321. Vgl. B G H Z 24, 100, 102. Wobei eine selbständige Erzwingung nicht für erforderlich angesehen wird, sondern Widerruf unter Bestimmung einer Frist für die Erfüllung der Auflage angedroht werden darf. So Haueisen, NJW 1955, 1457, 1460. Vgl. jetzt auch Kopp, VwVfG, § 4 9 Anm. 6 b; Knack (Fn. 40) § 4 9 Rn. 6 . 2 . ; Meyer/Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 49 Rn. 10. Dazu Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971 S. 44f., 159f. Vgl. Knack (Fn. 40), § 4 9 Rn. 6.5. ; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977 S. 257; ähnlich auch Maurer, JuS 1976. 485. 493.
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der letztgenannte Fall würde die erste der in §49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG für den Widerruf von Verwaltungsakten normierten Voraussetzungen erfüllen ; doch ist zu beachten, daß nach diesen Vorschriften ein Widerruf stets nur dann zulässig ist, wenn des weiteren ohne Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet, ein neuerlicher Erlaß des Verwaltungsakts also Ermessensmißbrauch wäre 53 . Schließlich ist die Behörde gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG berechtigt, den Verwaltungsakt zu widerrufen, falls sie aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit von der Vergünstigung noch kein Gebrauch gemacht oder aufgrund des Verwaltungsakts noch keine Leistung empfangen worden ist und ohne Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre 54 . Neben die Änderung der Rechtslage — eine veränderte Rechtsprechung genügt dagegen nicht55 — und die Gefährdung des öffentlichen Interesses, tritt also als weiteres Erfordernis, daß noch kein Gebrauch von der Vergünstigung gemacht worden ist, also noch kein Vertrauen in die durch den Verwaltungsakt individualisierte Rechtslage investiert worden ist 56 . Diese Investition wird in der Regel in dem Beginn der Verwirklichung des genehmigten Werkes (sog. Inswerksetzen) oder in der Vornahme besonderer Anstalten57 zu sehen sein. Der Gedanke des Widerrufausschlusses wegen Inswerksetzung hat sich — soweit ersichtlich — zunächst im Baurecht entwickelt58, und der geradezu „klassische Fall" (Forsthoff) ist der des Beginns der Bauausführung aufgrund der Bauerlaubnis mit dem ersten Spatenstich59. Später wurde diese Überlegung auf andere Bereiche übertragen und nicht nur auf andere Erlaubnisse, sondern auch auf den leistungsgewährenden Bewilligungsbescheid angewandt. Demgegenüber endet gemäß § 38 Abs. 3 VwVfG bei einer Zusicherung die Bindungswirkung schon dann, wenn die Behörde — bei Änderung der Sach- und/oder Rechtslage — neuerlich die Zusicherung nicht mehr hätte geben dürfen oder — bei nunmehr eingeräumten Ermessen oder Änderung der im Rahmen der Ermessensentscheidung erheblichen Tatsachen — nicht mehr gegeben hätte60. Nach § 49 Abs. 2 VwVfG „darf" ein Verwaltungsakt widerrufen werden. Es handelt sich also um eine Ermächtigung, die der Verwaltung Ermessen einräumt.
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Vgl. dazu Wolff/Bachof, VwR I, §53 IV d 4. Vgl. dazu Wolff/Bachof, VwR I, §53 IV d 5; vgl. im einzelnen auch Kopp, VwVfG, § 49 Anm. 6 d. Vgl. auch unten § 19 I. Vgl. dazu auch Haueisen, NJW 1955, 1457, 1459; OVG Lüneburg VerwRspr. 3 (1951), 675, 678; HessVGH VerwRspr. 1 (1949), 38; Kimminich, JuS 1965, 249, 257. Siehe Forsthoff, VwR, S. 269 m. w. N.; Kimminich, JuS 1965, 249, 257; BGH MDR 1963, 915. Vgl. z.B. PrOVGE 24, 395 und 28, 378; Schoen, in: Festgabe für Pr. OVG, 1925 S. 118, 134. O. Mayer, VwR I, S. 254. Vgl. auch BVerwG NJW 1976, 686, 687. 201
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Bei der Entscheidung über die Ausübung des Ermessens hat sie die Grundrechtsrelevanz des Widerrufs zu prüfen und die sich daraus ergebenden Entscheidungsdeterminanten zu beachten. Die Ausschlußfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG, die zur absoluten, auch die Verwaltung bindenden Bestandskraft führt, gilt auch im Falle des § 49 Abs. 2 VwVfG. Erhält also die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes rechtfertigen — in Betracht kommen hier die Fälle des § 49 Abs. 2 Nr. 2 , 3 , 4 und 5 VwVfG — so ist der Widerruf nur innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung zulässig. In den Fällen des § 4 9 Abs. 2 Nr. 3 - 5 VwVfG hat nach der in § 4 9 Abs. 5 VwVfG ausdrücklich vorgesehenen Regelung die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, daß er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. Die Frage der Schutzwürdigkeit des Vertrauens ist im Falle des § 49 Abs. 2 Nr. 3—5 VwVfG anders zu beurteilen, als im Zusammenhang der Regelungen des § 48 VwVfG. Geht es dort um die Stabilisierung einer rechtswidrig erteilten Begünstigung bzw. um den Ausgleich des durch Rücknahme dieser Begünstigung entstandenen Vermögensnachteils, so handelt es sich im Falle des § 49 Abs. 5 VwVfG um eine vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 3 GG oder des Aufopferungsanspruchs 61 zu gewährende Entschädigung. Sie ist grundsätzlich zu gewähren und kann nur dann ausgeschlossen oder verringert werden, wenn entsprechend dem in § 254 BGB zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken 62 eine Verletzung von Obliegenheiten vorliegt, die den Begünstigten treffen; er also etwa den nachträglichen Eintritt von Tatsachen, die zum Widerruf führen, unter Verletzung von Sorgfaltspflichten, etwa um die Entschädigung zu erhalten, herbeigeführt hat 63 . Das Ausmaß der Entschädigung ist gemäß § 49 Abs. 5 S. 2 VwVfG auf den Betrag des Interesses begrenzt, welches der Betroffene am Bestand des Verwaltungsakts hat. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden, wobei diese Frist erst beginnt, wenn die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist nach § 49 Abs. 5 S. 3 VwVfG der ordentliche Rechtsweg gegeben. Gemäß § 49 Abs. 3 VwVfG wird der widerrufene Verwaltungsakt mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt. Da die Widerrufserklärung ein Verwaltungsakt ist, gilt hinsichdich ihrer Wirksamkeit die Regelung des § 43 VwVfG. Gegen sie kann Widerspruch und Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden.
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Vgl. dazu auch Kopp, VwVfG, § 49 Anm. 9. Zur Anwendbarkeit dieses Rechtsgedankens im öffentlichen Recht vgl. Erichsen, Arch. 63 (1972), 223 f. Vgl. dazu auch Knack (Fn. 40) §49 Rn. 7.3.
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Das Verwaltungshandeln §18
Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte I. Vom Grundsatz freier Rücknahme zum Vertrauensschutz Bei der Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes ist von der lex scripta auszugeben. Die Verwaltungsgesetze enthielten jedoch bis vor kurzem nur fragmentarische Regelungen der Voraussetzungen, unter denen ein zu Unrecht erlassener oder nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakt durch die Verwaltungsbehörde zurückgenommen werden muß oder darf 1 . Rechtsprechung und Lehre sahen sich daher vor die Aufgabe gestellt, allgemeine Rechtsgrundsätze für die Beurteilung der Zulässigkeit der Rücknahme zu entwickeln. Die traditionelle Auffassung in Lehre und Rechtsprechung hat die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte nicht als Problem empfunden. Sie ging nahezu einhellig dahin, daß die Behörde wenn nicht gar verpflichtet so doch jedenfalls berechtigt sei, einen als rechtswidrig erkannten Verwaltungsakt voraussetzungslos zurückzunehmen. Umstritten war lediglich, welche zeitliche Wirkung der Rücknahme beizumessen sei. Während einerseits dafür plädiert wurde, sie regelmäßig nur in die Zukunft (ex nunc) wirken zu lassen, wurde andererseits dem Grundsatz der in die Vergangenheit zurückwirkenden (ex tunc) Rücknahme der Vorzug gegeben. Begründet wurde jene Auffassung im wesentlichen mit dem Hinweis auf das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dessen Verletzung durch die Beseitigung des rechtswidrigen Verwaltungsaktes wieder geheilt werde 2 . Zur Uberwindung der Regel der freien Rücknehmbarkeit des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes hat wesentlich ein Urteil des O V G Berlin vom 14. 11. 1956 beigetragen, das vom BVerwG bestätigt worden ist 3 . Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Klägerin, einer in der D D R lebenden Beamtenwitwe, wurde vom beklagten Berliner Innensenator bescheinigt, daß ihr ein Anspruch auf Versorgung zustehe, sofern sie ihren Wohnsitz in Westberlin begründe. Daraufhin siedelte die Klägerin dorthin über. Nunmehr setzte der Beklagte das Witwengeld der Klägerin fest. Als sich später herausstellte, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung nicht erfüllt waren, stellte der Beklagte die Zahlung des Witwengeldes ein und teilte der Klägerin mit, sie müsse die überzahlten Versorgungsbezüge zurückzahlen. Der Fall zeigt deutlich die Unzulänglichkeit der früheren Auffassung, weil und soweit sie das schutzwürdige Vertrauen des Adressaten in die Rechtsbeständigkeit 1 2 3
Vgl. z. B. § 12 B B G ; § 53 Abs. 2 G e w O ; § 15 GastG; § 2 5 PBefG; §§ 78, 88 G ü K G . Vgl. zuletzt Forsthoff, VwR, S. 261. DVB1. 1957, 503 und BVerwGE 9, 251 ff.; vgl. dazu Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 103 ff. 203
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des begünstigenden Verwaltungsaktes unberücksichtigt läßt. Dieses Vertrauen ist auch von Rechts wegen schutzfähig. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist nämlich nur eines von mehreren Elementen des Rechtsstaatsprinzips. Dieses Prinzip enthält daneben auch den Grundsatz der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, aus dem sich für das in Rede stehende Problem der Gedanke des Vertrauensschutzes des Begünstigten ableiten läßt 4 . Gesetzmäßigkeit und Rechtssicherheit sind als Bestandteile des beide Erscheinungen umschließenden Rechtsstaatsprinzips verfassungsrechtlich gleichrangig und gleichwertig. Daraus folgt, daß die Lösung im konkreten Konflikt der Rechtsgüter und Interessen nur durch ihre Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls gewonnen werden kann. Rechtsprechung und Lehre haben demgemäß die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nur zugelassen, soweit das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung das Vertrauen des durch den Verwaltungsakt Begünstigten auf die Rechtsbeständigkeit der behördlichen Entscheidung überwog5. In die Verwaltungsverfahrensgesetze von Bund und Ländern6 hat diese Beschränkung der Rücknahmebefugnis nur teilweise Eingang gefunden. Zwar ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes jetzt positivrechtlich anerkannt; ihm wird aber in unterschiedlicher Weise Rechnung getragen (§ 48 VwVfG) : Bei Geld- oder Sachleistungen auf Grund eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes bleibt Vertrauensschutz Bestandsschutz (s. unten II.), dagegen soll bei anderen Begünstigungen durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt Vertrauen nur im Wege eines finanziellen Ausgleichs geschützt werden, jedoch der Rücknahme des Verwaltungsaktes nicht entgegenstehen (s. unten III.) Vertrauensschutz entfällt, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung7 von dem Dritten angefochten und daraufhin von der Behörde im Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO) oder während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zurückgenommen wird (§ 50 VwVfG). Diese Regelung beruht auf der Erwägung, daß der Begünstigte einen solchen Schutz so lange nicht verdient, wie ein zulässigerweise8 anhängig gemachtes Rechtsbehelfsverfahren noch läuft.
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So ζ. B. auch BVerwGE 11, 136, 137f. ; 13, 28, 32f.; BVerwG NJW 1961, 1130f.; für eine Fundierung des Vertrauensschutzes in der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG W. Schmidt, JuS 1973, 529ff.; für eine Ableitung aus Art. 2 I GG Grabitz, DVB1. 1973, 675, 681 ff. ; allgemein und grundsätzlich zum Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht die Referate von Püttner und Kisker, in W D S t R L 32 (1974), 149ff. und 200ff. Die Rechtsprechung des BVerwG zusammenfassend BVerwGE 19, 188, 189 mit weiteren Nachweisen; vgl. ferner OssenbUhl, DÖV 1972, 28ff.; Becker, DÖV 1973, 379ff.; BVerwG JuS 1973 , 321 Nr. 10, 579 Nr. 7. Zu ihren Anwendungsbereichen vgl. oben § 16. Zum Begriff vgl. oben § 12 III 2. Vgl. dazu Kopp, VwVfG, § 50 Anm. 4; Meyer/Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 50 Rdn. 2.
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II. Verwaltungsakte auf Geld- oder Sachleistungen 1. Vertrauensschutz
als
Bestandsschutz
Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine Geldleistung (ζ. B. Subvention, Ausbildungsförderung, Wohngeld) oder teilbare9 Sachleistung (ζ. B. Kleidung, Zeitungsabonnement) gewährt oder dafür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG). In Ubereinstimmung mit der bisherigen Rechtslage ist hier Vertrauensschutz also Bestandsschutz. Dieser Schutz setzt kumulativ Vertrauen und dessen Schutzwürdigkeit voraus. Ob der Adressat auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, ist Tatfrage. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens ist demgegenüber Gegenstand einer rechtlichen Wertung. Kriterien dafür, wann das Vertrauen als schutzwürdig anzusehen ist oder aber die Berufung darauf erfolglos bleibt, finden sich in § 48 Abs. 2 S. 2 und 3 VwVfG. Die gesetzlichen Maßstäbe orientieren sich an den von der früheren Rechtsprechung erarbeiteten Topoi.
2. Rücknahme
für die Zukunft und rückwirkende
Rücknahme
Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes ist nur ausgeschlossen, soweit schutzwürdiges Vertrauen auf seinen Bestand reicht. Daraus folgt, daß die Rücknahmebefugnis der Verwaltung in unterschiedlichem Ausmaß begrenzt sein kann. Das gilt insbesondere im Blick auf die zeitliche Wirkung der Rücknahme. Dabei ist danach zu differenzieren, ob die Rücknahme lediglich mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) oder mit rückwirkender Kraft (ex tunc) ausgesprochen werden soll 10 . Handelt es sich um eine Rücknahme mit Wirkung ex nunc, wird in aller Regel dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Zustandes der Vorrang vor dem Interesse des Begünstigten am Fortbestand des rechtswidrig gewährten Vorteils gebühren. Nur ganz ausnahmsweise wird aus besonderen Gründen die Gesetzmäßigkeit dem Vertrauen des Leistungsempfängers nachzuordnen sein. Solche Gründe kommen namentlich in Betracht, wenn der Begünstigte eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann 11 . Gegenstand einer
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Vgl. dazu Meyer/Borgs (Fn. 8) § 48 Rdn. 28. Vgl. Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, §48 Rdn. 5.7; Kopp, VwVfG, §48
Anm. 10; für das bisherige Recht BVerwGE 19, 188, 189f. Vgl. die zweite Alternative des § 4 8 Abs. 2 S. 2 VwVfG; ebenso bereits BVerwGE 9, 251, 253ff. in dem oben zu I. mitgeteilten Fall; weitere Beispiele enthalten BVerwGE 8,
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§ 1 8 II 3
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Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft sind nur Verwaltungsakte mit Dauerwirkung12. Bei Verwaltungsakten, die eine einmalige Begünstigung gewähren (ζ. B. bestimmte Sozialhilfeleistungen), würde sie ihren Zweck verfehlen. Hier bedarf es daher stets einer rückwirkenden Rücknahme, die natürlich auch beim Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erforderlich ist, wenn es darum geht, die Voraussetzung für die Rückforderung bereits erbrachter Leistungen zu schaffen. Darüber wird alsbald zu handeln sein. Bei der Rücknahme mit Wirkung ex tunx führt die Abwägung der kollidierenden Interessen zu einer Umkehrung des für die Rücknahme mit Wirkung ex nunc charakteristischen Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Zumeist wird also der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes einer rückwirkenden Rücknahme entgegenstehen. Man wird allerdings dem Vertrauen des Begünstigten nur dann den Vorrang einräumen können, wenn es durch den Verbrauch gewährter Leistungen oder Vermögensdispositionen betätigt worden ist (§ 48 Abs. 2 S. 2 VwVfG) 13 . Eine Rücknahme mit Wirkung ex tunc als Regelentscheidung sieht das Gesetz für solche Fälle vor, in denen es am Vertrauen oder dessen Schutzwürdigkeit fehlt: Erwirkung des Verwaltungsaktes durch unlautere Mittel (Täuschung, Drohung, Bestechung) oder in wesentlicher Beziehung unrichtige bzw. unvollständige Angaben sowie Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (§48 Abs. 2 S. 3 und 4 VwVfG). Freilich besteht auch insoweit keine Pflicht zur Rücknahme des Verwaltungsaktes. Doch wird nur ausnahmsweise ermessensfehlerfrei davon abgesehen werden können. 3. öffentlich-rechtlicher
Erstattungsanspruch
Solange ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht aufgehoben worden ist, bildet er den Rechtsgrund für die auf ihm beruhenden Leistungen14. Erst seine rückwirkende Rücknahme läßt die rechtliche Grundlage für bereits erbrachte Gewährungen entfallen. Damit stellt sich die Frage nach ihrer Rückgängigmachung, die das bürgerliche Recht mit der Verpflichtung zur Herausgabe des durch ungerechtfertigte Bereicherung Erlangten (§§ 812 ff. BGB) beantwortet. An die Stelle des privatrechtlichen Bereicherungsanspruchs tritt im öffentlichen Recht ein eigenständiger öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch15. Dieser Anspruch richtet sich auf Rückgewähr von Leistungen öffentlich-rechtlichen Ur-
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296, 304f.; 10, 64, 66ff.; 13, 28, 3 2 f . ; 13, 253f.; 324 und 751. Zum Begriff s. oben § 15 vor I. In diesem Sinne schon BVerwGE 17, 335, 338. trauensbetätigung bei der Gewährung einmaliger 188, 190ff. ; 24, 294, 296f. BVerwGE 8, 261, 264ff.; BVerwG DVB1. 1967, Ausführlich dazu § 30 III.
41, 277, 279ff.; BVerwG DVB1. 1964,
Besonderer Prüfung bedarf die VerLeistungen; vgl. etwa BVerwGE 19, 489.
Das Verwaltungshandeln
§18
III
sprungs, die rechtsgrundlos bewirkt worden sind. Für die hier in Rede stehende Problematik bestimmt §48 Abs. 2 S. 5 VwVfG: „Soweit der Verwaltungsakt (mit Wirkung für die Vergangenheit) zurückgenommen worden ist, sind bereits gewährte Leistungen zu erstatten". Das entspricht der schon bisher herrschenden Meinung. Für den Umfang der Erstattung gelten die Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend (§ 48 Abs. 2 S. 6 VwVfG). Jedoch sieht § 48 Abs. 2 S . 7 VwVfG eine wesentliche Verschärfung der Haftung nach § 819 Abs. 1 BGB vor: Wer gemäß §48 Abs. 2 S. 3 VwVfG keinen Vertrauensschutz genießt, kann sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes geführt haben. Im praktischen Ergebnis läuft das regelmäßig darauf hinaus, daß der Einwand der Entreicherung abgeschnitten wird, wenn und soweit eine Rücknahme ex tunc zulässig ist. Die Erstattungspflicht ist vererblich. Fehlen ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen, tritt im öffentlichen Recht in entsprechender Anwendung der §§ 1922, 1967 BGB der Erbe in solche öffentlich-rechtlichen Positionen des Erblassers ein, die nicht höchstpersönlicher Natur sind 16 . Höchstpersönlich ist die Erstattungspflicht als (regelmäßig) auf Geldzahlung oder (seltener) auf Naturalleistung gerichtete Verbindlichkeit nicht. Sie geht deshalb auf den Erben über 17 . Die zu erstattende Leistung soll durch die Behörde zugleich mit der Rücknahme des Verwaltungsaktes festgesetzt werden (§ 48 Abs. 2 S. 8 VwVfG). Die Festsetzung erfolgt durch Verwaltungsakt, den sog. Leistungsbescheid. Erst diese Regelung hat dem Leistungsbescheid die gesetzliche Grundlage gegeben, deren er als belastender Verwaltungsakt bedarf 18 . Nach § 48 Abs. 6 VwVfG ist für Streitigkeiten über die zu erstattende Leistung der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Der Vorbehalt zugunsten des ordentlichen Rechtsweges für den Fall der Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs läuft insoweit leer. Klageart ist die auf Aufhebung des Leistungsbescheides gerichtete Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO), mit der gleichzeitig Aufhebung des Rücknahmebescheides zu begehren ist, wenn die Behörde nach § 48 Abs. 2 S. 8 VwVfG verfährt.
III. Andere begünstigende Verwaltungsakte Bei begünstigenden Verwaltungsakten, die nicht Geld- oder Sachleistungen zum Gegenstand haben, gewährt in Abkehr von der bisherigen Rechtsauffassung § 48 16 17 18
Vgl. oben § 10 II 6. BSGE 24, 190, 192; Eckart Weber, Der Erstattungsanspruch, 1970 S. 87ff. W. Martens, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973 S. 434; BayVGH BayVBl. 1975, 590. Zu Unrecht hatte demgegenüber die Rechtsprechung überwiegend die behördliche 207
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Abs. 3 VwVfG Vertrauensschutz nicht durch Bestandsschutz, sondern nur durch Zubilligung eines finanziellen Ausgleichs für erlittene Vermögensnachteile. Diese Regelung betrifft ζ. B. Genehmigungen und Erlaubnisse, die Beamtenernennung und die Einbürgerung. Die Minderung des Vertrauensschutzes wird mit der Floskel begründet, solche Verwaltungsakte seien „stärker staatsbezogen"19. Das leuchtet nicht ein, wenn man bedenkt, daß der moderne Staat wesentlich auch Sozialstaat ist und als solcher häufig gerade bei der Gewährung von Geld- oder Sachleistungen tätig wird, die mithin nicht weniger staatsbezogen sind. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung überzeugt deshalb nicht und erscheint verfassungsrechtlich problematisch20. Immerhin wird die Neuregelung dadurch entschärft, daß die Rücknahme nach § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG im behördlichen Ermessen steht, von ihr folglich auch abgesehen werden kann. Darüber hinaus muß berücksichtigt werden, daß sich ein schutzwürdiges Vertrauen — ζ. B. des zu Unrecht Eingebürgerten — nicht stets in Geldeswert beziffern läßt. In solchen Fällen finanziell nicht ausgleichbarer Nachteile kann sich eine Rücknahme in concreto als ermessensfehlerhaft erweisen21. Die Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs ist an eine einjährige Ausschlußfrist gebunden (§48 Abs. 3 S. 5 VwVfG). Die Behörde setzt ihn durch Verwaltungsakt fest (§ 48 Abs. 3 S. 4 VwVfG). Für Streitigkeiten über den auszugleichenden Nachteil ist der Verwaltungsrechtsweg gegeberf, soweit nicht eine Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht kommt (§ 48 Abs. 6 VwVfG)22.
§ 19 Widerruf und Rücknahme belastender Verwaltungsakte Vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit kann der Betroffene einen befehlenden (ζ. B. Abbruchverfügung, Abgabenbescheid) oder belastenden gestaltenden Verwaltungsakt (ζ. B. Entlassung aus dem Beamtenverhältnis) mit der Anfechtungsklage angreifen, kann er mit der Verpflichtungsklage die Verurteilung zum Erlaß
Praxis gebilligt, die bisher schon ohne gesetzliche Ermächtigung Erstattung im Wege des Leistungsbescheides verlangt hatte; vgl. B V e r w G E 25, 72, 76ff. ; 3 0 , 77, 7 9 ; B V e r w G DVB1. 1969, 665, 6 6 6 f . ; N J W 1977, 1838. 19 20
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B T - D r u c k s . 7 / 9 1 0 S. 71. Vgl. auch Frotscher, D V B l . 1976, 281 ff.; Becker, J R 1976, 4 8 9 ; Kopp, VwVfG, A n m . 18; Weyreuther, Verwaltungskontrolle durch Verbände?, 1975 S. 49.
§48
Ebenso Meyer/Borgs ( F n . 8) § 4 8 Rdn. 2 4 und 3 6 ; noch weitergehend Kopp, VwVfG, § 48 Anm. 12. Vgl. als Beispiel B G H N J W 1963, 616, 619. Allerdings hätten B G H und Gesetzgeber besser von enteignendem Eingriff gesprochen, da „enteignungsgleich" üblicherweise der rechtswidrige Eingriff genannt wird.
Das Verwaltungshandeln
§19
eines abgelehnten begünstigenden Verwaltungsaktes (ζ. B. Baugenehmigung, Rentenbescheid) begehren (§ 42 Abs. 1 VwGO). Die Frage nach dem Widerruf und der Rücknahme eines belastenden Verwaltungsaktes wird daher erst nach dem Ablauf der Widerspruchs- und Klagefrist (§§ 70, 74 VwGO) zum Problem. Seine Lösung ist auf der Grundlage der §§48 Abs. 1 S. 1 und 49 Abs. 1 VwVfG zu entwickeln. Widerruf und Rücknahme müssen von dem in § 51 VwVfG geregelten Wiederaufgreifen des Verfahrens unterschieden werden. Nach § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden. Der Antrag ist fristgebunden (§51 Abs. 3 VwVfG) und nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§51 Abs. 2 VwVfG). Das Verhältnis der §§ 48 Abs. 1 S. 1, 49 Abs. 1 VwVfG zu § 51 VwVfG erscheint problematisch1. Es bedarf insbesondere deshalb der Klärung, weil auch die Entscheidung über Widerruf und Rücknahme eine Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens voraussetzt2. Erst die Überprüfung des Erstbescheides kann Anlaß und Rechtfertigung für seinen Widerruf oder seine Rücknahme geben. In bezug auf die Zuordnung des Verfahrens nach § 51 VwVfG zu den Regelungen des Widerrufs und der Rücknahme bestimmt §51 Abs. 5 VwVfG: „Die Vorschriften des §48 Abs. 1 Satz 1 und des §49 Abs. 1 bleiben unberührt". Diese Klausel dürfte wie folgt zu verstehen sein. Erstens bestätigt sie, daß sich aus der Verpflichtung der Behörde zum Wiederaufgreifen des Verfahrens und zum Erlaß eines Zweitbescheides in den Fällen des § 51 Abs. 1 VwVfG noch nicht ergibt, daß dieser Zweitbescheid den Widerruf oder die Rücknahme des Erstbescheides zum Inhalt haben müßte. Ob die Behörde zum Widerruf oder zur Rücknahme verpflichtet oder berechtigt ist, richtet sich vielmehr allein nach den Regeln des § 48 Abs. 1 S. 1 und des § 49 Abs. 1 VwVfG. Zweitens hat der Betroffene auch bei Vorliegen eines der zum Wiederaufgreifen verpflichtenden Gründe des §51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG die Möglichkeit, unmittelbar eine Entscheidung nach § 48 Abs. 1 S. 1 oder § 49 Abs. 1 VwVfG zu beantragen3, ohne das Verfahren gemäß § 51 VwVfG einhalten zu müssen4. Anschließend sind zunächst die materiellrechtlichen Widerrufs- und Rücknahmeregeln darzustellen. Sodann ist zu untersuchen, in welcher Weise der 1
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Vgl. ausführlich dazu Meyer/Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, §51 Rdn. 3 ff. ; Kopp, VwVfG, § 51 Anm. 1 und 10. Bettermann, in: Hans J. Wolff-Festschrift, 1973 S. 469f., 496; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977 S. 262. Dabei handelt es sich nicht um eine bloße „Anregung", hinsichtlich deren es der Behörde überlassen ist, ob sie ihr nachgehen will; so aber zu Unrecht die amtliche Begründung (BT-Drucks. 7/910 S. 75). Dadurch wird die für den Fall des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht unbedenkliche Befristung der Antragstellung nach § 51 Abs. 3 VwVfG (vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 53 VI c) 1) wesentlich entschärft. 209
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Betroffene zur Sicherung der behördlichen Bindung an diese Regeln gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann. I. Materiellrechtliche Grundsätze 1.
Widerruf
Grundsätzlich kann ein rechtmäßiger ausschließlich belastender5 Verwaltungsakt auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Ein Widerrufsverbot besteht nur dann, wenn entweder ein inhaltsgleicher Verwaltungsakt erneut erlassen werden müßte oder ein Widerruf aus anderen Gründen unzulässig wäre (§ 49 Abs. 1 VwVfG). Erneut erlassen werden müßte ein gebundener Verwaltungsakt. Aus anderen Gründen unzulässig ist ζ. B. der Widerruf eines Verwaltungsaktes, den nicht zu widerrufen die Behörde einem Dritten zugesichert hat6. Im übrigen steht der Widerruf im behördlichen Ermessen. Widerruft und entscheidet die Verwaltung damit zugunsten des Bürgers, ist seinem Interesse entsprochen. Lehnt die Behörde einen Widerruf oder auch schon das Wiederaufgreifen des Verfahrens unter Hinweis auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides und seine Unanfechtbarkeit ab, so kann darin i. d. R. ein Ermessensfehler nicht gesehen werden7. Ermessen obwaltet freilich nur unter der Voraussetzung einer unveränderten Sacb- und Rechtslage. Die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung bezieht sich nämlich auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt seines Erlasses. Ändern sich danach die Umstände zugunsten des Betroffenen, kann ihm die Bestandskraft der ihn belastenden Entscheidung nicht entgegengehalten werden8. So besteht ζ. B. dann eine Verpflichtung zum Widerruf, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen einer Polizei- oder Ordnungsverfügung mit Dauerwirkung nachträglich weggefallen sind9. Die Behörde darf hier die Aufhebung der Verfügung pro futuro nicht deshalb ablehnen, weil der Adressat sie hat unanfechtbar werden lassen oder weil seine Anfechtungsklage abgewiesen worden ist. Die viel diskutierte Frage, ob ein Wandel der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugunsten des Betroffenen einer Änderung der Rechtslage gleichsteht, ist zu 5 6 7 8
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Zur Rechtslage beim ambivalenten Verwaltungsakt vgl. oben § 16 zu Fn. 9. Meyer/Borgs (Fn. 1) § 49 Rdn. 7; vgl. auch Kopp, VwVfG, § 49 Anm. 4 b). Vgl. auch Meyer/Borgs (Fn. 1) § 49 Rdn. 5. Ebenso schon die bisherige Rechtsauffassung; vgl. etwa BVerwGE 11, 106, 107; 19, 153, 155f.; 24, 115, 117; 31, 112f.; 44, 333, 335. Davon geht auch §51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG aus. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, S. 199ff. ; 377; Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr II, S. 218 f.
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§19
Das Verwaltungshandeln
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verneinen10. Die neue Auslegung einer bestehenden Rechtsvorschrift durch ein Obergericht ist nicht Rechtsetzung, sondern bleibt Rechtserkenntnis mit der Folge, daß der auf einer überholten Interpretation beruhende Verwaltungsakt kraft geläuterter Auffassung als von Anfang an rechtswidrig anzusehen ist und seine Aufhebung sich nach den für die Rücknahme geltenden Grundsätzen richtet. Vom Widerruf und von der ihm vorangehenden Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens zu unterscheiden ist eine neue Entscheidung in einem neuen Verfahren. Darauf bezieht sich § 49 Abs. 1 VwVfG nicht 11 . In diesem Zusammenhang ist vor allem an eine Änderung der Sach- oder Rechtslage nach unanfechtbarer Ablehnung einer Erlaubnis zu denken. Wird ζ. B. eine Baugenehmigung rechtmäßig und bestandskräftig versagt, weil die Erschließung nicht gesichert oder das Vorhaben nicht mit den Festsetzungen des Bebauungsplans vereinbar ist (vgl. § 30 BBauG), so muß einem neuen Antrag stattgegeben werden, wenn nunmehr die Erschließungsanlagen hergestellt bzw. nach Änderung des Plans das Vorhaben mit seinen Festsetzungen übereinstimmt und auch im übrigen den einschlägigen Vorschriften des öffentlichen Rechts entspricht12. Eines Widerrufs des ursprünglichen Ablehnungsbescheides bedarf es hier nicht. 2.
Rücknahme
Über die Rücknahme eines rechtswidrigen ausschließlich belastenden Verwaltungsaktes, ihre zeitliche Wirkung und ihr sachliches Ausmaß entscheidet die Verwaltung ebenfalls nach Ermessen (§48 Abs. 1 S. 1 VwVfG). Das gilt unabhängig vom Grund und von der Art des Rechtsfehlers, also etwa auch dann, wenn der Verwaltungsakt auf einer vom BVerfG für ungültig erklärten Norm beruht. § 79 Abs. 2 S. 1 BVerfGG steht dem nicht entgegen13. Ermessen obwaltet auch bei der Entschließung, ob überhaupt in eine erneute Uberprüfung des Verwaltungsaktes einzutreten oder davon abzusehen sei. Dieses Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens geht — wie bereits dargelegt14 — der Entscheidung über die Rücknahme voraus und muß von ihr unterschieden werden.
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Ebenso ζ. B. Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 51 Rdn. 5. 3; Kopp, VwVfG, § 51 Anm. 4 a); Wolff/ Bachof, VwR I, § 53 VI c) 2 ; BVerwGE 28, 122, 126f.; 31, 112f. Kopp, VwVfG, § 4 9 Anm. 2. Auch § 5 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG ist hier unanwendbar; vgl. Knack, (Fn. 10) § 5 1 Rdn. 5. 1 und 5. 2 ; Kopp, VwVfG, § 51 Anm. 4a). BayVGH BayVBl. 1974, 436. Um ein neues Verfahren handelt es sich auch, wenn nach unanfechtbarer Ablehnung einer Baugenehmigung die Beseitigung des ungenehmigt errichteten Bauwerks verlangt wird. In dieses neue Verfahren wirkt die Ablehnung nicht dergestalt hinein, daß über die Frage der materiellen Baurechtswidrigkeit bereits abschließend entschieden wäre. Mit problematischer Begründung ebenso BVerwGE 48, 271; vgl. dazu auch Krebs, VerwArch. 67 (1976), 41 Iff. Steiner, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz I, 1976 S. 646f. Vgl. oben bei Fn. 2. 211
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Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Bei den Ermessensentscheidungen über das Wiederaufgreifen und die Rücknahme hat die Behörde die dafür und dagegen sprechenden Gründe untereinander abzuwägen 15 . Für die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes streitet in erster Linie das Prinzip der Rechtssicherheit. Auf ihm beruhen die Rechtsbehelfsfristen, die nicht ausgehöhlt werden dürfen. Auch der mit der Erneuerung des Verfahrens verbundene Verwaltungsaufwand ist berücksichtigungsfähig. Deshalb erscheint die Ablehnung des Wiederaufgreifens dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn sich aus dem Vorbringen des Betroffenen, der darauf dringt, keine Anhaltspunkte für einen „Prüfungsgrund" ergeben 16 . Anders verhält es sich jedoch in Fällen, in denen solche Gründe ursprünglicher Rechtswidrigkeit des Erstbescheides gegeben sind oder geltend gemacht werden, die nach § 51 Abs. 1 N r . 2 und 3 VwVfG eine Rechtspflicht der Behörde zum Wiederaufgreifen auslösen, nämlich neue Beweismittel zugunsten des Betroffenen und Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 Z P O . Es läßt sich schwerlich vorstellen, daß die Behörde einen Antrag auf Rücknahme im Verfahren gemäß §48 Abs. 1 S. 1 VwVfG ohne Uberprüfung des Erstbescheides ermessensfehlerfrei sollte ablehnen können. Das gilt jedenfalls unter der Voraussetzung, daß auch die Zulässigkeitserfordernisse nach § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG erfüllt sind. Steht die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes fest, kommt den Prinzipien der Gesetzmäßigkeit und der materiellen Gerechtigkeit größeres Gewicht zu als dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Der bloße Hinweis auf die Unanfechtbarkeit vermag die Aufrechterhaltung eines zweifelsfrei als rechtswidrig erkannten Verwaltungsaktes nicht zu rechtfertigen. Sie wird vielmehr nur ausnahmsweise und unter besonderen Voraussetzungen ermessensfehlerfrei erfolgen können 1 7 . Ermessensfehlerhaft wäre es jedenfalls, eine Rücknahme abzulehnen, wenn die Aufrechterhaltung des Erstbescheides schlechthin unerträglich wäre oder wenn die Berufung auf seine Unanfechtbarkeit als Verstoß gegen Treu und Glauben anzusehen wäre 18 . Auch die sachlich nicht gerechtfertigte Abweichung von einer ständigen Verwaltungspraxis für das Wiederaufgreifen und die Rücknahme in 15 16
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Ausführlich dazu Wolff/Bachof, VwR I, § 53 VI d) 2 ; Meyer/Borgs (Fn. 1) § 48 Rdn. 20. Vgl. Maurer, D Ö V 1966, 487ff.; BVerwGE 39, 231; 44, 333, 338; O V G Berlin JR 1971, 305, 306 mit Anmerkung Guthardt; O V G Berlin JR 1972, 171 f. Ebenso Maurer, JuS 1976, 493; in der Tendenz auch Wolff/Bachof, VwR I, § 53 V f). So wird ζ. B. bei nur geringfügiger Belastung des Betroffenen, nach Verstreichen einer längeren Zeit seit Erlaß des Verwaltungsaktes oder bei Verwaltungsakten, deren Ermächtigungsgrundlage ungültig ist, aber mit zulässiger Rückwirkung neu erlassen werden kann (vgl. für Beitragssatzungen BVerwGE 50, 2, 7ff.), von einer Rücknahme abgesehen werden können. Auch das anderenfalls erforderliche massenhafte Wiederaufgreifen abgeschlossener Verfahren dürfte u. U. ein Beharren auf der getroffenen Entscheidung als berechtigt erscheinen lassen. BVerwGE 28, 122, 127; 44, 333, 336; vgl. auch BVerfGE 27, 295, 306f. : Ableitung von Grenzen des Ermessensspielraums aus Sinn und Zweck des in besonderem Maße auf Verwirklichung der materiellen Gerechtigkeit angelegten Wiedergutmachungsrechts; BVerwG DVB1. 1962, 640 f.
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II
gleichliegenden Fällen wäre unter dem Aspekt der Selbstbindung als ermessensmißbräuchlich zu qualifizieren 1 9 . Der Verpflichtung der Behörde z u fehlerfreier Betätigung ihres Wiederaufnahmeund Rücknahmeermessens korrespondiert ein subjektives Recht des Betroffenen auf fehlerfreie A u s ü b u n g dieses Ermessens 2 0 . Z w a r setzt ein solches Recht voraus, daß der Ermessen gewährende Rechtssatz zumindest auch den Interessen desjenigen z u dienen bestimmt ist, der den Fehlgebrauch des Ermessens rügt. Diese Voraussetzung ist jedoch gegeben; denn „ d e r . . . Rechtssatz, es liege im Ermessen der . . . Behörde, einen unanfechtbaren fehlerhaften Bescheid zugunsten des Betroffenen abzuändern, hat evidentermaßen . . . einen B e z u g zum allgemeinen Wohl und z u m Individualinteresse, indem er der Korrektur des im regulären Verfahren ergangenen Erstbescheides d i e n t " 2 1 .
II. Rechtsschutz des Betroffenen Die Frage nach dem gerichtlichen Rechtsschutz des Adressaten eines unanfechtbar gewordenen belastenden Verwaltungsaktes stellt sich dann, wenn die Behörde einem Antrag auf A u f h e b u n g (Widerruf oder Rücknahme) des Erstbescheides nicht oder nur teilweise entspricht. Die Ablehnung eines Aufhebungsantrages ist entweder als Zweitbescheid nach einem Wiederaufgreifen des Verfahrens oder als wiederholende (wiederholte) Verfügung zu qualifizieren, durch die das Wiederaufgreifen abgelehnt und dies verlautbart wird. Gegen Zweitbescheid und wiederholende Verfügung ist in unterschiedlicher Weise vorzugehen. D u r c h Erlaß eines Zweitbescheides trifft die Behörde eine neue Sachentscheidung, in deren U m f a n g sie praktisch auf die Unanfechtbarkeit des Erstbescheides verzichtet. Ein negativer Zweitbescheid eröffnet den Verwaltungsrechtsweg wieder und ermöglicht eine gerichtliche U b e r p r ü f u n g bezüglich des im Erstbescheid geregelten Sachverhalts 2 2 . War allerdings eine gegen den Erstbescheid gerichtete Klage rechtskräftig abgewiesen worden, steht die Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils ( § 1 2 1 V w G O ) einer davon abweichenden gerichtlichen Entscheidung bei unveränderter Sach- und Rechtslage entgegen 2 3 . O b ein Zweitbescheid oder nur eine wiederholende V e r f ü g u n g 2 4 anzunehmen ist, kann bei einer dem Erstbescheid inhaltsgleichen Tenorierung zweifelhaft sein. F ü r einen Zweit-
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BVerwGE 26, 153, 155. Allgemein dazu oben § 10 II 5. BVerfGE 27, 297, 307; BVerwGE 44, 333, 335; B G H D Ö V 1973, 92. BVerwGE 13, 99, 101, 103; 17, 256f.; 24, 115, 116; 44, 333, 334; a. Μ. ζ. B. Bettermann, J Z 1965, 265ff.; Maurer, D Ö V 1966, 489. BVerwGE 35, 234, 235f.; diese Beurteilung ist freilich nicht unumstritten; vgl. Wolff/ Bachof, VwR I, §52 II d) 2; J. Martens, Die Praxis des Verwaltungsprozesses, 1975 S. 126 ff. Vgl. dazu oben § 11 II 4 und unten § 41 V 3; BVerwGE 44, 333, 334f. 213
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bescheid sprechen dann insbesondere eine in wesentlichen Punkten geänderte Begründung und die Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung25. Ergeht demgegenüber eine wiederholende Verfügung, lehnt also die Behörde schon das Wiederaufgreifen des Verfahrens ab, bleibt der Betroffene ebenfalls nicht rechtsschutzlos. Die gerichtliche Prüfung hat aber einen anderen Gegenstand. Richtige Klageart ist die Verpflichtungsklage (§42 Abs. 1 VwGO), gerichtet auf Verurteilung zum Widerruf oder zur Rücknahme oder — als Bescheidungsklage26 — zumindest zum Erlaß eines Zweitbescheides27. Die Klagebefugnis ist aus dem vorstehend28 entwickelten Recht auf fehlerfreie Ausübung des behördlichen Ermessens bei den Entscheidungen über das Wiederaufgreifen des Verfahrens, den Widerruf und die Rücknahme herzuleiten. Der Kläger kann im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, in jenem Recht durch Ermessensfehlgebrauch verletzt zu sein. Die Unanfechtbarkeit des Erstbescheides berührt die Zulässigkeit der Klage nicht, weil der in Rede stehende Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens erst nach dem Erlaß dieses Bescheides entstanden ist, so daß dessen Unanfechtbarkeit insoweit keine Präklusionswirkung zukommen kann 29 . Begründet ist die Klage, wenn ein im Rahmen des § 114 VwGO überprüfbarer Ermessensfehler vorliegt. Das ist anhand der oben (bei I.) bezeichneten Kriterien zu ermitteln. In bezug auf den Urteilstenor bei ermessensfehlerhafter Ablehnung des Wiederaufgreifens gilt § 113 Abs. 4 VwGO. Spruchreife im Sinne von § 113 Abs. 4 S. 1 VwGO setzt Ermessensreduzierung auf Null 30 voraus; eine Verurteilung zur Aufhebung (Widerruf oder Rücknahme) des Erstbescheides kommt also nur dann in Betracht, wenn jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre. Hat die Behörde noch nicht einmal das Verfahren wiederaufgegriffen, wird ein solches Urteil nur selten getroffen werden können. Deshalb wird regelmäßig zunächst lediglich ein Bescheidungsurteil nach § 113 Abs. 4 S. 2 VwGO erlassen werden. Wird daraufhin das Verfahren wiederaufgegriffen, dabei die Rechtswidrigkeit des Erstbescheides festgestellt und trotzdem seine Rücknahme abgelehnt, sind die Aussichten für ein Verpflichtungsurteil nach § 113 Abs. 4 S. 1 VwGO wesentlich besser31. 25 26
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BVerwGE 13, 99, 103; 17, 256, 257, 258. Zur Verpflichtungsklage mit Bescheidungsantrag vgl. Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme in der öffentlich-rechtlichen Arbeit, 3. Aufl. 1976 S. 148; Tschira/Scbmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 3. Aufl. 1977 S. 175 f. Ein verwaltungsgerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf einen Zweitbescheid besteht unter den Voraussetzungen des § 51 VwVfG. Insoweit ist die Klagebefugnis unproblematisch. Das Widerrufs- oder Rücknahmebegehren kann aber in diesem Verfahren nicht verfolgt werden (vgl. oben bei Fn. 1 bis 3). Dafür gelten ausschließlich die anschließenden Ausführungen im Text. Bei Fn. 20f. BVerfGE 27, 297, 308ff.; BVerwGE 44, 333, 335; kritisch Schwabe, JuS 1970, 382ff. Vgl. dazu oben § 12 II 2 c) cc). Vgl. zur Veranschaulichung der prozessualen und materiellrechtlichen Problematik Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 123 ff. (Erzeugungsquotenfall).
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Vollstreckung von Verwaltungsakten Feststellende und gestaltende Verwaltungsakte sind einer Vollstreckung weder bedürftig noch überhaupt fähig, da ihre Rechtswirkungen ipso iure eintreten. D a gegen stellt sich beim befehlenden Verwaltungsakt (ζ. B . Steuerbescheid, Polizeiverfügung), sofern ihn der Adressat nicht freiwillig befolgt, die Frage nach der Durchsetzung des Gebotenen oder Verbotenen. D i e zwangsweise Verwirklichung des befehlenden Verwaltungsaktes erfolgt im Wege der Verwaltungsvollstreckung. D i e Verwaltungsvollstreckung unterscheidet sich wesentlich von der Vollstreckung privatrechtlicher Ansprüche. Wird ein privatrechtlicher Anspruch nicht befriedigt, muß der Gläubiger regelmäßig auf Erfüllung klagen. D a s gerichtliche Urteil, das im Erkenntnisverfahren ergeht, dient als „ T i t e l " , aus dem in dem sich anschließenden besonderen Vollstreckungsverfahren durch den Gerichtsvollzieher oder das Vollstreckungsgericht nach den Bestimmungen des Achten Buches der Zivilprozeßordnung (§ 704—945) vollstreckt wird. Selbsthilfe des Gläubigers läßt die Rechtsordnung nur ganz ausnahmsweise zu (§§229—231 B G B ) . Im Gegensatz dazu dürfen die Verwaltungsbehörden ihre Verwaltungsakte selbst verwirklichen. Diese Art der Durchsetzung — eben die Verwaltungsvollstreckung — setzt auch, dies wiederum im Unterschied zur Realisierung privatrechtlicher Ansprüche, ein gerichtliches Erkenntnisverfahren nicht v o r a u s : D e r Verwaltungsakt trägt — wie man treffend gesagt hat — seinen Titel in sich selbst. O b behördliche Vollstreckungsmaßnahmen dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen, ist streitig. Bedenkt man jedoch, daß mit der zwangsweisen Verwirklichung eines Verwaltungsbefehls erneut und noch weitergehend in die Individualsphäre eingegriffen wird als durch die in der Ebene des Normativen bleibende A n o r d nung, kann nicht zweifelhaft sein, daß die Vornahme v o n Zwangsmaßnahmen eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage erfordert, die Befehlsbefugnis also nicht die Vollzugsbefugnis einschließt 1 . D a s Problem ist freilich gegenwärtig ohne praktische Bedeutung, da in B u n d und Ländern allenthalben gesetzliche Regelungen des Rechts der Verwaltungsvollstreckung bestehen 2 . Diese Regelungen unterscheiden sich zwar in Einzelheiten, beruhen aber im Grundsätzlichen auf gleichartigen Prinzipien. Ihnen gilt die anschließende Darstellung. 1
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Ausführlich dazu G. Arndt, Der Verwaltungsakt als Grundlage der Verwaltungsvollstreckung, 1967 S. 25f., 43f. Vgl. für den Bund: Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (BVwVG) v. 27. 4. 1953 (BGBl. I S. 157 = Sartorius I Nr. 112); Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffendicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes v. 10. 3. 1961 (BGBl. I S. 165 = Sartorius I Nr. 115); Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen v. 12. 8. 1965 (BGBl. I S. 796 = Sartorius I Nr. 117). Die Rechtsgrundlagen der Verwaltungsvollstreckung in den Ländern sind nachgewiesen bei Engelhardt, Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz vom 27. April 1953, 1970, § 5 Rdnr. 5ff. 215
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I. Vollstreckung von Geldforderungen 1. Gegenstand der Vollstreckung wegen Geldforderungen sind öffentlich-rechtliche Geldforderungen (insbesondere also Steuern, Gebühren, Beiträge); privatrechtliche Geldforderungen kommen nur insoweit in Betracht, als die Verwaltungsvollstreckung gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist 3 . 2. Die Vollstreckung wird durch Vollstreckungsanordnung4 eingeleitet (so ζ. B. § 3 Abs. 1 BVwVG). Die Einleitung der Vollstreckung ist an folgende Voraussetzungen geknüpft (vgl. ζ. B. §3 Abs. 2 BVwVG): a) Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist 5 ; b) Fälligkeit der Leistung; c) Ablauf einer einwöchigen Frist seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides bzw. nach Eintritt der Fälligkeit. Außerdem soll der Schuldner vor Anordnung der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden (so z. B. § 3 Abs. 3 BVwVG). 3. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich nach den Vorschriften der Abgabenordnung über die Beitreibung (vgl. z. B. § 5 Abs. 1 BVwVG), die sich ihrerseits eng an die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung anlehnen. Danach erfolgt die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen durch Pfändung und Pfandverwertung im Wege der Versteigerung. In Forderungen wird durch Pfändungsverfügung und Einziehung vollstreckt. Die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen wird nach den Vorschriften über die gerichtliche Zwangsvollstreckung betrieben. Vollstreckungsorgan ist hier also das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht. 4. Der Rechtsschutz aus Anlaß von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung 6 ist gesetzlich nur fragmentarisch geregelt. Abhängig von der jeweiligen Sach- und Interessenlage sind verschiedene Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.
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Vgl. z . B . § 2 I des hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes v. 13.3. 1961 (GVB1. I S. 79); §§71 ff. des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für Rheinland-Pfalz v. 8. 7. 1957 (GVB1. S. 101). Die Vollstreckungsanordnung ist kein Verwaltungsakt, also nicht mit der Anfechtungsklage anfechtbar; vgl. BVerwG NJW 1961, 332, 333. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Leistungsbescheid ergehen darf, vgl. Wolff/ Bachof, VwR I, §§ 30 III a 4, 44 III f 1 ; zur Frage der Aufrechnung gegen einen Leistungsbescheid vgl. O V G Münster NJW 1976, 2036 m. w. N . Vgl. dazu ausführlich: Engelhardt (Fn. 2); Kröller, Vollstreckungsschutz im Verwaltungszwangsverfahren, 1970; Trauisen, Die Rechtsbehelfe im Verwaltungsvollstreckungsverfahren, 1971.
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a) Soweit Vollstreckungsmaßnahmen als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind (Beispiel: Sachpfändungen), können sie nach erfolglosem Widerspruchsverfahren mit der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO angegriffen werden7. Maßnahmen, für die Zivilgericht oder Gerichtsvollzieher zuständig sind, müssen dagegen im ordentlichen Rechtsweg mit den in der ZPO vorgesehenen Rechtsbehelfen bekämpft werden8. b) Außerordentlich umstritten ist die Frage, welche Rechtsbehelfe dem Vollstreckungsschuldner zu Gebote stehen, wenn er nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Leistungsbescheides gegen den der Vollstreckung zugrunde liegenden Anspruch selbst Einwendungen erhebt, also etwa Erfüllung, Aufrechnung, Stundung, Erlaß oder aber geltend macht, die Sach- oder Rechtslage habe sich dergestalt geändert, daß die Aufrechterhaltung des Leistungsgebotes und seine Vollstreckung rechtswidrig sei. Eine Anfechtungsklage, die sich immer nur gegen einzelne Vollstreckungsmaßnahmen richten kann und voraussetzt, daß diesen Verwaltungsaktsqualität zukommt, wird hier häufig keinen ausreichenden Rechtsschutz bieten9. Deshalb haben die Verwaltungsgerichte verschiedentlich — ausgehend von § 173 VwGO — in entsprechender Anwendung des § 767 ZPO eine verwaltungsgerichtliche Vollstreckungsgegen- bzw. Vollstreckungsabwehrklage zugelassen10. Demgegenüber ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Regelungen der VwGO den Vorrang vor denjenigen der ZPO besitzen, auf diese also jedenfalls dann nicht zurückgegriffen werden darf, wenn solche Klagearten in Betracht kommen, die in der VwGO vorgesehen sind11. Das wird in aller Regel der Fall sein. Dabei ist — je nach Sachlage — entweder an eine Klage auf Feststellung, daß die Verbindlichkeit nicht mehr bestehe (§ 43 Abs. 1 VwGO) 1 2 , oder eine Verpflichtungsklage auf Rücknahme des Leistungsbescheides (§42 Abs. 1 VwGO) 1 3 zu denken. Allenfalls in Ausnahmefällen wird demnach in Analogie zu § 767 ZPO eine Klage auf Unzulässigkeit der Verwaltungsvollstreckung zu erwägen sein. c) Für den Rechtsschutz eines Dritten, der durch eine Vollstreckungsmaßnahme in seinen Rechten verletzt wird (ζ. B. durch Pfändung einer ihm gehörenden, also schuldnerfremden Sache), sehen die Verwaltungsvollstreckungsgesetze im allgemeinen die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) vor dem ordentlichen Gericht vor 14 .
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BVerwG NJW 1961, 332, 333; OVG Lüneburg DVB1. 1962, 344. BVerwG N J W 1961, 332, 333. Vgl. Schenke, VerwArch. 61 (1970), 260, 342. So z . B . O V G Hamburg DVBl. 1962, 6 8 3 ; O V G Münster J Z 1965, 366 mit Anmerkung Rupp; J Z 1965, 719 mit Anmerkung Menger; vgl. ferner Renck, NJW 1966, 1247, 1248 ff. BVerwGE 27, 141, 142 f. Schenke (Fn. 9) S. 351 ff.; OVG Münster N J W 1976, 2036, 2038. BVerwGE 27, 141, 143, 144f. B G H DÖV 1960, 597; Kreiling, N J W 1963, 888, 890f. m. w. N . 217
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II. Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen 1. Ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung (auch die Herausgabe einer Sache) oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann mit bestimmten, gesetzlich (ζ. B. in §9 BVwVG) vorgesehenen Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Daraus erklärt sich der für diese Art der Verwaltungsvollstreckung vielfach verwendete Ausdruck „Verwaltungszwang". Zwangsmittel sind die Ersatzvornahme, das Zwangsgeld und der unmittelbare Zwang. a) Wird die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt, so kann die Behörde einen anderen mit der Vornahme der Handlung auf Kosten des Pflichtigen beauftragen (z. B. § 10 BVwVG). Diese Ersatzvornahme ist also die Ausführung einer Handlung kraft behördlichen Auftrags durch einen Dritten an Stelle des Verpflichteten auf dessen Kosten14®, ζ. B. der Abbruch eines baurechtswidrigen Gebäudes durch einen Unternehmer auf der Grundlage eines mit der Behörde geschlossenen Werkvertrages, wenn der Grundeigentümer einer Abbruchverfügung nicht nachkommt. b) Zur Vornahme unvertretbarer Handlungen kann der Pflichtige durch ein Zwangsgeld angehalten werden. Bei vertretbaren Handlungen kann ein Zwangsgeld verhängt werden, wenn die Ersatzvornahme untunlich ist, besonders, wenn der Pflichtige außerstande ist, die daraus entstehenden Kosten zu tragen ( z . B . §11 BVwVG). Ist das Zwangsgeld uneinbringlich, kann durch gerichtliche Entscheidung Ersatzzwangshaft angeordnet werden (vgl. im einzelnen z. B. § 16 BVwVG). c) Führen die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Ziel oder sind sie untunlich (etwa ungeeignet zur Zweckerreichung), kann die Behörde den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen oder die Handlung selbst vornehmen (z. B. § 12 BVwVG). Der unmittelbare Zwang kommt also als schärfstes Zwangsmittel nur als ultima ratio in Betracht. Soweit es sich nicht um die von einigen Landesgesetzen15 der Ersatzvornahme zugerechnete Vornahme der Handlung durch die Verwaltung selbst handelt, besteht der unmittelbare Zwang in der Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt (ζ. B. Fesseln, Wasserwerfer, Diensthunde) und durch Waffen. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs steht in besonderem Maße unter dem Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit. Innehabung, Ausübung und Grenzen von Zwangsanwendungsbefugnissen sind im Bund und in einigen Ländern durch besondere Gesetze geregelt, andernorts haben entsprechende Vorschriften in die allgemeinen Vollstreckungsgesetze Aufnahme gefunden16. ,4a
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Z u r Frage der Fälligkeit des Anspruchs auf Erstattung dieser Kosten vgl. B V e r w G N J W 1976, 1 7 0 3 ; Menger, VerwArch. 68 (1977), 83 ff. Vgl. die Nachweise bei Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Auflage 1977 S. 162. Vgl. die Nachweise in Fn. 2 ; zum Verwaltungszwang im Polizei- und Ordnungsrecht s. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr I, S. 117ff. ( § 1 0 ) .
Das Verwaltungshandeln
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2. Die gesetzliche Ausgestaltung des Zwangsverfahrens trägt dem Umstand Rechnung, daß die Vollstreckung des Verwaltungsaktes in der Hand der Verwaltung selbst liegt. Seine Erzwingung ist daher unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten formalisiert und reglementiert. a) Die Durchsetzung des Verwaltungsaktes setzt regelmäßig voraus, daß er entweder unanfechtbar oder sein sofortiger Vollzug angeordnet oder dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist (so z. B. § 6 Abs. 1 BVwVG). Damit verweist das Verwaltungsvollstreckungsrecht auf die VwGO; denn diese regelt den Eintritt der Unanfechtbarkeit (§§ 70 und 74 sowie rechtskräftige Abweisung der verwaltungsgerichdichen Klage), die Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3) und den Wegfall des Suspensiveffekts (§80 Abs. 2 Nr. 1 - 3 ) . b) Sodann muß das von der Behörde ausgewählte Zwangsmittel schriftlich unter Bestimmung einer zumutbaren Frist für die Erfüllung17 angedroht werden. Die Androhung wird in der Praxis häufig bereits mit dem zu vollziehenden Verwaltungsakt verbunden. Das ist zweckmäßig und zulässig (vgl. im einzelnen § 13 BVwVG). c) Wird die Verpflichtung nicht innerhalb der in der Androhung bestimmten Frist erfüllt, setzt die Behörde das Zwangsmittel fest (vgl. etwa § 14 BVwVG). Die Festsetzung eines anderen als des angedrohten Zwangsmittels ist rechtswidrig. d) Erst danach darf das festgesetzte Zwangsmittel angewendet werden. Leistet der Pflichtige bei der Ersatzvornahme oder bei unmittelbarem Zwang Widerstand, kann dieser mit Gewalt gebrochen werden (s. § 15 BVwVG). e) Es sind jedoch Situationen denkbar, in denen die Einhaltung des vorstehend beschriebenen Verfahrensganges den mit dem Verwaltungsbefehl bezweckten Erfolg gefährden oder vereiteln würde (Beispiele: Ein mit Mineralöl beladener Tankwagen stürzt um, durch das auslaufende ö l droht eine Grundwasserverseuchung18 — Der Fahrer stellt seinen PKW verkehrsbehindernd ab und geht fort 19 ). Für solche Fälle hat das Verwaltungsvollstreckungsrecht durch das Institut des sofortigen Zwanges bzw. der unmittelbaren Ausführung Vorsorge getroffen: Danach kann der Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung strafbarer Handlungen oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt (so § 6 Abs. 2 BVwVG). Auch Androhung und Festsetzung des Zwangsmittels sind unter diesen Voraussetzungen entbehrlich (§§ 13 Abs. 1 und 14 BVwVG). 3. Für den Rechtsschutz im Zusammenhang mit Maßnahmen des Verwaltungszwanges gilt im wesentlichen folgendes: 17
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Oberfallartiger Verwaltungszwang verstößt gegen Art. 19 Abs. 4 GG und ist daher rechtswidrig; vgl. BVerwGE 17, 83, 85f. Vgl. OVG Münster DVB1. 1964, 683, 684f. Vgl. BayVGH BayVBl. 1972, 4 7 ; VG Hannover DVB1. 1971, 286; Steckert, DVB1. 1971, 243, 2 4 4 f . ; O V G Münster DVB1. 1975, 588. 219
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Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
a) Zwangsmaßnahmen können mit der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO angegriffen werden, soweit es sich bei ihnen um Verwaltungsakte handelt. Androhung und Festsetzung eines Zwangsmittels sind anfechtbare Verwaltungsakte 20 , während seine Anwendung mangels Regelungsgehalts als Realakt erscheint21. Ist das Zwangsmittel angewendet, also der Verwaltungsakt vollzogen, gewährt § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO dem Betroffenen Rechtsschutz, wenn er den Verwaltungsakt rechtzeitig angefochten hat und die Behörde zur Rückgängigmachung der Vollziehung in der Lage ist. Dies ist der klassische Fall des Folgenbeseitigungsanspruchs22. Wo eine Folgenbeseitigung nicht möglich ist (Beispiel: polizeilicher Hiebwaffeneinsatz gegen Demonstranten), kann gegebenenfalls auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anwendung des Zwangsmittels geklagt 23 und darüber hinaus Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung24 oder Entschädigung wegen Aufopferung25 oder enteignungsgleichen Eingriffs26 verlangt werden. Ebenso verhält es sich mit den Rechtsschutzformen beim sofortigen Zwang bzw. bei der unmittelbaren Ausführung. Zwar bestimmt § 18 Abs. 2 BVwVG, daß hiergegen die Rechtsmittel zulässig sind, die gegen Verwaltungsakte allgemein gegeben sind. Aber nach der Zwangsanwendung scheiden Widerspruch und Anfechtungsklage offensichtlich aus. Dem Betroffenen kann deshalb nur mit verwaltungsgerichtlich durchsetzbaren Ansprüchen auf (Folgen-) Beseitigung27 oder Feststellung der Rechtswidrigkeit und im ordentlichen Rechtsweg einklagbaren Ansprüchen auf Schadensersatz oder Entschädigung geholfen werden. b) Bei alledem ist zu beachten, daß die Rechtswidrigkeit eines Vollzugsaktes nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des ihm zugrunde liegenden Verwaltungsaktes nicht damit begründet werden kann, dieser leide an ursprünglicher Fehlerhaftigkeit. Anderenfalls würden die Anfechtungsfristen der VwGO praktisch gegenstandslos werden. § 18 Abs. 1 S. 3 BVwVG verlautbart insofern einen allgemeingültigen Grundsatz (Beispiel: A läßt eine mit der Baufälligkeit seines Hauses begründete Abbruchverfügung unanfechtbar werden. Gegenüber der Androhung und Festsetzung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme wird A nicht mit dem Einwand gehört, das Haus sei gar nicht baufällig oder die Verfügung verstoße gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit). In derartigen Fällen muß der Betroffene versuchen, durch Verpflichtungsklage auf Rücknahme oder einen günstigeren Zweitbescheid den zu vollstreckenden Verwaltungsakt selbst aus der Welt zu schaffen28. Hans J. W o l f f , VwR III, § 160 II h. Renck, JuS 1970, 113, 1 1 4 f . ; unzutreffend BVerwGE 26, 161, 164. 22 Zum Folgenbeseitigungsanspruch s. unten § 53 V. 23 BVerwGE 26, 161, 164ff.; Renck, JuS 1970, 113f. 24 Zur Amtshaftung s. unten §51. 25 Zur Aufopferung s. unten § 52 IV. 26 Zum enteignungsgleichen Eingriff s. unten § 52 III. 2 ' Zur Terminologie BVerwG DVBl. 1971, 858, 860. 2 8 S. oben I 4 und § 19 II. 20 21
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Das Verwaltungshandeln
§21 2. A b s c h n i t t Plan und P l a n u n g
§21
Gegenwärtige Bedeutung Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft der Nachkriegszeit sahen sich in ständig zunehmendem Maße mit staatlicher Planung und deren Resultaten, einer Vielfalt verschiedener Pläne, konfrontiert 1 . Zu jenen Plänen, die seit langer Zeit zum Arsenal staatlicher Verhaltensmuster gehörten, wie etwa der Haushaltsplan und der Fluchtlinienplan, trat eine Vielzahl weiterer, v o m Gesetzgeber als Planung und Plan bezeichneter Erscheinungen. So sprechen z. B . Art. 109 A b s . 3 G G i. V. m. § 9 S t a b G und nunmehr auch das Gemeindehaushaltsrecht 2 von Finanzplanung, Art. 91 a A b s . 3 G G von Rahmenplanung und Art. 91 b G G von Bildungsplanung. D a s B B a u G kennt unter dem Oberbegriff der Bauleitpläne den Flächennutzungsplan und den Bebauungsplan 3 , das Städtebauförderungsgesetz den Sozialplan 4 , das Raumordnungsgesetz sieht Raumordnungspläne vor 5 , und § 36 W H G ordnet die Aufstellung wasserwirtschaftlicher Rahmenpläne an 6 . D i e erhebliche Zunahme rechtssatzmäßig festgelegter Planungsverpflichtungen hat viele G r ü n d e 7 . Sie im einzelnen darzulegen, ist an dieser Stelle nicht möglich. Hingewiesen sei an diesem O r t nur auf das Sozialstaatsprinzip 8 , welches dem
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Vgl. dazu Oldiges, Grundlagen eines Plangewährleistungsrechts, 1970 S. 15f.; Ossenbiihl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit, dargestellt am Beispiel der Entwicklungsplanung? Gutachten Β zum 50. DJT, 1974 S. 19f. §§70 N W G O ; 101 HessGO; 90 NdsGemO; 85 BWGO; 83 S H G O ; 101 RhPfGO. §§ 1 Abs. 2; 5; 8 BBauG. § 8 Abs. 2 StBFG. Vgl. §§3 ff. RaumOrdG. Ubersicht über die verschiedenen Pläne bei Wolff/Bachof, VwR I, § 47 IX; Obermayer, W D S t R L 18 (1959), 146f.; Kölble, Planung I (herausgegeben von J. H. Kaiser), 1965 S. 91, 93. Vgl. Weichmann, Planung III (herausgegeben von J . H. Kaiser), 1968 S. 39f. ; Forsthoff, VwR, S. 303; Herzog, Planung I in: Ev. Staatslexikon, 2. Aufl. 1975; E.-W. Böckenförde, Der Staat 11 (1972), 429, 431 ff.; Wahl, Der Staat 11 (1972), 459, 471 f. Vgl. etwa Oldiges (Fn. 1) S. 34f., 166; Wahl, Plangewährleistungsanspruch, 1971 S. 121 f. ; Herzog, Regierungsprogramme und Regierungspläne im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in Bd. 51 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, 1972 S. 40f. ; Benda, NJW 1967, 849, 850f.; Hamischfeger, Planung in der staatlichen Demokratie, 1969 S. 30f. ; Haberle, in: Festschrift für G. Küchenhoff, 1972 S. 452, 459f.; Schmidt-Aßmann, DÖV 1974, 541, 543. Zum staatsleitenden Inhalt des Sozialstaatsprinzips vgl. auch Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 1976 S. 60f., 79ff. 221
§21
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Staat die Herbeiführung einer gerechten Sozialordnung aufgibt und ihn damit zur Planung auch in jenen Bereichen legitimiert und verpflichtet, die früher im wesentlichen gesellschaftlich diszipliniert wurden. Es sind hier einerseits der entweder zyklisch auftretende oder sich kontinuierlich vergrößernde Mangel an Ressourcen und andererseits die Uberzeugung, daß gesellschaftliche Mechanismen zur Bewältigung dieser Mangellagen nicht oder nicht allein ausreichen, die zu einer Ausweitung staadicher ver- und zuteilender, jedoch auch umverteilender, mittelbar oder auch unmittelbar eingreifender Planung führen 9 . Darüber hinaus hat der Fortschritt der Technik in einem gegenüber früher unvergleichlich größeren Maße entscheidungserhebliche komplexe Datengefüge und -interdependenzen verfügbar gemacht und damit einen technokratischen Machbarkeitsanspruch ausgelöst, der sich gelegentlich bis zur „Planungseuphorie" steigert 10 . Planung ist in der Substanz keineswegs ein neues Phänomen 11 , wie oben unter Bezug auf den Haushaltsplan und Fluchtlinienplan schon angedeutet. Planungsqualität hatte und hat im Grunde jede verhaltenssteuernde Entscheidung, sei sie in Form einer generellen und abstrakten oder einer Einzelfallregelung ergangen. Auf der anderen Seite ist das Bewußtsein der Interdependenz und Komplexität von Verwaltungsentscheidungen und ihren Wirkungen gestiegen 12 und damit die Unbefangenheit, mit der früher nicht nur gelegentlich entschieden wurde, gewichen. Die Zunahme rechtssatzmäßig festgelegter Planungsverpflichtungen findet daher nicht zuletzt auch ihre Erklärung in dem Versuch, mit dem Verfahren, welches zum Erlaß des Plans führt, Komplexität und Wirkungen von Verwaltungsentscheidungen möglichst weitgehend deutlich zu machen und ihre Folgen durch Transparenz des Willensbildungsprozesses und Beteiligung des Betroffenen — hinzuweisen ist etwa auf die in §§ 1 Abs. 4, 4 Abs. 1, 9 Abs. 1—3 StBFG, § 2a BBauG vorgesehene Beteiligung der Bürger — in gewissem Maße abzufangen. Aus diesem Grunde ist trotz der gelegentlich recht desillusionierenden Erfahrungen, insbesondere mit technokratischen Planungen, die Zunahme rechtssatzmäßig festgelegter Planungsverpflichtungen der Verwaltung insgesamt gesehen als der positiv zu bewertende Versuch zu begreifen, Einzelmaßnahmen in ihrer wechselseitigen gegenwärtigen und zukünftigen Bedingtheit zu koordinieren, in ihren Folgen für die Betroffenen abzuklären und auf übergeordnete Zielvorstellungen auszurichten 13 .
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Es gibt kaum einen Bereich, für den heute nicht Pläne aufgestellt oder projektiert werden. Einen Uberblick über den Umfang des heutigen Planungswesens geben die von J. H. Kaiser herausgegebenen Bände Planung I—VII. Vgl. ]. H. Kaiser, Planung I, 1965 S. 7: „Planung ist der große Zug unserer Zeit. Planung ist ein gegenwärtig ins allgemeine Bewußtsein aufsteigender Schlüsselbegriff unserer Zukunft". Vgl. auch Forsthoff, V w R , S. 303. Vgl. etwa Schmidt-Aßmann, W D S t R L 34 (1976), 224 ff. Vgl. auch Oldiges (Fn. 1) S. 20.
222
§22
Das Verwaltungshandeln §22
Der Plan als Handlungsform Uber die Einordnung der verschiedenen Pläne, die von Bund, Ländern und Gemeinden sowie von sonstigen Trägern öffentlicher Verwaltung erlassen werden, in die Handlungsformen des öffentlichen Rechts herrscht Unklarheit 1 . Schon der Haushaltsplan gab über ein gutes Jahrhundert hinweg Stoff für Auseinandersetzungen über seine diesbezügliche Rubrizierung 2 , und die Zunahme von Plänen und Planung hat die vorhandene Ratlosigkeit noch beträchtlich gesteigert. Die Pläne unterscheiden sich einmal in der F o r m 3 . So wird der Haushaltsplan gemäß Art. 110 Abs. 2 S. 1 G G durch Gesetz festgestellt. Der Bebauungsplan ergeht nach § 10 B B a u G als Satzung, und die Finanzplanung erfolgt gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 StabG durch Beschluß der Bundesregierung 4 . Andere Pläne wiederum unterliegen einem besonderen Planfeststellungsverfahren 5 . Die Heterogenität der Pläne 6 beschränkt sich indes nicht auf die Form, auch ihr Inhalt ist unterschiedlich. Das gilt einmal hinsichtlich des Planadressaten: Während ζ. B . der durch Gesetz festgestellte Haushaltsplan im Verhältnis zum Bürger entsprechend § 3 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung 7 ohne rechtliche Wirkung ist und auch der Flächennutzungsplan nur verwaltungsinterne Bindungswirkung entfaltet 8 , enthält der Bebauungsplan gemäß § 8 Abs. 1 B B a u G die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung auch im Verhältnis zum Bürger. Es gilt zum anderen hinsichtlich der Rechtsfolgen: Während ζ. B . ein Umlegungsplan gemäß § 72 BBauG unmittelbar privatrechtsgestaltende Wirkung entfaltet, bedarf etwa der Bebauungsplan noch des Vollzugs durch Erteilung oder Ablehnung von Baugenehmigungen. Imperative oder normative Pläne, wie ζ. B . der Bebauungsplan, binden unmittelbar das Verhalten der von ihnen Betroffenen, während influenzierende Pläne bestimmte Ziele und Prioritäten festsetzen, sie aber nicht durch Befehl, sondern
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Vgl. Ossenbühl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit, dargestellt am Beispiel der Entwicklungsplanung? Gutachten Β zum 50. DJT, 1974 S. 45f.; SchmidtAßmann, DÖV 1974, 541. Vgl. dazu auch: Hoppe, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz I, 1976 S. 663, 666f. Vgl. Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit II, 1973 S. 90, 93f.; Kölble, Planung I (herausgegeben von J. H. Kaiser), 1965 S. 93. Vgl. Kölble (Fn. 2) S. 93f.; Wolff/Bachof, VwR I, § 47 IXb, c, d. Vgl. dazu Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit II, 1973 S. 90f. Vgl. dazu unten § 42. Vgl. dazu Ossenbühl (Fn. 1) S. 46f„ 49f. Vgl. auch § 3 Abs. 2 HaushaltsgrundsätzeG. Vgl. Wolff/Bachof VwR I, § 4 7 I X e ; Schrödter, Bundesbaugesetz, 3. Aufl. 1973, § 1 Rn. 4; Stich, DVB1. 1973, 589, 593. 223
§ 2 2
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
durch den Einsatz anderer staatlicher Lenkungsmittel 9 zu verwirklichen suchen 10 . Neben diesen beiden, sich durch die verschieden starke Intensität ihrer Verhaltensbeeinflussung unterscheidenden Plantypen stellt der indikative oder informative Plan eine Sammlung von Daten und Vorausberechnungen dar 11 . Ein Einfluß auf die gesellschafdiche Entwicklung geht von ihm — wenn überhaupt — allenfalls insofern aus, als Einzelpersonen, Unternehmen und staatliche Organe sich ar> seine Vorhersagen halten und entsprechend disponieren 12 . Plänen kommt zuweilen determinierende Wirkung im Verhältnis zu anderen Planungen zu. Am Beispiel der Bauleitplanung etwa läßt sich verdeutlichen, daß Planung sowohl gleichstufig gesteuert als auch durch höherstufige Entscheidungen gebunden sein kann. So ist gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 BBauG der Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln, und besteht gemäß § 2 Abs. 4 BBauG die Pflicht, Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen 13 . Gemäß § 1 Abs. 4 BBauG sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung und der Landesplanung anzupassen 14 , und § 38 BBauG legt den Vorrang qualifizierter Fachplanung fest. Planung kann also „mehrstufig" sein, was insbesondere im Hinblick auf den Rechtsschutz erhebliche Probleme aufwirft l s . Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, um die Vielfalt der als Plan bezeichneten Erscheinungen zu verdeutlichen. Die angeführten Beispiele zeigen bereits, daß die für die Kategorisierung verwaltungsrechtlicher Handlungsformen entscheidenden Kriterien, nämlich Innen- und Außenverhältnis, abstrakt-generelle und konkret-individuelle Regelung, rechtlicher und tatsächlicher Erfolg, Einseitigkeit und Zweiseitigkeit, zur Klassifikation des Plans nicht herangezogen werden können 1 6 . Bei dem Plan handelt es sich vielmehr um eine Erscheinung, die das bisherige System staats- und verwaltungsrechtlicher Handlungsformen und der sie
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Ζ. B. durch Steuervorteile und Subventionen. Oldiges, Grundlagen eines Plangewährleistungsrechts, 1970 S. 92f. ; Wolff/Bachof,VwR I, § 18 Ib 4 ; Beispiele: Entwicklungspläne, Bundesjugendplan, Rahmenplanung gemäß Art. 91a GG, Bildungsplanung gemäß Art. 91b GG. Wolff/Bachof, VwR I, § 18 Ib 4; Oldtges (Fn. 10) S. 92; Egerer, Der Plangewährleistungsanspruch, 1971 S. 28 f. ; Beispiele : Wirtschaftsbericht der Bundesregierung, Grüner Bericht, Sozialbericht. Oldiges (Fn. 10) S. 92; Egerer (Fn. 10) S. 29. Die Abgrenzung des indikativen vom influenzierenden Plan ist schwierig und umstritten. Vgl. H. P. Ipsen, Planung II (herausgegeben von J. H. Kaiser), 1966 S. 81f. einerseits und Egerer (Fn. 10) S. 29 andererseits. Zum ganzen auch Scheuner, Planung I (herausgegeben von J. H. Kaiser), 1965 S. 83f. Vgl. zur Lenkungswirkung stattlicher Planung auch Oldiges (Fn. 10) S. 21, 23, 24, 28, 29. Vgl. dazu BVerwGE 40, 323, 328ff. Vgl. dazu OVG Lüneburg DVB1. 1977, 212 ff. Vgl. dazu etwa Schmidt-Aßmann, W D S t R L 34 (1976), 221, 225 f. ; Bliimel, DVB1. 1975, 695, 698f., 702f.; Papier, NJW 1977, 2714. Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 4 7 I X a .
Das Verwaltungshandeln
§ 2 2
bedingenden Merkmale überschreitet 17 . Allen Versuchen, Gegenteiliges nachzuweisen 18 , ist jedenfalls bis heute ein überzeugender Erfolg versagt geblieben. Das dürfte seinen Grund darin haben, daß die Kriterien für die Einbeziehung eines Vorganges in die Kategorie der Planung und des Plans außerrechtlicher Natur sind. Von den primär angesprochenen Wissenschaften — den Politik-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften — sind sie bis heute nicht befriedigend definiert. Aus dem Bereich der Rechtswissenschaft liegen zwar Definitionen vor 1 9 , ihnen mangelt es indes an klassifikatorischen Merkmalen, die eine Abgrenzung gegenüber dem überlieferten Bestand staats- und verwaltungsrechtlicher Handlungsformen ermöglichen 20 . Dieser Befund erklärt, warum Staats- und Verwaltungsrecht den Plan bisher nicht zu einem rechtlichen Systembegriff haben machen können. Die Versuche, typologisch zu gliedern 21 , Pläne und Planung jeweils unter besonderen Aspekten zu definieren, also etwa zwischen „zentraler Planung" (ζ. B. auf den Gebieten der Verteidigung, Wirtschaft und Sozialpolitik) und „Verwaltungsplanung" (namentlich dort, wo Räume zu ordnen sind, ζ. B. Bauleit- und Raumplanung 22 ), zwischen Raum- und Wirtschaftsplanung 23 , Gesamt- und Fachplanung 24 oder zwischen Objekts- und Ablaufsplanung 25 zu unterscheiden, geben Zeugnis von der bisherigen Erfolglosigkeit der Bemühungen, zu einer einheitlichen Plandefinition zu kommen, die auch als neue Kategorie staats- und verwaltungsrechtlicher Handlungsformen brauchbar ist. O b diesen Bemühungen angesichts der Heterogenität der Erscheinungsformen von Planung und Plänen, der häufig an-
>7 Vgl. auch die Übersicht bei Hoppe (Fn. 1) S. 663, 669ff. Wenn Forsthoff, VwR, S. 3 1 0 , 312 den Plan (bzw. genauer den Gesamtplan) im Verhältnis zu den tradierten Handlungsformen als aliud qualifiziert, so verkennt er die Vielfalt der Erscheinungsformen des Plans. 18
Vgl. etwa Imboden, W D S t R L 18 (1959), 1 2 1 f . ; Obermayer, 1 7 0 ; Scheuner (Fn. 12) S. 71, 73.
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Vgl. Kaiser, Planung II, 1966 S. 2 0 f . ; Thieme, Verwaltungslehre, 1967, R n . 9 2 7 ; Herzog, Planung vor I in: Ev. Staatslexikon, 2. Aufl. 1975, Sp. 1 8 1 8 ; Egerer (Fn. 11) S. 22. Übersicht bei Hoppe (Fn. 1) S. 663, 666ff. Zur Typologie der Pläne: Hoppe (Fn. 1) S. 6 6 3 , 6 6 9 f . ; H. P. Ipsen, Planung I (herausgegeben von J . H . Kaiser), 1965 S. 4 3 f . ; ders. (Fn. 12) S. 6 9 f . ; Oldiges ( F n . 10) S. 4 2 f . ; Egerer (Fn. 11) S. 2 7 f . ; Thieme (Fn. 19) Rn. 3 1 4 f „ 9 2 6 f .
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W D S t R L 18 (1959), 150,
So Scheuner (Fn. 12) S. 7 0 f . ; ders., D Ö V 1965, 5 4 2 , 543. Vgl. H. P. Ipsen (Fn. 12) S. 79, 80. So Forsthoff, V w R , S. 3 0 4 f . im Hinblick auf den raumbezogenen Plan. Fachplanung dient danach der Durchführung eines bestimmten Vorhabens (vgl. z. B. §§ 36 B B a h n G , 14 W H G , 16f. FStrG, 8 f . LuftVG), während die Gesamtplanung nicht auf ein bestimmtes Objekt gerichtet, sondern gebietsbezogen ist. Forsthoff, Planung III (herausgegeben von J . H . K a i s e r ) , 1968 S . 2 7 f . ; Laux, Planung als Führungsmittel der Verwaltung, 1967 S. 51f. Beispiel für Ablaufplanung: §§ 2, 9, 10, 2 2 StabG ; Oldiges (Fn. 10) S. 44 differenziert zwischen raumordnender Planung, zeitlich koordinierender Ausbauplanung und staatlicher Lenkungsplanung. 225
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Allgemeines Verwaltungsrecht
§ 2 3
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
zutreffenden typologischen Unreinheit der Planungstätigkeiten und der Tatsache, daß Planung größtenteils nur akzidentell zu einer anderen staatlichen Tätigkeit gehört 2 6 , Erfolg beschieden sein wird, ist zu bezweifeln 27 . Dementsprechend hat das BVerwG schon im Jahre 1964 28 Skepsis gegenüber dem Plan als einheitlichem Rechtsinstitut erkennen lassen. Andererseits kennt die Rechtsordnung den Plan und stellt damit die Aufgabe dogmatischer Bewältigung der mit diesem Rechtsbegriff bezeichneten Verhaltensmuster. Gegenwärtig kann das jedenfalls nur in der Weise geschehen, daß man den einzelnen Plan — sofern er nicht, wie etwa in § 10 BBauG, durch Gesetz einer Handlungsform zugeordnet ist 29 — daraufhin analysiert, welcher der vorhandenen Handlungsformen er ganz oder teilweise zuzuordnen ist 3 0 , um dann die ihr zugeordneten Rechtsfolgen, wie ζ. B. über das Erlaßverfahren und den Rechtsschutz 3 1 , ganz oder teilweise auf ihn anzuwenden 32 . §23
Planaufstellung, Planänderung und Plangewährleistung Planung und Plan stehen in einem Spannungsfeld, welches durch die Schlagworte Flexibilität und Kontinuität der Planung bestimmt wird 1 . Planung und Plan haben in die Zukunft gerichtete Zielsetzungen. Sie sind abhängig von der Analyse bestehender Gegebenheiten und der Prognose über den zukünftigen Verlauf vielfältiger, interdependenter Prozesse 2 . Dergestalt und durch die Möglichkeit der Änderung der Planziele 3 fließen in die Planung und den Plan unvermeidbar Unsicherheiten und Ungenauigkeiten ein. Sie führen zu der Notwendigkeit, die im Verlauf der Planverwirklichung entstehenden und die seine weitere Durchführung bedingenden Faktoren ständig zu kontrollieren und ausgehend von den dergestalt 26 27
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Vgl. Oldiges (Fn. 10) S. 41-,Schmidt-Aßmann, DÖV 1974, 541. Vgl. auch Ossenbühl (Fn. 1) S. 52; Wolff/Bachof, V w R I , § 4 7 I X a ; Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), 241 Fn. 59. BVerwGE 18, 318, 320, 321. Vgl. im übrigen die Beispiele bei Kölble, DÖV 1977, 1, 4f. Vgl. auch BVerwGE 18, 318, 320, 321. Weiter dazu Obermayer, W D S t R L 18 (1959), 160; vgl. auch im einzelnen die Aufstellung von Wolff/Bachof, V w R I , § 47 I X a . Vgl. H. P. Ipsen (Fn. 21) S. 60f.; Egerer (Fn. 11) S. 4 3 f . ; Oldiges (Fn. 10) S. 120f. Zur verfassungsgerichtlichen Kontrolle von Planung (Plänen) vgl. Hoppe (Fn. 1) S. 663, 672ff. Vgl. dazu auch Schmidt-Aßmann, DÖV 1974, 541, 543f., 546f. Vgl. dazu Ossenbühl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit, dargestellt am Beispiel der Entwicklungsplanung? Gutachten Β zum 50. DJT, 1974 S. 196f. Vgl. auch Schmidt-Aßmann, DÖV 1974, 541, 542; Menger /Erichsen, VerwArch. 59 (1968), 381; Egerer, Der Plangewährleistungsanspruch, 1971 S. 39; Redeker, J Z 1968, 537, 541. Vgl. auch Kriele, DÖV 1967, 531, 532.
Das Verwaltungshandeln
§23
gewonnenen Ergebnissen die Planung anzupassen, wenn sie nicht schließlich unbeachtlich werden soll 33 . „Zur Planung selbst gehört, nicht als seltene Ausnahme, sondern als praktische Bedingung ihres Erfolges, die Veränderlichkeit (und die Veränderung) des Plans" 4 . Andererseits ist der Plan auf Verwirklichung der ihn motivierenden Zielsetzung gerichtet und damit häufig auf ein plangemäßes Verhalten der Bürger. Der einzelne soll sich also am Plan orientieren, durchaus auch Investitionen vornehmen. Ihm liegt daher an einer Plangewährleistung 5 . Soweit es dabei um Entschädigung für im Vertrauen auf den Planbestand gemachte Investitionen geht, kann auf die späteren Ausführungen 6 verwiesen werden. An dieser Stelle ist indes die Frage nach einem Anspruch auf Planung und/oder Planvollzug zu stellen. Eine Planungspflicht wird entweder — wie etwa im Falle des § 1 Abs. 3 BBauG — durch Gesetz oder mangels einer solchen ausdrücklichen Regelung durch unmittelbaren Rückgriff auf das Sozialstaatsprinzip begründet. Der Planungspflicht entspricht jedoch nicht ohne weiteres ein Recht des einzelnen auf Planung; es ist vielmehr erforderlich, daß die Verpflichtungsnorm auch dem einzelnen ein Recht einräumt. Insoweit besteht hinsichtlich des Sozialstaatsprinzips weitgehende Übereinstimmung darüber, daß es der gesetzlichen Entfaltung bedarf, daß also ohne eine gesetzliche Grundlage Rechte nicht bestehen 7 . Dementsprechend bestimmt etwa § 2 Abs. 7 BBauG, daß auf Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen kein Anspruch besteht. Besteht demnach auch kein Anspruch des einzelnen Bürgers auf Planung 8 , so bleibt die Frage, ob dem einzelnen planbetroffenen Bürger jedenfalls ein Anspruch auf Planfortbestand 9 oder ein Anspruch auf Vollzug eines gerade bestehenden Plans 10 zusteht. Auch insoweit erweist sich das Sozialstaatsprinzip nach dem oben Gesagten nicht als tragfähig 11 , sind andererseits aber das für jede Ausübung staatlicher Gewalt verbindliche Willkür- 1 2 und Ubermaßverbot 1 3 zu beachten. O b Vgl. BVerwG NJW 1977, 2325 f. So v. Simson, Planung I (herausgegeben von J. H. Kaiser), 1965 S. 420, Klammerzusatz von uns; vgl. auch Oldiges, Grundlagen eines Plangewährleistungsrechts, 1970 S. 106. 5 Vgl. H. P. Ipsen, in: Festschrift für Ernst Rudolf Huber, 1973 S. 219f., 233; weitere Nachw. zum Problem der Plangewährleistung bei H. P. Ipsen, a. a. O., S. 219, 220 Fn. 3 und 4 und Seidler, Rechtsschutz bei staatlicher Wirtschaftsplanung, 1973 S. 115, 120f. 6 Vgl. unten §53 VI 3; auch Seidler (Fn. 5) S.123f.; H. P. Ipsen (Fn. 5) S. 233 f.; Ossenbühl, JuS 1975, 504 ff. 7 Vgl. zum Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums v. Mangoldt/Klein, GG, S. 607f.; Hesse, VerfR, S. 86; Schnapp, in: I. v. Münch, GGK., Art. 20 Rn. 19; Oldiges (Fn. 4) S. 166; BVerfGE 1, 97, 105; BVerwG DÖV 1958, 737, 738. 8 So auch Egerer (Fn. 2) S. 123; Oldiges (Fn. 4) S. 166 m. w. N. » Vgl. dazu Ossenhühl (Fn. 1) S. 197f.; ders., JuS 1975, 545, 547. 10 Hinsichtlich des Bebauungsplanes einerseits Redeker, DVB1. 1969, 7, 8, andererseits Hoppe, DVB1. 1969, 246. 11 Vgl. auch Oldiges (Fn. 4) S. 166. 12 Vgl. Egerer (Fn. 2) S. 119f.; Fröhler, Das Wirtschaftsrecht als Instrument der Wirtschaftspolitik, 1969 S. 138 f. 13 Vgl. Seidler (Fn. 5) S. 121f. 11
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§ 2 3
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
darüber hinaus ein Anspruch auf Planfortbestand oder Planvollzug besteht 1 4 , ist wiederum nicht für alle Pläne einheitlich beantwortbar. Es kommt hier insbesondere auf die Interpretation der Schutzbereiche von Art. 12 und 14 G G , auf die Form des Plans — Norm, Verwaltungsakt, Verwaltungsvorschrift 15 — und seine damit zusammenhängende Einwirkung auf die Rechtsgütersphäre des einzelnen 16 , weniger indes auf eine in ihrer normativen Legitimation fragwürdige Güterabwägung 17 an. In der Regel wird ein Anspruch des Bürgers auf Planfortbestand und Planvollzug schwer zu begründen sein 1 8 . Um so notwendiger ist es daher, eine präventive Plangewährleistung durch ein Planungsverfahren herbeizuführen, das optimale Möglichkeiten der Datenanalyse und Prognose bereitstellt. Auch hier kommt es wieder auf die Form des Plans an. Soweit einschlägige Verfahrensregelungen — Gesetzgebungsverfahren, Verfahren zum Erlaß von Verwaltungsakten — bestehen, müssen die in ihnen vorgesehenen Möglichkeiten, insbesondere der Anhörung der Planbetroffenen — im Verwaltungsverfahren etwa in Form der Partizipation 19 , die jedoch nicht die verfaßte Entscheidungskompetenz und Verantwortungszuordnung verlagern darf — genutzt werden. Das gilt um so mehr, als die Verwaltung, auch soweit es nicht wie in § 10 BBauG ausdrücklich festgelegt ist, sich der Form der Satzung bedient, um dergestalt, jedenfalls soweit Ausführungsregelungen der Länder zu § 47 Abs. 1 Nr. 2 V w G O nicht ergangen sind, den erlassenen Plan der prinzipalen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zu entziehen 20 . So wurde etwa anstelle des in § 17 FStrG geregelten, zu einem anfechtbaren Verwaltungsakt führenden Planfeststellungsverfahrens der Weg gewählt, die Festsetzungen über Bebauungspläne zu treffen. Dieses Verfahren hat das BVerwG, allerdings unter sehr kritischer Resonanz 2 1 , für zulässig erachtet 22 . D a § 4 7 A b s . 1 Nr. 1 V w G O seit dem 1. 1. 1977 die Uberprüfung von Satzungen, die nach den Vorschriften des BBauG oder des StBFG ergehen, bundeseinheitlich vorsieht, würde heute ein solches Vorgehen den früher möglichen Erfolg nicht mehr herbeiführen können.
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Vgl. Egerer (Fn. 2) S. 118. Vgl. dazu Ossenbühl (Fn. 1) S. 199f. Vgl. dazu Redeker, J Z 1968, 537, 541 ; Ossenbühl (Fn. 1) S. 200; ders., JuS 1975, 545, 547. So aber Kriele, DÖV 1967, 531, 534 f. Grundsätzlich ablehnend : Egerer (Fn. 2) S. 118 ; Redeker, JZ 1968, 537, 541 ; Kriele, DÖV 1967, 531, 538. Vgl. etwa § 2 a BBauG. Dazu auch unten §38111. Eine Durchführung der prinzipalen Normenkontrolle in den Ländern, die nicht von der Ermächtigung des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht haben, kommt auch unter Berücksichtigung von Art. 19 Abs. 4 GG nicht in Betracht. Vgl. Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 168f. Zum Rechtsschutz gegenüber planender Verwaltung vgl. auch Scholz und Schmidt-Aßmann, W D S t R L 34 (1976), 183ff., 239ff.; Hoppe, DVB1. 1975, 684ff., alle m. w. N . Vgl. dazu Blümel, DVB1. 1972, 122 und v. Mutins, VerwArch. 63 (1972), 211. Vgl. BVerwG D Ö V 1971, 636.
Das Verwaltungshandeln
§ 2 4
3. Abschnitt Verwaltungsrechtlicher Vertrag und andere verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen §24
Begriff und Arten des verwaltungsrechtlichen Vertrages Während der Verwaltungsakt — und zwar auch der mitwirkungsbedürftige1 — auf die einseitige Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet ist, setzt der Vertrag Rechtsfolgen durch darauf gerichtete Einigung von — mindestens zwei — Rechtssubjekten. Es gibt ihn als Handlungsform nicht nur im Privatrecht, sondern auch im öffentlichen Recht. Man denke nur an den völkerrechtlichen Vertrag oder an Verträge unter den Ländern der Bundesrepublik, denen in der Regel staatsrechtliche Qualität zukommt 2 . An dieser Stelle geht es indessen nur um den verwaltungsrechtlichen Vertrag, also um die Setzung von Rechtsfolgen des Verwaltungsrechts durch Einigung von mindestens zwei Rechtssubjekten. § 9 VwVfG sieht neben dem Erlaß eines Verwaltungsaktes den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages als Produkt eines Verwaltungsverfahrens an; es geht also bei den Regelungen der VwVfGe nicht eigentlich um den öffentlich-rechtlichen sondern — entsprechend auch der jeweils in ihrem § 1 enthaltenen Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit — um den verwaltungsrechtlichen Vertrag. Je nachdem, ob es sich bei den vertragsschließenden Rechtssubjekten nur um Träger öffentlicher Verwaltung3 handelt oder um einen Träger öffentlicher Verwaltung auf der einen und einen Bürger auf der anderen Seite, spricht man von koordinations- oder subordinationsrechtlichen verwaltungsrechtlichen Verträgen 4 . 1
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Vgl. dazu oben § 12 IV. Zur Abgrenzung von mitwirkungsbedürftigem Verwaltungsakt und Vertrag vgl. etwa Bernhardt, VerwArch. 55 (1964), 210, 250; Stern, J Z 1960, 557, 560; Wolff/Bachof, VwR I, § 4 4 IIa 2 ; Bosse, Der subordinationsrechtliche Verwaltungsvertrag als Handlungsform öffentlicher Verwaltung, 1974 S. 30 ff. Vgl. dazu Hans Schneider, W D S t R L 19 (1961), 8 f . , 12ff.; BVerfGE 22, 221, 229f.; 34, 216, 226. Nach BVerfGE 42, 103, 113ff. ist der Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen als verwaltungsrechtlicher Vertrag zu qualifizieren. Ebenso BVerwGE 50, 124, 129ff. Dazu auch Menger, VerwArch. 67 (1976), 429; Hans Schneider, D Ö V 1976,
416; Pestalozza, NJW 1976, 1087. 3 4
Vgl. dazu unten § 56 II. O b dieser Sprachgebrauch sehr glücklich ist, ist eine andere Frage. Er hat sich indessen durchgesetzt, vgl. Bisek, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, Diss. Münster 1970 S. 5; Beinhardt (Fn. 1) S. 213f.; Kottke, System des subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrages, Diss. Hamburg 1966 S. 6f. und wird deshalb auch hier verwendet. Bedenken bei Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1977 S. 108. Terminologische Überlegungen auch bei Göldner, J Z 1976, 352, 353.
229
§ 2 5
I, II
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens §25
Die Zuordnung eines Vertrages zum öffentlichen Recht I. Die Notwendigkeit der Unterscheidung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag Sowohl das Privatrecht wie auch das öffentliche Recht kennen also den Vertrag. Man kann ihn als Rechtsfigur begreifen, die diesen nach unterschiedlichen Merkmalen voneinander geschiedenen Teilrechtsordnungen vorausliegt und einem für beide Teile geltenden Gemeinrecht1 angehört. Das ändert indessen nichts daran, daß jeweils im Einzelfall zu bestimmen ist, ob ein öffendich-rechtlicher oder ein privatrechtlicher Vertrag vorliegt, da, wie alsbald gezeigt werden wird, die Grenzen der Abschluß- und Gestaltungsfreiheit unterschiedlich und auch die im Zusammenhang mit ihnen entstehenden Streitigkeiten in verschiedenen Rechtswegen zu entscheiden sind.
II. Unterscheidungskriterien Eine Zuordnung des Vertrages zum öffentlichen Recht erweist sich dann nicht als schwierig, wenn er in Vollzug einer gesetzlichen Regelung geschlossen wird, die dem öffentlichen Recht angehört. Dies ist durchweg für koordinationsrechtliche — z. B. in § 1 Abs. 2 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit N W und gelegentlich auch für subordinationsrechtliche Verträge — ζ. B. in § 123 Abs. 3 BBauG, der Erschließungsverträge der Gemeinde mit dem Bürger ausdrücklich vorsieht 2 — der Fall 3 . Soweit eine solche gesetzliche Regelung nicht vorhanden ist, wird die Frage, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag handelt, von der Rechtsprechung, und ihr folgend, vielfach auch vom Schrifttum ausgehend vom „Gegenstand des Vertrages" beantwortet 4 . Fraglich ist 1 2
3
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230
Vgl. den Ausdruck von Bullinger, öffentliches und Privates Recht, 1968 S. 75, 82. Zur öffentlich-rechtlichen Qualität von Erschließungsverträgen vgl. BVerwGE 22, 138, 140f. ; 32, 37, 38; Β G H Z 54, 287, 289f.; Schütz/Frohberg, Bundesbaugesetz, 3. Aufl. 1970, § 123 Anm. 2 b ; Finkler, Das Erschließungsrecht, 2. Aufl. 1967, § 123 Anm. 19; Briigelmann/Förster, Bundesbaugesetz, Stand 1971, § 1 2 3 Anm. III 2 b ; Cholewa, Erschließung und Erschließungsbeitrag nach dem BBauG, 3. Aufl. 1967, § 123 Anm. 9. Weitere Beispiele: §§ 110, 111 und 171 BBauG; § 28 Abs. 2 und § 32 Abs. 3, 5 und 6 PBefG; § 1 3 Abs. 6 FStrG, weitere Nachweise BT-Drucks. 7/910, S. 78 und Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 5 4 Rn. 3.2.1. Vgl. B G H Z 32, 214; 35, 69f.; 56, 365, 368; B G H DVB1. 1965, 276; B G H NJW 1975, 2015; BVerwGE 22, 138; 25, 299, 301; BVerwG MDR 1976, 874; Rupf, JuS 1960, 59, 60; J A 1969, Ö R 66; weitere Nachweise bei Menger, VerwArch. 64 (1973), 203 Fn. 1 und Bosse, Der subordinationsrechtliche Verwaltungsvertrag als Handlungsform öffentlicher Verwaltung, 1974 S. 21 ff.
Das Verwaltungshandeln
§ 2 5 II
indes, was „Gegenstand des Vertrages" in diesem Sinne ist. Die in der Formulierung unterschiedlichen Umschreibungen 5 laufen überwiegend darauf hinaus, daß Gegenstand des Vertrages die durch ihn begründeten oder mit ihm verknüpften Rechtsfolgen sind 6 . Dieser Ansatz liegt auch der Regelung des § 54 S. 1 VwVfG zugrunde, der darauf abstellt, ob ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird 7 . Insoweit entstehen jedoch beim Austauschvertrag, der auch unter den öffentlich-rechtlichen Verträgen die Regel ist, jedenfalls dann Schwierigkeiten, wenn es um Verträge zwischen Verwaltung und Bürger geht. Während hier die Verwaltung vielfach Verpflichtungen zu Leistungen übernimmt, die ohne weiteres als öffentlich-rechtliche zu qualifizieren sind — wie etwa der Erlaß eines Verwaltungsaktes (Baugenehmigung) — und zu denen die Verwaltung sich auch nur öffentlichrechtlich verpflichten kann, kann die für den Bürger begründete Verpflichtung in diesen Fällen immer nur eine sein, wie sie jedermann eingehen und erfüllen könnte — Zahlung von Geld 8 , Ubereignung von Grundstücken etc. 9 . Das führt indes auch dann, wenn man der Subjektstheorie folgt, nicht dazu, diese Verpflichtungen in jedem Falle als privatrechtlich zu qualifizieren. Das zeigt sich etwa bei den aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen durch Verwaltungsakt begründeten Verpflichtungen des Bürgers wie etwa beim Steuerbescheid oder bei den Ordnungsverfügungen. In allen diesen Fällen entstehen öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die auf Leistungen gehen, wie sie jedermann erfüllen kann. Es kommt eben bei der Subjektstheorie nur darauf an, daß ein Zuordnungssubjekt des Rechtssatzes der Staat oder eine seiner Untergliederungen ist. Man hat verschiedentlich versucht, insbesondere im Hinblick auf die Frage nach dem Rechtsweg die einzelnen aus dem Vertrage entstehenden Rechte und Pflichten „nach ihrem Gegenstand" dem öffentlichen oder dem Privatrecht zuzuordnen und kam dergestalt zu gemischt öffentlich-rechtlichen/privatrechtlichen Verträgen 10 . Es ist zwar denkbar, daß durch öffentlich-rechtliche Maßnahmen privatrechtliche Rechte und Pflichten begründet werden, wie das Beispiel des privatrechtsgestaltenden Verwaltungsaktes zeigt. Eine Aufgliederung der aus einem Vertrag entstehenden Rechte und Pflichten in öffentlich-rechdiche und privatrechtliche führt jedoch dazu, daß für die Zulässigkeit und inhaltliche Gestaltung von Verträgen unterschiedliche Vorschriften des öffentlichen und des Privatrechts anzuwenden wären. Eine solche unterschiedliche Behandlung der aus einem Rechtsverhältnis entstehenden Rechtsbeziehungen ist abzulehnen. „Diese Enge des Zusammen5 6 7 8 9 10
Vgl. dazu Menger, VerwArch. 64 (1973), 203 f. Vgl. etwa B G H DVB1. 1965, 276; B G H J Z 1973, 420. Vgl. amtliche Begr. BT-Drucks. 7/910, S. 78. Vgl. auch BVerwGE 42, 331, 332f.; Rüfner, J Z 1973, 421f. Vgl. B G H DVB1. 1972, 824. Vgl. etwa B G H Z 32, 214, 216; 56, 365, 368; Lerche, Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd. II, 1963 S. 59, 66f.; Schwerdtfeger, öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 4. Aufl. 1977 S. 88; Gern, Der Vertrag zwischen Privaten über öffentlich-rechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen, 1977 S. 82f., 92. 231
§ 2 5 II
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
hangs . . . ist es, die verlangt, daß beide Leistungen nach übereinstimmenden Regeln beurteilt werden und deshalb, wenn die eine von ihnen den Regeln des öffentlichen Rechts untersteht, auch die andere diesen Regeln unterstehen muß" 1 1 . Einen gemischt öffentlich-rechtlichen/privatrechtlichen Vertrag kann es daher nicht geben 12 . Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag liegt vielmehr schon dann vor, wenn mindestens eine Rechtsbeziehung, welche durch den Vertrag begründet, verändert oder aufgehoben werden soll oder wird, dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist 1 3 . Das ist immer dann der Fall, wenn durch den Vertrag „auf von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich . . . geregelte Sachverhalte" eingewirkt wird 1 4 . So liegt ein verwaltungsrechtlicher Vertrag vor, wenn es beispielsweise in einer Vereinbarung zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und einem Bürger um die Verpflichtung zu Vorauszahlungen von Erschließungsbeiträgen 15 , zur Durchführung des Verfahrens zur Aufstellung eines Bebauungsplans und zur Erteilung des Einvernehmens im Baugenehmigungsverfahren 16 oder zur Erteilung eines Baudispenses 17 geht. Soweit die Sachverhalte indes nicht öffentlich-rechtlich vorgeordnet sind und die Verwaltung Verträge mit dem Bürger allein auf der Grundlage einer Aufgabenzuweisungs- oder Zuständigkeitsnorm schließt, ist zu erwägen, ob die Zuordnung eines Vertrages zum öffentlichen Recht nicht dadurch geschehen kann, daß man darauf abstellt, ob die vertragliche Regelung, wäre sie normativ erfolgt, eine Norm des öffentlichen Rechts sein würde 1 8 . Indes begegnet dieser Ansatz im Hinblick 11 12
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So nunmehr BVerwGE 42, 331, 333. Vgl. auch Menger, VerwArch. 64 (1973), 203f. m. w. N.; Frank, DVBl. 1977, 682, 690. So auch Bisek, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, Diss. Münster 1970 S. 33f.; WolffΊ Bachof, VwR I, §44 IIa und § 22111g; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977, § 6 7 1 3 ; Knack (Fn. 3) §54 Rn. 4.1. Vgl. auch BVerwGE 22, 138, 140, wo die Zuordnung nach dem Schwergewicht der Vereinbarungen vorgenommen wird. A. A. BGHZ 56, 365, 372. Vgl. BGHZ 32, 214, 216; 35, 69, 71; 56, 365, 368 und BGH NJW 1972, 585; BGH JZ 1973, 420; BVerwGE 42, 331, 332; BVerwG MDR 1976, 874; Menger, VerwArch. 64 (1973), 203; Bosse (Fn. 4) S. 20ff„ 116. Die Formulierungen des BGH, BGHZ 32, 214, 216; 56, 365, 368, daß ein öffentlich-rechtlicher Vertrag dann vorliege, „wenn der Vertrag eine von der gesetzlichen Ordnung abweichende Verschiebung öffentlich-rechtlicher Lasten und Pflichten vorsieht" und Riifners, JZ 1973 , 421, 422, daß ein Vertrag immer dann dem öffentlichen Recht zuzurechnen sei, wenn dieser „unmittelbar öffentlich-rechtliche Rechte und Pflichten abweichend von gesetzlichen Vorschriften regelt", sind problematisch, da ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nur im Rahmen des Vorrangs des Gesetzes geschlossen werden und deshalb keine Derogation gesetzlicher Regelung bewirken darf. BGH JZ 1973, 420. BVerwGE 42, 331. BGH DVBl. 1972, 824f. Menger, VerwArch. 64 (1973), 205 im Anschluß an Bettermann, JZ 1966, 445 und Wolff/Bachof, VwR I, §44 IIa. Ebenso v. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 205.
Das Verwaltungshandeln
§25
II
auf die Subjektstheorie Bedenken. Da es bei dieser Theorie entscheidend auf die Ausschließlichkeit eines Zuordnungssubjekts des Rechtssatzes ankommt, dieses Zuordnungssubjekt sich jedoch bei der Fiktion einer rechtssatzmäßigen Regelung nicht ändern würde19, wäre jeder Vertrag, an dem der Staat oder eine seiner Untergliederungen beteiligt ist, ein öffentlicher-rechtlicher Vertrag20. Man wird daher, wenn die Verwaltung lediglich aufgrund von Aufgaben- oder Zuständigkeitsregelungen tätig wird und beispielsweise etwa eine Gemeinde mit einem Künstler einen Vertrag über die Überlassung von Bildern für eine von ihr veranstaltete Ausstellung abschließt21, jeweils prüfen müssen, ob die von ihr zu erbringende Leistung nach Maßgabe öffentlichen Rechts erfolgt22. Wenn in diesem Zusammenhang zur Qualifikation des Verwaltungshandelns auf die öffentliche Aufgabe oder das öffentliche Interesse abgestellt wird, so ist dies — einmal abgesehen von der Konturenlosigkeit dieser Begriffe23 — schon deshalb nicht tragfähig, weil jedes Handeln der Verwaltung öffentlichen Interessen und Aufgaben zu dienen hat. Da der Verwaltung nach durchaus herrschender Auffassung, soweit nicht Rechtsvorschriften entgegenstehen, die Freiheit der Formenwahl selbst bei Verfolgung öffentlich-rechtlicher Ziel- und Zwecksetzungen zusteht24, läßt sich auch aus einem solchen, ausdrücklich normierten Ziel- und Zweckbezug des Verwaltungshandelns in diesen Fällen nicht ohne weiteres auf seine Zuordnung zum öffentlichen oder privaten Recht schließen25. Man wird sich allerdings, auch soweit Freiheit der Formenwahl gegeben ist, vergegenwärtigen müssen, daß mit dem öffentlichen Recht ein Sonderrecht zur Verfassung und Disziplinierung des Staates und seiner Untergliederungen geschaffen worden ist 26 . Daher ist davon auszugehen, daß ein Träger öffentlicher Verwaltung eine ihm durch einen Rechtssatz des öffentlichen Rechts zugewiesene Aufgabe oder Zuständigkeit in der Regel auch im Bereich und mit den Mitteln des öffentlichen Rechts erfüllen will. Daraus folgt, daß jedes Handeln der öffentlichen Verwaltung, das im Zusammenhang mit der Erfüllung einer durch öffentlichrechtlichen Rechtssatz zugewiesenen Aufgabe oder Zuständigkeit erfolgt, nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist, solange der Wille, in privatrechtlicher Rechtsform tätig zu werden, nicht deutlich in Erscheinung tritt 27 .
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Das übersieht Bisek (Fn. 12) S. 32. So Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973 S. 181. Vgl. BVerwG MDR 1976, 874; dazu Schwarze, JUS 1978, 94 ff. Vgl. dazu auch BGH NJW 1975, 2015 f. Vgl. dazu unten § 32. Vgl. Erichsen/Martens dazu unten § 3 1 ; auch BVerwG MDR 1976, 874 f. Vgl. auch BVerwG MDR 1976, 874f. Α. A. Bosse (Fn. 4) S. 28. Vgl. dazu auch oben § 2 1 1 1 . So Menger und Erichsen, VerwArch. 60 (1969), 376, 378; Erichsen, JR 1972, 130; ders., VerwArch. 65 (1974), 311, 314 = HRRVwR 1974 C l + 2, F 4 S. 4; Wolff/Bachof, VwR I, § 22 III b 2 ; Michael Hoffmann, Der Abwehranspruch gegen rechtswidrige hoheitliche Realakte, 1969 S. 17f. Demgegenüber verlangt das BVerwG - MDR 1976, 874 - ohne 233
§25
III
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Ein im Rahmen öffentlich-rechtlicher Aufgabensetzung oder Zuständigkeit zwischen Verwaltung und Bürger geschlossener Vertrag ist daher dem öffentlichen Recht zuzuordnen, w e n n nicht aus den Umständen bei Abschluß der Vereinbarung oder in ihr zum Ausdruck k o m m t , daß man sich der Handlungsform des privatrechtlichen Vertrages bedienen will. Dieses ist etwa der Fall, wenn man sich privatrechtstypischer Vertragsgestaltung oder Terminologie bedient, oder wenn herkömmlich, wie etwa bei einem Vertrag zwischen Gemeinde und Künstler über die Überlassung von Bildern 2 8 , bestimmte Vereinbarungen in privatrechtlicher Form getroffen zu werden pflegen.
III. Der öffentlich-rechtliche Vertrag unter Privaten Ausgehend davon, daß ein öffentlich-rechdicher Vertrag immer dann vorliegt, wenn die Einigung auf die Begründung, A u f h e b u n g oder Änderung einer öffentlich-rechdichen Rechtsfolge gerichtet ist, kann es öffentlich-rechtliche Verträge unter Privaten nur geben, soweit diese über die Zuordnung öffentlich-rechtlicher Rechte und Pflichten bestimmen können. Eine solche Dispositionsbefugnis kommt Privaten indes nur zu, w e n n die Rechtsordnung dies vorsieht 2 9 , wie das etwa in § 55 N W L W G der Fall ist, wonach die „Erfüllung der Unterhaltspflicht. . . aufgrund einer Vereinbarung unter Zustimmung der oberen Wasserbehörde mit öffentlich-rechtlicher W i r k u n g von einem anderen übernommen werden" kann 3 0 .
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nähere Begründung, daß der Wille, einen öffendich-rechtlichen Vertrag zu schließen, zum Ausdruck kommen muß. Insoweit ist die E des BVerwG MDR 1976, 874 im Ergebnis zutreffend. Vgl. auch Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, 1920 S. 53; Gern (Fn. 10) S. 16f.; Kopp, VwVfG, § 54 Anm. 4; Knack (Fn. 3) § 54 Rn. 3.1 ; Begr. EVwVfG 1963, S. 194; BGHZ 35, 175, 177. Mit unterschiedlicher Begründung wird im übrigen der verwaltungsrechtliche Vertrag unter Privaten für zulässig erachtet von Wolff/Bachof, VwR I, § 4 4 IIb; Forsthoff, V w R , S. 273; Imboden, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, 1958 S. 43, 44; Menger tErichsen, VerwArch. 58 (1967), 171, 178; Stern, VerwArch. 49 (1958), 106, 148, 155; Götz, JuS 1970, 1, 2; Pestalozzi JZ 1975, 50, 51ff.; Gern (Fn. 10) S. 60f.; Obermayer, BayVBl. 1977, 546, 548; ablehnend Menger, VerwArch. 52 (1961), 101; Kuhn, Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein, 1968, § 121 Anm. 6. Dazu Wolff/Bachof, V w R I, §44 IIb und Stern, VerwArch. 49 (1958), 106, 148. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag unter Privaten wird z. B. angesehen: die Einigung nach § 110 Abs. 1 BBauG — vgl. Dyong, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Bundesbaugesetz, Stand 1972, §§ 110/111 Rdn. 8 - , die bergrechtliche Grundabtretung - vgl. Dicke, Zeitschrift für Bergrecht, 1970, 431 f. —, der Vertrag über die Abrundung von Jagdgebieten zwischen den Jagdberechtigten nach § 9 Abs. 2 S. 3 BayJagdG — vgl. Stern, VerwArch. 49 (1958), 106, 148 —, die Vereinbarung des Arbeitgebers mit dem Arbeitnehmer, daß er einen Teil von dessen Sozialversicherungsanteil übernehmen werde — vgl. Pestalozza, JZ 1975, 50, 52.
§26
Das Verwaltungshandeln
IV. Die Anwendung der Verwaltungsverfahrensgesetze Das VwVfG findet nur Anwendung bei öffentlich-rechtlichen Verträgen der Verwaltung und auch hier selbstverständlich nur nach Maßgabe der in §§ 1, 2 VwVfGe des Bundes und der Länder enthaltenen Regelungen31. Der Vorrang, der fachgesetzlichen Sonderregelungen jeweils gegenüber den Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze zukommt 32 , ist im Bereich des verwaltungsrechtlichen Vertrages unbedeutend, weil die Zahl der in Sondergesetzen enthaltenen Regelungen über den verwaltungsrechtlichen Vertrag außerordentlich gering und ihr Inhalt durchweg auf die Festlegung der Zulässigkeit dieser Handlungsform insbesondere im Verhältnis Staat-Bürger beschränkt ist. Daher greifen in diesen Fällen in der Regel die Vorschriften der §§55 ff. VwVfG des Bundes oder der Länder ein. Hinzuweisen ist darauf, daß die VwVfGe des Bundes und der Länder durchweg in § 2 Abs. 3 3 3 die Anwendung der §§ 54—62 VwVfG, also der Regelungen über den öffentlichrechtlichen Vertrag, für die Tätigkeit der Behörden bei Leistungs-, Eignungs- und ähnliche Prüfungen sowie für die Tätigkeit der Schulen und Hochschulen ausschließen.
§26
Der koordinationsrechtliche Vertrag Verträge zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung zur Setzung verwaltungsrechtlicher Rechtsfolgen werden gemäß § 54 S. 1 VwVfG als zulässig angesehen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen1. Es wird hier und vielfach auch in der Literatur nur auf den Vorrang des Gesetzes abgestellt2; doch es gilt zu beachten, daß die Fähigkeit der Träger öffentlicher Verwaltung, durch Verträge berechtigt und/oder verpflichtet zu werden, nur insoweit gegeben ist, als die Rechtsordnung ihnen Rechtsfähigkeit verleiht3.
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Vgl. dazu H. Meyer, NJW 1977, 1705 f. Vgl. dazu im einzelnen Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 44 f. Vgl. auch § 2 Abs. 1, 2, 3 Beri VwVfG und § 1 Abs. 4 RhPf VwVfG. Entgegenstehende Vorschriften z. B.: § 1 Abs. 2 RhPfZweckVG; § 1 Abs. 1 S. 2 NWKGAG; Art. 1 Abs. 4 BayKomZG. Vgl. Bisek, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, Diss. Münster 1970 S. 49; Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, 1960 S. 448; Götz, JuS 1970, 1, 5. Vgl. auch v. Mutius, JuS 1977, 99, 101 m. w. Nachw. Zur Rechtsfähigkeit vgl. oben § 10 II 2. Vgl. dazu auch Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 S. 167 und auch die Formulierung in § 1 Abs. 2 NWKGAG; Art. 3 Abs. 1 BayKomZG. 235
§27
I
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Inhaltlich können die koordinationsrechtlichen verwaltungsrechtlichen Verträge auf gegenseitige Berechtigung oder Verpflichtung gerichtet sein4 oder auch nur einseitig einen der Vertragspartner zur Erbringung bestimmter Leistungen verpflichten5. Sie können auch auf verfügende Wirkung gerichtet sein wie etwa im Falle von Eingemeindungsverträgen. Von erheblicher Bedeutung unter den koordinationsrechtlichen Verträgen sind jene Vereinbarungen, die sich ihrem Inhalt nach als Gesamtakte gesellschaftsrechtlichen Zuschnitts darstellen. Sie führen dazu, öffentlich-rechtliche Organisationseinheiten zu begründen, deren Qualität sehr unterschiedlich ist und von der öffentlich-rechtlichen Körperschaft — ζ. B. der Zweckverband der Zweckverbandsgesetze6 — über den Planungsverband des § 4 BBauG mit eigener Zuständigkeit für Bauleitplanung bis zur lose gefügten Arbeitsgemeinschaft zum Zwecke der Abstimmung unter den Beteiligten, wie sie verschiedene Landesgesetze für den kommunalen Bereich vorsehen7, reicht. Hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung dieser Verträge gilt der Vorrang des Gesetzes, wobei vor allem auch die Vorschriften über die örtliche und sachliche Zuständigkeit zu beachten sind8. Werden koordinationsrechtliche Verträge unter Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes oder in sonst unzulässiger Weise geschlossen, so sind sie rechtswidrig. Rechtswidrige koordinationsrechtliche Verträge sind nach § 59 Abs. 1 VwVfG nichtig, wenn „sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt" 9 .
§27
Der subordinationsrechtliche Vertrag I. Die Zulässigkeit des subordinationsrechtlichen Vertrages Hatte noch Otto Mayer sich strikt dagegen gewandt, den Vertrag, den er durch die Gleichberechtigung der Vertragspartner gekennzeichnet und damit als typisch privatrechtlich ansah, als Mittel zur Regelung des Verhältnisses zwischen Verwaltung und Bürger zu übernehmen, da der staatliche Wille sich auch in der Einigung 4
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Der Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen wird vom BVerwG N J W 1976, 1113f., als verwaltungsrechtlicher Vertrag angesehen. Zu denken ist etwa an einen Vertrag zwischen Land und Gemeinde über die Bezuschussung eines gemeindlichen Theaters. Vgl. §§ 4ff. N W K G A G ; §§ Iff. RhPfZweckVG; Art. 18ff. BayKomZG. Dazu v. Mutius, JuS 1978, 28, 32 f. Vgl. §§ 2ff. N W K G A G ; § 1 Abs. 1 S. 2 RhPfZweckVG; Art. 4ff. BayKomZG. Vgl. auch Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962 S. 85. Vgl. auch Kuhn, Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein, Kommentar, 1968, § 126 Anm. 5.
Das Verwaltungshandeln
§ 2 7
I
mit dem Bürger letztlich einseitig durchsetze 1 , so ist die Frage nach der prinzipiellen Zulässigkeit des verwaltungsrechtlichen Vertrages zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und dem Bürger heute positiv zu beantworten 2 . Nachdem sich der subordinationsrechtliche Vertrag in der Praxis der Verwaltung eingebürgert hatte und von Rechtsprechung und Schrifttum sowie in neueren Gesetzen — z. B. § 123 Abs. 3 BBauG — anerkannt worden war 3 , wird er in § 54 S. 2 VwVfG ausdrücklich für zulässig erklärt 4 . Dies geschieht in einer allerdings völlig verunglückten Formulierung 5 , die mit den Worten: „insbesondere . . . anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen", das Subordinationsverhältnis umschreibt. § 54 S. 2 VwVfG eröffnet also entgegen seinem Wortlaut der Verwaltung nicht die Wahlmöglichkeit zwischen Verwaltungsakt und verwaltungsrechtlichem Vertrag, sondern betrifft ausschließlich die generelle und abstrakte Zulässigkeit der Handlungsform des verwaltungsrechtlichen Vertrages im Subordinationsverhältnis. Die Frage, ob die Verwaltung im konkreten Fall mit dem Bürger einen verwaltungsrechtlichen Vertrag schließen darf, beurteilt sich nach § 54 S. 1 VwVfG. Danach kann ein solcher Vertrag abgeschlossen werden, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Die von der Verwaltung mit dem Bürger geschlossenen subordinationsrechtlichen Verträge sind ganz überwiegend Verpflichtungsverträge, die der Erfüllung bedürfen 6 . Diese Erfüllung erfolgt in aller Regel durch einseitige Maßnahmen, etwa Zahlung einer bestimmten Summe zur Ablösung der Einstellplatzverpflichtung durch den Bürger 7 und Erteilung einer Baugenehmigung durch die Verwaltung. Es braucht sich jedoch nicht stets um Austauschverträge oder um die wechselseitige kausale Verknüpfung von Leistungsverpflichtungen 8 zu handeln ; es sind auch einseitig verpflichtende Verträge zwischen Verwaltung und Bürger denkbar 9 . Die 1
A ö R 3 (1888), 3, 42. D e n koordinationsrechtlichen Vertrag hält O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1917, Bd. II, S. 646 hingegen für zulässig. 2 Zur Entwicklung vgl. Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962 S. 31 f . ; Bosse, Der subordinationsrechtliche Verwaltungsvertrag als Handlungsform öffentlicher Verwaltung, 1974 S. 15ff., 3 7 f . 3 Auch Bullinger (Fn. 2) S. 249, der sich zunächst dezidiert gegen die Zulässigkeit des verwaltungsrechtlichen Vertrages ausgesprochen hatte, hat 1967 — in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, 1967 S. 667, 682 Fn. 52 — seine Auffassung modifiziert. 4 Dazu Kopp, V w V f G , § 5 4 Anm. 3 c ; Bisek, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, Diss. Münster 1970 S. 3 6 f . ; Bleckmann, VerwArch. 63 (1972), 404, 409f. Zu § 1 2 1 S. 2 S H L V w G vgl. Kuhn, Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein, Kommentar, 1968, § 121 Rn. 13 f. 5 Vgl. auch Kopp, V w V f G , § 54 Anm. 3; Bullinger, D Ö V 1977, 812, 813 Fn. 3. " Vgl. dazu auch Redeker, D Ü V 1966, 543 ft. 7 §§ 64 Abs. 7 N W B a u O , 67 Abs. 6 und 7 S H B a u O , 69 Abs. 7 BWBauO, Art. 63 BayBauO. 8 Vgl. etwa BVerwGE 42, 331, 333. 9 Vgl. etwa H.H. Klein, DVB1. 1968, 129, 133f. D i e in § § 5 5 und 56 V w V f G und in §§ 122, 123 S H L V w G erfolgte Bezeichnung von Vertragstypen ist also nicht abschließend, wie Bleckmann, VerwArch. 63 (1972), 404, 410f. zutreffend ausführt. 237
§27
II
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Verträge können auch dinglich verfügender Natur sein. In diese Kategorie gehört etwa die Einigung nach § 110 BBauG über den Ubergang von Grundeigentum, die gemäß § 110 Abs. 3 BBauG an die Stelle der Enteignung tritt.
II. Abschlußfreiheit, Form und Verfahren Im Anschluß an die zuvor in der höchstrichterlichen Rechtsprechung 10 und im Schrifttum 11 ganz überwiegend vertretene Auffassung sieht § 54 S. 1 VwVfG vor, daß ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden kann, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Grundsätzlich besteht also eine facultas alternativa zwischen Verwaltungsakt und Vertrag. Die Entscheidung für die eine oder die andere Handlungsform steht im Ermessen der Verwaltung. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wurden als entgegenstehende Rechtsvorschriften i. S. des § 54 S. 1 VwVfG nur Gesetze angesehen 12 , während das BVerwG in zutreffender Anlehnung an Art. 20 Abs. 3 G G „Gesetz und Recht" als Schranke der Zulässigkeit verwaltungsrechtlicher Verträge bezeichnet 13 . Damit ist der Abschluß eines verwaltungsrechtlichen Vertrages unzulässig, soweit GG, Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung oder auch Gewohnheitsrecht entgegenstehen 14 . Man wird jedoch kaum Regelungen finden, die den Abschluß eines subordinationsrechtlichen Vertrages ausdrücklich untersagen. Als entgegenstehend ist daher jede Regelung anzusehen, die der Verwaltung eine bestimmte, andere als vertragliche Handlungsform zwingend vorschreibt 15 . O b das der Fall ist, muß jeweils im Wege der Auslegung festgestellt werden. Legt eine Norm fest, daß die Verwaltung durch „Bescheid" oder „Verfügung", „Erlaubnis" oder „Genehmigung" tätig wird, so hat das bei Rechtsvorschriften, die nach dem VwVfG erlassen wurden, zumindest indizierende Wirkung. Bei vor Erlaß des VwVfG in Kraft getretenen Rechtsvorschriften hat eine entsprechende Formulierung weniger Aussagekraft. Hier sind allgemeine Grundsätze, insbesondere auch jene Überlegungen heranzuziehen, die Rechtsprechung und Schrifttum schon vor Inkrafttreten des VwVfG entwickelt haben 16 . So wird etwa § 20 N W O B G , in dem es heißt, daß Vgl. BVerwGE 22, 138; 23, 213, 214ff.; 42, 331, 3 3 5 f . ; B G H DÖV 1966, 759, 760. Vgl. Götz, JuS 1970, 1, 2 m. w. N. in Fn. 16. 12 BT-Drucks. 7/910 S. 79. " BVerwGE 42, 331, 334ff.; dazu auch Kopp, VwVfG, § 5 4 Anm. 4 ; Klückmann, SKV 1977, 98, 99; Bleckmann, VerwArch. 63 (1972), 404, 409 f. 1 4 Vgl. auch Kopp, VwVfG, § 54 Anm. 4. Α. A. im Hinblick auf Gewohnheitsrecht Knack, VerwaltungsVerfahrensgesetz, 1976, § 5 4 Rn. 6. 1., wohl auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977, § 6 7 III. 1 5 So etwa Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1977 S. 109; Bosse (Fn. 2) S. 49f. ; Begr. EVwVfG 1973 BT-Drucks. 7/910 S. 79. 1 6 Vgl. dazu auch Kopp, VwVfG, § 5 4 Anm. 4; Klückmann, SKV 1977, 98, 9 9 f . ; Götz, JuS 1970, 1, 3. 10
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Anordnungen der Ordnungsbehörde durch schriftliche Ordnungsverfügung ergehen, als Rechtsvorschrift anzusehen sein, die i. S. des § 54 S. 1 V w V f G „entgegensteht" 1 7 . Anders als das B G B weist das öffentliche Recht kaum Vorschriften darüber auf, unter welchen Voraussetzungen ein Vertrag z u s t a n d e k o m m t 1 8 . § 57 V w V f G sieht allerdings vor, daß ein verwaltungsrechtlicher Vertrag schriftlich z u schließen ist, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere F o r m vorgeschrieben ist. O b diese Regelung in einer Zeit der Massenverwaltung glücklich ist, ist sehr fraglich. Sie wird jedenfalls dazu führen, daß der verwaltungsrechtliche Vertrag als Mittel zur Erledigung der alltäglichen Aufgaben einer Massenverwaltung (etwa Begründung von Anstaltsnutzungsverhältnissen 1 9 ) kaum mehr praktische Bedeutung haben wird. D i e V w V f G e des Bundes und der Länder sprechen davon, daß „ d i e B e h ö r d e " verwaltungsrechtliche Verträge abschließt. Diese Formulierung ist ungenau, weil aus den abgeschlossenen Verträgen nur der jeweilige Träger öffentlicher Verwaltung berechtigt oder verpflichtet wird. Man wird darin auch schwerlich, abgesehen von § 61 A b s . 1 V w V f G , die gesetzliche Einräumung einer Vertretungsbefugnis sehen können, weil insoweit das einschlägige Organisationsrecht gilt. Die Regelungsbedürftigkeit weiterer, im Hinblick auf das Zustandekommen verwaltungsrechtlicher Verträge erheblicher Fragen liegt auf der H a n d . Man wird, sofern dies mit den Grundsätzen des öffentlichen Rechts vereinbar ist, insoweit, der Regelung des § 62 S. 2 V w V f G folgend, ergänzend die einschlägigen Vorschriften des B G B entsprechend anwenden m ü s s e n 2 0 . Bei den verfügenden Verträgen ist insbesondere zu beachten, daß ihnen, soweit sie in Rechte Dritter eingreifen 2 1 , Wirksamkeit entsprechend der in § 58 A b s . 1 V w V f G vorgesehenen Regelung nur z u k o m m t , wenn der Dritte schriftlich zustimmt, da Verträge zu Lasten Dritter auch im öffentlichen Recht unzulässig sind. Dabei kann die Zustimmung auch nachträglich erteilt werden. Wird anstelle eines mehrstufigen Verwaltungsaktes ein verwaltungsrechtlicher Vertrag geschlossen, so führt das nicht dazu, daß die bei Erlaß eines Verwaltungsaktes erforderlichen Mitwirkungshandlungen anderer Behörden entfallen können. Vielmehr ist in allen diesen Fällen entsprechend der Regelung des § 58 A b s . 2 V w V f G ein solcher Vertrag erst wirksam, nachdem die Mitwirkung der anderen Behörde(n) in der vorgeschriebenen F o r m erfolgt ist. 17 18 19
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Vgl. dazu auch Kopp, VwVfG, § 54 Anm. 4. Geregelt ist etwa die Frage der Vertretung juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Vgl. etwa Riifner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967 S. 312ff.; Wolff/Bachof, VwR II, §99 l i l a . Vgl. dazu Püttner (Fn. 15) S. 110; Kuhn (Fn. 4) § 129. Obligatorische Verträge, also etwa die Verpflichtung der Verwaltung, einen Dispens von nachbarschützenden Vorschriften zu erteilen, greifen noch nicht in Rechte Dritter ein. Die gegenteilige zur Zusage vertretene Auffassung — OVG Münster NJW 1958, 354; Ruckdäschel, DÖV 1961, 675; Geizer, NJW 1959, 1905 - überzeugt nicht. Vgl. im übrigen Redeker, DÖV 1966, 543. 239
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III. Die Freiheit inhaltlicher Gestaltung Die Möglichkeit, im Wege der Einigung Rechtsfolgen zu setzen, läßt die Gefahr entstehen, daß dabei Machtpositionen ausgenutzt, Verwaltungsleistungen kommerzialisiert werden22. Diese Überlegung führt zu der Frage nach den rechtlichen Grenzen für die inhaltliche Gestaltung subordinationsrechtlicher Verträge. Es ist zu prüfen, ob es auch hier zulässig ist, „bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit und speziell des Wuchers um eine Gegenleistung zu feilschen" 23 . Die vollziehende Gewalt ist gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Welcher Handlungsform sie sich bei ihren Maßnahmen auch bedient, der Vorrang des Gesetzes gilt in jedem Falle für sie. Der Inhalt subordinationsrechtlicher Verträge darf also nicht gegen höherrangige Regelungen verstoßen; die Normen der Verfassung, der Gesetze, Verordnungen und Satzungen sowie des Gewohnheitsrechts dürfen durch vertragliche Regelungen nicht durchbrochen werden24. Das gilt natürlich auch für Verträge, die die Verwaltung in Ausübung ihres Ermessens schließt25. § 55 VwVfG sieht indes im Einklang mit der zuvor schon in § 106 VwGO zum Ausdruck gekommenen Auffassung vor, daß die Verwaltung in pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens mit dem Bürger einen Vergleichsvertrag schließen darf, um eine bei verständiger Würdigung der Sach- oder Rechtslage bestehende Ungewißheit im Wege gegenseitigen Nachgebens zu beseitigen26. Die Bejahung der Zulässigkeit des verwaltungsrechtlichen Austauschvertrages zwischen Staat und Bürger bringt die Gefahr mit sich, daß der Bürger sich gegenüber der Verwaltung zu Leistungen verpflichtet, die sie im Wege einseitigen Vorgehens durch Verwaltungsakt nicht festsetzen könnte, weil es an einer vom Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes geforderten gesetzlichen Grundlage für ihr Vorgehen fehlen würde. Um dieser Gefahr zu begegnen, bestimmt § 56 Abs. 2 VwVfG, daß in den Fällen, in denen Gegenstand des Vertrages eine gebundene Leistung der Verwaltung ist, nur eine solche Gegenleistung des Bürgers vereinbart werden darf, die — wie in § 36 Abs. 1 VwVfG auch für Nebenbestimmungen vorgesehen — auf Herbeiführung oder Erhaltung der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die Leistung der Verwaltung gerichtet ist. Eine Gegenleistung des Bürgers darf auch dann ausbedungen werden, wenn sie in dem Gesetz, welches die Behörde zur Leistung 22
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Vgl. BVerwGE 42, 331, 338ff.; BGH NJW 1975, 1019, 1020; BayVGH BayVBl. 1976, 237, 238. Formulierung von Bullinger (Fn. 2) S. 255. Vgl. zur Gefahr eines Mißbrauchs auch Klückmann, SKV 1977, 98, 100. Vgl. BVerwG NJW 1976, 686, 687; BVerwGE 42, 331, 334; 23, 213, 216; BGHZ 26, 84, 85; Götz, JuS 1970, 1, 3, 5; mißverständlich Püttner (Fn. 15) S. 107; a. A. Salzwedel, Die Grenzen der Zulässigkeit des öffentlichen Vertrages, 1958 S. 19, bei „zwingenden vertragsfordernden Interessen". Vgl. auch Schwerdtfeger, öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 4. Aufl. 1977 S. 89. Vgl. auch BVerwGE 14, 103, 105; 17, 87, 94; 49, 359, 364f.; Erichsen, VerwArch. 68 (1977), 65, 66ff. ; Bosse (Fn. 2) S. 61 ff. ; Müller, Die Verwaltung 1977, 513, 524f.
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verpflichtet, vorgesehen ist. § 56 Abs. 2 VwVfG ist damit im Hinblick auf den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes unbedenklich. Demgegenüber kann § 56 Abs. 1 VwVfG nur dann als bedenkenfrei angesehen werden, wenn für die inhaltliche Gestaltung verwaltungsrechtlicher Verträge der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes nicht eingreift. Diese Ansicht ist in der Tat vom BVerwG vertreten worden. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, daß es bei verwaltungsrechtlichen Verträgen, „auch soweit Grundrechtspositionen berührt werden, angesichts der einverständlichen Mitwirkung der am Vertrag Beteiligten zumindest nicht in dem Sinne zu Eingriffen kommt, in dem dies bei jedem Erfordernis gesetzlicher Grundlage vorausgesetzt wird" 2 7 . Demgegenüber ist zu betonen, daß jede Beeinträchtigung eines Grundrechts, d. h. jedes nachteilige Betroffensein in dessen verfassungsrechtlich garantierten Schutzbereich durch die öffentliche Gewalt einer gesetzlichen Grundlage bedarf 2 8 . Das gilt angesichts der Unhaltbarkeit der Theorien über den Grundrechtsverzicht 29 auch für den Eingriff mit Zustimmung des Grundrechtsträgers 30 . Ein gewisser Schutz für den Bürger ist zunächst dadurch gewährleistet, daß gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 VwVfG — entgegen einer bis zum Inkrafttreten des VwVfG verbreiteten Verwaltungspraxis 31 — der Zweck der Gegenleistung „im Vertrage vereinbart", d. h. ausdrücklich bezeichnet sein muß. Damit wäre ein Ansatz für eine strikte Anwendung des Gesetzesvorbehalts i. S. eines Erfordernisses fachgesetzlicher Ermächtigung für die Gegenleistung des Bürgers gegeben. Doch bleibt § 56 Abs. 1 VwVfG jedenfalls seinem Wordaut nach hinter diesem Erfordernis zurück, wenn er im übrigen nur verlangt, daß die Gegenleistung der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienen, den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen muß. § 56 Abs. 1 VwVfG betrifft zum einen jene Fälle, in denen die Gewährung einer Leistung durch eine bestehende fachgesetzliche Regelung in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist. Beispielhaft sei an dieser Stelle auf die sog. Baudispensverträge verwiesen, in denen die Verwaltung sich gegen eine Leistung des Bürgers
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BVerwGE 42, 331, 335; so wohl auch Bleckmann, VerwArch. 63 (1972), 404, 434ff.; a. A. wohl V G H München D Ö V 1970, 563 ; Bosse (Fn. 2) S. 51 f. ; kritisch zum BVerwG auch v. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 208. Vgl. dazu oben § 3 II 1 und § 5 II und Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 S. 21 ff., 143f. Vgl. dazu Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 S. 154f.; Sturm, in: Festschrift für Willi Geiger, 1974 S. 173ff. Vgl. auch M enger/Erichsen, VerwArch. 58 (1967), 172 ff. ; Bosse (Fn. 2) S. 54; Bank, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1978, §56 Rn. 27; a. A. etwa Bleckmann, VerwArch. 63 (1972), 404, 439 ff. und Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977 S. 107ff. Vgl. etwa die B G H 2 56, 365; 35, 69f.; B G H N J W 1972, 585; B G H JZ 1973, 420 und BVerwGE 42, 331 f. zugrunde liegenden Sachverhalte. 241
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zur Erteilung eines in ihrem Ermessen stehenden Baudispens verpflichtet 32 . Die Vereinbarung einer Gegenleistung ist, auch wenn man die Geltung des Gesetzesvorbehalts für die inhaltliche Gestaltung verwaltungsrechdicher Verträge bejaht, in solchen Fällen dann unbedenklich, wenn sie fachgesetzlich vorgesehen ist oder in den von § 56 Abs. 1 VwVfG vorgesehenen Grenzen dazu dient, die Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsnorm zu erfüllen oder Umstände zu beseitigen, die die Verwaltung an einer für ihren Vertragspartner positiven Ermessensbildung hindern 33 , die Gegenleistung sich also im Rahmen der ermessensbestimmenden Zwecksetzung des Fachgesetzes hält 34 . § 56 Abs. 1 VwVfG gilt zum andern auch für solche Verträge, die die Verwaltung mit dem Bürger allein auf der Grundlage einer Aufgabenzuweisungs- oder Zuständigkeitsnorm schließt. Hier fehlt es schon an jeder fachgesetzlichen Bestimmung der Leistung der Verwaltung und damit notwendigerweise auch an derjenigen der Gegenleistung. Im Hinblick auf diese Fälle könnte indes § 56 Abs. 1 VwVfG das dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts genügende Gesetz sein. Dagegen spricht allerdings, daß es sich bei § 56 Abs. 1 VwVfG — im Gegensatz zum Regelbefund — nicht um eine auf die Ordnung eines bestimmten Sachbereichs zielende, die Leistungen von Staat und Bürger und ihr Verhältnis zueinander bestimmende, fachgesetzliche Regelung handelt. Freilich läßt sich auch die Auffassung vertreten, daß der Gesetzgeber in § 56 Abs. 1 VwVfG dem Bürger die Einzelentscheidung freigegeben habe und damit dem Zweck des Gesetzesvorbehalts — Individualschutz und Kompetenzzuweisung 35 — genügt sei. Genügt § 56 Abs. 1 VwVfG dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts, so bedeutet dies in der Konsequenz, daß die Verwaltung hier ein Instrument erhalten hat, welches sie als Blankett in ihrem gesamten materiellrechtlich nicht vorgeregelten 36 Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich zur verfassungsrechtlich unbedenklichen Erzielung von Leistungen des Bürgers einsetzen kann. Mögen auch diese Konsequenzen bedenklich erscheinen, so muß man sich doch vergegenwärtigen, daß als Alternative nur die Unzulässigkeit von Austauschverträgen im materiell-rechtlich nicht vorgeregelten Bereich in Betracht kommt. Dieses Ergebnis stünde im Widerspruch zu einer verbreiteten Verwaltungspraxis. Auch wenn man ihr Rechnung tragen will, wird man jedoch, um dem Schutz des Bürgers zu genügen, insbesondere dem in § 56 Abs. 1 VwVfG enthaltenen Gebot des Sachzusammenhangs von Leistung und Gegenleistung durch restriktive Interpretation Begrenzungswirkung abgewinnen müssen. Dies läßt sich unschwer 32 33
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Vgl. dazu Wolff/Bachof, V w R I, § 48 II c 4. So zutreffend Bisek (Fn. 4) S. 101 f . ; Götz, JuS 1970, 1, 6; BGH DVB1. 1972 , 824, 826; B G H N J W 1975, 1019, 1020; Bosse (Fn. 2) S. 5 6 f f . Vgl. auch Menger, VerwArch. 64 (1973), 2 0 6 f f . Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975 S. 1 2 4 f . ; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 S. 144. Vgl. auch Wolff/Bachof, V w R I, § 44 II d 1; Beinhardt, VerwArch. 55 (1964), 230 und Imboden, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, 1958 S. 98.
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unter Bezug auf die Grundsätze erreichen, die schon vom Pr. O V G 3 7 und vom R G 3 8 und ihnen folgend vom BVerwG und vom B G H zur Inhaltsbestimmung des sog. Kopplungsverbots 39 entwickelt worden sind. Die in § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG verlangte Angemessenheit der Leistung des Bürgers ist schließlich unter Bezug auf das' Ubermaßverbot 40 zu entfalten, wobei insbesondere die für die Bemesssung von Gebühren aus diesem Grundsatz entwickelten Maßstäbe 41 Bedeutung gewinnen können.
IV. Der fehlerhafte subordinationsrechtliche Vertrag Nach bis zum Inkrafttreten der VwVfGe vielfach vertretener Auffassung sollte jeder subordinationsrechtliche Vertrag, der gegen die Grundsätze des Vorranges und — soweit für anwendbar gehalten — des Vorbehalts des Gesetzes verstößt, nichtig sein 42 . Begründet wurde dies ζ. T. unter Bezug auf einen in § 134 bzw. in §§ 134, 138 B G B zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgrundsatz 43 , von anderen mit der Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht in Art. 20 Abs. 3 G G 4 4 . Diese Auffassung steht nicht im Einklang mit § 59 VwVfG, deren Regelung zugleich Ausdruck der schon vorher aufkommenden Meinung ist, daß auch fehlerhafte verwaltungsrechtliche Verträge im Subordinationsverhältnis wirksam sein können. § 59 VwVfG enthält zunächst in seinem Abs. 1 eine Generalklausel betreffend die Nichtigkeit sowohl koordinations- als auch subordinationsrechtlicher Verträge. Im Hinblick auf die subordinationsrechtlichen Verträge enthält § 59 Abs. 2 VwVfG darüber hinaus einen Katalog spezieller Nichtigkeitsgründe, dem im Verhältnis zu § 59 Abs. 1 VwVfG Vorrang zukommt. Bei der Beantwortung der Frage, wann ein subordinationsrechtlicher Vertrag nichtig ist, wird man sich vergegenwärtigen müssen, daß der Vertrag als einvernehmliche Regelung eines Sachverhaltes eher geeignet sein kann, eine Befriedigung gegenläufiger Interessen von Verwaltung und Bürger herbeizuführen, daß indes dieser Effekt ausbleiben muß, wenn der Bürger zu Leistungen veranlaßt 37 38 39
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OVGE 78 , 375. RGZ 132, 174, 178; 133, 361, 363. BGH DVB1. 1972, 824, 826; BGH NJW 1975, 1019, 1020; BVerwGE 42, 331, 338 und dazu Menger, VerwArch. 64 (1973), 205f.; v. Mutius, VerwArch. 65 (1974), 21 Iff.; Bosse (Fn. 2) S. 59 f. Vgl. oben §12 II 2ebb. Vgl. BVerfGE 20, 257, 270; BVerwG DVBl. 1967, 577, 578; Hansmeyer-Fürst, Die Gebühren, 1968 S. 121 f; Dahmen, DVBl. 1968, 310; Kloepfer, AöR 97 (1972), 231, 254, 268. Vgl. etwa BVerwG NJW 1976, 686, 687; BVerwGE 42, 331, 334. So BSGE 4, 34; 14, 104; Meilwitz, DVBl. 1962, 603; OLG Bamberg DVBl. 1967, 55; Bosse (Fn. 2) S. 83. So BVerwG NJW 1976, 686, 687; BVerwGE 42, 331, 334; Beinhardt, VerwArch. 55 (1964), 210, 254; Bosse (Fn. 2) S. 83. 243
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wird, zu denen er rechtmäßig nicht verpflichtet werden kann. Die Kehrseite der weitgehenden Zulässigkeit der Handlungsform des subordinationsrechtlichen Vertrages muß daher die rechtliche Disziplinierung von Verwaltungsmacht durch die Nichtigkeitsdrohung sein. Diese Konsequenz zieht § 59 VwVfG allerdings nur in begrenztem Umfang. §59 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG sieht vor, daß ein subordinationsrechtlicher Vertrag dann nichtig ist, wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre 45 . Da indessen die Nichtigkeit von Verwaltungsakten an Voraussetzungen geknüpft ist 46 , die den Eintritt dieser Rechtsfolge zur seltenen Ausnahme machen, kommt dieser Regelung wenig Bedeutung zu. § 59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG legt fest, daß ein subordinationsrechtlicher Vertrag dann nichtig ist, wenn sich die Behörde eine nach § 56 VwVfG 47 unzulässige48 Gegenleistung versprechen läßt 49 . Mit der Zulässigkeit von Vergleichsverträgen ist die Gefahr gegeben, daß u. U. in Kollusion mit dem Bürger Vergleichsverträge geschlossen werden, ohne daß bei verständiger Würdigung eine Ungewißheit über den Sachverhalt oder die Rechtslage besteht. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, daß ein Vertragspartner seine Stellung ausnutzt, um aus dem in § 55 VwVfG vorgesehenen gegenseitigen Nachgeben ein einseitiges werden zu lassen. Auch in diesen beiden Fällen soll nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG Nichtigkeit eintreten, wenn ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers i. S. des § 46 VwVfG rechtswidrig wäre50. Wenn es demgegenüber am pflichtgemäßen Ermessen fehlt, tritt Nichtigkeit nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG nicht ein 51 . Die Gefahr der Kollusion beim Abschluß subordinationsrechtlicher Verträge zwischen Verwaltung und Bürger besteht schließlich auch insoweit, als die Verwaltung sich zu Leistungen an den Bürger verpflichtet, die unzulässig sind. In den Fällen des bewußten rechtswidrigen Zusammenwirkens von Verwaltung und Bürger ist daher gemäß § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG der Vertrag nichtig. Nach § 59 Abs. 1 VwVfG ist ein verwaltungsrechtlicher Vertrag dann nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften
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So schon Haueisen, DVB1. 1968, 285, 287; ders,, N J W 1969, 122f.; Kottke, System des subordinationsrechtlichen Vertrages, 1966 S. 9 2 ; Joachim Martens, AöR 89 (1964), 429, 4 6 1 ; Menger, VerwArch. 52 (1961), 2 1 1 ; Stein, AöR 86 (1961), 320; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967 S. 341. Vgl. dazu oben § 15 II 2. Vgl. auch § 123 SHI.VwG. Vgl. vorstehend unter III. Vgl. dazu auch Götz, JuS 1970, 1, 5 m. w. N. in Fn. 3 9 ; Thieme, N J W 1974, 2201, 2204; vgl. auch B G H Z 26, 84, 8 7 ; BGH DVB1. 1972, 824, 826; zum Wegfall der gesetzlichen Grundlage für die Leistung der Bürger vgl. VGH München D Ö V 1970, 563, 564, wo jeweils die Regelung des § 138 BGB zur Begründung herangezogen wird. Vgl. auch Göldner, J Z 1976, 352, 357; Kopp, VwVfG, § 5 5 Anm. 5 und BT-Drucks. 7/910 S. 82. Α. A. wohl Kopp, VwVfG, § 55 Anm. 4.
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des bürgerlichen Gesetzbuches ergibt. Es geht hier insbesondere um die entsprechende Anwendung der §§105, 116 S. 2, 117 B G B 5 2 . Auch die §§134, 138 B G B sind anzuführen. Doch zeigen die Sonderregelungen des § 59 Abs. 2 VwVfG daß über die entsprechende Anwendung des § 134 B G B für den subordinationsrechtlichen Vertrag nicht alle Verstöße gegen den Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit bedacht werden dürfen 53 . Ergänzend anwendbar sind auch die im B G B (§§ 119, 120, 122, 123, 142) zum Ausdruck gekommenen Rechtsgrundsätze über die Anfechtung 54 . Teilnichtigkeit eines Vertrages führt nach § 59 Abs. 3 VwVfG in der Regel zur Gesamtnichtigkeit, es sei denn, daß bei Würdigung aller Umstände anzunehmen ist, daß er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre. In anderen als den angeführten Fällen, also auch dann, wenn die Behörde sich unter Verstoß gegen § 54 S. 1 VwVfG der Handlungsform des Vertrages bedient hat 55a oder nur unter Verstoß gegen den Vorrang des Gesetzes ihre Leistungsverpflichtung erfüllen kann 5 5 , ist der rechtswidrige Vertrag im Anwendungsbereich des VwVfG nicht nichtig, sondern wirksam. Er soll, anders als der Verwaltungsakt auch nicht vom Bürger mit Rechtsbehelfen angegriffen werden können 5 6 . Es ist aber fraglich, ob eine Regelung dieses Inhalts vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 G G Bestand haben kann 5 7 . Der in diesem Zusammenhang immer wieder ins Feld geführte Verzicht auf das Anfechtungsrecht 58 dürfte als Fiktion anzusehen sein. Er ist aber auch deshalb höchst fragwürdig, weil
Vgl. dazu auch Middel, öffentlich-rechtliche Willenserklärungen von Privatpersonen, 1971 S. 116 f. 5 3 Ebenso: Kopp, VwVfG, § 5 9 Anm. 2 ; Frank, DVB1. 1977, 682, 683; Maurer, JuS 1976, 485, 494. Unklar: Schenke, JuS 1977, 281, 288f. A . A . : Ule/Laubinger (Fn. 14) § 70 II 4 (S. 293f.), die § 134 BGB auch beim subordinationsrechtlichen Vertrag dann entsprechend anwenden, wenn die Verwaltung verpflichtet wird. 5 4 Vgl. Apelt, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, 1920 S. 217; Imboden (Fn. 36) S. 9 7 ; Middel (Fn. 52) S. 116f.; Begr. zu § 5 8 EVwVfG 1973 BT-Drucks. 7/910 S. 83; Wolff/Bachof, VwR I, § 44 III a. 5 5 A. A. BVerwG N J W 1976, 686, 687. Vgl. dazu auch Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1976 S. 151 f. ; Frank, DVB1. 1977, 682, 6 8 5 f . ; Klückmann, SKV 1977, 98, 102; H.J. Müller, Die Verwaltung 1977, 513, 522 Fn. 37. « a Vgl. dazu auch H.J. Müller, Die Verwaltung 1977, 513, 523, 525 m. w. Nachw. 5 6 § 126 Abs. 3 SHLVwG kennt die Möglichkeit, bei einem Verstoß gegen den Vorrang und den Vorbehalt des Gesetzes in weiteren Fällen binnen Monatsfrist nach Vertragsabschluß die Unwirksamkeit des Vertrages geltend zu machen. Vgl. Begr. zu § 54 Abs. 1 EVwVfG 1973 BT-Drucks. 7/910 S. 81. 5 7 Bedenken auch bei Götz, DÖV 1973, 298, 302 und N J W 1976, 1425, 1430; Maurer, JuS 1976, 485, 495 sowie Schenke, JuS 1977, 281, 283f., der allerdings den verfassungsrechtlich verankerten Folgenbeseitigungsanspruch für einschlägig hält; a. A. Schleicher, D Ö V 1976, 550, 5 5 4 f . ; Frank, DVB1. 1977, 682, 685f.; Meyer, NJW 1977, 1705, 1707 Fn. 29. 5 8 Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 44 II e m. w. Ν. 52
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ein Verzicht auf das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 G G verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet 59 . Ist ein Vertrag wirksam geschlossen worden, so besteht die Möglichkeit einer Änderung der Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind. In diesen Fällen entsteht die Frage, ob die Parteien weiterhin an den Vertrag gebunden sind. Rechtsprechung und Schrifttum haben in diesem Zusammenhang die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlagen, und die clausula rebus sie stantibus jeweils allein oder kumulativ herangezogen 60 . Man hat auch versucht, die verwaltungsrechtsspezifische Bewältigung dieses Problems terminologisch dadurch zu verdeutlichen, daß vom Wegfall der Verwaltungsgrundlage gesprochen wurde 61 . Nunmehr werden in § 60 VwVfG diese Fragen einer Regelung unterworfen. Diese Vorschrift stellt darauf ab, daß sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse 62 seit Abschluß des Vertrages geändert haben. Sie macht damit die bei Vertragsabschluß bestehende Lage und nicht etwa deren Einschätzung durch die Vertragsparteien zum Ausgangspunkt der Beurteilung 63 . Es geht darüber hinaus nur um jene Verhältnisse, die einen maßgeblichen Einfluß auf den Inhalt des Vertrages gehabt haben. Die bei Abschluß des verwaltungsrechtlichen Vertrages vorhandenen Verhältnisse müssen sich so wesentlich geändert haben, daß einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Es muß also zu einer schweren Störung des Wertigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung gekommen sein und mit der Zumutbarkeit wird ein objektivierender Maßstab für die Beurteilung der Äquivalenzstörung als verbindlich erklärt 64 . Die Rechtsfolge ist in § 60 Abs. 1 S. 1 VwVfG abgestuft. In erster Linie hat, dem Grundsatz pacta sunt servanda folgend, eine Anpassung zu erfolgen. Nur wenn diese sich als nicht möglich erweist oder einer — also auch der durch die Entwicklung der Verhältnisse nicht benachteiligten — Vertragspartei nicht zuzumuten ist, kann die benachteiligte Vertragspartei den Vertrag kündigen. In § 60 Abs. 1 S. 2 VwVfG ist schließlich vorgesehen, daß die Behörde den Vertrag auch kündigen kann, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu ver-
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Vgl. dazu Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 S. 1 5 4 f . ; Sturm (Fn. 29) S. 1 7 3 f f . ; B V e r w G E 5, 128, 134f.; im Hinblick auf den subordinationsrechtlichen Vertrag auch Bosse (Fn. 2) S. 51 ff. Nicht überzeugend Göldner, J Z 1976, 352, 354 f.
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Vgl. dazu Fiedler, VerwArch. 67 (1976), 125, 133, 135ff., 144ff. m. w. N . Zur Problematik im Staatsvertragsrecht vgl. B V e r f G E 34, 216, 2 3 0 f f . Bisek (Fn. 4) S. 153 f. ; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967 S. 183; Wolff/Bachof, V w R I, § 44 III d. Vgl. dazu Kuhn (Fn. 4) § 127 Anm. 5; B V e r w G E 25, 299; B V e r w G D Ö V 1956, 4 1 0 f . ; Fiedler, VerwArch. 67 (1976), 125, 138, 142, 153. Vgl. auch Kuhn (Fn. 4) § 127 Anm. 4 ; Bosse (Fn. 2) S. 86. D a z u auch B V e r f G E 34, 218, 232 und Fiedler, VerwArch. 67 (1976), 125, 148f.
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Das Verwaltungshandeln
§ 28
hüten oder zu beseitigen 65 . Hier wird der Möglichkeit der Fehleinschätzung und -prognose allerdings nur zugunsten der dem Gemeinwohl verpflichteten Verwaltung Rechnung getragen. Jedoch hat die Behörde bei der Ermessensausübung das Bindungsinteresse des Vertragspartners zu berücksichtigen. Die Kündigung bedarf in den Fällen des § 6 0 Abs. 1 VwVfG gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift der Schriftform. Sie soll begründet werden.
§28
Vertragserfüllung und Leistungsstörungen Das Verwaltungsrecht ist auch insofern lückenhaft, als es an Regelungen über die Erfüllung verwaltungsrechtlicher Verträge 1 und über die Rechtsfolgen von Leistungsstörungen 2 bei verwaltungsrechtlichen Verträgen mangelt. Soweit öffentlich-rechtliche Regelungen fehlen — und das wird bei Anwendbarkeit der VwVfGe die Regel sein —, sind deshalb gemäß § 62 S. 2 VwVfG die in den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs getroffenen Regelungen über die Erfüllung und über Leistungsstörungen sowie die in den §§ 157, 242 BGB enthaltenen Regelungen entsprechend heranzuziehen 3 . Mit der Erfüllung erlöschen entsprechend einem allgemeinen, etwa in § 47 A O für das Steuerschuldverhältnis und in §§ 362 ff. BGB für den privatrechtlichen Vertrag zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsatz die durch öffentlich-rechtlichen Vertrag begründeten Forderungen oder Verpflichtungen 4 . Dasselbe gilt, wenn der zur Leistung Verpflichtete die Aufrechnung erklärt und die Voraussetzungen für eine Aufrechnung vorliegen 5 oder der dispositonsbefugte Leistungsberechtigte dem Leistungsverpflichteten durch verwaltungsrechtlichen Vertrag die Schuld erläßt 6 bzw. in einem solchen Vertrag anerkennt, daß das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis nicht besteht 7 . Die auch im öffentlichen Recht bestehenden Institute der Verwirkung 8 und der Verjährung 9 finden An65 1 2
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Vgl. dazu auch H. Meyer, NJW 1977, 1705, 1710f. Vgl. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977, § 7 1 I (S. 302 ff.) Ausführlich dazu Bullinger, D Ö V 1977, 8 1 2 f f . ; H.Meyer, NJW 1977, 1705, 1709f. und Obermayer, BayVBl. 1977, 546, 550 ff. Vgl. dazu auch BGH NJW 1972, 2300; Erichsen, DÖV 1965, 158. Zur Frage, ob im öffentlich-rechtlichen Vertrag eine Vertragsstrafe vereinbart werden darf, vgl. Kessler/ Kortmann, DVB1. 1977, 690ff. Dazu auch oben § 10 II 7 a. Vgl. § 5 1 SGB, § 2 2 6 A O und § § 3 8 7 f f . BGB sowie oben § 10 II 7 a. PLJ 64/18 Vgl. §§ 163, 227 A O und oben § 10 II 7 b. Vgl. § 397 BGB. Dazu oben § 10 II 7 e. Dazu oben § 10 II 7 d. 247
§ 2 8
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Wendung. Die Vertragsparteien können schließlich jederzeit durch einen neuen Vertrag den bestehenden Vertrag aufheben oder inhaldich abändern, sofern die für den Abschluß und Inhalt verwaltungsrechdicher Verträge geltenden Regeln beachtet werden. Werden Verträge nicht, zu spät oder nur schlecht erfüllt, so spricht man allgemein, also auch im Hinblick auf verwaltungsrechtliche Verträge von „Leistungsstörungen"10. Die sie betreffenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Unmöglichkeit11, Verzug 12 , positive Vertragsverletzung13 und culpa in contrahendo 14 werden — wie oben schon dargelegtls — auf öffentlich-rechtliche Sonderverbindungen zumindest dann seit langem entsprechend oder rechtsgrundsätzlich angewandt, wenn diese schuldrechtsähnlichen Inhalt haben 16 . Es ist jedoch hinsichtlich der entsprechenden oder rechtsgrundsätzlichen Anwendung der BGBVorschriften über Leistungsstörungen auf verwaltungsrechtliche Verträge Vorsicht geboten. In jedem Fall ist zunächst zu prüfen, ob nicht öffentlich-rechtliche Vorschriften und Grundsätze eine andere Behandlung der eingetretenen Leistungsstörungen anzeigen, insbesondere, ob die Regelungen des § 59 VwVfG über die Nichtigkeit des Vertrages und jene des § 60 VwVfG die entsprechende Anwendung der BGB-Vorschriften ausschließen17. Ist dies zu verneinen und bleibt damit die Frage, ob im konkreten Fall die eine oder andere BGB-Vorschrift über Leistungsstörungen lückenfüllend heranzuziehen ist, so wird man sich zu vergegenwärtigen haben, daß die Regelungen des Bürgerlichen Rechts über Leistungsstörungen ihre Legitimation aus dem Prinzip privatautonomer Gestaltungs- und damit vertraglicher Rechtsetzungsfreiheit erfahren. Da es hinsichtlich des verwaltungsrechtlichen Vertrages wegen der Bindung des einen Vertragspartners an Gesetz und Recht an einer solchen weitgreifenden Autonomie vertraglicher Rechtsgestaltung fehlt, dürfen bei Eintritt von Leistungsstörungen jedenfalls jene Sanktionen nicht undifferenziert übernommen werden, die wesentlich vom Grundsatz privatautonomer Gestaltungsfreiheit bestimmt werden. Bei der Suche nach differenzierenden Lösungen dürfte auch der Vgl. dazu etwa O V G Lüneburg DÖV 1968, 803ff.; Papier, Die ForderungsverVgl. Bullinger, DÖV 1977, 812f. ; Stürner, JuS 1973, 749, 750; Ule/Laubinger (Fn. 1) § 72 I (S. 306ff). 1 1 Vgl. dazu etwa O V G Lüneburg D Ö V 1968, 803ff.; Papier, Die Forderungsverletzung im öffentlichen Recht, 1970 S. 147f.; Obermayer, BayVBl. 1977, 546, 550ff. ; Ule/Laubinger (Fn. 1) § 72 I 1 (S. 306 f). 1 2 Vgl. dazu Obermayer, BayVBl. 1977, 546, 552f. ; Ule/Laubinger (Fn. 1) § 72 I 2 (S. 307). 1 3 B G H Z 59, 303 und dazu Stürner, JuS 1977, 749ff.; Obermayer, BayVBl. 1977, 546, 553; Ule/Laubinger (Fn. 1) § 72 I 3 (S. 307). 1 4 Vgl. dazu OVG Münster DÖV 1971, 276, 277; Obermayer, BayVBl. 1977, 546, 553. ^ Vgl. § 10 II 4. 1 6 Vgl. auch unten § 30. 1 7 Vgl. zu dem Zusammenhang zwischen Leistungsstörungen, Nichtigkeit des Vertrages und Wegfall der Geschäftsgrundlage Bullinger, DÖV 1977, 812, 814ff., 817f. und H. Meyer, NJW 1977, 1705, 1709ff. 11
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§29
Das Verwaltungshandeln
jüngst18 unternommene Versuch hilfreich sein, verwaltungsrechtliche Verträge nach möglichen Erscheinungsformen zu kategorisieren und die Frage nach den für die Leistungsstörungen maßgeblichen Regelungen typenspezifisch zu untersuchen. Bei den Klagen auf Erfüllung verwaltungsrechtlicher Verträge handelt es sich um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, für die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist. Da es nach der hier vertretenen Auffassung keine gemischt öffentlich-rechtlich/privatrechtlichen Verträge geben kann, kann es insoweit auch nicht dazu kommen, daß hinsichtlich der Erfüllungsansprüche von Verwaltung und Bürger unterschiedliche Rechtswege gegeben sind19. Nachdem Streit über den Rechtsweg für Klagen des Bürgers gegen die Verwaltung auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflichten aus verwaltungsrechtlichen Verträgen entstanden war 20 , legt § 40 Abs. 2 VwGO in der seit dem 1.1. 1977 geltenden Fassung ausdrücklich fest, daß alle Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung der Pflichten aus einem verwaltungsrechtlichen Vertrag beruhen, von der Sonderzuweisung an die ordentlichen Gerichte ausgenommen sind.
§29
Die Vollstreckung aus subordinationsrechtlichen Verträgen Wollen Verwaltung oder Bürger ihre Rechte aus einem subordinationsrechtlichen Vertrag zwangsweise durchsetzen, so müssen sie Klage erheben und sich mit dem Urteil einen Vollstreckungstitel schaffen1. Ein Vollzug des Vertrages durch Leistungsbescheid ist ohne besondere gesetzliche Ermächtigung unzulässig2. § 61 Abs. 1 VwVfG sieht jedoch vor, daß sich jeder Vertragsschließende der sofortigen Vollstreckung aus einem subordinationsrechtlichen Vertrag unterwerfen kann3. Diese Erklärung kann gemäß §61 Abs. 1 S. 2 VwVfG für die Behörde wirksam nur von dem Behördenleiter, seinem allgemeinen Vertreter oder einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes, der die Befähigung zum Richteramt hat, abgegeben werden. Sie muß gemäß § 61 Abs. 1 S. 3 VwVfG zudem in der Regel — Ausnahmen in § 61 Abs. 1 S. 4 VwVfG — von der fachlich zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Die Durchführung der Vollstreckung wird in § 61 Abs. 2 VwVfG geregelt. 18 19
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Vgl. Bullinger, DÖV 1977, 812, 814ff. So auch Wolff/Bachof, VwR I, § 4 4 II f; a. A. Lerche, Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd. II, 1963 S. 59, 66; Stern, VerwArch. 49 (1958), 106, 153. Vgl. dazu BGHZ 43, 34; Menger¡Erichsen, VerwArch. 56 (1965), 278ff.; Bettermann, JZ 1966, 445. So BVerwG NJW 1976, 1516, 1517; OVG Münster DÖV 1967, 722f.; Wolff/Bachof, VwR I, § 4 4 II f.; a. A. noch OVG Münster DÖV 1960, 798, 800; OVG Hamburg, VerwRspr. 8 (1956) 228, 230. BVerwGE 50, 171, 172ff. ; Erichsen, VerwArch. 68 (1977), 65, 71 f. Vgl. auch Mayer/Ule, Staats- und Verwaltungsrecht in Rheinland-Pfalz, 1969 S. 209. 249
§30
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
§30 Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse Wie oben — § 10 II 4 — bereits ausgeführt, wenden Rechtsprechung und Schrifttum auf einige verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen Vorschriften des BGB über das Schuldverhältnis analog oder als Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze an. Man spricht insoweit von verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen. Unter den Vorschriften des BGB, die auf sie analog angewandt werden, sind in erster Linie die Regelungen über die Leistungsstörung, den Maßstab und die Zuordnung der Haftung zu nennen1. So hat die Rechtsprechung die §§ 275, 280 2 , 323ff. 3 , 276, 2784 BGB ebenso wie die Regeln über culpa in contrahendo5 und positive Forderungsverletzung6 für das verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis fruchtbar gemacht und hat etwa der BGH 7 die Vorschriften des Kaufrechts „als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken" sinngemäß auf die durch eine Satzung begründete verwaltungsrechtliche Sonderverbindung zwischen der Gemeinde und einem Nutzer ihrer Wasserversorgung angewandt. Auch die Vorschriften über den Wegfall der Geschäftsgrundlage und die clausula rebus sie stantibus8 sind als Ausfluß des auch im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben mit der Folge herangezogen worden, daß eine Änderung der für die Begründung der verwaltungsrechtlichen Sonderverbindung maßgebenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu ihrer Anpassung an die neue Lage, u. U. zu ihrer Geltungsbeendigung führen kann9. Rechte und Pflichten aus dem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis erlöschen durch Erfüllung, Verzicht und Verwirkung. Dabei kann die Erfüllung auch durch Aufrechnung erfolgen, wie es in manchen Vorschriften — etwa §51 SGB, §226 AO — ausdrücklich vorgesehen ist. Aber auch über diese Sonderregelungen hinaus wird die Aufrechnung öffentlich-rechtlicher gegen privatrechtliche wie auch privat-rechtlicher gegen öffentlichrechtliche Forderungen unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet10.
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Vgl. dazu Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967 S. 85f.; Papier, Die Forderungsverletzung im öffentlichen Recht, 1970 S. 40f. Vgl. dazu etwa v. d. Groeben/Knack, Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein, Kommentar, 1968, § 129 Rn. 2 ; Schwerdtfeger, öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 4. Aufl. 1976 S. 105; O V G Lüneburg DÖV 1968, 803ff. Vgl. Papier (Fn. 1) S. 147f. Vgl. dazu Simons (Fn. 1) S. 147ff., 153ff. m. w. N . ; Stümer, JuS 1973 , 749, 750; RGZ 166, 218, 223; B G H Z 3, 162, 173; BVerwG DÖV 1965, 670, 671. Vgl. Simons (Fn. 1) S. 172f.; BGHZ 6, 330, 332; B G H BB I960, 1181. Vgl. dazu Papier (Fn. 1) S. 17f.; BVerwGE 13, 17, 22. B G H Z 59, 303; dazu Stümer, JuS 1973, 749f.; vgl. B G H NJW 1974, 1816. Dazu O V G Lüneburg N J W 1977, 773, 774; vgl. auch oben § 27 IV. Vgl. BVerwG D Ö V 1956, 410 und D Ö V 1962, 72; BVerwG DVBl. 1967, 619. Vgl. dazu Forsthoff, VwR, S. 284f.; Metschies, D Ö V 1977, 142.
Das Verwaltungshandeln
§ 30
I
Unter den verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen finden sich einige, die bisher in besonders starkem Maße Rechtsprechung und Schrifttum beschäftigt haben. Unter ihnen sind an erster Stelle die Anstaltsnutzungsverhältnisse zu nennen, die Gegenstand gesonderter Darstellung sind 11 . Hier sollen das verwaltungsrechtliche Verwahrungsverhältnis, die Geschäftsführung ohne Auftrag und der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch behandelt werden.
I. Das verwaltungsrechtliche Verwahrungsverhältnis Das verwaltungsrechtliche Verwahrungsverhältnis besteht, wenn die Verwaltung bewegliche Sachen kraft öffentlichen Rechts zur Aufbewahrung in Besitz hat 12 . Es kann in unterschiedlicher Weise begründet werden. Einmal kann es durch die auf Begründung eines solchen Rechtsverhältnisses gerichtete Willenseinigung der Beteiligten — verwaltungsrechtlicher Vertrag 13 — zum anderen kann es durch darauf gerichteten Verwaltungsakt und Inbesitznahme, also etwa Beschlagnahme und Sicherstellung einer Sache 14 und schließlich durch die bloße Inbesitznahme einer Sache15 zum Zwecke der Verwahrung begründet werden. Gelegentlich geschieht es, daß ein Bürger bewegliche Sachen, die Staatseigentum sind, zur Verwahrung erhält. So erhält gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 WPflG der Reservist der Bundeswehr bei seiner Entlassung die sog. Grundausstattung an Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken mit der Verpflichtung ausgehändigt, sie aufzubewahren und zu pflegen. Wenn auch die Pflicht zur Verwahrung in diesem Fall Bestandteil einer umfassenderen öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung ist, in der der Bürger zum Staat steht, so erscheint es doch geboten, auf die mit der Verwahrung verbundenen Beziehungen die Regelungen über die öffentlich-rechtliche Verwahrung anzuwenden 16 . Auf diese verwaltungsrechtliche Sonderverbindung werden die Vorschriften der §§ 688 ff. BGB analog oder die in ihnen zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätze angewendet, soweit nicht die Zweck- und Interessenausrichtung der verwaltungsrechtlichen Verwahrung entgegensteht17. Dies wird uneingeschränkt für die Regelung des § 695 BGB und auch für den in § 690 B G B festgelegten Haftungsmaßstab zu bejahen sein, wenn die Verwahrung nicht nur den Interessen
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Vgl. dazu unten §§ 43 ff. Vgl. B G H 2 34, 349, 354; Menger/Erichsen, VerwArch. 57 (1966), 73; Scbwerdtfeger (Fn. 2) S. 91. Vgl. Menger/Erichsen, VerwArch. 57 (1966), 75. Vgl. RGZ 166, 215, 221f.; BGH WPM 1973, 1416 und Hermann Weber, JuS 1974, 191, 192 m. w. N . ; abw. Wolff/Bachof, VwR I, § 44 Ib 1. Vgl. Scbwerdtfeger (Fn. 2) S. 91; B G H Z 34, 349, 354. Vgl. auch VG Arnsberg, JuS 1975, 401; Müller, JuS 1977, 232. Vgl. auch Scbwerdtfeger (Fn. 2) S. 92. 251
§30 II
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des Verwahrers, sondern nur, oder jedenfalls auch dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt ist 18 . Insbesondere um die Rechtsfolgen in den Fällen der Beschädigung, der Zerstörung oder der anderweitigen Unmöglichkeit der Herausgabe der Sache zu bestimmen, haben Rechtsprechung und Schrifttum die §§ 276, 278 19 , 280, 282 20 neben den Vorschriften der § 839 BGB, Art. 34 G G herangezogen. Dies ist vor allem von Bedeutung im Hinblick auf die Regelung des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB und für die Verteilung der Beweislast, da der Verwaltung hier — anders als bei der Amtshaftung — die Beweislast für fehlendes Verschulden obliegt. Für vermögensrechtliche Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung ist gemäß §40 Abs. 2 S. 1 VwGO der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben, soweit der Bürger einen solchen Anspruch — beispielsweise auf Herausgabe der verwahrten Sache oder auf Schadensersatz — gegen die Verwaltung gerichtlich geltend macht 21 .
II. Die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag Die Regeln der §§ 677 ff. BGB über die Geschäftsführung ohne Auftrag dienen dem Interessenausgleich zwischen demjenigen, der fremde Geschäfte besorgt, ohne dazu durch ein besonderes Rechtsverhältnis (aus Vertrag oder Gesetz) berechtigt zu sein, und demjenigen, dessen Geschäfte wahrgenommen werden 22 . Auch das öffentliche Recht ist gelegentlich mit Sachverhalten konfrontiert, in denen Geschäfte eines anderen besorgt werden. So erbrachte beispielsweise eine Krankenkasse für eine andere die dieser gesetzlich obliegende Leistung 23 , errichtete eine Gemeinde statt der verpflichteten Bundesrepublik Deutschland an einem unübersichtlichen Fußgängerweg eine Beleuchtungsanlage24, bauten Anlieger eine Straße
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Vgl. Papier (Fn. 1) S. 42 m. w. N . Vgl. etwa B G H Z 21, 214; 3, 174; 1, 383; Schuck, in: Festschrift für Rudolf Laun, 1948 S. 292; B G H Z 54, 299, 302. Vgl. B G H Z 3, 162, 174; 4, 192, 195; Koch, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, Diss. Hamburg 1953 S. 54; Papier (Fn. 1) S. 42. Vgl. Ule, VerwGbarkeit, § 40 IV 2 a (S. 95); Schunck/DeClerck, V w G O , § 40 Anm. 4 b (S. 170); Redeker/v. Oertzen, V w G O , § 4 0 Rn. 4 4 f . ; EyermanntFröhler, VwGO, §40 Rn. 91; Wilke, JuS 1966, 481; B G H Z 4, 193f.; 43, 277f.; L G Köln N J W 1965, 1440; vgl. auch Mengerl Erichsen, VerwArch. 57 (1966), 75; Papier (Fn. 1) S. 144 f. Medicus, Bürgerliches Recht, 7. Aufl. 1976, § 17 I; H. H. Klein, DVB1. 1968, 166. B S G N J W 1958, 886. § 43 Abs. 3 S G B sieht für den vorleistenden Leistungsträger nunmehr einen „Erstattungsanspruch" vor. B a y V G H BayVBl. 1971, 67f.; dazu Hoepffner, Die Geschäftsführung ohne Auftrag in der Verwaltung, Diss. Würzburg 1972 S. 123f.; weiteres Beispiel: O V G Lüneburg O V G E 18, 384 f.
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Das Verwaltungshandeln
§ 3 0 II
aus, für die die Gemeinde die Straßenbaulast trug 2 5 und stellte ein Bauherr anstelle der gesetzlich verpflichteten Gemeinde eine Erschließungsanlage her 253 . Grundsätzlich ist anerkannt, daß es das Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag auch im Rahmen öffentlich-rechtlicher Beziehungen gibt. Die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts werden analog oder als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken angewandt 2 6 . Es kommen in erster Linie drei Fallgruppen in Betracht 27 . So ist denkbar, daß ein Träger öffentlicher Verwaltung für einen anderen 28 oder daß ein Träger öffentlicher Verwaltung für einen Bürger 2 9 schließlich daß umgekehrt ein Bürger für einen Träger öffentlicher Verwaltung handelt 3 0 . Der Anwendungsbereich der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag soll nach einer Meinung auf das Verhältnis von Trägern öffentlicher Verwaltung zueinander beschränkt sein 31 , dagegen nach einer anderen Ansicht gerade diese Beziehungen ausschließen 32 . Soweit die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und einem Bürger anerkannt wird, ist weiterhin strittig, ob dies nur im Verhältnis des Staates als Geschäftsführer zu einem Bürger als Geschäftsherrn 33 oder auch in der umgekehrten Beziehung gilt 3 4 . Für einen völligen Ausschluß einer der drei Fallgruppen aus dem Anwendungsbereich der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag lassen sich keine zwingenden Gründe anführen 3 5 . Doch ist stets zunächst zu prüfen, ob die An-
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OVG Münster Die Gemeinde, 1962 , 40. VGH Mannheim NJW 1977, 1843. Vgl. dazu Hoepffner (Fn. 24) S. 76f.; Wollschlager, Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Recht und Erstattungsanspruch, 1977 S. 28ff.; VGH Mannheim NJW 1977, 1843. Vgl. zur Frage der öffentlich-rechdichen GoA zwischen Privaten, Hoepffner (Fn. 24) S. 166. Vgl. beispielsweise BSG NJW 1958, 886f.; BGHZ 40, 28f.; OVG Lüneburg OVGE 18, 384f.; dazu Hoepffner (Fn. 24) S. 117f.; vgl. auch H. H. Klein, DVB1. 1968, 166, 167. Vgl. BGH NJW 1975, 47, 49; Beispiel und Fallösung auch bei Maurer, JuS 1970, 561f. und Schwerdtfeger (Fn. 2) S. 93; dazu Hoepffner (Fn. 24) S. 150f. Beispiele bei H.H.Klein, DVB1. 1968, 166, 169f.; BayVGH VerwRspr. 21 (1969), 397f.; LG Wiesbaden DAR 1970, 751; Hoepffner (Fn. 24) S. 156f.; Freund, JZ 1975, 513 ff. So Rietdorf, DÖV 1966, 253, 254. So H. H. Klein, DVB1. 1968, 166, 169 mit der Begründung, es fehle am Bedürfnis. So Schuck, JZ 1966, 640, 641; Soergell Mühl, BGB, 10. Auflage 1969, Vorbem. §677 Rn. 4, 8. So H.H.Klein, DVB1. 1968, 169f.; Staudinger/Nipperdey, BGB, 11. Aufl. 1958, Vorbem. §677 Rn. 71. Für die Zulässigkeit einer bloßen Notgeschäftsführung Freund, JZ 1975, 513, 515. Vgl. auch VGH Mannheim NJW 1977, 1843. Vgl. Maurer, JuS 1970, 561, 562; davon gehen u.a. Wolff/ Bachof, VwR I, §44Ib5, Schwerdtfeger (Fn. 2) S. 93 ff. und VGH Mannheim NJW 1977, 1843 aus. BVerfGE 18, 253
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wendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht durch Spezialvorschriften 3 6 ausgeschlossen ist 3 7 . Insbesondere bei den Beziehungen zwischen einem Träger öffentlicher Verwaltung und einem Bürger wird häufig anzunehmen sein, daß die öffentlich-rechtlichen Gesetze, die die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Staat regeln, auch die Verpflichtungen des Bürgers gegenüber dem Staat abschließend normieren. Liegen also ζ. B . die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Ersatzvornahme 3 8 nicht vor, darf zugunsten der Verwaltung nicht auf den Aufwendungsersatzanspruch der §§ 683, 670 B G B zurückgegriffen werden. Anderenfalls würden die gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen, die abschließende Normierung der Zwangsmittel in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen oder andere Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen staatlichen Handelns umgangen werden können 3 9 . Was die Geschäftsführung durch einen Bürger angeht 4 0 , so ist zu bedenken, daß Aufgaben und Zuständigkeit von Trägern öffentlicher Verwaltung durch zahlreiche kompetenzbegründende und -begrenzende Normen geregelt sind. Die mit der gesetzlichen Errichtung eines Aufgaben- und Kompetenzgefüges verfolgten Zwecke wären jedoch in ihrer Verwirklichung gefährdet, wenn ein Bürger an Stelle des zuständigen Verwaltungsträgers die diesem zugewiesenen Aufgaben erfüllte 4 1 . Ganz abgesehen davon könnte die Verwaltung kaum übersehen, welche Kostenbelastung dadurch auf sie zukäme. Daher wird grundsätzlich die Geschäftsführung eines Bürgers für einen Träger hoheitlicher Verwaltung nicht dem öffentlichen Interesse entsprechen. Es sind allerdings auch Sachverhalte (insbesondere Notfälle) denkbar, in denen ausnahmsweise ein Eingreifen eines Bürgers zugunsten des Staates im öffentlichen Interesse liegen kann 4 2 . Allerdings kann das Eingreifen immer nur insoweit als zulässig angesehen werden, als Rechte anderer nicht betroffen sind. Die Okkupation von Hoheitsgewalt im Verhältnis zu Dritten ist
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429, 436 läßt die Frage offen, ob die öffentlich-rechtliche GoA außer in Fällen der Gleichordnung der Beteiligten anwendbar ist. Gesetzlich ist die öffentlich-rechtliche GoA nur vereinzelt geregelt, ζ. B. in § 121 BSHG. Einige Gesetze haben Abwicklungsvorschriften der GoA (§§ 683 ff. BGB) für anwendbar erklärt: so z . B . §§43 BWPolG; 32 HessSOG; 42 NdsSOG; 45 Abs. 2 NWOBG. Vgl. BVerwGE 10, 282, 290; Hurst, DVB1. 1965, 757, 760; Rietdorf, DÖV 1966, 253, 254. Eine Lücke, Voraussetzung für die Analogie oder die Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze, liegt dann nicht vor. Vgl. dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1975 S. 366ff. Vgl. zum Begriff und den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen § 20 II. Wolff/Bachof, VwR I, § 44 I b 5 ; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl. 1977 S. 167f. ; Maurer, JuS 1970, 561, 563 f. Zum Teil werden von diesem Grundsatz gewisse Ausnahmen gemacht, vgl. dazu Hurst, DVB1. 1965, 757, 760; Maurer, JuS 1970, 561, 565. Dazu auch Freund, JZ 1975, 513ff.; VGH Mannheim NJW 1977, 1843f. Ausführlich BayVGH VerwRspr. 21 (1969), 397, 400; vgl. Hoepffner (Fn. 24) S. 161f.; H. H. Klein, DVB1. 1968, 166, 170. Vgl. Hoepffner (Fn. 24) S. 162 ; VGH Mannheim NJW 1977, 1843 f. Beispiele bei Freund, JZ 1975, 513, 515ff. Ablehnend Wollschläger (Fn. 26) S. 43f.
Das Verwaltungshandeln
§ 3 0 III
schon wegen der Geltung des Gesetzesvorbehalts für solche Maßnahmen ausgeschlossen. Wann eine privatrechtliche und wann eine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt, kann im Einzelfall schwierig zu beantworten sein 43 . Die Zuordnung zu dem einen oder anderen Rechtsbereich ist zum einen für die Zulässigkeit einer Geschäftsführung ohne Auftrag, zum anderen ist sie für den Rechtsweg relevant 44 . Es wird einmal auf die Rechtsnatur der vom Geschäftsführer ergriffenen Maßnahmen abgestellt 45 , während die wohl überwiegende Auffassung fragt, welchen Charakter das Geschäft gehabt hätte, wenn es vom Geschäftsherrn vorgenommen worden wäre 46 . Anknüpfungspunkt für die Geschäftsführung ohne Auftrag ist das für einen anderen geführte „Geschäft" (vgl. § 677 BGB) 4 7 . Es bildet demnach das Kriterium, nach dem die öffentlich-rechtliche von der privatrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag zu unterscheiden ist 48 . Eine öffentlichrechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag liegt mithin in entsprechender Anwendung der §§ 677ff. B G B 4 9 oder der in ihnen zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken vor, wenn der Geschäftsführer ein fremdes öffentlich-rechtliches Geschäft für einen anderen ohne Auftrag ausführt 50 . Aufwendungsersatz entsprechend §§ 683, 670 BGB, auf den es letztlich ja ankommt, kann nur verlangt werden, wenn die Geschäftsführung auch dem „Interesse" und dem „Willen" des Geschäftsherrn entspricht (§ 683 BGB) 5 1 . Bei einer Geschäftsführung für einen Träger öffentlicher Verwaltung sind dabei Interesse und Wille identisch, weil sich jedes staatliche Handeln am öffentlichen Interesse auszurichten hat (vgl. auch § 679 BGB).
III. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch Wie im Privatrecht, so besteht auch im öffentlichen Recht ein Anspruch auf Rückgewähr von Leistungen, die rechtsgrundlos im Rahmen eines öffentlich43
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Vgl. dazu H. H. Klein, DVBl. 1968, 166, 169; Schuck, JZ 1966, 640, 641; fíaur, DVB1. 1965, 893, 896; A. Hamann, N J W 1955, 481, 482 ; ausführlich Hoepffner (Fn. 24) S. 97f. Vgl. Maurer, JuS 1970, 561, 562. So Hamann, NJW 1955, 481, 482; Tiedau, DÖV 1952, 164, 165; OVG Lüneburg O V G E 11, 307, 312; BVerwG DVBl. 1956, 375, 376. B G H 2 40, 28, 31; Baur, DVBl. 1965, 893, 896; vgl. H. H. Klein, DVBl. 1968, 169; B G H Z 54, 127, 160; im übrigen Hoepffner (Fn. 24) S. lOlf., 104. So BVerwGE 18, 221, 222; Hoepffner (Fn. 24) S. lOOf. So auch Hoepffner (Fn. 24) S. 104; VGH Mannheim NJW 1977, 1843f. Vgl. die Darstellung bei Medicus (Fn. 22) §§ 17, 18. Vgl. B G H N J W 1975, 47, 4 9 ; NJW 1975, 2 0 7 f . ; Hoepffner (Fn. 24) S. 5f. Vgl. auch VGH Mannheim N J W 1977, 1843 f. und Schwerdtfeger (Fn. 2) S. 95, dort auch zu den strengen Voraussetzungen, die für den Fall der GoA einer Verwaltungsbehörde zugunsten eines Bürgers gemacht werden. Zudem H. H. Klein, DVBl. 1968, 166, 170. 255
§ 3 0 III
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
rechtlichen Rechtsverhältnisses bewirkt worden sind 52 . Dieser Anspruch ist zuweilen ausdrücklich geregelt wie etwa in § 53 Abs. 2 BRRG, in § 87 Abs. 2 BBG und — für den praktisch bedeutsamsten Fall — jetzt in § 48 Abs. 2 S. 5f. VwVfG 5 3 . Neben diesen Spezialregelungen kennt das allgemeine Verwaltungsrecht — ähnlich der AO in § 37 Abs. 2 — aber auch einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Er kann sowohl dem Bürger — etwa Anspruch auf Erstattung von ohne Rechtsgrund gezahlten öffentlichen Abgaben — als auch dem Staat — ζ. B. Anspruch auf Erstattung irrtümlich überzahlter Ausbildungsförderungsmittel — zustehen. Ableitung und dogmatische Begründung dieses allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs sind jedoch umstritten. So ist auf das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurückgegriffen worden54 oder man hat §§ 812 BGB analog herangezogen55, bzw. §§812 ff. BGB als Ausdruck eines allgemeinen, auch im öffentlichen Recht geltenden Rechtsgedankens bewertet56. Schließlich wird der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch auch als eigenständiger öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundsatz angesehen57. Diesem Meinungsstreit kommt insofern nicht nur akademische Bedeutung zu, als etwa ein Rückgriff auf bürgerlichrechtliches Bereicherungsrecht vor allem die (rechtsgrundsätzliche oder entsprechende) Anwendbarkeit des §818 Abs. 3 BGB implizieren würde. Dies bedeutete den Ausschluß des Erstattungsanspruchs bei Wegfall der Bereicherung, sofern nicht der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes gekannt hat (§819 Abs. 1 BGB). Vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Bestimmungen, wie sie §48 Abs. 2 S. 6f. VwVfG 5 8 und § 53 Abs.2 BRRG sowie § 87 Abs. 2 BBG enthalten, wird man die Frage, ob die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung zuzulassen sei, danach zu beurteilen haben, ob die Interessenlage des jeweiligen Erstattungsfalles der von den §§ 818 Abs. 3, 819 BGB vorausgesetzten entspricht oder nicht 59 . Praktisch bedeutsam ist auch die Frage der Vererblichkeit der Erstattungspflicht. Sie betrifft einen Ausschnitt aus dem Problemkreis der (Gesamt-) Rechtsnachfolge im öffentlichen Recht, einem positivrechtlich ebenfalls nur fragmentarisch und sehr uneinheitlich geregelten Institut. Soweit ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen fehlen, tritt im öffentlichen Recht in entsprechender Anwendung der §§ 1922, 52
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Vgl. Eckart Weber, Der Erstattungsanspruch, 1970; Hermann Weber, JuS 1970, 169ff.; Wolff/Bachof, VwR I, § 44 I b 6 ; Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. l l l f . ; BVerwGE 4, 215, 218f.; 6, 1, 10; 18, 303, 314; 25 , 72 , 76; vgl. auch BVerwG NJW 1974, 2247 und 2250; BGH DÖV 1977, 67. Vgl. auch oben § 18 II 3. W. Jellinek, VwR, S. 239. OVG Münster DÖV 1967, 270; Thiedak, MDR 1952, 330; vgl. dazu Wallerath, DÖV 1972, 221, 222. BVerwG DÖV 1971, 348; Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 1951 S. 101 ; Haueisen, NJW 1954, 977. Wolff/Bachof, VwR I, § 44 Ib 6. Vgl. oben § 18 II 3. Hermann Weher, JuS 1970, 169, 171; Wolff/Bachof, VwR I, § 44 Ib 6.
Das Verwaltungshandeln
§31
1967 B G B der Erbe in solche öffentlich-rechtlichen Positionen ein, die nicht höchstpersönlicher Natur sind 6 0 . Höchstpersönlich ist die Erstattungspflicht als (regelmäßig) auf Geldzahlung oder (seltener) auf Naturalleistung gerichtete Verbindlichkeit durchweg nicht. Sie ist daher in der Regel vererblich 6 1 . Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs erfolgt in der verwaltungsbehördlichen Praxis regelmäßig durch Verwaltungsakt, den sog. Leistungsbescheid, und zwar auch dann, wenn, anders als in § 48 Abs. 2 S. 8 V w V f G 6 2 , eine gesetzliche Ermächtigung dazu fehlt. Diese Praxis hat die Billigung der Rechtsprechung gefunden („Kehrseitentheorie") 6 3 . Nach zutreffender Auffassung bedarf jedoch der Erlaß eines Leistungsbescheides als eines belastenden Verwaltungsaktes einer gesetzlichen Grundlage (Vorbehalt des Gesetzes) 6 4 .
4 . Abschnitt H a n d e l n der Verwaltung in privatrechtlichen F o r m e n §31
Freiheit der Formenwahl Nach bislang kaum in Frage gestellter Auffassung 1 sind der Staat und seine Untergliederungen berechtigt, sich auch der Handlungsformen des Privatrechts zu bedienen 2 , soweit nicht die Rechtsordnung ausdrücklich die Verwendung bestimmter öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Handlungsformen vorsieht. Dementsprechend werden ζ. B . die Aufgaben öffentlicher Verwaltung im Bereich 60 61 62 63
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Vgl. oben § 10 II 6. BSGE 24, 190, 192; Eckart Weber (Fn. 52) S. 87ff. Vgl. dazu § 18 II 3. BVerwGE 25, 72, 76ff.; 30, 77, 79; BVerwG DVBl. 1969, 665, 666f.; BVerwG NJW 1977, 1838, 1839; ebenso Eckart Weber (Fn. 52) S. 69ff. W. Martens, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973 S. 434; Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 60ff.; BayVGH BayVBl. 1975, 590. Vgl. aber Herbert Krüger, W D S t R L 15 (1957), 120; Erichsen und Hoffmann-Becking, JuS 1971, 144, 145; Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973 S. 166; Bosse, Der subordinationsrechtliche Verwaltungsvertrag als Handlungsform öffentlicher Verwaltung, 1974 S. 24ff.; Ossenbühl, DVBl. 1974, 541, 542, vertritt ebenso wie Bosse die Ansicht, daß Rechtsbeziehungen, die die Verwaltung zur Erfüllung staadicher Aufgaben eingeht, stets dem Regime des öffentlichen Rechts unterliegen. Vgl. dazu oben §§ 1 III, 2 III u. BVerwG MDR 1976, 874f.; BVerwGE 13, 54; BGH NJW 1967, 1857; OVG Lüneburg NJW 1977, 450f.; OVG Münster DÖV 1959, 156; Wolff/Bachof, VwR I, § 23 Ia, I I b ; Ossenbühl, DVBl. 1974, 541; Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, 1977 S. 175. 257
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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der Daseinsvorsorge in weitem Umfang mit Hilfe privatrechtlicher Formen erfüllt. Die Motive sind im Einzelfall unterschiedlich. So kann es sein, daß das öffentliche Recht eine adäquate Handlungsform nicht bereitstellt. Nicht selten soll aber auch der weitere Verhaltensspielraum, den das Privatrecht im Verhältnis zum öffentlichen Recht vielfach eröffnet, staatlicher Aufgabenverwirklichung nutzbar gemacht werden. Insbesondere sind es die gesellschaftsrechtlichen Organisationsformen, deren sich die Verwaltung bedient. Wie später hinsichtlich der Organisation des Leistungsangebots der Verwaltung im einzelnen dargelegt wird 3 , bedient sie sich hier häufig der Form einer privatrechtlichen Gesellschaft, die eine privatrechtlich gestaltete Nutzungsordnung erläßt — allgemeine Geschäftsbedingungen —, oder sie regelt auch dann, wenn sie sich der öffentlich-rechtlichen Organisationsformen bedient4, die Benutzung privatrechtlich. Die damit angesprochene „Flucht in das Privatrecht"5 löst indessen die Frage aus, ob die Verwaltung sich wirklich von ihren öffentlich-rechtlichen Bindungen befreien kann, wenn sie sich privatrechtlicher Organisations- und/oder Handlungsform bedient.
§32 Die Bindung der Verwaltung beim Handeln in privatrechtlichen Formen Einigkeit besteht darüber, daß die Verwaltung auch dann, wenn sie sich privatrechtlicher Handlungsformen bedient, an die Zuständigkeits- und Vertretungsordnung gebunden ist1. Hinzuweisen ist insbesondere auf die Regelungen der Gemeindeordnungen, die für alle Geschäfte, die nicht einfache Geschäfte der laufenden Verwaltung sind, anordnen, daß in Gesamtvertretung nur der Hauptverwaltungsbeamte oder sein Stellvertreter und ein weiterer vertretungsberechtigter Beamter oder Angestellter tätig werden dürfen2. Im kommunalen Bereich sind etwa auch die Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts zu beachten3. Darüber hinaus wird die Begründung staatlicher Berechtigungen und Verpflichtungen im Verhältnis der Legislative zur Exekutive auch durch das Haushaltsrecht diszipliniert4. Ob das alles auch gilt, wenn sich der Staat oder seine Untergliederungen 3 4 5
Vgl. unten § 44. Vgl. unten Rudolf § 56 II 3 und OVG Lüneburg NJW 1977, 450f. Vgl. dazu Ossenbühl, DVBI. 1974, 541, 543.
Vgl. dazu unten Rudolf § 56 IV 1 und BVerfGE 12, 205, 246f. sowie Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1966 S. 389f.; v. Mutius, JuS 1977, 99, 101. - Vgl. §§ 56 NWGO; 61 SHGO; 63 NdsGemO. 3 Dazu v. Mutius, JuS 1977, 99, 101; 592, 596 m. w. N. 4 Vgl. auch Rüfner (Fn. 1) S. 388. 1
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Das Verwaltungshandeln
§32
privatrechtlicher Organisationsformen bedienen5, ist indessen fraglich. So betreiben ζ. B. kommunale Gebietskörperschaften in NW Wirtschaftsförderung, d. h. u. a. die Ansiedlung gewerblicher Industrie zur Vermehrung und Erhaltung der Arbeitsplätze und des Gemeindesteueraufkommens, in Form einer GmbH. Gerade in diesen Fällen wird die privatrechtliche Organisationsform häufig gewählt, um sich in verschiedener Hinsicht, etwa bei der Aufnahme von Krediten6, bei der Vergabe von Subventionen und der Besoldung des Personals größere Spielräume zu eröffnen. Im Anschluß an Wolfgang Siebert7 und Hans J. Wolff6 vertritt der BGH die Auffassung, daß jedenfalls dann, wenn die Verwaltung in privatrechtlichen Formen unmittelbar Verwaltungsaufgaben erfüllt oder öffendich-rechtlich gesetzte Aufgaben verfolgt, ein Verwaltungsprivatrecht „mit etlichen öffentlich-rechtlichen Bindungen" 9 , insbesondere auch der Bindung an die Grundrechte, gilt 10 . Dergestalt wird vom BGH die grundrechtsgebundene, sog. daseinsvorsorgende11 Tätigkeit des Staates — etwa die Versorgung mit Gas, Wasser, Elektrizität und die Entsorgung ζ. B. durch Müllabfuhr und Entwässerung — von der nicht grundrechtsgebundenen erwerbswirtschaftlichen und bedarfsdeckenden Betätigung des Staates und seiner Untergliederung gesondert. Darüber hinaus sollen dann, wenn es sich um Massenverwaltung handelt, wie es bei den ins Auge gefaßten Fällen der Daseinsvorsorge die Regel ist, die Regelungen über Geschäftsfähigkeit und Irrtumsanfechtung nicht gelten. Welche weiteren öffentlich-rechtlichen Bindungen die Verwaltung bei der unmittelbaren Verfolgung öffentlicher Verwaltungszwecke in privatrechtlichen Formen im übrigen zu beachten hat — man spricht hier von „Überlagerung" 12 — bleibt recht diffus13. Die Anwendung des Verwaltungsprivatrechts wird mit der unmittelbaren Erfüllung von Verwaltungsaufgaben oder öffentlich-rechtlich gesetzter Aufgaben begründet. Wie die oben schon angeführten Beispiele und die gegenwärtig um die 5 6
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Vgl. unten § 44 I, § 56 II 3. Die insoweit in den Gemeindeordnungen enthaltenen Aufsichtsrechte geben allerdings die Möglichkeit, hier zu intervenieren. Vgl. §§92 N W G O ; 89 Abs. 1 RhPfGO; 87 Abs. 2 BWGO. in: Festschrift für Niedermayer, 1953, S. 215, 221. Wolff/Bachof, V w R I , §23 IIb. So Wolff/Bachof, V w R I , §23 IIb. Vgl. BGHZ 29, 76, 80; 33, 230, 233; 36, 91. Vgl. auch BVerwGE 35, 103, 106; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1977 S. 72. Vgl. BGHZ 52, 325, 327f. Zum Begriff vgl. oben I. v. Münch, § 2 I. Kritisch dazu Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 S. 106f.; Grupp, ZHR 140 (1976), 367, 377f. Vgl. etwa Rüfner (Fn. 1) S. 378; Ossenbühl, DVB1. 1974, 541, 543, der in diesen Fällen auch die grundlegenden Prinzipien öffentlicher Finanzgebarung anwenden will. Zur Kritik auch Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates, 1973 S. 169 ff. Vgl. etwa Wolff/Bachof, V w R I , §23 IIb 3; Rüfner (Fn. 1) S. 377 f.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1969 S. 133f.; Ossenbühl, DVB1. 1974, 541, 542. 259
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Privatisierung kommunaler Aufgaben geführte Diskussion14 zeigen, können alle diese Aufgaben auch von Privaten und in erwerbswirtschafdicher Absicht erfüllt werden und werden sie erfüllt, ohne daß ihnen der Staat einen besonderen Auftrag erteilt hätte. Es zeigt sich also, daß es im Bereich nicht obrigkeitlicher staadicher Tätigkeit, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge keine per se öffentlichen Aufgaben oder Verwaltungszwecke gibt15. Gibt es aber keine spezifischen oder geborenen Verwaltungsaufgaben im Bereich nicht obrigkeitlicher Tätigkeit des Staates, so ist es auch nicht möglich, mit Hilfe dieses Kriteriums grundrechdich gebundene von erwerbswirtschafdicher oder bedarfsdeckender grundrechtsfreier Tätigkeit der Verwaltung in privatrechtlichen Formen zu scheiden. Es ist für die Lehre von der begrenzten Grundrechtsbindung staadichen Handelns in privatrechtlichen Formen charakteristisch, daß dieser Ansatz vielfach an jener Bestimmung vorbeientwickelt wird, die in diesem Zusammenhang allein Ausgangspunkt der Überlegungen sein kann: nämlich Art. 1 Abs. 3 GG. Die Frage ist allein, ob sich die Tätigkeit des Staates in privatrechtlichen Formen im Rahmen einer der in Art. 1 Abs. 3 GG aufgeführten Funktionskategorien hält. Da es sich nicht um Gesetzgebung und Rechtsprechung handelt, bleibt nur die Antwort auf die Frage zu suchen, ob die Tätigkeit des Staates in privatrechtlichen Formen als Ausübung vollziehender Gewalt anzusehen ist. Geht man davon aus, daß Art. 1 Abs. 3 GG die Ausübung von Staatsgewalt umfassend disziplinieren will, und begreift man die Gesamtheit staatlicher Zuständigkeiten und Befugnisse als Staatsgewalt, so ergibt sich die Einbeziehung staatlichen Handelns in privatrechtlichen Formen in die Grundrechtsbindung des Art. 1 Abs. 3 GG aus der Möglichkeit eben dieses staatlichen Verhaltens16. Es gilt auch heute noch der schon 1892 von Haenel formulierte Satz: „Es ist eine durchaus unrichtige Vorstellung, als ob der Staat in seinen fiskalischen Rechtsverhältnissen nicht als Staat, sondern als Privater stände" 17 . Im Rahmen der Bindung der Verwaltung an die Grundrechte bei Handeln in privatrechdichen Formen ist insbesondere der Gleichheitssatz von Bedeutung, der etwa zum Kontrahierungszwang auch in jenen Bereichen staatlicher Tätigkeit 14 15
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Vgl. dazu etwa Görgmaier, DÖV 1977, 356ff.; Tiemann, BayVBl. 1976, 261 ff. Vgl. dazu im einzelnen Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 2. Aufl. 1976 S. 103ff.; a. A. Ossenhühl, DVBl. 1974, 541, 542. Wolff/Bachof, VwR I, §23 IIb stellen allerdings nunmehr auf die öffendich-rechtliche Aufgabenbestimmung ab. Im einzelnen dazu Erichsen (Fn. 10) S. 107ff. m. w. N.; zustimmend v. Mutius, JuS 1977, 99, 101; Hoffmann-Becking, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973 S. 445, 454; Johannes und Reinhard Rauball, Gemeindeordnung für NW, 2. Aufl. 1974, § 1 Rn. 5. Vgl. auch OVG Lüneburg NJW 1977, 450, 451; Hesse, VerfR, § 1 1 1 ; Pestalozza (Fn. 12) S. 169; Burmeister, DÖV 1975, 695, 702f.; Bachof, W D S t R L 30 (1972), 193, 205; Schwerdtfeger, öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 4. Aufl. 1977 S. 169; Grupp, ZHR 140 (1976), 367, 378. Ausdrücklich ablehnend etwa H. H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968 S. 170f. Haenel, Staatsrecht I, 1892 S. 161; vgl. auch Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 226f.; Rüfner (Fn. 1) S. 387ff.
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Das Verwaltungshandeln
führen kann, in denen er nicht — wie etwa in den Gemeindeordnungen18 oder in § 453 HGB, § 3 EisenbahnverkehrsO — ausdrücklich festgelegt ist 19 .
5. Abschnitt Der Verwaltungs-Realakt §33
Begriff und Bedeutung Mit dem Ausdruck des Verwaltungs-Realaktes (Tathandlung, tatsächliches Verwaltungshandeln, schlichtes Verwaltungshandeln) bezeichnet man zusammenfassend diejenigen Verhaltensweisen der Träger öffentlicher Verwaltung, die im Gegensatz zum Verwaltungsakt und zur Willenserklärung nicht final auf die Bewirkung bestimmter Rechtsfolgen gerichtet sind, sondern unmittelbar nur einen tatsächlichen Erfolg herbeiführen. Solche Realakte kommen in der Verwaltungspraxis in außerordentlich großer Zahl und Mannigfaltigkeit vor. Soweit es sich dabei um Maßnahmen im internen Dienstbetrieb handelt (ζ. B. Akten- und Kassenführung, Vorbereitung von Entscheidungen), können sie aus der weiteren Betrachtung ausgeschieden werden. Dagegen verdienen Realakte im Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürger größere Aufmerksamkeit, als ihnen gewöhnlich zuteil wird. In bezug auf Maßnahmen dieser Art bietet es sich an, typologisch zwischen Wissenserklärungen und technischen und sonstigen Verrichtungen zu unterscheiden1. Zu den Wissenserklärungen gehören ζ. B. Auskünfte2, Berichte und Gutachten sowie die sog. Öffentlichkeitsarbeit der Verwaltung. Verrichtungen stellen etwa Errichtung und Unterhaltung von öffendichen Verkehrswegen, Versorgungseinrichtungen und Verwaltungsgebäuden, Erteilung von Unterricht, Krankenbehandlung und Dienstfahrten dar. Es ist offensichdich, daß den genannten und einer Fülle weiterer tatsächlicher Verrichtungen im Zeichen der sozialstaatlich motivierten und legitimierten Leistungsverwaltung ständig zunehmende Bedeutung zukommt. 18
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Vgl. etwa §§ 18 Abs. 2 N W G O ; 18 Abs. 1 SHGO; 14 Abs. 2 RhPfGO; 22 Abs. 1 NdsGemO. Vgl. etwa Rüfner (Fn. 1) S. 383f.; so schon F. F. Mayer, Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862 S. 13. Vgl. aber auch die Einteilungen bei Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1975 S. 87; Wolff/Bachof, VwR I, § 4 5 IIa; Stern, B.ayVBl. 1955, 44ff. und 86ff. Nicht gefolgt werden kann BVerwGE 31, 301, 306f., das in der Entscheidung über Erteilung oder Versagung der Auskunft über einen Informanten und seine Mitteilung wegen der dabei anzustellenden Ermessenserwägungen einen Verwaltungsakt sieht. 261
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§34
Rechtliche Einordnung Ebenso wie Rechtshandlungen der Verwaltungsträger bedürfen auch deren Tathandlungen der Zuordnung entweder zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht. Ihre Qualifikationsbedürftigkeit ergibt sich aus mehreren Gründen. Einmal entscheidet die rechtliche Einordnung darüber, welche Ansprüche demjenigen zustehen, der durch einen Verwaltungs-Realakt nachteilig betroffen wird. Ist die schadenstiftende Maßnahme als Hoheitsakt zu qualifizieren, kommen Ansprüche aus Amtshaftung nach Art. 34 GG iVm § 839 BGB oder aus enteignendem bzw. enteignungsgleichem Eingriff in Betracht. Erscheint die Maßnahme dagegen als Privatrechtsakt, kann Schadensersatz oder Entschädigung allein auf der Grundlage privatrechtlicher Vorschriften verlangt werden (§ 823 iVm § § 3 1 , 89 oder 831 BGB; § 9 0 6 Abs. 2 S. 2 BGB). Zum anderen stellt sich die Qualifikationsfrage dort, wo Ansprüche auf Vornahme oder Abwehr (Beseitigung und Unterlassung) von Verwaltungs-Realakten geltend gemacht werden. Wenn die begehrte oder abzuwehrende Handlung nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist, löst die gerichtliche Geltendmachung eines Leistungs- oder Abwehranspruchs eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art aus, die mangels besonderer gesetzlicher Zuweisung gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 V w G O im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgen ist 1 . Klageart ist die allgemeine Leistungsklage, gegebenenfalls in ihrer besonderen Ausformung als Unterlassungsklage. Die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO scheidet aus, da mit ihr nur die Verurteilung zum Erlaß einer Amtshandlung begehrt werden kann, die ein Verwaltungsakt ist 2 . Seine materiellrechtliche Grundlage hat der negatorische Rechtsschutz gegen hoheitliche Realakte in einem besonderen öffentlich-rechtlichen (Folgen-) Beseitigungsanspruch, den Lehre und Rechtsprechung nach dem Vorbild des § 1004 Abs. 1 BGB und verwandter Bestimmungen mit freilich variierenden Begründungen aus dem Grundgesetz abgeleitet haben 3 . Gegenüber privatrechtlichen Verwaltungs-Realakten ist auf Grund privatrechtlicher Vorschriften (z. B. §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1, 12 BGB) Rechtsschutz im ordentlichen Rechtsweg zu suchen, da es sich hierbei um bürgerlichrechtliche Streitigkeiten im Sinne des § 13 GVG handelt. Ein Verwaltungs-Realakt ist dann als öffentlich-rechtliche Maßnahme zu qualifizieren, wenn die Aufgabe, deren Erfüllung er dient, öffentlich-rechtlich geordnet 1
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Vgl. z.B. BGHZ 34, 99, 108f.; BVerwG DVB1. 1971, 858 mit Anmerkung Rupp, DVB1. 1972, 232 = DÖV 1971, 857 mit Anmerkung Bachof; dazu Erichsen, VerwArch. 63 (1972), 217ff.; Hoffmann-Becking, JuS 1972, 509ff.; BVerwG DÖV 1974, 132; BGH NJW 1976, 570; ausführlich zum Ganzen W. Martens, Negatorischer Rechtsschutz im öffentlichen Recht, 1973 S. 12ff. BVerwGE 31, 301, 303 ff. Vgl. BVerwG DVBl. 1971, 858 und unten § 53 V.
Das Verwaltungshandeln
§35
ist. Das wiederum hängt davon ab, ob die Verwaltung sich bei der Aufgabenerledigung der besonderen Rechtssätze des nur für und gegen sie geltenden öffentlichen Rechts oder der für und gegen jedermann geltenden Rechtssätze der Privatrechtsordnung bedient 4 . Allein diese Sonderrechts- oder modifizierte Subjektstheorie5 erlaubt sachgerechte Lösungen bei der Qualifikation von VerwaltungsRealakten, denen gegenüber die traditionelle Subjektionstheorie sich immer schon in Verlegenheit befunden hat 6 . §35
Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit Unter welchen Voraussetzungen hoheitliche Verwaltungs-Realakte rechtmäßig sind oder aber zu einer rechtswidrigen Rechtsbeeinträchtigung des Bürgers führen, läßt sich angesichts der Menge und Vielgestaltigkeit ihrer Erscheinungen nicht in einer einprägsamen allgemeingültigen Formel zum Ausdruck bringen. Gewiß unterliegt auch der Realakt dem Vorrang des Gesetzes und darüber hinaus dort dem Vorbehalt des Gesetzes, wo er als gezielter Eingriff in die Individualrechtssphäre auftritt. Im übrigen muß jedoch im Wege differenzierender Betrachtung versucht werden, Maßstäbe zu entwickeln, die der Eigenart der jeweiligen Maßnahme gerecht werden: So sind etwa Persönlichkeitsbeeinträchtigungen nur rechtmäßig, wenn sie dem Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit entsprechen 1 . Enthalten Auskünfte Angaben tatsächlicher Art, müssen diese richtig sein 2 . Mitglieder öffentlich-rechtlicher Verbände, die auf dem Prinzip der Zwangsmitgliedschaft beruhen, haben einen Anspruch darauf, daß die Organe des Verbandes Erklärungen außerhalb seines Aufgabenbereichs unterlassen 3 . Nimmt die 4
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2 3
W.Martens (Fn. 1); B G H Z 41, 264, 266f.; B G H J R 1972 , 256 mit Anmerkung W. Martens. Vgl. oben § 2 II 1. Beispiele für hoheitliche Realakte: Herausgabe von Berichten des Luftfahrt-Bundesamtes (BVerwGE 14, 323); Bau und Ausbau öffentlicher Straßen als Gegenstand der Erschließungslast (BVerwG DVB1. 1971, 858) oder der Straßenbaulast ( B G H J R 1972, 256) — zur Frage, ob das auch bei Einschaltung eines privaten Bauunternehmers gilt, vgl. Erichsen, VerwArch. 63 (1972), 218; Schwabe, DVB1. 1973, 105f.; Ossenbübl, JuS 1973, 421; Betrieb einer gemeindlichen Kanalisation ( B G H DVB1. 1970, 273) und einer Kläranlage (BVerwG D Ö V 1974, 132); Informationsfahrten der Bundesbahn für Journalisten (BVerwGE 47, 247). Umstritten ist die Einordnung der Sendetätigkeit der Rundfunkanstalten, soweit es um den Programminhalt geht; vgl. dazu W. Martens (Fn. 1) S. 17ff. m. w. N . ; B G H Z 66, 182; Bettermann, N J W 1977, 513ff. BVerfGE 30, 1, 20ff.; BVerwGE 23, 223; 26, 169; O V G Münster NJW 1972, 2147; V G H Mannheim N J W 1973, 1663. BayVGH DVB1. 1965, 447; O V G Münster DVB1. 1967, 51. BVerwGE 34, 69; O V G Hamburg NJW 1972, 71; V G H Mannheim NJW 1976, 570; O V G Hamburg DVB1. 1977, 642. 263
§35
Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens
Verwaltung zum Zwecke eines Straßenbaus privates Grundeigentum in Anspruch, so bedarf es dazu der Enteignung bzw. vorläufigen Besitzeinweisung oder der Zustimmung des Eigentümers4. Noch weitgehend ungeklärt ist die Rechtslage in Ansehung hoheitlich bewirkter Immissionen 5 . Zur Frage ihrer Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit haben sich in der Praxis bisher vor allem die ordentlichen Gerichte geäußert, und zwar aus Anlaß von Rechtsstreitigkeiten, deren Gegenstand Entschädigungsansprüche wegen Immissionen im Rahmen hoheitlicher Verwaltungstätigkeit waren. Die zivilgerichtliche Rechtsprechung unterstellt die nachbarrechtlichen Beziehungen zwischen Verwaltung und Bürger grundsätzlich den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts und damit auch dem Maßstab des § 906 BGB 6 . Daraus folgt dann, daß der Betroffene die Einwirkungen insoweit nicht verbieten kann, als sie die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen (§ 906 Abs. 1 BGB). Eine Duldungspflicht besteht auch insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind (§906 Abs. 2 S. 1 BGB). Darüber hinaus kann der Betroffene kraft öffentlichen Rechts verpflichtet sein, auc!- oolche Beeinträchtigungen zu dulden, die er nach § 906 BGB nicht hinzunehmen brauchte. Dieser Judikatur ist zuzustimmen, soweit sie die Möglichkeit öffentlich-rechtlich begründeter gesteigerter Duldungspflichten anerkennt. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß sich so begründete Pflichten nicht etwa schon mit einem dem privaten Interesse gegenüber höherrangigen ungeschriebenen öffentlichen Interesse an der immittierenden Verwaltungstätigkeit rechtfertigen lassen7. Zu einer in dem bezeichneten Sinn gesteigerten Duldung kann der Betroffene vielmehr gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nur auf der Grundlage von Rechtsvorschriften verpflichtet sein8. Zweifelhaft erscheint, ob der zivilgerichtlichen Rechtsprechung auch darin gefolgt werden kann, daß die Kriterien für die Duldungspflicht des betroffenen Grundeigentümers primär und grundsätzlich dem § 906 BGB zu entnehmen seien und daher ein Abwehranspruch bei unwesentlicher (§ 906 Abs. 1 4
BVerwG DVB1. 1971, 858.
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Vgl. § 906 BGB . . . Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen . . . B G H Z 54, 384, 387; B G H NJW 1973, 326; DVB1. 1976, 774; ebenso Leisner, N J W 1975, 233 ff. ; differenzierend Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 1977 S. 144 ff. Das wird nicht selten verkannt. Irrig ist insbesondere die mit der Anerkennung eines im Verwaltungsrechtsweg verfolgbaren öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs überholte Auffassung, gegenüber Immissionen von hoher Hand sei die actio negatoria grundsätzlich versagt und der Betroffene zur Duldung verpflichtet. In diesem Sinne ζ. B. B G H N J W 1963, 2020; B G H Z 48, 98, 104; zutreffend dagegen B G H Z 54, 384, 387f. sowie B G H N J W 1976, 416. Näher dazu W. Martens, Hamburger Festschrift für Friedrich Schack 1966 S. 85, 91 ff. ; Papier, N J W 1974, 1797ff.
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Das Verwaltungshandeln
§35
BGB) und bei zwar wesentlicher, aber ortsüblicher und unvermeidbarer Beeinträchtigung (§ 906 Abs. 2 S. 1 BGB) ausscheide. Es ist nämlich zu berücksichtigen, daß das bürgerliche Nachbarrecht die Kollision privater Nutzungen und Interessen regelt. Die Anwendung seiner Vorschriften auf hoheitlich bewirkte Immissionen läuft deshalb darauf hinaus, öffentlich-rechtliches, am Allgemeinwohl orientiertes Handeln nach privatrechtlichen Vorstellungen zu beurteilen, die für das hier in Rede stehende Bürger-Staat-Verhältnis kaum sachgerechte Lösungen gewährleisten dürften. Der Rückgriff auf das bürgerliche Nachbarrecht sollte daher vermieden und an seiner Stelle als Maßstab zur Beurteilung der von hoheitlich betriebenen Verwaltungseinrichtungen ausgehenden Immissionen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot herangezogen werden 9 .
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W. Martens Rn. 139.
(Fn. 8) S. 94ff.; zustimmend Bender,
Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1974,
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VIERTER TEIL
Das Verwaltungsverfahren von Peter Badura
§36 Rechtsquellen und Literatur I. Rechtsquellen Eine umfassende gesetzliche Regelung des Verwaltungsverfahrens vor allen Behörden des Bundes und der Länder ist durch die bundesstaatliche Verteilung der staatlichen Aufgaben und Befugnisse ausgeschlossen. Durch Bundesgesetz kann das Verwaltungsverfahren der bundeseigenen Verwaltung und der bundesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie das Verwaltungsverfahren der Behörden der Länder geregelt werden, soweit diese Bundesrecht im Auftrage des Bundes ausführen (Art. 85 Abs. 1 GG). Durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates kann das Verwaltungsverfahren vor den Landesbehörden und den Behörden der rechtsfähigen Verwaltungsträger des Landesrechts geregelt werden, soweit dieses Bundesrecht unter Aufsicht des Bundes als eigene Angelegenheit ausführen (Art. 84 Abs. 1 GG). Das gleiche gilt für das von Landesfinanzbehörden und von den kommunalen Gebietskörperschaften, soweit diese die ihnen allein zufließenden Steuern verwalten, anzuwendende Verfahren (Art. 108 Abs. 5 Satz2GG). Das Verwaltungsverfahren beim landeseigenen Vollzug von Landesrecht fällt in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Nur für das Widerspruchsverfahren besteht eine einheitliche bundesrechtliche Regelung (§§ 68 ff. VwGO). Im Hinblich auf dessen Eigenschaft als verwaltungsgerichtliches Vorverfahren kann sich der Bund hier auf eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs berufen (Art. 74 Nr. 1 GG). Allgemeine Gesetze über das Verwaltungsverfahren sind das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1253) und die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. Die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts; sie gelten für diese Behörden auch dann, wenn sie Bundesrecht ausführen (§ 1 III VwVfG). Das 267
§36 I
Peter Badura
VwVfG gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffendichen Rechts. Auf die Verwaltungstätigkeit der Länder bei der Ausführung von Bundesrecht ist das VwVfG nur subsidiär anwendbar, nämlich wenn diese nicht durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes geregelt ist (§ 1 III VwVfG). Auf den Landesvollzug unter Bundesaufsicht ist das VwVfG bei Gesetzen, die nach seinem Inkraftreten erlassen werden, in jedem Fall nur anwendbar, wenn das durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz vorgesehen wird (Art. 84 I GG, § 1 II 2 VwVfG). Sachlich wird der Anwendungbereich des VwVfG und der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder, soweit nicht überhaupt eine Ausnahme nach § 2 VwVfG oder nach den entsprechenden Ausnahmevorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder vorliegt, danach bestimmt, daß öffentlich-rechdiche Verwaltungstätigkeit im Wege eines Verwaltungsverfahrens (§ 9 VwVfG) ausgeübt wird. Außerdem treten das VwVfG und die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder zurück hinter bundesrechtliche bzw. landesrechtliche Vorschriften, die inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten (§ I I , II 1 VwVfG und die entsprechenden Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder). Insgesamt sind die Regelungen über den Anwendungsbereich (§§ 1, 2 VwVfG) kompliziert und der Ausdruck einer breiten Einbuße an äußerlicher und sachlicher Einheitlichkeit des Verwaltungsverfahrensrechts. Der Sicherung der Rechtseinheit dient es immerhin, daß Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder, die ihrem Wortlaut nach mit dem VwVfG übereinstimmen, revisibel sind (§ 1371 Nr. 2 VwGO). Die seither erlassenen Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder erfüllen diese Voraussetzung durchweg. Im Bereich des Landesrechts war die jüngste und umfassendste Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts vor dem Inkraftreten des VwVfG im Rahmen des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz) vom 18. April 1967 (GVOB1. S. 131) erfolgt. Eine Anpassung dieses Gesetzes an das VwVfG steht bevor. Auch das Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung (Verwaltungsverfahrensgesetz) vom 2. Oktober 1958 (GVB1. S. 951) hatte einen kodifikatorischen Charakter, während das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Bremen vom 11. April 1934 in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. April 1960 (GBl. S. 37), das Landesverwaltungsgesetz des Landes Baden-Württemberg vom 7. November 1955 (GBl. S. 225) und das Erste Gesetz zur Neuordnung und Vereinfachung der Verwaltung (Erstes Vereinfachungsgesetz) des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Juli 1957 (GVBl. S. 189) nur begrenzte Bereiche des Verwaltungsverfahrensrechts erfaßten. Seit dem Erlaß des VwVfG sind folgende Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder ergangen: Bremisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BremVwVfG) vom 15. 11. 1976 (GBl. S. 243), Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HVwVfG) vom 1. 12. 1976 (GVBl. S. 454), 268
Das Verwaltungsverfahren
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I
Vorläufiges Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Niedersachsen (Nds. VwVfG) vom 3. 12. 1976 (GVB1. S. 311), Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung vom 8. 12. 1976 (GVB1. S. 2735), Gesetz N r . 1056, Saarländisches Verwaltungsverfahrensgesetz (SVwVfG) vom 15. 12. 1976 (ABl. S. 1151), Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG. NW.) vom 21. 12. 1976 (GVB1. S. 438), Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) vom 23. 12. 1976 (GVBl. S. 544), Landesgesetz über das Verwaltungsverfahren in Rheinland-Pfalz (Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG) vom 23. 12. 1976 (GVBl. S. 308), Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg (Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG) vom 21. 6. 1977 (GBl. S. 227), Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz (HmbVwVfG) vom 9. 11. 1977 (GVBl. S. 333). Die Verwaltungsverfahrensgesetze von Niedersachsen, Berlin und Rheinland-Pfalz stellen die in einigen Punkten angepaßte Übernahme des VwVfG dar, während die Gesetze der anderen Länder eine integrale, mit dem VwVfG wortgleiche Regelung des Verwaltungsverfahrensrechts geben. Neben dem VwVfG und neben den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder fortgeltende Einzelregelungen im Bereich des Verwaltungsverfahrensrechts sind in erheblichem Maße zu verzeichnen. Außerhalb des VwVfG sind einzelne Verfahrensabschnitte durch das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) vom 3. Juli 1952 (BGBl. III 201—3) und das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) vom 27. April 1953 (BGBl. III 201 —4) geregelt. Auch für einzelne Verwaltungszweige ist eine gesetzliche Regelung des Verwaltungsverfahrens erfolgt, so ζ. B. in der Abgabenordnung vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 613), im Sozialgesetzbuch — Allgemeiner Teil — vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015) und im Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung vom 6. Mai 1976 (BGBl. I S. 1169). Darüber hinaus finden sich verfahrensrechtliche Bestimmungen in zahlreichen Einzelgesetzen, z . B . im Baurecht (bes. §§ 104ff., 148ff. BBauG), im Wasserrecht (bes. § 9 W H G ) , im Sozialhilferecht (§§ 114ff. BSHG), im Fremdenrecht (§§20 ff. AuslG). Wie das Bundesrecht enthalten auch die Landesrechte zusammenhängende Regelungen einzelner Bereiche des Verwaltungsverfahrensrechts, vor allem des Verfahrens der Verwaltungsvollstreckung, ζ. B. das Bayerische Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. November 1970 (GVBl. 1971 S. 1), sowie verfahrensrechtliche Vorschriften in zahlreichen Einzelgesetzen. Verfahrensrechtliche Regelungen finden sich in großem Umfang in Verwaltungsvorschriften, besonders in Dienstordnungen und Durchführungsbestimmungen.
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§ 3 6
II
Peter Badura
II. Das Kodifikationsproblem Die Begründung des wissenschaftlichen Verwaltungsrechts folgte der Leitidee, das Handeln der Exekutive dem Prinzip des Rechtsstaates zu unterwerfen. Sie beruhte auf dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Gedanken der Justizförmigkeit der Verwaltung", dessen kennzeichnender Ausdruck das Institut des Verwaltungsaktes ist, die rechtlich geordnete administrative Entscheidung über einen Einzelfall 1 . Die hier wirksame Parallele zum gerichtlichen Urteil hatte nicht die prozeßrechtliche Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens vor Augen, sondern den rechtsgebundenen und verselbständigten Ausspruch über das, was im Einzelfall rechtens sei, als Voraussetzung und Grundlage der Durchsetzung des materiellen Rechts 2 . Auf diese ausschlaggebende Einsicht folgte erst einige Zeit später der zweite Schritt der Entdeckung und Ausformung eines spezifischen „Verwaltungsverfahrens"3. Ein Meilenstein dieser Entwicklung ist das österreichische Bundesgesetz vom 21. Juli 1925, BGBl. Nr. 274, über das allgemeine Verwaltungsverfahren (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz). In Deutschland blieb bis weit über das Ende des 2. Weltkrieges hinaus das Ziel vorherrschend, die rechtsstaatliche Basis des Verwaltungshandelns durch die Verdeutlichung und Fortbildung der Grundsätze des Allgemeinen Verwaltungsrechts zu verbreitern und zu vertiefen 4 , vornehmlich in der Lehre vom Verwaltungsakt. Die Landesverwaltungsordnung für Thüringen vom 10. Juni 1926 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Juli 1930 (GS S. 123), vor allem aber der Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg und dessen Anhang, der Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes für Württemberg 5 , zeigen jedoch, daß die Vorstellung eines Verwaltungsverfahrensrechts im größeren Zusammenhang des Allgemeinen Verwaltungsrechts Fuß zu fassen begann. Das wesentliche Problem einer Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts6 besteht darin, daß die Exekutive bei ihren Entscheidungen über die Rechte und Pflichten der Verwaltungsunterworfenen regelmäßig eigene Aufgaben und Befugnisse wahrnimmt, typischerweise also nicht als neutraler Dritter über einen Streit 1 2 3
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Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Erster Band, 1895, § 5. Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, S. 242 f. A. Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1927, § 15; R. Hermritt, Das Verwaltungsverfahren, 1932. Badura, in: Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bayer. Verfassungsgerichtshofs, 1972, S. 157, 169f. Herausgegeben von der Kommission für die Landesordnung des Allgemeinen öffentlichen Rechts, 1931, Ergänzungsband 1936. Bettermann, W D S t R L 17 (1959), 118, 141ff.; Kniesch, N J W 1960, 1 6 9 6 ; Koehler, D Ö V 1960, 6 1 2 ; Peters, N J W 1960, 1698; Rietdorf, D Ö V 1960, 6 1 4 ; Empfiehlt es sich, den Allgemeinen Teil des Verwaltungsrechts zu kodifizieren? Gutachten von Spanner und Werner, Referate von von der Groeben und Weber, 43. D J T , 1960, Bd. 1 / 2 und II D ; Baring, DVB1. 1965, 180; Forsthoff, V w R , S. 162ff.
Das Verwaltungsverfahren
§36
II
von Parteien befindet. Dieser prinzipielle Umstand hat seinen Grund in der verfassungsrechtlich vorgegebenen Scheidung der Vollziehung und der Rechtsprechung. Er ist die Ursache dafür, daß die das Verwaltungshandeln bestimmenden Rechtssätze sich nur in begrenztem Umfang in solche des „formellen" und des „materiellen" Rechts aufteilen lassen; denn diese Unterscheidung ist durch die Eigenart der richterlichen Spruchtätigkeit bedingt. Eine auf reine Verfahrensregeln beschränkte Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrecht würde dementsprechend nicht weit führen 7 , so daß sich die maßgebliche praktische Frage so stellt, in welchem Ausmaß die materiellrechtlichen Grundsätze des Verwaltungshandelns in eine Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts einbezogen werden müssen, um zu einer sinnvollen und wirksamen Regelung zu gelangen. Auf der anderen Seite müssen die speziellen Verfahrensregeln einzelner Verwaltungszweige in ihrem Zusammenhang mit dem jeweiligen materiellen Verwaltungsrecht belassen werden 8 . U m den Erfolg kodifikatorischer Bestrebungen zu sichern, genügt es somit nicht, das Verwaltungshandeln unter einem verfahrensrechtlichen Blickwinkel zu erfassen und die als Verfahrensregeln definierbaren Grundsätze im Rahmen des Allgemeinen Verwaltungsrechts herauszuheben. Es muß darüber hinaus gelingen, die Komplexität derjenigen Institute und Grundsätze des Allgemeinen Verwaltungsrechts, die zugleich eine Verfahrens- und materiellrechtliche Funktion haben, zu durchdringen, wie z . B . die Bestandskraft von Verwaltungsakten, und den kodifikatorischen Regelungsbereich befriedigend abzustecken. Sobald sich in dieser Kernfrage Lösungen abzeichneten, mußten die großen rechtsstaatlichen und verwaltungspraktischen Vorteile einer zusammenfassenden Regelung des Verwaltungsverfahrensrechts 9 dem Kodifikationsgedanken zum Durchbruch verhelfen. Diese Lage war 1960 eingetreten. Hatten auf der Wiener Staatsrechtslehrertagung von 1958 die skeptischen Stimmen noch einen deutlichen Widerhall 1 0 , so brachte der 43. Deutsche Juristentag in München von 1960 ein klares Votum für eine einheitliche Regelung des Verwaltungsverfahrens unter Einbeziehung „konnexer Materien des Allgemeinen Verwaltungsrechts" 1 1 . Zu dieser Entwicklung hatten nicht zuletzt das Berliner Verwaltungsverfahrensgesetz von 1958 und der Bericht der Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung beim Bundesministerium des Innern von 1960 beigetragen.
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Von der Groeben (Fn. 6) D 18 ff. Bettermann, (Fn. 6) S. 143. Zu diesen Vorteilen des Näheren: Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (EVwVfG 1963), 1964, 2. Auflage 1968, S. 59ff.; Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), Bundestag Drucks. 7/910, Begründung I Tzn. 5 und 6. Bettermann/Melichar, Das Verwaltungsverfahren, Referate und Diskussion, WDStRL 17 (1959), 118 ff. Empfiehlt es sich, den Allgemeinen Teil des Verwaltungsrechts zu kodifizieren? Gutachten von Spanner und Werner, Referate von von der Groeben und Weber, Diskussion, 43. DJT, I960, Bd. 1/2 und II D. 271
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Neben dem durch die Eigenart des Verwaltungshandelns hervorgerufenen kodifikatorischen Grundproblem des Verwaltungsverfahrens muß der Gesetzgeber noch einer Reihe weiterer Erfordernisse und Gesichtspunkte Rechnung tragen. Dazu gehören besonders zwei Fragenkreise. Die praktischen Bedürfnisse der Verwaltungstätigkeit, von Verwaltungszweig zu Verwaltungszweig verschieden, ermöglichen nur eine begrenzte Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrensrechts und widerstreben in vielen Bereichen einer „Prozessualisierung" des Verwaltungshandelns überhaupt. Daraus erklärt sich die zentrale Stellung des Grundsatzes der Nichtförmlichkeit des Verwaltungs Verfahrens. Die verfahrensmäßige Ausgestaltung der Verwaltungstätigkeit gewinnt dort ein vordringliches Gewicht, wo die Exekutive leistend oder erlaubend individuelle Rechte zuweist oder feststellt, vor allem wenn Rechte Dritter berührt werden können, und wo sie öffendiche und private Interessen in einer Planungsentscheidung abwägend zum Ausgleich zu bringen hat. Außerdem sind seit je her mit gutem Grund die Verwaltungsvollstreckung und die Enteignung verfahrensrechtlich formalisiert. Das Ausmaß der Prozessualisierung der Verwaltungstätigkeit steht in einem gewissen Zusammenhang mit den bestehenden Möglichkeiten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes12. Der nach dem Kriege eingerichtete umfassende Rechtsschutz durch eine dreistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit hat einen intensiven Ausbau des Verwaltungsverfahrensrechts nicht so vordringlich erscheinen lassen. Andererseits sehen viele Befürworter einer Vereinfachung und Beschleunigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine kompensatorische Möglichkeit in einer stärkeren Prozessualisierung des Verwaltungs Verfahrens. Der hohe Standard des österreichischen Verwaltungsverfahrenrechts korrespondiert offenkundig dem Umstand, daß in Österreich Verwaltungsstreitigkeiten in erster und letzter Instanz durch den nur eine Rechtskontrolle ausübenden Verwaltungsgerichtshof entschieden werden 1 3 . Ein so weitgehender kompensatorischer Ausbau des Verwaltungsverfahrens stößt an die verfassungsrechtliche Garantie des Art. 19 Abs. 4 G G , die das Vorhandensein jedenfalls einer verwaltungsgerichtlichen Tatsacheninstanz gewährleistet 14 . Angesichts der bundesstaatlichen Kompetenzordnung müssen bei einer Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts, die nur durch mehrere Gestzgebungsakte des Bundes und der Länder erfolgen kann (dazu oben unter § 36,1), besondere Vorkehrungen im Interesse der Rechtseinheit getroffen werden. In dem Beschluß des 43. Deutschen Juristentages ist dieser Punkt zu Recht an die Spitze gestellt worden 1 5 . Eine Rechtszersplitterung müßte sich vor allem bei den Behörden nach12
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Hans]. Wolff, VwR III, § 156 Ia; Haueisen, DVB1. 1962, 881; den., DVBl. 1966, 733; C. H. Ule, VerwArch. 62 (1971), 114; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 178ff.; Schwarze, Der funktionale Zusammenhang von Verwaltungsverfahrensrecht und verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz, 1974. Melichar, (Fn. 10) S. 183ff.; Spanner, in: Ule (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, 1967, Bd. I, S. 413 ff. Bettermann, AöR 96, 1971, S. 528, 550. Verh. des 43. DJT, 1960, Bd. IID 143.
Das Verwaltungsverfahren
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III
teilig auswirken, die zugleich Landesrecht und, gem. Art. 84 G G , Bundesrecht auszuführen haben. Der in der Kodifikationsfrage beschrittene Weg eines Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Ausarbeitung eines Modellgesetzentwurfs war geeignet, die Wahrung der Rechtseinheit sicherzustellen.
III. Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) Der am 17. März 1964 veröffentlichte „Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (EVwVerfG 1963)" war aus der Arbeit eines Bund-Länder-Ausschusses hervorgegangen, der sich aus Angehörigen des Bundesinnenministeriums und der Länderinnenministerien zusammensetzte 16 . Die konstituierende Sitzung des Ausschusses hatte am 13. Dezember 1960 stattgefunden. Zur unmittelbaren Vorgeschichte des Musterentwurfs gehören der Bericht des von der Konferenz der Innenminister und Senatoren für Inneres eingesetzten Unterausschusses zur Erarbeitung von Grundsätzen für ein allgemeines Verfahrensgesetz von 1957 und der Bericht der Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung beim Bundesministerium des Innern von I960 17 . Der Musterentwurf verstand sich als Modell für ein Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder; einzelne Bestimmungen wurden deshalb in einer Bundesfassung und in einer Länderfassung vorgeschlagen. Der Musterentwurf wollte, wie in der Begründung näher dargelegt ist 18 , das materielle Verwaltungsrecht nur ausnahmsweise einbeziehen, nämlich soweit es sich um „annexe Materien" handelt, und hat deswegen einige „Grenzgebiete" zwischen dem Verfahrensrecht und dem materiellen Verwaltungsrecht aufgenommen, so vor allem Vorschriften über Begriff, Nebenbestimmungen und Bestandskraft des Verwaltungsaktes und eine Regelung des öffentlich-rechtlichen Vertrages. Gerade diese Bestimmungen haben in der sehr lebhaften wissenschaftlichen Auseinandersetzung, die nach der Veröffentlichung des Musterentwurfs einsetzte 19 , neben der Ausgestaltung des Rechts auf Gehör und der Akteneinsicht eine besonders kontroverse Behandlung erfahren.
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Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (EVwVfG 1963), hrsg. vom Bundesminister des Innern, Grote 1964. Zur Vorgeschichte siehe Musterentwurf (Fn. 16) S. 53 ff. Musterentwurf (Fn. 16) S. 71 ff. Die folgenden Angaben sind eine Auswahl der zusammenfassenden Würdigungen des Musterentwurfs. Ule/Becker, Verwaltungsverfahren im Rechtsstaat, 1964; Koehler, MDR 1964, 274; Kratzer, BayVerwBI. 1964, 273; ders., BayVerwBl. 1965, 15 ; Rietdorf, DVBl. 1964, 293, 333; Schmitt-Lermann, JZ 1964, 402; Spanner, DVBl. 1964, 845; Thomas, D Ö V 1964, 361; Feneberg, DVBl. 1965, 177, 222; Ossenbühl, Staats- und Kommunalverwaltung 1966, 297; Ule (Hrsg.), Zum Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes. Ergebnisse eines Planspiels, 1966; ders., Verwaltungsreform als Verfassungsvollzug, in: 273
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Der Bund-Länder-Ausschuß hat unter Berücksichtigung der Äußerungen zu dem Musterentwurf und aufgrund einer Konferenz mit Vertretern der Bundesministeriums des Innern in München im März 1966, die den Referentenentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes zum Gegenstand hatte, eine überarbeitete „Münchener Fassung" des Musterentwurfs veröffentlicht 20 . Die erste gesetzgeberische Verwirklichung des Musterentwurfs erfolgte, im Rahmen einer Gesamtkodifikation der Verwaltungsorganisation und des Verwaltungshandelns, in Schleswig-Holstein. Die Regelung des Verwaltungsverfahrens in dem Allgemeinen Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG) vom 18. April 1967 (GVOB1. S. 131) folgt fast durchweg der Münchener Fassung des Musterentwurfs (§§32—36, 74—145 LVwG) 2 1 . Im Herbst 1970 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) im Bundestag eingebracht (Bundestag Drucks. VI/1173). Dieser Gesetzentwurf, der bis zum Ende der 6. Wahlperiode nicht abschließend beraten wurde, hatte die Münchener Fassung des Musterentwurfs zur Grundlage 22 . In einer etwas veränderten Form ist dieser Gesetzentwurf im Sommer 1973 erneut eingebracht worden (Bundestag Drucks. 7/910). Von diesen Änderungen 23 sind die Umgestaltung der bisherigen Ermessensvorschriften bei der Anhörung Beteiligter und der Akteneinsicht in grundsätzliche Anspruchsvorschriften (§§ 24, 25 E VwVfG 1973) sowie die neueingeführten Regelungen des Rechtsinstituts der Zusicherung von Verwaltungsakten (§ 34 EVwVfG 1973), des Ermessens ( § 3 6 EVwVfG 1973) und des Wiederaufgreifens des Verwaltungsverfahrens (§ 47 EVwVfG 1973) hervorzuheben. Die vom Bundestag in erster Lesung am 13. September 1973 behandelte Vorlage wurde an den Innenausschuß und an den Rechtsausschuß überwiesen. Die Ausschußberatungen dauerten bis Ende 1975 24 . Unter den zahlreichen Änderungen, die in die Ausschußfassung des Entwurfs Eingang fanden, sind besonders die auf Anregungen des Bundesrates zurückgehenden Regelungen für „Massenverfahren" bemerkenswert (§§ 17ff., 69 II, 73 V 2 Nr. 4 und VI, 74 V VwVfG). Gegenüber dem im Januar 1976 vom Bundestag beschlossenen Gesetz rief der Bundesrat den
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Recht im Wandel, 1966, S. 53; Becker/König, in: Ule (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, 1967, Bd. I S. 1, 71 ££. ; Sendler, AöR 94 (1969), 130. Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (EVwVfG 1963), 2. Auflage, mit Anhang „Münchener Fassung", Grote 1968. - Ule/Sellmann, DVB1. 1967, 837. Von der Groeben/Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land SchleswigHolstein (Landesverwaltungsgesetz), 1968ff. — Erichsen, SHAnz. 1966, 121 (dazu Knack, SHAnz. 1966, 130); ders., SHAnz. 1966, 197; von der Groeben, DVB1. 1966, 289; Hoffmann-Fölkersamb, SHAnz. 1966, 157; Scheerbarth, DVB1. 1966, 780; Ule/Sellmann, DVBl. 67, 837; Brintzinger, D Ö V 1968, 16. Spanner, JZ 1970, 671. Vgl. die Zusammenstellung in der Begründung, BT-Drucks. 7/910, Tz 7. — Redeker, DVBl. 1973 , 744. Bericht und Antrag des federführenden Innenausschusses: Bundestag Drucks. 7/4494.
Das Verwaltungsverfahren
§36
IV, V
Vermittlungsausschuß an, dessen A n t r a g 2 5 schließlich den W e g zur endgültigen Verabschiedung des Gesetzes ebnete 2 6 .
IV. Ausland Die Rechtsvergleichung findet im Bereich des Verwaltungsverfahrensrechts ein reiches F e l d 2 7 . F ü r die deutsche Entwicklung hat das österreichische Bundesgesetz über das allgemeine Verwaltungsverfahren ( A V G ) vom 21. Juli 1925 in der Fassung der Kundmachung v o m 2 3 . Mai 1950 ( B G B l . N r . 1 7 2 ) 2 8 eine hervorragende Bedeutung erlangt. Besondere Aufmerksamkeit verdienen auch der amerikanische Administrative Procedure Act ( A P A ) v o m 11. Juni 1946 (60 Stat. 2 3 7 , 1946, 5 U . S . A . C . § 1 0 0 1 ) 2 9 und das Schweizerische Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom 2 0 . Dezember 1968 (AS 1 9 6 9 7 3 7 ) 3 0 .
V. Literatur Bettermann/Melkbar, Das Verwaltungsverfahren, W D S t R L Heft 17, 1959, S. 118, 183. Becker, Das allgemeine Verwaltungsverfahren in Theorie und Gesetzgebung, 1960. Rasch/Patzig, Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren, 1962. Becker/König, Allgemeine Einführung, in: C. H. Ule (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, 1967, Bd. I, S. 1. Hans]. Wolff, Verwaltungsrecht III, 3. Auflage, 1973, §§ 1 5 6 - 1 6 1 . 25
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Bundestag Drucks. 7/4908. Dem Vermitdungsverfahren entstammt hauptsächlich der Vorbehalt in § 1 III VwVfG, sowie die damit verbundene Änderung des § 137 I V w G O (§ 97 Nr. 3 VwVfG). Zusammenfassende Darstellungen des VwVfG: R. Baumann und H. Schleicher, D Ö V 1976, 475, 550; V.Götz, NJW 1976, 1425; H.Maurer, JuS 1976, 485; C.H. Ule, DVB1. 1976, 421. — Bes. kritisch die Würdigung von W.Schmitt Glaeser, in: ders., Hrsg., Verwaltungsverfahren, 1977, S. Iff. Ule (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetze des Auslandes, 2 Bde., 1967; Baring, D Ö V 1968, 28; Becker, R O W 1969, 49. Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen, 2 Bde., 1953/54 ; Melichar, Das Verwaltungsverfahren, VVDStRL 17 (1959), S. 183; Kimmel, österr. Verwaltungsverfahrensrecht, 1961 ; Mannlicher/Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Aufl., I. Halbbd., 1975 ; Ringhofer, Die österr. Verwaltungsverfahrensgesetze, 7. Auflage, 1972 , A. Schmelz, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 1975; Spanner, in: Ule (Fn. 13) S. 413; Schütz, D Ö V 1968, 30. Byse/Riegert, Das amerikan. Bundesverwaltungsverfahrensgesetz von 1946, in: Staatsbürger und Staatsgewalt, 1963, Bd. I, S. 405; Morstein Marx, in: Ule (Fn. 13) S. 899; Gellhorn, Protection of the Citizen in American Administrative Procedures, 1969; Rasenack, D Ö V 1970, 851; H. Klückmann, DVB1. 1976, 470. Gygt, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, 2. Aufl., 1974; Th. Fleiner, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, 1977, S. 171 ff. 275
Peter Badura
§37
F. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976. H. Meyer/H. Borgs-Maciejewski, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976. O. Tschira/W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und des Freistaates Bayern, 1976. F. Eichler, VerwaltungsVerfahrensgesetz, 1977. H.J. Knack (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 1977. W. Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren, 1977. C. H. Ule/H.-W. Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977. P. Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, 1977. Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1978. Köttgen, Das Verwaltungsverfahren als Gegenstand der Bundesgesetzgebung, D Ö V 1952, 422. Haas, Bundesgesetze über Gegenstand und Verfahren der Landesbehörden, AöR 80 (1955), 81. Bachof, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVB1. 1957, 564. Fellner, Zur Regelung des Verwaltungsverfahrens in den Ländern, VerwArch. 48 (1957), 95. Ule, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 1957, 597. Bachof, Nochmals: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 1958, 6. Spanner, Grundsätzliches zum Verwaltungsverfahren, D Ö V 1958, 652. Ule, Nochmals: Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl. 1958, 9. Langrod, Probleme des allgemeinen Verwaltungsverfahrens, DVBl. 1961, 305. Haueisen, Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichtliches Verfahren, DVBl. 1962, 881. Fellner, Grundfragen des Verwaltungsverfahrensrechts, in: Staatsbürger und Staatsgewalt, 1963, Bd. II, S. 345. Ule/Becker, Verwaltungsverfahren im Rechtsstaat, 1964. Haueisen, Unterschiede zwischen Verwaltungsverfahren und verwaltungsgerichdichem Verfahren, DVBl. 1966, 773. Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, 1971. Ule, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, VerwArch. 62 (1971), 114. Gygi, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, Bern 2. Aufl., 1974. D. Lorenz, Das Verwaltungsverfahren in der Rechtsprechung des BSG, VSSR III, 1975, S. 255. E. Schmitt-Aßmann, Der Anwendungsbereich des neuen Verwaltungsverfahrensrechts, Städte- und Gemeindebund 1977, 9.
§37
Was ist das Verwaltungsverfahren? In § 9 V w V f G ist der Begriff des Verwaltungsverfahrens wie folgt definiert : „ D a s Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzes ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die V o r bereitung und den Erlaß eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist ; es schließt den Erlaß des Verwaltungsaktes oder den Abschluß des öffentlich-rechtlichen Vertrages ein". 276
Das Verwaltungsverfahren
§37 I
I. Verwaltungsverfahren, Verwaltungsverfahrensrecht und Allgemeines Verwaltungsrecht In einem Verfahren sind eine Anzahl von Handlungen im Dienste eines bestimmten Ziels planvoll und zweckmäßig geordnet. Das Verfahren im Rechtssinn ist auf die Gestaltung oder Feststellung von Rechten, Pflichten oder Rechtslagen durch eine mehr oder weniger förmliche Entscheidung gerichtet. Es hat ein, in der Regel durch das Gesetz bestimmtes, Verfahrensziel, ist kraft einer zugewiesenen Zuständigkeit von einem Organ des Staates oder einer rechtsfähigen Verwaltungseinheit durchzuführen und weist, sofern es eine bestimmte Zahl von Betroffenen erfaßt, einen oder mehrere Beteiligte mit rechtlich begründeten Handlungsmöglichkeiten im Verfahrensgang auf. Die Unterscheidung von „materiellem" und „formellem" Recht orientiert sich an der Einrichtung der gerichtlichen Rechtspflege, deren Aufgabe es ist, durch eine mit unabhängigen Richtern besetzte neutrale Spruchstelle förmlich über Recht und Unrecht im Einzelfall zu befinden und Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden. Das den Rechtsgang vor dem Gericht ordnende formelle Recht dient, vom Ganzen der Rechtsordnung aus betrachtet, dem materiellen Recht, das den Status, die Rechte und Pflichten und das Verhalten der Rechtsgenossen im Rechtsverkehr regelt. Unter dem Blickwinkel des Prozesses regelt das formelle Recht die Voraussetzungen der Rechtspflegeentscheidung und die Verfahrenshandlungen des Gerichts und der Beteiligten, während das materielle Recht die sachlichen Maßstäbe des Entscheidens und damit den Inhalt der Entscheidung bestimmt 1 . Das Verwaltungsverfahren gehört zur Ausübung der vollziehenden Gewalt und ist kein Verfahren der Rechtspflege 2 . Da die Exekutive bei der Durchführung des Verwaltungsverfahrens in der Regel eigene Aufgaben und Befugnisse wahrnimmt, die ihr durch das materielle Recht zugewiesen sind, ist die Behörde im Verwaltungsverfahren, anders als das Gericht im Prozeß oder sonstigen Rechtspflegeverfahren, zugleich Partei und entscheidende Instanz. Das auch im Verwaltungsverfahren bestehende und Rechte, Pflichten und Lasten der Beteiligten umfassende Verfahrensrechtsverhältnis3 ist von dem Prozeßrechtsverhältnis des gerichtlichen Verfahrens prinzipiell unterschieden. Dementsprechend ist es zwar möglich, die Rechtssätze und Grundsätze, welche die Art und Weise des Verwaltungshandelns durch die Festlegung seiner formellen Voraussetzungen und Wirkungen regeln, als „Verwaltungsverfahrensrecht" zusammenzufassen. Doch können das Verwaltungsverfahrensrecht und das materielle Verwaltungsrecht nicht ebenso scharf getrennt werden, wie etwa das Verwaltungsrecht und das Verwaltungsprozeßrecht. Das Verwaltungsverfahrensrecht und die anderen nicht nur einem besonderen 1
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Boehmer, Grundlagen der Bürgerlichen Rechtsordnung. Erstes Buch, 1950, S. 93 ff. ; Bettermann, WDStRL 17 (1959), 118, 120; Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, S. 5ff. Bettermann (Fn. 1) S. 120ff. ; Haueisen, DVB1. 166, 773. Hans ]. W o l f f , VwR III, § 156 III b 2. 277
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Gebiet des Verwaltungsrechts angehörende Rechtssätze und Grundsätze des Verwaltungshandelns sind Bestandteile des Allgemeinen Verwaltungsrechts. Zahlreiche Bestimmungen und Grundsätze, die sich als verwaltungsverfahrensrechtliche Regeln begreifen lassen, müssen zugleich dem materiellen Verwaltungsrecht zugerechnet werden, weil sie auch den Inhalt individueller Rechte oder Pflichten bestimmen. Das gilt vor allem für die Regeln, die zu der Lehre vom Verwaltungsakt gehören. Der Verwaltungsakt hat eine Doppelfunktion; denn er ist ein gegebenenfalls in Bestandskraft erwachsender das Verwaltungsverfahren abschließender Verfahrensakt und bestimmt zugleich gestaltend oder feststellend, begünstigend oder belastend die individuelle Rechtsposition des oder der Betroffenen. Durch eine Kodifikation erhält das Verwaltungsverfahrensrecht eine klare Zuordnung zum Bundes- oder zum Landesrecht. Auch wenn eine übereinstimmende Regelung durch den Bund und die Länder gelingt (siehe oben unter § 36 I), bestünde die Gefahr einer Rechtszerplitterung, wenn nicht unter Durchbrechung des Grundsatzes, daß nur Bundesrecht revisibel ist (§137 Abs. 1 VwGO), die Revisibilität auch des Landes-Verwaltungsverfahrensrechts angeordnet werden würde 4 . Nach der Neufassung des § 137 Abs. 1 VwGO durch § 97 Nr. 3 VwVfG sind nunmehr Vorschriften von Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder revisibel, die ihrem Wortlaut nach mit dem VwVfG übereinstimmen. Das Verwaltungsverfahren ist nicht nur ein Gegenstand rechtlicher Regelung und juristischer Betrachtung. Praxis und Rationalität5 des sich im Verwaltungsverfahren ausdrückenden administrativen Entscheidungsprozesses gehören zum Arbeitsfeld der Verwaltungswissenschaft.
II. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens Von der großen Vielfalt der Verwaltungstätigkeiten ist nur ein bestimmter Ausschnitt im Sinne eines Verwaltungsverfahrens geordnet. Für die Abgrenzung ist neben verwaltungspraktischen Bedürfnissen der Leitgedanke maßgebend, daß das Verwaltungsverfahren in Existenz und Ausgestaltung eine Ausprägung der rechtsstaatlichen Grundsätze für den Bereich des administrativen Handelns ist 6 . Formelle Regeln für die Zuständigkeit und das Verfahren von Behörden bestehen zwar für den Gesamtbereich des Verwaltungshandelns, also z. B. auch für das nach Privatrecht abgewickelte Auftragswesen der öffentlichen Hand. Von einem Verwaltungsverfahren kann aber nur dort gesprochen werden, wo eine Behörde kraft öffentlichen Rechts Entscheidungen zu treffen hat, die „extern" wirkend 4
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27S
Ule/Becker, Verwaltungsverfahren im Rechtsstaat, 1964, S. 22ff.; Ule, in: Festschrift für Gerhard Wacke, 1972, S. 277. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1969, S. 201 ff. Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, 1971; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 178ff.
Das Verwaltungsverfahren
§ 3 7 III
Rechte oder Pflichten von Verwaltungsunterworfenen feststellend oder gestaltend bestimmen. Da weiterhin Verfahren der administrativen Rechtsetzung wegen der Abstraktheit der normativen Regelung und der in der Regel unbestimmten Zahl von Betroffenen von der administrativen Entscheidung über Einzelfälle spezifisch verschieden sind, so daß dort ein konkretes Verfahrensrechtsverhältnis nicht entstehen kann 7 , beschränkt sich der Begriff des Verwaltungsverfahrens im strengen Sinn auf den einer einheitlichen Regelung zugänglichen Bereich der Verfahren zum Erlaß von Verwaltungsakten. Dem stehen die Verfahren zum Abschluß öffentlich-rechtlicher Verträge insofern gleich, als diese als eine Handlungsform der Verwaltung neben dem Verwaltungsakt in Betracht kommen.
III. Nichtförmliche und förmliche Verwaltungsverfahren Der Begriff des Verwaltungsverfahrens legt den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts fest. Die Exekutive ist, soweit das Gesetz nichts anderes festlegt, beim Erlaß von Verwaltungsakten an die Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts, also vor allem die Verfahrensgrundsätze und die Bestimmungen über das Zustandekommen und die Bestandskraft des Verwaltungsaktes, gebunden. Das Verwaltungshandeln ist aber grundsätzlich keinen besonderen Formen des Verfahrensganges unterworfen, § 10 VwVfG ('Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens). N u r wenn und soweit das Gesetz es anordnet, findet ein förmliches Verwaltungsverfahren statt. In diesem Falle sind, je nach der Eigenart des Verfahrensgegenstandes, prozedurale Förmlichkeiten des Verfahrensganges vorgeschrieben, besonders hinsichtlich der Ermittlung des Sachverhalts, der Anhörung der Betroffenen und der Mitwirkung von Sachverständigen. Im förmlichen Verwaltungsverfahren ist das verfahrensgestaltende Ermessen der Behörde bezüglich des Verfahrensablaufes beschränkt. Das VwVfG normiert einige allgemeine Regeln für das förmliche Verwaltungsverfahren (§§63ff.) und trifft dann für das Planfeststellungsverfahren, das ein wesentlicher Anwendungsfall des förmlichen Verwaltungsverfahrens ist, eine Rahmenregelung (§§72ff.). Die Vorschriften der §§63ff. sind nur anwendbar, wenn das nach Inkrafttreten des VwVfG durch Rechtsvorschrift angeordnet wird (§ 63 Abs. 1 VwVfG). Ein förmliches Verwaltungsverfahren kommt typischerweise dort in Betracht, wo die Durchführung eines Unternehmens, ζ. B. der Bau einer Straße (§§ 17, 18 BFernStrG) oder eines Flughafens (§§8 ff. LuftVG), oder die Erteilung einer Erlaubnis, z . B . die Genehmigung lästiger Anlagen (§§4ff. BImSchG, früher § 16ff. GewO) oder die wasserrechtliche Bewilligung ( § § 8 f f . W H G in Verb, etwa mit Art. 83, 77ff. BayWG), die Rechte und Interessen
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Hans J. Wolff, VwR III, § 156 I c 1. 279
§38
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mehrerer Betroffener berührt. Förmliche Verwaltungsverfahren sind ferner für Enteignungen und für die Ahndung von Verwaltungsunrecht 8 eingerichtet.
IV. Typischer Ablauf eines Verwaltungsverfahrens D a s Grundmuster eines Verwaltungsverfahrens läßt drei Stufen des Verfahrensablaufs erkennen: die Einleitung des Verfahrens — das Verfahren vor der Entscheidung — die Entscheidung. Die folgende Darstellung ordnet die verfahrensrechtlichen Bestimmungen und G r u n d s ä t z e , nach einer Erläuterung z u m Subjekt des Verwaltungsverfahrens, entsprechend dem typischen Verfahrensablauf. D a s Planfeststellungsverfahren als exemplarischer Fall eines förmlichen Verwaltungsverfahrens erfährt eine gesonderte Behandlung. A n die Entscheidung kann sich, wenn sie ein G e b o t oder Verbot eines H a n delns, Duldens oder Unterlassens oder die Verpflichtung zu einer Leistung ausspricht, ihre Durchsetzung in Gestalt eines Verwaltungsvollstreckungsverfahrens anschließen. Sofern nicht unmittelbar die Verwaltungsklage statthaft ist, können die Entscheidung und die eine selbständige Beschwer bewirkenden Vollstreckungshandlungen mit einem Widerspruch angegriffen werden, wodurch ein besonderes administratives Rechtsbehelfsverfahren (zugleich verwaltungsgerichtliches V o r verfahren) eingeleitet w i r d 9 . §38
Die Zuständigkeit zur Entscheidung I. Die Behörde D a s Verwaltungsverfahren wird von der zur Entscheidung über den Verfahrensgegenstand berufenen Behörde durchgeführt. Behörde im Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze ist jede Stelle, die A u f g a b e n der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (vgl. § 1 IV V w V f G ) . 8
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Wolff, V w R III, § 159; Kern/Roxin, Strafverfahrensrecht, 11. Auflage, 1972, § 74 (nicht mehr in der 12. Auflage, 1974); Cramer, Grundbegriffe des Rechts der Ordnungswidrigkeiten, 1971; Göhler/Buddendiek, O W i G , 5. Aufl., 1977. - Das VwVfG hat die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten von seinem Anwendungsbereich ausgenommen (§ 2 Abs. 2 N r . 2). §§ 68 ff. V w G O . — Neben den Kommentaren zur V w G O sei hierzu auf folgende Abhandlungen verwiesen: Hofmann, VerwArch. 1967, 63, 133; von Mutius, Das Widerspruchsverfahren der V w G O als Verwaltungsverfahren und Prozeßvoraussetzung, 1969; Ule, VerwprozeßR, §§23—25; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme in der öffentlich-rechtlichen Klausur, 3. Aufl., 1976, S. 116ff. ; ]. Martens, Die Praxis des Verwaltungsprozesses, 1975, S. 99ff. ; P. Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, 1977, S. 134 ff.
Das Verwaltungsverfahren
§ 3 8
I
Verwaltungsbehörden sind durch das jeweilige Organisationsrecht geschaffene Organe des Staates oder eines sonstigen Verwaltungsträgers1. Kraft der ihnen zugewiesenen Zuständigkeit nehmen sie selbständig Aufgaben und Befugnisse der öffentlichen Verwaltung gegenüber den Verwaltungsunterworfenen wahr. Die Zuständigkeitsordnung legt fest, durch welche Behörde jeweils in den einzelnen Materien das Verwaltungsverfahren durchzuführen ist. Nach den Grundsätzen der hierarchischen Verwaltungsorganisation darf ausnahmsweise die höhere Behörde eine Angelegenheit der unteren Behörden an sich ziehen und selbst erledigen, also an deren Stelle handeln, wenn die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe nicht auf dem für den Normalfall gegebenen Weg der Weisung, sondern mit Sicherheit nur durch das unmittelbare Tätigwerden der höheren Behörde erreicht werden kann („Selbsteintrittsrecht" der höheren Behörde) 2 . Davon ist das Verwaltungshandeln im Wege der aufsichtlichen Ersatzvornahme zu unterscheiden, bei der ein aufsichtsführender Verwaltungsträger, ζ. B. der Staat, für den beaufsichtigten Verwaltungsträger, ζ. B. eine Gemeinde, tätig wird. Es gibt monokratische (bürokratische) und kollegiale Behörden3. Eine Behörde ist monokratisch organisiert, wenn die ihr zugewiesenen Verwaltungsgeschäfte von einer Person oder — so der Regelfall — von einem Personalkörper mit hierarchisch geordneten Ämtern wahrgenommen werden. Von einer Kollegialbehörde kann im strengen Sinn nur dort gesprochen werden, wo die der Behörde zugewiesene Kompetenz in Beratung, Durchführung des Verwaltungsverfahrens, Beschlußfassung und Erlaß der Entscheidung gegenüber dem Betroffenen mehreren zu einem Gremium zusammengefaßten Personen („Ausschuß") zukommt, das Verwaltungshandeln also durch dieses Gremium als Kollegialorgan erfolgt. Davon ist organisationsrechtlich der Fall zu unterscheiden, daß die Willensbildung zwar einem beschließenden Kollegium zusteht, der Vollzug der Beschlüsse und die Vertretung nach außen aber einem anderen Organ des Verwaltungsträgers obliegt, wie ζ. B. im Kommunalrecht; hier ist Behörde nur das nach außen handelnde Vertretungsorgan. Das klassische Beispiel für ein Verwaltungsverfahren vor einer Kollegialbehörde ist das ehem. preußische Beschlußverfahren, bei dem staatliche 1
B V e r w G E 9, 172; B G H N J W 1957, 1673; Forsthoff, V w R , § 2 3 , 2 b ; Wolff/Bachof, V w R II, § 7 6 ; Rasch, VerwArch. 50 (1959), 1 ; von der Groeben/H. Knack, Allgem. Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, 1968, Anm. zu § 3 ; Böckenförde, Organ, Organisation, Juristische Person, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 2 6 9 ; Meyer/Borgs, § 1, R N r n . 21 ff.
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H e s s V G H N J W 1960, 1 3 1 7 ; Brunner, D Ö V 1969, 7 7 3 ; Mußgnug, Das Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten? 1970, S. 51 ff.; Völker, Der Selbsteintritt der übergeordneten Behörde, Diss. Tübingen 1970.
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Von der Groeben/Thierfeider, VerwArch. 49 (1958), 2 3 1 ; Haas, VerwArch. 49 (1958), 1 4 ; Dagtoglou, Kollegialorgane und Kollegialakte der Verwaltung, 1 9 6 0 ; Rasch/Patzig, Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren, 1962, S. 9 f . ; Forsthoff, V w R § 2 3 , 2 b ; Wolff/Bachof, V w R II, § 7 5 , II, III; Wolff V w R III, § 157 I I ; Berggreen, Die „dissenting opinion" in der Verwaltung, 1972. — Kritisch zu der allgemeinen Einführung quasijustizieller Widerspruchsausschüsse: Bullinger, N J W 1974, 769. 281
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Verwaltungsangelegenheiten durch Ausschüsse der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften erledigt wurden4. Aus der neueren Gesetzgebung ist z. B. der Anerkennungsausschuß beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu nennen, der über Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigter entscheidet (§§29 ff. AuslG). Zum Unterschied von monokratischen Behörden sind Kollegialbehörden nicht weisungsgebunden. Wenn das Verwaltungsverfahren von einer Kollegialbehörde durchgeführt wird, sind besondere verfahrensrechtliche Bestimmungen über die Willensbildung (Geschäftsordnung) und die Verfahrenshandlungen des Gremiums und seiner Mitglieder erforderlich 5 . Die Rechtsbeständigkeit der Entscheidung einer Kollegialbehörde oder einer Behörde, die an die Willensbildung eines Kollegialorgans gebunden ist, hängt auch von der Einhaltung der besonderen Regeln über das kollegiale Handeln ab 6 . II. Die Unparteilichkeit der Amtsführung und Ausschluß wegen Befangenheit Die einer Behörde zur Erledigung zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse öffentlicher Verwaltung werden kraft eines organisatorisch umschriebenen Amtes von Personen wahrgenommen, deren persönliche Rechtsstellung durch ein Beamtenverhältnis oder ein sonstiges Dienstverhältnis bestimmt wird. Entsprechend dem seit jeher geltenden Grundsatz, daß die Ausübung öffentlicher Verwaltung ohne Ansehen der Person zu geschehen hat, sind die öffentlichen Bediensteten dienstrechtlich zu einer unparteiischen Amtsführung verpflichtet. Der Beamte hat seine Amtsaufgaben unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen (§§35 Abs. 1 S. 1, 36 S. 2 B R R G ) . Zur Sicherung eines unparteiischen Verwaltungshandelns sind außerdem vor allem im Kommunalrecht, z. B. Art. 49 BayGemO, § 26 NdsGemO, aber auch in verstreuten Einzelregelungen Mitwirkungsverbote ausgesprochen, die Personen wegen persönlicher Beteiligung von der Erledigung einzelner Verwaltungsgeschäfte ausschließen. Der Grundsatz der Unparteilichkeit der öffentlichen Verwaltung und die verschiedenen gesetzlich angeordneten Pflichten und Mitwirkungsverbote zu Lasten von Amtsträgern führen zu der, unabhängig von ausdrücklicher gesetzlicher Regelung bestehenden Norm des Verwaltungsverfahrensrechts, daß ein Amtsträger, der Beteiligter des Verwaltungsverfahrens, durch den Gegenstand des Verfahrens unmittelbar betroffen oder sonst wegen eines Grundes, der objektiv geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit seiner Amtsführung zu rechtfertigen, befangen ist, an Verfahren und Entscheidung nicht mitwirken darf 7 . Ein 4 5 6 7
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W o l f f , VwR III, 1. Aufl., 1966, § 157 I, 3. Aufl., 1973, § 157 II a 4. Vgl. § § 7 1 , 88ff. VwVfG. Vgl. § 4 4 Abs. 3 N r . 3, § 4 5 Abs. 1 N r . 4 VwVfG. - Alscher, N J W 1972, 800. BVerwGE 16, 150; 29, 70; Hess V G H J Z 1971, 257 mit Anm. Dagtoglou; Wolff VwR III, § 156 III e; Dagtoglou, in: Festgabe für Ernst Forsthoff, 1967, S. 6 5 ; P. Kirchhof, VerwArch. 1975, S. 370.
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allgemeines Recht der Verfahrensbeteiligten, einen Amtsträger — wie vor Gericht einen Richter — wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, ist jedoch nicht gegeben; ein derartiges Recht besteht nur, wo es das Gesetz einräumt8. Dem eigenen Beteiligt- oder Betroffensein steht es gleich, wenn ein Angehöriger des Amtsträgers oder eine natürliche oder juristische Person, die der Amtsträger kraft Gesetzes oder Vollmacht vertritt, beteiligt oder betroffen ist. Das VwVfG hat die Fälle des Beteiligt- und Betroffenseins als Ausschlußgründe normiert (§ 20), ein Recht zur Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit aber nur für das förmliche Verfahren vor Ausschüssen eingeräumt (§ 71 Abs. 3). Im übrigen ist vorgesehen, daß derjenige, der in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder dessen Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten hat, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen eine unparteiische Amtsführung zu rechtfertigen, oder wenn von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet wird (§21) 9 . Der Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens kann ein geschriebenes oder ungeschriebenes Mitwirkungsverbot wegen gegebener oder zu befürchtender Parteilichkeit im Verfahren geltend machen. Hat ein ausgeschlossener Amtsträger an dem Verfahren mitgewirkt, ist die Entscheidung verfahrensrechtlich fehlerhaft ; bei Ermessensentscheidungen wird in diesem Fall zugleich ein Ermessensfehler wegen unsachlicher Erwägungen vorliegen können.
III. „Partizipation" an Verwaltungsentscheidungen Der Fragenkreis der „Partizipation" an Verwaltungsentscheidungen reicht weit über das Verwaltungsverfahren in dem hier zugrunde gelegten strengen Sinn hinaus, wie auch das politische Thema und Programm der „Partizipation" jenseits des Kreises der Verwaltung Grund, Möglichkeit und Grenze der Demokratie angesichts des wohlfahrtsstaatlichen bürokratischen Etatismus betrifft 10 .
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Wegen ζ. T. weitergehender Auffassungen vgl. HessVGH (Fn. 7), Besehe, DÖV 1972, 636. — Ein Prüfer kann wegen Befangenheit (Voreingenommenheit) abgelehnt werden, wenn hierfür ausreichende Tatsachen vorgebracht werden (OVG Lüneburg DÖV 1974, 67). Der Musterentwurf (EVwVfG 1963) und die Regierungsvorlage der 6. Wahlperiode (BT-Drucks. VI/1173) hatten eine solche Bestimmung noch nicht aufgenommen. Walter/Schmitt Glaeser, W D S t R L 31 (1973), dazu: Grawert, AöR 98 (1973), 103, 109ff.; Dagtoglou, DVBl. 1972, 712; Kisker, DÖV 1972, 520; P. Oberndorfer, DÖV 1972, 529; Hartisch, Verfassungsrechtl. Leistungsprinzip und Partizipationsverbot im Verwaltungsverfahren, 1975; W. Manti, Repräsentation und Identität, 1975, S. 247ff. — Zur städtebaulichen Planung: Dienet, Verwaltung 4 (1971), 151 ; Bielenberg, Verh. d. 49. DJT, 1972, I Β 37ff.; Schmidt-Aßmann, DVBl. 1972, 627, 628; Battis, Partizipation im Städtebaurecht, 1976. 283
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Peter Badura
Ein wesentliches Ziel der rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens ist, daß alle in ihren rechtlich geschützten Interessen Betroffenen auch an dem Verfahren beteiligt werden und daß sie ihre Rechte in dem Verfahren hinreichend zur Geltung bringen können. Das ist eine Frage des rechtlichen Gehörs und nicht einer „Teilnahme" an der Durchführung des Verfahrens und der zu treffenden Entscheidung. Der Zielpunkt der „Partizipation" ist eine Erweiterung der Gruppe der (materiellrechtlich) Betroffenen und dementsprechend der (verfahrensrechtlich) zu Beteiligenden über den Kreis der durch das Verfahren unmittelbar in ihren rechtlich geschützten Interessen Betroffenen hinaus und weiter eine Teilnahme dieser erweiterten Gruppe an der Gestaltung des Verfahrens und der Entscheidung. Dieses Ziel ist dem Gedanken der Selbstverwaltung zuzuordnen, wenngleich dessen herkömmlicher Anwendungsbereich damit eine Expansion von einer erheblichen staatsrechtlichen Tragweite erfährt. Diese, unter Umständen fundamentaldemokratisch radikalisierte Partizipationsforderung stößt auf die im Gesetz und im administrativen Gesetzesvollzug zum Ausdruck kommende staatliche Verfaßtheit des demokratischen Prozesses. Aller Erfahrung nach mündet sie, de constitutione lata, in das Problem der Institutionalisierung des Einflusses der organisierten Interessen auf die staatliche Willensbildung. In dem engeren Bereich der Gestaltung des exekutivischen Verfahrens bezeichnet die mit dem werbenden, aber mißverständlichen Etikett der „Partizipation" gemeinte Forderung nach einer Stärkung des rechtlichen Gehörs eine Unzulänglichkeit des gegebenen Rechtszustandes beim gestaltenden und planenden Verwaltungshandeln, soweit dadurch die, möglicherweise divergierenden, rechtlich geschützten Interessen mehrerer berührt werden. In diesen Fällen muß jedenfalls ein förmliches Verwaltungsverfahren vorgesehen sein. Außerdem aber muß das Verfahren in der Richtung formalisiert werden, daß die Ermittlung des Sachverhalts, die Einbeziehung gutachtlichen Sachverstandes und die Offenlegung der für das planerische oder gestaltende Ermessen wesentlichen Umstände den Betroffenen in einem für die Wahrung ihrer Rechte hinreichenden Maße zugänglich werden, so daß sie eine gewisse Kompensation für den nur nachträglichen, meistens langwierigen und hinsichtlich des Ermessens begrenzten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz erlangen11. Die materiellrechtliche Basis für die notwendig zu verbessernde verfahrensrechtliche Stellung der Betroffenen ist die theoretisch erst noch zu entwickelnde Einsicht in das den Verfahrensgegenstand bildende verwaltungsrechtliche Rechtsverhältnis zwischen der Behörde und den Betroffenen 12 .
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Brehm, W D S t R L 30 (1972), 245, 279ff., 291 und Leitsätze 12, 14; Blümel in: Festschrift für Werner Weber, 1974, S. 539. Bachof, W D S t R L 30 (1972), 193 , 200ff. und Leitsätze 24, 25; J. Martens, JuS 1977, 664/666 ff.
§ 3 9 I, II
Das Verwaltungsverfahren §39
Die Einleitung des Verwaltungsverfahrens I. Beginn des Verfahrens von Amts wegen oder auf Antrag Indem die einschlägigen Rechtsvorschriften die normativen Voraussetzungen des Verwaltungshandelns festlegen, regeln sie zugleich und in der Regel implizit, ob und wann ein Verwaltungsverfahren durchzuführen ist. Die Behörde eröffnet das Verwaltungsverfahren von Amts wegen (ex officio, Offizialprinzip), es sei denn, daß Rechtsvorschriften das Verwaltungshandeln von einem Antrag des Betroffenen abhängig machen. Das Offizialprinzip beherrscht die Verwaltungszweige, in denen die Exekutive mit dem Ziel der Gefahrenabwehr, der Lenkung, der Abgabenerhebung oder der Beschaffung sonstiger Leistungen durch Gebote, Verbote oder Auferlegung von Pflichten eingreifend tätig wird. Die Einleitung eines Verfahrens aufgrund Antrages kommt hauptsächlich dort in Betracht, wo die Tätigkeit oder Handlungsweise eines Privaten der administrativen Erlaubnis bedarf, ζ. B. die Ausführung eines Bauvorhabens, die Ausübung eines Handwerks oder die Benutzung eines Gewässers, oder wo die Verwaltung Leistungen gewährt, ζ. B. Sozialversicherungsleistungen, Wohnbeihilfe oder Subventionen1. Das Antragserfordernis braucht nicht ausdrücklich aufgestellt zu sein, sondern kann sich auch aus der Sache ergeben, ζ. B. durch die Statuierung einer Genehmigungspflicht. Auch die Frage, wer Antragsberechtigter ist, bestimmt sich mangels einer besonderen Regelung nach dem den Verfahrensgegenstand bildenden Rechtsverhältnis. II. Der Antrag Der Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsaktes vereinigt in sich die beiden Funktionen, die Behörde zur Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zu veranlassen und die materiellrechtliche Voraussetzung für den Erlaß des Verwaltungsaktes zu schaffen, der ohne den Willen des Betroffenen nicht zustande kommen soll. Wenn, wie im Regelfall, das die erstrebte Erlaubnis, Leistung oder sonstige Begünstigung regelnde Gesetz bei der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen einen Anspruch auf den Erlaß des Verwaltungsaktes einräumt oder auch nur die Behörde zur Entscheidung nach Ermessen ermächtigt, ist die Behörde verpflichtet, ein Verwaltungsverfahren einzuleiten, wenn die formellen Bedingungen der Antragstellung gegeben sind. Wenn sich auch die verfahrensrechtliche und die materiellrechtliche Bedeutung des Antrags unterscheiden lassen, so hat doch die zweite Funktion, nämlich das Geltendmachen eines Anspruchs und die Zustimmung zu dem beantragten Ver1
Die Gewährung von Sozialhilfe ist nicht von einem Antrag des Bedürftigen abhängig (§ 5 B S H G ) . 285
§39
II
Peter Badura
waltungsakt, verwaltungsrechtlich das Übergewicht. In diesem Sinne ist der Antrag eine Willenserklärung des öffentlichen Rechts, für deren rechtliche Behandlung mangels besonderer Rechtsvorschriften die allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts über Willenserklärungen entsprechend anzuwenden sind 2 . So ist für die Auslegung von Anträgen, vor allem bei behörden- und rechtsunerfahrenen Antragstellern, ohne Formalismus der „wirkliche Wille" zu erforschen (§ 133 B G B ) 3 . Bis zum Wirksamwerden des Verwaltungsaktes kann der Antrag zurückgenommen (§§ 130, 182ff. B G B ) , danach kann er angefochten werden (§§ 119 ff. B G B ) 4 . Der Antrag kann verfahrensrechtlich an eine Form oder eine Frist gebunden sein. Es kann schriftliche oder auch formularmäßige Antragstellung vorgeschrieben sein und es kann die Vorlage erforderlicher Unterlagen verlangt werden (siehe z. B. § 12 PersBefG, § 325 Abs. 4 L A G ) . Der Antrag im förmlichen Verfahren ist formgebunden (§ 64 VwVfG). Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung kann die Behörde eine schriftliche oder formularmäßige Antragstellung fordern, wenn sonst eine sachgemäße Bearbeitung des Antrages nicht möglich ist. Fehler, die durch behördliche Formulare veranlaßt sind, gehen zu Lasten der Verwaltung 5 . Soweit Formerfordernisse lediglich eine Ordnungsfunktion haben, ist ihre Verletzung auf die Wirksamkeit des Antrages ohne Einfluß 6 . Auch bei Fristvorschriften ist je nach ihrem Zweck eine unterschiedliche Wirkung der Fristversäumnis möglich 7 . In der Regel dienen Antragsfristen dazu, in angemessener Zeit einen Uberblick über die zur Anmeldung geplanten Ansprüche zu gewinnen und zu einem gewissen Zeitpunkt einen Schlußstrich zu machen 8 . Bei einer derartigen Frist führt die Versäumnis zum Ausschluß mit dem nicht rechtzeitig geltend gemachten Anspruch, vorbehaltlich einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (vgl. § 32 VwVfG). Die Fristbestimmung kann aber auch die Funktion haben, Ansprüche auszuschließen, wenn wegen des Ablaufs der Frist die Feststellung des Sachverhalts nach allgemeiner Erfahrung entweder überhaupt nicht mehr oder nur noch unter unzumutbaren Mühen möglich ist. Sind in einem solchen Fall die Voraussetzungen des verspätet angemeldeten Anspruchs zweifelsfrei gegeben, widerspricht eine Anwendung der Fristvorschrift der Normfunktion und führt zu einem sozial unangemessenen und gesetzlich nicht gewollten Ergebnis; die Fristversäumnis ist unschädlich 9 . 2
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Wolff/Bacbof, VwR I, § 36 II; Krause, VerwArch. 61 (1970), 297; ders., JuS 1972, 425; Middel, öffentlich-rechtliche Willenserklärungen von Privatpersonen, 1971. BVerwGE 16, 198, 203ff. BVerwG DÖV 1965, 174; BVerwGE 30, 185. BVerwGE 10, 12; Wolff VwR III, § 156 V a 4. BVerwGE 9, 129. Haueisen, NJW 1966, 1433. BVerwG DÖV 1962, 868. BSGE 14, 246 betr. § 58 Abs. 1 a. F. BVFG. Anders BVerwGE 13, 209 für die Antragsfrist im Wiedergutmachungsverfahren und BVerwGE 17, 199 für die Fristvorschriften des Lastenausgleichsrechts.
§40
Das Verwaltungsverfahren
Nicht weniger als der Vorsitzende des Verwaltungsgerichts (§ 86 Abs. 3 VwGO) ist die Behörde im Verwaltungsverfahren verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt und ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt werden. Sie soll die Stellung von Anträgen anregen, die offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis nicht gestellt worden sind (§25 VwVfG). Für die Reihenfolge der Bearbeitung von Anträgen, die sich auf denselben Verwaltungsvorgang beziehen, gilt grundsätzlich der Grundsatz der Priorität. Beispielsweise ist die Führung von Vormerk- oder Bewerberlisten für die Erteilung von Taxikonzessionen (§ 13 Abs. 3 PersBefG) als zulässig und sogar geboten angesehen worden 1 0 .
III. Antrags- und mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt Der Verwaltungsakt, dessen Erlaß von einem Antrag des Betroffenen abhängig ist, wird (verfahrensrechtlich) antragsbedürftiger oder (materiellrechtlich) mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt genannt 11 . Der ohne die vorgeschriebene Mitwirkung des Betroffenen erlassene Verwaltungsakt ist fehlerhaft. Ob dieser Fehler die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge hat, hängt von der Bedeutung des Antragserfordernisses und der Eigenart des Verwaltungshandelns ab 12 . Dabei kommt es auf die sachliche Funktion des Antrages an. Sofern damit, wie etwa typisch bei der Beamtenernennung, die Zustimmung des Betroffenen vorausgesetzt wird, ist die fehlende Mitwirkung so wesentlich, daß sie die Nichtigkeit des dennoch erlassenen Verwaltungsaktes zur Folge hat 13 . Der Mangel des Antrages ist, sofern der Fehler nicht zur Nichtigkeit führt, heilbar ( § 4 5 I Nr. 1 VwVfG).
§40
Das Verfahren vor der Entscheidung Die Behörde hat in dem Verwaltungsverfahren die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung zu ermitteln, besonders durch die Erforschung des Sachverhalts und gegebenenfalls die Beiziehung von Sachverständigen, den Betroffenen Gelegenheit zu geben, ihre Rechte und rechtlich geschützten Interessen geltend zu machen und 10
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Czermak, BayVBl. 1976, 192. - BVerwG D Ö V 1964, 54 mit Anm. Czermak; B a y V G H N J W 1962, 2 2 1 9 ; H a m b O V G DVBl. 1963, 153. Forsthoff, V w R , § 11, 4; Wolff/Bachof V w R I, § 4 8 ; Badttra, JuS 1964, 103. BVerwGE 11, 18 mit Anm. JuS 1964, 103; BVerwG D Ö V 1966, 351. Forsthoff, V w R , S. 207; BayVGHE 12, 65. In BVerwGE 30, 185, 187 und O V G Münster O V G E 14, 339, 344 ist die Frage offen gelassen. 287
§40
Peter Badura
I
sich zu dem Gegenstand und Fortgang des Verfahrens zu äußern, und die Mitwirkung der durch das Verfahren in ihrer Zuständigkeit berührten Behörden herbeizuführen. I. Die Beteiligten Beteiligter eines Verwaltungsverjahr ens ist, wer als Adressat der Entscheidung, Antragsteller, Antragsgegner, kraft einschlägiger Rechtsvorschriften zu Einwendungen oder Äußerungen Berechtigter oder sonst in seinen rechtlich geschützten Interessen Betroffener eine verfahrensrechtliche Rechtsstellung besitzt oder erhält ( § 1 3 V w V f G ) . Der materiellrechtlich Betroffene ist nicht als solcher, sondern nur dadurch Beteiligter, daß er als Adressat der Entscheidung, Antragsteller oder Antragsgegner diese Verfahrensstellung besitzt oder als sonst Betroffener erhält. D a s formelle Recht, im Verfahren gehört zu werden, vermittelt nur dann auch die Rechtsstellung als Beteiligter, wenn dem materiell ein rechtlich geschütztes Interesse zugrunde liegt. D a s entspricht der Rechtslage bei der verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis ( § 4 2 A b s . 2 V w G O ) , die durch ein bloß formelles Beteiligtsein an dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren nicht begründet wird 1 . Dementsprechend ist nicht Beteiligter, wer nur als Sachverständiger oder wegen seines Sachverstandes gehört worden ist. E b e n s o sind mitwirkungsberechtigte Behörden (dazu unten unter § 40 III) nicht Beteiligte. Ist jedoch ein anderer Verwaltungsträger befugt, an dem Verfahren mitzuwirken oder sich in ihm zu äußern, ist dieser Beteiligter, wenn er dadurch die Gelegenheit erhalten soll, eine eigene Rechtsposition geltend zu machen; so z . B . die Gemeinden, die wegen ihrer Planungshoheit an einem Baugenehmigungsverfahren mitwirken ( § § 3 1 , 36 A b s . 1 B B a u G ) oder in ein Planfeststellungsverfahren einbezogen sind 2 . Die Festlegung des Kreises der Beteiligten ist wegen der mit dieser Stellung verbundenen verfahrensrechtlichen Rechte, z. B . Recht auf G e h ö r , Akteneinsicht, Zustellung der Entscheidung, von wesentlicher Bedeutung. Sie ist Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dient aber auch dem öffentlichen Interesse an einer sachgerechten Entscheidungsvorbereitung. D i e Behörde muß diejenigen, deren rechtlich geschützte Interessen durch das Verwaltungsverfahren berührt werden können, z. B . die betroffenen Nachbarn des Bauherrn bei einem Baugenehmigungsverfahren, die vorhandenen Unternehmer bei der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung eines Linienverkehrs (§ 14 A b s . 1 N r . 2 lit. a P e r s B e f G ) , bei der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens ermitteln. D i e Betroffenen haben einen Anspruch auf Beteiligung; derjenige dessen rechtlich geschützte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, kann die Beteiligung durch Klage auf einzelne Beteiligungshandlungen erstreiten (Verpflichtungsklage, § 123 V w G O ) 3 . Die 1
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BVerwG DVB1. 1960, 286; BVerwG VerwRspr. 17, 270; OVG Hamburg DVB1. 1963, 784; OVG Münster DVB1. 1967, 203. BVerwG DVBl. 1966, 177 und 181; BVerwGE 31, 263; BVerwG DÖV 1970, 387; BVerwG DVBl. 1973 , 448. Siehe § 44a S. 2 VwGO in der Fass, des § 97 Nr. 2 VwVfG.
§40
Das Verwaltungsverfahren
II 1
Beteiligten und die zu Unrecht nicht beteiligten Betroffenen, ζ. B. beim Verwaltungsakt mit Drittwirkung 4 , können die Entscheidung anfechten. Ein Beteiligter kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 14 VwVfG). Werden in einem Verwaltungsverfahren Anträge oder Eingaben von mehr als 50 Personen auf Unterschriftslisten unterzeichnet oder in Form vervielfältigter gleichlautender Texte eingereicht (gleichförmige Eingaben) oder sind an einem Verwaltungsverfahren mehr als 50 Personen im gleichen Interesse beteiligt, ohne vertreten zu sein, kommt nach den neuartigen Bestimmungen der §§ 17 ff. VwVfG die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters in Betracht, sei es seitens der Antragsteller oder Beteiligten, sei es kraft einer Vertretungsfiktion, sei es durch Bestellung von Amts wegen. Die Vertretungsmacht dieses „Vertreters", der an Weisungen der Vertretenen nicht gebunden ist (§ 19 Abs. 1 S. 2 VwVfG), kann durch die einzelnen Vertretenen durch Erklärung zum Erlöschen gebracht werden. Es wird abzuwarten sein, ob das mit diesen Regelungen angestrebte Ziel einer Vereinfachung oder — bei Beteiligten gleichen Interesses — Sicherung der ordnungsmäßigen Durchführung des Verwaltungsverfahrens im Fall der „Massenverfahren" erreicht werden kann.
II. Die Verfahrensgrundsätze Bei der Ausgestaltung der Grundsätze des Verwaltungsverfahrens wirken das öffentliche Interesse an einer zuverlässigen und raschen Ermitdung der Entscheidungsgrundlagen und die rechtsstaatliche Leitlinie, die Rechte der Betroffenen durch eine zur Rechtswahrung hinreichende verfahrensrechtliche Rechtsstellung zu sichern und andererseits die Beteiligten und Dritte nur nach dem Maß des Verhältnismäßigen und Zumutbaren zur Mitwirkung am Verfahren zu verpflichten, zusammen 5 . 1. Untersuchungsgrundsatz,
Mitwirkungspflicht
der
Beteiligten
Die Exekutive erfüllt die ihr zugewiesenen Verwaltungsaufgaben, gleichgültig ob sie von Amts wegen oder auf Antrag tätig wird, im öffentlichen Interesse. Dem entspricht der das Verwaltungsverfahren beherrschende Untersuchungsgrundsatz: Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeut-
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Badura, Wirtschafaverfassung und Wirtschaftsverwaltung, 1971, S. 120ff. Mayer, BayVerwBl. 60, 332; Ule/Becker, Verwaltungsverfahren im Rechtsstaat, 1964, S. 28 ff. ; Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, 1971; Wolff, VwR III, § 156 IV. 289
19
Allgemeines Verwaltungsrecht
§40
112
Peter Badura
samen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 24 Abs. 1 und 2 VwVfG; vgl. auch § 88 Abs. 1 AbgO, § 150 Abs. 1 Satz 1 BBauG) 6 . Die Herrschaft des Untersuchungsgrundsatzes schließt es nicht aus, daß auch die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und insbes. die ihnen bekannten Tatsachen und Beweismittel angeben sollen (vgl. § 26 Abs. 2 VwVfG) 7 . Dies ist, strenggenommen, nur eine verfahrensrechtliche Obliegenheit (Last); denn eine Pflicht der Beteiligten zum persönlichen Erscheinen, zur Aussage und zur Vorlage von Urkunden und sonstigen Schriftstücken besteht nur kraft besonderer gesetzlicher Regelung, wie z. B. in § 22 GaststG, § 150 Abs. 2 BBauG, §§ 93ff. AbgO. Die Verletzung dieser Obliegenheit kann etwa in einem Schadensersatzprozeß ein mitwirkendes Verschulden des Beteiligten begründen 8 . 2.
Beweisaufnahme
Die Behörde bestimmt, nach der Richtlinie des Untersuchungsgrundsatzes, nach ihrem verfahrensgestaltenden Ermessen über den Umfang der Beweisaufnahme und die heranzuziehenden Beweismittel. Sie ist befugt, Beteiligte anzuhören und Zeugen und Sachverständige zu vernehmen oder von ihnen schriftliche Äußerungen einzuholen. Eine Pflicht der Beteiligten sowie von Zeugen und Sachverständigen, zu erscheinen und sich zu äußern, besteht jedoch nur kraft besonderer gesetzlicher Anordnung; so sieht z . B . § 65 VwVfG vor, daß im förmlichen Verwaltungsverfahren Zeugen zur Aussage und Sachverständige zur Erstattung von Gutachten verpflichtet sind. Die Abnahme des Eides, die das geltende Recht der Behörde nur ganz vereinzelt zugesteht (z. B. § 167 BBG), ist im VwVfG nicht vorgesehen 9 ; die Versicherung an Eides statt kann nur kraft besonderer gesetzlicher Regelung verlangt werden. Das verfahrensgestaltende Ermessen der Behörde hinsichtlich der Durchführung der Beweisaufnahme kann für bestimmte Verfahren in einzelnen Punkten beschränkt sein. Beispielsweise schreibt § 67 VwVfG für das förmliche Verwaltungsverfahren grundsätzlich eine mündliche Verhandlung vor. Nicht selten ist die Behörde durch Rechtsvorschriften verpflichtet, Sachverständige zu hören 10 . Der Untersuchungsgrundsatz schließt die Geltung einer formellen Beweislast im Verwaltungsverfahren aus. Die Beteiligten unterliegen also nicht einer mit ver6
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Pestalozza, in: Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren, 1977, S. 185. - Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren siehe § 86 Abs. 1 V w G O . Haueisen, N J W 1966, 764. B G H DVB1. 1964, 146. Dazu die Begründung zum EVwVfG 1973, BT-Drucks. 7/910, S. 50. - Im förmlichen Verwaltungsverfahren kann die Behörde eine eidliche Vernehmung durch das Gericht herbeiführen (§ 65 Abs. 3 bis 5 VwVfG). Fröhler, Rechtsprobleme technischer Begutachtungen (insbes. im Rahmen von Verwaltungsverfahren), 1971.
Das Verwaltungsverfahren
§40
113
fahrensrechtlichen Rechtsfolgen bewehrten Behauptungs- oder Beweisführungslast. Auch im Verwaltungsverfahren gelten jedoch die Grundsätze der materiellen Beweislast. Ist ein für die Entscheidung erheblicher Umstand mit den gegebenen Mitteln nicht aufklärbar (non liquet), kann die Regelung mangels einer Voraussetzung nicht getroffen werden, so daß die Beweislast beim belastenden Verwaltungsakt der Behörde, beim begünstigenden Verwaltungsakt dem Antragsteller zufällt. Ist der Sachverhalt wegen ungenügender Beweisaufnahme unrichtig ermittelt, ist die Entscheidung fehlerhaft11; es kann darin auch eine Amtspflichtverletzung liegen12. 3. Das Recht auf
Gehör
Die Behörde übt im Verwaltungsverfahren die ihr zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse aus und wirkt mit der Entscheidung belastend oder begünstigend auf rechtlich geschützte Interessen der Beteiligten ein. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen folgt aus dieser Zielsetzung des Verwaltungsverfahrens, daß die Beteiligten ihre Rechte im Verfahren in der Weise geltend machen können, daß ihnen in dem gebotenen und möglichen Maß Gelegenheit gegeben wird, sich zu dem Verfahren, dem Gegenstand des Verfahrens, der zu treffenden Entscheidung und ihren tatsächlichen Grundlagen sowie zu den erheblichen rechtlichen Gesichtspunkten und den für eine in Betracht kommende Ermessensabwägung maßgeblichen Umständen zu äußern (Grundsatz des rechtlichen Gehörs) 13 . Die materielle Betroffenheit der Beteiligten ist der Grund und der Maßstab für das Recht auf Gehör. Das Recht auf Gehör ist im übrigen auch „unverzichtbarer Bestandteil eines rechtlich geordneten Verfahrens" 14 . Es ist allerdings, anders als das rechtliche Gehör vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG), nicht auch als Grundrecht gewährleistet15. Das Recht auf Gehör besteht nach Maßgabe des zur Rechtswahrung Gebotenen. Soweit nicht besondere Rechtsvorschriften bestehen, bestimmt sich die Art und Weise, in der rechtliches Gehör zu gewähren ist, nach der Eigenart des jeweiligen Verwaltungshandelns. Grundsätzlich ist es ausreichend, wenn der Beteiligte Gelegenheit erhält, sich schriftlich zu äußern16. Unter Umständen, ζ. B. wenn aus
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Dieser Fehler hat allerdings eine verwaltungsgerichtliche Aufhebung des Verwaltungsaktes nur zur Folge, wenn die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung eine sachliche Unrichtigkeit des Verwaltungsaktes ergibt. BGH VerwRspr. 18, 447. Forsthoff, VwR, S. 235f.; König, DVB1. 1959, 189; Röhl, NJW 1964, 274; Ule/Becker, (Fn. 5) S. 37ff.; Lerche, ZZP 78 (1965), 1, 25ff.; Ule, VerwArch. 62 (1971), 114, 128f. - BVerwG DVB1. 1965, 26, 28; BVerwGE 49, 348; BayVGHE 4, 164; OVG Lüneburg DVB1. 1973, 505. Forsthoff, VwR, S. 228. BayVerfGH BayVerwBl. 1973, 71. BVerwGE 20, 160, 166; BVerwG DVB1. 1968, 430; BayVGH BayVerwBl. 1964, 24. 291
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§ 4 0 114
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besonderen Gründen des öffentlichen Interesses eine sofortige Entscheidung oder sonst eine Entscheidung ohne vorgängige Anhörung geboten ist, kann das Recht auf Gehör beschränkt sein (vgl. § 28 VwVfG). Das VwVfG hat das rechtliche Gehör zwar als einen verfahrensrechtlichen Anspruch ausgestaltet 17 , diesen Anspruch jedoch — außerhalb des förmlichen Verfahrens (vgl. § 66 VwVfG) — dahin eingeengt, daß er für den Erlaß von Verwaltungsakten gelte, die in Rechte eines Beteiligten „eingreifen", und daß er sich nur auf die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen beziehe (§ 28 VwVfG). Das ist nicht einleuchtend. Auch wenn die Entscheidung erst eine Rechtsposition gewähren soll, also im engeren Sinn nicht in bestehende Rechte „eingreift" 1 8 , trifft sie eine Regelung der rechtlich geschützten Interessen der Beteiligten, indem sie etwa über eine Erlaubnis oder eine Leistungsbewilligung : entscheidet ; auch insoweit müssen die Beteiligten ihre Rechte im Verfahren geltend machen können. Das Recht, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern, stellt das rechtsstaatliche Minimum dar, wird aber für die hinreichende Rechtswahrung häufig nicht ausreichend sein. Die Verletzung des Rechts auf Gehör ist ein Verfahrensfehler. Der Fehler kann durch Nachholung der erforderlichen Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt werden (vgl. §45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlaß des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung versäumt worden, gilt die Fristversäumnis als nicht verschuldet (§ 45 Abs. 3 VwVfG). 4.
Akteneinsicht
Eine der umstrittensten Fragen des Verwaltungsverfahrensrechts ist, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang den Beteiligten Einsicht in die von der Behörde über das Verwaltungsverfahren geführten Akten zu geben ist 19 . Die Einsicht, daß eine wirksame Ausübung des Rechts auf Gehör bis zu einem gewissen Grade durch die Kenntnis der in dem Verfahren anfallenden Behördenakten bedingt ist, muß zu dem Grundsatz führen, daß den Beteiligten insoweit ein Recht auf Akteneinsicht zusteht, als die Kenntnis der Akten für die Wahrung ihrer Rechte in dem Verfahren erforderlich ist; dieses Recht kann nur durch besondere Gründe des öffentlichen Interesses und den Schutz der Rechte Dritter beschränkt sein. Der Musterentwurf (EVwVfG 1963) und die Regierungsvorlage der 6. Wahlperiode (EVwVfG 1970) hatten in einer knappen Bestimmung den geltenden Rechtszustand wiedergegeben. Danach bestand ein Recht auf Akteneinsicht nur 17
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Die früheren Entwürfe hatten nur eine Sollvorschrift vorgesehen (§ 21 E V w V f G 1963, § 2 1 E V w V f G 1970). - Schickedanz, 2 R P 1975, 182. Vgl. die Begründung zu § 2 4 Abs. 1 E V w V f G 1973, BT-Drucks. 7/610, S. 51. von Köhler, N J W 1956, 2460; Wiethaupt, M D R 1958, 474; Rasch/Patzig, Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren, 1962, S. 2 3 f f . ; Haueisen, N J W 1967, 2291.
Das Verwaltungsverfahren
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kraft besonderer Rechtsvorschrift und entschied im übrigen die Behörde nach Ermessen, ob und in welchem U m f a n g sie einem Beteiligten, wenn er ein berechtigtes Interesse nachweist, Akteneinsicht gewährte 2 0 . Bei der Ermessensentscheidung hatte die Behörde allerdings das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung des Akteninhalts gegen das Interesse des Akteneinsicht Begehrenden abzuwägen, so daß das Ermessen der Behörde jedenfalls insoweit zugunsten der Beteiligten gebunden war, als dessen Unterrichtung zur Wahrung seiner Rechte notwendig war 2 1 . Da demnach die Akteneinsicht nur aus besonderen Gründen verweigert werden konnte, bedeutete der vor Inkrafttreten des V w V f G geltende Rechtszustand praktisch nur ein im Einzelfall beschränkbares Recht auf Akteneinsicht. Dieses Recht umfaßt vor allem Schriftsätze anderer Beteiligter, Niederschriften über Beweisaufnahmen, Sachverständigengutachten sowie Äußerungen anhörungsberechtigter Dritter und mitwirkungsberechtigter Behörden; es schließt die Befugnis ein, auf eigene Kosten Abschriften oder Kopien zu nehmen. Auch Aktennotizen unterliegen gegebenenfalls dem Einsichtsrecht, nicht jedoch Entwürfe zu Entscheidungen und vorbereitende Aufzeichnungen. Uber die Einsicht in beigezogene Akten entscheidet die diese Akten führende Behörde. Das VwVfG hat die fragliche Vorschrift unter Berücksichtigung der an den früheren Entwürfen geübten Kritik 2 2 und nach dem Vorbild des § 1 7 österr. Allgem. Verwaltungsverfahrensgesetz auf der Grundlage des Prinzips der „beschränkten Aktenöffentlichkeit" ganz umgestaltet und stark erweitert (§ 29 VwVfG). Den Beteiligten wird nunmehr ausdrücklich das Recht auf Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zugesprochen, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Die Akteneinsicht ist nur ausgeschlossen, soweit durch sie die ordnungsmäßige Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheimgehalten werden müssen. Im Verwaltungsstreitverfahren haben die Beteiligten das Recht, die beigezogenen Verwaltungsakten, zu deren Vorlage die Behörde grundsätzlich verpflichtet ist, einzusehen (§§99, lOOVwGO). Ein besonderer Fall des Rechts auf Akteneinsicht außerhalb eines Verwaltungsverfahrens ist das seit jeher bestehende Recht des Beamten auf Einsicht in seine vollständigen Personalakten (§ 56 BRRG) 2 3 . Nach der bis vor kurzem nahezu unangefochtenen Rechtsauffassung erstreckte sich dieses Einsichtsrecht nicht auf 20
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BVerwGE 12, 296; 30, 154; HessVGH JZ 1965, 319 mit Anm. Dagtoglou; OVG Münster OVGE 14, 199; OVG Münster JZ 1966, 77. BayVGHE 22, 91; 23, 56. Die genannte Regel wird hier allerdings auf eine vorhandene Verwaltungsvorschrift gestützt. Siehe ζ. B. Ule/Becker (Fn. 5) S. 41ff.; Spanner, JZ 1970, 671, 672. BVerwGE 36, 134; BVerwG JZ 1975,. 731. 293
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Peter Badura
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die getrennt von den Personalakten aufbewahrten Prüfungsakten; diese brauchten von der B e h ö r d e auch nicht in einem Verwaltungsprozeß über die Prüfungsentscheidung vorgelegt zu werden, weil sie „ i h r e m Wesen n a c h " geheim seien (§ 9 9 A b s . 1 S. 2 V w G O ) 2 4 . Diese Rechtsansicht ist seit einiger Zeit in den Prüfungsvorschriften und zunehmend in der gerichtlichen Praxis aufgegeben w o r d e n 2 5 .
5. Auskunfts-
und
Beratungspflicht
der
Behörde
E i n e allgemeine Auskunfts- und Beratungspflicht der B e h ö r d e besteht nicht, auch nicht gegenüber den Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens 2 6 . Es gehört aber zu den Grundsätzen eines ordnungsmäßigen Verfahrens, daß die B e h ö r d e antrage mit dem Antragsteller erörtert, auf sachgemäße Anträge hinwirkt und ihm die erforderlichen W e g e ebnet (vgl. § 2 5 V w V f G ; siehe auch oben unter § 39 I I ) 2 7 . Eine derartige durch besondere U m s t ä n d e gebotene Aufklärungs- und Beratungspflicht besteht besonders gegenüber rechts- und behördenunkundigen Beteiligten. Ein solcher besonderer Umstand ist es, wenn ein Beteiligter erkennbar M a ß nahmen beabsichtigt, die für ihn nachteilige Folgen haben oder zumindest mit dem R i s i k o des Eintretens solcher Folgen behaftet sind. „ D e r B e a m t e hat Helfer des Staatsbürgers zu s e i n " 2 8 . D i e Verletzung einer danach bestehenden Beratungsoder Aufklärungspflicht kann zur Amtshaftung führen. Das Sozialgesetzbuch hat jetzt einen Anspruch auf Beratung über die R e c h t e und Pflichten nach diesem G e s e t z und auf Auskünfte über „alle sozialen Angelegenheiten nach diesem G e s e t z b u c h " begründet (§§ 14, 1 5 S G B — Allgem. Teil —). Sofern ein Rat oder eine Auskunft gegeben wird, m u ß die Erklärung richtig, klar, unmißverständlich und vollständig sein, auch wenn eine Rechtspflicht zu dem Rat oder der Auskunft nicht bestanden hatte. Auch insoweit trifft den Beamten eine Pflicht, deren Verletzung eine Amtshaftung zur Folge haben k a n n 2 9 .
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BVerwGE 7, 153; 14, 31; HessVGH JZ 1964, 763. B F H BStBl. 1967 III S. 579; OVG RhPf. JZ 1968, 562; OVG Lüneburg NJW 1973, 638; OVG Münster J Z 1973, 242 mit Anm. Erichsen. HessVGH DÖV 1962, 757; OVG Lüneburg DVB1. 1967, 859; OVG Münster OVGE 23, 388; BadWürttVGH JuS 1977, 771; Beinhardt, DÖV 1965, 480; Klinger, Rat und Beratung in der deutschen öffentlichen Verwaltung, 1965; Pipkorn, DÖV 1970, 171; Krieger, Das Recht des Bürgers auf behördliche Auskunft, 1972; Merten, VSSR 1 (1973), 66. BVerwG DVB1. 1963, 777; OVG Lüneburg BB 1960, 643. BGH J Z 1971, 227. - Zur behördlichen „Betreuungspflicht": BVerwGE 20, 136; 26, 201; 30, 46. BGH VerwRspr. 16, 887; BGH DVB1. 1965, 479; BGH DVB1. 1970, 861; BGH DVBl. 1977, 576; BayVGHE 20, 120. — Eine unzutreffende Auskunft kann hinsichtlich der dadurch entstandenen Rechtsnachteile, z. B. Fristversäumnis, zu einem Folgenbeseitigungsanspruch führen (BVerwGE 38, 336; BSG DVBl. 1973, 793; Haueisen, 1973 , 739).
§40
Das Verwaltungsverfahren
116
D u r c h eine A u s k u n f t berät die Behörde den Bürger durch Mitteilung tatsächlicher Umstände oder rechtlicher Beurteilungen, ohne damit eine als bindend gewollte Erklärung über ihr zukünftiges Verhalten abzugeben, so daß der Beratene aus der Auskunft grundsätzlich keinen Anspruch auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln herleiten k a n n ; darin liegt der Unterschied der Auskunft von der 7.usage30. 6. Grundsätze
der
Rechtsanwendung
Die gesamte Tätigkeit der Behörde im Verwaltungsverfahren muß an dem Ziel ausgerichtet sein, aufgrund einer zutreffenden rechtlichen Würdigung des ordnungsmäßig und vollständig festgestellten Sachverhalts zu einer rechtsbeständigen Entscheidung zu gelangen. Welche G r ü n d e die Rechtsbeständigkeit der Entscheidung in Frage stellen, also deren Anfechtbarkeit (Aufhebbarkeit) oder Nichtigkeit zur Folge haben, ist Gegenstand der Grundsätze über den fehlerhaften Verwaltungsakt. Ein wesentlicher G r u n d für die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes ist die unrichtige Rechtsanwendung durch die Behörde, sei es daß die Behörde ohne hinreichende Rechtsgrundlage oder sonst aufgrund einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts gehandelt, sei es daß sie die Richtlinien und G r u n d s ä t z e eines ihr eingeräumten Ermessens verletzt hat. D i e Ermittlung des für die Entscheidung maßgeblichen Rechts ist somit eine grundlegende Pflicht der Behörde im Verwaltungsverfahren. D e r spezifische Auftrag der Exekutive im Gesamtzusammenhang der Staatsfunktionen, vor allem ihre Bindung an die parlamentarische Rechtsetzung, k o m m t in dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung z u m A u s d r u c k . D i e Behörde darf ein entscheidungserhebliches G e s e t z nicht unangewendet lassen, weil es nach ihrer Meinung verfassungswidrig sei. Gegebenenfalls ist eine Weisung der höheren Behörde, äußerstenfalls der obersten Landes- b z w . Bundesbehörde einzuholen, die, wenn sie das Gesetz für unwirksam hält, die Entscheidung der Landes- b z w . Bundesregierung über einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht (Art. 93 A b s . 1 N r . 2 G G ) oder, bei Verletzung der Landesverfassung, beim Landesverfassungsgericht, herbeizuführen h a t 3 1 . Soweit das Gesetz es zuläßt, ist das Verwaltungsverfahren auszusetzen, wenn ernste Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes erhoben werden k ö n n e n 3 2 . Handelt es sich um die Wirksamkeit einer 30
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BVerwG DVBl. 1964, 277; BVerwG DVB1. 1966, 857; BayVGHE 20, 126; O V G Münster OVGE 18, 281; OVG RhPf. VerwRspr. 18, 325; Obermayer, NJW 1962, 1465; Monreal, Auskünfte und Zusagen von Finanzbehörden, 1967. Die Frage eines „Prüfungsrechts" der Exekutive gegenüber dem Gesetz ist in den Argumentationsgrundlagen und in den Einzelheiten umstritten. — Hoffmann, J Z 1961, 193; Menger, VerwArch. 52 (1961), 305ff.; Bacbof, AöR 87 (1962), 1; Hall, DÖV 1965, 553; Kabisch, Prüfung formeller Gesetze im Bereich der Exekutive, 1967; Ossenbiihl, Verwaltung 2 (1969), 393; Pietzker, AöR 101, 1976, S. 374. BVerfGE 12, 180 betr. Aussetzung der Beitreibung einer Abgabe. 295
§40
III
Peter Badura
Verordnung, Satzung oder Verwaltungsvorschrift, sind die Geltungszweifel auf dem Dienstweg zur Prüfung durch das Organ zu bringen, das die fragliche Rechtsvorschrift erlassen hat. Findet das Verwaltungsverfahren vor der Behörde eines rechtsfähigen Verwaltungsträgers statt, ist, sofern es sich nicht um eine Satzung oder sonstige Rechtsvorschrift des Verwaltungsträgers selbst handelt, die zur Rechtsaufsicht zuständige Behörde anzurufen. Der Beamte trägt für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung; dieser beamtenrechtlichen Pflicht kann er auch unter Berufung auf seine Gehorsamspflicht gegenüber dienstlichen Anordnungen (§ 37 B R R G ) nicht entgehen und in den Fällen, wo das ihm aufgetragene Verhalten strafbar und die Strafbarkeit für ihn erkennbar ist oder das ihm aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt, selbst im Wege der Remonstration nicht ausweichen (§38 B R R G ) . Die von dem Beamten bei der Ermittlung und Anwendung des für die Entscheidung maßgeblichen Rechts aufzuwendende Sorgfalt ist eine ihm den Beteiligten gegenüber obliegende Amtspflicht im Sinne des Amtshaftungsrechts. Der Erlaß einer rechtswidrigen Entscheidung stellt eine fahrlässige Verletzung dieser Sorgfaltspflicht dar, wenn der Beamte sich über einen klaren, bestimmten und völlig eindeutigen Wortlaut des Gesetzes hinweggesetzt hat oder, bei einer durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht klargestellten, zweifelhaften Rechtsfrage, nicht die ihm vernünftigerweise erreichbaren Hilfsmittel, wie Kommentare, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Gerichtsentscheidungen, ausgeschöpft hat 3 3 . Die höchstrichterliche Rechtsprechung ist ein wesentlicher Anhaltspunkt für die Beurteilung einer zweifelhaften Rechtslage, bindet aber den Beamten im Sinne des Amtshaftungsrechts nicht unbedingt, so daß er beim Vorliegen beachtlicher Gegengründe auch abweichend entscheiden darf 3 4 . Die Mißachtung von Ausführungsbestimmungen oder sonstigen Verwaltungsanordnungen zur Rechtsanwendung ist pflichtwidrig.
III. Die Mitwirkung anderer Behörden oder Verwaltungsträger Die Zuständigkeitsordnung legt fest, welche Behörde jeweils in einer Verwaltungsangelegenheit das Verfahren durchzuführen und die Entscheidung zu treffen hat. Neben der entscheidungszuständigen Behörde wirken kraft besonderer Rechtsvorschriften in zahlreichen Fällen an dem Verwaltungsverfahren andere Behörden oder Verwaltungsträger mit, deren Zuständigkeit oder Rechtsstellung berührt wird oder deren Sachkunde herangezogen werden soll. Die Rechtsposition der mitwirkungsberechtigten Behörden oder Verwaltungsträger in dem Verwal-
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Β G H Z 30, 19; Bender, Staatshaftungsrecht, 1971, Rdnr. 195, 255. Ossenbiihl, Die Bindung der Verwaltung an die höchstrichterliche Rechtsprechung, AöR 92 (1968), 478.
Das Verwaltungsverfahren
§40
III
tungsverfahren ist je nach dem Zweck der Mitwirkungsbefugnis und je nach der Ausgestaltung des mitwirkenden Einflusses unterschiedlich35. Rechtsvorschriften, welche die Mitwirkung anderer Behörden oder Verwaltungsträger vorschreiben, sind verfahrensrechtliche Regelungen; sie stellen für die entscheidungszuständige Behörde das formelle Erfordernis auf, die Mitwirkung der mitwirkungsberechtigten Stellen herbeizuführen. Der verfahrensrechtlichen Position der mitwirkungsberechtigten Stelle, besonders wenn diese ein rechtsfähiger Verwaltungsträger, ζ. B. eine kommunale Gebietskörperschaft, ist, liegt nicht selten ein eigenes rechtlich geschütztes Interesse zugrunde. In diesem Fall ist das Mitwirkungsrecht tatsächlich eine Beteiligung an dem Verwaltungsverfahren (siehe oben unter § 38 I). Danach, ob die entscheidungszuständige Behörde an den Mitwirkungsakt gebunden ist oder nicht, ist zwischen einem bestimmenden und einem nur beratenden Einfluß der mitwirkungsberechtigten Stelle zu unterscheiden. Das Gesetz drückt den bestimmenden Einfluß in der Regel dadurch aus, daß es die Entscheidung von der „Zustimmung" der anderen Stelle abhängig macht 36 oder ausspricht, daß die Entscheidung „im Einvernehmen" mit der anderen Stelle zu ergehen habe 37 . Die fragliche Entscheidung kann in diesen Fällen nur erlassen werden, wenn Zustimmung der oder Einvernehmen mit der mitwirkungsberechtigten Stelle vorliegen. Da aber auch hier nur eine einheitliche Entscheidung, wenn auch nicht allein aufgrund des Willens der entscheidungszuständigen Behörde, erlassen wird, ist es mißverständlich, diese als „gemeinsamen" oder „mehrstufigen" Verwaltungsakt zu bezeichnen38. Den beratenden Einfluß drückt das Gesetz in der Regel dadurch aus, daß es die „Anhörung" einer anderen Stelle vorschreibt39 oder verlangt, daß die Entscheidung „im Benehmen" mit der anderen Stelle zu treffen sei 40 . Bei dieser Art der Mitwirkung ist die mitwirkungsberechtigte Stelle gutachtlich, zur Interessenwahrung oder wegen Berührung ihrer Zuständigkeit zu hören, ohne daß die Stellungnahme bindend wäre. In der Entscheidung kann 35
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Heinze, DÖV 1967, 33; Mengerl Erich sen, VerwArch. 58 (1967), 74ff.; Wolff/ Bacbof, V w R I , § 46 V c 2 ; dies., VwR II, § 7 7 V . Die Literatur vor 1963 ist durch die Entwicklung der Rechtsprechung teilweise überholt: Friauf, DÖV 1961, 666; Heinze, VerwArch. 52 (1961), 159, 275; Schuegraf, DVB1. 1961, 654; Frischmann/Weingart, DÖV 1962, 731. Beispiel: Genehmigung von Bauführungen im äußeren Schutzstreifen der Bundesfernstraßen nur mit Zustimmung der obersten Landesstraßenbaubehörde (§ 9 Abs. 2 FStG). Beispiel: Genehmigung von Bauvorhaben unter Zulassung von Ausnahmen oder Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes oder im Außenbereich nur im Einvernehmen mit der Gemeinde (§§31, 36 Abs. 1 BBauG). Vgl. Schuegraf, NJW 1966, 177. Beispiel: „Anhörverfahren" vor Entscheidung über den Antrag auf eine personenbeförderungsrechtliche Genehmigung (§ 14 PBefG). Beispiel: Festsetzung der Ortsdurchfahrt durch die oberste Landesstraßenbaubehörde im Benehmen mit der höheren Verwaltungsbehörde und nach Anhörung der Gemeinde (§ 5 Abs. 4 S. 4 FStrG). 297
§ 4 0
III
Peter Badura
demnach von der Äußerung der anderen Stelle aus sachlichen Gründen abgewichen werden 41 . Bei Verwaltungsverfahren zum Erlaß begünstigender Verwaltungsakte ist die Frage von praktischer Bedeutung, ob der Mitwirkungsakt ein Verwaltungsakt ist, ob also der Antragsteller den Mitwirkungsakt, wenn die von ihm beantragte Entscheidung deswegen abgelehnt worden ist, weil die mitwirkungsberechtigte Stelle die Zustimmung etc. versagt hat, selbständig verwaltungsgerichtlich anfechten kann. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Erfordernis der Zustimmung der Landesstraßenbaubehörde gemäß § 9 Abs. 2 BFernStrG 42 , die für andere vergleichbare Fälle fortgesetzt worden ist 43 , hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß diese Mitwirkungsakte grundsätzlich keine unmittelbar wirkenden Regelungen zu Lasten des Betroffenen und deshalb mangels „Außenwirkung" keine Verwaltungsakte sind. Das den Verfahrensgegenstand bildende Rechtsverhältnis, aus dem der Antragsteller den Anspruch auf die ihn begünstigende Entscheidung ableitet, ist einheitlich und nur zweiseitig; es gibt nur den einen unteilbaren Anspruch, über den die entscheidungszuständige Behörde zu befinden hat. Auch wenn der erstrebte Verwaltungsakt nur deshalb abgelehnt worden ist, weil die mitwirkungsberechtigte Behörde die Zustimmung versagt hat, hat der Antragsteller nicht Anfechtungsklage wegen der versagten Zustimmung, sondern nur Verpflichtungsklage wegen der abgelehnten Begünstigung zu erheben, erhält also Rechtsschutz in einem einzigen Rechtsstreit gegen die entscheidungszuständige Behörde. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist der Anspruch auf den begünstigenden Verwaltungsakt, über dessen Bestehen das Gericht auch insoweit entscheidet, als einzelne Anspruchsvoraussetzungen von der mitwirkungsberechtigten Behörde bestimmend zu beurteilen waren, so daß das Gericht implizit auch über die Rechtmäßigkeit des Mitwirkungsaktes befindet. Nur wenn die mitwirkungsberechtigte Stelle den Mitwirkungsakt zu Unrecht dem Betroffenen als Bescheid eröffnet, ist die Anfechtungsklage statthaft, die ohne sachliche Prüfung allein deswegen erfolgreich sein muß, weil die Mitwirkungsregelung zu einem derartigen Verwaltungsakt nicht ermächtigt 44 . Von dieser Rechtslage ist auch dann auszugehen, wenn die mitwirkungsberechtigte Stelle ein rechtsfähiger Verwaltungsträger ist. Wenn deshalb beispielsweise die 41 42
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O V G Münster D Ö V 1958, 716. B V e r w G E 16, 1 1 6 (dazu Haug, JuS 1965, 134; abl. Menger, V e r w A r c h . 55 (1964), 175); 19, 238. Vorher bereits: O V G Lüneburg, O V G E 11, 404 (Anm. Obermayer, DVB1. 1958, 140); anders dagegen: H a m b O V G M D R 1959, 522; O V G Münster O V G E 17, 254 (aufgegeben in O V G E 19, 285). B V e r w G E 18, 333 (Zustimmung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft zur Erteilung eines Warenbegleitscheins im Interzonenhandel) ; B V e r w G E 21, 354 (Zustimmung der Luftfahrtbehörde gem. § 12 Abs. 2 L u f t V G ) ; 26, 31 und 32, 148, 1 5 4 f f . (Zulassung einer Ausnahme von der laufbahnrechtl. Mindestbewährungszeit durch den Bundespersonalausschuß bei der Beamtenernennung). B V e r w G N J W 1969, 444 (gegen B V e r w G E 16, 116, 127); BadWürtt V G H DVB1. 1967, 205.
Das Verwaltungsverfahren
§40
IV
Gemeinde in einem Baugenehmigungsverfahren ihr Einvernehmen nicht erklärt ( § § 3 1 , 3 6 A b s . 1 B B a u G ) und die Baugenehmigungsbehörde aus diesem G r u n d e die Baugenehmigung versagt, kann der Antragsteller dagegen Rechtsschutz nur durch eine Verpflichtungsklage gegen die Baugenehmigungsbehörde suchen 4 5 . Die Baugenehmigungsbehörde ist im übrigen an die Versagung des Einvernehmens durch die Gemeinde auch dann gebunden, wenn sie diese für rechtswidrig hält, unbeschadet der Möglichkeit, das Einvernehmen der Gemeinde bei rechtswidriger Versagung im Wege der Rechtsaufsicht zu ersetzen 4 6 . Die Erteilung der Baugenehmigung trotz fehlenden oder versagten Einvernehmens der Gemeinde leidet an einem Verfahrensfehler, der bei Anfechtungsklage der Gemeinde gegen die Baugenehmigung zu deren A u f h e b u n g führen m u ß ; denn dieser Mangel ist im Hinblick auf die Planungshoheit der Gemeinde erheblich ( § 4 6 V w V f G ) . Führt die Behörde eine vorgeschriebene bestimmende oder beratende Mitwirkung einer Behörde oder eines Verwaltungsträgers nicht herbei, ist die gleichwohl erlassene Entscheidung wegen eines Verfahrensmangels fehlerhaft, nicht jedoch nichtig (vgl. § 4 4 A b s . 3 N r . 4 V w V f G ) . D i e erforderliche Mitwirkung kann im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden (vgl. § 45 A b s . 1 N r . 5 V w V f G ) , es sei denn, der Zweck des Mitwirkungserfordernisses kann nur bei einer Mitwirkung vor der Entscheidung erreicht werden 4 7 .
I V . Die A m t s h i l f e Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe (Art. 35 G G ) . Rechtshilfe wird von Gerichten (§§ 156ff. G V G ) und von Verwaltungsbehörden gegenüber Gerichten im Hinblick auf eine Tätigkeit der Rechtspflege geleistet. Amtshilfe ist die im Rahmen der Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung auf Ersuchen einer Behörde geleistete „ergänzende H i l f e " einer anderen Behörde (§ 4 A b s . 1 V w V f G ) 4 8 . Sie dient einer zweckmäßigen und wirtschaftlichen Erledigung von Verwaltungsgeschäften auf der Grundlage der gegebenen Zuständigkeitsordnung und der gegebenen Verteilung der administrativen Aufgaben und Befugnisse. Amtshilfe liegt nicht vor, wenn Behörden 45
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BVerwGE 22, 342; BVerwG DVB1. 1966, 181; BVerwGE 28, 145; O V G RhPf. DVB1. 1964, 538 und 540 (dazu Menger, VerwArch. 56 (1965), 186); O V G Lüneburg OVGE 22, 325. - Schütz, NJW 1963, 2150; W. Schneider, DÖV 1965, 513. BVerwGE 22, 342 und BVerwG DVBl. 1966, 181 (abl. Schrödter, DVB1. 1966, 182; zust. Menger/Erichsen, VerwArch. 57 (1966), 274 und Fromm, BB 1966, 1329) gegen O V G Lüneburg OVGE 22, 325. Die rechtswidrige Versagung des Einvernehmens kann die Gemeinde einem Amtshaftungsanspruch aussetzen (BGH D Ö V 76, 133). BVerwG VerwRspr. 16, 851 (Anhörung der Hauptfürsorgestelle vor der Entlassung eines Schwerbeschädigten). Forsthoff, VwR, §6,1; Wolff/Bachof, VwR II, § 7 7 V I ; Rasch/Patzig (Fn. 19) S. 25ff.; Dreher, Die Amtshilfe, 1959; J.Schmidt, in: Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren, 1977, S. 135. - BVerwGE 38, 336. 299
§41
Peter Badura
I
einander innerhalb eines bestehenden Weisungsverhältnisses Hilfe leisten, z. B . innerhalb eines in sich hierarchisch geordneten Verwaltungszweiges oder aufgrund eines Verhältnisses der Rechts- oder Fachaufsicht, oder wenn die Hilfeleistung in Handlungen besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen, wie z . B . im Falle der Vollzugshilfe der Polizei gegenüber den Ordnungsbehörden (§ 4 Abs. 2 VwVfG). Die bisher nur in verstreuten Einzelbestimmungen spezifizierte verfassungsrechtliche Amtshilfeverpflichtung hat in den §§ 4 ff. V w V f G eine nähere A u s g e staltung durch eine allgemeine Regelung erhalten. D i e ein Verwaltungsverfahren durchführende Behörde will durch ein Ersuchen um Amtshilfe, z. B . um Erteilung einer A u s k u n f t oder um Gewährung v o n Akteneinsicht, das bei ihr anhängige und anhängig bleibende Verfahren in einem Einzelpunkt fördern, weil die eigene Erledigung rechtlich oder tatsächlich unmöglich oder unwirtschaftlich wäre. D u r c h das Ersuchen um und die Gewährung von Amtshilfe werden die kompetenzmäßigen und sachlichrechtlichen Grenzen für das Tätigwerden der ersuchenden und der ersuchten B e h ö r d e nicht verändert; besondere Vertraulichkeits- oder Verschwiegenheitspflichten etwa, z. B. das Steuergeheimnis, bleiben auch gegenüber einem Amtshilfeersuchen bestehen. D i e Verantwortlichkeit für die Rechtmäßigkeit des Verfahrens und der Entscheidung, die durch das Ersuchen gefördert werden sollen, bleibt Sache der ersuchenden Behörde, während die ersuchte Behörde für die Art und Weise der geleisteten Amtshilfe, deren Rechtmäßigkeit sich nach dem für die ersuchte Behörde geltenden Recht richtet, verantwortlich ist (§ 7 V w V f G ) . Dementsprechend darf die ersuchte Behörde die erbetene Amtshilfe nur leisten, wenn diese in ihren Zuständigkeitsbereich fällt und nach den für die ersuchte Behörde maßgeblichen Rechtsvorschriften zulässig ist (§ 5 A b s . 2 V w V f G ) . Die Amtshilfe ist ein verwaltungsinterner Vorgang, in dem sich die Einheit der Verwaltungsfunktion ungeachtet der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, der Trennung der unmittelbaren Staatsverwaltung und der rechtsfähigen Verwaltungsträger und der arbeitsteiligen Zuständigkeitsordnung äußert. Zu dem Erlaß von Verwaltungsakten durch die ersuchte Behörde kann ein Amtshilfeersuchen nur führen, wenn die ersuchte Behörde dazu kraft besonderer gesetzlicher Ermächtigung befugt und der ersuchenden B e h ö r d e gegenüber dazu auch gesetzlich verpflichtet ist.
S 41 Die Entscheidung I. Der Verwaltungsakt als Bescheid Ziel und formeller Abschluß eines Verwaltungsverfahrens ist die Entscheidung über die verfahrensbefangenen Rechte und Pflichten der Beteiligten. D i e Entscheidung ist, abgesehen von dem an anderer Stelle behandelten Abschluß eines verwaltungsrechtlichen Vertrages, ein Verwaltungsakt, der die aus dem konkreten 300
Das Verwaltungsverfahren
§41
I
öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis, das Gegenstand des Verfahrens ist 1 , hervorgehende individuelle Rechtsstellung des oder der Beteiligten feststellend oder gestaltend regelt. Der Verwaltungsakt hat eine verfahrensrechtliche und eine materiellrechtliche Funktion. Als Verfahrenshandlung bringt er ein Verwaltungsverfahren zum Abschluß. Vermöge seiner Wirkung auf die Rechte und rechtlich geschützten Interessen der Beteiligten ist er eine nach dem materiellen Recht zu beurteilende, begünstigende oder belastende Verwaltungshandlung. Im Hinblick auf seine verfahrensrechtliche Funktion kann er „Bescheid"2, im Hinblick auf seine materiellrechtliche Funktion kann er, nach dem Muster des Polizei- und Ordnungsrechts, „Verfügung" genannt werden. Diese Terminologie hat keinen festen Kurswert: „Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet i s t " (§ 35 S. 1 VwVfG). Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß die Eigenart des Verwaltungshandelns eine scharfe Verselbständigung des Verwaltungsverfahrenrechts und der verfahrensrechtlichen Wirkungen des Verwaltungsaktes nicht zuläßt (siehe oben unter § 3 7 1 ) . Der Verwaltungsakt ist ein spezifischer Modus der administrativen Verwirklichung und Konkretisierung des objektiven Rechts, nämlich ein verselbständigter und einer besonderen Bestandskraft fähiger Ausspruch einer Rechtsfolge·*. In der bei Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes eintretenden Bestandskraft zeigt sich der aus der verfassungsstaatlichen Funktion der öffentlichen Verwaltung entspringende, eigene Rechtswert des Verwaltungsaktes. Denn Bestandskraft bedeutet, bezogen auf die im Entscheidungszeitpunkt gegebene Sach- und Rechtslage, die Maßgeblichkeit der durch den Verwaltungsakt bewirkten Regelung gegenüber behaupteten oder bestehenden Fehlern, sofern diese nicht die Unwirksamkeit (Nichtigkeit) des Verwaltungsaktes zur Folge haben. Der Verwaltungsakt, indem er hinkünftig bestimmt, was für die Betroffenen in dem konkreten Rechtsverhältnis rechtens sein soll, verfügt über eine verfahrensrechtlich definierte, aber in erster Linie materiellrechtlich bedeutsame Entscheidungs- und Bindungswirkung. M u ß er im Wege der Verwaltungsvollstreckung gegen den Pflichtigen durchgesetzt werden, gewinnt er überdies nach Maßgabe seiner Bestandskraft die selbständige Bedeutung eines Titels 4 . Auf die Bedeutung des Verwaltungsaktes als grundlegender Handlungsform der Verwaltung ist in § 11 I genauer eingegangen. Abgesehen von den Fällen, wo die Exekutive mündlich, durch Zeichen oder konkludent handelt, tritt der Verwaltungsakt als (schriftlicher) Bescheid in Erscheinung. Juristisch betrachtet ist der Bescheid das Ziel und der Abschluß eines 1 2
3 4
Bachof; W D S t R L 30 (1972), 193, 230ff. Vgl. §§ 56ff. österr. Allgem. Verwaltungsverfahrensgesetz. Winkler, Der Bescheid, 1956. — Die Entscheidung im verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren nennt das Gesetz „Widerspruchsbescheid" (§ 73 VwGO). Martens, DVBl. 1968, 322. Arndt, Der Verwaltungsakt als Grundlage der Verwaltungsvollstreckung, 1967. 301
§ 4 1
II 1
Peter Badura
rechtlich geordneten Verfahrens. Die realen Bedingungen und Umstände dieses Entscheidungsvorganges sind Gegenstand der Verwaltungswissenschaft. Danach läßt sich die Verwaltung als ein System begreifen, das darauf spezialisiert ist, gesellschaftliche Komplexität auf der Grundlage von in Rechtsvorschriften ausgedrückten Programmen durch verbindliche Entscheidungen zu reduzieren, und lassen sich das Verwaltungsverfahren als ein geordneter Prozeß der Informationsverarbeitung und die Entscheidung als das Ergebnis dieses Prozesses beschreiben 5 .
II. Form und Inhalt des Verwaltungsaktes 1.
Formvorschriften
Der Verwaltungsakt ist nur formgebunden, wenn das durch Rechtsvorschriften bestimmt ist. Am geläufigsten ist die Schriftform, so z. B. bei der Genehmigung lästiger Anlagen (§ 10 Abs. 7 BImSchG), beim Steuerbescheid (§ 157 AbgO) und bei der Entscheidung im förmlichen Verfahren (vgl. § 69 Abs. 2 VwVfG). Daß der Verwaltungsakt als ein schriftlicher Bescheid ergeht, ist — auch ohne Formvorschrift — außerhalb des polizeilichen Einschreitens aus praktischen Gründen der Aktenführung und der Verwaltungsklarheit der Regelfall. Man wird sogar ein ungeschriebenes Gebot der Schriftform annehmen müssen, wo es auf den Wortlaut der Entscheidung ankommt, z. B. bei Erlaubnissen mit Nebenbestimmungen, bei der Vergabe von Leistungen6. In dem besonders formstrengen Beamtenrecht (§ 6 Abs. 2 BBG), aber auch bei anderen rechtsbegründenden Entscheidungen (z. B. Einbürgerung, §16RuStAngG; Genehmigung eines Güterfernverkehrs, §15 GüKG) fordert das Gesetz die Aushändigung einer unter Umständen auch in ihrem Inhalt normierten Urkunde. Die Formvorschriften sollen die Behörde und den Bürger vor undurchdachten und unklaren Entscheidungen schützen, ihre Beachtung ist daher Bedingung der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes. Das gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn der Formvorschrift eine bloße Ordnungsfunktion zukommt 7 . Handelt die Behörde durch schriftlichen Bescheid, sei es kraft Formvorschrift oder aus praktischen Gründen, setzt die Formgültigkeit der Entscheidung zwingend voraus, daß der Bescheid die ihn erlassende Behörde erkennen läßt (§ 44 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG). Die Angabe des Datums ist zweckmäßig, das Fehlen des Datums jedoch grundsätzlich kein Verfahrensmangel. Der Bescheid muß handschriftlich oder durch Faksimile unterschrieben sein; bei genormten Massenverwaltungsakten kann die Unterschrift gedruckt sein oder weggelassen werden (§ 37 s
Luhmann,
Theorie der Verwaltungswissenschaft, 1966, bes. S. 67ff. (Rez. D Ö V 1970,
18); ders., Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung, 1966, S. 21 ff.; ders.,
Legitimation durch Verfahren, 1969, S. 2 0 3 f f . ;
Wolff/Bachof,
7
B V e r w G J Z 1964, 687 betr. § § 4 2 , 17 Abs. 2, 3 K g f E G .
302
VwR I, § 50 IIc3.
Schmidt,
6
A ö R 96 (1971), 321.
§41
Das Verwaltungsverfahren
II 2
Abs. 3 und 4 VwVfG). Ist hingegen die Form der Urkunde gefordert, sind Datum und eigenhändige Unterschrift Bedingungen der Formgültigkeit8. 2. Automatisierte
Bescheide
Die zunehmende Ausstattung mit elektronischen Datenverarbeitungsanlagen hat in einigen Verwaltungszweigen das automatisiert ausgefüllte Formular zur Regelform des Bescheides werden lassen. Derartige maschinell hergestellte Massenverwaltungsakte sind ζ. B. Rentenbescheide, Steuerbescheide, Telefon- und Stromrechnungen. Die Nutzbarmachung der elektronischen Datenverarbeitung (EDV) für die Praxis der Verwaltung und der Gerichte, für die Vorbereitung politischer Entscheidungen der Regierung und des Parlaments und für die Rechtswissenschaft wirft nicht nur Fragen der Computertechnologie und der Organisation technischer Abläufe auf. Die Arbeitsweise von EDV-Anlagen und die Voraussetzungen und Wirkungen ihrer Anwendung beeinflussen das Recht und die Rechtspraxis9. Auf die damit verbundenen Fragestellungen, die in der Rechtsinformatik bereits zum Gegenstand einer eigenen juristischen Disziplin geworden sind10, kann hier nur mit einigen Hinweisen eingegangen werden. Die EDV-Anlage leistet eine automatisierte Verarbeitung von Informationen. Die bei einem Benutzungsvorgang eingegebenen Daten werden durch die Anlage mit Hilfe des vorab eingegebenen Programms zu neuen Daten verarbeitet. Das Programm, das die Datenverarbeitung steuert, muß, bevor es gespeichert und in elektrische Impulse umgesetzt werden kann, in einer für den Rechner verständlichen technischen „Sprache" formuliert werden. Diese Programmierung der Arbeitsgrundlagen des Rechners setzt eine spezifische Formalisierung der zunächst in der natürlichen Sprache ausgedrückten Information voraus. Die Anwendung 8
9
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Forsthoff, VwR S. 238 f. ; Klink, Verwaltungsakt, Vorverfahren, Vorbescheid und Urteil, 2. Aufl., 1968, S. 20ff.; Badura, in: Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren, 1977, S. 205. Klug, in: Festschrift für Hermann Jahrreiss, 1964, S. 189; Fiedler, JZ 1966, 689; Simitis, Rechtliche Anwendungsmöglichkeiten kybernetischer Systeme, 1966; Wieacker, in: Festschrift für Eduard Bötticher, 1969, S. 383; Veranstaltung der Datenverarbeitungskommission des 48. Dt. Juristentages, bes. die Referate von Fiedler, von Oertzen und Simitis, Verh. d. 48. DJT, 1970, II T ; Simitis, Informationskrise des Rechts und Datenverarbeitung, 1970; Steinmüller, EDV und Recht, 1970; Giehl, BayVerwBl. 1971, 84; Haft, Elektron. Datenverarbeitung im Recht, 1971; Simitis, NJW 1971, 673; EDV, Kybernetik und Recht, in: Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1972, BTDrucks. VI/3080, S. 323 ff. ; Peter, Moderne Rechts- und Steuerberatung im EDV, 1973; Reisinger, Die automatisierte Messung juristischer Begriffe, 1973; Gernert, Einführung in die Datenverarbeitung für Juristen, 1974. — Reihe: Kybernetik — Datenverarbeitung — Recht, Veröffentlichungen der Forschungsstelle für jurist. Dokumentation, hrsg. von Simitis, Bde. 1—4, 1971ff. — Zeitschriften: Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (DSWR), 1972ff., Datenverarbeitung im Recht (DVR.), 1972ff. Steinmüller (Fn. 9) ; Fiedler, JuS 1970,432,552, 503 und 71,67,228 ; Zielinski, JuS 1971,215.
303
§41
II 2
Peter Badura
von EDV-Anlagen hat daher jedenfalls eine zweifache Begrenzung. Die Arbeitsgrundlagen (Entscheidungsprämissen) müssen zu einem Computerprogramm formalisierbar sein und die Anlage kann nur programmierte, d. h. unmittelbar aus einem Programm ableitbare Daten (Entscheidungen) hervorbringen. Dies, die konditionale Programmierung und Programmiertheit der Computerinformation 1 1 , sind zugleich die Bedingungen der qualitativ besonderen Leistung einer EDVAnlage, der Automation. Die Automation ist die kybernetisch deutbare Arbeitsweise eines Regelkreises, der sich nach eigenen (eingegebenen) Regeln selbst steuert und kontrolliert, ohne von einer (weiteren) menschlichen Einflußnahme abhängig zu sein. Die die menschliche Fähigkeit und deren gebräuchliche Hilfsmittel weit überragende Speicherkapazität, Verarbeitungskapazität und Arbeitsgeschwindigkeit der EDV-Anlage macht sie angesichts der Zeitknappheit und der „Informationskrise" 1 2 zu einem unentbehrlichen Hilfsmittel, w o immer ein wirtschaftlich sinnvoller Einsatz möglich erscheint. Mit diesem Einsatz entstehen organisatorische Zwänge, aber auch das Bedürfnis, die für einen Vollzug mit Hilfe von Rechnern in Betracht kommenden Rechtsvorschriften „computergerecht" zu fassen 13 . Die in den EDVAnlagen auf bisher unvorstellbare Weise potenzierbare Konzentration von Daten macht gesetzliche Regelungen des Zugangsrechts, der Kontrolle und des Datenschutzes 14 unumgänglich. Unter den Gesetzen 15 , die dieses Desiderat in Angriff genommen haben, ragt das Gesetz zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung (Bundesdatenschutzgesetz — BDSG) vom 27. Januar 1977 (BGBl. I S. 201) 16 hervor. Dieses Gesetz gilt unter anderem für 11 12 13
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304
Luhmann, Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung, 1966, S. 35 ff. Simitis, Informationskrise des Rechts und Datenverarbeitung, 1970. von Berg, Automationsgerechte Rechts- und Verwaltungsvorschriften, 1968 ; von Oertzen, DVB1. 1969, 61. Steinmüller u. a., Gutachten über Grundfragen des Datenschutzes im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, Anlage 1 der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage betr. Schutz der Privatsphäre, BT-Drucks. VI/3826; Seidel, Datenbanken und Persönlichkeitsschutz, 1972; Podlech, Datenschutz im Bereich der öffentlichen Verwaltung, 1973; Simitis, Datenschutz — Notwendigkeit und Voraussetzungen einer gesetzlichen Regelung, DVR 2, 1973, S. 138; Tiedemann/Sasse, Delinquenzprophylaxe, Kreditsicherung und Datenschutz in der Wirtschaft, 1973; Bericht der Datenschutzkommission des Dt. Juristentages: Grundsätze für eine gesetzliche Regelung des Datenschutzes, 1974. Gesetz über die Datenzentrale Schleswig-Holstein vom 2. 4. 1968 (GVOB1. S. 92); Hess. Gesetz über die Errichtung der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung und Kommunale Gebietsrechenzentren vom 16. 12. 1968 (GVB1. S. 304); Hess. Datenschutzgesetz vom 7. 10. 1970 (GVB1. S. 625); Gesetz über die Organisation der elektronischen Datenverarbeitung im Freistaat Bayern (EDVG) vom 12. 10. 1970 (GVB1. S. 457); Gesetz über die Datenzentrale Baden-Württemberg vom 17. 11. 1970 (GVB1. S. 492). Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Mißbrauch personenbezogener Daten bei der Datenverarbeitung (Bundes-Datenschutzgesetz), BT-Drucks. 7/1027; Bericht und Antrag des Innenausschusses: BT-Drucks. 7/5277. - Sp. Simitis, NJW 1977, 729.
Das Verwaltungsverfahren
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die Datenverarbeitung der Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes, eine Anzahl von Vorschriften gelten subsidiär auch für die Landesverwaltung (SS 7ff. B D S G ) . In den Verwaltungen des Bundes, der Länder und der kommunalen Gebietskörperschaften findet die EDV-Anlage eine in rascher Verbreitung begriffene A n wendung 1 7 . Neben der Dokumentation und der sonstigen für einen raschen Abruf bereiten Speicherung von Daten, z. B . im Meldewesen, in der Statistik, im polizeilichen Erkennungswesen, dienen die Rechner der Vorbereitung von Planungsentscheidungen, ζ. B . durch „Planspiele", und schließlich der Automatisierung administrativer Entscheidungen im Rahmen von Verwaltungsverfahren. Das ehrgeizige Projekt eines integrierten arbeitsteiligen Informationssystems für das gesamte Gebiet der öffentlichen Verwaltung im Verbund von Bund, Ländern und Gemeinden ist in Gang gebracht. D e r Bereich der öffentlichen Verwaltung erweist sich als der gegenwärtig bedeutsamste Sektor der E D V im R e c h t 1 8 ; die Rechtsinformatik überschneidet sich hier mit der Verwaltungswissenschaft 1 9 . „ D i e öffentliche Verwaltung bedient sich der elektronischen Datenverarbeitung zur rationellen Erledigung automationsgeeigneter Aufgaben und zur Gewinnung 17
Berichte der Bundesregierung über die Anwendung der elektron. Datenverarbeitung in der Bundesverwaltung vom 7. 10. 1968 (BT-Drucks. V/3355) und vom 17. 4. 1970 (BTDrucks. VI/648); Dritter Bericht über die Automation in den Steuerverwaltungen der Länder (BT-Drucks. 7/4406); Antwort der BReg auf eine Kleine Anfrage (BT-Drucks. 7/4553); Mitteilung der Kommission der Europ. Gemeinschaften an den Rat über die Politik der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Datenverarbeitung (BT-Drucks. 7/1531); Mitteilung der Kommission der Europ. Gemeinschaften über die Gemeinschaftspolitik für ein Programm auf dem Gebiet der Datenverarbeitung (BT-Drucks. 7/4421); Vorschlag der Kommission der Europ. Gemeinschaften für ein Vierjahresprogramm zur Förderung der Datenverarbeitung in der Gemeinschaft (BT-Drucks. 8/37). Roemhold, DVB1. 1964, 561, 610; Ruckriegel, Elektron. Datenverarbeitung in der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalens, Verwaltung 2, 1969, S. 445; Meincke, Integrierte Datenverarbeitung in der öffend. Verwaltung unter bes. Berücksichtigung der Kommunalverwaltung, 1970; Ostermann, Automation in der Verwaltung. Realität und Zukunftserwartung. Verwaltung 3, 1970, S. 129; Fischer/Walter (Hrsg.), Informationssysteme in Wirtschaft und Verwaltung, 1971 ; Langseder, BayVerwBl. 1971, 2 ; Nordrhein-Westfalen-Programm 1975, S. 26, 149ff. ; C.-E. Eberle, Organisation der automatischen Datenverarbeitung in der öffentlichen Verwaltung, 1976.
16
Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, 1959, S. 57ff.; Fiedler, Rechenautomaten als Hilfsmittel der Gesetzesanwendung, Dt. Rentenversicherung 1962, 149; Bull, Verwaltung durch Maschinen, 1964; Luhmann (Fn. 11); Fiedler, DÖV 1970, 469; Jähnig, DÖV 1970, 465; ders., Automatisierte Datenverarbeitung in der öffentlichen Verwaltung, 1971; Gruber, Verwaltungsentscheidungen vom Computer, Diss. Würzburg 1971; Holder, Die elektron. Datenverarbeitung und die öffentl. Verwaltung, Staats- und Kommunalverwaltung 17, 1971, S. \\4-,Kremp, Β ABl. 71, 400; Göttlinger, EDV-Planung in der öffentl. Verwaltung, 1972. - Zeitschrift: öffentliche Verwaltung und Datenverarbeitung (ÖVD), 1971ff.
19
Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft, 1966, S. 67ff. ; ders. (Fn. 11), S. 21ff. ; Schmidt, AöR 96 (1971), 321. 305
20
Allgemeines Verwaltungsrecht
§41
II 2
Peter Badura
von Planungsinformationen und Entscheidungshilfen" (Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayE D V G ) . Die Kernfrage ist, welche Verwaltungsgeschäfte automatisierbar sind; hierzu hat vor allem die Kommunale Gemeinschaftsstelle f ü r Verwaltungsvereinfachung in Köln Kataloge aufgestellt 20 . Die prinzipielle Grenze der Programmierbarkeit von Verwaltungsentscheidungen — abgesehen von den Grenzen, die aus der Komplexität der Sachverhalte und den Anforderungen der Wirtschaftlichkeit der Verwaltungsführung hervorgehen — wird dort sichtbar, w o die Entscheidungsgrundlagen der Exekutive Ermessensermächtigungen oder relativ unbestimmte N o r m e n einschließen. Die Anwendung von EDV-Anlagen im Verwaltungsverfahren unterliegt den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungshandelns. Die Entscheidungsprogramme sind Verwaltungsvorschriften 2 1 , die automatisierten Bescheide Verwaltungsakte. Die These, daß der Einsatz von EDV-Anlagen zu einer „Zweiteilung des Gesetzesvollzugs" in einen durch Menschen beeinflußten und deshalb rechtlich beurteilbaren Vorgang und einen von menschlichem Willen unabhängigen und deshalb nicht in den Kategorien des Verwaltungshandelns faßbaren technischen Vorgang führe u n d daß dementsprechend der „Verwaltungsakt aus der Maschine", soweit er auf automatisierten Abläufen beruhe, ein hinsichtlich etwaiger Fehler und der Haftung nach Sonderrecht zu behandelndes „Verwaltungsfabrikat" sei 2 2 ,, hat zu Recht keinen Beifall gefunden 2 3 . Diese These orientiert fälschlich das Verwaltungshandeln am „Willen" des Verwaltungspersonals statt an der behördlichen Zuständigkeits- und Zurechnungsordnung und verkennt auch die Bedeutung der Entscheidungsprogramme f ü r den (teil-)automatisierten Bescheid. Richtig ist allerdings, daß EntstehungsVorgang und Form des automatisierten Bescheids zu besonderen rechtlichen Gesichtspunkten im Hinblick auf Formvorschriften, auf die Bedürfnisse des Rechtsschutzes und auf die Beweislage bei der H a f t u n g Anlaß geben müssen 24 . Die Verwendung von EDV-Anlagen entbindet die Behörde nicht von den rechtsstaatlichen Erfordernissen, daß ein Bescheid eine klare, eindeutige und f ü r den Empfänger verständliche Äußerung der Verwaltung sein und daß der Betroffene aus dem Bescheid die Gründe der Entscheidung in dem Maße erkennen können muß, wie es f ü r die Wahrung seiner Rechte notwendig ist. Die Behörde darf von dem Adressaten eines Bescheids kein besonderes Fachwissen der E D V für das Lesen automatisierter Bescheide voraussetzen, andererseits ist es dem Betroffenen, z. B. einem Versorgungsempfänger, grund20 21 22 23
24
306
Jähnig (Fn. 18). Schmidt (Fn. 19) S. 352. Zeidler, Über die Technisierung der Verwaltung, 1959; ders., DVB1. 1959, 681. Maaß, DVB1. 1961, 7; Müller-Heidelberg, DVB1. 1961, 11; Entgegnung Zeidler, DVB1. 1961, 493; H. P. Bull, Verwaltung durch Maschinen, 1964, S. 6lff.; Luhmann (Fn. 11), S. 30ff., 71 ff. Bull (Fn. 23) S. 116ff.; Luhmann (Fn. 11) S. 75ff. ; Maunz, BayVerwBl. 1967, 86; Kerkau, ÖVD 1971, 108; von Mutius, VerwArch. 67, 1976, S. 116; Degrandi, Die automatisierte Verwaltungsverfügung, 1977; Badura (Fn. 7) S. 218ff. — BVerwGE 45, 189.
§ 4 1 II 3
Das Verwaltungsverfahren
sätzlich zuzumuten, schematisierte Kennzeichen oder Kennziffern an Hand beigefügter Erläuterungen zu entschlüsseln 25 . Nach § 37 Abs. 4 VwVfG können bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, ausnahmsweise die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten fehlen und können zur Inhaltsangabe Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, aufgrund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann 26 . 3. Begründung
und
Begründungszwang
Durch die Begründung eines Bescheids wird die Behörde dazu veranlaßt, die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes sorgfältig zu prüfen, und wird der Betroffene in die Lage versetzt, Inhalt und Tragweite des Verwaltungsaktes zu erkennen und die von der Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Feststellungen und Erwägungen auf ihre Stichhaltigkeit zu kontrollieren. Die Frage, ob und inwieweit ein Begründungszwang für Verwaltungsakte besteht, steht in engem Zusammenhang mit dem Recht auf Gehör und der Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und orientiert sich ebenso an der rechtsstaatlichen Maxime, daß das Verwaltungsverfahren den Betroffenen eine hinreichende Gelegenheit zur Wahrung ihrer Rechte geben muß. Daraus folgt als Grundsatz, daß ein Verwaltungsakt, der die rechtlich geschützten Interessen eines Betroffenen berührt, einer Begründung bedarf, es sei denn, die Behörde habe einem Antrag des Betroffenen in vollem Umfang entsprochen oder der Betroffene bliebe auch ohne Begründung über die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen der Behörde nicht im unklaren 27 . Soweit der Begründungszwang reicht, muß die Behörde den Verwaltungsakt als schriftlichen Bescheid erlassen. Eine allgemeine Regelung über den grundsätzlichen Begründungszwang für Verwaltungsakte ist in § 39 VwVfG vorgesehen. In zahlreichen Einzelvorschriften 25
26
27
BVerwG DVB1. 1972, 955 betr. die rückwirkende Riicknehmbarkeit eines fehlerhaften automatisierten Verwaltungsaktes und den Umfang der dem Adressaten zumutbaren Nachprüfung des Bescheids. — Das Gebot der Klarheit gilt auch hinsichtlich der Qualität einer automatisierten Behördenerklärung als Verwaltungsakt (OVG Münster DÖV 1974, 599 betr. eine „Mitteilung über veränderte Dienstbezüge"). Siehe dazu die Begründung des EVwVfG 1963, S. 142. Der Satz 2, der erstmals in § 29 Abs. 4 S. 2 EVwVfG 1970 enthalten war, hat durch die in Anm. 25 zitierte Entscheidung des BVerwG eine Bestätigung erfahren. — BVerwGE 44, 189 (automatisierter Einberufungsbescheid ohne Unterschrift).
BVerfGE 6, 32, 44; BVerwGE 10, 37, 43f.; 38, 191; Schick, JuS 1971, 1; Sprung/König (Hrsg.), Die Entscheidungsbegründung in europ. Verfahrensrechten und im Verfahren vor internation. Gerichten, 1974; H.-H. S c h e f f l e r , DÖV 77, 767. 307
20*
§41
II 3
Peter Badura
ist bestimmt, daß Entscheidungen als schriftlich begründete Bescheide zu ergehen haben, so z. B. für die Genehmigung lästiger Anlagen (§ 10 Abs. 7 BImSchG), für Entscheidungen im förmlichen Verfahren (§ 69 Abs. 2 VwVfG), für den Widerspruchsbescheid (§ 73 VwGO). Bei der akzessorischen Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen (§ 80 Abs. 3 VwGO) 2 8 . Die Anforderungen an Umfang und Vollständigkeit der Begründung sind von der Art des Verwaltungsverfahrens und der Entscheidung abhängig und stets an dem Leitgedanken zu messen, daß der Betroffene den für die Wahrung seiner Rechte und die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs notwendigen Aufschluß über die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Gesichtspunkte erhält, auf denen die Entscheidung der Behörde beruht. Unabdingbar ist, daß der Betroffene Klarheit über die Rechtsgrundlage des Verwaltungshandelns hat. Von besonderer Bedeutung sind die Begründung und die Deutlichkeit und Ausführlichkeit ihres Inhalts bei Ermessensentscheidungen29. Die Begründung muß hier, sofern das nicht ohne weiteres auf der Hand liegt, die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Abwägung ausgegangen ist (vgl. § 39 Abs. 1 S. 3 VwVfG) 30 . Der Verfahrensfehler einer mangelnden oder mangelhaften Begründung kann im Widerspruchsverfahren geheilt werden. Das VwVfG geht von der bisherigen Auffassung ab, daß die Verletzung des Begründungszwangs unbeachtlich ist, wenn die Begründung wenigstens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegeben wird 31 . Eine derartige Regelung würde bei Anfechtungsklage allein deswegen zur Aufhebung des Verwaltungsaktes führen, weil er nicht oder nicht ausreichend begründet ist. Bei der Verpflichtungsklage stößt sie ins Leere; denn dort ist, abgesehen vom Fall des Bescheidungsurteils (§ 113 Abs. 4 S. 2 VwGO), nicht die Ablehnung des Antrags auf einen Verwaltungsakt, sondern das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs entscheidungserheblich. Auch bei der Anfechtungsklage wird der bloß formelle Prozeßerfolg oft nicht im Interesse des Klägers liegen und ist überdies die Niederlage der Behörde dann nur gewissermaßen edukatorisch gedacht. Der Mangel wird ohnehin häufig nach § 46 VwVfG unerheblich sein. Läßt man, wofür die besseren Gründe sprechen, die Begründung oder — was der praktisch wesentlichere Fall sein dürfte — die Ergänzung der Begründung im
28 29 30
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Schäfer, DÖV 1967, 477. BVerwGE 22, 215; OVG RhPf. DVB1. 1958, 836. Der Musterentwurf hatte zu der Begründung von Ermessensentscheidungen nichts gesagt (§ 30 EVwVfG 1963) und § 30 Abs. 1 S. 2 EVwVfG 1970 hatte nur verlangt, daß die Begründung von Ermessensentscheidungen erkennen lassen solle, „daß die Behörde ihr Ermessen ausgeübt hat". Dazu kritisch: Ule, VerwArch. 62 (1971), 114, 129ff. ; von Welck, ZRP 1971, 124; Rupp, ZRP 1971, 233. Siehe § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG, dazu die Begründung, BT-Drucks. 7/910, S. 66. Anders § 3 5 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 EVwVfG 1970 und § 1 1 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SHLVwG.
§41
Das Verwaltungsverfahren
II 4 , 5
Verwaltungsprozeß zu, ist diese Möglichkeit zu Lasten der Behörde durch die begrenzte Zulässigkeit des „Nachschiebens von Gründen" (dazu unten unter § 41 IV 3) beschränkt und kann die Behörde, auch wenn sie obsiegt, zur Kostentragung verurteilt werden (§ 155 Abs. 5 VwGO). Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung versäumt worden, gilt die Fristversäumung als nicht verschuldet (§ 45 Abs. 3 VwVfG). 4.
Rechtsmittelbelehrung
Die Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung ist ausdrücklich nur für bestimmte Verwaltungsakte vorgeschrieben, so für Bescheide von Bundesbehörden (§ 59 VwGO), für bauplanungsrechtliche Verwaltungsakte (§ 154 BBauG), für Entscheidungen im förmlichen Verfahren (§ 136 Abs. 2 S. 2 SchlHLVwG, Art. 80 Abs. 2 BayWG), für Widerspruchsbescheide (§ 73 Abs. 3 S. 1 VwGO). Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung, sei diese ausdrücklich gefordert oder nicht, hat keinen Einfluß auf die Rechtsbeständigkeit des Verwaltungsaktes, sondern stets nur die Folge, daß die Anfechtungsfrist — d. h. beim Verwaltungsakt die Widerspruchsfrist (§ 70 VwGO), beim Widerspruchsbescheid und beim ohne Vorverfahren angreifbaren Verwaltungsakt die Klagefrist (§ 74 VwGO) — nicht zu laufen beginnt, statt dessen vielmehr eine besondere Anfechtungsfrist von einem Jahr in Lauf gesetzt wird (§58 VwGO). Die unrichtige oder unvollständige Rechtsmitelbelehrung steht der fehlenden gleich. Der Beteiligte muß über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt werden. An die Richtigkeit und Vollständigkeit der Belehrung werden strenge Anforderungen gestellt32. Die Rechtsmittelbelehrung muß unzweideutig sein33 und darf auch nicht über das Gesetz hinausgehende formelle Erschwernisse des Rechtsbehelfs angeben, so ζ. B. daß der Klage Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden „müßten" (obwohl § 81 Abs. 2 VwGO nur eine Sollvorschrift ist) 34 . 5. Inhalt, Auslegung und Bestimmtheit
des
Verwaltungsaktes
Die Rechtsbeständigkeit eines Verwaltungsaktes beurteilt sich nach der durch ihn getroffenen Verfügung: Der den Inhalt des Verwaltungsakts bildende Ausspruch über die Rechte oder Pflichten des oder der Betroffenen muß rechtmäßig 32
33
34
Siehe des Näheren die Kommentare zu § 58 V w G O . - Ober die erforderliche Form des Rechtsbehelfs braucht nicht belehrt zu werden (BVerwGE 50, 248). Zu den Anforderungen an die Rechtsmittelbelehrung bei zweifelhafter Rechtslage vgl. BVerwG D Ö V 1965, 713. BVerwG N J W 1957, 1613. 309
§ 4 1
II 5
Peter Badura
sein. Dafür kommt es nicht auf die Richtigkeit der Rechtsausführungen an, die von der Behörde der Entscheidung als Begründung beigefügt sind 3 5 . Eine Unrichtigkeit der Begründung kann die Rechtsbeständigkeit des Verwaltungsaktes nur dann in Frage stellen, wenn sie in unzutreffenden tatsächlichen Feststellungen besteht oder einen Ermessensfehler erkennen läßt. Im einfachsten Fall besteht der Verwaltungsakt aus einer Verfügung, die die Rechtsstellung des Adressaten, der zugleich der einzige Betroffene ist, regelt, sei es belastend, wie z. B. bei der Anordnung, ein baurechtswidriges Haus zu beseitigen, sei es begünstigend, wie z. B. bei der Gewährung einer Sozialhilfeleistung. Diese Grundkonstellation ist jedoch nicht schlechthin der Regelfall für die aus einem Verwaltungsverfahren hervorgehende Entscheidung. In einem Verwaltungsakt können mehrere an den Adressaten gerichtete Regelungen verbunden sein, so beim Verwaltungsakt mit Nebenbestimmungen, und die in dem Verwaltungsakt getroffene Entscheidung kann die Rechtsstellungen mehrerer Betroffener teils begünstigend, teils belastend erfassen, so beim Verwaltungsakt mit Drittwirkung. Bei dem Verwaltungsakt mit Nebenbestimmungen treten zu der Hauptregelung, z. B. der Erteilung einer Genehmigung, in dienender Funktion ergänzende Bestimmungen (Auflage, Bedingung, Befristung, Widerrufsvorbehalt) hinzu. Für Voraussetzungen und Wirkungen der Nebenbestimmungen ist das materielle Recht maßgebend; wegen des sachlichen Zusammenhangs mit dem Verwaltungsverfahrensrecht hat das VwVfG hierzu eine Vorschrift aufgenommen (§ 36). Der Verwaltungsakt mit Nebenbestimmungen ist im Dritten Teil unter § 14 behandelt. Von diesem zusammengesetzten Verwaltungsakt sind zu unterscheiden zum einen Verwaltungsakte, die mehrere Rechtsfolgen aussprechen 36 , und zum anderen Bescheide, die mehrere nur äußerlich verbundene Verwaltungsakte kundmachen 3 7 . Ein aufgrund eines förmlichen Verwaltungsverfahrens ergehender Planfeststellungsbeschluß ist in der Regel ein komplexer Verwaltungsakt mit Nebenbestimmungen, mit Drittwirkung und — aufgrund seiner „Konzentrationswirkung" (§ 75 Abs. 1 VwVfG) — mehrfachen Rechtsfolgewirkungen. Der Bescheid enthält eine Kostenentscheidung, wenn der Verwaltungsakt eine kostenpflichtige Amtshandlung ist. Kosten, das sind (Verwaltungs-)Gebühren und Auslagen, werden nach Maßgabe der Kostengesetze des Bundes 38 und der Länder 3 9 35 36
37
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39
31G
B a y V G H E 7, 1, 6. So z. B. die Genehmigung einer zugleich ein Bauvorhaben darstellenden lästigen Anlage, die neben der gewerberechtlichen Erlaubnis die Baugenehmigung umfaßt (§ 13 BImSchG); dazu B V e r w G N J W 1956, 482; B V e r w G G e w A r c h . 1964, 2 4 4 ; O V G Lüneburg D Ö V 1965, 533; B G H DVB1. 1959, 8 1 4 . So z. B. die administrative Regelung einer Straßendemonstration durch „Auflagen" gem. § 15 Abs. 1 V e r s G und Erteilung einer Erlaubnis gem. § 29 Abs. 2 S t V O in einem Bescheid. Kostenermächtigungs-ÄndG vom 23. 6. 1970 (BGBl. I S. 805); Verwaltungskostengesetz v. 2 3 . 6 . 1 9 7 0 (BGBl. I S. 821), Regierungsentwurf mit Begründung: BT-Drucks. VI/330. Z. B. Bayer. Kostengesetz in der Fass, der Bek. v. 25. 6. 1969 (GVB1. S. 165).
Das Verwaltungsverfahren
§41
II 5
für fast alle Amtshandlungen erhoben, die nicht überwiegend im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen werden. Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären, werden niedergeschlagen. Die Höhe der Verwaltungsgebühren bestimmt sich nach den Kostenverzeichnissen, die aufgrund einer im Kostengesetz ausgesprochenen Ermächtigung 40 als Rechtsverordnungen erlassen werden. Die den rechtlichen Inhalt des Verwaltungsaktes bildende Verfügung wird in einem schriftlichen Bescheid häufig auch äußerlich in einem besonderen Verfügungssatz, gegebenenfalls gefolgt von den angeordneten Nebenbestimmungen und der Kostenentscheidung, von der Begründung abgehoben, die oft wiederum in die Wiedergabe des Sachverhalts und die rechtlichen Erwägungen unterteilt wird. Sofern der Verfügungssatz für sich allein nicht klar und verständlich ist, ist die Begründung heranzuziehen, um den Inhalt und Sinn der Verfügung zu ermitteln 41 . Obwohl Verwaltungsakte mit privatrechtlichen Willenserklärungen nicht vergleichbar sind, ist zur Auslegung von Bescheiden der in § 133 B G B ausgedrückte allgemeine Rechtsgedanke heranzuziehen, daß es nicht auf den Buchstaben ankommt, sondern auf den wirklichen Willen der Behörde, soweit er im Bescheid greifbar einen Niederschlag gefunden hat. Für die Ermittlung des erklärten Willens der Behörde sind auch die Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragen können und die dem Beteiligten bekannt sind, wenn der Verwaltungsakt sich ausdrücklich oder konkludent, aber jedenfalls erkennbar, auf sie bezieht. Insofern ist Maßstab der Auslegung eines Bescheides der verständige und die Zusammenhänge, die der Verwaltungsakt erkennbar in die Entscheidung einbezogen hat, berücksichtigende Beteiligte 42 . Nach diesen Auslegungsgrundsätzen einer objektiven Würdigung des Erklärungsinhalts ist auch zu verfahren, wenn zu ermitteln ist, ob eine Verwaltungsäußerung ein Verwaltungsakt oder eine privatrechtliche Willenserklärung ist 43 . Ist der Inhalt eines Verwaltungsaktes auch mit Hilfe der Begründung nicht klar und eindeutig feststellbar, enthält er keine vollziehbare, befolgbare und vollstreckbare Entscheidung und ist unwirksam (nichtig). Der Verwaltungsakt muß inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 37 Abs. 1 VwVfG) 4 4 . Dieser tragende Grundsatz des Verwaltungshandelns ist, besonders im Polizei- und Ordnungsrecht, seit jeher betont worden 45 . Der Adressat eines Gebots oder Verbots, muß der Verfügung entnehmen können, welche Handlungsweise ihm aufgegeben ist, ohne daß das 40
41
Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit dieser gesetzlichen Ermächtigungen: BVerfGE 20, 257, 268 ff. betr. § 80 Abs. 2 S. 2 GWB (siehe die Neufassung durch Gesetz v. 2 2 . 7 . 1 9 6 9 , BGBl. I, S. 901); BVerfGE 33, 358 betr. § 2 3 Fleischbeschaugesetz; BVerwG J Z 1970, 183. BVerwGE 5, 275.
42
BVerwGE 12, 87, 91; OVG Lüneburg, Un. ν. 2. 12. 1966, III OVG A 4/64; Wolff/ Bacbof, VwR I, §51 VIIa3; Schwankhart, Sozialversicherung 1965, 324.
43
BVerwG DÖV 1973, 533 betr. eine Zahlungsaufforderung. BVerwGE 31, 15; OVG Münster O V G E 13, 182; 16, 263; Stumpp, DVBl. 1968, 330. Paradigmatisch PrOVGE 88, 209. Vgl. auch bwVGH GewArch. 71, 252.
44 45
311
§ 4 1 II 6
Peter Badura
Geforderte einer verschiedenen subjektiven Bemessung zugänglich sein darf. Die Mittel, mit denen der Pflichtige den gewünschten Zustand erreichen soll, brauchen ihm nicht genau vorgeschrieben zu werden; oft erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel sogar, daß dem Pflichtigen zwischen gleich geeigneten Mitteln die Wahl überlassen bleibt.
6. Bekanntgabe
und Zustellung des
Verwaltungsaktes
Der Verwaltungsakt ist demjenigen, für den er bestimmt ist (Adressaten), und den sonstigen Beteiligten bekanntzugeben. Er wird für einen Betroffenen in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird (§§ 41, 43 Abs. 1 VwVfG). Mit der Wirksamkeit treten die in dem Verwaltungsakt ausgesprochenen Rechtsfolgen ein, nicht jedoch auch die Vollziehbarkeit46. Von der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ist seine Bestandskraft zu unterscheiden, die ihm erst bei Unanfechtbarkeit zukommt. Auch bei mehreren Beteiligten wird der Verwaltungsakt für den Adressaten mit der Bekanntgabe an ihn wirksam und für die anderen Beteiligten jeweils mit der Bekanntgabe an diese. Die Unanfechtbarkeit, und folglich auch die Bestandskraft, tritt für jeden Beteiligten selbständig ein, je nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe an ihn und dem Ende des Fristlaufes für ihn 47 . Dasselbe gilt für Betroffene, die an dem Verwaltungsverfahren nicht beteiligt worden sind; für diese kann der Verwaltungsakt erst aufgrund und zu dem Zeitpunkt der Bekanntgabe wirksam und entsprechend dem Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit bestandskräftig werden. Die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes an den Betroffenen ist, abgesehen von einer möglichen Verwirkung, die unabdingbare Voraussetzung der Wirksamkeit und der Unanfechtbarkeit für diesen Betroffenen. Ein Verwaltungsakt mit Drittwirkung wird deshalb erst dann in vollem Umfang bestandskräftig, wenn er nicht nur für den Adressaten, sondern für alle Betroffenen unanfechtbar geworden ist. Die Behörde kann die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes selbst oder durch die Post vornehmen. Die Bekanntgabe ist mit Uem Zugang des nicht unmittelbar übergebenen Bescheids bewirkt, hängt also nicht von der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Empfänger ab (vgl. § 130 Abs. 1 BGB). Die Behörde hat gegebenenfalls den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Eine Bekanntgabe und demzufolge ein wirksamer Zugang des Verwaltungsaktes liegt nur vor, wenn der Verwaltungsakt dem Empfänger kraft des Willens der Behörde eröffnet worden ist 48 . Eine Kenntnisnahme ohne den Willen der Behörde, z. B. durch Zufall oder durch Mitteilung eines Dritten, beruht nicht auf einer Bekannt46
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Ein Verwaltungsakt, der ein vollziehbares Gebot oder Verbot enthält, kann erst vollzogen und gegen den Pflichtigen im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar geworden oder wenn die sofortige Vollziehung (§ 80 Abs. 2 N r . 4 V w G O ) angeordnet worden ist. BVerwG N J W 1970, 263; BVerwGE 44 , 294; Siegmund-Schultze, DVB1. 1966, 247. BVerwGE 22, 14; 29, 321.
Das Verwaltungsverfahren
§ 4 1 II 6
gäbe und hat deshalb auch nicht die dieser zukommenden Wirkungen, bes. nicht den Beginn des Laufs der Rechtsbehelfsfrist. Wenn es durch Rechts- und VerwaltungsVorschriften bestimmt ist, wie ζ. B. für die Planfeststellung (§ 18a Abs. 4 BFernStrG), für den Widerspruchsbescheid (§ 73 Abs. 3 S. 1 VwGO), hat die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes förmlich durch Zustellung zu erfolgen. Die Zustellung, bei der der Zugang des Bescheids und der Zeitpunkt des Zugangs durch besondere Förmlichkeiten gesichert und bei den strengeren Formen auch urkundlich festgehalten werden, kann durch die Behörde oder die Post bewirkt werden. Das Verfahren der Zustellung ist für die Behörden des Bundes und die Landesfinanzbehörden im Verwaltungszustellungsgesetz vom 3. Juli 1952 (BGBl. III 2 0 1 - 3 ) 4 9 und für die anderen Behörden der Länder durch die Verwaltungszustellungsgesetze der Länger geregelt, die teils das Bundesgesetz inhaltlich übernommen50, teils in enger Anlehnung an das Bundesgesetz eigene Bestimmungen erlassen haben 51 . Die Zustellung besteht in der Übergabe eines Schriftstücks in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift oder in dem Vorlegen der Urschrift. Ist die förmliche Zustellung vorgeschrieben, kommt es für den Beginn des Fristlaufs einer Rechtsbehelfsfrist auf eine sonstige Kenntnisnahme des Empfängers von dem Bescheid nicht an 52 . Die Zustellung durch die Post kann mit Zustellungsurkunde oder mittels eingeschriebenen Briefes erfolgen. Bei der Zustellung mittels eingeschriebenen Briefes gilt dieser mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, daß das zuzustellende Schriftstück nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Schriftstücks und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 4 Abs. 1 VwZG) 5 3 . Läßt sich die formgerechte Zustellung eines Schriftstücks nicht nachweisen oder ist das Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat (§ 9 Abs. 1 VwZG), vorausgesetzt, daß dem Zugehen ein Bekanntmachungswillen der Behörde zugrunde lag 54 . Diese Heilung von Zustellungsmängeln tritt nicht ein, wenn mit der Zustellung die Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs beginnt (§ 9 Abs. 2 VwZG). Auch in diesem Fall wird aber ein Verwaltungsakt, den der Empfänger nachweislich erhalten hat, mit dem
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Kohlrust/Eimert, Das Zustellungsverfahren nach dem VwZG, 1967; dies., D S t R 1968, 410, 456, 502, 567, 602. So das nds. Verwaltungszustellungsgesetz vom 20. 11. 1953 (GVBl. Sb. I S. 88). So das Bayer. Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz in der Fass, der Bek. vom 11. 11. 1970 (GVBl. 1971 S. 1). - Schmitt-Lermann, Bayer. VwZVG, 1961. BVerwGE 22, 14. BVerwGE 36, 127; BayVerfGH BayVerwBl. 1974, 268; Maetzel, M D R 1970, 465; Herrmann, D Ö V 1970, 845. - In § 41 Abs. 2 VwVfG ist eine entsprechende Regelung für die nicht durch Zustellung bewirkte Bekanntgabe von Bescheiden vorgesehen (siehe auch § 17 VwZG). BVerwGE 16, 165; 22, 14; 29, 321. 313
§ 4 1 II 7
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Zugang wirksam (er kann nur nicht unanfechtbar werden) 55 und fällt der Zustellungsmangel dann weg, wenn der Verwaltungsakt zugegangen ist und der Empfänger den in Betracht kommenden Rechtsbehelf eingelegt, z. B. Widerspruch erhoben hat 5 6 . Im förmlichen Verwaltungsverfahren, insbes. im Planfeststellungsverfahren, kann die Zustellung an die einzelnen Beteiligten durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden, wenn mehr als 300 Zustellungen vorzunehmen wären ( S S 69 Abs. 2, 74 Abs. 5 VwVfG; S 18a Abs. 5 BFStrG, § 10 Abs. 8 BImSchG). Bei anderen Verwaltungsakten darf die Zustellung oder sonstige Bekanntgabe nur kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden; lediglich Allgemeinverfügungen ($35 S. 2 VwVfG) dürfen auch dann öffentlich bekanntgemacht werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten „untunlich" ist ($41 Abs. 3 VwVfG). In „Massenverfahren" dürfen Ladungen zur mündlichen Verhandlung und zu einem Erörterungstermin sowie Benachrichtigungen über einen Verfahrensabschluß ohne Bescheid ebenfalls durch öffentliche Bekanntmachung bewirkt werden ( S S 67 Abs. 1, 73 Abs. 6, 69 Abs. 3 VwVfG). 7. Vorbescheid Vor der abschließenden Entscheidung über den Gegenstand des Verwaltungsverfahrens durch den Verwaltungsakt kann die Behörde einen „Vorbescheid" nur erlassen, wenn diese Verfahrensweise gesetzlich zugelassen ist oder wenn dadurch bestimmte, einer Verselbständigung fähige Teile der Entscheidung vorweggenommen werden 5 7 . Der Vorbescheid ist ein Verwaltungsakt mit einer auf den vorab geregelten Entscheidungsteil beschränkten Wirkung, der von den Beteiligten angefochten werden kann. Einen Vorbescheid zu erlassen, ist nicht sinnvoll, wenn es zu einer Konkurrenz eines auf ihn bezogenen Rechtsbehelfsverfahrens mit dem Verwaltungsverfahren und einem etwa daran anschließenden Rechtsbehelfsverfahrens kommen kann. Ein praktisch wichtiger Fall des Vorbescheids ist die Behauungsgenehmigung als von der Baugenehmigung abgespaltene Vorabentscheidung über die planungsrechtliche Bebaubarkeit des Grundstücks, mit der dem Eigentümer oder Bauherrn Klarheit über die städtebauliche Situation des Grundstücks verschafft werden kann 5 8 . Die Bebauungsgenehmigung bindet die Baugenehmigungsbehörde mit 55 56 57
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OVG Berlin DVBl. 1961, 212. Zur Ersatzzustellung: BVerwG NJW 1973, 1945. BayVGHE 20, 39. BVerwGE 24, 23; Achterberg, DÖV 1971, 397. - Siehe § 9 BImSchG; dazu OVG Lüneburg DVBl. 1977, 347. Die Bebauungsgenehmigung ist ihrem Wesen nach ein Ausschnitt aus dem feststellenden Teil der Baugenehmigung, der sich über die bodenrechtliche Bebauungsfähigkeit eines Grundstücks verhält (BVerwGE 48, 242). - BVerwG DVBl. 1964 , 257; BVerwG D Ö V 1969, 143; BVerwG BayVerwBl. 1976, 89; OVG Lüneburg DVBl. 1962, 757 und 65,
Das Verwaltungsverfahren
§41
III
einer Befristung analog §21 B B a u G 5 9 bei der späteren Entscheidung über die Baugenehmigung. Sie steht dementsprechend für die Mitwirkungsrechte der Gemeinde und der höheren Verwaltungsbehörde (§§ 31, 36 B B a u G ) sowie für den Rechtsschutz des Nachbarn der Baugenehmigung gleich.
III. Bedeutung und Heilung von Verfahrensmängeln Ein Verwaltungsakt, der gegen das materielle Recht verstößt, ist fehlerhaft. Je nach dem Gewicht der Rechtsverletzung hat ein solcher Fehler die Nichtigkeit, d . h . Unwirksamkeit (§§44, 43 III VwVfG), oder die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes (im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens, §§68, 42, 113 V w G O ) zur Folge. Die Grundsätze über die Folgen eines Fehlers für die Rechtsbeständigkeit der Entscheidung sind Gegenstand der Lehre vom fehlerhaften Verwaltungsakt (Dritter Teil, § 15). Auch ein Verfahrensmangel, d. h. ein Verstoß gegen die für das Zustandekommen des Verwaltungsaktes maßgeblichen Regeln, stellt einen Rechtsfehler dar, der die Nichtigkeit oder die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes zur Folge haben kann. Bei Verfahrensmängeln, die nicht schon zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen, besteht jedoch die Besonderheit, daß sie nicht schlechthin die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes begründen, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, daß sie in bestimmter Weise für die getroffene Entscheidung erheblich waren. N u r dann ist der Verfahrensmangel ein die Rechtsbeständigkeit des Verwaltungsaktes berührender Verfahrensfehler (§ 46 VwVfG). Die vor Inkrafttreten des VwVfG zweifelhafte Frage, ob ein an einem unerheblichen Verfahrensmangel leidender und deswegen rechtsbeständiger Verwaltungsakt auch rechtswidrig sei, ist jetzt als geklärt anzusehen. Aus der Wortfassung des § 46 VwVfG und auch aus den Bestimmungen des § 59 II Nrn. 2 und 3 VwVfG ist zu entnehmen, daß jeder Verfahrensrecht verletzende Verwaltungsakt rechtswidrig ist, ohne Rücksicht darauf, ob wegen des Verfahrensmangels die Aufhebung des Verwaltungsaktes verlangt werden kann oder nicht 60 . Verfahrenshandlungen der Behörde sind in der Regel keine selbständigen und abgeschlossenen Regelungen und bewirken deshalb in der Regel keine selbständigen Rechtsbeeinträchtigungen zu Lasten der Betroffenen. Ein ihnen anhaftender oder von ihnen herbeigeführter Verfahrensmangel kann deswegen grundsätzlich
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288. — In Bayern ist die Bebauungsgenehmigung als Vorbescheid gesetzlich geregelt (Art. 92 B a y B a u O ) ; dazu B a y V G H BayVerwBl. 1970, 366 mit abl. Anm. Mang. B V e r w G D Ö V 1969, 143; O V G Lüneburg D Ö V 1967, 278. Meyer/Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 4 6 , Rdnr. 10. — Diese positivrechtliche Festlegung ist überprüfungsbedürftig. Sie bedeutet, daß ein Verwaltungsakt, der „nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 46 rechtswidrig" ist, dennoch entgegen § 113 I 1 V w G O rechtsbeständig bleibt. Folgerichtiger und im Hinblick auf eine mögliche Haftung ausreichend wäre es, hier lediglich eine rechtswidrige Verfahrenshandlung anzunehmen, die „die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes (nicht) beeinträchtigt" ( B V e r w G E 29, 282, 283 f.). 315
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III
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nur in der Weise von dem Betroffenen gerügt werden, daß er die aufgrund des Verwaltungsverfahrens ergehende Entscheidung unter B e r u f u n g auf einen Verfahrensfehler mit dem Rechtsbehelf angreift. Verfahrenshandlungen der B e h ö r d e sind dementsprechend nur dann selbständig anfechtbar, wenn sie Verwaltungsakte z u Lasten der Beteiligten oder der sonst Betroffenen sind. Diese Rechtslage soll offenbar durch § 44 a V w G O in der F a s s u n g des § 97 N r . 2 V w V f G klargestellt werden 6 1 . D o r t heißt es in etwas mißverständlicher Formulierung: „ R e c h t s behelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. D i e s gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen." D e r Adressat eines Verwaltungsaktes kann jeden Verfahrensfehler mit dem in Betracht kommenden Rechtsbehelf geltend machen, soweit er in seinen Rechten verletzt sein kann. A n d e r e Beteiligte oder sonst Betroffene können sich dagegen nur auf solche Verfahrensfehler berufen, die auf dem Verstoß gegen Rechtsvorschriften beruhen, die ihren rechtlich anerkannten Interessen — ihrer verfahrensrechtlichen Rechtsstellung oder ihren materiellrechtlichen Rechten — dienen ( § § 4 2 1 1 , 113 I 1 V w G O ) . Beispielsweise kann der Drittbetroffene eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung nur die Verletzung solcher Verfahrensnormen geltend machen, die zumindest auch dem Schutz seiner Interessen dienen, nicht aber schlechthin die Kontrolle des Verwaltungsaktes auf dessen Verfahrensrichtigkeit erreichen 6 2 . D i e gesetzlich eingeräumte Befugnis, an einem Verwaltungsverfahren beteiligt zu werden oder sich durch Einwendungen, Bedenken oder A n regungen an einem Verwaltungsverfahren zu beteiligen, kann nur ein der B e h ö r d e vorgeschriebenes Mittel sein, sich möglichst umfassend über den für die Entscheidung beachtlichen Sachverhalt z u unterrichten 6 3 . Vorschriften mit einer derartigen bloßen Unterrichtungsfunktion geben dem Dritten kein Recht, Verfahrensmängel geltend z u machen. Dieses Recht besteht nur, wenn und soweit die Verfahrensregel gerade z u m Schutz materiellrechtlicher Rechtspositionen des Dritten dient oder wenn der Verfahrensregel eine eigene verfahrensrechtliche Schutzfunktion z u k o m m t , derart, daß der Dritte unter B e r u f u n g allein auf einen ihn betreffenden Verfahrensmangel, d. h. ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis in der Sache, die Aufhebung einer behördlichen Entscheidung soll durchsetzen können. D a s ist nur dann der Fall, wenn der der Rechtsnorm zugrunde liegende Schutzzweck gerade in der Wahrung der Anhörungs- oder Mitwirkungs61
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Vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1976, § 97, Anm. 3. Anders Meyer/Borgs (Fn. 60) §97, Rdnr. 15, wonach § 4 4 a sich rein konstitutiv nur auf Verfahrenshandlungen beziehe, die Verwaltungsakte seien. Der Drittbetroffene bei der Genehmigung einer lästigen Anlage gem. §§ 16ff. GewO kann die Verletzung des Zustimmungserfordernisses gem. § 10c LuftVG nicht rügen (BVerwGE 24, 23, 31). Die anderen Beteiligten eines luftrechtlichen Planfeststellungsverfahrens können nicht rügen, daß die gebotene Anhörung der in ihrer Planungshoheit berührten Gemeinde unterblieben sei (BVerwG DVBl. 1974, 562). BVerwGE 28, 131.
Das Verwaltungsverfahren
§ 4 1 III
rechte selbst liegt. „Für den Regelfall ist dagegen anzunehmen, daß Verfahrensvorschriften durch die Regelung von Art und Weise, in der betroffene Rechte oder Interessen geltend zu machen und von der Behörde zu ermitteln sind, den Schutz allein desjenigen materiellen Rechts bezwecken, auf das sich das vorgeschriebene Verfahren bezieht" 64 . Ob die Rechtsbeständigkeit eines Verwaltungsaktes durch einen Verfahrensmangel berührt wird, hängt davon ab, ob der Mangel die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes bewirkt oder — wenn das nicht der Fall ist — ob er ein erheblicher Verfahrensfehler im Sinne des § 46 VwVfG ist. Dies hängt jeweils von dem Inhalt der verletzten Rechtsvorschrift und ihrem Zweck, besonders ihrer Schutzrichtung ab. Die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes haben Verfahrensverstöße zur Folge, bei denen die Gewährleistungsfunktion der verletzten Norm für die Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Entscheidung so ausschlaggebend ist, daß ihre Unwirksamkeit ohne Rücksicht auf eine Anfechtung des Verwaltungsaktes eintreten muß. Diese Frage beurteilt sich nunmehr nach § 44 VwVfG und den entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. Absolute Nichtigkeitsgründe im Bereiche des Verfahrensrechts sind danach nur die Fehler, daß ein schriftlicher Bescheid die erlassende Behörde nicht erkennen läßt, daß die vorgeschriebene Form der Urkunde nicht gewahrt ist und daß die Behörde ohne die örtliche Zuständigkeit der belegenen Sache gehandelt hat (§ 44 II Nrn. 1 bis 3 VwVfG). Für eine weitere Gruppe von Verfahrensverstößen ist ausdrücklich festgelegt, daß sie nicht zur Nichtigkeit führen (§ 44 III VwVfG). Ob von diesen beiden Gruppen nicht erfaßte Verfahrensmängel die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes bewirken, entscheidet sich nach der Abwägungsklausel des § 44 I VwVfG, wonach ein Verwaltungsakt nichtig ist, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Danach wird etwa die Nichtbeachtung der für die Entscheidung vorgeschriebenen Schriftform, sofern die Formgebundenheit nicht nur Ordnungs- oder Beweiszwecken dient, wie bisher als Nichtigkeitsgrund zu gelten haben. Nichtig ist auch ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt, bei dem die Mitwirkung des Betroffenen dessen Zustimmung einschließen soll, wenn diese Mitwirkung fehlt 6S . Wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit, der nicht nach § 44 VwVfG zur Nichtigkeit führt, kann die Aufhebung des Verwaltungsaktes nur verlangt werden, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (§ 46 VwVfG). Diese Regelung über die Erheblichkeit von Verfahrensmängeln entspricht im Grundsatz der bisherigen Rechtslage, die Verfahrensmängeln Erheblichkeit für die Rechtsbeständigkeit des Verwaltungsaktes zusprach, wenn die verletzte Verfahrensregel nach Inhalt und Zweck ein zwingendes Gebot aufstellte oder wenn der Ver64 65
BVerwGE 41, 58, 64f. - Ebenso BayVGH GewArch. 1976, 61. Siehe oben unter § 39 III. - Ein Fall der bloßen Aufhebbarkeit in BVerwG DÖV 1966, 351. 317
§41
III
Peter Badura
fahrensverstoß auf den Inhalt der Entscheidung einen Einfluß haben konnte, d. h. wenn nicht von vornherein feststand, daß auch bei einem ordnungsmäßigen Verfahren keine andere Entscheidung hätte ergehen und die rechtlich geschiitzen Interessen der Betroffenen nicht wirksamer hätten zur Geltung gebracht werden können 6 6 . Die bisher zu der Auswirkung von Verfahrensmängeln entwickelten Grundsätze und das bisherige Fallmaterial werden daher zur Auslegung des § 46 VwVfG heranzuziehen sein. Dazu gehört insbesondere, daß Verfahrensverstöße beim Zustandekommen von Ermessensentscheidungen nur in Ausnahmefällen für die Rechtsbeständigkeit des Verwaltungsaktes unerheblich sind 67 . Ein nicht erheblicher Verfahrensmangel ist es z. B., wenn die verfahrensrechtlich vorgeschriebene Unterschrift unter einem Prüfungsprotokoll fehlt ; denn dieser Mangel beeinträchtigt möglicherweise den Beweis des Prüfungsherganges, kann aber auf den Inhalt der Prüfungsentscheidung keinen Einfluß gehabt haben 6 8 . Dasselbe gilt für die Unterlassung der vorgeschriebenen Protokollierung des Verlaufs einer Klassenkonferenz 69 . Verfahrensfehler sind hingegen u. a. stets die Nichtbeteiligung einer mitwirkungsberechtigten Behörde, die Verletzung des rechtlichen Gehörs, die unzureichende Sachverhaltsaufklärung. Nicht als erheblicher Verfahrensmangel wird es angesehen, wenn zwar eine Verfahrensnorm verletzt worden ist, die eine bestimmte verfahrensmäßige Geltendmachung von Rechten durch die Betroffenen sichern soll, der Betroffene aber seine Rechte unverkürzt geltend gemacht hat, so daß die verletzte N o r m „ihren gesetzlichen Zweck vollauf erreicht" hat. Dies ist z. B. angenommen worden bei einer mangelhaften Bekanntmachung des Vorhabens nach § 17 II 1 G e w O 7 0 (jetzt § 10 III und IV BImSchG) und bei einer zu kurz bemessenen Frist der Auslegung im Planfeststellungsverfahren 71 . Auch ein im Sinne des § 46 VwVfG erheblicher Verfahrensmangel ist unbeachtlich, kann also nicht zur gerichtlichen Aufhebung des Verwaltungsaktes führen, wenn er durch eine nach der Entscheidung herbeigeführte Wahrung der zunächst verletzten Verfahrensregel „geheilt" worden ist, so beispielweise wenn die erforderliche und zunächst unterbliebene Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Die Frage der Heilung von Verfahrensfehlern war in der Gerichtspraxis vor Inkrafttreten des VwVfG in der Regel anhand der Zweckrichtung der verletzten Verfahrensregel und in Ansehung der besonderen Umstände des Einzelfalles beurteilt worden, so daß nur wenige allgemeine Grundsätze erkennbar waren 7 2 . 66
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BVerwGE 19, 216, 221; 24, 23, 32; 26, 145, 148; 29, 282, 283f.; OVG Münster DVB1. 1959, 72; Groschupf, DVB1. 1962, 627; Haueisen, D Ö V 1973, 653; Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, 1973, S. 7ff. BVerwGE 26, 145, 148. BVerwGE 6, 33. OVG Münster DVB1. 1959, 72. BVerwGE 24, 23, 29f. BVerwGE 29, 282, 285. Ein wesentlicher Grundsatz war, daß Verfahrensfehler, die beim Zustandekommen von Ermessensentscheidungen unterlaufen waren, nachträglich nicht geheilt werden konnten,
Das Verwaltungsverfahren
§41
III
Das galt auch hinsichtlich des möglichen Zeitpunkts einer Heilung des Mangels, also besonders für das Problem, ob eine Nachholung des korrekten Verfahrens in dem mangelhaften Punkt noch nach Erlaß des Widerspruchsbescheids und nach Klageerhebung erfolgen durfte 7 3 . Nunmehr richtet sich die Heilung von Verfahrens· und Formfehlern allein nach der Bestimmung des § 45 VwVfG, der als abschließende Regelung zu betrachten ist 74 . Diese Regelung ist gegenüber der früheren Rechtslage restriktiv. Sie läßt die Heilung eines Mangels nach Abschluß des Vorverfahrens oder, falls ein Vorverfahren nicht stattfindet, nach Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage nur noch in dem einen Fall zu, daß der für den Erlaß des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird (§ 45 I N r . 1, II VwVfG). Sie erlaubt weiter eine Heilung von Verfahrens- und Formfehlern nur in den ausdrücklich aufgezählten Fällen, nämlich wenn der erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird, wenn der Beschluß eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlaß des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefaßt wird und wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird (§ 45 I VwVfG). Abgesehen von der nachgeholten Antragstellung ist für diese Mängel die Heilung nach Erlaß des Widerspruchsbescheids oder, wenn es eines Vorverfahrens bedarf, nach Erhebung der Klage ausgeschlossen. Die Mängel bleiben also beachtlich und führen, sofern sie im Sinne des § 46 VwVfG erheblich sind, zur Aufhebung der gerichtlich angefochtenen Entscheidung. Die Striktheit dieser Regelung gibt dem Verwaltungsprozeß in stärkerem Maße als bisher eine edukatorische Funktion gegenüber der Verwaltung. Die in § 45 III VwVfG getroffene Bestimmung über die Möglichkeit und den maßgeblichen Zeitpunkt einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Anfechtungsfrist, wenn die erforderliche Begründung des Verwaltungsaktes fehlt oder die erforderliche Anhörung eines Beteiligten unterblieben ist, gehört sachlich zu § 32 VwVfG.
so ζ. B. die Verletzung des Rechts auf Gehör (BVerwG DVB1. 1965, 26, 28). Der Fehler unzureichender Sachaufklärung durch die Behörde war, abgesehen von Ermessensentscheidungen, grundsätzlich auch im Gerichtsverfahren heilbar, soweit die gerichtliche Sachverhaltsermittlung den Mangel wettmachen konnte; denn je nach deren Ergebnis konnte sich die Entscheidung der Behörde als rechtmäßig oder rechtswidrig erweisen (BVerwGE 24, 23, 32). Die Heilung war auch hier ausgeschlossen, wenn das Gesetz durch besondere Vorkehrungen der Sachverhaltsaufklärung den Betroffenen schützen wollte (BVerwGE 19, 216 betr. Zwangspensionierung eines Beamten). Ebenso war es grundsätzlich nicht möglich, die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachzuholen (BVerwGE 9, 69; 11, 195; 26, 145). 73
74
Strenger als die Gerichtspraxis wollte Kopp, VerwArch. 61 (1970), 219 die Heilung von Verfahrensfehlern nach Klageerhebung im Verwaltungsprozeß überhaupt nicht zulassen. Meyer/Borgs (Fn. 60) § 45 Rdnr. 4; Ule /Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977, S. 235. 319
§ 4 1 IV
Peter Badura IV. Nachschieben von Gründen und Konversion
Die Entscheidung der Behörde beruht auf tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen, die in der schriftlichen Begründung des Verwaltungsaktes mehr oder weniger ausführlich festgehalten sind. Die Rechtsbeständigkeit des Verwaltungsaktes bestimmt sich nach dem Inhalt der getroffenen Verfügung; auf die Begründung kommt es dafür nur insoweit an, als die tatsächlichen Feststellungen zutreffen müssen und nicht ein Ermessensfehler unterlaufen sein darf. Die Richtigkeit einer gegebenen Begründung ist dementsprechend nicht schlechthin für die Rechtsbeständigkeit des Verwaltungsaktes maßgebend. Die Behörde darf nach Erlaß des Verwaltungsaktes und gegebenenfalls des Widerspruchsbescheids durch „Nachschieben von Gründen", die im Entscheidungszeitpunkt bereits vorlagen, eine fehlende Begründung nachholen (siehe dazu oben unter § 41 II 3) und eine gegebene Begründung ergänzen, sofern dadurch die getroffene Verfügung inhaltlich nicht geändert und der Betroffene dadurch nicht in der Wahrung seiner Rechte beeinträchtigt wird 7 5 . Sie kann im gerichtlichen Verfahren die in der ursprünglichen Begründung gegebene rechtliche Rechtfertigung unter den genannten Voraussetzungen vervollständigen und auch ändern, z. B . also sich auf eine andere Rechtsgrundlage des Verwaltungsaktes berufen. In denselben Grenzen muß das Verwaltungsgericht auch ohne neues Rechtsvorbringen der Behörde, einen angefochtenen Verwaltungsakt als rechtmäßig bestätigen, wenn er zwar in seiner zunächst gegebenen Begründung keine Rechtfertigung findet, aber von einer anderen Rechtsvorschrift getragen wird 7 6 . Ebenso können neue Tatsachen vorgebracht und auch ein geänderter Sachverhalt behauptet werden, wenn dadurch der Verwaltungsakt inhaltlich nicht geändert, nicht eine widersprüchliche tatsächliche Grundlage der Entscheidung angenommen 77 und die Rechtswahrung des Betroffenen nicht beeinträchtigt wird. Auch bei einer Ermessensentscheidung braucht die Behörde nicht sämtliche in Betracht gezogenen Gesichtspunkte in der Begründung aufgeführt zu haben und kann nachträglich auch weitere Umstände vortragen, die der Entscheidung zugrunde gelegt worden waren und mit den ausdrücklich genannten Gründen konsistent sind. Ein gebundener Verwaltungsakt kann jedoch nicht nachträglich als Ermessensentscheidung begründet werden ; das würde den Verwaltungsakt „in seinem Wesen" verändern 78 . Die Möglichkeit des Nachschiebens von Gründen beruht auf dem Gedanken, daß das Gericht einen angefochtenen Verwaltungsakt, der nicht an einem unheilbaren Verfahrensfehler leidet, nur dann aufzuheben hat, wenn er objektiv das Recht verletzt. Darin liegt der Unterschied zu der Heilung von Verfahrensfehlern. 75
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BVerwGE 1, 311; 10, 37, 44; 11, 170; BVerwG DÖV 1967, 62; BayVGHE 7, 1; 10, 126, 135; 13, 105; OVG Münster OVGE 17, 115; Tschira/Schmitt Glaeser, Grundriß des Verwaltungsprozeßrechts, 2. Aufl., 1977, S. 294ff.; abl. Kopp, (Fn. 73). BayVGHE 7, 1, 6; BayVGH BayVerwBl. 1959, 126; HessVGH DVB1. 1963, 821. BSG NJW 1965, 1102. OVG Münster OVGE 22, 112.
§41
Das Verwaltungsverfahren
V1
Das Nachschieben von Gründen kann der Heilung des formellen Mangels einer fehlenden und unzureichenden Begründung dienen, hat aber vor allem das Ziel, im Verwaltungsprozeß die Rechtsbeständigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes zu verteidigen. Die Frage seiner Zulässigkeit kann sich auch bei Verwaltungsakten mit einer formell ordnungsmäßigen Begründung stellen, ist also getrennt von der — jetzt ausgeschlossenen (§ 45 I Nr. 2, II VwVfG) — Möglichkeit zu betrachten, eine Verletzung des Begründungszwangs durch Sachvortrag im Verwaltungsprozeß zu heilen. Dem allgemeinen Rechtsgedanken folgend, der in § 140 BGB zu einer Regelung über die Konversion eines nichtigen Rechtsgeschäfts geführt hat, besteht die rechtliche Möglichkeit der Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes (§ 47 VwVfG). Entspricht ein nichtiger oder aufhebbarer Verwaltungsakt den förmlichen und sachlichen Voraussetzungen eines inhaltlichen anderen Verwaltungsaktes, so ist dieser als erlassen anzusehen, wenn anzunehmen ist, daß die Behörde diesen Verwaltungsakt bei Kenntnis der Unwirksamkeit oder Aufhebbarkeit des ersten Verwaltungsaktes erlassen hätte und wenn der Verwaltungsakt, in den die ursprüngliche und fehlgegangene Entscheidung umgedeutet wird, keinen weitergehenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen ausspricht79. Eine derartige Konversion setzt voraus, daß rechtliches Gehör gewährt und daß die Rechtswahrung des Betroffenen dadurch nicht verkürzt wird. Handelt es sich um einen nur aufhebbaren Verwaltungsakt, ist die Umdeutung unzulässig, wenn eine Rücknahme nicht erfolgen dürfte (§47 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Beispielsweise kann im Vergnügungssteuerrecht ein fehlerhafter Heranziehungsbescheid in einen Haftungsbescheid, nicht jedoch — wegen der dadurch eintretenden Verschlechterung der Rechtsstellung des Pflichtigen — ein fehlerhafter Haftungsbescheid in einen Heranziehungsbescheid umgedeutet werden80. Aus dem Grundsatz, daß eine Behörde fehlerhaft handelt, wenn sie sich bei bestehender Ermessensfreiheit rechtsirrig für gebunden hält, folgt, daß ein gebundener Verwaltungsakt nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden kann 81 . Prozeßrechtlich ist eine Konversion als Klageänderung zu behandeln (§ 91 VwGO). V. Die Bestandskraft des Verwaltungsaktes 1. Bestandskraft
oder
Rechtskraft?
Der Verwaltungsakt erlangt mit der Bekanntgabe an den Betroffenen Wirksamkeit und mit seiner Unanfechtbarkeit Bestandskraft (siehe unter § 41 I und §41 II 6). Die prinzipielle Verschiedenartigkeit des Verwaltungsverfahrens und des 79
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BVerwGE 12, 9; OVG Münster VerwRspr. 5, 157; OVG RhPf. VerwRspr. 8, 647; Bachof Rspr. BVerwG I, S. 208f.; Wolff/Bachof, VwR I, § 51 Vc. O V G Münster OVGE 17, 115. BVerwGE 15, 196; 48, 81. 321
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Allgemeines Verwaltungsrecht
§41 V 1
Peter Badura
gerichtlichen Verfahrens (dazu unter § 371) läßt es nicht zu, die prozeßrechtlichen Regeln über die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen auf die Entscheidungsund Bindungswirkung von Verwaltungsakten zu übertragen. Welchen Inhalt und welche Tragweite die einem Verwaltungsakt zukommende „Beständigkeit" (Bestandskraft) hat, muß in Abgrenzung von der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen im Verwaltungsrecht selbständig bestimmt werden 82 . Eine gerichtliche Entscheidung wird formell rechtskräftig genannt, wenn sie mit regulären Rechtsmitteln nicht mehr angegriffen werden kann, wenn also die zu ihrer Anfechtung offene Frist abgelaufen oder der Rechtsweg erschöpft ist. Die in einem unanfechtbaren Urteil ausgesprochene Entscheidung über den Streitgegenstand ist, bezogen auf die im Entscheidungszeitpunkt gegebene Sach- und Rechtslage, für die Beteiligten maßgeblich; sie bindet die Beteiligten hinsichtlich des verfahrensbefangenen Rechtsverhältnisses (vgl. §§322, 325 ZPO, 121 VwGO). Insofern wirkt das Urteil materielle Rechtskraft. Verwaltungsakte können nur innerhalb gesetzlich festgelegter Fristen mit Widerspruch oder Klage angefochten werden. Sie werden mit Fristablauf oder Erschöpfung des Rechtswegs unanfechtbar. Die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes bedeute nicht nur, daß hinfort ein Rechtsbehelf unzulässig ist, sondern auch, daß — bezogen auf die im Entscheidungszeitpunkt gegebene Sach- und Rechtslage — die durch den Verwaltungsakt bewirkte Regelung hinkünftig für die Behörde und die Beteiligten maßgeblich ist, ohne Rücksicht auf behauptete oder bestehende Fehler des Verwaltungsaktes, es sei denn, daß diese die Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes zur Folge haben. Wie weit diese Maßgeblichkeit der in dem Verwaltungsakt getroffenen Regelung sachlich reicht, bestimmt sich nach dem Entscheidungsgegenstand und dem der Entscheidung zugrunde liegenden Recht. Die prozeßrechtlichen Grundsätze über die objektiven Grenzen der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung gelten nicht auch für den Umfang der Bestandskraft von Verwaltungsakten, die ja nicht auf die Streitentscheidungs- und Befriedungsaufgabe der Rechtsprechung gegründet sind und nicht aus einem Verfahren hervorgehen, das die Richtigkeitsgewähr des gerichtlichen Verfahrens aufweist. Das materielle Recht muß daher für die sachliche Reichweite der Maßgeblichkeit unanfechtbarer Verwaltungsakte berücksichtigt werden. Der Gegenstand und die rechtliche Tragweite der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes lassen sich nicht einheitlich für alle Rechtsgebiete und für alle Arten von Verwaltungsakten beurteilen 83 . Nur insofern als die Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes hinsichtlich seines Entscheidungsgegenstandes kraft Unanfechtbarkeit eintritt, in ihren Voraussetzun« BVerwGK 5, 312; Forsthoff,
VwR, § 13, 1; Wolff/Bachof,
VwR I, § 5 2 ; Bachof,
BVerwG I, S. 255ff., II, S. 334ff.; Bullinger, J Z 1963, 466, 468ff.; Kröner, Zölle und Verbrauchssteuern 1971, 330; Sauer, D Ö V 1971, 150. 83
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Rspr.
Zeitschr. f.
BVerwGE 48, 271. Die Entscheidung betrifft die Frage, ob die Bestandskraft eines Bescheides, mit dem eine Baugenehmigung mangels Bebaubarkeit des Grundstücks abgelehnt worden war, hinsichtlich der materiellen Baurechtswidrigkeit der Anlage bindend
Das Verwaltungsverfahren
§41 V1
gen verfahrensrechtlich bedingt und zuletzt in dem allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit begründet ist, kann man von einer „Wesensverwandtschaft" der Bestandskraft von Verwaltungsakten und der formellen Rechtskraft von gerichtlichen Entscheidungen sprechen. Davon abgesehen beschränkt sich die Parallelität darauf, daß in beiden Fällen mit staatlicher Autorität umkleidete Akte vorliegen, die selbständige und nicht ohne weiteres wieder zu beseitigende Wirkungen für die Beteiligten haben. Während für das Gericht, das den Prozeß als neutraler Dritter führt, ausdrücklich gesagt ist, daß es an die in seinem Urteil enthaltene Entscheidung gebunden ist (§318 ZPO), liegt die Sache beim Verwaltungsverfahren anders; denn die Behörde ist selbst an dem Verwaltungsverfahren materiell beteiligt. O b die Behörde ihren Verwaltungsakt aufheben darf, ist deshalb nicht ein bloß verfahrensrechtliches Problem, sondern hängt von der materiellrechtlich bestimmten Bindungswirkung ab, die einem bestandskräftigen Verwaltungsakt zukommt. Die als Bestandskraft bezeichnete Maßgeblichkeit der Entscheidung hindert den Betroffenen daran, etwaige Fehler des Verwaltungsaktes geltend zu machen und eine Änderung des Verwaltungsaktes oder eine neue Entscheidung in der Sache zu verlangen, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht geändert hat. Er hat — verfahrensrechtlich — keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens (dazu unter §41 IV 3) und — materiellrechtlich — keinen Anspruch auf eine neue sachliche Entscheidung84. Auf der anderen Seite erwächst für den Betroffenen aus der Bestandskraft des Verwaltungsaktes materiellrechtlich ein Vertrauenstatbestand, der die Behörde in gewissem Umfang daran hindert, den Verwaltungsakt wegen eines Fehlers zurückzunehmen oder aus anderen Gründen zu widerrufen, das Verwaltungsverfahren also im öffentlichen Interesse wieder aufzugreifen (dazu ebenfalls unter § 41 IV 3). Diese Bindungswirkung des bestandskräftigen Verwaltungsaktes zu Lasten und zugunsten des Betroffenen entspringt zwar — wie die formelle Rechtskraft eines Urteils — dem verfahrensrechtlichen Tatbestand der Unanfechtbarkeit 85 , bestimmt für eine spätere Entscheidung über eine ßeseitigungsanordnung sei. Die Frage wird unter Bezugnahme auf den in Art. 1 4 I G G verankerten Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung verneint. Demgegenüber wäre über die materielle Baurechtswidrigkeit abschließend entschieden, soweit dies Gegenstand eines rechtskräftigen Gerichtsurteils wäre, das die Rechtmäßigkeit des die Baugenehmigung versagenden Bescheides bestätigte. Der im Institut der materiellen Rechtskraft liegende spezifische Ausgleich zwischen einerseits dem Interesse an der materiellen Richtigkeit einer Entscheidung und andererseits dem Interesse an einem rechtsbeständigen Abschluß des Verfahrens könne auf Verwaltungsakte allenfalls dann übertragen werden, wenn diese in einem Verfahren ergangen seien, das eine dem gerichtlichen Verfahren vergleichbare Gewähr f ü r die Richtigkeit der Entscheidung biete. 84 85
BayVGHE 12, 39, 41f. Die Bestandkraft begünstigender Verwaltungsakte läßt einen Vertrauenstatbestand entstehen, doch kann ein Vertrauenstatbestand auch aus anderen Umständen hervorgehen. Deswegen greift der Schutz des Vertrauens auf den Bestand eines Verwaltungsaktes erst 323
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sich aber inhaltlich — anders als die materielle Rechtskraft eines Urteils — nach dem materiellen Recht. Nur bei „streitentscheidenden" Verwaltungsakten, bei denen die Behörde in einem geregelten Verfahren unter Klärung des Sachverhalts und unter Anhörung der Beteiligten das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts oder einer Verpflichtung zwischen den Beteiligten feststellt, kommt das Verwaltungsverfahren insoweit einem gerichtlichen Verfahren so nahe, daß die Bestandskraft des Verwaltungsaktes entsprechend der materiellen Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung definiert ist 86 . Die als Bestandskraft bezeichnete Entscheidungs- und Bindungswirkung des Verwaltungsaktes für die Behörde und die Beteiligten ist zu unterscheiden von der Bindungswirkung, die ein Verwaltungsakt in Gestalt der Tatbestandswirkung und der Feststellungswirkung87 für andere Behörden haben kann 88 . Sie ist auch zu unterscheiden von der durch die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gerichtszweigen bedingten Verpflichtung der Zivil- und Strafgerichte, den Inhalt eines wirksamen Verwaltungsaktes als bestehend zugrunde zu legen. Dazu des Näheren im Dritten Teil unter § 13. 2. Berichtigung von
Verwaltungsakten
Die Behörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in einem Verwaltungsakt jederzeit, auch nach Unanfechtbarkeit, berichtigen (§42 VwVfG). Die Berichtigung eines Verwaltungsaktes betrifft nicht Verfahrensmängel, formelle Verstöße beim Erlaß eines Bescheides oder inhaltliche Fehler, betrifft überhaupt nicht das Zustandekommen und den Inhalt der getroffenen Entscheidung, sondern lediglich die äußere Erscheinungsweise der Entscheidung. Eine berichtigungsfähige „offenbare Unrichtigkeit" kommt nur bei einem Widerspruch des erkennbar durch die Behörde Gewollten mit dem, was die Behörde ausgesprochen hat, in Betracht 89 . Eine offenbare Unrichtigkeit eines Bescheides kann also nur eine Unvollkommenheit in der Wiedergabe der Entscheidung sein, die sich bei verständiger Betrachtung aus der schriftlichen
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durch, wenn das Verwaltungsverfahren unanfechtbar abgeschlossen ist, es kann sich aber ausnahmsweise im Einzelfall aus dem Grundsatz von Treu und Glauben etwas anderes ergeben (BVerwG D Ö V 1965, 707). BVerfGE 2, 280, 293f. betr. Haftentschädigungsverfahren ; BVerwGE 4, 250; B a y V G H E 12, 39, 41. Ζ. B. die Bindungswirkung von Vertriebenen- und Flüchtlingsausweisen im Hinblick auf den staatsangehörigkeitsrechtlichen Status gem. § 15 Abs. 5 B V F G (BVerwGE 34, 90; 35, 316). Forsthoff, VwR S. 106 f. B S G DVBl. 1962, 29; B S G DÖV 1963, 184; BVerwG DVB1. 1972, 955; Schröcker, N J W 1968, 2035; Sträßer, Der Versorgungsbeamte 1968, 101. - Erkennbare Fehler im Rahmen der Datenverarbeitung, etwa Fehler im Rechenzentrum, stehen Schreib- und Rechenfehlern gleich (BVerwG NJW 76, 532).
Das Verwaltungsverfahren
§41 V 3
Niederlegung selbst ohne Zuhilfenahme der zugrunde liegenden Vorstellungen der Behörde ergibt, die „ins Auge springt" 9 0 . Die Behörde kann das Recht auf Berichtigung verwirken 91 . Die praktische Bedeutung der Unterscheidung zwischen berichtigungsfähigen „Unrichtigkeiten" und nur durch eine Änderung oder Aufhebung des Verwaltungsaktes korrigierbaren „Fehlern" besteht darin, daß die Behörde im Fall der Berichtigung — da der Inhalt der Entscheidung unberührt bleibt — nicht durch die Grundsätze über die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten beschränkt ist; denn eine offenbare Unrichtigkeit kann keinen Vertrauenstatbestand begründen.
3. Wiederaufgreifen eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens, wiederholende Verfügung und Zweitbescheid, Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Behörde einen nach unanfechtbar abgeschlossenen Verwaltungsverfahren bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt zugunsten oder zu Lasten des Betroffenen aufheben oder ändern. Diese Durchbrechung der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes kommt in zwei Fallgruppen in Betracht. Die eine Fallgruppe wird von der Frage gebildet, ob und unter welchen Voraussetzungen die Behörde verpflichtet ist, einen bestandskräftigen Verwaltungsakt wegen eines behaupteten oder bestehenden Rechtsverstoßes zugunsten des Betroffenen aufzuheben oder zu ändern. Die andere Fallgruppe wird durch die Frage gebildet, ob und unter welchen Voraussetzungen die Behörde einen bestandskräftigen Verwaltungsakt aufheben oder ändern darf, sei es in Gestalt der Rücknahme eines fehlerhaften Verwaltungsaktes, sei es in Gestalt des Widerrufs eines fehlerfreien Verwaltungsaktes. Beide Fallgruppen überschneiden sich hinsichtlich der Befugnis oder Verpflichtung der Behörde, einen belastenden fehlerhaften Verwaltungsakt ganz oder teilweise zurückzunehmen. Bei beiden Fallgruppen handelt es sich um das Aufhebungsrecht und die Aufhebungspflicht der Behörde auf der Grundlage der im Entscheidungszeitpunkt bestehenden Sachund Rechtslage; denn nur auf diese Entscheidungsgrundlage ist die Bestandskraft des Verwaltungsaktes bezogen. Verfahrensrechtlich betrachtet setzt die Aufhebung eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens voraus; denn die Behörde setzt sich dabei über den unanfechtbaren Abschluß des Verwaltungsverfahrens hinweg. Das VwVfG spricht in einem engeren Sinne nur dort von einem Wiederaufgreifen des Verfahrens, wo die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden hat (§ 51 VwVfG). Greift die Behörde ein Verwaltungsverfahren 90 91
BVerwG DVB1. 1972, 955 betr. eine automatisch hergestellte Versorgungsberechnung. BSG N J W 1966, 125. 325
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wieder auf, sei es von Amts wegen oder auf Antrag des Betroffenen, ist der bestandskräftige Verwaltungsakt Ausgangspunkt. Ziel des wieder aufgegriffenen Verfahrens ist eine Entscheidung darüber, ob und inwieweit eine Durchbrechung der Bestandskraft des Verwaltungsaktes erfolgen soll. Darin unterscheidet sich das Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens von einer Wiederaufnahme des Verfahrens entsprechend § 580 ZPO 9 2 , bei der im Falle der Restitution das Verfahren unter Beiseitelassen der ursprünglichen Entscheidung neu aufgerollt wird 93 . Von beidem unterscheidet sich die nur gegen die Versäumung einer Frist in Betracht kommende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (restitutio in integrum)94; vgl. § 32 VwVfG, § 60 VwGO. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Durchbrechung der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes möglich ist, bestimmt sich nach dem materiellen Recht. Denn dem Verwaltungsakt kommt eine im Verfahrensrecht begründete Bindungswirkung entsprechend der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen nicht zu. Dementsprechend hängt es von dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zwischen der Behörde und dem Betroffenen, das der Verwaltungsakt gestaltend oder feststellend regelt, ab, ob der Betroffene einen Anspruch auf eine Aufhebung oder Änderung des Verwaltungsaktes zu seinen Gunsten hat und ob der Betroffene der Behörde, die den Verwaltungsakt aufheben oder ändern will, eine durch den bestandskräftigen Verwaltungsakt gewonnene Vertrauensposition entgegenhalten kann. Da aber andererseits die Bestandskraft einem verfahrensrechtlich definierten Tatbestand — der Unanfechtbarkeit der Verwaltungsaktes — entspringt und außerdem die Aufhebung oder Änderung des Verwaltungsaktes ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens voraussetzt, besteht hier ein enger Zusammenhang von Verwaltungsverfahrensrecht und materiellem Verwaltungsrecht. Aus diesem Grunde hat das VwVfG diesen Komplex in sein Regelungsprogramm einbezogen (§§ 48 bis 52) und dabei die Fallgruppe, daß der Betroffene eine Aufhebung oder Änderung des Verwaltungsaktes begehrt, in Abänderung der geltenden Rechtslage stärker verfahrensrechtlich ausgestaltet (§ 52 VwVfG). Im folgenden werden für dieses Gebiet, dessen Hauptsitz nach wie vor das materielle Recht ist, nur die prinzipiellen Fragestellungen bezeichnet; des Näheren siehe im Dritten Teil unter §§ 16 ff. Erhebt der von einem unanfechtbaren belastenden Verwaltungsakt, ζ. B. einer Beseitigungsanordnung oder der Ablehnung einer beantragten Erlaubnis, Betroffene Gegenvorstellungen oder stellt er einen neuen Antrag, kann die Behörde, sofern sich seit dem Erlaß des Verwaltungsakts Sachlage und Rechtslage nicht geändert haben, darauf verweisen, daß die Angelegenheit unanfechtbar verbeschieden ist („wiederholende Verfügung"). Die Behörde kann in diesem Fall aber auch das 92
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Das VwVfG behandelt die Wiederaufnahme des Verfahrens ohne Rücksicht auf die im T e x t genannte Verschiedenheit als einen Unterfall des Wiederaufgreifens des Verfahrens (§ 51 Abs. 1 N r . 3). B V e r w G E 15, 155. - Bettermann, in: Festschrift für Hans J . Wolff, 1973, S. 4 6 5 . B V e r w G E 21, 4 7 ; M. Wallerath, D Ö V 1970, 653.
Das Verwaltungsverfahren
§41 V 3
Verfahren wieder aufgreifen und erneut zur Sache entscheiden („Zweitbescheid"). Hat die Behörde durch Zweitbescheid eine neue Sachentscheidung getroffen, sei es als Bestätigung des Erstbescheids, sei es als dessen Aufhebung oder Änderung, liegt ein Verwaltungsakt vor, der nach dem Maße der erneuten Entscheidung den Klageweg eröffnet. O b die Behörde sich durch eine wiederholende Verfügung auf die Bestandskraft des Verwaltungsakts beruft oder ob sie diese mit einem regelnden Zweitbescheid durchbricht, steht in ihrem Ermessen. Sie ist zu einem Wiederaufgreifen des Verfahrens und zu einer erneuten Sachentscheidung nicht verpflichtet und der Betroffene hat darauf keinen Anspruch 95 . Das gilt auch dann, wenn der Betroffene die Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes behauptet oder wenn diese sich, ζ. B. durch eine höchstrichterliche Entscheidung, nachträglich herausstellt 96 . Der Betroffene hat, was sich aus dem Gleichheitssatz ergibt, nur dann einen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und auf Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren fehlerhaften Verwaltungsaktes, wenn sich eine Verwaltungspraxis und damit eine „Selbstbindung der Verwaltung" dahin gebildet hat, daß in Fällen bestimmter Art regelmäßig ein Wiederaufgreifen des Verfahrens stattfindet und eine Abweichung von einer solchen Praxis im konkreten Fall nicht auf sachgerechten Erwägungen beruht 97 . Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Verwaltungsakt gerichtlich bestätigt worden war; in diesem Fall eröffnet allerdings — abgesehen von dem eben genannten Zweitbescheid aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung — der neue Sachbescheid wegen der materiellen Rechtskraft des gerichtlichen Urteils den Verwaltungsrechtsweg ohne eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht erneut 98 . Ein anfechtbarer Verwaltungsakt ist nicht nur der Zweitbescheid, sondern auch die wiederholende Verfügung. Denn die wiederholende Verfügung regelt das Rechtsverhältnis zwischen der Behörde und dem Betroffenen insoweit, als eine Änderung der Sach- oder Rechtslage verneint wird und als durch die Wahl der wiederholenden Verfügung und nicht des Zweitbescheids die Behörde ihr Ermessen ausübt 99 . Hinsichtlich dieser Entscheidung, nicht auch hinsichtlich der durch den bestandskräftigen Verwaltungsakt getroffenen Regelung selbst, kann die gerichtliche Kontrolle nicht ausgeschlossen sein 1 0 0 .
BVerwGE 11, 106 ( = J Z 1961, 427 mit Anm. Haueisen)·, 11, 242; 13, 99; 15, 155; 17, 256; BVerwG N J W 1965, 602; BVerwGE 44, 333 m. Anm. Maurer, JuS 1976, 25; BayVGHE 12, 39; Menger, VerwArch. 53 (1962), 281 ff. und 54 (1963), 286ff.; Bullinger, J Z 1963, 466; Haueisen, NJW 1965, 561; Arndt, DVB1. 1971, 252. 9 6 BVerwGE 11, 124; BVerwG J Z 1963, 482; BVerwG DVB1. 1967, 159; BVerwG J Z 1967, 701. 9 7 BVerwG DVB1. 1965, 485; BVerwG DVB1. 1967, 159; BVerwGE 26, 153. 9 8 BVerwG DÖV 1968, 498; BVerwGE 35, 234. 9 9 O V G Koblenz DÖV 1965, 55. 100 BVerfGE 27, 297 betr. einen Wiedergutmachungsbescheid. Dazu: Menger/Erichsen, VerwArch. 61 (1970), S. 274, 285ff.; Schwabe, JuS 1970, 382; Siegmund-Schultze, DVB1. 1970, 256. 95
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§42 I
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Hat sich die Sach- oder Rechtslage dagegen nach Erlaß des Verwaltungsaktes geändert, kann die Behörde den Betroffenen, der Gegenvorstellungen erhebt oder einen neuen Antrag stellt, nicht auf die Bestandskraft ihrer Entscheidung verweisen. Der Betroffene hat in diesem Fall einen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens und eine neue Sachentscheidung. Eine neue Sachlage kann durch neue Tatsachen, z. B. den Nachweis der für eine gewerberechtliche Erlaubnis vorausgesetzten und zunächst nicht gegebenen Sachkunde, oder neue, rechtserhebliche Beweismöglichkeiten101 geschaffen werden. Eine neue Rechtslage entsteht durch eine Änderung der Rechtsvorschriften, nicht jedoch durch einen Wandel der Rechtsauffassungen, etwa in der Gerichtspraxis 102 . In der Regel wird die Wirkung der neuen Sachentscheidung erst mit Erlaß des Zweitbescheides (ex nunc) eintreten, also nicht eine Aufhebung oder Änderung der ursprünglichen Entscheidung umfassen. Denn das Wiederaufgreifen des Verfahrens und die neue Sachentscheidung wegen geänderter Sach- oder Rechtslage sind keine Durchbrechung der Bestandskraft des Verwaltungsaktes, weil diese sich auf die Sachoder Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung beschränkt. Anders ist es nur, wenn die neue Rechtsvorschrift sich Rückwirkung beigelegt hat oder wenn durch neue Beweismittel der Sachverhalt der ursprünglichen Entscheidung sich als unrichtig erweist; unter diesen Voraussetzungen kann eine Aufhebung oder Änderung des Erstbescheids durch den ex tunc wirkenden Zweitbescheid stattfinden. Bei einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung hängt die Wirkung des Zweitbescheides von dem Geltungszeitraum der neuen Rechtsvorschrift und der Bedeutung der neuen Tatsache oder des neuen Beweismittels ab und kann dementsprechend vergangene oder nur zukünftige Zeitabschnitte erfassen. Die Befugnis der Behörde zur Rücknahme eines rechtswidrigen und zum Widerruf eines fehlerfreien Verwaltungsaktes wird, soweit das Gesetz nicht eine ausdrückliche Regelung enthält, wie z. B. in §§ 172ff. AbgO, durch die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und — bei begünstigenden Verwaltungsakten — des Vertrauensschutzes bestimmt. Das VwVfG sieht ausführliche allgemeine Vorschriften vor (§§ 48 bis 50) 1 0 3 . Siehe hierzu die Darstellung im Dritten Teil unter §§ 16 ff. §42 Das Planfeststellungsverfahren I. Grundlagen des Planfeststellungsrechts Das Planfeststellungsverfahren ist ein kennzeichnendes Beispiel für ein förmliches Verwaltungsverfahren. Es hat die verwaltungsrechtliche Prüfung eines raumbezogenen Vorhabens, z. B. eines Verkehrsweges, mit dem Ziel zum Gegen101 102
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BVerwGE 19, 153; 25, 241; 32, 124; BayVGHE 12, 39. BVerwG N J W 1968, 315; BVerwGE 31, 112.
Ossenbühl, DÖV 1964, 511.
Das Verwaltungsverfahren
§42
I
stand, den „ P l a n " , d. h. die A r t , Beschaffenheit, Lage und Ausführung des V o r habens unter Abwägung und Ausgleichung des Anspruchs des U n t e r n e h m e r s ( „ T r ä g e r s " ) des V o r h a b e n s , des öffentlichen Interesses und der rechtlich geschützten Interessen der durch das V o r h a b e n betroffenen Dritten in Gestalt einer durch den Planfeststellungsbeschluß begründeten Berechtigung des U n t e r n e h m e r s „festzustellen". B e i der Planfeststellung übt die Exekutive Aufgaben der Fachplanung in einem Einzelfall aus — der Planfeststellungsbeschluß ist ein Verwaltungsakt —, zum Unterschied von der Aufstellung von Plänen der R a u m o r d n u n g , Landesplanung und Bauleitplanung, die normativ die bauliche und sonstige N u t z u n g des Bodens hinsichtlich aller raumbeeinflussenden V o r h a b e n und M a ß n a h m e n regeln. D i e einzelne Planfeststellung m u ß sich in die übergreifenden Ziele und P r o g r a m m e der Gesamtplanungen der Bodenbeanspruchung einfügen und mit den etwa berührten anderen Fachplanungen abgeglichen werden und sie m u ß die sonst betroffenen öffentlichen Interessen, ζ . B . des N a t u r - und Landschaftsschutzes, der Wasserwirtschaft, berücksichtigen. Diese Komplexität des öffentlichen Interesses, neben den besonderen Anforderungen an das V o r h a b e n kraft der fachgesetzlichen Regelung, k o m m t in der notwendigen Mitwirkung oder sogar Beteiligung anderer Behörden und Verwaltungsträger, ζ . B . der G e m e i n d e n , und in den „ R a u m ordnungsklauseln", z. B . § 6 A b s . 2 S. 1 L u f t V G 1 , zum Ausdruck. Das Gesetz ordnet an, für welche V o r h a b e n ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist. Ungeachtet der Verschiedenheit der Vorhaben und der jeweiligen speziellen gesetzlichen Regelungsziele weisen die fachgesetzlichen B e s t i m mungen so weitgehende materiellrechtliche und verfahrensrechtliche G e m e i n s a m keiten auf, daß man von einem prinzipiell einheitlichen Rechtsinstitut der Planfeststellung sprechen k a n n 2 . Dementsprechend sehen die § 7 2 ff. V w V f G allgemeine Verfahrensregeln für die bundesrechtlichen Planfeststellungsverfahren v o r , womit zugleich eine Vereinheitlichung des Planfeststellungsrecht angestrebt wird. D i e Anfänge des Planfeststellungsrechts reichen, besonders im Eisenbahn- und im Enteignungsrecht, in das 19. Jahrhundert z u r ü c k 3 . D e r Sache nach hatte auch 1 2
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Forsthoff/Blümel, Raumordnungsrecht und Fachplanungsrecht, 1970. Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, 1968; ders., ZfW 1969, S. 77; ders., RWW 20, 81; Schotthöfer, BayVerwBl. 1968, 300, 342; Hoppe, Rechtsschutz bei der Planung von Straßen und anderen Verkehrsanlagen, 1971; Wolff, VwR III, § 1 5 8 1 1 ; Forsthoff, VwR § 16; Kodal, Straßenrecht, 2. Auflage, 1964, S. 467ff.; Beine/Lohmann, Zeitschr. für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen 1965, 103; Karwath, Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung nach dem Bundesfernstraßengesetz, 1968; Fromm, DVB1. 1969, 289; Börner, Planungsrecht für Energieanlagen 1973; R. Manner, Die rechtsstaatlichen Grundlagen des Planfeststellungsverfahrens, Diss. München 1976; H. C. Fickert, Die Planfeststellung für den Straßenbau, 1977 ; L. Heigl, in : W. Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren, 1977, S. 257. — Im übrigen sind die Abhandlungen und Kommentare zu den Spezialgesetzen sowie die Kommentierungen der §§72 ff. VwVfG heranzuziehen. Blümel,
Die Bauplanfeststellung I, 1961. 329
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das Genehmigungsverfahren bei lästigen Anlagen gem. §§ 16ff.GewO (jetzt §§ 4 ff. Bundes-Immissionsschutzgesetz) den Charakter eines Planfeststellungsverfahren. Unter Beiseitelassen des Enteignungsrechts und enteignungsähnlicher Verfahren, wie z. B. dem Verfahren zur Aufstellung des Flurbereinigungsplanes gem. §§ 56ff. FlurBG 4 , lassen sich als ausdrücklich so bezeichnete und ausgestaltete Planfeststellungsverfahren des Bundesrechts die folgenden aufführen: Benutzung eines Verkehrswegs zur Ausführung neuer Telegraphenlinien oder wesentlicher Änderungen vorhandener Telegraphenlinien (§§ 7 ff. Telegraphenwege-Gesetz vom 18. Dezember 1899, RGBl. S. 705, in Verb, mit dem Gesetz zur Vereinfachung des Planverfahrens für Fernmeldelinien vom 24. September 1935, RGBl. I S. 1177); Bau neuer Anlagen der Deutschen Bundesbahn und Änderung bestehender Anlagen (§ 36 Bundesbahngesetz, BGBl. III 931 —1); Planfeststellungsverfahren bei der Herstellung, Ausgestaltung, Änderung oder Beseitigung von Kreuzungen (§ 9 Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen, Eisenbahnkreuzungsgesetz, i. d. Fass. d. Bek. vom 21. März 1971, BGBl. III 9 1 0 - 1 , in Verb, mit dem für anwendbar erklärten Planfeststellungsrecht); Bau neuer und Änderung bestehender Bundesfernstraßen (§§ 17 ff. BFStrG); Bau neuer und Änderung bestehender Straßenbahnen (§§28 ff. PBefG); Anlegung und Änderung von Flughäfen und Landeplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich (§§8 ff. LuftVG); Ausbau eines Gewässers oder seiner Ufer (§31 WHG in Verb, mit dem Landeswasserrecht); Ausbau oder Neubau von Bundeswasserstraßen (§§ 14 ff. Bundeswasserstraßengesetz vom 2. April 1968, BGBl. II S. 173); Errichtung und Betrieb von ortsfesten Abfallbeseitigungsanlagen sowie die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder ihres Betriebes (§§ 7, 8, 20ff. Abfallbeseitigungsgesetz vom 7. Juni 1972, BGBl. III 2129-6); Errichtung und Betrieb der Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle sowie die wesentliche Änderung solcher Anlagen oder ihres Betriebes (§ 9 b Atomgesetz in der Fass, der Bek. vom 31. Oktober 1976, BGBl. I 3053). Landesrechtlich geregelte Planfeststellungsverfahren finden sich vor allem im Straßen-, Wasser- und Eisenbahnrecht. Allgemeine Vorschriften für Planfeststellungsverfahren finden sich jetzt in den §§72ff. VwVfG. Diese gelten nur subsidiär; gegenüber inhaltsgleichen oder entgegenstehenden Rechtsvorschriften des Bundes treten sie zurück (§ 1 Abs. 1 und 2 VwVfG). Der im Wege des Planfeststellungsverfahrens durch den Planfeststellungsbeschluß mit rechtlicher Verbindlichkeit ausgestattete „Plan" ordnet die Bodennutzung und Raumbeanspruchung durch das auszuführende Vorhaben. Die dem zugrunde liegende fachplanerische Entscheidung der Behörde beruht auf einer durch das Gesetz begründeten, bestimmten und begrenzten Ausübung von „Planungsermessen"s. „Planungsermessen" oder „planerische Gestaltungsfreiheit" 4
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Hiddematin, Die Planfeststellung im Flurbereinigungsgesetz, 1970; Blümel/Ronellen-
fitscb, Die Planfeststellung in der Flurbereinigung, 1975. Fickert, BauR 1971, 1; W. Hoppe, (Fn. 2) Rdnrn. 51, 138ff.; den., DVB1. 1977, 136; Badura, in: Festschrift zum 25jährigen Bestehen des BayVerfGH, 1972, S. 157; ders.,
Das Verwaltungsverfahren
§ 4 2 II
ist das prägende Element jeder Planung; denn Planung zielt auf die programmierende Gestaltung eines Sachbereichs unter Abwägung und Ausgleichung aller betroffenen Rechte und Interessen und unter Berücksichtigung aller erheblichen Umstände. Die Besonderheit des Planungsermessens gegenüber dem herkömmlich als Rechtsfolgeermessen verstandenen Verwaltungsermessen — der Wahlfreiheit der Behörde, beim Eintreten eines gesetzlichen Tatbestandes zu handeln oder nicht zu handeln, oder so oder anders zu handeln — besteht darin, daß die gesetzlichen Grundlagen einer exekutivischen Planungsentscheidung nicht Tatbestände für von der Behörde nach Ermessen auszusprechende Rechtsfolgen normieren und daß die Pläne nicht eine gesetzliche Regelung für einen bestimmten Anwendungsfall „vollziehen". Das Gesetz gibt vielmehr der exekutivischen Planung eine richtlinienartige Orientierung durch Zielsetzung und Abwägungsgrundsätze im Hinblick auf den gesetzlich gewünschten Zustand des zu planenden Sachbereichs oder Vorhabens. Unter diesen Umständen ist es für die Rechtsstaatlichkeit und Sachgerechtigkeit von ausschlaggebender Bedeutung, welche Behörde das Gesetz als Subjekt der jeweiligen exekutivischen Planung bestimmt, welche Rechte und Interessen es in die Planung einbezieht und wie es das Verwaltungsverfahren ausgestaltet. Wie bei jeder Planung wird man beim Planfeststellungsverfahren zu dem rechtsstaatlichen Minimum, das die gesetzliche Ermächtigung wahren muß, zu rechnen haben, daß das Planungssubjekt bestimmt wird (Zuständigkeit), daß das Planungsverfahren geordnet wird, daß die Planungsaufgabe definiert wird und daß die Richtlinien für die Ausübung des Planungsermessens (die für die planerische Abwägung maßstäblichen Grundsätze) angegeben werden. Ein dem Wesen rechtsstaatlicher Planung innewohnender und das Planungsermessen nachprüfbar bindender Grundsatz ist das Gebot, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (vgl. § 1 VII BBauG; § 17 I 2 BFStrG) 6 . Eine rechtsstaatliche Anforderung an das die Planung regelnde Gesetz ist es, den Bereich der planerischen Gestaltungsfreiheit der Behörde auf das für das Planungsziel Unumgängliche zu beschränken, die Planungsaufgabe so bestimmt wie möglich zu definieren und die Richtlinien für die Ausübung des Planungsermessens so genau und ausführlich wie möglich zu fassen. II. Besonderheiten des Verfahrens Dem Ziel des Planfeststellungsverfahrens entsprechend muß das Verfahren so ausgestaltet sein, daß in die Abwägung und Entscheidung alle für den Plan erheblichen Umstände eingehen können und daß dabei alle durch das Vorhaben
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BayVBl. 1976, 515; F. Weyreuther, D Ö V 1977, 419: Abwägung und Folgerichtigkeit bei der planerischen Gestaltung des betroffenen „Interessengeflechts", insbes. hinsichtlich des erfaßten Eigentums. - BVerwGE 34, 301; 45, 309 ; 47, 144; 48, 56. BVerwG NJW 1969, 1868; BVerwGE 34, 301, 307; BVerwG DVB1. 1971, 186; BVerwG DVB1. 1974, 562; BVerwGE 48, 56, 63; Redeker, D Ö V 1971, 757, 761. 331
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II
Peter Badura
betroffenen Rechte und Interessen, alle berührten über- und gleichgeordneten anderen Planungen und alle sonst berührten Gesichtspunkte des öffentlichen Interesses berücksichtigt werden 7 . Der erschöpfenden Ermittlung des Kreises der Betroffenen, der umfassenden Gewährung des rechtlichen Gehörs für alle Beteiligten und der Mitwirkung der in ihrem Aufgabenkreis berührten Behörden und Verwaltungsträger dient das dem Planfeststellungsbeschluß vorangehende „Anhörungsverfahren" (vgl. § 73 VwVfG), das vor der — in der Regel, aber nicht notwendig von der zur Entscheidung berufenen Planfeststellungsbehörde verschiedenen — Anhörungsbehörde stattfindet 8 . Dem Ziel des Planfeststellungsverfahrens entsprechend ist weiterhin der Planfeststellungsbeschluß mit besonderen rechtlichen Wirkungen ausgestattet (dazu unten unter § 42 III). Das Planfeststellungsverfahren wird auf Antrag des Unternehmers (Trägers des Vorhabens) durch Einreichung des Planes für das Vorhaben bei der Anhörungsbehörde e r ö f f n e t . Der Plan besteht aus den Zeichnungen und Erläuterungen, die das Vorhaben, seinen Anlaß und die von dem Vorhaben betroffenen Grundstücke und Anlagen erkennen lassen (vgl. § 73 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Die Anhörungsbehörde hat den Kreis der Betroffenen zu ermitteln, diese an dem Verfahren zu beteiligen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Erhebung von Einwendungen zu geben. Dem dienen die befristete Auslegung des Planes und eine mündliche Verhandlung in einem förmlich anzuberaumenden Erörterungstermin. Vor diesem Termin sind die Stellungnahmen der Behörden, deren Aufgabenkreis durch das Vorhaben berührt wird, und gegebenenfalls zusätzliche sachverständige Äußerungen einzuholen. Die bei der Auslegung des Planes festgesetzte Einwendungsfrist hat eine sachliche Präklusionswirkung derart, daß verspätet angebrachte Einwendungen von der Berücksichtigung ausgeschlossen werden und auch im Wege der Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. § 10 Abs. 3 S. 3 BImSchG), nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung. In der Regel besteht eine solche Ausschlußwirkung nicht, z. B. nicht im Falle des §18 Abs. 4 BFStrG 9 . Verspätete Einwendungen unterliegen lediglich einer „formellen" Präklusion, d. h. der Beteiligte hat keinen Anspruch auf besondere Behandlung 7
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Wolff, V w R III, § 158 I b ; Blümel, in: Festschrift f ü r Werner Weber, 1974, S. 539. Die rechtswidrige Unterlassung eines gesetzlich vorgeschriebenen Planfeststellungsverfahrens für ein durch den Unternehmer realisiertes Vorhaben gibt einem betroffenen Dritten keine verfahrensrechtliche Ansprüche gegen die Behörde; denn die gesetzliche Planfeststellungspflicht besteht nur zum Schutz der Interessen der Allgemeinheit (BVerwG D Ö V 1974, 209). Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine abschnittsweise straßenrechtliche Planfeststellung zulässig (BVerwG D Ö V 1973 , 785). Beispielsweise ist bei der Planfeststellung für Bundesfernstraßen Anhörungsbehörde die nach Landesrecht zuständige Behörde, bisher die höhere Verwaltungsbehörde, und Planfeststellungsbehörde die oberste Landesstraßenbaubehörde (§§ 18 Abs. 1 , 1 8 a Abs. 1 FStrG). BVerwGE 26, 302, 303; 29, 282, 284. Diese Entscheidungen ergingen zu § 18 Abs. 3 a. F.
Das Verwaltungsverfahren
§ 4 2 II
der Einwendung in dem Erörterungstermin10; im Planfeststellungsbeschluß sind jedoch auch die verspäteten Einwendungen zu verbescheiden. Die Berechnung der Einwendungsfrist erfolgt entsprechend §187 Abs. 1 BGB. Die zu kurze Bemessung der Auslegungsfrist ist ein Verfahrensfehler; für diejenigen Betroffenen, die Einwendungen trotz der zu kurzen Frist erhoben haben, handelt es sich um einen unerheblichen Verfahrensmangel, weil für sie eine Schmälerung der Rechtswahrung nicht bewirkt worden ist 11 . Geringfügige Änderungen des Plans im Anhörungsverfahren machen eine erneute Auslegung nicht erforderlich12. Das VwVfG sieht wegen der Vielzahl der Beteiligten im Planfeststellungsverfahren eine Akteneinsicht, abgesehen von dem ausgelegten und damit zur Einsicht offenen Plan selbst, nur nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde vor (§ 72 Abs. 1 zweiter Halbsatz), abweichend von dem Grundsatz des § 29 VwVfG. Der Erörterungstermin trägt dem Umstand Rechnung, daß bei der Planfeststellung nicht nur zweiseitige Rechtsverhältnisse zwischen der Behörde und einzelnen Betroffenen Verfahrensgegenstand sind, sondern die umfassende und allseitige rechtliche Gestaltung eines Vorhabens, bezüglich dessen alle Betroffenen in einer Planungssituation rechtlich verbunden sind. Sowohl vom Standpunkt der Sachgerechtigkeit des Verfahrens wie im Interesse einer wirksamen Rechtswahrung der Betroffenen kommt dem Erörterungstermin eine wesentliche Bedeutung zu. In ihm findet in gewissem Umfang bereits eine Ausgleichung der betroffenen öffentlichen und privaten Interessen statt und wird diese im übrigen jedenfalls vorbereitet. Deswegen kann nur ausnahmsweise eine nicht gleichzeitig mit allen Beteiligten und den mitwirkenden Behörden erfolgende Erörterung dem Verfahrenserfordernis der mündlichen Verhandlung genügen13. Dem Planfeststellungsverfahren gehen in einigen Fällen besondere Planungsentscheidungen voraus, welche im Verhältnis zur Planfeststellung eine vorbereitende Bedeutung haben und auf die rechtlich geschützten Interessen der planfeststellungsbetroffenen Privaten nicht unmittelbar einwirken: die Entscheidung des Bundesministers für Verkehr über die Planung und Linienführung der Bundesfernstraßen (§ 16 BFStrG), die Genehmigung von Flugplätzen durch die nach Landesrecht zuständige Behörde (§ 6 LuftVG) und die Bestimmung der Planung und Linienführung der Bundeswasserstraßen durch den Bundesminister für Verkehr (§ 13 BWaStrG). Diese in Ausübung von Planungsermessen ergehenden Entscheidungen („Planungsakte") sind Verwaltungsakte, können jedoch von den Planungsbetroffenen nicht selbständig (§ 42 Abs. 2 VwGO), sondern nur als „Element" der nachfolgenden Planfeststellung angefochten werden14. Die Gemein10 11 12
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Siehe die Begründung zu § 69 EVwVfG 1973 (BT-Drucks. 7/910, S. 88). BVerwGE 29, 282. BVerwGE 29, 282, 286. - Vgl. auch § 73 Abs. 8 VwVfG, sowie § 23 WaStrG, § 27 AbfG, § 18c FStrG. BVerwG VRS 37, 154; VG Schleswig DVB1. 1972, 515. BVerwG DVB1. 1969, 307; BVerwG NJW 1969, 340; BVerwG DÖV 1969, 724; BVerwG DÖV 1974, 418; OVG Lüneburg DVB1. 1966, 411. Abw. sieht HessVGH 333
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III
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den, in deren Gebiet das Vorhaben liegt, sind — unbeschadet des Vorranges der Fachplanungen vor der Ortsplanung — durch diese Planungsentscheidungen in ihrer Planungshoheit betroffen; denn diese schließt, unabhängig von einer besonderen gesetzlichen Festlegung, ein „ R e c h t der Gemeinden auf Mitwirkung an überörtlichen, aber ortsrelevanten Planungen" ein 1 5 . Die betroffenen Gemeinden sind deshalb an dem Verfahren vor diesen Planungsentscheidungen zu beteiligen (siehe jetzt § 18 A b s . 2 S. 2 B F S t r G ) und können sie gerichtlich angreifen, soweit ihre Planungshoheit berührt ist 1 6 . In den Fällen, in denen der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung ein Planfeststellungsverfahren nicht nachfolgt (vgl. § 8 A b s . 1 L u f t V G ) , können die drittbetroffenen Privaten die Genehmigung mit immissionsschutzrechtlichen G r ü n d e n („Schutz vor F l u g l ä r m " , § 6 A b s . 2 S. 1 L u f t V G ) anfechten.
III. Der Planfeststellungsbeschluß Im Planfeststellungsbeschluß entscheidet die Planfeststellungsbehörde aufgrund des Antrages des Unternehmers, des Ergebnisses des Anhörungsverfahrens und der Stellungnahme der Anhörungsbehörde über die Zulässigkeit des Vorhabens, über die nicht erledigten Einwendungen, über die Art, Beschaffenheit, L a g e und A u s f ü h r u n g des Vorhabens (den „ P l a n " ) einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen und über die von dem Unternehmer zu beachtenden Bedingungen und Auflagen. Auf die Verschiedenartigkeit der verfahrensrechtlichen u n d materiellrechtlichen Einzelheiten der fachgesetzlichen Regelungen ist hier nicht einzugehen. Allgemeine Regelungen, mit denen die Ausgestaltung der Planfeststellung nach den jüngsten Fachgesetzen, dem Abfallbeseitigungsgesetz v o m 7. Juni 1972 ( B G B l . I S. 873) und der Novelle zum B F S t r G vom 4. Juli 1974 ( B G B l . I S. 1401) vielfach übereinstimmt, sind in den §§ 74, 75 V w V f G vorgesehen. Der Anspruch des Unternehmers auf öffentlich-rechtliche Zulassung seines V o r habens, der bei den typischen Genehmigungsverfahren, z. B . nach dem Immissionsschutzrecht (früher Gewerberecht), ganz im Vordergrund steht und der auch bei den Verwaltungsakten mit Drittwirkung, z. B . der Baugenehmigung, das Verfahren und die Entscheidung prägt, ist bei der Planfeststellung in die u m fassende und allseitige A b w ä g u n g und Ausgleichung der betroffenen öffentlichen und privaten Interessen u n d Rechte nach dem Leitmaß der Planungsaufgabe ein-
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D Ö V 1968 , 737 in der Planungsentscheidung nach § 16 FStrG eine nur verwaltungsinterne Maßnahme. - R. Wahl, D Ö V 1975, 373; Badura, in: I. von Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Aufl., 1976, S. 316ff. B V e r w G E 31, 263, 266. BVerwG DVB1. 1969, 362; BVerwG D Ö V 1973 , 343 und 344; BVerwG DVB1. 1974, 562; BayVerfGH BayVerwBl. 1971, 225; B a y V G H DVB1. 1972, 790; Blümel, abl. Anm. zu O V G Lüneburg DVBl. 1972, 795. - Zum vorläufigen Rechtsschutz der Gemeinde: BVerwG D Ö V 1973, 342.
Das Verwaltungsverfahren
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III
gefügt. Gegenstand der Planfeststellung ist die rechtliche Fundierung des Vorhabens entsprechend den Anforderungen aller einschlägigen Bestimmungen und Richtlinien des öffendichen Rechts und unter Abgleichung aller berührten öffentlichen und privaten Interessen und Rechte. Diesen Zielen dienen als besondere rechtliche Eigenschaften des Planfeststellungsbeschlusses die Konzentrationswirkung und die Gestaltungswirkung. Die Planfeststellung ersetzt alle nach anderen Rechtsvorschriften notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Zustimmungen und Planfeststellungen 17 („Konzentrations-" oder „Ersetzungswirkung")18. Für das einer Planfeststellung unterliegende Vorhaben soll nur ein Verfahren vor einer Behörde mit einer umfassenden rechtsgestaltenden Entscheidung stattfinden. Die für die Planfeststellung angeordnete „Zuständigkeitskonzentration" ist die Bedingung der angestrebten „Einheitswirkung" der Entscheidung 19 . Auf der anderen Seite können Festsetzungen in einem Bebauungsplan (§9 Abs. 1 Nr. 11 BBauG) die straßenrechtliche und die personenbeförderungsrechtliche Planfeststellung ersetzen (§17 Abs. 3 BFStrG, § 2 8 Abs. 3 PBefG). Das soll für die straßenrechtliche Planfeststellung selbst dann gelten, wenn sich der Bebauungsplan in der Festsetzung der Verkehrsfläche erschöpft 2 0 . Durch die Planfeststellung werden alle öffentlich-rechdichen Beziehungen zwischen dem Unternehmer, ζ. B. bei der straßenrechtlichen Planfeststellung dem Träger der Straßenbaulast, und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt („Gestaltungswirkung"). Die Sicherung der rechtlich geschützten Interessen der Betroffenen erfolgt vor allem durch Bedingungen und Auflagen, durch 17
Ein Vorhaben, ζ. B. eine Bundesstraße, kann Maßnahmen einschließen, die an sich einem Planfeststellungsverfahren nach einem anderen Gesetz unterliegen, ζ. B. die Änderung einer Straße des Landesrechts oder einer Anlage der Deutschen Bundesbahn. Auch in diesem Fall findet nur ein Planfeststellungsverfahren statt, und zwar in der Regel das für das anlaßgebende Vorhaben maßgebende Verfahren (abweichend wird nach § 9 Abs. 1 S. 3 KreuzG darüber eine besondere Anordnung getroffen). Davon zu unterscheiden ist der Fall, daß mehrere selbständige Vorhaben, für deren Durchführung Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben sind, derart zusammentreffen, daß für diese Vorhaben oder für Teile von ihnen nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist (vgl. § 78 VwVfG; § 18 e FStrG). — Das Zusammentreffen von Planfeststellungen wirft neben den verwaltungsrechtlichen Fragen auch Probleme der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung auf, z. B. ob ein Planfeststellungsverfahren des Landesrechts ein von einer Bundesbehörde durchzuführendes Planfeststellungsverfahren des Bundesrechts ersetzen kann: BVerfGE 26, 338 (KreuzG); BVerwGE 31, 263, 272f. (§§ 17, 18 FStrG, §36 BundesbahnG) ; O V G Lüneburg O V G E 17, 329; Blümel, DVB1. 1960, 697; Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, 1968, Marschall·, Bundesfernstraßengesetz, 3. Auflage, 1971, § 17, Rn. 6; R. Breuer, RWW 20, 81, 105ff.
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BVerwGE nach dem BVerwGE BVerwGE 1973 , 505
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27, 253; 31, 263; Karwath, Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung Bundesfernstraßengesetz, 1968; Braun, BaWüVBl. 1971, 33. 31, 263, 267 f. 38, 152 = DVB1. 1972, 119 mit abl. Anm. Blümel; O V G Lüneburg DVB1. mit Anm. Blümel. 335
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die der Unternehmer im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer mit Pflichten, Vorkehrungen oder Maßnahmen belastet werden kann 21 , die sich aus dem jeweiligen fachplanerischen Ziel ableiten lassen22. So sind beispielsweise im straßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluß dem Träger der Straßenbaulast die Errichtung und die Unterhaltung solcher Anlage aufzuerlegen, die für das öffentliche Wohl oder zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Grundstücke gegen Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen notwendig sind (§ 17 Abs. 4 BFStrG) 23 . Über die öffentlich-rechtliche Gestaltungswirkung hinaus hat die Planfeststellung insofern auch privatrechtsgestaltende Wirkung, als negatorische Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung des Vorhabens oder auf Einstellung des Betriebs ausgeschlossen sind (vgl. § 14 BImSchG, früher § 26 GewO) 24 . Der etwa geschädigte Betroffene bleibt, sofern nicht das Gesetz eine behördliche Festsetzung der Entschädigung vorsieht25, auf einen Ausgleich in Geld nach den Grundsätzen über den „privatrechtlichen Aufopferungsanspruch"26 angewiesen. Der Planfeststellungsbeschluß läßt das Eigentum an den von dem Vorhaben erfaßten Grundstücken einschließlich der privatrechtlichen Verfügungsbefugnis unberührt. Wenn der Unternehmer nicht Eigentümer oder sonst Verfügungsberechtigter ist und die Grundstücke auch nicht freihändig erwerben kann, ist nach den gesetzlichen Vorschriften eine Enteignung möglich. Obwohl der Planfeststellungsbeschluß einzelne Entscheidungselemente der Enteignung vorwegnimmt — die Zulässigkeit der Enteignung ist nur davon abhängig, daß sie zur Durchführung des Vorhabens notwendig ist und der festgestellte Plan ist mit Bindung für die Enteignungsbehörde dem Enteignungsverfahren zugrunde zu legen27 —, ist die Enteignung ein selbständiger Vorgang, der ein weiteres Verfahren neben dem Planfeststellungsverfahren voraussetzt28. Der Planfeststellungsbeschluß ist, besonders hinsichtlich der Bedingungen und Auflagen und der nicht berücksichtigten Einwendungen, zu begründen und den 21
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§ 17 Abs. 4 FstrG; § 29 Abs. 2 PBefG; § 9 Abs. 2 LuftVG; § 31 Abs. 2 W H G ; §§ 18, 19 Abs. 2 und 3 WaStrG; § 8 AbfG. Die Klausel „öffentliches Wohl" in § 17 Abs. 4 FStrG ist auf die Bedürfnisse des Straßenverkehrs bezogen und beschränkt (BVerwGE 26, 302). BVerwG DÖV 1969, 287; BVerwG DVBl. 1969, 307; BVerwGE 41, 178; BVerwG DVB1. 1974, 291; BVerwG Urteile v. 2 1 . 5 . 1976 DÖV 1976, 782 , 788 , 790, 791; BVerwG BayVBl. 1977, 571. § 17 Abs. 6 FStrG; § 29 Abs. 4 PBefG; §§ 9 Abs. 3, 11 LuftVG; § 21 Abs. 3 WaStrG. Vgl. § 75 Abs. 2 und 3 VwVfG. § 1 7 Abs. 6, 7 FStrG; § 3 1 Abs. 2 W H G (BVerwG DÖV 1974, 568); § 2 1 Abs. 3 WaStrG. - Vgl. §§ 74 Abs. 2 S. 3, 75 Abs. 2 S. 4 VwVfG. BGHZ 48, 98; 49, 148; BGH NJW 1971, 94; BGH DVBl. 1973, 850 (Hochspannungsleitung); Hubmann, J Z 1958, 490. § 19 Abs. 1 S. 2, 3 und Abs. 2 FStrG; § 31 PBefG. BVerwG BayVerwBl. 1963, 213; BVerwG DVBl. 1969, 360; BVerwG DVBl. 1971, 186. - Hoppe, (Fn. 2) S. 22ff., 68ff.
§ 4 2 III
Das Verwaltungsverfahren
durch den Plan Betroffenen und den sonst Beteiligten mit Rechtsmittelbelehrung zuzustellen 29 . Wegen der Art seines Zustandekommens gibt ihm das VwVfG eine erhöhte Bestandskraft — kein Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 72 Abs. 1 in Verb, mit § 5 1 ) — und schließt es für ihn die Notwendigkeit eines Vorverfahrens vor einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtung aus (§ 74 Abs. 1 S. 2 in Verb, mit § 70; vgl. schon § 25 Abs. 4 AbfG; § 18a Abs. 6 BFStrG). Rechtsschutz gegen einen Planfeststellungsbeschluß kann seitens des Unternehmers oder seitens eines durch die Planfeststellung betroffenen Dritten begehrt werden 3 0 . Der Unternehmer kann durch eine nachteilige Abweichung von dem eingereichten Plan oder durch Auflagen und Bedingungen belastet sein. Abgesehen von dem Fall einer belastenden Auflage, die selbständig mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann 3 1 , kommt für den Unternehmer die Verpflichtungsklage (ggf. als Bescheidungsklage) auf die Planfeststellung mit dem begehrten und nicht erreichten Inhalt in Betracht, ebenso wie wenn sein Antrag insgesamt abgelehnt worden wäre. Ein in seinen rechtlich geschützten Interessen Betroffener kann eine ihn belastende Planfeststellung mit der Anfechtungsklage angreifen. Die Klagebefugnis steht auch einer in ihrer Planungshoheit berührten Gemeinde zu 3 2 . Für die Klagebefugnis eines Drittbetroffenen genügt allerdings nicht, daß Einwendungen erhoben und abgewiesen worden sind oder daß sonst eine Beteiligung an dem Verfahren erfolgt ist. Der Drittbetroffene muß sich auf ein durch die Planfeststellung betroffenes rechtlich geschütztes Interesse berufen können, also durch den Plan Betroffener sein. Zielt die Rechtsschutzbitte des Drittbetroffenen auf die Beifügung einer Auflage über Schutzanlagen oder über eine sonstige Anordnung zu seinen Gunsten, ist die Verpflichtungsklage (ggf. als Bescheidungsklage) statthaft 33 . Im Prozeß des Drittbetroffenen ist der Unternehmer notwendig beizuladen 3 4 . 29
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§ 18a Abs. 4 FStrG; § 30 Abs. 8 PBefG; § 10 Abs. 7 LuftVG; §§ 19 Abs. 2 S. 2, 20 WaStrG; §25 Abs. 2 und 7 AbfG. — In „Massenverfahren" (Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 1977, S. 175 ff.) können die Zustellungen durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden (§ 74 V VwVfG; § 18a V FStrG; § 25 VIII AbfG). Achterberg, DVB1. 1960, 385; Blümel in: Festgabe für Ernst Forsthoff, 1967, S. 133; Gehrmann, SHAnz. 1970, 147; Hoppe (Fn. 2). — Zum vorläufigen Rechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 VwGO: BVerfGE 35, 263; BVerwG DVBl. 1974, 566; OVG Münster
NJW 1974, 287 mit abl. Anm.
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Redeker.
BVerwGE 41, 178; BVerwG DVBl. 1974, 291; BVerwG DÖV 1974, 563. BVerwGE 31, 263; BVerwG DVBl. 1970, 387; BVerwG DVBl. 1971, 186. - Zum vorbeugenden Rechtsschutz von Gemeinden gegenüber einem zu erwartenden Planfeststellungsverfahren für einen Großflughafen: OVG Lüneburg NJW 1974, 821. BVerwGE 31, 263; BVerwG DVBl. 1970, 387; BVerwG DVBl. 1971, 186; BVerwG DÖV 1976, 788. — Zum vorbeugenden Rechtsschutz von Gemeinden gegenüber einem zu erwartenden Planfeststellungsverfahren für einen Großflughafen: OVG Lüneburg NJW 1974, 821. BVerwGE 41, 178; BVerwG DVBl. 1974, 291; BVerwG NJW 1976, 1760. BVerwG DÖV 1976, 788; BayVGHE 29, 82. 337
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Allgemeines Verwaltungsrecht
FÜNFTER TEIL
Anstaltsnutzung und Nutzung öffentlicher Sachen von Jürgen Salzwedel §43
Zwei Formen der Inanspruchnahme von Daseinsvorsorge Anstalten des öffentlichen Rechts sind verwaltungsorganisatorisch oder auch rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheiten, die der Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben dienen. Während die eigentliche Substanz der Körperschaft der Mitgliederverband, die der Stiftung eine Vermögensmasse ist, besteht eine Anstalt aus einem bloßen Verwaltungsapparat, einer Zusammenfassung von persönlichen und sächlichen Mitteln 1 . öffentliche Sachen sind Grundstücke, bewegliche körperliche Gegenstände oder unkörperliche Gegenstände, die kraft Widmung dazu bestimmt sind, einem bestimmten hoheitlichen Zweck unmittelbar zu dienen 2 . Daraus ergibt sich zunächst ein wesentlicher Unterschied. Zu einer Anstalt gehört außer den Dienstkräften ein ganzer Bestand von büromäßigen und technischen Verwaltungsmitteln, viele Einzelgegenstände sind zur Erfüllung des Anstaltszwecks zusammengefaßt ; ein Grundstück oder ein Kraftfahrzeug allein kann keine Anstalt sein, öffentliche Sache ist dagegen stets ein einzelner körperlicher oder unkörperlicher, beweglicher oder unbeweglicher Gegenstand. Eine Anstalt umfaßt in der Regel auch viele einzelne Gegenstände, die den Status öffentlicher Sachen haben; notwendig ist dies jedoch nicht. Beiden Institutionen gemeinsam ist die Widmung: damit wird der besondere öffentliche Zweck festgelegt, dem sie auf Dauer zu dienen bestimmt sind. Diese förmliche Zweckbestimmung ist für die Anstalt als Verwaltungseinheit und die öffentliche Sache als Einzelgegenstand schlechthin konstituierend 3 . Keineswegs alle Anstalten oder öffentlichen Sachen sind ihrer öffentlichen Zweckbestimmung nach nutzbar, nämlich der unmittelbaren oder mittelbaren 1 2 3
Für alle O. Mayer. VwR II, S. 1, S. 268 mit umfangreichen Nachweisen in Anm. 1. O.Mayer, VwR II, S. 39; Forsthoff, VwR, S. 376, 378; vgl. Wolff/Bacbof, VwR I, § 55. O.Mayer, VwR II, S. 58 mit Anm. 2 ; Forsthoff, VwR, S. 379; Wolff/Bachof, VwR I, §56 I; Kodal, Straßenrecht, 2. Aufl. 1964 S. 879; Ossenbühl, DVB1. 1973, 289. 339
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§43
Jürgen Salzwedel
Inanspruchnahme durch den Bürger zu dienen bestimmt. Das Forschungslaboratorium ist dem Publikum ebenso wenig zugänglich wie ein militärischer Übungsplatz oder ein Feuerwehrauto. Im Verwaltungsrecht stehen aber die nutzbare Anstalt und die öffentliche Sache im Gemeingebrauch oder Sondergebrauch im Vordergrund des Interesses, weil die mannigfaltigen rechtlichen Beziehungen zum jeweiligen Benutzer geklärt werden müssen. Hier tritt nun der schärfste Gegensatz zwischen anstaltlicher und sachenrechtlicher Nutzung hervor. Das Anstaltsrecht verschafft dem Benutzer lediglich eine gewissermaßen obligatorische Rechtsposition : einmal zugelassen, kann er die Einrichtung nach Maßgabe der Benutzungsordnung in Anspruch nehmen, ohne daß ihm indes ein unmittelbarer sachenrechtlicher Zugriff auf bestimmte Gegenstände eingeräumt wäre. Rechtlich führt der Weg zu bestimmten beweglichen oder unbeweglichen Sachen nur über die zuständigen Anstaltsorgane, deren sachenrechtliche Herrschaftsgewalt nirgendwo durchbrochen ist. Dagegen gehört es zum Wesen der nutzbaren öffentlichen Sachen, daß der Benutzer eine dingliche Rechtsposition erhält : ohne weitere Vermittlung der zuständigen Verwaltungsbehörden nimmt er die Straße, den Platz, das Gewässer, den Luftraum in Anspruch. Darin offenbart sich ein wesentlicher Unterschied in der Gewährung von Daseinsvorsorge. Anstaltsrecht verschafft dem Bürger bestimmte öffentliche Leistungen. öffentliches Sachenrecht erweitert seinen Freiheitsspielraum. Der unmittelbare Zugang und Zutritt zu öffentlichen Verkehrsflächen, die direkte dingliche Rechtsbeziehung zwischen Person und Sache ohne mediatisierende behördliche Zwischeninstanz ermöglicht erst die Freiheit körperlicher Fortbewegung. Eine solche starke Rechtsposition steht dem Bürger sonst nur auf seinem eigenen Grund und Boden zu. Alle Einwohner einer Gemeinde sind berechtigt, die öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde wie Schulen, Krankenanstalten, Verkehrsmittel oder Schwimmbäder zu benutzen. Damit wird indes nur ein Rechtsanspruch auf ausdrückliche oder stillschweigende Zulassung zur Benutzung von Fall zu Fall gewährt 4 . Auch der zugelassene Benutzer ist ohne jeden dinglichen Zugriff auf die einzelnen Gegenstände, die er in Anspruch nehmen will 5 . Wer Straßen oder Plätze betritt, macht dagegen im Rahmen von Widmung und Verkehrsvorschriften von einer sachenrechtlichen Herrschaftsbeziehung Gebrauch, die ihn gleichermaßen von behördlichen wie privaten Behinderungen unabhängig macht. Je komplizierter die technischen Verkehrsabläufe auf Bundesautobahnen oder gestauten Bundeswasserstraßen oder künstlichen Schiffahrtskanälen werden, desto größer ist die Versuchung, die sachenrechtliche Benutzung zu einer bloßen anstaltlichen zurückzustufen. Was Recht auf Zugang war, würde damit zum Recht auf Zulassung verblassen. In Permanenz gewährte Konkludentzulassungen können über den Verlust an freiheitlicher Substanz leicht hinwegtäuschen. Jedenfalls muß man sich darüber im klaren 4
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O.Mayer, V w R II, S. 2 7 8 ; Forsthoff, V w R , S. 4 1 4 , 4 1 5 ; Wolff/Bachof, l i l a und b l . Vgl. Forsthoff, V w R , S. 4 1 5 und Wolff/Bachof, V w R II, § 9 9 IIIb3.
V w R II, § 9 9
Anstaltsnutzung und Nutzung öffentl. Sachen
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sein, daß es nicht nur u m Konstruktionen geht, wenn der gemeingebräuchliche Charakter des Befahrens von Bundesautobahnen oder der Schiffahrt auf Bundeswasserstraßen zunehmend in Frage gestellt wird 6 . H ä u f i g begegnet man dem Irrtum, die Unterscheidung zwischen Anstalts- und Sachenrecht habe etwas mit der Frage zu tun, o b die Benutzung jeweils eine besondere Zulassung erfordert oder nicht. In beiden Bereichen kann indes eine besondere Zulassung erforderlich sein, wenn die Benutzung über den Rahmen der Widm u n g hinausgeht, ohne daß dadurch die Grenze zwischen beiden Materien verwischt würde. So gibt es im Friedhofsrecht neben dem N o r m a l g r a b nach Meinung vieler Autoren zwei Formen der Sonderbenutzung, das Sondergrab und das Erbbegräbnis. Im Straßenrecht tritt neben den Gemeingebrauch die Sondernutzung. Auch die stärkste Sonderbenutzung dürfte heute keine dinglichen Elemente mehr enthalten, was schon daran deutlich wird, daß selbst Erbbegräbnisberechtigten der jederzeitige Zugang verwehrt ist 7 . Wer dagegen eine straßenrechtliche Sondernutzung erhalten hat, kann damit ein Stück sachenrechtlicher Herrschaft über die Straße mitausüben. A u c h die besondere Zulassung im Einzelfall berührt also die grundsätzlichen Strukturunterschiede zwischen Anstalts- und Sachenrecht nicht.
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Die Anstaltsnutzung I. öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Nutzung E s ist ein Kennzeichen des deutschen Rechts der Leistungsverwaltung, daß sie in öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Gestaltungsformen auftritt oder auch in einer Kombination beider Gestaltungsformen, wie etwa bei der Subventionierung nach der Zweistufentheorie. Im Anstaltsrecht kann man sogar von dem G r u n d s a t z ausgehen, daß der Anstaltsträger ein Wahlrecht hat, welcher dieser Gestaltungsformen er sich bedienen will. Daher finden sich vor allem im k o m m u nalen Bereich der Daseinsvorsorge für gleiche Leistungen verschiedene Rechtsbeziehungen zum Benutzer. In einer Gemeinde wird das Wasser nach öffentlichrechtlicher Zulassung und gegen G e b ü h r bezogen, in der anderen auf G r u n d des
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Für Straßenrecht vgl. Kodal (Fn. 3) S. 254; für Wasserstraßenrecht Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, Kommentar, 1971, Einl. Anm. 18 und § 5 Anm. 2; vgl. auch BVerwG ZfW 1970, 148; dazu die Kontroverse: Weber, W D S t R L 21 (1964), 145ff. und Stern, W D S t R L 21 (1964), 183ff. Dagegen Sahwedel, D Ö V 1963, 241 ff. Zur Rechtsstellung des Erbbegräbnisses vgl. Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 3. Aufl. 1971 S. 165ff. und Forstboff, VwR, S. 418 mit Literaturübersicht in Anm. 3. Rspr.: Β G H Z 25, 200ff. ; BVerwG DVB1. 1960, 722. 341
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Abschlusses eines bürgerlich-rechtlichen Vertrages und gegen das ausbedungene Entgelt 1 . D a s Wahlrecht des Anstaltsträgers gilt indes nicht allgemein. Soweit die Gesetze — wie im Schulrecht, beim Strafvollzug oder bei der Sozialhilfe — das N u t z u n g s verhältnis öffentlich-rechtlich geregelt haben, ist für ein Ausweichen in privatrechtliche Gestaltungen kein Raum. Umstritten ist, ob eine privatrechtliche N u t zungsordnung gewählt werden kann, soweit kraft Gesetzes oder Satzung Benutzungszwang besteht 2 . Will die Gemeinde für ihre der Volksgesundheit dienenden Einrichtungen den Anschluß- oder Benutzungszwang statuieren, lassen sich dogmatisch noch alle Gestaltungsformen verwirklichen. Zwar muß die Satzung den Inhalt des Leistungsverhältnisses in jedem Fall vollständig festlegen, weil man sich auf eine freiwillige Mitwirkung des Benutzers nicht verlassen kann. O b der Anschluß- und Benutzungszwang aber durch einseitigen Verwaltungsakt verwirklicht wird oder notfalls — auf G r u n d des satzungsgemäßen Kontrahierungszwanges — durch Klage auf Abgabe einer entsprechenden privatrechtlichen Willenserklärung nach § 894 Z P O , kann durchaus offen sein. A u c h eine kombinierte Gestaltung ist möglich: durch einseitigen Verwaltungsakt wird der Benutzerstatus oktroyiert, aber es handelt sich insoweit um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt, als der Inhalt des Benutzungsverhältnisses dem mit allen anderen freiwilligen Benutzern vereinbarten Vertrag entspricht. Streitigkeiten aus dem Benutzerverhältnis werden dann, gleichviel, auf welchem Wege es zustande gekommen ist, durchweg vor den ordentlichen Gerichten abgewickelt. Die Wahl der Organisationsform für eine bestimmte Daseinsvorsorge und die Wahl der N u t z u n g s o r d n u n g dürfen nicht miteinander verwechselt werden. Im Kommunalrecht eröffnet sich zunächst die Alternative, die öffentliche Einrichtung entweder in eigener Regie oder durch einen verselbständigten Rechtsträger zu führen, dann die weitere, für den verselbständigten Rechtsträger eine öffentlichrechtliche — Anstalt oder Eigenbetrieb — oder bürgerlich-rechtliche — A G oder G m b H — Organisationsform zu finden. Ist die Entscheidung für die Errichtung einer Anstalt oder die Bildung eines Eigenbetriebes gefallen, ist die freie Wahl zwischen öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher N u t z u n g immer noch offen. N u r in umgekehrter Richtung ergeben sich Beschränkungen des Wahlrechts: A G oder G m b H können in der Regel keine öffentlich-rechtliche N u t z u n g s o r d n u n g
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Vgl. Forsthoff, VwR, S. 410; Gröttrup, Die kommunale Leistungsverwaltung — Grundlagen der gemeindlichen Daseinsvorsorge, 1973, S. 101 f.; Bullinger, öffentliches Recht und Privatrecht, 1968 S. 80ff. ; den., in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, 1967 S. 667ff., 682ff. Vgl. auch OVG Lüneburg BB 1965, 1207 und OVGE 25, 345, 354; BayVerfGH V G H E n.F. Bd. 9 II, 114. Bejahend Forsthoff, VwR, S. 413; vgl. auch Wolff/Bachof, VwR II, §99 Va3. Verneinend Surén-Loschelder, Die Deutsche Gemeindeverordnung vom 30. Januar 1939, Bd. 1, 1940 S. 228f. Vgl. auch VG Gelsenkirchen 2 6 . 4 . 7 4 in: Kottenberg-Steffen, Rechtsprechung, § 19 G O Nr. 45.
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haben. Das würde besondere gesetzliche Ermächtigungen für eine Leistungsabwicklung über beliehene Unternehmer voraussetzen 3 . In der Verwaltungsrechtswissenschaft sind privatrechtliche Nutzungsordnung und unternehmerische Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses über allgemeine Geschäftsbedindungen übertriebenem Mißtrauen begegnet. Die Unterstellung, bei privatrechtlicher Gestaltung könne die Anstalt die Rechtsposition des Benutzers bis zur Grenze sittenwidriger Knebelung hinabstatuieren, nur eine öffentlichrechtliche Gestaltung könne rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an geordnete Daseinsvorsorge für den Bürger gerecht werden, war falsch. Deshalb kann es nicht darum gehen, der Flucht in das Privatrecht durch verwaltungsrechtliche Verbote zu begegnen. Inzwischen haben die Arbeiten zum sog. Verwaltungsprivatrecht, welches der fiskalischen Betätigung der öffentlichen Hand Schranken setzt 4 , den Weg zu einer rechtsstaatskonformen Auslegung des bürgerlichen Rechts gewiesen, wobei der Tatsache Rechnung getragen wird, daß die Macht des Staates allein durch das Auftreten im bürgerlich-rechtlichen Gewand noch nicht hinreichend gebändigt ist. Grenzen fiskalischer Ausgestaltung von Anstaltsnutzungsverhältnissen ergeben sich vor allem aus drei rechtlichen Gesichtspunkten. Zunächst muß die Anstalt wie jeder Inhaber eines rechtlichen oder faktischen Monopols auf existenzwichtige Leistungen die Bindungen respektieren, die sich aus § 826 B G B ergeben 5 . Daraus ergibt sich ein Kontrahierungszwang, der die Anstalt zum Abschluß eines Benutzungsvertrages verpflichtet, soweit die sachlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Teilhabe an der Daseinsvorsorge bestehen. Auch die Vertragsbedingungen müssen so beschaffen sein, daß sie auch unter Berücksichtigung der Leistungsabhängigkeit des Benutzers noch zumutbar erscheinen. Eine zweite Beschränkung ergibt sich aus der Lehre von der Grundrechtsbindung des Fiskus. Die Behauptung, die öffentliche Hand sei bei fiskalischer Gestaltung in gleicher Weise gegenüber dem Benutzer gebunden, wie wenn sie eine öffentlich-rechtliche Gestaltung gewählt hätte 6 , dürfte zu weit gehen. Es wird verkannt, daß gegenüber dem mit Befehl und Zwang auftretenden Staat ein größeres Maß an Grundrechtsschutz
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Loschelder-Salzwedel, Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 1964 S. 241 ff.; Gröttrup (Fn. 1) S. 102, 104. Zum Beliehenen vgl. auch Ossenbühl, WDStRL 29 (1971), 137ff. Grundlegend Wolff/Bachof, VwR I, § 23 IIb. Grundlegend RGZ 62, 264 zum Haftungsausschluß ; die folgenden zum Kontrahierungszwang: RGZ 142, 85 (städtisches Wasserwerk), 143, 24 (elektrisches Kraftwerk), 148, 326 (städtischer Versorgungsbetrieb). Vgl. auch BGH NJW 1959, 1423 und Forsthoff, VwR, S. 416. Kritisch dazu Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963 S. 259ff. Tendenziell wohl Β GHZ 52,325; BGH Betr. 1969,1791; im Schrifttum vor allem Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960 S. 198ff.; Bender, JuS 1962, 180f.; Stern, Urteilsanmerkung JZ 1962, 181 f. mit Literaturübersicht. Ubersicht auch bei Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969 S. 121 ff. und bei Gröttrup (Fn. 1) S. 135 ff. mit weiteren Nachweisen. 343
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mobilisiert werden muß als gegenüber dem Fiskus, der sich für alle geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts unterwirft. Daher ist der Auffassung von der modifizierten Grundrechtsbindung des Fiskus der Vorzug zu geben 7 . Danach spiegelt das Verwaltungsprivatrecht jeweils die konkreten grundrechtlichen Mindestanforderungen wider, die sich gegenüber dem Fiskus für einen bestimmten Bereich der Daseinsvorsorge ergeben. Je größer die unternehmerische Macht des Staates und je abhängiger der Bürger von der Teilhabe an der Leistung ist, desto straffer wird die Zulässigkeit der vertraglichen Benutzungsbedingungen kontrolliert werden müssen. Schließlich ergeben sich häufig aus besonderen öffentlichrechtlichen Vorschriften über einen bestimmten Bereich der Daseinsvorsorge mittelbare Schranken für die vertragliche Gestaltung von Benutzungsbedingungen. Die Schleusen an Bundeswasserstraßen sind öffentlich-rechtlich genutzte Anstalten. Selbst wenn man dafür eine bürgerlich-rechtliche Nutzungsordnung einführte, müßte die generelle Widmung der natürlichen und künstlichen Bundeswasserstraßen für die Schiffahrt berücksichtigt werden. Die fiskalische Zwischenstation könnte das Recht zur Teilhabe am freien Schiffsverkehr nicht beeinträchtigen, für die Schleusen gälte Kontrahierungszwang, und zwar zu schiffahrtsfreundlichen Bedingungen. Entsprechende Regeln gelten für die Benutzung von Häfen und Flughäfen. öffentlich-rechtliche und bürgerlich-rechtliche Nutzungsordnung unterscheiden sich heute fast nur noch in ihren prozessualen Konsequenzen voneinander. Davon hängt die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte oder der ordentlichen Gerichte ab. Die Besonderheiten des Systems verwaltungsgerichtlicher Klagen bieten der Durchsetzung der Rechtsposition des Benutzers weder bessere noch schlechtere Möglichkeiten als vor den ordentlichen Gerichten. Die Prozeßkosten sind allerdings im ordentlichen Rechtsweg erheblich höher. Das materielle Recht gewährleistet in beiden Fällen, daß der Benutzer vor unzumutbaren Belastungen bewahrt bleibt. Den verwaliungswissenschaftlichen Angstkomplex vor dem Fiskus weiter zu pflegen, besteht keine Veranlassung. Unerfreulich ist im allgemeinen weniger die freie Wahl der Anstalt zwischen öffentlich-rechtlicher und bürgerlich-rechtlicher Nutzungsordnung, sondern die Unsicherheit, welchen dieser Wege eine Satzung nun wirklich beschritten hat. Die Auslegung kann sich nur daran orientieren, ob zwischen Anstalt und Benutzer ein Verhältnis der Subordination oder der Koordination geschaffen worden ist 8 .
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Vgl. etwa Wolff/Bachof, VwR I, §23 II; Emmerich, JuS 1970, 332ff.; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967 S. 386ff., 399ff. ; Literaturübersichten vgl. Anm. 6. Für Geltung der Grundrechte allenfalls über die Generalklauseln des Privatrechts insbes. Düng, in: Festschrift für Nawiasky, 1956 S. 184ff.; ders., in: MaunzlDünglHerzog/Scholz, G G , Art. 1 III Rdnr. 134ff. So vor allem Forsthoff VwR, S. 414. Vgl. aber auch andere mögliche Abgrenzungskriterien, z . B . Wolff/Bachof, VwR II, § 9 9 V a l . Übersichten bei Forsthoff, VwR, S. 412ff. und Gröttrup (Fn. 1) S. 106ff.
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Wichtigste Anhaltspunkte für ein Verhältnis der Uber- und Unterordnung sind Ermächtigungen zum Erlaß von Verwaltungsakten und anschließendem Verwaltungszwang. Auch der Unterschied zwischen Gebühr oder Entgelt kann aufschlußreich sein. Im Kommunalrecht wird er freilich ζ. T . dadurch verwischt, daß Versorgungsbetriebe ihre Entgelte nach einem im voraus festgelegten Tarif berechnen und zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf diese Entgelte auch Verwaltungszwang ausüben können 9 .
II. Zulassung und Benutzung J e nach der Nutzungsordnung besteht die Zulassung entweder in einem begünstigenden Verwaltungsakt oder im Abschluß eines bürgerlich-rechtlichen Vertrages. Dafür ist vielfach keine Form vorgeschrieben: die Zulassung wird konkludent ausgesprochen. Besteht bei Museen, Botanischen Gärten, Kurparks freier Eintritt, kommt gelegentlich der Schein nahezu sachenrechtlicher Benutzungsbeziehungen auf. Wird indes die Zulassung verwehrt, erweist sich die wirkliche Rechtslage daran, daß der Bewerber allenfalls einen obligatorischen Anspruch auf Zulassung geltend machen kann. Keineswegs vermag er einen Eingriff in ein vorgegebenes Recht auf freie körperliche Fortbewegung zu behaupten. D e r Charakter der nutzbaren Anstalt läßt noch keine Rückschlüsse darauf zu, unter welchen Voraussetzungen ein Bewerber Zulassung begehren kann. Daß eine medizinische Klinik, eine Forschungsbibliothek, eine Gemäldesammlung nach ihrer verwaltungsorganisatorisch statuierten Zweckbestimmung dem Publikum zur Verfügung stehen soll, bringt zunächst nur begünstigende Rechtsreflexe hervor. Ein Rechtsanspruch auf Zulassung oder zumindest ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Zulassung kann sich nur aus Gesetz oder Satzung ergeben. Im Kommunalrecht besteht ein Rechtsanspruch aller Einwohner auf Benutzung öffentlicher Einrichtungen der Gemeinde. Für die Benutzung von Post und Bahn sowie den Bezug elektrischer Energie von Energieversorgungsunternehmen besteht ein gesetzlicher Kontrahierungszwang. D e r Zugang zu Schulen und Universitäten ist grundrechtlich gewährleistet. Für die Teilhabe an existenznotwendiger oder u. U . nur existenzwichtiger Daseinsvorsorge können das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf Freiheit der körperlichen Fortbewegung oder die Freizügigkeit Bedeutung gewinnen. Schließlich kann sich der Kontrahierungszwang aus § 826 B G B ergeben.
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Hans J. Wolff, VwR III, § 160111a; Forsthoff VwR, S. 413; Gröttrup (Fn. 1) S. 121. Vgl. auch §90 der PrKAG v. 14. 7. 1893 (GS S. 152) und §1 NWVwVG, §§71 ff. RhPfVwVG. 345
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Soweit ein Rechtsanspruch auf Zulassung und nicht nur ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung besteht, spielen Kapazitätserschöpfung und numerus clausus eine wichtige Rolle. W o die Aufnahmefähigkeit einer Anstalt erschöpft ist, muß sie den Z u g a n g bewirtschaften, d. h. sachlich einleuchtende Regelungen dafür aufstellen, welche v o n den sachlich gleichermaßen qualifizierten Bewerbern zugelassen werden, welche nicht. Für die Hochschulzulassung hat das Bundesverfassungsgericht 1 0 sogar gesetzliche Regelungen gefordert, wie der numerus clausus gehandhabt werden soll. D a s Problem ist an sich nicht n e u : für höhere Schulen, Kindergärten, gemeindliche Marktstände hat sich die Notwendigkeit einer Bewirtschaftung schon viel früher herausgestellt. Rechtsanspruch auf Zulassung und Bewirtschaftungsermessen bei der H a n d h a b u n g eines numerus clausus schließen sich also nicht aus. Sofern der Gesetzgeber den Zugang wie im Hochschulrecht selbst regelt, kann er freilich auch den Vollzug des Systems der Wartelisten oder der Prioritäten voll durchnormieren und damit verwaltungsgerichtlich uneingeschränkt überprüfbar machen. Mit O t t o Mayer und Forsthoff wird man weiterhin daran festhalten müssen, daß der Benutzer auch mit der Zulassung als solcher noch keinen Anspruch auf die Benutzung der einzelnen Einrichtungen erhält. Ein sachenrechtlicher Anspruch auf unmittelbaren Z u g a n g und Zugriff scheidet von vornherein aus. D i e Zulassung schließt aber auch sonst nicht aus, daß die einzelnen Benutzungsvorgänge voll reglementiert bleiben, also weiterhin konkret zulassungsabhängig sind. Der Benutzer bewegt sich nicht in einem ihm überlassenen Freiraum beliebiger Betätigung, sondern in einem System konkludenter Einzelzulassung in Permanenz. E s versteht sich von selbst, daß jeder Anschluß- und Benutzungszwang einen entsprechenden Rechtsanspruch auf Zulassung miteinschließt. Der A u s d r u c k Anschluß- und Benutzungszwang ist irreführend, weil sich die durch G e s e t z oder Satzung begründete Verpflichtung nicht automatisch selbst vollzieht. Anschluß und Benutzung werden von Fall zu Fall durchgesetzt, in aller Regel durch Verwaltungsakt. Fast stets sind Ausnahmen v o m Anschluß- und Benutzungszwang vorgesehen. In der kommunalen Versorgungswirtschaft k o m m t es häufig vor, daß ein Einwohner oder ein Gewerbebetrieb behauptet, er falle nicht unter den Anschlußund Benutzungszwang, hilfsweise, in seinem Fall müsse von der Befreiungsermächtigung G e b r a u c h gemacht werden. So ist f ü r Bierbrauereien, die sich mit dem B e z u g von Wasser aus der öffentlichen Wasserversorgung nur schwer abfinden können, entschieden worden, daß der Anschluß- und Benutzungszwang sich zwar auf sie auch miterstreckt, im Hinblick auf die Gewährleistung gleichbleibend hoher Bierqualität aber Befreiung erteilt werden müßte 1 1 . D i e Überprüfung gesetzesgemäßer Ermessensausübung ist hier vielschichtig, weil das Privileg der Befreiung nicht nur an den Anforderungen des allgemeinen Wohls gemessen werden kann, sondern sich auch an den Interessen derjenigen stößt, die sich der Einrichtung
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BVerfGE 33, 303, 336, 337; 43, 291 ff. OVG Münster O V G E 24, 219, 226.
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ebenfalls nur widerwillig angeschlossen haben und deren Lasten dann in höherem Maße mitzutragen haben.
I I I . Benutzung und Sonderbenutzung, Benutzungsordnung Sonderbenutzung ist jede Inanspruchnahme anstaltlicher Einrichtungen, welche über die für alle geltende widmungsgemäße Gemeinbenutzung hinausgeht. Die Grenze ist deshalb schwer zu bestimmen, weil die Widmung in vielen Fällen von vornherein darauf gerichtet ist, eine ganze Palette recht unterschiedlicher Benutzungen anzubieten. Wie man eine Straße im Rahmen des Gemeingebrauchs sowohl mit dem Kraftfahrzeug als auch zu Fuß benutzen kann, liegt es im Rahmen der Zweckbestimmungen eines Energieversorgungsunternehmens, daß ein Aluminiumwerk als Sonderabnehmer ungewöhnlich viel Strom bezieht, der Bundespost, daß ein Fernsprechteilnehmer ein Hausnetz mit besonderen Schaltungen erhält, eines Friedhofs, daß man zwischen Reihen- und Sondergräbern frei wählen kann. Zum Wesen der Sonderbenutzung gehört nicht, daß sie über die kleinste Leistungseinheit hinausgeht, sondern daß sie die für alle geltende Benutzungsordnung eigentlich durchbricht. Damit steht es im Einklang, daß ein Rechtsanspruch auf Zulassung sich in der Regel nur auf die Gemeinbenutzungen einfachen oder gehobenen Angebots erstreckt, während über die Gewährung des Privilegs einer echten Sonderbenutzung nach freiem Ermessen entschieden werden kann 1 2 . Sonderbenutzungen können auf Widerruf, auf Zeit oder auf ewig eingeräumt sein 1 3 . Bei öffentlich-rechtlicher Nutzungsordnung stellt der Widerruf einen Verwaltungsakt dar. Im Falle bürgerlich-rechtlicher Nutzungsordnung handelt es sich um eine Kündigung, die den Berechtigten entweder auf die für alle geltende Benutzung zurückstufen soll oder zur Lösung des Benutzungsverhältnisses insgesamt führt. Die Maßnahme kann selten allein mit dem Bemühen um einen Abbau von widerruflichen oder kündbaren Privilegien ausreichend motiviert werden, weil auf der anderen Seite zwar kein Besitzstandsschutz, aber doch ein gewisser Vertrauensschutz eingreift. Sonderbenutzungen auf Zeit sind z . B . die sog. Wahl-, Vorzugs- oder Familiengräber, die in Friedhofssatzungen vorkommen. Auch das Reihengrab, die Normalbenutzung, wird für die übliche Ruhezeit von 30 Jahren gewährt. Das Sondergrab ist jedoch gerade für einen darüber hinausreichenden Zeitraum eingeräumt, üblicherweise für 40—50 Jahre 1 4 . Ältere Erbbegräbnisse waren ursprünglich privatrechtlicher Natur und auf ewig gewährt. Die neueren Friedhofsordnungen haben sie durchweg in öffentlich-rechtliche Rechts-
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Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 59 I, VwR II, § 99 III 4f. ; Forsthoff, VwR, S. 418. Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 59 IIb 1 und 2; III; Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 3. Auflage 1971 S. 165ff. Vgl. Gaedke (Fn. 13) S. 165 ff. Zum Recht der Erbbegräbnisse und Wahlgrabstellen vgl. Anm. 7 zu § 1. 347
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Positionen verwandelt und den Regelungen für Sonderbenutzungen unterworfen 15 . Wie im Straßenrecht dürfte daher für alle sozial bedeutsamen Sonderbenutzungen nur noch die Alternative zwischen Gewährung auf Widerruf oder auf beschränkte Zeit offenstehen 16 . Der Streit, in welchem Umfang anstaltliche Benutzungsordnungen Rechtsnormen oder Verwaltungsnormen sind 17 , steht mit der Frage nach Möglichkeit und Umfang besonderer Gewaltverhältnisse in engstem Zusammenhang. Nach vordringender Auffassung sollen Benutzungsordnungen, soweit sie nicht schon in Gesetzen, Verordnungen oder Satzungen voll durchnormiert sind, als Sonderverordnungen begriffen werden, die Sonderrechtsverhältnisse regeln. Diese Deutung ändert aber nichts daran, daß die Vorschriften nach wie vor nicht in einem förmlichen Rechtsetzungsverfahren erlassen werden, sondern verwaltungsintern zustande kommen, und daß der Benutzer im Falle der Verletzung dieser Sonderverordnungen nur in sehr begrenztem Umfang geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Gefahr, daß damit Lücken im Rechtsstaat weitergeführt würden, darf indes nicht überschätzt werden. Entscheidend ist, daß es keine Anstaltsnutzungsverhältnisse auf rein verwaltungsmäßiger Grundlage gibt. Der Anstaltszweck ist stets in Gesetz, Verordnung oder Satzung ausdrücklich umschrieben oder zumindest durch eine entsprechende Generalklausel abgedeckt. Eine Regelung der Benutzungsordnung, die den Benutzer über das vom Anstaltszweck her notwendige Maß hinaus belastet, ist rechtswidrig und unwirksam. Danach läßt sich stets der Status des Benutzers im sog. Grundverhältnis aus förmlichen Rechtsgrundlagen bestimmen, so daß die rein administrativen Regelungen der Benutzungsordnung nur noch die nähere Ausgestaltung des Anstaltszwecks im Betriebsverhältnis zum Gegenstand haben können; auch in diesem Bereich wird das Benutzungsverhältnis vom gesetzlichen Anstaltszweck her begrenzt und diszipliniert. Damit bleibt nur die Sorge übrig, ob der Anstaltszweck stets ausreichend bestimmt ist, um der näheren Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses in der Anstaltsordnung wirklich Schranken zu weisen und die Belastungen für den Benutzer berechenbar zu machen. Vor allem für eine Anstaltsnutzung, die den Benutzern zwangsweise auferlegt wird — wie beim Strafgefangenen — oder auf die der Bürger zur Sicherung von Lebensstandard und Fortkommen existentiell angewiesen ist — wie beim Schüler oder Studenten —, müssen die Ein-
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Forsthoff, VwR, S. 418; Gaedke (Fn. 13) S. 165 ff. Gröttrup (Fn. 1) S. 1 1 6 ; Gaedke (Fn. 13) S. 165 ff. ; vgl. auch Wolff/Bachof VwR I, § 5 9 IIb 1 und 2. Für Rechtsnorm vgl. Wolff/Bachof, V w R II, § 9 9 1 ; Dürig, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, G G , A r t . 19 IV Rdnr. 3 0 ; Gaedke (Fn. 13) S. 70; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Erster Band, 2. Auflage 1953 S. 1 1 8 ; Giese, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. A u f l . 1952 S. 79. Für Verwaltungsverordnung: V G Gelsenkirchen ZMR 1960, 32. Ob Rechts- oder Verwaltungsnorm, ist im übrigen Ermessensentscheidung des Friedhofsträgers. So Gaedke (Fn. 13) S. 6 9 ; vgl. auch Forsthoff, V w R , S. 1 2 6 f f „ 139, 140, der eher zur Rechtsnorm tendiert.
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griffsermächtigungen, die den Wesenskern von Grundrechten betreffen, näher spezifiziert sein. Das Bundesverfassungsgericht 18 hat nunmehr für die Strafvollzugsordnungen klare rechtsstaatliche Mindestanforderungen gesetzt. Die dem Benutzer in der Benutzungsordnung auferlegten Pflichten können mit den allgemeinen Zwangsmitteln wie Zwangsgeld, Ersatzvornahme, unmittelbarer Zwang durchgesetzt werden. Für Verpflichtungen, die nur in nichtrechtsförmlich erlassenen Vorschriften der Benutzungsordnung statuiert worden sind, kommt die Durchsetzung im Wege des Verwaltungszwanges nur in Betracht, wenn sie schon aus dem gesetzlich normierten Anstaltszweck abgeleitet werden können. Soweit entsprechende gesetzliche Ermächtigungen bestehen, kann die Verletzung der Benutzungsordnung auch mit Geldbußen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz geahndet werden. Ein wichtiges Mittel, um den Vorschriften der Benutzungsordnung Respekt zu verschaffen, stellt, soweit kein Benutzungszwang besteht, die Drohung mit dem Ausschluß von der Benutzung dar. Der Ausschluß von der Benutzung muß, gemessen an der Schwere oder Häufigkeit der Verfehlung, notwendig und verhältnismäßig erscheinen. Gelegentlich können solche Maßnahmen auch grundrechtswidrig sein, z . B . Liefersperren eines kommunalen Wasserwerks, wo eine anderweitige Deckung des Bedarfs an hygienisch einwandfreiem Trinkwasser für eine Familie nicht gewährleistet ist 19 .
IV. Rechtsschutz für die Benutzer Bei öffentlich-rechtlicher Nutzungsordnung sind die Verwaltungsgerichte, bei bürgerlich-rechtlicher Nutzungsordnung die ordentlichen Gerichte dazu berufen, dem Benutzer Rechtsschutz zu gewähren, wenn er behauptet, in seinen Rechten verletzt zu sein. Schwierigkeiten bereitet die Frage, welche Maßnahmen jeweils geeignet sind, solche Rechtsverletzungen auszulösen; die bloße Beeinträchtigung von Interessen genügt nicht. Das Problem taucht gleichermaßen bei den Verwaltungs- wie bei den Zivilgerichten auf. Wird eine Anstalt öffentlich-rechtlich genutzt und ist die Benutzung in einer nicht rechtsförmlich erlassenen Benutzungsordnung geregelt, spielt die Unterscheidung zwischen Grund- und Betriebsverhältnis 20 in prozessualer Hinsicht eine wichtige Rolle. Jede Maßnahme der Anstalt, die das Grundverhältnis betrifft, ist
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Nach BVerfGE 33, 303 sind bei der Hochschulzulassung Kapazitätsausnutzung, Auswahlund Verteilungsverfahren normativ zu regeln, und zwar in den „wesentlichen Entscheidungen" vom Gesetzgeber selbst. OVG Münster OVGE 16, Iff., 3. Die tragende Begründung ist dort zwar der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei Verwaltungszwang. Die eigentliche dahinterliegende Problematik ist aber die einer möglichen Grundrechtsverletzung. Grundlegend Ule, DVB1. 1951, 338ff., 340; derj., WDStRL 15 (1957), 151 ff. mit weiteren Nachweisen. Forsthoff, VwR, S. 204; v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 19 Anm. VII 6 a. Ahnlich Wolff/Bachof, VwR I, § 46 VII. Kritisch dazu Selmer, DÖV 1968, 342ff. 349
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Verwaltungsakt und unterliegt der Anfechtungsklage. D a z u gehören zunächst die zwangsweise Heranziehung zur Benutzung, die Nichtzulassung, der Ausschluß von der Zulassung, Gebührenfestsetzungen, ferner alle Maßnahmen, die im Wege des Verwaltungszwanges durchgesetzt werden sollen. Wieweit es zwischen Anfang und Ende der Benutzung sonst noch rechtliche Einschnitte gibt, in denen der gleichmäßige Fluß der rein innerbetrieblichen Abwicklung tatbestandlich zusammengefaßt und berechnet oder bewertet wird, kann nicht einheitlich beurteilt werden. Im Schulwesen ist man bisher davon ausgegangen, daß nur die Entscheidung über Versetzung oder Nichtversetzung Verwaltungsakt ist, nicht aber die Stellung von Aufgaben und ihre Bewertung im L a u f e des Schuljahres. Entsprechendes gilt für den Studienablauf im Hochschulbereich, soweit die Studien- oder Prüfungsordnungen keine förmlichen Vor- oder Zwischenprüfungen vorsehen. Auch die Einzelnoten eines Jahres- oder Abschlußzeugnisses sind nicht isoliert anfechtbar. D a s gilt auch dann, wenn sie für das weitere F o r t k o m m e n des Kandidaten eine nachweisliche faktische Bedeutung haben. D i e Abiturbenotung in Mathematik kann nicht je nachdem als selbständiger Verwaltungsakt bewertet werden, ob in der Zulassungspraxis der Hochschulen bei der H a n d h a b u n g des numerus clausus darauf besonderes Gewicht gelegt wird oder nicht 2 1 . O b bei der Anstaltsnutzung ein Verwaltungsakt im Rahmen des Grundverhältnisses ergangen ist oder nur eine nichtrechtsförmliche inneranstaltliche Maßnahme getroffen wurde, kann nur abstrakt-typisch, nicht von Fall z u Fall verschieden beurteilt werden. Anstaltliche Maßnahmen, die danach noch nicht generell geeignet erscheinen, den Benutzer in seinen Rechten zu verletzen, können im Einzelfall sehr wohl dazu führen, daß Grundrechte oder andere subjektiv-öffentliche Rechte mißachtet werden. D a s gilt vor allem dann, wenn im Gewände eines bloßen innerdienstlichen Rechtsaktes Grundrechtsverletzungen unterlaufen, etwa unzumutbare Gefährdungen von Leben, Körper oder Gesundheit, Beeinträchtigungen von Persönlichkeitsrechten, mittelbare Sanktionen gegen legitime Meinungsäußerungen usw. E s wäre dogmatisch unbefriedigend, innerbetriebliche Rechtsakte immer dann als Verwaltungsakte z u qualifizieren, wenn sie im Einzelfall Grundrechte beeinträchtigen. Glücklicher erscheint es, an der abstrakt-typischen Zuordnung der innerbetrieblichen Rechtsakte auch unter diesen Umständen festzuhalten, dem Benutzer aber die Klage auf Beseitigung oder Unterlassung dieser Maßnahme einzuräumen, weil sie eine hoheitlich faktische Rechtsverletzung mit einschließt. A n die Stelle der Anfechtungsklage tritt dann die allgemeine Leistungsklage; für die Rechtsposition des Betroffenen macht dies kaum einen Unterschied 2 2 . 21
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Vgl. Wolff/Bachof, VwR II, § 101 V b l ; Landmann/Giers/Proksch, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1969 S. 149. Für Anfechtbarkeit der Deutsch-Note im Abitur Hess. V G H DVB1. 74, 469; der Mathematik-Note OVG Berlin DÖV 75, 570; dagegen OVG Münster DÖV 1975, 538; vgl. Kupp DÖV 1976, 90f. Die allgemeine Leistungsklage hat durch das Fehlen der Voraussetzung eines Vorverfahrens und der Einhaltung von Klagefristen gegenüber der Anfechtungsklage auch Vorteile für den Kläger. Vgl. Eyermann-Fröhler, VwGO, §42 Rdnr. 4c, der beide Klagearten diesen Voraussetzungen nach praktisch gleich behandeln will.
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§ 4 4 IV
Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung ist nach § 114 VwGO zunächst dahin begrenzt, daß die Ausübung eines anstaltlichen Zulassungsermessens oder eines in der Benutzungsordnung eingeräumten Ermessens für die Handhabung der einzelnen Benutzungsvorgänge nur dann rechtswidrig ist, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Im Schulwesen unterliegt es anstaltlicher Ermessensentscheidung, wie viele Haus- oder Klassenaufgaben in welchem Abstand, aus welchem Stoffgebiet und mit welchem Schwierigkeitsgrad gegeben werden. Eine Abweichung von ministeriellen Stoffplänen ist für sich allein gesehen rechtlich unerheblich. Eine verwaltungswidrige Handhabung des schulischen Ermessens kann allenfalls ein Indiz für eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sein, nämlich dann, wenn eine Gruppe von Schülern gegenüber anderen erheblich benachteiligt worden ist 23 . Früher hat man auch die fachliche Bewertung von Schul- und Prüfungsleistungen dem Ermessensbereich zugeordnet. Dahinter stand die Uberzeugung, daß jede Schule oder Hochschule ihren eigenen Leistungs- und Prüfungsstandard entwickeln konnte. Ruf und Prestige waren zwischen Eliteschulen und „Pressen" weit aufgefächert. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung von Chancengleichheit im Bildungsbereich ist dagegen heute der Grundsatz unangefochten, daß jedenfalls innerhalb eines Landes für gleiche Leistungsnachweise und Prüfungen auch gleiche Anforderungen gelten müssen. Danach kann eine fachliche Bewertung, ob ein Schüler das Klassenziel oder ein Student die Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst erreicht hat, nur entweder richtig oder falsch sein ; dem einheitlichen Maßstab entspricht die eine richtige Lösung im Einzelfall. Dennoch hat sich die Rechtsprechung übereinstimmend für eine beschränkte Uberprüfung von Prüfungsentscheidungen ausgesprochen. Danach kontrollieren die Verwaltungsgerichte die Prüfungsinstanzen nur daraufhin, ob ein ordnungsgemäßes Prüfungsverfahren eingehalten wurde, ob man von richtigen tatsächlichen Annahmen ausgegangen ist, ob allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet worden sind und ob sich etwa unsachliche Motive in die Beurteilung eingeschlichen haben 24 . Die dogmatische Begründung für diese beschränkte Nachprüfung ist uneinheitlich: bald wird darauf abgestellt, daß die Entscheidung des Fachprüfers höchstpersönlich und unvertretbar sei 25 , bald darauf, daß im pädagogisch-fachlichen Bereich ein sog. Beurteilungsspielraum respektiert werden müsse 26 . Letztlich ist die praktische Überlegung entscheidend, daß ein Prüfer aus der Vielzahl der von ihm beobachteten Ausbildungs- und Prüfungssituationen ein verläßlicheres 23
24 25
26
Zur Chancengleichheit in etwas anderem Zusammenhang Werner, Schulverwaltungsblatt für Niedersachsen 1960, S. 17ff.; Gesichtspunkte der Chancengleichheit auch bei BVerwG DVB1. 1962, 825 und D Ö V 1963, 475. BVerwGE 8, 272, 274; Hering, D Ö V 1968, 96. BVerwGE 7, 272, 273f.; 11,165, 167; Ossenbühl, DVB1. 1974,311; Landmann/Giers/ Proksch (Fn. 21) S. 149. Vgl. auch Holland, DVBl. 1968, 245ff. BVerwGE 12,359,363; Ossenbühl, DVBl. 1974, 311 mit weiteren Nachweisen. Vgl. auch Holland, DVBl. 1968, 245ff. 351
§44 V
Jürgen Salzwedel
Gespür für den landeseinheitlich richtigen Prüfungsmaßstab gewinnt als ein Richter oder Sachverständiger, der nur punktuell Erfahrungen sammeln kann. Hinzu kommt, daß sich Ausbildungsverläufe und Prüfungssituationen, die sich über eine längere Zeit hinziehen, vor dem Verwaltungsgericht nur ganz unvollkommen rekonstruieren lassen. Die beschränkte richterliche Nachprüfung entspringt nichts anderem als einem nüchternen Kalkül auf die geringere Fehlerquote.
V. Benutzungsgebühren und Entgelte Für die Benutzung werden bei öffentlich-rechtlicher Nutzungsordnung Nutzungsgebühren, bei bürgerlich-rechtlicher Nutzungsordnung jeweils ausbedungene Entgelte erhoben. Benutzungsgebühren sind Geldleistungen, die als Gegenleistung für eine Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Anlagen erhoben werden. Während Verwaltungsgebühren in Zusammenhang mit einer Amtshandlung entstehen können, im Anstaltsrecht z . B . auch mit der Zulassung zur Benutzung — oder der Ablehnung des Antrags —, sollen Benutzungsgebühren gewissermaßen ein öffentlich-rechtliches Synallagma herstellen, was sie vom Erhebungszweck her sehr nahe an die bürgerlich-rechtlichen Entgelte heranbringt. Damit sind auch die anstaltlichen Benutzungsgebühren am sog. Äquivalenzprinzip zu messen. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich beim Äquivalenzprinzip um die gebührenrechtliche Ausgestaltung des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Das Äquivalenzprinzip hat daher bundesrechdichen Rang, auch landesrechtliche Gebühren müssen ihm genügen 27 . Uber den Inhalt des Äquivalenzprinzips besteht Streit. Wenig bedeutsam ist die Alternative zwischen einer positiven oder negativen Wendung des Grundsatzes: nach früherer Formulierung des BVerwG 2 8 muß zwischen Leistung und Gegenleistung ein richtiges Verhältnis bestehen, neuerlich begnügt man sich mit einem Verbot des Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gebühr 29 . Es steht nämlich fest, daß auch eine positive Wendung nicht bedeuten würde, daß dem jeweiligen Gesetzgeber oder Satzungsgeber oder Anstaltsträger ein bestimmtes System der Berechnung der Gebühr, möglicherweise sogar in bestimmter Höhe, vorgegeben wäre. In jedem Fall besteht für die Erhebung der Gebühr ein erheblicher gesetzgeberischer Ermessensspielraum.
BVerfGE 20, 257ff.; BVerwGE 2, 246ff.; 5, 136ff.; 12, 162ff.; 26, 305ff. Vgl. Dahmen! Kiiffmann, Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen mit Verwaltungsverordnung und Satzungsentwürfen, Kommentar, 1970 S. 254 ff. ; Bauernfeind/Zimmermann, Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen mit Verwaltungsverordnung und Satzungsmustern für Gebühren und Beiträge, Kommentar, 1969, § 6 Rdnr. 30; Leisner, in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, 1967 S. 730ff. 28 BVerwGE 2, 246, 249; 5, 136, 141; 12, 162, 166. « BVerfGE 20, 257, 270; BVerwGE 27, 305, 308. 27
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Anstaltsnutzung und Nutzung öffentl. Sachen
§44 V
Das Äquivalenzprinzip fordert, daß Gebührenmaßstab und Gebührensatz entweder am Kostenprinzip oder am Nutzenprinzip orientiert sein müssen 30 . Im ersteren Fall bildet die Gesamtheit der Kosten den Bezugsrahmen, den die Anstalt aufwenden muß, um die Benutzung in dem durch die Benutzungsordnung festgelegten Umfang zu ermöglichen. Die einzelnen Gebührenschuldner sind in dem Maße an dem Kostenaufwand zu beteiligen, als sie ihn durch ihre Inanspruchnahme verursachen. Im zweiten Fall orientiert sich die Gebührenerhebung nicht an Verwaltungsaufwand und Kostenverursachung, sondern an dem Ausmaß des wirtschaftlichen Nutzens oder Vorteils, der auf Seiten des Benutzers mit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung verbunden ist: je mehr dieser davon hat, desto höher kann er belastet werden. Während das Kostenprinzip die Gebührenerhebung an nahezu perfekte ökonomische Berechenbarkeit heranführt, eröffnet das Nutzenprinzip dem jeweiligen Gebührengesetzgeber Tür und Tor für die unterschiedlichsten Bewertungen. Das ist der Grund, warum das Äquivalenzprinzip sich einer verläßlichen Strukturierung so nachhaltig entzieht: wenn so gegensätzliche Gestaltungen möglich sind, kann es mit der Aussagekraft dieses Bundesrechts nicht sonderlich weit her sein. Das ist auch unvermeidlich, weil das Äquivalenzprinzip auf Anstaltsnutzungen unterschiedlichster Natur und Problematik anwendbar sein und bleiben muß. Die Telefongebührer) müssen so flexibel sein, daß die politisch und sachlich unumgängliche Mitfinanzierung defizitärer anderer Dienste der Bundespost möglich bleibt. Werden Benutzungsgebühren für privilegierte Sondernutzungen an Straßen oder Gewässern erhoben, müssen sie den wirtschaftlichen Wert einer solchen Vorzugsstellung abschöpfen, das Ausmaß der Begünstigung einzelner vor allen anderen auf ein vernünftiges Maß zurückführen. Würden die Gebühren nur an den real verursachten Mehrkosten orientiert, könnte man das Ausmaß der Privilegierung vor dem allgemeinen Wohl häufig überhaupt nicht mehr rechtfertigen. In manchen Gesetzen ist das Kostendeckungsprinzip 31 vorgeschrieben. In seiner etatistischen Version bedeutet es, daß Gebührenmaßstab und Gebührensatz so festgesetzt sein müssen, daß der gesamte anstaltliche Verwaltungsaufwand auf die Benutzer abgewälzt wird. In seiner gebührenrechtlichen Version bedeutet Kostendeckungsprinzip, daß das Gebührenaufkommen insgesamt nicht über den realen Verwaltungsaufwand hinausgehen darf. Beide Aussagen sind nicht etwa dem Gebührenbegriff immanent, gelten auch nicht von Bundesrechts wegen. In Nordrhein-Westfalen32 sind Benutzungsgebühren an das gebührenrechtliche Kostendeckungsprinzip gebunden. Ein MißVerständnis zwischen öffentlicher Leistung und Gebühren im Sinne des Äquivalenzprinzips kann dann nur noch in Betracht kommen, wenn der Verwaltungsaufwand in grob ungerechter Weise auf die verschiedenen Benutzergruppen aufgeschlüsselt wird. 30 31
31
DahmenlKüffmann (Fn. 27) S. 254 ff. mit umfangreichen Nachweisen. Z . B . früher § 4 P r K A G ; § 8 0 Abs. 2 S. 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz). Grundsätzlich zum Kostendeckungsprinzip Leisner (Fn. 27) S. 730 ff. Vgl. auch Ehle, D Ö V 1962, 45 ff. mit ablehnender Kritik von Oberläuter, D Ö V 1962, 48 f. § 6 Abs. 1 S. 3 K A G N W ; vgl. auch § 5 Abs. 4 K A G NW. 353
23
Allgemeines Verwaltungsrecht
§ 4 4 VI
Jürgen Salzwedel
In der neueren Rechtsprechung33 spielt der Unterschied zwischen Wirklichkeitsund Wahrscheinlichkeitsmaßstab eine wichtige Rolle. Die Tendenz der Rechtsprechung hat im wesentlichen Eingang gefunden in die Regelung des § 6 Abs. 2 KAG NW: „Die Gebühr ist nach der Inanspruchnahme der Einrichtung oder Anlage zu bemessen. Wenn das besonders schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, kann ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werden, der nicht in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen darf." Dabei wird im Grunde stets eine Gebührenerhebung nach dem Kostenprinzip unterstellt; beim Nutzenprinzip reicht der Spielraum spekulativer Bewertung so weit, daß es sich nicht lohnt, an die Indikatoren für größeren oder geringeren wirtschaftlichen Vorteil besonders hohe Ansprüche zu stellen. Für die kommunalen Entwässerungsgebühren scheidet danach der Frontmetermaßstab aus, weil er allenfalls Anhaltspunkte für den Abfluß von Niederschlagswasser, nicht aber für den Abfluß von Schmutzwasser liefert. Umgekehrt läßt der sog. Frischwassermaßstab nur einigermaßen verläßliche Rückschlüsse auf den Schmutzwasserabfluß zu, sagt aber nichts über die jeweiligen Niederschlagsmengen aus. Trotzdem hält man den Frischwassermaßstab gegenwärtig auch bei Mischkanalisation für zulässig, etwaige grobe Verletzungen des Äquivalenzprinzips im Einzelfall sollen nach §227 (früher §131) AO bereinigt werden34. Selbstverständlich sind Gebührenbescheide stets Verwaltungsakte. Auch wo eine ausdrückliche Ermächtigung zur einseitigen Festsetzung der Gebühr und zum Verwaltungszwang fehlt, dürften Zulässigkeit des Gebührenbescheides und Verwaltungsvollstreckung gewährleistet sein. Aus der öffentlich-rechtlichen Natur der Nutzungsordnung folgt die öffentlich-rechtliche Natur des vorgeschriebenen Entgelts. Einseitige Festsetzung durch Bescheid und Verwaltungsvollstreckung sind in einer solchen Regelung stets stillschweigend eingeschlossen35. VI. Haftung der Anstalt Der Anstaltsbetrieb kann zu Schädigungen des Benutzers oder zu Schädigungen Dritter führen. Die Haftung ist für beide Fälle verschieden zu beurteilen. Im Verhältnis zum Benutzer bilden bei öffentlich-rechtlicher Nutzungsordnung § 839 BGB, Art. 34 GG, bei bürgerlich-rechtlicher Nutzungsordnung §§ 823, 831 BGB die Anspruchsgrundlage. Im großen und ganzen stehen sich Anstalt oder Anstaltsträger besser, wenn die Einrichtung gegenüber dem Benutzer hoheitlich betrieben wird. Beruht die Schädigung auf leichter Fahrlässigkeit, greift die Amts33
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BVerwG MDR 1969, 252; OVG Münster KStZ 1969, 160; vgl. auch OVG Münster O V G E 25, 254, 261 ff.; 28, 253ff.; grundsätzlich dazu Dabmen/Küffmann (Fn. 27) S. 252ff., Einzelfälle S. 304ff. BVerwG BB 1967, 1107; O V G Münster KStZ 1969, 160; ausführlich zu diesem Problem Dahmen/Küffmann (Fn. 27) S. 320ff. mit umfangreichen Nachweisen. BVerwGE 1 8 , 2 8 3 ; 1 9 , 2 4 3 .
Anstaltsnutzung und Nutzung öffentl. Sachen
§ 4 4 VI
haftung nur subsidiär ein, nämlich nur dann, wenn der Ersatzberechtigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Mitwirkendes Verschulden, das sich auf die Nichtausschöpfung von Rechtsmitteln, Rechtsbehelfen und Remonstrationen bezieht, führt nach § 839 Abs. 3 B G B nicht nur zu verminderter Haftung, sondern zum völligen Haftungsausschluß. Die Rechtsprechung versucht auf mannigfaltige Weise, den Interessen des durch anstaltliche Leistungsstörungen geschädigten Benutzers dennoch gerecht zu werden. Gelegentlich wird grobe Fahrlässigkeit unterstellt, insbesondere bei unzureichender Organisation oder mangelnder Aufsichtsführung. Zur Annahme eines mitwirkenden Verschuldens des Benutzers, der den Schaden durch rechtzeitige Remonstration hätte verhindern können, neigt man im allgemeinen nicht. Für die Leistungsverhältnisse der Versorgungsbetriebe wendet man sogar die bürgerlich-rechtlichen Haftungsvorschriften analog an, und zwar mit der dogmatisch unergiebigen Begründung, das Amtshaftungsrecht sei auf die Regelung solcher Benutzungsverhältnisse nicht zugeschnitten. Letztlich dürfte die Gleichheit der Interessenlage des Benutzers bei öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Nutzungsordnung den Ausschlag geben. Die Judikatur hat vor allem Bedeutung für die Anwendung des § 278 B G B : obwohl bei öffentlich-rechtlicher Nutzungsordnung in der Regel kein Vertragsverhältnis zustande kommt, müssen Anstalt oder Anstaltsträger für das Verschulden ihrer Bediensteten wie für eigenes Verschulden einstehen. Vertragliche Haftungsausschlüsse sind grundsätzlich unzulässig, sowohl bei öffentlich-rechtlicher wie bei bürgerlich-rechtlicher Nutzungsordnung 36 . Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn durch den Anstaltsbetrieb Dritte geschädigt werden. Es leuchtet ein, daß Anspruchsgrundlage und Haftungsumfang für den Dritten nicht davon abhängig gemacht werden können, ob die Einrichtung im Verhältnis zum Benutzer hoheitlich oder fiskalisch betrieben wird. Manche Autoren befürworten die Anwendung der Amtshaftungsvorschriften gegenüber Dritten immer schon dann, wenn überhaupt eine öffentlich-rechtliche Organisationsform gewählt worden ist, insbesondere also Daseinsvorsorge anstaltlich betrieben wird 37 . Das dürfte indes zu weit gehen: § 839 B G B , Art. 34 G G setzen voraus, daß die Anstalt dem außenstehenden Dritten hoheitlich gegenübertritt, was mit der Organisationsform selbst noch keineswegs präjudiziert ist. Die Frage der Schadensersatzpflicht gegenüber Dritten kann nur in engstem Zusammenhang damit gesehen werden, welche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegenüber Störungsursachen im Anstaltsbetrieb geltend gemacht werden können. Besteht hier eine ausdrückliche oder stillschweigende gesetzliche Duldungspflicht für den Dritten, muß er den Anstaltsbetrieb wegen seiner überragenden Bedeutung für das allgemeine Wohl zunächst so hinnehmen, wie er abläuft. Es können nur Amtshaftungsansprüche geltend gemacht werden. Sind dagegen Ansprüche auf Einstellung des Anstaltsbetriebes oder auf Anbringung von Schutz36
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Vgl. dazu RUfner (Fn. 7) S. 312ff., der das Rechtsverhältnis des Anstaltsbenutzers weithin als durch öffentlich-rechtlichen Vertrag gestaltet begreift; Gröttrup (Fn. 1) S. 123f. Martens, in: Hamburger Festschrift für Schack, 1966, S. 85ff. 355
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§45
Jürgen Salzwedel
Vorkehrungen nach allgemeinen Deliktsrecht oder Nachbarrecht gegeben, kann nur Schadensersatz nach §§ 823, 831 B G B begehrt werden. Im kommunalen Bereich gelten vor allem die städtische Kanalisation, Kläranlagen, Müllabfuhr und Abfallbeseitigungseinrichtungen als hoheitliche Veranstaltungen, die mit bürgerlich-rechtlichen Ansprüchen nicht zum Erliegen gebracht werden können. Dagegen sind Einrichtungen der Wasserversorgung, der Energieversorgung und der Belieferung mit Fernwärme gegenüber bürgerlich-rechtlichen Ansprüchen ganz ungeschützt. Offenbar spielt dabei der Gedanke eine Rolle, daß die Gefahren für die Volksgesundheit, zu deren Beherrschung die erstgenannten öffentlichen Einrichtungen geschaffen worden sind, ganz besonders groß sind. Daher sollen Klagen gegen solche hoheitlichen Veranstaltungen nicht vor den ordentlichen Gerichten behandelt werden, sondern vor den Verwaltungsgerichten, die mit den Anforderungen des allgemeinen Wohls und den sich daraus ergebenden anstaltlichen Notwendigkeiten besser vertraut sind. Eine Klage auf Herausgabe nach § 985 B G B ist daher genauso unzulässig wie eine solche auf Beseitigung oder Unterlassung nach § 1004 B G B . Dogmatisch schwer nachzuvollziehen, aber vom praktischen Bedürfnis her einleuchtend ist eine Differenzierung, die früher das Reichsgericht 3 8 entwickelt hat und die der B G H 3 9 nach wie vor aufrechterhält: Klagen auf Beseitigung oder wesentliche Veränderung von Anlagen der Kanalisation oder Abwasserbehandlung gehören vor die Verwaltungsgerichte, Klagen auf Anbringung von Schutzvorkehrungen oder Einhaltung schonender Betriebsweisen dagegen sind vor den ordentlichen Gerichten zulässig. Im wesentlichen kommt es für die Zulässigkeit einer Klage dann schon auf den finanziellen Aufwand an, der im Fall des Obsiegens des Klägers für Anstalt oder Anstaltsträger anfällt. Immerhin hat der B G H für sich selbst nur eine Ausnahmezuständigkeit vorbehalten; die Klage ist nur zulässig, wenn sich aus dem Vorbringen des Klägers bereits ergibt, daß seine Ansprüche keine wesentliche Umgestaltung der kommunalen Einrichtung erforderlich machen.
§45
Begriff der öffentlichen Sache Nach dem hoheitlichen Zweck, dem sie unmittelbar dienen, müssen vier Gruppen von öffentlichen Sachen unterschieden werden: die öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch, die öffentlichen Sachen im Sondergebrauch, die öffentlichen Sachen im Anstaltsgebrauch und die öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch. Für alle vier Gruppen lassen sich nur wenige allgemeingültige rechtliche Aussagen machen, die sich durchweg auf Begründung und Beendigung des Status als öffent38 39
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RGZ 139, 152. BGH, 26.6.61, III ZR 72/60, LM GVG § 13 Nr. 81; BGH, 2.6.69, III ZR 224/67, LM GVG § 13 Nr. 114; BGH, 3.12.71, V ZR 138/69, MDR 72 , 225.
Anstaltsnutzung und Nutzung öffentl. Sachen
§45 I
liehe Sachen und die Rechtswirkungen im Verhältnis zum Eigentümer beziehen. Im übrigen muß das öffentliche Sachenrecht, wenn man noch andere übergeordnete Grundzüge verdeutlichen will, für jede dieser Gruppen gesondert erarbeitet werden ( § § 4 6 - 4 9 ) .
I. öffentlich-rechtliches Regime Durch den Rechtsakt der Widmung werden die öffentlichen Sachen einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt, das dem Staat oder dem innerstaatlichen Träger öffentlicher Verwaltung eine spezifische Sachherrschaft verschafft; im Straßenrecht ist die Bezeichnung Wegeherr noch gebräuchlich. Das öffentlichrechtliche Regime kann nun an sich in dreifach verschiedener Gestalt auftreten. 1. Im römischen Recht galten öffentliche Sachen im Gemeingebrauch als res nullius, die in niemandes Eigentum standen, und zwar sogar als res extra commercium, an denen auch niemand Eigentum erwerben konnte. So ζ. B. die größeren Flußläufe: publica ilumina non sunt in commercio, sed iure gentium publicis usibus omnium serviunt, proprietate vero sunt nullius, quam vis quo ad protectionem ad prineipem spectant1. In Frankreich sind die größeren Wasserläufe wegen ihrer Zugehörigkeit zum domaine public als Ganzes inaliénables et imprescriptibles, während bei allen anderen Oberflächengewässern nur Eigentum am Wasser der fließenden Welle ausgeschlossen ist, solange noch niemand davon Besitz ergriffen hat2. Aus § 6 Wassergesetz Bad.-Württb. wird teilweise heute noch geschlossen, daß das Wasser der fließenden Welle als res communis in niemandes Eigentum stehe, jedoch von jedermann angeeignet werden könne 3 . 2. In Anlehnung an die französische Theorie des domaine public hat Otto Mayer das Rechtsinstitut des öffentlichen Eigentums in das deutsche Verwaltungsrecht einführen wollen. Entgegen landläufiger Meinung zielte seine Auffassung aber nicht darauf ab, öffentliche Sachen schlechterdings aus ihrem Wesen heraus aus dem Dispositionsbereich von Eigentum und bürgerlichem Recht herauszulösen. Nur im Fall des Zusammentreffens von öffentlicher Sachherrschaft und Eigentum in der Hand eines Verwaltungsträgers sollte dieses sich in öffentliches Eigentum verwandeln, und auch nur vorbehaltlich einer Wiederveräußerung4. Der ganze theoretische Aufwand brachte also nicht mehr als ein an den Sachherrn gerichtetes Verbot, über die Sache für die Dauer eines solchen Zusammentreffens anders als nach öffentlichem Recht zu verfügen. Die freie Wahl, ob man sich etwa als Wegeherr oder als Wegeeigentümer geriert, sollte damit wegfallen. In dieser Weise haben 1 2 3
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Fritsch, lus Fluviaticum Romano-Germanicum II, 1772 S. 79. Art. 38ff. Code Civil; Art. 714 C C . Ziegler, Kommentar zum Wassergesetz für Baden-Württemberg, 1966, §4 Anm. 2 ; § 12 Anm. 2. O. Mayer, VwR II, S. 39 ff. 357
§ 4 5 II
Jürgen Salzwedel
Hamburg für das Straßenrecht5 und Baden-Württemberg für das Wasserrecht 6 öffentliches Eigentum eingeführt. Es besteht in Hamburg an „Grundflächen, die als öffentliche Wege gewidmet sind und der Freien und Hansestadt Hamburg gehören", in Baden-Württemberg an öffentlichen Gewässern erster und zweiter Ordnung, wobei aber eben „Privateigentum anderer am Bett eines öffentlichen Gewässers . . . unberührt" bleibt. Ausgeschlossen ist die Verfügung über öffentliches Eigentum nach bürgerlichem Recht; vgl. in Hamburg: „ . . . dem Rechtsverkehr entzogen", in Baden-Württemberg: „kann durch Privatrechtsgeschäft nicht verfügt werden". 3. Abgesehen von jenen Teillösungen wird das öffentliche Sachenrecht in der Bundesrepublik nach wie vor von einer dritten Alternative eines öffentlich-rechtlichen Regimes beherrscht, welche die privatrechtliche Natur des Eigentums an der öffentlichen Sache aufrechterhält, gleichviel ob die Körperschaft, der die Hoheitsgewalt an der Sache zusteht, auch selbst Eigentümerin ist oder nicht. Die Sachherrschaft, die durch Widmung begründet worden ist, wird durch eine öffentlichrechtliche Dienstbarkeit gesichert, die auf dem privaten Eigentum lastet. Inhalt der Dienstbarkeit ist die Verpflichtung des jeweiligen Eigentümers, die Benutzung der öffentlichen Sache im Rahmen ihrer spezifischen Zweckbestimmung zu dulden, also den Gemeingebrauch bei Straßen, den Sondergebrauch bei der wasserwirtschaftlichen Inanspruchnahme von Gewässern, den Anstaltsgebrauch bei nutzbaren Einrichtungen, den Verwaltungsgebrauch bei Arbeitsmitteln der Bürokratie 7 . Von diesem öffentlich-rechtlichen Regime ist im folgenden auszugehen. Es ist insofern allgemeingültig, als auch die Konstruktion des öffentlichen Eigentums in Hamburg und Baden-Württemberg nicht mit der Vorstellung einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit unvereinbar ist, die auf dem privaten Eigentum lastet und den Umfang der Duldungspflicht bestimmt. Auf diese Weise wird auch dort ein einheitlicher Status der öffentlichen Sache gewährleistet ; daß die verantwortliche Körperschaft als Eigentümerin den gleichen Duldungspflichten unterliegt wie jeder Dritte, ist unbestritten. Das Verfügungsverbot nach bürgerlichem Recht ist unabhängig davon zu respektieren. Es ist gesetzlich im übrigen vielfach auch dort vorgeschrieben, wo man die begriffliche Spielerei mit dem öffentlichen Eigentum nicht in die Gesetzessprache übernommen hat 8 . II. Widmung
Die Widmung legt die Zweckbestimmung der öffentlichen Sache fest, diese macht den Inhalt der Dienstbarkeit aus, die auf dem privatrechtlichen Eigentum lastet, und damit sind die Duldungspflichten des Eigentümers umschrieben. 5
§ 4 Abs. 1 H a m b W G .
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§4 Abs. 1, §5 BW WG.
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Wolff/Bachof, V w R I, § 5 7 I ; Forsthoff, V w R , S. 3 7 9 f f . ; Salzwedel, Z f W 1 9 6 2 , 73, 88f. Werner Weber, W D S t R L 2 1 (1964), 1 5 9 : „ D a s öffentliche Eigentum selbst, das in § 4 des Gesetzes proklamiert und definiert w i r d , erweist sich in Wahrheit n u r als eine andere
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Anstaltsnutzung und Nutzung öffentl. Sachen
§ 4 5
II
Der Rechtsakt der Widmung kann in der Form eines Rechtssatzes, eines Verwaltungsaktes oder eines inneradministrativen Inventarisierungsvorgangs vorkommen, wobei der letztere aber zumindest nach außen erkennbar und amtlich nachweisbar sein muß9. Die Rechtswirkungen der Widmung treten erst ein, wenn die öffentliche Sache ihrer unmittelbar hoheitlichen Zweckbestimmung entsprechend benutzt wird ; vor der faktischen Indienststellung kann die öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit, obwohl sie schon mit der Widmung entstanden ist, noch keine Rechtsfolgen auslösen10. Welche Rechtswirkungen sind es nun, die mit Widmung und Indienststellung eintreten ? 1. Die öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit bleibt vom privatrechtlichen Schicksal der öffentlichen Sache unberührt. Sie kann nach einem Eigentumswechsel gegenüber dem Erwerber geltend gemacht werden, ohne daß dieser sich auf guten Glauben berufen könnte; §936 BGB ist unanwendbar. Ist das Eigentum an Grundstücken oder beweglichen Sachen belastet worden, gilt gegenüber dem Inhaber des privatrechtlichen dinglichen Rechts das gleiche. Eine Ersitzung mit befreiender Wirkung ist ebenfalls ausgeschlossen11. 2. Wird eine öffentliche Sache zum zweiten Mal gewidmet, bevor die erste Widmung aufgehoben worden ist, dürfte die zweite Widmung nicht unwirksam sein, der ersten aber im Rang nachgehen. Ist ein Gemälde auf nicht restlos aufzuklärende Weise aus einer staatlichen Kunstsammlung in den Handel gekommen und findet es nach einer Odyssee von verschiedenen bürgerlich-rechtlichen Erwerbs- oder Verpfändungsvorgängen schließlich förmliche Aufnahme in einem städtischen Museum, kann das Land von der Stadt Herausgabe verlangen. Die zweite Widmung ist überlagert, sie kann aber rechdiche Bedeutung gewinnen, wenn das Land das Bild entwidmet und dieses damit dem Zugriff von Zwischenerwerbern ausgesetzt würde. 3. Der öffentlich-rechtliche Sachherr kann die Dienstbarkeit durch Verwaltungsakt gegenüber dem Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigten geltend machen. Dieser zentrale Verwaltungsakt des öffentlichen Sachenrechts heißt Inanspruchnahmeverfügung12. Seitdem das Bundesverwaltungsgericht dazu neigt, für alle Verwaltungsrechtsverhältnisse die einseitige Geltendmachung durch die Behörde durch Verwaltungsakt zuzulassen, es sei denn, daß der Gesetzgeber dies ausdrücklich oder konkludent ausgeschlossen hätte13, ist diese Art der Durchsetzung der
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13
Art der Benennung für den öffentlich-rechtlichen Status, den eine öffentliche Straße auch nach gemeindeutschem Recht durch die Widmung empfängt." Wolff/Bachof V w R I, § 5 6 I; Forsthoff, V w R , S. 3 8 3 f . ; Hüttenhain, Sachbezogene Regelungen und Rechtsnachfolge im Verwaltungsrecht, Diss. Bonn 1973, S. 43 f. Wolff/Bachof V w R I, § 5 6 II; Forsthoff, V w R , S. 387; B W V G H VerwRspr. 13, 104. Wolff/Bachof V w R I, § 5 7 II; Forsthoff, V w R , S. 3 7 9 f . ; R G Z 31, 217. Germershausen-Seydel, Wegerecht und Wegeverwaltung in Preußen, 1. Band, 4. A u f l . 1932, unveränderter Nachdruck 1955 S. 426, 506 ff. BVerwGE 19, 243; 24, 227; O V G Münster ZBR 1963, 1 8 8 f . ; BayVerwGH BayVBl. 1961, 3 1 4 ; a. A . Wacke, D Ö V 1966, 3 1 1 ; vgl. Achterberg, J Z 1969,·'354ff. 359
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III, IV
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Duldungspflichten allerdings nichts Besonderes mehr. Dem öffentlich-rechtlichen Sachherm bleibt es unbenommen, seinen dinglichen Anspruch, ohne das hoheitliche Vorrecht auszuschöpfen, im Wege der Klage geltend zu machen. Selbstredend ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. 4. Kommt es zu einem Streit zwischen zwei Hoheitsträgern um die Sachherrschaft, ist der Erlaß einer Inanspruchnahmeverfügung ausgeschlossen 14 . Bei Streit zwischen verschiedenen Behörden des Landes entscheidet die nächsthöhere Behörde, u. U . das Kabinett, Körperschaften werden sich vor dem Verwaltungsgericht auseinandersetzen müssen.
III. öffentliches Sachenrecht als Statusrecht Die Widmung ist kein Güterbeschaffungsvorgang, sie ersetzt nicht den Eingriff, mittels dessen u . U . der fremde Gegenstand, der öffentliche Sache werden soll, dem Eigentümer erst ganz oder teilweise entzogen werden muß. öffentliches Sachenrecht ist Statusrecht, nicht Recht der Eingriffsverwaltung. Wenn der Eigentümer der Widmung nicht zustimmt, muß zunächst nach Art. 14 G G enteignet oder nach Art. 15 G G sozialisiert werden, zumindest mit dem Ziel, die Belastung mit der betreffenden öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit durchzusetzen 15 . Das öffentliche Sachenrecht gibt auch nichts dafür her, ob der Eigentümer des fremden Gegenstandes verpflichtet ist, Widmung, Dienstbarkeit, Duldungspflichten entschädigungslos hinzunehmen. Dafür ist letztlich Art. 14 Abs. 3 G G einschlägig: nur wenn die Duldungspflichten aus einer besonderen Sozialpflichtigkeit oder „Situationsgebundenheit" zu rechtfertigen sind, braucht Enteignungsentschädigung nicht gewährt zu werden. Eine Vorschrift, nach der ein Eigentümer dinglichen Duldungspflichten unterworfen würde, die eine Enteignung darstellen, wäre wegen der Junktim-Klausel sogar nichtig, wenn der Gesetzgeber darin nicht zugleich für angemessene Entschädigung Sorge getragen hätte.
IV. öffentliche Sache und Verwaltungsvermögen Zwischen Verwaltungsvermögen und Finanzvermögen wird danach unterschieden, ob die Gegenstände jeweils unmittelbar hoheitlichen Zwecken dienen oder nur mittelbar, nämlich durch Steigerung des Vermögens und Erzielung von 14
P r O V G E 2, 3 9 9 f f . ; 6 1 , 274ff.; 80, 259ff. ; O V G Lüneburg O V G E 12, 3 4 0 ; kritisch dazu W. Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, 1 9 7 1 ; Friauf, in: I. v. Münch, Bes. VwR, S. 178.
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So Forsthoff, V w R , S. 3 8 4 ; Wolff/Bachof, V w R I, § 56 II: Verwaltungsakt auf Unterwerfung; freilich steht damit die Meinung in Widerspruch, die Widmung ohne vorherige Zustimmung des Eigentümers sei rechtswidrig, aber wirksam, weil die Widmung damit denknotwendig Eingriffscharakter zugleich voraussetzte und demonstrierte.
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Anstaltsnutzung und N u t z u n g öffentl. Sachen
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Erträgen für öffentliche Haushalte. In diesem Sinne gehören alle öffentlichen Sachen zum Verwaltungsvermögen, auch diejenigen, die im Eigentum anderer stehen, aber eben mit einer die Erfüllung des hoheitlichen Zwecks sichernden öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit belastet sind 16 . Eine Widmung mit dem Ziel, die spezifisch dinglichen Rechtswirkungen des öffentlichen Sachenrechts für Domänen oder Industrieanlagen des Staates herbeizuführen, wäre unzulässig; öffentliche Sachen müssen unmittelbar hoheitsbezogen sein. Aber die übliche Wendung, daß Verwaltungsvermögen immer aus öffentlichen Sachen bestünde, geht fehl. Viele für hoheitliche Aufgaben in Aussicht genommenen Sachen sind noch nicht gewidmet oder noch nicht faktisch in Dienst gestellt; öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit und Duldungspflichten des Eigentümers kommen dann nicht in Betracht. Gleichwohl handelt es sich natürlich nicht um Finanzvermögen, weil sie im Zweifel nicht einmal geeignet sind, die allgemeinen Deckungsmittel zu sichern und zu vermehren. Der Bereich des Verwaltungsvermögens reicht also über den der öffentlichen Sachen hinaus.
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Öffentliche Sachen im Gemeingebrauch In diese Gruppe gehören vor allem das Straßenrecht und das Wasserstraßenrecht 1 . Ihnen ist gemeinsam die Widmung zum allgemeinen Verkehr. Durch Bundesrecht ist das Straßenrecht für die Bundesstraßen des Fernverkehrs (Bundesautobahnen, Bundesstraßen mit Ortsdurchfahrten) und das Wasserwegerecht für die Bundeswasserstraßen (Binnenwasserstraßen des Bundes, die dem allgemeinen Verkehr dienen, und Seewasserstraßen) geregelt. Landesrecht regelt das Straßenrecht für alle anderen öffentlichen Straßen und das Wasserwegerecht für die sonst schiffbaren Gewässer 2 .
I. Beteiligte Hinsichtlich der öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch sind zunächst drei Beteiligte zu unterscheiden : der Wege- oder Wasserwegeherr, der Eigentümer, der Unterhaltungspflichtige 3 . Die Bundesgesetze und die neuen Landesstraßengesetze 16 1
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3
O . Mayer,
VwR II, S. 50; Wolff/Bachof,
V w R I, § 5 5 I, Forsthoff,
V w R , S. 376.
Zum Meeresstrand O. Mayer, VwR II, S. 53 ; Forsthoff, VwR, S. 377; zu den Gletschern Fritz Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. A u f l . , 1963 S. 355; der Gemeingebrauch ist hier naturgemäß beschränkt. Bundesfernstraßengesetz vom 6. 8. 1961, Sartorius N r . 932; Bundeswasserstraßengesetz vom 2. 4. 1968, Sartorius N r . 971 ; Landesstraßengesetze vgl. Salzwedel, in : /. v. Münch, Bes. VwR, S. 542ff. ; Landeswassergesetze vgl. Salzwedel, ebenda S. 512. O. Mayer, VwR II, S. 59, der in Fußnote 3) die preußischen Beteiligungsformen mit Eigentümer, Wegebaupflichtigen, Polizeibehörde freilich nur als „ d e m Bedürfnis bureau361
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sind bestrebt, alle diese Funktionen in einer verantwortlichen Körperschaft zu vereinigen. Aber immer läßt sich Eigentum Dritter nicht ausschließen, zumindest nicht für eine Übergangszeit, Baulasten Dritter behalten auch auf Dauer ihre Berechtigung. Das mit Widmung und Indienststellung einsetzende öffentlich-rechtliche Regime erstreckt sich also einerseits auf die öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit, die auf dem privatrechtlichen Eigentum lastet, andererseits auf die öffentlichrechtliche Unterhaltungspflicht, die die Körperschaft selbst oder einen Dritten verpflichtet, den Verkehrsweg funktionsfähig zu erhalten. Aber damit ist keineswegs der wichtigste Fragenkreis des Wegerechts abgesteckt. Es muß noch zwischen vielen anderen Beteiligten Rechtsbeziehungen knüpfen, und zwar nicht erst vom Erlaß der Widmung an, sondern teilweise schon, bevor der Status der öffentlichen Sache förmlich begründet wird. 1. Beim Neubau einer Straße oder Wasserstraße oder bei einer wesentlichen Umgestaltung mittels eines Ausbaus wird die zunächst überschlägige verwaltungsinterne Verkehrsplanung in eine konkrete Streckenplanung umgesetzt und die Trasse mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten verbindlich festgesetzt. Dafür ist in der Regel das Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben. Die Straßenführung innerhalb der Gemeinden wird durch Bebauungsplan bestimmt, obligatorisch, soweit es sich um örtliche Verkehrswege handelt, fakultativ, soweit es sich um Bundesfernstraßen oder andere überörtliche Straßen einschließlich der Ortsdurchfahrten handelt 4 . Der Planfeststellungsbeschluß ist Verwaltungsakt, der Bebauungsplan Rechtsnorm. Die Rechtswirkungen sind für die einzelnen Gruppen von Betroffenen verschieden. a) Im Verhältnis zum Eigentümer der Grundstücke, die für die Trasse des Verkehrsweges in Anspruch genommen werden, ergibt sich in beiden Fällen die Rechtsfolge, daß die Festsetzung dem nachfolgenden Enteignungsverfahren zugrunde zu legen ist. Während aber ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluß Einwendungen gegen die Streckenführung ausschließt, kann man der kommunalen Satzung noch entgegenhalten, daß der Eingriff nicht notwendig oder nicht verhältnismäßig und die Rechtsnorm insoweit nichtig ist 5 . kratischer Korrektheit" entsprechend abqualifiziert; Wolff/Bachof,
hoff VwR, S. 385. 4
VwR I, § 57 I ; Forst-
Kodal, Straßenrecht, 2. Aufl. 1964, „Planfeststellung", S. 467ff. ; vgl. ferner die Planfeststellungsrichtlinien für Bundesfernstraßen vom 29. 1. 1962 (Vkbl. S. 178), insbesondere zur Ersetzung von Planfeststellungen durch Bebauungspläne nach § 17 Abs. 3 B F S t r G und zu ergänzenden Planfeststellungen Ziff. 5. Zum Unterschied der Verwaltungsakt-
und der Normplanung Kodal, a. a. O. S. 178; Blümel, DÖV 1959, 669ff.; ders., DVB1. I960, 702 sowie ders., in: Festgabe für Forsthoff, stellungsverfahren jetzt § § 7 2 ff. V w V f G , s. o. S. 42.
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1972 S. 137ff. Z u m Planfest-
§ 19 Abs. 2 B F S t r G , dazu Planfeststellungsrichtlinien Ziff. 49; §§ 85ff. B B a u G . Vgl. BVerwG 15. 11. 1962 Vkbl. 1963, 220; die Enteignungsbehörde prüft, ob die Enteignung im Einzelfall zulässig ist, unter Zugrundelegung der Linienführung und der technischen Ausgestaltung der Straße. Vorläufige Besitzeinweisung ist bei Planfeststellung (§ 19
Anstaltsnutzung und N u t z u n g ö f f e n t l . Sachen
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b) Im Verhältnis zu den Nachbarn des neuen Verkehrsweges werden durch den Planfeststellungsbeschluß „alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger der Straßenbaulast und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt" 6 und bürgerlich-rechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung nach §§906 ff. BGB oder den Nachbarrechtsgesetzen der Länder ausgeschlossen7. Nachbarn sind zunächst die Grundstücksnachbarn des Verkehrsweges, je nach dem Ausmaß des rechtlichen Betroffenseins aber auch Hinterlieger. Die größte Bedeutung kommt heute Auflagen zu, die dem Straßenbaulastträger im Planfeststellungsbeschluß gemacht werden, zum Schutz der Nachbarn Schutzvorkehrungen zu treffen. Im Fall der Beeinträchtigung von Rechten besteht darauf ein Rechtsanspruch der Nachbarn, auch noch, nachdem der Planfeststellungsbeschluß rechtskräftig geworden ist, sofern die Schutzvorkehrungen ohne wesentliche Veränderung der Straßenlage angebracht werden können8. Die Schwäche des Verfahrens der kommunalen Bauleitplanung besteht vor allem darin, daß ein vergleichbares Instrumentarium für den örtlichen Straßenbau fehlt9. 2. Die Widmung setzt voraus, daß der Straßenbaulastträger die Rechtslage gegenüber dem Eigentümer der in die Trasse fallenden Grundstücke geregelt hat, sei es durch Erwerb, Zustimmung, Enteignung oder zumindest vorläufige Besitzeinweisung. Der Widmung muß auch die Zustimmung des Unterhaltungspflichtigen vorausgehen, wenn nicht die widmende Körperschaft selbst, sondern eine andere oder ein Dritter damit belastet sein soll. Die Gesetze schreiben zwar vor, wer die Straßenbaulast zu übernehmen verpflichtet ist, nicht aber, welcher Verkehrsweg in welche Straßenklasse eingestuft wird und ob Straßenbaulasten Dritter bestehen. Daher ist eine rechtsgeschäftliche Festsetzung unerläßlich, sie liegt in der Widmung, die sich auf eine vorherige gültige Zustimmung der belasteten Körperschaft stützen muß. Dagegen hängt der Status der öffentlichen Sache nicht mehr von dem Verhältnis zwischen Straße und Nachbarn ab. Diese Rechtsbeziehungen sind mit dem Planfeststellungsbeschluß abschließend geregelt. a) Die Widmung begründet also gegenüber dem Eigentümer die öffentlichrechtliche Dienstbarkeit, die auf dem Straßeneigentum ruht.
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A b s . 3 B F S t r G ) w i e A u s w e i s u n g v o n Verkehrsflächen im Bebauungsplan (§ 1 1 6 B B a u G ) zulässig. § 17 A b s . 1 S. 3 B F S t r G , dazu Planfeststellungsrichtlinien Z i f f . 44 mit A n m . v o n Kodal (Fn. 4 ) S. 5 0 2 , der freilich die W i r k u n g gegenüber den Nachbarn nicht hervorhebt. Vgl. Kodal (Fn. 4) S. 502 zu Planfeststellungsrichtlinien Ziff. 4 5 und 4 7 ; die U b e r s c h r i f t „keine privatrechtlichen W i r k u n g e n " bezieht sich n u r darauf, daß kein Eingriff gegenüber dem Eigentümer v o r g e n o m m e n w i r d . Zu § 21 A b s . 3 B W S t r G vgl. Friesecke, B u n deswasserstraßengesetz, K o m m e n t a r , 1971, A n m . 9 f f . § 17 A b s . 4 B F S t r G ; § 19 A b s . 2 und 3 B W S t r G . Vgl. zu § 1 7 A b s . 4 B F S t r G einerseits B V e r w G E 2 6 , 3 0 2 ; andererseits B V e r w G E 4 1 , 178. Daher die Möglichkeit ergänzender Planfeststellung bei Bundesstraßen, Land- und Kreisstraßen; vgl. innerhalb des Gemeindegebietes Fußnote 2 0 ) ; ferner B V e r w G E 3 8 , 1 5 2 , 1 5 6 .
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b) Sie begründet die Trägerschaft für die Straßenausbau- und Unterhaltungspflicht in bezug auf die hergestellte Straße. c) Sie löst die gesetzliche Rechtsfolge aus, daß nach Indienststellung alle Gemeingebrauchsberechtigten befugt sind, die Straße ohne besondere Zulassung zum fließenden und ruhenden Verkehr zu benutzen. Die gestaltende Funktion der Widmung liegt hier insbesondere darin, daß der Rahmen der Benutzung fest umschrieben wird, wobei die technische Eignung der Straße gewissermaßen eine äußerste Grenze bildet, im übrigen die konkrete verkehrspolitische Zielsetzung zu größeren oder geringeren Beschränkungen führen kann. Für Wasserstraßen ist die Widmung dem Gesetz selbst zu entnehmen10. d) Die Widmung löst bei Straßen, die Erschließungsfunktion haben, die gesetzliche Rechtsfolge aus, daß die Anlieger mit der Indienststellung ein subjektivöffentliches Recht auf Zugang vom Grundstück zur Straße und Zutritt von Licht und Luft erhalten. Dafür werden die Grundstückseigentümer auch zu Erschließungsbeiträgen oder Anliegerbeiträgen herangezogen. Zwar steht das Anliegerrecht einer Veränderung oder Einbeziehung der Straße nicht schlechthin entgegen. Das öffentliche Interesse an Veränderung oder Einziehung muß jedoch gegenüber dem des Anliegers an der Aufrechterhaltung des Zugangs erhebliches Gewicht haben. Ferner ist eine Entziehung in der Regel nur gegen Entschädigung möglich. 3. Es liegt auf der Hand, daß ein Vorgang mit so komplexen rechtlichen Wirkungen wie Widmung und Entwidmung zu unterschiedlichsten rechtlichen Konstruktionen herausfordert. Früher konnte man zwischen rein faktischer Tatbestandssetzung (Otto Mayer sprach von „Indienststellung") und einem förmlichen Rechtsakt schwanken. Seitdem die Straßengesetze die Widmung dadurch formalisiert haben, daß sie ausdrücklich erklärt, zugestellt, mit Rechtsmittelbelehrung versehen und zudem noch öffentlich bekanntgemacht werden muß, das Einbeziehungsverfahren sogar öffentliche Bekanntmachung und Bescheidung aller Einwendungen voraussetzt, ist nur noch die Alternative Rechtsnorm oder Verwaltungsakt offen. Gegen die Annahme einer Rechts- oder Organisationsverordnung spricht, daß die Belastung des Eigentümers und des Unterhaltungspflichtigen gewollt ist und gezielt eintritt, während alle anderen Rechtswirkungen zugunsten des Publikums unabhängig von einer Willensrichtung des Straßenbaulastträgers eintreten. Damit liegt die Deutung eines doppelten zweiseitigen Verwaltungakts am nächsten, zweiseitig, weil die Widmung als rein statusrechtlicher Vorgang die Zustimmung von Eigentümer und Unterhaltungspflichtigen voraussetzt. Wenn Forsthoff eigens dafür einen sonst unbekannten adressatlosen Verwaltungsakt kreiert, überzeugt dies kaum: die richtige Feststellung, daß die Widmung keinen Eingriff gegenüber dem Eigentümer darstellt, schließt nicht aus, daß der vom Straßenbaulastträger gewollte Status — ähnlich wie bei der Beamtenernennung — nach Erteilung der Zustimmung noch förmlich begründet werden muß. Im Fall der Einziehung werden vor allem die Anlieger in ihren Rechten betroffen, und da 10
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BWStrG § 5, dazu Friesecke (Fn. 7) Anm. 1 - 5 ; Salzwedel, ZfW 1962, 73, 77ff.
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ihre Zustimmung entbehrlich ist, kann man an der Deutung als Eingriff und einseitigem Verwaltungsakt nicht vorbeikommen 11 . Die Streitfrage spitzt sich darauf zu, ob eine Widmung, die ohne Zustimmung des Eigentümers ausgesprochen wird oder auf Grund ungültiger Zustimmung, nichtig oder nur anfechtbar und aufhebbar ist. Geht man vom zweiseitigen Verwaltungsakt aus, ist die Widmung schon dem äußeren Tatbestand nach nicht zustande gekommen, wenn die wirksame Zustimmung fehlt. Nur die Entwidmung als einseitiger Verwaltungsakt wird mit Ablauf der Anfechtungsfristen wirksam. Die Sorge, dem Verkehr übergebene Straßen könnten jederzeit vom richtigen Eigentümer gesperrt werden, wenn die öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit nicht entstanden ist, ohne daß der Straßenbaulastträger dem mit einer Inanspruchnahmeverfügung begegnen dürfte, wird durch die Annahme eines gültigen Verwaltungsaktes nicht ausgeräumt. Denn die Gültigkeit hängt zumindest vom Zugang der Widmung an den richtigen Eigentümer ab. Hier könnte man nur mit der Lehre vom faktischen Straßenverhältnis Abhilfe schaffen. Im übrigen werden die Folgen für das Publikum übertrieben. In einem solchen Fall wird sofort ein Enteignungsverfahren eingeleitet und die vorläufige Besitzeinweisung verfügt. Bis dahin kann man sich mit einer Ordnungs- oder Polizeiverfügung behelfen, die den Eigentümer als Nichtstörer zur Duldung des Verkehrs verpflichtet12. Die Widmung wird heute als Unterfall der Allgemeinverfügung gedeutet. § 35 Satz 2 VwVfG rechnet dazu auch einen „Verwaltungsakt, der . . . die öffentlichrechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft". Die Probleme des öffentlichen Sachenrechts werden davon kaum beeinflußt12". II. Individuelles Recht auf Gemeingebrauch Das individuelle Recht auf Gemeingebrauch an einer Straße oder auf Schiffahrt auf einer Wasserstraße wird einerseits durch Gesetz und Widmung, andererseits durch das Verkehrs- bzw. Schiffahrtsrecht beschränkt. Nach Gesetz und Widmung muß die Grenze zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung, nach dem Verkehrs- und Schiffahrtsrecht die Grenze zwischen zulässigem und unzulässigem Gemeingebrauch gezogen werden. 1. In der ersten Gruppe der öffentlichen Sachen ist das entscheidende Kriterium, daß jedermann die Straße oder Wasserstraße ohne besondere Zulassung zu O. Mayer, VwR II, S. 5 7 f . ; Forsthoff, VwR, S. 383f.; Wolff/Bachof VwR I, § 5 6 11; Kodal (Fn. 4) „Widmung", S. 879ff.; „Einziehung", S. 161 f f . ; Salzwedel, in: I. v. Münch, Bes. VwR, S. 548ff. 1 2 Für Unwirksamkeit Forsthoff, VwR, S. 386; Sahwedel, in: I.V.Münch, Bes. VwR, S. 551 f . ; Zippelius, D Ö V 1958, 845; Grebe, BayVBl. 1959, 81 ; für bloße Anfechtbarkeit Bay O L G D Ö V 1969, 832; B G H N J W 1967, 2309 und D Ö V 1968, 132; Wolff'/Bachof VwR I, § 56 IV; Kodal (Fn. 4) „Widmung", S. 886. 1 2 1 S . o . § 11. 11
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Zwecken des Verkehrs benutzen kann. Neuerliche Versuche, einen dogmatischen Gegensatz zwischen Gemeingebrauch und Schiffahrt zu konstruieren, können nicht überzeugen. Zwar hat die geschichtlich überragende Bedeutung der Schiffahrt vor anderen Benutzungen dazu geführt, daß die Gesetze vielfach der Schiffahrt und Flößerei eine besondere Vorschrift widmeten und unter der Bezeichnung Gemeingebrauch dann nur noch die wenigen jedermann sonst zugänglichen Benutzungen aufführten. Doch im Rechtssinne war und ist Schiffahrt Gemeingebrauch, insbesondere folgt es unmittelbar aus der widmungsgemäßen Zweckbestimmung der Wasserstraße, daß jedermann darauf ohne besondere Zulassung fahren darf, nicht erst aus einem gewissermaßen wesensfremden Geberakt der Wasserverwaltungen, der jederzeit ohne Statusveränderung wieder entzogen werden und einem Erlaubnissystem Platz machen könnte 1 3 . Die Widmung von Straßen zum Verkehr verweist die unmittelbar gewerblichen Betätigungsweisen auf Fahrbahn oder Fußgängerweg in den Bereich der Sondernutzungen; für das Wasserstraßenrecht gilt diese Beschränkung nicht. Es versteht sich von selbst, daß die gewerbliche Beförderung von Personen und Gütern zu Lande oder zu Wasser vom Gemeingebrauch umfaßt ist, weil das Gewerbe zwar mittels, aber nicht auf der Straße oder Wasserstraße ausgeübt wird. Für das Straßenrecht stellt sich die Frage immer häufiger, ob der Begriff des Verkehrs nur die Fortbewegung mit ihren widmungskonformen Unterbrechungen (Anhalten, Parken) deckt oder die Benutzung der Straße zu Handel und Wandel, als politisches Forum, als Träger von Kommunikationsvorgängen, als Schauplatz des Lebens, auf dem jedermann seine Persönlichkeit frei entfalten kann. In der Rechtsprechung deutet sich eher eine großzügige Auslegung an, wobei das Gewicht der Grundrechte der Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 12 GG die treibende Kraft sein dürfte. Die Straßenverwaltungen sind auch geneigt, die spezifische Verkehrsfunktion der Straße eher preiszugeben, als sich im politischen Streit um Flugblattaktionen oder ähnlichem zu belasten. Immerhin ist Vorsicht geboten. Wenn der Begriff des Verkehrs auch nicht allgemein voraussetzt, daß die Benutzung subjektiv um der Fortbewegung willen erfolgen müßte, können Verhaltensweisen jedenfalls dann nicht gemeingebräuchlich sein, wenn sie das Weiterkommen anderer Verkehrsteilnehmer erheblich beeinträchtigen und vielleicht auch beeinträchtigen sollen. Dazwischen liegt ein Feld, in dem Sozialadäquanz der jeweiligen Art der Straßenbenutzung darüber entscheidet, was noch Gemeingebrauch sein kann. Eine Differenzierung zwischen Straßen wird unerläßlich sein, so daß etwa im City-Bereich die Kommunikationsfunktion stärkeres, auf Ausfallstraßen nur geringes Gewicht erhält 1 4 . 13
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Für scharfe Trennung zwischen Gemeingebrauch und Schiffahrt BVerwG Z f W 1970, 148; ebenso Friesecke (Fn. 7) § 5 Anm. 2 ; anders Salzwedel, Z f W 1962, 73, 8 9 f f . ; den., Gedanken zur Fortentwicklung des Rechts der öffentlichen Sachen, D Ö V 1963, 241 ff. BVerwGE 35, 326 rechnet das Verteilen von Werbezetteln f ü r ein Nachtlokal nicht mehr zum Gemeingebrauch ; ob die Rechtsprechung für die Verteilung politischer Flugschriften dabei stehen bleibt, ist fraglich. Zu großzügiger Handhabung von Straßenwerbung und
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Was danach mit der Widmung der Straße unvereinbar erscheint, kann zusätzlich noch verkehrswidrig sein. Entscheidend ist, daß die Straßenbehörde die Benutzung, wenn dafür eine Sondernutzung nicht beantragt ist oder nicht gewährt wird, verhindern kann, ohne daß es auf das Straßenverkehrsamt ankäme15. 2. Das Wegerecht und das Wasserwegerecht regeln die Benutzung von Straßen oder Wasserstraßen zum Verkehr unter zwei Gesichtspunkten: nach der technischen Eignung des Verkehrsweges und nach seiner in der Widmung festgelegten spezifischen Verkehrsfunktion. Dagegen gehören dahinein nicht Bestimmungen, die erst notwendig werden, wenn zu viele Verkehrsteilnehmer zur gleichen Zeit die Straße oder Wasserstraße befahren. Daher hat sich das Verkehrs- bzw. Schifffahrtsrecht als bersondere Materie entwickelt, in der ursprünglich minimale „polizeiliche" Anforderungen an die Verkehrsteilnehmer gestellt wurden, um Verkehrsgefahren abzuwenden, und in der heute maximale „verhaltenslenkende" Anforderungen an die Verkehrsteilnehmer gestellt werden, um den Verkehrsfluß zu optimieren. Die Grenzziehung wird freilich immer schwieriger. Immer häufiger finden sich im Wegerecht Vorschriften, die auf die jeweilige Verkehrsdichte abstellen. So haben die Straßenbaulastträger die Straßen „in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand" zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern. Auflagen zum Schutz der Nachbarn vor Immissionen richten sich nach dem zu erwartenden Verkehrsvorkommen. Also stellt es offenbar nur für Normen des Straßenrechts, die an Verkehrsteilnehmer adressiert sind, ein Abgrenzungskriterium zum Verkehrsrecht dar, daß sie unabhängig vom Umfang des Verkehrs ausgestaltet sind. Straßenrechtliche Normen mit anderen Adressaten können dagegen verkehrsbezogen sein. Vermengungen mit Verkehrsrecht drohen hier nicht. Denn die Straßenverkehrsvorschriften sind ausschließlich an Verkehrsteilnehmer adressiert. Verwirrung stiftet dann aber die systematisch unglückliche Definition des Gemeingebrauchs, wonach der Gebrauch der Straßen im Rahmen der Widmung „und der verkehrsbehördlichen Vorschriften", das Befahren der Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen „im Rahmen der Vorschriften des Schiffahrtsrechts" gestattet ist. Wer eine Kreuzung bei Rot überfährt, handelt natürlich im Rahmen des Gemeingebrauchs. Umgekehrt könnte eine verkehrsrechtliche Regelung keine widmungswidrige Benutzung der Straße legalisieren; das Befahren einer für 3 Tonnen ausgelegten Brücke ist auch dann straßenrechtswidrig, wenn ein amtliches Verkehrszeichen 5-Tonner dazu verleitet, die baulichen Mehrfachsicherheiten zu testen16.
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Straßenhandel neigt Kodal (Fn. 4) „Außenwerbung", S. 85 ff. ; „Straßenhandel", S. 664, solange weder Straßensubstanz berührt noch Gemeingebrauch anderer beeinträchtigt wird. Vgl. BVerwGE 35, 326.
Vgl. Salzwedel, ZfW 1962, 73, 89ff.; ders., in: I. v. Münch, Bes. VwR, S. 490ff.
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Größere Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit Dauerparken, Fußgängerzonen und Fußgängerwegen. Die Länder haben teilweise versucht, durch Landesstraßenrecht das Dauerparken auszuschließen. Aber nur das Abstellen von nicht fahrbereiten oder nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen fällt aus dem Gemeingebrauch heraus, längeres Parken in der Innenstadt kann nur nach der Ausschließlichkeit beanspruchenden Regelung in § 16 StVO beschränkt werden 17 . Umgekehrt hat man Fußgängerzonen vielfach nur nach Straßenverkehrsrecht abgesichert, obwohl sie eine partielle Entwidmung der Straßen mit sich brachten und deshalb ein straßenrechtliches Einziehungsverfahren voraussetzten. Die verkehrsrechtliche Ermächtigung, auf der Straße Fußgängerwege abzutrennen, läßt sich nur halten, wenn man dem Landesstraßenrecht eine entsprechend „offene" Widmung unterstellt oder vorschreibt 18 . 3. Der alte Streit, ob der Gemeingebrauch ein subjektiv-öffentliches Recht auf Benutzung der Straße gewährt oder ob es sich dabei nur um einen Reflex objektiven Rechts handelt, liegt eigentlich außerhalb des Wegerechts. Es kommt darauf an, was man unter einem subjektiv-öffentlichen Recht versteht. Faßt man darunter nur unentziehbare Rechtspositionen des Bürgers gegenüber der Verwaltung, fällt der Gemeingebrauch heraus. Ein Recht auf Aufrechterhaltung der öffentlichen Straße als Verkehrsweg besteht nicht. Versteht man dagegen unter einem subjektivöffentlichen Recht nicht mehr als einen Anspruch auf ein bestimmtes behördliches Tun oder Unterlassen, erfüllt der Gemeingebrauch alle Merkmale eines solchen individuellen Rechts. Solange die Straße als öffentlicher Verkehrsweg besteht, müssen Straßenbaulastträger, Verkehrsbehörden und die Polizei die Benutzung im Rahmen der Widmung und der verkehrsbehördlichen Vorschriften hinnehmen 19 . Im Einziehungsverfahren ist die Rechtsposition derjenigen, die den Gemeingebrauch ausüben wollen, schwach. Sie haben einen Anspruch darauf, daß bei der Einziehung das förmliche Verfahren beachtet wird. Ferner können sie wie aus eigenem Recht geltend machen, daß ein öffentliches Verkehrsbedürfnis nach Aufrechterhaltung der öffentlichen Straße fortbestehe. Übergeordnete Gründe des allgemeinen Wohls, auch solche einer Neuordnung der Verkehrsströme, reichen aber stets aus, um die Entwidmung der öffentlichen Straße zu legitimieren20. Damit taucht die Frage auf, wieweit Grundrechte der Verkehrsteilnehmer eine gemeingebräuchliche Benutzung öffendicher Straßen absichern. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 G G umfaßt an sich nur die Möglichkeit, sich auf vorhandenen öffentlichen Straßen von einem Ort zu jedem gewünschten anderen zu begeben. Eine institutionelle Garantie der in Art. 2 Abs. 1 G G eingeschlossenen Verkehrsfreiheit verpflichtet indes den Staat, ein umfassendes Netz öffentlicher Straßen bereitzustellen. Das gilt sowohl für Straßen des großräumigen oder 17
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BVerwGE 23, 325; 3 4 , 2 4 1 und 320; Forsthoff VwR, S. 394; Wolff/Bachof VwR I, § 58 II. BayVGH DVB1. 1 9 7 3 , 5 0 8 ; HessVGH DVB1. 1 9 7 3 , 5 1 0 ; Wendrich, DVB1. 1973,475. Forsthoff VwR, S. 391 f.; Wolff/Bachof VwR I, § 58 II. Salzwedel, in: I. v. Münch, Bes. VwR, S. 552.
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überregionalen oder überörtlichen Verkehrs als auch für Gemeindestraßen mit Erschließungsfunktion. Zwar bietet das Grundrecht keine Handhabe, den Bau oder die Aufrechterhaltung bestimmter Straßen durchzusetzen. Ein politischer Trend zur Entstaatlichung öffentlicher Wege würde jedoch verfassungswidrig sein 21 . Bedenklich wäre es auch bereits, wenn öffentliche Straßen zwar nicht privatisiert, aber einem bloßen Anstaltsregime unterworfen würden. Dem subjektivöffentlichen Recht unmittelbar auf Benutzung der Straße ist ein bloßer obligatorischer Anspruch auf Zulassung nicht gleichwertig. Tendenzen zur Veranstaltlichung des Gemeingebrauchs sind im Schiffahrtsrecht bereits dominant, im Straßenrecht unverkennbar 22 . Obwohl es nicht zum Wesen des Gemeingebrauchs gehört, daß er unentgeltlich ausgeübt werden kann, könnte man mit Straßenbenutzungsgebühren auch sehr rasch die Grenzen des verfassungsrechtlich noch Zulässigen erreichen 23 . Die Verkehrsfreiheit darf auch nicht über finanzielle Verdrängungsmaßnahmen ausgeschlossen werden. Nicht zuletzt ist dabei zu bedenken, daß viele andere Grundrechte wie die Freizügigkeit, die Berufsfreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Pressefreiheit letztlich von öffentlich-rechtlich gesicherter Kommunikation abhängig sind.
III. Sondernutzungen Sondernutzungen sind Benutzungen von öffentlichen Sachen in Gemeingebrauch, die über den Gemeingebrauch hinausgehen. Die Überschreitung kann sich aus Gesetz oder Widmung ergeben, sie kann von der Benutzungsabsicht (gewerbliche Betätigung) oder der Benutzungswirkung (Eingriff in Straßensubstanz, Blockierung von Verkehrsraum) her nachgewiesen werden. Im Gegensatz zum Gemeingebrauch ist die Sondernutzung von Straßen oder Wasserstraßen nur auf Grund besonderer Zulassung rechtmäßig. Im Straßenrecht spricht man von einer Erlaubnis, im Wasserstraßenrecht ist der Begriff der strompolizeilichen Genehmigung eingebürgert. Die Erlaubnis wird in der Regel auf Widerruf, ausnahmsweise auch auf Zeit erteilt; eine unentziehbare Erlaubnis auf Dauer ist nicht vorgesehen. Die strompolizeiliche Genehmigung ist stets auf Zeit zu erteilen. Dafür steht der Genehmigungsinhaber unter einem ständigen, im Gesetz selbst enthaltenen Widerrufsvorbehalt. Ein Unterschied zwischen Straßenrecht und Wasserstraßenrecht fällt ins Auge: über die Erlaubnis entscheidet die Straßenbehörde nach Ermessen, auf die Erteilung 21 22
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BVerwGE 27, 181, 185; 30, 235; Salzwedel, DÖV 1963, 246. Für das Schiffahrtsrecht oben § 1 Fn. 6; für das Straßenrecht Werner Weber, WDStRL 21 (1964), 174ff., 182, für Autobahnen, das innerstädtische System von Straßen und Plätzen, der Kanäle und Stromschiffahrtswege; dagegen Salzwedel, DÖV 1963, 242f.; vgl. neuerdings Sendler, DÖV 1974, 217. Daß Gemeingebrauch entgeltlich gestellt werden kann, ist heute unbestritten ; dazu bedarf es eines Gesetzes; vgl. § 7 Abs. 1 S. 4 BFStrG; Wolff/Bachof, VwR I, § 58 II, Forsthoff, VwR, S. 390. 369
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einer strompolizeilichen Genehmigung besteht gegenüber dem Wasser- und Schifffahrtsamt ein Rechtsanspruch. Hier spielen Tradition und wohl auch rechtspolitische Zufälligkeiten eine Rolle. Immerhin wird erkennbar, daß sich aus der Struktur der öffendichen Sachen im Gemeingebrauch keine apriorischen Aussagen darüber ableiten lassen, ob Sondernutzungen in voller rechtlicher Bindung oder nach Ermessen zuzulassen sind. Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung des Verhältnisses der Sondernutzung zum Eigentum. Auf den ersten Blick könnte man meinen, jede Benutzung der öffentlichen Sache, die sich außerhalb des Gemeingebrauchs bewegt, bedürfe sowohl einer öffentlich-rechdichen Zulassung durch den öffentlichen Sachherrn als auch einer Gestattung des Eigentümers. Ein solch dualistisches System wäre indes keineswegs allgemein wünschenswert. Es würde auch in der Sache nicht gerechtfertigt sein, weil der Umstand, daß sich eine Benutzung außerhalb des Gemeingebrauchs bewegt, noch nichts darüber aussagt, ob sie den Gemeingebrauch anderer und damit die Zweckbestimmung des Verkehrsweges beeinträchtigt. Hat sich das Augenmerk des Herrn der öffentlichen Sache nur auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs zu richten, besteht keine Veranlassung, ihn in allen Fällen einzuschalten, in denen der Gemeingebrauch überschritten wird. Andererseits würde es oft zu weit gehen, den Eigentümer immer schon dann einzuschalten, wenn eine Benutzung über den Gemeingebrauch hinausreicht. Denn Widmung und Duldungspflichten des Eigentümers auf der einen Seite, Gemeingebrauch des Publikums auf der anderen Seite brauchen nicht völlig kongruent zu sein. Die öffentlich-rechdiche Dienstbarkeit kann über den Gemeingebrauch hinausreichen, also den Eigentümer verpflichten, auch noch eine Reihe von Sondernutzungen hinzunehmen, die ohne seine Gestattung im Einzelfall zugelassen werden können. Damit zeigt sich bereits, daß hinsichtlich der Beteiligung des Eigentümers drei Fälle der Sondernutzung unterschieden werden müssen. Das dualistische System ist zu beachten, wenn eine Benutzung der öffentlichen Sache deren Zweckbestimmung, also den Gemeingebrauch anderer, beeinträchtigt, zugleich aber auch in das Resteigentum eingreift, weil sie von widmungsgemäßen Duldungspflichten nicht mehr gedeckt ist. Die Gestattung des Eigentümers reicht aus, wenn die Benutzung zwar den Gemeingebrauch überschreitet, den Gemeingebrauch anderer und damit die Zweckbestimmung der öffentlichen Sache aber nicht beeinträchtigt. Dagegen genügt eine Sondernutzungserlaubnis oder strompolizeiliche Genehmigung, wenn eine Benutzung des Verkehrsweges zwar den Gemeingebrauch anderer beeinträchtigt, das Resteigentum indes wegen einer weiterreichenden öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit noch nicht berührt. 1. Das dualistische System wird von der Wasserstraßenverwaltung des Bundes konsequent gehandhabt. Einer strompolizeilichen Genehmigung bedürfen alle Benutzungen nach § 3 WHG sowie Anlagen in, über oder unter einer Bundeswasserstraße oder an ihrem Ufer, wenn durch die beabsichtigte Maßnahme eine Beeinträchtigung des für die Schiffahrt erforderlichen Zustandes der Bundeswasserstraße oder der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten ist. In aller Regel sind Maßnahmen dieser Art nur mittels einer Inanspruchnahme des Gewässer370
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bettes möglich. Damit ist auch das dem Bund nach Art. 89 G G zustehende Eigentum an der Bundeswasserstraße berührt. Der Benutzer ist daher einerseits von einer strompolizeilichen Genehmigung, andererseits von einer Gestattung des Bundes als Gewässereigentümer abhängig, die im Rahmen eines Konzessionsvertrages gegen ein angemessenes Entgelt ausgesprochen wird 2 4 . Das Bundesfernstraßengesetz und die Landesstraßengesetze haben sich bemüht, das dualistische System eines Nebeneinanders von straßenrechtlicher Erlaubnis und fiskalischer Gestattung tunlichst zu vermeiden. Das dürfte indes nicht voll gelungen sein. Fallen Straßenbaulast und Eigentum auseinander, ist die Zweigleisigkeit von Erlaubnis und Gestattung unvermeidbar. Das gleiche muß aber gelten, wenn eine Benutzung im Falle der Vereinigung beider in einer Hand sowohl in die Wegehoheit des Straßenbaulastträgers als auch in dessen Wegeeigentum eingreift. Konzessionsverträge der Gemeinden für Personenbeförderungsunternehmer können, soweit es sich um Straßenbahnen oder Obuslinien handelt, sowohl dem öffentlichen als auch dem bürgerlichen Recht angehören. Die Benutzung ist von einer vorherigen straßenrechtlichen Erlaubnis abhängig, weil der Betrieb der Straßenbahn oder der Obuslinie den Gemeingebrauch anderer beeinträchtigt. Die Benutzung berührt aber auch das Resteigentum, weil eine Inanspruchnahme der Straßensubstanz unvermeidlich ist und von der Widmung keinesfalls gedeckt wird 2 S . 2. Aus § 31 Abs. 1 Bundeswasserstraßengesetz ist zu entnehmen, daß eine ström- und schiffahrtspolizeiliche Genehmigung entfällt, soweit die beabsichtigte Maßnahme weder eine Beeinträchtigung des für die Schiffahrt erforderlichen Zustandes der Bundeswasserstraße noch eine Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs erwarten läßt. Freilich kommt dies kaum vor, weil auch bei einer Verlegung von Rohrleitungen im Gewässerbett zumindest vorübergehende Beeinträchtigungen nicht auszuschließen sind. In jedem Fall ist aber ein Gestattungsvertrag erforderlich. § 8 Abs. 10 BFernStrG sieht ausdrücklich vor, daß die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums der Bundesfernstraßen sich nach bürgerlichem Recht richtet, wenn der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt wird, wobei eine Beeinträchtigung von nur kurzer Dauer für Zwecke der öffentlichen Versorgung außer Betracht bleibt. Die Landesstraßengesetze verfahren in gleicher Weise 26 . 3. In der Rechtsprechung des Reichsgerichts und auch noch des Bundesgerichtshofs waren die Grenzlinien zwischen Gemeingebrauch und Duldungspflicht des Eigentümers auf der einen Seite, Sondernutzung und Gestattungserfordernis auf der anderen Seite noch klar gezogen. Jede Überschreitung des Gemeingebrauchs sollte danach eine Einschaltung des Eigentümers erforderlich machen 27 . Die Widmung kann indes die Verfügungsgewalt des Wegeherrn über die Verkehrsfläche weiter erstrecken, als es zur Gewährleistung des Gemeingebrauchs für jedermann 24 25 26 27
friesecke (Fn. 7) Einl. Ziff. 3, S. 22. Salzwedel, in: I. v. Münch., Bes. VwR, S. 563. Forsthoff, VwR, S. 396 f. Vgl. BVerwGE 29, 248. 371
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erforderlich wäre. Eine solche Regelung bietet sich für Sondernutzungen an, die mit dem Gemeingebrauch in engem sachlichen und räumlichen Zusammenhang stehen. Das kann vor allem für den Straßenhandel im Gehen und Fahren Bedeutung gewinnen; Bedenken dagegen, daß es auf diese Weise dem Eigentümer verwehrt wird, an gewerblichen Tätigkeiten auf seinem Grund und Boden wirtschaftlich zu partizipieren, treten dahinter zurück. Die Straßengesetze sind indes noch weiter gegangen. Danach ist die Verfügungsgewalt des Straßenbaulastträgers über die Verkehrsfläche ungeteilt, sofern von der beabsichtigten Benutzung eine Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs anderer zu besorgen ist. Daher braucht der Straßenhandel von Verkaufsständen aus, die mit dem Straßengrund vorübergehend verbunden sind, nicht von einer Gestattung des Eigentümers abhängig gemacht zu werden 28 . Nach dem Sinn des Gesetzes und im Hinblick auf eine verfassungskonforme Auslegung kann dies aber nicht uneingeschränkt gelten. Soweit die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus nicht ohne dauernde Inanspruchnahme der Straßensubstanz möglich ist, wird das Resteigentum betroffen 29 . Abgesehen von diesen Grenzfällen genügt jedoch die straßenrechtliche Erlaubnis für eine Benutzung der Straße, die zwar den Gemeingebrauch anderer beeinträchtigt, sich aber im übrigen auf der dem Eigentümer ohnehin entzogenen Verkehrsfläche abspielt. IV. Eigentum und Kontrahierungszwang Sind öffentlich-rechtliche Sachherrschaft und Eigentum am Verkehrsweg in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung vereinigt, ist dieser auch bei der Entscheidung über die bürgerlich-rechtliche Gestattung nicht so frei wie ein privater Grundstückseigentümer. Die Verfügungsgewalt wird durch einen Kontrahierungszwang eingeschränkt. Daraus ergibt sich nicht nur die Verpflichtung, die Benutzung unter bestimmten Voraussetzungen zu gestatten, sondern auch die zu einer zurückhaltenden Bemessung des Benutzungsentgelts und des kostenrelevanten Teils der Benutzungsbedingungen. Der Kontrahierungszwang beruht auf drei voneinander unabhängigen Rechtsgründen. Zunächst muß der Verwaltungsträger alle rechtlichen Bindungen beachten, denen auch ein privater Monopolinhaber bei der Verfügungsgewalt über sein Eigentum unterworfen ist. Aus § 826 BGB hat die Rechtsprechung ein Verbot sittenwidriger Ausbeutung von rechtlichen oder faktischen Monopolstellungen hergeleitet. Daraufhin sind die Wasserstraßenverwaltung oder die Gemeinden verpflichtet, mit leitungsgebundenen Unternehmen Konzessionsverträge abzuschließen, in denen zwischen dem Wert der Leistung, der Gestattung einer Inanspruchnahme von Gewässerbett oder Straßensubstanz, und dem Wert der ausbedungenen Gegenleistungen noch ein angemessenes Verhältnis 28
29
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R G Z 88,14; 123,181; B G H 2 19,85; 2 2 , 3 9 5 ; 28, 34ff.; dagegen Salzwedel, 1962, 73 ff. Forsthoff, VwR, S. 395; Kodal (Fn. 4) „Sondernutzungen", S. 569ff.
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besteht. Ein zweiter Gesichtspunkt läßt sich aus der Grundrechtsbindung des Fiskus erschließen. Wenn der Verwaltungsträger die Möglichkeit hat, auf der Grundlage des öffentlichen wie des privaten Rechts zu kontrahieren, kann er der im ersten Bereich unmittelbar einsetzenden Grundrechtsbindung nicht dadurch ausweichen, daß er sich in den zweiten Bereich flüchtet. Damit ist nicht gesagt, daß in bürgerlich-rechtlichen Konzessionsverträgen nur solche Elemente enthalten sein dürfen, die auch als Bedingungen und Auflagen mit einem begünstigenden Verwaltungsakt hätten gekoppelt werden können. Die bürgerlich-rechtliche Verfügungsgewalt reicht weiter. Eine Ausnutzung fiskalischer Macht bis an die Wuchergrenze des § 138 BGB ist aber ausgeschlossen. Die Verweigerung der Gestattung gilt als Eingriff in den nach Art. 12, 14 und Art. 3 GG geschützten Bereich des auf die Benutzung des Verkehrswegs angewiesenen Unternehmers. Exzessive Belastungen sind aber zu vermeiden 30 . Schließlich ist der Grundsatz zu beachten, daß ein Träger öffentlicher Verwaltung den wirtschaftlichen Wert eines begünstigenden Verwaltungsaktes, zu dessen Erteilung er als öffentlicher Sachherr verpflichtet ist, nicht dadurch durchkreuzen darf, daß er als Eigentümer des Verkehrswegs die Gestattung verweigert oder sie mit unvertretbaren Lasten verbindet. Das spielt vor allem im Wasserstraßenrecht eine Rolle. Der Rechtsanspruch auf die Erteilung einer strompolizeilichen Genehmigung könnte leicht unterlaufen werden, wenn eine wegen der Inanspruchnahme des Gewässerbettes erforderliche Gestattung des Bundes frei ausgehandelt werden könnte. Hier dürfte der Spielraum für den Vertragsschluß relativ gering sein. V. Anlieger Die Rechtsstellung des Anliegers ist komplexer Natur 31 . Das Anliegerrecht hat zum Inhalt, daß freier Zugang und freie Zufahrt von und zur Straße sowie der freie Zutritt von Licht und Luft zu den an der Straße errichteten Gebäuden aufrechtzuerhalten ist. Es kommt daher nur für Straßen in Betracht, die Erschließungsfunktion besitzen, nämlich von der Gemeinde für den inneren Verkehr und den Anbau bestimmt sind. Die erste Funktion des Anliegerrechts besteht darin, daß der Grundsatz durchbrochen wird, wonach Anlieger keinen Anspruch darauf haben, daß die Straße nicht verändert oder eingezogen wird. Die Existenz von Anliegerrechten steht der Einziehung einer Straße grundsätzlich entgegen, wenn ein anderer Zugang zum öffentlichen Verkehrsnetz nicht besteht und auch nicht geschaffen werden kann. Freilich schließt dies eine Einziehung aus übergeordneten Gründen des allgemeinen Wohls und gegen Entschädigung nicht aus. Die zweite Funktion des Anliegerrechts ist darin zu sehen, daß der Anlieger die Straße in einer den Gemeingebrauch anderer durchaus beeinträchtigenden Weise 30
Salzwedel, in: I. v. Münch, Bes. VwR, S. 563. " Dazu Kodal (Fn. 4) „Anlieger", S. 2 9 f f . 373
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benutzen darf. Das zeigt sich schon daran, daß Zufahrten an Bundesstraßen oder Landstraßen, die natürlich keine Erschließungsfunktion haben, von vornherein als Sondernutzung gelten, weil sie den fließenden Verkehr stören. Insofern ist das Anliegerrecht als eine durch Gesetz eingeräumte Sondernutzung zu begreifen. Davon zu unterscheiden ist der sogenannte Anliegergebrauch, für den auch noch der Ausdruck „gesteigerter Gemeingebrauch" üblich ist. Dabei handelt es sich um eine vom Anliegergrundstück auf die Straße selbst und den Luftraum über der Straße übergreifende Tätigkeit, um die besonderen Vorteile des Verkehrs zu nutzen. Der Gemeingebrauch wird damit in doppelter Hinsicht erweitert. Während die Straße sonst nur zu Zwecken des Verkehrs benutzt werden darf, wird hier gerade die geschäftliche Betätigung der Anlieger akzeptiert, die dort je nach den wirtschaftlichen Bedürfnissen und örtlichen Gewohnheiten Waren auslegen, Tische und Stühle für Gaststättenbesucher aufstellen, Reklameschilder anbringen können. Ferner werden unabhängig vom Benutzungszweck bestimmte Benutzungsarten toleriert, die den Passanten nie offenstehen, so ζ. B. das Aufstellen von Baugerüsten und Baugeräten. Vom Anliegerrecht werden diese Benutzungen über den Gemeingebrauch hinaus nicht gedeckt. Nach den neueren Straßengesetzen ist es Sache der Gemeinden, den Anliegergebrauch durch Satzung zu regeln. Soweit dies geschehen ist, stellt auch der Anliegergebrauch eine auf Satzung beruhende Sondernutzung dar. V I . Verkehrssicherungspflicht Hinsichtlich der Haftung des Straßenbaulastträgers für Schäden, die in Zusammenhang mit der Benutzung einer Straße auftreten, müssen zwei Fälle unterschieden werden. Werden bei Straßenbauarbeiten Verkehrsteilnehmer geschädigt, bilden § 839 B G B , Art. 34 G G die Anspruchsgrundlage. Verursacht ein Straßenmeister auf einer Baustellenfahrt einen Verkehrsunfall, haftet die Anstellungskörperschaft nur subsidiär, sofern ihm nur leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann 32 . In den meisten Fällen wird der Straßenbaulastträger aber dafür in Anspruch genommen, daß er es unterlassen hat, die Straße in einen ungefährlichen Zustand zu versetzen und darin zu erhalten. Auf welchem Rechtsgrund die Schadensersatzpflicht dann beruht, ist umstritten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 33 beruht die Haftung auf §823 Abs. 1 BGB. Aus der Verkehrseröffnung erwächst dem Straßenbaulastträger die Verpflichtung gegenüber Dritten, die Straße ordnungsgemäß auszubauen und zu unterhalten. Genügt der Straßenbaulastträger dieser Rechtspflicht zum Handeln nicht, verletzt er Leben, Körper oder Gesundheit oder Eigentum der Straßenbenutzer. Die Verkehrssicherungspflicht ist damit von der öffentlich-rechtlichen Straßenbaulast ganz unabhängig, die der Straßenbaulastträger im Verhältnis zur Straßenaufsicht, nicht zu Dritten, erfüllt. Der Rechtsprechung liegt der Gedanke zugrunde, 32
Β GHZ 21,48.
33
B G H Z 9, 373 ; 24, 124; 37, 69 (Rhein); 37, 165.
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daß die öffentliche Hand nicht mehr und nicht weniger haftet als jeder andere, der einen Verkehr öffnet oder andere Gefahrenquellen schafft. Die Maßstäbe, die der Landesstraßengesetzgeber für die öffentlich-rechtliche Straßenbaulast aufstellt, beeinflussen das Ausmaß der Haftung gegenüber Dritten nicht. Im Schrifttum 34 herrscht die Auffassung vor, daß die Erfüllung der öffentlichrechtlichen Straßenbaulast eine öffentliche Aufgabe ist, die gegenüber den Benutzern der Straße hoheitlich erfüllt wird. O b ein Schaden durch positive Handlung entsteht oder durch straßenbauliche Unterlassungen, soll keinen Unterschied machen. Damit haftet der Straßenbaulastträger, soweit er Anstellungskörperschaft für das jeweils verantwortliche Straßenbaupersonal ist, nach den Grundsätzen der Amtshaftung. Das Ausmaß der Haftung bestimmt sich nach der jeweiligen öffentlich-rechtlichen Straßenbaulast. Überwiegend wirkt sich diese Lehre im Sinne des Haftungsprivilegs für die öffentliche Hand aus. Offenbar in Anlehnung an das anstaltsrechtliche Wahlrecht zwischen öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher Nutzungsordnung räumt der B G H 3 5 dem Straßenbaulastträger allerdings das Recht ein, durch ausdrücklichen Organisationsakt, der der Allgemeinheit kundgemacht werden muß, verbindlich und wirksam zu erklären, daß er dem Publikum künftig hoheitlich gegenübertreten wolle. Die Gesetzgeber haben von dieser Möglichkeit mehr und mehr Gebrauch gemacht. Demgegenüber verhalten sich Landschaftsverbände, Landkreise, Städte und Gemeinden noch zurückhaltend. Das Beharren der Rechtsprechung auf einem allgemeinen Haftungsmaßstab, der sich in der für alle geltenden Verkehrssicherungspflicht ausdrückte, war ursprünglich überzeugend. Die Einwände der Literatur waren rein theoretisch konzipiert und nicht eigentlich zwingend. Seitdem die Körperschaften dazu aufgerufen werden, sich ihre Haftungsgrundlagen selbst auszusuchen, hat die Rechtsprechung freilich an Geschlossenheit und Überzeugungskraft erheblich verloren. Für die Zukunft überwiegt das Bedürfnis, zu einer einheitlichen Haftungsgrundlage, gleichviel zu welcher, zurückzukehren.
VII. Enteignungsverfahren Das öffentliche Sachenrecht umfaßt nicht das Enteignungsverfahren 36 . Als Statusrecht setzt es grundsätzlich eine abgeschlossene Güterbeschaffung voraus. Sofern der freiwillige Eigentumserwerb gescheitert ist, muß an sich das Enteignungsverfahren abgeschlossen und das Eigentum der öffentlichen Hand übertragen sein, bevor die Widmung der öffentlichen Sache erfolgen kann. Eine Verknüpfung von öffentlichem Sachenrecht und Enteignungsrecht zeigt sich vor allem in den 34 35 36
Forsthoff, VwR, S. 398ff.; Wolff/Bacbof, VwR I, § 5 7 V m . N . B G H Z 9 , 3 7 3 ; 35, 112. Dazu Wolff/Bachof, VwR III, § 158 I l l a ; Kodal (Fn. 4) „Enteignung für Straßenzwecke", S. 177. 375
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häufigen Fällen, in denen mittels des Instituts der vorläufigen Besitzeinweisung auch schon eine Widmung fremder Sachen ohne Zustimmung des Eigentümers möglich wird. Enteignungsrecht ist grundsätzlich Landesrecht; ein allgemeines Bundesenteignungsgesetz ist nicht erlassen. Danach beginnt das Verfahren mit der Verleihung des Enteignungsrechts, der sog. Enteignungsanordnung, durch die die Landesregierung oder die höhere Verwaltungsbehörde dem enteignungsbegünstigten Unternehmer einen verfahrensrechtlichen Anspruch gegen die Enteignungsbehörde auf Durchführung des Enteignungsverfahrens verschafft. Ein Anspruch auf die Enteignung selbst ist darin noch nicht eingeschlossen. Deshalb ist die Enteignungsanordnung noch kein Verwaltungsakt, der Rechte einzelner Grundeigentümer verletzen könnte. Daran schließt sich das enteignungsrechtliche Planfeststellungsverfahren an. Der vorläufige Plan wird zunächst von der Enteignungsbehörde mit den Beteiligten erörtert. Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Enteignung überhaupt oder gegen den Trassenverlauf sind ebenso möglich wie solche gegen die behördlich vorgesehene Höhe der Entschädigung. In diesem Verfahren können öffentlichrechtliche Verträge über den Besitz- und Eigentumsübergang sowie über die Entschädigung abgeschlossen werden. Kommt es zu keiner Einigung, entscheidet die Enteignungsbehörde über die Einwendungen und stellt den ggf. berichtigten Plan endgültig fest. Der enteignungsrechtliche Planfeststellungsbeschluß ist Verwaltungsakt und unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage. In einem dritten Stadium können erforderlichenfalls Art und Höhe der Entschädigung nach einem besonderen Erörterungstermin festgesetzt werden. Die Entschädigungsfestsetzung bringt zwei Rechtspositionen hervor: den Anspruch des Entschädigungsberechtigten auf Zahlung der festgesetzten Entschädigung und den des Unternehmers auf Vornahme der Enteignung nach Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigungssumme. Über die Entschädigungsfestsetzung wird im ordentlichen Rechtsweg entschieden. Das Abschlußstadium bildet dann die Vollziehung der Enteignung. Das Eigentum am Grundstück geht mit der Zustellung des Enteignungsbeschlusses auf den Unternehmer über. Im sog. vereinfachten Enteignungsverfahren ist eine vorläufige Besitzeinweisung möglich, nämlich bereits nach der Erörterung des vorläufigen Planes mit den Beteiligten. Die Enteignung für Straßenzwecke weist Besonderheiten auf. Bundesfernstraßengesetz und Straßengesetze der Länder verweisen zwar durchweg auf das landesrechtliche Enteignungsverfahren, beeinflussen das Enteignungsverfahren aber in mehrfacher Hinsicht. Werden Straßen entsprechend den Festsetzungen des gemeindlichen Bebauungsplans ausgebaut, regelt sich die Enteignung ausschließlich nach den Vorschriften des Bundesbaugesetzes. Bei der Anwendung des Landesenteignungsrechts entfällt die Enteignungsanordnung. Die Enteignung für Straßenzwecke ist in den Straßengesetzen generell zugelassen. Die vorläufige Besitzeinweisung ist allgemein zulässig, sofern der 376
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sofortige Beginn der Arbeiten aus Gründen des öffentlichen Wohls geboten erscheint. Der Planfeststellungsbeschluß ist für das nachfolgende Enteignungsverfahren bindend. Einwendungen gegen Notwendigkeit des Straßenbaus und Trassenführung sind im Enteignungsverfahren nicht mehr zulässig. Auch im Bundesbaugesetz ist die Enteignung für Straßenzwecke generell zugelassen. D i e vorläufige Besitzeinweisung ist ebenfalls allgemein vorgesehen. Besonderheiten ergeben sich aber daraus, daß der Bebauungsplan Rechtsnorm ist und daher ungeeignet, Einwendungen über die Notwendigkeit des Straßenbaus und die Trassenführung abzuschneiden. Entspricht die Festsetzung nicht Erfordernissen des allgemeinen Wohls, ist sie nichtig, dem Enteignungsverfahren fehlt die G r u n d lage. N a c h § 113 B B a u G sind die Entscheidungen über Enteignung und Entschädigung zusammengefaßt. Gegen den Enteignungsbeschluß kann Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch die K a m m e r für Baulandsachen beim Landgericht gestellt werden; das Vorverfahren entfällt.
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öffentliche Sachen im Sondergebrauch öffentliche Sachen im Sondergebrauch sind diejenigen, deren Inanspruchnahme nach ihrer Zweckbestimmung gerade nicht jedermann, sondern nur demjenigen zusteht, dem der öffentliche Sachherr durch begünstigenden Verwaltungsakt ein subjektiv-öffentliches Recht auf eine bestimmte Benutzung eingeräumt hat. D a z u sind in erster Linie die Gewässer zu rechnen, soweit sie nicht zu Verkehrszwecken, sondern zu wasserwirtschaftlichen Zwecken genutzt werden. N a c h dem Wasserhaushaltsgesetz ist der gesamte Wasserschutz bewirtschaftet, die Binnengewässer, das Grundwasser und die Küstengewässer. D i e Gewässer sind so z u bewirtschaften, daß sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch dem N u t z e n einzelner dienen und daß jede vermeidbare Beeinträchtigung unterbleibt (§ 1 a A b s . 1 W H G ) . N a h e z u jede Inanspruchnahme in mengen- oder güterwirtschaftlicher Hinsicht ist als s o g . Benutzung (§ 3 W H G ) von der vorherigen Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung abhängig (§ 2 W H G ) . D e r begünstigende Verwaltungsakt hat die Zuteilung eines staatlich bewirtschafteten verknappten Gutes z u m Inhalt. Allerdings gibt es auch an öffentlichen Sachen im Sondergebrauch unter U m s t ä n den einen gewissen „ G e m e i n g e b r a u c h " , nämlich recht bescheidene N u t z u n g e n , die auch ohne besondere Zulassung in beschränktem U m f a n g möglich sind 1 . D o c h entspricht dies nicht der Zweckbestimmung dieser öffentlichen Sachen, sondern durchbricht sie; darin ist nicht die Regel, sondern eine Ausnahme z u sehen. I m Wasserrecht ist es daher auch schon seit langem üblich, statt des Gemeingebrauchs 1
§-23 WHG und die Ausfüllungsvorschriften in den Landeswassergesetzen, ζ. B. in §31 NWWG. 377
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von erlaubnisfreien Benutzungen zu sprechen. Darin kommt zum Ausdruck, daß diese wasserwirtschaftlichen Benutzungen sich nicht aus der Zweckbestimmung der Gewässer legitimieren, sondern eher aus einem generellen Verzicht auf Erlaubnisverfahren für Bagatellsachen. I. Widmung Die Widmung der Gewässer beruht, auch soweit es um ihre wasserwirtschaftliche Zweckbestimmung geht, unmittelbar auf Gesetz. Das gilt auch für den Neubau von Wasserstraßen, Kanälen, Talsperren und Speicherbecken. Mit ihrer Fertigstellung sind sie zugleich gewidmet und, sobald die faktische Indienststellung erfolgt, wasserwirtschafdichen Nutzungen zugänglich. Ergibt sich aus dem Wasserhaushaltsgesetz, daß der Wasserschatz als Ganzes staatlicher Bewirtschaftung unterliegt, läßt sich daraus noch nicht entnehmen, nach welchen Grundsätzen und Prioritäten Nutzungsrechte zugeteilt werden sollen. Ein Mindestbestandsschutz ergibt sich aus § 6 WHG. Danach ist die Erteilung einer Bewilligung oder Erlaubnis ausgeschlossen, soweit von der beabsichtigten Benutzung eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere eine Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung, zu erwarten ist. Diese schwer bestimmbare Grenze kann nach § 3 6 b W H G durch Bewirtschaftungspläne der Länder präzisiert werden. Oberhalb dieser Zulassungssperre entfaltet sich echtes Bewirtschaftungsermessen der Wasserbehörden. Da das Wasserhaushaltsgesetz von den Ländern vollzogen wird, bestimmen die für die Wasserwirtschaft zuständigen Landesminister, welche Wasserwirtschaftspolitik jeweils betrieben werden soll. Eine Verpflichtung der Länder, ihre Wasserwirtschaftspolitik zu koordinieren, besteht nicht. Welche Grenzen der Entnahme oder Einleitung an grenzüberschreitenden Gewässern im Verhältnis des Oberlieger- zum Unterliegerland gezogen sind, kann nur aus dem Prinzip des bundesfreundlichen Verhaltens geschlossen werden. Die die Rahmengesetzgebung des Bundes ausfüllenden Landeswassergesetze haben für die Handhabung des Bewirtschaftungsermessens nur insofern einen zusätzlichen Fingerzeig gegeben, als sie für den Fall des zeitlichen Zusammentreffens von Erlaubnis- oder Bewilligungsanträgen eine Präferenzbestimmung getroffen haben. Danach entscheidet zunächst die Bedeutung der beabsichtigten Benutzung für das Wohl der Allgemeinheit, sodann ihre Bedeutung für die Volkswirtschaft unter besonderer Berücksichtigung der wasserwirtschaftlichen Auswirkungen; stehen mehrere beabsichtigte Benutzungen hiernach einander gleich, gebührt zunächst dem Antrag des Gewässereigentümers vor Anträgen anderer Personen, sodann demjenigen Antrag der Vorzug, der zuerst gestellt wurde. Darin liegt indes nicht mehr als eine Ermessensrichtlinie; keineswegs kann daraus entnommen werden, daß bei Vorliegen nur eines Antrages ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung bestünde. Entscheidend ist der Hinweis, daß die Wasserbehörde den Rang gegenwärtiger und künftiger Benutzungen nach Maßgabe ihrer größeren oder geringeren Sozialwertigkeit ein378
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zustufen hat. Das Ermessen reicht so weit, daß auch eine gewissermaßen gegenläufige Handhabung zulässig ist : keineswegs muß bei großen Wasserreserven großzügig und bei sich abzeichnender Verknappung sparsam gewirtschaftet werden, um für künftige Zulassungen Spielraum aufrechtzuerhalten. Wo noch erhebliche Wasserreserven vorhanden sind, können trotzdem sehr hohe Ansprüche an die Sozialwertigkeit eines Unternehmens gestellt werden ; ebenso ist eine rigorose Vorsorgepolitik zulässig. Andererseits ist es bis zur Grenze des § 6 W H G nicht zu beanstanden, daß vorhandene Entnahme- oder Belastungskapazitäten voll ausgeschöpft werden, ohne Rücksicht darauf, daß man dann möglicherweise später zu harten Widerrufs- oder Ausgleichsverfahren gezwungen sein wird, um neuen Benutzungen mit hôéhster volkswirtschaftlicher Priorität Raum zu schaffen. Ein solches echtes Bewirtschaftungsermessen mit Gegenläufigkeitstest schließt das gewohnte Anspruchsdenken aus. Dennoch sind Ermessensfehler möglich. Auch eine Ermessensschrumpfung auf Grund ständiger Zuteilungspraxis ist vorstellbar, solange die Ablehnung der Benutzung im konkreten Fall nicht einen glaubwürdigen Kurswechsel indiziert 2 . Die Vierte Novelle zum W H G vom 16. 10. 1976 (BGBl. I S. 3018) hat das Bewirtschaftungsermessen der Länder allerdings vielfältig eingeschränkt. — In weitem Umfang werden die Länder verpflichtet, zum Schutz der Gewässer oder zu ihrer Sanierung Bewirtschaftungspläne (§36b) aufzustellen. — Für das Einleiten von Abwasser dürfen keine Bewilligungen mehr erteilt werden (§ 8 Abs. 2). — Unabhängig von dem Zustand des Gewässers, in das Abwasser eingeleitet werden soll, müssen an den Benutzer alle Anforderungen zur Vorbehandlung und Klärung gestellt werden, die nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik möglich sind (§ 7a). Darüber hinaus sind nach der EG-Gewässerschutzrichtlinie vom 4. 5. 1976 - E N V 131 - (Amtsblatt der EG vom 18. 5. 1976, Nr. L 129/23) Stoffe der sog. Schwarzen Liste sogar nach Maßgabe der jeweils besten verfügbaren Verfahren zu eliminieren, also auch dann, wenn diese noch nicht allgemein anerkannt sind. — Die Länder müssen umfassende Abwasserbeseitigungspläne nach überörtlichen Gesichtspunkten aufstellen. Die Abwasserbeseitigung ist grundsätzlich bestimmten Körperschaften des öffentlichen Rechts zu übertragen, also Gemeinden, Kreisen, Zweckverbänden oder Abwasserverbänden (§ 18a). Das Abwasserabgabengesetz des Bundes vom 13.9.1976 (BGBl. I S. 2721, berichtigt S. 3007) wird darüber hinaus die Durchsetzung der Wasserwirtschaftspolitik der Länder erleichtern, weil das Einleiten von Abwasser vom 1.1. 1981 an je nach Menge und Schädlichkeit der Abwässer mit einer Abgabepflicht belastet 2
BVerwG Urt. v. 29. 1. 1965 Z f W 1965, 106; BVerwGE 36, 145; Gieseke/Wiedemann, Wasserhaushaltsgesetz unter Berücksichtigung der Landeswassergesetze, Kommentar, 2. Aufl. 1963, § 6 Anm. 2 a - e ; Salzwedel, in: I.v. Münch, Bes. VwR, S. 516; Gasund Wasserfach 1963, 621; Recht der Wasserwirtschaft, Heft 15, 35. 379
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wird. Damit soll ein wirtschaftlicher Anreiz für die Gemeinden wie für die Gewerbebetriebe geschaffen werden, die Gewässer weniger zu belasten. Außerdem werden die Wettbewerbsvorteile der Gewässerverschmutzer abgebaut. II. Eigentum und Duldungspflichten Die aus der gesetzlichen Widmung erschließbare öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit, die auf dem Gewässereigentum lastet, verpflichtet den Eigentümer zur Duldung von wasserwirtschaftlichen Benutzungen nach § 3 WHG, für die eine Erlaubnis oder Bewilligung erteilt ist oder die erlaubnisfrei gestellt sind. Das Gewässereigentum steht an Bundeswasserstraßen nach Art. 89 GG dem Bund, an Gewässern erster Ordnung nach den Landeswassergesetzen jeweils dem Land, an Gewässern zweiter und dritter Ordnung den Eigentümern der Ufergrundstücke zu. Das Grundwasser ist jeweils Bestandteil des Grundstücks. Abgesehen von BadenWürttemberg erstreckt sich das Gewässereigentum auch auf die fließende Welle, umfaßt also die jeweilige Wassersäule, die sich bei Oberflächengewässern über dem Gewässerbett, bei Grundwasser unter dem Grundstück befindet. Versteht man die Gewässer als öffendiche Sachen, an denen gewissermaßen nur Sondernutzung möglich ist, hängt die Rolle des Gewässereigentums davon ab, ob und unter welchen Voraussetzungen außer der Erlaubnis oder Bewilligung auch noch die Gestattung des Eigentümers erforderlich ist. Vorauszuschicken ist, daß selbst die Bewilligung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 WHG nicht das Recht gewährt, Gegenstände, die einem anderen gehören, oder Grundstücké und Anlagen, die im Besitz eines anderen stehen, in Gebrauch zu nehmen. Zunächst muß also der Zugang zum Gewässereigentum geklärt sein. Darauf bezieht sich die durch Widmung entstandene öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit noch nicht. Über das Betreten von Ufergrundstücken oder von anderen Grundstücken zur Aufschließung oder Gewinnung von Grundwasser müssen Benutzungsverträge frei abgeschlossen werden. Kommt eine Einigung nicht zustande, kann der Widerruf des Berechtigten durch Verleihung sogenannter Zwangsrechte nach Landeswasserrecht gebrochen werden, freilich in der Regel nur gegen Entschädigung3. Alles dies bewegt sich im rechtlichen Vorfeld der öffentlichen Sache selbst. Die Duldungspflicht des Gewässereigentümers wird erst dann relevant, wenn die Benutzung möglich ist, wenn man also auf die Gestattung des Eigentümers nicht schon deshalb angewiesen ist, weil man ein Grundstück betreten muß, das nicht zum Gewässer gehört. Das Gewässer wird gewissermaßen von außen angezapft. Hier haben die Landeswassergesetze, ohne den Weg der Sozialisierung nach Art. 15 GG zu gehen, eine rigorose Regelung getroffen, die der Entwertung des Gewässereigentums zum nudum ius recht nahe kommt. Soweit das Gewässereigentum dem Bund, den Ländern oder auch Landkreisen oder Gemeinden zusteht, 3
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begegnet dies kaum Bedenken. D i e neuen Wassergesetze haben aber auch Privatgewässer in den S o g eines Regimes einbezogen, das auf Gewässer in öffentlicher H a n d zugeschnitten war. Eine verfassungskonforme restriktive Auslegung an H a n d des Art. 14 G G erscheint dann unerläßlich. D a s gilt vor allem für manche landesrechtlichen Regelungen über die Duldungspflichten bei Seen, Teichen, Stichkanälen, Talsperren und Speicherbecken 4 . D e r Gewässereigentümer muß eine Erlaubnis oder bewilligungsgedeckte Benutz u n g grundsätzlich dulden. D a s gilt aber nur für die Benutzung „als s o l c h e " , d . h . für die Inanspruchnahme des Wassers selbst. Setzt die Benutzung einen erheblichen dauernden Eingriff in das Gewässerbett voraus, muß außer der Wasserbehörde auch der Gewässereigentümer eingeschaltet werden. F ü r die wasserwirtschaftlich erheblichen Benutzungen, die feste technische Einrichtungen voraussetzen, ist damit das dualistische System maßgebend. Soweit der Eigentümer danach den Abschluß eines vorherigen Benutzungsvertrages verlangen kann, dürfte es auch nicht unangemessen sein, das Entgelt für die Inanspruchnahme des G e w ä s serbettes nach Maßgabe der Wassermengen festzusetzen, die jeweils entnommen oder eingeleitet werden. N a c h Art. 4 A b s . 2 B a y W G ist die Befugnis des Gewässereigentümers, ein angemessenes Entgelt z u verlangen, allgemein anerkannt, also auch dann, wenn das Gewässerbett nicht berührt wird. Bei verfassungskonformer Auslegung der landesrechtlichen Duldungspflichten kann sich noch eine weitere Schranke ergeben: der Gewässereigentümer kann nicht verpflichtet werden, ein von ihm selbst hergestelltes und unterhaltenes Staubecken für eine Benutzung anderer bereitzustellen, die seine eigene unternehmerische Zweckbestimmung f ü r das Gewässer durchkreuzen würde. So kann der Eigentümer einer Trinkwassertalsperre nicht gezwungen werden, Abwassereinleitungen hinzunehmen, die die künftige Verwendung des Wassers f ü r die Bevölkerung unmöglich machen oder mit unverhältnismäßig hohen Aufbereitungskosten belasten würde.
III. Wasserrechtliches N a c h b a r r e c h t Außer dem Problem des Zugangs z u m Gewässer und der Einschaltung des Gewässereigentümers spielen noch die Schranken des sogenannten wasserrechtlichen Nachbarrechts eine Rolle. U n t e r wasserrechtlichem Nachbarrecht versteht man die Rechtsbeziehungen der Gewässerbenutzer untereinander. Vor allem geht es dabei u m Regelungen im Verhältnis zwischen Oberlieger und Unterlieger, wenn Wasserentnahme oder Abwassereinleitung stromauf die N u t z u n g stromab beeinträchtigt oder eine A u f s t a u u n g stromab umgekehrt die Gewässerbenutzung am Oberlauf unmöglich macht. D a s Wasserrecht im ganzen muß als N u t z u n g s o r d n u n g zweier Ebenen begriffen werden: öffentlich-rechtlich im Verhältnis zwischen 4
Salzwedel, ZfW 1962, 73, 80ff., anders Gieseke/Wiedemann (Fn. 2) Einl. VII, aber ohne konkret auf die kleineren Gewässer in Privateigentum einzugehen, für die die Enteignungswirkung in Betracht kommt; vgl. auch B G H Z 49, 72. 381
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Wasserbehörde und Benutzer, bürgerlich-rechtlich im Verhältnis der Benutzer untereinander. Das dem bürgerlichen Recht zuzurechnende wasserrechtliche Nachbarrc'cht ist nicht nach §§ 906 ff. B G B oder nach Nachbarrechtsgesetzen der Länder zu beurteilen. Auf Grund des Art. 65 E G B G B haben die Länder es in den Landeswassergesetzen mitgeregelt, und zwar im Sinne eines Annexes zum öffentlichrechtlichen Wasserrecht. Sedes materiae sind die Ausfüllungsvorschriften der Landeswassergesetze zu § 8 Abs. 4 W H G . An sich geht es dabei nur um die Frage, in welchem Umfang Einwendungen gegen die Erteilung einer Bewilligung erhoben werden können, wenn sich der Betroffene nicht auf ein Recht nach § 8 Abs. 3 W H G zu stützen vermag. Soweit das Landesrecht hier Einwendungen zuläßt, kommt aber eine dem öffentlichen Recht gewissermaßen vorgegebene bürgerlich-rechtliche Nutzungsordnung im Verhältnis der Gewässerbenutzer untereinander zum Vorschein. Das wasserrechtliche Nachbarrecht folgt weithin dem Satz prior tempore potior iure: wer eine neue Gewässerbenutzung aufnimmt, muß Sorge dafür tragen, daß er nicht vorhandene andere Benutzungen wesentlich beeinträchtigt. Das gilt für Veränderungen des Wasserabflusses, für Wasserverunreinigungen, für Veränderungen des Wasserstandes, für die Entnahme von Grundwasser, wenn dadurch einer vorhandenen Wassergewinnungsanlage das Wasser entzogen würde, für die Erschwerung der Gewässerunterhaltung. Auch dürfen die Nutzungen auf Anliegergrundstücken nicht wesentlich gestört werden, sei es durch Überschwemmung oder Austrocknung oder Verseuchung des Bodens mit Schadstoffen 5 . Diese versteckten Verbotsnormen des wasserrechtlichen Nachbarrechts sind Schutzgesetze i. S. des § 823 Abs. 2 B G B . Der Betroffene kann sich gegenüber dem newcomer mit Beseitigungsund Unterlassungsansprüchen, ferner mit Schadensersatzansprüchen zur Wehr setzen. Zuständig sind die ordentlichen Gerichte 6 .
IV. Erlaubnis und Bewilligung Während die einfache Erlaubnis nach § 7 W H G unbeschadet der wasserrechtlichen Nachbarrechte Dritter erteilt wird, zielt die Bewilligung darauf ab, die Investitionen des Bewilligungsinhabers auch bürgerlich-rechtlich voll abzusichern. Die Bewilligung ist ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt. Sie schließt nach § 11 W H G mit der Rechtskraft des Bescheides alle bürgerlichrechtlichen Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung, Herstellung von Schutz-
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Art. 18 Bay WG ; § 17 Beri WG; § 11 Abs. 4 Brem WG; § 18 Hamb WG; §20 Hess WG; § 11 Abs. 4 Nds WG; § 17 NWWG; § 16 RhPf WG; § 14 Saarl WG; § 13 SHWG. Salzwedel, RdWWi. 12, 62; ders., in: Kongreß und Ausstellung Wasser Berlin 1968, Vorträge, S. 133, abgedruckt nochmals RdWWi. 18, 93ff. Die Auffassung, wonach wasserrechtliche Abwehransprüche auch aus Art. 14 GG abgeleitet werden können, wird in BVerwGE 36, 248; 41, 59 bestätigt.
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§ 4 7 IV
einrichtungen oder auf Schadensersatz aus. Damit geht die Ausschlußwirkung erheblich weiter als die nach § 26 G e w O , neuerdings § 14 BImSchG, wonach Ansprüche auf Schutzvorkehrungen und Schadensersatz fortbestehen. § 11 Abs. 2 W H G läßt nur vertragliche Ansprüche unberührt, § 10 Abs. 2 W H G macht einen Vorbehalt für nicht voraussehbare nachteilige Wirkungen auf die Nachbarn. Die privatrechtsgestaltende Wirkung der Bewilligung wird in den meisten Landeswassergesetzen noch erweitert. Es werden nicht nur Ansprüche der Nachbarn ausgeschlossen, sondern solche des Bewilligungsinhabers begründet. In dem Umfang des im Bewilligungsbescheid verbrieften Rechts kann der Unternehmer Störungen seines Betriebs durch wasserwirtschaftliche Eingriffe mit den dem Eigentümer zustehenden Rechten, vor allem also mit § 1004 B G B , abwehren 7 . In Berlin und Bayern gibt es eine qualifizierte Erlaubnis, die der privatrechtsgestaltenden Wirkung der Bewilligung nachgebildet ist. Im übrigen bestehen hinsichtlich der Rechtsstellung des Erlaubnisinhabers noch erhebliche Unklarheiten. Manche Landeswassergesetze lassen im Erlaubnisverfahren Einwendungen nach § 8 Abs. 3 W H G zu, andere nicht. Dementsprechend ist das Verwaltungsverfahren unterschiedlich ausgestaltet, bald nahezu so förmlich wie das Bewilligungsverfahren, bald formlos. Die Subsidiarität der VerwaltungsVerfahrensgesetze schließt es aus, die Rechtslage zu vereinheitlichen oder das Erlaubnisverfahren stärker zu formalisieren, als das jeweilige Landeswassergesetz es vorsieht. Es wird überwiegend angenommen, daß auch dort, wo Einwendungen nach § 8 Abs. 3 W H G zugelassen sind, dem Erlaubnisbescheid noch keine Präklusions- und Ausschlußwirkungen (§ 11 W H G ) zukommen. Das bedeutet: alle bürgerlich-rechtlichen Abwehransprüche aus wasserrechtlichem Nachbarrecht bleiben von der Bestandskraft des Erlaubnisbescheides unberührt. Die Betroffenen können also gegen die zugelassene Gewässerbenutzung vor dem ordentlichen Gericht weiterhin vorgehen. Daraus folgt, daß die verwaltungsgerichtliche Klage gegen den Erlaubnisbescheid unzulässig sein muß: der Betroffene kann nicht nach § 4 2 Abs. 2 V w G O behaupten, durch den Erlaubnisbescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. Ohne die Konsequenzen eines doppelten Rechtsweges zu bedenken, hält die Praxis die verwaltungsgerichtliche Klage aber dennoch für zulässig. Wo Einwendungen nach § 8 Abs. 3 W H G landesrechtlich vorgesehen sind, soll diese Regelung die Anfechtung des Erlaubnisbescheides durch Dritte rechtfertigen. In den anderen Ländern wird ein dogmatisch recht ungesicherter Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung der Wasserbehörde bei der Entscheidung über Auflagen zu Gunsten Dritter (§ 4 Abs. 1 Satz 2 W H G ) konstruiert 8 .
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§ 16 Abs. 1 NWWG; „Auf die Ansprüche aus dem bewilligten Recht sind die für die Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden." Vgl. Salzwedel, RdWWi. 12, 62. OVG Münster, ZfW 1975, 177 mit Anm. v. Wiedemann; Salzwedel, Der Rechtsweg im Wasserrecht, RdWWi. 12 (1962), 74 sowie 21 (1978); Gieseke/Wiedemann (Fn. 2) § 7 Anm. 3 a ff. 383
§ 4 7
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V. Rücknahme und Widerruf Die gesetzestechnische Verwendung der öffentlichen Sache zu Bewirtschaftungszwecken bestimmt nicht nur die Erteilung von Bewilligung oder Erlaubnis, sondern auch die Bestandskraft subjektiv-öffentlicher Benutzungsrechte. Die allgemeinen Grundsätze über Rücknahme und Widerruf (§§ 48, 49 VwVfG) können auch auf die Erlaubnis und die Bewilligung angewendet werden82. 1. Die Erlaubnis kann aus Gründen des öffentlichen Wohls widerrufen werden. Als wichtigsten Widerrufsgrund heben die Landeswassergesetze denjenigen hervor, daß sich später eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit herausstellt, die nicht durch nachträgliche Anordnungen verhütet oder ausgeglichen werden kann. Ein Widerruf kann aber auch darauf gestützt werden, daß sich die Wasserwirtschaftspolitik des Landes geändert hat und daß im Interesse einer besseren Vorsorge und der Wiedergewinnung verfügbarer Reserven die Zuteilung verkürzt oder ganz zurückgenommen werden muß. Erst recht können rechtswidrige Erlaubnisse zurückgenommen werden, vor allem dann, wenn die Erteilung mit dem Mindestbestandsschutz des § 6 W H G unvereinbar war. In allen Fällen hängt die Zulässigkeit des nachträglichen Eingriffs jedoch von einer Güterabwägung zwischen den öffentlichen Interessen ab, die für Widerruf oder Rücknahme sprechen, und den berechtigten Interessen des Erlaubnisinhabers, die Benutzung in dem bisherigen Umfang fortzuführen. Die Widerruflichkeit der Rechtsposition darf nicht als Schutzlosigkeit mißdeutet werden. Die Wasserbehörde muß gegen sich gelten lassen, daß sie die Benutzung zunächst in Kenntnis der Investitionen und sonstigen Aufwendungen zugelassen hat, die damit jeweils verbunden waren. Je höher der volkswirtschaftliche Wert zu veranschlagen ist, den eine bestimmte benutzungsabhängige Betriebsanlage verkörpert, um so schwerer müssen die Gründe wiegen, die für den Abbau der öffentlich-rechtlichen Rechtsposition streiten. Seit der bedeutenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Enteignung von Technischen Überwachungsvereinen durch Ausspruch eines an sich vorbehaltenen Widerrufs der Genehmigung kann die Möglichkeit nicht mehr ausgeschlossen werden, daß im Schatten einer Erlaubnis ein nach Art. 14 G G geschützter eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb entsteht9. 2. Die Bewilligung gewährt eine unentziehbare Rechtsposition auf Zeit, sowohl auf der öffentlich-rechtlichen Nutzungsebene im Verhältnis zur Wasserbehörde als auch auf der bürgerlich-rechtlichen Nutzungsebene im Verhältnis zu den wasserrechtlichen Nachbarn. Sie kann nach § 12 W H G nur bei erheblicher Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere der öffentlichen Wasserversorgung, widerrufen werden, und dann nur gegen Entschädigung. Dennoch ist der Bestandsschutz der Bewilligung nicht so groß, wie es zunächst den Anschein hat.
S . o. § 17 III, § 18. « B G H Z 25, 266. 8a
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§47 V
Wie die Erlaubnis steht sie unter dem Vorbehalt, daß nach § 5 W H G nachträglich zusätzliche Anforderungen an die Beschaffenheit einzubringender oder einzuleitender Stoffe gestellt oder Maßnahmen für eine mit Rücksicht auf den Wasserhaushalt gebotene sparsame Verwendung des Wassers angeordnet werden können. Gegenüber Auflagen zur Entgiftung, Vorbehandlung, Klärung von Abwasser kann nicht einmal eingewandt werden, daß sie wirtschaftlich unvertretbare Belastungen mit sich bringen. Ferner gibt auch die Bewilligung kein Recht auf Zufluß von Wasser bestimmter Menge und Beschaffenheit. § 2 Abs. 2 W H G verweist hier auf das wasserrechtliche Nachbarrecht, das jeweils den Landeswassergesetzen zu entnehmen ist. Soweit dem Bewilligungsinhaber danach eine eigentümergleiche Stellung gegenüber den wasserrechtlichen Nachbarn eingeräumt wird, kann er sein Recht in dem Umfang behaupten, in dem es im Bewilligungsbescheid umschrieben ist. Anderenfalls kommt es nicht auf das verbriefte Recht, sondern auf die vom Betrieb wirklich beanspruchten Entnahme- oder Einleitungskapazitäten an 1 0 . Abgesehen vom Widerruf von Erlaubnissen und Bewilligungen im Einzelfall ist auch ein umfassendes Ausgleichsverfahren vorgesehen, das zur Verwirklichung einer neuen wasserwirtschaftlichen Konzeption und eines allgemeinen Revirements der bisherigen Benutzungen geeignet ist (§ 18 W H G ) . Die größte Schwäche der Bewilligung besteht darin, daß sie mit Ablauf der Zeit, für die sie erteilt ist, ipso iure erlischt. Insofern steht sich der Inhaber einer Erlaubnis, die nicht nach § 7 Abs. 1 W H G befristet wurde, besser: solange die Wasserbehörde nicht widerruft, erfreut er sich einer zeitlich unbeschränkten Rechtsposition, und macht sie von ihrem Eingriffsermessen Gebrauch, können Widerspruch und Anfechtungsklage noch Erfolg haben; zumindest haben sie in der Regel aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 V w G O . Immerhin wird die Wasserbehörde einen Antrag auf Neuerteilung zumindest einer Erlaubnis für die bisherige Benutzung nicht so leicht ablehnen können, wie das vor Errichtung der kostspieligen Betriebsanlagen möglich gewesen wäre: die Güterabwägung kann unter Umständen jede andere Entscheidung, außer der zugunsten des Unternehmers, ausschließen. 3. Die wichtigsten wasserwirtschaftlich relevanten Benutzungen sind mit einer bestimmten Anlage oder einem bestimmten Grundstück technisch verbunden. Daher sind Bewilligung und Erlaubnis dingliche Verwaltungsakte: sie gehen mit der Wasserbenutzungsanlage oder, wenn sie für ein Grundstück erteilt sind, mit diesem auf den Rechtsnachfolger über 1 1 . Trotz der engen technischen und rechtlichen Abhängigkeit sind das atomrechtliche oder immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren auf der einen Seite, das Erlaubnis- oder Bewilligungsverfahren auf der anderen Seite streng voneinander zu trennen. D a s Genehmigungsverfahren ersetzt eine Baugenehmigung, nicht aber die wasserrechtliche
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Salzwedel, RdWWi. 12, 62ff. § 7 Abs. 2 WHG für die Erlaubnis, § 8 Abs. 6 WHG für die Bewilligung. 385
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Erlaubnis oder Bewilligung; nicht einmal die Zuständigkeit zur Erteilung ist allgemein von der Wasserbehörde auf die Genehmigungsbehörde übertragen. Hinter der äußerlichen Trennung verbergen sich grundlegende dogmatische Unterschiede. Im Immissionsschutzrecht besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung der Genehmigung unter bestimmten Bedingungen und Auflagen 12 , die Wasserbehörde entscheidet nach Ermessen. Im atomrechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Verfahren hat man einen Vorbescheid und eine Teilgenehmigung entwickelt, um das Investitionsrisiko des Unternehmens schichtweise abzubauen 13 . Für das gleiche Vorhaben gewährt das Wasserrecht allenfalls eine Zulassung vorzeitigen Beginns des Betriebes, womit die Wasserbehörde das Investitionsrisiko bis zur endgültigen Entscheidung über Bewilligung oder Erlaubnis beim Unternehmer beläßt 14 . Nachträgliche Auflagen sind dort nur bis an die Grenze des wirtschaftlich Vertretbaren zulässig 15 , nach § 5 W H G brauchen entsprechende Einwendungen überhaupt nicht berücksichtigt zu werden.
VI. Polizeiliche Befugnisse Die Wasserbehörde wacht darüber, daß die Gewässer nur nach Maßgabe ihrer wasserwirtschaftlichen Zweckbestimmung genutzt werden. Sie hat dabei die Stellung einer Ordnungs- oder Polizeibehörde. Abgesehen von der Möglichkeit, Anträge auf Erlaubnis oder Bewilligung abzulehnen, kann sie das öffentlich-rechtliche Wasserrecht repressiv durch Gebote und Verbote im Einzelfall vollziehen. Sie schreitet gegen unerlaubte Benutzungen ein, ferner dann, wenn Auflagen nicht erfüllt werden. Hat ein Dritter ein Hindernis für den Wasserabfluß verursacht, kann ihm durch gewässerpolizeiliche Verfügung die Beseitigung aufgegeben werden. Ferner ist es Sache der Wasserbehörde, die Erfüllung der Ausbau- und Unterhaltungspflicht zu gewährleisten 16 .
VII. Verkehrsgebrauch und wasserwirtschaftliche Benutzung Schwierigkeiten bereitet die doppelte Widmung der schiffbaren Gewässer zu verkehrlichen und wasserwirtschaftlichen Zwecken. Bei Bundeswasserstraßen ist stets zu prüfen, ob eine Maßnahme nach dem Bundeswasserstraßengesetz zu beurteilen 12
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Für das Gewerberecht BVerwGE 9, 9; f ü r das BImSchG § 6: „Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn . . . " BVerwGE 24, 23ff.; BVerwG Urt. v. 16. 3. 1972 DVB1. 1972, 678ff.; vgl. heute § 7a, § 7b Abs. 2 A t o m G und § 8 BImSchG; zur gesamten Problematik Salzwedel, Z f W 1973, 131 f. §9a WHG. § 17 Abs. 2 BImSchG. Salzwedel, RdWWi. 13, 35ff.
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§ 47 VII
ist, weil sie mit der Schiffahrt zusammenhängt, oder nach dem WHG in Zusammenhang mit dem jeweiligen Landeswassergesetz, weil sie wasserwirtschaftlichen Zwecken dient. Beim Ausbau einer Bundeswasserstraße kommt es darauf an, ob der entscheidende Anstoß von der Wasserstraßenverwaltung ausgegangen ist, weil man die Schiffbarkeit verbessern will, oder vom Land, weil Hochwasserschutz, Verbesserung der Wassergüte oder Erholungszwecke im Vordergrund stehen 17 . Auch für die Unterhaltungspflicht ergeben sich Gemengelagen, weil sowohl die Schiffahrt als auch die Wasserwirtschaft von einer geordneten Vorflut und möglichst gleichbleibenden Wasserstandsverhältnissen abhängig sind. Berührt eine Anlage an einer Bundeswasserstraße beide Zweckbestimmungen des Gewässers, ist neben der strompolizeilichen Genehmigung u. U. eine Erlaubnis oder eine wasserwirtschaftliche Anlagengenehmigung nach den Landeswassergesetzen erforderlich. Die doppelte Widmung bringt auch Haftungsprobleme mit sich. Dem Nebeneinander von wasserwegerechtlicher und wasserwirtschaftlicher Ausbau- und Unterhaltungspflicht entsprechen Unterschiede in der Haftung der betreffenden Körperschaft gegenüber Dritten, die von Schäden betroffen sind. Die Ansprüche, die geschädigte Teilnehmer an Schiffahrt oder wasserwegerechtlichem Gemeingebrauch geltend machen können, sind ebenso zu behandeln wie Ansprüche der Verkehrsteilnehmer im Straßenrecht 18 . Für das Recht der Wasserwirtschaft ergeben sich erhebliche Abweichungen. Im Vordergrund steht die Haftung für Hochwasserschäden 19 . Regelmäßig werden die Wasserverbände oder andere ausbau- bzw. unterhaltungspflichtige Körperschaften des öffentlichen Rechts in Anspruch genommen, wenn infolge unzureichender Baumaßnahmen oder fehlerhafter Bedienung von Rückhaltebecken größere Sachschäden auftreten. Während der V. Senat des BGH eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB befürwortet 20 , geht der III. Senat 21 von der Amtshaftung aus, und zwar mit der Begründung, daß die Verpflichtung zum Hochwasserschutz „ihre Grundlage im öffentlichen Recht" habe und daß „der Ausbau von Wasserläufen und die Schaffung von Rückhaltebecken in den Bereich der der öffentlichen Hand obliegenden Daseinsvorsorge" fielen. Hier wird eine Differenzierung unerläßlich sein. Die Körperschaft haftet für rechtswidriges Unterlassen nach § 823 Abs. 1 BGB, das darin besteht, daß sie einer gesetzlichen oder satzungsmäßigen Verpflichtung zu Unterhaltung und Ausbau nicht nachkommen; sie hat dann das „normale" Hochwasserrisiko belassen, wo sie es verringern sollte, oder hat untätig zugesehen, wie es sich durch Versandung, Verkrautung, Zuschüttung oder ähnliche Einwirkungen der Natur oder Dritter noch vergrößerte. Die Körperschaft 17
Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, Kommentar, 1971, § 12 Anm. 3; Gieseke/Wiedemann (Fn. 2) § 31 Anm. 2 f—h.
18
Dazu oben § 46 S. 335 Fußnoten 3 2 - 3 5 .
19
Vgl. Salzwedel, ZfW 1971, Iff.
20
BGH Urt. v. 17. 5. 1961, LM 1962 § 823, Nr. 11; 27. 1. 1967, LM 1967, § 823 Nr. 12. BGH Urt. v. 1 . 6 . 1970, ZfW 1971, 45.
21
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haftet für rechtswidriges Tun nach § 839 BGB, Art. 34 GG, sei es, daß sie den Schaden unmittelbar bei der Vornahme von Ausbau- oder Unterhaltungsarbeiten verursacht, sei es, daß sie selbst durch unsachgemäße Ausbau- oder Unterhaltungsarbeiten das „normale" Hochwasserrisiko für die Unterlieger noch erhöhte. Besondere Vorsicht ist bei der Annahme von Ausbauverpflichtungen aus Anlaß irgendwelcher bedauerlicher Schadensfälle geboten. Die Wasserverbände sind verpflichtet, nach Maßgabe der Bereitschaft und Leistungsfähigkeit ihrer Mitglieder Schritt für Schritt auf eine gewisse Verringerung der natürlichen Hochwasserrisiken hinzuarbeiten. Das macht sie nicht zu Gewährsträgern für Schadensausgleich bei Naturkatastrophen. Ausbau- und Unterhaltungspflicht begründen keine Verantwortlichkeit für einen bestimmten Gewässerzustand. Wer durch Vergiftung oder sonstige Verunreinigung von Gewässern geschädigt ist, kann sich nur an den Verursacher halten. Dafür greift die Gefährdungshaftung nach § 22 Abs. 1 u. 2 WHG ein. Bei einer Gemeinde, die ungeklärte Abwässer in ein Gewässer einleitet, konkurriert diese Haftung mit der Amtshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG 22 . Führt die Verletzung der Unterhaltungspflicht zu einem Eingriff in das Eigentum Dritter, so steht dem Betroffenen ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch zu 23 .
§48 öffentliche Sachen im Anstaltsgebrauch Nutzbare Anstalten, die der Daseinsvorsorge dienen, können ihren Auftrag gegenüber dem Bürger nur dadurch erfüllen, daß sie eine Fülle von unbeweglichen und beweglichen Sachen für die jeweilige Benutzung bereithalten und darbieten. Vor allem spielen hier die öffendichen Einrichtungen des Kommunalrechts eine wichtige Rolle. Im Bereich des Bildungswesens umfaßt das Angebot der Gemeinden Schulen und Kindergärten, Theater, Museen und Bibliotheken, Volkshochschulen und Verwaltungsakademien. Im Bereich des Gesundheitswesens sind Kanalisation und Müllabfuhr, Schlachthöfe, Krankenhäuser, Beratungsstellen und Friedhöfe zu nennen. Das kommunale Erholungswesen umfaßt Botanische und Zoologische Gärten, Sportanlagen, Schwimmbäder und Freizeitprogramme aller Art. Auch die Versorgung mit Wasser, Strom, Gas und Fernwärme kann dazu gerechnet werden. Nicht zuletzt sind die städtischen Verkehrsbetriebe einzubeziehen. Alle diese nutzbaren öffentlichen Einrichtungen der Gemeinden und Landkreise stehen unter der Grundnorm, daß jeder Einwohner ein subjektiv-öffentliches Recht darauf hat, zur Benutzung zugelassen zu werden 1 . 22
Gieseke/Wiedemann (Fn. 2) § 22 Anm. 9.
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BVerwGE 44, 235.
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Ebenso Wolff/Bachof, VwR I, § 5 5 II; „Sachen im Verwaltungsgebrauch (Verwaltungsvermögen i. e. S.) sind diejenigen Sachen, welche der öffentlichen Verwaltung unmittel-
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I
Aus der gesetzlichen Zulassungspflicht ergibt sich eine gewisse öffentlich-rechtliche Verstrickung des Unternehmens. Im Falle der Unternehmensübertragung bleibt die Gemeinde verpflichtet, den Einwohnern die Möglichkeit der Benutzung weiterhin zu verschaffen, und die Einwohner sind weiterhin berechtigt, sich von der Gemeinde Zugang zum Unternehmen verschaffen zu lassen 2 .
I. Verhältnis des Anstalts- zum Sachenrecht öffentliches Anstalts- und öffentliches Sachenrecht befinden sich hier offensichtlich in einer Gemengelage. Die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung des Unternehmens überlagert in gewisser Weise die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung der dazugehörigen unbeweglichen oder beweglichen Sachen. Die öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit, die nach Kommunalrecht auf dem gesamten Unternehmen lastet, überlagert die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung, die den Eigentümer der dazugehörigen Sachen in der Verfügung nach bürgerlichem Recht beschränkt. Widmung oder Entwidmung auf der kommunalrechtlichen Ebene haben Rückwirkung auf den öffentlich-rechtlichen Status der dazugehörigen Sachen und umgekehrt. Allerdings muß man sich vor voreiligen Verallgemeinerungen hüten. Im Anstaltsrecht sind zunächst drei Fragen voneinander zu unterscheiden: ob die gemeindliche Einrichtung von der allgemeinen Gemeindeverwaltung oder durch administrative verselbständigte Verwaltungsträger — wie ζ. B . nicht rechtsfähige Anstalten oder Eigenbetriebe — oder durch Verwaltungsträger mit eigener Rechtspersönlichkeit betrieben wird, ob letzterenfalls eine juristische Person des öffentlichen (Sparkassen) oder des privaten Rechts ( A G , G m b H ) vorliegt und ob das konkrete Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen Gemeinde und Benutzer dem öffentlichen oder dem privaten Recht angehört. Regiebetriebe, nicht rechtsfähige Anstalten und Eigenbetriebe können den dazugehörigen unbeweglichen oder beweglichen Sachen den Status öffentlicher Sachen verleihen, ebenso auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, keinesfalls aber solche des Privatrechts. In Ausnahmefällen mag für sogenannte beliehene Unternehmer des Privatrechts partiell öffentliches Sachenrecht anwendbar sein. Obwohl der Anspruch der Einwohner auf Benutzung nicht davon berührt wird, daß die Gemeinde das Unternehmen in
2
bar durch ihre Gebrauchsmöglichkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben dienen und von den Organwaltern öffendicher Verwaltung selbst benutzt werden (interne Nutzung)." Nicht hierher gehört ein möglicher Anspruch des Bürgers auf Zugang zu Behörden. Er kann nur auf mündlichen oder schriftlichen Kontakt mit den zuständigen Sachbearbeitern, nicht auf Zulassung im eigentlichen Sinne oder gar auf unmittelbare Benutzung von sächlichen Verwaltungsmitteln gerichtet sein. Ebenso fließt die behördliche Abwehr von Störern auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Hausrechts oder betrieblicher Ordnungsgewalt nicht aus dem öffentlich-rechtlichen Sachenrecht; sie ist von einer speziellen Widmung der Räumlichkeiten unabhängig (anders offenbar Wolff/Bachof, VwR II, § 99 I.). Vgl. dazu OVG Berlin DVB1. 75, 732; OVG Münster DVB1. 75, 587ff. 389
§ 4 8 II
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die Rechtsform einer AG oder GmbH bringt oder sogar an Dritte veräußert, bleibt jedenfalls das öffentliche Sachenrecht hinsichtlich der dazugehörigen Gegenstände u. U . nicht mehr anwendbar: das Unternehmen bleibt nach Kommunalrecht verstrickt, über die einzelnen dazugehörigen Gegenstände kann frei nach bürgerlichem Recht verfügt werden, ohne daß daran Duldungspflichten des Eigentümers fortbeständen. Dagegen dürfte die Wahl zwischen öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Benutzungsordnung im Verhältnis zwischen öffentlicher Einrichtung und Benutzer keinen Einfluß darauf haben, ob die einzelnen dem Unternehmen gehörigen Gegenstände den Status einer öffendichen Sache besitzen oder nicht. Die Erwägungen, die bei der Wahl des Status des Benutzers anzustellen sind, haben nichts mit denjenigen zu tun, nach denen der Status der einzelnen Gegenstände im Verhältnis zu deren Eigentümer zu bestimmen sind.
II. Umfang der sachenrechtlichen Widmung von Anstaltsgegenständen Mit der Feststellung, daß die öffentliche Einrichtung von einem öffentlich-rechtlichen Unternehmensträger — Gemeinde oder rechtsfähige Anstalt — verwaltet wird, ist noch nicht gesagt, daß dazu überhaupt öffentliche Sachen gehören, erst recht nicht, daß alle dem Betriebsbereich zuzurechnenden Gegenstände einen solchen Status aufweisen müssen. Im Interesse des gesetzlichen Anspruchs des Einwohners auf Zulassung zur Benutzung dürfte es zwar in jedem Fall liegen, die öffentlich-rechtliche Verstrickung der einzelnen Gegenstände zu verdichten, ohne die eine Benutzung kaum möglich wäre. Bei manchen Unternehmen mit öffentlichrechtlicher Rechtsform wie den Sparkassen ist man eine so weitgehende Annäherung an die rechtliche Ordnung und Dispositionsfreiheit der privaten Wirtschaft bemüht, daß man bürokratische Bindungen durch öffentliches Sachenrecht unter allen Umständen vermeiden möchte. Für Museen dürfte es selbstverständlich sein, daß der feste Bestand an regelmäßig und wiederkehrend ausgestellten Kunstwerken einen öffentlich-rechtlichen Status besitzt. O b aber alle magazinierten Kunstwerke den gleichen Bindungen unterliegen sollen, kann zweifelhaft sein. Die zum Fuhrpark kommunaler Personenbeförderungsunternehmen gehörenden Fahrzeuge werden öffendich-rechtlich verstrickt sein, aber nicht vor der Indienststellung. Ersatzteillager können eher bindungsfrei gehalten werden, vor allem dann, wenn die Gegenstände auch unter Eigentumsvorbehalt erworben werden. In der Regel werden die unternehmenszugehörigen Gegenstände dem Anstaltsträger gehören. Die Eigentumsbindung durch öffentliches Sachenrecht spielt dann nur eine Rolle, wenn sich später Mängel des Erwerbsgeschäfts herausstellen. Teilweise werden aber auch Grundstücke, Gebäude oder Fahrzeuge gemietet für Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser oder Freizeitveranstaltungen. Der Eigentümer wird sich dann oft nicht einmal dessen bewußt sein, daß für die Dauer der hoheitlichen Zweckbestimmung eine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit auf seiner Sache lastet. 390
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III
In der Regel wird er auch einen bürgerlich-rechtlichen Anspruch darauf haben, daß die unternehmenszugehörige Sache entwidmet wird, wenn sich der Mietvertrag als fehlerhaft herausstellt oder wirksam gekündigt wird. Eine Herausgabeklage vor dem ordentlichen Gericht wäre aber unzulässig, solange nicht nachgewiesen oder den Umständen nach anzunehmen ist, daß der öffentlich-rechtliche Status der Sache nicht geltend gemacht wird, weil das Funktionieren der öffentlichen Einrichtung davon nicht existentiell abhängig ist. Allgemeingültige Aussagen über das Verhältnis der kommunalrechtlichen Widmung oder Entwidmung des Unternehmens zur sachenrechtlichen Widmung oder Entwidmung der dazugehörigen Gegenstände lassen sich nicht machen. Es spricht aber eine Vermutung dafür, daß bei öffentlich-rechtlicher Verstrickung eines Unternehmens der Daseinsvorsorge im ganzen jedenfalls diejenigen beweglichen oder unbeweglichen Sachen gewidmet sind, die unmittelbar zum Betrieb gehören und seine Funktionsfähigkeit bedingen. Umgekehrt kann man davon ausgehen, daß eine förmliche Entwidmung der öffentlichen Einrichtung, die den Untergang der bisherigen Ansprüche auf Zulassung der Einwohner zur Folge hat, auch mit einer sachenrechtlichen Entwidmung der einzelnen dazugehörigen Gegenstände gekoppelt sein wird. Eine Umwidmung für andere Unternehmens- oder Verwaltungszwecke würde im übrigen, sofern die Gemeinde nicht selbst Eigentümer ist, von der Zustimmung der nach bürgerlichem Recht Berechtigten abhängig sein.
III. Schutz vor Zweckentfremdung und Mindestanforderungen an Publizität In der Frage, welche Form für Widmung und Entwidmung unternehmenszugehöriger Gegenstände beachtet werden muß, sind Mindesterfordernisse an Publizität zu beachten. Im Hinblick auf die weitreichenden Rechtsfolgen, die die öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit gegenüber dem Eigentümer zeitigt, müssen klare rechtliche Verhältnisse geschaffen werden, ob eine öffentlich-rechtliche Einzelverstrickung nun einsetzt oder nicht. Die Widmung fremder Gegenstände setzt einen zweiseitigen Verwaltungsakt voraus. Ist die Zustimmung des Eigentümers nicht erfolgt oder nicht wirksam, kann eine öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit nicht entstehen, und die Verfügungsbefugnis des Eigentümers bleibt unbeschränkt. Aber auch bei der Widmung gemeindeeigener Gegenstände spielen Publizitätserfordernisse eine wichtige Rolle. Mit der Anwendung öffentlichen Sachenrechts ist der Gutglaubensschutz zu Lasten künftiger Erwerber ausgeschlossen. Die verwaltungsinterne Widmung setzt zwar keinen Verwaltungsakt voraus, aber einen objektiv nachweisbaren Willensakt des Unternehmensträgers, daß eine öffentlich-rechtliche Verstrickung einsetzen soll. Im hoheitlichen Bereich genügt dafür im allgemeinen die Inventarisierung. Die Fortdauer der Widmung ist aber davon abhängig, daß die Eingliederung des Gegenstandes in den Betriebszusammenhang in geeigneter Weise nach außen verdeutlicht worden ist. Nur unter dieser 391
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Voraussetzung ist der Ausschluß des Gutglaubensschutzes vertretbar. Wer Gegenstände erwirbt, die funktional einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung zugeordnet sind, muß immer damit rechnen, daß eine hoheitliche Zweckbestimmung besteht und ihm gegenüber fortwirkt. Sind Gegenstände abhanden gekommen, ist die Durchsetzung der öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit ganz unbedenklich, weil dann selbst nach bürgerlichem Recht kein Gutglaubensschutz in Betracht käme. IV. Notwendige Widmung Ob der Anstaltsträger in der Entscheidung darüber völlig frei ist, trotz Fortdauer der öffendich-rechtlichen Verstrickung des Unternehmens nach außen mehr und mehr Gegenstände zu entwidmen, ohne die die Benutzung für die Einwohner letztlich nicht aufrechterhalten werden kann, erscheint zweifelhaft. In gewissem Umfang könnte für den Anstaltsträger eine Art Einrichtungsgarantie bestehen, die ihn verpflichtete, im Kernbereich der Daseinvorsorge den öffentlich-rechtlichen Status der betriebnotwendigen unbeweglichen oder beweglichen Sachen aufrechtzuerhalten. Eine solche Einrichtungsgarantie würde aber unter keinen Umständen Außenwirkung haben. Darüber hinausgehende Entwidmungen im Einzelfall würden gültig sein. Weder dem Eigentümer noch einem künftigen Erwerber könnte entgegengehalten werden, daß man auf seine Sache aus zwingenden Gründen des öffentlichen Wohls weiterhin angewiesen sei.
§49 öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch In den bisher behandelten Gruppen von öffentlichen Sachen war die Zweckbestimmung stets darauf gerichtet, den Gegenstand für eine Benutzung durch den Bürger bereitzuhalten. Während bei öffentlichen Sachen im Gemeingebrauch ein gewissermaßen dinglicher Anspruch unmittelbar auf Benutzung der Sache selbst besteht, beruht der Zugang der Benutzung bei öffentlichen Sachen im Sondergebrauch oder Anstaltsgebrauch erst auf besonderer Zulassung. Ein Anspruch kann hier immer nur obligatorischer Natur sein, auf Zulassung zur Benutzung gerichtet; bei öffentlichen Sachen im Sondergebrauch gehört er dem Sachenrecht an, bei öffentlichen Sachen im Anstaltsgebrauch dem kommunalen Anstaltsrecht. Von diesen Gruppen heben sich nun die öffentlichen Sachen im Verwaltungsgebrauch dadurch ab, daß sie zwar unmittelbar hoheitlichen Zwecken und damit auch dem Bürger dienen, aber eben nicht in der Weise, daß sie ihm zugänglich gemacht werden müssen. öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch sind Verwaltungsgebäude und bewegliche sächliche Verwaltungsmittel aller Art, die technischen Ausrüstungen der Bundeswehr, die Vollzugsmittel der Polizei und Grenzschutzanlagen. Selbst392
Anstaltsnutzung und Nutzung öffentl. Sachen
§49
redend verfügen auch die Verwaltungsträger, die öffentliche Sachen im Gemein-, Sonder- oder Anstaltsgebrauch verwalten, in großem U m f a n g über öffentliche Sachen, die nur von der Bürokratie benutzt werden. Von den sächlichen Mitteln, die den Straßenbehörden zur Verfügung stehen, sind nur die Verkehrsflächen der Straßen dem Gemeingebrauch zugänglich. Technische Einrichtungen der Wasserwirtschaftsverwaltung sind nicht dazu da, mittels Erlaubnis oder Bewilligung der Benutzung durch private Interessenten erschlossen zu werden. N u r ein Teil der Gegenstände, die in den Betrieb einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung der G e meinde eingegliedert sind, k o m m t mit dem Benutzer unmittelbar in Berührung. ö f f e n t l i c h e Sachen im Verwaltungsgebrauch werden fast stets zu Eigentum erworben. Die Bedeutung des öffentlichen Sachenrechts ist dafür praktisch gering; nur wenn sich Erwerbsvorgänge als fehlerhaft erweisen, kann die öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit herangezogen werden, um eine Unterbrechung oder Störung der Verwaltungsarbeit zu verhindern. In aller Regel erfolgt eine Widmung durch Inventarisierung. D i e Fortdauer der Widmung hängt auch hier davon ab, daß die unmittelbare Eingliederung des Gegenstandes in den administrativen Funktionszusammenhang nach außen deutlich sichtbar gemacht worden ist. Anderenfalls ist Mindesterfordernissen der Publizität nicht genügt. Der Schutz möglicher dritter Eigentümer oder künftiger Erwerber muß auch hier sichergestellt sein. In den letzten Jahren ist immer wieder die Frage erörtert worden, nach welchen Rechtsgrundlagen sich die Beziehungen zwischen der öffentlichen Verwaltung und ihren Besuchern regeln. D i e Frage taucht immer auf, wenn Personen aus öffentlichen Verwaltungsgebäuden hinausgewiesen oder zwangsweise entfernt werden. Mit dem Status der öffentlichen Sachen hat dies an sich nichts z u tun. E s geht u m das Hausrecht, das dem Verwaltungsträger auch zusteht, wenn G e b ä u d e u n d Grundstück nicht förmlich gewidmet sind. Bald hat man darin einen öffentlich-rechtlichen Vorgang gesehen, der von den Verwaltungsgerichten überprüft werden müßte. Bald stellte man die schlichte H a n d h a b u n g des Hausrechts in den Vordergrund, über die wie bei jedem anderen Eigentümer die ordentlichen Gerichte zu entscheiden hätten 1 . N a c h und nach hat sich eine differenzierte Behandlung von zwei Fallgruppen durchgesetzt. Begehrt jemand Zugang zu einer Verwaltungsstelle, u m dort seine eigenen verwaltungsrechtlichen Interessen und Angelegenheiten zu verfolgen, muß der Vorgang im ganzen öffentlich-rechtlich gedeutet werden. D i e Verweigerung von Zugang und Zutritt ist dann ein belastender Verwaltungsakt, durch den die Verfolgung des Begehrens behindert w i r d 2 . Handelt es sich dagegen u m Besucher, die lediglich zur Abwicklung v o n privatrechtlichen Geschäften, ohne B e z u g auf ihre eigene verwaltungsrechtliche Rechtsstellung, zur A u s ü b u n g ihres Berufes oder Gewerbes Zugang zu einer Verwaltungsstelle begehren, u m 1
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Vgl. zum Ganzen Wolff/Bachof, VwR II, § 99 II b; ausführlich Knoke, AöR 94 (1969), 388 ff. ; neue Rspr. zum öffentlich-rechtlichen Hausrecht. Vgl. z . B . Bez. VerwG. d. amerik. Sektors v. Berlin DVB1. 1950, 245; OVG Berlin DVBI. 1962, 763; O V G Hamburg MDR 1957, 188; OVG Münster DVB1. 1963 , 450. 393
§49
Jürgen Salzwedel
Hausierer oder Unterkunft Suchende, weist der Vorgang keinerlei Besonderheiten gegenüber entsprechenden Vorgängen im privaten Bereich auf 3 . Für die Handhabung des Hausrechts besteht ein weitgespannter Handlungsspielraum. Die ordentlichen Gerichte sind zuständig, werden aber, solange der Gleichheitssatz gewahrt bleibt, selten intervenieren können. An dieser Differenzierung sollte festgehalten werden, obwohl die Zuordnung der Fälle im Alltag Schwierigkeiten bereitet. Gegenüber notorischen Querulanten und hartnäckigen Besuchern, die sich von der Unzuständigkeit der belagerten Behörde nicht überzeugen lassen wollen, wird die Ausübung des Hausrechts am Platze sein, obwohl die Adressaten subjektiv für sich in Anspruch nehmen, in Verwaltungssachen vorsprechen zu wollen. Für Demonstranten, die in ein Verwaltungsgebäude eindringen und die zuständige Behörde damit unter Druck setzen wollen, dürfte das gleiche gelten. Ist der Tatbestand des Hausfriedensbruchs verwirklicht, dominiert das deliktische Geschehen gegenüber dem in der Sache u. U . sogar legitimen Verwaltungsanliegen. Entscheidend für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges ist nicht die Sicht der abgewiesenen Besucher, sondern die der ausschließenden Behörde, und zwar so, wie sich die Dinge für sie in der Krisensituation darstellen.
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Vgl. ζ. B. B G H DVB1. 1961, 46 (Fotograf im Rathaus, Standesamt). B G H DVB1. 1968, 145 (Handelsvertreter). Ähnlich O V G Münster DVB1. 1968, 157; O V G Münster DVB1. 1963, 303 (Verlegung eines Obdachlosen).
SECHSTER TEIL
Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatzund Entschädigungsleistungen von Wolfgang Rüfner §50
Einleitung In den folgenden § § 5 1 — 54 soll das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen dargestellt werden 1 . Dabei wird versucht, 1
Literatur : Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 1951 ; Radura, Der Eigentumsschutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes, AöR 98 (1973), 153 — 173 ; ders., Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen anhand ausgewählter Entscheidungen des Bundesgerichtshofes exemplarisch dargestellt für den Eigentumsschutz des Anlieger-Gewerbebetriebes, 1971 ; Bartlsperger, Die Folgen von Staatsunrecht als Gegenstand der Gesetzgebung, N J W 1968, 1697—1705; Bender, Staatshaftungsrecht (Schadensersatz-, Entschädigungs- und Folgenbeseitigungspflichten aus hoheitlichem Unrecht), 2. Aufl. 1974; Bettermann, Zur Lehre vom Folgenbeseitigungsanspruch, D Ö V 1955, 528—536; ders., Der Schutz der Grundrechte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, Die Grundrechte, Bd. III/2, 1959 S. 7 7 9 - 908; Bothe, Enteignung, enteignungsgleicher Eingriff, Aufopferung, JuS 1976, 515—518; G. DUrig, Der Staat und die Vermögenswerten öffentlich-rechtlichen Rechte seiner Bürger, in : Festschrift für W. Apelt, 1958 S. 13—56; Empfiehlt es sich, die Folgen rechtswidrigen hoheitlichen Verwaltungshandelns neu zu regeln? (Folgenbeseitigung-Folgenentschädigung) Verhandlungen des 47. Deutschen Juristentages, Bd. I Gutachten Β (Weyreuther), Bd. II Sitzungsbericht L (Referate von B. Bender und D. Hass, Diskussion und Beschlüsse); Empfiehlt es sich, die verschiedenen Pflichten des Staates zur Entschädigungsleistung aus der Wahrnehmung von Hoheitsrechten nach Grund, Inhalt und Geltendmachung neu zu regeln? Verhandlungen des 41. Deutschen Juristentages, Bd. I, 1. Halbbd., Gutachten von F. Schack, F. Münch, E. Knoll, R. Reinhardt; Bd. II C , Referate von H. Schäfer, R. Fischer, Diskussion und Beschlüsse; Forsthoff, Zur Lage des verfassungsrechdichen Eigentumsschutzes, in: Festgabe für Th. Maunz, 1971 S. 89—101; Geizer, Der Umfang des Entschädigungsanspruchs aus Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, 1969; Gronefeld, Preisgabe und Ersatz des enteignungsrechtlichen Finalitätsmerkmals, 1972; Haas, System der öffentlich-rechtlichen Entschädigungspflichten, 1955 ; Haftung des Staates für 395
§50
Wolfgang Riifner
die Erscheinungen der Rechtswirklichkeit zu systematisieren und möglichst widerspruchsfrei in eine logische Ordnung zu bringen. D e m aufmerksamen Leser wird indes nicht entgehen, daß schon eine völlig einwandfreie Gliederung des Stoffes rechtswidriges Verhalten seiner Organe — Länderberichte und Rechtsvergleichung, 1967 (Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 44) ; Heidenhain, Amtshaftung und Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff, 1965; Hoffmann, Der Abwehranspruch des Bürgers gegen rechtswidrige hoheitliche Realakte, 1969; Hoffmann-Becking, Folgenbeseitigung bei rechtswidrigen hoheitlichen Tathandlungen ? — BVerwG, DVB1. 1971,858, JuS 1972, 509 - 514; Jaenicke/Leisner, Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht, W D S t R L 20 (1963), 135-245; Janssen, Der Anspruch auf Entschädigung bei Aufopferung und Enteignung, 1961 ; Ipsen/Ridder, Enteignung und Sozialisierung, W D S t R L 10 (1952) 7 4 - 1 4 9 ; Kayer/Leiß, Die Amtshaftung, 2. Aufl. 1958 (mit Ergänzungsband 1959) ; Kimminich, Die öffentlichrechtlichen Entschädigungspflichten, JuS 1969, 349—359; Konow, Eigentumsschutz gegen Eingriffe der öffentlichen Hand, 1968; Kreft, Aufopferung und Enteignung — Begriffe und Grundsätzliches in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, 1968; ders., Grenzfragen des Enteignungsrechts in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts, in: Ehrengabe für Bruno Heusinger, 1968 S. 167—181; ders., Enteignung und Aufopferung (Zur Geschichte eines Rechtsinstituts), in: Jurist. Arbeitsblätter 1975 ÖR, S. 133-142 (457—466); Kröner, Die Eigentumsgarantie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, 2. Aufl. 1969; Krüger, Die Bestimmung des Eigentumsinhaltes (Art. 14 Abs. I S. 2 GG), in: Hamburger Festschrift für F. Schack, 1966 S. 71 — 84; Krumbiegel, Der Sonderopferbegriff in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, 1975; Lerche/Scheuner, Amtshaftung und enteignungsgleicher Eingriff, JuS 1961, 236—250; Luhmann, öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, 1965; Mann, Zur Geschichte des Enteignungsrechts, in: Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, Bd. II, 1960 S. 291—323; Menger, Uber die Identität des Rechtsgrundes der Staatshaftungsklagen und einiger Verwaltungsstreitsachen, in : Forschungen und Berichte aus dem öffentlichen Recht, Gedächtnisschrift für W. Jellinek, 1955, S. 347—359; Oldiges, Die Staatshaftung bei legislativem Unrecht, Der Staat, 1976, 381—403; Opfermann, Die Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz, 1974; Ossenbiihl, Enteignungsgleicher Eingriff und Gefährdungshaftung im öffentlichen Recht - BGHZ 54, 332, JuS 1971, 575-581 ; ders., Die Struktur des Aufopferungsanspruchs — BGHZ 46, 327, JuS 1970, 276—281; ders., Staatshaftungsrecht, 1976; Papier, Die Forderungsverletzung im öffentlichen Recht, 1971; ders., Staatshaftung kraft Uberlieferung?, JZ 1975, 585—590; Peter, Zur neueren Enteignungsrechtsprechung des BGH, JZ 1969, 549—557; Reform des Staatshaftungsrechts — Kommissionsbericht, herausgegeben vom Bundesminister der Justiz und vom Bundesminister des Innern, 1973 ; Reform des Staatshaftungsrechts — Referentenentwürfe, herausgegeben vom Bundesminister der Justiz und vom Bundesminister des Innern, 1976; Reinhardt/ U. Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums 1954; Rösslein, Der Folgenbeseitigungsanspruch, 1968; Riifner, Zum gegenwärtigen Stand des deutschen Staatshaftungsrechts, BB 1968, 881-886; Ruland, Der Anwendungsbereich der Amtshaftung, BayVBl. 1976, 581—588; Schack, Der Entschädigungspflichtige bei Eingriffen von hoher Hand, JuS 1965, 295-299; ders., Ersatzpflicht des Staates bei „legislativem Unrecht", MDR 1968, 186 — 189; Scheuner, Grundfragen der Staatshaftung für schädigende Eingriffe, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, 1955, S. 331—345; ders., Probleme der staatlichen Scha-
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öffentl.-rechtl. Schadensers.- u. Entschädigungsleistungen
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erhebliche Schwierigkeiten macht 2 . Wie überall deuten Gliederungsmängel auch auf sachliche Ungereimtheiten hin, die sich in der Tat im Recht der öffentlichrechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen in erheblichem U m f a n g finden. In wesentlichen Teilen ist dieses Recht eine Schöpfung der Rechtsprechung, die nicht systematisch arbeiten kann, sondern sich von Fall z u Fall vorantasten muß, auch wenn sie sich u m eine folgerichtige Fortentwicklung des Rechts bemüht 3 . D i e sachlichen Schwierigkeiten rühren vor allem daher, daß das derzeitige deutsche Staatshaftungsrecht aus verschiedenen Wurzeln erwachsen ist, die ursprünglich völlig getrennt waren : Die H a f t u n g des Staates f ü r rechtswidriges H a n deln leitet sich einerseits aus der deliktischen Amtshaftung (§ 839 B G B ) , andererseits aus dem Gedanken der Aufopferung und Enteignung ab. Gleichzeitig bieten Aufopferung und Enteignung aber auch die Grundlage für Entschädigungspflichten bei rechtmäßigem Handeln. D a s wird vor allem bei der H a f t u n g aus dem sog. „enteignungsgleichen E i n g r i f f " deutlich. Sie ist H a f t u n g für hoheitliches Unrecht und damit Teil des Staatshaftungsrechts, richtet sich aber in vielem nach den Regeln über die Enteignungsentschädigung und gehört insoweit z u m Enteignungsrecht. I m einzelnen: Ausgangspunkt der Entwicklung des Amtshaftungsrechts im 20. Jahrhundert — die geschichtlichen Hintergründe seien hier zunächst übergangen 4 — war der Anspruch des Bürgers gegen den Beamten persönlich aus § 839 B G B . D e r Beamte selbst haftet nach der K o n z e p t i o n des B G B gemäß den allgemeinen Regeln des bürgerlichen Deliktsrechts für jeden Schaden, den er durch Verletzung einer ihm dem Bürger gegenüber obliegenden Amtspflicht schuldhaft verursacht. Diese H a f t u n g geht über die H a f t u n g nach § 823 A b s . 1 B G B insoweit hinaus, als der Beamte nicht nur für die Verletzung eines absoluten Rechts, sondern für alle denshaftung nach deutschem Recht, D Ö V 1955, 545—550; Schmidt, Der verwaltungsrechtliche Beseitigungsanspruch — BVerwGE 28, 155, JuS 1969, 166—170; ders., Der vergessene Beseitigungsanspruch, J Z 1977, 123 — 125; Schmitt, Auf dem Wege zu einem neuen Staatshaftungsrecht, DVB1. 1977, 695—707; Schneider, Enteignung und Aufopferung, 1964; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967; Staat und Privateigentum, 1960 (Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 34); Stein, Zur Wandlung des Eigentumsbegriffes, in: Festschrift für G . M ü l l e r , 1970 S. 5 0 3 - 5 2 7 ; Städter, öffentlich-rechtliche Entschädigung, 1933; Wagner, Eingriff und unmittelbare Einwirkung im öffentlichrechtlichen Entschädigungsrecht, N J W 1966, 5 6 9 - 5 7 4 ; Weber, Das Eigentum und seine Garantie in der Krise, in: Festschrift für K . Michaelis, 1972 S. 316—336; ders., Eigentum und Enteignung, Die Grundrechte, Bd. II, 1954 S. 3 3 1 - 3 9 9 . 1
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Hier ist insbesondere auf die Schwierigkeit, den Tatbestand von Enteignung, enteignungsgleichem Eingriff und enteignendem Eingriff zu beschreiben, hinzuweisen. Das ist ohne Friktionen kaum möglich. Vgl. dazu unten § 52, II 2, III 1. Letzteres ist mit Schmitt, DVB1. 1977, 697 durchaus anzuerkennen. Vgl. dazu unten § 51 I 1. 397
§50
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Vermögensschäden eintreten muß. Freilich mildert insbesondere die Möglichkeit der Verweisung auf anderweitige Ersatzmöglichkeiten bei bloßer Fahrlässigkeit (§ 839 Abs. 1 Satz 2 B G B ) diese strenge Schadensersatzpflicht. § 839 B G B bot somit dem Bürger von Anfang an einen nahezu umfassenden Schutz gegen staatliches Unrecht, das ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hatte 5 . Allerdings richtete sich der Anspruch nur gegen den Beamten persönlich, seine Durchsetzbarkeit setzte also dessen Zahlungsfähigkeit voraus. Das wurde als unbefriedigend empfunden und führte alsbald dazu, daß der Staat oder die sonstige Anstellungskörperschaft kraft gesetzlicher Vorschrift (heute Art. 34 G G ) für den Beamten einstehen mußte. Die Übernahme der Haftung durch den Staat blieb allerdings auf den Bereich öffentlich-rechtlichen Handelns beschränkt. Für privatrechtliches amtliches Handeln haftet nach wie vor der Beamte selbst. Aus der persönlichen Haftung des Beamten ist daher heute eine mittelbare Staatshaftung geworden, wenn der Beamte öffentlich-rechtlich gehandelt hat. Der Bürger hat darum stets einen zahlungsfähigen Schuldner. Ein umfassender Schutz gegen schuldhafte Amtspflichtverletzungen bei öffentlich-rechtlichem Handeln ist gewährleistet. Parallel dazu und bis zum Ende des 2. Weltkriegs nahezu unabhängig vom Amtshaftungsrecht entwickelte sich die Pflicht des Staates, für rechtmäßige den Einzelnen ungleich treffende hoheitliche Eingriffe Entschädigung in Geld zu leisten. Im 19. Jahrhundert spielte hier die Entschädigung für den Entzug von Grundeigentum die größte Rolle, da der Staat im allgemeinen nur insoweit im Wege der Enteignung auf die Rechte einzelner Bürger zugreifen mußte. Die Enteignung von Grundeigentum wurde daher in besonderen Gesetzen sorgfältig geregelt. Daneben galt der Grundsatz weiter, daß der Staat zur Entschädigung des einzelnen Bürgers gehalten sei, wenn er aus Gründen des gemeinen Wohls in dessen Rechte eingriff (so Art. 74, 75 Einl. ALR, sog. Aufopferungsanspruch). Diese Entschädigungspflichten wurden seit dem 1. Weltkrieg zunehmend erweitert, wobei der Begriff der Enteignung immer mehr ausgedehnt wurde, so daß der für die Aufopferung verbleibende Raum enger wurde. Heute versteht der B G H unter Enteignung jeden rechtmäßigen Eingriff in Vermögenswerte Rechte eines Bürgers, der diesen gegenüber anderen Bürgern ungleich trifft. Enteignung wird also nicht nur beim Entzug von Eigentum im Sinne des bürgerlichen Rechts angenommen, sondern auch bei einem Entzug sonstiger vermögenswerter Rechte und bei deren Beeinträchtigung. Für die früher allgemein subsidiäre Aufopferung bleiben nur Vermögensschäden, die als Folge der Verletzung nichtvermögenswerter Rechte (insbesondere der Gesundheit) auftreten. Legt man die bisherigen Ausführungen zugrunde, so besteht im System des Schadensersatz- und Entschädigungsrechts eine Lücke : Es gibt Schadensersatz aus Amtshaftung bei schuldhaft-rechtswidrigem Handeln und Entschädigung wegen 5
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Zu gewissen Modifikationen, die sich daraus ergeben, daß die Amtspflicht aus dem Verhältnis des Beamten zu seinem Dienstherrn, nicht aus dem Verhältnis des Bürgers zum Staat abgeleitet wird, vgl. unten § 51 II 3 a.
öffentl.-rechtl. Schadensers.- u. Entschädigungsleistungen
§
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Enteignung oder Aufopferung bei rechtmäßigen Eingriffen. Hat der Staat dagegen rechtswidrig, aber ohne Verschulden eines Amtswalters in die Rechte des Bürgers eingegriffen, so sind weder die Tatbestandsvoraussetzungen der Amtshaftung noch die der Enteignung (bzw. Aufopferung) erfüllt. Vor diesem Dilemma hat der B G H seit der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen B G H Z 6, 270 in ständiger Rechtsprechung mit dem Argument des „erst recht" die Auffassung vertreten, daß Entschädigung wegen „enteignungsgleichen Eingriffs" auch geleistet werden müsse, wenn der Staat rechtswidrig in Vermögenswerte Rechte der Bürger eingegriffen habe 6 . Entsprechendes gilt für die Aufopferungsentschädigung bei rechtswidrigen Eingriffen in nichtVermögenswerte Rechte, insbesondere bei Gesundheitsbeschädigungen.
Die Rechtsprechung hat diesen Ansatz konsequent weitergeführt und den enteignungsgleichen Eingriff (und die Aufopferung) zu einer umfassenden Grundlage der Staatshaftung für hoheitliches Unrecht ausgebaut. Der B G H versteht seine Konstruktion nicht etwa nur als subsidiäre Aushilfe bei Versagen des Amtshaftungsanspruchs, sondern nimmt einen enteignungsgleichen Eingriff auch dann an, wenn die Voraussetzungen der Amtshaftung vorliegen 7 . Regelmäßig stehen daher heute Ansprüche aus Amtshaftung und aus „enteignungsgleichem Eingriff" (bzw. Aufopferung) konkurrierend nebeneinander. Allerdings sind die Ansprüche aus Amtshaftung und aus enteignungsgleichem Eingriff nicht systematisch aufeinander abgestimmt. Der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff konkurriert nicht mit jedem Amtshaftungsanspruch und kann auch nicht in jedem Fall rechtswidrigen Staatshandelns ohne Verschulden eine Entschädigung gewähren. Vielmehr ist er, da er aus der Enteignungsentschädigung entwickelt wurde, abgesehen von der Frage der Rechtmäßigkeit des Eingriffs, weiterhin an die Voraussetzungen der Enteignung gebunden 8 . Die Rechtsprechung zu diesen Fragen hat zwar den Begriff der Enteignung erheblich ausgeweitet, aber aus der Anbindung des enteignungsgleichen Eingriffs an die Enteignung ergeben sich noch heute Schranken des Entschädigungsanspruchs. Sie schließen eine lückenlose Entschädigung für hoheitliches Unrecht aus und zeigen sich insbesondere dort, wo nicht in bestehende Vermögenswerte Rechte oder in die körperliche Integrität (Aufopferung!) eingegriffen wurde, sondern rechtswidrig Chancen und Erwerbsaussichten beeinträchtigt wurden. Insoweit besteht das Problem der Lücke des Entschädigungsrechts weiter.
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Vgl. dazu im einzelnen unten § 52 I 2 ; zu Vorläufern dieser Auffassung in der Rechtsprechung des R G zur Aufopferung vgl. § 52 I 1 a. E. B G H Z 13, 88. Vgl. dazu kritisch Reform des Staatshaftungsrechts — Referentenentwürfe, 1976, S. 55 f.
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Wolfgang Riifner
11 §51
Amtshaftung I. Grundlagen 1.
Geschichtliches
Die heutige Amtshaftung hat ihre Vorläufer in einer persönlichen deliktischen Haftung des Beamten, wie sie etwa in den §§ 89ff. II 10 ALR geregelt war. Danach haftete der Beamte persönlich für jede schuldhafte Amtspflichtverletzung ohne Rücksicht darauf, ob er einen allgemeinen Deliktstatbestand verwirklicht hatte. Seine Haftung ging also über die des allgemeinen Deliktsrechts hinaus, war indes durch eine Subsidiaritätsklausel (§ 91 II 10 ALR) eingeschränkt1. Eine Staatshaftung bestand grundsätzlich nur nach allgemeinem Deliktsrecht. Zwar wurde eine unmittelbare Staatshaftung bei Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten im 19. Jahrhundert in der Rechtslehre vertreten2, auch vom 9. Deutschen Juristentag im Jahre 1871 de lege ferenda gefordert3, sie vermochte sich jedoch nicht durchzusetzen. Die Gesetzgebung beschränkte verschiedentlich zum Schutz der Beamten (und damit mittelbar des Staates, dem es nicht gleichgültig sein konnte, wenn seine Beamten wegen rechtswidrigen Verhaltens vor Gericht gezogen wurden) die gerichtliche Verfolgbarkeit der Beamten und machte sie von einer Einwilligung oder Vorentscheidung der Verwaltungsbehörden abhängig. Die spätere liberale Gesetzgebung hat diese Hindernisse zum Teil wieder beseitigt4. Das B G B hat den bestehenden Rechtszustand — wie auch in anderen Bereichen — unter Vereinheitlichung für das ganze Reich kodifiziert, ohne zu reformieren5. § 839 B G B statuiert ohne Differenzierung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln eine persönliche Haftung des Beamten. Die Bestrebungen, eine Staatshaftung de lege lata oder de lege ferenda zu begründen, wurden nicht berücksichtigt. Schon unmittelbar nach Erlaß des B G B begann jedoch eine Entwicklung, welche an die Stelle der Haftung des Beamten bei öffentlich-rechtlichem Handeln eine 1
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Ähnlich §§ 1506f. des Sächsischen BGB von 1865, jedoch ohne Haftung für leichte Fahrlässigkeit, ähnlich das gemeine Recht, vgl. Windsekeid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, 2. Bd., 9. Aufl. 1906, § 4 7 0 , S. 1047ff. m. w. N . Vgl. die ausführlichen Nachweise bei Windscheid/Kipp (Fn. 1) § 470 Anm. 3 a und 4 (S. 1051 f.); ferner Scheuner, JuS 1961, 243; Heidenhain, Amtshaftung und Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff, 1965 S. 15 ff. ; Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1974, Nr. 374ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 1976 S. Iff. Verhandlungen des 9. Deutschen Juristentages Bd. 3, S. 63. Vgl. zu dieser Entwicklung Loening, Gerichte und Verwaltungsbehörden in Brandenburg-Preußen, 1914 S. 233 ff. und 262 ff. Vgl. dazu kritisch Scheuner, in: Gedächtnisschrift für W . Jellinek, 1955 S. 331, 338.
öffentl.-rechtl. Schadensers.- u. Entschädigungsleistungen
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Staatshaftung setzte. Der Staat trat für die Schuld seines Beamten ein. Reichsrechtlich geschah dies erstmals in § 12 der G B O v o m 24. 3. 1897. Baden und Württemberg sahen in ihren Ausführungsgesetzen z u m B G B eine H a f t u n g des Staates anstelle des Beamten vor, andere Länder begründeten wenigstens eine Ausfallhaftung des Staates. In Preußen übernahm der Staat im Beamtenhaftungsgesetz v o m 1. 8. 1909 für seine Beamten bei hoheitlichem Handeln die H a f t u n g , das Reich folgte für seine Beamten im Reichsbeamtenhaftungsgesetz v o m 22. 5. 1910 6 . Endpunkt dieser Entwicklung war Art. 131 Weimarer Reichsverfassung (WRV). E r schrieb die Übernahme der H a f t u n g durch den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Beamte stand, vor, wenn der Beamte in A u s ü b u n g der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt gehandelt hatte. Während der Weimarer Zeit dehnte die Rechtsprechung den Beamtenbegriff a u s : Bei öffentlich-rechtlichem Handeln (so wurde die A u s ü b u n g der anvertrauten öffentlichen Gewalt interpretiert) wurde als Beamter jeder angesehen, den der Staat mit der A u s ü b u n g der öffentlichen Gewalt betraut hatte, ohne Rücksicht darauf, o b er Beamter im Sinn des Beamtenrechts war. D a s R G kam so zu einer umfassenden Staatshaftung bei der Verletzung öffentlich-rechtlicher Amtspflichten 7 .
2. Geltendes
Recht
§ 839 B G B gilt unverändert seit 1900. A n die Stelle des Art. 131 W R V ist Art. 34 G G getreten, und zwar ohne sachliche Änderung. D i e abweichende Formulierung „Verletzt jemand in A u s ü b u n g eines ihm anvertrauten öffendichen Amtes . . . " trägt nur der Rechtsprechung des R G z u m erweiterten haftungsrechtlichen Beamtenbegriff Rechnung 8 . Im Bereich öffentlich-rechtlichen Handelns gilt also jetzt folgendes : Grundlage der H a f t u n g und damit im technischen Sinn Anspruchsgrundlage ist § 839 B G B . Für den handelnden Beamten tritt die Anstellungskörperschaft ein. Sie übernimmt die H a f t u n g , welche an sich nach § 839 B G B den Beamten träfe. E s handelt sich also um eine Art von Schuldübernahme, allerdings wird wegen der Erweiterung des Beamtenbegriffs teilweise eine H a f t u n g des Staates begründet, die den handelnden Nichtbeamten überhaupt nicht treffen könnte 9 . Soweit § 839 B G B demnach
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Vgl. dazu Heidenhain (Fn. 2) S. 35f. ; Bender (Fn. 2) Nr. 383 ff., beide mit vielen Einzelnachweisen. Vgl. Anschiitz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, Art. 131, Anm. 5 f „ S. 609f. Vgl. v. Mangoldt/Klein, G G , Art. 34, Anm. III 2 a, S. 831. Insofern ist die Kritik von Bender (Fn. 2) Nr. 394 an dem Ausdruck Schuldübernahme berechtigt. Art. 34 G G ist keine selbständige Staatshaftungsnorm, vgl. Ruland, BayVBl. 1976, 581 m . w . N . (auch zur Gegenmeinung, die sich bis heute nicht durchsetzen konnte). 401
26
Allgemeines V e r w a l m n g s r e c h t
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Ansprüche begründet, schließt er alle Deliktstatbestände aus. Die Rechtsprechung neigt dazu, alle Tatbestandsmerkmale — also nicht nur den Begriff des Beamten — extensiv auszulegen 10 . Dagegen hat im Bereich des privatrechtlichen (fiskalischen) Staatshandelns die Zeit stillgestanden. Nach wie vor gibt es nur die (dem allgemeinen Deliktsrecht vorgehende) Eigenhaftung des Beamten. Der Staat haftet daneben — wegen der Subsidiarität gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB allerdings vorrangig — nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts, im Deliktsrecht also nach den §§ 31, 89 und 831 BGB. Die extensive Auslegung des § 839 BGB gilt nicht für den fiskalischen Bereich. Insbesondere gilt nicht der erweiterte haftungsrechtliche Beamtenbegriff. Nach § 839 BGB haftet hier vielmehr nur der Beamte im beamtenrechdichen Sinn.
II. Amtshaftung wegen Verletzung von Amtspflichten im öffentlich-rechtlichen Rechtskreis 1. Anspruchsgegner a) Grundsatz: Anstellungskörperschaft. Erste Voraussetzung eines Amtshaftungsanspruchs gegen den Staat bzw. die sonstige Anstellungskörperschaft ist öffentlich-rechtliches Handeln (bzw. Unterlassen gebotener Amtshandlungen) 1 1 des Amtsträgers, dem eine Amtsverpflichtung vorgeworfen wird. Nur bei öffentlich-rechtlichem Handeln tritt Übernahme der Haftung ein, die an sich gem. § 839 BGB den Beamten selbst trifft. Klausurtechnisch muß eine Prüfung eines Anspruchs aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG gegen die Anstellungskörperschaft abgebrochen werden, wenn privatrechtliches Handeln festgestellt wird. Es ist deshalb wenig sinnvoll, die einzelnen Voraussetzungen des § 839 BGB vorweg zu behandeln und am Ende festzustellen, ein Anspruch gegen die Anstellungskörperschaft entfalle, weil privatrechtliches Handeln vorliege. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Handeln öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, gelten die allgemeinen Regeln 1 2 . In vielen Bereichen ist die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht in der Vergangenheit hauptsächlich an Beispielen aus dem Amtshaftungsrecht herausgearbeitet worden. Das
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Vgl. dazu kritisch Munzel, N J W 1966, 1341 ff., der besonders auf das Bestreben der Rspr. hinweist, durch Ausdehnung der Haftung aus § 8 3 9 BGB i . V . mit Art. 34 G G den Endastungsbeweis gem. § 8 3 1 BGB auszuschalten. Vgl. zum Unterlassen bei Verweigerung des Dienstes BGH N J W 1977, 1875, 1877 (Bummelstreik der Fluglotsen). Vgl. dazu Wagner, J Z 1968, 2 4 5 f f . ; Ossenbühl (Fn. 2), S. 1 6 f f .
Offen ti.-rech ti. Schadensers.- u. Entschädigungsleistungen
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gilt z. B. für Krankenhäuser 13 , für Bundesbahn 14 und Bundespost 15 , für die Verkehrssicherungspflicht 16 . Bei Dienstfahrten nimmt die Rechtsprechung öffentlichrechtliches Handeln an, wenn der Zweck der Fahrt in den Bereich des öffentlich-rechtlichen Handelns gehört 17 . Vgl. z . B . BGHZ 9, 145 (grundsätzlich privatrechtliches Verhältnis); BGHZ 38, 49 (öffentlich-rechtliches Verhältnis bei psychiatrischem Krankenhaus, das vorwiegend der Unterbringung gem. dem Unterbringungsgesetz diente); zusammenfasend zur öffentlichen Gesundheitspflege BGHZ 59, 310 313; öffentliche Gewalt übt der Vertrauensarzt der Sozialversicherungsträger aus, BGH NJW 1968, 2293; nicht dagegen der Kassenarzt oder der „Durchgangsarzt" der Unfallversicherung, der vom Sozialversicherungsträger bestellt wird, vgl. BGHZ 63, 265, 270ff., oder der gerichtliche Sachverständige, der vom Sozialgericht gehört wird, vgl. BGHZ 59, 310; dazu v. Mutius, VerwArch. 64 (1973), 433 ff. » Privatrechtliches Verhältnis, vgl. z. B. BGHZ 2, 37, 40f.; 6, 304; BGH VersR 1972, 747. 15 öffentlich-rechtliches Verhältnis, vgl. z. B. BGHZ 20, 102. - Hier hat die Gesetzgebung (vgl. §§1, 14 PostVG, §§ 7, 26 PostG) die Abkehr der Rechtsprechung von der privatrechtlichen Betrachtung bestätigt und festgeschrieben. 16 Die Frage der Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Sachen ist sehr bestritten. Entgegen der wohl h. M. in der Literatur — vgl. Forsthoff, VwR, S. 398ff. — nimmt die Rspr. grundsätzlich eine privatrechtliche Pflicht an, vgl. BGHZ 9, 373; BGH NJW 1968, 443; BGH DVB1. 1974, 157; BGH NJW 1977, 1965; vgl. zu diesem Problemkreis R. Bartlsperger, Verkehrssicherungspflicht und öffentliche Sache, 1970; ders., DVBl. 1973, 465ff., Munzel, NJW 1966, 1639ff.; H.Arndt, Die Straßenverkehrssicherungspflicht in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, 2. Aufl. 1973; Nedden, DVBI. 1974, 253ff.; Bender (Fn. 2) Nr. 461 ff.; Ossenbühl (Fn. 2) S. 19ff. Auch der BGH erkennt an, daß die Verkehrssicherungspflicht öffentlich-rechtlich ausgestaltet werden kann : vgl. BGHZ 27, 278 und 32, 352 zur polizeilichen Wegereinigungspflicht nach dem preußischen Wegereinigungsgesetz (wichtig auch für alle Länder, die neuerdings die Wegereinigungspflicht als polizeiliche Pflicht den Gemeinden auferlegt haben); BGHZ 60, 54 zu § 10 des ns. Straßengesetzes; vgl. auch BGH NJW 1973, 463, bestätigt in BGHZ 66, 398, wo durch eine Begrenzung des Inhalts der in'§ 10 dieses Gesetzes begründeten Amtspflicht die Amtshaftung auf den Umfang der allgemeinen Deliktshaftung beschränkt wird. — Die Pflicht zur Verkehrsregelung richtet sich nach öffentlichem Recht. Da Verkehrsregelung und Verkehrssicherung sich oft schwer trennen lassen — vgl. BGH NJW 1971, 2220; NJW 1972, 1268 (dazu Ossenbühl, JuS 1973, 421ff.); BHG NJW 1974, 453 — führt die Annahme einer zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht auf öffentlichen Straßen oft zu merkwürdigen Ergebnissen. Der Referentenentwurf eines Staatshaftungsgesetzes, in: Reform des Staatshaftungsrechts — Referentenentwürfe, 1976, S. 27 ff. will in § 18 u. a. die Haftung aus Verkehrssicherungspflicht und aus der Teilnahme am allgemeinen Verkehr einschließlich der Beförderungsleistungen von Bundesbahn und Bundespost dem Privatrecht zuordnen, und zwar auch bei Ausübung öffentlicher Gewalt und Inanspruchnahme hoheitlicher Sonderrechte, vgl. Begründung, S. 124, dazu kritisch Schmidt, JZ 1977, 124 f. Die Verkehrssicherung für öffentliche Straßen und Wasserstraßen wird in § 18 Abs. 3 allerdings zur Pflicht des öffentlichen Rechts erklärt. 13
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Vgl. BGHZ 29, 38; 42, 176 ; 49, 267; BGHZ 50, 271; BGHZ 6S, 217, 218f. Anders BGHZ DRZ 1965, 135 bei Dienstreisen im eigenen Wagen des Beamten, dessen Benut403
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b) Ausnahmen. Von der Vorschrift, daß die Haftung auf die Anstellungskörperschaft übergeht, gibt es gewisse spezialgesetzlich vorgeschriebene Ausnahmen, die durch das W o r t „grundsätzlich" in A n . 34 G G gedeckt sind 18 . Kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift trifft die Haftung manchmal nicht die Anstellungskörperschaft, sondern die Körperschaft, in deren Interesse der Beamte tätig geworden ist. So haftet häufig für die Beamten der Landkreise, soweit sie in staatlichen Angelegenheiten tätig geworden sind, nicht die Anstellungskörperschaft, der Kreis, sondern der Staat 19 . In manchen Fällen ist die Haftung des Staates überhaupt ausgeschlossen : Insbesondere sind hier die fortgeltenden Bestimmungen der §§ 5 und 7 des Gesetzes über die Haftung des Reiches für seine Beamten zu nennen. Der Bund haftet demnach nicht für Gebührenbeamte (vgl. die entsprechende Vorschrift in § 19 Abs. 1 BNotO) 2 0 , die Haftung gegenüber Ausländern ist nur gegeben, wenn die
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zung nicht ausdrücklich angeordnet war; ähnlich BGH VersR 1965, 1101, 1102. Der Fall BGHZ 29, 38 lag anders (s. bes. S. 41 f.). Zu den Auswirkungen wegen der Subsidiarität der Amtshaftung vgl. unten 4 b. Sehr kritisch zur Rspr. des (RG und des) BGH Munzel, NJW 1966, 1639, 1641 f.; Bender (Fn. 2) Nr. 460; OssenbUbl (Fn. 2) S. 27f. So die h. M., vgl. dagegen sehr kritisch v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 34, Anm. II 8, S. 825 ff. Vgl. Art. 35 Abs. 3 und 37 Abs. 5 der bay. LKO; §53 Abs. 2 und §56 Abs. 2 der baden-württemberg. LKO ; § 6 des schleswig-holsteinischen Gesetzes über die Errichtung allgemeiner unterer Landesbehörden vom 25.2. 1971. Soweit derartige gesetzliche Bestimmungen nicht bestehen, haftet die Anstellungskörperschaft, und zwar auch dann, wenn der Beamte Aufgaben einer anderen Körperschaft erfüllt hat. Insbeondere haften die Kommunen grundsätzlich für Amtspflichtverletzungen ihrer Beamten bei der Erfüllung von übertragenen Staatsaufgaben. Vgl. BGHZ 11, 192, 197 und BGH LM Art. 34 GG Nr. 24; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 34 Rn. 33; offen bleiben demnach nur wenige Fälle, insbesondere die der Beamten, die bei zwei Dienstherren angestellt sind (z. B. Oberfinanzpräsidenten, die zugleich Bundes- und Laridesbeamte sind), die Fälle der abgeordneten Beamten, der Beamten, die ein Nebenamt im Dienst eines anderen Dienstherren ausüben, sowie der Ehrenbeamten, an deren Bestellung verschiedene Körperschaften beteiligt sind (z. B. Schiedsmänner). Vgl. zu diesen Fällen Maunz a . a . O . ; Bender (Fn. 2) Nr. 313ff.; Ossenbühl (Fn. 2) S. 64f.; BGHZ 34, 20; 36, 193, 195ff.; 53, 217. Der BGH lehnt es ab, das Problem unter dem Stichwort Anstellungs- oder Funktionstheorie zu behandeln, sondern stellt darauf ab, „wer dem Amtsträger das Amt, bei dessen Ausübung er fehlsam gehandelt hat, anvertraut hat, mit anderen Worten dem Amtsträger die Aufgaben, bei deren Wahrnehmung die Amtspflichtverletzung vorgekommen ist, übertragen hat" (BGHZ 53, 217, 219). Diese sog. Amtsübertragungstheorie führt im Normalfall freilich zu dem Ergebnis, daß die Anstellungskörperschaft haftet. — Ob Kirchen nach § 839 BGB/Art. 34 GG haften, ist umstritten, vgl. dazu Dagtoglou, BK, Art. 34, Nr. 455f. ; Friesenhahn, HdbStKirchR I, S. 564. Für den Religionslehrer, der in staatlichen Schulen tätig wird, haftet der Staat, vgl. BGHZ 34, 20; OLG Celle DVB1. 1974, 44 mit Anm. Butz. Vgl. dazu BGHZ 9, 289.
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Gegenseitigkeit verbürgt ist 2 1 . Für Beamte des auswärtigen Dienstes endlich tritt der Bund nicht ein, wenn das Verhalten des Beamten nach einer amtlichen Erklärung des Reichs- (jetzt B u n d e s k a n z l e r s politischen oder internationalen Rücksichten entsprochen hat 2 2 . In den entsprechenden Landesgesetzen finden sich ähnliche Vorbehalte 2 3 . Ferner enthalten § 2 1 der Telegrammordnung 2 4 und § 5 2 der Fernmeldeordnung 2 5 erhebliche Haftungseinschränkungen zugunsten der Post. In allen bisher genannten Fällen 2 6 ist nur die Übernahme der Haftung auf den Staat ausgeschlossen, die persönliche Haftung des Beamten bleibt unberührt. Dieses Ergebnis ist nur im Fall des Gebührenbeamten sinnvoll, im übrigen ist es insbesondere dort, w o der Staat das Risiko als zu hoch und mit den Erfordernissen des modernen Massenverkehrs unvereinbar ansieht (ζ. B. im Postverkehr), nicht vernünftig zu begründen, warum der Beamte persönlich haften soll 2 7 . Das neue Postgesetz hat deshalb in § 11 Abs. 3 die überkommene Haftungsbeschränkung der Post im Postdienst, welche in ähnlicher Weise die persönliche Haftung des Beamten unberührt ließ 2 8 , dahin ergänzt, daß jetzt der Beamte nur noch bei Vorsatz haftet 2 9 .
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Vgl. dazu Frowein, J Z 1964, 358ff. mit Nachweis der gesetzlichen Bestimmungen; O L G Frankfurt/M. NJW 1970, 2172 mit ausführlichen Nachweisen; zu dieser Entscheidung Erichsen, VerwArch. 62 (1971), 186ff. ; der BGH hat die Fortgeltung der Bestimmung in st. Rspr. bejaht, vgl. BGHZ 13, 241; NJW 1956, 1836; NJW 1961, 1811; anders Grassmann, JZ 1969, 454ff. ; Neufelder, NJW 1974, 979ff.; kritisch Ossenbühl (Fn. 2) S. 57f. Die Bestimmung ist in vieler Hinsicht problematisch, wird aber von der h.M. als fortgeltend angesehen, vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 34 Rn. 34; Dagtoglou, BK, Art. 34 Rn. 3 2 2 - 3 2 6 ; beide mit ausführlichen Nachweisen. RGZ 102, 166, 173 nahm an, daß bei Ausschluß der Staatshaftung die persönliche Haftung des Beamten möglich sei; demgegenüber weist Dagtoglou (Nr. 326) mit Recht darauf hin, daß eine Amtspflichtverletzung nicht vorliegt, wenn das Verhalten des Beamten politischen oder internationalen Rücksichten entsprochen hat und damit pflichtgemäß war; ebenso Ossenbühl (Fn. 2) S. 56f. Problematisch bleibt nur die Beurteilung der Erklärung des Kanzlers. Vgl. zum Gebührenbeamten O L G Hamm NJW 1972, 2088 (mit abl. Anm. Burrichter, NJW 1973, 192), bestätigt durch BGHZ 63 , 372, wo der Bezirksschornsteinfegermeister, soweit er öffentlich-rechtlich tätig wird, als Gebührenbeamter angesehen wird. Vom 26. 2. 1974, BGBl. I 373; vgl. dazu BGHZ 12, 89 und Langerhans, ZRP 1974,233ff. I . d . F . v. 5 . 5 . 1971, BGBl. I 543, zuletzt geändert durch VO v. 11. 11. 1976, BGBl. I 3125. Folge der §§ wurde geändert, §52 entspricht § 4 9 i . d . F . v. 5. 5. 1971! — Zum Haftungsausschluß vgl. BGH NJW 1964, 41, 42; BGHZ 66, 302, 312ff. Vgl. jedoch Fn. 22. Anders hier Dagtoglou, BK, Art. 34 Rn. 317 m.w.N. Vgl. dazu für das ältere Recht BGH DÖV 1965, 822; BGH DVBl. 1968, 179. Zusammenfassend zur Haftung der Bundespost nach älterem Recht Erichsen, DÖV 1965, 158 ff. ; nach geltendem Recht Loh, Die Haftung im Postbetrieb, 1972. Für einzelne Bereiche ist die Haftung besonders geregelt, vgl. §§ 12ff. PostG. — Zu dem früher häufiger auftretenden Problem, ob der Name des schuldigen Beamten von der Post 405
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Keine Anstellungskörperschaft im eigentlichen Sinn haben die sog. beliehenen Unternehmer, also natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, welchen hoheitliche Aufgabe übertragen worden sind 3 0 . Auch wenn die konkret handelnden natürlichen Personen Angestellte einer anderen Person des Privatrechts sind, haftet nicht die Anstellungskörperschaft, sondern immer die juristische Person des öffentlichen Rechts, welche den Unternehmer beliehen hat 3 1 . Nach der insoweit nicht ganz konsequenten Rechtsprechung des B G H 3 2 tritt ζ. Β für den TUV-Sachverständigen das Land ein, welches ihm die amtliche Anerkennung als Sachverständiger gewährt hat, während für den Prüfingenieur für Baustatik die Körperschaft eintritt, welche Trägerin des im Einzelfall beauftragenden Bauamtes ist 3 3 . 2. Begriff
des
Beamten
Nach dem weiten haftungsrechtlichen Beamtenbegriff ist im Bereich öffentlichrechtlichen Handelns jeder „Beamter", der hoheitlich ( = öffentlich-rechtlich) handelt, also, wie bereits erwähnt, auch der Angestellte oder Arbeiter im öffentlichen Dienst, ja sogar der beliehene Unternehmer oder die beliehene Privatperson, die eine Anstellungskörperschaft im strengen Sinn nicht haben 3 4 . Die Qualifikation des Handelnden als Beamter im haftungsrechtlichen Sinn ist kaum mehr zweifelhaft, wenn öffentlich-rechtliches Handeln bejaht ist. Für den Aufbau juristischer Gutachten ergibt sich daraus, daß mit der Bejahung der Frage 1) (öffentlich-rechtliches Handeln) die Frage 2) (Beamter) in aller Regel schon beantwortet ist. Beamte können insbesondere auch Mitglieder von Kollegialbehörden und kommunalen oder staatlichen Parlamenten sein. Die Probleme, die sich hier stellen, liegen nicht im Beamtenbegriff, sondern im Begriff der Amtspflicht 3 5 .
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genannt werden müsse, vgl. BVerwGE 10, 274, 276f. ; BayVGH NJW 1974, 379. Zur Auslegung des § 11 PostG vgl. BGH NJW 1976, 1319; zur Haftung im Postscheckdienst s. BGHZ 68, 266. Vgl. dazu Ossenbühl und Gallwas, W D S t R L 29 (1971), 137ff. - Nach der Rspr. des BGH sind von den Beliehenen diejenigen zu unterscheiden, welche die Verwaltung zu ihrer Unterstützung herangezogen hat, ohne ihnen öffentliche Gewalt zu übertragen. Hier soll sich die Verwaltung das Tätigwerden des Privaten wie eigenes zurechnen lassen, wenn sie es so sehr beeinflußt, daß der Private als ihr Werkzeug erscheint. Vgl. BGHZ 48, 99, 103 (Straßenbau, hier zur Frage des enteignungsgleichen Eingriffs); BGH NJW 1971, 222 = JR 1972, 128 (Installation einer Ampelanlage durch eine Elektrofirma); vgl. dazu kritisch Ossenbühl, JuS 1973 , 421, 422f. und Erichsen, J R 1972, 130f. Steiner, JuS 1969, 69, 75 m. w. N. auch abw. Ansichten. - Der BGH folgt hier der oben (Fn. 19) erwähnten Amtsübertragungstheorie. Vgl. dazu kritisch Bender (Fn. 2) Nr. 704. Vgl. BGHZ 49, 108 und 39, 358. Ossenbühl (Fn. 2) S. 8ff., dort auch zur Unterscheidung der drei Beamtenbegriffe, des haftungsrechtlichen, des staats- (oder beamten-)rechtlichen und des strafrechtlichen Beamtenbegriffs. Vgl. v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 34 Anm. III 1 c, S. 830; Dagtoglou, Ersatzpflicht des Staates bei legislativem Unrecht?, 1963 S. 34ff.; ders., BK, Art. 34 Rn. 430f.; Jaenicke,
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öffentl.-rechtl. Schadensers.- u. Entschädigungsleistungen 3. Amtspflicht
gegenüber
einem
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Dritten
a) Ableitung der Amtspflicht. Der Beamte hat ähnlich wie jeder Arbeitnehmer Dienstpflichten gegenüber seinem Dienstherrn. Ein Teil dieser Pflichten obliegt ihm zugleich als Amtspflicht gegenüber außenstehenden Dritten. Grundlage des Tatbestands der Amtspflichtverletzung ist, anders als im allgemeinen bürgerlichen Deliktsrecht, nicht die Verletzung eines absoluten Rechts oder eines Schutzgesetzes, sondern die Verletzung einer der Dienstpflichten, die zugleich Dritten gegenüber obliegen. Mit anderen Worten: Die Amtspflicht gegenüber Dritten wird aus der internen Dienstpflicht abgeleitet und geht gerade deshalb über die allgemeinen deliktischen Haftungstatbestände hinaus. Die Amtspflicht wird nicht, jedenfalls nicht ausschließlich, durch die Rechte und Pflichten zwischen Verwaltung und Bürger bestimmt 3 6 . Zumeist freilich werden die Rechtspflichten des Staates oder anderer Verwaltungsträger auch Amtspflichten der Beamten begründen, da den zuständigen Amtswaltern dienstlich übertragen ist und übertragen werden muß, diese Pflichten dem Bürger gegenüber zu erfüllen. Es ist aber auch möglich, daß Amtspflichten aus bloßen Verwaltungsvorschriften oder aus Einzelweisungen folgen 3 7 . b) Amtspflicht gegenüber einem Dritten im besonderen. Die Amtspflicht muß (zumindest auch) gegenüber dem betroffenen Bürger bestehen. Die Verletzung von Pflichten, die nur das Interesse des Staates im Auge haben, begründet keine
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Haftung des Staates für rechtswidriges Verhalten seiner Organe. Länderberichte und Rechtsvergleichung, 1967 S. 125; Bender (Fn. 2) Nr. 648ff.; Ossenbühl (Fn. 2) S. 61 f.; Oldiges, Der Staat, 1976, 385ff.; BGH DVB1. 1976, 173, 175. Anders für die Abgeordneten Bettermann, Grundrechte III/2, S. 779, 836. Vgl. Bender (Fn. 2) Nr. 492 ff. ; Ossenbühl (Fn. 2) S. 32 ; Kupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 39 ff. und 271. — Der Beamte, der auf Grund einer rechtswidrigen dienstlichen Weisung handelt, handelt also u. U. persönlich pflichtgemäß, jedenfalls im Zweifel schuldlos. Vgl. dazu Reform des Staatshaftungsrechts — Kommissionsbericht, 1973, S. 37; desgleichen Referentenentwürfe (Fn. 16) S. 54 und BGH NJW 1959, 1629 (auch zum Problem der Remonstrationspflicht). Die Konsequenz aus dieser Auffassung müßte sein, daß die Erteilung einer rechtswidrigen Weisung Amtspflichtverletzung ist. In diesem Sinn Jaenicke (Fn. 35) S. 90, 103 ; Reform des Staatshaftungsrechts, S. 37. Der BGH will in NJW 1971, 1699 diese Folgerung für generelle Weisungen nicht ziehen, da sich Erlasse nicht an Einzelne wendeten und daher außerhalb des Bereichs der dem Bürger gegenüber obliegenden Amtspflichten lägen; vgl. dazu Menger, VerwArch. 63 (1972), 225f.; anders für eine Weisung, die sich nur auf einen bestimmten Personenkreis auswirken konnte, BGHZ 63,319, 324f.; BGH NJW 1977, 713 = JuS 1977, 471 mit Anm. Selmer bestätigt nochmals, daß der angewiesene Beamte nicht pflichtwidrig handelt. Die Haftung trifft jedenfalls bei Einzelweisungen die Anstellungskörperschaft des anweisenden Beamten; vgl. zu diesem Problem Ossenbühl (Fn. 2) S. 36ff. Abweichend von der h.M. verlangt Bettermann, Grundrechte III/2, S. 779, 841 zur Begründung einer Amtspflicht eine Rechtsnorm. Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 64 I b 4 a ; Jaenicke (Fn. 35) S. 95; Bender (Fn. 2) Nr. 501 ; Ossenbühl (Fn. 2) S. 32 f.; B G H VersR 1961, 512. 407
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Amtshaftung 38 . Es besteht hier eine Parallele zum subjektiven öffentlichen Recht, das nach h. M. in ähnlicher Weise abgegrenzt wird 3 9 . Die Rechtsprechung neigt dazu, den Kreis der Amtspflichten gegenüber Dritten im Bereich des öffendichrechtlichen Handelns sehr weit auszudehnen, um dem Bürger die Vorteile der Staatshaftung zu sichern. Wenig Zweifel werfen rechtswidrige Handlungen im Bereich der Eingriffsverwaltung auf. Es gehört zu den Amtspflichten jedes Beamten, in die Rechte der Bürger nicht rechtswidrig einzugreifen. Jeder rechtswidrige Eingriff wird in der Regel auch den Tatbestand einer Amtspflichtverletzung erfüllen. Im Rahmen der Leistungsverwaltung ist die Erfüllung der Rechtsansprüche des Bürgers (einschließlich des Rechts auf rechtsfehlerfreien Ermessensgebrauch) Amtspflicht. Uberhaupt gehört zu den Amtspflichten eine ordnungsgemäße Sachbehandlung. Zum Teil kehren hier die Grundsätze wieder, welche im bürgerlichen Recht bezüglich der Schutz- und Sorgfaltspflicht in einem Schuldverhältnis entwickelt worden sind 40 . So sind amtliche Auskünfte richtig und sorgfältig zu erteilen 41 , Entscheidungen nicht grundlos hinauszuzögern 42 . Das amtliche Handeln muß konsequent sein, durch vorherige rechtmäßige Handlungen begründete berechtigte Erwartungen der Bürger dürfen nicht enttäuscht werden 43 . Amtspflichtwidrig ist auch eine rechtswidrige Erlaubnis, die den Bürger der Gefahr aussetzt, bei einer späteren Rücknahme Schaden zu erleiden 44 . Ganz allgemein nimmt die Rechtsprechung an, daß im Bereich hoheitlichen Handelns die Pflicht des Beamten, kein Delikt im Sinne der §§ 823ff. B G B zu begehen, Amtspflicht gegenüber dem Bürger ist. Jede Verwirklichung eines allgemeinen Deliktstatbestands ist darum Amtspflichtverletzung. Das führt zu der merkwürdigen Konsequenz, daß auch die Beachtung der allgemeinen Pflichten im Straßenverkehr zur Amtspflicht wird und der Dienstherr über § 839 B G B i. V. m. Art. 34 G G bei deren Verletzung auf „Hoheitsfahrten" öffentlich-rechtlich hafVgl. dazu B G H Z 65, 182 zur Amtshaftung der Gemeinde, die rechtswidrig das Einvernehmen nach § 36 BBauG verweigert. Vgl. dazu Erichsen § 10 dieses Lehrbuchs. Zum Zusammenhang zwischen Amtspflicht gegenüber einem Dritten und subjektivem öffentlichem Recht vgl. Zuleeg, DVB1. 1976, 518f. ; Buschlinger, DÖV 1964, 797ff., der indes entgegen der h . M . davon ausgeht, eine Amtspflicht müsse auf objektivem Recht beruhen. Ein logisch notwendiger Zusammenhang zwischen subjektivem öffentlichem Recht und Amtspflicht besteht bei Zugrundelegung der h . M . nicht. Insoweit zutreffend Rupp (Fn. 36) S. 271.
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Zu den oft mit Amtshaftungsansprüchen konkurrierenden Ansprüchen aus der entsprechenden Anwendung der Regeln über die vertragliche Haftung vgl. unten § 53 IV. Vgl. etwa B G H N J W 1965, 1226; B G H MDR 1976, 561; B G H N J W 1978, 371. Vgl. dazu für den Fall der Prozeßverschleppung Blomeyer, N J W 1977, 557 ff. Vgl. z . B . B G H N J W 1963, 644. Vgl. dazu die interessante Entscheidung B G H Z 60, 112 betr. eine rechtswidrige Bauerlaubnis; wichtig ist die Abgrenzung zu B G H Z 39, 358 (s. Fn. 50) auf S. 118f.; s. auch schon B G H N J W 1969, 234. Zum Mitverschulden des Bauherrn, der auf eine von vornherein bedenkliche Bauerlaubnis vertraut, vgl. B G H DVB1. 1976, 176.
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tet 4 5 . Die Kritik an diesen Ergebnissen sollte weniger bei dem Begriff der Amtspflicht als bei der übermäßigen Ausdehnung des öffentlich-rechtlichen Handelns ansetzen 4 6 . Grenzfälle, bei denen zweifelhaft ist, ob eine Amtspflicht nur gegenüber der Allgemeinheit oder auch gegenüber dem Bürger, und zwar auch gerade gegenüber dem geschädigten Bürger besteht, treten vielfach bei polizeilichem Handeln auf. An sich ist heute anerkannt, daß die Polizei (hier im weiteren Sinn zu verstehen) nicht nur zugunsten der Allgemeinheit, sondern auch zugunsten des Einzelnen tätig wird. Jedoch ist zu beachten, daß sie grundsätzlich nach dem Opportunitätsprinzip arbeitet, so daß ihr Nichteinschreiten in der Regel rechtmäßig ist und deshalb keine Amtshaftungsansprüche begründen kann. Schon vor der grundsätzlichen Anerkennung eines Anspruchs auf polizeiliches Einschreiten bei sogenannter Ermessensreduzierung 4 7 hatten die Zivilgerichte jedoch anerkannt, daß ein Nichteinschreiten in Fällen offenkundiger schwerer Gefahren Amtspflichtverletzung sein kann 4 8 . Im übrigen gibt es zu diesem Problemkreis eine reichhaltige Kasuistik, die letztlich immer darauf abstellt, welchen Interessen die betreffende Amtspflicht zu dienen hat 4 9 . So soll die Bauaufsicht nicht die Vermögensinteressen des Bauherrn sichern, eine nachlässige Prüfung der Standfestigkeit begründet also bei späterem Einsturz keine Amtshaftungsansprüche 5 0 . Dagegen soll die Pflicht der Kraftfahr45 46 47 48
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Vgl. oben Fn. 17. Vgl. Ruland, BayVBl. 1976, 582f. Vgl. dazu grundlegend B V e r w G E 11, 95. R G Z 147, 144, 147; B G H VerwRspr. 5, 832 und 14, 831; diese Entscheidungen entsprechen der allgemeinen Linie der Rspr. zu Amtspflichtverletzungen bei Ermessensfehlern. Vgl. dazu B G H Z 2 , 2 0 9 , 2 1 4 ; 4 , 3 0 2 , 311 f. ; 12, 206, 208f. ; 45, 143, 145f. N a c h dieser sog. „Willkürrechtsprechung" soll eine Amtspflichtverletzung nur vorliegen, wenn das Verhalten des Beamten mit den an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen schlechterdings nicht zu vereinbaren war. Gegenüber dieser Haltung ist festzuhalten, daß an sich jede rechtswidrige Ermessensausübung Verletzung einer Amtspflicht gegenüber dem Bürger ist, sofern die das Ermessen einräumende N o r m auch die Interessen des Betroffenen schützen will. Eine Amtspflichtverletzung kann daher bei rechtswidriger Ermessensausübung auch dann vorliegen, wenn die rechtmäßige Ermessensausübung zu demselben Ergebnis hätte führen können. Allerdings treten dann Kausalitätsprobleme auf, die das bürgerliche Recht sonst nicht kennt. Die Frage darf nicht lauten: Hätte die Behörde bei rechtmäßiger Ermessensausübung anders entscheiden müssen?, sondern: Hätte sie anders entschieden? ( z . B . nach ihrer sonstigen Übung). Vgl. zu diesem Problemkreis Bender (Fn. 2) N r . 550ff., 5 6 5 f . ; B G H N J W 1959, 1316, 1317 (nur zur Kausalität). Dazu zusammenfassend mit vielen Nachweisen B G H N J W 1977, 1875, 1876ff. (Bummelstreik der Fluglotsen), wo der B G H mit etwas gewundener Begründung die Verletzung einer Amtspflicht gegenüber dem Kläger bejaht. B G H Z 39, 358, 3 6 2 f f . ; B G H N J W 1965, 200 (technische Aufsicht über Seilbahn); ähnlich B G H N J W 1973 , 458 (kein Schutz eines eventuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs durch die TOV-Prüfung).
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zeugzulassungsstelle, sich bei jeder Befassung mit einem Kraftfahrzeug, insbesondere bei einem Eigentümerwechsel, den Kraftfahrzeugbrief vorlegen zu lassen, Amtspflicht gegenüber dem Eigentümer und sonstigen dinglichen Berechtigten 5 1 , aber nicht gegenüber potentiellen Käufern sein 52 . Die Pflichten der Versicherungsaufsicht bestehen nach der sehr bedenklichen Ansicht des B G H nicht gegenüber Versicherten und eventuellen Verkehrsopfern 53 . Dagegen nimmt der B G H eine Amtspflicht der Beamten der Grenzzollstellen gegenüber jedem inländischen Verkehrsteilnehmer an, die Haftpflichtversicherung ausländischer Kraftfahrzeuge zu überprüfen 54 . Die Stiftungsaufsicht dient auch den Interessen der Stiftung selbst 55 . Sonderprobleme wirft die Amtshaftung gegenüber anderen Verwaltungsträgern auf. Sie tritt dort nicht ein, wo der eine Verwaltungsträger Aufgaben des anderen in dessen Auftrag erfüllt, z. B . nicht bei Fehlern der übergeordneten Behörden, die bei den in Auftragsverwaltung handelnden Gemeinden zu Schäden führt. Insoweit wird die Verwaltung als Einheit betrachtet. Die untergeordnete Körperschaft steht der übergeordneten nicht wie ein geschädigter Bürger in Vertretung widerstreitender Interessen gegenüber. Anders ist es bei Eingriffen in den Bereich der Selbstverwaltung. Sie können den Staat zum Schadensersatz gegenüber Gemeinden oder anderen Trägern der Selbstverwaltung verpflichten 56 . O b es eine Amtshaftung wegen rechtswidriger Rechtssetzung oder der rechtswidrigen Unterlassung der Rechtssetzung geben kann, ist umstritten. Nach dem weiten Beamtenbegriff, der für die öffentlich-rechtliche Amtshaftung gilt, kann, wie bereits erwähnt, die Beamteneigenschaft der Parlamentarier kaum mehr verneint werden Der B G H meint jedoch, daß Pflichten zur Rechtssetzung — von besonderen Ausnahmefällen, etwa bei Einzelfall- oder Maßnahmegesetzen abgesehen — nur gegenüber der Allgemeinheit bestünden, so daß es an der Amtspflicht gegenüber einem Dritten fehle 57 . 51 52
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Β GHZ 10, 122, 125; BGHZ 30, 374; vgl. auch BGHZ 10, 389. BGHZ 10, 122, 125; vgl. auch BGHZ 18, 110, 113ff.; etwas großzügiger BGH NJW 1965, 911 (leichtfertiger Umgang mit Vordrucken für Kraftfahrzeugbriefe); vgl. zu diesem Komplex Schlechtriem, NJW 1970, 1994 f. BGHZ 58,96; dagegen mit Recht Scholz, NJW 1972, 1217ff. Einschränkend auch BGHZ 63, 35, 41 f. zu den Amtspflichten des Nachlaßrichters; BGH NJW 1976, 103 betr. Zollbehandlung; BGHZ 65, 196 betr. Wehrdienstausnahme. BGH NJW 1971, 2222. BGHZ 68, 142, 145f. Vgl. zu diesem Problemkreis BGHZ 32, 145,; 60, 371; BGH DVBl. 1974, 592; Bender (Fn. 2) Nr. 539ff.; Ossenbühl (Fn. 2) S. 41; Schmitt, DVBl. 1977, 700. BGHZ 56, 40, 44ff. = NJW 1971, 1172 mit Anm. Schwabe auf S. 1657; BGH DVBl. 1976, 176 hält eine Amtspflicht gegenüber dem Eigentümer beim Erlaß eines Bebauungsplans für möglich. Im Sinn des BGH sach Jaenicke, VVDStRL20 (1963), 135, 150 -,Schuck, DÖV 1971, 446ff.; Ossenbühl (Fn. 2) S. 60ff.; kritisch zum BGH Menger, VerwArch. 63 (1972), 81, 84ff. und Schröder, JuS 1973 , 355, 358ff. ; bei grundrechtsverletzenden Gesetzen will Haverkate, NJW 1973 , 441, 442ff. eine Amtspflichtverletzung gegenüber
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4.
§51
II 4
Verschulden
a) Grundsätzliches. § 839 BGB setzt als Deliktstatbestand des bürgerlichen Rechts Verschulden voraus. Dafür gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts, insbesondere gilt auch für § 839 der objektivierte Schuldbegriff. Die Rechtsprechung stellt auf den pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten der entsprechenden Amtsstellung ab, so daß eine besondere individuelle Einfältigkeit die Haftung nicht ausschließt58. Die Verschuldenshaftung kommt dadurch einer objektiven Haftung bereits nahe, und die h. M., die seit langem nicht mehr die Namhaftmachung des handelnden schuldigen Beamten verlangt, zieht daraus die richtige Konsequenz59. Am mangelnden Verschulden wird darum eine Amtshaftungsklage nur in Ausnahmefällen scheitern60, etwa bei der Anwendung unerkannt verfassungswidriger Gesetze61 oder überhaupt bei zweifelhafter Rechtslage62. Aus dem letztgenannten Grund werden freilich nicht ganz selten Klagen abgewiesen, zumal die Rechtsprechung den Grundsatz herausgearbeitet hat, ein Schuldvorwurf sei in der Regel nicht aufrechtzuerhalten, wenn die Rechtmäßigkeit des Amtshandelns von einem Kollegialgericht gebilligt worden sei 63 . Eine Amtshaftungsklage kann daher in den oberen Instanzen keinen Erfolg mehr haben, wenn eine Instanz die Amtshandlung für rechtmäßig gehalten hat. b) Modifizierung der Haftung nach dem Grad des Verschuldens. Im Gegensatz zum allgemeinen bürgerlichen Recht ist der Grad des Verschuldens bei der Amtshaftung nicht ohne Bedeutung. Die höchsten Anforderungen werden an das Verschulden der Richter gestellt: Eine Amtshaftung gibt es beim Urteil in einer Rechtssache nur bei vorsätzlicher Rechtsbeugung (§ 839 Abs. 2 BGB) 6 4 .
58
59
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64
dem Grundrechtsträger annehmen. Vgl. auch Dagtoglou, Ersatzpflicht (Fn. 35) S. 38ff., der — insbesondere bei Maßnahmegesetzen — für eine recht weitgehende Annahme von Amtspflichten eintritt; ders., BK, Art. 34 GG Rn. 432 m.w.N. Im Fall der Unzurechnungsfähigkeit sehen die Haftungsgesetze des Reichs und verschiedener Länder gleichwohl eine Billigkeitshaftung vor. Vgl. § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Haftung des Reichs für seine Beamten; dazu Bender (Fn. 2), Nr. 251. RGZ 100, 102; BGH WM 1960, 1304, 1305; dazu Ossenbühl (Fn. 2) S. 46f.; Schmitt, DVB1. 1977, 700 f. Vgl. Kommissionsbericht (Fn. 36), S. 153 f. und Referentenentwürfe (Fn. 16) S. 67 ff. Oldiges, DÖV 1977, 76. Zur Pflicht, die höchstrichterliche Rspr. zu beachten, vgl. Ossenbühl (Fn. 2) S. 44 ff. BGH NJW 1957, 1835; BGHZ 27, 338, 343 = NJW 1959, 35 mit kritischer Anm. Dahs; BGH NJW 1971, 1699, 1701; BGH DVB1. 1976, 173, 176; OVG Koblenz ZBR 1976, 347 (mit Einschränkung, wenn in der Berufungsinstanz neue Tatsachen vorgebracht wurden). Vgl. dazu Ossenbühl (Fn. 2) S. 58 ff. m. w . N . ; BGHZ 64, 347. Eingehend und kritisch zur Rspr. Merten, in: Festschrift für W. Wengler, Bd. II, 1973 S. 519ff., der § 839 Abs. 2 BGB zu Recht nicht als Richterprivileg verstanden wissen will, sondern die ratio legis im Schutz der Rechtskraft sieht. 411
§51
II 4
Wolfgang Riifner
Im übrigen besteht eine unbedingte Ersatzpflicht nur bei vorsätzlicher Amtspflichtverletzung. Bei Fahrlässigkeit tritt die Haftung nur ein, wenn der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag (§ 839 Abs. 1 S. 2 B G B ) 6 5 , Die Amtshaftung wird dadurch zu einer Aushilfshaftung, an welche die Rechtsprechung im Gegensatz zu ihrer sonstigen Tendenz zur Großzügigkeit hohe Anforderungen stellt. Insbesondere sieht sie das Fehlen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit als anspruchsbegründendes Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes an, das der Kläger darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat 6 6 . Auf andere Anspruchsgrundlagen zurückzugreifen, ist ihm oft nicht möglich, da § 839 B G B alle sonstigen Deliktstatbestände des B G B ausschließt. Es gilt also hier insoweit nicht das im B G B gültige Prinzip der Anspruchskonkurrenz. Die Konsequenzen aus der Subsidiarität des § 839 B G B sind wesentlich, vor allem wenn für einen Schaden eine Versicherung des Klägers aufkommt. Für Beschädigung eines kaskoversicherten Wagens oder für Gesundheitsschäden, die durch eine gesetzliche oder freiwillige Kranken- oder Unfallversicherung gedeckt sind, tritt dann in aller Regel keine Amtshaftung ein. Es entfällt der sonst vorgeschriebene Ubergang des Anspruchs auf die leistende Versicherung, weil der Anspruch von vornherein nicht entstanden ist 6 7 . Die Versicherung selbst hat keinen Anspruch, weil ihr gegenüber keine Amtspflicht besteht. Die Subsidiarität schließt eine gesamtschuldnerische Haftung des Staates und eines Dritten, der den Schaden verursacht hat, aus. Soweit der Dritte haftet, besteht für den Geschädigten eine anderweitige Ersatzmöglichkeit, ein Anspruch aus Amtshaftung entsteht nicht. Folglich ist auch für eine Ausgleichspflicht unter Gesamtschuldnern kein Raum. Die Ersatzpflicht ist nicht ausgeschlossen, wenn lediglich Ansprüche gegen die öffentliche Hand als anderweitige Ersatzmöglichkeit in Betracht kommen. Das gilt etwa für Ansprüche aus enteignungsgleichem 65
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67
412
Vgl. dazu kritisch Kommissionsbericht (Fn. 36) S. 38. Siehe ferner grundsätzlich zur Subsidiarität H. Baumann, Gedanken zur Subsidiarität der Amtshaftung, AcP 169 (1969), S. 317ff. ; Futter, Die Subsidiarität der Amtshaftung — Instrument der Haftungslenkung, 1974; Medicus, JuS 1977, 642 f. B G H Z 37, 375, 377ff., auch zum Problem der Abweisung als zur Zeit unbegründet wegen noch möglicher anderweitiger Ersatzansprüche. Neuerdings zeigt sich eine gewisse Tendenz, die Subsidiaritätsklausel als antiquiert einschränkend auszulegen, vgl. B G H Z 63, 167, 172; bei besonderen Schwierigkeiten, den anderen Ersatzanspruch durchzusetzen, war die Rspr. schon früher großzügiger, vgl. z . B . BGH N J W 1971, 2220; aber auch B G H N J W 1976, 2074. Ständige Rspr., von der nur bei Lebensversicherungen, die ohnehin später ausgezahlt worden wären, eine Ausnahme gemacht wird. Vgl. B G H Z 49, 267, 275ff., dazu kritisch Waldeyer, N J W 1972, 1249ff. ; B G H Z 62, 394 (anders für Grundrente). Vgl. zu diesem Komplex Ossenbühl (Fn. 2) S. 50f.; kritisch Futter (Fn. 65) S. 61 ff.; Ruland, BayVBl. 1976, 583. — Die Amtshaftung beschränkt sich in solchen Fällen praktisch auf das Schmerzensgeld, für das Versicherungen in aller Regel nicht aufkommen. — Die Lohnfortzahlung wird nicht als andere Ersatzmöglichkeit angesehen, vgl. B G H Z 62, 380, 383ff.; B G H N J W 1974, 1816, 1817f„ dazu Ruland, VSSR 1975, 92ff.
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§51
II 5
Eingriff oder aus Aufopferung 6 8 . Dabei schadet es nicht, wenn die Ansprüche sich gegen verschiedene juristische Personen des öffentlichen Rechts richten, sofern die öffentliche Hand nur „in dieser Beziehung wirtschaftlich als ein ganzes" anzusehen ist. Auch eine Verweisung auf konkurrierende öffentlich-rechtliche Körperschaften, die ebenfalls aus Amtshaftung in Anspruch genommen werden können, weil Beamte verschiedener Anstellungskörperschaften den Schaden verursacht haben, ist nicht möglich. Hier tritt vielmehr Gesamtschuldnerschaft ein. 6 9 . Entgegen der bisherigen st. Rspr. 7 0 wendet BGHZ 68, 217 71 die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nicht an, wenn ein Amtsträger bei dienstlicher Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht hat. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn er Sonderrechte nach § 35 StVO nicht in Anspruch genommen hat. Der BGH begründet diese wichtige Änderung seiner Rspr. damit, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer vor dem Haftungsprivileg des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB den Vorrang haben müsse. Er führt damit selbst die übermäßige Ausdehnung der Amtshaftung im Straßenverkehr ad absurdum, kann sich aber nicht dazu entschließen, auch insoweit von der bisherigen Judikatur abzurücken.
5. Mitverschulden
und Versäumung eines Rechtsmittels
Für das Mitverschulden gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln des BGB. Einen Sonderfall regelt § 839 Abs. 3 BGB: Hat der Verletzte es schuldhaft unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, so tritt eine Ersatzpflicht nicht ein. Diese Vorschrift sollte ursprünglich dem Schutz des Beamten dienen, sie hat aber auch unter den heutigen Verhältnissen einen guten Sinn, selbst wenn sie tatsächlich den Staat entlastet. Dem Bürger ist zuzumuten, den voll ausgebauten Verwaltungsrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, um den Schaden abzuwenden. Unter Rechtsmitteln sind alle förmlichen und nichtförmlichen Rechtsbehelfe zu verstehen, also insbesondere Widerspruch und Klage, aber auch Gegenvorstellungen und Dienstaufsichtsbeschwerden, sofern sie geeignet sind, sowohl die amtliche Maßnahme zu berichtigen als auch den Schaden abzuwenden. Ein neues selbständiges Verfahren (einstweilige Anordnung, Verfassungsbeschwerde) wird nicht gefordert 72 .
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BGHZ 13, 88, 104 f.; BGHZ 49, 267, 275 (gilt nicht für Ansprüche gegen Sozialversicherungsträger!); vgl. dazu Ossenbühl (Fn. 2) S. 49 ff. BGHZ 9,65; 13,88,102; Bender (Fn. 2) Nr. 610. Zur Haftung der Europäischen Gemeinschaften vgl. BGH NJW 1972, 383; dazu Ossenbühl (Fn. 2) S. 51 f. Vgl. zu den komplizierten Berechnungen, die bisher erforderlich waren, BGHZ 47, 196; 50, 271; 61, 351. Vgl. dazu Futter, NJW 1977, 1225 ff. BGHZ 28, 104, 106; BGHZ 30, 19, 28; BGH NJW 1960, 1718; BGH NJW 1974, 639 f. 413
§51
III 1 , 2
Wolfgang Rüfner
Das verwaltungsgerichtliche Verfahren wird häufig den Amtshaftungsprozeß präjudizieren. Streitgegenstand der Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt ist auch dessen Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit. Ist ein Verwaltungsakt als rechtswidrig aufgehoben worden, so kann unter denselben Prozeßparteien im Amtshaftungsprozeß nicht mehr die Rechtmäßigkeit behauptet werden und umgekehrt 73 . III. Amtshaftung wegen Verletzung einer Amtspflicht im privatrechtlichen Rechtskreis 1. Haftung des
Beamten
Im Bereich des privatrechtlichen Verwaltungshandelns gilt § 839 BGB noch in seinem ursprünglichen Sinn. Der Beamte haftet persönlich nach der Sondernorm des § 839 BGB, also nicht nach allgemeinem Deliktsrecht. Dadurch wird seine Haftung einerseits erweitert, andererseits durch die in § 839 enthaltenen Beschränkungen, insbesondere durch die Subsidiarität, eingeschränkt. Für den privatrechtlichen Bereich gilt die Erweiterung des Beamtenbegriffs nicht. Eine Eigenhaftung gemäß § 839 BGB kommt daher nur für Beamte im beamtenrechtlichen Sinn in Betracht. Andere Bedienstete des Staates haften nach allgemeinem Deliktsrecht. Der Anwendungsbereich der Eigenhaftung wird dadurch eingeengt, daß die Rechtsprechung den Begriff der Amtspflicht im Bereich des privatrechtlichen Handelns enger auslegt und nicht auf die allgemeinen Pflichten im Verkehr erstreckt. Es muß sich vielmehr um spezifische Dienstpflichten handeln, nicht um jedermann obliegende Sorgfaltspflichten. Als solche kommen etwa die Fahrdienstvorschriften der Bundesbahn74 oder auch Pflichten der Krankenhausärzte75 in Betracht. Insgesamt ist die Eigenhaftung nicht sehr bedeutend, vor allem auch deshalb, weil der Beamte auf den je nach den Umständen aus anderen Rechtsgründen haftenden Dienstherrn als anderweitige Ersatzmöglichkeit verweisen kann 76 . 2. Haftung des Dienstherrn Der Dienstherr haftet für die Amtspflichtverletzungen des Beamten nach allgemeinen Grundsätzen, d. h. soweit nicht Sondergesetze (ζ. B. § 7 StVG, Reichshaftpflichtgesetz) in Frage kommen, gem. den §§89 Abs. 1, 31 BGB, deliktisch 73 74 75 76
414
Ule, VerwprozeßR, S. 167f. m . w . N . B G H L M Fa Nr. 3 zu § 839 BGB. B G H DRiZ 1964, 197. Kritisch zur Anwendung des § 839 BGB im fiskalischen Bereich Ruland, 583 ff.
BayVBl. 1976,
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§51
IV
darüber hinaus gem. § 831 B G B , vertraglich gem. § 2 7 8 B G B . Da auf dem Gebiet des Privatrechts Vertrags Verhältnisse die Regel sind, wird sich sehr häufig eine Haftung des Dienstherrn gem. § 278 B G B ergeben, auf die der Beamte dann verweisen kann 7 7 .
I V . A r t und H ö h e des Schadensersatzes Nach ständiger Rechtsprechung kann auf Grund von § 839 B G B — sowohl bei Übernahme der Haftung durch den Staat wie bei Eigenhaftung des Beamten — nur Geldersatz, nicht Naturalrestitution verlangt werden. Das hat seinen Grund einmal darin, daß jedenfalls im öffentlich-rechtlichen Bereich die Zivilgerichte nicht zur Vornahme amtlicher Handlungen verurteilen können. Sodann kann auf der Grundlage von § 839 B G B nur das verlangt werden, was der Beamte persönlich zu leisten vermag. Er hat persönlich keine Befugnis, über seine Amtshandlungen zu verfügen, sondern ist insoweit den Weisungen seines Dienstherrn unterworfen. Das gilt ζ. B. auch für den Widerruf von Ehrenkränkungen 7 8 . Richtiger Adressat eines Anspruchs auf Naturalrestitution oder Beseitigung einer Beeinträchtigung ist darum der Dienstherr, nicht der Beamte persönlich. Auch der Anspruch auf Naturalrestitution gegen den Staat kann nicht auf § 839 B G B i. V. m. Art. 34 G G gestützt werden, weil auf Grund von Art. 34 G G die Haftung nur so auf den Staat übergeht, wie sie auf Grund von § 839 B G B beim Beamten bestehen würde. Der betroffene Bürger muß sich daher auf andere Anspruchsgrundlagen (öffentlichrechtliche Beseitigungsansprüche, sonstige Schadensersatzansprüche) stützen, wenn er Naturalrestitution wünscht 7 9 . Die Höhe des Schadensersatzes richtet sich nach den allgemeinen bürgerlichrechtlichen Grundsätzen. Zum Schaden gehören auch die Kosten, die für einen gem. § 839 Abs. 1 Satz 2 B G B erforderlichen Prozeß aufgewendet werden mußten 8 0 . Die Rückgriffshaftung des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn ist im Beamtenrecht geregelt, das die Grenzen des Art. 34 S. 2 G G beachten muß. Wegen der Einzelheiten muß auf Darstellungen des Beamtenrechts verwiesen werden 8 1 . 77
78
79 80 81
Das gilt auch für die Haftung aus culpa in contrahendo; insofern sind die von Bender (Fn. 2) Nr. 416—418 angeführten Beispielfälle m.E. nicht richtig entschieden. Vgl. dazu eingehend BGHZ 34, 99 (unter Anerkennung von Ausnahmen bei sehr persönlich geprägten Ehrenkränkungen, S. 107, 110); BGH NJW 1963, 1203; weniger einschränkend Wolff/Bachof, VwR I, § 6 4 I I e 2 und Bender (Fn. 2) Nr. 727f., die Verurteilung zu jeder Leistung zulassen wollen, die keine Amtstätigkeit voraussetzt, also insbesondere zur Leistung vertretbarer Sachen. Praktische Bedeutung dürfte dieser Abweichung nicht zukommen. Abweichend Schleeh, AöR 92 (1967), 58, 80 ff. Vgl. dazu BGHZ 18, 366, 371 f. ; BGH VersR 1962, 740, 742; BGH VersR 1964, 872, 875. Vgl. dazu I. v. Münch, Bes. VwR., S. 56ff. 415
§52
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I1 §52
Enteignung und Aufopferung I. Grundlagen 1. Geschichtliche
Entwicklung
Die Wurzeln des heutigen Enteignungs- und Aufopferungsrechts liegen im ius eminens der absoluten Landesherren. Ihnen wurde das Recht zugestanden, aus besonderen Gründen Rechte der Untertanen gegen Entschädigung zu entziehen. Eine positive Ausprägung fand diese Befugnis in den §§ 74, 75 Einl. A L R : „ § 7 4 . Einzelne Rechte und Vorteile der Mitglieder des Staats müssen den Rechten und Pflichten zur Beförderung des gemeinschaftlichen Wohls, wenn zwischen beiden ein wirklicher Widerspruch (Kollision) eintritt, nachstehen. § 75. Dagegen ist der Staat denjenigen, welcher seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt wird, zu entschädigen, gehalten." Nach diesen Grundsätzen, die gemeinrechtlich auch in den anderen deutschen Ländern galten, war der Staat bei Eingriffen in Vermögenswerte Rechte der Bürger zur Entschädigung verpflichtet. Die Verpflichtung wegen sogenannter Aufopferung hatte indes im 19. Jahrhundert keine sehr große praktische Bedeutung. Von Ausnahmefällen abgesehen 1 , verschaffte sich der Staat die notwendigen Güter auf dem Markt, nur auf Grundstücke mußte er mit Hoheitsgewalt zugreifen. Für die Entziehung von Grundstücken, welche insbesondere im Zuge des Eisenbahnbaus wichtig wurde 2 , wurden detaillierte Enteignungsgesetze erlassen, die teilweise noch heute gelten 3 . Auf ihrer Grundlage konnten durch Verwaltungsakt Grundstücke entzogen oder Rechte an Grundstücken beschränkt werden. Neben diesen Enteignungsgesetzen, welche die heute oft so genannte „klassische Enteignung" 4 regelten, blieben die älteren Grundsätze der Aufopferung in Kraft. Sie hatten freilich nur eine verhältnismäßig unwichtige Auffangfunktion. Dies um so mehr, als in Preußen durch die authentische Deklaration der §§ 74, 75 Einl. A L R in der berühmten Kabinettsordre vom 4. 12. 1831 s ein Entschädigungsanspruch bei Aufhebung oder Beschränkung vermögenswerter Rechte durch Gesetze ausgeschlossen wurde. Zu Lasten überalterter Privilegien hat der Staat des 19. Jahr-
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Sie betrafen vor allem Leistungen an die bewaffnete Macht, vgl. Reichsgesetze vom 13. 6. 1873, RGBl. 129 und vom 13. 2. 1875, RGBl. 52. Vgl. dazu Bullinger, Der Staat 1962, 460 ff. Vgl. insbesondere das preußische Gesetz über die Enteignung von Grundeigentum vom 11. 6. 1874. Vgl. dazu kritisch Scheuner, in: Reinhardt/Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954 S. 85 ff. GS 256.
Offen ti.-rech ti. Schadensers.- u. Entschädigungsleistungen
§52
I1
hunderts vielfach von der Möglichkeit der entschädigungslosen Aufhebung G e brauch gemacht 6 , ein Vorgehen, das damals nicht als Verstoß gegen die in den Verfassungen enthaltenen Eigentumsgarantien aufgefaßt wurde. Einen wesentlichen U m s c h w u n g brachte die Weimarer Reichsverfassung, in deren Artikel 153 es heißt: „ D a s Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen. Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgt gegen angemessene Entschädigung, soweit nicht ein Reichsgesetz etwas anderes bestimmt. Wegen der H ö h e der Entschädigung ist im Streitfall der Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten offenzuhalten, soweit Reichsgesetze nichts anderes bestimmen . . . " U m s t ü r z e n d war daran nur, daß dem Reich die Möglichkeit gegeben w u r d e , Eigentum ohne Entschädigung zu entziehen. T r o t z d e m vollzog sich auf der G r u n d lage des Artikels 153 W R V eine Neuorientierung der gesamten Eigentumslehre. D e n Anstoß gab Martin Wolff in seiner Abhandlung „Reichsverfassung und Eigent u m " 7 , welche den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz auch auf obligatorische Rechte, Wertpapiere, Anteile an Kapitalgesellschaften und überhaupt auf jedes Vermögenswerte private Recht erstreckte. D i e Rechtsprechung ist dem gefolgt. Seither ist der Eigentumsbegriff des Verfassungsrechts weiter als der des bürgerlichen Rechts 8 . D a s R G erweiterte den Eigentumsschutz jedoch auch noch in anderer Hinsicht : E s verlangte nicht mehr E n t z u g und Übertragung des Rechts auf einen Begünstigten (Staat oder privaten Unternehmer), sondern betrachtete als Enteignung auch schon die Beschränkung vermögenswerter Rechte durch Einzelakt. Zudem erkannte es an, daß eine entschädigungspflichtige Enteignung nicht nur auf G r u n d eines Gesetzes, sondern auch durch ein Gesetz möglich war 9 . D a m i t bot die Eigentumsgarantie annähernd denselben Schutz wie die §§ 74, 75 Einl. A L R vor der preußischen Kabinettsordre von 1831. Mit der Ausdehnung des Enteignungsbegriffs wuchsen freilich auch die Abgrenzungsschwierigkeiten. Insbesondere ergaben sich die bis heute nicht völlig geklärten Probleme der A b g r e n z u n g zwischen entschädigungspflichtiger Enteignung und entschädigungslos zulässiger Bestimmung v o n Inhalt u n d Schranken des Eigentums 1 0 . N o c h blieb es allerdings dabei, daß als Enteignung nur die rechtmäßige Entziehung b z w . Beschränkung des Eigentums aufgefaßt wurde. Enteignungsentschädigung gab es also nur bei rechtmäßigen Eingriffen. Wer unter einem rechts6
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9 10
Vgl. dazu Anschürt, VerwArch. 5 (1897), 1, 11; Städter, öffentlich-rechtliche Entschädigung, 1933 S. 67 ff. In: Berliner Festgabe für Wilhelm Kahl, 1923. Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, Art. 153, Anm. 2, S. 704; zur Bewertung vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 1976 S. 93 ff. Vgl. dazu Anschütz (Fn. 8) Art. 153, Anm. 6, S. 709; RGZ 129, 146, 148 f. Vgl. Anschütz (Fn. 8) Art. 153, Anm. 5 f f „ S. 705ff.; Forsthoff, VwR, S. 331ff. 417
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Allgemeines Verwaltungsrecht
§52
12
Wolfgang Riifner
widrigen Eingriff zu leiden hatte, mußte sich mit dem Amtshaftungsanspruch begnügen. Die Grundsätze der Aufopferung, insbesondere die §§ 74, 75 Einl. ALR, galten neben dem erweiterten verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz fort und boten nach wie vor die Möglichkeit, Entschädigung zu gewähren, wo der Schutz der Verfassung versagte. Angesichts der Ausdehnung der Enteignung blieb jedoch der Anwendungsbereich der Aufopferung gering, zumal das RG es - in Anwendung der bereits erwähnten preußischen Kabinettsordre von 1831 - ablehnte, Entschädigung für die Aufopferung immaterieller Rechtsgüter zu gewähren 11 . Das RG hat jedoch in späterer Zeit einen Aufopferungsanspruch wegen rechtswidriger schuldloser Beeinträchtigung vermögenswerter Rechte durch Verwaltungsakt bejaht 12 .
2. Geltendes
Recht
Art. 14 GG enthält gegenüber Art. 153 WRV wesentliche Änderungen: Eine entschädigungslose Enteignung ist ausgeschlossen. Eine Enteignung ist nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zulässig, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. In der WRV war demgegenüber die Entschädigungsregelung „angemessene Entschädigung" in der Verfassung selbst enthalten, so daß in dem enteignenden Gesetz dazu nichts gesagt werden mußte. Das GG macht die Regelung der Entschädigung „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten" zur Bedingung der Gültigkeit des Enteignungsgesetzes (sog. Junktimklausel). Für die Aufopferung gelten nach wie vor die alten Grundlagen, also die §§ 74, 75 Einl. ALR und Gewohnheitsrecht 13 . Wichtiger als die Änderungen der Rechtsgrundlagen sind die Änderungen, welche d e r B G H seit E r l a ß des G G e r a r b e i t e t hat. Bezüglich der rechtmäßigen
Enteignung ist die Praxis grundsätzlich auf der Linie geblieben, die in der Weimarer Zeit vorgezeichnet war. Es gab kein „Zurück zum klassischen Enteignungsbegriff" 14 , vielmehr blieb es dabei, daß die Eigentumsgarantie als Garantie jedes Vermögenswerten Rechts zu verstehen ist. Eine völlige Umgestaltung erfuhr dagegen die Entschädigung für rechtswidrige Eingriffe 15 . Der BGH gewährt seit der berühmten Entscheidung des Großen 11 12
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Davon ist erst BGHZ 9, 83 abgegangen. RGZ 140, 276, 2 8 I f f . ; vgl. dazu Schack, Verhandlungen des 41. Deutschen Juristentags, Bd. I, 1. Halbbd., S. 14ff. ; Scheuner, in: Gedächtnisschrift für W. Jellinek, 1955 S. 331, 340; F. Kreft, Aufopferung und Enteignung, 1968 S. 14 m.w. N. Zum Verfassungsrang der Aufopferung vgl. Ossenbiihl (Fn. 8) S. 80f. ; Wolff/Bachof, VwR I, §61 Ib m.w. N. ; Wolff versteht an dieser Stelle die Aufopferung jedoch in weiterem, die Enteignung einschließendem Sinne. Zur Aufopferung im engeren Sinne vgl. Rüfner, Verhandlungen des 49. Deutschen Juristentags, Bd. I, Gutachten E, S. 36 m. w. N. So der Titel des Aufsatzes von Dürig, JZ 1954, 4 ff. Vgl. zu dieser Entwicklung Scheuner, JuS 1961, 243, 244ff.; auch den. (Fn. 12) S. 340f., wo mit Recht auf die Fortführung des Ansatzes von RGZ 140, 276, 28Iff. hingewiesen
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§52
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Senats für Zivilsachen v o m 9./10. 6. 1952 1 6 Entschädigung wegen „enteignungsgleichen E i n g r i f f s " auch für rechtswidrige Eingriffe, die im Falle ihrer Rechtmäßigkeit als Enteignung zu betrachten wären. E s gibt seitdem den Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff, der regelmäßig, wenn auch nicht notwendig, mit dem Amtshaftungsanspruch konkurriert, also auch bei schuldhaft rechtswidrigem hoheitlichem Eingriff angenommen wird 1 7 . D a s Argument dafür war ein zweimaliges „erst recht" : Wenn schon ein rechtmäßiger Eingriff einen Entschädigungsanspruch auslöst, dann erst recht ein rechtswidriger 1 6 ; und wenn schon ein rechtswidrig schuldloser, dann erst recht ein rechtswidrig schuldhafter 1 7 . Diese Rechtsprechung des B G H hat sich inzwischen so durchgesetzt, daß sie de lege lata kaum noch mit Aussicht auf E r f o l g zu attackieren ist 1 8 . O b die so geschaffene partielle, aber sehr weite Bereiche abdeckende objektive Staatshaftung für rechtswidriges H a n d e l n auch bei einer R e f o r m des Staatshaftungsrechts weiterhin auf der Grundlage der Enteignungsentschädigung gewährt werden soll, ist dagegen zweifelhaft 1 9 . D e r Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht gehindert, die Entschädigung für rechtswidrige Eingriffe in Vermögenswerte Rechte von der Enteignung zu lösen. D e r Lehre vom enteignungsgleichen Eingriff k o m m t Verfassungsrang jedenfalls in den Einzelheiten nicht z u 2 0 . Sie ist zwar aus einer Analogie z u Art. 14 G G abgeleitet. Verfassungsrechtlich zwingend an den Folgerungen des B G H ist jedoch allenfalls der Gedanke, daß für rechtswidrige Eingriffe in das Eigentum überhaupt Entschädigung gewährt werden muß. Anspruchsgrundlage und Modalitäten dieser Entschädigung kann der Gesetzgeber regeln, zumal ihm auch bei rechtmäßigen Eingriffen die Regelung von Art und Ausmaß der Entschädigung zusteht. Zur Zeit ist eine solche Regelung auch dem Landesgesetzgeber möglich 2 1 . Der für die A u f o p f e r u n g verbleibende R a u m hat sich durch diese Rechtsprechung weiter verengt. J e d e Beeinträchtigung vermögenswerter Rechte, sei sie rechtmäßig oder rechtswidrig, wird jetzt durch die Enteignung erfaßt. F ü r die A u f o p f e r u n g bleiben nur noch die vermögensrechtlichen Schäden, welche durch Eingriffe in immaterielle Rechtsgüter entstehen, also insbesondere Körper- und Gesundheitsschäden. D i e Terminologie des B G H zur Enteignung aufnehmend, könnte man
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wird; ähnlich Jaenicke, in: Haftung des Staates für rechtswidriges Verhalten seiner Organe, 1967 S. 78. Β G H Z 6, 270. B G H Z 13, 88. Vgl. schon Scheuner (Fn. 12) S. 341; Lerche, JuS 1961, 237, 240. Die Reformbestrebungen gehen in eine andere Richtung, vgl. unten § 54 II. Lerche, JuS 1961,237,240; Reform des Staatshaftungsrechts — Kommissionsbericht, 1973, S. 113. Vgl. Art. 74 Nr. 14 G G . Zur Ausschöpfung der Kompetenz durch einzelne Bestimmungen des Polizeirechts vgl. unten § 53 I: die These von Jaenicke (Fn. 15), das gesamte Staatshaftungsrecht — abgesehen von den landesrechtlichen Ausschlußtatbeständen zu Art. 34 G G — sei Bundesrecht, ist zu undifferenziert. Vgl. zu diesem Problemkreis Zuleeg, DVB1. 1963, 320 ff. 419
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auch hier zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem Eingriff durch die Benennung Aufopferung und aufopferungsgleicher Eingriff unterscheiden 22 . O b die Einteilung des B G H : Enteignungsentschädigung für Eingriffe in Vermögenswerte Rechte, Aufopferungsentschädigung für Eingriffe in nicht vermögensweite Rechte richtig und zweckmäßig ist, ist aus verschiedenen Gründen zu bezweifeln 2 3 . Es empfiehlt sich jedoch, um die ohnehin schon beträchtliche Verwirrung auf diesem Gebiet nicht noch zu vergrößern, bei der inzwischen üblich gewordenen Terminologie des B G H zu bleiben.
II. Rechtmäßige Enteignung im einzelnen 1.
Zulässigkeitsvoraussetzungen
Wie jeder Eingriff in die Rechte des Bürgers bedarf die Enteignung gem. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 G G einer gesetzlichen Grundlage. Das Gesetz kann, wie jetzt ausdrücklich festgelegt ist, auch selbst unmittelbar enteignen 2 4 . Diese formelle Schranke genügt indes nicht allein: Jede Enteignung — außer der Sozialisierung, vgl. Art. 15 G G — muß dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Diese Voraussetzung ist gewiß unbestimmt, aber in der Lage, negativ manche denkbaren Zielsetzungen (rein fiskalische Interessen, rechtswidrige Begünstigung bestimmter Unternehmen) auszuschließen 25 . Als weitere wichtige Schranke ist das allgemeine Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten: Der schwere Eingriff in das Eigentum darf nicht außer Verhältnis zu dem Nutzen stehen, den die Allgemeinheit daraus ziehen soll 2 6 . Schließlich ist, wie bereits erwähnt, Grundbedingung für jedes 22
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Vgl. dazu Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1974, Nr. 114, der zu dieser in der Literatur nicht unüblichen Unterscheidung kritisch bemerkt, daß die Rechtmäßigkeit nicht wesensmäßig zur Aufopferung gehöre — anders als bei der Enteignung. Die Rspr. spricht nicht vom aufopferungsgleichen Eingriff, vgl. Kreft (Fn. 12) S. 17. Anders z.B. Wolff/Bachof, VwR I, § 61. Dazu einschränkend Ossenbühl (Fn. 8) S. 138 unter Hinweis auf BVerfGE 24, 367, 402f. BVerfG NJW 1977, 2349, 2350 ff. hat nochmals den Ausnahmecharakter der Legalenteignung betont, den Unterschied zwischen Enteignung durch Gesetz und Enteignung auf Grund eines Gesetzes scharf herausgestellt und eine Vermischung von Legal- und Administrativenteignung für unzulässig erklärt. Vgl. W. Weber, Grundrechte II, S. 331, 382f.; Kimmmicb, BK, Art. 14 GG, Rn. 274ff.; BVerwGE 4, 185, 187f. stellt die Beurteilung in das Ermessen der Enteignungsbehörde; zustimmend Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 14 Rn. 110. Die Grenzen des Ermessens, innerhalb dessen die Behörde das Für und Wider abzuwägen hat, sind gerichtlich nachprüfbar. Wird der Enteignungszweck nicht verwirklicht, hat der Enteignete Anspruch auf Rückübereignung, vgl. BVerfGE 38, 175; vgl. dazu Kimminich, DÖV 1975, 314ff. ; v. Mutius, VerwArch. 66 (1975), 283ff. Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 14 Rn. 109 und 110a; Kimminich, BK, Art. 14 GG Rn. 277ff.; aus der Rspr. vgl. insbesondere BVerwGE 19, 171.
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verfassungsmäßige Enteignungsgesetz, daß Art und Ausmaß der Entschädigung im Gesetz selbst geregelt sind 2 7 . Diese Junktimklausel gilt allerdings nur für nachkonstitutionelle Gesetze. Für vorkonstitutionelle Gesetze ist grundsätzlich anzunehmen, daß mangels besonderer Vorschriften die Regelung der Weimarer Reichsverfassung („angemessene Entschädigung") gilt 2 8 . Im übrigen sind die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Enteignung zu beachten, die sich aus den Enteignungsgesetzen ergeben. Das Enteignungsverfahren richtet sich auch für auf Bundesrecht beruhende Enteignungen nach den Landesgesetzen, soweit das Bundesrecht keine Regelung enthält 2 9 .
2. Tatbestand
der
Enteignung
a) Objekt der Enteignung. Objekt der Enteignung können heute alle privaten Vermögenswerten Rechte sein, also neben dem Sacheigentum auch Forderungen, Mitgliedschaftsrechte, nicht zuletzt auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Streitig war längere Zeit, ob auch Rechte des öffentlichen Rechts unter den Eigentumsschutz fallen können. Heute ist richtig erkannt, daß es nicht auf die formale Zurechnung eines bestimmten Anspruchs zum privaten oder zum öffentlichen Recht ankommt, sondern darauf, ob der Betroffene sein Recht durch eigene Leistung oder eigenen Kapitalaufwand erworben hat. Es können daher ζ. B . auch Ansprüche aus der Sozialversicherung zum geschützten Eigentum gehören 3 0 . Eine für den Tatbestand der Enteignung wie für die Bemessung einer etwaigen Entschädigung wichtige Begrenzung ergibt sich daraus, daß die Eigentumsgarantie nur gegenwärtige konkrete Werte schützt. Zukunftschancen, insbesondere die mögliche Entwicklung eines Gewerbebetriebs oder die Entwicklung eines Grundstücks zum Bauland, bleiben außer Betracht. Die Eigentumsgarantie beschränkt sich auf den Bestandsschutz 3 1 .
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Vgl. BVerfGE 4, 219. Zu den Problemen, die sich hieraus ergeben, vgl. Ossenbühl (Fn. 8) S. 139f., der auf die bedenkliche Praxis hinweist, die Junktimklausel durch bedingte Bewilligung einer Entschädigung für den Fall einer Enteignung zu umgehen. Vgl. BVerfGE 4, 219, 326f. ; soweit ein älteres Gesetz die Entschädigung ausdrücklich ausgeschlossen oder niedriger als in Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG vorgeschrieben geregelt hatte, ist es nach Inkrafttreten des GG nicht mehr anwendbar. Vgl. Maunz, in: Maunz/ Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 14 Rn. 130 m.w.N. Vgl. Β GHZ 64, 361; BVerfG NJW 1977, 2349, 2350. Vgl. BSGE 14, 133, 137; BVerwGE 22,241,253. Vgl. zu diesem Problem Ossenbühl (Fn. 8) S. 103ff. m.w.N. Vgl. die allerdings zu Fällen rechtswidriger Verwaltungsmaßnahmen ergangenen Entscheidungen Β GHZ 34, 188; BGH NJW 1962, 2347; ferner BGHZ 57, 359, 368ff. (ablehnend bei Verhinderung einer Umsatzsteigerung) ; BVerwG NJW 1976, 705, 706. — 421
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N i c h t als Enteignung sind daher Beschränkungen anzusehen, die d e m Eigentümer nichts wegnehmen, sondern lediglich den bisherigen Zustand festschreiben. Auf eine Fortentwicklung seines Eigentums zu höheren Werten und besserer Nutzbarkeit hat niemand Anspruch. Insbesondere bedeutet es keine Enteignung, wenn ein bisher landwirtschaftlich genutztes Grundstück kein Bauland wird, und zwar selbst dann nicht, wenn andere Grundstücke in der Nähe bebaut werden können32. Andererseits ist der Entzug vorhandener rechtlich geschützter Eigentümerbefugnisse grundsätzlich als Enteignung zu bewerten : So sind Beschränkungen einer bisher vorhandenen Bebaubarkeit eines Grundstücks als Enteignung anzusehen, „wenn dadurch eine nicht nur unwesentliche Wertminderung des Grundstücks eintritt" (so § 44 Abs. 1 B B a u G in Kodifikation der Rechtsprechung des - B G H ) . Wird also ein Baugrundstück einer G r ü n z o n e zugeschlagen oder die Ausnutzung von bisher sechs auf vier Geschosse vermindert, so ist zu entschädigen 3 3 . Aus diesen Gründen kann es auch keine Enteignung durch Unterlassen geben. Unterlassen — zumindest rechtmäßiges Unterlassen 3 4 — könnte allenfalls etwas vorenthalten, aber niemals ein bestehendes Recht vermindern. b) Abgrenzung von Enteignung und Eigentumsbeschränkung. Seit der Enteignungsbegriff nicht mehr auf E n t z u g und Übertragung vermögenswerter Gegenstände beschränkt ist und auch andere Eingriffe in das Eigentum als Enteignung angesehen werden, stellt sich das Problem der Abgrenzung der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums und der Enteignung. Das G G läßt eine Bestimmung von Inhalt und Schranken ohne Entschädigung zu. Wird jedoch die
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Auf die verfahrensrechtliche Stellung des Bürgers kommt es dabei nicht an, auch die Verweigerung der Erlaubnis zur Weiterführung eines bestehenden Betriebes kann Entschädigungsansprüche auslösen, vgl. B G H DVB1. 1972, 827. Insofern ist die Theorie von der Sozialpflichtigkeit (vgl. dazu unten c) in B G H Z 23, 30 (Eintragung eines Grundstücks in ein Grünflächenverzeichnis) an einem Fall entwickelt worden, der sich ohne sie hätte lösen lassen. Dies allerdings nur, wenn — was aus der Entscheidung nicht klar hervorgeht — dem Grundstück bisher rechtlich keine Baulandqualität zukam. Vgl. BVerwGE 5, 143 und 3 , 3 3 5 ; B G H LM Art. 14 G G C b Nr. 5f weist (Bl. 2) ausdrücklich darauf hin, daß nur eine Beschränkung, welche die bisherige Nutzungsart nicht beeinträchtige, entschädigungslos zulässig sei. Zum Bestandsschutz als einem wesentlichen Element der Rspr. des B G H vgl. Ossenbiihl (Fn. 8) S. 123. Als problematisch haben sich die Lagevorteile eines Grundstücks erwiesen. Auf sie besteht grundsätzlich kein rechdich geschützter Anspruch. Insofern ist der Ausgangspunkt von B G H Z 48, 46 (Wannseefall) richtig: Veränderungen in der rechtlichen Behandlung der Nachbargrundstücke lösen keine Entschädigungsansprüche aus. Das BVerwG nimmt aber dann einen enteignenden Eingriff an, wenn ein Grundstück durch eine Veränderung der vorhandenen Situation schwer und unerträglich beeinträchtigt wird. Insoweit entspricht eine situationsbedingte Berechtigung der unten unter c) behandelten Sozialpflichtigkeit. Vgl. BVerwGE 32, 173, 178f. ; 44, 244, 246f. ; BVerwG DVB1. 1974, 771; D Ö V 1976, 389; DÖV 1977, 752. Die Fälle des rechtswidrigen Unterlassens liegen etwas komplizierter. Vgl. dazu unten III l b a . E .
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nicht zuletzt mit Rücksicht auf Art. 14 Abs. 2 G G zu ziehende Grenze der Inhaltsund Schrankenbestimmung 3 S überschritten, tritt Entschädigungspflicht ein. Aber nicht nur das : Wegen der Junktimklausel muß der Gesetzgeber die Nichtigkeit jedes Gesetzes gewärtigen, dessen enteignende Wirkung er nicht erkannt hat. Das stellt ihn oft vor das Problem, entweder die Nichtigkeit zu riskieren oder vielleicht mehr zu geben, als das G G fordert. D e r Gesetzgeber hat daher neuerdings oft den Ausweg beschritten, eine Entschädigung unter der Voraussetzung einer Enteignung zu gewähren, die Frage der Enteignung also nicht — wie es Zweck der Junktimklausel ist — selbst zu entscheiden, sondern auf die Gerichte abzuwälzen 3 6 . Ein scharfes Verdikt gegen diese Praxis 3 7 fällt schwer, weil oft nicht vorhersehbar ist, ob und inwieweit Maßnahmen enteignend wirken. Ausgangspunkt der Diskussion über die Abgrenzung der Enteignung waren die sogen. Einzelaktstheorie des R G 3 8 und die Schutzwürdigkeitstheorie von W . Jellinek 3 9 . Das R G stellte darauf ab, o b ein Einzeleingriff in die Rechte bestimmter Personen vorlag und nur einzelnen Eigentümern ein besonderes Opfer zugunsten der Allgemeinheit auferlegt wurde. Die Schutzwürdigkeitstheorie sah dagegen die Schwere des Eingriffs als entscheidend an. In der heutigen Rechtsprechung neigt der B G H mehr der Einzelaktstheorie, das B V e r w G mehr einer fortentwickelten Schutzwürdigkeitstheorie zu 4 0 . Es ist jedoch nicht mehr berechtigt, von einem grundsätzlichen Gegensatz der beiden obersten Bundesgerichte zu sprechen 4 1 . Der B G H hatte von vornherein nicht 35
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Es hat wenig Sinn, Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) und Sozialbindung (Art. 14 Abs. 2 GG) scharf gegeneinander abzugrenzen. Vgl. Maunz, in: Maunz/Diirig/H erzog/Scholz, GG, Art. 14 Rn. 47. Anders Forsthoff, VwR, S. 343 f. Selbständige Bedeutung kann Art. 14 Abs. 2 GG allerdings insoweit erlangen, als sich aus ihm unmittelbar Schranken des Eigentums ergeben können. Vgl. v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 14 Anm. V 2, S. 433f.; jedoch zweifelnd ders., Anm. 115; die h.M. sieht Art. 14 Abs. 2 jedenfalls als unmittelbar geltendes Recht an, vgl. Kimminich, BK, Art. 14 Rn. 110; Dicke, in: I. v. Münch, Grundgesetz, Kommentar, Bd. I, 1974, Art. 14 Rn. 44 m.w. N. Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 14 Rn. 126; Gronefeld, Preisgabe und Ersatz des Enteignungsrechtlichen Finalitätsmerkmals, 1973, S. 66ff. ; Ossenhiihl (Fn. 8) S. 139f. Vgl. die harte Kritik bei Rausch, DVB1. 1969, 167, 168; sehr viel vorsichtiger Kreft (Fn. 12) S. 24f.; Gronefeld (Fn. 36) S. 66ff. läßt die vorsorgliche Entschädigungsregelung genügen. Zur Möglichkeit, das Problem durch eine andere Begrenzung des Enteignungsbegriffs zu lösen, vgl. Hesse, VerfR, S. 186. RGZ 129, 146, 149. Jellinek, VwR, S. 412 ff. Vgl. zum Ausgangspunkt in der Nachkriegszeit Β GHZ 6, 270, 280; BVerwGE 5, 143, 145. Vgl. zu dieser Bewertung des „Theorienstreits" Hesse, VerfR, S. 185 ; Maunz, in : Maunz/ Durig/Herzog!Scholz, GG, Art. 14 Rn. 89ff.; Kreft (Fn. 12) S. 18, der mit Recht feststellt, daß ein grundlegender Unterschied unter den höchsten Gerichten (neben BGH und BVerwG auch BSG und BVerfG) nicht mehr besteht; ders., in: Ehrengabe Heusinger 423
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allein formal auf den Einzeleingriff abgestellt, sondern auf den Gleichheitsverstoß, der die Enteignung kennzeichne. Damit war eine wertende Betrachtung, was gleich und was ungleich sei, nicht ausgeschlossen 42 . Andererseits kann das einen Einzelnen treffende Sonderopfer selbst dann unzumutbar sein, wenn eine gleichartige allgemeine Belastung als Sozialbindung entschädigungslos hinzunehmen wäre. Im Prinzip ist daher der Ausgangspunkt der Sonderopfertheorie des BGH zutreffend. Es hat sich jedoch in seiner Rechtsprechung gezeigt, daß das Problem mit einem einzigen Abgrenzungskriterium nicht zu lösen ist. Schwierigkeiten ergeben sich immer wieder bei Maßnahmen, welche Gruppen betreffen, denn der Gleichheits verstoß und damit das Sonderopfer hängen dann davon ab, welche Vergleichsgruppen herangezogen werden 4 3 . Da nicht jede Ungleichbehandlung noch so geringfügigen Umfangs als Enteignung betrachtet werden kann, muß ein Gleichheitsverstoß von einiger Erheblichkeit gefordert werden ; die von der Eigentumsgarantie vorausgesetzte Opfergrenze muß überschritten sein 44 . Es muß also eine materielle Bewertung einsetzen, so daß trotz einer formellen Ungleichbehandlung im Grenzfall eine Enteignung zu verneinen ist. Andererseits gibt es auch Fälle der Enteignung trotz gleichmäßiger Belastung. So hat der BGH von Anfang an Entziehung und Übertragung von Eigentum aus dem Begriff der entschädigungslosen Eigentumsbeschränkung ausgeschieden und die Beachtung des Wesensgehalts des Eigentums verlangt 4 5 . Keinesfalls darf die Sozialbindung des Eigentums — und wäre sie auch allgemein und gleichmäßig — so weit gehen, daß ein Gegenstand für den Eigentümer keinen Nutzen mehr hat, also seine Privatnützigkeit verliert. Diese äußerste Schranke der Eigentumsbindung herausgearbeitet zu haben, ist das Verdienst der sogenannten Privatnützigkeitstheorie von Reinhardt 4 6 . Letztlich ent-
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1968 S. 167ff. Ähnlich, aber differenzierter Bender, NJW 1965, 1297ff.; Ossenbühl (Fn. 8) S. 121 ; Krumbiegel, Der Sonderopferbegriff in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, 1975 S. 102 ff. Kritisch zur Rspr. Schneider, DÖV 1965, 292 ff. BGHZ 60, 126, 132 stellt ausdrücklich auf die Schwere des Eingriffs ab, um die Sozialbindung einzugrenzen. In diesem Sinn auch schon BGHZ 8, 273, 275f., wo allerdings noch von Aufopferung gesprochen wird. Vgl. zu diesem Problemkreis Leisner, Sozialbindung des Eigentums, 1972, S. 132 ff. Zum materiellen Sonderopferbegriff des BGH vgl. Krumbiegel (Fn. 41) S. 77ff. Vgl. dazu Krumbiegel (Fn. 41) S. 37ff. Vgl. BGHZ 57, 359, 366; BGH NJW 1976, 1840, 1841; Krumbiegel (Fn. 41) S. 76. BGHZ 6, 270, 2 7 8 f . ; 53, 226, 2 3 4 f f . ; vgl. dazu Kreft (Fn. 41) S. 167, 177; Leisner (Fn. 42) S. 199ff. Problematisch ist die Bewertung der Umlegung. Soweit nur ein Grundstück an die Stelle eines anderen tritt, kann Enteignung verneint werden. Jedoch ist hinsichtlich des Ersatzgrundstücks Art. 14 Abs. 3 G G analog anzuwenden. In diesem Sinn Wolff/Hachof, VwR I, § 6 2 I X e . Der Grundsatz, daß die Entziehung stets Enteignung sei, gilt allerdings nicht für polizeiliche Maßnahmen gegen den Störer, vgl. u.c. am Ende bei Fn. 55. Reinhardt, in: Reinhardt-Scheuner (Fn. 4) S. lOff. ; in diesem Sinn auch Leisner (Fn. 42) S. 201 ff., wenn auch mit Kritik der Privatnützigkeitstheorie im einzelnen (S. 171 ff.). Vgl. dazu BVerfGE 37, 132, 140.
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scheidend ist der Gedanke der Zumutbarkeit47. Die Kriterien, welche die einzelnen Theorien herausgearbeitet haben, sind Hilfen zur Konkretisierung dessen, was dem Bürger ohne Entschädigung zugemutet werden kann. c) Sozialpflichtigkeit. Insbesondere zur Abgrenzung entschädigungslos zulässiger und enteignender Eingriffe in Grundstücke hat der BGH die Lehre von der Sozialpflichtigkeit, die sich zur Pflicht verdichten kann, entwickelt. Eigentum, insbesondere Grundeigentum, unterliegt kraft der Sozialbindung potentiellen Schranken, die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes rechtlich verbindlich festgelegt werden können, ohne daß eine Entschädigungspflicht eintritt. Dabei wird die Frage des Schutzbereichs des Eigentums mit dem Problem des Eingriffs und des unzumutbaren Sonderopfers oft in kaum trennbarer Weise vermengt48. Die Beschränkungen können sich allgemein aus der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ergeben oder auch durch die besondere Situation eines Grundstücks bedingt sein. Mit Rücksicht auf die Sozialpflichtigkeit hat der Eigentümer ζ. B. eine befristete und für die Planung notwendige Bausperre zu dulden. Eine solche Duldungspflicht besteht grundsätzlich allgemein, ihre Zeitdauer kann jedoch je nach der Situation des Grundstücks und dem deshalb erforderlichen Zeitraum für eine vernünftige Planung länger oder kürzer sein 49 . Ebenfalls mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums rechtfertigt der BGH auch Belastungen, welche durch Anschluß und Benutzungszwang auferlegt werden50. Der Gedanke der Sozialpflichtigkeit läßt mit Rücksicht auf die Situationsgebundenheit eines Grundstücks auch Belastungen zu, die den Eigentümer ungleich gegenüber anderen treffen 51 : So konnte der Eigentümer des sogenannten Buchendoms (einer besonders schönen Gruppe alter Buchen) keine Entschädigung verlangen, als die Bäume unter Landschaftsschutz gestellt wurden und er dadurch
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Vgl. zu den Theorien ausführlich mit umfassenden Nachweisen Kimminich, BK, Art. 14 GG Rn. 125 ff. Badura, AöR 98 (1973), 153, 169. Ausgangspunkt war BGHZ 23, 20, vgl. dazu oben Fußn. 32. Vgl. dazu ferner Kimminich, BK, Art. 14 GG 104 ff. mit ausführlichen Nachweisen. Krumbiegel (Fn. 41) S. 87ff., insbes. S. 108ff., wo herausgearbeitet wird, daß der Gedanke der Sozialpflichtigkeit eine allgemeine Leitlinie in der Rspr. des BGH ist. Vgl. dazu das sog. Freiburger Bausperrenurteil BGHZ 30, 338, dazu Ossenbühl (Fn. 8) S. 126ff.; zur faktischen Bausperre vgl. BGHZ 58, 124, 127ff. ; BGH DVB1. 1973, 142, dazu Schrödter/Schmaltz, DVB1. 1973, 143ff. - Vgl. im übrigen zur Bausperre §§ 14ff. BBauG. Die Rspr. zur Entschädigung von Straßenanliegern bei Bauarbeiten beruht auf ähnlichen Grundsätzen, vgl. dazu u. III 1 b und c bei Fn. 97. BGHZ 40, 355 (Einführung der Müllabfuhr, Klage des bisherigen privaten Unternehmers abgewiesen); BGHZ 54, 293 (Einführung kommunaler Abwasserbeseitigung, Klage eines betroffenen Eigentümers abgewiesen). Vgl. zu diesem Problemkreis Maunz, in: Maunz/ Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 14 Rn. 57; Steinke, DVB1. 1976, 662ff.; kritisch Ossenbühl (Fn. 8) S. 129 ff. So ausdrücklich BGHZ 60, 126, 131 f. ; vgl. Kreft (Fn. 41) S. 167, 178; Krumbiegel (Fn. 41) S. 84f. 425
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in der Nutzung seines Grundstücks beschränkt wurde52. Der BGH meinte, diese Beschränkungen konkretisierten nur die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Dahinter steht, daß ein Eigentümer, der sich dieser Sozialpflichtigkeit bewußt ist, ohnehin den nunmehr ausdrücklich verbotenen Gebrauch von seinem Grundstück nicht machen würde53. Mit diesem Gedanken lassen sich auch Beschränkungen des Eigentums mit Rücksicht auf den Denkmalsschutz rechtfertigen54. Nicht immer unter dem Stichwort der Sozialpflichtigkeit wird die Polizeipflichtigkeit diskutiert. In der Sache ist jedoch grundsätzlich nicht umstritten, daß der Eigentümer für den polizeimäßigen Zustand seiner Sache einzustehen hat. Der Störer darf entschädigungslos in die Schranken des Polizeirechts verwiesen werden, wie überhaupt ein rechtswidriger Zustand oder ein rechtswidriger Gebrauch des Eigentums keine rechtlich geschützten Positionen begründen können 55 . 3.
Entschädigung
a) Grundsätzliches. Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG schreibt vor, die Entschädigung, die in der Regel in Geld besteht, unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen56. Wie sich aus dem Materialien des GG ergibt, wollte der Parlamentarische Rat bewußt nicht die Weimarer Formulierung von der angemessenen Entschädigung in das GG aufnehmen57. Welche Vorstellungen die Abgeordneten im einzelnen hatten, ist nicht mehr festzustellen; sicher scheint jedoch zu sein, daß sie zu einer elastischeren Regelung kommen wollten, als sie die WRV in der Auslegung des RG enthalten hatte 58 . Das BVerfG hat deshalb in einer wichtigen neueren Entscheidung festgestellt, das Abwägungsgebot ermögliche es, auf die Besonderheiten des Sachverhalts Rück52
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BGH LM Art. 14 GG Nr. 60; ähnlich der Kapellenfall: Versagung der Bauerlaubnis für einen Schuppen in der Nähe einer unter Denkmalsschutz stehenden Kapelle BGH LM Art. 14 GG Nr. 70. Vgl. Krumbiegel (Fn. 41) S. 42f. - Zu den Grenzen der Sozialpflichtigkeit vgl. BGHZ 60, 126, 134ff. = DVB1. 1973 , 627 mit Anm. Schmidt-Aßmann; BVerwGE 49, 365, 371 f. Vgl. Leibholz IKlincke, DVB1. 1975, 933ff.; BGH DVB1. 1977, 34. Vgl. dazu Ossenhühl (Fn. 8) S. 131 ff.; Bender (Fn. 22) Nr. 35ff.; Krumbiegel (Fn. 41) S. 107; BGHZ 43, 196, 203; BVerfGE 20, 351, 358ff.; der Grundsatz, daß dem Störer keine Entschädigung gebühre, ist allerdings in wichtigen Fällen von Sondergesetzen durchbrochen, vgl. dazu BGHZ 55, 366 und 60, 126, 140. — Einzelfragen sind bestritten, insbes. ist es fraglich, ob der berühmte Schweinemästerfall richtig entschieden ist, vgl. OVG Münster E 11, 250; BGHZ 4 5 , 2 3 ; dazu Ossenbühl (Fn. 8) S. 132f. m . w . N . ; Schenke, JuS 1977, 789 ff. Vgl. zur Bemessung der Entschädigung ausführlich Kimminich, BK, Art. 14 Rn. 296 ff. mit umfassenden Nachweisen. Vgl. JöR n.F. 1, 152ff., wo nachgewiesen wird, daß alle Anträge, die angemessene oder volle Entschädigung verlangten, abgewiesen wurden. Vgl. Weber, Grundrechte Bd. II S. 389; Scheuner (Fn. 2) S. 128f.; Schuck, DÖV 1966, 549, 551; Leisner (Fn. 42) S. 109f.
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sieht zu nehmen. Eine starre, allein am Marktwert ausgerichtete Entschädigung sei dem G G fremd. D e m Enteigneten müsse nicht stets das volle Äquivalent für das Genommene gegeben werden. D e r Gesetzgeber könne je nach den Umständen vollen Ersatz, aber auch eine darunter liegende Entschädigung bestimmen 5 9 . D e r B G H sieht als Ausgangspunkt einer gerechten Entschädigung den Wiederbeschaffungswert (bei Eigentumsbeschränkungen den Minderwert) an und k o m m t so grundsätzlich zu einer Entschädigung nach Marktwerten, ohne indes die Befugnis des Gesetzgebers zu leugnen, in besonderen Fällen eine niedrigere Entschädigung vorzusehen 6 0 . Man kann darum kaum von einem Gegensatz zwischen BVerfG und B G H sprechen, allenfalls von einer anderen Akzentuierung. Dies um so mehr, als das BVerfG einen außergewöhnlichen Fall einer Gruppenenteignung durch Gesetz zu beurteilen hatte, nämlich die Enteignung der Hamburger Deichgrundstücke 6 1 . D e r B G H hat sich dagegen mit Einzelenteignungen des Alltags zu befassen, für die zudem meist eine Entschädigung nach dem Verkehrswert gesetzlich vorgeschrieben ist 6 2 . F ü r die Einzelenteignung muß es schon aus Gründen der Gleichheit bei der vollen Entschädigung bleiben, denn sie soll das besondere Opfer des Enteigneten ausgleichen. Die Einzelenteignung, ζ. B . für den Bau einer Straße oder für ein gemeinnütziges Unternehmen, trifft den Eigentümer als reiner Zufall und eignet sich nicht für Zwecke der Umverteilung 6 3 . Bei der Gruppenenteignung, u. U . 59 60
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BVerfGE 24, 367, 421. Β G H Z 39, 198, 200; 41, 354, 358; zur Verminderung der Entschädigung in besonderen Fällen vgl. B G H Z 6 , 2 7 0 , 2 9 3 ; 13,395,397. Zur Haltung des BVerwG vgl. BVerwG Buchholz, 424, 10 Nr. 3, S. 11. Vgl. gegen eine Uberbewertung der Entscheidung des BVerfG Weher, in: Festschrift für K. Michaelis, 1972 S. 316, 322; Leisner (Fn. 42) S. 114; Meyer, AöR 97 (1972), 12, 19f.; Rüfner, in: Festschrift für U . Scheuner, 1973 S. 512, 525. Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für W.Weber, 1974 S. 589, 597ff. zur Regelung des BBauG; kritisch dazu Bielenberg, DVB1. 1974, 113ff. Daß der B G H sich in diesem Rahmen bemüht, die Entschädigungen nicht zu hoch werden zu lassen, zeigt z . B . seine Rspr. zur Teilenteignung, vgl. B G H Z 61, 253; s. auch B G H Z 62, 305, 307ff. zur Vorteilsausgleichung, die allerdings aus dem Gleichheitsgedanken beschränkt wird. Vgl. dazu auch B G H WM 1976, 588, 591; B G H N J W 1977, 1817, 1818 (beide Entscheidungen zum enteignenden Eingriff bei U-Bahnbauten). Vgl. zur Beschränkung der Entschädigung auch BGHZ 67, 200, 203 ff. : Der Eigentümer, der Baulandpreise als Entschädigung erhält, kann nicht noch zusätzlich Entschädigung wegen der Folgekosten für seinen landwirtschaftlichen Betrieb erhalten. Vielmehr muß hierauf die Summe, welche wegen einer über die landwirtschaftliche Nutzbarkeit hinausgehenden Qualität bewilligt wurde, angerechnet werden. Vgl. Scheuner (Fn. 4) S. 132, 137; Weher (Fn. 61) S. 323; Rüfner (Fn. 61) S. 514f.; Schmidt-Aßmann (Fn. 62) S. 601 f . ; Kimminich, BK, Art. 14 Rn. 362ff. Anders vor allem Schulthes, Die Höhe der Enteignungsentschädigung vom Preußischen Enteignungsgesetz bis zum Bundesbaugesetz, Diss. Köln 1965 S. 77f. — Einen bemerkenswerten neuen Ansatz wählt Opfermann, Die Enteignungsentschädigung nach dem Grundgesetz, 1974, S. 102ff., der grundsätzlich auf das Kriterium der eigenen Leistung des Enteigneten abstellt. 427
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auch bei der Sozialisierung, muß dagegen das Prinzip der vollen Entschädigung nicht das letzte Wort sein. Hier kann der Gesetzgeber aus besonderen Gründen auch eine niedrigere Entschädigung festsetzen64. b) Folgekosten. Die Entschädigung beschränkt sich, wie seit langem anerkannt und auch in neueren Enteignungsgesetzen festgelegt ist (vgl. §§ 93 Abs. 2, 95, 96 BBauG), nicht unbedingt auf den Wert der entzogenen Substanz. Vielmehr werden in verhältnismäßig engen Grenzen auch andere Vermögensnachteile ausgeglichen, die durch die Enteignung verursacht sind 65 . Hierunter fallen etwa Umzugskosten, Kosten einer Betriebsverlegung, Einbußen durch den Verlust des bisherigen Kundenkreises66, anfallende Umsatzsteuern67, bei Teilenteignung auch Wertminderung des Restgrundstücks68 sowie Kosten der Rechtsverteidigung69. Die Entschädigung muß dagegen nicht garantieren, daß der Enteignete sich real ein entsprechendes Grundstück wiederbeschaffen kann. Sie muß ihm nur das Äquivalent des entzogenen gewähren70. Es bleibt ihm überlassen, wie er die Entschädigung anlegt. Daher erkennt die Rechtsprechung Wiederbeschaffungskosten grundsätzlich nicht als entschädigungspflichtige Folgekosten an 71 . c) Begrenzung der Entschädigung. Zur Begrenzung der Entschädigung achtet der BGH darauf, daß nur „gegenwärtige konkrete Werte" in die Berechnung einbezogen werden, nicht Zukunftschancen und spekulativ überhöhte Werte. Allerdings hat diese Einschränkung keine sehr große praktische Bedeutung, wenn dem Enteigneten das Äquivalent für seinen Verlust gegeben werden soll 72 . Immerhin sind künftige Gewinnchancen, die aus einem Gewerbebetrieb zu erhoffen sind 73 , ebensowenig zu berücksichtigen, wie die künftige Entwicklung eines Grundstücks zum Bauland74. Insofern unterscheidet sich die Entschädigung
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Vgl. dazu im einzelnen Rüfner (Fn. 61) S. 524 ff. Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, NJW 1974, 1265ff.; den. (Fn. 62) S. 590ff. (passim, insbes. S. 602ff. zur neueren Entwicklung des Härteausgleichs); Ossenbiihl (Fn. 8) S. 144f. ; Opfermann (Fn. 63) S. 182ff.; B G H N J W 1977, 1725. Vgl. B G H Z 55, 294; Fernau, Der Betrieb 1976, 2454 ff. B G H Z 65, 253, 261 ff., anders ebenda 256ff. zur Einkommenssteuer. B G H Z 61, 253; auch 67, 190, 197ff. zum „Resthofschaden". B G H Z 63, 81, 83 (nicht für Umlegungsverfahren!). B G H N J W 1966, 497, 498. B G H Z 41, 354, 358ff.; 4 3 , 3 0 0 mit recht enger Interpretation des § 9 6 Abs. 1 Nr. 1 BBauG; kritisch zur engen Auslegung des B G H Schmidt-Aßmann, N J W 1974, 1265, 1269f. Vgl. dazu Rüfner (Fn. 61) S. 520f. Es ist nur eine Nichtberücksichtigung einzelner überhöhter Spekulationspreise, keine Abkehr vom Verkehrswertprinzip möglich. Vgl. B G H Z 57, 359, 368 ff. — Wegen des Ausschlusses eines branchenüblichen Zuwachses vgl. unten III 2 b. Vgl. B G H Z 62, 96; 64, 382, 388ff.; s. auch B G H N J W 1967, 2306: Werterhöhungen, die durch die bevorstehende Enteignung bedingt sind, sind nicht zu berücksichtigen. Dazu gehört auch eine höhere Qualität eines Grundstücks, die dieses Grundstück durch den Bebauungsplan, der Grundlage der Enteignung (hier für Universität) ist, erhalten
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nach wie vor vom Schadensersatz. Bereits v o m sogenannten gesunden Grundstücksverkehr honorierte Bauerwartungen erhöhen indes bei Einzelenteignungen die Entschädigung 7 5 . Ist eine Entschädigung zu niedrig festgesetzt oder verspätet ausgezahlt worden, so ist darauf zu achten, daß der Betroffene insgesamt das Äquivalent für seinen Verlust erhält. In Zeiten steigender Preise sind darum frühere Teilleistungen nach den früheren Wertverhältnissen anzurechnen 7 6 . Derzeit wird vielfach darüber geklagt, daß Enteignete sich an Entschädigungen ungerechtfertigt bereicherten. In der Tat ist die Belastung, insbesondere der G e meinden, durch Enteignungsentschädigungen erheblich, ihre Senkung wäre im allgemeinen Interesse wünschenswert. Es handelt sich jedoch hierbei im allgemeinen kaum um ein Problem der Enteignungsentschädigung. Sie folgt nur den hohen Bodenpreisen, und das ist, wenn die Entschädigung möglichst die Gleichheit zwischen Enteigneten und Nichtenteigneten wahren soll, kaum zu vermeiden. D e r Berechnung müssen zwar nicht immer die höchsten kurzfristig gezahlten Spekulationspreise zugrunde gelegt werden. Aber mit dieser Begrenzung lassen sich allenfalls extreme Maximalforderungen abwenden. Das eigentliche Problem liegt im Bodenrecht, das ungerechtfertigte Gewinne zuläßt, die dann auch bei Enteignungen honoriert werden müssen 7 7 . hat. Als Gegenbeispiel vgl. B G H N J W 1968, 892. — Durch die Ausweisung eines Grundstücks als Gemeinbedarfsfläche kann es schon lange vor der Enteignung von jeder Wertsteigerung durch Qualitätsänderung (in der Diktion des B G H : „von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung") ausgeschlossen werden. Vgl. zu dieser Vorwirkung der Enteignung Β GHZ 28, 160, 162 und B G H N J W 1966, 497 = (ausführlicher) ZMR 1966, 43; B G H Z 64, 382, 384ff.; dazu Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, 1974 S. 239ff., Kulenkamp, NJW 1974, 836ff. § 9 5 Abs. 1 Nr. 3 BBauG schließt die Berücksichtigung jeder Werterhöhung aus, die eingetreten ist, nachdem dem Eigentümer ein angemessenes Kauf- oder Tauschangebot gemacht worden ist. Vgl. dazu B G H N J W 1976, 1499; B G H N J W 1977, 955 = DVBl. 1976, 159 mit Anm. Meilicke; B G H Z 68, 100. 75
Vgl. z . B . B G H Z 39, 198, 202ff.; die Frage, ob die Verfassung das fordert, dürfte zu verneinen sein, vgl. Riifner (Fn. 61) S. 52Iff. — Die Bebauungserwartung gehört jedenfalls als solche nicht zur geschützten Rechtsposition. Das Problem liegt zur Zeit darin, daß die Bauerwartung bei Enteignung eines Grundstücks berücksichtigt wird, aber selbst entschädigungslos entzogen werden kann, wenn das Grundstück nicht enteignet wird. Vgl. B G H Z 63, 240, 2 4 6 f . ; 66, 173, 176f. - Die ab 1. 1. 1977 geltende Neufassung des § 44 BBauG hat auch den Schutz der rechtlich zulässigen, aber nicht ausgeübten Nutzungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt.
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B G H Z 26, 373; B G H Z 44, 52; B G H Z 61, 240; B G H N J W 1976, 1255 und 1499; Fallen der Preise kann sich zum Nachteil des Enteigneten auswirken, vgl. B G H N J W 1977, 1535. Ausführlich zu diesen Problemen Kimminich, BK, Art. 14 Rn. 381 ff. Vgl. Rüfner (Fn. 61) S. 518. — Die neuere Diskussion um die Senkung der Enteignungsentschädigungen ist darum stets verbunden mit der Diskussion der Bodenreform. Vgl. dazu insbes. das Buch von Opfermann (Fn. 63), ferner J. Bauer, Die Behandlung der sogenannten unverdienten Wertsteigerungen bei der Enteignungsentschädigung, insbesondere in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, 1975.
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Allerdings k o m m t es auch nicht selten vor, daß Enteignungsentschädigungen noch über die schon als überhöht angesehenen Marktpreise hinausgehen. D e r G r u n d hierfür liegt in einem unzweckmäßigen Enteignungsverfahren, das eine Verzögerung der Enteignung durch übermäßige Forderungen erlaubt. D a es in Zeiten steigender Baukosten für die öffentliche H a n d häufig wirtschaftlicher ist, einen Uberpreis f ü r den Landerwerb zu zahlen, statt eine Verzögerung und damit zumeist erhebliche Verteuerung des Baus hinzunehmen, hat der Enteignete eine starke Stellung. § 112 B B a u G in der ab 1 . 1 . 1977 geltenden Fassung hat deshalb für seinen Bereich nach dem Muster von § 22 A b s . 5 S t B F G 7 8 eine Trennung der Enteignung vom Streit über die H ö h e der Entschädigung zugelassen. d) Anspruchsgegner. Entschädigungspflichtig ist nach positivem Recht grundsätzlich der Enteignungsbegünstigte, also u. U . auch ein privater Unternehmer, zu dessen Gunsten enteignet wurde. Fehlt ein Begünstigter — wie zumeist bei Eigentumsbeschränkungen im Interesse der Allgemeinheit — so richtet sich der Anspruch gegen den eingreifenden Träger der öffentlichen Verwaltung 7 9 .
III. Enteignungsgleicher und enteignender Eingriff 1.
Tatbestand
a) Rechtswidrigkeit und Ungleichheit. Der enteignungsgleiche Eingriff unterscheidet sich von der Enteignung zunächst durch seine Rechtswidrigkeit. Im übrigen soll er der Idee nach der Enteignung entsprechen. Der B G H definierte ihn ursprünglich ausdrücklich als einen Eingriff, der im Falle seiner gesetzlichen Zulässigkeit als Enteignung zu betrachten wäre 8 0 . Bereits bei der rechtswidrigen Wohnungsbeschlagnahme, die in B G H Z 6, 270 zu beurteilen war, hätte sich jedoch zeigen müssen, daß diese Formulierung nicht ganz richtig w a r : Wäre die Beschlagnahme zulässig gewesen, so wäre sie eine rechtmäßige Eigentumsbeschränkung gewesen. Sie hätte dann, weil allen gleichmäßig durch G e s e t z auferlegt, dem Gleichheitssatz entsprochen. Der B G H hat später selbst zugegeben, daß der enteignungsgleiche Eingriff nicht im Falle seiner gesetzlichen Zulässigkeit als Enteignung qualifiziert werden müßte 8 1 . Vielmehr ist ein enteignungsgleicher Eingriff o f t gerade dann anzunehmen, wenn ein entsprechender rechtmäßiger Eingriff entschädigungslos zu tragen wäre. Die Ungleichbehandlung, welche die Enteignung kennzeichnet, liegt gerade darin, 78 79
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Vgl. dazu Rüfner (Fn. 61) S. 521 ff.; ders., JuS 1973, S. 593, 594 m . w . N . Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 62 V d ; § 40 Abs. 4 BBauG; § 7 des preuß. Enteignungsgesetzes. B G H Z 6, 270, 290. B G H Z 32, 208, 210f.; B G H NJW 1965,1912; vgl. dazu Kreft (Fn. 12) S. 26; sehr kritisch Heidenhain, Amtshaftung und Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff, 1965, S. 109ff.
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daß der Betroffene rechtswidrig und damit über das allen auferlegte Maß hinaus beeinträchtigt wird. Es folgt also aus der Rechtswidrigkeit die Ungleichheit des Eingriffs und das besondere Opfer 82 . So liegt ζ. B. in einer rechtswidrigen polizeilichen Schließung eines Gewerbebetriebes ein enteignungsgleicher Eingriff, für den Entschädigung geleistet wird, nicht obwohl, sondern weil er rechtswidrig war 83 . Ebenso ist die rechtswidrige Versagung einer Bauerlaubnis ein enteignungsgleicher Eingriff 84 . Es fallen nur noch solche rechtswidrigen Staatshandlungen aus dem Begriff des enteignungsgleichen Eingriffs heraus, die überhaupt nicht im Interesse der Allgemeinheit liegen85, sondern im privaten Interesse, für dessen Durchsetzung der Staat tätig wird. So sind rechtswidrige Maßnahmen der Zwangsvollstreckung86, auch die rechtswidrige Konkurseröffnung87, keine enteignungsgleichen Eingriffe. Außerdem können richterliche Urteile grundsätzlich — abgesehen vom Fall der Rechtsbeugung — keine enteignungsgleichen Eingriffe sein. Entsprechend dem Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 BGB gibt der BGH dem Bürger nicht die Möglichkeit, die dritte Gewalt gegen sich selbst zu mobilisieren88. b) Eingriffsobjekt. Bezüglich des Eingriffsobjekts gelten für den enteignungsgleichen Eingriff dieselben Grundsätze wie für die Enteignung. Es muß sich also um gegenwärtige rechtlich geschützte Vermögenswerte Gegenstände handeln. Handlungen des Staates können nur insoweit enteignungsgleiche Eingriffe sein, als sie diese Rechte verletzen. Die Beeinträchtigung von Erwerbschancen fällt daher aus dem enteignungsgleichen Eingriff heraus, selbst wenn Amtshaftungsansprüche 82
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Ob das auch dann gilt, wenn ein verfassungswidriges Gesetz oder dessen Ausführung rechtswidrig, aber gleichmäßig belastet haben, wird von Jaentcke (Fn. 15) S. 125 ff. m.w. N. bezweifelt. Vgl. zu diesem Problem Oldiges, Der Staat 1976, 395 ff. ; ders., DÖV 1977, 76. - Einschränkungen ergeben sich aus dem Gesichtspunkt der Kausalität, wenn eine Maßnahme lediglich formell rechtswidrig, an sich aber inhaltlich zulässig war, vgl. Β GHZ 58, 124, 127f. Entsprechend Β GHZ 65, 196, 206 (zur Aufopferung) müßte Entschädigung auch für solche rechtswidrigen Eingriffe versagt werden, die lediglich einen zufälligen vom Gesetz nicht intendierten Vorteil beeinträchtigen. Bei der Enteignung lösen sich diese Fälle jedoch in aller Regel schon dadurch, daß nicht in die rechtlich geschützte Substanz eingegriffen wurde. Vgl. dazu unten b) im Text. Vgl. dazu Bender (Fn. 22) Nr. 94ff.; Krumbiegel (Fn. 41) S. 59ff., 117ff. Β GHZ 19, 1; 65, 182, 188 f.; anderes gilt für die bloße Nichtbescheidung : BGH DVB1. 1971, 464. Dabei wird bezüglich der Förderung des allgemeinen Wohls nicht Effektivität verlangt — das wäre bei rechtswidrigen Maßnahmen kaum denkbar —, sondern bloß Intentionalität, vgl. Krumbiegel (Fn. 41) S. 50. BGHZ 30, 123, 125f.; obwohl es sich in concreto um die Vollziehung eines Steuerarrestes handelt, den der BGH aber der Zwangsvollstreckung im privaten Interesse gleichstellte. BGH NJW 1959, 1085. BGHZ 50, 14, 19ff. zur Aufopferung, die Argumente gelten aber auch für den enteignungsgleichen Eingriff. Vgl. dazu Menger, VerwArch. 59 (1968), 368f.; Konow, JR 1972, 6 ff. 431
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denkbar sind. So erhielt der Apotheker, dem vor dem Apothekenurteil des BVerfG 8 9 die Zulassung zum Beruf verweigert worden war, keine Enteignungsentschädigung, da nicht in gegenwärtige Vermögenswerte Rechte eingegriffen worden war. Es war lediglich ein Anspruch des Klägers nicht erfüllt worden 9 0 . Ebensowenig können Ansprüche darauf gestützt werden, daß die Erweiterung eines Gewerbebetriebs zu Unrecht untersagt worden sei 91 . Häufig scheitern Ansprüche daran, daß gerade nicht in die rechtlich geschützte Substanz eingegriffen wurde 9 2 . Aus diesem Grunde sind z. B. die meisten Klagen wegen enteignungsgleicher Eingriffe der Legislative erfolglos geblieben. Grundsätzlich hat der Bürger kein Recht darauf, daß das geltende Recht unverändert bleibt, auch wenn es ihm gute Erwerbschancen eröffnet, auf die er sich mit seinem Gewerbebetrieb eingestellt hat. So wurde die Klage eines Knäckebrotfabrikanten, der sich durch die Herabsetzung des Schutzzolls für Knäckebrot beschwert fühlte 9 3 , ebenso abgewiesen wie die eines Herstellers von Blinkern, die infolge einer Änderung der StVZO nicht mehr verkäuflich waren 9 4 . Auch die Klage des Anliegers, dessen Geschäfte durch die Verlegung der Hauptstraße zurückgingen 9 5 , und die Klagen der Krabbenfischer, die ihr Gewerbe durch einen neuen Elbdamm beeinträchtigt sahen 96 , waren erfolglos. Nach denselben Grundsätzen wird über Ansprüche von Anliegern entschieden, die sich durch Straßenbauarbeiten oder die ihnen nach der neueren Rspr. des B G H weitgehend gleichzustellenden U-Bahnbauten geschädigt fühlen: Entschädigung wird nur gewährt, wenn entweder die Bauarbeiten rechtswidrig verzögert wurden oder wenn sie das übliche von einem Anlieger zu duldende Maß überstiegen 97 . In ähnlicher Weise hat die Rechtspre-
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BVerfGE 7, 377. BGH NJW 1962, 2347; vgl. auch BGHZ 34, 188; BGH VwRspr. 14, 78. Vgl. BGH DVB1. 1968, 216; auch BGHZ 57, 359, 368ff. ; BGH NJW 1959, 1775 betraf einen Ausnahmefall. Vgl. dazu Kreft (Fn. 12) S. 19f„ 23. BGHZ 45, 83, 87ff. BGH NJW 1968,293; vgl. auch BGH NJW 1964,769 (Märchenfilme); der einzige anders entschiedene Fall findet sich in BGHZ 25, 266, 269f. (TÜV). BGHZ 48,58; vgl. auch BGHZ 55,261; in diesen Zusammenhang gehört auch der Wannseefall BGHZ 48, 46. Vgl. zu diesem Problem Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 1977 S. 108f. BGHZ 45, 150. Vgl. BGHZ 57, 359 m.w.N.; BGH NJW 1976, 1312; BGH NJW 1977, 1817; der BGH, der meint, daß normale Straßenbauarbeiten zur Anpassung an den Verkehr grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen seien, setzt die Opfergrenze bei U-Bahnbauten allerdings niedriger an. Vgl. dazu auch den Fall der Sperrung der Zufahrt BGH DÖV 1976, 209. Vgl. zu diesem Problem Ossenbühl (Fn. 8) S. 111 ff., der auf die Relativierung des Eigentumsschutzes hinweist; Papier (Fn. 95) S. 109ff.; Krumbiegel (Fn. 41) S. 65f., insbes. zur Frage der Existenzvernichtung eines Gewerbebetriebs; ders. S. 101 f. zur Behandlung der Anlieger in Anwendung der Pflichtigkeitstheorie. Zu den Rechten des Anliegers vgl. auch BGH NJW 1975, 1880 und 1976, 1205; BVerwG DÖV 1977, 604.
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chung früher Ansprüche wegen Straßenlärms behandelt und Entschädigung nur unter ganz besonderen Umständen bei unerträglicher Beeinträchtigung zugesprochen98. Mit Rücksicht auf die Wertungen des Gesetzgebers im Bundesimmissionsschutzgesetz hat der BGH jedoch die Anforderungen, die an einen Entschädigungsanspruch wegen Straßenlärms gestellt werden, in einer neueren Entscheidung wesentlich herabgesetzt". Ebensowenig wie eine Enteignung kann es einen enteignungsgleichen Eingriff durch Unterlassen geben. Enteignung und enteignungsgleicher Eingriff setzen ein Handeln des Staates voraus, welches das Vermögen des Bürgers verschlechtert. Bloße Nichterfüllung von Ansprüchen genügt daher nicht. Zwar kann die rechtswidrige Ablehnung eines Bauantrags ein enteignungsgleicher Eingriff sein, nicht aber das bloße Nichtstun der Behörde, also die Nichtbescheidung eines Bauantrags100. c) Verzicht auf den gezielten Eingriff — enteignender Eingriff. Die jüngere Rechtsprechung des BGH verlangt nicht mehr, daß der enteignungsgleiche Eingriff bewußt gegen einen Vermögenswerten Gegenstand gerichtet ist. Sie verzichtet also auf den sogenannten gezielten Eingriff, der bei der klassischen Enteignung selbstverständlich war und ursprünglich auch für den enteignungsgleichen Eingriff Voraussetzung sein sollte 101 . Neuerdings wird dagegen nur die Unmittelbarkeit des Eingriffs gefordert, ein sehr schwer abzugrenzendes Kriterium 102 . Ein enteignungsgleicher Eingriff wird also nicht mehr dadurch ausgeschlossen, daß eine hoheitliche Maßnahme überhaupt nicht gegen das betroffene Objekt gerichtet war, ja daß in der Behörde an dessen Beeinträchtigung überhaupt niemand gedacht hatte. Auf Grund dieser Rechtsprechung können z. B. durch Straßen- und Vgl. B G H Z 49, 148, wo allerdings der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch zugrunde gelegt ist; das ist in den negativ entschiedenen Fällen B G H Z 54, 384 und BGH N J W 1974, 53 richtiggestellt. Vgl. zu der Problematik der privatrechtlichen Aufopferung und der Enteignung B G H Z 64, 220, 222; B G H NJW 1976, 1204; B G H DVB1. 1978, 110; B G H NJW 1978, 373; Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse, 1970, S. 107ff.; Ossenbähl (Fn. 8) S. 90ff. 9 9 B G H Z 64, 2 2 0 ; dazu Kastner, N J W 1975 , 2319; Battis, NJW 1976, 936ff.; Kloepfer, JuS 1976, 436ff. Vgl. zu diesen Problemen auch B G H DVB1. 1976, 774; B G H N J W 1977, 894; B G H DVB1. 1978, 110; zu den Auswirkungen des BImSchG bei Straßenbauten vgl. die vier Entscheidungen des BVerwG in DVB1. 1976, 779 ff., von denen sich drei auch in BVerwGE 51, 6ff. finden. 100 Vgl. zur Behandlung von Bauanträgen oben Fn. 84. — Allgemein zum Problem des Unterlassens. Reform des Staatshaftungsrechts (Fn. 20) S. 41 ; Ossenbühl (Fn. 8) S. 156ff. ; ferner B G H Z 56, 40, 42 betr. Unterlassen der Aufhebung der Wohnungszwangswirtschaft durch Rechtsverordnung, dazu Schröder, JuS 1973, 355ff. ; Menger, VerwArch. 63 (1972), 81 ff.; Schwabe, JuS 1974, 26ff. 98
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Vgl. in diesem Sinn noch B G H Z 2 3 , 2 3 5 , 2 4 0 ; ausdrücklich gegen das Erfordernis des gezielten Eingriffs sprach sich erstmals BGH N J W 1964, 105 (Schützenpanzerfall) aus. Vgl. jedoch schon vorher B G H Z 28, 310 (Treckerfall) und B G H Z 37, 44 (Holz im Wald). Vgl. Schack, D Ö V 1973, 390ff.; kritisch Bender (Fn. 22) Nr. 100f.; Ossenbühl (Fn. 8) S. 153 ff. 433
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U-Bahnbauarbeiten Geschädigte Entschädigung erhalten 103 , ein Schaden der bei Kanalbauarbeiten entsteht, wird nach Enteignungsgrundsätzen ersetzt 104 . Mit der Terminologie, welche bei rechtmäßigem Eingriff Enteignung, bei rechtswidrigem enteignungsgleichen Eingriff annimmt, ist die neuere Entwicklung nicht mehr vollständig zu erfassen. Der BGH sprach manchmal vom enteignungsgleichen Eingriff 1 0 5 , manchmal untersuchte er die Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit überhaupt nicht, sondern zog sich auf die Formel vom enteignenden Eingriff oder vom Eingriff mit enteignender Wirkung zurück 1 0 6 . In der berühmten Entscheidung, betreffend den U-Bahnbau an der Buschkrugbrücke in Berlin 1 0 7 , stellte er dann klar, daß bei Straßen- und U-Bahnbauten Entschädigungsansprüche wegen rechtswidrigen ( = enteignungsgleichen) und rechtmäßigen (= enteignenden) Eingriffs entstehen könnten. Einen rechtswidrigen Eingriff nimmt er bei länger als notwendig dauernden Bauarbeiten an, einen rechtmäßigen Eingriff bei rechtmäßigen unvermeidbaren Arbeiten, die über das von Anliegern zu duldende Maß hinausgehen. Das Problem der Junktimklausel bleibt in allen diesen Fällen unerörtert. Aus dem Fehlen der Entschädigungsregelung müßte sich häufig die Rechtswidrigkeit der Maßnahme ergeben. Da der BGH nur über die Entschädigung zu urteilen hat, braucht ihn diese Frage zumeist nicht zu interessieren 108 . Auch handelt es sich häufig um Maßnahmen, deren enteignende Wirkung nicht vorhersehbar ist. Sie tritt — besonders deutlich etwa bei den Kanalarbeiten 109 — als zufällige Nebenfolge rechtmäßigen Verwaltungshandelns ein. Der BGH sieht den enteignenden Eingriff jedenfalls als rechtmäßig an 1 1 0 . Über den enteignungsgleichen Eingriff hinaus ist als Konsequenz der Aufgabe des gezielten Eingriffs eine Art öffentlich-rechtlicher Gefährdungshaftung entstanBGHZ 57, 359. BGH D Ö V 1965, 203. l o s So im Schützenpanzerfall, als ein Panzer ein Gasthaus beschädigt hatte, BGH NJW 1964, 104. 1 0 6 BGH D Ö V 1965, 203, als es um Ersatzansprüche eines Eigentümers ging, dessen Haus durch Absenkung infolge Kanalbauarbeiten beschädigt worden war. Ähnlich BGHZ 28, 310 (Beschädigung eines Treckers, der zu gemeindlichen Naturaldiensten herangezogen worden war) ; BGHZ 37, 44 (Brand im Wald infolge von Schießübungen). 1 0 7 BGH N J W 1965, 1907, 1908; BGH JR 1976, 478, 4 8 0 f . ; BGH NJW 1976, 1312. ιοβ Vgl. Gronefeld (Fn. 36) S. 52ff., dort S. 36—97 umfassende Darstellung der Probleme, die sich aus dem erweiterten Enteignungsbegriff im Hinblick auf die Junktimklausel ergeben. Soweit enteignende Wirkungen vorhersehbar sind, ist — z. B. bei U-Bahnbauten - ein Enteignungsverfahren durchzuführen. Vgl. BVerfG NJW 1977, 2349, 2350. 1 0 9 BGH D Ö V 1965, 203; vgl. auch den Treckerfall BGHZ 28, 310 und den freilich negativ entschiedenen Fall des Elbleitdamms BGHZ 45, 150. Vgl. dazu Peter, JZ 1969, 549, 557. 1 1 0 Vgl. dazu Bothe, JuS 1976, 516; Schmidt, JZ 1977, 123ff., der mit Recht darauf hinweist, daß sich daraus keine Duldungspflicht des Betroffenen ergibt. Die Junktimklausel kann danach für die unvorhersehbaren Eingriffe nicht gelten. Aus dieser Sicht kritisch zum Referentenentwurf eines Staatshaftungsgesetzes § 15 Abs. 3 Schmidt a. a. O. 103 104
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den 111 , bei der es auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Eingriffs nicht ankommt. Nach der neueren Rechtsprechung genügt ein unmittelbarer hoheitlicher Eingriff, der ein Sonderopfer auferlegt, um einen Anspruch auf Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen zu begründen. Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit können an sich dahinstehen 112 . Sehr häufig wird indes das Sonderopfer gerade darin bestehen, daß der Betroffene über das allen durch Gesetz auferlegte Maß hinaus rechtswidrig und damit ungleich belastet wird. Bei rechtmäßigen enteignenden Eingriffen und bei Eingriffen, die nur wegen Verstoßes gegen die Junktimklausel rechtswidrig sind, muß dagegen das Sonderopfer besonders begründet werden 113 . Hat sich als Folge eines rechtmäßigen Eingriffs lediglich das allgemeine Lebensrisiko realisiert, so scheidet eine Entschädigungspflicht aus 114 . Die Unmittelbarkeit des Eingriffs ist vom BGH neuerdings mehrfach zur Begrenzung der jetzt ansonsten sehr weit ausgedehnten Haftung wegen enteignungsgleichen oder enteignenden Eingriffs herangezogen worden. Neben- und Fernwirkungen einer Maßnahme und auch im bürgerlichen Recht nicht zu ersetzende Drittschäden sollen ausscheiden 115 . Adäquate Verursachung im Sinn des Zivilrechts reicht nicht aus, wenn die Einwirkung auf die Rechtsposition des Bürgers erst auf eine näherliegende Zwischenursache zurückzuführen ist 116 . Gewisse Parallelen zur Theorie der unmittelbaren Verursachung im Polizeirecht drängen sich auf. So versagt der BGH unter Berufung auf die fehlende Unmittelbarkeit Ersatzansprüche wegen der Schäden, die durch Versagen einer Verkehrsampel verursacht worden waren. Die Stadt habe durch die Ampelanlage lediglich eine Gefahrenlage geschaffen, die erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände zum Schaden geführt habe — eine in vieler Hinsicht bestreitbare Argumentation 117 . Desgleichen 111
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Besonders deutlich wird das im Treckerfall BGHZ 28, 310 und in BGHZ 37, 44 (Holz im Wald); auch BGH NJW 1976, 1840. Vgl. zu diesem Problemkreis Wagner, NJW 1967, 2333 ff. Peter, JZ 1969, 549, 550; Ossenbühl (Fn. 8) S. 153 f. Diese Art von Gefährdungshaftung war freilich auch früher schon in der etwas anders definierten Aufopferung teilweise vorhanden, vgl. Bender (Fn. 22) Nr. 47f. Zum enteignungsgleichen Eingriff durch „hoheitliche" Teilnahme am Straßenverkehr vgl. BGH NJW 1964,104 (Schützenpanzerfall) und BGH VersR 1976, 757, 758f., wo klargestellt wird, daß eine Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs nur in Frage kommt, wenn die Auswirkungen von der Eigenart der hoheitlichen Maßnahme ausgehen. Deshalb schlagen Bauschke und Kloepfer, NJW 1971, 1233, 1234ff. vor, auf das Unterscheidungskriterium der Rechtswidrigkeit überhaupt zu verzichten ; kritisch dazu Papier, NJW 1971, 2157f. - Kreft (Fn. 12) S. 16f. hält die Abgrenzung zwischen Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff für sekundär. Vgl. Badura, AöR 98 (1973), 153, 171 f.; Ossenbühl (Fn. 8), S. 152. So die Argumentation in BGHZ 46, 327 betr. Turnunfall in der Schule (zur Aufopferung). Vgl. Wagner, N J W 1966, 569ff.; Bender (Fn. 22) Nr. 1 0 0 f . ; Schock, D Ö V 1973, 3 9 0 f f . ; ausführlich Gronefeld (Fn. 36) S. 9 8 f f . ; zum Drittschaden vgl. BGHZ 31, 1. Vgl. Badura, AöR 98 (1973), 153, 170f. BGHZ 54, 332, 338; dazu kritisch Ossenbühl, JuS 1971, 575, 577ff. 435
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soll eine Stadt nicht für Wasserschäden infolge eines Rohrbruchs in ihrem Leitungssystem eintreten müssen. Die Verlegung und Unterhaltung der Wasserleitung schaffe lediglich eine Gefahrenlage, die erst durch Hinzutreten weiterer Umstände zum Schaden führen könne. Der Schaden des Klägers habe sich ganz außerhalb einer von der Stadt getroffenen hoheitlichen Maßnahme auf Grund dieser Gefahrenlage konkretisiert118. Diese Wendungen und auch die weitere Argumentation des BGH in diesem Fall, insbesondere seine Ablehnung einer öffentlich-rechtlichen Gefährdungshaftung, zeigen, daß das Gericht die Haftung aus Enteignung nicht ohne weiteres zu einer Gefährdungshaftung werden lassen möchte. Hier scheint derzeit die Hauptbedeutung der Unmittelbarkeit zu liegen 119 . Die Rechtsprechung nähert sich in den Ergebnissen teilweise wieder der früheren Lehre vom gezielten Eingriff 120 . 2.
Entschädigung
a) Grundsätze. Grundsätzlich kann hier auf die Ausführung zu II 3 verwiesen werden. Allerdings kann bei rechtmäßiger Enteignung diskutiert werden, welche Entschädigung der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit festzusetzen hat. Er ist, wie oben erwähnt wurde, nicht unter allen Umständen gehalten, dem Enteigneten einen vollen Ausgleich entsprechend dem Marktwert zu gewähren121. Beim enteignungsgleichen oder enteignenden Eingriff kann eine Dikussion darüber, in welcher Höhe die Entschädigung zuzubilligen und ob sie mit Rücksicht auf die Interessen der Allgemeinheit niedriger anzusetzen ist, de lege lata kaum geführt werden. Die Festsetzung der Entschädigung ist bei Enteignungen Sache des Gesetzgebers, der bei enteignungsgleichen und enteignenden Eingriffen — abgesehen von Sonderregelungen122 — nicht bemüht wird. Der BGH hat es sogar abgelehnt, bei rechtswidrigen Eingriffen eine niedrigere Entschädigung zu berücksichtigen, die gesetzlich für einen entsprechenden rechtmäßigen Eingriff vorgesehen war 123 . Basis der Entschädigung ist, da es an einem regelnden Gesetz fehlt, der allgemeine Gedanke des Ausgleichs eines Sonderopfers, der notwendigerweise zur vollen Entschädigung für den Substanzverlust führen muß. b) Entschädigung und Schadensersatz. Auch die Entschädigung wegen enteignungsgleichen oder enteignenden Eingriffs ist freilich kein Schadensersatz. 118 119
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B G H Z 55, 229; als Kontrastfall s. Β GHZ 57, 370 und BGH JR 1976, 480 f. Vgl. zur Unmittelbarkeit noch BGHZ 48, 46, 49, wo allerdings der tragende Entscheidungsgrund ein anderer ist. Ferner BGH VersR 1972, 43 - keine Unmittelbarkeit bei Schädigung eines Polizisten durch einen Diensthund, der ihm zugeteilt war —, wo eine öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung wiederum abgelehnt wird. Vgl. Ossenbühl, JuS 1971, 575, 578. Vgl. ο. II 3 a. Vgl. u. § 53 I. B G H Z 13, 395, 398.
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Sie beschränkt sich darum auf den Substanzverlust, für verlorene Chancen und Gewinnmöglichkeiten wird Ersatz nicht geleistet, auch wenn sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Beweis- oder Schätzungsprobleme mehr aufwerfen. So gibt es keine Entschädigung für die Miete, die aus einem Haus hätte gezogen werden können, dessen Bau zu Unrecht nicht erlaubt worden war 1 2 4 . Ein derartiger Folgeschaden ist vom Ersatz ebenso ausgeschlossen wie der Schaden, der einem Bauherrn bei Verzögerung durch steigende Baukosten oder an anderer Stelle aufzuwendende Mieten entsteht 1 2 5 . Allerdings wäre es verfehlt, die Begrenzung der Entschädigung auf die Formel „kein Ersatz für entgangenen Gewinn" zu bringen. Vielmehr wird zumindest bei rechtswidrigen Eingriffen in Gewerbebetriebe regelmäßiger entgangener Gewinn ersetzt. Wird eine Verkaufsveranstaltung verboten 1 2 6 , eine Werbemöglichkeit rechtswidrig beeinträchtigt 1 2 7 oder die Vermietung eines vorhandenen Gegenstandes verhindert 1 2 8 , so wird Entschädigung gezahlt, obwohl in allen genannten Fällen entgangener Gewinn in Frage steht. Die Möglichkeit, vorhandene Vermögensgegenstände — zu denen nicht zuletzt auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb gehört — zu nutzen, ist nämlich durch Art. 14 G G geschützt. Die Nutzungsmöglichkeit ist ein gegenwärtiger konkreter Wert, der sich bei einem etwaigen Verkauf im Verkaufspreis, bei einer Vermietung im Mietpreis niederschlägt. Ihr Entzug ist ein Eingriff in das O b j e k t 1 2 9 , also in die Substanz. Dagegen sind Gewinne, die aus erst zu schaffenden Anlagen, aus einer Geschäftserweiterung 1 3 0 oder gar aus einem erst noch zu errichtenden Betrieb gezogen werden könnten 1 3 1 , nicht zu berücksichtigen. Freilich ist diese Einschränkung in der Praxis weniger fühlbar, als es bei theoretischer Betrachtung scheint : Die meisten Gewinnchancen schlagen sich im Verkaufs- oder Mietwert des Objekts nieder und werden dadurch entschädigungsfähig. Zwar wird der Ausfall der normalen Miete aus einem noch zu errichtenden Gebäude dem Eigentümer des Grundstücks nicht ersetzt, aber in der Endabrechnung hat er doch häufig keinen oder jedenfalls keinen hohen Schaden. E r erhält Entschädigung dafür, daß er sein Grundstück nicht nutzen konnte, und zwar in
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BGHZ 30, 338, 352. BGHZ 30, 338, 354 f. BGHZ 32, 208; zur Berechnung bei vorübergehenden und dauernden Eingriffen vgl. BGH BauR 1972, 364. BGH NJW 1960, 1959. BGH NJW 1965, 1912, 1913. BGHZ 30,338,351 f.; die Entschädigung für den Ertragsausfall ist nur eine vereinfachte Berechnung, vgl. BGHZ 57, 359, 368. Konsequent gewährt BGH NJW 1975, 1966 Entschädigung auch bei vorübergehenden Eingriffen in Gewerbebetriebe, die mit Verlust arbeiten. BGHZ 34, 188. BGH NJW 1962, 2347. 437
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Höhe der Bodenrente 132 . Im übrigen hat er statt der Miete bis zum Bau noch entsprechend der Höhe der Baukosten Zinseinnahmen aus dem angesparten Kapital oder er erspart Zinsen für Fremdkapital. Schwer trifft ihn allerdings die Erhöhung der Baukosten infolge der Verzögerung des Baus. Problematisch ist, daß der BGH die Chance der branchenüblichen Weiterentwicklung eines Gewerbebetriebs nicht mehr zur geschützten Substanz zählt 1 3 3 . In älteren Entscheidungen hatte er zwar auch die Chance einer echten Erweiterung oder Neuerrichtung nicht berücksichtigt, aber Entschädigung gewährt, als die Modernisierung eines Geschäfts verhindert 1 3 4 oder die Bebauung eines bereits als Betriebsgrundstück vorgesehenen Grundstücks verboten wurde 1 3 5 . Die ältere Rechtsprechung konnte dahin verstanden werden, daß diejenigen Möglichkeiten der Weiterentwicklung eines Geschäfts, die sich bereits in dessen Wert, dem sogenannten „good will" niedergeschlagen hatten, zu dessen Substanz gehörten. Darunter fällt auch die Chance der branchenüblichen Weiterentwicklung. Ein Geschäft, das auf den gegenwärtigen Umsatz und Gewinn beschränkt ist, würde von einem Erwerber geringer bezahlt als ein Geschäft, dem die normalen Möglichkeiten offenstehen. Insofern ist die Chance der Weiterentwicklung schon ein gegenwärtiger konkreter Wert. Nimmt man hinzu, daß der gegenwärtige Nominalumsatz und Nominalgewinn, schon um seinen realen Wert zu halten, mit der allgemeinen Inflation steigen müßte, wird die Fragwürdigkeit der neueren Rechtsprechung des BGH besonders deutlich 136 . c) Berücksichtigung eines Mitverschuldens. Der Anspruch aus enteignungsgleichem oder enteignendem Eingriff hat sich in der Rechtsprechung des BGH zu einem Tatbestand des Staatshaftungsrechts entwickelt, der das überkommene Amtshaftungsrecht ergänzt und sich von der Enteignung teilweise gelöst hat. Das führt notwendigerweise in der Frage des Mitverschuldens zu Konsequenzen : Der Geschädigte muß sich ein Mitverschulden wie bei jeder anderen Haftungsnorm anrechnen lassen 137 . Hat er es unterlassen, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren, so ist es einmal nicht gut möglich, einen bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakt im Rechtsstreit um die Enteignungsentschädigung als Vgl. zur Berechnung im einzelnen Β GHZ 30, 338, 352 f. B G H Z 5 7 , 359, 368ff. ; BGH NJW 1972, 1574f. ; vgl. jedoch BGHZ 60, 126, 131, 1 3 3 f „ w o eine Entschädigung wegen Versagung einer noch nicht begonnenen Auskiesung gewährt wurde. 1 3 4 BGH NJW 1959, 1775f. 1 3 5 BGH NJW 1965, 2101, 2104, ein Grenzfall, wie sich am Vergleich im BGHZ 30, 281, 286 ff. und BGH DVB1. 1968, 216 zeigt. 136 Vgl. jedoch auch BGH NJW 1976, 1312, wo bei einem länger andauernden Eingriff durch S-Bahnbau Mindererträge berücksichtigt wurden, die dadurch entstanden, daß während der Behinderung rechtmäßig errichtete Bauten nicht voll benutzt werden konnten. 1 3 7 Vgl. BGHZ 56, 57, 6 4 f f . , allerdings in den tragenden Gründen auf § 2 5 4 Abs. 2 BGB beschränkt. Vgl. ebenso schon vorher zur Aufopferung BGHZ 45, 290, 294ff. ; Bettermann, Grundrechte III/2, S. 779, 864. 132 133
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rechtswidrig zu behandeln und mit Rücksicht auf die Rechtswidrigkeit Entschädigung zu gewähren. Außerdem drängt sich die Analogie zu § 839 Abs. 3 BGB geradezu auf. Zumindest ist es als Mitverschulden i. S. des § 254 Abs. 2 BGB zu werten, wenn der Geschädigte ein Rechtsmittel versäumt hat 138 . d) Anspruchsgegner. Entschädigungspflichtig ist wie bei der Enteignung grundsätzlich der Begünstigte. Allerdings ist möglicher Anspruchsgegner beim rechtswidrigen enteignungsgleichen Eingriff immer nur die öffentliche Hand, nicht ein Privater, der zufällig aus dem Eingriff Vorteile gezogen hat. Uberhaupt wird es beim enteignungsgleichen Eingriff selten sein, daß Vorteile im Sinn des Enteignungsrechts entstanden sind. Mangels eines konkreten Vorteils tritt an die Stelle des Begünstigten derjenige Verwaltungsträger, dessen Aufgaben erfüllt wurden, d.h. in der Regel der, der eingegriffen hat 139 . Bei rechtmäßigen enteignenden Eingriffen kann auch ein Privater entschädigungspflichtig werden140. IV. Aufopferung 1.
Tatbestand
a) Objekt der Aufopferung. Die Entschädigung wegen Aufopferung wird entsprechend der Entschädigung wegen Enteignung, enteignungsgleichen oder enteignenden Eingriffs gewährt, wenn durch einen Hoheitsakt in nichtvermögenswerte Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder persönliche Freiheit eingegriffen und dadurch dem Betroffenen ein besonderes Opfer zu Gunsten der Allgemeinheit auferlegt wird, das Vermögensschäden zur Folge hat. Ob und inwieweit außer den genannten Rechtsgütern noch weitere in den Schutzbereich der Aufopferung einbezogen werden können, ist zweifelhaft. In der Diskussion ist eine Erweiterung auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das die Ehre des Menschen umfaßt. Wenn eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts Schadensersatzansprüche auslösen kann, wäre es an sich konsequent, das Recht auch als Schutzgut der Aufopferung zu betrachten141. Sehr große praktische Vgl. dazu BGHZ 56, 57; 45, 290, 294ff. ; Gronefeld (Fn. 36) S. 58f. möchte über die Anwendung des § 254 B G B nicht hinausgehen. Weiter geht Konow, DÖV 1966, 327ff. 1 3 9 Vgl. dazu BGHZ 40, 49, 52 m . w . N . ; bestätigt durch BGHZ 60, 126, 143ff.; BGH NJW 1976, 1840, 1841 f.; BGH JZ 1973, 630 nimmt an, daß im Zweifel die überörtliche Gemeinschaft, nicht die Gemeinde als begünstigt anzusehen ist, wenn die Gemeinde nicht selbst eingegriffen hat. Vgl. zu diesem Komplex Schack, JuS 1965, 295ff. ; ferner BGHZ 65, 182, 189. 1 4 0 Vgl. BGHZ 60, 126, 143; Ossenbühl (Fn. 8) S. 160; vgl. auch BGH DVB1. 1975, 39 mit Anm. Schwabe zur Haftung des Anliegers gegenüber seinem Nachbarn. κι Vgl. in diesem Sinn Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 27; unentschieden BGHZ 50, 14, 18f. ; angesichts der Anforderungen, die BGH DÖV 1972, 206 und BGH DVB1. 1977, 183 (beide zur Amtshaftung) an die Verletzung des Persönlichkeitsrechts stellt, dürften praktische Fälle selten werden. 138
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Bedeutung dürfte diese Erweiterung jedoch kaum erlangen, da es sich bei den Ansprüchen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zumeist um Schmerzensgeldansprüche handelt, die bei der Aufopferung ohnehin nicht berücksichtigt werden. Immerhin könnte z . B . die in der Vorenthaltung einer verdienten Qualifikation (Examen!) liegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts auch einmal Vermögensschäden zur Folge haben. Noch weiter gehen Forderungen, welche andere grundrechtlich geschützte Positionen einbeziehen wollen und so auch bei Eingriffen in die Berufsfreiheit zur Aufopferungsentschädigung kommen. Damit ließen sich über die Aufopferung Beschränkungen der Enteignung überspielen, die der B G H bisher mit seinem Abstellen auf den Bestandsschutz aufrechterhalten hat 1 4 2 . Die Untersagung einer beruflichen Betätigung, z. B. der Eröffnung eines Gewerbebetriebes, wäre dann ein Auf Opferungsentschädigung auslösender Eingriff in die Berufsfreiheit 143 . b) Abgrenzung der Aufopferung — Sonderopfer. Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit spielen bei der Aufopferung nicht ganz dieselbe Rolle wie bei der Enteignung. Das rechtmäßig durch Eingriff in Leben oder Gesundheit auferlegte Sonderopfer ist kaum denkbar, denn wann sollte der Staat — abgesehen von den Fällen des rechtmäßigen Vorgehens gegen Rechtsbrecher — das Recht haben, Leben oder Gesundheit seiner Bürger zu zerstören oder ernsthaft zu beeinträchtigen 144 ? Als Fälle rechtmäßiger Aufopferung verbleiben daher nur diejenigen, in denen der Bürger durch hoheitliche Maßnahmen rechtmäßig einer besonderen Gefahr ausgesetzt wird, die sich in einzelnen Fällen realisiert und dadurch dem Betroffenen ein besonderes Opfer auferlegt 145 . Das gilt z . B . für die Impfschäden, die der B G H im Gegensatz zum R G als Aufopferungsschäden anerkannt hat 1 4 6 . Im übrigen sind die Fälle der Aufopferung den Fällen des enteignungsgleichen oder des enteignenden Eingriffs vergleichbar. Es handelt sich also entweder um rechtswidrige Eingriffe oder um Zufallsfolgen rechtmäßiger Handlungen, für welche der Staat einzustehen hat. Immer wieder auftretende Beispiele bietet das Polizeirecht: Sowohl die Verletzung durch einen Fehlschuß (rechtswidriges Handeln) wie durch einen zufällig fehlgehenden Querschläger (rechtmäßiges Handeln) ist als Aufopferung zu entschädigen 147 . Wie bei der Enteignung kann aus der Rechtswidrigkeit des staatlichen Handels auf das Sonderopfer geschlossen werden 1 4 8 . Bei rechtmäßigen Eingriffen muß dagegen wie bei der Enteignung das 142 Vgl. Jig oben Fußn. 90 und 91 angeführten Entscheidungen. 143
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In diesem Sinne Battis, Erwerbsschutz durch Aufopferungsentschädigung, 1969 S. 98 ff. m.w. N . ; kritisch zu solchen Tendenzen Wolff/Bachof, VwR I, §61 I e.
Vgl. Rüfner (Fn. 13) S. 34 f.
Vgl. Ossenbühl, JuS 1970, 276, 277, 281, der mit Recht darauf hinweist, daß nur sehr selten der Zwang selbst die Sonderopferlage begründe. B G H Z 9, 83; vgl. dazu jetzt § 51 ff. BSeuchG; vgl. Schiwy, Impfung und Aufopferungsentschädigung, 1974. Die Fälle sind vielfach im Polizeirecht besonders geregelt, vgl. unten §53 I. Vgl. jedoch B G H Z 65, 196, 206ff. : Kein Sonderopfer des Wehruntauglichen, der zum Wehrdienst einberufen wird und dadurch Zeit verliert, da das „Mehr an Freiheit" nicht
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Sonderopfer besonders begründet werden. Die Beeinträchtigung des Betroffenen muß über das hinausgehen, was allen (u. U . allen aus einer Gruppe) zugemutet wurde 1 4 9 . Aus diesen Gründen sind normale Impfreaktionen entschädigungslos hinzunehmen 1 5 0 . Der B G H ist anscheinend auch der Meinung, daß Tod und schwere Gesundheitsbeschädigung zu den intendierten Folgen des Wehrdienstes gehörten. Er lehnt Aufopferungsansprüche der Kriegsopfer mit dem Argument ab, die Wehrdienstgesetze verlangten ganz allgemein von allen dazu tauglichen Männern, im Krieg Wehrdienst zu leisten und die damit verbundenen Nachteile und Gefahren auf sich zu nehmen 1 5 1 . Er verkennt dabei, daß, wie bei der Impfung, nur die Gefährdung, nicht die Folgen für die Betroffenen gleich sind 1 5 2 . Kein Sonderopfer ist auch dort anzunehmen, wo sich nur das allgemeine Lebensrisiko realisiert hat, wenn auch zufällig im staatlichen Bereich. Mit dieser Begründung lehnte der B G H eine Aufopferungsentschädigung wegen eines Turnunfalls in der Schule ab, der trotz Beachtung aller Sorgfalt vorgekommen war 1 5 3 . Uberhaupt muß das Risiko, das zu der Beschädigung geführt hat, dem Staat zugerechnet werden können. Ist das nicht der Fall, ist die Opfergrenze nicht überschritten 1 5 4 . Zur Begrenzung der Aufopferung kann ansonsten im wesentlichen auf das verwiesen werden, was zur Enteignung ausgeführt wurde. Akte der Rechtsprechung können grundsätzlich keine Ansprüche auslösen 1 5 5 . Eine Aufopferung durch Unterlassen scheidet ohnehin aus. Die Unmittelbarkeit wird ebenso wie beim enteignungsgleichen und enteignenden Eingriff gefordert, nicht aber die Finalität 1 5 6 .
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Zweck seiner Verschonung ist. Vgl. auch BGHZ 66, 118, 122, dazu Pagenkopf, NJW 1977, 1519f. Vgl. BGHZ 36, 379, 391; der BGH war allerdings einer dezidierten Stellungnahme enthoben. Grundsätzlich hierzu Krumbiegel (Fn. 41) S. 27f. Vgl. jetzt § 52 BSeuchG, der auf der Rspr. des BGH beruht. Vgl. BGHZ 20, 61, 64; auch BGH NJW 1970, 1231; im Sinne des BGH Bender (Fn. 22) Nr. 125 ; anders, Aufopferung bejahend Rohwer-Kahlmann, in : Festschrift für Bogs 1959 S. 303ff.; ders., Zeitschrift für Sozialreform 1970, S. 260; Obermayer, Rechtsnatur der Kriegsopferversorgung, München o. J. (ca. 1964); Berg, in: Festschrift für Bogs, 1967 S. 19 ff. Vgl. Rüfner (Fn. 13) S. 34f. BGHZ 46, 327; vgl. dazu Ossenbühl, JuS 1970, 2 7 6 f f F o r k e l , JZ 1969, 7ff. Siehe jetzt § 539 Abs. 1 Nr. 14 RVO. Vgl. BGHZ 17, 172, 174 ff. (Gefährdung durch Strafvollzug geht zu Lasten des Gefangenen); dazu kritisch Tiedemann, NJW 1962, 1760, 1761 f.; differenzierter BGHZ 60, 302, 303 ff. (bei Untersuchungsgefangenen kommt es darauf an, ob er die Freiheitsentziehung selbst verschuldet hat). Bei Unterbringung eines Geisteskranken in einer Heil- und Pflegeanstalt bejaht BGH NJW 1971, 1881, 1882f. die Aufopferungslage. BGHZ 36, 379, 383f,; BGHZ 50, 14, 19ff.; dazu kritisch Konow, JR 1969, 6ff. Vgl. Bender (Fn. 22) Nr. 45. Im Ampelfall, BGHZ 54, 332, wäre also auch für eine etwaige Körperverletzung die Entschädigung versagt worden. Vgl. jedoch die Formulierung des BGH in NJW 1971, 1881, 1883, wonach das Opfer nicht unmittelbar durch den Eingriff bewirkt sein müsse. 441
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Der Eingriff muß wenigstens seiner Intention nach (auch) dem Wohl der Allgemeinheit dienen 157 . Dagegen ist der B G H in der Frage des Zwangs großzügig gewesen. Zwar lösen freiwillige Opfer keine Ansprüche aus, es genügt jedoch das „psychologische Abfordern", etwa durch eine allgemeine Empfehlung einer Impfung 1 5 8 . Auch wird die Entschädigung nicht verweigert, wenn ein Kranker einer gesetzlichen Pflicht zur ärztlichen Behandlung freiwillig nachgekommen ist 1 5 9 . c) Aufopferung und Spezialregelungen. Eine wesentliche Beschränkung des Aufopferungsanspruchs ergibt sich daraus, daß zwar eine Konkurrenz mit dem Amtshaftungsanspruch möglich ist, daß aber spezielle Ansprüche gegen die öffentliche Hand, die auf dem Aufopferungsgedanken beruhen oder einen Schadensausgleich anstreben, den allgemeinen Aufopferungsanspruch ausschließen. Das steht mit dem heute überwiegend angenommenen Verfassungsrang der Aufopferung nicht im Widerspruch. Ersichtlich bewertet zwar das G G , das Menschenwürde, Freiheit und Unverletzlichkeit der Person im Katalog der Grundrechte voranstellt, Leben und Gesundheit nicht geringer als Vermögenswerte. Das heißt jedoch nicht, daß sich aus dem G G schon auf Heller und Pfennig die Höhe der Aufopferungsentschädigung herauslesen ließe. Der Gesetzgeber kann daher Art und Ausmaß der Entschädigung in billiger Weise regeln 160 . Die § § 5 I f f . BSeuchG schließen daher für Impfschäden den allgemeinen Aufopferungsanspruch aus. Die Aufopferung hat für Impfschäden somit de lege lata keine praktische Bedeutung mehr. Besondere Ausprägungen des Aufopferungsgedankens enthalten auch die Entschädigungsvorschriften des Polizeirechts, soweit sie sich auf Personenschäden beziehen 161 , und die Regelungen über die Entschädigung wegen unschuldig erlittener Haft 1 6 2 . Sehr wichtig ist, daß Aufopferungsansprüche nicht entstehen, soweit der Schaden durch die Sozialversicherung abgedeckt wird, da der Geschädigte seinen Schaden bereits auf die Allgemeinheit abwälzen kann. Es gilt also nicht die allgemeine Regel, nach der der Anspruch gem. § 1542 RVO auf die leistende Versicherung übergeht. Vielmehr entsteht der Aufopferungsanspruch überhaupt nicht 163 . Vgl. B G H Z 36, 379, 388; Ossenbühl (Fn. 8) S. 84; ausführlich zum besonderen Opfer Forkel, J Z 1969, 7ff. 1 5 8 Vgl. B G H Z 24, 45; B G H Z 31, 187; für die Impfung siehe jetzt § 51 BSeuchG. 1 5 9 B G H Z 25, 238, 242. 160 Vgl Woff/Bachof, VwR I, §61 I b m . w . N . ; Bender (Fn. 22) Nr. 756ff.; Ossenbühl (Fn. 8) S. 89; Riifner (Fn. 13) S. 36; s. auch BVerfGE 31, 212. 1 6 1 Vgl. dazu unten § 53 I. 162 Yg] ( J a z u j a s Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen vom 8.3.1971, B G B l . I 157, das eine Ausprägung des Aufopferungsgedankens ist, vgl. Schätzler, Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, 1972, Einleitung Nr. 23, S. 30. — Zum Ausschluß des allgemeinen Aufopferungsanspruchs vgl. B G H Z 45, 58, 76ff. (entschieden für den Anspruch aus Art. 5 Abs. 5 der europäischen Menschenrechtskonvention). 163 Vgl. B G H Z 20, 81; der B G H erklärt es für unerheblich, daß die Sozialversicherungsrente anders berechnet wird als eine etwaige Aufopferungsentschädigung. Vgl. zur Subsidiarität des Aufopferungsanspruchs Konow, DVB1. 1968, 205ff. 157
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2.
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Entschädigung
Zur Höhe der Entschädigung fehlen so fest umrissene Kriterien wie bei der Enteignung, bei der ein berechenbarer Vermögensschaden ausgeglichen werden soll. Grundsätzlich ist angemessener Ausgleich des durch den Eingriff verursachten Vermögensschadens geboten, ein Schmerzensgeld ist ausgeschlossen164. § 844 BGB ist anzuwenden 165 . Da die Berechnung des angemessenen Ausgleichs bei Körperschäden erhebliche Schwierigkeiten bereitet, neigt der BGH in neuerer Zeit dazu, die Kriegsopferversorgung zum Maßstab der Entschädigung zu nehmen. Der Gesetzgeber hat sich dem bei der Neuregelung des Impfschädenrechts angeschlossen 166 , mit einer weiteren Entwicklung in dieser Richtung ist zu rechnen. Zur Entschädigung verpflichtet ist wie bei der Enteignung grundsätzlich der begünstigte Verwaltungsträger, ist eine eigentliche Begünstigung nicht festzustellen, ist der Verwaltungsträger zur Entschädigung verpflichtet, dessen Aufgaben erfüllt wurden 167 .
§53 Ergänzungen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Schadensersatzund Entschädigungsrechts durch besondere Normen Das allgemeine öffentlich-rechtliche Schadensersatz- und Entschädigungsrecht wird durch eine Vielzahl von Bestimmungen über Schadensersatz und Entschädigung in besonderen Fällen abgeändert und ergänzt. Sie gehören zum größten Teil in spezielle Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts und können hier nicht alle aufgeführt werden. Die folgende Darstellung kann nur einen Überblick über die wichtigsten ergänzenden Grundsätze bieten. I. Sonderbestimmungen des Polizeirechts Im Polizeirecht gibt es verschiedentlich besonders geregelte Entschädigungsansprüche der Bürger. Nach allen Landesgesetzen ist dem im polizeilichen Notstand in Anspruch genommenen Nichtstörer Entschädigung zu gewähren. Im übrigen divergieren die Regelungen etwas. Entsprechende Ansprüche werden un164 165 166 167
Vgl. BGHZ 20, 61, 68 ff. BGHZ 18, 286, 289ff.; 34, 23. Vgl. BGHZ 20, 61, 68ff.; § 5 1 BSeuchG. BGH NJW 1963, 1828, 1830 (für die Schule Staat, nicht Gemeinde entschädigungspflichtig). Vgl. zu diesen Fragen Schock, JuS 1965, 295ff. 443
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beteiligten Dritten teils kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift (so § 189 L V w G SH), teils im Wege der Analogie zugebilligt, wenn sie durch polizeiliche oder ordnungsbehördliche Maßnahmen einen Schaden erlitten haben. Einen generellen Entschädigungsanspruch wegen rechtswidriger Eingriffe der Ordnungsbehörden gewährt z. B . § 41 Abs. 1 Buchst, b O B G N R W 1 . Soweit diese Sonderbestimmungen nicht eingreifen, bestehen die allgemeinen Ansprüche wegen enteignungsgleichen Eingriffs und Aufopferung. Sie können allerdings — im Gegensatz zu den Amtshaftungsansprüchen — nicht mit den Ansprüchen aus den erwähnten Sonderregeln konkurrieren: Die Sonderregeln sind nämlich verfassungsrechtlich unbedenkliche Einzelausgestaltungen der Ansprüche aus Aufopferung und enteignungsgleichem Eingriff, die an die Stelle der Ansprüche nach den allgemeinen Grundsätzen treten. Das gilt nicht nur für die Aufopferung, die ohnehin gegenüber anderen Ansprüchen gegen die öffentliche Hand subsidiär ist 2 , sondern auch für den enteignungsgleichen und enteignenden Eingriff, dessen Einzelausgestaltung dem Gesetzgeber zusteht 3 .
II. Entschädigung bei Widerruf oder Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte Die Entschädigungspflichten bei Widerruf oder Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte sind grundsätzlich ähnlich zu bewerten. Entschädigungspflichten bei Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte finden sich bereits seit älterer Zeit im Polizei- und Ordnungsrecht 4 sowie im Baurecht, jetzt auch in § 49 Abs. 5 V w V f G und den entsprechenden Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. Der Widerruf, welcher die Entschädigungspflicht auslöst, wird, wenn nicht immer, so doch in der Regel enteignende Wirkung haben. Der ausdrücklich statuierte Entschädigungsanspruch ist seiner Natur nach ein Anspruch auf Enteignungsentschädigung (bzw. Aufopferung), der
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Generelle Ansprüche bei rechtswidrigen Eingriffen gewähren außerdem § 52 Abs. 1 b des bremischen Polizeigesetzes und §34 Abs. 2 des Bundesgrenzschutzgesetzes. Vgl. zu den polizeirechtlichen Entschädigungsvorschriften im einzelnen Hans J. Wolff, VwR III § 130; Friauf, in: /. v. Münch, Bes. VwR, S. 226ff. Drews/Wacke/Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr I S. 463 ff. ; V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl. 1977 S. 114 ff. ; kritisch Papier, DVB1. 1975, 571 ff. Vgl. oben § 52 IV 1 c. Vgl. Götz (Fn. 1) S. 114; Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau, Ordnungs- und Polizeirecht in Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1972, §41 OBG, Anm. 6 - 8 ; vgl. auch BGHZ 7, 96. Vgl. zu den Ansprüchen bei Widerruf begünstigender Verwaltungsakte im Polizeirecht Friauf (I n. 1) S. 227; Drews/Wacke/Vogel/Martens Gefahrenabwehr I, S. 469; Götz (Fn. 1) S. 117f. ; Papier DVBl. 1975. 570f.
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darum vor den ordentlichen Gerichten geltend z u machen ist ( § 4 9 A b s . 5 Satz 3 VwVfG)5. Die Entschädigungspflichten bei Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte, die sich in § 48 A b s . 3 V w V f G , den entsprechenden Bestimmungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder und neuerdings zunehmend auch im Baurecht finden, werfen größere Probleme auf. Auch hier lassen sich Ansprüche aus Enteignung (Aufopferung) konstruieren, und zwar mit dem Argument, der erworbene, nicht durch einen rechtmäßigen Verwaltungsakt, aber durch den Vertrauensschutz gewährleistete Bestand sei eine rechtlich geschützte Vermögenswerte Position, in die durch die Rücknahme eingegriffen werde 6 . Dagegen spricht freilich, daß nach der üblichen A u f f a s s u n g als Eigentum nur Rechtspositionen bewertet werden, die mit eigener Arbeit oder eigenem Kapitalaufwand erworben wurden 7 . D e r Gesetzgeber geht darum davon aus, daß regelmäßig Enteignung oder A u f o p f e r u n g nicht vorliegen 8 . E r sieht für Entschädigungsansprüche nach § 48 A b s . 3 V w V f G den Verwaltungsrechtsweg vor, allerdings nicht, soweit eine Entschädigung wegen enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht k o m m t 9 .
III. Soziale Entschädigung Von der zünftigen Verwaltungsrechtslehre wenig bemerkt, ist in den vergangenen Jahrzehnten eine große Zahl von Fällen, für die eine Entschädigung der öffentlichen H a n d erforderlich erschien, sozialrechtlich geregelt worden. Hier ist vor allem auf den langen Katalog des § 539 A b s . 1 R V O hinzuweisen, in dem immer wieder Fallgruppen auftauchen, welche an sich unter die Aufopferung z u rechnen sind oder ihr wenigstens nahestehen. E s sind u. a. zu nennen: D i e Verwaltungshelfer ( N r . 8 b), die Luftschutzhelfer ( N r . 12), die Blutspender ( N r . 10), die Entwicklungshelfer ( N r . 16) u. a. m . E s besteht die Tendenz, immer dann, wenn sich ein Bedürfnis nach Entschädigung für Körperschäden zeigt, dem die überkommene A u f o p f e r u n g nicht gerecht wird, den § 539 A b s . 1 R V O zu erweitern. Typisch dafür war etwa die Reaktion des Gesetzgebers auf B G H Z 46, 37, w o der B G H eine Aufopferungsentschädigung wegen eines unverschuldeten und nicht auf rechtswidriges Handeln zurückzuführenden Turnunfalls verweigert hatte: D i e
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Vgl. dazu Maurer in: Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren, 1977, S. 253f., der sich mit Recht gegen die Begründung in BT-Drucks. 7/910 (zum Entwurf des VwVfG), S. 73 wendet, wo vom enteignungsgleichen Eingriff die Rede ist. So Maurer (Fn. 5) S. 247ff. ; für Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff aufgrund allgemeiner Erwägungen bereits vor Erlaß des VwVfG Schmidt, JuS 1973, S. 534 f. Maurer (Fn. 5) S. 250 will auf dieses Kriterium verzichten. Vgl. BT-Drucks. 7/910, S. 70. Diese Bestimmung wird wegen ihrer Unklarheit mit Recht kritisiert, vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 1976, § 48, Anm. 17. 445
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Entscheidung führte zur Neufassung der Nr. 14 des §539 Abs. 1 RVO. Danach sind jetzt Kinder beim Besuch von Kindergärten, Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen und Studierende an Hochschulen durch die Unfallversicherung geschützt. Es handelt sich dabei nicht um eine echte Unfallversicherung, für die Beiträge gezahlt werden, sondern nur um eine Leistungspflicht der öffentlichen Hand entsprechend den Leistungen der Unfallversicherung. Konkurrierende Amtshaftungsansprüche sind teilweise ausgeschlossen 10 . Für die Impfschäden hat der Gesetzgeber in den § § 5 I f f . BSeuchG Versorgung nach den Vorschriften über die Kriegsopferversorgung (BVG) vorgeschrieben 11 . Desgleichen richtet sich die Entschädigung der Opfer von Tumultschäden nach dem B V G 1 2 . Die erkennbare Neigung, die Aufopferungsentschädigung nach den Maßstäben des BVG zu bemessen, wurde schon erwähnt 13 . § 5 SGB-AT hat nun die soziale Entschädigung grundsätzlich umrissen. Es heißt dort: „Wer einen Gesundheitsschaden erleidet, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen einsteht, hat ein Recht auf 1. die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit und 2. angemessene wirtschaftliche Versorgung." Damit ist, da § 5 wie alle anderen Bestimmungen über die sozialen Rechte unmittelbar keine Ansprüche schafft, zwar erst ein Programm entworfen. Die Weichen für die künftige Entwicklung sind jedoch gestellt. Die soziale Entschädigung wird auf lange Sicht nach dem Muster der (noch fortzuentwickelnden und auf die Bedürfnisse der Friedensgesellschaft auszurichtenden) Kriegsopferversorgung geregelt werden. Zumindest ist zu erwarten, daß neue Tatbestände der sozialen Entschädigung nicht mehr in § 539 Abs. 1 RVO eingefügt, sondern „nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen", d. h. unter Verweisung auf das Bundesversorgungsgesetz geregelt werden. Mit dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten ( O E G ) hat der Gesetzgeber erstmals nach Erlaß des SGB-AT diesen Prinzipien entsprochen 14 . Inhaltlich unterscheidet sich die sozialrechtliche Entschädigung nach Höhe und Art von der allgemeinen Aufopferungsentschädigung: Es werden feste Sätze gezahlt, die den individuellen Schaden nur beschränkt berücksichtigen. Für die Heilung wird zumeist Leistung in Natur geboten, also nicht nur Geldersatz.
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Vgl. dazu §§ 636f. R V O . Dadurch kommt die Amtshaftung z. B. Schülern nur noch für Sachschäden zugute, vgl. Schmitt, DVB1. 1977, 698. Vgl. oben § 52 IV 1 c. Vgl. dazu Riifner, Verhandlungen des 49. Deutschen Juristentags, Bd. I, Gutachten E, S. 9f. m. w. N . ; Ossenbiihl, Staatshaftungsrecht, 1976 S. 171 f. Vgl. oben § 5 2 IV 2. O E G v. 11.5. 1976, B G B l . I, 1181; vgl. dazu Rüfner, N J W 1976, 1249f.; Rohmel, J A 1977, 39ff., 87ff. ; Schoreit/Düsseldorf, Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten ( O E G ) , 1977; Schulz-Lüke/Wolf, Gewalttaten und Opferentschädigung, 1977.
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§ 5 3 IV
IV. Schadensersatzansprüche aus verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen Schon das R G hatte Regeln des privaten Schuldrechts auf entsprechende Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts angewendet. Es hat diese Analogie vor allem am Recht der öffentlich-rechdichen Verwahrung, der nutzbaren Anstalten und am Beamten Verhältnis entwickelt und die zur positiven Forderungsverletzung herausgearbeiteten Grundsätze auf zivilrechtsähnliche öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse (verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse) übertragen. Der B G H hat diese Rechtsprechung, die allerdings für das Beamtenrecht durch die gesetzliche Fixierung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht eine andere Grundlage erhalten hat, bestätigt und ausgeweitet 15 . Grundsätzlich ist heute anerkannt, daß auf verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse die Haftungsregeln des bürgerlichen Vertragsrechts entsprechend oder als Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze anzuwenden sind. Diese Haftung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts bietet dem Bürger gegenüber dem Amtshaftungsanspruch manche Vorteile : Für die meisten Fälle der positiven Forderungsverletzung gelten die Beweislastregeln der §§ 282, 285 B G B , so daß der Schuldner für sein Nichtverschulden beweispflichtig ist 1 6 . Die Subsidiarität der Amtshaftung entfällt 17 , der Geschädigte ist nicht auf Geldersatz beschränkt, sondern kann Naturalrestitution verlangen. Die Haftung für Hilfspersonen richtet sich nach § 278 B G B , die kurze Verjährung der deliktischen Ansprüche gilt nicht. Für Schmerzensgeld bietet die quasivertragliche Haftung allerdings keine Grundlage 1 8 . In den Einzelheiten besteht allerdings noch viel Unklarheit. Die Rechtssprechung hat sich kasuistisch vorangetastet, ohne den Begriff des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses eindeutig abzugrenzen 1 9 . Sie hat dabei auf das besonders enge Verhältnis des Einzelnen zum Staat und auch darauf abgestellt, daß das Handeln des Staates im Rahmen des betreffenden Rechtsverhältnisses Ausfluß einer fürsorgerischen Tätigkeit in bezug auf den Einzelnen sei 20 . Anerkannt ist die Anwendung des bürgerlichen Haftungsrechts bei der öffendich-rechtlichen Verwahrung, der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag 2 1 , den verwal-
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Vgl. RGZ 99, 96, 97ff. ; BGHZ 17, 191, 192 f.; BGHZ 54, 299, 302 ff. ; Β GHZ 59, 303, dazu Stürmer, JuS 1973 , 749ff.; BGH NJW 1974, 1816; BGH NJW 1977, 197, 198; auch BGH JuS 1974, 191 f. zur öffentlich-rechdichen Verwahrung. Sehr kritisch zu dieser Haftung Papier, JZ 1975, 585 ff. Vgl. BGHZ 23, 288 und 28, 251; BGH DVB1. 1978, 108, 109f.; BVerwGE 13, 17, 24f. BGHZ 63, 167, 171 ff. Vgl. zu den Unterschieden der Haftung Ossenbühl (Fn. 12) S. 218 f. Vgl. Ossenbühl (Fn. 12) S. 227. BGHZ 21, 214, 218ff.; kritisch zur begrifflichen Abgrenzung Ossenbühl (Fn. 12) S. 226ff.; Papier, JZ 1975, 586ff. BGHZ 63, 167, 170. 447
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tungsrechtlichen Verträgen 2 2 und — hier war die praktische Bedeutung am größten — bei den öffentlich-rechtlichen Benutzungs- und Leistungsverhältnissen 23 . Dazu treten die heute im Hinblick auf die Fürsorgepflicht besonders geregelten Beamtenverhältnisse 24 . Für die Rechtsverhältnisse der Strafgefangenen 25 und Schüler 2 6 hat der B G H dagegen die Anwendung der Regeln des bürgerlichen Vertragsrechts abgelehnt. Nicht abschließend geklärt ist auch, welche Regeln des privaten Schuldrechts auf verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse anzuwenden sind. Die Rechtsprechung neigt dazu, nach Bedarf im Einzelfall auf alle dem jeweiligen Fall angemessenen Bestimmungen zurückzugreifen 27 . Im Vordergrund standen stets die Schadensersatzansprüche, insbesondere die Schadensersatzansprüche wegen positiver Forderungsverletzung. Solche Schadensersatzansprüche sind gem. § 40 Abs. 2 S. 1 V w G O grundsätzlich vor den Zivilgerichten geltend zu machen 2 8 , soweit es nicht um die Verletzung von Pflichten aus öffentlich-rechtlichen Verträgen geht. Im Zusammenhang mit der vertragsähnlichen Haftung, insbesondere bei der Nutzung öffentlicher Einrichtungen, stellt sich häufig die Frage, ob Haftungsbeschränkungen, wie sie im bürgerlichen Recht üblich sind, auch in verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen zulässig sind. Die Praxis bejaht das, und zwar ungeachtet des grundsätzlich zwingenden Charakters des öffentlichen Rechts zu Recht. Die Haftungsregeln des bürgerlichen Rechts sind nicht zwingend, können es 22
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Vgl. dazu H. Meyer, Das neue öffentliche Vertragsrecht und die Leistungsstörungen, NJW 1977, 1705ff., bes. 1711 ff. ; Bullinger, Leistungsstörungen bei öffentlich-rechtlichen Verträgen, DÖV 1977, 812ff. (mit differenzierter Stellungnahme); Obermayer, BayVBl. 1977, 546 ff. Vgl. Ossenbühl (Fn. 12) S. 219ff. ; Bettermann/Papier, Die Verwaltung 1975, 173f. Β GHZ 43, 178, 184 f.; BVerwGE 13, 17; 25, 138, 141; BVerwG DVB1. 1963, 677. BGHZ 21, 214. B G H NJW 1963, 1828 und BGH DVB1. 1964, 584; vgl. jedoch auch BGH DVB1. 1964, 813; dazu kritisch Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Aufl. 1974, Nr. 194; Menger, VerwArch. 56 (1965), 90ff.; Meyer, in: I. v. Münch GGK II Art. 34 Rn. 20. Vgl. etwa OVG Münster DÖV 1971, 276 zur Haftung aus culpa in contrahendo; BGHZ 59, 303, 305f.; BGH DVBl. 1977, 839 zur Sachmängelhaftung des Kaufrechts; zu den öffentlich-rechdichen Verträgen vgl. die in Fußn. 22 zitierten Aufsätze von Meyer und Bullinger. Vgl. zu dieser bestrittenen und kaum befriedigend lösbaren Frage Ossenbühl (Fn. 12) S. 233ff. - Für Zivilrechtsweg BGHZ 43, 34; BGH NJW 1977, 197; BGH DVBl. 1978, 108, 109. BVerwGE 37, 231 wegen des Sachzusammenhangs mit der Amtshaftung; ähnlich OVG Münster JuS 1974, 191 für Ansprüche aus culpa in contrahendo; vorsichtiger BVerwG DÖV 1971, 707, wo beim Ubergang vom Haupt- ( = Erfüllungs-) zum Schadensersatzanspruch ein Wechsel des zulässigen Rechtswegs ausgeschlossen wird. Aus ähnlichen Gründen hält BVerwG DÖV 1974, 133 den Verwaltungsrechtsweg für zulässig, wenn ein Anspruch aus culpa in contrahendo geltend gemacht wird, der nicht im Zusammenhang mit einem Amtshaftungsanspruch steht. Für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht nimmt das BVerwG — vgl. Fn. 24 — wegen § 126 Abs. 1 BRRG Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs an.
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auch nicht sein, weil eine Anpassung an die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls gestattet werden muß. Sie können deshalb auch nicht ohne die Möglichkeit der Modifikation in das öffentliche Recht übertragen werden. Anderenfalls wäre die Verwaltung oft gezwungen, um der Freizeichnung willen in das Privatrecht auszuweichen 2 9 . Die Kompetenz, Haftungsbeschränkungen zu statuieren, fällt demjenigen zu, der zur Ausgestaltung des verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses berechtigt ist. Bei öffentlich-rechtlichen Verträgen kann die Haftung daher nur durch den Vertrag, bei anderen verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen jedoch einseitig durch die Verwaltung beschränkt werden. Üblich sind Haftungsbeschränkungen in Satzungen, es genügt aber grundsätzlich jede Rechtsform, in der die Einzelheiten eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses überhaupt festgelegt werden können (also u . U . auch eine schlichte Benutzungsordnung oder ein Verwaltungsakt) 3 0 . Grenzen dieser „Freizeichnung" ergeben sich zunächst aus dem bürgerlichen Recht. Haftungsbeschränkungen, die im bürgerlichen Recht wegen Monopolmißbrauchs oder Sittenwidrigkeit nicht zu tolerieren sind, sind auch im öffentlichen Recht unwirksam. Darüber hinaus sind die verwaltungsrechtlichen Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu wahren. Haftungsbeschränkungen dürfen nicht mit den Zwecken der Verwaltung im Widerspruch stehen und ζ. B . nicht die Haftung für die Erreichung der Ziele ausschließen, deretwegen die öffentliche Hand eine Leistung anbietet. So wäre etwa der Ausschluß der Haftung für ernsthafte Gesundheitsschäden, die durch Lieferung schlechten Wassers entstehen, grundsätzlich unwirksam. Im übrigen muß die Verwaltung eine gerechte Risikoverteilung anstreben, ist aber dabei nicht notwendig an die zivilrechtlichen Kategorien von Vorsatz, grober und leichter Fahrlässigkeit gebunden. Der Ausschluß der Haftung für leichtere Schäden, die den Einzelnen wenig beeinträchtigen, aber wegen ihrer Summierung den Träger einer öffentlichen Einrichtung schwer belasten können, ist im Interesse niedriger Gebühren oft zu tolerieren. Dagegen darf dem Bürger kein unerträgliches Risiko aufgebürdet werden, insbesondere nicht das Risiko schwerer Gesundheitsschäden 3 1 . Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang, ob mit der vertragsähnlichen Haftung zugleich die Haftung aus § 839 B G B i. V. m. Art. 34 G G ausgeschlossen werden kann. Der B G H scheint das zu verneinen 3 2 , ohne zu er29
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Vgl. dazu Forsthoff, VwR, S. 422f.; Schneider, NJW 1962, 704, 707f.; Püttner, Die öffendichen Unternehmen, 1969 S. 347; Götz, JuS 1971, 349ff. ; Rüfner, DÖV 1973, 808, 809; Tiemann, BayVBI. 1974, 57ff.; ders., VerwArch. 65 (1974), 381, 397ff.; Erichsen, VerwArch. 65 (1974), 219ff.; Frotscher, Die Gemeinde 1975, 139ff.; BayVerfGH DÖV 1970, 488; BGHZ 61, 7, 12 f. Vgl. Rüfner, DOV 1973, 808, 809; anders Götz, JuS 1971, 349, 352, der eine objektivrechtliche Regelung fordert. Vgl. Rüfner, DÖV 1973 , 808 , 810f. BGHZ 61, 7, 14f., wo ein Ausschluß der Haftung wegen Verletzung der allgemeinen Amtspflichten durch kommunale Satzung nicht zugelassen wird. Ob der BGH für spe449
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kennen, daß die „Freizeichnung" im öffentlichen Recht weitgehend wirkungslos bleibt, wenn sie nicht auch die Amtshaftung einschließt. Ein Verstoß gegen Pflichten aus einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis ist in aller Regel ohne eine gleichzeitige Amtspflichtverletzung kaum denkbar. Dogmatisch läßt sich die Zulässigkeit einer Beschränkung der Amtshaftung damit erklären, daß es der Verwaltung überlassen ist, die Pflichten aus verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen und somit auch die Amtspflichten der beteiligten Beamten auszugestalten. Die Beschränkung der Haftung für Pflichtverletzung ist also als ein zulässiges Minus gegenüber der Beschränkung der Pflichten anzusehen. Allerdings ist demnach eine Beschränkung der Amtshaftung nur insoweit möglich, als es der Verwaltung zusteht, die Rechtsverhältnisse der Beteiligten zu regeln. Die Haftung für Amtspflichten, die unabhängig vom verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis bestehen, kann nicht ausgeschlossen werden 33 .
V.
Folgenbeseitigungsanspruch
Der Folgebeseitigungsanspruch ist seit mehr als zwei Jahrzehnten viel diskutiert worden, ohne daß es bisher gelungen wäre, seine Voraussetzungen und Rechtsfolgen eindeutig zu klären. Ausgangspunkt der Diskussion war ein typischer Fall der Nachkriegszeit: Eine Wohnung wurde beschlagnahmt, die Beschlagnahme für sofort vollziehbar erklärt, später auf Klage wieder aufgehoben. Die Zwangsmieter saßen aber in der Wohnung. Hier setzte Bachof an, der einen Folgenbeseitigungsanspruch auf Freimachung der Wohnung postulierte 34 . Die Verwaltungsbehörde sollte danach verpflichtet sein, die fortdauernde Beeinträchtigung aus dem Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts zu beseitigen. Bachof hat sich mit dieser Idee weitgehend durchgesetzt, und § 113 Abs. 1 Satz 2 V w G O zieht aus der Anerkennung dieses Folgenbeseitigungsanspruchs die prozessualen Konsequenzen 3 5 . Die materiellrechtliche Begründung ist jedoch bis heute nicht eindeutig geklärt. Bachof dachte an einen auf die Folgen des Vollzugs beschränkten besonderen Wiedergutmachungs- oder Entschädigungsanspruch. Er hatte damit jedoch nur wenig Erfolg. Allgemeine Anerkennung hat lediglich ein Unterlassungs- und Störungsbeseitigungsanspruch gefunden, wie er im Zivilrecht gem. § 1004 B G B ge-
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zielle, nur aus dem Schuldverhältnis entstehende Amtspflichten eine andere Lösung für möglich hält, steht dahin, ist aber kaum anzunehmen. Ebenso gegen einen Ausschluß der Amtshaftung Tiemann, BayVBI. 1974, 57, 60ff.; Schwarz, JuS 1974, 641 ff.; Brehm, DÖV 1974, 416f. ; Frotscher, Die Gemeinde 1975, 142. In diesem Sinn Rüfner, DÖV 1973, 808, 809f. m. w. N. Bachof, Die verwaltungsgerichtliche Klage auf Vornahme einer Amtshandlung, 1951 S. 98 ff. Zur lediglich prozessualen Bedeutung dieser Bestimmung vgl. BVerwG DÖV 1971, 857, 858 entgegen einer mißverständlichen Äußerung in BVerwGE 28, 155, 164.
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währt wird 3 6 . Auf dieser Linie liegt auch die grundlegende Entscheidung des BVerwG vom 25. 8. 1971. Das B V e r w G erkennt den Folgenbeseitigungsanspruch als ein bundesverfassungsrechtliches Rechtsinstitut an und neigt dazu, seine Grundlage in den Freiheitsrechten oder dem Vorbehalt des Gesetzes zu sehen 3 7 . Dieser Beseitigungsanspruch ist die auf A b w e h r rechtswidriger Eingriffe durch hoheitliche Handlungen gerichtete actio negatoria des öffentlichen Rechts. Er ist, wie n u n m e h r klargestellt ist, nicht auf die Beseitigung der Folgen eines rechtswidrigen bereits vollzogenen Verwaltungsakts beschränkt 3 8 . Er kann vielmehr gegen alle Störungen gelten gemacht werden, auch gegen solche, die lediglich auf schlichtem Verwaltungshandeln beruhen 3 9 . Der (Folgen-)Beseitigungsanspruch kann so Grundlage des Verlangens auf Widerruf einer ehrenkränkenden Behauptung im öffentlich-rechtlichen Bereich 4 0 oder der A b w e h r von Immissionen durch öffentlich-rechtlich handelnde U n t e r n e h m e n 4 1 sein. Desgleichen kann die Beseiti-
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Vgl. grundlegend Bettermann, DÖV 1955, 528ff.; ders., Grundrechte III/2, S. 802f.; Papier, DÖV 1972, 845 ff. ; zum Zusammenhang von Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch vgl. Erichsen/Hoffmann-Becking, JuS 1971, 144, 148 und berichtigend Erichsen, VerwArch. 63 (1972), 220f.; Hoffmann-Becking, JuS 1972, 509, 510ff.; H. Kupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 249ff. ; Rösslein, Der Folgenbeseitigungsanspruch, 1968, S. 65 ff. BVerwG DÖV 1971, 857 mit zust. Anm. Bachof = DVB1. 1971, 858 mit kritischen Anmerkungen von Grave und Rupp in DVB1. 1972, 23iff. Die Entscheidung folgt weitgehend Gedankengängen, die Weyreuther in seinem Gutachten für den 47. Deutschen Juristentag (Verhandlungen Bd. I, Gutachten B) vorgezeichnet hat. Vgl. in ähnlichem Sinn BGH JR 1972, 256 mit Anm. Martens und BVerwG DÖV 1974, 132; umfassender ist der Ansatz von Rupp (Fn. 36) S. 249ff., der in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGÖ den Ausdruck eines allgemeinen Beseitigungsanspruchs bei Statusverletzungen erblickt und auch den Folgenbeseitigungsanspruch als Ausfluß dieses Rechtsgrundsatzes ansieht. Ähnlich Rösslein (Fn. 36), S. 65 ff. ; nicht grundsätzlich differiert hiervon die Ableitung von Heidenhain, Amtshaftung und Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff, 1965, S. 141, aus Art. 19 Abs. 4 GG; auch M. Hoffmann, Der Abwehranspruch gegen rechtswidrige hoheitliche Realakte, 1969, ist trotz seiner Polemik gegen Rupp, Heidenhain und Rösslein am Ende (S. 77) nicht weit von deren Begründung entfernt. Zusammenstellung der Rechtsprechung bei W. Martens, Negatorischer Rechtsschutz im öffentlichen Recht, 1973. Prozessual weist der „Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch" manche Besonderheiten auf, vgl. Riifner, DVB1. 1967, 186, 189; Rösslein (Fn. 36) S. 92ff.; daß der „Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch" materiellrechtlich über den allgemeinen Beseitigungsanspruch hinausgeht - so Hoffmann (Fn. 37) S. 88ff. ; v. Mangoldt, DVB1. 1974, 825, 831 f. - läßt sich dagegen kaum begründen. So klar BVerwG DÖV 1971, 857; anders noch BVerwGE 28, 155, 164f. Vgl. Β GHZ 34, 99, 108 f.; BVerwGE 38, 336, 346. Vgl. dazu W. Martens, in: Hamburger Festschrift für Friedrich Schack, 1966 S. 85ff.; Abée, Der negatorische Rechtsschutz gegen Immissionen von lebenswichtigen Privatbetrieben und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung, Diss. Kiel 1973 S. 92ff. ; Papier, NJW 1974, 1797ff. 451
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gung der fortdauernden tatsächlichen Beeinträchtigungen aus einem aufgehobenen 42 rechtswidrigen Verwaltungsakt unter dem Titel der Folgenbeseitigung verlangt werden. Das O V G Lüneburg ging dabei so weit, dem Nachbarn, der sich mit Erfolg gegen eine rechtswidrige Bauerlaubnis zur Wehr gesetzt hatte, einen Anspruch auf Anordnung des Abrisses zu geben 4 3 . Damit ist sicher die Grenze dessen erreicht, was eine als Störungsbeseitigungsanspruch verstandene actio negatoria des öffentlichen Rechts zu leisten vermag. Der rechtswidrige Bau kann als eine fortdauernde Beeinträchtigung des Nachbarn angesehen werden, die zu beseitigen ist. Würde man darüber hinausgehen und z. B. unter dem Stichwort Folgenbeseitigung auch einen Anspruch auf Wiederaufbau eines aufgrund rechtswidriger Anordnung abgerissenen Baues gewähren 44 , so wäre man bei einem besonderen Wiedergutmachungsanspruch 45 . Ein solcher allgemeiner oder partieller Wiedergutmachungsanspruch für rechtswidriges hoheitliches Handeln ist zwar immer wieder diskutiert 46 worden, er hat sich aber bislang nicht durchgesetzt 47 . Jedenfalls ist in Literatur und Rechtsprechung heute weitgehend geklärt, daß ein Schadensersatz oder eine Entschädigung nicht als Folgenbeseitigung verlangt werden kann. Insoweit liegt die negative Abgrenzung des Folgenbeseitigungsanspruchs ebenso fest wie die positive Anerkennung des Beseitigungsanspruchs wegen fortwirkender Störung. In einigen Punkten besteht freilich nach wie vor Unklarheit. So zeigten Literatur und Rechtsprechung bis in die Mitte der 60er Jahre Neigung, viele längst anerkannte öffentlich-rechtliche Ansprüche, die auf rechtswidriges Verwaltungshandeln zurückzuführen waren, als Folgenbeseitigungsansprüche zu bezeichnen, vor allem dann, wenn sie auf einem rechtswidrigen Verwaltungsakt beruhten. So sind
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Darauf ist besonders Gewicht zu legen. Solange der Verwaltungsakt noch besteht, ist die Beeinträchtigung durch ihn gedeckt, vgl. Ossenbiihl (Fn. 12) S. 199. O V G Lüneburg DVB1. 1962, 418, 4 2 0 f . und DVB1. 1975, 915, 9 1 7 f . ; grundsätzlich zustimmend Bender (Fn. 26) N r . 2 5 3 f f . ; Ossenbühl (Fn. 12) S. 2 0 5 f . In diesem Sinn aus der Rspr. nur V G H Baden-Württemberg VwRspr. 1, 3 4 2 , 344. Insofern erweckt es gewisse Bedenken, wenn B V e r w G D Ö V 1971, 857, 8 5 9 auf Grund einer ins Gewicht fallenden Mitverantwortlichkeit des Betroffenen den Folgenbeseitigungsanspruch überhaupt entfallen lassen will. Mitverschulden ist an sich eine Kategorie des Schadenersatzrechts — vgl. Rupp, DVB1. 1972, 233 —, jedoch neigt auch die Rspr. zu § 1004 B G B dazu, § 254 B G B anzuwenden, vgl. Erichsen, VerwArch. 63 (1972), 2 2 3 f.
46
Dafür Menger, Gedächtnisschrift für W . Jellinek, 1955 S. 350ff. ; ders., Grundrechte III 2, S. 717, 7 3 3 ; D. Haas, System der öffendich-rechtlichen Entschädigungspflichten, 1955, S. 63 ff. ; partiell Franke, VerwArch. 57 (1966), 357, 364ff. In diesem Sinne auch Haueisen DVB1. 1973, 739ff., der dem Gedanken eines umfassenden öffentlich-rechtlichen Wiedergutmachungsanspruchs mit der Bezeichnung Folgenbeseitigungsanspruch zuneigt.
47
Insofern ist es auch zumindest mißverständlich, von einem Wiederherstellungsanspruch zu sprechen, so aber Ossenbühl (Fn. 12) S. 207ff.
452
öffentl.-rechtl. Schadensers.- u. Entschädigungsleistungen
§53 V
gelegentlich Erstattungs- 4 8 , Herausgabe- 4 9 oder sogar Amtshaftungsansprüche 50 und Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff Folgenbeseitigungsansprüche genannt worden. In neuerer Zeit sieht man davon mit Recht ab 5 1 . Es bleibt eine Fallgruppe, die früher häufiger unter dem Stichwort Folgenbeseitigungsanspruch diskutiert wurde und bei der heute nicht selten von Folgenbeseitigungslast die Rede ist : Die Verwaltung hat zu Unrecht eine Vergünstigung abgelehnt oder einen begünstigenden Verwaltungsakt nicht erlassen. Nachträglich, insbesondere während des Rechtsmittelverfahrens, haben sich dem Erlaß des begehrten Akts Hindernisse in den Weg gestellt. Beispiele finden sich vor allem im Berufszulassungsrecht: Ein Bewerber wurde zu Unrecht nicht zugelassen, anschließend wurden die Zulassungsvoraussetzungen verschärft, so daß er nach neuem Recht nicht mehr zugelassen werden dürfte, aber den erstrebten Beruf ausüben könnte, wenn er rechtzeitig zugelassen worden wäre. Hier haben sich die Gerichte auf den Standpunkt gestellt, die frühere rechtswidrige Ablehnung dürfe dem Bewerber nicht zum Nachteil gereichen, er sei also so zu behandeln, wie wenn er rechtzeitig zugelassen worden wäre. Eine andere Entscheidung laufe auf eine Rückwirkung der neuen ungünstigeren Norm hinaus 5 2 . Das B V e r w G hat es jedoch in gefestigter Rechtsprechung abgelehnt, dieses Prinzip auf das Baurecht zu übertragen 5 3 . Hier sprechen in der Tat erhebliche Bedenken dagegen, der Planung widerstreitende Bauanträge kurz vor Planänderungen durch eine auf die Rechtslage der Vergangenheit abstellende Rechtsprechung herauszuforden 5 4 . Dem zu Unrecht zur Zeit der Geltung des alten günstigeren Rechts abgewiesenen Bewerber hilft jedoch ein anderer Gedanke: Jede Behörde ist kraft ihrer „Folgenbeseitigungslast" gehalten, bei späteren Ermessensentscheidungen ihren früheren Fehler zu berücksichtigen und nach Möglichkeit wiedergutzumachen. Aus der früheren rechtswidrigen Ablehnung ergibt sich also bei einer neuen Ermessenentscheidung eine Ermessensbindung, die bis zu einer Ermessensreduzierung auf eine Entscheidung reichen kann 5 5 . So ist u. U . einem Bauwilligen Bachof (Fn. 34), S. 100ff.; Wolff, VwR I, 6. Auflage, § 54 II b, anders ders., 8. Auflage ebenda und Wolff/Bachof, VwR I, 9. Auflage, § 54 II j. 4 9 HessVGH DÖV 1963, 389. 50 Theune, BayVBl. 1963, 103ff. 5 1 Vgl. dazu - noch vor BVerwG DÖV 1971, 857 - Schmidt, JuS 1969, 166ff. (kritisch zu BVerwGE 28, 155). " Vgl. BVerwGE 1, 291, 295f.; BVerwGE 4, 81, 88; BVerwG DVB1. 1959, 775ff. ; BVerwG DVB1. 1960, 778f.; BVerwG DVB1. 1961, 447ff.; BSGE 5, 238, 242. BGHZ 37, 179, 181; OVG Hamburg VerwRspr. 9, 635 ff. wendet das Prinzip auf eine Änderung von Prüfungsbestimmungen an. 5 3 BVerwG DVB1. 1962, 178, 179; NJW 1962 , 507f.; BBauBl. 1963 , 605ff. ; a. A. OVG Lüneburg E 18, 501, 506. 5 4 Die Begründungen des BVerwG überzeugen nicht, immerhin läßt §174 Abs. 5 BBauG erkennen, daß im Baurecht grundsätzlich das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht anzuwenden ist. 5 5 Der Gedanke ist von Weyreuther, (Fn. 37) S. 107ff. entwickelt worden; vgl. dazu BVerwG NJW 1968, 2350; dazu Menger und Erichsen, VerwArch. 60 (1969), 171 ff. 48
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§53
VU
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ohne Verstoß gegen das neue Baurecht durch einen Dispens zu helfen. Bei der Entscheidung über den Dispens ist die frühere rechtswidrige Ablehnung in die Erwägungen einzubeziehen. Ähnlich ist der zurückgewiesene Bewerber um eine Beamtenstelle oder der zu Unrecht nicht beförderte Beamte zu behandeln 5 6 . Die Folgenbeseitigungslast schafft nicht ohne weiteres strikte Rechtsansprüche der Betroffenen, gibt ihnen aber doch eine günstige Position. Für die Behörde hat sie gegenüber einem strikten Rechtsanspruch den Vorteil, daß sie die Berücksichtigung öffentlicher Interessen erlaubt. Im Zweifel droht freilich bei einer Entscheidung gegen den Bürger die Amtshaftungsklage wegen der früheren rechtswidrigen Versagung. Da die Behörden gewillt sein werden, der Amtshaftung auszuweichen, wird — auch ohne Folgenbeseitigungslast — ihre Neigung gering sein, den Antrag des Bürgers abzuweisen. Insofern ist die praktische Bedeutung der Folgenbeseitigungslast oft begrenzt.
VI. De lege lata diskutierte Ansprüche
1. Allgemeiner
öffentlich-rechtlicher
Wie der gutmach
ungsanspruch
Der vor allem von Menger 5 7 und Haas 5 8 postulierte allgemeine Wiedergutmachungsanspruch des Bürgers, dem hoheitliches Unrecht widerfahren ist, ist bislang von Praxis und herrschender Meinung nicht anerkannt worden. Es lassen sich zwar manche Gründe dafür finden, daß die Idee eines allgemeinen Wiedergutmachungsanspruchs dem derzeitigen deutschen Staatshaftungsrecht zugrunde liegt und daß dem umfassenden Rechtsschutz, den Art 19 Abs. 4 GG dem Bürger gewährt, ein umfassender Wiedergutmachungsanspruch entspricht, wenn die Abwehr des Unrechts im Einzelfall nicht möglich war. Die Rechtsprechung hat sich jedoch gescheut, eine derart grundlegende Reform ohne den Gesetzgeber in Angriff zu nehmen. Sie ist allerdings, wie die Darstellung des enteignungsgleichen Eingriffs gezeigt hat, in ihren Ergebnissen von einem umfassenden Wiedergutmachungsanspruch nicht sehr weit entfernt. Es fehlt insbesondere noch der „Erwerbsschutz", da der enteignungsgleiche Eingriff den Eingriff in gegenwärtige konkrete Werte voraussetzt. In den letzten Jahren haben sich die Bemühungen um eine Erweiterung des Staatshaftungsrechts gerade darauf konzentriert. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Gedanke der Aufopferung immerhin gewisse Möglichkeiten bietet, die Staatshaftung de lege lata noch etwas auszudehnen 5 9 . Eine grundlegende Änderung und eine Beseitigung 56
Eine sofortige Einstellung oder Beförderung scheitert zumeist daran, daß die Stelle durch einen Konkurrenten besetzt worden ist.
57
Menger wie Fn. 46. Haas wie Fn. 46.
58 59
454
Vgl. dazu o. § 5 2 IV l a ; allein demjenigen zu helfen, der durch den Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts betroffen wurde - so Franke, VerwArch. 57 (1966),
öffentl.-rechtl. Schadensers.- u. Entschädigungsleistungen
§53
VI 2
der Schranken, die sich durch das Abstellen auf „gegenwärtige konkrete W e r t e " ergeben, ist daraus jedoch nicht zu erwarten.
2. öffentlich-rechtliche
Gefährdungshaftung
Für eine öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung hat sich vor allem Forsthoff 6 0 eingesetzt. Er geht davon aus, daß die moderne Verwaltung vielfach erhöhte Gefahrenlagen entstehen lasse, in denen es für den Einzelnen keinen Schutz vor Schaden gebe. Die Tätigkeit der Verwaltung komme der Allgemeinheit zugute, es sei daher billig und i. S. der justitia distributiva gerecht, wenn dem Opfer eine Entschädigung von der Allgemeinheit gezahlt werde. Diesem Argument ist kaum zu widersprechen. Indes werden die Opfer solcher Gefährdungen — wie Forsthoff selbst anerkennt — nach der Rechtsprechung des B G H nach Enteignungs- und Aufopferungsgrundsätzen entschädigt. Der B G H hat nicht zuletzt deshalb das Merkmal des gezielten Eingriffs aufgegeben, das Forsthoff für unverzichtbar hält. Forsthoff sieht selbst, daß damit den praktischen Notwendigkeiten Genüge getan wird. Seiner dogmatischen Kritik an dem ausufernden Enteignungsbegriff des B G H ist indes die Berechtigung nicht abzusprechen. Es besteht jedoch kaum mehr Aussicht, die Rechtsprechung zu einer grundsätzlichen Änderung zu veranlassen 61 . Eine kritische Prüfung der neueren Rechtsprechung des B G H zur Unmittelbarkeit zeigt, daß Abgrenzungskriterien, die für eine Gefährdungshaftung maßgebend sein müßten, jetzt unter dem Gesichtspunkt der Unmittelbarkeit behandelt werden. Der B G H lehnt eine Entschädigung wegen Enteignung oder Aufopferung nicht ab, wenn durch eine hoheitliche Maßnahme eine große außergewöhnliche Gefahrenlage geschaffen wird, die den Eintritt eines Schadens sehr wahrscheinlich macht. Als Beispiele mögen etwa der Schützenpanzerfall 62 oder der Treckerfall 6 3 dienen. Soweit der B G H in neuerer Zeit eine Entschädigung wegen mangelnder Unmittelbarkeit abgelehnt hat, lag eine solche außergewöhnliche Gefährdung nicht vor. D e r Bürger, der durch den Bruch einer gemeindlichen Wasserleitung einen Scha-
60
61
62
63
364ff. —, bringt wenig, zumal fast immer ein enteignungsgleicher Eingriff vorliegen wird. Die Ausdehnung, die Franke für die Versagung von begünstigenden Verwaltungsakten fordert, ist dagegen nicht begründbar. Vgl. dazu Riifner, BB 1968, 881, 884. Vgl. Forsthoff, VwR, S. 359ff. ; vgl. zu diesem Problemkreis Jaenicke/Leisner, WDStRL 20 (1962), S. 135ff. ; Ossenbühl (Fn.12) S. 161 ff. ; Vogt, Die Entwicklung der „Responsabilité sans faute" in der neueren französischen Lehre und Rechtsprechung, 1975. Vgl. die ausdrückliche Ablehnung der Gefährdungshaftung in neueren Entscheidungen: BGHZ 54, 332, 336f.; BGHZ 55, 229, 232f. und BGH VersR 1972, 43. BGH NJW 1964, 105; ob der Schaden in diesem Fall durch rechtswidriges Handeln oder durch technische Mängel verursacht wurde, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. BGHZ 28, 310. 455
§ 5 3 VI 3
Wolfgang Riifner
den erlitt 6 4 , war ebensowenig einer besonderen Gefährdung ausgesetzt wie der Polizist, der seinen Diensthund in seinem Wagen mitnehmen mußte 6 5 . Auch der Gesichtspunkt, eine bestimmte hoheitlich auferlegte Gefährdung sei nicht über das allgemeine Lebensrisiko hinausgegangen und daher sei im Schadensfall nicht zu entschädigen 66 , ließe sich ebenso zur Abgrenzung einer Gefährdungshaftung verwenden. Davon unberührt bleibt die spezialgesetzlich geregelte Gefährdungshaftung der Träger öffentlicher Verwaltung. Hier ist z. B. die Haftung nach § 34 AtomG 6 7 zu nennen. Auch die Haftung des Staates nach O E G 6 8 ist einer Gefährdungshaftung zumindest ähnlich. Im übrigen trifft die Träger öffentlicher Verwaltung die in besonderen Vorschriften des Privatrechts angeordnete Gefährdungshaftung auch bei öffentlich-rechtlichem Handeln 69 .
3.
Plangewährleistungsanspruch
Hier ist zunächst zu differenzieren: Unter Plangewährleistungsanspruch ist in erster Linie ein Anspruch der Betroffenen auf Einhaltung und auf eine gewisse Konstanz staatlicher Pläne zu verstehen. Soweit hieraus abgeleitet wird, daß der Planbetroffene, wenn nicht die strikte Einhaltung eines Planes, auf den er sich eingestellt hat — zumeist wird es sich um ein Gesetz handeln, da die Gesetze die meist gebrauchten Mittel der staatlichen Planung sind —, so doch eine hinreichende Berücksichtigung seiner Interessen in Form von Ubergangslösungen und dergl. bei Planänderungen verlangen kann, fällt die Plangewährleistung aus dem Bereich des staatlichen Schadensersatz- und Entschädigungsrechts heraus und kann hier nur erwähnt werden 70 . Ansätze zu einem Plangewährleistungsanspruch in Form eines Entschädigungsanspruchs bei Planänderungen finden sich in der bisherigen Praxis zum enteignungsgleichen Eingriff der Legislative. Die einschlägigen Entscheidungen sind zwar im Ergebnis fast durchweg negativ, zeigen aber doch die grundsätzliche 64
65
66 67 68 69 70
456
B G H Z 55, 229. Immerhin läßt sich über das Ergebnis streiten, vgl. Ossenbiihl (Fn. 12) S. 172. B G H VersR 1972, 4 3 ; B G H Z 54, 332 (Ampelfall) wäre freilich auch unter diesem Blickwinkel anders zu entscheiden. B G H Z 46, 327 (Turnunfall in der Schule). Vgl. dazu Schmitt, DVB1. 1977, 699. Vgl. dazu o . III. Vgl. z. B. § 22 W H G , § 7 StVG. Vgl. Ossenbühl, Verhandlungen des 50. Deutschen Juristentages, Bd. I, Gutachten B, S. 2 0 2 , der der Schadensabwendung mit Recht Vorrang vor dem Schadensersatz gibt; ders. JuS 1975, 545ff., 549, wo außer auf die Notwendigkeit differenzierter Anpassung der Pläne in Übergangslösungen auch auf die Möglichkeit vertraglicher Regelung der Verbindlichkeit von Plänen und der Folgen etwaiger Änderungen hingewiesen wird; vgl. ferner dens. (Fn. 12) S. 176ff.
öffentl.-rechtl. Schadensers.- u. Entschädigungsleistungen
§54
I
Möglichkeit, einen Plangewährleistungsanspruch als Entschädigungsanspruch im „anerkannten Anspruchssystem zu piazieren" 71 . Es spricht manches dafür, daß zumindest die Praxis das Problem auch in Zukunft von dieser Seite her angehen wird 72 . Das bedeutet, daß eine Entschädigung nur gewährt wird, wenn eine Planänderung als Eigentum schutzfähige Rechte des Bürgers verletzt und dadurch sein berechtigtes Vertrauen enttäuscht.
§54
Reform des öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsrechts I. Reform des Enteignungsrechts Eine isolierte Reform des Enteignungsrechts mit dem Ziel, die vielfach als zu hoch empfundene Enteignungsentschädigung zu senken, stößt sehr schnell an die Grenzen des Verfassungsrechts, das eine gerechte Entschädigung zwingend vorschreibt. Eine Verminderung der Enteignungsentschädigung ist — von allenfalls möglichen Randkorrekturen abgesehen — nur im Zuge einer Bodenrechtsreform möglich, welche übermäßigen Bodenwertsteigerungen entgegenwirkt. Diese Bodenrechtsreform1, an der seit langem gearbeitet wird, ist in der ab 1.1. 1977 geltenden Fassung des Bundesbaugesetzes teilweise verwirklicht. Der in den Einzelheiten äußerst komplizierte und problematische Planungswertausgleich2 ist jedoch am Widerstand des Bundesrats gescheitert. Möglicherweise führt die nach § 112 BBauG n. F. mögliche Trennung von Enteignung und Streit über die Höhe der Entschädigung zu einem gewissen Widerstand gegen überhöhte Entschädigungsforderungen. 71
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So die Formulierung von Ipsen, in: Festschr. für E. R. Huber, 1973 S. 219, 233; Ossenbübl (Fn. 12) S. 183ff.; vgl. im übrigen die oben § 5 2 III 1 b in Fußnote 93 und 94 zitierten Entscheidungen. — Auch hier stellt sich das Problem der Junktimklausel, die an sich dazu zwingen müßte, eine Planänderung mit enteignender Wirkung für unzulässig zu erklären; der B G H mußte solche Überlegungen bisher nicht anstellen, weil er mit einer Ausnahme eine enteignende Wirkung verneinte. Der einzige positiv entschiedene Fall ( B G H Z 25, 266) betraf eine vorkonstitutionelle Enteignung, so daß die Junktimklausel unerheblich war. Dies gilt nur, soweit nicht besondere Bestimmungen vorhanden sind. Vgl. in diesem Zusammenhang z. B. § 44 BBauG und die oben unter II besprochenen Entschädigungsansprüche bei Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten. Vgl. zu den grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Problemen dieser Reform Rüfrter, JuS 1973, 593ff.; Maunz, D Ö V 1975, Iff. Vgl. zum Planungswertausgleich und anderen möglichen Wertausgleichsabgaben Engelken, D Ö V 1974, 36lff. und 403ff.; dens. D Ö V 1975, 296ff.; dem. D Ö V 1976, 8ff.; v. Heynitz, DVB1. 1975, 474ff.; Softer, DVBl. 1975, 467ff. 457
§ 5 4 II
Wolfgang Riifner
II. Reform des Staatshaftungsrechts Der Deutsche Juristentag stellte bereits 1955 die Frage, ob die verschiedenen Pflichten des Staates zur Entschädigungsleistung aus der Wahrnehmung von Hoheitsrechten neu zu regeln seien. Er kam damals nur zu der Empfehlung, die geltende Regelung über die Entschädigungspflicht aus Staatshaftung (Art. 34 GG, § 839 BGB) zu überprüfen3. Im Jahre 1968 beschäftigte sich der Deutsche Juristentag wiederum mit dem Staatshaftungsrecht, wenn auch nach der Themenstellung vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung und Folgenentschädigung. Die Verhandlungen zeigten jedoch alsbald, daß einzelne Teile des Staatshaftungsrechts nicht isoliert behandelt werden können. Der Juristentag empfahl daher, die verschiedenen Bereiche der Staatshaftung untereinander und mit dem Rechtsschutz zu harmonisieren und umfassend bundesgesetzlich zu regeln. Leitgedanke sollte eine Haftung für staatliches Unrecht sein, die an die Rechtswidrigkeit als solche anknüpft4. Auf Anregung des Deutschen Juristentags hat die Bundesregierung Anfang 1970 eine unabhängige Kommission mit der Aufgabe betraut, eine umfassende gesetzliche Neuregelung des Staatshaftungs- und des Tumultschädenrechts vorzubereiten. Die Kommission hat 1973 ihren Bericht „Reform des Staatshaftungsrechts"5 vorgelegt, der Grundlage der 1976 unter demselben Titel veröffentlichten Referentenentwürfe geworden ist 6 . Die Referentenentwürfe schlagen Änderungen des Grundgesetzes vor, welche dem Bund eine umfassende Kompetenz für die Materie gewähren sollen. Im darauf aufbauenden Entwurf eines Staatshaftungsgesetzes heißt es im § 1 : „(1) Wird jemand durch rechtswidrige Ausübung öffentlicher Gewalt geschädigt, so haftet ihr Träger dem Geschädigten nach diesem Gesetz, wenn die Gewalt eine Pflicht des öffentlichen Rechts verletzt, die ihr dem Geschädigten gegenüber obliegt. 3
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458
Vgl. Beschluß der Ersten Abteilung des 41. Deutschen Juristentags, Verhandlungen Bd II C, S. 114. Zu den inzwischen überholten Vorschlägen zur Änderung des § 839 BGB im Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensersatzrechtlicher Vorschriften von 1967 vgl. Hinke, DVBl. 1967, 640 ff. Vgl. den Beschluß der öffentlichen Abteilung des 47. Deutschen Juristentags, Verhandlungen Bd. II, L, S. 144f. Vgl. dazu Haueisen, D Ö V 1974, 454ff. ; Papier, DVBl. 1974, 573ff.; ders. J Z 1975, 585ff.; Bender, VersR 1974, Iff.; Dagtoglou, VerwArch. 65 (1974), 345ff. Vgl. dazu Küchenhoff, BayVBl. 1976, 740 ff. ; Renck, JuS 1977, 221 ff. ; Haverkate, ZRP 1977, 33ff.; Schmidt, J Z 1977, 123ff.; Schäfer, Bundeswehrverwaltung 1977, 241 ff.; Oldiges, DÖV 1977, 77ff. (zum Vollzug verfassungswidriger Gesetze); Millarg, ZRP 1977, 224 ff. (betr. Rechtssetzung, die gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft verstößt). Rechtsvergleichende Gutachten sind von Rehbinder und vom Max-PlanckInstitut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht erstattet und vom Bundesministerium der Justiz 1975 herausgegeben worden.
ö f f e n t l . - r e c h t l . Schadensers.- u. Entschädigungsleistungen
§ 5 4 II
(2) Der Träger haftet auch für Schäden, die durch das Versagen technischer Einrichtungen verursacht werden, wenn er diese Einrichtungen anstelle von Personen bei der Ausübung öffentlicher Gewalt eingesetzt hat. (3) Personen, durch die der Träger die öffentliche Gewalt rechtswidrig ausübt, haften dem Geschädigten nicht." Der Entwurf will eine verschuldungsunabhängige unmittelbare Staatshaftung für hoheitliches Unrecht begründen. Er verzichtet auf die bisherige Subsidiarität des Amtshaftungsanspruchs und gewährt dem Verletzten grundsätzlich nicht nur einen Geld-, sondern auch einen Herstellungsanspruch. Verschiedene Fehlentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte sollen korrigiert werden : Der Träger der öffentlichen Gewalt soll nicht nur — wie nach heute herrschender Meinung — bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für Grundstücke, Bauwerke und sonstige Anlagen und bei Heilbehandlung, sondern auch bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr, bei der Beförderung von Personen und Gütern durch Verkehrsbetriebe einschließlich Bundesbahn und Bundespost, bei der Versorgung mit Wasser und Energie nach den Regeln des Privatrechts haften. Hierfür sollen die allgemeinen Bestimmungen gelten, allerdings nicht §831 Abs. 1 Satz 2 BGB (§18 des Entwurfs). Die Verkehrssicherung für öffentliche Straßen und Wasserstraßen wird dagegen zur Pflicht des öffentlichen Rechts erklärt (§18 Abs. 3 des Entwurfs). § 839 BGB soll aufgehoben werden und daher auch für den fiskalischen Bereich entfallen (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 des Entwurfs). Für Enteignung und Aufopferung bringt § 15 des Entwurfs eine einschneidende Änderung : „(1) Unberührt bleiben die Entschädigungsansprüche wegen rechtmäßiger Enteignung oder Aufopferung für das gemeine Wohl. (2) Ist ein Eingriff, der eine Enteignung oder Aufopferung für das gemeine Wohl bewirkt, rechtswidrig, können gesetzliche Ansprüche wegen dieser Maßnahme neben Ansprüchen nach diesem Gesetz geltend gemacht werden. (3) Erfolgt der Eingriff, der eine Enteignung oder Aufopferung für das gemeine Wohl bewirkt, durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes, das Art und Ausmaß der Entschädigung nicht regelt, bestimmt sich die Haftung für diesen rechtswidrigen Eingriff ausschließlich nach diesem Gesetz." Mit dieser Regelung wird eine Entschädigung für enteignungsgleichen oder aufopferungsgleichen Eingriff, wie ihn die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelt hatte, künftig ausgeschlossen, weil für sie kein Bedürfnis mehr besteht. Ansprüche aus Enteignung oder Aufopferung können nur noch bei solchen Eingriffen geltend gemacht werden, die unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit als Enteignung oder Aufopferungsfälle zu qualifizieren sind. Als Anspruchsgrundlagen kommen nur noch ausdrückliche gesetzliche Entschädigungsregelungen in Betracht 7 .
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Vgl. Reform des Staatshaftungsrechts — Referentenentwürfe, 1976, S. 115 f f .
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§54
II
Wolfgang Rüfner
U b e r Einzelheiten der Reform wird sicher noch gestritten werden. Eines aber dürfte klar sein : An fiskalischen Gesichtspunkten kann sie vernünftigerweise nicht scheitern. Eine Erhebung im Jahre 1972 hat ergeben, daß die Haftung für hoheitliches U n r e c h t trotz ihrer großen politischen und rechtsstaatlichen Bedeutung die Staatshaushalte so gut wie nicht belastet. Die Zahlungen für Staatshaftung im engeren Sinn liegen unter '/ioo% der Haushalte des Bundes und der L ä n d e r 8 .
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Vgl. ebda., S. 61 ff. Danach entfällt die Hauptmasse der Entschädigungspflichten auf Schadensersatzleistungen wegen der Teilnahme von Fahrzeugen am allgemeinen Verkehr und — beim Bund - auf Schadensersatzleistungen der Bundespost an ihre Kunden. Werden diese Belastungen und die Ansprüche wegen Fehler bei Heilbehandlungen und wegen Verletzungen der Verkehrssicherungspflicht abgezogen — das ist insofern berechtigt, als es sich nicht um typische Fälle des Staatshaftungsrechts handelt und der Entwurf z. T. künftig privatrechtliche Haftung vorsieht, vgl. § 18 — so verbleiben für den Bund 1972 0,7 Millionen DM oder 0,006°/«), also nicht einmal 1/]ooo% des Gesamthaushalts. Die Einführung einer verschuldensunabhängigen Staatshaftung und der Wegfall der Subsidiarität würden dieses Bild nicht wesendich ändern. Vgl. ebda., S. 67ff. Vgl. dazu ferner Rehbinder, in: Festschrift für C. H . Ule, 1977, S. 399ff. Ausführlichere Angaben finden sich in : Zur Reform des Staatshaftungsrechts — Rechtstatsächliche Erkenntnisse in Staatshaftungssachen, hrsgg. vom Bundesministerium der Justiz, 1976.
SIEBENTER
TEIL
Verwaltungsorganisation von Walter Rudolf §55
Grundlagen der gegenwärtigen Verwaltungsorganisation I. Bedeutung der Organisation Jedes auf Dauer angelegte zweckorientierte soziale Gebilde bedarf der Organisation. Man versteht darunter dreierlei: Erstens die innere Ordnung dieses Gebildes, zweitens das System seiner institutionellen und menschlichen Beziehungen und drittens den Vorgang des Organisierens, d. h. die Errichtung, Veränderung und Beseitigung des sozialen Gebildes und die Einführung und Änderung seiner Bezugssysteme 1 . Außerdem gibt es Fälle, daß das soziale Gebilde selbst als Organisation bezeichnet wird 2 . Organisation ist Gegenstand verschiedener Fachgebiete vor allem der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre und der Organisationssoziologie 3 . Die Rechtswissenschaft muß sich mit ihr befassen, weil Organisation in ihrer strukturellen, funktionalen und dynamischen Bedeutung von rechtlichen Normen und Normenkomplexen betroffen und geregelt wird. Gerade die öffentliche Verwaltung, die ständig soziale Abläufe zu ordnen und Leistungen regelmäßig zu erbringen hat, bedarf rechtlicher Regelungen als Mittel der Organisation. Deshalb muß sich auch die Verwaltungsrechtslehre mit Organisation beschäftigen. Das ist angesichts einer einseitig vom subjektiven Recht her betrachteten Verwaltung, deren „Innenrecht" die Rechtsqualität abgesprochen wurde, nicht immer geschehen 4 . Gegenwärtig 1
2
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4
Vgl. etwa Mayntz, Soziologie der Organisation, 1963, S. 7f.; Heppe/Becker, Zweckvorstellungen und Organisationsformen, in: Morstein Marx (Hrsg.), Verwaltung, 1965, S. 87ff.; Wolff/Bachof, VwR II, § 711. So ζ. B. ausdrücklich bei zahlreichen internationalen Organisationen: Organisation der Vereinten Nationen, Internationale Arbeitsorganisation, Organisation der Amerikanischen Staaten. Einen Uberblick über die Bandbreite der Organisationslehre gibt das von Grochla herausgegebene Handwörterbuch der Organisation, 1969. Zum Behörden- und Organisationsrecht in den Lehrsystemen des deutschen Verwaltungsrechts vgl. Forsthoff, VwR, S. 431 f. 461
§55
II
Walter Rudolf
fehlt jedoch die Behandlung des Organisationsrechts und seiner leitenden Prinzipien nicht nur in keinem Lehrbuch des allgemeinen Verwaltungsrechts mehr, sondern der Verwaltungsorganisation sind sogar besonders gründliche und umfangreiche Darstellungen gewidmet 5 . Die Organisation eines sozialen Gebildes richtet sich nach den von ihm verfolgten Zielen. Ein Industrieunternehmen wird also strukturell und funktional entsprechend seinen Zielen und den daran orientierten Aufgaben organisiert sein. Die Organisation kann sich neuen Zielen anpassen und das, wenn es notwendig ist, sehr rasch, elastisch und oft ohne Rücksicht auf überkommene Organisationsstrukturen. Für die öffentliche Verwaltung besteht diese Relation von Aufgabe und Organisation auch, doch sind die Möglichkeiten der Anpassung begrenzt. Auf der einen Seite existiert eine historisch gewachsene Verwaltungsorganisation des Staates, die in ihrer Grundstruktur selbst verfassungsrechtliche Umwälzungen überdauern kann und der neue Aufgaben übertragen werden müssen, ohne daß sie für die Erfüllung gerade dieser Aufgaben speziell geschaffen ist. Auch wenn neue Verwaltungsorgane gebildet werden, sind diese in der Regel in das allgemeine Organisationssystem einzufügen. Zum anderen ist die staatliche Verwaltungsorganisation an Rechtsnormen orientiert. Sie folgt nicht unmittelbar den Aufgaben, sondern für die einzelnen Verwaltungsträger und deren Verwaltungsorgane sind sachliche und räumliche Kompetenzen für die Erledigung von Verwaltungsaufgaben festgelegt 6 . Da die Organisation der öffentlichen Verwaltung insoweit eher durch Starrheit als durch Flexibilität gekennzeichnet ist, müssen Verwaltungsträger und Verwaltungsstellen gegenüber neuen Aufgaben unbedingt aufnahmefähig sein; denn neue Aufgaben sind in der Regel innerhalb der bestehenden Organisation zu erfüllen.
II. Geschichtliche Entwicklung der Verwaltungsorganisation Die gegenwärtige Organisation der öffentlichen Verwaltung in der Bundesrepublik Deutschland ist nur vor dem Hintergrund der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zu verstehen. Das gilt sowohl für die organisatorische Trennung von Reichs- bzw. Bundes- und Landesverwaltung und für die Organisation der Selbstverwaltung, insbesondere der Kommunalverwaltung, als auch für die territoriale und funktionale Verwaltungsgliederung.
* Zu dieser Entwicklung trug maßgeblich Hans]. Wolff bei. Vgl. ζ. B. Organschaft und juristische Person, 2 Bände, 1933, 1934. Wolff/Bachof, VwR II, behandelt das Organisationsrecht (unter Einschluß des Kommunalrechts) auf 457 Seiten. 6 Badenhoop, öffentliche Verwaltung, Organisation der, in: Handwörterbuch der Organisation (Fn. 3) Spalte 1056. Vgl. auch Brohm, JuS 1977, 500ff. 462
§ 5 5 111
Verwaltungsorganisation
1.
Landesverwaltung
a) Zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist die Entwicklung der Verwaltungsorganisation durch zwei Tendenzen bestimmt: Einmal die Stärkung des monarchischen Verwaltungsapparates unter Zurückdrängung altständischer Verwaltungsstrukturen und zum anderen durch die Beteiligung der Bürger an der Verwaltung, vor allem an einer ausgedehnten kommunalen und regionalen Selbstverwaltung7. Die staatliche Behördenorganisation knüpfte teils an vorhandene Einrichtungen, teils an das durch die französische Revolution geschaffene und während der napoleonischen Herrschaft in einigen Staaten des Rheinbundes kopierte straffe französische Verwaltungssystem an8. So entstand in den einzelnen deutschen Staaten eine unitarische Verwaltungsorganisation als Grundlage für eine planvolle, rationale Verwaltung. Die durch den Freiherrn vom Stein 1808 in Preußen initiierte und seit 1818 auch in den süddeutschen Staaten eingeführte kommunale Selbstverwaltung brachte eine mehr oder weniger starke Beteiligung der Bürger an den städtischen Angelegenheiten und wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts auf die Landgemeinden ausgedehnt. Die alten feudalen Ordnungen und lokale und regionale Verschiedenheiten wurden damit zum größten Teil beseitigt. Sowohl die Einrichtung einer unitarischen staatlichen Verwaltungsorganisation als auch die Einführung kommunaler Selbstverwaltung lagen im Interesse der Staatsraison. Beides war Voraussetzung für die Konsolidierung der Territorialstaaten durch Überwindung der ständischen Mediatisierung der Bürger. Die staatliche Verwaltungsorganisation wurde in den großen deutschen Staaten (Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt) in drei, in den meisten anderen Staaten9 in zwei Stufen gegliedert, wobei den Behörden jeder Stufe bestimmte Aufgaben zugewiesen waren. Behörden der höheren Stufe besaßen ein Aufsichts- und Weisungsrecht gegenüber den ihnen untergeordneten Behörden. Als zentrale Behörden wurden monokratisch organisierte Ministerien (Departements) errichtet und in einem kollegialen Staatsministerium vereinigt. Diese Ministerien waren ressortmäßig (nach Sachgebieten) und nicht mehr regional aufgebaut. Ihre Zahl betrug zunächst fünf (Äußeres, Inneres, Justiz, Finanzen, Krieg), wurde aber noch im 19.Jahrhundert erhöht (z.B. in Preußen: Kultus, Handel, Landwirtschaft, öffendiche Arbeiten)10. Von den zentralen Behörden weisungsabhängig waren die regional gegliederten Mittelbehörden (in Preußen: Regierungen; in Baden, Bayern und Württemberg: Kreisregierungen ; in Sachsen : Kreishauptmannschaften ; in Hannover und Hessen : 7 8
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10
Zur Kommunalverwaltung vgl. von Unruh, in: I. v. Münch, Bes. VwR, S. 83ff. Dazu Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1970. Eine einstufige Verwaltungsorganisation bestand in den Hansestädten Lübeck, Hamburg und Bremen und in den Fürstentümern Lippe, Schaumburg-Lippe und Reuss ältere Linie. Vgl. Forsthoff, VwR, S. 459ff. 463
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Provinzen). Bei ihnen war für das jeweils verwaltete Gebiet die gesamte staatliche innere Verwaltung ohne Rücksicht auf die Ressorts der Zentralverwaltung zusammengefaßt. Ihr zu Anfang des 19. Jahrhunderts festgelegter räumlicher Kompetenzbereich hat sich bis zur Gebietsreform der letzten Jahre kaum verändert und ist in einigen Bundesländern auch heute noch fast gleich geblieben. Im Laufe der Zeit wurden dann aber für die Erledigung einzelner Verwaltungsaufgaben besondere Mittelbehörden geschaffen, wie ζ. B. die Oberbergämter in Preußen. Keine Mittelbehörde war der in Preußen für jede Provinz vom König eingesetzte Oberpräsident. Er war politischer Vertreter der Krone und ständiger Kommissar des Ministeriums in der Provinz, die einen höheren Selbstverwaltungsverband bildete. Ihm standen nur wenige Verwaltungskompetenzen zu 11 . Als untere staatliche Verwaltungsbehörden wurden in Preußen und Hessen die Kreise eingerichtet, denen in Baden die Amtsbezirke, in Bayern die Bezirksämter, in Württemberg die Oberämter und in Sachsen die Amtshauptmannschaften entsprachen. Auch die kleineren deutschen Staaten führten eine dem preußischen Kreis entsprechende untere Verwaltungsbehörde ein. Diese unteren Verwaltungsbehörden wurden durch einen vom Monarchen ernannten Beamten (in Preußen: Landrat) geleitet. Größere Städte blieben kreisfrei, d. h. ihren Selbstverwaltungsorganen wurden die Aufgaben der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde ganz oder teilweise zur Erledigung im Auftrag und auf Weisung des Staates übertragen. Auch in den kreisangehörigen Gemeinden gab es keine staadiche Verwaltung mehr. Die staatlichen Verwaltungsaufgaben, vor allem Polizeiangelegenheiten, wurden auf kommunaler Ebene von den Selbstverwaltungsorganen in Auftragsverwaltung erledigt12. Angesichts der geringen Zahl staatlicher Verwaltungsaufgaben im liberalen Rechtsstaat des 19. Jahrhunderts konnte der preußische Staat beim Landrat aufhören. Im Laufe der Zeit entwickelten sich auf der unteren staatlichen Verwaltungsebene für spezielle Aufgaben besondere, von der allgemeinen inneren Verwaltungsorganisation getrennte Behörden. b) Die Verwaltungsorganisation der deutschen Staaten blieb auch nach deren Vereinigung zum Deutschen Reich und auch noch in der Weimarer Republik im wesentlichen unangetastet. Änderungen gab es nur in einzelnen Ländern. Das 1920 durch die Vereinigung von 8 Ländern gebildete Land Thüringen verzichtete auf Mittelbehörden, und Württemberg schaffte 1924 die Kreisregierung ab. In Preußen wurden anfangs der 30er Jahre die Zahl der Kreise verringert und vor allem im Ruhrgebiet zahlreiche Gemeinden in die kreisfreien Städte eingemeindet. Schon 1920 wurde durch die Vereinigung von 94 Städten, Landgemeinden und Gutsbezirken die Stadt Groß-Berlin gebildet. Während der nationalsozialistischen Herrschaft wurden die Länder 1934 gleichgeschaltet, die Landesregierungen unter Reichsstatthaltern in Mittelbehörden des Reiches umgewandelt, die preußischen zentralen Behörden (ohne das Finanz11 12
464
So mit Recht: Wolff/Bachof, VwR II, § 80 IIb. Α. M. Forsthoff, VwR, S. 463. In den östlichen preußischen Provinzen wurde die gutsherrliche Polizei erst durch die Kreisordnung von 1872 abgeschafft.
Verwaltungsorganisation
§ 5 5 II 1
ministerium) mit den entsprechenden Behörden des Reiches vereinigt und der Behördenaufbau vereinheitlicht, ohne daß freilich der Unterschied zwischen Ländern bzw. Reichsgauen mit drei- oder zwei- oder einstufigem Verwaltungsaufbau beseitigt wurde 13 . Auch gab es einige Veränderungen der regionalen Verwaltungsorganisation, wie etwa die Bildung von Groß-Hamburg, einen Gebietstausch zwischen Preußen und Oldenburg sowie Preußen und Braunschweig, die Vergrößerung der unteren Verwaltungsbezirke in Württemberg, Baden und Oldenburg, die Aufhebung der Kreisfreiheit zahlreicher bayerischer Städte und die Beseitigung der meisten Enklaven der Länder. Im wesentlichen blieb die Verwaltungsorganisation — auch hinsichtlich der territorialen Gliederung — unverändert. Nach dem Zusammenbruch 1945 wurde die Verwaltungsorganisation in den einzelnen Besatzungszonen „von unten nach oben" entwickelt. Eine Folge davon war die Kommunalisierung ehedem staatlicher Aufgaben auf und unterhalb der Ebene der unteren Verwaltungsbehörde. Im Rahmen der neugebildeten Länder wurde jedoch die überkommene Struktur staatlicher Verwaltung, wie sie sich seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelt hatte, übernommen, obwohl die Zahl der staaadichen Verwaltungsaufgaben rapide hochschnellte und die zunehmend größer werdenden Aufgaben der Daseinsvorsorge den Charakter der Verwaltung jedenfalls teilweise veränderten. Soweit die Verwaltungsorganisation bisher dreistufig war, blieb sie es auch, ebenso wie sie in Schleswig-Holstein und im Saarland 14 zweistufig und in den Stadtstaaten im wesentlichen einstufig gelassen wurde 15 . Auch die territoriale Verwaltungsorganisation blieb innerhalb der neuen Ländergrenzen im wesentlichen unverändert erhalten. Sie entsprach damit freilich nicht mehr überall den wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die Wirtschaftsstruktur eines Gebietes kann zwar von der regionalen Verwaltungsorganisation bestimmt werden, doch läßt sich die wirtschaftliche Entwicklung nicht von traditionellen Verwaltungsgrenzen auf längere Zeit einengen. Bei der Raumordnung und Landesplanung hatten die neugeschaffenen Planungsräume oft keinen Bezug mehr zu der bestehenden territorialen Verwaltungsorganisation. Die in den Ländern gebildeten Regionen decken sich deshalb regelmäßig nicht mit den bereits vorhandenen Verwaltungsbezirken. Sie sind größer als die Landkreise, aber kleiner als die Regierungsbezirke 16 . Ihre Grenzen durchschneiden mitunter die Gebiete mittlerer und sogar unterer staatlicher Verwaltungsbehörden 17 . 13
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Die Texte der einschlägigen Gesetze sind zusammengestellt bei : I. v. Münch/Brodersen, Gesetze des NS-Staates, 1968, S. 41 ff. Das Saarland verfügt ausnahmsweise über Landesmittelbehörden. Vgl. § 6 Landesorganisationsgesetz vom 2. 7. 1969 (ABl. S. 445). In Berlin und Hamburg werden staatliche und gemeindliche Verwaltung nicht getrennt. In Bremen besteht diese Trennung hinsichtlich der Stadt Bremerhaven. Vgl. Wolff/Bachof, VwR II, § 83 II, § 87 IVc. Thieme, Verwaltungslehre, 3. Auflage 1977, Rdnr. 489 ff. Das Raumordnungsprogramm der Bundesregierung vom 10. 10. 1973 sieht sogar drei Landesgrenzen übergreifende Gebietseinheiten vor: Die Region 3 (Hamburg) umfaßt 465
30
Allgemeines Verwaltungsrecht
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c) Angesichts der quantitativen und zum Teil auch qualitativen Veränderung staatlicher Verwaltungsaufgaben wurde nach der Phase der Konsolidierung der Verwaltungsorganisation der Länder zunehmend der Ruf nach Verwaltungsreformen laut 1 8 . Darunter wird in erster Linie eine Rationalisierung der Verwaltungsorganisation verstanden; die Verwaltungsabläufe sollen wirtschaftlicher, reibungsloser und zügiger gestaltet werden. E s werden leistungsfähigere Verwaltungseinheiten gefordert, was eine neue regionale und funktionale Verwaltungsgliederung voraussetzt, damit auch moderne Arbeitsmethoden angewandt werden können und der Einsatz technischer Mittel möglich wird. Als Ergebnis der Bemühungen um eine solche Reform ist eine zum Teil erhebliche Vergrößerung einzelner Verwaltungseinheiten zu beobachten. Die in allen Flächenstaaten schon durchgeführten oder kurz vor dem Abschluß stehenden Gebietsreformen brachten neben einer drastischen Reduzierung der Zahl der Gemeinden von etwa 2 5 0 0 0 durch Zusammenlegung und Eingemeindungen auf etwa 8 0 0 0 1 9 eine Vergrößerung der Gebiete der unteren Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung, deren Zahl ζ. B . in Bayern von 143 Gebietseinheiten auf 71 mehr als halbiert w u r d e 2 0 . Hinsichtlich der staatlichen Mittelbehörden wurden in vier Ländern Regierungsbezirke zusammengelegt 2 1 .
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neben dem Stadtstaat auch niedersächsisches und schleswig-holsteinisches Gebiet, die Region 25 (Mainz) hessisches und rheinland-pfälzisches und die Region 28 (Speyer) rheinland-pfälzisches und baden-württembergisches Gebiet. Zwischen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz existiert ein Staatsvertrag vom 8. 3. 1974 über die Zusammenarbeit bei der Raumordnung in den Gebieten Mittlerer Oberrhein und Südpfalz, ohne daß freilich eine gemeinsame Region gebildet wurde. Zur Bildung von Regionen vgl. Brösse, Raumordnungspolitik, 1975, S. 87ff. Das verwaltungsrechtliche, verwaltungswissenschaftliche und organisationssoziologische Schrifttum zur Verwaltungsreform ist inzwischen unübersehbar geworden. Vgl. ζ. B. die Beiträge zur Verwaltungsreform in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, D Ö V 1956, 32Iff.; Markull, VerwArch. 48 (1957), 5ff. Weichmann, VerwArch. 48 (1957), 111 ff.; Gülich, Verwaltungsreform in Deutschland, 1961; Grauban, Modelle politischer Verwaltungsführung, 1969; Loschelder, D Ö V 1969, 225ff.; Schnur, DVB1. 1970, 753ff.; Brückmann, Verfassungsfragen bei den Reformen im örtlichen Bereich, 1972; Wagener, Neubau der Verwaltung, 2. Aufl. 1974. Nach Abschluß der Gemeindegebietsreform am 1 . 5 . 1978 wird es ζ. B. in Bayern 25 kreisfreie Städte und 2028 kreisangehörige Gemeinden geben gegenüber 48 kreisfreien Städten und 7025 kreisangehörigen Gemeinden am 1 . 1 . 1969. Vgl. Tschira, Die Funktionalreform in Bayern, in: Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren, Festschrift zum 50-jährigen Bestehen des Richard Boorberg Verlags, 1977, S. 280. Landkreisverband Bayern, Die bayerischen Landkreise und ihr Verband, 1977, S. 7. In Rheinland-Pfalz die Regierungsbezirke Koblenz und Montabaur sowie Pfalz und Rheinhessen; in Hessen die Regierungsbezirke Darmstadt und Wiesbaden; in NordrheinWestfalen die Regierungsbezirke Aachen und Köln; in Niedersachsen wurden mit Wirkung vom 1. 2. 1978 aus 6 Regierungsbezirken und 2 Verwaltungsbezirken 4 Regierungsbezirke (Braunschweig, Hannover, Lüneburg und Oldenburg) geschaffen.
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Verwaltungsorganisation
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Die regionale Verwaltungsreform hat zwar größere Verwaltungseinheiten geschaffen mit der Möglichkeit, durch weitere Arbeitsteilung und Spezialisierung des Personals und den Einsatz technischer Mittel — wie ζ. B. der EDV — die Verwaltung zu rationalisieren, doch läßt die erwartete Effizienz zu wünschen übrig. Das liegt einmal daran, daß die mit der Schaffung größerer Verwaltungsträger und Verwaltungsstellen zu verbindende Verlagerung von Verwaltungsaufgaben von oben nach unten (funktionale Verwaltungsreform) teilweise nur langsame Fortschritte macht. Mit dem Gesetz zur Erleichterung der Verwaltungsreform in den Ländern (Zuständigkeitslockerungsgesetz) vom 10. 3. 1975 22 und der Zuständigkeitslockerungsverordnung 23 hat der Bund die bundesrechtlich erforderlichen Voraussetzungen für eine funktionale Verwaltungsreform bei wichtigen Materien geschaffen. Zum anderen können die personellen und sachlichen Voraussetzungen für den Einsatz technischer Mittel und neuer Arbeitsmethoden in dem erforderlichen Umfang nur langsam geschaffen werden. Auch bringt die Gebietsreform nicht immer eine Verwaltungsvereinfachung, da mit zunehmender Größe der prozentuale Anteil der Verwaltung zunimmt, der Verwaltungsapparat vergrößert wird und sich damit die Verhältnisse innerhalb der Verwaltung 24 , aber auch zwischen Verwaltung und Bürger komplizieren können. Die Bildung größerer Verwaltungseinheiten bewirkt einen Bürokratisierungseffekt, der im einzelnen durchaus zu begrüßen sein mag, aber zur Folge haben kann, daß „bürgernahe" Verwaltung verlorengeht. Die gleichzeitig erhobenen Forderungen nach mehr Information und „Transparenz" und nach „Demokratisierung" der Verwaltung kontrastieren nicht selten zu den Vorstellungen von einer an Effizienz und Rationalität ausgerichteten „technokratischen" Verwaltungsorganisation 25 . Ein Vertrauensschwund gegenüber der Verwaltung und letztlich auch ein Verlust an Verwaltungsleistung tritt dann ein, wenn eine Konsolidierung der reformierten Verwaltungsorganisation nicht erreicht werden kann. Verwaltungsreform als „permanente Aufgabe" birgt die Gefahr, lebendige Tradition zu zerschlagen, ohne schöpferische Mobilität freizusetzen 26 .
2.
Reichsverwaltung
Nach dem Zusammenschluß der deutschen Staaten nördlich der Mainlinie zum Norddeutschen Bund 1867 und der Verbindung der süddeutschen Staaten mit diesem zum Deutschen Reich 1871 wurde es nötig, auch auf der Ebene des Bundesstaates eine Verwaltungsorganisation einzurichten. Die Verwaltungskompe22 23
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26
BGBl. I S. 685. Vom 18. 4. 1975, BGBl. I S. 967. Parkinson, Parkinson's Gesetz, 1957, S. 13 ff. Dazu grundsätzlich: König, in: Demokratie und Verwaltung 1972, S. 271ff.; ebenda, S. 485 ff. Vgl. Luhmann, Recht und Politik, 1968, 49ff.
Herzog,
467 30"
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tenzen des Reiches waren freilich zunächst gering. Leiter der Reichsverwaltung war der Reichskanzler, dem die Reichsämter untergeordnet waren. Bis 1879 wurden 8 Reichsämter eingerichtet: Reichskanzleramt, Auswärtiges Amt, Reichsmarineamt, Reichseisenbahnamt, Reichspostamt, Reichsjustizamt, Reichsamt für die Verwaltung der Reichseisenbahnen und Reichsschatzamt. 1907 wurde das Reichskolonialamt aus dem Auswärtigen Amt ausgegliedert. An der Spitze jedes dieser Ämter stand ein beamteter Staatssekretär, der seit 1878 für sein Ressort mit der Vertretung des Reichskanzlers in der Gegenzeichnung beauftragt werden konnte. Daneben bestanden weitere zentrale Verwaltungsbehörden, die zum Teil auch verwaltungsgerichtliche Funktionen wahrzunehmen hatten, wie ζ. B . das Reichspatentamt, das Reichsoberseeamt oder das Reichsversicherungsamt. Einen Verwaltungsunterbau gab es für den Auswärtigen Dienst, die dreistufig organisierte Reichspostverwaltung — wobei Bayern und Württemberg ihre eigene Post behielten —, die Marine, das Kolonialwesen und im Reichsland Elsaß-Lothringen 2 7 . Ein stärkerer Ausbau der Reichsverwaltung setzte bereits im ersten Weltkrieg ein (Reichsernährungsamt, Reichswirtschaftsamt, Reichsarbeitsamt) und wurde unter der wesentlich zentralistischeren Weimarer Verfasssung intensiviert. Die ehemaligen Reichsämter gingen in den Reichsministerien als zentrale Verwaltungsbehörden auf, wobei nur das Auswärtige Amt seine alte Bezeichnung — bis heute — beibehielt. Angesichts der dem Reiche zustehenden Verwaltungskompetenzen wurden mehrere Verwaltungszweige des Reiches mit Mittel- und Unterbehörden geschaffen, so für die Reichswehr, die Reichsbahn, die Reichswasserstraßen, die Reichspost, die Versorgung der Kriegsopfer und seit der Erzbergerschen Finanzreform 1919 für alle Zölle und Reichssteuern. Die Arbeitsverwaltung wurde 1927 der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung mit eigenem Verwaltungsunterbau von Mittel- und Unterbehörden übertragen. Während des nationalsozialistischen Regimes wurden mehrere Verwaltungen der Länder unmittelbar vom Reich übernommen, vor allem die Polizei 2 8 . Nach dem Zusammenbruch von 1945 entstanden länderübergreifende zentrale Verwaltungsbehörden zunächst auf zonaler, dann auf bizonaler Ebene, und 1948 wurde für die drei westlichen Besatzungszonen die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes gebildet, die aus sechs Ressorts (Ernährung und Landwirtschaft, Verkehr, Wirtschaft, Finanzen, Post- und Telegraphenwesen, Arbeit), drei weiteren Ämtern (Personal, Statistik, Recht) und der Bank Deutscher Länder bestand. Ein Verwaltungsunterbau war nicht vorhanden. Zur Durchführung seiner Gesetze mußte sich der Wirtschaftsrat der Verwaltung der Länder bedienen 29 .
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29
468
Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, 1963, S. 821 ff. Uber die Verwaltungsorganisation des Reiches unterrichtet die Kommentarliteratur zur Verfassung von 1871 und zur Reichsverfassung von 1919. Vgl. Klein, Neues Deutsches Verfassungsrecht, 1949, S. 173ff.
Verwaltungsorganisation
§55
III
III. Verfassungsrechtliche Grundlagen Das Grundgesetz brachte eine von der Kompetenzabschichtung der Weimarer Republik abweichende Verteilung der Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern. Grundsätzlich ist die Verwaltung Landesangelegenheit (Art. 30 G G ) . Die Länder führen auch die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt (Art. 83 G G ) . Der Bund besitzt allerdings unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zur Regelung der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens, zum Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften, zur Rechtsaufsicht über die Landesexekutive von Bundesgesetzen und ein Weisungsrecht im Einzelfall (Art. 84 G G ) . Für die deutsche Verwaltungsgeschichte neu ist die vom Kommunalrecht inspirierte Einrichtung einer Bundesauftragsverwaltung der Länder (Art. 85 G G ) . Eine bundeseigene Verwaltungskompetenz besteht gemäß Art. 87ff. G G nur für einige, darunter allerdings personell und materiell umfangreiche Sachgebiete. Dabei ist zu unterscheiden zwischen bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau und polizeilichen und nachrichtendienstlichen Zentralstellen gemäß Art. 87 Abs. 1 G G einerseits und bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts gemäß Art. 87 Abs. 2 G G andererseits. Eine Bundesverwaltungskompetenz besteht ferner hinsichtlich der Streitkräfte (Art. 87a G G ) , der Bundeswehrverwaltung (Art. 87b G G ) , des Luftverkehrs (Art. 87d G G ) und der Währungs- und Notenbank (Art. 88 G G ) . Art. 87 Abs. 3 S. 1 G G sieht die Möglichkeit vor, für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue, bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts zu errichten. Der Umfang dieser Kompetenz, der zunächst strittig war, ist in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Kreditwesengesetz näher umrissen 3 0 . Schließlich läßt Art. 87 Abs. 3 S. 2 G G unter erschwerten Umständen die Errichtung bundeseigener Mittel- und Unterbehörden zu 3 1 . Soweit das Grundgesetz dem Bunde Verwaltungskompetenzen nicht ausdrücklich zugewiesen hat, besitzt er Kompetenzen nur noch kraft Natur der Sache entweder, weil nur der Bund eine Verwaltungsaufgabe zu erledigen vermag, oder von der Verfassung genannte Organe, wie ζ. B . die Bundesministerien, überhaupt keine Verwaltungskompetenzen ausdrücklich zugewiesen bekommen haben 3 2 . Ansonsten besitzt der Bund keine Verwaltungszuständigkeiten, selbst wenn es sich 30
31
32
BVerfGE 14, 197ff.; vgl. auch Maunz, in: Maunz/Düng/Herzog/Scholz, GG, Art. 87, Rdnr. 46ff.; Scheuner, in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, 1967, S. 797ff.; Rupp, in: Festschrift für Heinz Kaufmann, 1972, S. 328ff. Zu den Verwaltungskompetenzen des Bundes vgl. die Kommentarliteratur zu Art. 87ff. GG sowie Maun/., StaatsR, S. 255ff.; Hesse, VerfR, S. 99ff. Dazu Rupp, in: Scritti in Onore di Gaspare Ambrosini, 1970, S. 1743ff.; Kisker, Kooperation im Bundesstaat, 1971, S. 30. Vgl. auch BVerfGE 11, 6, 17f.; 22, 180, 217; 26, 246, 257. 469
§ 5 5 III
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um überregionale Aufgaben handelt33. Die Kompetenz zur Verwaltung steht dann den Ländern zu. Das Grundgesetz hat freilich insoweit einen Einfluß auf die Gestaltung der Verwaltungsorganisation der Länder, als einmal die Regelung der Behördeneinrichtung und des Verwaltungsverfahrens Sache des Bundes sein kann (Art. 84 Abs. 1 GG) 3 4 , zum anderen den Gemeinden das Recht gewährleistet sein muß, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zwar im Rahmen der Gesetze, aber in eigener Verantwortung zu regeln (Art. 28 Abs. 2 GG). Landesgesetze dürfen nur das Ausmaß kommunaler Aufgaben im einzelnen gesetzlich regeln, nicht aber den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung antasten35. Ein unmittelbarer Durchgriff auf die Gemeinden ist dem Bunde allerdings versagt36. Die Verwaltungsorganisation der Gemeinden zu bestimmen, ist deshalb Landes-, nicht Bundessache. Es bestehen jedoch Ausnahmen, da der Bundesgesetzgeber Ingerenzrechte zu direkten Einflußnahmen auf Grund verfassungsrechtlicher Sonderkompetenzen besitzt 37 . Eine faktische Einschränkung der Länder auch hinsichtlich der Verwaltungsorganisation ist für die Materie der 1969 eingeführten Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG zu verzeichnen. Der Bund wirkt zwar nach dem Verfassungswortlaut bei der Erfüllung von Landesaufgaben lediglich mit, doch ist in Gestalt der Planungsausschüsse eine Art Mischverwaltung von Bund und Ländern etabliert38. Es handelt sich dabei zwar nur um „Einrichtungen für eine gemeinsame Rahmenplanung" (Art. 91a Abs. 3 GG); die paritätische Besetzung führt aber zu einem Ubergewicht des Bundes. Dieser kann einmal mit „befreundeten" Ländern zwar nicht rechtlich, wohl aber tatsächlich, zumindest ärmere Länder majorisieren. Außerdem besteht immer ein Mitspracherecht des Bundes schon wegen der Mitfinanzierungskompetenz, das nicht gerade einschränkend gehandhabt zu werden scheint. In der Praxis des Planungsausschusses für Hochschulbau deutet sich z . B . ein Einfluß des Bundes sogar auf die Struktur der Hochschulen an39. Mischverwaltungen von Bund und Ländern und der Länder untereinander sind im gesamten Bereich des koordinierten Föderalismus anzutreffen. Die durch Abkommen zwischen den Beteiligten, also durch Ausübung staatlicher Organisationsgewalt geschaffenen Verwaltungseinrichtungen weisen zum Teil recht unter-
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B V e r f G E 12, 2 0 5 , 2 5 0 f .
34
Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) des Bundes vom 25. 5. 1976 (BGBl. I S. 1253) gilt auch für bestimmte öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeiten der Behörden der Länder und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen; vgl. § 1 VwVfG. B V e r f G E 17, 172, 182 ; 22, 180, 2 0 5 ; 2 3 , 353, 3 6 5 ; 26, 172, 180f. B V e r f G E 8, 122, 1 3 7 ; 2 6 , 172, 181. Vgl. auch Lerche, BayVBl. 1965, 145ff. Niemeier, Bund und Gemeinden, 1972, S. 24ff. Kisker (Fn. 32) S. 2 8 7 f f . ; Frowein, W D S t R L 31 (1973), 19ff. I. v. Münch, W D S t R L 31 (1973), 67ff. Eine derartige Gestaltungsbefugnis kann der Bund nur auf Grund seiner Rahmengesetzgebungskompetenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (Art. 75 Abs. 1 N r . 1 a G G ) in Anspruch nehmen. Vgl.
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Verwaltungsorganisation
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I
schiedliche Organisationsformen auf 40 . Bekannte Beispiele gemeinsamer Verwaltungseinrichtungen der Länder sind die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder, deren Sekretariat dem Lande Berlin zugeordnet ist 4 1 , oder das Zweite Deutsche Fernsehen, das unmittelbar kein „Muttergemeinwesen" besitzt 4 2 . Gemeinschaftseinrichtungen von Bund und Ländern sind ζ. B. der Wissenschaftsrat 4 3 , die Vermittlungsstelle für deutsche Wissenschaftler im Ausland oder das Oberprüfungsamt für die höheren technischen Verwaltungsbeamten in Frankfurt 4 4 . Die Errichtung solcher gemeinschaftlicher Verwaltungsapparate ist bislang verfassungsrechtlich unbedenklich 45 .
§ 56 Organisationsrecht I. Organisationsgewalt der Verwaltung Organisationsgewalt ist die Kompetenz zur Bildung, Errichtung, Einrichtung, Änderung, Aufhebung und Abwicklung von Verwaltungsträgern, Behörden und anderen Verwaltungsstellen durch die Bestimmung ihrer Zuständigkeiten, ihrer Zusammenhänge und ihrer inneren Ordnung sowie durch ihre persönliche und sachliche Ausstattung 1 . Sie umfaßt somit einen Komplex einzelner Zuständigkeiten, die differenzierter rechtlicher Beurteilung bedürfen. Unter Bildung und Errichtung von Organen versteht man die rechtliche Anordnung, daß eine Verwaltungseinrichtung mit bestimmter sachlicher und örtlicher Kompetenz bestehen soll, wobei zwischen beiden Begriffen entweder gar nicht unterschieden wird oder Bildung den abstrakten, Errichtung den konkreten bzw. konkretisierenden normativen Akt bezeichnet. Einnchtung einer Verwaltungsbehörde ist deren tatsächliche
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45 1
hierzu das Hochschulrahmengesetz vom 26. 1. 1976 (BGBl. I S. 185); Kimminich, in: I. von Münch, Bes. VwR, S. 677. Kölble, in: Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, 1961, S. 17 ff. ; Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, S. 205ff.; Grassi, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, 1969, S. 128ff.; Kisker (Fn. 32) S. 307ff. Kisker (Fn. 32) S. 248, Fn. 916. Kölble, N J W 1962, 1084; Walter, DÖV 1967, 626; Grawert (Fn. 40), S. 258f.; Rudolf, Bund und Länder im aktuellen deutschen Verfassungsrecht, 1968, S. 3 0 ; Kisker, JuS 1969, 468f.; vgl. aber auch BVerwGE 22, 299, 31 lf. Kisker (Fn. 32) S. 325 f. Grawert (Fn. 40) S. 246. Dieses Amt ressortiert beim Bundesminister für Verkehr. Zur Tätigkeit des Oberprüfungsamtes vgl. Duvenbeck, D Ö V 1974, 161ff. Rudolf (Fn. 42) S. 31 f. ; Kisker (Fn. 32) S. 246ff. Wolff/Bachof, VwR II, § 78 I a. 471
§56 I
Walter Rudolf
Etablierung und Equipierung. Die Terminologie ist freilich weder in der Gesetzessprache noch im Schrifttum einheitlich2. Das entscheidende Kriterium der Organisationsgewalt ist die Festlegung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit. Allein bloße Verwaltungsstellen zu schaffen, ohne ihnen Befugnisse einzuräumen, ist Glasperlenspiel. Verwaltungsträgern, Behörden und Verwaltungsstellen müssen Aufgaben zugewiesen werden, und sie müssen mit Kompetenzen ausgestattet sein, um diese Aufgaben erfüllen zu können. Die Kompetenzen müssen sachlich und regional festgelegt sein, damit keine Überschneidungen bei der Aufgabenerfüllung eintreten. Neben der organisatorischen Notwendigkeit der Zuständigkeitsfestlegung besitzt diese aber noch eine rechtsstaatliche Komponente. Mag ein Anspruch auf den „gesetzlichen Verwaltungsbeamten" auch nicht in dem Sinne bestehen wie das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) 3 , so bewirkt die Verletzung von Zuständigkeitsregelungen im Verwaltungsverfahren doch Rechtswidrigkeit, in bestimmten Fällen sogar Nichtigkeit der getroffenen Verwaltungsentscheidung 4 . Zuständigkeit bedeutet auch, daß Verwaltungshandeln nicht von außerhalb der Verwaltung stehenden Kräften beherrscht sein darf. Ein „imperatives Mandat" von Organwaltern durch Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Verbände und Unternehmen ist rechtsstaatlich indiskutabel. Bei der Organisationsgewalt handelt es sich vor allem um verfassungsrechtliche Probleme. Ursprünglich galt die Organisationsgewalt als Prärogative des Monarchen, und auch nach dem Untergang der Monarchie in Deutschland wurde sie im Bereiche von Regierung und Verwaltung noch als „Hausgut der Exekutive" charakterisiert, soweit sie dieser nicht durch Verfassung oder Gesetz entzogen war. Das Verfassungsrecht der deutschen Staaten kennt allerdings schon seit dem Konstitutionalismus — in Württemberg seit 1819 — den institutionellen Gesetzesvorbehalt, der die Organisationsgewalt der Krone beschneiden sollte 5 . Fehlte ein Gesetzesvorbehalt, hatte die Exekutive freie Bahn, wobei nur der Haushaltsplan und der ihm zugeordnete Stellenplan Schranken bildeten und die Gesamtheit der dem Staat zustehenden Hoheitsrechte nicht ohne einen Gesetzgebungsakt eingeschränkt oder verändert werden durfte 6 . Unter der Herrschaft der Weimarer Verfassung und des Grundgesetzes ist diese Auffassung erschüttert worden. Inzwischen besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß Organisationsgewalt heute nicht mehr als Bestandteil eines „Hausguts der Verwaltung" gedeutet werden kann, weil es keine Staatsgewalt außerhalb der Verfassung gibt 7 . Verfassungsrechtliche Regelungen über die Organisationsgewalt enthalten sowohl das Grundgesetz als auch die Landesverfassungen. Gemäß Art. 86 S. 2 G G 2 3 4
s 6 7
472
Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 45 ff. Dazu: Mussgnug, Das Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten, 1970. Vgl. § 44 BVwVfG sowie oben Erichsen/Martens, Verwaltungshandeln, § 15 II 2, S. 185. Köngen, W D S t R L 16 (1958), 161 ff., Ermacora, W D S t R L 16 (1958), 202ff. Forsthof, VwR, S. 435. Ossenbiihl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 252f.
Verwaltungsorganisation
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regelt die Bundesregierung die Einrichtung der Behörden, soweit das Gesetz nichts anderes vorschreibt. Für die Errichtung selbständiger Bundesoberbehörden und neuer bundesunmittelbarer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts schreibt Art. 87 Abs. 3 S. 1 G G ein Gesetz vor. Auch bundeseigene Mittel- und Unterbehörden zur Erledigung neuer Aufgaben können nur durch „qualifiziertes" Bundesgesetz errichtet werden (Art. 87 Abs. 3 S. 2 G G ) . Die Landesverfassungen haben die Organisation der öffentlichen Verwaltung und ihre Regelung unterschiedlich geordnet. Nach den Verfassungen von Bayern (Art. 77), Niedersachsen (Art. 43), Nordrhein-Westfalen (Art. 77) und dem Saarland (Art. 116) bedarf nur die Organisation der allgemeinen Landesverwaltung des Gesetzes, während in Baden-Württemberg (Art. 70), Hamburg (Art. 57) und Schleswig-Holstein (Art. 38) der Gesetzesvorbehalt nicht auf die allgemeine staatliche Verwaltung beschränkt ist. Die Einrichtung der staatlichen Behörden obliegt in allen genannten Ländern der Landesregierung. Keine einschlägigen Bestimmungen enthalten die Verfassungen von Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz 8 . Uberall besteht ein Gesetzesvorbehalt hinsichtlich der Organisation der Kommunalverfassung. Umstritten ist die Rechtsgrundlage der Organisationsgewalt dann, wenn die Verfassung keine diesbezüglichen Regelungen trifft. Hierzu werden zwischen den zwei extremen Positionen — daß die Verwaltung selbst aus der Natur der Sache oder aus anderen Gründen Rechtsgrundlage der Organisationsgewalt sei 9 , bzw. daß diese prinzipiell einer gesetzlichen Grundlage bedürfte 1 0 — recht unterschiedliche Auffassungen vertreten. Uberwiegend besteht Einigkeit darin, daß dann, wenn Organisationsakte zur Schaffung neuer Verwaltungsträger und Behörden die Rechtsstellung der Bürger oder sonstiger Dritter berühren, es einer gesetzlichen Grundlage bedarf, eine Norm des Innenrechts also nicht ausreicht 11 . Streitig ist, ob auch innerhalb einer bestehenden Zuständigkeitsordnung nur durch gesetzliche Ermächtigung neue Behörden errichtet und der Zuständigkeitsbereich anders abgegrenzt werden kann 1 2 . Nach der Verwaltungspraxis wird eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage auch hier für erforderlich gehalten, wenn die Rechtsstellung des Bürgers betroffen wird; es sei denn, es handele sich um rein „innerbetriebliche" Zuständigkeitsverlagerungen zwischen den Amtswaltern oder Behördenteilen innerhalb einer Verwaltungsbehörde. Es gibt jedoch auch Beispiele dafür, daß ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung neue Behörden errichtet und Zuständigkeiten anders abgegrenzt werden. So wird die Veränderung von Zuständigkeiten der Bundesministerien durch Organisationserlaß des Bundes-
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Für Berlin vgl. Art. 4 Abs. 2 S. 2 und Art. 51 der Verfassung vom 1. 9. 1950. So ζ. B. Böckenförde (Fn. 2) S. 78ff. So z. B. Spartner, DÖV 1957, 640ff. Ossenbühl (Fn. 7) S. 263ff. Bejahend: BayVerfGH, VerwRspr. 16, 515; Obermayer, in: Mang/Maunz/Mayer/ Obermayer, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 2. Auflage 1964, S. 196f.; Wolff.Ί Bachof, VwR II, § 78 II c 1. Verneinend: Böckenförde (Fn. 2) S. 93; Ossenbühl (Fn. 7) S. 266. 473
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II
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kanzlers angeordnet, wobei umstritten ist, ob diese Praxis verfassungsgemäß ist, insbesondere ob § 9 GeschOBReg eine ausreichende Ermächtigung bildet, oder ob es hierfür einer Rechtsverordnung bedarf 13 . Für die Schaffung und Veränderung von Verwaltungseinrichtungen ohne hoheitliche Entscheidungsbefugnisse wird ein Gesetz grundsätzlich nicht verlangt.
II. Verwaltungsträger Gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß auch Träger der Verwaltung das Volk ist, das die vollziehende Gewalt durch besondere Organe ausübt (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). Rechtlich wird vollziehende Staatsgewalt dem Staat als juristischer Person zugerechnet. Die auf Eduard Albrecht zurückgehende Konstruktion des Staates als juristische Person 14 wird zwar kritisiert 15 , bestimmt aber nach wie vor die rechtliche Betrachtung. In einem vom Zivilrecht her entwickelten Rechtssystem ist die Rechtsfähigkeit des Staates sowohl für dessen Teilnahme am Rechtsverkehr als auch für den Rechtsschutz des Bürgers gegen staatliches Verwaltungshandeln bei umittelbarer Haftung des Staates unverzichtbar. Für das Organisationsrecht ist diese Konstruktion der rechtsfähigen juristischen Person des Staates aber nicht überzubewerten 1 6 . Sie läßt vor allem keine Aussagen über die organisationsrechtlichen Verhältnisse innerhalb der Verwaltungsträger und Verwaltungsbehörden zu. Im übrigen wird auch hinsichtlich der Träger der Verwaltung die historische und rechtstheoretische Erkenntnis bestätigt, daß Rechtsfähigkeit immer nur relativ gesehen werden kann 1 7 . In der Verwaltung gibt es Gebilde mit Teilrechtsfähigkeit, die, obwohl sie nur in bestimmter Hinsicht Rechte und Pflichten besitzen, trotzdem insoweit Träger der Verwaltung sein können 1 8 .
" So Wolff/Bachof, VwR II, § 78 II c 1. Vgl. Böckenförde (Fn. 2) S. 139ff., 192ff. Vgl. etwa den mit Wirkung vom 18. 1. 1977 in Kraft getretenen Organisationserlaß des Bundeskanzlers, Bulletin N r . 6 vom 22. 1. 1977, S. 63. 14 Albrecht, Rezension über Maurenbrechers Grundsätze des heutigen Staatsrechts, Göttinger gelehrte Anzeigen 1837 III, S. 1489ff., 1508ff. 15 Vgl. etwa Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958, S. 334; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 22 f. 16 Einen weiterführenden, das Dogma von der juristischen Person überwindenden Weg, die Organisation des Staates rechtsbegrifflich zu erfassen und zu qualifizieren, zeigt Böckenförde, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 294ff. 17 So auch Böckenförde (Fn. 16) S. 304. Zur Relativität der Rechtsfähigkeit vgl. z. B. Thoma, HdbDStR II, 1932, S. 611; Mosler, in: Festschrift für Richard Thoma, 1950, S. 131 f. ; Fabricius, Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963, S. 64; Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, 1967, S. 41 f. 18 Bachof, AöR 83 (1958), 208ff., 259ff. 474
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1. Unmittelbare
und mittelbare staatliche
Verwaltung
Träger der öffentlichen Verwaltung ist entweder der Staat in Gestalt von Bund oder Land unmittelbar, oder es sind rechtsfähige Verwaltungseinheiten, die rechtlich verselbständigt sind, d. h. eigene Rechtsfähigkeit bzw. Teilrechtsfähigkeit besitzen. Ist der Staat unmittelbar Verwaltungsträger, so handelt er durch seine Verwaltungsbehörden und sonstigen Stellen — der Bund durch die unmittelbare Bundesverwaltung, das Land durch die unmittelbare Landesverwaltung. Werden rechtsfähige juristische Personen mit eigenen Verwaltungsbehörden von Bund oder Land im Rahmen ihrer Kompetenzen geschaffen, so handeln diese Behörden für die juristische Person. Auch teilrechtsfähige Verbände können Verwaltungsträger sein und als solche nach außen handeln, soweit ihre Rechtsfähigkeit reicht, ö f f e n t liche Verwaltung durch vom Staat ausgegliederte rechtsfähige Verwaltungsträger des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts wird auch als mittelbare Staatsverwaltung bezeichnet 19 , wobei dieser Ausdruck mißverständlich ist, da es auch mittelbare öffentliche Verwaltung von Selbstverwaltungskörperschaften gibt (ζ. B. Sparkassen), der Verwaltungsträger also doppelt mediatisiert ist. Zudem gibt es juristische Personen des öffentlichen Rechts, bei denen die Möglichkeit staatlicher Interventionen fast gar nicht vorhanden oder äußerst begrenzt ist ( z . B . bei den Kirchen oder den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten). O b der Staat unmittelbarer Träger der Verwaltung ist, oder ob Aufgaben durch verselbständigte Rechtsträger erledigt werden, hängt von der historischen Entwicklung und der Zweckmäßigkeit und rechtlich von der Verfassung und der Entscheidung des Gesetzgebers ab. So ist grundgesetzlich vorgeschrieben, daß die Gemeinden alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln und Gemeindeverbände das Recht der Selbstverwaltung haben (Art. 28 Abs. 2 GG), und daß soziale Versicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu führen sind (Art. 87 Abs. 2 GG), also jeweils eigene Verwaltungsträger sein müssen. Der rechtspolitische Grund für solche eigenständigen Verwaltungsträger ist, Verwaltung zu dezentralisieren, d. h. ein Korrektiv zur einheitlichen staatlichen Verwaltung zu bilden 20 . Außerdem diente die Schaffung einiger Verwaltungsträger in der Form der juristischen Person des öffentlichen Rechts der Reglementierung und Disziplinierung ganzer Sozialbereiche, wie ζ. B. von Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft, Heilberufen und Anwaltschaft 21 . Ferner greift der Staat zum Mittel der Errichtung selbständiger Verwal19 20
21
Forsthoff; VwR, S. 471 ff., S. 478ff. Zum verfassungspolitischen Grund der Selbstverwaltung vgl. Leibholz, DVB1. 1973, 715ff. Zwischen Selbstverwaltung und Autonomie wird begrifflich unterschieden. Vgl. Forsthoff, VwR, S. 479ff. Zur Autonomie vgl. Haug, Autonomie im öffentlichen Recht, 1961. Zur Organisation der Wirtschaftsverwaltung vgl. Brohtn, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 1969, S. 69ff.; Radura, in: I. v. Münch, Bes. VwR, S. 296ff. 475
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tungsträger in privatrechtlichen Rechtsformen, oder er bedient sich bestehender privater juristischer und natürlicher Personen, u m bestimmte Verwaltungszwecke besser erfüllen zu können. Die v o m Staat getrennte eigene Verwaltungsträgerschaft wird hier mehr oder weniger aus verwaltungstechnischen Gründen gewählt, sei es, daß besoldungs- oder haushaltsrechtliche N o r m e n unmittelbare Staatsverwaltung nicht empfehlen, sei es, daß andere sachliche oder personelle G r ü n d e für eine „Privatisierung" sprechen. Beispiele bietet der Kultursektor: D a s Theaterwesen ist teilweise in der F o r m der G m b H organisiert 2 2 , und die s o g . Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturverwaltung und der Entwicklungshilfe werden in recht verschiedenen privatrechtlichen Rechtsformen (Eingetragener Verein, Stiftung, G m b H ) geführt 2 3 .
2. Juristische
Personen
des öffentlichen
Rechts
Als selbständige Verwaltungsträger öffentlichen Rechts haben sich drei O r g a nisationstypen herausgebildet: die Körperschaft, die Anstalt und die Stiftung des öffentlichen Rechts. Alle drei sind eigen wüchsige Schöpfungen des öffentlichen Rechts 2 4 und unterscheiden sich von den starren Organisationstypen des Privatrechts durch die Breite der Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei kann es v o r k o m m e n , daß ein T y p u s auch Merkmale eines anderen aufweisen kann, was die Charakterisierung als Körperschaft, Anstalt oder Stiftung erschwert. Ein Beispiel sind die Universitäten, die zwar in den Hochschulgesetzen der Länder übereinstimmend als Körperschaften bezeichnet, trotzdem aber von einigen Autoren als Kombination von Körperschaft und Anstalt oder als Anstalten mit körperschaftlichen Elementen qualifiziert w e r d e n 2 5 . Bei den Stiftungen des öffentlichen Rechts war bestritten, o b sie überhaupt neben der öffentlich-rechtlichen Anstalt einen besonderen T y p u s bilden.
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Zu den Gründen für eine mittelbare Staatsverwaltung vgl. Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 105 ff. Uhde, Der Städtetag 1955, 438ff. ; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, 1969, S. 450. Z. B. als eingetragener Verein: Goethe-Institut zur Pflege deutscher Sprache und Kultur im Ausland, Inter-Nationes, DAAD, Carl-Duisberg-Gesellschaft; als Stiftung: Alexander von Humboldt-Stiftung, Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung; als GmbH: Deutscher Entwicklungsdienst. Das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart ist Anstalt des öffentlichen Rechts (des Landes Baden-Württemberg). Dazu W. Weber, Die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, 2. Auflage 1943, S. 12. Zur Geschichte vgl. Bieback, Die öffentliche Körperschaft, 1976. Etwa von Wolff/Bacbof, VwR II, § 93 IIa, b; Forsthoff, VwR, S. 489. Für Körperschaft: Tbieme, Deutsches Hochschulrecht, 1956, S. 108; Gerber, Das Recht der wissenschaftlichen Hochschulen in der jüngsten Rechtsentwicklung, 1965, S. 21; Kimminich, in: I. v. Münch, Bes. VwR, S. 678. Für juristische Person des öffentlichen Rechts sui generis: F. Mayer, Von der Rechtsnatur der Universität, 1967, S. 35f.
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Alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts werden durch Hoheitsakt errichtet, der auch den Umfang der Rechtsfähigkeit im öffentlich-rechtlichen Bereich und in der Privatrechtsordnung bestimmt. Dienstherreneigenschaft im Sinne des Beamtenrechts brauchen juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht zu besitzen, da sie auch von staatlichen Bedienstenen verwaltet werden können. Neben den rechtsfähigen gibt es auch unselbständige Anstalten und Stiftungen, die nicht Selbstverwaltungsträger sein können 26 . Diese werden in der Regel mit den rechtlich selbständigen Anstalten und Stiftungen gemeinsam behandelt, sollten aber nicht mit ihnen begrifflich zusammengefaßt werden, da sie nur organisatorisch verselbständigte Verwaltungsstellen bilden 27 . Haushaltsrechtlich gelten für juristische Personen des öffentlichen Rechts besondere Vorschriften (SS 105ff. BHO). a) Die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein mitgliedschaftlich verfaßter, unabhängig vom Wechsel der Mitglieder bestehender, mit Hoheitsgewalt ausgestatteter Verwaltungsträger. Nach den Bindungen der Mitgliedschaft unterscheidet man vier Formen: Bei den Gebietskörperschaften, nämlich den Gemeinden und Gemeindeverbänden, ergibt sich die Mitgliedschaft kraft Gesetzes aus dem Wohnsitz eines Menschen oder Sitz einer juristischen Person 28 . Die Mitgliedschaft bei den Realkörperschaften richtet sich nach dem Eigentum an einer Liegenschaft oder dem wirtschaftlichen Sitz eines Betriebes (ζ. B. Jagdgenossenschaft, Industrie- und Handelskammer). Bei den Personalkörperschaften hängt die Mitgliedschaft von der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Beruf oder einer sonstigen Eigenschaft oder dem Willen einer Person ab (ζ. B. Ärztekammer, Rechtsanwaltskammer, teilweise die Studentenschaften)29. Verbandskörperschaften sind solche, deren Mitglieder juristische Personen sind, so daß ein Durchgriff auf Mitglieder dieser Mitglieder nicht in Betracht kommt (ζ. B. kommunale Zweckverbände)30. Begründet werden kann die Mitgliedschaft kraft Gesetzes (Zwangsmitgliedschaft) oder durch freiwilligen Eintritt. Zwangsmitgliedschaft ist nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zulässig31. Grundsätzlich keine Mitglieder einer Körperschaft sind deren Bedienstete32. 26
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Körperschaften des öffentlichen Rechts sind immer rechtsfähig. W. Weber (Fn. 24) S. 16; a. M. Wolff/Bachof, VwR II, § 84 lila. So auch Scheuner, in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, 1967, S. 800, Fn. 11. Nicht zu verwechseln mit der Gebietshoheit. Vgl. Wolff/Bachof, VwR II, § 84 111dl. Z. B. gem. § 73 Abs. 1 HochSchG Rheinland-Pfalz (GVB1. 1971, S. 5). Zur Verfassungsmäßigkeit der verfaßten Studentenschaft vgl. neuerdings den Vorlagebeschluß des VG Sigmaringen, DVB1. 1977, 465. Keine Körperschaften öffendichen Rechts sind die Körperschaften genannten Kollegialorgane des Bundes und der Länder, wie z. B. Bundestag und Bundesrat, die Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG als Körperschaften bezeichnet. BVerfGE 10, 89 (Großer Erft-Verband); 15, 235 (Industrie- und Handelskammer); 32, 54 (Handwerkskammer). Ausgenommen die Bediensteten der Hochschulen. Vgl. z. B. § 15 Abs. 1 HochSchG Rheinland-Pfalz (Angehörige der Hochschule). Daß Bedienstete der Hochschule auch 477
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Körperschaften des öffentlichen Rechts dienen — wie alle Verwaltungsträger — stets öffentlichen Zwecken. Sie sind mit Hoheitsgewalt ausgestattet, können also hoheitlich handeln und auch Zwang anwenden. Außerdem können sie, wie der Staat selbst auch, nicht-hoheitliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Neben ihren eigenen (freiwillig übernommenen oder gesetzlich zugewiesenen) Aufgaben, die sie eigenverantwortlich erfüllen, können ihnen Aufgaben zur Verwaltung nach Weisung oder im Auftrag des Staates übertragen werden. Die interne Verwaltungsorganisation kann in Behörden und andere Verwaltungsstellen aufgegliedert sein, doch braucht das nicht der Fall zu sein. Ihren Finanzbedarf decken Körperschaften des öffentlichen Rechts durch Mitgliedsbeiträge (ζ. B. Kammerbeitrag, Verbandsumlage), die Erhebung von anderen Beiträgen (ζ. B. Erschließungsbeiträge) und Gebühren (ζ. B. Studiengebühr) und andere Einnahmen (ζ. B. Erträge aus Vermietung von Grundstücken). Gebietskörperschaften und Kirchen (Art. 140 G G i. V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV) besitzen das Recht, Steuern zu erheben. Das Aufkommen aus bestimmten Steuern steht verfassungsrechtlich den Gemeinden und Gemeindeverbänden zu (Art. 106 Abs. 7 GG), die 1976 mit 14,08% am gesamten Steueraufkommen partizipierten 33 . Eine besondere Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts stellen die Kirchen dar, die nicht wirklich Träger öffentlicher Verwaltung sind 34 . b) Die Anstalt des öffentlichen Rechts ist ein nicht verbandsmäßig organisierter rechtsfähiger Verwaltungsträger zur dauerhaften Verfolgung eines bestimmten Verwaltungszwecks des Anstaltsträgers 35 . Sie unterscheidet sich von der Körperschaft dadurch, daß sie nicht von Mitgliedern getragen wird, sondern nur Benutzer haben kann; doch gibt es auch nicht nutzbare Anstalten, die allerdings bloß nichtrechtsfähige Verwaltungseinheiten bilden 36 . Ist bei einem als „Anstalt" bezeichneten Verwaltungsträger Mitgliedschaft vorgesehen, so handelt es sich in Wirklich-
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deren Angehörige sind, wird ζ. B. von der Westdeutschen Rektorenkonferenz nicht als systemwidrig angesehen. Vgl. das in BVerfGE 35, 79ff., lOOff., zitierte Gutachten von Mallmann und Strauch. Zur Körperschaft im einzelnen vgl. Scheuner (Fn. 27) S. 797ff. ; Brohm (Fn. 21) S. 144ff.; Rasch, DVB1. 1970, 765ff.; Wolff/Bachof, VwR II, §93. Art. 140 G G in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV. Vgl. die umfangreiche staatskirchenrechtliche Literatur, ζ. B. Mikat, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Halbband. 1960, S. l l l f f . ; H. Weher, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, 1966; ferner die Abhandlungen in Quaritsch/Weber (Hrsg.), Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, und das ebenda, S. 446ff., genannte Schrifttum, sowie Friesenhahn/Scheuner (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1974, 1975. Vgl. die Definitionen bei Mayer, VwR II, S. 331; Weher (Fn. 24) S. 90f.; Brohm (Fn. 21) S. 168ff.; Wolff/Baehof, VwR II, § 98 I a ; Forsthoff, VwR, S. 495. Gegenteiliger Auffassung ist Forsthoff, VwR, S. 497: „Diese nutzbaren Anstalten sind . . . ein eindeutig abgegrenzter Sondertypus innerhalb der Gattung der rechtsfähigen Anstalt."
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keit um eine Körperschaft (ζ. B. die Landesversicherungsanstalten)37. Die Abgrenzung zur Körperschaft bietet auch dann Schwierigkeiten, wenn eine Benutzungspflicht besteht. Das ist ζ. B. der Fall bei der anstaltlich organisierten Bayerischen Ärzteversorgung38. Errichtet, verändert und aufgelöst wird eine Anstalt als rechtsfähiger Verwaltungsträger durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes durch den Anstaltsträger. Anstaltsträger ist das übergeordnete Verwaltungssubjekt, das außerdem den Zweck der Anstalt bestimmt und begrenzt und die anstaltsleitenden Organe bestellt39. In der Regel ist das der Staat oder eine sonstige Gebietskörperschaft. Der Anstaltsträger bestimmt auch Umfang und Grenzen der Rechtsfähigkeit der Anstalt. Angesichts der weiten Gestaltungsmöglichkeiten bei Errichtung öffentlichrechtlicher Anstalten kann die Rechtsfähigkeit ζ. B. auf den Privatrechtsverkehr beschränkt werden (so beim Bundesbahn-Sozialwerk)40. Bei teilrechtsfähigen Anstalten kann der Charakter als juristische Person zweifelhaft sein. Das gilt etwa für die Deutsche Bundesbahn, die nur vermögensrechtlich und nur Dritten, nicht dem Bund gegenüber rechtsfähig ist; sie besitzt außerdem die Tarifpartnereigenschaft gegenüber ihren Arbeitnehmern41. Die Organisation der Anstalt wird durch Gesetz oder die Anstaltssatzung geregelt, die entweder vom Anstaltsträger selbst, oder aber von den Anstaltsorganen mit Genehmigung des Anstaltsträgers erlassen wird. Die Einflußmöglichkeiten des Anstaltsträgers auf die Verwaltung der Anstalt können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Die Anstalt kann ihre Kompetenzen durch eigene Verwaltungsstellen mit eigenem Verwaltungspersonal wahrnehmen (so ζ. B. die Studentenwerke in Rheinland-Pfalz)42, doch kann auch der Verwaltungsträger durch seine Behörden und sein Personal die Anstalt verwalten (Organleihe). Der Anstaltsträger sorgt auch für den Finanzbedarf der Anstalt, der entweder aus Gebühren oder sonstigen Einnahmen der Anstalt oder aus Mitteln des Anstaltsträgers gedeckt wird. Nach Rechtsstellung, Organisation, Zweck und Nutzbarkeit gibt es recht unterschiedliche Arten rechtsfähiger Anstalten. Eine besonders große Anstaltsverwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau ist die Bundesanstalt für Arbeit 43 . Die Rundfunkanstalten sind diejenigen, welche eine sehr weitgehende rechtliche Selb37
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Umgekehrt gibt es Körperschaften genannte Verwaltungsträger, die keine Mitglieder haben, also Anstalten sind. Bestritten ist dies bei der Bundesanstalt für Arbeit, die § 189 Abs. 1 AFG als Körperschaft bezeichnet und die teils als solche — ζ. B. Köttgen, JöR 3, 131, Schewe/Nordhorn, Ubersicht über die soziale Sicherung, 8. Auflage 1970, S. 189 — teils als Anstalt - ζ. B. Wertenbruch, in : I. v. Münch, Bes. VwR, S. 362 ; Wolff/Bachof, VwR II, § 100 I c i — charakterisiert wird. „Mitglieder der Anstalt sind alle approbierten Ärzte . . .", Art. 47 Abs. 1 Bayerisches Versicherungsgesetz vom 7. 12. 1933 (BayBS I S. 242); vgl. BVerfGE 10, 355. BGHZ 24, 83, 88f. OVG Lüneburg E 19, 416, 417. Zur Rechtsstellung der Deutschen Bundesbahn vgl. Fromm, BB 1966, 297ff. §§77 ff. HochSchG Rheinland-Pfalz. Wertenbmch (Fn. 37) S. 362f. Vgl. aber oben Anm. 37. 479
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ständigkeit von ihren Anstaltsträgern besitzen 4 4 . Bei den kommunalen Sparkassen haften die Anstaltsträger als Gewährträger für die Verbindlichkeiten der Sparkassen subsidiär unbeschränkt (Ausfallgarantie) 45 . Die Rechtsbeziehungen zwischen Anstalt und Benutzern bei benutzbaren Anstalten werden durch die Benutzungsordnung geregelt. Nach der Rechtsform ist zwischen Anstalten mit privatrechdicher (ζ. B. Sparkassen) und öffentlich-rechtlicher (ζ. B . Rundfunkanstalten) Nutzung zu unterscheiden 46 . c) Stiftungen des öffentlichen Rechts als Verwaltungsträger sind rechtsfähige Stiftungen, die ausschließlich öffentliche Zwecke verfolgen und zum Staat oder einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechts in einer solchen organisatorischen Beziehung stehen, daß die Stiftung als eine öffentliche Einrichtung erscheint 4 7 . Es handelt sich bei ihnen um Verwaltungsträger, die mit einem Kapitaloder Sachbestand Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllen 4 8 . Sie sind von den Stiftungen des bürgerlichen Rechts ( § § 8 0 ff. B G B ) , den nicht-rechtsfähigen Stiftungen des Verwaltungsrechts 49 und von den „öffentlichen Stiftungen" zu unterscheiden, unter denen man Stiftungen des bürgerlichen Rechts, die nicht ausschließlich private Zwecke verfolgen, und öffentlich-rechtliche Stiftungen zusammenfaßt 5 0 . Das Spezifische der Stiftungen des öffentlichen Rechts besteht in der eigentümlichen Verbindung von Organisationsrecht und öffentlichem Sachenrecht 5 1 . In der sozialen Wirklichkeit spielen Stiftungen des bürgerlichen Rechts eine größere Rolle als die des öffentlichen Rechts. Errichtet werden Stiftungen des öffentlichen Rechts durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes (ζ. B . die „Stiftung Preußischer Kulturbesitz") 5 2 . Daneben ist auch die Errichtung ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung möglich 5 3 . Schließlich können Stiftungen des bürgerlichen Rechts in solche des öffentlichen Rechts umgewandelt werden 5 4 . Die Organisation der Stiftung wird durch Satzung geregelt. Die Stiftung ist durch ihre Organe so zu verwalten, wie es die dauernde nachhaltige Verwirk44
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Zur Rundfunkanstalt vgl. Herrmann, AöR 90 (1965), 286ff.; Jank, Die Rundfunkanstalten der Länder und des Bundes, 1967; Rudolf, in: I. v. Münch, Bes. VwR, S. 732 ff. Hoffmann, in: KomHdb. III, 741 ff.; Wolff/Bachof VwR II, § 100 II. Zur Anstalt im einzelnen vgl. Jecht, Die öffentliche Anstalt, 1963; Wolff/Bachof, VwR II, § 9 8 ; Forsthoff, VwR, S. 493 ff. Zur Anstaltsnutzung vgl. oben Salzwedel, Recht der öffentlichen Sachen, §44, S. 341 ff. Art. 1 Abs. 2 Bayerisches StiftG vom 26. 11. 1954 (BayBS II S. 661); § 2 Abs. 4 StiftG Rheinland-Pfalz vom 22. 4. 1966 (GVB1. S. 95). So § 46 LVwG Schleswig-Holstein. Wolff/Bachof, VwR II, § 103 IXal. § 1 Abs. 3 Bayerisches StiftG; §2 Abs. 3 StiftG Rheinland-Pfalz. Röttgen, Die rechtsfähige Verwaltungseinheit, 1939, S. 77. Forsthoff, VwR, S. 508. So § 10 Abs. 1 StiftG Rheinland-Pfalz: „. . . bedarf ihre Errichtung der Genehmigung der Bezirksregierung." § 20 Abs. 1 StiftG Rheinland-Pfalz.
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lichung des Stiftungszwecks mit Rücksicht auf den erkennbaren und mutmaßlichen Willen des Stifters erfordert. D a s Recht, eigene Beamte zu haben, ist in der Satzung b z w . in der Verleihungsurkunde festzulegen. D e r Bestand des Stiftungsvermögens ist tunlichst in seiner Zusammensetzung ungeschmälert zu erhalten. D a s Stiftungsvermögen ist von anderen Vermögensmassen getrennt zu verwalten. D i e Erträge sind ausschließlich für den Stiftungszweck zu verwenden 5 5 .
3. Sonstige
Verwaltungsträger
N e b e n den genannten drei T y p e n der rechtsfähigen juristischen Person des öffentlichen Rechts gibt es keine anderen öffentlich-rechtlich organisierten Verwaltungsträger. Bei Regiebetrieben des Staates und Eigenbetrieben der sonstigen Gebietskörperschaften 5 6 handelt es sich u m haushaltsrechtlich und organisatorisch verselbständigte nicht-rechtsfähige dekonzentrierte Verwaltungsstellen, nicht aber u m rechtlich selbständige dezentralisierte Verwaltungsträger. Die Vertretung des Eigenbetriebes nach außen durch die Werksleitung stellt eine Vertretung der dahinter stehenden Gebietskörperschaft in Ansehung des Sondervermögens des Eigenbetriebes dar, so wie ein Behördenleiter den Staat für den Bereich seiner Behörden nach außen vertritt. Auf dem Gebiet der Leistungsverwaltung bedient sich die öffentliche H a n d auch privatrechtlich organisierter Verwaltungsträger, die neben anderen als „öffentliche U n t e r n e h m e n " bezeichnet werden 5 7 . E s handelt sich bei diesen „öffentlichen U n t e r n e h m e n " um Verwaltung im funktionellen Sinne, die aber durch privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger durchgeführt wird. Als Organisationstypen k o m m e n vor allem die Aktiengesellschaft, die G m b H u n d die K o m m a n d i t gesellschaft auf Aktien in Betracht. Der G r u n d für die Privatisierung öffentlicher Verwaltungsträger liegt einmal in der erleichterten Errichtung privatrechtlich organisierter Gesellschaften durch die Verwaltungsbehörden, da der Gesetzesvorbehalt, der bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts besteht, überspielt werden kann (Flucht in das Privatrecht) S 8 . Z u m anderen ist mit privatrechtlichen Organisationsformen häufig eine flexiblere 55
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Zur Stiftung des öffentlichen Rechts im einzelnen vgl. Ebersbach, Die Stiftung des öffentlichen Rechts, 1961; ders., Handbuch des deutschen Stiftungsrechts, 1972; Strickrodt, NJW 1962, 1480ff.; WolffΊBachof, VwR II, § 103; Forsthoff, VwR, S. 506ff. In Bayern sind auch die Studentenwerke als Eigenbetriebe der wissenschaftlichen Hochschulen organisiert. Wolff/Bachof, VwR II, § 9 8 I I c 2 . Zu den Rechtsformen öffentlicher Unternehmen existiert ein umfangreiches Schrifttum. Vgl. etwa Brohm (Fn. 21) S. 52; Püttner, Die öffendichen Unternehmen, 1969, S. 42ff., 98ff.; Wenger, Die öffentliche Unternehmung, 1959, S. 256ff. (unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Rechts und rechtsvergleichend) ; Forsthoff, VwR, S. 513 ff. Zur verfassungsrechtlichen Problematik vgl. Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963, S. 244ff.; Püttner (Fn. 57) S. 125ff. 481
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Allgemeines Verwaltungsrecht
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III
Verwaltung von Wirtschaftsbetrieben möglich. Im übrigen ist die Rechtsform allein kein Garant dafür, die Elastizität eines Verwaltungsträgers zu bewahren. Schließlich ist die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand durch eigene Unternehmen und vor allem die Beteiligung an bestehenden privaten Unternehmen zu nennen 59 . Bedeutende gemischt-wirtschaftliche Unternehmen sind ζ. B. die Volkswagen-AG, die Deutsche Lufthansa, die Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke AG. Wieweit der wirtschaftlichen Betätigung des Staates Grenzen gesetzt sind, ist eine Frage des Verfassungsrechts. Für privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger des Bundes und der Länder gelten ebenso wie für öffentlich-rechtlich organisierte Betriebe und Sondervermögen spezielle haushaltsrechtliche Regeln. Gemäß § 18 H G r G haben sie Wirtschaftspläne aufzustellen, falls kameralistisches Wirtschaften nicht zweckmäßig ist 6 0 . Um öffentliche Verwaltung zu dezentralisieren und zu entlasten, können auch Private für Verwaltungsaufgaben in Dienst genommen werden. Verwaltungsaufgaben, die solchen Beliebenen übertragen werden, reichen von der Einziehung der Lohnsteuer und der Beiträge zur Sozialversicherung durch die Arbeitgeber 61 über Schülerlotsen62 bis zu den Notaren 63 . In größerem Umfang werden die durch den Bund mitfinanzierten Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturverwaltung mit Verwaltungsaufgaben des Bundes betraut 64 . Handelt es sich um die Übertragung hoheitlicher Funktionen auf Private, bedarf die Beleihung einer gesetzlichen Ermächtigung, sonst genügt eine vertragliche Vereinbarung. Rechte und Pflichten der Beliehenen ergeben sich, sofern sie nicht gesetzlich normiert sind, aus dem Beleihungsakt bzw. -vertrag. Die Rechtsverhältnisse zwischen Beliehenen und Dritten sind öffentlich-rechtlich, soweit sie auf öffentlich-rechtlichen Normen beruhen, im übrigen privatrechtlich65.
III. Behörden und sonstige Verwaltungsstellen Um handelnd verwalten zu können, bedürfen die Verwaltungsträger organisierter Verwaltungsstellen. Diese werden auch als Organe bezeichnet, ein historisch 59
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Vgl. dazu Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1 9 6 8 ; Püttner (Fn. 57) S. 8 2 f . ; Badura (Fn. 21) S. 3 1 9 f . ; Forsthoff, V w R , S. 5 2 0 f . F ü r Beteiligungen vgl. § 44 H G r G ; für Betriebe des Bundes § 26 B H O . Vgl. Ipsen, in: Festgabe für Erich Kaufmann, 1950, S. 145ff.; a. M. Wolff/Bachof, V w R II, § 1 0 4 I d 8 , der die Inpflichtnahme Privater zu technischen Dienstleistungen nicht für einen Fall der Beleihung hält. Martens, N J W 1970, 1029f. § 1 B N o t O . Die B N o t O gilt nicht für Bezirksnotare im O L G - B e z i r k Stuttgart, die Beamte sind ( § 1 1 4 B N o t O ) . Vgl. den Bericht der Enquete-Kommission Auswärtige Kulturpolitik des Bundestages, B T - D r u c k s . 7 / 2 1 5 (neu), S. 12f. Zur Beleihung vgl. Ipsen (Fn. 61) S. 141 ff. ; Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen, 1963, S. 5 f f . ; Brohm (Fn. 21) S. 2 0 2 f f . ; Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969,
Verwaltungsorganisation
§ 5 6
III 1
geprägter und in den einzelnen Rechtsdisziplinen vieldeutiger Begriff 6 6 . Unter Verwaltungsorganen versteht man gewöhnlich alle durch Organisationsnormen gebildeten Subjekte, die Angelegenheiten eines Verwaltungsträgers wahrnehmen 6 7 . Das bedeutet, daß ein Organ nicht für sich, sondern für den Verwaltungsträger handelt, dessen Einrichtung es ist. Verwaltungsorgane sind deshalb in der Regel nicht rechtsfähig. Es gibt aber auch rechtsfähige Organe, nämlich dann, wenn diese selbst Verwaltungsträger sind, wobei diese Rechtsfähigkeit wiederum relativ gesehen werden muß. So ist z . B . eine Gemeinde, die selbst als Gebietskörperschaft Verwaltungsträger ist, in Auftragsangelegenheiten Organ des Staates, weil sie insoweit für einen anderen Verwaltungsträger tätig wird. Als Verwaltungsstellen werden demgegenüber nur solche Subjekte bezeichnet, die ausschließlich Angelegenheiten eines Verwaltungsträgers wahrnehmen, also insoweit nicht selbst rechtsfähig sind. Verwaltungsstelle ist deshalb nicht die Gemeinde, sondern das zuständige Organ der Gemeinde, das die Auftragsangelegenheit des Staates für die Gemeinde verwaltet. Solche Verwaltungsstellen sind in erster Linie Behörden66. Die Bezeichnung „Verwaltungsstelle" ist dem in der neueren Gesetzgebung verwendeten Begriff der Dienststelle, wie er etwa in § 7 BPersVertrG definiert ist, vorzuziehen, da als Dienststellen auch Behördenteile bezeichnet werden können. 1. Amt und
Behörde
a) Die kleinste Verwaltungseinheit ist das Amt. Es ist die Amtsstelle oder der Dienstposten eines Menschen und bezeichnet dessen institutionell bestimmten konkreten Aufgabenbereich innerhalb der Verwaltungsorganisation. Organisationsrechtlich ist also mit jedem Amt eine Aufgabe und eine Zuständigkeit verbunden. So ist ζ. B . im Bundesministerium der Finanzen das Amt des Leiters der Haushaltsabteilung verknüpft mit der Aufgabe und den erforderlichen Kompetenzen, die Haushaltsabteilung zu leiten, d. h. letztlich die Verantwortung für alle im Bereich dieser Abteilung zu erledigenden Verwaltungsaufgaben zu tragen ; oder das Amt des Hausmeisters einer Grundschule ist verbunden mit konkreten Aufgaben und Kompetenzen der Mitwirkung und Mitverantwortung zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit dieser bestimmten Schule. Amt ist also instituierte Zuständigkeit 6 9 .
66
67 68
69
S. 130ff.; Krautzberger, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private, 1971, S. 15ff.; Wolff/Bachof, VwR II, § 104. Zum Organbegriff vgl. vor allem Wolff/Bachof, VwR II, § 74 I. Ferner Kupp (Fn. 15) S. 81 ff.; Böckenförde (Fn. 16) S. 270ff.
Wolff/Bachof,
VwR II, §74 IIa.
§ 24 L O G N W geht davon aus, daß etliche Einrichtungen im Sinne von § 14 in der Gesetzessprache als Behörden angesehen werden. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 256. 483
31
§ 5 6 III 1
Walter Rudolf
Von dieser organisationsrechtlichen Bedeutung des Amtes ist die beamtenrechtliche zu unterscheiden. Der beamtenrechtliche Amtsbegriff ist bezogen auf das Dienstverhältnis, also auf die beamten-, besoldungs-, versorgungs- und disziplinarrechtliche Rechtsstellung eines Beamten als Rechtsperson ohne Rücksicht auf seine Aufgaben. Er bezeichnet die abstrakte Dienststellung bzw. den bestimmten Dienstgrad (ζ. B. Ministerialdirektor, Oberamtsgehilfe). Demgegenüber ist Amt im organisationsrechtlichen Sinne die konkrete Dienststellung (ζ. B. Leiter der Haushaltsabteilung des Bundesministeriums der Finanzen, Hausmeister der Grundschule in Harxheim). Neben der organisationsrechtlichen und der beamtenrechtlichen Bedeutung kommt das Wort „Amt" noch als Bezeichnung einer Behörde oder des Teiles einer Behörde vor 70 . Behörden mit der Bezeichnung Amt sind zum Beispiel das Bundeskanzleramt, das Auswärtige Amt oder ein Finanzamt. Teile einer Behörde mit der Bezeichnung Amt sind etwa das Ordnungsamt, das Rechtsamt oder das Bauaufsichtsamt einer Gemeindeverwaltung. Der Inhaber eines Amtes wird Amtsträger oder Amtswalter genannt. Er steht in einem beamten- oder arbeitsrechtlichen Verhältnis zu seinem Dienstherrn und zugleich in einem organisationsrechtlichen Verhältnis zu dem Verwaltungsträger, in dessen Verwaltungsorganisation das von ihm besetzte konkrete Amt mit seiner Zuständigkeit im Außenverhältnis gegenüber Dritten und gegenüber anderen Verwaltungsstellen und Ämtern seines Verwaltungsträgers eingebunden ist 71 . In der Regel ist jedes organisationsrechtlich ausgewiesene Amt mit einem Amtswalter besetzt, und nur ausnahmsweise können sich mehrere Amtswalter in ein Amt teilen. Ein Fall einer Halbierung eines Dienstpostens liegt etwa bei halbtags beschäftigten Beamtinnen vor. Auch bei der Teilung eines Amtes ist jeweils eine konkrete Aufgaben- und Kompetenzteilung hinsichtlich der Teile notwendig. Bei der Wahrnehmung der durch das Amt gekennzeichneten Aufgaben ist der Amtswalter dienstrechdich zu unparteiischer und uneigennütziger Amtsführung verpflichtet72. b) In der Regel bilden mehrere Ämter eine Behörde. Das Bundesverfassungsgericht faßt den Begriff der Behörde sehr weit und versteht darunter „eine in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete, organisatorische Einheit von Personen und sächlichen Mitteln, die mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder von ihm geförderter Zwecke tätig zu sein" 73 . Noch weiter geht § 1 Abs. 4 VwVfG, wonach Behörde im Sinne dieses Gesetzes jede Stelle ist, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Der Behördenbegriff ist im 70
71 72
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Weitere Bedeutungen bei Wolff/ Bachof, VwR II, § 73 Ib.
Zum Organwalterverhältnis vgl. Rupp (Fn. 15) S. 19ff. Wolff/Bachof, VwR II, § 73 III.
§§ 35 Abs. 1 S. 1 und 2, 36 S. 2 BRRG. Vgl. oben Badura, Verwaltungsverfahren, § 3 8 II, S. 282f. BVerfGE 10, 20, 48. Zum Behördenbegriff vgl. das Schrifttum bei WolffIBachof, VwR II,
§761. 484
Verwaltungsorganisation
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übrigen mehrdeutig74. Organisationsrechtlich knüpft er in erster Linie an die Ressortzuständigkeit und -abhängigkeit an, wobei es unerheblich ist, ob hoheitliche, fiskalische oder rein technische Aufgaben wahrgenommen werden, so daß auch selbständige Forschungsanstalten und kommunale Eigenbetriebe als Behörde bezeichnet werden können. Im Sinne des Verwaltungsprozeßrechts ist Behörde jede Stelle, die selbständig und eigenverantwortlich Verwaltungsakte erlassen kann 75 . Vom organisationsrechtlichen Behördenbegriff teilweise unterschieden ist der verfassungsrechtliche, wie er in Art. 84 ff. GG verwendet wird 76 . Organisationsrechtlich können Behörden nur diejenigen Verwaltungsstellen sein, die öffentlich-rechtlich geschaffen sind, nicht aber Organe einer juristischen Person des Privatrechts. Sie müssen ferner eigenständig sein. Ist das nicht der Fall, handelt es sich nur um einen Teil der Behörde (ζ. B. Ordnungsamt als Teil der Stadtverwaltung; Prüfungsausschuß als Teil des Prüfungsamts) und, falls sich dieser Teil nicht am Ort der Behörde befindet, um eine detachierte Außenstelle (ζ. B. Polizeireviere, Poststellen, Zollgrenzkommissariate). Da auch Anstalten des öffentlichen Rechts eine Behördenorganisation haben können, sind ζ. B. die eigenständig organisierten Landesarbeitsämter und die Arbeitsämter Mittel- bzw. Unterbehörden der Bundesanstalt für Arbeit 77 . Dagegen sind die Außenstellen der Arbeitsämter nicht deren nachgeordnete Behörden, sondern deren Teile. Nach ihrer Stellung innerhalb der Behördenhierarchie eines Verwaltungsträgers wird zwischen obersten, oberen, mittleren und unteren Behörden unterschieden78. Die Bezeichnung für eine Behörde kann recht unterschiedlich sein. Häufig findet sich die Bezeichnung „Amt" (Bundeskanzleramt, Presse- und Informationsamt, Auswärtiges Amt, Sozialamt, Finanzamt). Daneben gibt es zahlreiche andere Bezeichnungen (ζ. B. Bezirksregierung, Oberpostdirektion). In den nord- und westdeutschen Ländern decken sich häufig der Name der Behörde und die Amtsbezeichnung des Behördenleiters (Der Minister des Inneren, Der Regierungspräsident, Der Oberkreisdirektor). Ihrer inneren Organisation nach ist zunächst zwischen kollegialen und monokratisch organisierten Verwaltungsbehörden zu unterscheiden. Bei Kollegialbehörden werden die Zuständigkeiten von mehreren gleichberechtigten Organwaltern wahrgenommen79. Es gibt Kollegialbehörden mit Entscheidungsbefugnissen, wie
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Vgl. Böckenförde (Fn. 2) S. 31, Fn. 36. Die verwaltungsprozessuale Behördeneigenschaft ist immer dann zu bejahen, wenn die Verwaltungsstelle ein gewisses Maß an Selbständigkeit und Eigenverantwortung aufweist. BVerwGE 9, 172, 177f. Der Behördenbegriff war früher in § 2 5 Abs. 2 VO Nr. 165 brit. Mil. Reg. definiert. Böckenförde (Fn. 2) S. 31. Bachof, Rspr. BVerwG I, S. 180. Vgl. auch BVerwGE 10, 161, 163. Dazu Thieme, Verwaltungslehre, 3. Aufl. 1977, Rdnr. 382ff. Zur Kollegialbehörde und zu den Ausschüssen vgl. Thierfelder, VerwArch. 49 (1958), 249ff.; Dagtoglou, Kollegialorgane und Kollegialakte der Verwaltung, 1960; Meyer, 485
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ζ. B . die Kreis- und Stadtrechtsausschüsse in Rheinland-Pfalz und im Saarland 80 , wobei die Entscheidung durch Mehrheitsbeschluß getroffen wird. Daneben gibt es bloß beratende kollegial organisierte Verwaltungsstellen, die keinen Behördencharakter besitzen (ζ. B . der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) 8 1 . Solche Beiräte werden vor allem deshalb geschaffen, um sich den Sachverstand von Experten für die Verwaltung nutzbar zu machen. Sachverständige als Mitglieder solcher Kollegien sind weisungsfrei. Während die Zahl der Kollegialbehörden in der unmittelbaren staatlichen Verwaltung sehr stark zurückgegangen ist, hat sich die Zahl der Beiräte ständig erhöht. In der Regel sind Verwaltungsbehörden monokratisch aufgebaut. Das bedeutet, daß die Zuständigkeiten der Behörde von einem leitenden Amtswalter oder für diesen von mehreren weisungsabhängigen Amtsträgern jeweils nach deren Zuständigkeitsbereich wahrgenommen werden. Die weisungsabhängigen Amtswalter sind dem Behördenleiter hierarchisch untergeordnet, d. h. der Leiter darf grundsätzlich allen Amtswaltern generelle oder spezielle Weisungen erteilen und jede Sache an sich ziehen und wieder abgeben (Evokationsrecht) 8 2 ; er hat in Zweifelsfällen das letzte Entscheidungsrecht. Demgegenüber ist der Leiter einer Kollegialbehörde in der Regel nur deren Verhandlungsleiter und Vertreter nach außen sowie zwischen den Sitzungen der Behörde mit der laufenden Verwaltung betraut. Waren die Verwaltungsbehörden im 18. Jahrhundert noch überwiegend kollegial organisiert, so hat sich seit dem 19. Jahrhundert das monokratische Behördensystem durchgesetzt. Die Nachteile des Kollegialsystems — Schwerfälligkeit, Cliquenbildung, Anonymität der Verantwortung — wogen so schwer, daß es in der unmittelbaren Staatsverwaltung nur noch wenige kollegiale Entscheidungsorgane gibt 8 3 . Dagegen sind kollegiale Gremien zahlreicher in der mittelbaren Staatsverwaltung, vor allem bei Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts anzutreffen, ζ. B . bei den Universitäten die Fachbereichsräte. Wichtigster Vorteil des monokratischen Systems ist die ständige Aktionsbereitschaft, die ein wesentliches Kriterium moderner Verwaltung ist; denn in der Verwaltung gibt es nichts den Gerichtsferien Vergleichbares. Weitere Vorteile sind Anpassungsfähigkeit, leichte Lenkbarkeit und Transparenz der Verantwortung. Einige dieser Vorteile werden allerdings durch bestimmte Nachteile in Frage gestellt, die vor allem mit der bürokratischen Organisation der Verwaltung verbunden sind 8 4 . Neuerdings ist das monokratische Behördensystem Gegenstand
80 81 82 83 84
486
Die Verwaltungsorganisation, 1962, S. 269ff.; Thieme (Fn. 78) Rdnr. 589; Berggreen, Die „dissenting opinion" in der Verwaltung, 1972, S. 178ff.; Wolff/Bachof, VwR II, § 75 III. § 7 AGVwGO Rheinland-Pfalz; § 6 AGVwGO Saarland. Böckenförde (Fn. 2) S. 249ff. Wolff/Bachof, VwR II, § 75 IIb. Beispiele bei Wolff/Bachof, VwR II, § 76 Id7. Zur Verwaltung als Bürokratie vgl. Morstein Marx, Einführung in die Bürokratie, 1959, S. 20ff., 33ff.; ders., in: Morstein Marx (Hrsg.), Verwaltung, S. 69ff., 109ff.; Thieme
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von Angriffen geworden, die sich gegen Technokratie, Bürokratie und Hierarchie in der Verwaltung richten und — sofern sie nicht bloß eine Flucht aus der Politik in die Utopie darstellen, mindestens — auf eine „Demokratisierung" der Verwaltungsorganisation zielen 85 . Teamarbeit statt Hierarchie gilt als zeitgemäß. In der Praxis haben sich bereits nicht-hierarchische Organisationsformen neben der üblichen Behördenorganisation bei einzelnen Verwaltungsbehörden eingebürgert, die als „Arbeitsgruppen" oder „Projektgruppen" bezeichnet werden 86 . Sie können anstelle monokratisch organisierter Einheiten treten, wie ζ. B. die Referentengruppe „Strafgesetzbuch; Reform des Strafgesetzbuchs" des Bundesministeriums der Justiz; sie können aber auch als bloße Beratungsgremien lose organisiert sein. Kennzeichnend für diese Arbeitsgruppen ist die Gleichrangigkeit ihrer Mitglieder bei der Willensbildung innerhalb der Gruppe. Das strenge monokratische System läßt sich auch durch ein in der privaten Unternehmensorganisation praktiziertes Management by Delegation auflockern, indem Kompetenzen zur selbständigen Entscheidung vom Behördenleiter delegiert werden. Dadurch tritt ein Entlastungseffekt für den Behördenleiter ein, die Amtswalter werden an ihrer Tätigkeit stärker interessiert und motiviert und in die Verantwortung genommen mit der Folge für den Bürger, daß die Arbeitsabläufe verkürzt und die Entscheidungen beschleunigt würden. An dem rechtsstaatlich gebotenen System der Kompetenzen und Verantwortlichkeiten darf freilich nicht gerüttelt werden. Verwaltungsbehörden werden entsprechend ihren Aufgaben nach dem Organisationsplan gegliedert. Dieser bestimmt die innerbetriebliche Zuständigkeitsordnung, indem er festlegt, welche Aufgaben und welche Kompetenzen den einzelnen Behördenteilen und Amtswaltern übertragen werden 87 . Der Geschäftsverteilungsplan legt die Verteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten auf die einzelnen Amtswalter fest. Im Stellenplan werden die der Behörde im Haushaltsplan zugewiesenen Planstellen ausgewiesen. Bei diesen Plänen handelt es sich um internes Organisationsrecht.
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(Fn. 78) Rdnr. 311 if.; vgl. ferner die bei Maytitz (Hrsg.), Bürokratische Ordnung, 1968, gesammelten Abhandlungen. Zum Verhältnis von Verwaltung und Demokratie vgl. Schluchter, Aspekte bürokratischer Herrschaft — Studien zur Interpretation der fortschreitenden Industriegesellschaft, 1972; sowie die Beiträge von König, Herzog und Schnur, in: Demokratie und Verwaltung, 1972, S. 271ff., 485ff. und 557ff. Vgl. auch die verwaltungsrechtlichen Beiträge zur Partizipationsdiskussion, etwa Schmitt Glaeser, W D S t R L 31 (1973), 179ff.; Hartisch, Verfassungsrechtliches Leistungsprinzip und Partizipationsverbot im Verwaltungsverfahren, 1975, S. 123 ff. Laux, in: Aktuelle Probleme der Ministerialorganisation, 1971, S. 317ff.; Kühler!Kubier, Moderne öffentliche Verwaltung — Eine Einführung anhand der Dienstordnung für die Staatsbehörden in Baden-Württemberg, 1971; Schnur (Fn. 85) S. 557ff.; Kuhe, DVB1. 1973, 869 ff. ; Brohm, JuS 1977, 501 ff. Vgl. etwa den Mustergeschäftsverteilungsplan für die Behörde des Regierungspräsidenten in Nordrhein-Westfalen, Ministerialblatt N W vom 26. 7. 1976; vgl. auch das Schema der Organisation der Regierungspräsidenten in Nordrhein-Westfalen, unten Anlage 1. 487
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1112
Die innere Organisation der meisten monokratischen Behörden zeigt übereinstimmende Organisationsstrukturen unabhängig davon auf, ob es sich um Behörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden handelt, wobei die Größe des Verwaltungsapparates der einzelnen Behörden und Behördenteile stark variiert 8 8 . Unterste Einheit innerhalb einer Behörde ist meist das Referat oder Dezernat (in der Kommunalverwaltung: A m t ) 8 9 . E s wird v o m Referenten (Dezernenten, A m t s leiter) geleitet, dem Hilfsreferenten beigegeben sein können und der durch Sachbearbeiter unterstützt wird. Mehrere Referate bilden eine Abteilung. Abteilungen müssen einerseits genügend groß sein, um Schwankungen im Arbeitsanfall ausgleichen zu können, andererseits aber klein genug, um vom Abteilungsleiter übersehen und gesteuert werden zu können 9 0 . Bei den Bundesministerien sind deshalb zwischen Referat und Abteilung teilweise noch Unterabteilungen zwischengeschaltet. Außerdem werden in einigen Ministerien fachlich aufeinander bezogene Referate zu Gruppen zusammengefaßt b z w . Gruppen ohne Referatsgliederung eingerichtet oder den Unterabteilungen gleichgestellt 9 1 .
2. Sonstige
Verwaltungsstellen
Angesichts des weiten Behördenbegriffs des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind Behörden nicht nur die nach außen entscheidungsbefugten Verwaltungs88
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So sind ζ. B . die Bundesministerien nach ihrer Größe sehr unterschiedlich. Großen Ministerien, wie dem Bundesministerium der Finanzen (1765 Bedienstete, davon 1177 Beamte), dem Bundesministerium für Wirtschaft (1569 Bedienstete, davon 883 Beamte) stehen kleinere gegenüber, wie ζ. B. das Bundesministerium für Bildung und Wirtschaft (333 Bedienstete, davon 224 Beamte) (alle Zahlen sind Istzahlen nach dem Haushalt von 1975). Ebenso differiert die Untergliederung der Ministerien: Während das Bundesministerium des Innern in 11 Abteilungen, 20 Unterabteilungen, 1 abteilungsunmittelbare Arbeitsgruppe, 141 Referate, davon 3 abteilungsfreie, und 1 referatsgleiche Arbeitsgruppe gegliedert ist, oder das Bundesministerium der Finanzen 9 Abteilungen, 22 Unterabteilungen und 138 Referate, davon 2 unterabteilungsfreie, hat, gliedert sich das Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit in 4 Abteilungen, 12 Gruppen mit 67 Referaten und 4 nicht Gruppen zugeteilte Referate (Stabsreferate jeweils nicht mitgerechnet). Die unterschiedliche Größe der Bundesministerien und ihrer Teile wirft für die Verwaltungsarbeit der Bundesregierung zusätzliche Koordinationsprobleme auf. Zu den Referaten vgl. Johnson, in: Aktuelle Probleme der Ministerialorganisation, 1971, S. 115 ff. Wolff/Bachof, V w R I I , § 76111c. — Im Bundesministerium der Verteidigung sind mehrere Abteilungen unter Hauptabteilungsleitern (für administrative Angelegenheiten und für Rüstung und der Generalinspekteur der Bundeswehr) zusammengefaßt. — Zur Ministerialverwaltung vgl. Kölble, D Ö V 1969, 25ff.; ders., in: Aktuelle Probleme der Ministerialorganisation, 1971, S. 171 ff.; Karehnke, D Ö V 1974, 46ff.; ders., D Ö V 1974, 115 ff. Vgl. das Organisationsschema des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft, unten Anlage 2.
Verwaltungsorganisation
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1112
stellen, sondern auch solche Verwaltungsstellen mit gewisser Selbständigkeit, die b l o ß beratende Funktionen zu erfüllen oder technische Dienste zu leisten h a b e n , wie ζ. B . die Bundesstelle für Außenhandelsinformation, der D e u t s c h e Wetterdienst in O f f e n b a c h , das Bundesinstitut für Bauforschung oder die Biologische Anstalt Helgoland. D i e genannten Verwaltungsstellen sind B e h ö r den des Bundes, unabhängig davon, o b sie als Bundesoberbehörde oder als unselbständige Anstalt gebildet s i n d 9 2 . Nicht-rechtsfähige Anstalten, wie ζ. B . öffentliche Schulen 9 3 , und E i g e n b e t r i e b e 9 4 sind ebenso B e h ö r d e n oder Teile davon, wie die Verwaltungsstellen rechtsfähiger Anstalten, sofern sie nur mit gewisser Selbständigkeit ausgestattet sind. Besitzt eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts keine von der Anstalt tatsächlich zu trennenden selbständigen Verwaltungsstellen, so ist gleichwohl juristisch zwischen der Anstalt als V e r waltungsträger und als B e h ö r d e zu unterscheiden 9 5 . T r o t z d e m gibt es n o c h Verwaltungsstellen, die keinen Behördencharakter besitzen u n d auch nicht Teil einer B e h ö r d e sind. Es handelt sich dabei vor allem u m Koordinationsgremien innerhalb eines Verwaltungsträgers oder um solche von mehreren Verwaltungsträgern. Beispiele bilden die interministeriellen Ausschüsse und Arbeitsgemeinschaften, die nicht bei einer bestimmten B e h ö r d e ressortieren. N i c h t dazu gehören Koordinationseinrichtungen innerhalb einer B e h ö r d e , wie ζ . B . die Abteilungsleiterkonferenz im Bundesministerium für Verteidigung, die T e i l dieser Behörde ist. Aus dem intraföderativen Bereich ist zum Beispiel die Geschäftsstelle des Wissenschaftsrats 9 6 zu nennen, während das Sekretariat der Kultusministerkonferenz eine B e h ö r d e des Landes Berlin i s t 9 7 . A u c h die mittelbare intraföderative Verwaltung kennt solche Stellen, wie etwa das Sekretariat der 92
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Für die Stellung der Bundesstelle für Außenhandelsinformation als Bundesoberbehörde : Kasulke, Die Bundesstelle für Außenhandelsinformation, 1971, S. 36. Wolff/Bachof, VwR II, § 101 IV a. Bei manchen kommunalen Eigenbetrieben und auch bei staatlichen Regiebetrieben kann es zweifelhaft sein, ob sie Behörden sind. Stellt man auf die nach kaufmännischen Grundsätzen strukturierte Unternehmensform ab, so könnte dies verneint werden. Betrachtet man aber die organisatorische Einbettung des Eigenbetriebes in die öffentliche Verwaltung, seine Aufgaben und seine innere Organisation, so spricht alles für die Qualifizierung als Behörde bzw. als Teil einer Behörde. Wenn der die Dienststelle definierende § 6 Abs. 1 BPersVertrG und die übereinstimmenden Regelungen der Personalvertretungsgesetze der Länder (z. B. § 7 Abs. 1 LPersVG Rheinland-Pfalz, vgl. auch § 77 Abs. 1 und 3) die Betriebe von den Behörden und den Verwaltungsstellen abheben, so hat das spezifisch personalvertretungsrechdiche Gründe. Mitbestimmung nach Personalvertretungsrecht ist wie nach Betriebsverfassungsrecht auch betriebliche Mitbestimmung. Es kommt also nicht auf die organisationsrechdichen Strukturen an. Wolff/Bachof; VwR II, § 98 II 4: „Wegen ihrer Rechtsfähigkeit sind sie nicht Behörden, sondern haben sie Behörden." Art. 8 des Verwaltungsabkommens über die Errichtung eines Wissenschaftsrates vom 5. 9. 1957 (GMBl. 1957, S. 353). Abkommen über das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland vom 20. 6. 1959 (GVNW 1960, S. 32). 489
§56
IV 1
Walter Rudolf
Westdeutschen Rektorenkonferenz 9 8 . Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland besitzt dagegen keine eigenen Verwaltungsstellen, sondern Geschäftsführung und Vertretung der A R D obliegen einer geschäftsführenden Rundfunkanstalt 9 9 .
I V . Institutionelle Beziehungen in der Verwaltung U m eine wirksame öffentliche Verwaltung zu gewährleisten, ist es notwendig, die Beziehungen zwischen den Verwaltungsstellen so zu gestalten, daß Reibungsverluste möglichst niedrig gehalten werden. Angesichts des Umfangs der öffentlichen Verwaltungstätigkeit bedeutet das, daß die Arbeitsteilung zwischen den Verwaltungsstellen auf eine Art geregelt sein muß, daß einerseits alle anstehenden Verwaltungsaufgaben zur Erledigung an Verwaltungsstellen verteilt, andererseits keine Aufgaben mehreren Verwaltungsstellen gleichzeitig übertragen werden. Vor allem letzteres ist in Anbetracht der Komplexität der Lebensverhältnisse in der modernen Industriegesellschaft nicht immer zu erreichen.
1.
Zuständigkeit
Das Mittel, die Verwaltungsträger und Verwaltungsstellen an ihre Aufgaben zu binden, ist die Kompetenz, d. h. die Zuständigkeit, eine Aufgabe wahrzunehmen. Kompetenzen sind in dreifacher Hinsicht festzulegen: einmal zwischen den Verwaltungsträgern (Bund, Länder, Gemeinden, andere Körperschaften usw.), zweitens innerhalb der Verwaltungsträger für die einzelnen Verwaltungsstellen und schließlich innerhalb der Verwaltungsstellen für deren Teile und die einzelnen Amtswalter. Diese Festlegung muß sowohl in sachlicher als auch in räumlicher Beziehung geschehen. Ist die Zuständigkeit einmal festgelegt, ist der betreffende Verwaltungsträger bzw. die betreffende Verwaltungsstelle berechtigt und verpflichtet, sie zur Erledigung der Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Mit welchen Mitteln — notfalls Zwangsmitteln — das zu geschehen hat, bedarf einer den Kompetenzträger ermächtigenden Regelung. Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, daß eine Behörde, der eine Angelegenheit übertragen wird, auch ohne weiteres über die zur Erfüllung notwendigen Mittel verfügt 1 0 0 . Sachliche Zuständigkeit bedeutet die Berechtigung und Verpflichtung, bestimmte Aufgaben dem Gegenstande nach wahrnehmen zu dürfen. Ihrem Umfang nach kann die Zuständigkeit durch Aufzählung einzelner Kompetenzen oder engerer oder weiterer Kompetenzkomplexe oder durch Übertragung aller Verwaltungs98 99
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Fischer, Westdeutsche Rektorenkonferenz — Geschichte, Aufgaben, Gliederung, 1960. § 3 Abs. 1 der Satzung der ARD. Vgl. Brack, Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks und des Fernsehens in Deutschland, 1968, S. 23. Forsthoff, VwR, S. 451.
Verwaltungsorganisation
§ 5 6 IV 1
angelegenheiten in einem bestimmten Gebiet festgelegt werden. Eine solche Allzuständigkeit besteht ζ. B. für die Länder gemäß Art. 30 GG und für die Gemeinden gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Ansonsten gilt das Enumerationsprinzip. Die Bestimmung des Bezirks, in welchem die sachliche Zuständigkeit ausgeübt werden darf, nennt man die örtliche Zuständigkeit. Diese kann sich auf das gesamte Gebiet einer Gebietskörperschaft (Bundesgebiet, Landesgebiet, Gemeindegebiet) erstrecken, kann aber auch auf einen Teil dieses Gebietes begrenzt sein (Regierungsbezirk, Bezirk eines Postamts oder Finanzamts), was bei den meisten staatlichen Behörden die Regel ist 101 . Verwaltungsträger und Verwaltungsstellen sind an ihre rechtmäßig festgelegten Zuständigkeiten gebunden, d. h. sie sind berechtigt, aber auch verpflichtet, sie wahrzunehmen. Jede Verwaltungsbehörde hat deshalb von Amts wegen ihre Zuständigkeit zu prüfen 102 . Sie darf weder Zuständigkeiten anderer Behörden an sich ziehen noch Befugnisse auf andere Behörden delegieren. Das gilt grundsätzlich auch im Verhältnis der höheren zur nachgeordneten Behörde (instanzielle Zuständigkeit). Nur bei Gefahr im Verzuge darf die höhere Behörde die Zuständigkeit der nachgeordneten und im allgemeinen auch die nachgeordnete Behörde die der höheren Behörde wahrnehmen (Notzuständigkeit) oder eine Aufsichtsbehörde anstelle der beaufsichtigten handeln (Selbsteintrittsrecht) 103 . Eine höhere Verwaltungsbehörde darf den ihr nachgeordneten Verwaltungsstellen grundsätzlich generelle oder konkrete Weisungen erteilen, ohne damit in deren Zuständigkeit einzugreifen. Auf Grund einiger gesetzlicher Ausnahmen können bestimmte Verwaltungsträger ihre Zuständigkeit zu Lasten anderer ausweiten (KompetenzKompetenz), wie ζ. B. in einigen Bundesländern die Landkreise 104 und in Rheinland-Pfalz die Verbandsgemeinden 105 gegenüber den Gemeinden. Sind mehrere Behörden der Auffassung, daß sie zur Erfüllung einer Aufgabe zuständig seien, spricht man von einem positiven Kompetenzkonflikt; hält sich überhaupt keine Behörde für zuständig, so liegt ein negativer Kompetenzkonflikt vor. Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsstellen desselben Verwaltungsträgers können durch eine gemeinsame Aufsichtsbehörde entschieden werden. In besonderen Fällen von Organstreitigkeiten ist verwaltungsgerichtliche Entschei101
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Zur örtlichen Zuständigkeit vgl. § 3 VwVfG. Eine zeitliche Zuständigkeit neben sachlicher und örtlicher gibt es nicht, da bei zeitlichen Befristungen einer Zuständigkeit die sachliche Zuständigkeit auf die Dauer der Befristung begrenzt ist. Vgl. aber Wolff/Bachof, VwRII, §72 IIIc. Das gilt auch für die Zuständigkeit des einzelnen Amtwalters nach dem Organisationsplan der Behörde. Zum Ausschluß der Amtsführung wegen Beteiligt- oder Betroffenseins vgl. § 20 VwVfG sowie oben Badura, Das Verwaltungsverfahren, § 38 II, S. 282. Vgl. z. B. § 53 Abs. 1 und Abs. 2 PolG BW; § 6 Abs. 1 NWOBG; § 18 Abs. 1 PolG N W ; § 76 Abs. 3 PVG Rheinland-Pfalz. Wegen der örtlichen Zuständigkeit bei Gefahr im Verzug vgl. auch § 3 Abs. 4 VwVfG. Vgl. z. B. § 2 Abs. 1 LKO BW; § 2 Abs. 2 S. 1 LKO Rheinland-Pfalz. § 67 Abs. 3 S. 1 G O Rheinland-Pfalz. 491
§ 5 6
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dung möglich 106 . Ein Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsbehörden verschiedener Verwaltungsträger kann, falls vorhanden, von einer gemeinsamen Aufsichtsbehörde, sonst nur gerichtlich entschieden werden. Da Verwaltungsträger und ihre Behörden nur im Rahmen ihrer Zuständigkeit handeln dürfen, ist es grundsätzlich nicht zulässig, daß eine Verwaltungsbehörde in Kompetenzen einer anderen eingreift. Daraus folgt aber nicht, daß Verwaltungsbehörden bei der Ausübung von Fiskaltätigkeit von der Befolgung allgemeiner Rechtsnormen befreit wären. Gegenüber nicht-hoheitlich handelnden Verwaltungsbehörden kann von hoheitlich tätigen Behörden zur Durchsetzung der Rechtsordnung eingegriffen werden. So sind Verwaltungsträger insoweit auch polizeipflichtig107. Auch bei der Ausübung hoheitlicher Zuständigkeiten haben sich Verwaltungsbehörden an alle ressortfremden, örtlich geltenden allgemeinen Gesetze und Rechtsverordnungen zu halten 108 . Hoheitsträger können sogar einem Zulassungsverfahren unterworfen werden, wie ζ. B. in Baurechtssachen nach einigen Landesbauordnungen109. Darüber hinaus gibt es Fälle, wo Verwaltungsbehörden und deren Amtswalter Anordnungen ressortfremder Behörden — sogar fremder Verwaltungsträger — Folge zu leisten haben. So unterliegen ζ. B. Bundeswehr und Bundesgrenzschutz den Anordnungen der Verkehrspolizei110. Ebenso hat ein von der Bundesbahn transportierter Truppenverband die Anordnungen des Bahnpersonals zu befolgen. Ein Eingriff in die rechtmäßig ausgeübte Kompetenz eines Hoheitsträgers durch eine ressortfremde Verwaltungsbehörde ist darin jedoch nicht zu erblicken. Vielmehr handelt es sich darum, daß eine für ein bestimmtes Sachgebiet zuständige Behörde auch anderen Hoheitsträgern Anweisungen erteilen kann, wenn diese in ihrem Ressort (Straßenverkehr, Eisenbahntransport) in Erscheinung treten. Diese Regelung gilt ganz allgemein für das Verhältnis von Hoheitsträgern untereinander. Deshalb darf jede Polizeibehörde für die ihr anvertrauten Rechtsgüter im Rahmen ihrer Kompetenz und ihrer gesetzlichen Ermächtigung auch gegen andere Hoheitsträger einschreiten, sofern diese in der rechtmäßigen Ausübung der ihnen übertragenen öffentlichen Aufgaben nicht gehindert werden 111 , d. h. Ubergriffe und Eingriffe in die fremde Kompetenz unterbleiben112.
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110 111 112
492
Kisker, Insichprozeß und Einheit der Verwaltung, 1968, S. 15ff.; 38ff. Rudolf; Polizei gegen Hoheitsträger, 1965, S. 13f.; Wolff, VwR III, § 127 Id 5. BVerwGE 29, 52, 57f.; Rudolf (Fn. 107) S. 15ff.; Scholz, DVB1. 1968, 737; Wolff, VwR III, § 127 I d 5 , mit weiteren Nachweisen. Ζ. Β. ξ 97 Abs. 1 NWBauO, § 115 Abs. 1 LBauO Rheinland-Pfalz. Noch weitergehend: § 107 Abs. 1 und 2 BWBauO. Sonderrechte gem. § 35 StVO. Rudolf (Fn. 107) S. 32. BVerwGE 29, 52, 59. Vgl. auch Reichl, DÖV 1967, 398; Scholz, DVB1. 1968, 738; Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, 1971, S. 105 ff. (mit Differenzierung, ob es sich um Maßnahmen gegen Behörden des eigenen oder eines anderen Verwaltungsträgers handelt).
Verwaltungsorganisation
§ 5 6 IV 2
Nach herrschender Auffassung hat eine Verwaltungsbehörde kein subjektives Recht auf Kompetenz 1 1 3 . Neuerdings wird aber von einigen Autoren ausnahmsweise dann, wenn eine Verwaltungsstelle besondere Interessen geltend zu machen hat (Kontrastorgan), ihr ein Recht attestiert, einen Kompetenzstreit mit anderen Organen auszutragen 1 1 4 . Es gäbe nämlich „zwischen der bloß dienenden Kompetenz und dem rein partikularinteressennützigen subjektiven Recht offenbar vielerlei Zwischenstufen, die bislang noch nicht hinreichend und rechtssystematisch erfaßt worden sind" 1 1 5 .
2. Beziehungen
innerhalb
eines
Verwaltungsträgers
Innerhalb der Verwaltungsorganisation eines Verwaltungsträgers sind die einzelnen Verwaltungsstellen einander hierarchisch zugeordnet. Es besteht ein Überordnungsverhältnis höherer Verwaltungsbehörden über nachgeordnete Mittel- und Unterbehörden.
Beispiel:
Zentralstufe:
BUNDESANSTALT
FÜR
Mittelstufe:
LANDESARBEITSAMT
Untere Stufe:
ARBEITSAMT
ARBEIT
Das hierarchische System gilt jedoch nur innerhalb jeweils eines Zweiges der Verwaltung. Keine hierarchischen Beziehungen bestehen ζ. B. zwischen dem Kultusministerium als Behörde der Zentralstufe und dem Finanzamt als Behörde der unteren Stufe, weil das Finanzamt nicht dem Kultusministerium, sondern dem Finanzministerium zugeordnet ist. In der Zentralstufe sind die Behörden grundsätzlich gleichgeordnet. Dies gilt vor allem für die Ministerien. Meinungsverschiedenheiten zwischen Ministerien sind entweder durch Vermittlung eines interministeriellen Ausschusses, durch Kabinettsbeschluß oder, wenn dies verfassungsrechtlich zulässig ist, durch Entscheidung des Regierungschefs zu bereinigen. Dem
113 114
115
Vgl. etwa Rupp (Fn. 15) S. 99f.; Forsthoff, VwR, S. 452. Kisker (Fn. 106) S. 38; Wolff/Bachof, VwR II, § 74 If 1. Nach der von einzelnen Autoren vertretenen Lehre von den „Organpersonen" wurden Befugnisse auch früher schon als subjektive Rechte qualifiziert. Vgl. etwa Preuss, Schmollers Jahrb. 26 (1902), 590; Goessl, Organstreitigkeiten innerhalb des Bundes, 1961, S. 54ff.; Bethge, DV 1975, 459ff. Kisker (Fn. 106) S. 58. 493
Walter Rudolf
§ 5 6 IV 2
Regierungschef und seinem Apparat obliegt die Koordination der Regierung und damit auch der Ministerien sowie die Prioritätensetzung 1 1 6 . Jede Verwaltung kann den ihr nachgeordneten Verwaltungsstellen sowohl generelle als auch in einer konkreten Angelegenheit spezielle Anordnungen erteilen. Damit verbunden ist die Befugnis, die nachgeordneten Behörden zu beaufsichtigen 1 1 7 . Mit der Fachaufsicht können Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit von Entscheidungen nachgeordneter Behörden überprüft werden. Zu unterscheiden ist davon die Dienstaufsicht, die eine allgemeine Behördenaufsicht über nachgeordnete Verwaltungsstellen desselben Ressorts darstellt und im wesentlichen Personalaufsicht ist. So steht die Dienstaufsicht über den Regierungspräsidenten dem Innenminister zu, während sich die Fachaufsicht jeweils nach den vom Regierungspräsidenten zu erledigenden Angelegenheiten richtet, so daß ζ. B . in Polizeiangelegenheiten der Innenminister, in Verkehrssachen der Verkehrsminister und in Schulangelegenheiten der Kultusminister die Fachaufsicht ausübt. Die Verwaltung eines Verwaltungsträgers kann konzentriert oder dekonzentriert organisiert sein. Von Konzentration der Verwaltung spricht man, wenn möglichst viele Zuständigkeiten bei einer Verwaltungsbehörde zusammengefaßt sind. Mit Dekonzentration wird die Verteilung von Kompetenzen auf mehrere Verwaltungsbehörden bezeichnet. Konzentration bzw. Dekonzentration ist sowohl vertikal als auch horizontal möglich. Vertikale Konzentration bedeutet eine Zusammenfassung von Kompetenzen in zentralen Verwaltungseinrichtungen, während bei der vertikalen Dekonzentration die Kompetenzen bei Mittel- und Unterbehörden angesiedelt werden. Beispiel: Vertikale Konzentration (Kompetenzverlagerung nach oben)
OBERBEHÖRDE
Vertikale Dekonzentration
MITTELBEHÖRDE UNTERBEHÖRDE
(Kompetenzverlagerung ψ
nach unten)
Für eine vertikale Konzentration von Verwaltungsaufgaben, also eine Kompetenzverlagerung nach oben, sprechen leichtere Durchsetzbarkeit des politischen Willens der Zentrale, Gleichmäßigkeit des Verwaltungsvollzuges und bessere sachliche Arbeitsteilung. Nachteile einer vertikalen Konzentration sind die Gefahr der Uberdimensionierung der Oberbehörde, womit Reibungsverluste durch Koordinationserfordernisse innerhalb der Behörde entstehen, und Ortsferne der Ver116 Vgl. die Beiträge bei Siedentopf (Hrsg.), Regierungspolitik und Koordination, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 57, 1976, insbesondere Schnur, ebenda S. 59 ff., und Lepper, ebenda S. 433 ff. 1 , 7 Zur Aufsicht vgl. Giere, in: Morstein Marx (Hrsg.), Verwaltung, 1965, S. 315ff. 494
§ 5 6 IV 2
Verwaltungsorganisation
waltung. Ob eine Verwaltung besser vertikal konzentriert oder dekonzentriert zu organisieren ist, läßt sich nicht generell beantworten, sondern hängt von den jeweiligen Verwaltungsaufgaben und anderen Umständen ab. Bei der horizontalen Konzentration handelt es sich um die Zusammenfassung von Kompetenzen bei einer Behörde in einem bestimmten Bezirk. Werden für einen Verwaltungsbezirk die Kompetenzen auf mehrere Behörden aufgeteilt, spricht man von horizontaler Dekonzentration. Eine (relative) Konzentration existiert gegenwärtig für die Mittelbehörden der allgemeinen inneren Verwaltung (Bezirksregierungen, Regierungspräsidenten). Beispiel einer horizontalen Dekonzentration und einer horizontalen Konzentration in der OBERBEHÖRDE
in der Zentral- und Mittelinstanz:
OBERBEHÖRDE
Unterinstanz
OBERBEHÖRDE
MITTELBEHÖRDE UNTERBEHÖRDE
UNTERBEHÖRDE
UNTERBEHÖRDE
Für eine horizontale Konzentration spricht die für den Bürger überschaubare Einheit der Verwaltung in einem Bezirk. Der mögliche Nachteil ist auch hier die Überdimensionierung der Behörde 118 . Ein mit der Dekonzentration zusammenhängendes organisatorisches Problem ist das der richtigen Größe von Verwaltungsbezirken und ihrer Abgrenzung voneinander 119 . Der gegenwärtig zu beobachtende Hang zur Vergrößerung von Verwaltungsbezirken birgt durchaus auch Gefahren. Je größer ein Verwaltungsbezirk ist, desto größer ist der Grad der Bürokratisierung seiner Verwaltung. Werden bei der Abgrenzung von Verwaltungsbezirken nur wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt, die historische Entwicklung und besondere geographische Umstände aber völlig außer acht gelassen, ist in der Regel mit einem Nachlassen der Verwaltungsleistung zu rechnen. Eine schematische Beurteilung ist bei der Festlegung der Größe von Verwaltungsbezirken deshalb grundsätzlich fehl am Platze 120 . Das gilt auch für die Vereinheitlichung von Verwaltungsgrenzen. 118
119 120
Zur Konzentration und Dekonzentration vgl. Bericht der Sachverständigen-Kommission für die Vereinfachung der Verwaltung beim Bundesminister des Inneren, 1960, S. 30ff. ; Meyer (Fn. 79) S. 223ff.; Uhtitz, in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, 1967, S. 248ff. Zur Entwicklung, Gestaltung und Durchsetzung von Regierungspolitik und den Einrichtungen und Verfahren der Koordination vgl. Siedentopf (Fn. 116). Dazu: Thieme (Fn. 78) Rdnr. 497ff., und das ebenda genannte Schrifttum. Das gilt auch für den Gesichtspunkt der administrativen Leistungsfähigkeit bei der Neugliederung der Länder gemäß Art. 29 Abs. 1 G G . Einige der von der Sachverständigen 495
Walter Rudolf
§ 5 6 IV 3
Zwar ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn sich der räumliche Kompetenzbereich der verschiedenen Behörden deckt, also mit dem räumlichen Kompetenzbereich der Behörden der allgemeinen inneren Verwaltung zusammenfällt, doch kann es aus unterschiedlichen Gründen notwendig sein, Verwaltungsbezirke für einzelne Behörden anders abzugrenzen121. 3. Beziehungen
zwischen verschiedenen
Verwaltungsträgern
Werden Verwaltungskompetenzen vom Staat auf selbständige Verwaltungsträger übertragen, spricht man von Dezentralisation. Je mehr Kompetenzen der unmittelbaren Staatsverwaltung gegeben werden, desto stärker ist ein Staat zentralisiert. Die Verwaltung der Bundesrepublik zeichnet sich durch einen hohen Grad von Dezentralisation aus, wofür vor allem die in Art. 28 Abs. 2 GG vorgeschriebene kommunale Selbstverwaltung ursächlich ist. Dazu kommt noch die Dezentralisation infolge der Teilung der Staatsgewalt zwischen Bund und Ländern 122 . Dezentralisierte Verwaltung wird dadurch gekennzeichnet, daß grundsätzlich kein hierarchisches Verhältnis zwischen staatlichen Behörden einerseits und Behörden von selbständigen Verwaltungsträgern andererseits besteht. Das gilt auch für das Verhältnis von Bundes- und Landesbehörden zueinander. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht dann, wenn es sich um teilrechtsfähige Gebilde handelt, die administrativ mit der staatlichen Verwaltung verzahnt sind, etwa im Falle der Organleihe. Auch unterliegen die von der öffentlichen Verwaltung geschaffenen juristischen Personen des Privatrechts der Disposition der zuständigen Verwaltungsbehörde im Rahmen ihrer Kompetenz. Schließlich besteht ein Weisungsrecht des Staates gegenüber Verwaltungsträgern der mittelbaren Staatsverwaltung, wenn diese durch ihre Einrichtungen Aufgaben des Staates im Auftrag oder auf Weisung ausführen. Wird eine Angelegenheit von einer Verwaltungseinrichtung eines Verwaltungsträgers der mittelbaren Staatsverwaltung im Auftrag oder auf Weisung des Staates administriert, übt die zuständige Aufsichtsbehörde des Staates insoweit FachaufKommission für die Neugliederung des Bundesgebietes aufgestellten Kriterien für Funktionsgrößen (Bericht der Sachverständigen-Kommission für die Neugliederung des Bundesgebietes, Vorschläge zur Neugliederung, 1973, S. 82ff.) lassen erkennen, daß die meisten Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen nicht den Anforderungen genügen würden, die an ein Bundesland zu stellen sind. Vgl. dazu die kritischen Bemerkungen in den Beiträgen zur Neugliederung in D Ö V 1974, Iff. 121 122
496
Beispiel: Bezirk eines Postamts. D a z u : Zur Struktur der deutschen Verwaltung - Föderalismus und Probleme der Zentralisation und Dezentralisation, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 33, 1966. Vgl. allgemein F. Wagener (Hrsg.), Verselbständigung von Verwaltungsträgern, Schriften der Deutschen Sektion des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften, Bd. 1, 1 9 7 6 ; zum Abbau politischer Konfliktüberlastung durch Dezentralisierung: Kisker, ebenda S. 73 ff.
§57 I
Verwaltungsorganisation
sieht aus. Ein Weisungsrecht besteht auch im Falle der Bundesauftragsverwaltung der Länder gemäß Art. 85 G G . Weisungsbefugt sind jedoch nur die zuständigen obersten Bundesbehörden und Weisungsempfänger in der Regel nur die obersten Landesbehörden 123 . Handelt es sich um Selbstverwaltungsaufgaben, so ist grundsätzlich nur Rechtsaufsicht des Staates möglich, d. h. Aufsicht über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns des beaufsichtigten Verwaltungsträgers 124 . Beaufsichtigungsobjekt sind nicht etwa die Verwaltungsbehörden, geschweige denn die einzelnen Amtswalter des selbständigen Verwaltungsträgers, sondern dieser selbst. Von dem Selbstverwaltungsträger entliehene Staatsorgane können aber vom Staate hierarchisch geleitet werden, wie ζ. B. der an die Kommunalverwaltung entliehene Landrat bzw. Oberkreisdirektor 125 . Freilich kann eine weitergehende Aufsicht dann zulässig sein, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, was hinsichtlich der Finanzgebarung nicht selten der Fall ist. So unterstehen ζ. B. die Studentenwerke in Rheinland-Pfalz als Anstalten des öffentlichen Rechts der Aufsicht des Ministers für Unterricht und Kultus, die sich nicht nur auf die Rechtmäßigkeit, sondern auch auf die Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit erstreckt 126 . Alle Behörden des Bundes und der Länder einschließlich derjenigen der mittelbaren Staatsverwaltung haben sich gegenseitig Amtshilfe zu leisten (Art. 35 Abs. 1 GG) 1 2 7 . § 57
Uberblick über die Verwaltungsorganisation in Bund, Ländern und Gemeinden I. Bundesverwaltung Die Bundesverwaltung ist auf Grund der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern verhältnismäßig stark vertikal konzentriert. Es gibt recht viele Bundesbehörden auf der Zentralstufe, aber nur verhältnismäßig wenige auf der Mittel- und Unterstufe. Neben der unmittelbaren Bundesverwaltung gibt es eine ziemlich stark ausgebaute mittelbare Verwaltung des Bundes durch Körperschaften und Anstalten des öffendichen Rechts 1 . 123 124
125
126 127 1
Dazu: Schäfer, D Ö V 1960, 641 ff.; sowie die Kommentarliteratur zu Art. 85 G G . Dazu: Salzwedel, Staatsaufsicht in der Verwaltung, W D S t R L 22 (1965), 206ff. - Zur Aufsicht der Landesverwaltung durch den Bund vgl. Frowein, Die selbständige Bundesaufsicht nach dem Grundgesetz, 1961; sowie die Kommentarliteratur zu Art. 84 G G . Baumann, Die allgemeine untere staatliche Verwaltungsbehörde im Landkreis, 1967, S. 35ff.; Weber, Der Staat in der unteren Verwaltungsinstanz, 1964, S. 13ff. § 80 Abs. 1 HochSchG Rheinland-Pfalz. Vgl. § 4 VwVfG sowie oben Badura, Das Verwaltungsverfahren, § 40 IV, S. 299. Das Gesetz spricht von bundesunmittelbaren Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. Vgl. § 87 Abs. 2 und 3 S. 1 G G . 497
32
Allgemeines Verwaltungsrecht
§57 I 1
Walter Rudolf
1. Unmittelbare
Bundesverwaltung
Im Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung wird auf der Zentralstufe zwischen obersten Bundesbehörden und Bundesoberbehörden unterschieden. Letzteren sind die nicht-rechtsfähigen Bundesanstalten gleichgestellt, da sie unmittelbar einem Bundesminister nachgeordnet sind. Oberste Bundesbehörden sind diejenigen, denen Verfassungsrang zukommt. Neben ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag nach dem Grundgesetz haben sie Verwaltungsaufgaben zu erfüllen und können, wie manche Bundesministerien, sogar an der Spitze einer stark ausgebauten Verwaltungshierarchie von nachgeordneten Behörden stehen. Oberste Bundesbehörden sind der Bundespräsident mit dem Bundespräsidialamt, das Präsidium des Bundestags mit der Bundestagsverwaltung2, der Bundesrat3, der Bundeskanzler mit dem Bundeskanzleramt, die Bundesministerien, das Bundesverfassungsgericht4, der Bundesrechnungshof5 und die Bundesbank. Die Zahl der Bundesministerien und die Abgrenzung ihrer Zuständigkeiten wird durch Organisationserlaß des Bundeskanzlers bestimmt. Werden Geschäftsbereiche von Bundesministern neu abgegrenzt, so gehen die in Gesetzen und Rechtsverordnungen einem Bundesminister zugewiesenen Zuständigkeiten auf den nach der Neuabgrenzung zuständigen Bundesminister über6. Derzeit bestehen 16 Bundesministerien, nämlich Auswärtiges Amt, BM des Inneren, BM der Justiz, BM der Finanzen, BM für Wirtschaft, BM für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, BM für Arbeit und Sozialordnung, BM für Verkehr, BM für das Post- und Fernmeldewesen, BM der Verteidigung, BM für Jugend, Familie und Gesundheit, BM für wirtschaftliche Zusammenarbeit, BM für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, BM für innerdeutsche Beziehungen, BM für Forschung und Technologie und BM für Bildung und Wissenschaft. Bundesoberbehörden sind Verwaltungsstellen, die aus den Ministerien ausgegliedert und als selbstständige Behörden eingerichtet sind. Sie haben keinen Verwaltungsunterbau, können aber unselbständige detachierte Außenstellen einrichten. Bundesoberbehörden von der Größe eines großen oder mittleren Bundesministeriums sind das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, das Statistische 2
3
4
5
6
498
Die Bundestagsverwaltung wird vom Präsidium des Bundestages, insbesondere vom Präsidenten des Bundestages geleitet. Oberster Verwaltungsbeamter ist der Direktor des Bundestages. Die Verwaltung wird vom Präsidenten des Bundesrats geleitet. Oberster Verwaltungsbeamter ist der Direktor des Bundesrats. Die Verwaltung des Bundesverfassungsgerichts wird von dessen Präsidenten geleitet. Oberster Beamter ist der Direktor beim Bundesverfassungsgericht, dem der Wissenschaftliche Hilfsdienst und die allgemeine Verwaltung unterstehen. Reger, Verwaltung und Rechnungshof, BayVBl. 1963, 329ff.; Bachmann, Der Bundesrechnungshof, 1967. Der Bundeskanzler weist auf die Zuständigkeitsänderung und den Zeitpunkt des Ubergangs im Bundesgesetzblatt hin. § 5 6 ZuständigkeitsanpassungsG vom 1 8 . 3 . 1 9 7 5 (BGBl. I S. 705).
Verwaltungsorganisation
§57
I1
Bundesamt (in Wiesbaden), das Bundeskriminalamt (in Wiesbaden), das Bundesverwaltungsamt (in Köln), das Deutsche Patentamt (in München), das KraftfahrtBundesamt (in Flensburg), der Deutsche Wetterdienst (in Offenbach), das Bundesgesundheitsamt (in Berlin) und das Bundesamt für zivilen Bevölkerungsschutz (in Köln). Kleinere Bundesoberbehörden sind ζ. B. das Umweltbundesamt und das Bundeskartellamt (beide in Berlin). Nicht-rechtsfähige Bundesanstalten, die einem Bundesministerium unmittelbar nachgeordnet sind, sind ebenfalls zentrale Verwaltungsbehörden der unmittelbaren Bundesverwaltung. Von ihnen entspricht die Physikalisch-Technische Bundesanstalt ihrer Größe nach einem großen, die Bundesanstalt für Materialprüfung einem mittleren Bundesministerium. Die dem Bundesminister für Verkehr nachgeordnete Bundesanstalt für Flugsicherung übertrifft an Personal sogar jedes Bundesministerium. Kleinere nachgeordnete Anstalten sind etwa die Deutschen Historischen Institute in Rom und Paris und das Kunsthistorische Institut in Florenz, die sämtlich dem Bundesminister für Forschung und Technologie nachgeordnet sind. Einen eigenen Verwaltungsunterbau besitzt der Bund gemäß Art. 87 Abs. 1 G G nur für den Auswärtigen Dienst, für die Bundesfinanzverwaltung, die Bundeswasserstraßen- und Schiffahrtsverwaltung, die Bundespost, die Bundesbahn und für den Bundesgrenzschutz. Dem Auswärtigen Amt nachgeordnet sind die Vertretungen des Bundes im Ausland (Botschaften, Gesandtschaften, Generalkonsulate, Konsulate) 7 und das Deutsche Archäologische Institut in Berlin 8 . Dem Bundesminister der Finanzen nachgeordnet sind 15 Oberfinanzdirektionen als Mittelbehörden. Sie sind gleichzeitig auch Behörden der Länder. Der Leiter einer Oberfinanzdirektion (Oberfinanzpräsident) ist sowohl Bundes- als auch Landesbeamter 9 , während die Abteilungen entweder Teil der Bundesbehörde oder Teil der Landesbehörde Oberfinanzdirektion sind. Unterbehörden der Finanzverwaltung des Bundes sind vor allem die Hauptzollämter, Zollfahndungsämter, Bundesvermögensämter und die Bundesforstämter 10 . Die Bundeswasserstraßenverwaltung untersteht dem Bundesminister für Verkehr und gliedert sich in Wassser- und Schiffahrtsdirektionen als Mittelbehörden und Wasserstraßenämter als untere Behörden. Außerdem besitzt der Bund Verwaltungen mit Verwaltungsunterbau für die Streitkräfte (Art. 87a G G ) und für die Bundeswehrverwaltung (Art. 87b G G ) 1 1 . Diese ist dem Bundesminister für Verteidigung nachgeordnet und gliedert sich territorial in 6 Wehrbereichsverwaltungen als Mittelbehörden und ihnen nachgeordnete untere Behörden, darunter die Standortverwaltungen 12 . Der wehrtech7 8
9 10 11 12
Ihre Leiter sind außerdem Organe des völkerrechtlichen Verkehrs. Dieses ist dekonzentriert in die Römisch-Germanische Kommission Frankfurt, die Kommission für alte Geschichte und Epigraphik München und die Abteilungen Rom, Athen, Istanbul, Madrid, Kairo, Bagdad und Teheran. § 5 FinVwG. Dem Bund gehören 23 Forsten unter der Verwaltung je eines Bundesforstamtes. Dazu Rauschning, in: I. v. Münch, Bes. VwR, S. 239ff. Vgl. Rauschning (Fn. 11) S. 239ff.
499 32*
§57
I1
Walter Rudolf
nische Bereich und die Streitkräfte besitzen eine eigene Verwaltungsorganisation13. Eine Bundesoberbehörde mit eigenem Verwaltungsunterbau, aber ohne Mittelbehörden ist das Bundeswehrverwaltungsamt, das eigene Bundeswehrverwaltungsstellen im Ausland als selbständige untere Verwaltungsbehörden hat. Eine gewisse Sonderstellung innerhalb der Organisation der Bundesverwaltung nimmt die Deutsche Bundespost ein. Es handelt sich bei ihr um keine öffentlichrechtliche Anstalt 14 , sondern um einen Zweig der unmittelbaren Bundesverwaltung, der vom Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen unter Beteiligung eines aus 24 Mitgliedern zusammengesetzten Verwaltungsrats15 geleitet wird. Das Personal der Bundespost besteht aus Bediensteten des Bundes. Im Rechtsverkehr kann die Bundespost unter ihrem Namen handeln, klagen und verklagt werden16. Das dem Post- und Fernmeldewesen gewidmete und bei seiner Verwaltung erworbene Bundesvermögen wird als Sondervermögen mit eigener Haushalts- und Rechnungsführung verwaltet. Es dient lediglich der Fungibilität der Bundespost zur Steigerung ihrer Effektivität17. Die Bundespost besitzt einen umfangreichen Verwaltungsunterbau mit Behörden der Mittelstufe (ζ. B. Oberpostdirektionen) und unteren Behörden (ζ. B. Postämter). Die Deutsche Bundesbahn unterscheidet sich von der Bundespost dadurch, daß sie nicht unter Leitung eines Bundesministers steht, sondern nur vom Bundesminister für Verkehr beaufsichtigt wird. Leitungsorgan der Bundesbahn ist der Vorstand, der von einem 20-köpfigen Verwaltungsrat unterstützt wird 18 . Ihrer Rechtsform nach ist die Bundesbahn ein von der Bundesrepublik verwaltetes Sondervermögen mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung19. Sie besitzt Rechtsfähigkeit im privaten Rechtsverkehr20 und wird deshalb als teilrechtsfähige Anstalt qualifiziert 21 . Gegliedert ist sie in Mittelbehörden (ζ. B. Bundesbahndirektionen) und Behörden der Unterstufe (ζ. B. Bahnbetriebsämter). Dem Bundesgrenzschutz, der dem Bundesminister des Inneren untersteht22, obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes, soweit nicht die badenwürttembergische Landespolizei, die bayerische Grenzpolizei und die bremische oder hamburgische Wasserschutzpolizei in ihrem Zuständigkeitsbereich diese Aufgabe wahrnehmen23. Die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs (ζ. B. Paßnachschau) wird jedoch an den meisten Grenzübergängen von den Zu der Verwaltung der Streitkräfte vgl. Rauschning (Fn. 11) S. 236 ff. Kämmerer, DVBl. 1966, 399f.; Wolff/Bachof, VwR II, § 98 I b 4. 15 Zusammensetzung: § 5 PostVG. Aufgaben: § 12 PostVG. 1 6 § 4 PostVG. 17 Kämmerer, DVBl. 1966, 400. 18 Zum Vorstand vgl. §§ 8 f. BBahnG; zum Verwaltungsrat : §§ 10 ff. BBahnG. 1 9 § 1 BBahnG. 2 0 § 2 Abs. 1 BBahnG. 2 1 So von Wolff/Bachof, VwR II, § 98 II b 2. Vgl. auch Fromm, BB 1966, 297ff. 2 2 § 42 Abs. 1 BGSG. Zum Bundesgrenzschutz vgl. Drews/Wacke/Vogel, Gefahrenabwehr, S. 28 ff. " § 1 Nr. 1 und § 63 BGSG. Vgl. Wehrl, Die Polizei, 1962, S. 21. 13 14
500
§57
Verwaltungsorganisation
12
Zollbehörden durchgeführt24. Weitere Aufgaben sind dem Bundesgrenzschutz durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes übertragen. Bundesgrenzschutzbehörden sind als Mittelbehörden ζ. B. die Grenzschutzkommandos und als Unterbehörden die Grenzschutzämter25. 2. Bundesmittelbare
Verwaltung
Als bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts sind vor allem diejenigen sozialen Versicherungsträger zu führen, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (Art. 87 Abs. 2 GG). An erster Stelle ist hier die Bundesanstalt für Arbeit26 (in Nürnberg) zu nennen, die einen eigenen Verwaltungsunterbau mit Landesarbeitsämtern in der Mittelstufe und Arbeitsämtern als untere Verwaltungsbehörden besitzt. Der Versicherungsträger der Bergleute, die Bundesknappschaft (in Bochum), wird als Körperschaft des öffentlichen Rechts geführt27. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (in Berlin) und die Berufsgenossenschaften haben die Rechtsform von Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Landes Versicherungsanstalten sind demgegenüber Verwaltungsträger der Länder mit Ausnahme der länderübergreifenden Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen, die zur bundesmittelbaren Verwaltung gehört. Außerdem hat der Bund bundesunmittelbare Anstalten des öffentlichen Rechts gemäß Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG als Träger mittelbarer Bundesverwaltung errichtet. Unter ihnen nehmen die Rundfunkanstalten des Bundes wegen ihrer weitreichenden Selbstverwaltung eine besondere Stellung ein. Bundesrundfunkanstalten sind die für den Auslandsdienst zuständige „Deutsche Welle" und der „Deutschlandfunk" 2 8 . Die gemäß Art. 88 GG errichtete Bundesbank ist als juristische Person des öffentlichen Rechts 29 ebenfalls Teil der mittelbaren Bundesverwaltung30. Im Gegensatz zu allen übrigen durch die Ministerverantwortlichkeit unmittelbar oder mittelbar parlamentarischer Kontrolle unterworfenen Verwaltungseinrichtungen 24 25 26
§ 62 B G S G . § 43 Abs. 1 BGSG. Dazu Wertenbruch, in: /. v. Münch,
§ loo ι.
27 28
29 30
Bes. VwR, S. 362f.; Wolff/Bachof
VwR II,
Wolff/Bachof, VwR II, § 96 II zu b. Lerche, Zum Kompetenzbereich des Deutschlandfunks, 1963; Herrmann, AöR 90 (1965), 293f.; Leisner, öffendichkeitsarbeit der Regierung im Rechtsstaat, 1966, S. 108 ff. ; Brack, Organisation und wirtschaftliche Grundlagen des Hörfunks und des Fernsehens in Deutschland, 1968, S. 17; Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und die Finanzautonomie des Deutschlandfunks, 1969, S. 3 ff. § 2 Satz 1 BBankG. Zur Organisation der Bundesbank vgl. Seeck/Steffens, Die Deutsche Bundesbank, 2. Aufl. 1972; Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 1969, S. 114f.
501
§57
Walter Rudolf
II 1
des Bundes besitzt die Bundesbank einen parlaments- und regierungsfreien, unkontrollierten, autonomen Verwaltungsbereich 31 . Einen Verwaltungsunterbau aus selbständigen Behörden hat die Bundesbank nicht 32 . Die Landeszentralbanken sind Abteilungen der Bundesbank, und auch die Hauptstellen und weitere Untergliederungen sind deren unselbständige Teile.
II. Landesverwaltung Auch in den Ländern ist zwischen unmittelbarer und mittelbarer Staatsverwaltung zu trennen. Hier spielt die mittelbare Staatsverwaltung wegen der kommunalen Selbstverwaltung eine besonders große Rolle. Keine Trennung von staatlicher und gemeindlicher Verwaltung gibt es in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg, ausgenommen die Kommunalverwaltung der bremischen Stadt Bremerhaven 33 . Die Verwaltungsorganisation der Stadtstaaten ist in ihren Grundzügen bereits durch deren Verfassungen detaillierter geregelt. Der Stadtstaatcharakter bedingt, daß zu der Verwaltungsorganisation der übrigen Länder erhebliche Unterschiede bestehen.
1. Unmittelbare
Landesverwaltung
Ebenso wie im Bund, ist auch auf der Zentralstufe der Landesverwaltung zwischen obersten Landesbehörden und Landesoberbehörden zu unterscheiden. Oberste Landesbehörden sind die Landesregierung (in Bayern: Staatsregierung), der Ministerpräsident mit der Staatskanzlei (in Baden-Württemberg : Staatsministerium) 34 , die Ministerien, der Landtagspräsident, der Landesrechnungshof und in Hessen zusätzlich das Landespersonalamt. Oberbehörden spielen in den Ländern nicht die Rolle wie im Bunde. Solche Landesoberbehörden sind etwa die
31
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34
502
Uhlenbrock, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, 1968; Brohm (Fn. 30) S. 114ff. ; Dahlgrün, in: Demokratie und Verwaltung, 1972, S. 323 ff. Der Behördencharakter des Unterbaus der Bundesbank wird vom Bundesverfassungsgericht offengelassen. Das Bundesverfassungsgericht hat nur festgestellt, daß die Bundesbank mit Mittel- und Unterbehörden errichtet werden konnte (vgl. BVerfGE 14, 197, 215).
Wolff/Bachof, VwR II, § 83 II, § 87 IV c. Zu den Stadtstaaten vgl. Thieme, Verwaltungslehre, 3. Aufl. 1977, Rdnr. 493ff.; Wolff/Bachof, VwR II, § 83 II. Zu Berlin: Püttner, D Ö V 1969, 829ff. ; zu Hamburg: H. P. Ipsen, Hamburgs Verfassung und Verwaltung, 1956, S. 337ff. Vgl. die Beiträge in: Die Staatskanzlei: Aufgaben, Organisation und Arbeitsweise auf vergleichender Grundlage, Schriftenreihe der Hochschule Speyer Bd. 34, 1967.
Verwaltungsorganisation
§ 57 II 1
Statistischen Landesämter, die Landeskriminalämter und die Landesversicherungsanstalten 35 . Auf der Mittel- und Unterstufe bestehen zwischen den einzelnen Ländern Unterschiede in der Verwaltungsorganisation. In Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gibt es einen dreistufigen Behördenaufbau, während im Saarland 36 und in Schleswig-Holstein 37 die Mittelstufe fehlt. Die Landesbehörden der Mittelstufe haben vor allem die Aufgabe, die zentralen Behörden zu entlasten und die nachgeordneten Behörden zu koordinieren, sowie die Aufsicht über nachgeordnete Behörden und Selbstverwaltungsträger auszuüben. Für die Mittelstufe besteht weitgehend der Grundsatz der Einheit der Verwaltung, d. h. eine horizontale Konzentration bei der Verwaltungsbehörde des Regierungsbezirkes. Die Regierungsbezirke sind in den einzelnen Ländern nach Bevölkerungszahl und Fläche nicht mehr ganz so unterschiedlich wie vor der Gebietsreform. BadenWürttemberg36 gliedert sich in 4 Regierungsbezirke (Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg und Tübingen) 3 9 . Bayern40 ist in 7 Regierungsbezirke (Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz, Oberfranken, Mittelfranken, Unterfranken und Schwaben) eingeteilt. In Hessen41 gibt es 2 Regierungsbezirke (Darmstadt und Kassel), deren Aufhebung erörtert wird. Aufsichtsbehörde der Städte Frankfurt und Wiesbaden ist nicht der Regierungspräsident in Darmstadt, sondern der Minister des Inneren 4 2 .
35
36
Für Nordrhein-Westfalen vgl. das Schema über den Aufbau der Landesbehörden, unten Anlage 3. Vgl. Gesetz N r . 883 über die Organisation der Landesverwaltung (Landesorganisationsgesetz) i. d. F . vom 2. 7. 1969 (ABl. S. 445), zuletzt geändert am 6. 7. 1976 (ABl. S. 702). Vgl. auch W. Thieme, DVBl. 1958, 261 ff.; Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung i. d. F. vom 13. 7. 1950 (ABl. S. 796), zuletzt geändert am 27. 3. 1974 (ABl. S. 430).
37
Vgl. Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz) i. d. F . vom 18. 4. 1967 (GVOB1. S. 131), zuletzt geändert am 9. 12. 1974 (GVOB1. S. 453).
38
Vgl. LandesverwaltungsG i. d. F . vom 1. 4. 1976 (GBl. S. 325). Gem. § 2 5 KreisreformG vom 2 6 . 7 . 1 9 7 1 (GBl. S. 314) war die Abschaffung der Regierungspräsidien zum 1 . 1 . 1977 vorgesehen. Vgl. auch Rochleder, Verwaltung ohne Regierungspräsidien, BWVB1. 1970, 166ff. § 2 5 KreisreformG ist nunmehr aufgehoben. Vgl. Verordnung über die Errichtung der staatlichen Behörden i. d. F . vom 31. 3. 1954 (BayBS I S. 37). Vgl. auch Mang, in: Mang! Maurizi Mayer! Obermayer, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 2. Auflage 1964, S. 95.
39
40
41
Vgl. Gesetz über die Mittelstufe der Verwaltung und den Landeswohlfahrtsverband Hessen vom 7. 5. 1953 (GVB1. S. 93), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. 6. 1977 (GVB1. S. 288). Vgl. auch Rasch, Die Verwaltungsorganisation in Hessen, in: v. Brauchitsch/Ule, Verwaltungsgesetze des Bundes und der Länder, Bd. 1, 1. Halbband: Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren (bearbeitet von Rasch/Patzig), 1972, S. 428ff.
42
§ 136 Abs. 1 HessGO.
503
§57
112
Walter Rudolf
Niedersachsen43 besteht mit Wirkung vom 1.2. 1978 aus 4 Regierungsbezirken (Braunschweig, Hannover, Lüneburg und Oldenburg). Nordrhein-Westfalen44 gliedert sich in 5 Regierungsbezirke (Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, KölnAachen und Münster). In Rheinland-Pfalz45 bestehen 3 Regierungsbezirke (Koblenz, Rheinhessen-Pfalz und Trier) 46 . Die untere Verwaltungsbehörde der allgemeinen staatlichen Verwaltung ist in allen Ländern außer den Stadtstaaten auf der Ebene des Landkreises eingerichtet (Landrat, Landratsamt, Oberkreisdirektor)47. In kreisfreien Städten werden die Aufgaben der allgemeinen unteren staatlichen Verwaltungsbehörde in der Regel von den Gemeinden als übertragene Verwaltungsaufgaben administriert. Auch können größeren Gemeinden (ζ. B. den großen Kreisstädten in Baden-Württemberg und Bayern oder den großen kreisangehörigen Städten in Rheinland-Pfalz) Aufgaben der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde übertragen werden. Neben der allgemeinen inneren Verwaltung gibt es in allen Ländern Sonderverwaltungen mit eigenem Verwaltungsunterbau, ζ. B. die Landesfinanzverwaltung mit Mittel- und Unterbehörden (Oberfinanzdirektionen, Finanzämter) oder die Forstverwaltung mit Unterbehörden (Staatliche Forstämter). Außerdem bestehen auch in den Ländern Verwaltungseinrichtungen in der Form nichtrechtsfähiger Anstalten, bei denen insgesamt ein nicht geringer Anteil des Verwaltungspersonals beschäftigt wird 48 . 2. Mittelbare
Landesverwaltung
Der wichtigste Bereich mittelbarer Landesverwaltung ist die Kommunalverwaltung49. Daneben spielt die Verwaltung durch andere Körperschaften und Anstalten sowie Stiftungen des öffentlichen Rechts eine erhebliche Rolle. Zu nennen sind hier 43
44
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46
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48
49
504
Vgl. Art. II und XIII des Achten Gesetzes zur Verwaltungs- und Gebietsreform vom 28. 6. 1977 (GVB1. S. 233). Vgl. Gesetz über die Organisation der Landesverwaltung (Landesorganisationsgesetz) i. d. F. vom 10. 7.1962 (GVNW S. 241), zuletzt geändert am 1 . 6 . 1 9 7 6 (GVNW S. 190). Vgl. auch Rietdorf, in: Loschelder/Salzwedel (Hrsg.), Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 1964, S. 105 ff. Vgl. Stich, in: Mayer/Ule (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht in Rheinland-Pfalz, 1969, S. 87ff. Zur Organisation und Zuständigkeitsordnung in den Ländern, speziell der Mittelinstanz, vgl. Loschelder, VerwArch. 48 (1957), 37ff. Vgl. z. B. § 9 Abs. 2 LOG NW: „Unsere Landesbehörden sind die Oberkreisdirektoren als untere staatliche Verwaltungsbehörden . . . " und § 47 Abs. 1 KrO N W : „Die Aufgaben der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde werden vom Oberkreisdirektor und vom Kreisausschuß wahrgenommen". Rietdorf (Fn. 44) S. 101, nennt für Nordrhein-Westfalen 16% der Angehörigen des öffendichen Dienstes. Vgl. unten III.
§57
Verwaltungsorganisation
III
vor allem die Kammern (Ärztekammern, Rechtsanwaltskammern, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Landwirtschaftskammern usw.), die Versicherungsträger des Landes (ζ. B. Landesversicherungsanstalten) und die öffentlich-rechtlichen Bank- und Kreditinstitute (ζ. B. die Landesbanken und Girozentralen) sowie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Hochschulen50. III.
Kommunalverwaltung
Gemäß Art. 28 Abs. 2 G G ist den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht der Selbstverwaltung gewährleistet. Die Regelung der Organisation der Kommunalverwaltung obliegt den Ländern insoweit, als die Verfassung. der Gemeinden und Gemeindeverbände betroffen ist. Abgesehen von den Stadtstaaten, die keine Trennung von Staats- und Selbstverwaltung kennen 5 1 , ist die Kommunalverwaltung durch die von den Ländern erlassenen Gemeindeordnungen 5 2 und Kreisordnungen 5 3 geregelt. Dazu k o m m e n noch in einzelnen Ländern Gesetze
50 51
52
53
Vgl. Kimminich, in: /. v. Münch, Bes. VwR, S. 674 ff. Vgl. die Ausnahme für Bremerhaven, das die unechte Magistratsverfassung mit Stadtverordnetenversammlung, Magistrat und Oberbürgermeister hat. Vgl. Wolff/Bachof, VwR II, § 87 IV c. Vgl. die Gemeindeordnungen für Baden-Württemberg: G O vom 25. 7. 1955 (GBl. S. 129), i. d. F. vom 22. 12. 1975 (GBl. 1976, S. 1), zuletzt geändert am 7. 6. 1977 (GBl. S. 173); Bayern: G O vom 25. 1. 1952 (BayBS I S. 461), i. d. F. vom 5. 12. 1973 (GVBl. S. 599), zuletzt geändert am 8.7.1977 (GVBl. S. 333); Hessen: G O vom 25. 2. 1952 (GVBl. S. 11), i. d. F. vom 1. 7. 1960 (GVBl. S. 103, 164), zuletzt geändert am 14. 7. 1977 (GVBl. S. 319); Niedersachsen.· G O vom 4. 3. 1955 (GVBl. S. 55), i. d. F. vom 7. 1. 1974 (GVBl. S. 1), zuletzt geändert am 28. 6. 1977 (GVBl. S. 233); NordrheinWestfalen: G O vom 28. 10. 1952 (GS N W S. 179, 180), i. d. F. vom 19. 12. 1974 (GVNW 1975, S. 91), zuletzt geändert am 8. 4. 1975 (GVNW S. 304); Rheinland-Pfalz: G O vom 14. 12. 1973 (GVBl. S. 419), zuletzt geändert am 26. 7. 1977 (GVBl. S. 251); Saarland: G O (KSVG, Teil A) vom 15. 1. 1964 (ABl. S. 123), i. d. F. vom 2. 1. 1975 (ABl. S. 49); Schleswig-Holstein: G O vom 24.1.1950 (GVBl. S. 25), i. d. F. vom 6 . 4 . 1973 (GVBl. S. 89), zuletzt geändert am 5. 8. 1977 (GVBl. S. 210). - Die Gemeindeordnungen sind abgedruckt in dem Sammelwerk von Schmidt-Eichstaedt/ Haus/Sanner-Stade (Bearb.), Die Gemeindeordnungen in der Bundesrepublik Deutschland, Loseblattwerk, Stand September 1976. Vgl. die Landkreisordnungen für Baden-Württemberg: L K O vom 10. 10. 1955 (GBl. S. 207), i. d. F. vom 22. 12. 1975 (GBl. 1976, S. 40), zuletzt geändert am 7. 6. 1977 (GBl. S. 173); Bayern: LKO vom 16. 2. 1952 (BayBS I S. 515), i. d. F. vom 5. 12. 1973 (GVBl. S. 618), zuletzt geändert am 8. 7. 1977 (GVBl. S. 333); Hessen: LKO vom 25. 2. 1952 (GVBl. S. 37), i. d. F. vom 1. 7. 1960 (GVBl. S. 131), zuletzt geändert am 14. 7. 1977 (GVBl. S. 319); Niedersachsen: LKO vom 31. 3. 1958 (GVBl. S. 17), i. d. F. vom 7. 1. 1974 (GVBl. S. 25), zuletzt geändert am 28. 6. 1977 (GVBl. S. 233); Nordrhein-Westfalen: KrO vom 21.7.1953 (GSNW S. 208), i. d. F. vom 19.12.1974 (GVNW 1975, S. 84); Rheinland-Pfalz: LKO vom 14. 12. 1973 (GVBl. S. 451), zuletzt 505
§ 57
III 1
Walter Rudolf
über Gemeindeverbände unterhalb der Kreisebene54 und über höhere Kommunalverbände55. Schließlich sind die Regelungen über Zweckverbände zu nennen.
1.
Gemeindeverwaltung
Wichtigster Träger kommunaler Selbstverwaltung sind die Gemeinden. Sie sind Gebietskörperschaften und in ihrem Gebiet im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung Träger der gesamten örtlichen öffentlichen Verwaltung. Obwohl nach Einwohnerzahl und Fläche recht starke Unterschiede zwischen den Gemeinden bestehen, wird darauf bei der Gemeindeverfassung kaum Rücksicht genommen. Erst ab einer je nach Bundesland unterschiedlichen, bestimmten Größe genießen Gemeinden eine Sonderstellung. So haben in allen Ländern größere Städte die Stellung von kreisfreien Städten, d. h. sie gehören keinem Landkreis an und unterliegen nicht der Aufsicht der unteren Verwaltungsbehörde. Darüber hinaus gibt es in Baden-Württemberg und Bayern noch große Kreisstädte, in Rheinland-Pfalz große kreisangehörige Städte, die zwar zum Landkreis gehören, in zahlreichen Verwaltungsangelegenheiten aber unmittelbar der Aufsicht der mittleren Verwaltungsbehörde unterliegen56. Die Organisation der Gemeindeverfassung ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich geregelt. Dazu kommen weitere Differenzierungen innerhalb der Länder je nach der Größe der Gemeinden. Übereinstimmung besteht darin, daß jede Gemeinde eine gewählte kollegiale Vertretung haben muß; es sei denn, daß in Kleinstgemeinden anstelle der Vertretung die Gemeindeversammlung aller wahlberechtigten Bürger tritt. Die Gemeindevertretung wird Gemeinderat bzw. Stadtrat (so ζ. B. in Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland) oder Rat (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen) oder Stadtverordnetenversammlung (so in hessischen Städten) oder Ortsgemeinderat (in verbandsangehörigen Gemeinden in Rheinland-Pfalz) genannt. Sie ist nicht nur satzunggebendes Organ,
54
55
56
506
geändert am 29. 3. 1976 (GVBl. S. 85); Saarland: L K O (KSVG, Teil B) vom 15. 1. 1964 (ABl. S. 123), i. d. F. vom 2 . 1 . 1 9 7 5 (ABl. S. 49); Schleswig-Holstein: KrO vom 27. 2. 1950 (GVBl. S. 49), i. d. F. vom 6. 4. 1973 (GVBl. S. 110), zuletzt geändert am 5. 8. 1977 (GVBl. S. 210). Vgl. für Rheinland-Pfalz: §§64 — 73 G O ; Schleswig-Holstein: Amtsordnung vom 17. 6. 1952 (GVBl. S. 95), i. d. F. vom 24. 5. 1966 (GVBl. S. 96), zuletzt geändert am 5. 8. 1977 (GVBl. S. 210). Vgl. für Bayern: BezO vom 27. 7. 1953 (BayBS I S. 529), i. d. F. vom 5. 12. 1973 (GVBl. S. 631), zuletzt geändert am 8. 7. 1977 (GVBl. S. 333); Nordrhein-Westfalen: LVbO vom 12. 5. 1953 (GSNW S. 217), zuletzt geändert am 8. 12. 1975 (GVBl. S. 190); Rheinland-Pfalz: BezO für den Bezirksverband Pfalz vom 14. 12. 1973 (GVBl. S. 466). Zu den kreisfreien Städten und den großen Kreisstädten vgl. etwa Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 1973, S. 38f., mit weiteren Literaturangaben.
Verwaltungsorganisation
§ 5 7 III 1
sondern besitzt je nach Bundesland mehr oder weniger starke Verwaltungskompetenzen. Recht unterschiedliche Regelungen bestehen über die Organisation des gemeindlichen Vollzugsorgans. Als solches kommt entweder ein Bürgermeister oder Gemeindedirektor allein oder neben der Gemeindevertretung oder ein kollegiales Organ (Magistrat) in Betracht. Versucht man, die verschiedenen Organisationsformen der Gemeindeverfassung zu systematisieren, so schälen sich vier Gruppen von Organisationstypen heraus: die norddeutsche Ratsverfassung, die Bürgermeisterverfassung, die Magistratsverfassung und die süddeutsche Ratsverfassung 5 7 . Nach der in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bestehenden norddeutschen Ratsverfassung ist wichtigstes Organ der Rat der Gemeinde, dessen Vorsitzender der von ihm gewählte Bürgermeister (in kreisfreien Städten : Oberbürgermeister) ist. Zweites Organ ist der Gemeindedirektor (in Städten : Stadtdirektor, in kreisfreien Städten: Oberstadtdirektor), der den Geschäftsgang der Verwaltung leitet. In Niedersachsen gibt es noch als drittes Organ den Verwaltungsausschuß, der über Angelegenheiten beschließt, die weder dem Rat noch dem Gemeindedirektor vorbehalten sind. Den Vorsitz in ihm führt der Bürgermeister. In N o r d rhein-Westfalen besitzt der Bürgermeister weitere Kompetenzen, vor allem die Vertretung des Rats nach außen S 8 . Die Bürgermeisterverfassung kennt neben der gewählten Gemeindevertretung als zweites Organ den Bürgermeister (in kreisfreien Städten und großen kreisangehörigen Städten : Oberbürgermeister, in Rheinland-Pfalz in verbandsangehörigen Gemeinden: Ortsbürgermeister), dem die Führung der Verwaltungsgeschäfte obliegt. Er wird von der Gemeindevertretung gewählt und führt in ihr den Vorsitz. Sein allgemeiner Vertreter ist der erste Beigeordnete (in kreisfreien Städten und großen kreisangehörigen Städten: Bürgermeister). Weitere Beigeordnete können ehren- und hauptamtlich bestellt werden. Diese Organisation der Gemeindeverfassung ist in den kleinen Gemeinden Hessens, in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in den Landgemeinden Schleswig-Holsteins anzutreffen. Für Städte, die zwei oder mehr hauptamtliche Beigeordnete haben, ist nach der Gemeindeordnung von Rheinland-Pfalz ein Stadtvorstand zu bilden, der einzelne Aufgaben wahrnimmt, die sonst dem Bürgermeister obliegen würden 5 9 . Bei der Magistratsverfassung gibt es zwei Organe: Gemeindevertretung und Magistrat. Beide Gremien sind personell getrennt, da Magistratsmitglieder nicht der Gemeindevertretung angehören dürfen. Den Vorsitz in der Gemeindevertretung führt nicht der Bürgermeister, sondern in den Städten Hessens ein Stadt57
58
59
Zum folgenden vgl. von Unruh, in: I. v. Münch, Wolff/Bachof, V w R II, § 87 II. Zum Bürgermeister in Nordrhein-Westfalen vgl. für Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2. Auflage §§ 57ff. G O Rheinland-Pfalz, insoweit besteht Magistratsverfassung.
Bes. V w R , S. 118ff., und vor allem Rauball/Rauball, Gemeindeordnung 1974, S. 166, 203ff., 223ff. eine Ähnlichkeit mit der unechten
507
§ 5 7 1112
Walter Rudolf
verordnetenvorsteher, in den Städten Schleswig-Holsteins ein Stadtpräsident. Der Magistrat ist ein kollegiales Verwaltungsorgan, das aus ehrenamtlich oder hauptamtlich tätigen Mitgliedern (Beigeordneten, Stadträten) unter dem Vorsitz eines Bürgermeisters durch Beschluß der Gemeindevertretung gebildet wird. Während nach der preußischen Städteordnung von 1808 der Magistrat neben der Stadtverordnetenversammlung Beschlußorgan war (sog. echte Magistratsverfassung), ist er nach der heute für die meisten Gemeinden Hessens, die Städte Schleswig-Holsteins und die Stadt Bremerhaven geltenden unechten Magistratsverfassung nur Vollzugsorgan. Nach der süddeutschen Ratsverfassung bestehen zwei Organe, nämlich der Gemeinderat und der Bürgermeister (in kreisfreien Städten und großen Kreisstädten: Oberbürgermeister). Der Gemeinderat ist zugleich beschließendes und vollziehendes Organ, während der Bürgermeister, der unmittelbar von den Bürgern gewählt wird, den Vorsitz im Gemeinderat führt, dessen Beschlüsse er vollzieht. Dieses System ist in Baden-Württemberg und Bayern anzutreffen. Unterhalb der landesgesetzlich detailliert vorgeschriebenen Gemeindeverfassung ist die Organisation der Gemeindeverwaltung Angelegenheit der Gemeinden sèlbst, wobei allerdings durch andere Bestimmungen der Gemeindeordnung und einschlägiger Gesetze der Organisationsgewalt der Gemeinden tatsächlich Grenzen gesetzt sind. Von den Gemeindeordnungen einiger Länder ist die Einrichtung von Gemeindebezirksverwaltungen vorgeschrieben60. Die Bildung von Ortsbezirken dient der Förderung des örtlichen Gemeinschaftslebens und der Übersichtlichkeit gemeindlicher Verwaltung für den Bürger, die durch die Eingemeindungsbewegung der letzten Jahre unterzugehen drohte. Durch die Einrichtung von Ortsbeiräten, Ortsvorstehern und Verwaltungsstellen in Ortsbezirken soll in den Ortsteilen die Verwaltung wieder näher an die Bürger herangerückt werden61. 2. Verwaltung der
Gemeindeverbände
Gemeindeverbände sind Gebietskörperschaften zur Erfüllung übergemeindlicher oder im Falle der Samtgemeinden auch gemeindlicher Aufgaben. Mit Ausnahme der Stadtstaaten gibt es sie in allen Bundesländern in Gestalt der Landkreise. Die Länder Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein kennen darüber hinaus noch Samtgemeinden (Verbandsgemeinden)62. Besondere Verwaltungseinheiten sind die Verwaltungsgemeinschaften in Bayern, die aus mehreren Mitgliedsgemeinden bestehen63. In Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gibt 60 61 62 63
508
Rauball, Die Gemeindebezirke, Bezirksausschüsse und Ortsvorsteher, 1972, S. 18ff. So besonders in Rheinland-Pfalz. Vgl. §§ 74ff. G O Rheinland-Pfalz. Zum folgenden vgl. von Unruh (Fn. 57) S. 126ff.; Wolff/Bachof, VwR II, §88. Nach Abschluß der bayerischen Gebietsreform am 1. 5. 1978 wird es 388 Verwaltungsgemeinschaften geben, denen 1276 Gemeinden angehören. Vgl. Tschira, in: Schmitt Glaeser (Hrsg.), Verwaltungsverfahren, Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Richard Boorborg Verlags, 1977, S. 280.
Verwaltungsorganisation
§ 5 7 1112
es außerdem noch höhere Kommunalverbände. Schließlich sind noch die Zweckverbände zu nennen. Samtgemeinden sind aus mehreren benachbarten Gemeinden innerhalb eines Landkreises gebildete Gemeindeverbände. Sie führen Verwaltungsgeschäfte im eigenen Namen, im Auftrag der Gemeinden und sind vornehmlich für die Verwaltungsaufgaben nach Weisung des Landes und die Auftragsangelegenheiten zuständig. Ihre Verfassung entspricht der der Gemeinden des jeweiligen Landes mit einer Samtgemeindevertretung als Repräsentativorgan (in Niedersachsen : Samtgemeinderat, in Rheinland-Pfalz: Verbandsgemeinderat, in Schleswig-Holstein: Amtsausschuß), deren Vorsitzender in Niedersachsen ein Samtgemeindebürgermeister, in den übrigen Ländern mit Samtgemeinden der leitende Verwaltungsbeamte ist. Niedersachsen kennt außerdem einen kollegialen Samtgemeindeausschuß. Das Vollzugsorgan heißt in Niedersachsen „Samtgemeindedirektor", in Rheinland-Pfalz „Bürgermeister" (im Gegensatz zum „Ortsbürgermeister" der verbandsangehörigen Gemeinden) und in Schleswig-Holstein „Amtmann". Die Verfassung der Landkreise ist in den einzelnen Bundesländern ebenfalls unterschiedlich geregelt. Die unmittelbar vom Volk gewählte Vertretungskörperschaft trägt überall die Bezeichnung „Kreistag". Vorsitzender des Kreistages ist in Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ein Mitglied (in Hessen: Kreistagsvorsitzender, in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen: Landrat, in Schleswig-Holstein : Kreispräsident). In den übrigen Ländern führt der Hauptverwaltungsbeamte den Vorsitz. Kollegiales Verwaltungsorgan ist der Kreisausschuß (in Baden-Württemberg und im Saarland: Kreisrat), der in den einzelnen Ländern unterschiedlich zusammengesetzt ist 64 . Vollzugsorgan des Kreises ist immer ein Berufsbeamter, der in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen „Oberkreisdirektor", in allen übrigen Ländern „Landrat" heißt. Er ist zugleich allgemeine untere staatliche Verwaltungsbehörde und damit Bindeglied zwischen staatlicher und Selbstverwaltung im Landkreis. Berufen wird er in Bayern durch unmittelbare Wahl, in Hessen durch den Kreistag ohne Mitwirkung des Landes, in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein durch den Kreistag unter Mitwirkung des Landes und in Rheinland-Pfalz und dem Saarland vom Land unter Zustimmung des Kreistages. Höhere Kommunalverbände sind die bayerischen Bezirksverbände, die nordrhein-westfälischen Landschaftsverbände und der rheinland-pfälzische Bezirksverband Pfalz. Sie sind aus benachbarten Landkreisen und kreisfreien Städten zusammengesetzt. Dabei muß unterschieden werden, ob ihre Mitglieder unmittelbar die Bürger sind, die auch das satzungsgebende Organ direkt wählen, oder die Landkreise und kreisfreien Städte. Unmittelbare Wahl ist vorgesehen für die Bestellung der Mitglieder der Bezirkstage der bayerischen Bezirksverbände und des Bezirkstags des Bezirksverbands Pfalz 65 , während die Abgeordneten der Landschaftsversammlung der nordrhein-westfälischen Landschaftsverbände Rheinland M 65
Vgl. Wolff/Bachof, VwR II, § 89 V c. § 5 Abs. 1 BezO Rheinland-Pfalz.
509
§ 5 7 1112
Walter Rudolf
und Westfalen-Lippe von den Kreistagen und Räten der kreisfreien Städte bestellt werden. Der kollegiale Verbandsausschuß (in Bayern und Rheinland-Pfalz: Bezirksausschuß, in Nordrhein-Westfalen : Landschaftsausschuß) besteht aus dem Vorsitzenden und mehreren Mitgliedern der Verbandsvertretung. Vollziehendes Organ ist bei den nordrhein-westfälischen Landschaftsverbänden der Direktor des Landschaftsverbandes, bei den bayerischen Bezirksverbänden und dem Bezirksverband Pfalz der jeweilige Regierungspräsident. Zur gemeinsamen Erfüllung bestimmter Aufgaben, zu deren Durchsetzung sie berechtigt oder verpflichtet sind, können Gemeinden und Gemeindeverbände sich zu Zweckverbänden zusammenschließen oder zu solchen zusammengeschlossen werden 6 6 . Hauptorgane sind stets ein Repräsentativorgan, in dem die Mitglieder vertreten sind, und ein Verbandsvorsteher, der die laufenden Verwaltungsgeschäfte führt. Daneben können ein Verbandsausschuß und Weitere beschließende Ausschüsse zur Entlastung der Verbandsversammlung gebildet werden. Zu den durch Gesetz errichteten Zweckverbänden, denen überörtliche Aufgaben in größerem Umfange — vor allem auf dem Gebiet der Raumplanung — übertragen sind und noch weitere Aufgaben übertragen werden können, gehören der 1920 errichtete Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk in Essen sowie die seit 1973 bestehenden elf Regionalverbände in Baden-Württemberg, deren Verfassung den Gebietskörperschaften nachgebildet ist 67 .
66 67
510
Zum Zweckverband vgl. Wolff/Bacbof, VwR II, §91, mit weiteren Nachweisen. Wolff/Bachof, VwR I, § 38 III d.
Anlage 1
Organisationsplan
der Behörde des Regierungspräsidenten in Nordrhein-Westfalen
Anlage 2 Stand: 1.12.1977
Organisationsschema des Bundesministc
inisteriums für Bildung und Wissenschaft
Anlage 3
Aufbau der Landesbehörden in Nordrhein-Westfalen Stand: 15.11.1977 Minister für Bundesangelegenheiten
Kultusminister
Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Lande >amt für Ausbildungjsförderung
Landesamt für Ernährungswirtschaft
Oberversicherungsamt
Landesjagdamt
Ausführungsbehörde für Unfallversicherung
Landesamt für Agrarordnung
Landesversorgungsamt
Oberste Landesbehörden
Landesoberbehörden
Ministerpräsident
Zentralstelle für den Bergmannsversorgungsschein
Landesmittelbehörden Regierungspräsidenten
Untere Landesbehörden
Schulkollegien bei den Regierungspräsidenten
Direktoren der Landwirt scbaftskammem a. Landesbeauftragte
Versorgungsamter
Dienst- und Fachaufsicht über nachgeordnete Landesbehörden Geschäftsführer der Kreisstellen Fachaufsicht der obersten Landesbehörden über Regierungspräsidenten und Aufsicht über untere Landesbehörden
Nur Rechtsaufsicht
Schulämter
33
Allgemeines Verwaltungsrecht
Staatliche Forstämter und d. Leiter d. Forstämter der Landwirtschaft sk am. (LwK)
Orthopädische Versorgungsstellen
Ämter für Agrarordnung
Staatl. Gewerbeaufsichtsämter
Ämter f ü r W a s s e r urtd Abfallwirtschaft
Staatl. Gewerbeärzte
C Vi
Innenminister
Finanzminister
Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr
Landeskriminalamt
Geologisches Landesamt
Landesvermessungsamt
Landesoberbergamt
Landesamt für Besoldung und Versorgung
Landeseichdirektion
Minister für Wissenschaft und Forschung
I I I
Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik
Gesamthochschulen
I
Landesrentenbehörde
J
Oberfinanzdirektionen
Hochschulen
J.
I
I
ι I I
Pädagogische Hochschulen
1 I j"
ι
1
I ,
Staatl. ι Fachhochschulen >
ι I I
Oberkreisdirektoren als untere staatl. Verwaltungsbehörden
Finanzbauämter
Bergamter
I I I I
Kreispolizeibehörden
Staatshochbauämter
Generalstaatsanwälte
I
Kunst/Musik/SportHochschulen
Seemannsämter
1 |j | I
I
Finanzämter
Justizminister
Justizvollzugsämter
Ij
1 Jugendarrestanstalten
Kirchl. Hochschulen
Private Fachhochschulen
1 ¡J ρ
Justizvollzugsanstalten
I
Leitende Oberstaatsanwälte
Sachverzeichnis Die Angaben beziehen sich auf die Paragraphen und ihre Gliederung Abteilung 56 III 1 b Abwehranspruch 34, 35 acte administratif 11 I actio negatoria 53 V Administrative Procedure Act 36 IV Administrativrecht 7 I, s. auch Verwaltungsvorschriften Äquivalenzprinzip Anstaltsbenutzungsgebühren 44 V Entwässerungsgebühren 44 V Telefongebühren 44 V Ärztekammer 3 I 3, 56 II 2 a, 57 II 2 Akteneinsicht 3 I 3, 36 III, 40 I, II 4, IV, 42 II Allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts 7 II 3, VII, VIII 2 a, 3 c, IX Begriff 7 IX 1 Beispiele 7 IX 2 Herkunft — aus Analogien 7 IX 3 c bb — aus konkretisierten Verfassungsprinzipien 7 IX 3 c aa Rechtsnatur 7 IX 3 Allgemeinverfügung 11 II 6 a Allgem. Verwaltungsverfahrensgesetz (Österreich) 36 II, IV Allgemeinwohl s. öffentliches Interesse Allzuständigkeit 56 IV 1 Ämterpatronage 3 II 3 Amt 56 III 1 a, b, 57 III 2 Amtshaftung s. Amtspflichtverletzung Amtshaftungsklage 51 II 4 a, 53 V Amtshilfe 40 IV, 56 IV 3 Amtspflichtverletzung 50, 51 Amtspflicht 51 II 3, III 1 — und Dienstpflicht 51 II 3 a, III 1 — und Rechtsanwendung 40 II 6
— gegenüber einem Dritten 44 VI, 51 II 3 b — gegenüber anderen Verwaltungsträgern 51 II 3 b — gegenüber Ausländern 51 II 1 b Ausnahmen von der Staatshaftung 51 II 1 b eines Beamten des auswärtigen Dienstes 51 II 1 b Beamtenhaftungsgesetze 51 I 1 Begriff des Beamten 51 I 1, 2, II 2, III 1 eines beliehenen Unternehmens 51 II 1 b Bundespost 51 II 1 b Dienstfahrt 51 II 1 a, 3 b, 51 Fußn. 16, 60 Ehrenkränkung 51 IV und Ermessen 51 II 3 b, 51 Fußn. 44 Funktionstheorie 51 Fußn. 18 eines Gebührenbeamten 51 II 1 b Haftung der Anstellungskörperschaft 51 II 1 a Haftungsausschluß 44 VI Haftungsbeschränkungen 53 IV Hoheitsfahrt 51 II 3 b, s. auch Dienstfahrt Kollegialbehörden 51 II 2 legislatives Unrecht 51 II 3 b, 51 Fußn. 34 Mitverschulden 51 II 5, 52 III 2 c mitwirkendes Verschulden 44 VI Naturalrestitution 51 IV Nennung des schuldigen Beamten 51 II 4 a, 51 Fußn. 28 Nichtausschöpfung von Rechtsmitteln 44 VI Parlamente 51 II 2 Präjudizierung im Verwaltungsprozeß 51 II 5 515
33»
Sachverzeichnis bei privatrechtlichem Handeln 51 III rechtswidrige Erlaubnis 51 II 3 b rechtswidrige Weisung 51 Fußn. 35 Schadensersatz in Geld 51 IV Subsidiarität 51 I 2, II 4 b, III 1, 54 II richterliches Urteil 51 II 4 b Verkehrssicherungspflicht 51 II 1 a, 51 Fußn. 15 Versäumung eines Rechtsmittels 51 II 5 Verschulden 51 II 4, 54 II und verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis 53 IV Verwaltungsverfahren 40 II 2, 5, 6 Amtswalter 56 III 1 a Analogie 7 IX 3 c bb, 10 II 3, 53 I, IV s. auch Verwaltungsrechtsverhältnis Androhung eines Zwangsmittels 20 II 2 b, c, e, 3 Anfechtungsklage 12 III 1 b, 15 II 2, 51 II 5 gegen — belastende Auflage 42 III — baurechtliche Befreiung 12 III 2 a — Maßnahmen im Grundverhältnis 44 IV — Mitwirkungsakt 40 III — Planfeststellung 42 III — beschränkt begünstigenden Verwaltungsakt 15 II 3 — mangelhaft begründeten Verwaltungsakt 41 II 3 — verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakt 41 III — Vollstreckungsmaßnahmen 20 I 4 a, b — Zwangsmaßnahmen 20 II 3 a Anhörung Behörde 40 III des Betroffenen s. Verwaltungsakt Anhörungsverfahren 42 II Anlieger 46 I 2 d, V, 52 III 1 b Anliegergebrauch 46 V Anschluß- und Benutzungszwang 10 II 1, 4, 44 I, II, 48, 52 II 2 c Anspruch, s. auch subjektives öffentliches — Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung 10 II 5 — auf polizeiliches Einschreiten 51 II 3 b — auf Fehlerwiederholung 12 II 2 c bb 516
Anstalt 43, 56 II 2, II 2 b, III 2, 57 II 2 Benutzer, Rechtsposition 43 Bundesanstalt 57 I 1 bundesunmittelbare 36 I, 55 III, 56 I, 57 Fußn. 1, 57 I 2 nicht-rechtsfähige 56 III 2, 57 II 1 nutzbare 43 , 44 II, 48, 56 II 2 b Nutzungsordnung, öffentlich-rechtliche 44 I — privatrechtliche 31, 44 I Recht auf Zugang 43 rechtsfähige 56 III 2 Rechtsfähigkeit 56 II 2 b Rechtsschutz des Benutzers 44 IV teilrechtsfähige 57 I 1 Träger 56 II 2 b unselbständige 2 III 2, 56 III 2 Zulassung zur Benutzung 43, 44 II, 48 II s. auch Anstaltshaftung, Anstaltsgebrauch, Anstaltsgegenstände, Anstaltsnutzung, Anstaltsorganisation, Anstaltsrecht, Anstaltszweck Anstaltsgebrauch öffentlicher Sachen 48 Anstaltsgegenstände, sachenrechtliche Widmung 48 II, III, IV Anstaltsgewalt 10 II 4 Anstaltshaftung 44 VI gegenüber dem Benutzer 44 VI gegenüber Dritten 44 VI Anstaltsnutzung 44 Anspruch auf Benutzung 44 II Ausschluß von der Benutzung 44 III Benutzerpflichten 44 III Benutzungsgebühren 44 V Benutzungspflicht 56 II 2 b Entgelte 44 V, 46 IV Gemeinbenutzung 44 III Grenzen fiskalischer Ausgestaltung 44 I Grundrechtsbindung des Fiskus 44 I Kontrahierungszwang 44 I, II, 46 IV Liefersperre 44 III Normalbenutzung 44 III numerus clausus 44 II Sonderbenutzung 44 III Vertrag, bürgerlich-rechtlicher 44 I Verwaltungsgebühren 44 V Verwaltungszwang 44 III, IV
Sachverzeichnis Zulassung, öffentlich-rechtliche 44 I Zulassung zur Benutzung 43, 44 II, 48 II Anstaltsorganisation und öffentliches Sachenrecht 48 I Anstaltsrecht und Sachenrecht 48 I Anstaltssatzung 56 II 2 b Anstaltsträger 56 II 2 b Anstaltszweck 43, 44 III Ansteliungskörperschaft 51 II 1 Antrag 12 IV, 39 I, II, 40 II 5, 42 II Form 39 II Frist 39 II Rücknahme 39 II Auflage 14 I 2, 15 II 3, 17 II 1, 42 III Aufopferung 50, 52, I, IV allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts 7 IX 3 b allgemeines Lebensrisiko 52 IV 1 b allgemeines Persönlichkeitsrecht 52 IV 1 a Beeinträchtigung, rechtswidrige 52 I 1, IV 1 b Berufsfreiheit 52 IV 1 a besondere Gefährdung 52 IV 1 b Entschädigung 50, 52 IV 2 — soziale 53 III Erwerbsschutz 52 Fußn. 129, 53 VI 1 Finalität 52 IV 1 b Gefährdung, besondere 52 IV 1 b Gewohnheitsrecht 7 IX 3 b Gleichheitsverstoß 52 IV 1 a Grundrechte 52 IV 1 a immaterielle Rechtsgüter 52 I 1, 2, IV 1 a Impfschäden 52 IV 1 b, c, 2, 53 III Körper- und Gesundheitsschäden 52 I 2, IV 1 a, 53 III Kriegsopferversorgung 52 IV 2 Lebensrisiko, allgemeines 52 IV 1 b Mit verschulden 52 Fußn. 124 nichtvermögenswerte Rechtsgüter 52 IV 1 a Objekt 52 IV 1 a Opfergrenze 52 IV 1 b Persönlichkeitsrecht, allgemeines 52 I V 1 a Rechtsgüter, immaterielle 52 I 1, 2, IV 1 a
rechtswidrige Beeinträchtigung 52 I 1, IV 1 b Reform des Staatshaftungsrechts 54 II richterliches Urteil 52 IV 1 b Schmerzensgeld 52 IV 1 a, 2 Sonderopfer 52 IV 1 a, b und soziale Entschädigung 53 III und Spezialregelungen 52 IV 1 c Subsidiarität 52 Fußn. 148 Unmittelbarkeit 52 IV 1 b, 53 VI 2 Unterlassen 52 IV 1 b Urteil, richterliches 52 IV 1 b Verfassungsrang 52 Fußn. 13, 52 IV 1 c Wohl der Allgemeinheit 52 IV 1 b Zwang und psychologisches Abfordern 52 IV 1 b aufopferungsgleicher Eingriff 52 I 2 Aufrechnung 30 Aufrechterhaltung rechtswidriger Verwaltungsakte, s. Verwaltungsakt aufschiebende Wirkung Anfechtungsklage 12 I 2, 47 V 2 Widerspruch 12 I 2, 13, 47 V 2 Ausbaupflicht, Wasserverbände 47 VII Ausführung, unmittelbare 20 II 2 e, 3 a Ausgleichsverfahren, wasserrechtliches 47 V 2 Auskunft 11 II 4, 35 amtliche 51 II 3 b Behörde 40 II 5, IV als Wissenserklärung 33 Auslegung von — Anträgen 39 II — Bescheiden 41 II 5 — unbestimmten Rechtsbegriffen 12 II 1 b — Verwaltungsakten 41 II 5 Auswahlermessen 12 II 2 b Automation 4 I, 41 II 2 Autonomie s. auch Satzungsautonomie, Selbstverwaltung 3 I 3, 7 VI 1, 2, 3
Baugenehmigungsverfahren 40 I, III, 41 II 7 Baulandsachen, Kammer für 46 VII Beamter s. Amtspflichtverletzung Bebauungsgenehmigung 41 II 7 517
Sachverzeichnis Bebauungsplan, öffentliche Straßen 46 I 1 Bedingung 14 I 1 Befangenheit 38 II Befristung 14 I 1 Begründungszwang, Verwaltungsakt 41 II 3, IV, 43 III; s. auch unter Verwaltungsakt Behörde 38 I, 56 III, 1 b Anhörung 40 III Aufsichts- 7 VI 4, 56 IV 1, 3, 57 II 1 Auskunftspflicht 40 II 5 Begriff 11 II 2 a, 56 III 1 b Beratungspflicht 40 II 5 Bundes- 56 IV 3, 57 I 1 - oberste 56 IV 3, 57 I 1 bundeseigene Mittel- 55 III, 56 I bundeseigene Unter- 55 III, 56 I Bundesgrenzschutz- 57 I 1 Bundesober- 55 III, 57 I 1 - Errichtung 56 I Einrichtung 56 I entscheidungszuständige 40 III Geheimhaltungspflicht 3 1 3 Kollegial- 56 III 1 b Kollegiale 38 I Landes- 56 IV 3, 57 I 1 - oberste 56 IV 3, 57 II 1 Landesober- 57 II 1 Mittel- 55 II 1 a, c, 2, 56 IV 2, 57 I 1, II 1 mittlere 56 III 1 b Mitwirkung 40 III, 41 III, 42 I mitwirkungsberechtigte 40 III, 41 III monokratische 38 I, 56 III 1 b Ober- 56 IV 2 obere 56 III 1 b oberste 56 III 1 b Polizei- 56 IV 1 Prüfungsrecht 40 II 6 Teile einer - 56 III 1 b Unter- 55 II 2, 56 III 1 b, IV 2, 57 I 1, II 1 untere 55 II 1 a, 56 III 1 b, 57 II 1 Verschwiegenheitspflicht 40 IV Wasser- 47 VI zentrale 55 II 1 a, 2 Zoll- 57 I 1 Beigeordneter 57 III 1 Beitrag 20 I 1, 56 II 2 a 518
Anlieger- 46 I 2 d Erschließungs- 25 II, 46 I 2 d Kammer- 56 II 2 a Mitglieds- 56 II 2 a Bekanntgabe von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Beleihung 11 II 2 b Beliehene 56 II 3 Beliehene Privatpersonen 1 III, 2 II 1 Beliehene Unternehmer 51 II 1 b Benehmen 40 III Benutzer, s. Anstalt, Anstaltshaftung, Anstaltsnutzung Benutzung von Gewässern 47 Befugnisse der Gewässerpolizei 47 VI Benutzungsrechte 47 IV, V und Verkehrsgebrauch 47 VII Benutzungsentgelt und Kontrahierungszwang 46 IV, s. auch Anstalt, Anstaltsnutzung Benutzungsordnung, anstaltliche 44 III, 56 II 2 b, s. auch Anstalt, Anstaltsnutzung Benutzungszwang 44 I Bepackungsverbot 5 II Beratung durch Behörde 40 II 5 Berichtigung von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Berufsgenossenschaft 57 I 2 Bescheid 41 I automatisierter 41 II 2 Bescheidungsklage 42 III Bescheidungsurteil 41 II 3, III Beschlußverfahren 38 I Beseitigungsanspruch 53 V allgemeiner 10 II 1 öffentlich-rechtlicher 34 und Unterlassungsanspruch des Gewässereigentümers 47 III und Unterlassungsanspruch gegenüber Störungsursachen im Anstaltsbetrieb 44 VI Besitzeinweisung, vorläufige 46 I 3, VII Besonderes Gewaltverhältnis 3 II 2, 5 II, 7 IV 1, V, 15 I 2 a, 44 III Verwaltungsaktqualität von Maßnahmen s. Verwaltungsakt Bestandskraft von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt
Sachverzeichnis Bestandsschutz der wasserrechtl. Genehmigung 47 V Bestimmtheit von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Betätigung, gewerbliche auf Straßen 46 II 1 auf Wasserstraßen 46 II 1 Beteiligter 38 III, 40 I, 41 II 6, III Mitwirkungspflicht 40 II 1 Betriebsverhältnis 3 II 2, 11 II 5 b, 44 III, IV Betroffener 38 III, 40 I, 41 II 6, III, 42 II Drittbetroffener 41 III, 42 II im Planfeststellungsverfahren 42 II Beurteilung, dienstliche 12 II 1 b Beurteilungsspielraum 1 III 1, 5 I, 12 II 1 b, 44 IV im pädagogisch-fachlichen Bereich 44 IV Beweisaufnahme im Verwaltungsverfahren 40 II 2 Beweislast im Verwaltungsverfahren 40 II 2 Bewertungsmaßstab, s. Prüfungsentscheidungen Bewilligung, wasserrechtliche 47 IV — Bestandsschutz 47 V — Einwendungen im Verfahren 47 III — Widerruf 47 V 2 Bewirtschaftung von Gewässern 47 Bezirksverband 57 III 1, 2 Bildungswesen 3 1 4 Bindungswirkung von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Bodenrechtsreform 54 I Bürgerinitiative 3 1 3 Bürgermeister 57 III 1 Bürgermeisterverfassung 57 III 1 Bundesanstalt 57 I 1 Arten 57 I 1 für Arbeit 56 II 2 b, IV 2, 57 I 2 Bundesauftragsverwaltung 55 III, 56 IV 3 Bundesbahn 10 II 2, 56 IV 1, 57 I 1 Bundesbank 57 I 2 Bundesbehörde Anstalt 57 I 1 Obere 57 I 1 Oberste 57 I 1 Bundesgrenzschutz 56 IV 1, 57 I 1 Bundesknappschaft 57 I 2
Bundesministerium 57 I 1 Bundespost 10 II 2, 57 I 1 Bundesstaat 3 1 2 Bundesversicherungsanstalt für Angestellte 57 I 2 Bundesverwaltung 57 I mittelbare 57 I 2 unmittelbare 57 I 1 Verwaltungsunterbau 57 I 1 Bundeswasserstraße Gestattungsvertrag 46 III 2 Gemeinbrauch 46 II 2
Chancengleichheit 44 IV Daseinsvorsorge 43, 44 I Definition 2 I im kommunalen Bereich 2 III 2, 5 I, 48 nutzbare Anstalten 48 Organisationsform 31, 44 I und Verwaltungszweck 32 Datenschutz 4 II, 41 II 2 Datenverarbeitung 4 II, 41 II 2 Deichgrundstücke, Hamburger 52 II 3 a Dekonzentration 7 III 1, VI 2 a horizontale 56 IV 2 vertikale 56 IV 2 Delegation 7 III 2 a Demokratie 3 1 3 Demokratisierung der Verwaltung 3 I 3, 55 II 1 c, 56 III 1 b Dezentralisation 7 VI 2 a, 56 II 1, IV 3 Dezernat 56 III 1 b Dienstanweisungen 7 IV 1, s. auch Verwaltungsvorschriften Dienstaufsicht 1 III 1, 56 IV 2 Dienstaufsichtsbeschwerde 51 II 5 Dienstbarkeit, öffentlich-rechtliche 45 I 3, 46 III und gemietete Sache 48 II an Gewässern 47 II Dienstfahrt s. Amtspflichtverletzung Dienstherr 56 III 1 a Dienstherreneigenschaft 56 II 2 Dienstordnung 7 V 1, 36 I Dienstpflicht s. Amtspflichtverletzung Dienststelle 56 III 519
Sachverzeichnis Dispens 17 II, 53 V Doppelwirkung von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Drittwirkung von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Duldungspflicht des Eigentümers bei Sondernutzung 46 III Gewässereigentum 47 II gesteigerte 35 des Grundeigentümers bei Immissionen 35 des Straßeneigentümers 46 III 3 Durchführungsbestimmung 36 I Ehrenkränkung, Beseitigung 51 IV, 53 V Eid im Verwaltungsverfahren 40 II 2 Eigenbetrieb 56 II 3, III 2, 56 Fußn. 94 der Gemeinde 2 III 2, 44 I, 48 I Eigengesellschaft der Gemeinden 2 III 2 Eigentum 50, 52 I 1, II 2 Abgrenzung der Enteignung 52 II 2 b Ansprüche aus der Sozialversicherung 52 II 2 a Inhalt und Schranken 52 I 1, II 2 b, c öffentliches 45 I 2 und Kontrahierungszwang 46 IV an öffentlichen Sachen 45 I 2, 3 öffentliches 45 I 2 Schutzbereich 52 I 1, II 2 a und Sondernutzung 46 III Sozialbindung 1 III 1, 52 II 2 b, c Sozialpflichtigkeit 52 II 2 c, 52 Fußn. 30 subjektive öffentliche Rechte 52 II 2 a Eingriffsermächtigung 5 1 2 Eingriffsverwaltung s. Verwaltung, öffentliche Eingriffsvorbehalt 5 II Einleitung in Gewässer 47 I Einrichtungen, öffentliche der Kommunen 48 Einrichtungsgarantie 48 IV Einschreiten, Anspruch auf polizeiliches — 51 II 3 b Einvernehmen 40 III der Gemeinde 11 II 5 d, 40 III Einwendungen im Enteignungsverfahren 46 VII 520
im Planfeststellungsverfahren 42 II, III, 46 I 1 a im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren 47 III Einzelakt und Rechtssatz 11 II 6 Einzelaktstheorie 52 II 2 b Einziehung und Gemeingebrauch 46 II 3 einer Straße 46 I 2 d, 3 enteignender Eingriff 34, 52 III 1 c, 2 Enteignung 37 III, 42 III, 50, 52 II Abgrenzung 52 I 1, II 2 b — Gleichheitsverstoß 52 II 2 b — Sonderopfer 52 II 2 b, c Anschluß- und Benutzungszwang 52 II 2 c Bausperre 52 II 2 c Bestandsschutz 52 II 2 a nur bei Eingriff in Substanz und „gegenwärtige konkrete Werte" 52 II 2 a, III 1 b, 53 VI 1 Einzelaktstheorie 52 II 2 b Enteignungsbegünstigter 52 II 3 d Entschädigung s. Enteignungsentschädigung entschädigungslose 52 I Entzug von Rechten 52 I 1, II 2 b klassischer Enteignungsbegriff 52 I 2 Objekt der E. 52 II 2 a obligatorischer Rechte 52 I 1, II 2 a Opfergrenze 52 II 2 b Privatnützigkeit 52 II 2 b Reform des Enteignungsrechts 54 I, II Schutzwürdigkeitstheorie 52 II 2 b Situationsgebundenheit 52 II 2 c Straßenbauarbeiten 52 III 1 b, c Straßenlärm 52 III 1 b für Straßenzwecke 46 VII U-Bahn-Bau 52 III 1 c Unterlassen 52 II 2 a Verfahren 52 II 3 c — Einwendungen 46 VII Verkehrsplanung 46 I 1 Wohl der Allgemeinheit 52 II 1; s. auch Eigentum Enteignungsbegünstigter 52 II 3 d, III 2 d Enteignungsbeschluß 46 VII
Sachverzeichnis Enteignungsentschädigung 50, 52 I, II 3, III 2, 54 angemessene 52 I 2, II 1, 3 a Bauerwartung 52 II 3 c Beschränkung auf Substanz und „gegenwärtige konkrete Werte" 52 II 2 a, 3 b, c, III 2 b Bodenpreise 52 II 3 c, 54 I entgangener Gewinn 52 II 3 b, c, III 2 b Erhöhung der Baukosten 52 III 2 b Erwerbschancen 52 III 1 b Folgekosten 52 II 3 b Gewinn, entgangener 52 II 3 b, c, III 2 b good will 52 III 2 b Gruppenenteignung 52 II 3 a Junktimklausel 52 I 2, II 1, 2 b, III 1 c Sozialisierung 52 II 3 a Spekulationspreise 52 II 3 c Verkaufswert/Mietwert 52 III 2 b Verkehrswert/Marktwert 52 II 3 a, c Weiterentwicklung eines Gewerbebetriebs 52 III 2 b Wertminderung des Restgrundstücks 52 II 3 b Wiederbeschaffungskosten 52 II 3 b Wiederbeschaffungswert 52 II 3 a enteignungsgleicher Eingriff 50, 51 II 4 b, 52 I 2, III und allgemeines Lebensrisiko 52 III 1 c, 53 VI 2 Anliegerrechte 52 III 1 b Anspruchsgegner 52 III 2 d Ausgestaltung durch den Gesetzgeber 52 I 2, 53 I Begünstigter 52 III 2 d gezielter Eingriff 52 III 1 c, 53 VI 2 Entschädigung 52 III 2, s. auch Enteignungsentschädigung Finalität 52 III 1 c, 53 VI 2 der Legislative 52 III 1 b, 53 VI 3 Mitverschulden 52 III 2 c Nutzungsmöglichkeiten 52 III 2 b Objekt des e. E. 51 III 1 b und Plangewährleistung 53 VI 3 und Reform des Staatshaftungsrechts 54 II Ungleichbehandlung 52 III 1 a Unmittelbarkeit 52 III 1 c, 53 VI 2 Unterlassen 52 III 1 b richterliches Urteil 52 III 1 a
Verfassungsrang 52 I 2 Versagung einer Bauerlaubnis 52 III 1 a Versäumung eines Rechtsmittels 52 III 2 c Wohl der Allgemeinheit 52 III 1 a Enteignungsverfahren 46 VII, 52 II 3 c Entgelt für Anstaltsnutzung 44 V Entnahme aus Gewässern 47 I Entschädigung angemessene 52 I 2, II 1, 3 a Aufopferung 52 IV 2 Enteignung 52 II 3, s. auch Enteignungsentschädigung enteignungsgleicher Eingriff 52 III 2, s. auch Enteignungsentschädigung nach Enteignungsgrundsätzen 52 III 1 c, 53 VI 2 Festsetzung 46 VII im Polizeirecht 53 I bei Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten 53 II soziale 53 III Entschließungsermessen 12 II 2 b Entwässerungsgebühren, Äquivalenzprinzip 44 V Entwidmung 46 I 3, II 3 Publizität 48 III eines Unternehmens 48 II Enumerationsprinzip 11 I, 56 IV 1 Erforderlichkeit 7 IX 2 e, s. auch Verhältnismäßigkeit Erlasse 7 IV 1, s. auch Verwaltungsvorschriften Erlaubnis 17 I, 39 I, 42 III Befreiung von Präventionsverbot 17 II Gaststätten- 12 III 2 a, 14 II gebundene 12 II 1 a, 15 II 3 gewerberechtliche 12 II 1 a, 18 II straßenrechtliche 46 III 1 wasserrechtliche 47 IV — Rücknahme 47 V 1 Ermächtigung, s. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Ermächtigungsgrundlage 15 I 2 b, II 2, s. auch Vorbehalt des Gesetzes Ermächtigungslehre, normative 27 II Ermessen 1 III 1, 15 I 2 b, 12 II 2, 36 III, 41 V 3, 42 I und Akteneinsicht 40 II 4 521
Sachverzeichnis Auswahl - 12 II 2 b Bindungen 12 II 2 c bb, 14 II Bewirtschaftungs- (Wasserbehörde) 47 I Entschließungs- 12 II 2 b grundrechtliche Schranken 12 II 2 c bb, 15 I 2 c planerisches 38 III, 42 I polizeiliches 12 II 2 c cc schulisches 44 IV und subordinationsrechtliche Verträge 27 III und Verwaltungsakt — Nebenbestimmungen 14 II — Rücknahme 19 I — Widerruf 17 II verwaltungsgerichtliche Uberprüfung 12 II 2 c und Wiederaufgreifen des Verfahrens 19 I, II anstaltliches Zulassungs- 44 IV und Zweitbescheid 19 I, II Ermessensausübung, Ansprang auf fehlerfreie 10 II 5.1 Ermessensentscheidung 41 II 3, III, IV, 53 V Ermessensfehler 7 IV 4 d bb, 12 II 2 c — Fehlgebrauch 12 II 2 c bb — Mangel 12 II 2 c aa — Mißbrauch 12 II 2 c bb, 17 II — Überschreitung 12 II 2 c — Unterschreitung 12 II 2 c aa Koppelungsverbot 12 II 2 c bb Mitwirkung eines ausgeschlossenen Amtsträgers 38 III Ermessensreduzierung 12 II 2 c cc, 51 II 3 b, 53 V auf Null 10 II 5 Ermessensrichtlinien 7 IV 4 d bb Ermessensschranken 10 II 5.1, s. auch Ermessensfehler Ersatzleistungen, System der — 4 I Ersatzvornahme 10 II 6, 20 II 1, 30 II aufsichtliche 38 I Erschließungsbeitrag 25 II Erschließungsvertrag 25 II Ersetzungswirkung 42 III Erstattungsanspruch, öffentlich-rechtlicher 18 II 3, 30 III Erwerbsschutz 52 Fußn. 129, 53 VI 1 522
Erwerbstätigkeit der öffentlichen Hand 2 III 2, 3 II 2.1 Etat s. Haushaltsplan Europäisches Gemeinschaftsrecht 7 X und innerstaatliches Recht 8 III primäres 7 X 1, 2 a, 3 a sekundäres 7 X 1, 2, 3 b Vorrang 8 III 1, 2 Evidenztheorie 15 II 2 Evokationsrecht 56 III 1 b Fachaufsicht 1 III 1, 56 IV 2, 3 Fachbereichsrat 56 III 1 b Fachplanung 42 I Fakultät 56 III 1 b falsa demonstratio 15 II 1 Fehlerhaftigkeit von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Fehlerwiederholung, Anspruch auf 12 II 2 c bb Feststellungswirkung von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Finanzvermögen 45 IV Fiskalgeltung der Grundrechte 3 II 2.1, 32 Fiskus 2 III Begriff 2 III 1 Fiskustheorien 2 III 1 Grundrechtsbindung 44 I, 46 IV — modifizierte 44 I Folgenbeseitigungsanspruch 20 II 3 a, 34, 53 V Folgenbeseitigungslast 53 V Form eines Antrags 39 II des Verwaltungsaktes, s. Verwaltungsakt Formenmißbrauch 25 Fußn. 17 Formenwahl, Freiheit der — 31 Formular 39 II, 41 II 2 Formvorschriften 41 II 1, 2, III Freizeichnung 53 IV Frist für Antrag 39 II Rechtsbehelfsfrist 41 II 6 Funktionstheorie s. Amtspflichtverletzung Gebäude, öffentliche, Hausrecht 49 Gebühr 20 I 1, 44 I, V, 56 II 2 a
Sachverzeichnis Benutzungs- 44 V - f ü r privilegierte Sondernutzung 44 V und Entgeh 44 I kommunale Entwässerungs- 44 V Studien- 56 II 2 a, b Telefon- 44 V Gebührenbescheid 44 V Gebührenmaßstab 44 V Gebührensatz 44 V Gefährdungshaftung, öffentlich-rechtliche 52 III 1 c, 53 VI 2 Gefahrenabwehr 2 I, II 2, 3 I 4, 39 I Gegenvorstellung 51 II 5 Gemeinbenutzung, Anstaltsnutzung 44 III Gemeinde 55 III, 56 II 1, 2 a, III, IV 1, 57 II 1, III 1 Allzuständigkeit 56 IV 1 kreisangehörige 55 II 1 a Planungshoheit 40 I, 41 Fußn. 60, 42 II, III Gemeindebezirksverwaltung 57 III 1 Gemeindedirektor 57 III 1 Gemeindeordnung 57 III Gemeinderat 57 III 1 Gemeindeverband 56 II 1, 2 a, 57 III 1 , 2 Gemeindeverfassung 57 III 1 Gemeindeversammlung 57 III 1 Gemeindevertretung 57 III 1 Gemeindeverwaltung 2 I, 57 III 1 Gemeingebrauch 43, 45 I 1, 3, 46 I, II an Bundeswasserstraßen 46 II 2 und Einziehung 46 II 3 gesteigerter 46 V an öffentlichen Sachen 46 I, II - Beteiligte 46 I Recht, individuelles auf — 46 II Rechtsnatur 46 II 3 an Straßen 46 II 2 Wesensmerkmale 46 II 1 Gemeinschaftsaufgaben 55 III Gemeinschaftseinrichtungen 55 III Genehmigung Bau- 11 II 6 b, 12 II 1 a, 14 I 1, 22, 40 III, 41 II 7 Bebauungs- 41 II 7 Bodenverkehrs- 11 II 3 kommunalaufsichtsbehördliche 11 F u ß n . 71
lästiger Anlagen 37 III, 41 II 1, 3 luftverkehrsrechtliche 42 II personenbeförderungsrechtliche 40 I schiffahrtspolizeiliche 46 III 2 strompolizeiliche 46 III, 1, 2, IV Genehmigungspflicht 39 I Genehmigungsverfahren 42 III Generalermächtigung, Generalklausel 7 VIII 2 a, 12 II 2 a Geschäftsführung ohne Auftrag 10 II 1, 30 II Geschäftsordnung 7 VI 2 b, 38 I Geschäftsverteilungsplan 56 III 1 b Gesetz als Auftrag 5 1 1 als Eingriffsermächtigung 5 I 2, II als Schranke des Verwaltungshandelns 5 I 3 Begriff 5 II, 6 II 1, 7 II 1 — dualistischer 7 II 1 - formeller 7 II 1 s. a. Rechtssatz, Rechtsnorm Gesetzesfreie Verwaltung 12 II 3, 15 I 2 b Gesetzesvollziehungsanspruch 10 II 5 Gesetzesvorbehalt 2 II 2, 3, 5 I 2, II Begriff 2 II 2 und besonderes Gewaltverhältnis 3 II 2.2, 7 V 2 und Eingriffverwaltung 2 II 2 institutioneller 56 I und Leistungsverwaltung 2 II 3 und Organisation der Verwaltung 56 I und Pressesubventionierung 15 Fußn. 15 Problematik 5 II und Schuldverhältnis 15 I 2 a und verwaltungsrechtlicher Vertrag 27 III und Verwaltungsvorschriften 7 IV 1 und Zuständigkeitsregelungen 7 IV 4 c s. auch Vorbehalt des Gesetzes Gesetzgebung, Begriff 1 II Gesetzgebungsbefugnis 3 I 2.1, 7 III 1 Gesetzgebungskompetenzverteilung 3 I 2.1 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, s. Verwaltung, öffentliche, Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes Gestaltungsformen der Leistungsverwaltung 44 I 523
Sachverzeichnis Gestaitungswirkung 42 III Gestattungsvertrag (Bundeswasserstraße) 46 III 2 Gewässer Benutzung 47 - erlaubnisfreie 47 Bewirtschaftung 47 I Bewirtschaftungsermessen 47 I Dienstbarkeit, öffentlich-rechtliche 47 II Gütezustand, Mindestbestandsschutz 47 I schiffbare
Grundrechte als Ermessensschranken 12 II 2 c bb Einschränkungen im besonderen Gewaltverhältnis 3 II 2.2 Fiskalgeltung 3 II 2.1, 32 und Verwaltung 3 II 2 Grundverhältnis 3 II 2.2, 11 II 5 b, 44 III, IV
- Unterhaltungspflicht 47 VII - Widmung, doppelte 47 VII Widmung 47 I, VII Gewässerbenutzungsverträge 47 II Gewässerbett, Inanspruchnahme 47 II Gewässereigentum Duldungspflichten 47 II Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche 47 I I I , IV Gewässernutzung dualistisches System 47 II Zwangsrechte 47 II Gewaltenhemmung 13, s. auch Gewaltentrennung
Haftung für Hochwasserschäden 47 V I I Haftungsbeschränkungen im öffentlichen Recht 53 IV Handlungsfähigkeit, verwaltungsrechtliche 10 II 3 Handwerkskammer 57 II 2 Haushaltsgesetz 5 II, 7 II 1 Bepackungsverbot 5 II Haushaltsplan 5 II, 12 II 3, 15 I 2 a, 21, 22, 56 I Hausrecht an öffentlichen Gebäuden 49 Heilung rechtswidriger Verwaltungsakte, s. Verwaltungsakt Heilung von Verfahrensfehlern 40 II 3, III 41 II 3, 6, III, IV Hilfsreferent 56 III 1 b Hochschule 57 II 2, s. auch Universität Hochwasserschäden, Haftung 47 VII hoheitlich (Definition) 11 II 3 Hoheitsfahrt s. Amtspflichtverletzung
Gewaltenkontrolle 13, s. auch Gewaltentrennung Gewaltenteilung 13, s. auch Gewaltentrennung Gewaltentrennung 1 II Gewaltenverlagerung 13, s. auch Gewaltentrennung Gewaltenverschränkung 13, s. auch Gewaltentrennung Gewaltverhältnis, besonderes, 15 I 2 a, s. auch besonderes Gewaltverhältnis Gewohnheitsrecht 7 VII, I X 3 b allg. Grundsätze des Verwaltungsrechts und - 7 VII 1 b, c, 2 Geltungsraum 7 V I I 1 b Observanz 7 VII 1 b Rechtserzeugungsvoraussetzungen 7 VII 1 a Gleichheit im Unrecht 7 IV 4 d aa, 12 II 2 c bb Gleichheitssatz 7 I, IV 4 d bb, 12 II c bb, 44 IV Gnadenentscheidungen 11 II 3 524
Gruppe 56 III 1 b
Immissionen 53 V hoheitlich bewirkte 35 Impfschäden 52 IV 1 b, c, 2, 53 III Inanspruchnahmeverfügung 45 II 3, 46 I 3 Indienststellung 45 II, 46 I 3 Individualgesetze 7 II 1 Industrie- und Handelskammer 3 1 3 , 56 II 2 a, 57 II 2 Ingerenzrecht 55 III Inhalt und Schranken des Eigentums, s. Eigentum Interessentheorie 2 II 1 Interpretation 12 II 1 b, s. auch Auslegung
Sachverzeichnis Inventarisierung, Widmung 48 III, 49
Junktimklausel 52 I 2, II 1, 2 b, III 1 c Juristische Person des öffentlichen Rechts 56 II 2 Jus eminens 17 II, 52 I 1
Kabinettsordre, preußische von 1831 52 I 1 Kehrseitentheorie 18 II 3, 30 III Kirche 56 II 1, 2 a Klagebefugnis 10 II 5, 11 II 5 c, 12 III 2 a, 19 II, 40 I, 42 III Planfeststellungsbeschluß - Drittbetroffener 42 III — Gemeinde 42 III Verwaltungsakt mit Drittwirkung 12 III 2 a Wiederaufgreifen des Verfahrens 19 II Zweitbescheid 19 II Klagefrist 11 I, 16 Körperschaft 2 I, 43, 56 II 2 a, 57 I 2, II 2 bundesunmittelbare 36 I, 55 III, 56 I, 57 Fußn. 1 Gebiets- 56 II 2 a, 57 III 1,2 Personal- 56 II 2 a Real- 56 II 2 a Selbstverwaltungs- 56 II 1, III 1 b Verbands- 56 II 2 a Kollegialbehörde 56 III 1 b Kollegialorgan 38 I Kollusion 27 IV Kommunalaufsicht 11 II 5 c Kommunalverwaltung 57 II 2, III Kommunikationsfunktion der Straße 46 II 1 Kompetenz 56 IV 1, 2, 3 kraft der Natur der Sache 55 III kraft Sachzusammenhangs 36 I Kompetenz-Kompetenz 56 IV 1 Kompetenzkonflikt 56 IV 1 Konkordanzprinzip 8 IV Konkurrentenklage 12 III 2 a Kontrahierungszwang 32 Anstaltsnutzung 44 I, II und Benutzungsentgelt 46 IV und Eigentum 46 IV
Sondernutzung 46 IV Kontrastorgan 56 IV 1 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten 7 XI b Konversion 41 IV von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt, Umdeutung Konzentration horizontale 56 IV 2, 57 II 1 vertikale 56 IV 2 Konzentrationswirkung 42 III Konzessionsvertrag 46 III 1 Kopplungsverbot 12 II 2 c bb, 27 III Kostendeckungsprinzip 44 V Kostenentscheidung bei Verwaltungsakt, s. Verwaltungsakt Kreis 55 II 1 a Kreisausschuß 57 III 2 Kreisordnung 57 III Kreistag 57 III 2 Kriegsopferversorgung 52 IV 2, 53 III
Landesbehörde mittlere 57 II 1 Obere 57 II 1 Oberste 57 II 1 Untere 57 II 1 Landesversicherungsanstalt 57 I 2, II 1 Landes Verwaltung 57 II mittelbare 57 II 2 unmittelbare 57 II 1 Landesverwaltungsgesetz (SH) 36 I, III Landgemeinde 55 II 1 a, b, 57 III 1 Landkreis 55 II 1 b, 57 II 1, III 1, 2 Landrat 56 IV 3, 57 II 1 Landschaftsverband 57 III 2 Landwirtschaftskammer 57 II 2 Lebensrisiko, allgemeines 52 III 1 c, IV 1 b Leistungsbescheid 18 II 3, 20 I 2, 30 III Leistungsgrundrechte, s. Soziale Grundrechte Leistungsklage, allgemeine 34, 44 IV Leistungsverwaltung, s. Verwaltung, öffentliche Gestaltungsformen 44 I lex-posterior-Regel 9 I 2 b lex-specialis-Regel 8 IV 525
Sachverzeichnis Magistratsverfassung 57 III 1 Mandat, imperatives 56 I Massenverwaltungsakt 41 II 2 Maßnahmegesetze 1 II, 7 II 1, 51 II 3 b Ministerialerlaß 3 II 1 Mischverwaltung 55 III Mitteilung 12 I 3 Mitverschulden bei Amtspflichtverletzung 51 II 5 bei enteignungsgleichem Eingriff und Aufopferung 52 III 2 c Mitwirkung der Behörde 40 III, 41 III, 42 I von Bürgern 3 1 3 Mitwirkungspflicht des Beteiligten 40 II 1, 2
Nachbar, Verkehrsweg 46 I 1 b Nachbarklage 12 III 2 a Nachbarrecht, wasserrechtliches 47 III Nachschieben von Gründen 41 IV Nebenbestimmungen 14, 15 II 3 eines Verwaltungsakts, s. Verwaltungsakt, Auflage, Bedingung, Befristung Nichtakt 11 II 2 c, 15 II 1 Nichtigkeit von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Normalbenutzung bei Anstaltsnutzung 44 III Normenhierarchie 8 IV Notar 56 II 3 Notzuständigkeit 56 IV 1 numerus clausus bei Anstaltsnutzung 44 II, IV Nutzungsordnung, anstaltliche 44 I — öffentlich-rechtliche 44 I — privatrechtliche 31, 44 I — und Rechtsweg 44 I Nutzungsverordnung 10 II 4
Oberfinanzdirektion 57 I 1 Oberfinanzpräsident 57 I 1 Oberkreisdirektor 56 IV 3, 57 II 1 Ober lieger 47 III Observanz 7 VII 1 b öffentliche Meinung 1 III 1 526
öffentliche Sicherheit und Ordnung 1 III 1, 2 II 3 öffentliches Interesse 2 II 1, III 2, 16, 40 II 1 Begriff 1 III 1 öffentliches Recht Handlungsformen des — 10 I Unterscheidung vom Privatrecht 2 II 1 öffentliche Verantwortung von Unternehmen der Privatwirtschaft 1 III 1 öffentliche Verwaltung, s. Verwaltung, öffentliche Offizialprinzip 39 I Opfergrenze 52 II 2 b, IV 1 b Opportunitätsprinzip 12 II 2 c cc und Amtspflichtverletzung 51 II 3 b Organisation 55 I Organisationsakt, s. Verwaltungsakt Organisationserlaß, Bundeskanzler 56 I, 57 I 1 Organisationsform der Daseinsvorsorge 441 Organisationsgewalt 56 I Organisationsplan 56 III 1 b Organisationsrecht 56 Organleihe 56 II 2 b Organwalter 56 III 1 b Ortsbezirk 57 III 1
Parteien, politische, Rechenschaft über ihre Mittel 1 III 1 Partizipation 3 I 3, 38 III Personalakten 40 II 4 Persönlichkeitsbeeinträchtigung 35 Petition 1 III 1 Pflichtennachfolge, s. Rechtsnachfolge Plan 21, 22, 23, 42 I Arten 21, 22 Bebauungsplan 21, 22, 23, 25 II, 42 III, 46 I 1 Geschäftsverteilungsplan 56 III 1 b als Handlungsform 22 Haushaltsplan 5 II, 12 II 3, 15 I 2 a, 21, 22, 56 I, III 1 b imperativer 22 indikativer 22 Fußn. 11 influenzierender 22, 22 Fußn. 12 normativer 22 Organisationsplan 56 III 1 b
Sachverzeichnis Stellenplan 56 III 1 b Wirtschaftsplan 56 II 3 Planänderung 23 Planfeststellungsbeschluß 41 II 5, 6, 42 I, II, III, 46 I 1 Planfeststellungsverfahren 22, 23, 37 III, IV, 40 I, 41 III, 42, 46 I 1 Arten 42 I enteignungsrechtliches 46 VIII luftverkehrsrechtliches 41 Fußn. 60, 42 II Planfortbestand, Anspruch auf — 23 Plangewährleistung 23 präventive 23 Plangewährleistungsanspruch 21 Fußn. 8, 22 Fußn. 10, 56 VI 3 Planung 21, 22, 23 Anspruch auf — 23 Arten 21, 22, 23 Bauleitplanung 22, 42 I, 46 I 1 b Fach - 22, 22 Fußn. 24, 42 I Flexibilität und Kontinuität 23 Gesamt - 22, 22 Fußn. 24, 42 I städtebauliche 38 Fußn. 10 Planungsakte 42 II Planungsermessen 5 I, 38 III, 42 I Planungshoheit, Gemeinde 40 I, 41 Fußn. 60, 42 II, III Planungsverband 26 Planungswertausgleich 54 I Planvollzug, Anspruch auf — 23 Politische Verwaltung, s. Verwaltung, öffentliche — politische Polizei und Amtshaftung 51 II 3 b Polizeipflicht, Behörde, s. Verwaltungsträger Präjudiz 7 VIII 3 a, b Präklusionswirkung 19 II, 42 II Pressesubventionierung 15 Fußn. 15 Priorität von Anträgen 39 II Privatnützigkeit 52 II 2 b Privatrecht Flucht in das — 31 Handlungsformen des — 10 I Unterscheidung vom öffentlichen Recht 2 II 1 Programmierung 41 II 2 Projektgruppe 56 III 1 b Prüfungsakten 40 II 4 Prüfungsentscheidungen
und Verfahrensmangel 41 III und verwaltungsgerichtliche Nachprüfung 12 II 1 b, 44 IV Publizität der Entwidmung 48 III der Widmung 48 III Rat durch Behörde 40 II 5 Ratsverfassung norddeutsche 57 III 1 süddeutsche 57 III 1 Realakt 20 II 3 a, 33, 34, 35 Recht, formelles 37 I Recht auf Gehör 36 III, 38 III, 40 II 3, 41 II 3, III, 42 II Rechtliches Gehör, s. Recht auf Gehör Rechtmäßigkeit der Verwaltung 5 II von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Rechtsanwaltskammer 3 I 3, 56 II 2 a, 57 II 2 Rechtsanwendung, Verwaltungsverfahren 40 II 6 Rechtsaufsicht 1 III 1, 40 III, 56 IV 3 Rechtsbegriff, unbestimmter 7 VIII 2 a, 12 II 1 b Rechtsfähigkeit 2 I, 10 II 2, 56 II 1, 2, III Teilrechtsfähigkeit 2 I, 10 II 2, 56 II 1 Vollrechtsfähigkeit 10 II 2 Rechtshilfe 40 IV Rechtsinformatik 41 II 2 Rechtskraft 16, 41 V 1; s. auch Verwaltungsakt Rechtsmittel 51 II 5 Rechtsmittelbelehrung bei Verwaltungsakt 41 II 4 Planfeststellungsbeschluß 42 III Zweitbescheid 19 II Rechtsnachfolge 10 II 6, 18 II 3, 30 III Rechtsnatur der Anstaltsbenutzungsordnung 44 III Rechtsnorm 6 Begriff 6 II und Einzelakt 11 II 6 a und Rechtsquelle 6 Rechtsprechung, Begriff 1 II Rechtsquellen 6 ff. abgeleitete 7 III 1, 2 b, V 2, VI 2 a Arten 7 — allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts 7 IX 527
Sachverzeichnis — Europäisches Gemeinschaftsrecht 7 X — Gesetz 7 I, II förmliches 7 II 2 — Gewohnheitsrecht 7 VII — Rechtsverordnung 7 III — Richterrecht 7 VIII — Satzungen 7 VI — Sonderverordnungen 7 V — Verfassungsgesetze 7 I — Verwaltungsvorschriften 7 IV — Völkerrecht 7 XI, 8 II Begriff 6 I Geltungsbereich 9 — räumlicher 9 II — persönlicher 9 III — zeitlicher 9 I Außerkrafttreten 9 1 2 Inkrafttreten 9 I 1 Rückwirkung 9 1 3 vorkonstitutionelles Recht 9 1 4 Rangordnung 8 Textsammlungen 7 II 2 Rechtsquellenlehre 6 Aufgabe 6 III Rechtssatzbegriff historisch-konventioneller 6 II 1, 7 IV 3, V 2, VIII 3 d rechtstheoretischer 6 II 2 Rechtssatz und Einzelakt 11 II 6 Rechtsschutz 1 III 1, 3 I 5, 11 I, 12 III 1 b, 13, 56 II des Anstaltsbenutzers 44 IV — Klageart 44 IV — bei Priifungsentscheidungen 44 IV — Umfang 44 IV automatisierter Bescheid 42 II 2 unanfechtbarer Verwaltungsakt 19 II verwaltungsgerichtlicher 13, 36 II, 38 III Verwaltungsvollstreckung 20 I 4 s. auch Anfechtungsklage, Leistungsklage, Verpflichtungsklage Rechtsschutzgarantie 36 II Rechtssetzung dekonzentrierte 7 VI 2 a delegierte 7 III 1 dezentralisierte 7 VI 2 a rechtswidrige 51 II 3 b, s. auch Unrecht, legislatives Rechtssicherheit 17 II, 18 I, 19 I 2, 41 V 1 528
Rechtsstaat 3 I 5 Rechtsstaatsprinzip 3 1 5 , 18 I Rechtssubjektivität 10 II 2 Rechtsverhältnis 10 I Rechtsverletzung 10 II 5, 12 II 1 b, 44 IV Rechtsverordnung 7 III, IV, VI 2 a, 10 I Bundesrechtsverordnung 7 III 4 a — Zustimmung des Bundesrates 7 III 4 b — Zustimmung des Bundestages 7 III 4 b — Zustimmung durch Parlamentsausschüsse 7 III 4 b Erlaßverfahren 7 III 4 Ermächtigungsgrundlage 7 III 2 b — Bestimmtheitsgrundsatz 7 III 2 b Gesetz und — 7 III 2 gesetzesändernde 7 III 2 b gesetzesvertretende 7 III 2 b, IV 2 b bb Polizeiverordnung 7 III 2 b, 4, 9 I 2 a, c Subdelegation 7 III 3 b Verkündung 7 III 4 c Verordnungsermächtigung 7 III 2 a, 3 a, VI 2 a Verordnungsgeber 7 III 3 Rechtsweg 10 II 5, 11 I öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag 30 II Realakt 34 verwaltungsrechdicher Vertrag 28 verwaltungsrechtliches Verwahrungsverhältnis 30 I Rechtsweggarantie 12 III 1 b Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Referat 56 III 1 b Referentengruppe 56 III 1 b Regelung 11 II 6 a, b generell abstrakt 11 II 6 a generell konkret 11 II 6 a individuell abstrakt 11 II 6 a individuell konkret 11 II 6 a Regiebetrieb 2 III 2, 56 II 3, 56 Fußn. 94 Regierung 1 I, II Begriff 1 II Regierungsbezirk 55 II 1 b, c, 57 II 1 Regierungspräsident 56 IV 2, 57 II 1 Regime, öffentlich-rechtliches 45 I, 46 I Region 55 II 1 b Regionalverband 57 III 2 Reichsämter 55 II 2
Sachverzeichnis Reichsgesetze 9 1 4 Reichsverwaltung 55 II 2 Reihenfolge von Anträgen 39 II Remonstration 40 II 6, 44 VI Richterrecht 7 VII, V i l i , IX 3 c Generalklauseln und — 7 VIII 2 a Gewaltenteilung und — 7 VIII 2 b Problematik 7 VIII 1 unbestimmte Rechtsbegriffe und — 7 VIII 2 a Verbindlichkeit 7 VIII 3 Verwaltung und - 7 VIII 3 b Richtlinien 7 IV 1, s. auch Verwaltungsvorschriften Ermessensrichtlinien 7 IV 2 b bb, 4 d bb der Europäischen Gemeinschaften 7 X 1 , 2 b Steuerrichtlinien 7 IV 4 d Subventionsrichtlinien 5 II, 7 IV 2 b bb, 4 d Versetzungsrichtlinien 7 V 1, 2 Verwaltungsrichtlinien 3 II 1 Rücknahme eines Antrags 39 II Rücknahme von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Rückwirkung von Gesetzen 9 1 3 Rundfunkanstalt 56 II 1, 2 b, III 2, 57 I 2, II 2 Sachaufklälrung im Verwaltungsverfahren 40 I, II 1, 2, 41 III Sachbearbeiter 56 III 1 b Sache fremde, Widmung 46 VII gemietete und öffentlich-rechtliche Dienstbarkeit 48 II öffentliche 43, 45, 46 ff. — Anstaltsgebrauch 48 — Begriff 45 — Gemeingebrauch 46 — Sondergebrauch 47 — Verwaltungsgebrauch 49 Sachenrecht, öffentliches und Anstaltsorganisation 48 I und Anstaltsrecht 48 I Statusrecht 45 III Sachverständiger im Verwaltungsverfahren 40 II 2 Samtgemeinde 57 III 2
Satzung 7 VI 1, 10 I, II 4, 40 II 6, 56 II 2 c Abgrenzung zur - GeschäftsO 7 VI 2 b - RechtsVO 7 VI 2 a Begriff 7 VI 1 Funktion 7 VI 1 Genehmigung gemeindlicher Satzung 11 II 5 c Inhalt 7 VI 3 Rechtserzeugung 7 VI 4 Satzungsautonomie 3 1 3 Satzungsgewalt 7 VI 1, 3 a Grundrechte und — 7 VI 3 b Schadensersatz, Abgrenzung zur Entschädigung 52 III 2 b Schiffahrtsrecht 46 II 2 Schriftform des Verwaltungsaktes 41 II 1, 2, 3 Schülerlotse 56 II 3 Schuldverhältnisse, verwaltungsrechtliche 10 II 4, 30, 53 IV Schule, öffentliche 56 III 2 Schulverhältnis 15 I 2 a Schutzwürdigkeitstheorie 52 II 2 b Schweizer Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren 36 IV Selbstbindung der Verwaltung 7 IV 4 d bb, IX 2 d, XI b, 12 II 2 c bb, cc, 3 , 1 5 1 2 b, 19 I 2, 41 V 3 Selbsteintrittsrecht 38 I, 56 IV 1 Selbstverwaltung 3 I 3, 38 III, 57 I 2 kommunale 3 I 3, 5 I, 55 II 1 a, III, 56 IV 3, 57 II, III 1 Siedlungsverband 57 III 2 Sonderabnehmer 44 III Sonderbenutzung, Anstaltsnutzung 44 III Sondergebrauch öffentlicher Sachen 43, 47 Sondernutzung 46 III Duldungspflichten des Eigentümers 46 III und Eigentum 46 III 1, 2, 3 Friedhöfe 44 III Kontrahierungszwang 46 IV an Straßen 46 II 1 Straßenhandel 46 III 3 System, dualistisches 46 III Sonderrechtstheorie 2 II 1, 34 529
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Allgemeines Verwaltungsrecht
Sachverzeichnis Sonderrechtsverhältnis 3 II 2.2, 7 V 2, s. auch Besonderes Gewaltverhältnis Sonderverbindungen zwischen Verwaltung und Bürger 10 II Sondervermögen 56 II 3, 57 I 1 Sonderverordnung 3 II 2.2, 6 II 2, 7 IV 1, V, 10 I Begriff 7 V 1 Problematik 7 V 2 Sozialbindung des Eigentums 1 III 1, 17 II, 52 II 2 b, c Soziale Grundrechte 3 1 5 Soziale Teilhaberechte, s. soziale Grundrechte Sozialisierung 52 II 3 a Sozialpflichtigkeit des Eigentums 52 Fußn. 30, 52 II 2 c öffentlicher Sachen 45 III Sozialstaat 3 I 4, 5 Sozialstaatsprinzip 5 II, 7 III 1, 12 II 2 c bb, 21, 23 Sozialversicherung, s. Versicherungsträger Sparkasse, kommunale 56 II 2 b Staatshaftung 50, 51 I 1, 52 I 2, 54 II Staatshaftungsrecht Lücke im - 50 Reform des — 54 II Staatsverwaltung, mittelbare 2 I, 56 II 1, III 1 b, IV 3 unmittelbare 2 I, 56 III 1 b, IV 3 Stabilitätsgesetz 3 1 4 Stadt kreisangehörige 57 III 1 kreisfreie 55 II 1 b, 57 III 1 Stadtdirektor 57 III 1 Stadtrat 57 III 1 Stadtstaat 57 II, III 2 Statusrecht, öffentliches Sachenrecht 45 III Stellenplan 56 III 1 b Steuer 20 I 1, 56 II 2 a Stiftung des öffentlichen Rechts 2 I, 56 II 2 c, 57 II 2 Störungsbeseitigungsanspruch 53 V Straße gewerbliche Betätigung 46 II 1 Bebauungsplan 46 I 1 Gemeingebrauch 46 II Kommunikationsfunktion 46 II 1 Verkehrsfunktion 46 II 1 530
Straßenbaulastträger 46 I 2, III 1, 3, VI Straßeneigentümer, Duldungspflicht 46 III 3 Straßenhandel, Sondernutzung 46 III 3 Straßenrecht 46 Studentenschaft 56 II 2 a Studentenwerk 56 II 2 b, IV 3, 56 Fußn. 56 Subjektionstheorie 2 II 1, 34 Subjektives öffentliches Recht 10 II 5, 12 III 2 a, 44 IV, 46 II 3, 51 II 3 b Schutz durch Art. 14 G G 17 II Subjektstheorie 2 II 1, 25 II modifizierte 34, s. auch Sonderrechtstheorie Subordinationstheorie 2 II 1 Subsidiaritätsprinzip 2 III 2 Substraktionsdefinition 1 I Subsumtion 12 II 1 b Subsumtionsfehler 15 II 2 Subventionen 2 II 3, 5, I, II, 12 II 3, 15 I 2 a, 32 Subventionierung von Konkurrenten, Abwehr 12 III 2 a Pressesubventionierung 15 Fußn. 24 Subventionsverwaltung Haushaltsplan und Subventionsverwaltung 5 II Subventionsrichtlinien 7 IV 2 b bb, 4 d Suspensiveffekt 20 II 2 a, s. auch aufschiebende Wirkung System, dualistisches Gewässernutzung 46 III 1, 47 II Sondernutzung 46 III
Tatbestandswirkung 13; s. auch Verwaltungsakt Tathandlungen 33, 34 Teilhaberechte 17 Fußn. 33, s. auch soziale Grundrechte Teilrechtsfähigkeit, s. Rechtsfähigkeit Teilrechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Telefongebühren, Äquivalenzprinzip 44 V Totalvorbehalt 5 II Treu und Glauben 10 II 7 c Tumultschäden 53 III, 54 II
Sachverzeichnis Übermaßverbot 12 II 2 c bb, 14 II, 15 I 2 b, II 2, 17 II 2 a, 23, 35 Umdeutung von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Umweltschutz 12 III 2 a Unanfechtbarkeit von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt unbestimmter Rechtsbegriff 5 I, 12 II 1 b Unfallversicherung, s. soziale Entschädigung Universität 56 II 2, III 1 b, s. auch Hochschule Unparteilichkeit 38 II Unrecht, legislatives 51 Fußn. 34, s. auch enteignungsgleicher Eingriff; Rechtssetzung, rechtswidrige Unrichtigkeit von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Unterabteilung 56 III 1 b Unterhaltungspflicht 46 I schiffbarer Gewässer 47 VII Wasserverbände 47 VII Unterlassungsanspruch 44 VI, 47 III, 53 V Unterlieger 47 III Unternehmen gemischt-wirtschaftliche 2 III 2, 56 II 3 öffentliche 56 II 3 — Entwidmung 48 II - Widmung 48 II privatwirtschaftliche 1 III 1 Untersuchungsgrundsatz 40 II 1 Unzweckmäßigkeit von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Urteil, richterliches 51 II 4 b, 52 III 1 a, IV 1 b Amtspflichtverletzung 51 II 4 b Aufopferung 52 IV 1 b enteignungsgleicher Eingriff 52 III 1 a Rechtskraft 16, 19 II Verbände, Einfluß auf die Verwaltung 3 II 3 Verbandsgemeinde 57 III 2 Verbandsumlage 56 II 2 a Vererblichkeit, s. Rechtsnachfolge Vcrfahrensfehler 40 II 2, 3, III, 41 III, V 2, 42 II Heilung 40 II 3, III, 41 II 3, 6, III, IV
Verfahrenshandlungen 41 III Verfahrensmangel 41 III, 42 II, s. auch Verfahrensfehler Verfügung 41 I, II 5 wiederholende 41 V 3 Verhältnismäßigkeit, Grundsatz der 7 I, IX 2 e, 12 II 2 c bb, 14 I 2 b, 53 IV Verhältnismäßigkeit der Mittel 41 II 5 Verjährung 10 II 7 d Verkehrsampel, Versagen 4 I, 52 III 1 c, 52 Fußn. 141 Verkehrsfunktion der Straße 46 II 1 Verkehrsgebrauch und wasserwirtschaftliche Benutzung 47 VII Verkehrsplanung 46 I 1 Enteignungsverfahren 46 I 1 a Nachbar 46 I 1 b Verkehrsrecht 46 II 2 Abgrenzung zum Wegerecht 46 II 2 Verkehrsregelung 51 Fußn. 15 Verkehrssicherungspflicht 46 VI, 51 II 1 a, 51 Fußn. 15, 54 II Haftungsgrundlagen 46 VI Haftungsprivileg 46 VI Verkehrszeichen 11 II 6 b Verordnung, s. Rechtsverordnung — der Europäischen Gemeinschaften 7 X 1, 2 b Verpflichtungsklage 12 III 1 b auf — Beteiligungshandlungen 40 I — Mitwirkungsakt 11 II 5 d, 40 III — Planfeststellung 42 III — Rücknahme des — — Leistungsbescheides 20 I 4 b zugrundeliegenden Verwaltungsaktes 20 II 3 b — Zweitbescheid 20 II 3 b bei — Realakt 34 — beschränkt begünstigendem Verwaltungsakt 15 II 3 — mangelhaft begründetem Verwaltungsakt 41 II 3 — verfahrensfehlerhaftem Verwaltungsakt 41 III Verrichtungen 33 Versäumung eines Rechtsmittels 51 II 5, 52 III 2 c 531
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Sachverzeichnis V e r s a m m l u n g , öffentliche 1 III 1 Versicherungsträger, sozialer 57 I 2 V e r t r a g 24 ff. Austauschvertrag 25 II Eingemeindungsvertrag 26 Erfüllung 28 Erschließungsvertrag 25 II Gegenstand 25 II gemischt öffentlich-rechtlich/privatrechtlicher 25 III, 28 Handlungsform des öffentlichen Rechts 24 Klage auf Erfüllung 28 koordinationsrechtlicher 26 — Definition 24 öffentlich-rechtlicher unter Privaten 25 IV Schadensersatzklagen 28 subordinationsrechtlicher 27 — Abschlußfreiheit 27 II — clausula rebus sie stantibus 27 IV — Definition 24 — fehlerhafter 27 IV — Freiheit inhaltlicher Gestaltung 27 III — Nichtigkeit 27 IV — Vollstreckung 29 — Vorbehalt des Gesetzes 27 III — Vorrang des Gesetzes 27 III — Zulässigkeit 27 I Unterscheidung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem 25 I, II verfassungsrechtlicher 2 II 1 verwaltungsrechtlicher 2 II 1 — Definition 24 V e r t r a u e n s s c h u t z 9 1 3 , 17 II, 18 I, II 1, 2, III, 41 V 3 und Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte 18 I, II 1, 2, III, 41 V 3 und Widerruf begünstigender Verwaltungsakte 17 II, 41 V 3 und Rückwirkung von Rechtsvorschriften 9 I 3 c, d Vertrauenstatbestand 41 V 1, 2, 3 V e r w a h r u n g s v e r h ä l t n i s , verwaltungsrechtliches 10 II 1, 30 I Verwaltung Bundes- 2 I, 3 I 2.2, 57 I — mittelbare 57 I 2 532
- unmittelbare 56 II 1, 57 1 1 Bundesauftrags- 55 III, 56 IV 3 bundeseigene 36 I, 55 III, s. auch Bundesfreigestaltende 2 I, 5 I 3 Gemeinde- 2 I, 57 III 1 gesetzesfreie 5 II Landes- 2 I, 3 I 2.2, 55 II 1, III, 57 II - mittelbare 57 II 2 - unmittelbare 56 II 1, 57 II 1 landeseigene, s. Landesverwaltung leistende 5 II Misch- 55 III Recht und - 5 I unmittelbare und mittelbare 56 II 1 V e r w a l t u n g , öffentliche Abgabenverwaltung 2 I, II 2, 12 I 1 Arten 2 Aufblähung 3 I 4 Automation 4 I automatisierte 11 II 1 Bedarfsverwaltung 2 I Begriff 1 I, II Bindung - an das Gesetz 1 III 1, 27 V - an Grundrechte 3 I 5, 15 I 2 b bürgernahe 55 II 1 c Bürokratisierung 3 1 4 Datenverarbeitung 4 II Demokratisierung 3 I 3, 55 II 1 c, 56 III 1 b Eingriffsverwaltung 2 I, II 2, 3, 3 I 4, 11 I, 51 II 3 b Entscheidungsfreiheit 1 III 1 fiskalische 2 I, III, 3 II 2.1 gesetzesakzessorische Ermessensverwaltung 12 II 3 gesetzesfreie Leistungsverwaltung 12 II 3 Gesetzmäßigkeit 3 II 1, 5 II, 36 II - Begriff u. Inhalt 3 II 1, 5 II, 12 III 1 b - u. Erstattungsanspruch 18 II 3, 30 III - u. RechtsanWendung 40 II 6 - u. Verwaltungsakt 12 III 1 b, 15 I 2 a Rücknahme 18 I, 41 V 3 - - Widerruf 17 II, 41 V 3 und Grundrechte 3 II 2
Sachverzeichnis Handeln in privatrechtlichen Formen 31, 32 Hilfsgeschäfte 2 I, III 2, 3 II 2.1 hoheitliche 2 I, II Kontrolle 1 III 1 Leistungsverwaltung 2 I, II 3, 4, III 2, 3 I 4, 11 I, 14 I 2 c, 33, 51 II 3 b, 56 II 3 — gesetzesfreie 12 II 3 — und Vorbehalt des Gesetzes 15 I 2 a Leitung 1 III 1 Lenkungsverwaltung 2 I, 14 I 2 c Merkmale 1 III Mitentscheidung 3 1 3 Mitwirkung 3 1 3 Ordnungsverwaltung 14 I 2 c Pflicht zur Belehrung des Bürgers 3 1 4 planende 2 I, II 4 politische 3 II 3 Rechtsformen 1 III 1 Steuerverwaltung 2 II 2 Subventionsverwaltung 5 II Transparenz 3 I 3, 55 II 1 c unpolitische 3 II 3 und Verfassung 3 Wirtschaftsverwaltung 14 I 2 c Verwaltungsakt 11 ff., 37 I, 41 Anfechtbarkeit 15 II 2 Anhörung des Betroffenen 3 I 3, 5, 36 III antragsbedürftiger 39 III Arten 12 aufhebbarer 15 II 2 Aufhebbarkeit 15 II 2, 41 III Auflage 14 I 2, 15 II 3, 17 II Aufsichtsmaßnahmen als — 11 II 5 c Auslegung 41 II 5 automatisierter 11 II 1 Bedeutung I I I Bedingung 14 I 1 befehlender 12 I 1, 20 Befristung 14 I 1 Begriff 3 I 5 Begründung 41 II 3, 5 begünstigender 2 II 3, 12 III 1 — — — — —
Beweislast 40 II 2 Mitwirkungsakt 40 III mitwirkungsbedürftiger 12 IV und Nebenbestimmung 14 II, III 3 Rücknahme 16, 18, 19
- Widerruf 16, 17 II, 19 Bekanntgabe 13, 41 II 6 belastender 2 II 2, 12 II 2 d, III 1 - Beweislast 40 II 2 - Rücknahme 16, 19 - Widerruf 16, 19 Berichtigung 15 II 1, 41 V 2 Bestandskraft 11 I, 16, 41 I, II 6, V Bestimmtheit 15 I 2 c, 41 II 5, III Bindungswirkung 16, 41 I, V 1 mit Dauerwirkung 18 II 2, 41 V 3 Definition 11 Definitionsmerkmale - Behörde 11 II 2 - auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts 11 II 3 - Einzelfall 11 II 6 - Maßnahme 11 II 1 - Regelung 11 II 4 - unmittelbare Rechtswirkung nach außen 11 II 5 dinglicher 11 II 6 b, 47 V 3 Doppelwirkung 12 III 2 a, s. auch Drittwirkung Drittwirkung 12 III 2, 40 I, 41 II 5, 6, III, 42 II eingeschränkter Rechtsschutz 11 I Ermessensakt 12 II 2, 3, 15 II 3 fehlerhafter 40 II 6, 41 III, V 3, s. auch rechtswidriger feststellender 12 I 3, 20 Feststellungswirkung 13, 41 V 1 Form 15 I 1 b, 41 II 1, 2, 3 gebundener 12 II 1, 15 II 3 gemeinsamer 40 III geschichtliche Entwicklung I I I gesetzesfreier 12 II 3 gestaltender 12 I 2, 20 grundrechtliche Bindungen 15 I 2 b Inhalt 41 II 5 Kostenentscheidung 41 II 5 Massen - 41 II 1, 2 maßgebliche Sach- und Rechtslage 41 V 1, 3 Maßnahme im besonderen Gewaltverhältnis als - 11 II 3, 5 b mehrstufiger 11 II 5 d, 40 III Mitwirkungsakte als - 11 II 5 d, 40 III mitwirkungsbedürftiger 12 IV, 39 III, 41 III 533
Sachverzeichnis Nebenbestimmungen 14, 41 II 5, s. auch Auflage, Bedingung, Befristung Nichtigkeit 7 IX 2 b, 11 I, 13, 15 II 2, 39 III, 41 III nichtiger 15 II 2, 41 II 5 Organisationsakte als — 11 II 5 c Planungsakt 42 II privatrechtsgestaltender 11 II 3, 12 I 2 — Beispiele 11 II 3 — wasserrechtliche Bewilligung 47 IV — Planfeststellung 42 II — gemeindliches Vorkaufsrecht 11 II 3, 12 I 2 rechtmäßiger 15 I Rechtsbeständigkeit 40 II 6, 41 II 4, III, IV Rechtskraft 16, 41 V 1 Rechtsmittelbelehrung 41 II 4, 42 III rechtswidriger 15 II, 16 — Aufrechterhaltung 15 II 2 — Heilung 15 II 2 Rücknahme 7 IX 2 a, 3 b, 12 III 1 b, 16, 18, 19, 41 V 3 — Entschädigung 53 II — wasserrechtliche Erlaubnis 47 V 1 Schriftform 41 II 1, 2 streitentscheidender 41 V 1 Tatbestandswirkung 13, 41 V 1 teilrechtswidriger 14 II, 15 II 3 Umdeutung 15 II 2 unanfechtbarer 17 II, 20 II 2 a Unanfechtbarkeit 16 19, 20 I 4 b, II 3 b, 41 II 6, V 1 unrichtiger 15 II 1, 41 V 2 auf Unterwerfung 12 IV unzweckmäßiger 15 II 1 Verfahrensmangel 41 III, 42 II, s. auch Verfahrensfehler Vollstreckung 20 Vollstreckungsmaßnahmen als — 20 I 4 a Vollziehbarkeit 41 II 6 Vollziehung, sofortige 41 II 3 Widerruf 7 IX 2 a, 12 III 1 b, 16, 17, 19, 41 V 2, 3 — Entschädigung 53 II Widerrufsvorbehalt 14 I 1, 17 II Wirksamkeit 11 I, 13, 15 II 2, 41 II 1, 6, V 1 534
zusammengesetzter 41 II 5 Zustellung 41 II 6, 42 III zweiseitiger 46 I 3, 48 III Verwaltungsbehörde 38 I, s. auch Behörde Verwaltungsbezirk 56 IV 2, 57 II 1 Verwaltungsfabrikat 4 1, 11 II 1, 41 II 2 Verwaltungsgebrauch, öffentliche Sachen 49 Verwaltungsgebühren 41 II 5 Anstaltsnutzung 44 V Verwaltungskompetenz 55 III, 57 III 1 Verwaltungskosten 41 II 5 Verwaltungsorgan 55 I, 56 III Verwaltungsorganisation 55 Bedeutung 55 I Geschichte 55 II technokratische 55 II 1 c unitarische 55 II 1 a verfassungsrechtliche Grundlagen 55 III Verwaltungsprivatrecht 2 III 2, 32, 44 I und Grundrechte 3 II 2.1 Verwaltungsrat Bundesbahn 3 I 3, 57 I 1 Bundespost 3 I 3, 57 I 1 verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, s. Schuldverhältnisse verwaltungsrechtlicher V e r t r a g , s. Vertrag, verwaltungsrechtlicher Verwaltungsrechtsordnung (Wiirtt.) 36 II Verwaltungsrechtsschutz s. Rechtsschutz, Subjektives öffentliches Recht Verwaltungsrechtsverhältnis 10 II, 38 III Anwendung von BGB-Vorschriften 10 II 3, 4, 18 II 3, 27 IV, 28, 30, 53 IV Beendigung 10 II 7 Begründung 10 II 1 Definition 10 I, II 4 Hauptleistungspflichten 10 II 4 Inhalt 10 II 4 Unterschied zum privatrechtlichen Rechtsverhältnis 10 II 4 und Verwaltungsrechtsdogmatik 10 II 4 Verwaltungsreform 55 II 1 c Verwaltungsstelle 56 I, III 2
Sachverzeichnis Verwaltungsträger 15 I 1 a, 38 I, 40 III, 48 I, 55 I, 56 II, III 2, IV polizeipflichtiger 56 IV 1 privatrechtlich organisierter 56 II 3 Verwaltungsübung 7 IV 4 d bb Verwaltungsunrecht 37 III Verwaltungsverfahren 36 ff. von Amts wegen 39 I auf Antrag 39 I Begriff 37 II Beteiligte 40 I Einleitung 39 förmliches 37 III, 38 III, 41 II 3, 4, 42 I nichtförmliches 37 III Verfahrensgrundsätze 40 II Wiederaufgreifen 19 VerwaltungsVerfahrensgesetz 7 II 3, 36 I, III Verwaltungsverfahrensrecht 36ff., 37 I Kodifikation 36 II Revisibilität 37 I Verwaltungsvermögen 45 IV Verwaltungsvollstreckung 20, 37 IV, 41 I, s. auch Verwaltungsakt Verwaltungsvorschriften 6 II 2, 7 IV, 8 IV, 10 I, 11 II 5 a, 36 I, 40 II 6, 55 III Begriff 7 IV 1 Bindungswirkung 7 IV 4 originäres Administrativrecht 7 IV 4 d bb, V 2 originäres Exekutivrecht 7 IV 4 c Rechtserzeugung 7 IV 5 — Erlaßbefugnis 7 IV 5 a — Form und Verfahren 7 IV 5 b — Verkündung 7 IV 5 c Rechtsnatur 7 IV 3 Sonderverordnung, s. dort Typologie 7 IV 2 — Ermessensrichtlinien 7 IV 2 b bb, 4 d bb — intersubjektive 7 IV 2 c — norminterpretierende 7 IV 2 b aa, 4 d aa — organisatorische 7 IV 2 a — Vereinfachungsanweisungen 7 IV 2 b cc verhaltenslenkende 7 IV 2 b, 4 d
Verwaltungswissenschaft 37 I, 41 I, II 2 Verwaltungszustellungsgesetz 41 II 6 Verwaltungszwang 20 II 1, 2 e Anstaltsnutzung 44 I, III Verwirkung 10 II 7 c, 30 Verzicht 10 II 7 b, 30 Völkerrecht 7 XI allg. Regeln 7 X I a, 8 II und innerstaatliches Recht 8 II Staatsvertrag 7 X I b Transformationslehre 7 X I Verwaltungsabkommen 7 XI b völkerrechtliche Verträge 7 X I b, 24 Vollzugslehre 7 X I Vollrechtsfähigkeit, s. Rechtsfähigkeit Vollstreckungsabwehrklage 20 I 4 b Vollstreckungsanordnung 20 I 2 Vollstreckungsgegenklage 20 I 4 b Vollstreckungstitel 11 I, 29 VoUstreckungsverfahren 20 I 3 Vollziehende Gewalt, Begriff 1 I Vollziehung, sofortige 20 II 2 a, 41 II 3 Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch 53 Fußn. 22; s. auch Folgenbeseitigungsanspruch Vollzugshilfe 40 IV Vorbehalt des Gesetzes 2 II 2, 5 I 2, II, 12 III 1 b, 18 II 3, 30 III Begriff 2 II 2, 3 II 1 und besonderes Gewaltverhältnis 3 II 2.2, 15 I 2 a Eingriffsvorbehalt 12 II 3, 15 I 2 a Folgenbeseitigungsanspruch 53 V Geschichte des Vorbehalts 5 II Problematik 5 II und Realakt 35 Totalvorbehalt 5 II, 12 II 3, 15 I 2 a und verwaltungsrechtlicher Vertrag 27 III, IV und Vollstreckungsmaßnahmen 20 s. auch Gesetzesvorbehalt Vorbescheid 41 II 7 Vorkaufsrecht der Gemeinden 11 II 3, 12 I 2 vorkonstitutionelles Recht 9 1 4 Vorrang des Gemeinschaftsrechts s. Europäisches Gemeinschaftsrecht Vorrang des Gesetzes 3 II 1, 5 II, 7 III 2 a, 12 II 2 c bb, 3, III 1 b, 15 I 2 a 535
Sachverzeichnis und Realakt 35 und koordinationsrechtlicher Vertrag 26 und subordinationsrechtlicher Vertrag 27 III, IV Vorverfahren, verwaltungsgerichtliches 36 I, 37 IV, s. auch Widerspruchsverfahren Wasserwegeherr 46 I Wasserstraßen, gewerbliche Bestätigung 46 II 1 Wasserverbände, Ausbaupflicht 47 VII Unterhaltungspflicht 47 VII Wasserwegerecht 46 II 2 Wegeherr 45 I, 46 I, III 3 Wegenachbar, s. Nachbar Wegerecht 46 II 2 Abgrenzung z. Verkehrsrecht 46 II 2 Wegereinigungspflicht 51 Fußn. 15 Weisung 11 II 5 a Widerruf von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Widerruf der wasserrechtlichen Bewilligung 47 V 2 Widerrufsvorbehalt 14 I 1, 17 II Widerspruch 12 I 2, 13, 20 II 3 a, 37 IV, 47 V, 51 II 5 Widerspruchsbescheid 41 II 3, 4, 6, III Widerspruchsfrist I I I , 16, 19 vor I Widerspruchsverfahren 12 II 2 b, 15 II 1, 2, 20 I 4 a, 36 I, 40 II 3, III, 41 II 3, III Widmung 11 II 6 b, 17 I, 43, 44 II, 45 I, II, 46 I 2, 48 I von Anstaltsgegenständen 48 II, III, IV doppelte - schiffbarer Gewässer 47 VII fremder Sachen 46 VII von Gewässern 47 I durch Inventarisierung 48 III, 49 notwendige 48 IV öffentlicher Sachen 45 II Publizität 48 III Rechtswirkungen 46 I 2, 3 einer Straße 11 II 6 a straßenrechtliche 12 IV eines Unternehmens 48 II zweite 45 II 2 Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens 19 vor I, II, 36 III, 41 V 1, 3, 42 III 536
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 39 II, 41 V 3 Wiedergutmachung 3 1 4 allgemeiner Anspruch auf — 53 V, VI 1 wiederholende Verfügung 11 II 4, 19 II, 41 V 3 Willenserklärung 12 IV, 39 II Willkürrechtsprechung 51 Fußn. 44 Wirksamkeit von Verwaltungsakten, s. Verwaltungsakt Wirtschaftsförderung 3 1 4 Wissenserklärungen 33 Wissenschaftsrat 55 III Wohl der Allgemeinheit 1 III 1, 52 II 1, IV 1 b Aufopferung 52 IV 1 b Enteignung 52 II 1 Wohlfahrtsstaat 3 Fußn. 37, 3 I 5, II 3 Zeuge im Verwaltungsverfahren 40 II 2 Zulassungspflicht, gesetzliche 48 Zulassung zur Anstaltsnutzung, Rechtsnatur 44 II Zusage 11 II 4, 40 II 5 Zusicherung 36 III Zuständigkeit 15 I 1 a, 38 I, 56 I, IV 1 instantielle 56 IV 1 örtliche 56 IV 1 sachliche 56 IV 1 Zuständigkeitsregelungen 7 IV 4 c, 56 I Zustellung des Verwaltungsakts, s. Verwaltungsakt Zustellungsurkunde 41 II 6 Zustimmung der Behörde 11 II 5 d, 40 III, 42 III Zwang, sofortiger 20 II 2 e, 3 a unmittelbarer 20 II 1 c Zwangsgeld 20 II 1 Zwangsmitgliedschaft 56 II 2 a Zwangsmittel 20 II Zwangsrechte, Gewässernutzung 47 II Zwangsverfahren 20 II 2 Zweckverband, kommunaler 26, 56 II 2 a, 57 III 2 Zwei-Stufen-Theorie 2 II 3, 44 I Zweitbescheid 11 II 4, 19 I, II, 20 II 3 b, 41 V 3 Zweites Deutsches Fernsehen 55 III
w DE
G
Walter de Gruyter Berlin-New York Sammlung Göschen
H. Coing
Juristische Methodenlehre 73 Seiten. 1972. DM 7,80 (Band 4012)
M. Rehbinder
Rechtssoziologie 189 Seiten. 1977. DM 14,80 (Band 2853)
G. Leibholz
Die Repräsentation in der Demokratie II, 275 Seiten. 1973. DM 12,80 (Band 6001)
H.-G. Koppensteiner/ E. A. Kramer W. Fikentscher
Ungerechtfertigte Bereicherung 218 Seiten. 1975. DM 14,80 (Band 2850)
Schuldrechtspraktikum 223 Seiten. 1972. DM 12,80 (Band 6378)
H. Berg
Übungen im Bürgerlichen Recht 12. Auflage. 203 Seiten. 1976. DM 16,80 (Band 2852)
W. Gerhardt
Vollstreckungsrecht 288 Seiten. 1974. DM 16,80 (Band 8003)
P. Gantzer
Grundbuchordnung 133 Seiten. 1973. DM 12,80 (Band 6003)
D. Eickmann
Konkurs- und Vergleichsrecht 151 Seiten. 1973. DM 12,80 (Band 6002)
A. van Gelder/ W. Leinemann H. Otto
Übungen im Arbeitsrecht IV, 204 Seiten. 1971. DM 9,80 (Band 5006)
Übungen im Strafrecht 211 Seiten. 1974. DM 14,80 (Band 7014)
H. Zlpf
Strafprozeßrecht 2. Auflage. 238 Seiten. 1977. DM 19,80 (Band 2802)
Jescheck/Diinnebier/ Roxin/Tröndle/Peters H. J. Schneider
Probleme der Strafprozeßreform 127 Seiten. 1975. DM 14,80 (Band 2800)
Kriminologie 2. Auflage. 287 Seiten. 1977. DM 14,80 (Band 2804)
H. Müller-Dletz
Strafvol Izugsrecht 2. Auflage. 382 Seiten. 1978. DM 19,80 (Band 2803)
H.-J. Papier
Recht der öffentlichen Sachen 164 Seiten. 1977. DM 16,80 (Band 2900)
G. E. Hubrecht
Das französische Zivilrecht 160 Seiten. 1974. DM 16,80 (Band 8002)
V. Petev
Sozialistisches Zivilrecht 246 Seiten. 1975. DM 19,80 (Band 2851) Preisänderungen vorbehalten
W G DE
Walter de Gruyter Berlin-New York Sammlung Göschen
Hans-Jürgen Papier
Recht der öffentlichen Sachen Klein-Oktav. 164 Seiten. 1977. Kartoniert DM 16,80 (Band 2900) Die doppelte Zuordnung des Rechts der öffentlichen Sachen zum „Allgemeinen" wie zum „Besonderen Verwaltungsrecht" hat nicht selten eine zusammenhängende Darstellung dieser Rechtsmaterie verhindert. Dieser Band versucht, die teilweise recht willkürliche, jedenfalls nicht gerade praxisgerechte Differenzierung aufzulockern, und kann sowohl dem Pflichtfachstudium des „Allgemeinen Verwaltungsrechts" als auch dem Wahlfachstudium des „Besonderen Verwaltungsrechts" (Straßenrecht) dienen. Er wendet sich an die Studierenden, und zwar nicht nur als ein Mittel der erstmaligen Erarbeitung des Rechtsstoffes, sondern auch des Repetierens bei der Examensvorbereitung. Wegen seiner systematischen Ordnung ist er als Grundlage des Selbststudiums geeignet, wobei aber Wert darauf gelegt worden ist, bei praxisrelevanten Fragen kommentarmäßige und deshalb auch zum „Nachschlagen" geeignete Zusammenstellungen und Übersichten zu geben. Schaubilder bieten gerade dem Anfänger Hilfen beim „Einstieg" und sollen ihm die Zusammenhänge eröffnen.
Preisänderung vorbehalten
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Norbert Henke
Walter de Gruyter Berlin-New York Grundzüge des Sozial rechts Erläutert durch praktische Fälle Herausgegeben vom Institut für Sozialrecht der Ruhr-Universität Bochum Oktav. XVIII, 285 Seiten. 1977. Plastik flexibel DM 3 0 , (de Gruyter Lehrbuch) Das Buch wendet sich an Studenten, Fachhochschüler sowie an Praktiker. Sie erhalten einen methodischen und systematischen Zugang zu allen Teilbereichen des Sozialgesetzbuches, wobei die Darstellung praktischer Fälle die Anschaulichkeit entscheidend fördert. Aus den verschiedenen Sozialrechtsbereichen sind Grundfälle gewählt und in schulmäßiger Gedankenführung einer dem gegenwärtigen Recht entsprechenden Lösung zugeführt, so daß der Leser zugleich einen Überblick über den derzeitigen Stand des Sozialrechts gewinnt. Aus dem Inhalt: I. Allgemeiner Teil des Sozialgesetzbuches; II. Ausbildungsförderung; III. Arbeitsförderung; IV. Sozialversicherung; V. Soziale Entschädigung; VI. Zuschuß für eine angemessene Wohnung; VII. Minderung des Familienaufwands; VIII. Jugendhilfe; IX. Sozialhilfe; X. Verfahren und Beziehungen der Leistungsträger zueinander und zu Dritten; XI. Oberblick über den Rechtsschutz im Sozialrecht.
Preisänderung vorbehalten
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Walter de Gruyter Berlin-New York Besonderes Verwaltungsrecht Von Peter Badura (München), Karl Heinrich Friauf (Köln), Gerhard Hoffmann (Marburg), Otto Kimminich (Regensburg), Ingo von Münch (Hamburg), Thomas Oppermann (Tübingen), Dietrich Rauschning (Göttingen), Walter Rudolf (Mainz), Jürgen Salzwedel (Bonn), Georg Christoph von Unruh (Kiel) Herausgegeben von Ingo von Münch 4., neubearbeitete Auflage Groß-Oktav. XXI, 786 Seiten. 1976. Plastik flexibel DM 56,(de Gruyter Lehrbuch) Inhalt: öffentlicher Dienst / Gemeinderecht / Polizei- und Ordnungsrecht / Wehrrecht und Wehrverwaltung / Wirtschaftsverwaltungsrecht / Sozialverwaltungsrecht / Baurecht und Raumordnung / Wege- und Verkehrsrecht / Wasserrecht / Bildung / Wissenschaft / Presse und Rundfunk / Internationales Verwaltungsrecht Beachtlich an diesem Band ist neben dem wissenschaftlichen Niveau die Vergleichbarkeit in Aufbau und Diktion der einzelnen Artikel, so daß dieser Band zu einem durchaus homogenen Werk geworden ist, das gezielt die Kernbereiche der sachlichen Einzelgebiete des Verwaltungsrechts behandelt. Das Werk eignet sich zum systematischen Studium, wie es sich auch zunächst an die Studenten wendet. Es gibt aber auch den Kommunalpolitikern die Möglichkeit, sich gezielt in die rechtlichen Einzelgebiete des kommunalen Verwaltungsaufbaus einzuarbeiten, wie es für die kommunalen Fachleute schon wegen seiner reichhaltigen Literaturangaben als Nachschlagewerk dienen mag. Durchweg werden in den Aufsätzen die neueren Änderungen der Rechtslage behandelt und kritische Durchleuchtungen vorgenommen. Wer sich mit dem gegenwärtigen Rechtsstand vertraut machen und mit den neueren Entwicklungen auseinandersetzen möchte, sei daher auf diesen Band verwiesen." Kommunalpolitische Blätter, Recklinghausen Preisänderung vorbehalten