Allgemeines Verwaltungsrecht [Reprint 2019 ed.] 9783111712321, 9783110049015


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German Pages 534 [540] Year 1975

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Table of contents :
Vorwort
Autoren- und Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis häufig zitierter Schriften
Abkürzungsverzeichnis
ERSTER TEIL. Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat
ZWEITER TEIL. Die Quellen des Verwaltungsrechts
DRITTER TEIL. Das Verwaltungshandeln
VIERTER TEIL. Das Verwaltungsverfahren
FÜNFTER TEIL. Anstaltsnutzung und Nutzung öffentlicher Sachen
SECHSTER TEIL. Das Recht der öffentlichrechtlichen Schadensersatzund Entschädigungsleistungen
SIEBENTER TEIL. Verwaltungsorganisation
Anhang
SACHVERZEICHNIS
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Allgemeines Verwaltungsrecht [Reprint 2019 ed.]
 9783111712321, 9783110049015

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de Gruyter Lehrbuch

Allgemeines Verwaltungsrecht Herausgegeben von Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens bearbeitet von Peter Badura

Fritz Ossenbühl

Hans-Uwe Erichsen

Walter Rudolf

Wolfgang Martens

Wolfgang Rüfner

Ingo von Mündi

Jürgen Salzwedel

Zitiervorsdilag z. B. Badura in Erichsen/Martens Allg.VerwR S. 278

w DE

G 1975

"Walter de Gruyter • Berlin • New York

ISBN 3 11 004901 5 Copyright 1975 by Walter de G r u y t e r & Co., vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . G u t t e n t a g , Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, K a r l J . T r ü b n e r , Veit & C o m p . , 1 Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Ü b e r setzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, M i k r o f i l m oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in G e r m a n y Satz und Druck: Saladruck, 1 Berlin 36 Buchbinderei: Wübben & Co., 1 Berlin 42

Vorwort Das Allgemeine Verwaltungsrecht mit seinen Rechtsinstituten, seinen Grundsätzen und seiner inneren Systematik muß sich an dem Fortgang der Staatsaufgaben und an der Entwicklung der Rechtsformen des Verwaltungshandelns orientieren. Autoren und Herausgeber haben sich das Ziel gesetzt, die damit gestellten Anforderungen zu erreichen. Das Buch ist zuerst auf die Bedürfnisse der Studenten zugeschnitten. Ihnen will es allerdings mehr geben als eine Einführung oder ein Kurzlehrbuch. Auf der anderen Seite bringt es die Absicht, ein Hilfsmittel für Studium und Prüfung zur Verfügung zu stellen, mit sich, daß nach Stoffverarbeitung und Darstellung nicht die Ansprüche eines großen Lehrbuchs oder Handbuchs angestrebt werden. Autoren und Herausgeber haben freilich auch das Ziel verfolgt, durch die selbständige Behandlung des umfangreichen Materials und durch die Auseinandersetzung mit Literatur und Rechtsprechung zur wissenschaftlichen Durchdringung des Allgemeinen Verwaltungsrechts beizutragen und dem Interesse der Praxis an den dogmatischen Grundlagen und Zusammenhängen des Verwaltungsrechts entgegenzukommen. Das Werk ist eine Gemeinschaftsarbeit. Autoren und Herausgeber war von Anbeginn klar, daß die Gesamtdarstellung des Allgemeinen Verwaltungsrechts durch mehrere Autoren ein Wagnis ist. Diese Überzeugung hat sich im Verlauf der Entstehung des Werkes bestätigt und noch verstärkt. Sie hoffen aber, daß es — bei aller Unterschiedlichkeit der acht Autoren in einzelnen Standpunkten — gelungen ist, ein Werk zustande zu bringen, das durch die Verbindung systematischen Vorgehens mit eingearbeiteten Fällen und Beispielen sowohl eine Veranschaulichung der Fragestellungen und Probleme des Allgemeinen Verwaltungsrechts als auch eine wissenschaftliche Fundierung dieses Rechtsgebiets fördern kann. Jeder Autor trägt für seinen Beitrag die alleinige Verantwortung. Der 3. Teil des Lehrbuchs über das Verwaltungshandeln ist von den Herausgebern gemeinsam erarbeitet worden, wobei die Verantwortung für die §§ 10 II 1—4 und 7, 11, 17 21—32 bei Hans-Uwe Erichsen und für die §§ 10 I, II 5 und 6, 12—16, 18—20, 33—35 bei Wolfgang Martens liegt. Die wichtigsten Grundsätze des Allgemeinen Verwaltungsrechts haben Eingang in den Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes gefunden. Dieser Entwurf, dessen Regelungen das Lehrbuch in besonderem Maße berücksichtigt, ist daher als Anhang abgedruckt. Die Autoren sind überzeugt, daß auf diese Weise den Studierenden der Zugang zum Verwaltungsrecht wesentlich erleichtert wird.

VI

Vorwort

Margarete Glock, Bärbel Kaiser-Schuhe, Angelika Keil, Annemarie Kleynmans, Annegret Nagel, Rainer Hegenbarth, Falko Jeuthe, Dr. Reiner Klenke, Otto B. Ludof, Karlheinz Lenkaitis, Heinz-Gerd Sokolish; frühere oder gegenwärtige Mitarbeiter des Lehrstuhls für öffentliches Recht I an der Ruhr-Universität Bodium, haben an der technischen Herstellung und Vereinheitlichung des Manuskripts entscheidenden Anteil gehabt. Dafür und für manche sachliche Anregung zum Beitrag der Herausgeber sei ihnen auch an dieser Stelle herzlich gedankt. Für Kritik und Anregungen sind Autoren und Herausgeber dankbar.

Autoren- und Inhaltsübersicht Dr. Ingo von Münch

o. Professor an der Universität Hamburg Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat 1 Dr. Fritz Ossenbühl

o. Professor an der Universität Bonn Die Quellen des Verwaltungsrechts

51

Dr. Hans-Uwe Erichsen

o. Professor an der Universität Bochum

Dr. Wolfgang Martens

o. Professor an der Universität Hamburg Das Verwaltungshandeln

115

Dr. Peter Badura

o. Professor an der Universität München Das Verwaltungsverfahren

233

Dr. Jürgen Salzwedel

o. Professor an der Universität Bonn Anstaltsnutzung und Nutzung öffentlicher Sachen

299

Dr. Wolfgang Rüfner

o. Professor an der Universität Kiel Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen

355

Dr. Walter Rudolf

o. Professor an der Universität Mainz Verwaltungsorganisation

413

Inhaltsverzeichnis Verzeichnis häufig ziterter Schriften

XIX

Abkürzungsverzeichnis

XXI

ERSTER TEIL Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat

1

§ 1 Begriff der öffentlichen Verwaltung

1

I. Allgemeine Umschreibung des Begriffs öffentliche Verwaltung II. Abgrenzung von Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung . . III. Merkmale der öffentlichen Verwaltung § 2 Arten der öffentlichen Verwaltung I. Möglichkeiten der Unterteilung II. Hoheitliche Verwaltung 1. Unterscheidung öffentliches Recht — Privatrecht 2. Eingriffsverwaltung 3. Leistungsverwaltung 4. Planende Verwaltung III. Fiskalische Verwaltung 1. Begriff der fiskalischen Verwaltung 2. Arten der fiskalischen Verwaltung § 3 Verfassung und Verwaltung I. Grundprinzipien der Verfassung: Bundesstaat, Demokratie, Sozialstaat, Rechtsstaat 1. Politische Bedingtheit des Verwaltungsrechts 2. Bundesstaat 3. Demokratie 4. Sozialstaat 5. Rechtsstaat II. Bindung und Freiheit der Verwaltung 1. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 2. Verwaltung und Grundrechte 3. Politische oder unpolitische Verwaltung § 4 öffentliche Verwaltung im technischen Zeitalter I. Automation II. Datenverarbeitung

1 3 5 10 10 13 13 18 19 22 23 23 24 27 27 27 29 30 34 39 40 40 41 46 48 48 49

X ZWEITER

Inhaltsverzeichnis TEIL

Die Quellen des Verwaltungsrechts

51

§ 5 Verwaltung und Recht I. Bedeutung des Rechts f ü r die Verwaltung II. Gesetzmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Verwaltung

51 51 53

§ 6 Rechtsquelle und Rechtsnorm I. Der Begriff der Rechtsquelle II. Der Begriff der Rechtsnorm 1. Der historisch-konventionelle Rechtssatzbegriff 2. Der rechtstheoretische Rechtssatzbegriff III. Aufgaben der Rechtsquellenlehre

57 58 59 59 60 60

§ 7 Arten der Rechtsquellen I. Verfassungsgesetze II. Gesetze 1. Begriff des Gesetzes 2. Gegenwärtige Problematik der (förmlichen) Gesetze 3. Kodifikationsproblem III. Reditsverordnungen 1. Begriff und Funktion 2. Verhältnis von Gesetz und Verordnung 3. Verordnungsgeber 4. Verfahren IV. Verwaltungsvorschriften 1. Begriff und Terminologie 2. Typologie der Verwaltungsvorschriften 3. Rechtsnatur 4. Bindungswirkung 5. Reditserzeugung V. Sonderverordnungen 1. Begriff 2. Problematik VI. Satzungen 1. Begriff und Funktion 2. Abgrenzung zu verwandten Rechtsquellen 3. Inhalt der Satzungen 4. Rechtserzeugung VII. Gewohnheitsrecht 1. Die herkömmliche Lehre und Rechtsprechung 2. Neuere Ansätze einer Negation des Gewohnheitsrechts VIII. Richterrecht 1. Das Problem 2. Auffassungen in Lehre und Rechtsprechung 3. Lösungsansätzc IX. Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits 1. Begriff 2. Beispiele 3. Reditsnatur

61 62 63 63 65 66 67 67 68 71 73 73 73 74 75 76 81 82 82 83 85 85 86 88 90 90 90 92 93 94 94 96 99 99 99 100

Inhaltsverzeichnis X . Europäisches Gemeinschaftsrecht 1. Grundlagen 2. Normschiditen und Normkategorien 3. Fundstellen XI. Völkerrecht

XI 102 103 105 105 105

§ 8 Rangordnung der Rechtsquellen I. Notwendigkeit der Rangordnung II. Völkerrecht und innerstaatliches Recht III. Europäisches Gemeinschaftsrecht und innerstaatliches Recht 1. Europäisches Gemeinschaftsrecht und innerstaatliche Gesetze . . . . 2. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Grundrechte IV. Stufen der innerstaatlichen Rechtsordnung

106 106 107 107 117 108 109

§ 9 Geltungsbereich der Rechtsquellen I. Zeitlicher Geltungsbereich 1. Inkrafttreten 2. Außerkrafttreten 3. Rüdewirkung 4. Fortgelten vorkonstitutionellen Rechts II. Räumlicher Geltungsbereich III. Persönlicher Geltungsbereich

111 111 111 111 112 113 113 114

DRITTER TEIL Das Verwaltungshandcln § 10 Verwaltungshandeln und Verwaltungsrechtsverhältnis I.Übersicht II. Das Verwaltungsrechtsverhältnis 1. Die Begründung von Verwaltungsrechtsverhältnissen 2. Die Rechtsfähigkeit 3. Die verwaltungsrechtliche Handlungsfähigkeit 4. Der Inhalt von Verwaltungsrechtsverhältnissen 5. Die subjektiven öffentlichen Rechte 6. Die Nachfolge im Verwaltungsrechtsverhältnis 7. Die Beendigung des Verwaltungsrechtsverhältnisses 1. Abschnitt: Der Verwaltungsakt

115 115 116 116 117 118 121 123 125 127 129

§ 1 1 Bedeutung und Begriff des Verwaltungsaktes I. Geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung II. Die einzelnen Merkmale der Definition des Verwaltungsakts 1. Die Maßnahme 2. Die Behörde 3. Die Gebietsklausel 4. Die Regelung 5. Die unmittelbare Rechtswirkung nach außen 6. Der Einzelfall

129 129 132 132 133 135 136 138 142

§ 12 Arten der Verwaltungsakte I. Befehlende, gestaltende und feststellende Verwaltungsakte 1. Befehl

146 146 146

XII

Inhaltsverzeichnis 2. Gestaltung 3. Feststellung II. Gebundene Verwaltungsakte, Ermessensakte und freie Verwaltungsakte 1. Gebundene Verwaltungsakte 2. Ermessensakte 3. Gesetzesfreie Verwaltungsakte III. Begünstigende und belastende Verwaltungsakte; Verwaltungsakte mit Drittwirkung 1. Begünstigende und belastende Verwaltungsakte 2. Verwaltungsakte mit Drittwirkung IV. Mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakte

146 147 147 147 151 157 157 157 158 160

§ 13 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes

161

§ 14 Nebenbestimmungen I. Arten 1. Befristung, Bedingung und Widerrufsvorbehalt 2. Auflage und Auflagenvorbehalt II. Zulässigkeit

162 162 162 163 164

§15

165 166 166 167 169 169 170 172

Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten I. Der rechtmäßige Verwaltungsakt 1. Zuständigkeit, Verfahren, Form 2. Inhaltliche Anforderungen II. Der rechtswidrige Verwaltungsakt 1. Begriffliche Abgrenzung 2. Rechtsfolgen der Reditswidrigkeit 3. Teilrechtswidrigkeit

§ 16 Aufhebung von Verwaltungsakten durch die Verwaltung — Einführung

174

§ 1 7 Die Aufhebung rechtmäßig erlassener Verwaltungsakte I. Notwendigkeit des Widerrufs II. Der Widerruf belastender Verwaltungsakte III. Der Widerruf begünstigender Verwaltungsakte 1. In Rechtsprechung, Literatur und EVwVfG 1973 2. Kritik

175 175 176 177 177 180

§18

Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte I. Vom Grundsatz freier Rücknahme zum Vertrauensschutz II. Rücknahme für die Zukunft und rückwirkende Rücknahme III. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch

182 182 184 186

§ 19 Rücknahme rechtswidriger belastender Verwaltungsakte I. Die Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens II. Der Rechtsschutz des Betroffenen

188 188 190

§ 20 Vollstreckung von Verwaltungsakten I. Vollstreckung von Geldforderungen II. Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen . . . .

191 192 194

2. Abschnitt: Plan und Planung

197

§ 21 Gegenwärtige Bedeutung

197

Inhaltsverzeichnis

XIII

§ 22 Der Plan als Handlungsform

199

§ 23 Planänderung und Plangewährleistung

201

3. Abschnitt: Verwaltungsrechtlicher Vertrag und sonstige verwaltungsreditlidie Sonderverbindungen 204 § 24 Begriff und Arten des verwaltungsrechtlichen Vertrages

204

§ 25 Die Zuordnung eines Vertrages zum öffentlichen Recht I. Die Notwendigkeit der Unterscheidung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag II. Untersdieidungskriterien III. Der gemischt öffentlich-rechtlich/privatrechtliche Vertrag IV. Der öffentlich-rechtliche Vertrag unter Privaten

204 204 205 207 208

§ 26 Der koordinationsreditlidie Vertrag

208

§ 27 Der subordinationsrechtliche Vertrag I. Die Zulässigkeit des subordinationsreditlidien Vertrages II. Die Abschlußfreiheit III. Die Freiheit inhaltlicher Gestaltung IV. Der fehlerhafte subordinationsrechtliche Vertrag

209 209 210 212 215

§28 Vertragserfüllung

218

§ 29 Die Vollstreckung aus subordinationsreditlidien Verträgen

219

§ 30 Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse I. Das verwaltungsrechtliche Verwahrungsverhältnis

220 221

II. Die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag

222

4. Abschnitt: Handeln der Verwaltung in privatreditlichen Formen

225

§ 31 Freiheit der Formenwahl

225

§ 32 Bindung der Verwaltung beim Handeln in privatreditlichen Formen . . . . 5. Abschnitt: Der Verwaltungs-Realakt § 33 Begriff und Bedeutung §34 Rechtliche Einordnung § 35 Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit

226 228 228 229 230

VIERTER TEIL Das Verwaltungsverfahren

233

§ 36 Rechtsquellen und Literatur I. Rechtsquellen II. Das Kodifikationsproblem III. Der Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (EVwVerfG 1963) und die seitherige Entwicklung V. Ausland § 37 Was ist das Verwaltungsverfahren? I. Verwaltungsverfahren, Verwaltungsverfahrensrecht und Allgemeines Verwaltungsrecht

233 233 234 238 240 241 241

XIV

Inhaltsverzeichnis II. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens III. Nichtförmliche und förmliche Verwaltungsverfahren IV. Typischer Ablauf eines Verwaltungsverfahrens

243 243 244

§ 38 Die Zuständigkeit zur Entscheidung I. Die Behörde II. Unparteilichkeit der Amtsführung und Ausschluß wegen Befangenheit III. „Partizipation" an Verwaltungsentscheidungen

245 245 246 248

§ 39 Die Einleitung des Verwaltungsverfahrens I. Beginn des Verfahrens von Amts wegen oder auf Antrag II. Der Antrag III. Antrags- und mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt

249 249 250 251

§ 40 Das Verfahren vor der Entscheidung I. Die Beteiligten II. Die Verfahrensgrundsätze 1. Untersuchungsgrundsatz, Mitwirkungspflicht der Beteiligten . . . . 2. Beweisaufnahme 3. Das Recht auf Gehör 4. Akteneinsicht 5. Auskunfts- und Beratungspflidit der Behörde 6. Grundsätze der Rechtsanwendung III. Die Mitwirkung anderer Behörden oder Verwaltungsträger IV. Die Amtshilfe

252 252 253 253 254 255 256 258 259 260 263

§ 41 Die Entscheidung I. Der Verwaltungsakt als Bescheid II. Form und Inhalt des Verwaltungsaktes 1. Form Vorschriften 2. Automatisierte Bescheide 3. Begründung und Begründungszwang 4. Rechtsmittelbelehrung 5. Inhalt, Auslegung und Bestimmtheit des Verwaltungsaktes 6. Bekanntgabe und Zustellung des Verwaltungsaktes 7. Vorbescheid III. Bedeutung und Heilung von Verfahrensmängeln IV. Nachschieben von Gründen und Konversion V. Die Bestandskraft des Verwaltungsaktes 1. Bestandskraft oder Rechtskraft? 2. Berichtigung von Verwaltungsakten 3. Wiederaufgreifen eines abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens, wiederholende Verfügung und Zweitbescheid, Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten

264 264 266 266 267 271 272 273 275 277 278 282 283 283 286

§ 42 Das Planfeststellungsverfahren I. Grundlagen des Planfeststellungsrechts II. Besonderheiten des Verfahrens III. Der Planfeststellungsbeschluß

290 290 293 295

286

Inhaltsverzeidinis FÜNFTER

XV

TEIL

Anstaltsnutzung und Nutzung öffentlicher Sachen

299

§ 43 Zwei Formen der Inanspruchnahme von Daseinsvorsorge

299

§ 44 Die Anstaltsnutzung I. öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Nutzungsordnung II. Zulassung zur Benutzung III. Benutzung und Sonderbenutzung, Benutzungsordnung IV. Rechtsschutz f ü r die Benutzer V. Benutzungsgebühren und Entgelte VI. Haftung der Anstalt

301 301 305 306 309 312 314

§ 45 Begriff der öffentlichen Sache I. öffentlich-rechtliches Regime II. Widmung III. öffentliches Sachenrecht als Statusrecht IV. öffentliche Sache und Verwaltungsvermögen

316 317 319 320 321

§ 46 öffentliche Sachen im Gemeingebrauch I. Beteiligte II. Individuelles Recht auf Gemeingebrauch III. Sondernutzungen IV. Eigentum und Kontrahierungszwang V. Anlieger VI. Verkehrssicherungspflicht VII. Enteignungsverfahren

321 322 325 329 333 334 334 336

§ 47 öffentliche Sachen im Sondergebrauch I. Widmung II. Eigentum und Duldungspflichten III. Wasserrechtliches Nachbarrecht IV. Erlaubnis und Bewilligung V. Rücknahme und Widerruf VI. Polizeiliche Befugnisse VII. Verkehrsgebrauch und wasserwirtschaftliche Benutzung

337 338 339 341 342 343 345 346

§ 48 öffentliche Sachen im Anstaltsgebrauch I. Verhältnis des Anstalts- zum Sachenrecht II. Umfang der sachenrechtlichen Widmung von Anstaltsgegenständen III. Schutz vor Zweckentfremdung und Mindestanforderungen an Publizität IV. Notwendige Widmung

347 348 349

§ 49 öffentliche Sachen im Verwaltungsgebraudi

351

SECHSTER

350 351

TEIL

Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und stungen § 50 Einleitung

Entsdiädigungslei355 355

XVI

Inhaltsverzeichnis

§ 51 Amtshaftung 359 I. Grundlagen 359 1. Geschichtliches 359 2. Das geltende Recht 361 II. Amtshaftung wegen Verletzung von Amtspflichten im öffentlichrechtlichen Rechtskreis 362 1. Anspruchsgegner 362 2. Der Begriff des Beamten 365 3. Die Amtspflicht gegenüber einem Dritten 366 4. Das Verschulden 369 5. Mitverschulden und Versäumung eines Rechtsmittels 372 III. Amtshaftung wegen Verletzung einer Amtspflicht im privatrechtlichen Rechtskreis 372 1. Die H a f t u n g des Beamten 372 2. Die H a f t u n g des Dienstherrn 373 IV. Art und H ö h e des Schadensersatzes 373 § 52 Enteignung und Aufopferung I. Grundlagen 1. Geschichtliche Entwicklung 2. Das geltende Recht II. Die rechtmäßige Enteignung im einzelnen 1. Zulässigkeitsvoraussetzungen 2. Der Tatbestand der Enteignung 3. Die Entschädigung III. Der enteignungsgleiche Eingriff 1. Der Tatbestand 2. Die Entschädigung IV. Die Aufopferung 1. Der Tatbestand 2. Die Entschädigung

374 374 374 376 378 378 379 383 387 387 392 395 395 398

§ 53 Ergänzungen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsrechts durch besondere Normen I. Sonderbestimmungen des Polizeirechts II. Entschädigung bei Widerruf oder Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte III. Soziale Entschädigung IV. Schadensersatzansprüche aus verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen V. Der Folgenbeseitigungsanspruch VI. De lege lata diskutierte Ansprüche 1. Der allgemeine öffentlidi-reditliche Wiedergutmachungsanspruch 2. Die öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung 3. Der Plangewährleistungsanspruch

401 404 408 408 408 410

§ 54 Reform des öffentlich-rechtlichen Schadensersatzredits I. Reform des Enteignungsrechts II. Reform des Staatshaftungsrechts

410 410 411

und

399 399 400 400

Entsdiädigungs-

Inhaltsverzeichnis SIEBTER

XVII

TEIL

Verwaltungsorganisation

413

§ 55 Grundlagen der gegenwärtigen Verwaltungsorganisation I. Bedeutung der Organisation II. Geschichtliche Entwicklung der Verwaltungsorganisation 1. Landesverwaltung 2. Reichsverwaltung III. Verfassungsrechtliche Grundlagen

413 413 414 415 419 420

§ 56 Organisationsrecht I. Organisationsgewalt der Verwaltung II. Verwaltungsträger 1. Unmittelbare und mittelbare staatliche Verwaltung 2. Juristische Personen des öffentlichen Rechts 3. Sonstige Verwaltungsträger III. Behörden und sonstige Verwaltungsstellen 1. Amt und Behörde 2. Sonstige Verwaltungsstellen IV. Institutionelle Beziehungen in der Verwaltung 1. Zuständigkeit 2. Beziehungen innerhalb eines Verwaltungsträgers 3. Beziehungen zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern

423 423 425 426 428 432 434 435 440 441 442 444 447

§ 57 Uberblick über die Verwaltungsorganisation Gemeinden I. Bundesverwaltung 1. Unmittelbare Bundesverwaltung 2. Bundesmittelbare Verwaltung II. Landesverwaltung 1. Unmittelbare Landesverwaltung 2. Mittelbare Landesverwaltung III. Kommunalverwaltung 1. Gemeindeverwaltung 2. Verwaltung der Gemeindeverbände

in Bund, Ländern

und 448 448 448 451 452 453 455 455 456 459

Anlage 1

461

Anlage 2

462

Anlage 3

463

Anhang (Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG))

465

Sachverzeichnis

491

Verzeichnis häufig zitierter Schriften

Bachof, Rspr. BVerwG I, II

Otto Bathof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Bd. I, 3. Auflage 1966; Bd. II 1967

BK

Kommentar zum Bonner Grundgesetz — Bonner Kommentar — Loseblattkommentar, Stand: 32. Lieferung 1974

Eyermann/Fröhler, VwGO

Erich Eyermann/Ludwig Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 6. Auflage 1974

Forsthoff, VwR

Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsredits, Bd. 1, Allgemeiner Teil, 10. Auflage 1973

Hamann/Lenz, GG

Andreas Hamann / Helmut Lenz, Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, Kommentar, 3. Auflage 1970

Hesse, VerfR

Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 7. Auflage 1974

W. Jellinek, VwR

Walter Jellinek, Verwaltungsredit, S.Auflage 1931, Neudruck 1966

v. Mangoldt/Klein, GG

Hermann v. Mangoldt / Friedrich Klein, Das Bonner Grundgesetz, Kommentar, 3 Bde., Bd. I, II, 2. Auflage 1966, Bd. III 1974

Maunz/Dürig/Herzog, GG

Theodor Maunz/Günter D ü r i g / R o m a n Herzog, Grundgesetz, (Loseblatt-)Kommentar, Stand: 13. Lieferung 1974

Maunz, StaatsR

Theodor Maunz, Deutsches Staatsrecht, Studienbuch, 19. Auflage 1973

O. Mayer, VwR I, II

Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 2 Bde., 3. Auflage 1924, Neudruck 1969

XX

Schriftenverzeichnis

I. v. Münch, Übungsfälle

Ingo von Münch, Übungsfälle zum Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Völkerrecht, 4. Auflage 1972

I. v. Münch, Bes. VwR

Ingo von Münch (Herausgeber), Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Auflage 1972

Redeker/v. Oertzen, VwGO

Konrad Redeker/H.-J. von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 4. Auflage 1971

Schunck/de Clerck, VwGO

Egon Schunck/Hans de Clerck, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 2. Auflage 1967

Stein, StaatsR

Ekkehart Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, 3. Auflage 1973

Ule, VerwGbarkeit

Carl Hermann Ule, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2. Auflage 1962

Ule, VerwprozeßR

Carl Hermann Ule, Verwaltungsprozeßrecht, Studienbuch, 5. Auflage 1971

Wolff/Badiof, VwR I

Hans J. Wolff/Otto Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, Studienbuch

Wolff, VwR II, III

Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, 3. Auflage 1970; Verwaltungsrecht III, 3. Auflage 1972, Studienbücher

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. AbfG AbgO, A O ABl. abl. Abs. abw. AcP AFG a. E. AG AGVwGO ALR a. M. AmtsO Anh. Anl. Anm. AöR AO Art. AS AtomG Aufl. AuslG AVG AWD B, Bl. BABl. Bachof, Rspr. BVerwG BadWürttVGH BauNVO BauO BauR

anderer Ansicht am angegebenen Ort Abfallbeseitigungsgesetz vom 7. 6.1972 (BGBl. I S. 873) (Reichs) Abgabenordnung i. d. F. vom 22. 5.1931 (RGBl. I S. 161) Amtsblatt ablehnend Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis Arbeitsförderungsgesetz vom 28. 6.1969 (BGBl. I S. 582) am Ende Aktiengesellschaft, Ausführungsgesetz Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 anderer Meinung Amtsordnung Anhang Anlage Anmerkung Archiv des öffentlichen Redits vgl. AbgO Artikel Amtliche Sammlung Gesetz über die friedliche Anwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) vom 23.12. 1959 (BGBl. I S. 814) Auflage Ausländergesetz vom 28. 4. 1965 (BGBl. I S. 353) Angestelltenversicherungsgesetz i. d. F. vom 16.10. 1972 (BGBl. I S. 1965) Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Blatt Bundesarbeitsblatt Otto Bachof, Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg V O über die bauliche Nutzung der Grundstücke i. d. F. v. 26.11. 1968 (BGBl. I S. 1237) (Baunutzungsverordnung) Bauordnung Baurecht, Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht

XXII Ba-Wü. BaWüVBl. BayBauO BayBS BayEDVG BayGemO (BayGO) BayJagdG BayVBl. (BayVerwBl.) BayVerfGH BayVGH (BayVGHE) BayObLGZ BayWG BB BBahnG BBankG BBauG BBG Bd. BEG

Begr. Bek. bes. Bes. VerwR Betr. betr. BezO BezVerwG BFernStrG (BFStrG, FStrG) BFH BGB BGBl. BGH BGHZ BGSG BHO BImSchG

BNotO

Abkürzungsverzeidinis Baden-Württemberg Baden-Württembergisches Verwaltungsblatt Bayer. Bauordnung i. d. F. vom 21. 8. 1969 (GVBl. S. 263) Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts Gesetz über die Organisation der elektronischen Datenverarbeitung im Freistaat Bayern vom 12. 10.1972 (GVBl. S. 457) Gemeindeordnung f ü r den Freistaat Bayern i. d. F. vom 14. 12. 1970 (GVBl. 1971 S. 13) Bayerisches Jagdgesetz v. 12. 11.1958 (GVBl. S. 321) Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof; Amtliche Sammlung von E n t Scheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Zivilsachen) Bayerisches Wassergesetz i. d. F. vom 7 . 1 2 . 1 9 7 0 (GVBl. 1971 S. 41) Der Betriebs-Berater Bundesbahngesetz i. d. F. vom 13.12.1951 (BGBl. I S. 955) Bundesbankgesetz i. d. F vom 26. 7. 1957 (BGBl. I S. 745) Bundesbaugesetz v. 23. 6.1960 (BGBl. I S. 341) Bundesbeamtengesetz i. d. F. v. 17. 7. 1971 (BGBl. I S. 1181) Band Bundesgesetz zur Entschädigung f. O p f e r d. nationalsoz. Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz) i. d. F. v. 29. 6.1954 (BGBl. I S. 559, 562) Begründung Bekanntmachung besonders Besonderes Verwaltungsrecht Der Betrieb betreffend Bezirksordnung Bezirksverwaltungsgericht Bundesfernstraßengesetz i. d. F. v o m 6. 8.1961 (BGBl. I S. 1742) Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch v. 18. 8. 1896 (RGBl. S. 195) Bundesgesetzblatt, Teile I und II 1951 ff., Teil III 1958 ff. Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Gesetz über den Bundesgrenzschutz i. d. F. v. 18.8.1972 (BGBl. I S. 1834) Bundeshaushaltsordnung i. d. F. v. 19. 8.1969 (BGBl. I S. 1284) Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundesimmissionsschutzgesetz) v o m 15. 3. 1974 (BGBl. 1974 I S. 721) Bundesnotarordnung i. d. F. vom 24. 2. 1961 (BGBl. I S. 989)

Abkürzungsverzeichnis BPersVertrG BRat brit. Mil. Reg. BRRG BRS BSeudiG BSG BSGE BSHG BStBl. BT BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BVFG (BVG) BW (Ba-Wü., Bad-Württ.) BWahlG BWaStrG, BWassStrG BW-VB1. bzw.

XXIII

Bundespersonalvertretungsgesetz i. d. F. vom 5. 8. 1955 (BGBl. I S. 477) Bundesrat britisdie Militärregierung Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Beamtenrechtsrahmengesetz) i. d. F. vom 17. 7. 1971 (BGBl. I S. 1025) Baurechtssammlung Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen v. 18. 7.1961 (BGBl. I S. 1012) Bundessozialgericht (Entscheidungen des BSG) Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessozialhilfegesetz v. 18. 9. 1969 (BGBl. I S. 1688) Bundessteuerblatt Bundestag Drucksache des Deutschen Bundestages (Wahlperiode und Nummer) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Gesetz über das Bundesverfassungsgericht i. d. F. vom 3. 2. 1971 (BGBl. I S. 105) Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Ges. ü. d. Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz) i. d. F. v. 23. 10. 1961 (BGBl. I S. 1883) Baden-Württemberg Bundeswahlgesetz v. 7. 7.1972 (BGBl. I S. 1100) Gesetz ü. d. vermögensrechtlichen Verhältnisse d. Bundeswasserstraßen v. 21. 5. 1951 (BGBl. I S. 352) Baden-Württ. Verwaltungsblatt beziehungsweise

DAAD DDR ders. Der Staat Dez. d. h. Diss. DJT DÖV DRZ DStR DVBl. DVR

Deutscher Akademischer Austauschdienst Deutsche Demokratische Republik derselbe Zeitschrift „Der Staat" Dezember das heißt Dissertation Deutscher Juristentag Die öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Deutsches Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt Datenverarbeitung im Recht

E

Entscheidung; Amtliche Sammlung der Entscheidungen des da vorgenannten Gerichts Europäische Atomgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) vom 25. 3.1957 (BGBl. II, S. 1014)

EAG EAGV

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

EDV EGBGB EKGS EGKSV

EheG Einl. EinlALR Erl. EStG ESVGH etc. EuGH EuR Ev. EvStL EVwVerfG 1963 EVwVfG 1970 EVwVfG 1973 EWG EWGV f. FeuerbG ff. Fg. FinVwG

Elektronische Datenverarbeitung Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch v. 18.8.1896 (RGBl. S. 604) Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montan-Union) vom 18.4.1951 — BG v. 29.4.1952 (BGBl. II, S. 445) Ehegesetz v. 20. 2.1946 ( = K R G N r . 16 ABlKR S. 77) Einleitung Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht Erläuterung Einkommensteuergesetz i. d. F. vom 5. 9. 1974 (BGBl. I S. 2165) Entscheidungssammlung des Hess, und des Württemberg-Badischen Verwaltungsgeriditshofes und so weiter Europäischer Gerichtshof Europarecht Evangelisch Evangelisches Staatslexikon, 1. Aufl. Stuttgart, Berlin 1966 Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, 1964, 2. Aufl. 1968 Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (Bundestags-Drucks. VI/1173) Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (Bundestags-Drucks. 7/910) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag über die Europäische Wirschaftsgemeinschaft vom 25.3.1957 (BGBl. II, S. 766)

FleisdibeschauG FlurBG F N (Fn.) Fs. FStrG

folgende (Seite) Gesetz über die Feuerbestattung v. 15. 5. 1934 (RGBl. I S. 380) folgende (Seiten) Festgabe Finanzverwaltungsgesetz i. d. F. vom 6. 8. 1950 (BGBl. I S. 448) in der Neufassung durch Art. 5 Gesetz vom 30.8.1971 (BGBl. I S. 1426) Fleischbesdiaugesetz i. d. F. v. 15. 3. 1960 (BGBl. I S. 186) Flurbereinigungsgesetz vom 14. 7. 1953 (BGBl. I S. 591) Fußnote Festschrift sh. BFernStrG

G GastG GBl. GBO gem. GemTag GeschO GewArch

Gesetz(e) Gaststättengesetz v. 5. 5.1970 (BGBl. I S. 465) Gesetzblatt Grundbuchordnung i. d. F. vom 5. 8. 1935 (RGBl. I S. 1073) gemäß Zeitschrift „Der Gemeindetag" Geschäftsordnung Gewerbearchiv

.

Abkürzungsverzeichnis GewO GG ggf. GGO II GjS GmbH GMBl. GO GoA GSNW GüKG GS GVBl. (GVOBl.) GVG GVNW GWB Hamb. HambOVG HandwO HaushaltsgrundsätzeG (HGrG) HdbDStR (HDStR) Hess. HessSOG

XXV

Gewerbeordnung i. d. F. d. Bek. v. 26. 7.1900 (RGBl. S. 871) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 in der Fassung des Einunddreißigsten Änderungsgesetzes vom 28. Juli 1972 (BGBl. I S. 1305) gegebenenfalls Besonderer Teil der gemeinsamen Gesdiäftsordnung der Reichsministerien (Bundesministerien) Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Sdiriften i. d. F. v. 29. 4. 1961 (BGBl. I S. 498) Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeinsames Ministerialblatt Gemeindeordnung Geschäftsführung ohne Auftrag Sammlung des bereinigten Landesrechts von Nordrhein-Westfalen (bis 1956) Güterkraftverkehrsgesetz i. d. F. v. 22.12.1969 (BGBl. I S. 2) Gesetzes-Sammlung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz v. 12. 9. 1950 (BGBl. S. 513) Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Nordrhein-Westfalen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. vom 4. 4. 1974 (BGBl. I S. 870)

HessVGH HGrG h. M. HodiSchG Hrsg. HRRVwR Hs. HSchG

Hamburg Hamburgisdies Oberverwaltungsgericht Handwerksordnung i. d. F. vom 28. 12. 1965 (BGBl. 1966 I S. 1) Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder v. 19. 8. 1969 (BGBl. I S. 1273) Handbuch des Deutschen Staatsrechts, herausgegeben von G. Anschütz und R. Thoma, Bd. I 1930, Bd. II 1932 Hessen Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung von 1964 i. d. F. vom 26.1.1972 (SaBl. 412) Hessischer Staatsgerichtshof Gemeindeordnung des Landes Hessen i. d. F. vom 1. 7. 1960 (GVBl. S. 103) Hessischer Verwaltungsgerichtshof sh. HaushaltsgrundsätzeG herrschende Meinung Hochschulgesetz Herausgeber Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht Halbsatz Hodischulgesetz

ibid. i. d. F. i. d. R. i. S.

ibidem (lat. = ebenda) in der Fassung in der Regel im Sinne

HessStGH H G O (HessGO)

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

i. V. m. JA Jahrb. Jan. JGG JIR JöR JR Jurjb. JuS JW JZ

in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrbudi Januar Jugendgerichtsgesetz i. d. F. d. Bek. v. 1. 3.1973 (BGBl. I S. 149) Jahrbudi für Internationales Recht Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Rundschau Juristen-Jahrbuch Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

KAG (KAbgG, KommAbgG) KG KGAG KgfEG

Kommunalabgabengesetz

KomHdb. KommZGBay. KomWG N W KreuzG KrO KreisreformG KSchG KStG KStZ KSVG LAG LBauO LG LKO LM LOG N W LS LuftVG LVbO LVwG LVwG (Schl.-Holst.) LWG LWGNW

Kammergericht sh. KAG Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz i. d. F. vom 2.9.1971 (BGBl. I S. 1545) Handbudi der kommunalen Wissenschaft und Praxis, hrsg. von Hans Peters, 3 Bde., 1956 f. Gesetz u. d. Kommunale Zusammenarbeit v. 12.7. 1966 (GVBI. S. 218) Gesetz über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen i. d. F. v. 22. 7. 1974, GVBI. S. 665 Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Kreuzungsgesetz) i. d. F. vom 21. 3.1971 (BGBl. I S. 337) Kreisordnung Kreisreformgesetz Kündigungsschutzgesetz i. d. F. v. 25. 8. 1969 (BGBl. I S. 1317) Körperschaftssteuergesetz i. d. F. v. 24. 5. 1965 (BGBl. I S. 450) Kommunale Steuerzeitsdirift Kommunalselbstverwaltungsgesetz Lastenausgleichsgesetz i. d. F. vom 1.10. 1969 (BGBl. I S. 1909) Landesbauordnung Landgericht Landkreisordnung Lindenmaier-Möhring Landesorganisationsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10. 7.1962 (GVBI. S. 421) Leitsatz Luftverkehrsgesetz i. d. F. v. 4.11.1968 (BGBl. I S. 1113) Landschaftsverbandsordnung Landesverwaltungsgesetz f. Schl.-Holst. vom 18. 4.1967 (GVBI. S. 131) Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein v. 18. 4.1967 (GVBI. S. 131) Landeswohnungsgesetz Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. 5.1962 (GV N W S. 235)

Abkürzungsverzeichnis MDR MenschRKonv. Mill. m. w. N . MRVO Nds., N d „ Ns., N S NdsGemO Nds. SOG NJW Nr. NR, NRW, N W o. ä. OBG N W ÖR DVD OLG OVG OVGE

OWiG PartG PersBefG (PBefG) PolG PostVG Pr. PrOVGE PStG PVG RAO

XXVII

Monatsschrift für deutsches Recht Konvention über Menschenrechte v. 4.11.1950 (BGBl. 1952 II, S. 686) Million(en) mit weiteren Nachweisen Militärregierungsverordnung Niedersachsen, niedersächsisch Niedersädisische Gemeindeordnung v. 1955 i. d. F. v. 27. 10. 1971 (GVB1. S. 321) niedersächsisches Gesetz ü. d. öffentliche Sicherheit u. Ordnung v. 21. 3.1951 (GVBl. Sb. I S. 89) Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch oder ähnlich(es) Ordnungsbehördengesetz für Nordrhein-Westfalen vom 28.10.1969 (GVBl. S. 488) öffentliches Redit öffentliche Verwaltung und Datenverarbeitung Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster sowie für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg mit Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes Nordrhein-Westfalen und des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs Gesetz über Ordnungswidrigkeiten v. 24. 5. 1968 (BGBl. I S. 481) Gesetz über die politischen Parteien v. 24. 7. 1967 (BGBl. I S. 773) Personenbeförderungsgesetz v. 21. 3. 1961 (BGBl. I S. 241) Polizeigesetz Postverwaltungsgesetz i. d. F. vom 24. 7.1953 (BGBl. I S. 676) Preußen, preußisch Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Personenstandsgesetz i. d. F. v. 8. 8. 1957 (BGBl. I S. 1126) Polizeiverwaltungsgesetz

Reichsabgabenordnung v. 13.12. 1919 i. d. F. v. 22. 5.1931 (RGBl. I S. 161) RaumOrdG Raumordnungsgesetz v. 8. 4.1965 (BGBl. I S. 306) Recht der Wasserwirtschaft RdWWi. RelKErzG Gesetz über die religiöse Kindererziehung v. 15.7. 1921 (RGBl. S. 939) RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt 1871—1921, dann RGBl. Teil I 1922—1945, RGBl. Teil II 1922—1945 RGR Kommentar Das Bürgerliche Gesetzbuch. Großkommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofs. 11. Aufl. 1959 ff., 12. Aufl. 1974 ff.

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

RGZ Rhld.-Pf., Rh.-Pf. RKG Rn., Rdn., Rdnr. ROW Rspr. RuStAG RVO

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz, rheinland-pfälzisch

S. s. Schl.-Holst., SH SchlHAnz. SchlHLVwG SGG SKV sog. SOG

Seite siehe Schleswig-Holstein, schleswig-holsteinisch Schleswig-Holsteinische Anzeigen sh. LVwG Sozialgerichtsgesetz i. d. F. v. 23. 8.1958 (BGBl. I S. 613) Staats- und Kommunal-Verwaltung sogenannt Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (s. auch Hess. SOG, nds. SOG) Spalte, linke, rechte Staatsrecht Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft v. 8. 6.1967 (BGBl. I S. 582) Steueranpassungsgesetz v. 16.10. 1934 (RGBl. I S. 925) (Städtebauförderungsgesetz) Gesetz über städtebauliche Sanierungsund Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden v. 27.7.1971 (BGBl. I S . 1125) Strafgesetzbuch i. d. F. v. 2. 1.1975 (BGBl. I S. 1) Stiftungsgesetz streitig Straßenverkehrsordnung v. 16.11.1970 (BGBl. I S. 1565) Straßenverkehrs-Zulassungsordnung i. d. F. v. 6.12.1960 (BGBl. I S. 8, 98)

Sp., (1., r.) StaatsR StabG StAnpG StBFG StGB StiftG str. StVO StVZO

Reichsknappschaftsgesetz i. d. F. v. 1. 7.1926 (RGBl. I S. 369) Randnummer Recht in Ost und West Rechtsprechung Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz v. 22. 7.1913 (RGBl. S. 583) Reichsversicherungsordnung v. 19.7.1911 i. d. F. v. 15.12.1924 (RGBl. I S. 779)

TÜV Tz(n).

Technischer Überwachungsverein Textziffer(n)

u. a. Urt. u. U. usw. UZwG N W

und andere Urteil unter Umständen und so weiter Gesetz über Ausübung und Grenzen des unmittelbaren Zwangs v. 22. 5.1962 (GVB1. S. 260)

v. VerbandsGO VereinsG

vom/von Verbandsgemeindeordnung Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts v. 5.8.1964 (BGBl. I S. 593)

Abkürzungsverzeichnis VerfR Verh. VersG VerwArch. VerwRspr. VG VGH VGHE n. F.

vgl. ViehseuchG VkBl. VO Vorbem. VRS VRspr. VSSR VVDStRL VwGO VwR VwVfG VwVG VwVG Rhld.-Pf. VwZG WaffG WG WHG

XXIX

Verfassungsrecht Verhandlungen Versammlungsgesetz v. 24. 7. 1953 (BGBl. I S. 684) Verwaltungsardiiv Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland. Sammlung oberstrichterlicher Entscheidungen aus d. Verfassungs-Verwaltungsredit Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, des Bayerischen Dienststrafhofs und des Bayerischen Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte. Neue Folge vergleiche Viehseuchengesetz i. d. F. d. Bek. v. 19.12.1973 (BGBl. 1974 I S. 1) Verkehrsblatt Verordnung Vorbemerkung Verkehrsrechtssammlung Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland Vierteljahresschrift f ü r Sozialrecht Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung v. 21.1.1960 (BGBl. I S. 71) Verwaltungsrecht Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes v. 27. 4.1953 (BGBl. I S. 157) Verwaltungsvollstreckungsgesetz Rheinland-Pfalz v. 8.7.1957 (GVB1. S. 101) Verwaltungszustellungsgesetz v. 3. 7.1952 (BGBl. I S. 379)

WiR WoGG WRV

Waffengesetz v. 19. 9.1972 (BGBl. I S. 1797) Wassergesetz Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) v. 27. 7. 1957 (BGBl. I S . 1110) Zeitschrift „Wirtschaftsrecht" 2. Wohngeldgesetz i. d. F. v. 14.12.1973 (BGBl. 1974 I S. 106) Weimarer Reichsverfassung vom 11. 8.1919 (RGBl. 1383)

z. B. ZBR ZDF ZfW Ziff. ZMR z. T. ZPO ZRP ZwedcVG Rhld.-Pf. ZZP

zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zweites Deutsches Fernsehen Zeitschrift für Wasserrecht Ziffer Zeitschrift für Miet- und Raumrecht zum Teil Zivilprozeßordnung i. d. F. v. 12. 9.1950 (BGBl. S. 533) Zeitschrift für Rechtspolitik Zweckverbandsgesetz Rheinland-Pfalz i. d. F. v. 3.12.1954 (GVB1. S. 156) Zeitschrift für Zivilprozeßrecht

ERSTER TEIL

Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat von I n g o v . Münch §1

Begriff der öffentlichen Verwaltung I. Allgemeine Umschreibung des Begriffs öffentliche Verwaltung „Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare." Treffender als der Volksmund mit diesem Spruch kann man die Einbindung des Menschen in Verwaltungsvorgänge nicht beschreiben. Ein Mensch wird — vielleicht in einem städtischen Krankenhaus — geboren: Die Geburt ist dem Standesbeamten anzuzeigen, der sie in das Geburtenbuch einträgt und den Geburtsschein ausstellt; das Einwohnermeldeamt ergänzt die Meldekartei; dem Finanzamt ist Mitteilung zu machen, damit gegebenenfalls die Steuerklasse neu festgesetzt wird; über das Arbeitsamt erfolgt die Zahlung des Kindergeldes; das Gesundheitsamt händigt das Impfbuch aus, damit der Impfarzt die Bescheinigung über die gesetzliche Pockenschutz-Impfung ausstellen kann; die Allgemeine Ortskrankenkasse erstattet einen Teil der Kosten der Geburt. Die Liste der Berührungen mit der öffentlichen Verwaltung wäre lang, wenn der Lebensweg eines Menschen (Schule, Arbeitsplatz, Freizeit, Altersversorgung usw.) bis hin zum Tode weitergezeichnet würde. Neben den Sachverhalten, in denen ganz offensichtlich ein Handeln der öffentlichen Verwaltung vorliegt, gibt es aber auch Situationen, für welche diese Feststellung zweifelhaft sein kann: Das städtische Wasserwerk liefert an private Haushalte Wasser; ein Elektrizitätswerk, dessen Aktien sich teils im Eigentum mehrerer Städte, teils im Eigentum von Privatpersonen befinden, liefert Strom; Straßenbahn und Bundesbahn befördern Fahrgäste; ein Bundesland kauft Bleistifte und Bücher für seine Universität; eine Rundfunkanstalt verkauft Sendezeiten für Werbung. Ist das alles öffentliche Verwaltung? Die Frage zielt auf den Begriff der öffentlichen Verwaltung. Das Bemühen, diesen Begriff zu definieren, beschäftigt die deutsche Verwaltungsrechtswissenschaft seit mehr als hundert Jahren. Eine Legaldefinition ist nicht vorhanden. Die Spannweite der Ansichten im wissenschaftlichen Schrifttum zeigt ein Ver1

Allgemeines Verwaltungsredit

2

Ingo von Mündi

gleich der beiden Standardwerke des Allgemeinen Verwaltungsrechts: Für Ernst Forsthoff ist öffentliche Verwaltung nicht definierbar, sondern nur beschreibbar; denn „die Mannigfaltigkeit, in der sich die einzelnen Verrichtungen der Verwaltung ausfächern, spottet der einheitlichen Formel" 1 . Demgegenüber definiert Hans Julius Wolff: „öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne ist also die mannigfaltige, konditional oder nur zweckbestimmte, also insofern fremdbestimmte, nur teilplanende, selbstbeteiligt entscheidend ausführende und gestaltende Wahrnehmung der Angelegenheiten von Gemeinwesen und ihrer Mitglieder als solcher durch die hierfür bestellten Sachwalter des Gemeinwesens2." Auszugehen ist jedenfalls von der Tatsache, daß der Begriff öffentliche Verwaltung mehrdeutig ist 3 : öffentliche Verwaltung kann als Verwaltungstätigkeit (das Verwalten) verstanden werden — öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne (Bsp.: Versetzung oder Nichtversetzung eines Schülers; Verkehrsregelung durch einen Polizeibeamten; Gewährung einer Ausbildungsförderung; Ausstellung eines Reisepasses; Schließung eines Gewerbebetriebes; Erteilung einer Baugenehmigung). öffentliche Verwaltung kann aber auch die Einrichtungen (d. h. die Behörden) bedeuten, durch die verwaltet wird — Öffentliche Verwaltung im organisatorischen Sinne (Bsp.: Jugendamt; Justizprüfungsamt; Gewerbeaufsichtsamt; Baubehörde; Finanzamt; Arbeitsamt; Wasser- und Schiffahrtsdirektion)4. öffentliche Verwaltung kann schließlich alle von der Verwaltung im organisatorischen Sinne ausgeübte Tätigkeit bezeichnen, und zwar gleichgültig, ob es sich dabei um Verwaltung im materiellen Sinne handelt oder nicht — Öffentliche Verwaltung im formellen (funktionalen) Sinne (Bsp.: Finanzamt erläßt Steuerbescheid; Finanzamt kauft Aktenordner; Finanzamt macht Betriebsausflug). Am schwierigsten zu fassen ist der Begriff der öffentlichen Verwaltung im materiellen Sinne, da er weder — wie der Begriff der öffentlichen Verwaltung im organisatorischen Sinne — an reale organisatorische Einheiten („Zuständliches")5 anknüpft, noch — wie der Begriff der öffentlichen Verwaltung im funktionalen Sinne — undifferenziert jede Tätigkeit der Verwaltungsbehörden umgreift. Walter Jellinek, einer der bedeutendsten Verwaltungsrechtslehrer in der Zeit der Weimarer Republik, hat die öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne definiert als die „Tätigkeit des Staates oder eines sonstigen Trägers

1 2 3

4 5

Forsthoff, VwR, S. 1. Wolff/Bachof, VwR I, § 2 III. Vgl. zum folgenden Wolff/Bachof, VwR I, § 2 IV, der über die nachstehende Aufzählung hinaus noch (nach dem Grad der Weisungsabhängigkeit) die öffentliche Verwaltung im modalen Sinne nennt. Vgl. dazu den Teil „Verwaltungsorganisation" unten S. 413 ff. Ausdrudk von Forsthoff, VwR, S. 13.

Verwaltung und Verwaltungsredu

3

öffentlicher Gewalt außerhalb von Rechtsetzung und Rechtsprechung" 6 . Diese als „Substraktionsdefinition" („Negativdefinition") bezeichnete Begriffsbestimmung trifft insoweit zu, als sie die öffentliche Verwaltung abgrenzt von Gesetzgebung und Rechtsprechung, so wie dies Art. 1 Abs. 3 G G in seiner ursprünglichen Fassung („Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht") zum Ausdruck brachte. Die Substraktionsdefinition (Negativdefinition) ist jedoch unvollständig, da sie den ebenfalls von der Verwaltung abzugrenzenden Bereich der Regierung nicht erwähnt. Zwar steht die Verwaltung der Regierung ungleich näher als der Gesetzgebung und der Rechtsprechung, weshalb sich die Zusammenfassung von Verwaltung und Regierung unter dem in Art. 1 Abs. 3 G G neue Fassung7 verwendeten Oberbegriff „vollziehende Gewalt" rechtfertigen läßt. Aber dennoch bleiben Regierung und Verwaltung zwei voneinander unterscheidbare Tätigkeiten; richtig formuliert die Verfassung von Berlin (West): „Die vollziehende Gewalt liegt in den Händen der Regierung und der ihr nachgeordneten Verwaltung 8 ." Die klassische Substraktionsdefinition muß also erweitert werden zu dem Leitsatz: Der Begriff der öffentlichen Verwaltung umfaßt die staatliche Tätigkeit, die nicht Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung ist.

II. Abgrenzung von Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung Das Griffige, fast Simple dieser Umschreibung verführt zu der Annahme, daß das Problem der Bestimmung des Begriffs öffentliche Verwaltung damit zufriedenstellend gelöst sei. Das ist jedoch nicht der Fall, und zwar deshalb nicht, weil auch die Begriffe Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung ihrerseits nicht chemisch rein voneinander getrennt sind. Das Prinzip der Gewaltentrennung 9 kann nämlich nicht dahin verstanden werden, daß hier wie in einem Küchenschrank fest umwandete Gefäße mit Zucker, Pfeffer und Salz nebeneinander stehen; denn das Gewaltentrennungsprinzip soll nicht logisch-puristischer Begrifflichkeit dienen, sondern hat eine aus geschichtlichen Erfahrungen gewachsene Funktion, die konkret von der Ausgestaltung der jeweiligen Verfassung bestimmt wird 10 . Dabei ist es im vorliegenden Zusammenhang gleichgültig, ob die Gewaltentrennung primär als 8 7

8 9

10

W. Jellinek, VwR, S. 6.

Vom 1 9 . 3 . 1956; die neue Fassung wurde in das GG eingefügt, um audi die Bundeswehr, die nicht Verwaltung im engeren Sinne ist, in Art. 1 Abs. 3 GG unterzubringen. Art. 3 Abs. 1 S. 2. Literaturhinweise bei Wolff/Bachof, V w R I, § 16. - Der Sprachgebrauch ist nicht einheitlich: Hesse, VerfR, S. 194, verwendet den Ausdruck Gewaltenteilung.

Hesse, VerfR, S. 197. Hierzu und zum Folgenden: Endisen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit II, 1973 S. 97 f.

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eines von mehreren Mitteln zur Sicherung der individuellen Freiheit (nämlidi durch Verhinderung von Machtkonzentration) gesehen wird oder vor allem als eine Frage der sachgemäßen Bestimmung und Zuordnung der staatlichen Funktionen und der sie wahrnehmenden Organe 11 : Nach beiden Auffassungen sind Überschneidungen zwischen den verschiedenen Staatsgewalten möglich, für erstere solange die Durchbrechung der Gewaltentrennung nicht in den Kernbereich einer anderen Gewalt eingreift12, für letztere solange das prinzipielle Verbot der Wahrnehmung oder Zuweisung von Funktionen, die der Struktur des Organs und der von ihm wahrzunehmenden Grundfunktion nicht entsprechen, eingehalten wird. Mit dem Grundsatz der Gewaltentrennung sind deshalb gewisse Verwischungen der Grenzlinie zwischen den Staatsgewalten vereinbar; Beispiele hierfür sind: die Ausübung des Hausrechts und der Polizeigewalt durch den Bundestagspräsidenten im Bundestagsgebäude13, wie überhaupt die gesamte Parlamentsverwaltung; der Erlaß von Rechtsverordnungen durch die Regierung 14 ; die Abnahme der juristischen Staatsprüfungen durch die Justizprüfungsämter, wie überhaupt die gesamte Justizverwaltung 15 . Die auf der Trennung der Staatsgewalten beruhende Definition der Verwaltung ist also nur brauchbar, wenn man sich der Relativität der Gewaltentrennung und damit auch der Relativität jener Definition bewußt bleibt: Die Verwaltung läßt sich also von den anderen Staatsgewalten im Sinne der Substraktionsdefinition nur abgrenzen, wenn man auf die für Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung typischen und ihnen wesenseigenen Tätigkeiten abstellt. Als typisch und wesenseigen wird für die Gesetzgebung „die Setzung genereller, abstrakter Rechtsnormen" 18 angesehen, für die Regierung „die wesentlich vom Politischen her bestimmte Leitung der Verwaltung" 17 , und für die Rechtsprechung „die zu rechtskräftiger Entscheidung führende rechtliche Beurteilung von Sachverhalten in Anwendung des geltenden objektiven Rechts durch ein unbeteiligtes (Staats-) Organ" 18 . Selbst in dieser Relativität bleibt noch Problematik genug; erinnert sei hier nur an die Diskussion um die Zulässigkeit sog. „Maßnahmegesetze", d. h. auf einen konkreten Sachverhalt abgestellter Gesetze, von denen gesagt worden ist, daß sie „in ihrer logisdien Struktur dem Verwaltungshandeln verwandt" seien19, sowie an das Ineinanderfließen von Regierung und Verwaltung20. Schließlich gibt es Institutionen, deren Tätigkeit nicht von vornherein In letzterem Sinne Hesse, VerfR, S. 194 f. Vgl. BVerfGE 34, 52, 59 ( J A O Hessen). 13 Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG. 14 Art. 80 GG. 1 5 Vgl. § 4 EGGVG. 18 Forsthoff, VwR, S. 9 ; Wolff/Bachof, V w R I, § 17 II b; Erichsen (Fn. 10) S. 95 f. " Forsthoff, VwR, S. 17. 18 Wolff/Bachof, VwR, § 19 I c. 19 Forsthoff, VwR, S. 10. - Das BVerfG hat den Begriff des Maßnahmegesetzes für verfassungsrechtlich irrelevant erklärt (BVerfGE 25, 371, 396 — lex Rheinstahl). 20 Vgl. dazu F. Meyer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage 1971, S. 5 ; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage 1971, S. 21. 11

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erkennbar oder nicht notwendig der Gesetzgebung, Regierung, Rechtsprechung oder Verwaltung zuzuordnen sind; Beispiele hierfür sind der Bundesrechnungshof und die Rechnungshöfe der Länder, die Bundesbank und die Landeszentralbanken, der Wehrbeauftragte des Bundestages und der in neuerer Zeit häufig diskutierte Bürgerbeauftragte (ombudsman). Zusammenfassend läßt sich also feststellen: Eine begrifflich ganz saubere Abgrenzung der Verwaltung von der Gesetzgebung, der Regierung und der Rechtsprechung ist nicht möglich, weil 1. auch die Organe der Gesetzgebung, der Regierung und der Rechtsprechung (wenn auch in beschränktem Umfang) echte Verwaltungstätigkeit ausüben, 2. Gesetze in Form von Maßnahmegesetzen dem Verwaltungshandeln verwandt sind, und 3. weil es Institutionen gibt, die nicht von vornherein entweder der Verwaltung zugeordnet oder von ihr abgesondert werden können. Die erweiterte Substraktionsdefinition (Verwaltung ist die staatliche Tätigkeit, die nicht Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung darstellt) ist also — wenn überhaupt — nur als ein Grobraster brauchbar.

III. Merkmale der öffentlichen Verwaltung Eine positive Ausfüllung des Begriffes der öffentlichen Verwaltung wird sich damit begnügen müssen, die Merkmale aufzusuchen, die das Wesen der öffentlichen Verwaltung ausmachen. Auch hier kann es sich wieder nur um die skizzenhafte Aufzeichnung einiger Hauptlinien handeln, nicht um die enzyklopädische Erfassung aller Details. 1. Merkmal der öffentlichen Verwaltung ist zunächst, daß sie im öffentlichen Interesse handelt. Diese Feststellung klingt einfach und selbstverständlich; in Wahrheit verbirgt sich dahinter ein Problem von großer Schwierigkeit und verwickelter Komplexität, nämlich die Frage: Was ist im öffentlichen Interesse, was dagegen nur im privaten Interesse? Es geht hier also um die Bestimmung des Rechtsbegriffes „öffentlich''21. Der Begriff „öffentlich" wird in zahlreichen Gesetzen verwendet. So gewährt das VersammlungsG jedermann das Recht, „öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen" 22 . Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG müssen die politischen Parteien „über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben". Die Polizei- und Ordnungsbehörden haben aufgrund der Polizei- und Ordnungsgesetze der Länder „die Aufgabe, Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird" 23 . Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind „die 21

22 23

Vgl. dazu Häberle, öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, und W. Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, beide m. w. Hinw. § 1 Abs. 1 VersammlungsG. Vgl. z . B . § § 1 , 36 brPG; 1, 3 hmbSOG; 1, 30 ndsSOG; 1, 14 nwOBG; 1, 49 rhpfPVG.

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öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen" 24 . Die Errichtung eines Kernkraftwerkes darf nur genehmigt werden, wenn „überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Reinhaltung des Wassers, der Luft und des Bodens, der Wahl des Standorts der Anlage nicht entgegenstehen"25. Die Beispiele zeigen, daß der Begriff „öffentlich" mehrdeutig ist. Im Fall der öffentlichen Versammlungen geht es darum, daß eine unbestimmte Zahl von Personen (unbestimmt welche und unbestimmt wieviele) die Möglichkeit des Zuganges hat. Nicht auf den Zugang, wohl aber auf 'Wahrnehmbarkeit durch eine unbestimmte Zahl von Personen kommt es an bei der Verpflichtung der politischen Parteien, über ihre Mittel öffentlich Rechenschaft abzugeben, wobei das ParteienG die Veröffentlichung im Bundesanzeiger vorschreibt26. Das Vorliegen einer Gefahr, durch welche die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinne des Polizeirechts bedroht wird, ist wiederum unabhängig von Zugangsmöglichkeit und Wahrnehmbarkeit; hier geht es vielmehr um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter (Unversehrtheit von Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit und Vermögen des Bürgers sowie der Einrichtungen des Staates), ohne daß es auf Publizität ankommt: so kann die Polizei z. B. in einen abgeschlossenen, nicht einsehbaren Raum eindringen, um einen Selbstmordversuch zu vereiteln, „öffentliche Belange" und „öffentliche Interessen" im Sinne des Baurechts und des Gewerberechts wiederum sind nicht nur solche, welche die besonders hochwertigen Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung betreffen, sondern unter Umständen auch rein ästhetische Gesichtspunkte oder Schutz vor bloßen Belästigungen. Jedenfalls aber ist der Begriff des öffentlichen Interesses von der Ausrichtung auf das Ganze der menschlichen Gemeinschaft geprägt; die Verwaltung soll, um die Formulierung des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG zu gebrauchen, dem Wohle der Allgemeinheit dienen, und zwar — insofern anders als die Sozialbindung des Privateigentums — nicht „zugleich", sondern primär. Dabei kann nicht verheimlicht werden, daß die Formel „Wohl der Allgemeinheit" terminologisch in bedenklicher Nähe zu dem in der nationalsozialistischen Zeit häufig gebrauchten und mißbrauchten „Gemeinwohl" steht27. Eine bloße Ähnlichkeit im Wortklang kann jedoch kein Grund zur Aufregung sein; entscheidend ist vielmehr, daß die Verwaltung unter dem Grundgesetz das Allgemeinwohl nicht nach dem Motto „Du bist nichts, Dein Volk ist alles" bestimmen kann, sondern — wie unten noch auszuführen sein wird 28 — die Wertordnung des Grundgesetzes, insbesondere also die Grundrechte, das Demokratiegebot, das Sozialstaatsgebot und das Rechtsstaatsgebot zu erfüllen hat. Festzuhalten ist dabei auch, daß eine Verwaltungstätigkeit nicht unbedingt im 24 25 27

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§ 1 Abs. 4 BBauG. 2 8 § 23 Abs. 2 ParteienG. § 7 Abs. 2 N r . 5 AtomG. Vgl. dazu Hempfer, Die nationalsozialistische Staatsauffassung in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, 1974; Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, 1974. In § 3 (Verfassung und Verwaltung), unten S. 27 ff.

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unmittelbaren Interesse oder auch nur im Interesse der Mehrzahl der Bürger liegen muß in dem Sinne, daß allen oder den meisten Bürgern direkt Schutz oder Zuwendung geleistet wird 29 . Hilfe für Heimatvertriebene, Obdachlose, Sozialhilfeempfänger, Förderungsmaßnahmen für Landwirtschaft und Gewerbe in wirtschaftsschwachen Gebieten, Zahlung von Ausbildungshilfen an Studenten, ja selbst die Subventionierung eines Theaters, das vielleicht nur von einem winzigen Bruchteil der Bevölkerung einer Großstadt besucht wird — alles das sind Maßnahmen zum Wohle der Allgemeinheit, weil mit der Hilfe für den Einzelnen primär ein gesamtgesellschaftliches Interesse erfüllt wird. Ein privates Interesse kann zum Gegenstand eines inhaltsgleichen öffentlichen Interesses werden (Beispiel: Polizeiliches Eingreifen zum Schutz privatrechtlicher Ansprüche, soweit gerichtliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist), wie auch z. B. eine Enteignung zugunsten Privater, etwa zugunsten eines Industriebetriebes, aus öffentlichem Interesse rechtlich zulässig ist. Welche Maßnahmen die Verwaltung im Einzelfall zu ergreifen oder zu unterlassen hat, um dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen, kann dabei nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte festgestellt werden („differenzierende und spezialisierende Interpretation" 80 ); hierauf wird — insbesondere bei der Behandlung der Arten der Verwaltungshandlungen 31 und der Darstellung des Ermessens32 — zurückzukommen sein. Maßstab im Sinne von allgemeinem Gebot oder allgemeinem Verbot ist in jedem Fall die Verfassung (GG und die Verfassung des betreffenden Bundeslandes); auch hierauf wird — im Abschnitt „Verfassung und Verwaltung" 33 — zurückzukommen sein. Die Erfüllung öffentlicher Interessen allein reicht jedoch als Merkmal der öffentlichen Verwaltung nicht aus; denn mehr und mehr wird darauf hingewiesen, daß auch die großen Unternehmen der Privatwirtschaft — z. B. ö l konzerne, Großbanken, die größeren Chemieunternehmen — öffentliche Verantwortung tragen. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob, und wenn ja wieweit diese im wirtschaftspolitischen Raum artikulierte öffentliche Verantwortung sich dem Rechtsbegriff des öffentlichen Interesses nähert. Jedenfalls aber ist die Erfüllung öffentlicher Interessen kein Monopol der öffentlichen Verwaltung: Unzweifelhaft handeln auch Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung in Erfüllung öffentlicher Interessen; und selbst private Einzelpersonen können — wie das Beispiel der Verfolgung und Festnahme eines flüchtigen Verbrechers durch Passanten 34 zeigt — im öffentlichen Interesse tätig werden. 29

30 31 32 33 34

Die öffentlichen Interessen sind also nidit mit den übereinstimmenden Interessen aller oder auch nur der meisten Reditsgenossen gleichzusetzen; so zutreffend Martens (Fn. 21) S. 177 m. w. Hinw. Martens (Fn. 21), S. 199. Unten S. 129 ff. Unten S. 151 ff. Unten S. 27 ff. Vgl. § 127 Abs. 1 StPO und § 539 Abs. 1 Nr. 9 RVO.

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Die Tatsache, daß auch Private im Einzelfall im öffentlichen Interesse handeln können, darf jedoch nicht den Blick auf den Regelfall verstellen, der eben gerade nicht in der Erfüllung öffentlicher Interessen durch Private liegt. Deshalb kann als weiteres Merkmal der öffentlichen Verwaltung das Handeln durch öffentlich-rechtlich organisierte Rechtsträger genannt werden. In der Terminologie der oben vorgenommenen allgemeinen Umschreibung bedeutet dies: öffentliche Verwaltung im materiellen und im formellen (funktionalen) Sinn wird — jedenfalls im Regelfall — von öffentlicher Verwaltung im organisatorischen Sinne ausgeübt35. Der Hinweis auf den Regelfall enthält zugleich die Erwähnung der möglichen Ausnahmen, die mit dem Beispiel des sog. Beliehenen, d. h. einer mit Hoheitsbefugnissen ausgestatteten Privatperson, illustriert werden können (Polizeibefugnisse des Flugkapitäns an Bord eines Flugzeuges oder des Feld- und Forsthüters; andere Beispiele: Fleischbeschauer; Bezirksschornsteinfeger; Bestattungsverein; TÜV) 3 6 . Dagegen sind privatwirtschaftliche Unternehmen, die ausschließlich oder überwiegend im Eigentum der öffentlichen Hand stehen, nicht öffentliche Verwaltung. Die Deutsche Lufthansa AG, die zu 74,3 °/o im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland steht, die Volkswagenwerk AG, an der die Bundesrepublik Deutschland mit 16 °/o, das Land Niedersachsen mit 20 °/o beteiligt sind, werden durch diese Eigentumsverhältnisse nicht zu einem Teil der öffentlichen Verwaltung. Merkmal der öffentlichen Verwaltung ist ferner, daß sie umfassender Leitung und Kontrolle unterliegt, gleichwohl aber mit weiter Handlungsfreiheit ausgestattet ist. Leitung und Kontrolle sind dabei in weitem Sinne zu verstehen. Geleitet wird die öffentliche Verwaltung zunächst vom Gesetz, das ihr als Rahmen und Aufgabe vorgegeben und aufgegeben ist. Anders als das Parlament kann die Verwaltung Gesetze nicht ändern, und anders als die Verfassungsgerichte kann die Verwaltung Gesetze nicht aufheben37. Geleitet und kontrolliert wird die Verwaltung durch die ihr eigentümliche Entscheidungsfindungsstruktur, die — auch in den Formen des Kollegialprinzips oder des Teamworks — hierarchisch in sich eingebunden und der Regierung nachgeordnet ist. Rechtsaufsicht (d. h. Aufsicht über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns), Fachaufsicht (d. h. Aufsicht über die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns) und Dienstaufsicht, d. h. Aufsicht über die Erfüllung der Pflichten der einzelnen Bediensteten) mögen hier als Stichworte genügen. Kontrolle der Verwaltung findet auch in der Form des Rechtsschutzes des Einzelnen gegen Handlungen oder Unterlassungen der Verwaltung durch die Gerichte — insbesondere die Verwaltungsgerichte — statt. Nicht justizförmig, aber oft nicht weniger wirksam ist die Kontrolle durch die öffentliche Meinung, vor allem durch die Massenmedien (Presse, Hörfunk, Fernsehen). Audi Petitionen können in diesem ZusammenVgl. dazu den Teil „Verwaltungsorganisation" unten S. 413 ff. » Vgl. dazu OssenbühllGallwas, V V d S t R L 2 9 (1971) 137ff., 211 ff.; v. Mutius, VerwArdi. 64 (1973), 433 ff. und unten in „Verwaltungsorganisation" S. 434. 3 7 Zur Geltungsprüfung vgl. Wolff/Bachof, VerwR I, § 28 II, sowie unten S. 259.

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hang noch genannt werden, selbst wenn ihre Wirkung als Kontrollinstrument nicht allzu hoch veranschlagt werden kann. Trotz dieses Bündels von Leitung und Kontrolle bleibt der öffentlichen Verwaltung ein großer Raum weiter Handlungsfreiheit. Die öffentliche Verwaltung ist, worauf im Abschnitt „Die Quellen des Verwaltungsrechts" zutreffend hingewiesen wird, eben nidit „eingeklemmt zwischen erster und dritter Gewalt" 38 . Für das Verhältnis zur dritten Gewalt ist dies offenkundig: eine gerichtliche Kontrolle findet nur statt, wenn gerichtlicher Rechtsschutz begehrt wird („Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter"), also nur in den Fällen, in denen das Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung auf das Äußerste gestört ist. Gemessen an der Gesamtzahl der täglidi vorgenommenen Verwaltungshandlungen bilden die Fälle, die vor Gericht kommen, nur einen winzigen Bruchteil. Zwar gibt es keine genaue Statistik über die Zahl der Verwaltungshandlungen in der Bundesrepublik Deutschland, und eine solche könnte wohl auch gar nicht erstellt werden, zumal wenn man sich vor Augen hält, daß z. B. auch jede mündlich gegebene Anweisung eines Polizeibeamten und jedes Signalzeidien einer Verkehrsampel eine Verwaltungshandlung darstellt; aber anhand der bekannten Zahl der Gerichtsverfahren wird eine Schätzung nicht fehlgehen, die das Verhältnis verwaltungsrechtlicher Streitfälle zu den nicht streitigen Fällen weit unterhalb der Promille-Grenze ansetzt. Zur Veranschaulichung: Im Bezirk der Oberpostdirektion Hamburg wurden im Jahre 1973 11 278 641 Fernmelderechnungen abgesandt; davon wurden 6718 hinsichtlich der Gebührenhöhe auf Verlangen der Fernsprechteilnehmer überprüft; in 3 (!) Fällen haben Fernsprechteilnehmer den Rechtsweg beschritten. Was das Verhältnis der öffentlichen Verwaltung zum Gesetz betrifft, so besteht hier aufgrund des Demokratiegebotes und des Rechtsstaatsgebotes eine strikte Bindung der Verwaltung an das Gesetz. Dennoch führt diese Bindung weder rechtlich noch tatsächlich zum „Eingeklemmt-Sein" der Verwaltung. Gewiß gibt es Situationen, in denen ein Gesetz so eindeutige, detaillierte und zwingende Verhaltensweisen vorschreibt, daß die öffentliche Verwaltung nur Vollzugsorgan ist. Aber dem steht die große Zahl der Situationen gegenüber, in denen das Gesetz die Verwaltung am langen Zügel laufen läßt, indem der Verwaltung nicht nur weitgehend freigestellt ist, wie sie tätig wird, sondern sogar auch, ob sie tätig wird 39 . So hat das LG Hannover 40 — in diesem Fall allerdings wohl fälschlich — es für rechtmäßig erklärt, daß die Polizei auf Anweisung des Landesinnenministers 5 Tage lang der gewaltsamen Blockade und völligen Lahmlegung des Straßenbahn- und Omnibusverkehrs in Hannover zusah ohne einzugreifen; das LG Hannover hat deshalb die Klage der Straßenbahngesellschaft auf SdiadensUnten S. 51. " Vgl. dazu die Darstellung der Ermessensakte und der gesetzesfreien Verwaltungsakte unten im Teil „Das Verwaltungshandeln" S. 151 ff. 4 0 DVBl 1970, 520 ff. 38

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ersatz zurückgewiesen. Über die Richtigkeit dieser Entscheidung kann man — wie angedeutet — streiten; denn die Entscheidung der Polizei, in einem bestimmten Fall nicht tätig zu werden, kann in einem so hohen Maße fehlerhaft sein, daß sie eben nicht mehr von der Entscheidungsfreiheit der Verwaltung gedeckt ist 41 . Jedoch sind diese Fälle der Verpflichtung der Behörden zu einem bestimmten Handeln (und eines entsprechenden Anspruches des Bürgers darauf) nicht notwendige Folge der gesetzlichen Bindung der Verwaltung an das Gesetz; eine derartige Bindung würde auch, weil das Gesetz selbst bei detaillierter Regelung abstrakt bleiben muß, der Gerechtigkeit, die sich letztlich nur am Einzelfall konkretisieren kann, widersprechen: Die Verwaltung hat vor der Gesetzgebung den Vorsprung der Betroffenennähe, d. h. der Nähe der verwalteten Person, der Nähe des verwalteten Raumes und der Nähe der verwalteten Zeit. Deshalb sind Ermessen und Beurteilungsspielraum ein Lebensgesetz der Verwaltung, und der Gesetzgeber wäre gut beraten, nicht durch perfektionistische Gesetze die Entscheidungsfreiheit zu strangulieren. Zu den Merkmalen der öffentlichen Verwaltung gehört schließlich, daß sie in verschiedenen Rechtsformen tätig werden kann. Ganz überwiegend bewegt sich das Handeln der Verwaltung in der Form des öffentlichen Rechts; jedoch bedient sie sich in nicht unerheblichem Umfang auch des Privatrechts. Auf die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht wird noch einzugehen sein42 wie auch auf die Frage, ob — und wenn j a : in welchem Umfang — die Verwaltung für ihr Handeln zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht frei wählen kann 43 .

§2 Arten der öffentlichen Verwaltung I. Möglichkeiten der Unterteilung In der allgemeinen Umschreibung des Begriffs der öffentlichen Verwaltung war bereits auf die Mehrdeutigkeit des Begriffes öffentliche Verwaltung hingewiesen worden 1 . Geburtshilfe in einem städtischen Krankenhaus, Benotung einer Klassenarbeit in der Schule, Anschaffung von Heizöl für eine Universität, Verkehrsregelung durch Polizeibeamte usw. — alle diese Vorgänge haben einen Bezug zur öffentlichen Verwaltung, aber offensichtlich zu verschiedenen Arten der Verwaltung. An Versuchen, die verschiedenen Arten der Verwaltung in Kategorien zu unterteilen, hat es in der Verwaltungsrechtswissenschaft nicht 41

42 43 1

Vgl. dazu BVerwGE 11, 95, 97 (Belästigung der Nachbarn eines Kohlen- und Fuhrgeschäfts durch Staub und Lärm); BVerwGE 37, 112, 113 (Versperrung einer Garagenausfahrt); BGH VwRspr. 5, 319ff. (Minen im Garten); BGH VwRspr. 5, 832 ff. (Räuberbande). Weitere Hinw. bei Friauf in: 1. v. Mündt, BesVwR, S. 169 f.; V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Auflage 1975, S. 75 f., und bei W. Martens, JuS 1962, 245 ff. Unten S. 13 ff. Unten S. 43. Oben S. 2.

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gefehlt. Die verschiedenen Arten der Einteilung werden dabei an unterschiedliche, aber einander nicht immer ausschließende Gesichtspunkte angeknüpft, so daß insgesamt ein sich vielfältig überschneidendes Bild entsteht2. Zunächst kann die Unterteilung der Arten der Verwaltung an die Organisation, genauer: an den Träger, anknüpfen3 — dann ergibt sich die Dreiteilung von Bundesverwaltung, Landesverwaltung und Gemeindeverwaltung. Innerhalb der Staats(Bundes- oder Landes)verwaltung kann weiter danach aufgefächert werden, ob sie unmittelbar durch ihre eigenen Behörden handelt (Unmittelbare Staatsverwaltung) oder durch rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheiten, die eigene Rechtsfähigkeit oder Teilreditsfähigkeit besitzen (Mittelbare Staatsverwaltung). Mittelbare Staatsverwaltung kann erfolgen durch 1. Körperschaften des öffentlichen Rechts, d. h. mitgliedschaftlich strukturierte Verbände (Beispiel: Universität; Industrie- und Handelskammer), 2. rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, d. h. Bestände an Sachmitteln, die in der Regel Benutzern zur Verfügung stehen (Beispiel: Rundfunkanstalten), und 3. rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts, d. h. einem bestimmten Zweck gewidmete Vermögensmassen (Beispiel: Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Contergan-Stiftung). Eine andere Möglichkeit der Unterteilung der Arten der Verwaltung stellt auf die Rechts form4 ab: Wird die Verwaltung in der Form des öffentlichen Rechts tätig, so spricht man von hoheitlicher Verwaltung, während die in der Form des Privatrechts tätige Verwaltung als fiskalische Verwaltung bezeichnet wird. Wiederum eine andere Unterteilung geht von den Verwaltungsaufgaben und der Art ihrer Erfüllung aus: Gefahrenabwehr erfolgt vor allem durch Eingriff sverwaltung (Bsp.: Polizei; Ordnungsbehörden)5; Eingriffsverwaltung ist auch die der Deckung des Finanzbedarfs dienende Abgabenverwaltung (Finanzund Steuerbehörden). Demgegenüber erfolgt die Deckung des Personal- und Sachbedarfs durch die Bedarfsverwaltung (aucii Intendanturverwaltung genannt) nur zu einem geringen Teil im Wege des Eingriffs — die Einstellung eines Bewerbers als Beamter ist zwar ein Hoheitsakt, aber kein Eingriff, und der Kauf von Heizöl ist noch nicht einmal ein Hoheitsakt, geschweige denn ein Eingriff. Bedarfsverwaltung im Sinne der Anschaffung der für die Verwaltungstätigkeit notwendigen Sacbgüter (sog. Hilfsgeschäfte der VerwaltungJ6 liegt dagegen nicht vor, wenn die öffentliche Hand eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit ausübt (Bsp.: Verkauf von Bier aus einer landeseigenen Brauerei; Verkauf von Holz aus einem Gemeindewald)7. Bedarfsverwaltung und er2 3

4 5 6 7

Vgl. Wolff/Buohof, VwR I, § 2 c - 5 und § 3.

Vgl. dazu im einzelnen den Teil „Verwaltungsorganisation" unten F. Mayer, Allgemeines Verwaltungsredit, 2. Auflage 1971, S. 38 ff. Vgl. dazu Wolff/Bachof, V w R I, § 23, sowie unten S. 13. Dazu unten S. 18 f. Dazu unten S. 24 f., 42 f. Dazu unten S. 25 ff.

S. 413 ff.;

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Werbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand haben aber — von den wenigen Ausnahmefällen abgesehen, in denen die Bedarfsverwaltung mit dem Mittel des Eingriffes tätig wird — gemeinsam, daß beide Tätigkeiten im Bereich der fiskalischen Verwaltung anzusiedeln sind. — Der Daseinsvorsorge, d. h. der „Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse zu sozial angemessenen Bedingungen" (Forsthoff), dient die Leistungsverwaltung (Bsp.: Arbeitsvermittlung; Sozialhilfe; Wirtschaftsförderungsverwaltung), die überwiegend gewährend, aber auch — obschon in geringerem Maße — eingreifend tätig wird 8 . Neben die Leistungsverwaltung wird vereinzelt noch ein Begriff der Lenkungsverwaltung gestellt; Merkmal der Lenkungsverwaltung soll nicht die Befriedigung eines Bedürfnisses sein, sondern die Gestaltung, wofür als Beispiel die sozial- oder wirtschaftspolitische Subventionsgewährung genannt wird 9 . Leistungsverwaltung und Lenkungsverwaltung lassen sich jedoch im Grunde nicht trennen; auch besteht, wenn der Begriff der Leistungsverwaltung weit genug gefaßt wird, kein Bedürfnis für eine solche Unterscheidung. — Im traditionellen Schema der Arten der Verwaltung fand die planende Verwaltung (Bsp.: Ausarbeitung eines Stadtentwicklungsplanes in einer Stadtverwaltung) keinen Platz; die wachsende Bedeutung dieses Bereiches der Verwaltung und ihre Verschiedenheit von den übrigen Arten der Verwaltung lassen es aber heute angebracht erscheinen, sie gesondert aufzuführen 10 . Neben den hier genannten Arten der Verwaltung wird schließlich noch nach dem Ausmaß der Bindung an das Gesetz unterschieden zwischen bestimmt gebundener, unbestimmt gebundener, ermessensfreier und frei gestaltender Verwaltung 11 . Jedoch handelt es sich bei dieser Unterscheidung nicht im eigentlichen Sinne um Arten der Verwaltung. Die Möglichkeiten der Unterteilung der Arten der Verwaltung sind in folgenden Schaubildern darstellbar: VERWALTUNG

Bundes V.

LandesV.

Gemeinde V.

VERWALTUNG

Hoheitliche V. (öffentliches Recht) Dazu unten S. 19 ff. Badura, DÖV 1966, 630. 10 Dazu unten S. 22 f. il 11 W olff/Bacho f , VwR I, § 3 I e. 8

9

Fiskalische V. (Privatrecht)

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VERWALTUNG EingriffsV.

AbgabenV.

BedarfsV.

LeistungsV.

Eingriff (Belastung)

Planende V .

Gewährung (Begünstigung)

II. Hoheitliche Verwaltung 1. Unterscheidung

öffentliches

Recht —

Privatrecht

Es war bereits angedeutet worden, daß die Unterteilungen der Arten der Verwaltung sich vielfältig überschneiden. Sucht man nach einem greifbaren Unterscheidungsmerkmal, so bietet sidi — abgesehen von den hier nicht zu behandelnden Trägern der Verwaltung — die Unterscheidung nach der Rechtsform des Handelns an: Hoheitliche Verwaltung handelt in der Form des öffentlichen Rechts, fiskalische Verwaltung handelt in der Form des Privatrechts. Die Erörterung der Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht rührt an die Grundlagen des Rechts überhaupt. Zwei Fragen sind hier zu stellen: 1. Gibt es einen Unterschied von öffentlichem Recht und Privatrecht? 2. Wenn es einen solchen Unterschied gibt — wie ist das öffentliche Recht vom Privatrecht abzugrenzen? Nach Rudolf Wiethölter ist der Unterschied zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht im modernen Recht „nahezu völlig zertrümmert" 1 2 ; er habe „seine Existenzberechtigung verloren" 1 3 : „In den Stichworten Arbeits-, Wirtschaftsund Sozialrecht, die alle weder öffentlichrechtlich noch privatrechtlich zu begreifen sind, offenbart sich die umfassende historische Uberwindung verklungener Modellansätze 14 ." So markig dieser Ausspruch ist, mit dem geltenden Recht steht er nicht in Einklang; denn die Rechtsordnung in der Bundesrepublik Deutschland geht von diesem Unterschied aus: Nach § 13 G V G gehören „alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen" grundsätzlich vor die ordentlichen Gerichte, während nach § 40 Abs. 1 Satz 1 V w G O der Weg zu den Verwaltungsgerichten „in allen öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art" gegeben ist. Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung „öffentlich-rechtlicher Pflichten" ist wiederum der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet (§ 40 Abs. 2 VwGO). Ersatz18

13 14

Wiethölter, Rechtswissenschaft, 1968, S. 23, allerdings mit dem Zusatz „vielleicht von der Gerichtsbarkeit abgesehen".

Wiethölter (Fn. 12), S. 167. Wiethölter (Fn. 12), S. 168; vgl. auch Kimminich, Einführung in das öffentliche Recht, 1972, S. 59.

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anspräche können ihre Grundlage im öffentlichen Recht oder im Privatrecht haben, und zwar mit durchaus unterschiedlichen Rechtsfolgen15. Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts unterliegen zahlreichen Sonderregelungen. Die „öffentlich-rechtlichen Geldforderungen" werden anders als privatrechtliche Forderungen vollstreckt, nämlich im Verwaltungswege (vgl. § 1 Abs. 1 VwVG). Gemäß § 1 EVwfG 1973 soll das Verwaltungsverfahrensgesetz für die „öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit" der Verwaltungsbehörden gelten16. Die Beschreibung dieses Istzustandes des geltenden Rechts besagt jedoch noch nichts über seine Wünschbarkeit. Vielmehr bleibt die Frage offen, ob die Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatredit überhaupt sinnvoll ist, was wiederum nur dann angenommen werden kann, wenn es brauchbare Kriterien für die Grenzziehung zwischen öffentlichem Recht und Privatredit gibt. Die Bemühungen um die Lösung der Frage nach den Kriterien der Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht sind bis heute noch nicht zur Ruhe gekommen17. Die Zahl der Theorien, die hierzu aufgestellt sind, läßt sich nicht genau ermitteln; genannt werden zwischen 20 und 30. Jedoch sind in diesem Wirrwarr drei Haupttheorien erkennbar, nämlich die Interessentheorie, die Subjektionstheorie und die Subjektstheorie. Die Interessentheorie, die auf den römischen Juristen Ulpian zurückgeht („Publicum ius est quod ad statum rei Romanae spectat, privatum quod ad utilitatem singulorum") 18 , weist diejenigen Rechtssätze, die dem öffentlichen Interesse zu dienen bestimmt sind, dem öffentlichen Recht zu, während diejenigen Rechtssätze, die private Interessen verwirklichen, dem Privatredit angehören sollen19. Demgegenüber stellt die Subjektionstheorie (auch Subordinationstheorie genannt) darauf ab, ob — wie bei hoheitlichem Handeln des Staates gegenüber dem Bürger — ein Verhältnis von rechtlicher Überordnung (des Staates) zur Unterordnung (des Bürgers) besteht (dann öffentliches Recht), oder ob ein Verhältnis der rechtlichen Gleichordnung vorliegt (dann Privatrecht) 20 . 15

18 17

18 19 20

Vgl. dazu den Abschnitt „Das Recht der öffentlich-rechtlichen Sdiadensersatzund Entsdiädigungsleistungen", unten S. 355 ff. Weitere Bsp. bei W. Martens, öffentlich als Reditsbegriff, 1969, S. 92 Fn. 73. Vgl. dazu Bullinger, öffentliches Recht und Privatredit, 1968; Erichsen, Verwaltungsredit und Verwaltungsprozeßrecht, 1975 erscheinend in der Reihe „Juristischer Studienkurs" Fall 1 I. A) 1. e i l ) ; Herb. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 319 ff.; Menger in: Festschrift für Hans J . Wolff, 1974, S. 149 ff. m. w. Hinw. auf S. 153, Fn. 18; Wolff/Bachof, VwR I, § 2 2 ; Zuleeg, Die Rechtsform der Subventionen, 1965, S. 26 ff.; Pestalozzi D Ö V 1974, 188 ff., J Z 1975, 50 ff. Digesten 1,1,1. - Ulpian lebte von 170-228 n. Chr. Vertreten z. B. von Roellecke, Grundbegriffe des Verwaltungsredits, 1972, S. 21. Vertreten insbesondere vom RG (vgl. z . B . R G Z 166, 118 f., 2 2 6 ; R G Z 167, 281 f., 287) und vom BGH (vgl. z . B . BGHZ 14, 222 f., 2 2 7 ; N J W 1970, 811), vereinzelt auch vom BVerwG (vgl. z. B. BVerwGE 29, 161).

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Für die neuere Subjektstbeorie21 (auch Sonderrechtstheorie genannt) sind öffentliches Recht diejenigen Rechtssätze, „deren berechtigtes oder verpflichtetes Zuordnungssubjekt ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt ist" 2 2 ; von diesem Sonderrecht unterscheiden sich die Rechtssätze des Privatrechts dadurch, daß sie potentiell oder aktuell jedermann verpflichten oder berechtigen. Betrachtet man diese drei Theorien, so zeigt sich, daß keine von ihnen gänzlich unproblematisch ist. Gegen die Interessentheorie ist eingewendet worden, daß alles Recht der Ordnung des menschlichen Zusammenlebens diene und damit auch das Privatrecht im öffentlichen Interesse Geltung besitze; auch gebe es „allenfalls eine typische, nicht jedoch eine klassifikatorisdie Unterscheidung" der lediglich öffentlichen von den lediglich privaten Interessen23; zudem sei der Begriff des öffentlichen Interesses gegenwärtig nicht definierbar24; schließlich müsse bei Annahme der Interessentheorie die Frage aufgeworfen werden, ob es überhaupt noch rechtssatzmäßig begründete subjektive öffentliche Rechte geben könne, da die Konstitutionsnorm zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt sein müsse25. Gegen die Subjektionstheorie (Subordinationstheorie) ist vorgebracht worden, daß es auch im Privatrecht Über-Unterordnungsverhältnisse gibt (als Beispiel werden das Eltern-Kind-Verhältnis und die Vormundschaft genannt) 26 ; daß, wie das Rechtsinstitut des öffentlichreditlichen Vertrages zeige, auch dem öffentlichen Recht GleichordnungsVerhältnisse nicht unbekannt sind 27 ; schließlich, daß die Rechtsnormen, die das Über-Unterordnungsverhältnis nicht ausgestalten sondern es begründen, die also erst das Kriterium für die Kategorisierung schaffen, von der Subjektionstheorie nicht erklärbar seien28. Die Subjektstheorie in ihrer älteren Form (sog. ältere Subjektstheorie) mußte sich entgegenhalten lassen, daß die Unterscheidung nach dem Zuordnungssubjekt des Rechtssatzes (Staat und seine Untergliederungen auf der einen Seite — Privatpersonen auf der anderen Seite) sich nidit mit der Unterscheidung zwischen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht deckt: Handelt der Staat oder eine seiner Untergliederungen fiskalisch29 — Beispiele: die Bundeswehr 21

22 28 24 25 29

27

28 29

Zum Unterschied zwischen der älteren und der neueren (modifizierten) Subjektstheorie vgl. unten S. 16. Wolff/Bachof, V w R I, § 22 II c. Wolff/Bachof, V w R I, § 22 II a 6 ; vgl. auch Menger (Fn. 17) S. 158. Erichsen (Fn. 17) I. A ) 1. c 12). Erichsen (Fn. 17) I. A ) 1. c 12). Boehmer, Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung I, 1950; Menger (Fn. 17) S. 155; Wolff/Bachof, V w R I, § II a 7. Menger (Fn. 17) S. 155 f., 164. Zur Einordnung von durch die Verwaltung geschlossenen Verträgen in das öffentliche Recht oder in das Zivilrecht vgl. auch BVerwG DVBl 1968, 7 9 7 ; BGH J Z 1967, 443. Erichsen (Fn. 17) I. A ) 1. c 13. Zum fiskalischen Handeln im einzelnen vgl. unten S. 23 ff.

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kauft Socken; die Bundesbahn kauft Lokomotiven; eine Gemeinde kauft Heizöl für das Rathaus — so ist zwar Zuordnungssubjekt der dieses Rechtsverhältnis regelnden Rechtssätze (§§ 433 ff. BGB) der Staat bzw. eine seiner Untergliederungen, gleichwohl bleiben diese Rechtssätze solche des bürgerlichen Rechts. Umgekehrt zeigt das Beispiel des bereits erwähnten beliehenen Unternehmers, d. h. einer Privatperson, die hoheitliche Funktionen ausübt, daß audi eine Privatperson Zuordnungssubjekt öffentlich-rechtlicher Rechtssätze sein kann, nämlich derjenigen Rechtssätze, die jene hoheitlichen Funktionen regeln 30 . Die neuere Subjektstheorie (Sonderrecbtstbeorie; modifizierte Subjektstheorie)31 entgeht diesem Einwand, indem sie das öffentliche Recht als das „Amtsrecht" der Träger hoheitlicher Gewalt und ihrer Organe faßt, „durch das nicht jedermann, sondern notwendig eben nur ein Träger oder (meist) ein bestimmtes Organ hoheitlicher Gewalt berechtigt und verpflichtet wird" 32 , öffentliches Recht sind darüber hinaus auch diejenigen Rechtssätze, die solche staatlichen oder unterstaatlichen Rechtssubjekte errichten ( = und ihnen „bestimmte eigentümliche Verpflichtungen und Berechtigungen zuordnen" (z. B. Gründungsakt einer neuen Universität) 33 , schließlich auch „die Rechtsbeziehungen zwischen Zivilpersonen, soweit sie eine Modifikation öffentlich-rechtlicher Rechtsverhältnisse enthalten oder sonstwie durch amtsrechtliche Pflichten oder Rechte bestimmt sind". Es war bereits angedeutet worden, daß weder die Interessentheorie noch die Subjektionstheorie noch die (neuere) Subjektstheorie (Sonderrechtstheorie) völlig unproblematisch ist. Äußeres Zeichen hierfür ist, daß keine dieser Theorien sich unangefochten die Krone der „herrschenden Lehre" auf's Haupt setzen konnte. Vielmehr lag eine Zeit lang die Subjektionstheorie vorn, dann wieder die Interessentheorie, während derzeit wohl die neuere Subjektionstheorie (Sonderrechtstheorie) als herrschende Lehre zu bezeichnen ist, ohne allerdings frei von Kritik zu sein35. Das alles spricht aber weniger gegen die genannten Theorien als gegen den von ihnen zu erklärenden Sachverhalt, d. h. die Unterscheidung von öffentlichem Recht und Privatrecht. Ganz offensichtlich handelt es sich hierbei um ein Problem, das nicht von vornherein immer einsichtig gelöst werden kann. Wie anders wäre es sonst zu erklären, daß ein Bundesjustizminister (Dr. Dehler) eine Rechtsstreitigkeit (es ging um die vom 30 31

32 33 34 35

Zutreffend Wolff/Bachof, V w R I, § 22 II c. Die neuere Subjektstheorie ist von Wolff/Bachof

Woljf/Bachof, VwR I, § 22 II c.

entwickelt worden.

Wolff/Bachoff, V w R I, § 22 II c. Wolff/Bachof, V w R I, § 22 II c. Vgl. z. B. den Hinweis von W. Martens (Fn. 16) S. 94, daß wichtige Fragen nach wie vor offen bleiben: „Dazu gehört namentlich die Beurteilung des im Bereich der Leistungsverwaltung (noch geläufigen) nicht gesetzesakzessorischen Verwaltungshandelns, bei dem man sich mit einer Vermutung für öffentlichreditliches Handeln auf Grund öffentlichrechtlicher Zuständigkeitsnormen begnügen muß." Zur Kritik auch Menger und Erichsen, VerwArch 59 (1968), 379 ff.

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damaligen Bundeskanzler Adenauer entgegen einem ursprünglich abgegebenen Versprechen verweigerte Herausgabe des Tonbandprotokolls eines Regierungskoalitionsgespräches) als zivilrechtliche ansah, während der BGH 3 6 den Bundesjustizminister belehrte, daß es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handele und der Justizminister deshalb vor dem falschen, nämlich sachlich unzuständigen Gericht (LG Bonn) geklagt habe; nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß auch die Entscheidung des BGH unrichtig ist, allerdings nicht in bezug auf die Qualifizierung des Rechtsstreites als öffentlich-rechtlich, wohl aber in der Annahme, die zwischen dem Bundeskanzler und dem Bundesjustizminister geschlossene Vereinbarung sei ein verwaltungsrechtlicher Vertrag gewesen (in Wahrheit handelte es sich um einen verfassungsrechtlichen Vertrag) 37 . Gegensätzlich beurteilt worden ist auch die Ausstrahlung von Fernsehsendungen zur Aufklärung von Verbrechen („Aktenzeichen X Y ungelöst"). Das OLG Frankfurt a. M. 38 entschied über einen Unterlassungsanspruch gegen diese Sendung nach §§ 823 ff., 1004 BGB, während das OLG München39 auf ihren polizeilichen Fahndungszweck abstellte und dementsprechend Staatshaftungsgrundsätze, § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG, anwandte. Kontroversen haben sich ferner entzündet an der Vergabe und Sperrung von Aufträgen durch die öffentliche Hand 40 , an Maßnahmen der Einfuhr- und Vorratsstellen41, im Subventionswesen42, beim Vorkaufsrecht der Gemeinden nach § 24 BBauG 43 und bei dem durch eine Behörde ausgesprochenen Hausverbot 44 . Schließlich läßt sich nicht rational, sondern nur mit historischem Rückblick in's Postkutschenzeitalter erklären, warum die Personenbeförderung in Omnibussen der Bundespost sich nach öffentlichem Recht richtet, die Personenbeförderung in Omnibussen der Bundesbahn dagegen nach Privatrecht45. Jedoch sollte dies alles auch nicht dramatisiert werden. Die Brauchbarkeit einer Unterscheidung muß nicht an den schwierigsten Grenzfällen, sondern am Normalfall beurteilt werden: In der Mehrzahl aller Fälle bereitet die Qualifizierung eines Rechtssatzes oder eines Rechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich

38 37 38

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2

BGH J Z 1959, 4 9 9 ff. So zutreffend Ule, J Z 1959, 501. O L G Frankfurt/Main N J W 1971, 47 ff. m. zust. Anm. von Fette, S. 2210. Dazu und zur in Fn. 39 aufgeführten Entscheidung vgl. Erichsen, VerwArch 62 (1971), 181 ff. O L G München N J W 1970, 1745 ff. m. abl. Anm. von T. Schmidt, S. 2026. Vgl. BGHZ 14, 222 einerseits, BVerwGE 5, 325 andererseits. Vgl. BVerwGE 6, 205 und BVerwGE 6, 244 einerseits, BGHZ 20, 77 und BVerwGE 7, 264 andererseits. Vgl. die Hinw. bei W. Martens (Fn. 16) S. 95 Fn. 87. Vgl. BGHZ 60, 275 ff., 279 m. w. Hinw.; Erichsen (Fn. 17) Fall 1. Vgl. dazu BVerwG D Ö V 1971, 137 ff.; Bahls, DVB1 1971, 275 ff.; Bettermann, DVBl 1971, 112; Knemeyer, D Ö V 1971, 3 0 3 ; Knemeyer, D Ö V 1970, 595 ff. Kritisch dazu schon Baur, J Z 1963, 41 ff. Allgemeines Verwaltungsrecht

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oder privatrechtlich keine Schwierigkeiten45". Allerdings ist der Kritik an der Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht zuzugeben, daß diese Unterscheidung nicht dem Recht schlechthin vorgegeben ist (es gibt andere Staaten, in deren Rechtssystemen die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatredit nicht vorhanden oder jedenfalls nicht so ausgeprägt ist wie bei uns), und daß die Verwischung der Trennung von Staat und Gesellschaft auch die Trennung von öffentlichem Recht und Privatrecht mehr und mehr problematisiert. Drittwirkung der Grundrechte46, neuere Entwicklungen im Arbeitsrecht und im Sozialrecht 47 , Rechtsstatus von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften48 seien hier nur als Frage- und Merkpunkte genannt.

2.

Eingriffsverwaltung

Auf dem Feld des öffentlichen Rechts operiert die Eingriffsverwaltung; ihr Wesen liegt darin, daß hier „Subjekte öffentlicher Verwaltung einseitig verbindlich regelnd, d. h. abstrakt oder konkret verbietend, gebietend, entscheidend, Zwang androhend oder anwendend (z. B. durch Polizeibefehl, Ordnungsanordnung, Steuerbescheid und deren Durchsetzung) in die Freiheitssphäre der Verwalteten eingreifen" 49 . Kürzer formuliert: sie ist die Verwaltung, „die mit Erlaubnisvorbehalten, Befehlen und notfalls mit Zwang in das freie Belieben der Menschen eingreift" 60 . Paradebeispiele sind die Gefahrenabwehr durch die Polizei- und Ordnungsbehörden51, wie sie sich insbesondere in den dem § 14 PrPVG nachgebildeten Bestimmungen der Polizeigesetze und Ordnungsbehördengesetze, nodi handgreiflicher im Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG) Erleichtert wird die Feststellung auch dadurch, daß eine Vermutung dafür spricht, „daß sich eine Behörde zur Erfüllung typischer Aufgaben aus dem Bereich der ihr übertragenen hoheitlichen Befugnisse in der Regel öffentlich-rechtlicher Mittel bedient, so daß für eine privatrechtliche Gestaltung im Einzelfall besondere Umstände vorliegen müssen". BGH N J W 1975, 106, 107; vgl. auch Erichsen, J R 1972, 130 und VerwArch 65 (1974), 312 ff. 4 0 Vgl. dazu BVerfGE 7, 198 ff. (Lüth-Urteil) m. w. Hinw.; Eridisen, Staatsrecht u. Verfassungsgerichtsbarkeit I, Blinkfuerfall. 4 7 Vgl. dazu van der Ven in: Festschrift für Rudolf Reinhardt, 1972, S. 167 ff. 4 8 Vgl. dazu Drewes, Die Gewerkschaften in der Verwaltungsordnung, 1958; Herb. Krüger, N J W 1956, 1220; W.Martens (Fn. 16) S. 1 6 2 f f . ; Ossenbühl, N J W 1965, 1561 ff.; Ridder, Zur verfassungsrechtlichen Stellung der Gewerkschaften, 1960; Scheffler, N J W 1965, 849 ff.; Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, 1971, S. 195 ff. 4» Wolff/Bachof, V w R I, § 23 III a. 50 Wolff/Bachof, V w R I, § 3 I c 2. 5 1 Vgl. dazu Friauf in: I. v. Münch, Bes. V w R , S. 141 ff.; V.Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Auflage, 1975. 450

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und den ihm entsprechenden Gesetzen der Länder manifestiert, sowie die Deckung des Finanzbedarfs durch die Abgaben-(Steuer-)Verwaltung52. Instrument der Eingriffsverwaltung ist der belastende Verwaltungsakt. Eingriffsverwaltung ist stets hoheitliche Verwaltung; umgekehrt ist nicht jede hoheitliche Verwaltung Eingriffsverwaltung. Die rechtsdogmatische und praktische Bedeutung der Einordnung einer Verwaltung als Eingriffsverwaltung liegt im sog. Vorbehalt des Gesetzes (Gesetzesvorbehalt). Der Vorbehalt des Gesetzes, auf den unten noch näher eingegangen wird 53 , bedeutet, daß Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers einer gesetzlichen Grundlage bedürfen; derartige Eingriffe darf die Verwaltung also nicht von sich aus vornehmen, sondern nur in Anwendung eines dazu berechtigenden Gesetzes: Eingriffe in Freiheit und Eigentum sind dem Gesetz vorbehalten. Eingriffsverwaltung ist also strikt gesetzesgebunden: nicht nur in dem Sinne, daß die Eingriffsverwaltung wie jede Verwaltung nicht gegen das Gesetz handeln darf, sondern audi in dem Sinne, daß ihr Handeln nur mit einem Gesetz möglich ist. Das Gesetz ist für die Eingriffsverwaltung also Bremse und Gaspedal zugleich: ohne Gesetz kann die Eingriffsverwaltung nicht fahren.

3.

Leistungsverwaltung

Auch in der Form des öffentlichen Rechts, jedoch nicht nur in ihr, handelt die Leistungsverwaltung (leistende Verwaltung) 54 . Die Leistungsverwaltung wird umschrieben als die Verwaltung, „die für die Lebensmöglichkeit und Lebensverbesserung der Mitglieder des Gemeinwesens sorgt, indem sie deren Interessenverfolgung durch Gewährungen unmittelbar fördert" 55 . Beispiele für Handlungen der Leistungsverwaltung, die mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, sind die Leistungen der Arbeitslosenversicherung nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG), die Gewährung von Hilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), die Gewährung von Ausbildungsbeihilfen nach dem Bundesgesetz über die Ausbildungsförderung (BAFöG), die Gewährung von Wirtschaftssubventionen (Grüner Plan; Filmförderung u. ä.) und die Bereitstellung von öffentlichen Krankenhäusern, Kindergärten, Museen usw. 52 5:1

54

55

Vgl. die Hinweise bei Wolff/Bachof, V w R I, § 42. Vgl. S. 21, 40 f. sowie im Abschnitt „Die Quellen des Verwaltungsredits" unten S. 53 ff. Der Begriff der Leistungsverwaltung ist herausgearbeitet worden vor allem von Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938. Vgl. auch Forsthoff, DÖV 1959, 22 ff.; Forsthoff, VwR, S. 368 ff.; Badura, Verwaltungsrecht im liberalen und sozialen Rechtsstaat, 1966; Badura, D Ö V 1966, 6 2 4 f f . ; W.Martens in: Festschrift für Hans J. Wölfl, 1973, S. 429 ff.; Ossenbühl, D Ö V 1971, 513 ff. - Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967, S. 17 ff. Wolff/Bachof, V w R I, § 3 I b 2.

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Instrument der Leistungsverwaltung, soweit sie in öffentlich-rechtlicher Form tätig wird, ist insbesondere der begünstigende Verwaltungsakt56. Jedoch ist Kennzeichen der Leistungsverwaltung gerade auch die Vielfältigkeit ihres Instrumentariums. So ist z. B. die Entscheidung über die Gewährung einer Subvention ein begünstigender Verwaltungsakt, während die Abwicklung der Subvention in privatrechtlicher Form, etwa als Darlehen, erfolgen kann (sog. Zwei-Stufen-Theorie) 57 . Die Gewährung einer Subvention an einen Wirtschaftszweig oder an einzelne Unternehmen und die darin liegende Begünstigung kann aber zugleich auch eine Belastung bilden — eine Belastung nämlich des konkurrierenden Wirtschaftszweiges bzw. Unternehmens (Bsp.: Subventionierung der Steinkohle als Konkurrent des Heizöls; Subventionierung kleiner und mittelgroßer Ölmühlen als Konkurrenten großer Ölmühlen 59 ; Subventionierung kleiner Zeitungsunternehmen als Konkurrenten größerer Zeitungsunternehmen 60 ). Die Leistung an den Einen kann also einen Eingriff gegenüber einem Anderen darstellen, wie überhaupt auch die Leistungsverwaltung Zwang und Eingriffe kennt. Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung sind also kein strenger Gegensatz. Eine neuere, von Otto Bachof vertretene Ansicht geht über diese Feststellung noch hinaus und verneint schon die Trennbarkeit: Es „lassen sich Eingriffs( = ordnende) und Leistungsverwaltung weder nach Zwecken und Aufgaben noch nach dem Instrumentarium einigermaßen deutlich sdieiden. Eine Zerlegung des Verwaltungsrechts „in zwei Teile von je ausgeprägter struktureller Eigentümlichkeit" (Forsthoff) läßt sich anhand jener Unterscheidung nicht vornehmen" 68 . Der Begriff der leistenden Verwaltung sei — ebenso wie die Begriffe Daseinsvorsorge, ordnende, lenkende, austeilende und umverteilende Verwaltung — nur ein heuristischer Begriff 63 , aber kein Rechtsbegriff; er habe keine dogmatische und keine systematische Bedeutung 64 . 5,1 57

58

59 80 81 62 63

84

Einzelheiten dazu im Teil „Das Verwaltungshandeln" unten S. 157 ff. Die Zwei-Stufen-Theorie ist entwickelt worden von H. P. Ipsen, öffentliche Subventionierung Privater, 1956. - Vgl. auch BVerwGE 13, 307; Bay VGH DVB1 1967, 383; BGH DÖV 1969, 640; BGH NJW 1972, 210. Kritisch zur Zweistufentheorie Erichsen, VerwArch 65 (1974), 219; Bethge, JR 1972, 139 ff. Zu den Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Subventionswesen allgemein vgl. V.Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966; H. P. Ipsen/Zacher, Verwaltung durch Subventionen, VVdStRL 25 (1967) S. 257 ff., 308 ff.; Zuleeg, Die Rechtsform der Subventionen, 1965; Herbst, DÖV 1973, 617 ff.; Meister, DVB1. 1972, 593 ff. — Speziell zur Frage der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz bei der Vergabe von Subventionen v. Münch, AöR 85 (1960), 270 ff. Dieser Fall lag der Entscheidung in BVerwGE 6, 287 ff. zugrunde. Dieser Fall lag der Entscheidung des OVG Berlin DÖV 1974, 100 ff. zugrunde. Zutreffend Wolff¡Bachof, VwR I, § 3 I b 2, § 3 I c 2. Bachof, VVdStRL 30 (1972) 242; vgl. auch dort S. 227 f. D. h. lediglich ein methodisch-didaktisches Hilfsmittel zur wissenschaftlichen Erkenntnisfindung (vom griechischen „heurein" = finden). Bachof, VVdStRL 30 (1972) 242.

Verwaltung und Verwaltungsrecht

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Wäre die Auffassung von der Untrennbarkeit von Eingriffsverwaltung und Leistungsverwaltung richtig, so hätte dies eine erhebliche praktische Bedeutung, nämlich für die Frage der Geltung des Gesetzesvorbehalts65. Nach bisheriger Ansicht steht die Leistungsverwaltung nicht im gleichen Maße unter dem Gesetzesvorbehalt wie die Eingriffsverwaltung: Die Gewährung von Leistungen bedarf danach — anders als Eingriffe — nicht unter allen Umständen einer gesetzlichen Grundlage 66 ; diese ist vielmehr nur dann erforderlich, wenn durch eine Regelung „eine untrennbare Wechselbeziehung zwischen der Auferlegung von Belastungen und der Gewährung von Begünstigungen geschaffen wird" 67 . Im Normalfall, d. h. wenn keine solche untrennbare Wechselbeziehung zwischen Begünstigung und Belastung besteht, ist jede parlamentarische Willensäußerung (z. B. ein einfacher Parlamentsbeschluß), ja schon die bloße etatmäßige Bereitstellung der finanziellen Mittel für die Gewährung der Leistung eine hinreichende Legitimation. Es mehren sich allerdings die Stimmen, die auch die Leistungsverwaltung dem Gesetzesvorbehalt unterwerfen wollen 68 ; jedoch würden auch damit Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung nicht egalisiert, weil nach Ansicht des BVerfG im Bereich der gewährenden Verwaltung (sprich: Leistungsverwaltung) „eine besondere Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers"69 (sprich: eine besonders weite Gestaltungsfreiheit) besteht. Die Differenzierung zwischen Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung in bezug auf Gesetzesvorbehalt und Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers setzt allerdings voraus, daß zwischen Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung selbst unterschieden werden kann. Das aber ist nicht so selbstverständlich wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Auf die Tatsache, daß die Gewährung von Begünstigungen im wirtschaftlichen Bereich zugleich sich als ein Eingriff in die Stellung des Konkurrenten darstellen kann, war bereits oben hingewiesen worden70. Immerhin läßt sich in diesem Beispiel die Doppelköpfigkeit der Maßnahme noch erkennbar machen, weil verschiedene Adressaten im Spiel stehen. Wie aber ist z. B. die Pockenschutzimpfung zu qualifizieren? Ist sie (weil gesetzlich angeordnet und das 65 69

67 88

69

Vgl. dazu unten S. 40 f. und im Teil „Die Quellen des Verwaltungsrechts" S. 53 ff. Vgl. dazu BVerfGE 8, 155, 167 (Lastenausgleidi): Selbst bei Annahme der Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts „gilt jedenfalls auch heute kein Gesetzesvorbehalt für die Zuständigkeiten und das Verfahren der leistungsgewährenden Verwaltung. Dieses Gebiet liegt besonders weit von dem Bereich der Eingriffe in Freiheit und Eigentum entfernt. Erwägungen, die den Gesetzesvorbehalt für die Eingriffsverwaltung begründen, können also nicht herangezogen werden." — Vgl. auch

W. Martens (Fn. 54) S. 433 ff. BVerwGE 6, 282 (Ölmühlen-Fall).

OVG Münster DVB1 1963, 860; weitere Hinw. in OVG Berlin DÖV 1974, 102.

Vgl. auch BVerfGE 33, 303, 331, 333 f. BVerfGE 6, 77; 11, 60; 12, 166; 17, 216.

™ Oben S. 20.

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Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit berührend) Eingriffsverwaltung oder ist sie (weil kostenlos und gerade zum Schutz des Grundrechts der körperlichen Unversehrtheit vorgenommen) Leistungsverwaltung 7 1 ? W i e ist die Zwangsernährung eines im Hungerstreik befindlichen Untersuchungs- oder Strafgefangenen zu beurteilen? Steht hier Zwang im Vordergrund oder G e währung 7 2 ? Nicht leicht einzukategorisieren ist auch der Bereich der Schule; sie wird traditionell als Leistungsverwaltung begriffen 7 3 . Aber ist dies wirklich richtig? Ist obligatorischer Sexualkundeunterricht für 10jährige eine Leistung oder ein Eingriff oder beides zugleich 74 ? Offensichtlich gehen Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung ineinander über 7 5 . Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung — die typische Aufgabe der Eingriffsverwaltung — ist eben auch staatliche Leistung im weitesten Sinne 7 6 ; deshalb ist es auch folgerichtig, wenn es heute nicht mehr nur um den Anspruch des Bürgers auf Unterlassen polizeilicher Handlungen (d. h. die Abwehr von Eingriffen) geht, sondern auch ein Anspruch des Bürgers auf Tätigwerden der Polizei (also auf Gewährung) diskutiert und bejaht wird 7 7 . So sehr die Grenzen zwischen Eingriffsverwaltung und Leistungsverwaltung auch fließend sein mögen, so ist doch zu bedenken, daß der größte Teil des Verwaltungshandelns sich (noch) klar und eindeutig entweder der Leistungsverwaltung oder der Eingriffsverwaltung zuordnen läßt, und daß die Unterscheidung wegen der in beiden Bereichen unterschiedlichen Maßstäbe für das Handeln des Gesetzgebers und der Verwaltungsbehörden auch (noch) sinnvoll ist. Jedoch werden wandelnde Verwaltungsaufgaben und -technik ständig den Sinn dieser Unterscheidung neuer Befragung aussetzen; möglicherweise wird in Zukunft die Unterscheidung tatsächlich bedeutungslos werden.

4. Planende

Verwaltung

Die Verschiebung des Schwergewichtes von der Eingriffsverwaltung zur Leistungsverwaltung geht einher mit einer immer wichtiger werdenden besonderen Form der Verwaltung, nämlich der planenden Verwaltung. Die Tätigkeit der 71 72 73 74

75

n

77

Vgl. dazu BVerwGE 9, 78 ff. Vgl. dazu Linck, N J W 1975, 18 f. So z. B. Wolff/Bachof, VwR I, § 2. Vgl. dazu OVG Berlin N J W 1973, 819 ff.; OVG Hamburg DÖV 1973, 574 ff.; Evers, JZ 1973, 555 f.; Jessen, N J W 1973, 1340 ff.; Stober, DÖV 1973, 554 ff. Vgl. dazu Beinhardt, DVB1 1961, 608 ff.; v. Unruh, DVB1 1972, 469; V. Götz (Fn. 51) S. 33 f., m. w. Hinw. auf S. 34. Zutreffend Becker, Die Leistungsaufgaben der öffentlichen Verwaltung, 1956. — Kritisch dazu, weil damit der Begriff der Daseinsvorsorge und der Leistungsverwaltung seinen spezifischen Sinn verliere, Forsthoff, VwR, S. 370 Fn. 3. Vgl. die Hinw. in § 1 Fn. 41.

Verwaltung und Verwaltungsrecht

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planenden Verwaltung ist ein Teil der staatlichen Planung überhaupt 78 . Ziel der Planung ist „die programmierende Gestaltung eines Sachbereidis unter Abwägung und Ausgleichung aller betroffenen Rechte und Interessen und unter Berücksichtigung aller erheblichen Umstände". 79 Die Entwicklung der Planung zeigt die Veränderungen in der Staatstätigkeit seit der Anerkennung des Verwaltungszweckes der Daseinsvorsorge: Begann die Verwaltung zunächst lediglich als eine Art „sozialer Pannendienst" 80 mit lediglich reaktivem Verwaltungshandeln 81 , so geht die Entwicklung nunmehr dahin, daß der Staat „sich die Verspätung als Regelfall nicht mehr leisten kann 82 . Das bedeutet, daß frühzeitig geeignete Vorstellungen entwickelt werden müssen, um Notsituationen vorzubeugen, d. h. es muß geplant werden — Stichwort: „Planende Verwaltung als Aufgabe der Gegenwart 83 ." Die Planung wirft verfassungsrechtliche und verwaltungsrechtliche Probleme auf. Die verfassungsrechtlichen Fragen beziehen sich auf das Verhältnis von Parlament und planender Exekutive (Stichwort: Entmachtung des Parlaments 84 ). Die verwaltungsrechtlichen Fragen sind so vielschichtig, daß sie hier nicht näher erörtert werden können. Es wird insoweit auf die in den folgenden Teilen dieses Budies über das Verwaltungshandeln 85 und über das Verwaltungsverfahren 86 gemachten Ausführungen verwiesen. III. Fiskalische Verwaltung 1. Begriff der fiskalischen Verwaltung Fiskalische Verwaltung ist Verwaltung durch den Fiskus. Die Geschichte des Fiskusbegriffes, die eine Geschichte seiner Wandlungen ist, kann hier im einzelnen nicht nachgezeichnet werden. Grob skizziert lassen sich drei Fiskustheorien festhalten 87 : 78

79

80

81

Das Schrifttum dazu ist inzwischen nahezu unübersehbar; vgl. dazu ]. H. Kaiser (Hrsg.), Planung, zuletzt Bd. VII (1973); Harnischfeger, Planung in der sozialstaatlichen Demokratie; 1 9 6 9 ; Steiger in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, 385 ff. m. w. Hinw. und im Teil „Das Verwaltungshandeln" unten S. 197 ff. Definition von Badura, unten S. 292. Vgl. audi Erichsen/Martens, unten § 21. Zur Definition auch Herzog, EvStL, Sp. 1520. Denninger, Handlexikon der Rechtswissenschaft, 1972, S. 428.

Forsthoff, VwR, S. 59.

H. P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 1973, S. 372. 83 ^ Weber, zit. bei Blümel in: Festschrift für Werner Weber, 1974, S. 1. 84 Vgl. dazu Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit II, 1973 S. 97 ff.; 82

E.-W. Böckenförde, Der Staat 11 (1972), 429 ff.; Kewenig, DÖV 1973, 23 ff.; Liesegang, ZRP 1972, 259 ff.; Liesegang, DÖV 1972, 847 ff. - Weitere Hinw. bei Frowein/v. Münch, VVdStRL 31 (1973) 13 ff., 51 ff. 85 8« 87

Unten S. 197 ff.; vgl. auch Lecheler, D Ö V 1974, 441 ff. Unten S. 290 ff. V V d S t R L 19 (1961), 221 ff. m. w. Hinw.; Zum folgenden vgl. Zeidler,

VwR, S. 112; O.Mayer,

Forsthoff,

VwR I, S. 49 ff.; Erichsen, Staatsrecht u. Verfassungs-

gerichtsbarkeit I, 1972 S. 91 f.

24

Ingo von Mündi

1. Im Zeitalter des Absolutismus wurde der Fiskus zunächst als eine neben den obrigkeitlich handelnden Staat stehende selbständige Rechtsperson angesehen, an die der Bürger, wenn er durch den obrigkeitlich handelnden Staat geschädigt war, sich mit finanziellen Ersatzansprüchen halten korinte. Der Bürger vermochte also zwar obrigkeitliche Eingriffe nicht zu verhindern, aber er konnte vor Gericht den Fiskus finanziell zur Rechenschaft ziehen („dulde und liquidiere"). 2. Für diesen Fiskusbegriff war kein Raum mehr, als man im 19. Jahrhundert begann, den Staat als eine einheitliche Rechtsperson zu begreifen. Als Fiskus verstand man nunmehr den Staat in seiner Eigenschaft als Vermögensträger; auch diese Konstruktion diente dem Rechtsschutz des Bürgers, weil einerseits alle Vermögensrechte dem Privatrecht zugeordnet wurden, andererseits gerichtlicher Rechtsschutz nur für privatrechtliche Streitigkeiten eröffnet war. 3. Heute bezeichnet man als Fiskus den Staat oder einen der ihm eingegliederten öffentlich-rechtlichen Verbände in seiner Eigenschaft als Privatrechtssubjekt, d. h. als Teilnehmer (Partner) am Privatrechtsverkehr. Der Staat geht hier, um ein Bild von Walter Jellinek zu gebrauchen, nicht in Uniform, sondern in Zivil 88 . 2. Arten der

fiskalischen

Verwaltung

Die Verwaltung geht in Zivil bei drei Tätigkeitsarten: 1. als Bedarfsverwaltung im Sinne der Anschaffung der für die Verwaltungstätigkeit notwendigen Sachgüter, sog. Hilfsgeschäfte der Verwaltung; 2. bei erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand; 3. wenn die Verwaltung — was im Bereich der Leistungsverwaltung häufig vorkommt — sich zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben der Rechtsform des Privatrechts bedient (sog. Verwaltungsprivatrecht). Verhältnismäßig unproblematisch ist von diesen Fällen derjenige der Hilfsgeschäfte der Verwaltung, d. h. der Anschaffung der für die Verwaltungstätigkeit notwendigen Sachgüter89. Es bedarf keiner Erläuterung, daß tagtäglich eine riesige Fülle von Sachgütern angeschafft werden muß, um die Verwaltungsmaschinerie am Laufen zu halten: Papier für Universitäten, Kohlen für's Finanzamt, Streifenwagen für die Polizei, Panzer für die Bundeswehr, Bau einer Schule, usw. usw. — alle diese Güterbeschaffungsvorgänge werden in Form des Privatrechts (meist durch Kauf von Waren, aber auch durch Mieten von Gebäuden und durch andere Rechtsgeschäfte nach BGB) abgewickelt. Als Käufer, Mieter usw. ist der Staat Privatmann, so daß sich hier keine Fragen des Verwaltungsrechts, sondern solche des Privatrechts stellen. Auf das Sonder88 89

W. Jellinek, VwR, S. 25. Vgl. dazu Altmann, Das öffentliche Auftragswesen, 1960; Badura in: I. v. Münch, BesVwR, S. 187 £.; Bogs, BB 1963, 1269; Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, 1963; H. Müller, Staatliche Preislenkung bei öffentlichen Aufträgen, 1970.

Verwaltung und Verwaltungsrecht

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problem der sog. Fiskalgeltung der Grundrechte wird in anderem Zusammenhang noch einzugehen sein 90 . Größere Schwierigkeiten ergeben sich dagegen für die Erwerbstätigkeit der öffentlichen Hand91. Bund, Länder und Gemeinden nehmen in großem Maße am Wirtschaftsleben teil, indem sie sich als Unternehmer erwerbswirtschaftlich betätigen. Volkswagenwerk, Lufthansa, Preußag, Hüttenwerk Salzgitter AG, Saarbergwerke AG, Ruhr-Stickstoff AG, Howaldtswerke AG, Bayrische Wasserkraftwerke A G und Württembergische Elektrizitäts AG sind Beispiele für Bundesbeteiligungen. Die Liste dieser Beispiele ließe sich, auch für die Länder und Gemeinden, eindrucksvoll verlängern: schon seit langem ist die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand über die klassischen Regiebetriebe (Königlich Preußische Porzellanmanufaktur; Staatsforsten; Domänen; Bierbrauereien) hinausgewachsen; selbst als Damenstrumpfproduzent (Tilly's Strumpffabrik) hat sich der Bund versucht 93 . Angesichts der ebenso vielfältigen wie umfangreichen erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand ist der Formulierung zuzustimmen, die den Fiskus als „erstaunlichen Karrieremacher und Allroundman" bezeichnet, „der es vom ,Prügelknaben' zum Wirtschaftsmagnaten gebracht hat" 9 4 . Zugleich stellt sich aber die Frage ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. Im Verhältnis zu den privaten nichtstaatlichen Unternehmern hat die öffentliche Hand den Vorteil, daß sie Verluste, die sie bei ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit erleidet, aus den öffentlichen Haushalten (sprich: den Steuereinnahmen) ausbügeln kann. Diesem Startvorteil am Markt steht kein entsprechender Nachteil gegenüber; denn von der die Daseinsvorsorge verwirklichenden Leistungsverwaltung durch Bundespost, Bundesbahn und die kommunalen Versorgungsbetriebe (Gas- und Wasserversorgungsunternehmen; Verkehrsbetriebe) unterscheidet sich die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand durch das Fehlen eines besonderen öffentlichen Interesses 95 , was »" Dazu unten S. 42 f. Vgl. dazu die Hinweise bei Badura in: I. v. Münch, BesVwR, S. 288, Fn. 198, insbes. auf Bettermann in: Berliner Festschrift für E.Hirsch, 1968, S. 1 ff.; Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969; H. H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1969; Th. Schwarz, Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, 1970; Wenger, Die öffentliche Unternehmen, 1969. 9 2 Eine genaue Aufstellung findet sich in Beteiligungen des Bundes im Haushaltsjahr 1972 (Anhang zum Finanzbericht 1974), hrsg. vom Bundesministerium der Finanzen. — Frühere Aufstellungen in: Der Bund als Unternehmer, hrsg. vom Bundesministerium für wirtschaftlichen Besitz des Bundes, 1960, und in: Das industrielle Bundesvermögen im Jahre 1964/1965, hrsg. vom Bundesschatzministerium, 1966. 9 3 Das Unternehmen hatte als Unternehmen des Reiches im 2. Weltkrieg Socken für die Wehrmacht produziert und war dann gemäß Art. 134 Abs. 1 GG Bundesvermögen geworden. 94 Mallmann, V V d S t R L 19 (1961), 165. 95 Badura in: I. v. Münch, BesVerwR, S. 289. 91

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sich vor allem darin zeigt, daß die öffentliche Hand bei ihrer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit keine „sozialen Preise" — z. B. durch Fahrpreisermäßigung für Schülerfahrkarten, durch Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes auf unrentablen Strecken in Förderungsgebieten (früher Zonenrandgebiet genannt) usw. — zu zahlen hat. Die öffentliche Hand kann sich hier vielmehr wie jeder andere Marktbewerber verhalten und sich ausschließlich nach Angebot und Nachfrage richten, dies aber — wie bereits gesagt — immer auf dem Notpolster des Steuersäckels. Gleichwohl lehnt die h. L. es ab, aus dem Verfassungsrecht (Subsidiaritätsprinzip; Art. 2 I GG) Beschränkungen für die staatliche erwerbswirtschaftliche Tätigkeit abzuleiten, die über die für alle geltenden Beschränkungen hinausgehen96. Diese nicht unproblematische Ansicht mag bei maßvollem Engagement des Staates hingenommen werden können; jedoch darf die Gefahr nicht übersehen werden, die zumindest darin liegen kann, daß der Staat im Wirtschaftsbereich die nichtstaatliche Wirtschaftstätigkeit auf kaltem Wege (nicht durch Gesetz!) zurückdrängt. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bieten wegen ihrer engen Voraussetzungen jedenfalls kaum Schutz gegen ausufernde staatliche Erwerbstätigkeit. Während die staatliche erwerbswirtschaftliche Tätigkeit also nach h. L. ohne weiteres zulässig ist, wird die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden an die Erfüllung bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen geknüpft 97 . Die dem § 67 DGO nachgebildeten Bestimmungen der Gemeindeordnungen der Länder (z. B. § 88 N R W GemO) fordern, daß 1. ein dringender öffentlicher Zweck das wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde erfordert, 2. dieser Zweck durch andere (d. h. nichtgemeindliche) Unternehmen nicht besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann, und 3. das wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zur voraussichtlichen Belastung steht. Nach Ansicht des BGH im Blockeis-Fall (eine Gemeinde und ein Privatunternehmen stellten Blockeis her; das Privatunternehmen klagte auf Unterlassung) ist § 69 Abs. 1 98

97

98

Vgl. die Hinweise bei Badura in: I. v. Münch, BesVerwR, S. 204. — A . A . : Maunz/Dürig/Herzog, GG, Rdnr. 52 zu Art. 2 Halbs. 1, wonach das „staatsgerichtete Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit" die öffentliche H a n d hindere, in Wettbewerbskonkurrenz zur Privatwirtschaft zu treten. Ausführlich zur Frage des Umfangs zulässiger wirtschaftlicher Betätigung der Gemeinden BVerwGE 40, 329 ff. (Gemeindlicher Bestattungsordner); HoffmannBecking in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 445 ff.; H. H. Klein (Fn. 91) S. 73 ff.; Röttgen in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT, 1960, I. S. 577 ff.; / . Rauball - R. Rauball, GemO für N R W , Komm., 2. Auflage 1974, Erl. zu § 8 8 ; Stern, BayVBl 1962, 129 ff.; vgl. auch § 75 bayGemO. Diese Subsidiaritätsklausel ist nicht enthalten in der GemO. Bad. Württ. (§ 85) — vgl. dazu BVerwGE 40, 336 — und in der GemO Hessen (§ 98) und GemO Sdil.Holst. (§ 82).

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a. F. = § 88 Abs. 1 n. F.) N R W GemO allerdings kein Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 B G B ; denn in § 69 Abs. 1 ( = § 88 Abs. 1 n. F.) N R W GemO „steht das eigene Interesse der Gemeinden an einer gesunden Gemeindewirtschaft im Vordergrund und stellt der Schutz des beschränkten Personenkreises der Inhaber von privaten wirtschaftlichen Unternehmen nur einen Nebenzweck von nachgeordneter Bedeutung dar" 9 9 . Die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden kann im übrigen verschieden organisiert sein 100 : sie kann vorgenommen werden 1. durch unselbständige Anstalten mit unmittelbarer Verwaltung durch gemeindliche Ämter (Bsp.: Fuhrpark; Badeanstalt; Schlachthof); 2. durch Eigenbetriebe, d . h . gemeindliche Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit, die nach den EigenbetriebsVOen der Länder als Sondervermögen unter gesonderter Verwaltung und gesonderter Kassenführung stehen (Bsp.: Gaswerk; Wasserwerk; Verkehrsunternehmen — sog. Gemeindewerke oder Stadtwerke); 3. durch Eigengesellschaften, d. h. durch juristische Personen (häufig Aktiengesellschaften), die im Eigentum einer Gemeinde stehen (Bsp.: Hamburgische Staatsoper AG); 4. durch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, d. h. juristische Personen (wiederum häufig Aktiengesellschaften), an denen neben Gemeinden auch private Wirtschaftsunternehmen und Einzelpersonen beteiligt sind (Bsp.: Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke A G [ R W E ] ; Vereinigte Elektrizitätswerke AG [ V E W ] ; Hamburgische Elektrizitätswerke A G [ H E W ] ) . Was schließlich das Verwaltungsprivatrecht betrifft, so handelt es sich hierbei zwar um ein Handeln der Verwaltung in privatrechtlicher Form, jedoch nicht um fiskalische Verwaltung im eigentlichen Sinne. Die Probleme des Verwaltungsprivatrechts werden daher an anderer Stelle behandelt 101 . §3 Verfassung und Verwaltung I. Grundprinpizien der Verfassung: Bundesstaat, Demokratie, Sozialstaat, Rechtsstaat 1. Politische Bedingtheit des Verwaltungsrechts Als Otto Mayer im Jahre 1923 die 3. Auflage seines Lehrbuches „Deutsches Verwaltungsrecht" veröffentlichte, lagen zwischen diesem Jahr und dem ErDVBl 1962, 102 ff., 104. Vgl. auch BVerwGE 40, 336, wonach § 8 5 GemO. Bad.-Württ. „nicht dazu bestimmt ist, den einzelnen Unternehmer oder die Privatwirtschaft insgesamt vor der Konkurrenz der öffentlichen Hand zu schützen". — Vgl. ferner LG Wiesbaden N J W 1961, 2118 f. (Anzeigen in Kundenzeitschrift der Stadtwerke); BGH DB 1974, 1615 ff. (Verkauf von KFZ-Kennzeichensdiildern durch KFZ-Zulassungsstelle). 100 Vgl da2u Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963; Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 1969; Püttner, Das Recht der kommunalen Energieversorgung, 1967; J. Rauball - R. Rauball (Fn. 97), Erl. zu § 88; Zeiß, Das Eigenbetriebsrecht der gemeindlichen Betriebe, 2. Aufl. 1962; Zeiß, D Ö V 1969, 821 ff. 1 0 1 Vgl. unten S. 43. 99

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scheinungsjahr der Vorauflage ein verlorener Weltkrieg, der Sturz der Monarchie, eine Revolution, eine neue Verfassung. Gleichwohl schrieb Otto Mayer in das Vorwort der Neuauflage die berühmtgewordenen Worte: „Groß Neues ist ja seit 1914 und 1917 nicht nachzutragen. ,Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht'; dies hat man anderwärts schon längst beobachtet. Wir haben hier nur die Anknüpfungspunkte entsprechend zu berichtigen." Dagegen überschrieb ein halbes Menschenalter später Fritz Werner, der damalige Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, eine Abhandlung mit dem Titel: „Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht1." Offensichtlich liegen hier gegensätzliche Auffassungen vor. Aber wer hat Recht2? Verwaltungsrecht ist konkretes Recht. Das Verwaltungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland enthält andere Regeln als das Verwaltungsrecht Äthiopiens. Die deutsche Verwaltung von 1871 ist nicht identisch mit derjenigen von 1933 3 , 1945, 1975. Ob eine Störung der öffentlichen Ordnung im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts vorliegt, mag in Oberammergau anders beurteilt werden als in St. Pauli 4 . Das alles spricht gegen Otto Mayers These. Andererseits: Die Gasversorgung einer Gemeinde schert sich nicht um Monarchie oder Republik. Müllabfuhr läuft im Prinzip im Jahre 1975 nicht anders als 1935 oder 1905. Zwischen der Tätigkeit der Feuerwehr in Frankfurt am Main und derjenigen in Frankfurt an der Oder bestehen kaum Unterschiede. Trifft Otto Mayers Ansicht also doch zu? Alles Recht ist mehr oder weniger politisch bedingt. Für das öffentliche Redit gilt dies in besonderem Maße, wenn auch hinsichtlich der einzelnen Teilgebiete des öffentlichen Rechts (Verfassungsrecht [Staatsrecht], Verwaltungsrecht, Gerichtsverfassungsrecht, Prozeßrecht, Strafrecht, Staatskirchenrecht, Völkerrecht) in unterschiedlichem Maße. In bezug auf das Verwaltungsrecht ergeben sich folgende Erwägungen: Die politische Grundentscheidung für das staatliche Handeln in der Bundesrepublik Deutschland ist im GG getroffen. Da der Gesetzgeber an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt ( = Regierung und Verwaltung) an Gesetz und Recht gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG), ergibt sich für die Verwaltung, die die Gesetze vollzieht, eine ständige Anbindung an die Verfassung. Für die Grundrechte ist dies ausdrücklich noch einmal in Art. 1 Abs. 3 GG statuiert. Gesetzgebung und Verwaltung sind aber nicht nur gehalten, die Verfassung nicht zu verletzen, sondern sie müssen auch aktiv auf die Verwirklichung der Grundentscheidungen der Verfassung hinarbeiten. Die Möglichkeiten hierfür sind je nach Art der Verwaltung unterschiedlich groß. Im Bereich der Versorgungsbetriebe und der sog. technischen Betriebsverwaltungen (Bundesbahn, Bundespost) wird die Bindung an die Verfassungsentscheidungen sich nicht 1 2

3 4

DVBl 1958, 527. Zur Bewertung dieser beiden „geflügelten Worte" vgl. auch den Teil „Die Quellen des Verwaltungsrechts" unten S. 62. Zur Verwaltung in der NS-Zeit vgl. Wolff/Bachof, V w R I, § 10 I. Ähnlich auch Drews/Wacke, Allg. PolizeiR, 7. Auflage 1961, S. 76 f.

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ständig praktisch aktualisieren; ausgeschlossen ist dies aber auch hier nicht, wie die Sozialtarife (Fahrpreisermäßigungen) bei der Bundesbahn (Einfluß des Sozialstaatsgebotes) zeigen. Verwaltungsrecht ist also in der T a t konkretisiertes Verfassungsrecht.

2.

Bundesstaat

Die in A r t . 20 Abs. 1, 79 Abs. 3 G G festgelegte bundesstaatliche S t r u k t u r 5 der Bundesrepublik Deutschland w i r k t sich im Verwaltungsrecht in mehrfacher Weise aus: 1. Die Gesetzgebungskompetenzverteilung der A r t . 70 ff., 105 G G enthält keine Regelung eines einheitlichen Rechtsgebietes „Verwaltungsrecht", u n d z w a r weder des „Allgemeinen Verwaltungsrechts" (d. h. der f ü r alle V e r w a l tungsrechtsgebiete geltenden Regeln) noch des „besonderen Verwaltungsrechts" (d. h. der einzelnen speziellen Materien). Die K o m p e t e n z k a t a l o g e müssen deshalb jeweils d a r a u f h i n „ a b g e k l o p f t " werden, ob das betreffende Rechtsgebiet der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis des Bundes, der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis, der Rahmengesetzgebungsbefugnis des Bundes oder der Gesetzgebungsbefugnis der Länder unterliegt. Gegenwärtig liegt der E n t w u r f eines (Bundes-)Verwaltungsverfahrensgesetzes vor 6 . Aus dem besonderen Verwaltungsrecht unterliegen einige Rechtsgebiete der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis des Bundes (z. B. Bundeseisenbahnen u n d L u f t v e r k e h r - A r t . 73 N r . 6 G G ; Post- u n d Fernmeldewesen — A r t . 73 N r . 7 G G ; die Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes u n d der bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen — A r t . 73 N r . 8 G G ) ; andere Verwaltungsrechtsgebiete fallen in die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes (so z. B. das Vereins- u n d Versammlungsrecht — A r t . 74 N r . 3; das Aufenthalts- u n d Niederlassungsrecht der Ausländer — A r t . 74 N r . 4; die öffentliche Fürsorge — A r t . 74 N r . 7; M a ß n a h m e n gegen gemeingefährliche u n d übertragbare K r a n k h e i t e n — A r t . 74 N r . 19; Straßenverkehr u n d K r a f t f a h r w e s e n — A r t . 74 N r . 22; Abfallbeseitigung, L u f t r e i n h a l t u n g u n d L ä r m b e k ä m p f u n g — A r t . 74 N r . 24); Rahmenvorschriften darf der Bund z. B. über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens (Art. 75 N r . 1 a), den Naturschutz (Art. 75 N r . 3), die R a u m o r d n u n g (Art. 75 N r . 4) u n d das Melde- u n d Ausweiswesen (Art. 75 N r . 5) erlassen. Rechtsgebiete aus dem besonderen Verwaltungsrecht, die nicht in einem der Gesetzgebungskompetenzkataloge der A r t . 73 ff., 105 G G enthalten sind, unterliegen gemäß A r t . 70 Abs. 1 G G der Gesetzgebungsbefugnis der L ä n d e r (Beispiel: Polizeiu n d Ordnungsrecht; Schulrecht). Es gibt also Bundesverwaltungsrecht u n d Landesverwaltungsrecht. 5 6

Vgl. dazu Hesse, VerfR, S. 88 ff. Abdruck in Anhang unten S. 462 ff.

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2. Organisatorische Konsequenz der bundesstaatlichen Struktur ist die Teilung der Verwaltung in Bundesverwaltung und Landesverwaltung; die sich hieraus ergebenden Fragen werden unten im Abschnitt „Die Verwaltungsorganisation" behandelt 7 .

3. Demokratie Schwieriger als die Einwirkung des Bundesstaatsprinzips auf die Verwaltung ist das Verhältnis von Demokratiegebot und Verwaltung zu bestimmen. Die Schwierigkeit hat vor allem ihre Ursache in der Vieldeutigkeit des Demokratiebegriffs; denn „es gibt kaum einen verfassungsrechtlichen Begriff, dem so unterschiedliche Deutungen gegeben werden wie dem der Demokratie" 8 . Auch das GG, aus dem der Demokratiebegriff für die Bundesrepublik Deutschland konkretisiert werden muß, gibt zum Thema Demokratie und Verwaltung 9 nicht viele weiterführende Anhaltspunkte. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geht alle Staatsgewalt, also auch die öffentliche Verwaltung, vom Volke aus (Grundsatz der Volkssouveränität). Der Ursprung der Staatsgewalt signalisiert zugleich ihren Zweck; sie ist nicht um des Staates willen, sondern um des Bürgers willen existent, eines Bürgers, der nach der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des GG nicht als Untertan, sondern als mündiger Staatsbürger zu behandeln ist. Die Ausrichtung der Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung am Wohl des Bürgers reicht aber allein nicht aus. Da der Staat unter den Bedingungen der modernen Industrie- und Massengesellschaft nicht durch die Bürger selbst unmittelbar verwaltet werden kann, die Staatsgewalt vielmehr durch „besondere Organe der vollziehenden Gewalt" ausgeübt wird (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), muß nach organisatorischen Formen gesucht werden, den Bürger an der Entscheidungsbildung der Verwaltung zu beteiligen. Es geht hier um die sog. Partizipation an Verwaltungsentscheidungen10, die in Form der Mitwirkung (Anhörung, Erörterung, Vorschlagsrecht) und in Form der Mitentscheidung (in Kollegialorganen) vorkommt. Beispiele einer Mitwirkung ist die Anhörung von Beteiligten nach dem BBauG und dem StädtebauförderungsG; Beispiele einer Mitentscheidung finden sich in den Rundfunk- und Fernsehräten, im Verwaltungsrat der Bundespost, im Verwaltungsrat der Bundesbahn und in der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften.

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S. 413 ff. Hesse, VerfR, S. 52. - Vgl. audi v. Simson/Kriele, VVdStRL 29 (1971), 3 ff., 46 ff., m. w. Hinw. Vgl. dazu die Beiträge in: Demokratie und Verwaltung. 25 Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 1972, insbes. die Beiträge von Herzog, S. 485 ff.; Luhmann, S. 211 ff., Schnur, S. 557 ff. Vgl. auch W. Zeidler, DVBl 1973, 719 ff. Vgl. dazu die Hinw. im Teil „Das Verwaltungsverfahren" unten S. 248 f.

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Aus dem GG sind allerdings für Art und Umfang der Partizipation an Verwaltungsentscheidungen keine festen Maßstäbe zu gewinnen. Deshalb ist die Frage der Partizipation in hohem Maße kontrovers. Soweit es um die Anhörung eines einzelnen Bürgers geht, in dessen Rechte der beabsichtigte Erlaß eines Verwaltungsaktes eingreifen würde (vgl. § 24 Abs. 1 EVwVfG 1973) 11 , ist diese allerdings mehr im Rechtsstaatsgebot angesiedelt als im Demokratiegebot. Geht es dagegen um ein Betroffensein der Allgemeinheit, so steht die Anhörung in engerem Zusammenhang mit dem Demokratiegebot. Jedoch sind die Grenzen zwischen beiden Fallgruppen fließend, wie z. B. Umweltschutzprobleme zeigen. Audi ist die Frage, ob eine Anhörung bei Verwaltungshandlungen, welche die Allgemeinheit betreffen, überhaupt rechtlich geboten ist, umstritten. Im Fall der Erhöhung der Straßenbahntarife durch den Rat der Stadt Köln hat das LG Köln dies aus dem Bekenntnis des GG zu einer freiheitlichen demokratischen, sozialen Ordnung bejaht: „Ein solche Gesellschaftsordnung kennt keine Obrigkeit, sondern zur Erfüllung von Gemeinschaftsaufgaben durch Teilung von Verantwortung und Arbeit, nur Einrichtungen, die von der Gemeinschaft aller abhängen und ihr verantwortlich sind. Diese Einrichtungen, zu denen audi der Rat der Stadt Köln gehört, müssen in aller Regel schon bei der Vorbereitung ihrer Entscheidungen denjenigen Gelegenheit zur Stellungnahme geben, die von der Entscheidung betroffen werden sollen; das gilt für individuelle Maßnahmen ebenso wie für generelle 12 ." Demgegenüber verneint der BGH ein solches Anhörungsrecht der Allgemeinheit: „Ein verfassungsmäßiges Recht des Bürgers oder irgendeiner Organisation, von sämtlichen öffentlichen Stellen und Behörden vor jeglicher Maßnahme gehört zu werden, die den Einzelnen oder die seine Interessen wahrnehmende Organisation in diesen Interessen berührt, existiert nicht und kann auch gar nicht wünschbar sein, weil dadurch die Tätigkeit der Organe von Gesetzgebung und Verwaltung schon allein im Hinblick auf die Schwierigkeit einer Ermittlung des oder der berufenen Adressaten in ganz unerträglicher Weise erschwert und, was entscheidend ist, zum Nachteil des Ganzen behindert würde. Eine Anhörung solcher Art kann vielmehr immer nur eine Frage des politischen Taktes oder der politischen Klugheit sein 13 ." Die Mitwirkung von Bürgern in kollegialen Entscheidungsgremien wirft ebenfalls Fragen auf, nämlich die Frage nach der Effizienz ehrenamtlicher Mitwirkung durch Einzelne 14 , die Frage nach den Prinzipien der Auswahl dieser Einzelnen als Vertreter von Betroffenen oder Gruppen 15 , schließlich — soweit es sich um Verbandsvertreter handelt — die Frage nach dem zulässigen Ausmaß des Einflusses der Verbände und politischen Parteien auf die Verwaltung; 11 12 13 14

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Einzelheiten dazu im Teil „Das Verwaltungsverfahren", S. 255 f. J Z 1969, 80, 82. J Z 1969, 637, 640 (Läpple-Urteil). Vgl. dazu W. Thieme, Verwaltung und Gesellschaft in: Handbuch der Verwaltung (hrsg. von U. Becker/W. Thieme) H . 1.1 Rn. 1149.

W. Thieme (Fn. 14) Rn. 1149.

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hierauf wird im Abschnitt „Politische oder unpolitische Verwaltung" zurückzukommen sein16. Im demokratischen Prinzip wurzeln auch die Prinzipien der Selbstverwaltung und der Autonomie1". Hier geht es um die Verselbständigung (Ausgliederung) staatlicher Verbände und um die Verleihung des Rechtes an diese Verbände Rechtsvorschriften für die ihnen angehörigen Personen zu erlassen (Satzungsautonomie). Beispiele solcher Selbstverwaltungsträger sind die Gemeinden (kommunale Selbstverwaltung; vgl. Art. 28 Abs. 2 GG) als Gebietskörperschaften und die Industrie und Handelskammern, Rechtsanwaltskammern und Ärztekammern als sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts. In seiner Facharzt-Entscheidung (ein Facharzt für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe hatte in einem einzigen Fall auch einen männlichen Patienten, nämlich den Ehemann einer Patientin, behandelt, und war deshalb aufgrund der Berufsordnung der Ärztekammer vom Berufsgericht für Heilberufe verurteilt worden) hat das BVerfG dazu ausgeführt: „Die Verleihung von Satzungsautonomie hat ihren guten Sinn darin, gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren, den entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat zu verringern. Zugleich wird der Gesetzgeber davon entlastet, sachliche und örtliche Verschiedenheiten berücksichtigen zu müssen, die für ihn oft schwer erkennbar sind und auf deren Veränderung er nicht rasch genug reagieren könnte 18 ." Fügt der Selbstverwaltungs- und Satzungsautonomiegedanke sich also sinnvoll in die demokratische Ordnung ein, so setzt das Demokratieprinzip (zusammen mit dem Rechtsstaatsprinzip) jedoch zugleich auch Schranken, nämlich die, „daß der Gesetzgeber sich seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußern und seinen Einfluß auf den Inhalt der von den körperschaftlichen Organen zu erlassenden Normen nicht gänzlich preisgeben d a r f . . . Der Gesetzgeber darf seine vornehmste Aufgabe nicht anderen Stellen innerhalb oder außerhalb der Staatsorganisation zu freier Verfügung überlassen. Dies gilt besonders, wenn der Akt der Autonomieverleihung dem autonomen Verband nicht nur allgemein das Recht zu eigenverantwortlicher Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben und zum Erlaß der erforderlichen Organisationsnormen einräumt, sondern ihn zugleich zu Eingriffen in den Grundrechtsbereich ermächtigt" 19 . Handelt es sich bei der Selbstverwaltung und Satzungsautonomie um den Zusammenhang zwischen Demokratieprinzip und Ausgliederung aus der unmittelbaren Staatsverwaltung, so ist mit dem Stichwort „Demokratisierung der 10 17 18 18

Dazu unten S. 46 ff. BVerfGE 33, 125, 159 (Fadiarzt). BVerfGE 33, 125, 156 f. BVerfGE 33, 125, 158.

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Verwaltung"20 eine andere Frage angeschnitten, nämlich die, ob und inwieweit die Organisation der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung selbst demokratisch struktuiert werden muß oder kann. Hier könnte zunächst an eine Wahl der in der Verwaltung Tätigen durch das Volk gedacht werden, so wie dies nach den Gemeindeordnungen einiger Bundesländer in bezug auf den Oberbürgermeister der Fall ist. Sieht man aber das Riesenheer der im öffentlichen Dienst Beschäftigten (z. Z. mehr als 3 Millionen Personen, d. i. jeder 8. Bundesbürger)21, so zeigt sich, daß schon wegen dieser Riesenzahl — ganz abgesehen von anderen Gründen — eine solche Wahl nicht gangbar ist. Aber selbst in kleinen Gemeinden mit einer überschaubaren Zahl wäre die Wahl problematisch: Sollen die Lehrer, die im Dienste des Landes stehen und von diesem besoldet werden, von allen Bürgern des Landes gewählt werden oder nur von den Bürgern der Gemeinde oder nur von solchen Bürgern der Gemeinde, deren Kinder der zu wählende Lehrer unterrichten soll 22 ? Unter Demokratisierung der Verwaltung wird ferner die Ablösung hierarchischer Organisationsstrukturen und ihre Ersetzung durch Formen kollegialer Führung (Teams; Arbeitsgruppen u. ä. 23 ) verstanden. Jedoch handelt es sich hierbei um Probleme, die mit dem Demokratiegebot nur in einem sehr verdünnten, entfernten Zusammenhang stehen24. Ein Sonderproblem, dessen Stellung und Lösung sich auf die allgemeine Verwaltung nicht übertragen läßt, ist die Mitbestimmung an den Hochschulen (Paritäten-Frage usw.)25, und die paritätische Mitbestimmung in kommunalen Versorgungsunternehmen26. Nicht die Organisation, sondern die Tätigkeit der Verwaltung ist angesprochen, wenn Öffentlichkeit (Transparenz) der Verwaltungsvorgänge gefordert wird. „Verfassungsrechtliche Grundvorstellung ist die ,öffentliche Verwal20 21

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3

Vgl. F. Meyer, Demokratie in der Schule (Aktuelle Dokumente de Gruyter), 1973. Stichwort: „Beamtenrepublik"; vgl. dazu D E R S P I E G E L Nr. 51 vom 16. 12. 1974 S. 28 ff. — Überblick über die Entwicklung seit 1913 bei v. Münch in: I. v. Münch, BesVwR, S. 28 m. w. Hinw. In der Schweiz werden die Beamten nidit auf Lebenszeit, sondern nur für eine bestimmte Amtsdauer (i. d. R. 4 Jahre), durdi die zuständige Behörde ernannt und sodann von der Behörde wiedergewählt". Eine echte Wahl und Wiederwahl der Beamten durch das Volk gibt es in einigen Kantonen und Gemeinden, z. B. im Kanton Zürich für Lehrer; vgl. dazu O. Kaufmann)Lobsiger in: Recht und System des öffentlichen Dienstes in den Ländern Schweden, Schweiz, Spanien, USA (hrsg. von ]. H. Kaiser / F. Mayer / Ule), Studienkommission für die Reform des öffentlichen Dienstrechts, Bd. 2, 1973, S. 111. - Kritisch Herzog (Fn. 9) S. 490. Vgl. dazu Herzog (Fn. 9) S. 486 ff.; Schnur (Fn. 9) S. 557 ff. Herzog (Fn. 9) S. 490. Vgl. dazu BVerfGE 35, 79 ff. (Niedersächs. VorschaltG). Vgl. dazu Biedenkopf /Säcker, Z A R 1971, 211 ff.; Zeller, Kommunale Mitbestimmung, 1972; Püttner, Die Mitbestimmung in kommunalen Unternehmen, 1972; H.-P. Schneider, D Ö V 1972, 598 ff. Allgemeines Verwaltungsrecht

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tung' im Sinne einer höchstmöglichen transparenten, zugänglichen und informierenden Verwaltung 27 ." In der Praxis ist diese Grundvorstellung allerdings weitgehend nur ein Wunschbild. Dies liegt nicht nur an einem gestörten Verhältnis der Verwaltung zur Öffentlichkeit (hier ist zweifellos vieles verbesserungsfähig), sondern auch daran, daß dem generellen Informationsinteresse der Allgemeinheit oft konkrete Vertraulichkeitsinteressen Einzelner entgegenstehen. So garantiert § 26 EVwVfG 1973 den an einem Verwaltungsverfahren Beteiligten einen Ansprudi darauf, „daß ihre Geheimnisse, insbesondere die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse sowie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden" 28 . Diese Geheimhaltungspflicht der Behörden wird in bezug auf den einzelnen Beamten in den Beamtengesetzen und für die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst in den Tarifverträgen durdi Auferlegung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit29, darüber hinaus strafrechtlich durch § 353 b StGB abgesichert. — Das Recht des Beteiligten auf Akteneinsicht folgt mehr aus dem Rechtsstaatsgebot als aus dem Demokratiegebot; dieses Recht wird im Abschnitt „Das Verwaltungsverfahren" behandelt 30 . Zum Thema Verwaltung und Demokratie sind schließlich noch die Anstöße zu nennen, die von Presse, Rundfunk, Bürgerinitiativen 300 , Petitionen usw. genommen und gegeben werden, genommen im Sinne von Anstoß als Kritik, gegeben als Anstoß im Sinne von Anregungen und Informationen. 4. Sozialstaat Gemäß Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat; auch in den Ländern muß — wie Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG vorschreibt — die verfassungsmäßige Ordnung den Grundsätzen des sozialen Rechtsstaates entsprechen31. Zu den Staatszielbestimmungen der Verfassung gehört also audi das Sozialstaatsgebot. Der Inhalt dieses Prinzips ist an sich kaum leichter zu bestimmen als derjenige des Demokratiegebotes; jedoch hat das Sozialstaatsgebot vermittels intensiver Ausfüllung durch den Gesetz27

Scholz, N J W 1973, 482. - Vgl. audi Berggreen, D i e „dissenting opinion" in der Verwaltung. Zum Problem der Öffentlichkeit staatlicher Entscheidungsvorgänge, 1972. 28 Einzelheiten dazu im Teil „Das Verwaltungsverfahren" unten S. 256. 29 Vgl. dazu v. Münch in: I. v. Mündi, BesVwR, S. 54 f. — Zur sog. „Flucht in die Öffentlichkeit" vgl. BVerfGE 28, 191 ff. und BGHSt. 20, 342 ff. (Pätsch-Urteile im sog. Keller-Fall), und die H i n w . bei v. Münch in: I. v. Münch, B e s V w R , S. 74 s Fn. 292. ° Unten S. 256 ff. 30a Zu Bürgerinitiativen vgl. die ausführlichen H i n w . bei Blümel in: Festschrift für Werner Weber, 1974, S. 541 Fn. 8. 31 Vgl. dazu die H i n w . bei Hesse, VerfR, S. 84 ff.; davon insbes. Forsthoff/Bachof, V V d S t R L 12 (1954), 8 ff., 37 ff.; Menger, Der Begriff des sozialen Rechtsstaates im Bonner Grundgesetz, 1953; Menzel, D Ö V 1972, 3 5 7 f f . ; W. Weher, Der Staat 4 (1965), 419 ff.

V e r w a l t u n g und Verwaltungsrecht

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geber und häufiger Auslegung durch die Rechtsprechung festere Konturen gewonnen. Aus dem umfangreichen, kaum noch überschaubaren gesetzgeberischen Werk zum Sozialrecht im weitesten Sinne erlangt in wirtschaftlichen Krisenzeiten (Öl-Krise 1974/75) das StabilitätsG besondere Bedeutung: In Ausfüllung des in Art. 109 GG aufgestellten Gebotes, daß Bund und Länder den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen haben, nennt § 1 StabilitätsG das sog. „magische Viereck": Die wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen von Bund und Ländern sind so zu treffen, „daß sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen." Die Entscheidung, ob der Gesetzgeber sozial tätig werden will oder nicht, ist nicht in das Belieben des Parlaments gestellt. Dazu hat das BVerfG nämlich schon in einer seiner ersten Entscheidungen (im Fall einer Kriegerwitwe, die für sich und ihre drei Kinder im Alter von 6, 13 und 16 Jahren eine Rente von 1 8 3 , - DM nach dem BVersG + 20,— DM nach dem SoforthilfeG bekam) festgestellt: Der Gesetzgeber „ist gewiß verfassungsrechtlich zu sozialer Aktivität, insbesondere dazu verpflichtet, sich um einen erträglichen Ausgleich der widerstreitenden Interessen und um die Herstellung erträglicher Lebensbedingungen für alle die zu bemühen, die in Not geraten sind" 32 . Jedoch wäre das Sozialstaatsgebot zu eng verstanden, wenn daraus nur eine soziale Nothilfe abgeleitet werden würde, so wie sie — wenn auch nur sehr allgemein umschrieben — in dem Katalog der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis mit den Stichwörtern „Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen" (Art. 74 Nr. 6 GG), „öffentliche Fürsorge (Art. 74 Nr. 7), „Kriegsschäden und Wiedergutmachung" (Art. 74 Nr. 9) und „Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen und die Fürsorge für die ehemaligen Kriegsgefangenen" (Art. 74 Nr. 10) umschrieben ist. Vielmehr ist der Staat nicht nur verpflichtet, bestehende Notlagen zu beheben, sondern auch, einen Ausgleich zwischen wirtschaftlich Schwachen und Starken zu finden, d. h. konkret: den Abstand zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen von Arm und Reich sich nicht vergrößern oder im status quo beharren zu lassen, sondern ihn zu verringern. Dies ist im übrigen auch ein Gebot materieller Gerechtigkeit34, was zeigt, wie eng Sozialstaatsgebot und Rechtsstaatsgebot zusammenhängen. 32

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31



B V e r f G E 1, 9 7 , 1 0 5 (allerdings mit dem Zusatz, d a ß ein unmittelbarer Anspruch des Einzelnen aus dem Sozialstaatsprinzip nur ausnahmsweise erwachsen könne).

Übersicht über Vermögensbildungspläne bei F. Klein, Vermögensbildung und Eigentumsgarantie, 1 9 7 4 ; Pulte, Vermögensbildung-Vermögensverteilung (Aktuelle D o k u mente de G r u y t e r ) , 1 9 7 3 ; Ekkeh. Stein, Vermögenspolitik und Grundrechte, 1 9 7 4 . — Tatsachenmaterial in: Die Einkommens- und Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland (hrsg. v o m Bundesminister für A r b e i t und Sozialordnung), 1974. Z u r materiellen Gerechtigkeit als Ausfluß des Rechtsstaatsprinzips vgl. unten S. 39.

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Die aus dem Sozialstaatsgebot des G G resultierende Verpflichtung des Gesetzgebers zu sozialer Aktivität wirkt in mehrfacher Weise auf die Verwaltung ein. Zunächst obliegt der Verwaltung als Teil der vollziehenden Gewalt die Aktualisierung wie aller Gesetze so auch der Sozialgesetze. Dies ist schon quantitativ gesehen eine ungeheure Aufgabe, wenn man die Riesenflut von Gesetzen im Sozialbereich betrachtet 35 und die astronomische Höhe der finanziellen Leistungen, die von der Verwaltung bewegt werden. Die im Sozialbudget zusammengefaßten Sozialleistungen (Altersrenten, Witwenrenten, Kinder- und Waisengeld, Gesundheitsleistungen, Kriegsfolgelasten, Sparförderung, Arbeits- und Berufsförderung, Arbeitslosen- und Kurzarbeitsgeld usw.) stiegen von 110,6 Milliarden D M im Jahre 1965 auf 169,0 Milliarden D M im Jahre 1970 und auf 218,1 Milliarden D M im Jahre 1972 (für 1972 waren dies rd. 26 °/o des Bruttosozialprodukts); für 1977 wird mit 353,9 Milliarden D M gerechnet 36 . J e größer aber die finanziellen Leistungen sind, die zur Verteilung durch die Verwaltung anstehen, um so größer wird auch der Verwaltungsapparat werden, der diese Verteilung durchführt. Die Steigerung der Sozialleistungen, die positiv zu bewerten ist, führt also zu der negativen Auswirkung der Aufblähung der Verwaltung37; die Aufblähung der Verwaltung wiederum führt zwangsläufig zu steigenden Personalkosten; wegen der Belastung mit diesen Personalkosten wird die freie Manövriermasse der öffentlichen Haushalte immer kleiner 38 ; das heißt: für andere Zwecke als die Besoldung der im öffentlichen Dienst Tätigen (also z. B. für den Bau von Schulen, Krankenhäusern, Straßen usw., d. h. für den Ausbau der sog. Infrastruktur) stehen prozentual gesehen immer weniger Mittel zur Verfügung (Slogan: „Die Beamten fressen den Staat auf"). Reichen die Einnahmen nicht mehr aus, so helfen sich Staat und Gemeinden dadurch, daß sie Schulden machen. Die Schulden müssen aber wiederum verwaltet werden (Bundesschuldenverwaltung; Schuldenverwaltungen der Länder; Gemeindefinanzverwaltung), und kosten Zinsen. So dreht sich die Schraube ohne Ende. Die massenhafte Erledigung von Anträgen führt aber auch zu technokratischer Bürokratiemaschinerie39. Die computergesteuerte Behandlung und Erledi35

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Instruktiver Oberblick bei Wertenbruch in: I. v. Münch, BesVwR, S. 307 ff. — Zu geplanten Gesetzen vgl. Sozialbericht 1973. Maßnahmen und Vorhaben der Gesellschafts- und Sozialpolitik. Sozialbudgets 1973, Auszug (hrsg. vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung). Vgl. Gesellschaftliche Daten 1973 in der Bundesrepublik Deutschland (hrsg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung), S. 210 ff. Zutreffend Badura, D O V 1968, 4 5 0 : „Die Gesetze des wohlfahrtsstaatlich entfesselten Parlaments, Akte weitgreifender Sozialgestaltung, Planung und Umverteilung, verwandeln die Verwaltung in eine ständig expandierende Apparatur der Lenkung und Leistung. Der Wohlfahrtsstaat ist notwendig „Verwaltungsstaat" in dem Sinne, daß er seine Zwecke nur „durch einen umfangreichen und bürokratisch organisierten Verwaltungsstab verwirklichen kann". So betrug z. B. der Anteil der Personalkosten am Haushalt des Landes Hessen 1974 fast 43 °/o.

Verwaltung und Verwaltungsrecht

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gung von Anträgen auf Zuteilung eines Studienplatzes durch die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen40 ist dafür ein Beispiel. Die Gewährung von sozialen Leistungen (im weitesten Sinne) führt ferner zu einer Gewichtsverlagerung von der Eingriffsverwaltung zur Leistungsverwaltung. Ablösung des auf Gefahrenabwehr beschränkten Nachtwächterstaates durch den Daseinsvorsorge betreibenden Leistungsstaat, Entthronung des Polizeirechts durch das Planungsrecht, das Wirtschaftsverwaltungsrecht, das Sozialrecht und das Kulturverwaltungsrecht als charakteristische Materien des sozialen Rechtsstaates41 können hier als Stichwort genannt werden. Fast in's Gastronomische geht schon der von Hans J. Wolff geprägte Ausdruck der „Einschenkverwaltung" 42 . Allerdings wäre es nicht richtig, den Beginn dieser Gewichtsverlagerung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des GG anzusetzen: denn schon lange vor Einführung des Sozialstaatsgebotes als Verfassungssatz ist— jedenfalls in Deutschland — mit der Absicherung der sozialen Grundrisiken begonnen worden, so mit dem G über die Krankenversicherung der Arbeiter von 1883, dem UnfallversicherungsG von 1884 und dem G über Invaliditätsund Alterssicherung von 1883, die in der Reichsversicherung O von 1911 zusammengefaßt wurden43. Die Entwicklung zum Leistungsstaat ist dann im Verlaufe des 1. Weltkrieges, der Nachkriegszeit und der Weltwirtschaftskrise rasant beschleunigt, und hat schließlich ihren Höhepunkt nach dem 2. Weltkrieg, zunächst mit der Bewältigung der Folgen des NS-Regimes und des Krieges (Wiedergutmachung an rassisch Verfolgte; Kriegsopferversorgung; Eingliederung der Hefmatvertriebenen; Zuweisung von Wohnraum an Ausgebombte und aus Kriegsgefangenschaft Entlassene; Lastenausgleich usw.), sodann mit dem Ausbau der sozialen Sicherung (BundessozialhilfeG; Rentenreform; Sicherung rückständiger Lohnforderungen im Fall eines Konkurses; Entschädigung für Opfer von Straftaten; Förderung des sozialen Wohnungsbaues; Schwerbeschädigtenrecht; therapeutische Hilfen für Drogen- und Rauschmittelgeschädigte). Verwaltet werden muß auch die starke Ausweitung des Bildungswesens (Schlagwort: „Bildungsgesellschaft")44; so soll die Zahl der Studenten, die sich im Jahre 1970 auf 503 000 belief, im Jahre 1975 auf 665 000 steigen, auf 814 000 bis 867 000 im Jahre 1980 und auf 965 000 bis über eine 39

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Badura, D Ö V 1968, 450, spricht — noch schärfer — von „technokratischer Entartung der Bürokratie". Zu damit zusammenhängenden Rechtsfragen vgl. O V G Münster, DVB1 1974, 9 4 6 f.; O V G Münster DVB1 1974, 947 f.; O V G Münster DVB1 1974, 948 f.; Haas, D V B l 1974, 929 ff. 4 2 Wolff/Bachof, Vgl. Badura, D Ö V 1968, 450. V w R I, § 3 I c 1. Vgl. Kraemer, Anforderungen der demokratischen Gesellschaft an die Sozialverwaltung der Länder unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Rheinland-Pfalz, in Demokratie und Verwaltung (Fn. 9) S. 375, 3 7 6 ; vgl. auch Forsthoff, VwR, S. 62 ff. Die Kosten des Bildungswesens insgesamt werden mit mehr als 29 Milliarden für 1970 und fast 59 Milliarden DM für 1975 angegeben; vgl. Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung — Bildungsgesamtplan. Kurzfassung. 1973, S. 43.

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Million (1 047 000) im Jahre 1985 emporschnellen45. Für Weiterbildung nach Aufnahme der Berufstätigkeit sollen 1985 709 Millionen DM bereitgestellt werden (zum Vergleich: 1970: 173 Millionen DM) 4 6 . Schließlich stellt auch die große Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Ausländer und ihrer Familienangehörigen (Gesamtzahl Ende 1974: 4,1 Millionen; jeder 14. Einwohner der Bundesrepublik besitzt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit) die Verwaltung vor schwierige Aufgaben. Die genannten Beispiele zeigen aber audi, daß Eingriffsverwaltung und Leistungsverwaltung nicht immer scharf voneinander getrennt sind; so war die Zuteilung von Wohnraum an Ausgebombte (Leistung) nur möglich durch Zwangseinquartierung (Eingriff); um für Ausländer Wohnraum und Schulen bereitzustellen (Leistung) wird in einigen Städten eine gegen weitere Ausländer gerichtete Zuzugssperre geplant (Eingriff). Die Ausweitung der Leistungsverwaltung bewirkt auch eine verstärkte Wahl von an sich für die Verwaltung atypischen Rechtshandlungen, etwa in der Form des Zivilrechts; dies gilt insbesondere für den Bereich der Wirtschaftsförderung'17. Aktualisiert wird das Sozialstaatsgebot bei der Vornahme von Verwaltungshandlungen dadurch, daß die Verwaltung das Sozialstaatsgebot bei der Auslegung von Gesetzen und bei der Betätigung des Ermessens zu berücksichtigen hat 48 . Schließlich hat die Rechtsprechung aus dem Sozialstaatsgebot eine — wenn auch nicht generelle, sondern nur aus konkreten Einzelumständen folgende — Pflicht der Verwaltung zur Belehrung des Bürgers über die Rechtslage oder über für ihn bedeutsame tatsächliche Umstände abgeleitet. Die Leitentscheidung des B G H (Fall eines schwerbeschädigten Rentners) sagt dazu, es gehöre „gerade in einem sozialen Rechtsstaat zu den Amtspflichten der mit der Betreuung der sozial schwachen Volkskreise betrauten Beamten, diesen zur Erlangung und Wahrung der ihnen vom Gesetz zugedachten Rechte und Vorteile nach Kräften beizustehen"48. In späteren Entscheidungen hat der B G H die Schwierigkeit eines Spezialrechtsgebietes für einen rechtsunkundigen Antragsteller 50 und das BVerwG das vorgerückte Alter des Betroffenen 51 als Anlaß für eine Belehrungspflicht genommen52. Bund-Länder-Kommission (Fn. 44) S. 29. Bund-Länder-Kommission (Fn. 44) S. 35. 4 7 Vgl. dazu Badura in: I. v. Münch, BesVwR, S. 280 ff. 4 * Einzelheiten dazu im Teil „Das Verwaltungshandeln" unten S. 151 ff. 4 9 N J W 1957, 1873, 1874. 5 0 N J W 1965, 1226, 1227 (Automatenaufstellung in Spielhalle). 5 1 Buchh. 427.3 § 258 L A G N r . 4. 5 2 Umfangreiche weitere Hinw. bei Laubinger in: Demokratie und Verwaltung (Fn. 9) S. 439, 455. — Vgl. auch den Teil „Das Verwaltungsverfahren" unten S. 258. 45 40

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5. Rechtsstaat Der Begriff des Rechtsstaates53, der in Art. 18 Abs. 1 GG ausdrücklich genannt wird und inhaltlich in zahlreichen anderen Bestimmungen des GG (z. B. in denjenigen über die Grundrechte und über die Rechtsprechung) Ausdrude gefunden hat, kann formell oder materiell verstanden werden. Der formelle Rechtsstaatsbegriff bezeichnet einen Staat, in dem alle staatlichen Machtäußerungen anhand von Gesetzen meßbar sind; für den materiellen Rechtsstaatsbegriff ist wesentlich, daß der Staat auf die Idee der Gerechtigkeit bezogen ist54. Der Rechtsstaatsbegriff des GG umfaßt sowohl das formelle als auch das materielle Verständnis. Der Rechtsstaatsgedanke steht dabei in engem Zusammenhang mit dem demokratischen und dem sozialstaatlichen. Zwischen Rechtsstaatsprinzip und Sozialstaatsprinzip besteht — entgegen der Ansicht von Forsthoff55 — kein unauflösbarer Widerspruch. Zwar kann nicht bestritten werden, daß der gewährende, versorgende, lenkende und planende Staat gleichzeitig ein nehmender Staat ist56, und daß die zunehmende Abhängigkeit von staatlichen Daseinsvorsorgeleistungen für den Bürger auch eine Freiheitsbedrohung darstellen kann 57 , vor allem dann, wenn die Leistung dem Empfänger gegen seinen Willen aufgedrängt wird (Stichwort: Vom Sozialstaat zum Wohlfahrtsstaat) 58 , und damit jede Eigeninitiative und Eigenverantwortung abgenommen wird (Stichwort: Schicksal als einklagbarer Rechtsanspruch)59. Aber aus dieser Gefahr darf nicht gefolgert werden, daß Sozialstaatsgebot und Rechtsstaatsgebot einander ausschließen. Notwendig ist vielmehr eine sorgfältige Abwägung im Einzelfall 60 , wo die Akzente stärker gesetzt werden müssen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, daß die Grundrechte — wie die Diskussion sog. sozialer Grundrechte (Leistungsgmndrechte; soziale Teilhaberechte) zeigt — „sozial aufgeladen" werden 61 . Die Einwirkungen des Rechtsstaatsgedankens auf das Verwaltungsrecht sind so vielfältig und zahlreich, daß sie hier nicht im einzelnen dargestellt werden können: Das System des deutschen Verwaltungsrechts ist vom liberalen bürger53

54 55 58 57 58 39 60

C1

Vgl. die H i n w . bei Hesse, VerfR S. 76 Fn. 2, Ericbsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit II, 1973 S. 23 f.; und bei Schnapp in: I. v. Münch, GG, S. 648. Schnapp (Fn. 53) Rn. 2 2 zu Art. 20. V V d S t R L 12 (1954), 19. Denninger, H a n d l e x i k o n der Rechtswissenschaft, 1972, S. 428. Wolff/Bachof, V w R III, § 137 I b. Zum Begriff Wohlfahrtsstaat vgl. die H i n w . bei v. Münch, JZ 1960, 303 Fn. 3. Formulierung v o n F. Werner. H. P. Bull, D i e Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 1973, S. 372. — Vgl. auch Schnapp (Fn. 53) Rn. 28, 29 zu Art. 20. Vgl. dazu BVerwGE 33, 303, 332 ff. (numerus clausus-Urteil); W. Martens/Häberle, V V d S t R L 30 (1972), 7 ff., 43 ff. m. w. H i n w .

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liehen Rechtsstaat gezeugt und auch heute noch dadurch geprägt. Zu nennen sind hier insbesondere der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der in anderem Zusammenhang im einzelnen erörtert wird 62 , und der „gerichtliche Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte. Mit der für den Bürger erstrebten Rechtssicherheit und Möglichkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes hängt, wie ebenfalls unten noch ausführlich dargestellt werden wird 63 , die zentrale Bedeutung des Begriffes des Verwaltungsakts im deutschen Verwaltungsrecht zusammen. Allerdings ist der Begriff des Verwaltungsakts später mehr und mehr ausgeweitet worden, was zu Erschrecken geführt hat: „Der wahrlich nicht verwöhnte Betrachter der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik, dem der Schrecken der Staatsrechtslehrertagung von 1971 noch immer in die Knochen fährt, so oft er an das Glückwunschtelegramm als Verwaltungsakt d e n k t . . . 6 4 ." Eine zentrale Bedeutung haben für das Verwaltungsrecht insbesondere auch die Bindung der Verwaltung an die Grundrechte (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG), die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und das Recht des Betroffenen auf Anhörung.

II. Bindung und Freiheit der Verwaltung 1. Gesetzmäßigkeit

der

Verwaltung

Gemäß Art. 20 Abs. 3 G G ist die Gesetzgebung (nur) „an die verfassungsmäßige Ordnung", die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind dagegen (auch) „an Gesetz und Recht" gebunden. Das darin enthaltene Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung enthält den Vorrang des Gesetzes (d. h.: das förmliche [ = vom Parlament im formellen Gesetzgebungsverfahren beschlossene] Gesetz geht allen anderen Rechtsquellen vor, insbesondere also Rechtsverordnungen, Verwaltungsanweisungen u. ä.) und den Vorbehalt des Gesetzes (d.h.: Eingriffe in Freiheit und Eigentum des Bürgers dürfen — weil dem Gesetzgeber vorbehalten — nur bei Vorliegen eines dazu ermächtigenden Gesetzes erfolgen). Geschichtliche Entwicklung und heutige Problematik des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung werden im Abschnitt „Die Quellen des Verwaltungsrechts" dargestellt 65 und können daher hier unerörtert bleiben; an dieser Stelle sollen deshalb nur einige Hinweise vorgetragen werden, die sich auf das Verhältnis des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu Bindung und Freiheit der Verwaltung beziehen. 62 63

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Im Teil „Die Quellen des Verwaltungsredits" unten S. 53. Im Teil „Das Verwaltungshandeln" unten S. 131. Renck, N J W 1974, 1550 (angespielt wird dabei auf eine Äußerung von W d S t R L 30 (1972), 288 Anm. 190). Unten S. 53 ff.

Brohm,

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Der Vorrang des Gesetzes bindet die Verwaltung insoweit, als sie keine Verwaltungshandlungen vornehmen kann, die geltendem Recht widersprechen. Umzäunt also das Gesetz den Raum, innerhalb dessen die Verwaltung sich bewegen kann, so bleibt der Verwaltung in der Praxis gleichwohl noch eine große Entscheidungsfreiheit, wie sie sich in diesem Raum bewegen will; denn trotz des Dranges des Gesetzgebers zu perfektionistischer Gesetzgebung sind weite Sachfelder nur lückenhaft von Gesetzesnormen bedeckt. Anders wäre die unübersehbare Fülle von Ministerialerlassen, Verwaltungsrichtlinien usw. nicht erklärlich. Der Vorbehalt des Gesetzes gilt nach h. L. auch heute noch nur für Eingriffe; der immer wichtiger werdende Bereich der Leistungsverwaltung fällt also, soweit mit den Leistungen nicht in untrennbarer Wechselbeziehung Eingriffe verbunden sind, aus der Geltung des Vorbehalts des Gesetzes heraus 66 . Damit sind der (Leistungs-)Verwaltung vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten freigestellt. Auf die Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen von Ermessensentscheidungen war bereits hingewiesen worden 67 . Für die Wahrung einer gewissen Gestaltungsfreiheit der Verwaltung ist schließlich auch nicht unwichtig, daß das Verhältnis von Parlament zu Verwaltung nicht als Feindverhältnis gedeutet werden kann. Die Überlastung des Parlaments und die Konzentration von Sachwissen und Informationen in den Ministerien führen dazu, daß die meisten Gesetzesvorlagen von der Bundesregierung und in den Landtagen von den Landesregierungen, also von der Spitze der Verwaltung, eingebracht werden; hier wirkt also die Verwaltung auf den Inhalt des im Parlament zu beratenden Gesetzes ein. Auch mag für die Belange der Verwaltung nicht ungut sein, daß in den Parlamenten Angehörige der öffentlichen Verwaltung zahlenmäßig stark vertreten sind; so gehören z.B. von den 110 Abgeordneten des hessischen Landtages 67 dem öffentlichen Dienst an; die restlichen Abgeordneten verteilen sich auf 18 Angestellte, 16 Selbständige, 3 Bauern, 3 Arbeiter und 3 Hausfrauen. 2. Verwaltung und Grundrechte Der Freiraum der Verwaltung geht jedoch nicht so weit, daß sie Grundrechte verletzen darf; dies wäre mit Art. 1 Abs. 3 GG unvereinbar. Die Gefahr, daß von seiten der Verwaltung Grundrechtsverletzungen begangen werden, ist besonders groß, größer jedenfalls als von seiten des Parlaments und der Rechtssprechung. Die Ursache für diese erhöhte Gefahrenlage bei der Verwaltung liegt nicht darin, daß die Verwaltung weniger verfassungstreu ist, sondern zunächst ganz einfach in der viel größeren Zahl der Entscheidungen, die sie zu treffen hat, vor allem aber auch in dem viel stärkeren Zeitdruck, unter dem die Verwaltung steht: während im Parlament schon vor Einbringung einer Gesetzes60 67

Vgl. dazu oben S. 21. Oben S. 9 f.

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vorläge monatelange, oft sogar jahrelange rechtliche Prüfungen in den beteiligten Ministerien stattfinden, sodann im Parlament selbst wiederum lange Erörterungen in Fachausschüssen, Anhörungen von Sachverständigen usw. erfolgen, und während die Rechtsprechung sich im nachhinein mit dem Fall beschäftigt („Am Mittwoch ist man klüger als am Montag"), dazu noch von den im Prozeß auftretenden Anwälten Argumente frei Haus geliefert bekommt, muß der einzelne Verwaltungsbeamte — z. B. im Polizeieinsatz — oft blitzschnell entscheiden, was zu tun ist. Grundrechte können jedoch nur dann verletzt werden, wenn ihre Geltung außer Frage steht. Im Zusammenhang mit dem Tätigwerden der Verwaltung stellen sich hierzu zwei Fragen, nämlich die nach der sog. Fiskalgeltung der Grundrechte und die nach der Geltung der Grundrechte im sog. besonderen Gewaltverhältnis. 1. Unter dem Stichwort „Fiskalgeltung der Grundrechte" ist die Frage zu verstehen, ob der Bürger sich gegenüber dem fiskalisch ( = in Form des Zivilrechts) handelnden Staat oder in seiner Untergliederung auf Grundrechte berufen kann 68 . Die Antwort ist im Verfassungsrecht, nicht im Verwaltungsrecht zu suchen; sie soll daher hier nur skizziert werden. Fiskalisches Handeln des Staates oder einer seiner Untergliederungen kommt — wie bereits bei der Erörterung der Arten der fiskalischen Verwaltung dargestellt wurde69 — in drei Tätigkeitsarten vor: 1. bei der Anschaffung der für die Verwaltungstätigkeit notwendigen Sachgüter (sog. Hilfsgeschäfte der Verwaltung); 2. bei erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand; 3.bei Erfüllung ihrem Wesen nach öffentlicher Aufgaben in der Rechtsform des Privatrechts (sog. Verwaltungsprivatrecht). Die herrschende Lehre 70 verneint die Grundrechtsgeltung in bezug auf Hilfsgeschäfte der Verwaltung und in bezug auf erwerbswirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand.11. Zur Begründung kann angegeben werden, daß Art. 1 Abs. 3 GG zwar nicht zwischen öffentlich-rechtlich handelnder Verwaltung einerseits und fiskalisch handelnder Verwaltung andererseits unterscheidet, aber der Sinn des Art. 1 Abs. 3 GG und der Zusammenhang mit dort genannten anderen Staatsgewalten (Gesetzgebung, Rechtsprechung) diese Unterscheidung erfordern. Gleichwohl ist die Verneinung der Grundrechtsgeltung in diesen Fällen nicht unproblematisch: Soll die öffentliche Hand, die in der Bundesrepublik im Bauwesen der größte Auftraggeber ist 72 , bei der Vergabe von 0B

80 70

71 72

Vgl. dazu unten Erichsen/Martens, S. 225 ff.; MallmannjZeidler, VVdStRL 19 (1961), 165 ff., 208 ff. Oben S. 23 ff. Badura in: I. v. Münch, BesVwR, S. 287 f.; Erichsen, StaatsR u. VerfGbarkeit I, S. 87 ff.; Mallmannßeidler, VVdStRL 19 (1961), 165 ff., 208 ff.; Ossenbühl, D Ö V 1971, 513 ff.; Schnapp (Fn. 53) Rn. 40 zu Art. 2 0 ; Wolff/Bachof, VwR I, § 23 II a. Vgl. auch BGHZ 36, 91 ff. (AOK-Gummistrumpf-Fall). Angaben über die Höhe der Aufträge von Bundesbahn und Bundespost bei Badura in: I. v. Münch, BesVwR, S. 287 Fn. 134.

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Bauaufträgen Bewerber aus konfessionellen Gründen bevorzugen oder benachteiligen dürfen, weil es sich ja „nur" um ein Hilfsgeschäft der Verwaltung handelt? Oder kann die Bundesbahn bei der Verpachtung eines Zeitungskiosks — weil es dabei „nur" um erwerbswirtschaftliche Betätigung geht — die Mieter dazu verpflichten, Presseerzeugnisse einer bestimmten politischen Richtung nicht zu verkaufen 78 ? Manches spricht dafür, zumindest eine Bindung an Art. 3 Abs. 3 GG anzunehmen74, eine Bindung, die sich bei der — von der Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG 7 5 , und der herrschenden Lehre allerdings abgelehnten — Ansicht von der unmittelbaren Geltung der Grundrechte im Privatrechtsverkehr (sog. unmittelbare Drittwirkung) 76 ohnehin ergibt. Bejaht wird dagegen auch von der herrschenden Lehre die Grundrechtsgeltung im Bereich des sog. Verwaltungsprivatrechts, d. h. dort, wo die Verwaltung Aufgaben, die ihrem Wesen nach (genuin) öffentliche sind, in der Form des Privatrechts erfüllt (fiskalisches Handeln im weiteren Sinne); so z . B . in dem vom B G H entschiedenen Bayerischen Siedlerfall (Verpachtung von Land an Flüchtlinge zum Zwecke ihrer Eingliederung)77. Hier kann der Staat nicht die „Flucht in das Privatrecht" 78 antreten und sich den Mantel des Zivilrechts anziehen, um sich der Bindung an die Grundrechte zu entziehen. Anderenfalls könnte die Verwaltung durch bloßen Kleidertausch den Art. 1 Abs. 3 GG aus dem Wege schieben; die Verwaltung würde dann — um ein plastisches Bild von Walter Jellinek zu gebrauchen — fiskalisch handeln „aus dem gleichen Grunde, weshalb ein Offizier unter Umständen lieber in Zivil als in Uniform ausgeht: um in der Bewegungsfreiheit weniger behindert zu sein" 79 . 2. Als „besonderes Gewaltverhältnis" bezeichnete Otto Mayer „die verschärfte Abhängigkeit, welche zugunsten eines bestimmten Zweckes öffentlicher Verwaltung begründet wird, für alle einzelnen, die in den vorgesehenen besondern Zusammenhang treten" 80 . Als Beispiele nannte Otto Mayer insbesondere 73

74 75 78 77 78

79 80

Fall bei Ridder, Meinungsfreiheit in: Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, II, 1954, S. 280 Fn. 125. Zutreffend Erichsen, StaatsR u. VerfGbarkeit I, S. 95. Vgl. BVerfGE 7, 198 ff., 204 f. (Lüth-Urteil) m. w. Hinw. BAG J Z 1955, 68 (KPD-Propaganda im Betrieb). BGHZ 29, 76 ff. Ausdruck von Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Auflage 1928, S. 326. — Vgl. auch Pestalozza, „Formenmißbrauch" des Staates, 1973. W. Jellinek, VwR, S. 25. O. Mayer, VwR I, S. 101. — Die neuere Rspr. und Lit. zum besonderen Gewaltverhältnis ist inzwischen fast unübersehbar geworden. Vgl. z. B. aus der Rspr. BVerwGE 14, 21 ff. (Zölibatsklausel der saarländischen Bereitschaftspolizei); BVerwGE 21, 50 ff. (Teilnahme eines Beamten an politischen Aktionen im Ausland); OLG Celle DVB1 1961, 157 f. (Eheschließung eines Zuchthausinsassen). Aus der Lit. vgl. Fuss, D Ö V 1972, 765 ff.; Herb. KrügerjUle, VVdStRL 15 (1957) 109 ff., 133 f.; neuestens Erichsen in: Festschrift für Hans J. Wolff, S. 219 ff. m. w. Hinw.

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die „Dienstgewalt über die Beamten" und „die Anstaltsgewalt über alles, was in den Betrieb der öffentlichen Anstalt aufgenommen ist" 81 . Das besondere Gewaltverhältnis mit seinen erhöhten Pflichten war also als Gegenstück zum (allgemeinen) Gewaltverhältnis gedacht, dieses wiederum als „die umfassende rechtliche Abhängigkeit..., in welcher der Untertan zum Staat steht" 82 . Der Ausdruck „besonderes Gewaltverhältnis" ist von anderen Autoren durch andere Ausdrücke („Sonderrechtsverhältnis; gesteigertes Abhängigkeitsverhältnis"; „besonderes Pflichtverhältnis"; „Sonderstatus"; „personales Kontaktverhältnis") ersetzt worden; an der Sache — nämlich dem Merkmal einer besonders engen Bindung des Bürgers durch die staatliche Gewalt — änderte sich durch derlei Wortspiele nichts. Als Beispiele solcher Rechtsverhältnisse, in denen die Intensität der Bindung des Betroffenen über diejenige des allgemeinen Rechtsverhältnisses zwischen Bürger und Staat hinausgeht, werden Beamtenverhältnis, Wehrdienstverhältnis, Hochschulverhältnis, Schulverhältnis und Strafvollzugsverhältnis genannt; dagegen gilt die bloße Anstaltsbenutzung (Bsp. Museumsbesuch; Postbenutzerverhältnis) entgegen Otto Mayers Ansicht heute nicht mehr als besonderes Gewaltverhältnis 83 , vor allem deshalb, weil bei der Anstaltsnutzung eine (wenn überhaupt) nur kurzzeitige Bindung des Benutzers eintritt. Die Konstruktion des besonderen Gewaltverhältnisses fand ihren Sinn darin, Grundrechtseinschränkungen im besonderen Gewaltverhältnis auch ohne Gesetz zu rechtfertigen und damit den Vorbehalt des Gesetzes beiseite zu räumen84. Die Rechtsgrundlage der Grundrechtseinschränkung wurde zunächst im Verzicht des Gewaltunterworfenen zwar nicht auf das betreffende Grundrecht selbst, wohl aber auf die Ausübung des Grundrechts gesehen („volenti non fit iniuria"). Die Problematik dieser gekünstelten Konstruktion führte dazu, daß man später eine gesetzliche Grundlage für die Grundrechtseinschränkung auch im besonderen Gewaltverhältnis forderte; jedoch wurde bei Fehlen eines solchen Gesetzes die Rechtsgrundlage der Grundrechtseinschränkung auch in der Verfassungsbestimmung gesehen, die — wie z. B. Art. 7 Abs. 1 das Schulverhältnis und Art. 104 Abs. 1 und 2, Art. 74 Nr. 1 GG das Strafvollzugsverhältnis — das besondere Gewaltverhältnis institutionalisiert. Der Umfang der zulässigen Grundrechtseinschränkung war allerdings in mehrfacher Weise beschränkt: nicht jedes Grundrecht sollte im besonderen Gewaltverhältnis eingeschränkt werden können (z. B. nicht das Grundrecht der Menschenwürde — Art. 1 Abs. 1 GG), und auch die an sich im besonderen Gewaltverhältnis einschränkbaren Grundrechte sollten diese Einschränkung nur insoweit erdulden müssen, als die Funktion (der Zweck) des in Rede stehenden besonderen Gewaltverhältnisses 81 82 83

84

O. Mayer, V w R I, S. 102. O. Mayer, V w R I, S. 107. Im Ergebnis ebenso — wenn auch mit anderer Begründung — Wolff/Bachof, VwR I, § 32 IV c 4. Vgl. zum folgenden die Darstellung der Entwicklung bei Erichsen (Fn. 80) S. 220 ff.

Verwaltung und Verwaltungsrecht

45

gerade diese Einschränkung notwendig macht85. Im Hinblick auf den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz wurde zwischen Grundverhältnis und Betriebsverhältnis unterschieden850. Maßnahmen, die das Grundverhältnis ( = den Status als solchen) des Gewaltunterworfenen betreffen (z. B. Verweis eines Schülers von der Schule [Relegation]), wurden als Verwaltungsakte qualifiziert und damit verwaltungsgerichtlich angreifbar gemacht, wohingegen nur das Betriebsverhältnis berührende Maßnahmen (z. B. Anordnung an einen Beamten, eine bestimmte Akte vorzulegen) als verwaltungsgerichtlich nicht anfechtbare innerdienstliche Weisungen qualifiziert wurden. Für generelle und abstrakte Regelungen der Verwaltung im besonderen Gewaltverhältnis wurde der Begriff „Sonderverordnungen"86 empfohlen; ihr Erlaß gehöre nicht in den Vorbehaltsbereich des Gesetzgebers, da der Gesetzesvorbehalt nur auf die Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger im Staat-Bürger-Verhältnis gemünzt sei. Die Frage der Einschränkbarkeit von Grundrechten im besonderen Gewaltverhältnis ist nunmehr vom BVerfG für den Strafvollzug dahin beantwortet worden, daß auch die Grundrechte von Strafgefangenen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können 87 . Zur Begründung weist das BVerfG auf Art. 1 Abs. 3 GG hin und führt dazu aus: „Dieser umfassenden Bindung der staatlichen Gewalt widerspräche es, wenn im Strafvollzug die Grundrechte beliebig oder nach Ermessen eingeschränkt werden könnten. Eine Einschränkung kommt nur dann in Betracht, wenn sie zur Erreichung eines von der Wertordnung des Grundgesetzes gedeckten, gemeinschaftsbezogenen Zwekkes unerläßlich ist und in den dafür verfassungsrechtlich vorgesehenen Formen geschieht88." Das BVerfG scheint damit dem Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses über Bord geworfen zu haben. Für die Entbehrlichkeit des Begriffes sprach in der Tat von Anfang an, daß voneinander sehr verschiedene Rechtsverhältnisse (z. B. das Beamtenverhältnis einerseits — das Strafvollzugsverhältnis andererseits) unter ein Begriffsdach gezwängt wurden. Aber es läßt sich auch nicht bestreiten, daß zumindest einige dieser Rechtsverhältnisse — so jedenfalls das Strafvollzugsverhältnis, das Wehrdienstverhältnis und das Beamtenverhältnis — durch eine besonders starke Pflichtenbindung charakterisiert sind; Beispiele hierfür bilden § 15 SoldatenG, der dem im Ausland befindlichen Soldaten „jede Einmischung in die Angelegenheiten des Aufenthaltsstaates versagt", und § 54 Abs. 2 BBG, wonach das Verhalten des Beamten „innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden (muß), die sein Beruf 85 85a 86

87

88

Vgl. Wolff/Bachof, V w R I, § 32 IV c 3. Dazu auch unten S. 139. Vgl. dazu E.W. Böckenförde ¡Grawert, AöR 95 (1970), 1 ff.; Erichsen (Fn. 80) S. 219 ff.; Osserthühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1 9 6 8 ; Wolf}/ Bachof, VwR I, § 25 VIII. BVerfGE 33, 1 ff.; vgl. dazu Erichsen (Fn. 80) 238 ff. m. w. H i n w . ; Rupprecbt, N J W 1972, 1345 f.; Starck, J Z 1972, 360 ff. BVerfGE 33, 1, 11.

46

Ingo v o n Münch

erfordert". Mag nach der Ansicht des BVerfG der Begriff des besonderen Gewaltverhältnisses per se keine Grundrechtseinschränkungen mehr zu rechtfertigen, so bleibt der Begriff als Kategorie für einige, bestimmte rechtliche Gemeinsamkeiten aufweisende Rechtsverhältnisse brauchbar. Die Nachrufe, welche die herrschende Lehre auf das besondere Gewaltverhältnis verfaßt 89 , treffen deshalb nur einen Scheintoten.

3. Politische oder unpolitische

Verwaltung

In bezug auf die Verwaltung werden ihre Politisierung und Entpolitisierung beklagt. Die Politisierung (genau gesagt: Partei-Politisierung) wird unter dem Stichwort Ämterpatronage im öffentlichen Dienst getadelt, weil dadurch „das Beamtentum in zunehmendem Maße zur Unterbringung von Exponenten politischer oder sozialer Machtgruppen ohne entsprechende Eignung und Befähigung mißbraucht wird" 90 . Auch der Einfluß der Verbände91 auf die Verwaltung wird kritisch betrachtet 92 . Schließlich wird die Ursache einer unmittelbaren Politisierung der Verwaltung auch in Öffentlichkeitsaktionen gesehen, deren begriffliches Merkmal allein die Erzeugung von Druck ist, „vor allem durch Mobilisierung der öffentlichen Meinung oder durch systemverweigernde Gegenmacht" 93 . Die eine Entpolitisierung der Verwaltung bedauernde Ansicht geht von einem anderen Ansatz aus, nämlich von der Entwicklung des gefahrenabwehrenden Staates zum „Wohlfahrtsstaat", der nur durch den Verwaltungsstaat verwirklicht werden könne; für den Verwaltungsstaat sei charakteristisch „der bürokratische Charakter mit seiner Entpersönlichung des Amtes, seiner subtilen und festen Zuständigkeitsordnung und seiner Gleichförmigkeit und Neutralität der Aufgabenerfüllung" 94 ; diese Entwicklung berge die Gefahr in sich, „daß die Verwaltung apparathaft zu einer entpolitisierten, scheinbar nur an Sachgesetzlichkeiten orientierten Technokratie e n t a r t e t . . . Die technokratische Entartung der Bürokratie b e d e u t e t . . . die Entpolitisierung der Verwaltung, ihre Ausklammerung aus dem politischen Integrationsprozeß, wodurch sie sich der politischen Kontrolle durch das parlamentarische Regierungssystem entzieht und sich von den gesellschaftlichen Bedürfnissen isoliert" 95 . Wie ist die Frage politische oder unpolitische Verwaltung zu beantworten? 950 Zutreffend hat Luhmann festgestellt, daß es selbstverständlich ist, „daß öffent89

So z. B. Erichsen (Fn. 80) S. 236; Fuss (Fn. 80), S. 765. Grabendorff, D Ö V 1953, 723; weitere H i n w . bei v. Münch, in: I. v. Mündi, BesVwR, S. 30 Fn. 40. 01 Vgl. Eschenburg, Herrschaft der Verbände? 1956. 92 Weitere H i n w . bei Evers, D e r Staat 3 (1964), 41 ff., der selbst jedoch eine differenzierende Ansicht vertritt. 83 Bartlsperger, D Ö V 1974, 811 (II N r . 5). 94 85 Badura, D Ö V 1968, 450. Badura, D Ö V 1968, 450 f. 850 Vgl. auch Lechcler, D Ö V 1974, 444 f.; W. Schmidt, D Ö V 1974, 811 IV. 17.

Verwaltung und Verwaltungsredit

47

liehe Verwaltung als Teil des politischen Systems immer politische Verwaltung ist" 96 . Jedoch stellt sich die Frage, wieweit die Verwaltung parteipolitische Erwägungen in ihre Entscheidungen einfließen lassen darf. Das BBG und die Beamtengesetze der Länder 97 gebieten dem Beamten — wie schon Art. 130 Abs .1 W R V —, daß er „dem ganzen Volke dient, nicht einer Partei"; diese beamtenrechtliche Pflicht zieht die Folgerung aus dem in Art. 3 Abs. 3 GG ausgesprochenen Verbot der Benachteiligung oder Bevorzugung wegen politischer Anschauungen. Aus dem parlamentarisch-demokratischen Regierungssystem folgt aber auch, daß die Anliegen der durch die Wahlentscheidung des Volkes legitimierten Partei durdi am Allgemeinwohl orientierte Gesetze und Erlasse durchgesetzt werden können 98 . An Weisungen des zuständigen Fachministers als Spitze der Verwaltung ist der Beamte gebunden, allerdings nur, wenn das Gesetz selbst eine Sachfrage nicht abschließend regelt; denn der Beamte ist — ebenso wie der Minister — aufgrund des Gesetzmäßigkeitsgrundsatzes an das (verfassungsmäßige) Gesetz gebunden. Der Beamte darf deshalb nur diejenigen politischen Ziele des Gesetzes verfolgen, die im Gesetz Ausdruck gefunden haben, er darf nicht seinerseits weitere politische Ziele hinzufügen und muß auch die politischen Gedanken des Gesetzes zu Ende denken99. Zutreffend hat das BVerfG darauf hingewiesen, daß das Berufsbeamtentum nur in dieser strengen Bindung an das verfassungsgemäße Gesetz die ihm obliegende Funktion erfüllen kann, „eine stabile Verwaltung zu sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften zu bilden" 100 . Dort, wo die Verwaltung massenhaft Entscheidungen treffen muß, wie im Bereich der Leistungsverwaltung, wird die Zahl der Vorgänge in der Tat die Bearbeitung entpersönlichen und — wenn politisches Handeln als Wählen zwischen mehreren Möglichkeiten zu verstehen ist — auch entpolitisieren. Jedodi ist der Massenanfall von Vorgängen im Bereich der Leistungsverwaltung die Konsequenz des Sozialstaatsgebotes, die mit dem Klagelied über Entpolitisierung der Verwaltung nicht relativiert werden sollte. Was schließlich das Verhältnis der Verwaltung zu Öffentlichkeitsaktionen betrifft, so hat Luhmann das gewandelte Verhältnis Verwaltung — Publikum richtig gesehen: „In dem Maße, als die Verwaltung nicht nur ein Selbstdarstellungszeremoniell praktiziert und nicht nur Sicherheit und Ordnung (also gegen einzelne im Namen aller anderen leicht durchsetzbare Ziele) garantiert, sondern gesellschaftliche Effekte zu bewirken sucht, wird sie abhängig von kooperativen Beiträgen ihres Publikums, die sich nicht ohne weiteres zentral (etwa rechts96 97 98

99

100

Luhmann in: Demokratie und Verwaltung (Fn. 9) S. 219. Vgl. die Hinw. bei v. Münch i n : I. v. Mündi, B e s V w R , S. 52, Fn. 166. Vgl. Frowein, Die politische Betätigung der Beamten, 1967, S. 14; v. Münch in: I. v. Münch, B e s V w R , S. 53. Scheuner in: Die politischen Pflichten und Rechte des deutschen Beamten in: D t . Berufsbeamtentum (hrsg. von F. Gärtner) 4 (1962) 19 ff., 26. BVerfGE 8, 1, 16 (Beamtenbesoldung). Kritisch dazu F. Schäfer, 48. D J T , I I , O 18.

48

Ingo von Münch

förmig oder haushaltsmäßig) garantieren lassen 101 ." Und: „Der Erfolg des politischen Systems und seiner Verwaltung kann nicht mehr allein auf unabhängig einsetzbaren Arbeitsmitteln wie Zwangsgewalt, Entscheidungskompetenzen oder Geld beruhen. Daher drängen sich tauschförmige, kompromißhafte, auf Verständigungen mit maßgebenden Kreisen basierende Umweltbeziehungen auf. Diese Erfordernisse prägen vor allem den politisch-administrativen Stil lokaler Verwaltungen . . . 1 0 2 ."

§4

öffentliche Verwaltung im technischen Zeitalter I. Automation Im Jahre 1959 veröffentlichte Karl Zeidler eine Schrift mit dem Titel „Über die Technisierung der Verwaltung", in welcher er Rechtsfragen der Ersetzung menschlicher Tätigkeit durch die Verwendung von Maschinen untersuchte. Seitdem ist dieses Thema in zahlreichen Arbeiten erörtert worden 1 . Die Rechtsprobleme ergeben sidi dabei offensichtlich nicht aus der Verwendung solcher Maschinen, die eine manuelle Tätigkeit nur erleichtern oder beschleunigen (Bsp.: Schreibmaschine, Photokopierapparat usw.), sondern aus der Verwendung von Automaten, d. h. selbsttätigen Systemen, die unabhängig von äußeren steuernden Eingriffen funktionieren, also von Maschinen, die Menschen ersetzen. Beispiele hierfür sind Computer, die Telefonrechnungen, Steuerbescheide, Rentenberechnungen usw. herstellen, und Verkehrsampeln. Eine Rechtsfrage, die sich hier stellt, ist z. B. ob jene Computerbescheide Verwaltungsakte sind oder eine besondere Rechtskategorie der sog. „ V e r w a l t u n g s f a b r i k a t e " bilden. Die h. L. bejaht heute zu Recht die Verwaltungsaktseigenschaft 2 ; die Tatsache, daß damit z. B. ein dreijähriges Kind, geisteskrank und in volltrunkenem Zustand, durch Druck auf den Ampelknopf an einem Fußgängerüberweg einen Verwaltungsakt setzt, darf dabei nicht verwundern. Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach den rechtlichen Auswirkungen der Technisierung der Verwaltung auf das System der öffentlichrechtlichen Ersatzleistungen3, also z. B. die Frage der Haftung bei sog. Ampelunfällen 101

Luhmann (Fn. 9) S. 226. ,

102

Luhmann (Fn. 9) S. 227. Zur Problematik der politischen Verwaltung vgl. auch Grauhan, Modelle politischer Verwaltungsführung, 1969.

1 2

3

allgemein

Vgl. die Hinw. im Teil „Das Verwaltungsverfahren" unten S. 267. Dazu Näheres im Teil „Das Verwaltungshandeln" unten S. 133, und im Teil „Das Verwaltungsverfahren" unten S. 270. Dazu ]. Schöning, Rechtliche Auswirkungen der Technisierung der Verwaltung auf das System der öffentlichrechtlichen Ersatzleistungen. Diss. Bochum 1 9 7 3 ; vgl. auch den Teil „Das Recht der öffentlichrechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen", unten S. 391.

Verwaltung und Verwaltungsrecht

49

(infolge eines technischen Versagens zeigt eine Verkehrsampel nach allen Seiten grün). D e r B G H 4 h a t einen Ersatzanspruch des Geschädigten verneint, weil es an einer Anspruchsgrundlage fehle; de lege ferenda b e f ü r w o r t e t der B G H f ü r diese Fälle eine gesetzliche E i n f ü h r u n g einer öffentlichrechtlichen Gefährdungshaftung 5 . Die V e r w e n d u n g von A u t o m a t e n in der V e r w a l t u n g h a t schließlich auch d a zu geführt, d a ß angebliche Grundrecbtsverletzungen gerügt w u r d e n . So ist z. B. die Pflicht zur Befolgung der Zeichen von Verkehrsampeln als mit der W ü r d e des Menschen unvereinbar bezeichnet worden, da die „ Ü b e r t r a g u n g von Befehlsgewalt a n einen R o b o t e r " einer Sache G e w a l t über den Menschen gebe u n d der Selbstverantwortlichkeit des Menschen widerspreche 8 . D e r Gebrauch der Umschreibung „oe" statt „ö" in einer v o m C o m p u t e r hergestellten Fernsprechrechnung v e r a n l a ß t e den E m p f ä n g e r der Rechnung, die Verletzung seines Grundrechts auf freie E n t f a l t u n g der Persönlichkeit zu rügen 7 . In beiden Fällen liegt keine Grundrechtsverletzung vor.

II. Datenverarbeitung Eine besondere F o r m der A u t o m a t i o n ist die elektronische Datenverarbeitung ( E D V ) ; ihre wichtigsten Anwendungsgebiete 8 sind in der Bundesverwaltung die Berechnung u n d Z a h l u n g von Bezügen der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, der Rentenrechnungsdienst, der Postscheckdienst, wissenschaftliche Berechnungen, Statistik u n d Ausländerzentralregister. I m A u f b a u befindlich sind eine juristische D a t e n b a n k , eine Verkehrsdatenbank, eine Statistische D a t e n b a n k , ein allgemeines kriminalpolizeiliches I n f o r m a t i o n s - u n d A u s k u n f t s system sowie ein „allgemeines arbeitsteiliges Informationssystem f ü r die Bundesrepublik Deutschland"; letzteres soll „möglichst lückenlos die notwendigen I n f o r m a t i o n e n aus verschiedenen D a t e n b a n k e n bereitstellen können u n d grundsätzlich allen Beteiligten zur V e r f ü g u n g stehen" 9 . H i e r — wie auch im Bereich der D a t e n v e r a r b e i t u n g in den einzelnen Bundesländern — ergeben sich ganz neue Probleme, nämlich in bezug auf das Zugangsrecht, die Kontrolle u n d den Datenschutz. Weitere Einzelheiten zur D a t e n v e r a r b e i t u n g werden im Abschnitt „Das V e r w a l t u n g s v e r f a h r e n " dargestellt 1 0 .

4 5

6 7 3

BGHZ 54, 332 ff.; kritisch dazu H.P.Bull, D Ö V 1971, 305 ff. „Ampelunfälle als Schicksalsschläge?". Vgl. dazu auch die Hinw. bei Schöning (Fn. 3) S. 149 Fn. 384.

Schreiter, DÖV 1956, 692 ff. BVerwGE 31, 238 ff. Vgl. Schöning (Fn. 3) S. 16.

» BT-Drucks. VI/648 S. 13. Unten S. 267 ff.

10

4

Allgemeines Verwaltungsrecht

Stichwort:

ZWEITERTEIL

Die Quellen des Verwaltungsrechts von Fritz Ossenbühl

§5 Verwaltung und Recht I. Bedeutung des Rechts für die Verwaltung Die Bedeutung des Rechts für die Verwaltung bleibt den meisten Studenten mangels Kenntnis der Verwaltungspraxis verschlossen. Das hat seinen Grund in der juristischen Sichtweise, die er im Zivil- und Strafredit erfährt und mit der er auch an das Verwaltungsrecht herangeht. Das Redit erscheint ihm als ein Reservoir von Konfliktsregelungen, denen der urteilende Richter seine Maßstäbe für die Entscheidung des ihm unterbreiteten Falles entnimmt. Auch im Verwaltungsrecht ist es — leider — weithin üblich, das Verwaltungshandeln ausschließlich aus der Perspektive des entscheidenden Richters und damit der Prozeßsituation zu betrachten. Mit diesem Prozeßdenken sind Fehlvorstellungen und Verzerrungen verbunden, die sich bei dem Betrachter der Verwaltung und des Verwaltungsrechts einstellen. Der verwaltungsprozessuale Aspekt bringt immer nur die sog. „Pathologie der Verwaltung" (Werner Weber) zum Vorschein. Das Bild der Verwaltung wird vom Ausnahmefall geprägt. Verwaltung erscheint im wesentlichen als Gesetzesvollzug. Es entsteht das Trugbild einer Verwaltung, die — gewissermaßen eingeklemmt zwischen erster und dritter Gewalt — die Entscheidungen des Parlaments vollstreckt und durch die Gerichte hierbei kontrolliert wird. Verdeckt bleibt bei dieser Sichtweise, daß die Verwaltung in großem Stile auch ohne besondere gesetzliche Vorschriften ständig Werte für das Gemeinwesen schafft und damit unmittelbar dem Gemeinwohl dient und die Staatszwecke in gleicher Weise wie die Legislative eigengestaltend verwirklicht 1 . Das gilt namentlich für den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung, die einen großen Teil jener Aufgaben zu bewältigen hat, die der Daseinsfürsorge und 1

4*

Hierauf hat namentlich Hans Peters (Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 5 f.; in: Festschrift für Wilhelm Laforet, 1952, S. 19 ff.; Die Wandlungen der öffentlichen Verwaltung in der neuesten Zeit, 1954) unermüdlich hingewiesen.

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Fritz Ossenbühl

Daseinsvorsorge der Bürger dienen (z. B. Verkehrs- und Versorgungsbetriebe, Badeanstalten, Krankenhäuser, Schulen, Altersheime, Sportplätze, Grünflächen, Parkanlagen, Theater, Museen usw.). — Unberücksichtigt bleibt ferner jener weite und praktisch bedeutsame Bereich, in dem die Verwaltung vom Parlament nur grobe Zielweisungen etwa in Gestalt von Vermerken im jährlich zu erlassenden Haushaltsgesetz empfängt, im übrigen aber nach selbstbestimmtem Verteilungsschlüssel Milliardenbeträge an Subventionen ausschüttet, sei es im Interesse sektoraler oder territorialer Wirtschaftspolitik, sei es im Interesse der Unterstützung hilfsbedürftiger Bevölkerungsgruppen. H i n z u tritt der in jüngster Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnende Bereich der Planung, der in der Regie der Exekutive liegt und auf weiten Strecken gesetzlicher Vorschriften oder Richtschnuren entbehrt. — Schließlich darf die Gleichung Verwaltung = Gesetzesvollzug selbst dort, wo der Gesetzgeber Sonderbereiche gesetzlich durchnormiert hat (wie etwa im Polizei- und Ordnungsrecht, im Sozialhilferecht oder im Ausländerrecht) nicht zu der Annahme verleiten, das Verwaltungshandeln sei rechtlich vollständig determiniert und auf die Realisierung eines vorgegebenen, fremden, nämlich des parlamentarischen Willens beschränkt. Vielmehr sind auch in den gesetzlich durchnormierten Bereichen in unterschiedlicher Dosierung Räume administrativer Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit offengehalten, die sich bei unbestimmten Rechtsbegriffen rechtsdogmatisch als Beurteilungsspielräume, bei der Rechtsfolgebestimmung (Verwaltungsermessen) als administrative Wahlfreiheit oder im Planungsbereich als „Planungsermessen" der Verwaltung niederschlagen 2 Zielweisungsgehalt und Bindungsdichte der Gesetze sind also in vielfacher Weise abgestuft 3 . Verwaltung erschöpft sich keineswegs im Gesetzesvollzug. Vielmehr läßt sich die Bedeutung des Gesetzes f ü r die Verwaltung in dreifacher Richtung bestimmen 4 : 1. Das Gesetz gibt der Verwaltung den Auftrag, in Recht transformierte politische Ziele zu verwirklichen. Dabei können sowohl die Zieldirektiven wie auch die vorgesehenen Mittel in ganz unterschiedlicher Weise konkretisiert sein. 2. Das Gesetz schafft im Rahmen des sog. Gesetzesvorbehalts die rechtliche Grundlage f ü r administrative Eingriffe in den Rechtskreis des Bürgers (Eingriffsermächtigung). Belastungen des Bürgers bedürfen im demokratischen Rechtsstaat des Parlamentsbeschlusses in Gestalt des förmlichen, d. h. verfassungsmäßig zustandegekommenen Gesetzes. Es bildet — in der Terminologie des Zivilrechts gesprochen — die Anspruchsgrundlage im Verhältnis zwischen Hoheitsträger und Bürger. 3. Das Gesetz zieht der Verwaltung Schranken, soweit sie im gesetzesfreien oder gesetzlich nicht abschließend normierten Raum eigene Zwecksetzungen trifft oder mit selbstgewählten Mitteln ihre Ziele verfolgt. Von hier aus 2 3 4

Vgl. unten § 12 I. Vgl. zum Problem: Herzog, VVDStRL 24 (1966), 190 ff. Vgl. Scheuner, DÖV 1969, 585.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

53

gesehen tritt der Verwaltungsbeamte im Bereich frei gestaltender Verwaltung 5 aus einer anderen Perspektive dem Recht gegenüber als der Richter. Für den Richter liefert das Recht Entscheidungsmaßstäbe, mit deren Hilfe ein Konfliktsfall gelöst werden soll. Der Verwaltungsbeamte trifft im gestaltenden Bereich nicht nur Konfliktsentscheidungen, sondern er realisiert im Interesse des Gemeinwohls ins Auge gefaßte Projekte; er fragt danach, ob und wie ein Projekt im Einklang mit der Rechtsordnung verwirklicht werden kann. Wenn beispielsweise die Pflege des „guten Films" als öffentliches Bedürfnis empfunden wird, hat die Gemeinde zu überlegen, ob sie etwa ein kommunales Kino einrichten darf, in welcher Rechtsform dies ggf. geschehen soll, welche Eintrittspreise erhoben werden dürfen etc. 6 .

II. Gesetzmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Verwaltung Die Bedeutung des Gesetzes für die Verwaltung und die damit verbundene Beziehung zwischen Gesetzgebung und Verwaltung findet ihren Ausdruck in dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) 7 . Inhalt und Tragweite dieses Prinzips sind in der Theorie nach wie vor umstritten, bereiten jedoch der Praxis keine nennenswerten Schwierigkeiten mehr. Das Gesetzmäßigkeitsprinzip enthält zwei Ausprägungen: den Vorrang und den Vorbehalt des Gesetzes. Der Gesetzesvorrang ist unproblematisch. Er bringt die Überlegenheit des förmlichen Gesetzes gegenüber allen abgeleiteten Rechtsquellen zum Ausdruck und bestimmt, daß die Verwaltung nicht gegen das Gesetz verstoßen darf. Dagegen ist mit dem Begriff „Vorbehalt des Gesetzes" die grundlegende und schwierige Frage aufgeworfen, welche Sachentscheidungen und Sachbereiche dem Parlament zur alleinigen Entscheidung per Gesetz verfassungsrechtlich „vorbehalten" sind, anders gesagt: ob und gegebenenfalls welche Sachbereiche die Verwaltung selbständig, d. h. ohne parlamentarisches Gesetz, ordnen kann. Die Problematik des Gesetzesvorbehalts in ihrer gegenwärtigen Gestalt erschließt sich nur demjenigen, der bereit ist, einige Grundtatsachen der neueren deutschen Verfassungsentwicklung zur Kenntnis zu nehmen. Dazu sind hier nur einige skizzierende Bemerkungen möglich 8 . — Das Vorbehaltsproblem als Kompetenzproblem konnte historisch erst in dem Augenblick auftreten, in dem 5

Vgl. zum Begriff: Ossenbähl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 315. ® Weiterer aktueller Fall: Kommunale Wohnungsvermittlung; dazu z . B . Rocke, DVB1 1973, 398 ff. 7 Die Literatur zu diesem Thema ist kaum mehr überschaubar. Neuere Gesamt-

darstellungen: Selmer, JuS 1968, 489; Ossenbähl, (Fn. 5) S. 208-249. Aus dem

8

älteren Schrifttum ist nachdrücklich zu empfehlen die Lektüre von Richard Thoma, in: H D S t R II, S. 2 2 1 - 2 3 6 . Ausführlicher und mit Nachweisen: Selmer, JuS 1968, 489, 490; ferner VGH

Kassel DVB1 1963, 443.

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Fritz Ossenbühl

die im Absolutismus in der H a n d des Landesherrn monopolisierte Staatsgewalt auf verschiedene Gewaltenträger aufgeteilt wurde. Eine solche A u f lösung des landesherrlichen Gewaltmonopols war das Ziel und Ergebnis der liberalen Verfassungsbewegung in Deutschland. Die konstitutionellen Bestrebungen richteten sich jedoch nicht auf Mitgestaltung der Staatsordnung, sondern auf eine Kontrolle der herkömmlicherweise dem Landesherrn zukommenden Staatsgewalt und damit auf eine Sicherung der Individualsphäre. Diese Individualsphäre der bürgerlichen Gesellschaft konstituierte sich durch persönliche Freiheit und Privateigentum. In diese Rechte sollte die Exekutivgewalt, verkörpert durch den Monarchen, künftig nur noch und erst eingreifen können, wenn und soweit die betroffene bürgerliche Gesellschaft über ihr Repräsentationsorgan, nämlich das Parlament, ihr Placet erteilte. Diese Legitimation der E x e kutive zum Eingriff wurde in der F o r m des Gesetzes abgegeben. Daraus ergibt sich, daß in dem politischen Antagonismus zwischen Monarch und Bürgertum, der sich verfassungsrechtlich in dem Gegenüber von Exekutive und Parlament ausdrückte, das „Gesetz" lediglich die Chiffre für die Grenzziehung zweier Machtsphären darstellt. U m f a n g und Inhalt des Gesetzesbegriffs bestimmten das M a ß der Machtbeschränkung des Monarchen, positiv gewendet: das M a ß der Mitbestimmung des Bürgertums. D e r Gesetzesbegriff war damit als Kompetenzbegriff nur ein „juristischer Problemausdruck" für die sich dahinter verbergende realpolitische R i v a l i t ä t zwischen Monarch und Parlament 9 . Entsprechend der politischen Zielsetzung der liberalen Verfassungsbewegung waren der Regelung durch Gesetz nur solche Anordnungen „vorbehalten", die in die Individualsphäre des Bürgers, d. h. in „Freiheit und Eigentum" eingriffen. D a m i t erwies sich der „Gesetzesvorbehalt" als „Eingriffsvorbehalt" und hatte als solcher seine politische Stoßrichtung und verfassungsrechtliche Sicherungswirkung gegenüber der Exekutive. Zugleich leuchtet unmittelbar ein, daß der Gesetzesbegriff ursprünglich als Regelung, die in Freiheit und Eigentum eingreift, definiert wurde. Jenseits des Sachbereichs „Freiheit und Eigentum" blieb die gesetzesunabhängige Exekutivgewalt erhalten. Relikte solcher vom Gesetz nicht geregelter R ä u m e reichen bis in die Gegenwart, weichen aber einem allmählichen Abbau (Stichwort: Besondere Gewaltverhältnisse) 1 0 . „Gesetzesvorbehalt" und „Gesetzesbegriff" sind also in eine bestimmte historische Epoche verstrickt, anders gesagt: auf eine bestimmte politische Konstellation und Verfassungsstruktur hin definiert; damit als historisch-konventionelle Begriffe gekennzeichnet. Es lag deshalb auf der H a n d , nach dem grundlegenden Wandel der Verfassungsstrukturen (Wegfall der konstitutionellen Monarchie, Begründung des demokratischen Rechtsstaates) auch „Gesetzesvorbehalt" und 0

10

Vgl. Ernst-Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. II, 1960, S. 16 ff.; zu früheren Bedeutungen des Gesetzesvorbehalts: Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgesdiiditlidie Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971, S. 148 ff. Vgl. z. B. BVerfGE, 33, 1 = N J W 1972, 811 (Strafvollzugsgesetz).

Die Quellen des Verwaltungsrechts

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„Gesetzesbegriff" neu zu orientieren. Solche Versuche liegen vor 1 1 . Die r a d i k a l ste F o r m in Gestalt eines „Totalvorbehaltes", d. h. einer durchgehenden, u m fassenden Gesetzesabhängigkeit der V e r w a l t u n g w i r d allerdings v o n niemandem konsequent vertreten. Ein solcher „ T o t a l v o r b e h a l t " w ä r e auch v o n den praktischen N o t w e n d i g k e i t e n u n d Möglichkeiten her gesehen p u r e Utopie. Allerdings liegen beachtliche Konzeptionen vor, die mit unterschiedlichen G r ü n d e n , einerseits mit H i l f e des Demokratiegebotes 1 2 , andererseits auf der G r u n d l a g e des Rechtsstaatsprinzips 1 3 , einen das gesamte unmittelbar bürgergerichtete Verwaltungshandeln umfassenden Gesetzesvorbehalt f o r d e r n . Solche Theorien erscheinen unter dem Aspekt des Wandels der Verfassungsstrukturen u n d der politischen Realien folgerichtig u n d einleuchtend, haben sich aber in ihrer Tendenz z u r Subalternisierung der Exekutive aus vielen G r ü n d e n nicht durchsetzen können. Richtig ist an der A r g u m e n t a t i o n aus dem demokratischen Prinzip, d a ß die Exekutive mit dem Wegfall der Monarchie — jedenfalls verfassungsrechtlich — ihre Führungsrolle im Staat verloren hat, u n d d a ß das P a r l a m e n t , das f r ü h e r n u r als „beschränkendes Element" 1 4 der monarchischen G e w a l t fungierte, die Lenkungs- u n d Leitungsaufgabe des Gemeinwesens übernommen h a t u n d z u m obersten Staatsorgan avanciert ist. Indessen v e r m a g diese Spitzenstellung des Parlaments wohl den Vorrang parlamentarischer Willensakte gegenüber exekutiven Entscheidungen zu begründen, nicht aber A n h a l t s p u n k t e f ü r einen totalen Gesetzes vorbehält zu liefern. D a ß überdies in unserem Verfassungssystem auch die Exekutive auf eine eigene demokratische Legitimation verweisen k a n n , w i r d o f t übersehen 1 5 . — Ein anderer Begründungsversuch setzt bei der inhaltlichen Veränderung des Freiheitsbegriffs an 1 0 . In der liberalen Epoche habe der Freiheitsbegriff eine autonome Eigensphäre des einzelnen bezeichnet, in die der Staat n u r durch Gesetz eindringen konnte. A n die Stelle der autonomen Eigensphäre, eines selbstbeherrschten u n d auch als beherrschbar gedachten Lebensraumes, sei die völlige soziale Abhängigkeit v o m Staat getreten. D a m i t habe der Freiheitsgedanke heute eine andere Zielrichtung. D e r Bürger versuche, die in der sozialen Abhängigkeit liegende Unfreiheit durch gesetzliche Rechtsverbürgungen abzuschütteln u n d die Freiheit wieder herzustellen. „Freiheit" bedeute demnach heute nicht — nur — Abwesenheit staatlicher „Eingriffe", sondern auch „Teilhabe" an staatlichen Leistungen. Deshalb müsse der Gesetzes11

12 13 14 15 16

Hervorzuheben sind: Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961; Imboden, Das Gesetz als Garantie reditsstaatlicher Verwaltung, 2. Auflage 1962; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 135. So Jesch (Fn. 11). So Rupp (Fn. 11). MeyerjAnschiitz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 7. Auflage 1919, S. 268, 334. Vgl. zu dieser Legitimation: Ossenbühl, (Fn. 5) S. 198 ff. Vgl. Rupp, DVB1 1959, 81, 84; derselbe, (Fn. 11) S. 113 ff.; Mallmann, VVDStRL 19 (1961), 190; Stern, JZ 1960, 525; Friauf, DVBl 1966, 737; sdion vorher Scheuner, VVDStRL 11 (1954), 17.

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Fritz Ossenbühl

vorbehält über den „Eingriffsvorbehalt" hinaus auf die gesamte leistende Verwaltung erstreckt werden. Das Bestreben, dem Bürger unter den gewandelten Daseinsbedingungen einen gefestigten status positivus socialis zu verschaffen, ist legitim und verfassungsrechtlich geboten (Sozialstaatsprinzip!). Diesem Ziel kann aber durch eine Erweiterung des Gesetzesvorbehaltes nicht wirksam gedient werden. Vielmehr erweisen sich solche Postulate nach Vorbehaltserweiterungen für den Bürger letztlich als Danaergeschenk. Denn: daß der Gesetzgeber die leistende Verwaltung nach der geltenden Verfassung ohne weiteres mit gesetzlichen Grundlagen versehen kann, ist völlig unbestritten. Insoweit zieht der Gesetzesvorhalt keine Kompetenzgrenze mehr, die den parlamentarischen Entscheidungsbereich beschneiden könnte. Ein „Totalvorbehalt" hätte danach vornehmlich die Wirkung, nicht dem Parlament neue Entscheidungsmöglidikeiten zu eröffnen, sondern den Aktionsraum der Exekutive einzuengen. Wer deshalb für den „Totalvorbehalt" optiert, raubt dem Bürger die Chance, Leistungen in einem Bereich zu erhalten, in dem der Gesetzgeber bislang keine eigene Initiative ergriffen hat, sei es, weil er bewußt untätig bleibt, sei es, weil er effektiv nicht in der Lage ist, den „Normhunger der Verwaltung" 1 7 zu stillen 18 . Konsequenterweise müßte nach der Konzeption eines Totalvorbehaltes auch die seit über zwanzig Jahren praktizierte, ausgedehnte Subventionsverwaltung 19 für verfassungswidrig erklärt werden, obwohl die Verwaltung nichts anderes tut, als im parlamentsbeschlossenen Haushaltsgesetz eingesetzte Milliardenbeträge nach den Zielweisungen des Gesetzgebers — aber selbstgesetztem Verteilungsschlüssel in Gestalt von Subventionsrichtlinien — auszuschütten. Die höchstrichterliche Rechtsprechung 20 umgeht die Vorbehaltsproblematik im Subventionsbereich, indem sie zwar an dem Erfordernis einer gesetzlichen Legitimation für die Darreichung von Subventionen festhält, aber eine ausreichende gesetzliche Legitimation als gegeben erachtet, — wenn im Haushaltsplan als Bestandteil des förmlichen Haushaltsgesetzes entsprechende Mittel eingesetzt sind, — innerhalb des Haushaltsplans eine ausreichende Umreißung der Zweckbestimmung dieser Mittel vorgesehen ist, — die Vergabe dieser Mittel zu den den betreffenden Verwaltungsinstanzen zugewiesenen verfassungsmäßigen Aufgaben gehört. So eine plastische Formulierung von Forsthoff. Vgl. Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, S. 96; Hans J. W o l f f , VwR III, § 138 III b; Ossenbühl, (Fn. 5) S. 217. " Dazu namentlich Ipsen/Zacher, VVDStRL 25 (1967), S. 257 ff.; 308 ff.; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967; Schetting, Rechtspraxis der Subventionierung, 1973. 20 Vgl. BVerfGE 8, 155; BVerwGE 6, 282; NJW 1959, 1098 = DÖV 1959, 706 = DVB1 1959, 573; DÖV 1961, 426; DVBl 1961, 207; DÖV 1963, 387; DVB1 1964, 824; HessVGH ESVGH 6, 231; OVG Lüneburg DVBl 1956, 24 (25); VGH Kassel ESVGH 14, 55 = DVBl 1963, 443; DVBl 1968, 259 (261); BayVGH BayVBl 1970, 408. 17

18

Die Quellen des Verwaltungsrechts

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Ob man allerdings das Haushaltsgesetz als geeignete formalgesetzliche Grundlage im Sinne des Gesetzesvorbehaltes ansehen kann, ist umstritten 21 . Hiergegen sprechen eine Reihe nicht unerheblicher Bedenken, namentlich das sog. Bepackungsverbot 22 und die Beschränkung der haushaltsgesetzlichen Bestimmungen auf den sog. innerorganschaftlichen Reditskreis, also die fehlende Außenwirkung im Verhältnis Staat—Bürger 23 . Überdies wird man zumindest die Frage stellen müssen, ob die weitgreifenden und hochabstrakten Ziel- und Zwecksetzungen, die in Haushaltsvermerken zum Ausdruck kommen, nicht eine so (abgeschwächte) „minimale Orientierung" der Verwaltung am Gesetz darstellen, daß von einer Gesetzesbindung der Exekutive schlechterdings keine Rede mehr sein kann 2 4 . Das Bundesverwaltungsgericht 25 hat sich — z. T . auch gegen die Kritik einiger Instanzgerichte 26 — über diese Bedenken hinweggesetzt. Abschließend sei ein weiterer Gedanke hervorgehoben. Wieweit man auch immer die Reichweite des Gesetzesvorbehaltes ziehen mag, die Verwaltung ist, auch wenn und soweit sie im sog. gesetzesfreien Raum agiert, keineswegs rechtlich ungebunden. Die nicht selten stillschweigend und zuweilen auch unreflektiert vollzogene Gleichung „gesetzesfreie Verwaltung = rechtsfreie Verwaltung" ist schlicht falsch. Wie jede andere staatliche Instanz unterliegt die Verwaltung den Bindungen der Verfassung. Insoweit hat die Rechtsprechung namentlich unter Heranziehung des Gleichheitssatzes der Verwaltung Bindungen auferlegt, von denen man mit Recht sagen kann, daß ihnen gesetzesgleiche Wirkung zukommt 27 .

§6 Rechtsquelle und Rechtsnorm Eine Skizze der Rechtsquellenlehre kann nicht eröffnet werden, ohne jene Begriffe zu erläutern, die immer wieder auftauchen: Rechtsquelle und Rechtsnorm. Dies ist um so notwendiger, als zahlreiche Kontroversen in der Rechtsquellenlehre ihren Grund ausschließlich in der mangelnden Klärung des begrifflichen Instrumentariums haben. Andererseits ist eine Beschränkung auf die herrschende Position geboten, obgleich, wie es in einer neueren Spezialuntersuchung heißt, „die Unklarheiten hinsichtlich des Gesetzesbegriffs noch über21

22

Vgl. z.B. Stern, JZ 1960, 521 f.; Rupp, NJW 1966, 1098; BVerfGE

23

Vgl. dazu BVerfGE 20, 56.

24

Vgl. Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966, S. 299. Vgl. etwa B VerwGE 18, 352 (Honnefer Modell).

25

20, 56 =

N J W 1966, 1501 (Parteienfinanzierung); Seilmann, Der schlichte Parlamentsbesdiluß, 1 9 6 6 ; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961, S . 2 2 7 ; Ipsen, W D S t R L 25 (1967), 2 9 1 ; Selmer, VerwArdi 59 (1968), 140; Scheuner, D Ö V 1969, 585 (591). Dazu Friauf, Der Staatshaushaltsplan, 1968; BSG D Ö V 1975, 133.

28

Vgl. z. B. VG Frankfurt DVB1 1961, 52; OVG Münster DÖV 1963, 860 (861).

27

Dazu unten § 3 IV 4.d).

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Fritz Ossenbühl

troffen (werden) durch diejenigen, die den Begriff der Rechtsquelle verdunkeln" 1 . I. Der Begriff der Reditsquelle 2 Was man sich unter dem „sympathischen Bild der Quelle" 3 in Verbindung mit dem Recht alles vorstellen kann, ist vielfach beschrieben worden. Insoweit sind eine Reihe von „Quellen-Kategorien" aufgestellt worden 4 . Von diesen seien die wichtigsten genannt. 1. Rechtserzeugungsquellen, die Vorstellung und Verhalten der Menschen und damit das Recht bestimmen. Sie sind praktisch kaum abzugrenzen, weil sie von der Religion über das Klima eines Landes bis zu den Produktionsverhältnissen reichen. 2. Rechtswertungsquellen, welche die Maßstäbe für die Rechtsordnung angeben (z. B. Gerechtigkeit, Gleichheit, Rechtssicherheit, Vernunft). 3. Rechtserkenntnisquellen als Rechtsquellen im engeren Sinne, denen das geltende Recht unmittelbar entnommen werden kann (z. B. Gesetze, Verordnungen, Satzungen usw.). Solche Systematisierungen sind gewiß wertvoll, weil sie den Prozeß der Rechtserzeugung im Schnittpunkt zahlreicher Disziplinen (Soziologie, Theologie, Völkerkunde, Philosophie usw.) sehen. Für eine Betrachtung der Rechtsquellenlehre unter dem speziellen Aspekt der Reditstheorie sind sie nur bedingt verwendbar. Für die juristisch-technische, rechtstheoretische Fragestellung ist immer noch die im Jahre 1929 von Alf Ross5 aufgestellte Definition maßgeblich, nach der die Rechtsquelle bestimmt wird als „Erkenntnisgrund für etwas als Recht"6. In diesem Sinne sind als Rechtsquellen alle Handlungsanweisungen und Maßstäbe zu verstehen, die Verhaltensmuster vorschreiben, Ziele und Mittel des Verwaltungshandelns festlegen und die rechtliche Entscheidung von Konfliktsfällen bestimmen; gleichgültig in welcher äußeren Form sie auftreten. 1

Meyer-Cording,

2

Literatur: Ross, Theorie der Rechtsquellen, 1 9 2 9 ; Liver, Der Begriff der ReditsMeyerquelle, in: Rechtsquellenprobleme im Schweizerischen Recht, 1955, S. 1 ff.;

5 4

Die Rechtsnormen, 1971, S. 49.

Cording, (Fn. 1) S. 49 ff.; WolffIBachof, VwR I, § 24. Meyer-Cording, (Fn. 1) S. 50. Vgl. Ross (Fn. 2), S. 290 ff.; Liver, (Fn. 2), S. 3 ff.; Meyer-Cording

(Fn. 1), S. 50 ff.;

Obermayer, Grundzüge des Verwaltungsrechts und des Verwaltungsprozeßrechts, 1964, S. 8. 5 (Fn. 2), S. 291 f. • Vgl. W. Jellinek, V w R , S. 1 1 7 ; Esser, Grundsatz und N o r m in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 1956, S. 134 ff.; Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, 1969, S. 78 f.; Kruse, Riditerrecht als Rechtsquelle des innerstaat-

lichen Rechts, 1971, S. 1; WolffIBachof,

VwR I, § 24 I und Liver,

(Fn. 2), S. 12

(die letzteren mit dem Zusatz: „Erkenntnisgrund für etwas als positives

Recht").

Die Quellen des Verwaltungsrechts

59

II. Der Begriff der Rechtsnorm7 Richard Thoma8 schrieb im Jahre 1916, daß der Begriff des Rechtssatzes (der Rechtsnorm) mehrdeutig sei und deshalb „unsere bedeutendsten Staatsrechtslehrer in unfruchtbare Streitigkeiten verwickelt" habe. Diese Feststellung gilt mit geringen Abstrichen audi heute noch. Die verschiedenen Rechtssatzdefinitionen aufzuführen, die in den letzten hundert Jahren geprägt worden sind, ist hier unmöglich9. Wichtig erscheint es jedoch zu wissen, daß gegenwärtig vielfach noch Rechtssatzbegriffe verwendet werden, die entweder historisch überholt oder unter einem dogmatisch verengten Blickwinkel gebildet worden sind, aber gleichwohl als allgemeingültige Definitionen ausgegeben werden. Dieser Umstand hat, wie noch zu zeigen sein wird, auch den Blick für die Quellen des Verwaltungsrechts erheblich verkürzt.

1. Der historisch-konventionelle

Rechtssatzbegriff

Die Überlegungen zum Gesetzesvorbehalt haben bereits gezeigt, in welcher Weise der Gesetzesbegriff an einer bestimmten historischen Situation und Verfassungsstruktur orientiert war. Die Gleichsetzung von Gesetz und Recht und die damit einhergehende Definition des Rechtssatzbegriffs als einer Regelung, die Freiheit und Eigentum der Bürger berührt oder darin eingreift 10 , ließ von vornherein weite Bezirke außerhalb der so verstandenen Rechtsordnung. Dazu gehörten sowohl der sog. Innenbereich des Staates, namentlich die innere Organisation und das Funktionieren der Verwaltung, als auch die staatlichen Anstalten, die dem Bürger, anstatt Eingriffe zuzufügen, Leistungen darboten. Diese Bereiche waren der Notwendigkeit einer Regelung durch Rechtssätze entzogen und der Handlungsfreiheit der Verwaltung überlassen. Zum selben Ergebnis kam jene für die spätkonstitutionelle Staatsrechtslehre maßgebliche Auffassung, nach der das wesentliche Merkmal für den Rechtssatzbegriff in der Schrankenziehung zwischen selbständigen Willenssphären bzw. Rechtssubjekten gesehen wurde 11 . Auch der Staat wurde ebenso wie jeder andere ''Literatur: Meyer-Cording, (Fn. 1) S. 17ff.; Ossenbähl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 154 ff.; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961, S. 9 ff.; E.W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958; Roellecke, Der Begriff des positiven Gesetzes und das Grundgesetz, 1969; Achterberg, D Ö V 1973, 289; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970. 8 in: Festgabe für Otto Mayer, 1916, S. 176. 9 Vgl. dazu Böckenförde, (Fn. 7). 10 Namentlich Anschütz, Kritische Studien zur Lehre von Rechtssatz und formellem Gesetz, 2. Auflage, 1913, S. 68, 97, 163 und passim. 11 Namentlich Laband und G. Jellinek; inzwischen dazu Böckenförde, (Fn. 7) S. 233 ff., 257 ff., 272 ff.

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Fritz Ossenbühl

Hoheitsträger als impermeables Rechtssubjekt begriffen, dessen innere Vorgänge als „Verwaltungsinterna" sich außerhalb der Rechtsordnung bewegten. Die „innere Ordnung" des Staates stellte keine Schrankenziehung zwischen selbständigen Reditssubjekten dar und blieb deshalb ex definitione außerhalb des Rechts. Die historisch-konventionelle Verengung des damit verbundenen Rechtssatzbegriffs und die auf Laband12 zurückgehende zivilistische Denkweise (Sdhrankenziehungsformel) sind längst erkannt worden. Trotz dieser Erkenntnis sind bis heute jedoch die notwendigen Folgerungen — audi für die Rechtsquellenlehre — nicht gezogen worden. 2. Der rechtstheoretische

Rechtssatzbegriff

Eine zeitgemäße Rechtsquellenlehre kann nicht mit einem Rechtssatzbegriff operieren, der der Verfassungsdogmatik des 19. Jahrhunderts zugeordnet ist. Andererseits ist nicht viel gewonnen, wenn man den historisch-konventionellen Rechtssatzbegriff kurzerhand durch einen rechtstheoretischen Rechtssatzbegriff ersetzt und Rechtssatz beispielsweise definiert als Satz, welcher dazu bestimmt ist, „an einen vorausgesetzten Tatbestand subjektive Rechte und Pflichten begründen oder mit einem gewissen Tatbestand gewisse Rechte und Pflichten zu verknüpfen" 13 . Freilich würde auf diese Weise erreicht, daß die bislang aus dem Verwaltungsrec&f oder doch der Rechtsquellenlehre verdrängten Regelungsphänomene wie etwa die Verwaltungsvorschriften und Sonderverordnungen nicht mehr bedenkenlos als Nicht-Recht abgestempelt werden könnten. Indessen liegt das Problem anderswo. Die aktuellen Fragen der Rechtsquellenlehre können nicht dadurch gelöst werden, daß man einen neuen Rechtssatzbegriff aufstellt. Denn die Problematik liegt keineswegs in der Definition des Rechtssatzes, sondern vielmehr in der Heterogenität der vorhandenen Rechtssätze14. Kurz gesagt: Rechtssatz ist nicht gleich Rechtssatz. Denn schon die herkömmlich als solche anerkannten Rechtssätze weisen etwa nach dem Rang im Rechtsquellensystem, ihren Erzeugungsbedingungen, Adressaten, Verletzungsfolgen usw. erhebliche Unterschiede auf.

III. Aufgabe der Rechtsquellenlehre Aus dieser Erkenntnis folgt unmittelbar die Aufgabe der Rechtsquellenlehre. Es gibt weder eine Einheitsreditsquelle noch einen Einheitsreditssatz. Vielmehr 12 13

Vgl. dazu Böckenförde, (Fn. 7) S. 226 ff.

So sdion Haenel, Das Gesetz im formellen und materiellen Sinne, 1888, S. 122; ferner Latenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1969, S. 180; Engisch, Einführung in das juristische Denken, 5. Aufl. 1971, S. 20; Radbruch, Rechtsphilosophie, 1956, S. 129.

" Näheres bei Ossenbühl, (Fn. 7) S. 159.

Die Quellen des Verwaltungsredits

61

haben die Rechtssätze unterschiedliche Eigenschaften. Diese Eigenschaften (Erzeugungsmodus, Geltungsbereich, Kontrolle, Rang im Rechtsquellensystem, Verletzungsfolgen etc.) sind in vielfacher Weise abgestuft und kombiniert und führen zu Klassifikationen der Rechtssätze, die von erheblicher rechtlicher Bedeutung sind. Welche Eigenschaften einem Rechtssatz zukommen, ist namentlich der Verfassung zu entnehmen. Aufgabe der Rechtsquellenlehre ist es deshalb, die verschiedenen Rechtssätze und Rechtsquellen anhand ihrer Eigenschaften zu beschreiben, zu erklären und in einen systematischen Zusammenhang zu bringen.

§7

Arten der Rechtsquellen Verschiedene Arten von Rechtsquellen sind nur dort denkbar, wo die Rechtssetzungsmacht nicht bei einer Instanz monopolisiert ist, sondern mehrere N o r m geber in sachgegenständlich, personal oder territorial unterschiedlichen Bereichen Rechtssetzungsgewalt ausüben. Die Vielzahl der Rechtsquellen im Verwaltungsrecht, ihre Abstufung nach Inhalt, Wirkungsgrad und Form, ist deshalb Konsequenz und Spiegelbild der Verfassungsstruktur; sie hat ihre Ursache namentlich in drei Besonderheiten der deutschen Verfassungsentwicklung: 1. In der Differenzierung der Staatsgewalt, die sich in Deutschland mit der Verfassungsbewegung im 19. Jahrhundert als Ergebnis des gewaltenteilenden Rechtsstaates eingestellt hat. 2. In der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik, in der neben dem Bund die Länder als selbständige Staaten mit eigener Gesetzgebungsgewalt existieren. 3. In der rechtlichen Verselbständigung gewachsener oder geschaffener Lebensbereiche mit eigener gegenständlich, personell und territorial beschränkter Rechtssetzungsbefugnis (z. B. Autonomie der Gemeinden, Universitäten, R u n d funkanstalten, Sozialversicherungsträger). Für alle vorgenannten Instanzen und Lebensbereiche ist die Rechtserzeugung in Verfassungen und Gesetzen im einzelnen geregelt. Neben den auf diese Weise organisierten Rechtsquellen steht das nichtorganisierte, gewachsene Recht (Gewohnheitsrecht). Nach der H e r k u n f t des Rechts und der Qualität des Normsetzers wird dementsprechend in der herkömmlichen Rechtsquellenlehre unterschieden zwischen dem geschriebenen (kodifizierten, gesetzten, positiven) Recht und dem ungeschriebenen Recht (Gewohnheitsrecht, Observanzen); ferner zwischen staatlichem und autonomem Recht. Das staatliche Recht teilt sich infolge der föderalistischen Struktur und der Gewaltenteilung wiederum auf in Bundesrecht und Landesrecht sowie in originäres und abgeleitetes Recht, je nachdem, ob dem Normsetzer (wie etwa dem Bundestag) eine eigene verfassungsverbürgte Rechtssetzungsgewalt zukommt oder ob er (wie die Bundesregierung

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Fritz Ossenbühl

oder einzelne Minister) nur aufgrund einer durch ein parlamentsbeschlossenes Gesetz erteilten Ermächtigung (Delegation) Normen schaffen darf. Die folgende Einzelbetrachtung geht von der üblichen Einteilung der Rechtsquellen nach der normsetzenden Instanz aus.

I. Verfassungsgesetze1 Wo das Verhältnis von Verfassung und Verwaltung zur Sprache kommt, gehört es zum üblichen Ritual, zwei einander entgegengesetzte Zitate anzuführen, die sich inzwischen zu geflügelten Worten des Verwaltungsrechts entwickelt haben. Das erste Wort stammt von Otto Mayer, der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts das Verwaltungsrecht als eigenständige Disziplin begründet hat. Im Vorwort seines 1924 in 3. Auflage erschienenen „Deutschen Verwaltungsrechts" heißt es: „Groß Neues ist ja seit 1914 und 1917 (den beiden Vorauflagen) nicht nachzutragen. Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht."2 — In diesem meist mißverstandenen Satz 3 kommt eine gewisse Indolenz oder doch Beharrungskraft des Verwaltungsrechts gegenüber sich wandelnden Verfassungsstrukturen zum Ausdruck. Eine solche Resistenz des deutschen Verwaltungsrechts gegenüber verändertem Verfassungsrecht war bis weit nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes zu beobachten, ist aber heute eher einer die Verfassungsabhängigkeit des Verwaltungsrechts überbetonenden und übertreibenden Haltung gewichen. Das Wort von Fritz Werner4, der das „Verwaltungsrecht als konkretisiertes Verfassungsrecht" apostrophiert hat, ist viel zitiert worden und hat die Neigung des unmittelbaren Zugriffs auf die Verfassung im Prozeß der Rechtsanwendung verstärkt 5 . Die Verfassung wird nun nicht mehr nur als geistiger Überbau der (einfachen) Gesetze betrachtet, sondern wirkt unmittelbar in die tägliche Arbeit des Reditsanwenders hinein. Der übliche Weg ist freilich der, daß verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Grundprinzipien in erster Linie in Form des Gesetzes durch den Gesetzgeber selbst konkretisiert, ausgeprägt und dadurch in anwendbares Recht umgesetzt werden. Aber in vielen Fällen muß der Rechtsanwender seine Entscheidungsmaßstäbe auch selbst unmittelbar der Verfassung entnehmen. Das gilt namentlich für jenen Bereich, in dem einfache, die Verfassung konkretisierende Gesetze fehlen. Häufig wird der Rechtsanwender aber audi mit Gesetzen konfrontiert, die angesichts gewandelter Grundrechtsauffassungen heute anders interpretiert werden müssen als vor 10 oder 20 Jahren. Ein einleuchtendes und in den vergangenen Jahren aktuelles Beispiel hierfür bildet 1

2 3 4 5

Zur Bedeutung der Verfassung als Rechtsquelle der Verwaltung: 2 . Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlidien Verwaltungsrechts, l.Bd., 1960, S. 141 ff. Otto Mayer, VwR I Vorwort. Klärend: Bachof, VVDStRL 30 (1972), 193, 204. DVB1 1958, 527. So auch die Beurteilung von Bachof, (Fn. 3) 193 ff., 195.

Die Quellen des Verwaltungsredits

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etwa die Rechtsprechung und Lehre zur Versammlungsfreiheit 6 . — Größte Bedeutung, insbesondere auch im Rahmen der Rechtsquellenlehre, kommt ferner dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG zu. Auf dem Boden dieses Verfassungsartikels ist praktisch ein neues eigengeartetes Administrativrecht entwickelt worden 7 . Grundlegend sind auch andere, nicht ausdrücklich als solche formulierte, aber anerkannte und mit Verfassungsrang ausgestattete Prinzipien, die das Verwaltungshandeln in der täglichen Arbeit des Beamten und Richters bestimmen. Hervorzuheben ist namentlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 8 . Schließlich hat die Verfassung unmittelbare Bedeutung für die Verwaltungsorganisation 9 . Hingewiesen sei insbesondere auf die Art. 83 ff. und Art. 28 des Grundgesetzes. II. Gesetze 1. Der Begriff des Gesetzes ist mehrdeutig. Kennzeichnend für die deutsche Staats- und Verwaltungsrechtslehre ist der bis heute verwendete dualistische Gesetzesbegriff10. Er geht zurück auf einen der maßgebenden Staatsrechtslehrer des 19. Jahrhunderts: Paul Labandn. Der von Laband gemeinte Doppelsinn des Gesetzesbegriffs knüpft an den Inhalt und an die Form des Gesetzes an. Inhaltlich, materiell gesehen, ist Gesetz jeder Rechtssatz. Gesetz, Rechtssatz, Rechtsnorm sind danach synonyme Begriffe für abstrakt-generelle Anordnungen (Imperative), die menschliches Verhalten regeln. — Der formelle (förmliche) Gesetzesbegriff knüpft dagegen nicht an den Norminhalt, sondern an das Zustandekommen des Gesetzes an. Gesetz im formellen Sinne ist danach jeder im verfassungsmäßig vorgesehenen (förmlichen) Gesetzgebungsverfahren zustande gekommene Willensakt der Gesetzgebungsorgane ohne Rücksicht auf den Inhalt 12 . „Gesetz im materiellen Sinne und Gesetz im formellen Sinne verhalten sich daher zueinander nicht wie Gattung und Art, wie ein weiterer und ihm untergeordneter engerer Begriff, sondern es sind zwei durchaus verschiedene Begriffe, von denen jeder durch ein anderes Merkmal bestimmt wird, der eine durch den Inhalt, der andere durch die Form einer Willenserklärung" 13 . 6 7 8

8 10

11

12 13

Vgl. Ossenbühl, Der Staat 10 (1971), 53. Dazu unter „IV. Verwaltungs Vorschriften". Vgl. Wittig, D Ö V 1968, 817; Gentz, N J W 1968, 1601; Grabitz, AöR 98 (1973), S .568 ff. Dazu unten Sechster Teil. Vgl. Ernst-Wolf gang Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958; H.W. Kopp, Inhalt und Form der Gesetze, 2 Bände, 1958; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 54 ff. Das Budgetrecht nadi den Bestimmungen der Preußischen Verfassungsurkunde unter Berücksichtigung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, Berlin 1871. Wolff/Bachof, V w R I, § 24 II e; BVerfGE 18, 389 (391). Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. II, 5. Auflage, 1911, S. 63.

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Nadi einem Bild von Albert Haenelu sind beide Gesetzesbegriffe zwei sich teilweise deckenden, einander schneidenden Kreisen vergleichbar: was dem Bereich des einen angehört, kann, muß aber nicht, auch in den des anderen fallen. Gesetze können zugleich formellen und materiellen Charakter tragen (Regelfall bei parlamentsbeschlossenen Bundes- und Landesgesetzen) oder solche im nur formellen (z. B. Zustimmungsgesetze nach Art. 59 Abs. 2 GG) oder nur materiellen Sinne sein (z. B. Rechtsverordnungen, Satzungen, Gewohnheitsrecht). Die Entgegensetzung von „materiellem'" und „formellem" Gesetz hatte zu Labands Zeiten eine konkrete politisch-staatsrechtliche Funktion 15 . Der materielle Gesetzesbegriff war nichts anderes als die juristische Übersetzung „jenes eigentümlichen Spannungsverhältnisses zwischen Staat und Gesellschaft, für das der konstitutionelle Staat des monarchischen Prinzips' das getreue juristische Abbild war" 1 6 . „Inhalt und Umfang des Gesetzesbegriffs bezeichneten (daher) das Maß, in dem die Gesellschaft sich den Staat erobert hatte und ihn dirigieren konnte" 1 7 . Die Verstrickung des dualistischen Gesetzesbegriffs in eine bestimmte politische Zeitsituation und sein historisch-konventioneller Charakter sind längst erkannt 18 . Namentlich das Haushaltsgesetz, für Laband das thema probandum (Budgetrecht!) und Prototyp eines förmlichen Gesetzes wird heute in einem anderen Licht gesehen18. Kompetenzscheidende Kraft und Bedeutung kommt dem Gesetzesbegriff gegenwärtig nicht mehr zu. Das Parlament kann nicht unter Berufung auf den konkret-individuellen Gehalt einer Maßnahme oder Willenserklärung von deren Regelung durch (förmliches) Gesetz abgehalten werden. Demgemäß hat auch die Rechtsprechung20 sog. Individual- und Maßnahmegesetze, die sich trotz ihrer abstrakten Formulierung nur auf eine einzelne bestimmte Maßnahme oder bestimmte Personen beziehen 21 , für verfassungsrechtlich zulässig und den Begriff des Maßnahmegesetzes für „verfassungsrechtlich irrelevant" erklärt 22 . Deshalb stellt sich die Frage, ob uns der dualistische Gesetzesbegriff heute noch etwas bieten kann oder in die Rumpelkammer des konstitutionellen 14 15

Studien zum Deutschen Staatsredit, II. Bd., 1888, S. 110. Vgl. namentlich Böckenförde, (Fn. 10) S. 226 ff.; H. W. Kopp, Inhalt und Form der Gesetze, Bd. I, S. 32 ff.; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961, S. 12 ff., 15 ff.

'« Jesdo (Fn. 15), S. 20. 17 Böckenförde (Fn. 10) S. 131. 18

Vgl. außer den vorgenannten Autoren: Forsthoff, VwR, S. 133; Wolff/Bacbof, V w R I, § 2 4 II c ) ; Bachof, Rspr BVerwG I, S . 2 4 6 ; Ossenbühl (Fn. 10) S. 54 ff.;

Ernst 18

20 21

22

Wolfgang

Böckenförde,

Die Organisationsgewalt

im Bereich der Regie-

rung, 1964, S. 61 ff.; Böckenförde/Grawert, A ö R 95 (1970), 1 (6 ff.). Vgl. BVerfGE 20, 56, 89 ff. unter ausdrücklicher Ablehnung der Auffassung von

Laband. BVerfGE 4, 7, 8 f.; 10, 89, 108; 15, 126, 146 f.; 24, 33, 52; 25, 371, 396. Dazu Meessen, DÖV 1970, 314 ff.

BVerfGE 25, 371, 396.

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Staatsrechts gehört. Hierauf ist zu antworten, daß der doppelte GesetzesbegrifT durch die Veränderung der Verfassungsstruktur seine politisch-staatsrechtliche Brisanz verloren hat, aber gleichwohl noch in der gegenwärtigen Begriffswelt eine Verständigungsfunktion erfüllen kann und auch vom Gesetzgeber selbst zuweilen in diesem Sinne benutzt wird (z. B. Art. 104 Abs. 1 GG). Taucht in einem Gesetz oder in der Verfassung der Begriff „Gesetz" auf, bedarf es häufig der Präzisierung, ob nur das förmliche oder jedes materielle Gesetz gemeint ist 23 . Freilich ist dies eine Aufgabe, für die der dualistische Gesetzesbegriff als solcher keine (Auslegungs-)Hilfe zu bieten vermag. 2. Die gegenwärtige Problematik der (förmlichen) Gesetze liegt nicht in ihrem Charakter als Rechtsquelle, sondern vielmehr in der Frage, ob sich das überkommene, verfassungsrechtlich vorgesehene Gesetzgebungsverfahren und damit das Gesetz als geeignet erweist, um die gegenwärtigen Aufgaben der staatlichen Daseinsfürsorge und -Vorsorge zu bewältigen, oder ob die tradierten Rechts- und Entscheidungsformen des liberalen Rechtsstaates den sozialstaatlichen Anforderungen inadäquat sind und durch flexiblere Rechtsetzungsformen ergänzt werden müssen24. Sichtbaren Ausdruck findet diese Problematik in der vielbeklagten Hypertrophie der Gesetze und der — schon durch den Ausdruck selbst hinreichend charakterisierten — Gesetzgebungsmaschine, die auf Bundesebene alle drei Tage eine Gesetz produziert 25 und maßgeblich zu der oft beschworenen „Informationskrise des Rechts" 26 beiträgt. Mit diesem Befund wird der Anfänger namentlich im Verwaltungsrecht konfrontiert, weit mehr als im Zivil- oder Strafrecht. Niemand kann alle Gesetze — auch nur dem Namen nach — kennen. Für den Neuling im Verwaltungsrecht ebenso wie für den Praktiker kommt es deshalb darauf an, erstens die für die jeweilige Entscheidung einschlägige Rechtsnorm aufzufinden und zweitens, das gefundene Gesetz sachgemäß zu erfassen, d. h. seinen Sinn und Zweck zu ermitteln, es auszulegen und in seinen oft vagen und mehrdeutigen Formulierungen die Kategorien und Denkfiguren des allgemeinen Verwaltungsrechts (z. B. unbestimmter Gesetzesbegriff, Verwaltungsermessen, Erlaubnis, Dispens usw.) zu entdecken. 23

24

25

26

5

Z. B. Art. 2 Abs. 2 GG (Gesetz = förmliches Gesetz); Art. 3 Abs. 1 GG (Gesetz = materielles Gesetz); Art. 100 Abs. 1 (Gesetz = förmliches (nadikonstitutionelles) Gesetz); BVerfGE 1, 18 ff.; 124 ff.; kritisch: Stern, Bonner Kommentar Art. 100 Rdnr. 59 ff. Vgl. Ossenbühl, in: Staats- und Kommunalverwaltung, 1971, 57, 60; Herzog, Verwaltung und Verwaltungsrecht in der freiheitlichen Industriegesellschaft, 1970, S. 12; aufschlußreich und lehrreich in diesem Zusammenhang die Typologie von „Leistungsgesetzen" bei Häberle, in: Festschrift für G. Küchenhoff, 1972, 453 ff., 456. Vgl. die Nachweise für die ersten vier Legislaturperioden bei Loewenberg, Parlamentarismus im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, 1969, S. 334, 436 f. So die gleichnamige Schrift von Simitis, Informationskrise des Rechts und Datenverarbeitung, 1970. Allgemeines Verwaltungsredit

66

Fritz Ossenbühl

Der Griff zum einschlägigen Gesetz setzt eine genaue Kenntnis der Vorschriften des Grundgesetzes über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen voraus (Art. 70 ff., 105 GG). Aus ihnen ergibt sich, ob eine bestimmte Regelungsmaterie durch Bundes- oder/und Landesrecht geordnet werden kann. Die wichtigsten Gesetze, Verordnungen und Satzungen des Bundes und der Länder sind in verschiedenen Textsammlungen systematisch zusammengefaßt. Bundesrecht: Sartorius, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze der Bundesrepublik, Loseblattsammlung; die Sammlung ist nicht vollständig, sie klammert wichtige Sondermaterien, wie z. B. Steuerrecht, Sozialversicherungsrecht aus, für die besondere Textsammlungen bestehen. Landesrecht: Baden-Württemberg: Günter Dürig, Gesetze des Landes Baden-Württemberg, Loseblattsammlung; Harald Fliegauf, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze in Baden-Württemberg. Bayern: Georg Ziegler / Paul Tremel, Verwaltungsgesetze des Freistaates Bayern, Loseblattsammlung. Berlin: Kuhle/Steuerwald, Berliner Gesetze, Loseblattsammlung. Hamburg: GrapengeterjBeckerjMascheck, Hamburgisdies Landesrecht, Loseblattsammlung; Hans Peter Ipsen, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht. Hessen: Eberhard Fuhr / Erich Pfeil, Hessisdie Verfassungs- und Verwaltungsgesetze, Loseblattsammlung; Hubert Görg j Klaus Müller, Verfassungsund Verwaltungsgesetze des Landes Hessen, Loseblattsammlung. Niedersadisen: Gert März, Niedersädisisdie Gesetze, Loseblattsammlung; Werner Weber, Niedersächsisches Landesrecht, Loseblattsammlung. Nordrhein-Westfalen: Ernst v. Hippel / Helmut Rehborn, Gesetze des Landes Nordrhein-Westfalen, Loseblattsammlung; Klaus Müller, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze des Landes Nordrhein-Westfalen, Loseblattsammlung; Norbert Achterberg, Staats- und verwaltungsrechtliche Gesetze in NordrheinWestfalen. Rheinland-Pfalz: R. Rumetsch, Landesrecht in Rheinland-Pfalz, 3 Bände, Loseblattsammlung; Rudolf Stich, Die wichtigsten Landesgesetze von Rheinland-Pfalz, Loseblattsammlung. Schleswig-Holstein: W. Bausenhart / Guilleaume, Verfassungs- und Verwaltungsrecht in Schleswig-Holstein, 2 Bände, Loseblattsammlung. 3. Eine besondere Schwierigkeit des Verwaltungsrechts besteht darin, daß die Grundsätze und Institutionen des allgemeinen Verwaltungsrechts noch nicht zusammenfassend kodifiziert sind. Die Ursache hierfür ist namentlich die, daß das Verwaltungsrecht noch ein recht junges Gebiet darstellt, dessen kaum begonnene Tradition überdies durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes in

Die Quellen des Verwaltungsrechts

67

weiten Partien unterbrochen worden ist27. Da im allgemeinen Verwaltungsrecht keine auf den ersten Blick brisanten politischen Entscheidungen auf der Tagesordnung stehen, überläßt der Gesetzgeber die Entwicklung der Grundsätze und Institutionen lieber der Lehre und Praxis. Über die Kodfikationsreife des allgemeinen Verwaltungsredits ist bis in die Gegenwart viel gestritten worden 28 . Gleichwohl hat es nicht an Anläufen gefehlt, die auf eine Kodifizierung des allgemeinen Verwaltungsredits abzielten 29 . Aus neuerer Zeit ist hervorzuheben der 1963 veröffentlichte Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (EVwVerfG 1963), der 1966 in München überarbeitet wurde 30 und mit geringfügigen Änderungen im Jahre 1970 und erneut im Jahre 1973 als Regierungsentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes 31 im Bundestag eingebracht worden ist. Lediglich im Land Schleswig-Holstein besteht seit 1967 ein Allgemeines Verwaltungsgesetz 32 . Dieses Gesetz und die genannten Entwürfe eines Verwaltungsverfahrensgesetzes sind, auch wenn sie nur beschränkt gelten33 oder noch kein anwendbares Recht darstellen, wichtige Hilfsmittel zur Erfassung des allgemeinen Verwaltungsrechts, weil sie in wichtigen Partien den derzeitigen Entwicklungsstand des allgemeinen Verwaltungsrechts fixieren.

III. Rechtsverordnungen34 1. Begriff und

Funktion

Vergegenwärtigt man sich Begriff und Funktion der Rechtsverordnungen, so wird deutlich, daß sie als Rechtsquelle in der gegenwärtigen Form erst mit dem gewaltenteilenden Rechtsstaat auftauchen und aus noch näher zu erläutern27

28

29 30

31

32 33 34

5'

Vgl. dazu die Bestandsaufnahmen von Bachof, Uber Entwicklungstendenzen im gegenwärtigen Verwaltungsrecht, in: Staatsbürger und Staatsgewalt, 1963, S. 3 ff.; Zeidler, Der Staat 1 (1962), 321; Badura, Verwaltungsrecht im liberalen und sozialen Rechtsstaat, 1966; derselbe, D Ö V 1968, 446; derselbe, Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Friauf, Der Staat 9 (1970), 223; Ossenbühl, (Fn. 24) 57. Vgl. die Gutachten, Referate und Diskussionsbeiträge auf dem 43. Deutschen Juristentag 1960 in München, in: Verhandlungen des 43. DJT (1960); weitere Nachweise bei Ossenbühl, Die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte, 2. Auflage 1965, 161 mit Fußnoten 157, 158. Vgl. Brintzinger, D Ö V 1968, 16. EVwVerfG 1963, Köln-Berlin 1964; 2. Aufl. mit Anhang „Münchener Fassung", Köln-Berlin 1968. BT Drucksache VI/1173 und 7/910; BRats Drucksache 269/70 und 227/73; dazu Spanner, JZ 1970, 671; zur Vorgeschickte: Sendler, AöR 94 (1969), 130. LVwG Schleswig-Holstein vom 18. 4.1967, GVBl. Schl.-H., S. 131. Das LVwG Schl.-H. gilt nur für die Landesverwaltung Sdil.-H. Literatur: Wilke, Bundesverfassungsgericht und Rechtsverordnungen, AöR 98 (1973), 196 ff.; Z. Giacometti, (Fn. 1) S. 148 ff.

68

Fritz Ossenbiihl

den Gründen in der Rechtssetzungspraxis seit dem Ersten Weltkrieg eine ständig zunehmende Bedeutung gewinnen. — Nach dem Schema der Gewaltengliederung steht die Rechtssetzungsgewalt prinzipiell allein dem Gesetzgeber (Parlament, ggf. zweite Kammer) zu. Aus mancherlei Gründen (z. B. Langwierigkeit des Gesetzgebungsverfahrens; entscheidungsarmer, bloß technischer oder kurzfristiger Gehalt bestimmter Regelungen) bedarf der Gesetzgeber der Entlastung. Deshalb eröffnen die Verfassungen ihm den Weg der partiellen Übertragung von Rechtssetzungsgewalt auf die Exekutive, die diese ihr zustehende Gesetzgebungsbefugnis durch den Erlaß von Rechtsverordnungen betätigt. Rechtsverordnungen sind damit als abgeleitete Rechtsquellen Ausdruck einer delegierten Rechtssetzung, einer Dekonzentration der Gesetzgebung. Als hoheitliche, abstrakt-generelle Regelungen der Regierungs- und Verwaltungsorgane sind Rechtsverordnungen ebenso wie förmliche Gesetze Rechtsquellen, aus denen allgemein-verbindliches, d. h. f ü r den Bürger ebenso wie f ü r den Beamten und den urteilenden Richter maßgebliches und zu beachtendes Recht fließt. Die Rechtsverordnung soll das Gesetz nicht ersetzen, sondern von technischen Details und ephemeren Regelungen sowie rein fachorientierten, sachbedingten Anordnungen ohne oder mit nur geringem politischen Entscheidungsgehalt entlasten 36 . Insoweit ist das Rechtsverordnungsrecht der Exekutive nicht nur verfassungsrechtlich legitim, sondern schlechthin unentbehrlich. Eine besonnene Anwendung der Rechtsverordnungsbefugnis führt keineswegs zu einem Machtverlust des Parlaments im legislativen Bereich, sondern hat im Gegenteil den Effekt, daß das (förmliche) parlamentsbeschlossene Gesetz seine eigentliche Aufgabe und Funktion, nämlich in der Flut der Paragraphen die tragenden politischen Entscheidungen für das Gemeinwesen zu treffen, wiedergewinnt. Die praktische Bedeutung der Rechtsverordnung mußte somit in dem Maße zunehmen, in dem der Staat im Zeichen eines weit verstandenen Sozialstaatsprinzips ein umfassendes M a n d a t für eine aktive Wirtschafts-, Gesellschaftsund Kulturpolitik für sich in Anspruch nahm. In der Zeit von 1949 bis 1965 sind auf Bundesebene 1298 Gesetze und 4228 Rechtsverordnungen (pro Werktag: eine R V O ) erlassen worden 3 6 . Bezeichnend ist, daß die meisten Rechtsverordnungen im Bereich des Finanz- und Wirtschaftsrechts sowie des Sozial rechts gezählt wurden.

2. Verhältnis

von Gesetz und

Verordnung

Schon diese Zahlen erwecken den Eindruck, als träte die Rechtsverordnung im modernen Industriestaat in Konkurrenz zum Gesetz. Geschichtliche Erfah55

38

Triepel, D e l e g a t i o n und Mandat im öffentlichen Recht, 1942, S. 111; Wilke, 98 (1973), 196 ff., 213. Vgl. Hasskarl, D Ö V 1968, S. 558 ff.

AöR

Die Quellen des Verwaltungsrechts

69

rungen in Deutschland bestätigen diese Vermutung. Deshalb hat das Verhältnis von Gesetz und Rechtsverordnung stets besondere Beachtung gefunden37. a) Dogmatisch ist dieses Verhältnis von Gesetz und Rechtsverordnung nach geltendem Verfassungsrecht prinzipiell eindeutig. Eine echte Konkurrenz zwischen beiden Rechtsetzungsformen kann es nicht geben. Die Verordnungsermächtigung bedeutet Übertragung rechtsetzender Gewalt durch die Legislative auf die Exekutive. Nach der seit Triepel38 eingebürgerten Terminologie erweist sich diese Übertragung als Fall einer unechten Delegation, weil der Gesetzgeber die Delegation „stets unter stillschweigendem Vorbehalt künftiger und jederzeit möglicher eigener Ausübung seiner Zuständigkeit" vornimmt, also im Gegensatz zur echten (devolvierenden) Delegation kein Kompetenzverlust eintritt 39 . Überdies wird die Überlegenheit des Gesetzes gegenüber der Rechtsverordnung durch den sog. Vorrang des Gesetzes gesichert. Allerdings schützt diese dogmatische Konstruktion nicht vor einer politischen Praxis, in der der Gesetzgeber die „Flucht aus der Verantwortung" 40 antritt und die ihm zustehende und obliegende Rechtssetzungsmacht im Übermaß auf die Exekutive delegiert. Namentlich diese Gefahr, freilich auch umgekehrt die einer Kompetenzusurpation durch die Regierung und Verwaltung, muß man im Auge behalten, wenn man die verfassungsrechtlichen Anforderungen an das eine Verordnungsermächtigung enthaltende Gesetz betrachtet41. b) Das Erfordernis einer formalgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß von Rechtsverordnungen folgt prinzipiell schon aus deren Charakter als abgeleiteter Rechtsquelle. Indessen kann diese Ermächtigungsgrundlage unterschiedlich aussehen. Sie kann sowohl in der Verfassung wie auch in einem förmlichen Gesetz enthalten sein und inhaltlich entweder allgemein oder nur für bestimmte Materien und Fragen spezifiziert erteilt sein. Spezifizierende Einengungen der exekutivischen Verordnungsgewalt waren der Weimarer Verfassung fremd. Nicht einmal die Bindungen der Verfassung selbst galten für eine vom Gesetzgeber entsprechend ermächtigte Exekutive als unüberwindbar42. 87

38 39 40

41

42

Vgl. Bossung, Gesetz und Verordnung, 1936; Stratenwerth, Verordnung und Verordnungsrecht im Deutschen Reich, 1936; Roetbe, AöR 59 (1931), 194, 321; Jacobi, AöR 39 (1920), 273. Delegation und Mandat, S. 58. Vgl. Peter, AöR 92 (1967), 357 ff., 368. Vgl. Friedrich Klein, Die Übertragung rechtsetzender Gewalt nach deutschem Verfassungsrecht, in: Übertragung rechtsetzender Gewalt im Rechtsstaat, 1952, S. 79 ff. (85); Maunz bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 80 Rn. 2. Dazu unter dem besonderen Aspekt der Weimarer Verhältnisse: Jacobi, Die Rechtsverordnungen, H D S t R II, § 77, S. 239; ferner BVerfGE 34, 52 (59) = D Ö V 1973, 132. Vgl. Jacobi (Fn. 41) S. 240 f.

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Fritz Ossenbühl

D e r E r l a ß v o n Rechtsverordnungen avancierte damit zur „vereinfachten Form der Gesetzgebung" 4 3 . H i n z u kamen die E r f a h r u n g e n mit den sog. D i k t a turverordnungen auf der Grundlage des A r t . 48 W R V 4 4 , die „das förmliche Gesetz fast zur Ausnahmeersdieinung gegenüber der Rechtsverordnung machten" 4 5 . Schließlich folgte die förmliche Inthronisierung der Reichsregierung als Gesetzgeber im nationalsozialistischen Staat 4 6 . — Als A n t w o r t des Verfassungsgebers auf diesen Verfall rechtsstaatlicher u n d demokratischer Prinzipien ist A r t . 80 G G zu verstehen 4 7 , der auf Bundesebene verfassungsrechtliche Kautelen gegen eine geräuschlose Verschiebung der Rechtssetzungsmacht auf die Exekutive vorsieht. Deshalb müssen Inhalt, Zweck und A u s m a ß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 G G ) . Dieser Bestimmtheitsgrundsatz liefert jedoch f ü r die Entscheidung des Einzelfalles keine konkreten Maßstäbe. D e r disziplinierende E f f e k t des Art. 80 G G h ä n g t deshalb weitgehend von der Rechtsprechung ab. Die A u f fassungen u n d Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts schwanken u n d werden im Schrifttum unterschiedlich gewürdigt 4 8 . N a c h neueren Entscheidungen genügt es, „wenn Inhalt, Zweck u n d A u s m a ß einer Ermächtigungsvorschrift nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus ihrem Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften des Gesetzes u n d aus dem v o n der gesetzlichen Regelung insgesamt verfolgten Ziel unter H e r a n z i e h u n g der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ermittelt werden können" 4 9 . K r i t i k an einer angeblichen Engherzigkeit der Rechtsprechung läßt sich a u f g r u n d dieser allgemein gehaltenen Formulierungen wohl k a u m rechtfertigen 5 0 . D e m Bestimmtheitserfordernis, das auch in einigen Landesverfassungen wiederkehrt 5 1 , genügen auch die landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen 5 2 f ü r den E r l a ß von Polizeiverordnungen bzw. Ordnungsverordnungen53, denn die Formel „ A b w e h r von G e f a h r e n f ü r die öffentliche Sicherheit oder O r d n u n g " hat durch jahrzehntelange Lehre u n d Rechtsprechung eine k o n k r e t e Gestalt gewonnen 5 4 . 43 41

45 46

47 48 49

50 51

52

53 54

Vgl. Wilke bei von Mangoldt/Klein, GG, Bd. III, Art. 80 Anm. II 1 a, S. 1905. Vgl. Anschätz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, S. 279 f.

So Jacobi, (Fn. 41) S. 239. Art. 4 des Gesetzes über den Neuaufbau des Reiths vom 30. Januar 1934 (RGBl. I S. 75): „Die Reichsregierung kann neues Verfassungsredit setzen".

Vgl. Wilke (Fn. 43) Anm. II 1 c, S. 1906. Vgl. die sorgfältige Analyse von Hasskarl, AöR 94 (1969), S. 85 ff. BVerfGE 26, 16, 27; 29, 198, 210 - Verweisung auf Gemeinsdiaftsrecht.

Vgl. Wolff/Bachof, VwR I, § 25 VII a) 1. Ba-Wü.Art. 61; Hamb. Art. 53; N S . A r t . 3 4 ; N R W Art. 70; Schl.-H. Art. 33; anders Hess. Art. 118. Für die Art. 80 GG als ¿«»rfejgesetzlidie Vorschrift nicht unmittelbar gilt

(BVerfGE 12, 319, 325; 19, 253, 256). Vgl. § § 2 7 ff. OBG NW. Vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Auflage 1975, S. 30 fT.

Die Quellen des Verwaltungsredits

71

Umstritten ist die Frage, ob auch gesetzändernde Rechtsverordnungen zulässig sind 55 . Uber diese Frage abstrakt-dogmatisch zu diskutieren, würde an den praktischen Problemen vorbeiführen. Trotz eines starken Gegenargumentes aus Art. 129 Abs. 3 G G besteht ein unabweisbares „Entlastungsinteresse" des delegierenden Gesetzgebers, welches zu einer ausnahmsweisen Zulässigkeit gesetzändernder Rechtsverordnungen nötigt 56 . § 10 des Ladenschlußgesetzes bildet hierfür ein einleuchtendes Beispiel 57 . Gesetzesvertretende Rechtsverordnungen sind dagegen verfassungswidrig, sofern das Grundgesetz sie für Einzelfälle nicht selbst ausnahmsweise zuläßt (vgl. Art. 119 GG) 5 8 . 3.

Verordnungsgeber

Die potentiellen Verordnungsgeber sind nicht auf die Exekutivspitze beschränkt, sondern auf alle Verwaltungsstufen verteilt. Rechtsverordnungen können von der Regierung, von einzelnen Ministern, aber auch von nachgeordneten Behörden (Regierungspräsidenten, Polizeipräsidenten, Ordnungsbehörden) erlassen werden. a) Art. 80 Abs. 1 G G zählt als potentielle Adressaten einer Verordnungsermächtigung die Bundesregierung, einen Bundesminister und die Landesregierungen auf. Erläßt eine Landesregierung auf bundesgesetzlicher Grundlage Rechtsverordnungen, so entsteht die Frage, ob diese Verordnungen (territorial beschränktes) Bundesredit oder Landesrecht darstellen. Die Rechtsprechung qualifiziert sie als Landesrecht 59 . b) Meist eröffnen die Verfassungen die Möglichkeit zu bestimmen, daß die Verordnungsermächtigung an nachgeordnete Instanzen weitergegeben werden kann 60 . Einen solchen Weg genereller Subdelegation eröffnet das Bundesgesetz über Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen den Landesregierungen 61 . 4.

Verfahren

Das Verfahren für das ordnungsgemäße Zustandekommen von Rechtsverordnungen ist unterschiedlich geregelt. Für Polizei- und Ordnungsverordnungen 55

Dazu Peter, AöR 92 (1967), 357 ff.; Schuck, JZ 1964, 252; Hans-Richard

Lange,

J R 1968, 8; Sinn, Die Änderung gesetzlicher Regelungen durch einfache Rechtsverordnung, 1971; Wilke, A ö R 98 (1973), 196 ff., 243 ff. 36

Vgl. Peter,

57

Sartorius N r . 805.

AöR 92 (1967), 357ff., 375; WolffIBachof,

VwR I, § 2 5 VII b 1. ß

38

WolffIBachof, VwR I, § 25 VII b) 2.

39

BVerfGE 18, 407; BVerwG DVBl 1965, 565; BayVerfGH DVB1. 1963, 101; HessStGH DÖV 1970, 132; a. A. mit beachtlichen Gründen: Wilke bei von

60 61

Mangoldt/Klein III S. 1928 ff.; M enger/Erichsen VerwArdi 1966, 64 ff. Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG, Art. 70 Satz 4 L V N W . Sartorius Nr. 8.

72

Fritz Ossenbühl

bestehen d u r c h w e g d e t a i l l i e r t e R e g e l u n g e n ü b e r F o r m u n d V e r f a h r e n , d i e sich aus d e n L ä n d e r v e r f a s s u n g e n u n d speziellen P o l i z e i - u n d O r d n u n g s g e s e t z e n ergeben 6 2 . a) D e r E r l a ß v o n B u n d e s r e c h t s v e r o r d n u n g e n ist n u r s p o r a d i s d i geregelt. D a s ( i n t e r n e ) V e r f a h r e n e r g i b t sich aus d e r G e s c h ä f t s o r d n u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g 6 3 u n d d e r g e m e i n s a m e n G e s c h ä f t s o r d n u n g f ü r die B u n d e s m i n i s t e rien 6 4 . b) N a c h A r t . 80 Abs. 2 G G b e d ü r f e n b e s t i m m t e G r u p p e n v o n Rechtsv e r o r d n u n g e n d e r Zustimmung des Bundesrates. I n d e r P r a x i s ist diese Z u s t i m m u n g d i e Regel 6 5 . D i e Zustimmung des Bundestages ist als G ü l t i g k e i t s v o r a u s s e t z u n g f ü r Rechtsv e r o r d n u n g e n i m G r u n d g e s e t z nicht v o r g e s e h e n . G l e i c h w o h l w e r d e n p a r l a m e n tarische Z u s t i m m u n g s v e r o r d n u n g e n a l l g e m e i n f ü r zulässig g e h a l t e n , weil d e r p a r l a m e n t a r i s c h e Z u s t i m m u n g s v o r b e h a l t „ i m Vergleich z u r v o l l e n D e l e g a t i o n d e r R e c h t s s e t z u n g a u f die E x e k u t i v e ein M i n u s " d a r s t e l l t 6 6 . D i e Z u s t i m m u n g s v e r o r d n u n g h a t sich n a m e n t l i c h im finanz- u n d w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e n Bereich als ein geeignetes R e g e l u n g s i n s t r u m e n t erwiesen 6 7 , d a s die V o r t e i l e d e r V e r o r d n u n g s g e b u n g u n d die B e w a h r u n g d e r V e r a n t w o r t u n g des B u n d e s t a g e s in glücklicher Weise m i t e i n a n d e r v e r b i n d e t . D i e Z u l ä s s i g k e i t eines Z u s t i m m u n g s v o r b e h a l t e s z u g u n s t e n v o n P a r l a m e n t s ausschüssen w i r d d a g e g e n v e r n e i n t 6 8 . D i e a b l e h n e n d e n B e g r ü n d u n g e n erscheinen indessen z u pauschal. D i e A k t i v i e r u n g d e r P a r l a m e n t s a u s s c h ü s s e auch f ü r die V e r o r d n u n g s g e b u n g k a n n in gewissen G r e n z e n d u r c h a u s s i n n v o l l erscheinen 6 9 . c) W i e alle R e c h t s n o r m e n b e d ü r f e n R e c h t s v e r o r d n u n g e n schließlich d e r o r d n u n g s g e m ä ß e n Verkündung. R e c h t s v e r o r d n u n g e n des B u n d e s w e r d e n i m B u n desgesetzblatt oder im Bundesanzeiger70, Rechtsverordnungen der Landesr e g i e r u n g e n u n d L a n d e s m i n i s t e r in d e n G e s e t z - u n d V e r o r d n u n g s b l ä t t e r n d e r 62 63 64 65 66

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68

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70

Vgl. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Aufl., 1975, S. 212. Sartorius Nr. 38, §§ 15 I b, 26 II, 30. Lechner/Hülshoff, Parlament und Regierung, 3. Auflage 1971, S. 414 (GGO II). Vgl. Wilke, AöR 98 (1973), 196 ff., 224 ff. BVerfGE 8, 274, 321; Grupp, Zur Mitwirkung des Bundestages bei dem Erlaß von Reditsverordnungen, DVBl 1974, 177. Vgl. z. B. § 51 Abs. 2 EStG in der durch § 26 Nr. 3 Stabilitätsgesetz neu geschaffenen Fassung; dazu Wilke, AöR 93 (1968), 270 (299). BVerfGE 4, 193; Maunz bei Maunz/Dürig/Herzog GG Art. 80 Rn. 27; Fleck, bei Geller/Kleinrahm/Fleck, Die Verfassung des Landes NRW, 2. Auflage, 1963, Art. 70 Anm. 12 c). Vgl. zum Problem: von Lucius, Gesetzgebung durch Parlamentsaussdiüsse, AöR 97 (1972), 568; ferner: Wilfried Berg, in: Der Staat 9 (1970), 21. Gesetz über die Verkündung von Reditsverordnungen vom 30. Januar 1950 (Sartorius Nr. 70).

Die Quellen des Verwaltungsrechts

Länder verkündet 7 1 . Für Rechtsverordnungen stehen besondere Verkündungsblätter.

nachgeordneter Instanzen

73

be-

IV. Verwaltungsvorschriften 7 2 Die Verwaltungs vor Schriften werden auch in den herkömmlichen D a r stellungen des Verwaltungsrechts im Kapitel der Rechtsquellenlehre mitbehandelt; dies jedoch nicht deswegen, weil man die Verwaltungsvorschriften als Rechtsnormen betrachtet, sondern weil sich in der Gegenüberstellung von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften die nach der konstitutionellen Lehre echten Rechtsquellen in anschaulicher Weise von den Regelungen im sog. Innenbereich der Verwaltung, der nicht dem Redit zugeredinet wurde, abtrennen lassen. M i t dem Wegfall der Grundlagen der konstitutionellen Verwaltungsrechtslehre ist diese Gegenüberstellung von Recht und Nicht-Recht hinfällig geworden. Die deutsche Verwaltungsrechtslehre und noch zögernder die Judikatur haben indessen erst im vergangenen Jahrzehnt begonnen, aus dieser Erkenntnis die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. D e r sachgerechte Einbau der Verwaltungsvorschriften in die Rechtsquellenlehre ist als Gegenwartsaufgabe erkannt und schon teilweise vollzogen, auch wenn es z. T . noch neuere Lehrbüdier gibt, die hiervon keine N o t i z nehmen 7 3 .

1. Begriff und

Terminologie

Die Schwierigkeiten einer Darstellung der im Wandel befindlichen Kategorie der Verwaltungsvorschriften setzt schon bei der rein sprachlichen Verständigung ein 7 4 . Unter Verwaltungsvorschriften 7 5 versteht man heute solche Regelungen, die innerhalb der Verwaltungsorganisation von übergeordneten Verwaltungsinstanzen oder Vorgesetzten an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete er71 72

Vgl. z. B. Art. 71 Abs. 2 L V N W . Literatur: Brohm, Verwaltungsvorschriften und besonderes Gewaltverhältnis, D Ö V 1964, 238; Hans Klein, Rechtsqualität und Rechtswirkung von Verwaltungsnormen, in: Festgabe für Ernst Forsthoff, 1967, S. 163; Ossenbühl, Die Verwaltungsvorsdiriften in der verwaltungsgerichtlichen Praxis, AöR 92 (1967), S. 1;

derselbe,

73

74 75

(Fn. 10); Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969;

Selmer, Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift, VerwArch 59 (1968), S. 114; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsreditslehre, 1965, S. 19 ff.; Menger, Verwaltungsrichtlinien — autonome Rechtsetzung durch die Exekutive?, in: Demokratie und Verwaltung, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, 1972, S. 299. So etwa LandmannIGiers/Proksch, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 1969, S. 40 ff.; Franz Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1972, S. 13 ff.;

auch Forsthof}, VwR, S. 139 ff. Vgl. Ossenbühl (Fn. 10) S. 29 ff. Heute weniger gebräuchlich:

Verwaltungsverordnungen.

74

Fritz Ossenbühl

gehen und die dazu dienen, Organisation und Handeln der Verwaltung (z. B. Gesetzesvollzug, Ermessensausübung, Verwaltungsverfahren) näher zu bestimmen76. Die Bezeichnungen sind unterschiedlich. Ministerielle Verwaltungsvorschriften ergehen regelmäßig als Erlasse; Verwaltungsvorschriften anderer Behörden heißen Verfügungen, Dienstanweisungen, Richtlinien, Anordnungen usw. Die am Gesetzesvorbehalt orientierte konstitutionelle Verengung des Rechtssatzbegriffs hat früher dazu geführt, daß unter dem Sammelbegriff Verwaltungsvorschriften alle Regelungen zusammengefaßt wurden, die nicht in den Vorbehaltsbereich der Legislative fielen77. Deshalb wurden auch die sog. Anstaltsordnungen zu den Verwaltungsvorschriften gerechnet. In jüngerer Zeit sind jedoch die Regelungen in besonderen Gewaltverhältnissen (Schule, Universität, Strafanstalt usw.) als eigene Kategorie aus den Verwaltungsvorschriften eliminiert und unter dem Terminus „Sonderverordnungen" zusammengefaßt worden78. 2. Typologie

der

Verwaltungsvorschriften

Obgleich die Kategorie der Verwaltungsvorschriften durch die Ausklammerung der Sonderverordnungen kräftig entschlackt worden ist und rechtliches Profil gewonnen hat, ist ihr denkbarer sachgegenständlicher Inhalt sehr unterschiedlich; er deckt sich praktisch mit der Weite des Funktionsbereichs der Verwaltung schlechthin. Die folgende Übersicht gibt nur eine grobe, weiterer Differenzierung bedürftige Einteilung wieder79. a) Organisatorische Vorschriften regeln den Aufbau und die innere Ordnung, sowie Zuständigkeiten und Verfahren der Behörden im Rahmen der exekutiven Organisationsgewalt80. b) Verhaltenslenkende Verwaltungsvorschriften leiten die Verwaltung in ihren Aktionen. aa) Als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften81 (Auslegungserlasse) dienen sie der Klärung rechtlicher Zweifelsfragen, die bei jedem Gesetz aufzutauchen pflegen, nehmen dem Heer von rechtsanwendenden Bediensteten an der Verwaltungsfront zeitraubende und oft auch dort nicht zu bewältigende Denkarbeit ab und tragen damit zur Rationalisierung der Verwaltungsarbeit und Vereinheitlichung der Rechtsanwendung bei 82 . 76 77 78 79 80 81 82

Wolff/Bachof, VwR I § 24 II d) 2.; Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 1, 20. Vgl. noch Forsthof}, VwR, S. 139. Dazu unter V. Näheres bei Ossenbühl, (Fn. 10) S. 2 5 0 - 4 5 0 . Dazu Ernst-Wolfgang Böckenförde, (Fn. 18) S. 21 ff.; Ossenbühl, (Fn. 10) S. 250 ff. BVerwGE 34, 278, 281. Ossenbühl, (Fn. 10) S. 284.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

75

bb) Als Ermessensrichtlinien liefern die Verwaltungsvorschriften Entscheidungsmaßstäbe und Entscheidungsmuster für eine sachgemäße Ausübung des Verwaltungsermessens. Unter ihnen bilden die Subventionsrichtlinien die praktisch bedeutsamste, aber auch rechtlich problemreichste Kategorie, weil das „subventionäre" 83 Ermessen über die Kapazität des herkömmlichen gesetzesakzessorischen, d. h. gesetzlich weitgehend determinierten und dirigierten administrativen Ermessens weit hinausgeht, so daß den Subventionsrichtlinien die „Funktion von gesetzesvertretenden Verordnungen" 84 zufällt. cc) Als Vereinfachungsanweisungen sind Verwaltungsvorschriften namentlich im Steuerrecht gang und gäbe, und sie dienen hier dazu, den Vorgang der Besteuerung durch Pauschalierungen, Bagatellgrenzen und Schätzungsrichtlinien zu vereinfachen85. c) Schließlich können Verwaltungsvorschriften auch über den Bereich eines Verwaltungsträgers hinausreichen und sich an die Adresse eines anderen Verwaltungsträgers richten. Solche intersubjektiven Verwaltungsvorschriften existieren nicht nur im Verhältnis zwischen Bund und Ländern (Art. 84 Abs. 2, 85 Abs. 2 GG) sowie Ländern und Gemeinden, sondern auch zwischen anderen Verwaltungsträgern86. 3.

Rechtsnatur

Die Frage nach der Rechtsnatur, genauer: nach dem Rechtsquellencharakter der Verwaltungsvorschriften gilt weithin als das Kernproblem dieser Regelungskategorie. Die einen konstatieren apodiktisch „keine Rechtsnormen" 87 , die anderen schreiben „zweifellos Rechtsnormen" 88 . Solche Evidenz, mit der diametral gegenüberstehende Feststellungen umgeben werden, kann ihren Grund nur in einer unterschiedlichen Sichtweise haben. In der Tat wird seit Jahrzehnten ständig auf zwei verschiedenen Ebenen diskutiert89, ohne daß dies — namentlich in der Judikatur — voll bewußt geworden wäre. Die Gleichung Verwaltungsvorschriften = Nicht-Recht stimmt nur in dem Koordinatensystem des Rechts, welches dem historisch-konventionell verengten Rechtssatzbegriff des 19. Jahrhunderts zugrundeliegt. Dagegen sind Verwaltungsvorschriften unter rechtstheoretischem Aspekt in der Tat „zweifellos 83 84

83

86 87 88 89

Ipsen, V V D S t R L 25 (1967), 282. Friedrich Klein, Verfassungsrechtliche Grenzen der Gemeinschaftsaufgaben, in: Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 11, 1961, S. 25 ( 1 7 1 ) ; Menger, (Fn. 72), S. 310. Dazu Kampe, Verwaltungsvorsdiriften und Steuerprozeß, 1965, S. 31 ff.; Jaenke, Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, 1959, S. 117 ff. Näheres bei OssenbUhl, (Fn. 10) S. 3 6 2 - 4 5 0 . Franz Mayer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage 1972, S. 15. Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, 1971, S. 119. Eindringlich dargestellt bei Böckenförde/Grawert, A ö R 95 (1970), 1, 6 ff.

76

Fritz Ossenbiihl

Rechtsnormen" 90 . Der entscheidende, aber längst erkannte Fehler liegt nun darin, daß das historisch-konventionelle Begriffsarsenal der Rechtsquellenlehre verabsolutiert, d. h. als rechtstheoretisches Rüstzeug ausgegeben wird. Auf diese Weise hat sich eine verhängnisvolle Befangenheit im Denken entwickelt, die es der Verwaltungsrechtslehre und namentlich der Judikatur verwehrt, über den Schatten der eigenen Vergangenheit zu springen. Mit am geltenden Recht orientierten dogmatischen Begriffen lassen sich nun einmal keine rechtstheoretischen Aussagen machen; umgekehrt gilt dasselbe. Demnach erweist sich die Frage nach der Rechtssatzeigenschaft der Verwaltungsvorschriften als ein Scheinproblem. Ob sie Rechtssätze im Sinne der konstitutionellen Doktrin darstellen, interessiert für das geltende Recht nicht mehr91. Andererseits besagt die Feststellung, daß Verwaltungsvorschriften Rechtssätze im rechtstheoretischen Sinne sind, nichts für die praktisch interessierenden Fragen nach den Modalitäten der Rechtserzeugung, der Bindungswirkung und dem Rechtsschutz. Diese Fragen lassen sich nur nach geltendem Recht und nur in differenzierender Sicht beantworten 92 . Dabei muß trotz der notwendigen Begriffsabhängigkeit des Denkens bewußt bleiben, daß der verfassungsdogmatische Begriff des Rechtssatzes selbst nur verfassungsrechtliche Machtlagen und Funktionsbereiche einfangen und verbal fixieren soll. In differenzierteren Rechtssystemen sind Rechtsquellen stets nach ihrer Eigenart verschieden. Diese Eigenart festzustellen, ist Aufgabe der Rechtsquellenlehre. Mit der Subsumtion unter vorgefaßte Begriffe läßt sich hier kein Problem lösen. 4.

Bindungswirkung

Unter den verschiedenen Eigenarten und Eigenschaften einer Rechtsquelle steht sicherlich deren Bindungswirkung im Vordergrund. Um den verschiedenen Verwaltungsvorschriften nach der Intensität und Reichweite ihrer Bindungswirkung gerecht zu werden, muß in mehrfacher Weise differenziert werden. Diese Erkenntnis ist schon klar ausgesprochen von Erich Kaufmann, Artikel „Verwaltung, Verwaltungsrecht", in: von Stengel-Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, 1914, Bd. III, S. 688, 696 r. Sp.; Thoma, Der Vorbehalt des Gesetzes im preußischen Verfassungsrecht, in: Festgabe für Otto Mayer, 1916, S. 107, 176; derselbe, Grundbegriffe und Grundsätze, HDStR II, S. 124 f.; Hinweise auch schon bei Bierling, Juristische Prinzipienlehre, Bd. II, S. 190 Fn. 6. — Vgl. aus neuerer Zeit Meyer-Cording (Fn. 88); Ossenbühl, (Fn. 10) S. 160 ff. Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 1, 18 f.; Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, passim; derselbe, JuS 1971, 184, 187 ff. 9 1 Daran kranken auch die Ausführungen von Menger (Fn. 72) S. 301, der stillschweigend von einem überholten Begriff der Rechtsnorm ausgeht; vgl. dagegen Walter Schmidt, JuS 1971, 184, 187 f. »2 Vgl. Böckenförde, (Fn. 18) S. 6 9 ; Ossenbühl, (Fn. 10) S. 154 ff.; Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 19. 80

Die Quellen des Verwaltungsrechts

77

a) Die Verwaltungsvorschriften sind durchweg an nachgeordnete Behörden oder Bedienstete adressiert, die k r a f t der Geschäftsleitungs- oder/und Organisationsgewalt der vorgesetzten Stelle an diese Vorschriften gebunden sind. Diese sog. Innenwirkung der Verwaltungsvorschriften ist niemals kontrovers gewesen. Aber sie ist bislang als die einzige rechtliche Bindungswirkung der Verwaltungsvorschriften erachtet worden. Bis in die Gegenwart werden die Verwaltungsvorschriften gerade wegen dieser Beschränkung auf den „Innenbereich" den Rechtsverordnungen gegenübergestellt, denen unmittelbare Verbindlichkeit im „Außenbereich", d. h. im Verhältnis Hoheitsträger — Bürger zukommt 8 3 . b) Indessen wird bei einer solchen pauschalierenden Entgegensetzung von „Innenbereich" und „Außenbereich" außer Ansatz gelassen, d a ß von jeher rechtliche Verknüpfungen zwischen beiden Bereichen bestanden, durch die Verwaltungsvorschriften extravertiert wurden. So hat schon das Reichsgericht 94 anerkannt, daß Amtspflichten, deren Verletzung nach § 839 BGB die Amtshaftung auslöst, durch allgemeine Dienstbefehle und Einzelbefehle an Bedienstete der öffentlichen Verwaltung begründet werden können. Ähnliche Verflechtungen zwischen Verwaltungsvorschriften und Gesetzesrecht lassen sich im Strafrecht nachweisen 95 . c) Darüber hinaus geht die höchstrichterliche Rechtsprechung davon aus, daß Zuständigkeitsvorschriften der Verwaltung eine unmittelbare, nicht erst durch Gesetze vermittelte Außenwirkung haben und damit allgemein verbindliches Recht erzeugen 96 . Zuständigkeitsregelungen können, müssen aber nicht durch förmliches Gesetz oder Rechtsverordnung getroffen werden, unterliegen also nicht dem Gesetzesvorbehalt. Andererseits ist die Zuständigkeit der Behörden, was sich namentlich im Verwaltungsprozeß zeigt, auch im Verhältnis zwischen Hoheitsträger und Bürger von o f t ausschlaggebender Bedeutung 97 . Regeln aber solche administrativen Zuständigkeitsvorschriften (Verwaltungsvorschriften) mit allgemeinverbindlicher Wirkung das Staat-Bürger-Verhältnis, so stehen sie auch in der Bindungswirkung den Rechtsverordnungen im herkömmlichen Sinne nicht nach; im Gegenteil: sie erweisen sich als nicht von der Legislative abgeleitetes, als originäres Exekutivrecht. 93

Vgl. zuletzt BVerwG N J W 1972, 1483. RG JW 1906, 745 (Beachtung der Dienstvorschriften über Schußwaffen Polizeibeamten schließt Rechtswidrigkeit i. S. v. § 839 BGB aus!) Warneyer Bd. 1915, 481 ff.; JW 1925, 956 Nr. 26; JW 1934, 2398, 2399; RGZ 148, 145, 215; 105, 100; 87, 414; 51, 261. - Ebenso BGHZ 10, 390; 26, 234; 27, VersR 1961, 512; 1961, 471; 1963, 845; N J W 1958, 1235. 95 Vgl. Ossenbühl, (Fn. 10), S. 491 ff. 98 Vgl. BVerwG D Ö V 1971, 317; D Ö V 1972, 129; HessStGH D Ö V 1970, dazu Menger, VerwArch 61 (1970), 375; BayVGH BayVBl 1970, 408. " Näheres bei Ossenbühl, (Fn. 10) S. 597 ff. 94

der Erg. 256; 282;

132;

78

Fritz Ossenbühl

d) Man muß indessen noch einen Schritt weitergehen. In weit intensiverem Maße als durch organisatorische Regelungen wird das Staat-Bürger-Verhältnis durch verhaltenslenkende Verwaltungsvorschriften tangiert und determiniert. Man denke nur etwa an die Vielzahl der Steuerrichtlinien, die die Praxis der Finanzbehörden widerspiegeln und auch beim Steuerpflichtigen häufig mehr Beachtung finden als die förmlichen Steuergesetze. Erwähnt seien ferner ministerielle Auslegungsvorschriften zum Wehrpflichtgesetz oder Subventionsrichtlinien, die den vitalen Lebenskreis der Bürger oft stärker und nachhaltiger berühren als Gesetz und Verfassung. Inwieweit solche verhaltenslenkenden Verwaltungsvorschriften das sog. Außenverhältnis mitgestalten, hängt von ihrem Inhalt ab. Betrifft dieser Inhalt den von Verfassung wegen der Verwaltung zugeordneten oder eröffneten Funktionsbereich, kann man, wie bei den Zuständigkeitsvorschriften, eine Außenwirkung nicht ausschließen. aa) Bei den norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften wird im allgemeinen ein eigenfunktioneller Bereich der Verwaltung nicht anerkannt 98 , obwohl sich neuerdings bei unbestimmten Rechtsbegriffen wieder solche Beurteilungsspielräume zu eröffnen scheinen". Prinzipiell gilt aber die Interpretation des Gesetzes als ureigene Aufgabe des Richters 100 . Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften haben deshalb für den Richter keinen größeren „Beweis* und Bindungswert" als Stellungnahmen des Schrifttums. Problematisch wird die Lage aber auch im Normauslegungsbereich dann, wenn die Verwaltung in ihren Auslegungserlassen zu Eingriffsgesetzen einen für den Bürger günstigeren Standpunkt einnimmt als die Gerichte, diesen Standpunkt jedoch in Einzelfällen nicht einhält 101 . Dann stehen Gesetzesbindung der Verwaltung und Gleichheitsgebot unversöhnlich gegenüber. Die überwiegend vertretene Auffassung 102 , es gebe keine Gleichheit im Unrecht und keinen An98

Vgl. zuletzt BVerwG

99

Vgl. BVerwG DÖV 1972, 419; dazu Bachof JZ 1972, 208; Ossenbühl, DÖV 1972,

N J W 1972, 1483.

4 0 1 ; Schmidt-Eichstaedt,

mit Anm. Redeker

A ö R 98 (1973), 173 ff.; ferner BVerwG

(Importquotenurteil);

VG

Berlin

NJW

DVBl 1972, 895

1973,

1148;

dazu

Ossenbühl, DVBl 1974, S. 309; — Für den Bereich dieser Beurteilungsspielräume kommt dann freilich auch eine Gleichheitsbindung der Verwaltung durch norminterpretierende Verwaltungsvorschriften in Betracht; vgl. Walter Schmidt, JuS 1971, 184, 188; Menger, VerwArch 63 (1972), 213.

100 vgl. Jesch, (Fn. 15) S. 233; derselbe, JZ 1961, 520. Dazu BVerwGE 34, 278 = NJW 1970, 675 = DÖV 1970, 275; BVerwGE 36, 313 = NJW 1971, 1578; BVerwG NJW 1972, 1483 mit Anm. Helmers, NJW 1972,

101

2012; Menger, VerwArch 63 (1972), 213; Ossenbühl,

,02

DÖV 1970, 264.

BVerwGE 5, 1, 8; BSGE 7, 75, 78; 15, 137, 141; BGHZ, 19, 348; OVG Münster, O V G E 11, 196, 2 0 1 ; Ipsen, Gleichheit, in: Die Grundrechte II, 111, 148; Dürig, Der Gleichheitssatz als Verfassungsreditssatz in: Staatslexikon, 6. Aufl., Bd. III Sp. 9 8 9 ; derselbe bei Maunz/Dürig/Herzog, Art. 3 Rdnr. 4 3 7 ; Mertens, Die Selbstbindung der Verwaltung auf Grund des Gleichheitssatzes, 1963, S. 2 6 ; Stern, E r messen und unzulässige Ermessensausübung, 1964, S. 33 mit Fn. 119; Bettermann, Die Bindung der Sozialbehörden an Gesetz und Recht, in: Rechtsschutz im Sozial-

recht, 1965, 47, 61; Bachof,

JZ 1962, 399 (402); Randelzhofer,

J Z 1973, 536 ff.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

79

Spruch auf Fehlerwiederholung, vermag dann nicht stets zu befriedigenden Ergebnissen zu führen 1 0 3 ; sie erscheint aber unvermeidlich, will man nicht mit dem Hebel des Gleichheitssatzes die Gesetzesbindung der Verwaltung aus den Angeln heben 104 . bb) Anders liegen die Dinge bei den anderen verhaltenslenkenden Verwaltungsvorschriften, namentlich den Ermessensrichtlinien. Sie betreffen im Gegensatz zu den norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften einen Bereich, in dem die Verwaltung eigene Maßstäbe setzen kann und einen Entscheidungsspielraum hat, der nur in beschränktem Umfang der richterlichen Kontrolle unterliegt. Hier geht es nicht um eine vollständige Determinierung des Verwaltungshandelns, deren gesetzliche Direktiven nur verdeutlicht, nicht aber ergänzt oder ausgefüllt werden können. Deshalb entfällt hier der Konflikt zwischen Gesetzesbindung der Verwaltung und Gleichheitsgebot. Vielmehr ist der Gleichheitssatz die dogmatische Brücke, über die sich die Verwaltungsgerichte Zugang zu dem „internen Bereich" der Verwaltung verschaffen. Auf der Grundlage des Gleichheitsgebotes haben Lehre und Judikatur eine dogmatische Hilfskonstruktion entwickelt, die zu einer durch Art. 3 Abs. 1 G G vermittelten Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften führt (sog. Theorie der Selbstbindung der Verwaltung)105, welche die Verwaltungsvorschriften den herkömmlichen Rechtsquellen wie Gesetz und Rechtsverordnung immer mehr annähert. Der Gedanke der Selbstbindung der Verwaltung ist keineswegs neu. Unbegründetes Abweichen von selbstgesetzten Entscheidungsmaßstäben im Ermessensbereich galt von jeher unter dem Aspekt des Willkürverbotes als „klassischer" Ermessensfehler 106 . Erst unter der Geltung des Grundgesetzes ist die ad103

Vgl. den Fall VGH DVB1 1968, 93.

104

105

Mannheim

DVB1 1972, 186 mit Anm. Götz-,

derselbe,

Vgl. Näheres bei Ossenbühl, DÖV 1970, 264; zustimmend VG Berlin NJW 1974, 330, 332; ferner Walter Schmidt, JuS 1971, 184 ff. Schrifttum: Hans-Joachim Mertens, Die Selbstbindung der Verwaltung auf Grund

des Gleichheitssatzes, 1963; Dax, Das Gleichbehandlungsgebot, 1 9 6 7 ; Scholler, Selbstbindung und Selbstbefreiung der Verwaltung, DVB1 1968, 4 0 9 ; derselbe, Die Interpretation des Gleichheitssatzes, 1969, bes. S. 59 ff.; Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, 1968; Dicke, Der allgemeine Gleichheitssatz und die Selbstbindung der Verwaltung, VerwArch 59 (1968), 2 9 3 ; Ossenbühl, (Fn. 10) S. 514 ff.; Walter Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 15 ff.;

derselbe, Die Gleichheitsbindung an Verwaltungsvorschriften, JuS 1971, 184; Dürig,

bei Maunz/Dürig/Herzog, Art. 3 Rdnr. 428 ff.; Rechtsprechung-. Vgl. die Darstellung von Ossenbühl, Die Verwaltungsvorschriften in der verwaltungsgerichtlichen P r a xis, A ö R 92 (1967), 1, 13 ff. (Stand: 1 9 6 7 ) ; aus der Zeit danach: BVerwGE 34, 278, 280. 106 Yg| Nachweise bei Walter Jellinek, Gesetz, Gesetzanwendung und Zweckmäßigkeitserwägung, 1913, S. 323 ff.; derselbe, Verwaltungsrecht, 3. Auflage, 1931, unveränderter Neudruck 1948, S. 446.

80

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ministrative Selbstbindung aus Art. 3 Abs. 1 G G abgeleitet worden 1 0 7 . D e r Gleichheitssatz verlangt, daß die Verwaltung ihr Ermessen gleichmäßig ausübt. Gleichbehandlung ist jedoch nur im Hinblick auf vorentschiedene Fälle denkbar. Unter Hinweis auf das Gleichbehandlungsgebot kann ein betroffener Bürger Abweichungen von Ermessensrichtlinien immer nur mit der Behauptung geltend machen, andere in gleicher Lage befindliche Bürger hätten bereits entsprechend den Richtlinien bestimmte Vergünstigungen erhalten. Anknüpfungspunkt für die Gleichheitsprüfung, Vergleichsmerkmal im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 G G sind nicht die VerwaltungsVorschriften, sondern die ständige V e r waltungspraxis (Verwaltungs«&»wg) 1 0 8 . Die Verwaltungsvorschriften sind lediglich Indizien für das Vorhandensein einer entsprechenden Verwaltungspraxis. Denn k r a f t der für die Bediensteten der öffentlichen Verwaltung geltenden Gehorsamspflicht besteht eine tatsächliche Vermutung, daß Verwaltungsvorschriften und Verwaltungspraxis sich decken. Deshalb kann ein Abweichen von den Verwaltungsvorschriften unmittelbar als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz qualifiziert werden. Art. 3 G G fungiert damit als „Umschaltn o r m " 1 0 9 , die verwaltungsinterne Weisungen in die das Staat-Bürger-Verhältnis unmittelbar regelnde (Außen-)Rechtsordnung extravertiert. Dies wird besonders in jenen Entscheidungen deutlich, in denen der komplizierte Unterbau der Selbstbindungskonstruktion mit den Verwaltungsvorschriften als bloßen Indizien nicht mehr in Erscheinung tritt, sondern für die Frage der Verletzung des Gleichheitssatzes unmittelbar an die Verwaltungsvorschriften selbst angeknüpft und zum Ausdruck gebracht wird, d a ß sich die Verwaltung durch diese Vorschriften (und nicht erst durch die Verwaltungsübung) gebunden habe 1 1 0 . D a m i t bahnt sich fast unmerklich eine entscheidende Wendung an. Denn nunmehr tritt die Selbstbindung der Verwaltung nicht erst kraft administrativen Handelns (Verwaltungspraxis, Verwaltungsübung) ein, sondern k r a f t eines — in den Verwaltungsvorschriften — verlautbarten Willensaktes der Verwaltunglu. D a m i t ist die auf Art. 3 G G basierende Selbstbindungskonstruktion aufgegeben; ein selbständiger rechtserzeugender N o r m wille der Verwaltung im eigenen Funktionsbereich anerkannt, letztlich ein originäres Administrativrecht mit Außenwirkung kreiert. Es wäre in der T a t besser, ein solches selbständiges Verordnungsrecht anzuerkennen 1 1 2 , anstatt sich, wie in neueren Entscheidungen, mit der Fiktion einer 107 108

m 110 111

112

Zuerst VG Stuttgart, DRZ 1950, 571, 572. Vgl. Ossenbühl, AöR 92 (1967), 1, 14 ff.; Dur ig bei Maunz/Dürig/Herzog, Art. 3 Rdnr. 432 ff. Zacher, VVDStRL 24 (1966), 237. Nachweise bei Ossenbühl, AöR 92 (1967), 1, 15 ff. In diesem Sinne schon ausdrücklich OVG Koblenz DVB1 1962, 757 = VerwRspr. 15, 282 unter Berufung auf Menger, VerwArdi 51 (1960), S. 71 Fn. 33; vgl. auch BVerwGE ZBR 1965, 212; VGH Kassel DVB1 1963, 443, 445. Zuletzt: BVerwGE 35, 159, 162 = N J W 1970, 1563 = DÖV 1971, 173 (Einfuhrausschreibungen nach § 12 II AWG). In diesem Sinne Hans Klein, in: Festschrift für Forsthoff, 1967, S. 163, 186.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

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„antizipierten Verwaltungspraxis" zu behelfen 113 , die dazu gedacht ist, die alte Selbstbindungskonstruktion zu erhalten, aber gleichwohl eine Selbstbindung schon mit dem Erlaß der Verwaltungsvorschriften, also von deren erster Anwendung zu begründen. So wird denn auch in anderen Urteilen für eine Begründung der administrativen Selbstbindung (schon) von der Bekanntgabe der Verwaltungsvorschriften ab mit Recht nicht mehr auf Art. 3 GG zurückgegriffen, sondern der Vertrauensschutzgedanke herangezogen114. Doch bedarf es auch dieser Krücke nicht, wenn man erkennt und anerkennt, daß die Verwaltung im Ermessensbereich eigene Maßstäbe setzen kann, und zwar auch mit selbstbindender Außenwirkung. Der Einwand, ein selbständiges Verordnungsrecht der Exekutive widerspreche dem Grundgesetz, geht solange fehl, wie das Verwaltungsermessen selbst verfassungsrechtlich abgesichert ist 115 . Eine gefahrdrohende Zementierung der Verwaltungspraxis steht nicht zu befürchten, weil die Selbstbindung der Verwaltung anders wirkt als die Gesetzesbindung im herkömmlichen Sinne 116 . Dies ist auch der Grund, warum keine völlige Egalisierung zwischen Rechtsverordnungen im überkommenen Sinne und Verwaltungsvorschriften eintritt. Denn die Bindungsintensität beider Regelungskategorien ist unterschiedlich. Administrative Selbstbindung bewirkt eine elastische, d. h. Abweidlungen für besondere Ausnahmen zulassende Bindung. Gesetzesbindung ist prinzipiell strikte Bindung, sie duldet keine Ausnahmen. Der Charakter der administrativen Selbstbindung erweist sich dagegen am Ausnahmefall. Aus besonderen, in der individuellen Sachlage liegenden Gründen kann die Verwaltung von ihren Entscheidungsmustern abweichen117. Überdies ist ihr Differenzierungsschema insgesamt disponibel, d. h. sie kann ihre Richtlinien jederzeit aus sachlichen Gründen ändern. 5.

Rechtserzeugung

a) Die Befugnis zum Erlaß der Verwaltungsvorschriften ist der Exekutivgewalt inhärent. Gesetze, die den Erlaß von Verwaltungsvorschriften regeln, sind deshalb im allgemeinen lediglich Kompetenznormen, nicht dagegen Ermächtigungsgrundlagen. Grundlage für den Erlaß von Verwaltungsschriften bildet die auf die verschiedenen Verwaltungsinstanzen verteilte Organisationsund Geschäftsleitungsgewalt der Exekutive. Jede Behörde und jeder Verwaltungsträger kann nur soweit Verwaltungsvorschriften erlassen, wie seine Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt reidit. Deshalb bedarf es für intersub113 114 115

116 117

6

So BVerwG D Ö V 1971, 748 (betr. Prüfungsordnung für den auswärtigen Dienst). So BVerwGE 35, 159, 162 = N J W 1970, 1563 = D O V 1971, 173. Vgl. dazu Horst Joachim Müller, Das Ermessen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, D Ö V 1969, 119 ff., 127. Näheres bei Ossenbühl, (Fn. 10) S. 522 ff. Vgl. Walter Schmidt, JuS 1971, 184 (186). Allgemeines Verwaltungsredit

82

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jektive Verwaltungsvorschriften im Regelfalle einer besonderen gesetzlichen Grundlage. Die Art. 84 Abs. 2 und 85 Abs. 2 erweisen sich damit als Ermächtigungsnormen118. b) Gesetzliche Regelungen über die Form und das Verfuhren beim Erlaß von Verwaltungsvorschriften sind nur sporadisch und in zahlreichen Spezialgesetzen zu finden119. Daneben enthält die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO II) detaillierte Regelungen über die äußere Form 120 . Die Beteiligung inner- und außeradministrativer Stellen (z. B. Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen, Berufsverbände) beim Erfaß von Verwaltungsvorschriften reicht von der Anhörung über die Mitberatung und Mitwirkung bis zur Zustimmung und Genehmigung. c) Als Rechtssätze bedürfen Verwaltungsvorschriften für ihre Wirksamkeit der Publikation. Die Verkündung muß sich an jene richten, die durch die Verwaltungsvorschrift betroffen sind. Die Mindestanforderungen an die Verkündung richten sich nach den personellen, zeitlichen und räumlichen Dimensionen der angesprochenen Personenkreise121.

V. Sonderverordnungen 122 Die rechtliche Problematik der Verwaltungsvorschriften und deren Qualifikation und Behandlung durch Lehre und Judikatur gelten in weiten Partien auch für die Sonderverordnungen. 1. Begriff Diese Vergleichbarkeit der Problemlage rührt daher, daß die Sonderverordnungen erst in jüngerer Zeit aus der Kategorie der Verwaltungsvorschriften 118 119 120 121 122

Näheres bei Ossenbühl, (Fn. 10) S. 453; ebenso zuletzt BVerjGE 26, 338 (397). Nachweise bei Ossenbühl, (Fn. 10) S. 459 ff. § § 72 ff. GGO II. Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 1, 36. Literatur: Wolff/Bachof, VwR I, § 25 VIII; Brohm, Verwaltungsvorschriften und besonderes Gewaltverhältnis, D Ö V 1964, 238; Böckenförde/Grawert, Sonderverordnungen zur Regelung besonderer Gewaltverhältnisse, AöR 95 (1970), 1; Groß, Die Rechtsqualität der Sonderverordnungen für besondere Gewaltverhältnisse und der Organisationsbestimmungen, N J W 1969, 2186; Rupp, Ministerialerlasse — Ausdruck originärer Rechtsetzung der Exekutive? N J W 1970, 412; Peter Becker, Prüfungsordnungen und Reditsstaatsgebot, D Ö V 1970, 730; Groß, Zur originären Rechtsetzung der Exekutive, D Ö V 1971, 186; Walter Schmidt, (Fn. 105) S. 182, 205; Erichsen, Besonderes Gewaltverhältnis und Sonderverordnung, in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 219 ff.

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ausgeschieden sind und als eigene Regelungsgattung angesehen werden 123 . Allerdings hat der Begriff der Sonderverordnungen in der Rechtsprechung noch keine Verbreitung gefunden. Mit Sonderverordnungen sind jene Vorschriften der Verwaltung gemeint, die innerhalb sog. besonderer Gewaltverhältnisse (z. B. Wehrdienst, Schule, Universität, öffentlicher Dienst, Anstalten) ergehen. Als Anstaltsordnungen, namentlich Schulordnungen, Prüfungsordnungen, Versetzungsrichtlinien, Dienstordnungen, Hausordnungen usw. richten sie sich an die Sonderstatusinhaber (Soldaten, Schüler, Beamte, Strafgefangene usw.) und haben die Aufgabe, die innere Ordnung und das Funktionieren des besonderen Gewaltverhältnisses zu regeln und zu gewährleisten.

2. Problematik Die Kategorie der Sonderverordnungen wird vom besonderen Gewaltverhältnis her definiert und teilt deshalb auch seine Problematik. Diese besteht darin, daß die konstitutionelle Verwaltungsrechtslehre unter dem Begriff der besonderen Gewaltverhältnisse eine Reihe von Lebensbereichen aus dem (historisch-konventionellen) Gesetzbegriff ausklammerte und damit für eine originäre Regelungsgewalt der Exekutive reservierte124. Entsprechend dem historischkonventionellen Gesetzes- und Rechtsbegriff bildeten die besonderen Gewaltverhältnisse auf diese Weise gleichsam rechtsfreie Enklaven (daher Gewaltnicht .Rechtsverhältnisse!), deren innere Ordnung eben durch die als NichtRechtssätze qualifizierten Verwaltungsvorschriften geregelt war. Diese eingefahrene Vorstellung hat sich erstaunlich lange gehalten; sie wird erst in der Gegenwart konsequent abgebaut. Daß die besonderen Gewaltverhältnisse in Wirklichkeit Sonderrec&tsverhältnisse sind, wird nicht mehr ernstlich bestritten. Desgleichen kann der Rechtsquellencharakter der Sonderverordnungen trotz bis in die Gegenwart zu konstatierender gegenteiliger Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Zweifel gestellt werden 126 . Denn wer vermöchte einzusehen, daß Zulassungsordnungen, Schulaufnahmeordnungen, Versetzungsrichtlinien, Prüfungsordnungen, Strafvollzugsordnungen etc., die in intensivem Maße in den 123

Vgl. schon Nebinger, Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1949, S. 190, 192; ferner Wolffl Bachof, VwR I, § 25 VIII; Maunz/Dürig, Art. 19 IV Rdnr. 30; Vogel, VVDStRL 22 (1965), 158; Thieme, Zur Systematik verwaltungsrechtlidier Handlungsformen, in: Festschrift für Friedrich Sdiack, 1966, S. 157 ff., 164; derselbe, D Ö V 1956, 521 ff. (526); Brohm, D Ö V 1964, 238; Ossenbühl, (Fn. 10) S. 23; Böckenförde/ Grawert, AöR 95 (1970), 1, 21; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage 1973, S. 111. - Ablehnend dagegen HessStGH D Ö V 1971, 201. 124 Ygj Evers, Das besondere Gewaltverhältnis, 1972. 125 Vgl. etwa OVG Münster, N J W 1967, 949 mit krit. Anm. von Selmer, NJW 1967, 1435; vgl. dagegen HessVGH DVBl 1974, 425 (Ausbildungs- und Prüfungsordnungen). 6*

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vitalen Lebenskreis des einzelnen Bürgers eingreifen und ihm Lebens-, Erfolgsund Aufstiegschancen zuteilen oder versperren, keine Rechtsnormen sein sollten. Die Frage ist allein die, wer (Legislative oder Exekutive) dieses „Sonderrecht" setzen darf. Anders ausgedrückt: es geht darum, ob die Regelung besonderer Gewaltverhältnisse insgesamt dem Gesetzesvorbehalt unterliegt oder — wenigstens partiell — durch originäres Administrativrecht getroffen werden kann. Diese Frage kann man (theoretisch) bejahen oder verneinen oder differenziert beantworten. Wer f ü r eine — wenn auch nur partielle — Erstreckung des Gesetzesvorbehaltes auf die Sonderrechtsverhältnisse plädiert, sieht sich dann allerdings sofort mit einer ausgedehnten rechtswidrigen Verwaltungspraxis konfrontiert. Das bestehende Gesetzesvakuum kann nicht von heute auf morgen aufgefüllt werden. Man muß entweder zu den Krücken einer gewohnheitsrechtlichen Ermächtigung der Exekutive zur Rechtssetzung in besonderen Gewaltverhältnissen greifen 126 oder eine durch Verfassungswandel verursachte Übergangszeit der „Rechtlosigkeit" konstatieren, die alsbald durch den Gesetzgeber zu beenden ist 127 . Die pragmatisch verfahrende Rechtsprechung behilft sich mit dem Institut der Selbstbindung der Verwaltung und kommt auf diese Weise zu Resultaten, die den Individualrechtsschutz durchweg gewährleisten 128 . Das Problem der Ermächtigungsgrundlage verliert mit der zunehmenden formalgesetzlichen Regelung, namentlich im schulischen Bereich, an Gewicht. Indessen zeigen gerade die Schulgesetze aus neuerer Zeit 129 die Grenzen einer Regelungsmöglichkeit besonderer Gewaltverhältnisse durch den Gesetzgeber. Im Rahmen weitgesteckter Ermächtigungen und Generalklauseln 1 3 0 wird die Detailregelung stets der Verwaltung überlassen bleiben müssen. Deshalb ist der praktische Unterschied zur gegenteiligen Auffassung, die wohl ein Zugriffs recht des Gesetzgebers anerkannt, jedoch einen Gesetzes vorbehält ablehnt und den Regelungsrahmen der Exekutive durch den Verwaltungszweck und die Funktionsbestimmung des besonderen Gewaltverhältnisses 131 begrenzt und bestimmt 132 , 126

So Wolf f/Buohof, V w R I, § 25 VIII b. Vgl. BVerfGE 33, 1 = N J W 1972, 811, 812 (Strafvollzugsgesetz); BVerwG N J W 1973, 1812 (Richtlinien für die Zulassung zum Studium der Medizin). 128 y G Kassel D Ö V 1956, 636 (Versetzungsrichtlinien); VG Düsseldorf, Redit der Jugend 1965, 45, 47 (Versetzungsordnung); BVerwG N J W 1959, 1843 (Prüfungsverfahren); BVerwG D Ö V 1963, 474 = D V B l 1963, 104 (Versetzungsrichtlinien); OVG Lüneburg D V B l 1962, 271 (Zulassung zum Hochschulstudium); OVG Münster N J W 1967, 949, 952, (Prüfungsordnung); HessVGH D Ö V 1956, 629, 630 (Gymnasialaufnahmebestimmungen). 129 Vgl. z . B . § 3 7 Abs. 2 HessSdiulverwaltungsgesetz v. 2 8 . 6 . 1961 (GVBl. S. 87); § 26 N W Sdiulverwaltungsgesetz v. 3. 6. 1958 (GVBl. S. 241). 130 Zur Unvermeidbarkeit von Generalklauseln vgl. auch BVerfGE 33, 1 = N J W 1972, 811, 812. 131 D i e sich beispielsweise für die Schule aus den einschlägigen Gesetzen in sehr konkreter und spezifizierter Form ergeben. 132 So Böckenförde/Grawert, A ö R 95 (1970), 1, 31 f. 127

Die Quellen des Verwaltungsrechts

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als gering zu erachten, wenngleich die Ausgangspunkte beider Standpunkte dogmatisch einander diametral gegenüberstehen. Die Alternative: Sonderverordnungen als abgeleitete Rechtsquellen oder originäres Administrativrecht ist lediglich eine andere Einkleidung der Frage nach den Funktionsbereichen der Legislative und Exekutive. Dieser Frage wird man nur in differenzierenden Lösungen gerecht werden können.

VI. Satzungen 133

1. Begriff und, Funktion Satzungen sind Rechtsvorschriften, die von in den Staat eingeordneten juristischen Personen des öffentlichen Rechts (z. B. Gemeinden, Universitäten, Berufsverbände wie Handwerks- und Ärztekammern, Sozialversicherungsträger, Wasserverbände, Rundfunkanstalten, Deutsche Bundesbank) im Rahmen der ihnen gesetzlich verliehenen Autonomie (Rechtsetzungsgewalt, Satzungsbefugnis) erlassen werden 134 . Die Satzungsgewalt ist teils unmittelbar durdi die Verfassung verbürgt 135 , teils beruht sie auf der Grundlage einfacher (förmlicher) Gesetze 139 .

133

134

135

136

Literatur: Hans Peters, Die Satzungsgewalt innerstaatlicher Verbände, in: HDStR II, S. 264; Hans Schneider, Autonome Satzung und Rechtsverordnung, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1965, 521; Badura, Rechtsetzung durdi Gemeinden, DÖV 1963, 561; Conrad, Gemeindliche Autonomie und Gesetzesvorbehalt, BayVBl 1970, 384; Starck, Autonomie und Grundrechte, AöR 92 (1967), 449; derselbe, Regelungskompetenzen im Bereich des Art. 12 Abs. 1 GG und ärztliches Berufsredit, NJW 1972, 1489; Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 Rdnr. 105 ff. (Zweitbearbeitung); Jakob, Eingriff kommunaler Satzungen in „Freiheit und Eigentum", DÖV 1970, 666; §§ 40, 44, 49, 65 ff. LVwG Schl.-H. BVerfGE 33, 125, 156 = NJW 1972, 1504, 1506 (Fadiarztbeschluß) ; BVerfGE 10, 20, 49 f.; Starck, AöR 92 (1967), 449 f. Die gemeindliche Satzungsautonomie folgt schon aus Art. 28 Abs. 2 („regeln"); dazu BVerwGE 6, 247, 252; Gönnenwein, Gemeinderedit, 1963, S. 144 mit Nachweisen; ferner Stern, Bonner Kommentar, Art. 28 Rdnr. 105; Hans Schneider, in: Festschrift für Möhring, 1965, S. 521; für die Universitäten vgl. z. B. Art. 16 LV NRW. Beispiele: Handwerkskammer: § 55 HandwO. Ärztekammern: §§ 5 Abs. 3, 17 Gesetz über die Kammern und die Berufsgeriditsbarkeit der Ärzte, Apotheker, Tierärzte und Zahnärzte NW. Rundfunkanstalten: § 1 Abs. 2 ZDF-Staatsvertrag.

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Die Autonomie ist Normsetzungsmacht zur Festlegung der inneren Ordnung137 und zur Bewältigung der Aufgaben 138 staats- oder regierungsunabhängiger rechtlich selbständiger Verwaltungseinheiten139, insbesondere der Selbstverwaltungskörperschaften140. Bei den territorial 141 oder gruppenplural142 orientierten Selbstverwaltungseinheiten hat die Verleihung der Autonomie einen doppelten Sinn. Sie dient der Aktivierung gesellschaftlicher Kräfte, die durch parlamentarische Vertretungen in einem überschaubaren Bereich kraft ihrer besonderen Sachkunde eigenverantwortlich Entscheidungen treffen und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat verringern. „Zugleich wird der Gesetzgeber davon entlastet, sachliche und örtliche Verschiedenheiten berücksichtigen zu müssen, die für ihn oft schwer erkennbar sind und auf deren Veränderungen er nicht rasch genug reagieren könnte" 143 . Deshalb ist der Autonomiegedanke nicht nur politisch sinnvoll, sondern entgegen vereinzelten Stimmen im Schrifttum144 auch verfassungskonform145.

2. Abgrenzung

zu verwandten

Rechtsquellen

a) Satzungen sind ebenso wie Recbtsverordnungen abgeleitete Rechtsquellen und materielle Gesetze mit allgemeinverbindlicher Geltung und Wirkung. Dennoch bestehen zwischen Satzungen und Rechtsverordnungen grundlegende Unterschiede146. Allerdings sind die Grundlagen der Autonomie und der Verordnungsbefugnis identisch; auch die Autonomie wurzelt im staatlichen Recht, beruht auf staatlicher Verleihung147. Rechtssetzungsmacht innerstaatlicher Verwaltungseinheiten und Verbände — auch der Gemeinden148 — existiert nur 137

,ss

139

140 141 142 143

144 145 146

147

148

Z . B . Satzung des Westdeutschen Rundfunks Köln (von Hippel/Rehborn Nr. 7 4 b ) ; Hauptsatzung der Gemeinden. Z. B. Gebührenordnungen, Beitragssatzungen, gemeindliche Satzungen über den Anschluß- und Benutzungszwang, Marktordnungen etc. Staatsunabhängig: z. B. Rundfunkanstalten Regierungsunabhängig: z. B. Deutsche Bundesbank, vgl. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1969, S. 308 f.; Uhlenbruck, Die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank und ihre Grenzen, 1968; Lampe, Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank, 1971. Z. B. Gemeinden, Universitäten, Berufsverbände, Wasserverbände. Gebietskörperschaften (Gemeinden, Gemeindeverbände). Z. B. Berufsverbände (Ärzte- und Notarkammern, Handwerkskammern). BVerfGE 33, 125, 157 ff. = N J W 1972, 1504, 1506 (Facharztbesdiluß) ; BVerwGE 6, 247, 251; Starck, AöR 92 (1967), 449, 451. Z. B. Andreas Hamann, Autonome Satzungen und Verfassungsrecht, 1958, S. 65 f. BVerfGE 33, 125, 157 ff. = N J W 1972, 1504, 1506. Dazu: Hans Schneider, (Fn. 133) S. 521; Wilke (Fn. 59) S. 1917; Badura, DÖV 1963, 561. BVerwGE 6, 247, 249 f.; Badura, DÖV 1963, 561 f.; Wilke, (Fn. 59) S. 1919; ebenso Hans Schneider, (Fn. 133) S. 523 (mit allerdings feinerer Differenzierung). Badura, DÖV 1963, 561 ff.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

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aufgrund und im Rahmen staatlicher Ermächtigung. Eine Konkurrenz zwischen staatlicher und autonomer Rechtssetzungsmadit besteht insoweit nicht. An dieser „zivilisatorischen" Errungenschaft der staatlichen Souveränität gegenüber der Anarchie unkoordinierter Rechtsschöpfung partikulärer Rechtsgemeinschaften149 ist festzuhalten, und das Bundesverfassungsgericht hat hieraus mit Recht die notwendigen Konsequenzen gezogen150. Mit der Unterscheidung zwischen Rechtsverordnungen und Satzungen zieht die Rechtsquellenlehre lediglich die Konsequenzen aus zwei voneinander zu trennenden innerstaatlichen Organisationsprinzipien: der Dekonzentration und der Dezentralisation 151 . Durch Verordnungsermächtigung wird die dem (parlamentarischen) Gesetzgeber zustehende Normsetzungsbefugnis partiell an eine Stelle der bürokratisch-hierarchisch organisierten staatlichen Exekutive abgegeben (Dekonzentration). Dagegen wird durch gesetzliche Verleihung der Autonomie einer selbständigen, vom staatlichen Verwaltungsapparat separierten Verwaltungseinheit (Dezentralisation), die Befugnis eingeräumt, nicht nur partiell, sondern in dem umfassenden Rahmen ihres gesamten Kompetenzbereiches Recht zu setzen152. Rechtsverordnungen sollen das Parlament in seiner Reditssetzungsaufgabe entlasten, Satzungen sollen Selbstverwaltungseinheiten instandsetzen, sich zu organisieren und ihre Aufgaben auch durch den Erlaß abstraktgenereller Anordnungen wirksam zu erfüllen 153 . Die Autonomie ist deshalb der Selbstverwaltungsidee zwar nicht notwendig immanent 154 , aber für ihre Realisierung im allgemeinen unentbehrlich. Rechtverordnungen sind demnach Ausdruck einer dekonzentrierten, Satzungen dagegen Instrumente einer dezentralisierten Rechtssetzung155. Die Autonomie als Attribut — wenn auch nicht als essentiale — des Selbstverwaltungsgedankens unterliegt wegen dieses Zusammenhangs nicht den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG 1 5 6 . Überdies wird die Satzungsgewalt im allgemeinen durch besondere demokratisch legitimierte Organe (z. B. Gemeinderat) betätigt 157 .

150

151

152

153 154

155 15S

157

Badura, D Ö V 1963, 561 Fn. 2. BVerfGE 33, 125, 157ff. = N J W 1972, 1504, 1506ff.; dazu Starck N J W 1972, 1489. Zur Unterscheidung: Bachof, Artikel „Verwaltung", in: Evgl. Staatslex. 1966, Sp. 2393 ff.; Hans Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 44 ff., 94 ff.; Thieme, Verwaltungslehre, 1967, S. 84 ff. Hang, N J W 1962, 675: „Sie (die Autonomie) ist blanko und auf Vorrat verliehene Gesamtbefugnis innerhalb abgesteckter Grenzen". Wilke (Fn. 59) S. 1919. Vgl. aber BVerfGE 12, 319, 3 2 5 : „Ein wesentliches Element der Selbstverwaltung". Vgl. Hans Peters, H D S t R II S. 264, 270. BVerfGE 12, 319, 325; 19, 235, 2 6 7 ; 21, 54, 6 2 ; 32, 346, 360 f.; 33, 125, 157ff. = N J W 1972, 1504, 1506; Menger, VerwArdi 63 (1972), 447 ff. Zu diesem umstrittenen „demokratischen Argument": BVerfGE 21, 54, 62 f. = J Z 1967, 485, m. Anm. Sterni Püttner, ebenda S. 488; BVerfGE 33, 125, 157 = N J W 1972, 1504, 1506 mit Kritik von Starck, N J W 1972, 1489, 1490.

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Deshalb genügt die pauschale Einräumung von Rechtsetzungsmacht für „alle eigenen Angelegenheiten" des selbständigen Verwaltungsträgers. Soweit allerdings ein Selbstverwaltungsträger, wie beispielsweise die Gemeinde, zugleich als Vollzugsinstanz im staatlichen Raum agiert 188 , bedarf es für diesen Bereich spezieller Verordnungsermächtigungen, so daß sich — zumal im gemeindlichen Bereich — Satzungen und Rechtsverordnungen nur vom Aufgabenbereich (Selbstverwaltungsaufgaben — staatliche Aufgaben) her sachgemäß abgrenzen lassen189. b) Satzungen müssen ferner entgegen einer sowohl im Schrifttum 180 als auch in der Rechtsprechung161 anzutreffenden verwirrenden Terminologie von den Geschäftsordnungen staatlicher Organe streng unterschieden werden 162 . Die Befugnis dieser Organe, ihre innere Ordnung im Rahmen der Gesetze und der Verfassung selbst zu bestimmen, mag man als Geschäftsordnungsa«io«oraz'e bezeichnen, muß dann aber im Auge behalten, daß diese mit dem der Selbstverwaltungsidee verbundenen Autonomiebegriff nichts zu tun hat. Geschäftsordnungen staatlicher Organe werden in Wahrnehmung einer staatlichen Kompetenz erlassen und sind daher staatliches, nicht autonomes Recht. 163 Auch Geschäftsordnungen von Selbstverwaltungsorganen (z. B. Gemeinderat) sind zwar Rechtsquellen, aber nicht Satzungen, weil sie nicht über den Organbereich hinauswirken.

3. Inhalt der

Satzungen

a) Die Satzungsgewalt wird im Regelfall pauschal für die „eigenen Angelegenheiten" des betreffenden Selbstverwaltungsträgers erteilt. Die Autonomie bezieht sich damit auf einen „von vornherein durch Wesen und Aufgabenstellung der Körperschaft begrenzten Bereich"164. Um den potentiellen Inhalt von Satzungen zu bestimmen, muß also von den Selbstverwaltungsaufgaben der öffentlich-rechtlichen Verwaltungsträger aus158

159 160 1,1

162

1,5 164

Zum Dualismus des Aufgabenkreises der Gemeinden: vgl. Pagenkopf, Kommunalrecht, 1971, S. 145 ff.; Ossenbühl, (Fn. 10) S. 385 ff. Dazu Badura, D Ö V 1963, 521. Vgl. etwa Maunz bei Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 80 Rdnr. 32. Vgl. BVerfGE 1, 144, 148, w o das Gericht apodiktisch feststellt, die GeschO des Bundestags sei eine „autonome Satzung". Vgl. Ernst-Wolf gang Böckenförde, (Fn. 80) S. 116 ff.; Karl Friedrich Arndt, Parlamentarische Gesdiäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsredit, 1966, 156 ff. Böckenförde, (Fn. 80) S. 120. BVerfGE 12, 319, 325; BVerfGE 33, 125, 157 ff. = N J W 1972, 1504, 1506.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

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gegangen werden. Beispiele aus dem Bereich der Universitäten sind Immatrikulationsordnungen, Prüfungsordnungen sowie Habilitations- und Promotionsordnungen. b) Umstritten ist die Frage, ob und inwieweit Satzungen ohne spezielle formalgesetzliche Ermächtigung in den Rechtskreis des Bürgers, namentlich in seine Grundrechte, eingreifen können. 165 Die Antwort kann nur differenzierend ausfallen. Wie schon hervorgehoben, verbergen sich hinter der Entgegensetzung von staatlichem und autonomem Recht Gemeinwohl und Partikularinteressen (Gruppeninteressen). Hüter des Gemeinwohls gegenüber Gruppeninteressen ist der staatliche Gesetzgeber. Er hat deshalb auch die grundrechtsprägenden Entscheidungen selbst zu treffen und nicht einem möglicherweise gruppenegoistischen Zunftdenken zu überlassen, welches namentlich bei Berufsverbänden nahe liegt. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht mit Recht unter Heranziehung der am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichteten Stufentheorie zu Art. 12 GG im Bereich des Facharztwesens den Erlaß der statusbildenden Normen (Voraussetzungen für die Facharztanerkennung, zugelassene Fachrichtungen, Mindestdauer der Ausbildung, Anerkennungsverfahren etc.) dem Gesetzgeber vorbehalten 166 . Der Auffassung, Satzungen könnten schon aufgrund der generellen Verleihung von Autonomie auch in Freiheit und Eigentum der Bürger eingreifen 167 , wird man deshalb ebensowenig das Wort reden können wie der Meinung, Grundrechte seien „autonomiefest" 168 .

4. Rechtserzeugung Das Verfahren über das Zustandekommen von Satzungen ist regelmäßig spezialgesetzlich geregelt 169 . Zuweilen bedürfen Satzungen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde 170 . Sie ist Wirksamkeitsvoraussetzung und gegenüber dem Satzungsgeber ein Verwaltungsakt 1 7 1 . 165

Vgl. Starck, AöR 92 (1967), 449; Conrad, BayVBl 1970, 384; Jakob,

DÖV 1970,

666.

166 ßVerfGE 33, 125, 157 ff. = N J W 1972, 1504, 1506; dazu Häberle, DVB1 1972, 909 ff.; ferner BVerfGE 33, 303, 346 ff. (Numerus-clausus-Urteil). 167 Vgl. Jakob, DÖV 1970, 666; Wolff/Bachof, VwR I, § 25 IX b). 1 6 8 Vgl. Hans Peters, HDStR II S. 266; Röttgen, DVB1 1955, 445. 189 Vgl. z.B. für Gemeinden: § § 4 , 43 Abs. 2, 61, 6 4 - 6 7 GO NW; für Universitäten: § 52 HSdiG NW. 170 Vgl. z. B. §§ 25, 93 BayGO; §§ 5 Abs. 1 Satz 2, 117 Hess.GO; §§ 6 Abs. 3,7 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs., 110 Abs. 1 NSGO; § § 4 Abs. 1 Satz 2, 88 GO N W ; § 9 9 Selbstverwaltungsgesetz Rhld.-Pf.; §§ 4 Abs. 1, 101 Sdil.-H. GO. 171 Vgl. BVerfGE 10, 20, 50; BVerwG DÖV 1968, 290; OVG Lüneburg, DVB1 1969, 849.

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VII. Gewohnheitsrecht172 Mit dem Gewohnheitsrecht wird eine seit langem unangefochtene Rechtsquelle angesprochen, die zu dem noch zu erörternden „Richterrecht" und zu den „allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts" so enge Verbindungen aufweist, daß eine thematische Trennung kaum möglich erscheint. Dennoch besteht kein Anlaß, den Begriff des Gewohnheitsrechts zu einem Sammelbegriff für das gesamte, nicht gesetzte Recht auszuweiten173. Das Gewohnheitsrecht ist als Rechtsquelle kein spezifisch verwaltungsrechtliches Problem 174 . Vielmehr stammen die grundlegenden Werke des zivilrechtlichen Bereichs zum Gewohnheitsrecht schon aus einer Zeit, in der das Verwaltungsrecht noch nicht als selbständige Rechtsdisziplin ausgeprägt war 175 . Die Frage nach Existenz, Voraussetzungen und Anerkennung des Gewohnheitsrechts ist ein Problem jeder Rechtsordnung.

1. Die herkömmliche Lehre und Rechtsprechung Nach der überkommenen, auch heute nur vereinzelt, wenn auch energisch angegriffenen Auffassung steht die Existenz von Gewohnheitsrecht außer Frage. a) Rechtserzeugungsvoraussetzungen

sind:

— eine langdauernde und allgemeine Übung (longa consuetudo) (objektives Element); — die Überzeugung der Beteiligten von der Rechtmäßigkeit der Übung (opinio iuris) (subjektives Element); — die Formulierbarkeit der Übung als Rechtssatz (formales Element)176. 172

173

174 175

178

Literatur: Höhn, Gewohnheitsrecht im Verwaltungsrecht, 1960; Forsthoff, VwR, S. 1 4 4 f f . ; Gröpper, Gewohnheitsrecht, Observanz, Herkommen und unvordenkliche Verjährung, DVB1 1969, 945; Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, 1972; Friauf, Artikel „Gewohnheitsrecht", in: EvStL, 1966, Sp. 684; Josef Esser, Richterredit, Geriditsgebraudi und Gewohnheitsrecht, in: Festschrift für Fritz v o n Hippel, 1967, S. 95; Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, 1969, S. 53 ff.; Ulrich Meyer-Cording, (Fn. 88) S. 70 ff.; Z. Giacometti, (Fn. 1) S. 169 ff. So z . B . Reichel, Gesetz und Richterspruch, 1915, S. 102; Wackernagel, in: Festschrift für Karl H a f f , 1950, S. 360 ff.; hiergegen: Liver, in: Rechtsquellenprobleme im Schweizerischen Recht, 1955, S. 1, 25; Höhn (Fn. 172) S . 4 3 f f . ; Tomuschat, (Fn. 172) S. 45. Vgl. Friauf, (Fn. 172) Sp. 684 ff. Vgl. Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. A u f lage 1959, 1. Halbband, S. 261 ff. mit weiteren Nachweisen; ferner Nörr, in: Festschrift für Wilhelm Felgentraeger, 1969, S. 353 ff. Vgl. Wolff/Bachof, V w R I, § 25 III; BVerwGE 8, 317, 321.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

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Gewohnheitsrecht entsteht danach durch eine lange, allgemeine Übung, die durch Rechtsüberzeugung getragen wird 177 . Es ist deshalb von den Rechtsbeteiligten und Betroffenen selbst realisiertes Recht, Urrecht; im Gegensatz zum geplanten, gesetzten Recht (allmählich) gewachsenes Recht. b) Der Geltungsraum des Gewohnheitsrechts deckt sich naturgemäß im wesentlichen mit dem Bereich, für den geschriebenes Recht fehlt. Jedoch hat das Gewohnheitsrecht nicht nur im Verhältnis zum geschriebenen Recht ergänzende und lückenausfüllende Funktion; es kann sich auch ausnahmsweise gegen Gesetze (contra legem) entwickeln und durchsetzen (consuetudo abrogatoria) 178 . Freilich hat die Zunahme und Verbreitung des kodifizierten Rechts den Entstehungsbereich für Gewohnheitsrecht zunehmend schrumpfen lassen. Indessen ist zumal für das Verwaltungsrecht typisdi das Nebeneinander von minuziöser Detailregelung (im besonderen Verwaltungsrecht) und gesetzlichem Vakuum (im allgemeinen Verwaltungsrecht). Mangels einer Kodifikation des sog. allgemeinen Verwaltungsrechts scheint das Gewohnheitsrecht hier als (Ersatz-)Rechtsquelle seinen ureigenen Entstehungsraum zu finden. In der Tat besteht der größte und praktisch bedeutsamste Teil des allgemeinen Verwaltungsrechts und auch des Staatshaftungsrechts179 aus ungeschriebenen Regeln. Einige Grundsätze (z. B. Aufopferungsgrundsatz180, Grundsatz der freien Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte 181 ) sind auch ausdrücklich als Gewohnheitsrecht bezeichnet und anerkannt worden. Namentlich im Bereich der Gemeinden begegnet man örtlich beschränkten Gewohnheitsrechtssätzen (sog. Observanzen), die sich seit altersher etwa im Wasser- und Wegerecht, aber auch im Nachbarrecht gebildet haben 182 . c) Dennoch ist ein Faktum auffällig: die richterlichen Entscheidungen die Stellungnahmen des Schrifttums, die sich auf Gewohnheitsrecht berufen stützen, sind selten. Dies hat namentlich zwei Gründe. Einmal ist das gemeine Verwaltungsrecht, einschließlich Staatshaftungsrecht seit Ende fünfziger Jahre in einem raschen Wandel begriffen. 177 178

179 180

131 182

und und allder

Forsthoff, VwR, S. 146; BSG N J W 1966, 693. Strittig! Vgl. BVerwGE 8, 317, 321; WolffjBachof, VwR I, § 2 5 III; Forsthoff, VwR, S. 147; Friauf, (Fn. 172) Sp. 684 if.; ablehnend für die Annahme gewohnheitsreditlidi begründeter Eingriffsermächtigungen der Verwaltung: Jesch, (Fn. 15) S. 115 f. Vgl. Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Auflage, 1974, S. 42 f. und passim. Z. B. BGHZ 16, 374; Forsthoff, VwR, S. 354 f.; Schack, N J W 1959, 307; Josef Esser, in: Festschrift für Fritz von Hippel, 1967, S. 96; zu anderen Begründungen vgl. WolffjBachof, VwR I, § 61. Vgl. Ossenbühl, (Fn. 28) S. 51 ff. Vgl. dazu Gröpper, DVBl 1969, 945, 946.

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Die Kontinuität überkommener Grundsätze des Verwaltungsrechts ist angesichts der grundgesetzlichen Regelung weithin unterbrochen oder doch in Frage gestellt. Deshalb fehlt es für die Feststellung von Gewohnheitsrecht an der longa consuetudo. Die opinio iuris allein erzeugt kein Gewohnheits-Recht; sie ist vom Standpunkt der herkömmlichen Auffassung allenfalls Grundlage „allgemeiner Grundsätze des Verwaltungsrechts", die, von Lehre und Judikatur aufgestellt, Gewohnheitsrecht lediglich anbahnen, sich als „Gewohnheitsrecht in statu nascendi" darstellen183. — Ein zweiter, selten bewußt gewordener Grund, hat tiefere Ursachen. Sie liegen in der Rationalität zivilisierter Rechtsordnungen 184 . Das Argument: „Das haben wir immer so gemacht" ist in einer sog. pluralistischen Gesellschaft, der die Homogenität des Rechtsempfindens weithin verloren gegangen ist, verfemt. Als Recht, auch als Gewohnheitsrecht, wird nur das anerkannt, was als vernünftig und einleuchtend begründet angesehen werden kann 185 . 2. Neuere Ansätze einer Negation

des

Gewohnheitsrechts

Mit dem zuletzt aufgenommenen Gedanken ist das Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle im Kern berührt. Der „Selbstand" von Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle scheitert an den (eigenen) Rechtserzeugungsvoraussetzungen. Ist es schon schwer genug, ja häufig ein Akt der Dezision der letztverbindlich Recht anwendenden Instanz, also der Gerichte, die longa consuetudo festzustellen186, so gilt dies um so mehr für die Rechtsüberzeugung der Beteiligten. Abgesehen davon, daß sich allgemeine Rechtsüberzeugungen wegen der Komplexität des Verwaltungsrechts im Volke kaum entwickeln können und auch bezeichnenderweise am Gerichts- und Verwaltungsbrauch abgelesen werden187, filtern letztlich die Gerichte nach eigener Wertung jene Verhaltensweisen und Übungen heraus, denen sie das Prädikat „Gewohnheitsrecht" zusprechen. — Da jedoch dieses einmal festgestellte Gewohnheitsrecht allgemeinverbindliche, d. h. prinzipiell auch den Richter bindende Kraft hat, ist es zumal in der Judikatur beliebter, (lediglich) von allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts auszugehen188. Aufschlußreich jene Anekdote (vgl. Rümelin, Die bindende Kraft des Gewohnheitsrechts, 1929, S. 14), nach der ein alter schwäbischer Richter, der einen Referendar auf ein angebliches Gewohnheitsrecht hinwies und auf dessen Einwand, ein soldies lasse sich aus der bisherigen Rechtsprechung nicht nachweisen, bemerkte: „Wisse Se, so a Gewohnheitsrecht muß au amol anfange". 1 8 4 Dazu Meyer-Cording, (Fn. 88) S. 70 ff. 185 Meyer-Cording, (Fn. 88) S. 73. 1 8 8 Vgl. z . B . BVerwG DVB1 1966, 567, mit der im Jahre 1965 getroffenen Feststellung, seit Inkrafttreten des Grundgesetzes könne sich „schwerlich" bereits ein neues Gewohnheitsrecht gebildet haben. 1 8 7 Vgl. Ossenbühl, (Fn. 28) S. 52; Höhn, (Fn. 172) S. 55 f.; Josef Esser, (Fn. 180) S. 125; BSG N J W 1966, 692, 693 f. 1 8 8 Gewohnheitsrecht steht der richterlichen Rechtsfortbildung allerdings offen; vgl. BGH VerwRspr. 10, 522 (betr. Aufopferungsanspruch); BVerfGE 15, 226, 233. 183

Die Quellen des Verwaltungsrechts

93

In einiger Überspitzung wird von dieser Sicht aus das Resultat unausweichlich: „Das Gewohnheitsrecht ist nichts anderes als Richterrecht"189. Denn realistisdi betrachtet, gewinnt Gewohnheitsrecht seine praktische Relevanz erst durch „richterliche Anerkennung" 190 . — Ob man freilich aus diesem Faktum den weitgehenden Schluß einer Negation des Gewohnheitsrechts ziehen darf, erscheint zumindest fraglich 191 . Konsequenterweise würde dies zur Inthronisierung eines totalen Richterrechts führen. Denn letztlich hängt auch die (reale) Geltung von gesetzten Normen weitgehend davon ab, daß und vor allem wie die Gerichte diese auslegen. VIII. Richterrecht 192 Damit ist die Brücke zu einem der umstrittensten Phänomene der Rechtsquellenlehre geschlagen: dem Richterrecht. Ebenso wie beim Gewohnheitsrecht liegt auch dem Problem des Richterrechts keine spezifisch verwaltungsrechtliche Fragestellung zugrunde. Vielmehr handelt es sich, ohne Übertreibung gesprochen, um ein existentielles Problem der gesamten Rechtsordnung, genauer gesagt: der Reditswissenschaft19S. So Meyer-Cording, (Fn. 88) S. 70. Adomeit, (Fn. 172) S. 56; Josef Esser, (Fn. 180) bes. S. 124 ff.; Hans R y f f e l , Rechtsund Staatsphilosophie, 1969, S. 429; weitere Nachweise bei Tomuschat, (Fn. 172) S. 55 Fn. 49; ferner schon Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, S. 469 unter Hinweis auf Max Weber, Rechtssoziologie, 1960, S. 464. Bemerkenswert BGH NJW 1961, 313, 315: „Die zur Bildung eines Gewohnheitsrechts erforderliche gemeinsame Rechtsüberzeugung entfällt nämlich schon deshalb, weil es an einer bestätigenden Rechtsprechung fehlt." Abgewogen und im Sinne der herkömmlichen Theorie zutreffend dagegen BGH VerwRspr. 10, 522, 523 f. 191 Vgl. auch Tomuschat, (Fn. 172) S. 55. 192 Literatur: Reinhold Zippelius, Zum Problem der Rechtsfortbildung, NJW 1964, 1981; Hans Peter Schneider, Richterrecht, Gesetzesrecht und Verfassungsrecht, 1969; Germann, Probleme und Methoden der Rechtsfindung, 2. Aufl. 1967, S. 227 ff.; Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, S. 457 ff.; Baring, Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts als Rechtsquelle?, in: JurJb, Bd. 6 (1965/66), S. 27 ff.; Kruse, Das Richterrecht als Rechtsquelle des innerstaatlichen Rechts, 1971; Josef Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 2. Aufl., 1965; derselbe, (Fn. 172) S. 95 ff.; Ossenbühl, Die Bindung der Verwaltung an die höchstrichterliche Rechtsprechung, AöR 92 (1967), S. 478; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 1967, S. 243; Robert Fischer, Die Weiterbildung des Rechts durch die Rechtsprechung, 1971; Tomuschat, (Fn. 172) S. 51 ff.; Meyer-Cording, (Fn. 88) S. 60 ff.; Redeker, Legitimation und Grenzen richterlicher Rechtsetzung, NJW 1972, 409; Scholz, Arbeitsverfassung und Richterrecht, in: Der Betrieb 1972, 3 ff. (7 ff.); Badura, Grenzen und Möglichkeiten des Richterrechts, 1973; Stahl, Die Bindung der Staatsgewalten an die höchstrichterliche Rechtsprechung, 1973; Dreier, Probleme der Rechtsquellenlehre, in: Festschrift für Hans J Wolff, 1973, S. 3 ff. 103 Ygi d a z u Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1960, S. 5; Stern, N J W 1958, 695.

189

180

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Fritz Ossenbühl

1. Das

Problem

Die Problematik des Richterrechts resultiert aus der inzwischen Allgemeingut gewordenen Erkenntnis, daß jede von Menschen stammende Gesetzesordnung unvollständig ist und daß auch sorgfältig durchdachte und abgewogene Kodifikationen für einzelne Bereiche der Rechtsordnung ebenso viele Lücken und Probleme enthalten wie legislative Entscheidungen. Dieses Faktum steht mit dem verfassungsrechtlich begründeten Postulat strikter Gesetzesunterworfenheit des Richters in unversöhnlichem Widerspruch. Die überkommene Lehre versucht den Widerspruch dadurch aufzuheben, daß sie das richterliche Urteil als einen Akt der Erkenntnis wertet, der nach den anerkannten Regeln juristischer Interpretation abläuft und die verborgene, aber im Gesetz vorgedachte, eine richtige Entscheidung für den Einzelfall erschließt194. Es ist einleuchtend, daß die Diskussion um das Richterrecht von hier aus einerseits in den breiten Strom der Erörterungen um die Methodik der rechtswissenschaftlichen Erkenntnis und der Wissenschaftlichkeit der Jurisprudenz schlechthin einmündet105, andererseits mit grundlegenden Problemen der Verfassungsstruktur (Gewaltenteilung, Funktionenlehre) verknüpft ist 196 . Es geht etwa um folgende Fragen: Ist richterliche Tätigkeit, also Rechtsanwendung, durchweg ein rational begründbarer Vorgang mit intersubjektiv verifizierbaren Resultaten oder enthält sie auch volitive Elemente, Bestandteile einer eigenbestimmten Rechtsetzung? Wenn solche richterliche Rechtsetzung bejaht wird, wie ist sie dann verfassungsrechtlich gegenüber der gesetzgebenden Aufgabe des Parlaments zu legitimieren 107 , wie ist ihr Verhältnis zur grundgesetzlich instituierten Legislative, wo liegen die Grenzen eines solchen Richterrechts?108

2. Auffassungen

in Lehre und

Rechtsprechung

a) Die Existenz und Legitimität von Richterrecht ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht in Zweifel gezogen worden 109 ; im Gegenteil: Bülow, Gesetz und Riditeramt, 1885 (Neudruck 1972), S. 2 9 ; Heck, Das Problem der Rechtsgewinnung, 2. Aufl. 1932, S. 1 ; Rümelin, Werturteile und Willensentsdieidungen, Tübinger Kanzlerrede 1891. Schneider, 195 Y g j besonders: Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968; Hans Peter (Fn. 192), S. 24 ff. 1 8 8 Vgl. Hans Peter Schneider, (Fn. 192), S. 30 ff.; Kruse, (Fn. 192) S. 12 ff. 1 9 7 Vgl. Robert Fischer (Fn. 192), S. 6 ; Redeker, N J W 1972, 409. 188 Hans Peter Schneider, (Fn. 192), S. 30 ff.; Redeker, N J W 1972, 4 0 9 ; Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, 1969, S. 123. Vgl. z . B . BVerfGE 13, 318, 3 2 8 ; 18, 224, 2 3 7 ; 26, 327, 3 3 7 ; BVerwG M D R 1968, 3 4 8 ; ferner Hans Peter Schneider (Fn. 192); Robert Fischer (Fn. 192) und Rüthers, (Fn. 192), S. 466 ff. mit Nachweisen. 194

Die Quellen des Verwaltungsrechts

95

nadh dem Selbstverständnis der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt „die Aufstellung allgemeiner Rechtsgrundsätze in der Natur der Tätigkeit der höheren Gerichte" 200 . — Noch entschiedener und klarer heißt es im Jahresbericht 1966 für den Bundesgerichtshof: „Darüber ist jedenfalls unter Juristen kein Zweifel möglich, daß in allen übersehbaren Zeiträumen das verwirklichte Recht eine Mischung von Gesetzesrecht und Richterrecht gewesen ist und daß dasjenige Recht, das sich in den Erkenntnissen der Gerichte verwirklicht hat, sich niemals in allem mit demjenigen Recht gedeckt hat, das der Gesetzgeber gesetzt hatte" 201 . — Zu bemerken ist schließlich, daß das Bundesverfassungsgericht im Gleichberechtigungsurteil dem Richter die Schließung einer Gesetzeslücke in „schöpferischer Rechtsfindung" aufgetragen hat mit dem Hinweis, solche schöpferische Füllung weiter Lücken auf der Grundlage einer richtungweisenden Klausel (hier Art. 3 Abs. 2 GG) sei „eine herkömmliche und stets bewältigte richterliche Aufgabe" 202 . Damit ist zugleich angedeutet, in welchem Raum des Verwaltungsrechts sich Richterrecht entfalten kann. Einmal in jenen Bereichen, in denen (einfach-)gesetzliche Bestimmungen fehlen, zum andern aber auch und namentlich dort, wo der Gesetzgeber sich mit der Aufstellung von Generalklauseln und der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe begnügt und sachnotwendig begnügen muß203. So ist beispielweise die polizeiliche Generaklausel durch eine jahrzehntelange Rechtsprechung in einer Weise konkretisiert worden, daß ihre Anwendung heute keine nennenswerten Schwierigkeiten mehr bereitet204. Aufschlußreich und paradigmatisch ist auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des Begriffs „Eignung zur sittlichen Jugendgefährdung" 205 . Sie legt Zeugnis davon ab, daß der Umfang des Jugendschutzes und der ihm korrespondierenden Verlegerfreiheit weitgehend von der konkretisierenden Auslegung bestimmt werden, die der Richter bei einem unbestimmten Rechtsbegriff vornimmt (z. B. gefährdungsgeneigter Jugendlicher oder Durchschnittsjugendlicher usw.)206. Die ständige Konfrontation der richterlichen tigen Gesetzen und völligen Rechtslücken hat verständnis der Judikatur geprägt. Richterrecht aber vertraut, auch wenn es nicht immer unter 200 201 202 203 204

205 206 207

Praxis mit ergänzungsbedürfauf diese Weise das Selbstist ihr zwar problematisch207, dieser Bezeichnung in Erschei-

BVerfGE 26, 327, 337. N J W 1967, 816. BVerfGE 3, 225, 243. Weitere Beispiele ähnlicher Art bei Robert Fischer (Fn. 192). Dazu namentlich Kruse, (Fn. 192), S. 7. Vgl. DrewsjWadee, Allgemeines Polizeirecht, 7. Auflage, 1961, S. 45; zuletzt aber wieder Hans H. Klein, DVB1 1971, 233; Erbel, DVBl 1972, 475. BVerwG v. 16. 12. 1971, D Ö V 1972, 419 = N J W 1972, 596. Dazu Ossenbühl, D Ö V 1972, 401 (403). Dazu zuletzt Robert Fisther (Fn. 192), S. 25, 38; BGHZ 54, 332, 337 = N J W 1971, 32 (Ampelunfall); BGH N J W 1971, 607 (Wasserrohrbruch).

96

Fritz Ossenbühl

nung tritt 208 oder gar die Gleichung: richterliche Rechtsschöpfung = Rechtssetzung apodiktisch verneint wird 209 . b) In der Rechtslehre sind die Vorbehalte gegen die Anerkennung von Richterrecht stärker verbreitet 210 , aber zunehmend im Abbau begriffen 211 . Es geht im Grunde nicht mehr um das Ob, sondern um das Maß und die Grenzen des Richterrechts. Man kann sich dem Problem des Richterrechts von verschiedenen Ansatzpunkten her nähern. Wer vom verfassungsdogmatischen Standpunkt ausgeht, wird es unter dem Aspekt der Gewaltenteilung und der Rechtsunterworfenheit des Richters schwerer haben, zur Anerkennung des Richterrechts zu gelangen. Demgegenüber setzt sich in neuerer Zeit immer mehr eine realistische Betrachtungsweise durch, die von dem Faktum ausgeht, daß sich das geltende Recht niemals nur aus dem Gesetz erschließen läßt, sondern stets die Rechtsprechung hinzugenommen werden muß 212 , ja, daß vielfach das genaue Studium der Judikatur wichtiger ist als Gesetzeskenntnis. Von hier aus wird versucht, das Richterrecht in die Rechtsquellentheorie einzubauen. Diesem Anliegen ist zuzustimmen. Denn eine Theorie, die eine breite und die Rechtsordnung beherrschende Wirklichkeit wie die des Richterrechts ignoriert oder nicht verarbeiten kann, ist unglaubwürdig und wertlos 213 .

3. Lösungsansätze Wenn im folgenden von Verbindlichkeit von Richterrecht die Rede ist, so sind jene verfassungsgerichtlichen Entscheidungen ausgeklammert, denen kraft einfachgesetzlicher Anordnung ohnehin Gesetzeskraft zukommt 214 . a) Daß man dem Richterrecht die Eigenschaft einer Rechtsquelle abgesprochen hat und auch heute noch ausdrücklich oder stillschweigend abspricht, hat nicht zuletzt seinen Grund darin, daß das richterliche Urteil nicht dieselbe sos Meist ist lediglich die Rede von „allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts" (dazu sub IX.) o. ä. 209 210

211

812

213 214

Z. B. BVerfGE 18, 224, 238. Vgl. zuletzt besonders: Hirsch, JR 1966, 334; Flume, Richter und Redit, 1967; Z. Giacometti, (Fn. 1) S. 176 ff.; abwägend Scholz, Der Betrieb 1972, 3 ff., 7 ff. Vgl. namentlich Dahm, Deutsches Recht, 1963, S. 35; Kruse, (Fn. 192); MeyerCording, (Fn. 88) S. 66 ff.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 1967, S. 243 ff.; Robert Fischer, (Fn. 192); Hans Peter Schneider, (Fn. 192); Josef Esser, (Fn. 180); Franz-Jürgen Säcker, (Fn. 198) S. 95 ff.; Germann, (Fn. 192); Redeker, N J W 1972, 409 (411); Rüthers, (Fn. 192), S. 471 f., alle mit weiteren Nachweisen. Vgl. eindrucksvoll Rüthers, (Fn. 192); ferner Kriele, (Fn. 192) S. 243 ff.; Kruse, (Fn. 192), S. 4; Esser, (Fn. 180) S. 118 f.; Robert Fischer, (Fn. 192). Vgl. auch Robert Fischer, (Fn. 192), S. 7, 10 f.; Kruse, (Fn. 192), S. 20. Z. B. § 31 Abs. 2 BVerfGG.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

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Verbindlichkeit aufweist wie die „klassischen" Rechtsquellen (z. B. Gesetze und Rechtsverordnungen). Der schwächere Grad der Verbindlichkeit des Richterrechts rechtfertigt es jedoch nicht, ihm das Prädikat einer Rechtsquelle vorzuenthalten 215 . Der häufig zu hörende Einwand, das richterliche Urteil erzeuge nur Wirkungen und Bindungen zwischen den Prozeßparteien (inter partes), gilt wohl für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits als solchen, nicht aber für den im Urteil zum Ausdruck kommenden, vom Richter aufgestellten Rechtsgrundsatz, der sich über den Einzelfall erhebt und als Entscheidungsmaßstab für künftige Streitfälle sowohl die Judikatur als auch die übrige Praxis formt und bestimmt216. Freilich besteht keine im echten Sinne normative und deshalb prinzipiell unüberwindbare Bindung an Präjudizien; weder für die Verwaltung noch für den Bürger und ebenso nicht für den Richter selbst. Aber der Richter kann in Zukunft nicht ohne weiteres an den Vorentscheidungen vorbeijudizieren; er wird und muß sich mit ihnen auseinandersetzen. Es entsteht eine Argumentationslast, die man mit Kriele als „präsumtive Verbindlichkeit" (Vermutung zugunsten des Präjudiz) bezeichnen kann 217 . Die Beachtung von Präjudizien bedeutet nicht Erziehung zur unkritischen Autoritätsgläubigkeit, zur Unwissenschaftlichkeit, sondern zur Bewahrung einer gewissen Kontinuität der Rechtsordnung, deren Eigenwert häufig und teilweise aus einer modischen Denkweise heraus allzu leicht verkannt wird. b) Die vorstehenden Ergebnisse lassen sich auch aus dem Blickwinkel der rechtsanwendenden Verwaltungsbehörden bestätigen. Die Verwaltung ist zwar bei der Auslegung von Gesetzen prinzipiell nicht an die Judikatur gebunden. Sie kann sich unter Umständen sogar gegen eine ständige höchstrichterliche Rechtsprechung entscheiden218. — Freilich kann man diese Möglichkeit als Extremfall praktisch vernachlässigen. Denn in der täglichen Praxis ist die Verwaltung im Regelfall für jede klärende richterliche Grundsatzentscheidung dankbar, weil sie einen Zustand der Rechtsungewißheit beendet, klare Bahn schafft. Vielfach wird die Rechtsprechung im rechtsanwendenden Bereich „zu der eigentlich entscheidenden Erkenntnisquelle für das Handeln der Verwaltung" 219 . Davon abgesehen gehen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber auch konkret faßbare rechtliche Bindungseffekte für die Verwaltung aus. Denn Insoweit stellt Rüthers, (Fn. 192) S. 472, mit Recht fest, daß es sich bei dem Streit um die Rechtsquellennatur des Richterrechts in erheblichem Maße um „Konstruktions- und Formulierungskontroversen" handelt. 2i« Vgl. Duhm, (Fn. 211) S. 35 („Kristallisationspunkte für die zukünftige Praxis"); Robert Fischer, (Fn. 192), S. 24 f. unter Hinweis auf das Phänomen des sog. Musterprozesses. 217 Kriele, (Fn. 192) S. 243 ff. 2 , 8 Näheres bei Ossenbühl, AöR 92 (1967), 478 ff. 219 Robert Fischer, (Fn. 192), S. 23.

215

7

Allgemeines Verwaltungsrecht

Fritz Ossenbühl

98

— abermals aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung (diesmal des R G und B G H ) — ist allgemein anerkannt, daß ein Bediensteter der öffentlichen Verwaltung, der ohne neue und gewichtige Gründe von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht, sich einer Amtspflichtverletzung schuldig macht, die zu entsprechenden Schadenersatzansprüchen des betroffenen Bürgers gegen die Anstellungskörpersdiaft (z. B. Bund, Land, Gemeinden usw.) führen 220 . Die präsumtive Verbindlichkeit des höchstrichterlichen Präjudizes erfaßt also auch die administrative Rechtsanwendung. Sie löst eine auf Argumentationslast abgeschwächte Bindung der Verwaltung aus, die mit Hilfe des Amtshaftungsanspruchs indirekt sanktioniert wird. c) Schließlich ist zu bemerken, daß die höchstriditerlidie Rechtsprechung das von ihr geschaffene Richterrecht auch in bestimmten Beziehungen wie GesetzesRecht im herkömmlichen Sinne behandelt. So hat das Bundesverwaltungsgericht unter Zustimmung des Schrifttums 221 auch jene „allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts", die sich bei näherem Zusehen als Riditerrecht erweisen, als revisibeles Bundesrecht im Sinne des § 137 V w G O qualifiziert 222 . Ferner sieht das Bundessozialgericht eben diese „allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts" als „Gesetze" im Sinne des § 77 S G G an 223 , weil sie „nach ständiger Rechtsprechung wie geschriebene Normen angewendet werden" 224 . d) Zieht man ein Resümee, so läßt sich feststellen, daß nur derjenige dem Riditerrecht die Qualität einer Rechtsquelle absprechen kann, der den Rechtsquellenbegriff ebenso wie den Rechtssizizbegrifi lediglich auf die herkömmlich anerkannten Rechtsquellen bezieht, ihn also historisch-konventionell einengt 225 . Eine zeitgemäße, die Rechtswirklichkeit einbeziehende Rechtsquellentheorie kann sich diese Fixierung auf das Begriffsarsenal des 19. Jahrhunderts auf die Dauer nicht weiter leisten. Versteht man wie dargetan die Rechtsquelle als „Erkenntnisgrund für etwas als geltendes Recht", so ist auch das Richterrecht als Rechtsquelle anzusehen 226 .

220 221

222

Vgl. Ossenbühl, A ö R 92 (1967), S. 478 (486) mit Nachweisen. Ule, VerwprozeßR, S. 2 5 6 ; Hardt, Zur Reditsnatur der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits, Diss. Würzburg, 1969, S. 110 ff.; Heinrich Schleifenbaum, Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits als revisibles Bundesrecht, Diss. München, 1966. Zuletzt BVerwG D Ö V 1971, 857 (Betrifft: Folgenbeseitigungsanspruch); vgl. ferner

BVerwG DVB1 1973, 373, 374. 225

224 2->ä 226

§ 77 SGG lautet: „Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Reditsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sadie bindend, soweit durch Gesetz nidits anderes bestimmt ist". BSG DVBl 1963, 2 4 9 ; D Ö V 1967, 182 unter Hinweis auf BVerwG D Ö V 1961, 382. Vgl. oben § 6 II. Vgl. auch Menger, in: Festschrift für Walter Bogs, 1967, S. 89, 90, 92.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

99

IX. Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits227 1. Begriff Eine Darstellung der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits ist dadurch erheblich erschwert, daß sich noch keine einheitliche Terminologie durchgesetzt hat, vielmehr fast jeder Autor eigene Begriffsvorstellungen zugrunde legt 228 . Die bestehende Verwirrung wird nicht unbeträchtlich verstärkt, indem auch die Rechtsnatur der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits in die Begriffsbildung einbezogen wird 229 . Unbestritten ist im Grunde nur die banale Feststellung, daß die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts prinzipiell für alle Gebiete des Verwaltungsrechts gelten und nicht auf Sondermaterien beschränkt sind. — Im übrigen empfiehlt es sich zur Erfassung des Phänomens der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits induktiv vorzugehen. 2. Beispiele Auf der Suche nach Grundsätzen, die unter den Terminus „allgemeine Grundsätze des Verwaltungsredits" rubriziert werden, stößt man beispielsweise auf folgende Regeln: a) die Grundsätze über Bestand, Widerruf und Rücknahme von Verwaltungsakten 230 ; b) die Grundsätze über die Nichtigkeit von Verwaltungsakten 231 ; c) die Grundsätze über die Verwirkung im öffentlichen Recht 232 ;

227

228 22,1

230

231 232

r

Literatur: Baring, Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits — eine Rechtsquelle?, in: JurJb 6 (1965/66), 2 7 ; Hardt, (Fn. 221); derselbe, Die allgemeinen Verwaltungsgrundsätze, D Ö V 1971, 685; derselbe, Die Revisibilität der allgemeinen Verwaltungsgrundsätze, DVB1 1973, 325; Menger, Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits als Rechtsquellen, in: Festschrift für Walter Bogs, 1967, S. 89; Schleifenbaum, Die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits als revisibles Bundesrecht, Diss. München, 1966; derselbe, Die Revisibilität des Grundsatzes von Treu und Glauben im Verwaltungsprozeß, DVBl 1969, 350; Höhn, (Fn. 172) S. 56; Tomuschat, (Fn. 172) S. 46 ff.; Z. Giacometti, (Fn. 1) S. 283 ff. Vgl. Schleifenbaum (Fn. 227), S. 71 ff.; derselbe, DVBl 1969, 351. Z. B. Gleichsetzung der „allgemeinen Grundsätze" mit Gewohnheitsrecht oder Riditerrecht. Dazu Kimminich, Rücknahme und Widerruf begünstigender Verwaltungsakte, JuS 1965, 249; Becker, Zur Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, D Ö V 1967, 729: BVerwG DVBl 1973, 373, 374. Zuletzt Er bei, Die Unmöglichkeit von Verwaltungsakten, 1972. BVerwGE 6, 204 (205).

100

Fritz Ossenbühl

d) die Grundsätze über die Selbstbindung der Verwaltung 233 ; e) die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit 234 ; f) die Grundsätze über das Verwaltungsverfahren (z. B. rechtliches Gehör, Verbot der Entscheidung in eigener Sache, Interessenkollision und Befangenheit); g) die Grundsätze über die öffentlich rechtliche Entschädigung235; h) die Grundsätze über den öffentlich rechtlichen Erstattungsanspruch236 und Folgenbeseitigungsanspruch237. Dies sind nur einige Beispiele. Die vorstehende Aufzählung ließe sich erheblich erweitern. 3.

Rechtsnatur

Geht man den Ursprüngen, der Entstehungsweise und der Bedeutung der hier gemeinten „allgemeinen Grundsätze" nach, so sind zunächst zwei Feststellungen bemerkenswert. Erstens können diese Grundsätze auf ein unterschiedliches Alter verweisen; einige sind über hundert, andere erst wenige Jahre alt. Zweitens: alle sog. „allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts" werden ohne Rücksicht auf Alter und Herkunft „nach ständiger Rechtsprechung wie geschriebene Normen angewendet" 238 . Dies ist zunächst der empirische Befund. Stellt man die Frage nadi der Rechtsnatur, so zeigt sich, daß die „allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts" in Wahrheit keine eigene neue Rechtsquellenkategorie darstellen, sondern als Sammelbegriff für verschiedene — meist ungeschriebene — Rechtsnormen dienen, die sich bei näherem Zusehen als Gewohnheitsrecht oder — häufiger — als Richterrecht, zuweilen auch als Gesetzesrecht erweisen, also in den bereits dargestellten Kategorien von Rechtsquellen aufgehen 239 . a) So findet beispielsweise der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seinen positivrechtlicben Ausdruck in den Polizeigesetzen der Länder 240 . Im Polizeirecht als einer der Materien des „klassischen" Verwaltungsredits ist dieser Grundsatz auch ursprünglich entwickelt, aber sein Anwendungsbereich inzwischen auf das gesamte Verwaltungsrecht ausgedehnt worden. Überdies wird diesem Grundsatz heute sogar verfassungsrechtlicher Rang zugesprochen241. 233 234

235 236 237 238 239 240 241

Vgl. Ossenbühl, A ö R 92 (1967), 1, 13 ff.; BVerwGE 34, 278, 280. Grundlegend: Lerche, Übermaß und Verfassungsredit, 1961; ferner: Wittig, D Ö V 1968, 8 1 7 ; BVerwG D Ö V 1971, 857, 858. Dazu Bender, (Fn. 179). Vgl. Hermann Weber, JuS 1970, 169; BVerwGE 18, 3 0 8 ; 3 1 4 ; 20, 295 (297). Zuletzt BVerwG N J W 1972, 269 = D Ö V 1971, 857 m. Anm. Bachof. So BSG D Ö V 1963, 182; DVB1 1963, 249. Vgl. auch BVerwG D Ö V 1971, 857 m. Anm. Bachof, ebenda S. 859, 860. Nachweis bei Götz (Fn. 54) S. 76 ff. Dazu Wittig, D Ö V 1968, 8 1 7 : Gentz, N J W 1968, 1600; Grabitz, A ö R 98 (1973), S. 568 ff.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

101

b) Eine Reihe von „allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts" stellt sich als Gewohnheitsrecht dar. Dies gilt beispielsweise für den Grundsatz der freien Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte 242 oder die Grundsätze über die öffentlich rechtliche Entschädigung bei Aufopferung für das Gemeinwohl 243 . c) Die weitaus überwiegende Zahl der „allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits" hat jedoch die Qualität von Richterrecht244. Diese Feststellung ist daraus zu erklären, daß einerseits ein „allgemeines Verwaltungsgesetz", welches die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts normiert, fehlt, andererseits der Rückgriff auf gewohnheitsrechtliche Prinzipien weitestgehend versagt, weil sich das Verwaltungsrecht seit Inkrafttreten des Grundgesetzes in einem Umbruch befindet. Dieser Umbruch, d. h. die Anpassung der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsredits an die Verfassungsprinzipien des Grundgesetzes, vollzieht sich vorerst durch die Rechtsprechung in Form des Richterrechts, um sidi nach praktischer Bewährung und Übung entweder zu Gewohnheitsrecht zu verfestigen oder, wie etwa im Landesverwaltungsgesetz für Schleswig-Holstein oder im Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes, in förmlichen Gesetzen eine festere normative Gestalt anzunehmen. Die vorerst als Richterrecht ausgeprägten allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts lassen sich nach ihrer Herkunft wie folgt differenzieren. aa) Zum großen Teil sind diese Grundsätze Konkretisierungen aus fundamentalen Verfassungsprinzipien245. So ist beispielweise auf der Grundlage der Konkretisierungskette: Reditsstaatsgebot — Rechtssicherheit — Vertrauensschutz des Bürgers ein Fundus von Entscheidungsregeln für die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte entwickelt worden, der sich bewährt hat, und in gleicher Weise voraussehbare Entscheidungen ermöglicht wie ein detailliertes förmliches Gesetz. Die Ableitung von Grundsätzen aus Verfassungsprinzipien ist erst nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes in Mode gekommen und durch die Vorstellung vom „Verwaltungsrecht als konkretisiertem Verfassungsrecht" beflügelt worden. Sie ist die heute gängigste, wenngleich schwierigste Methode der Rechtsfindung und Reditssdiöpfung im öffentlichen Recht 246 . bb) In den Hintergrund geraten ist auf diese Weise eine andere Methode, deren sich namentlich das Reichsgericht bediente247, die aber auch heute in der 242 245 244

245

Vgl. Ossenbühl, (Fn. 28) S. 51.

Vgl. die Nachweise in Fn. 235. Vgl. Bachof, Rspr. BVerwG II Nr. 290.

Vgl. Bachof, Rspr. BVerwG II Nr. 290; Stern, JZ 1962, 263 (268);

Göldner,

Verfassungsprinzip und Privatreditsnorm in der verfassungskonformen Auslegung

und Rechtsfortbildung, 1969, 26 ff.; Giacometti, (Fn. 1) S. 180, 283 ff.

248 247

Vgl. vorige Fußnote. Dazu Friedrich Schade, „Analogie" und „Verwendung allgemeiner Rechtsgedanken" bei der Ausfüllung von Lücken in den Normen des Verwaltungsredits, in: Festschrift für Laun, 1948, S. 275.

102

Fritz Ossenbühl

Rechtsprechung 248 nodi eine nicht unerhebliche Rolle spielt: die Analogie. P r o blematisch ist im Verwaltungsrecht namentlich die Frage der Zulässigkeit von Analogien zu zivilrechtlichen Vorschriften 2 4 9 . Sie wird zum Teil wegen der Strukturunterschiede zwischen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht prinzipiell verneint, aber überwiegend, wenn auch mit Vorbehalten, bejaht. Bei der Verwendung zivilrechtlicher Rechtsvorschriften im öffentlichen Recht zeigen sich zwei Spielarten, die allerdings häufig ineinanderfließen 2 5 0 . Einmal kann nach den Grundsätzen der Analogie eine Vorschrift des bürgerlichen Rechts im öffentlichen Recht deshalb Verwendung finden, weil der dieser V o r schrift zugrunde liegende Rechtsgedanke auch hier gilt und die Privatrechtsnorm sich deshalb zur Lösung anbietet 2 5 1 . Zum andern kann die zivilrechtliche N o r m Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens sein, der als solcher auch im öffentlichen Recht unmittelbare Geltung hat 2 5 2 . In der Rechtsprechung werden die „allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts" in der Regel als „Gewohnheitsrecht in statu nascendi" gedeutet, als Grundsätze, die der Rechtsüberzeugung der Beteiligten entsprechen, die aber (noch) kein Gewohnheitsrecht darstellen, weil es an der ständigen Übung fehlt 2 5 3 . Solche Qualifikationen fußen ersichtlich auf den Vorstellungen der herkömmlichen Rechtsquellendoktrin und können nach dem Gesagten nur mit V o r behalten zur Kenntnis genommen werden.

X . Europäisches Gemeinschaftsrecht 2 5 4 Wenn das Europäische Gemeinschaftsrecht 255 erst an letzter Stelle erwähnt wird, so indiziert dies keineswegs Bedeutung und R a n g dieser Rechtsquelle im 248 249

250

251

252

533 254

255

Vgl. zuletzt BGH DVB1 1972, 672, 673 = N J W 1972, 1364. Dazu Schack (Fn. 247); Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967, S. 87 ff.; Flückiger, Das Zivilrecht als Rechtsquelle des Verwaltungsrechts, in: Rechtsquellenprobleme im schweizerischen Recht, 1955, 137 ff. Vgl. schon Schule, VerwArdi 38 (1933), S. 405 ff.; zuletzt BGH DVB1 1972, 672, 673. Beispiel: BGH N J W 1972, 1364 = DVB1 1972, 672, 673 betr. Anwendung von § 313 BGB auf Ersdiließungs Verträge nach § 123 Abs. 3 BBauG. Beispiel: öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch; BVerwGE 18, 308, 314; 20, 295, 297. Vgl. BSG DVB1 1963, 249, 250;"Höhn, (Fn. 172) S. 56 ff. Literatur: Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsredit, 1972, insbes. S. 4 ff., 62 ff., 107 ff., 120 ff., 447 ff.; Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Recht, 1969; derselbe, Neue Literatur zum Europarecht: Gemeinschaftsredit und nationale Gesetze, AöR 97 (1972), 423; Pescatore, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht in der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, N J W 1969, 2065; Fuß, Reditssatz und Einzelakt im Europäischen Gemeinschaftsrecht, N J W 1964, 327, 945, 1600; Runge, Einführung in das Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1972, S. 48 ff. Die Terminologie ist nicht einheitlich; synonym werden benutzt: Europarecht, Recht der Europäischen Gemeinschaften, Europäisches Recht.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

103

Verwaltungsrecht 256 ; ihnen würde man nadi dem derzeitigen Stand der Entwicklung eher gerecht, wenn man das Europäische Gemeinschaftsrecht an die Spitze stellte, was freilich der Entwicklungsgeschichte nicht entspräche. Über den hohen Stellenwert des Europäischen Gemeinschaftsrechts in unserer Rechtsordnung besteht im Prinzipiellen kaum Streit. Um so merkwürdiger erscheint die Feststellung, daß das Europäische Gemeinschaftsrecht in neueren verwaltungsrechtlichen Darstellungen entweder ganz fehlt oder nur am Rande erwähnt wird 2 6 7 .

1. Grundlagen Europäisches Gemeinschaftsrecht ist das Recht der drei Europäischen Gemeinschaften (EGKS, EAG, EWG), welches als „primäres Gemeinschaftsrecht" in den europäischen Verträgen 258 normiert ist und als „sekundäres Gemeinschaftsrecht" („Folgerecht", „Organrecht") 259 in Gestalt von verbindlichen Regelungen (Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen) der Gemeinschaftsorgane (Rat, Kommission) zum Ausdruck kommt. Das Europäische Gemeinschaftsrecht steht in keinem Ableitungszusammenhang mit den unter I.—IX. aufgeführten nationalen Rechtsquellen. Mit der Errichtung der Europäischen Gemeinschaften ist kein Bundesstaat, auch keine internationale Organisation im herkömmlichen Sinne, sondern ein verfaßter Verband eigener Art entstanden, dem eine originäre supranationale öffentliche Gewalt zukommt. Dieser Verband bildet eine eigene Rechtsgemeinschaft der „Marktbürger" mit eigenen Organen, eigenem Rechtsschutzsystem und eigener Rechtsordnung. Das Gemeinschaftsrecht und das innerstaatliche, nationale Recht der Mitgliedstaaten sind „zwei selbständige, voneinander verschiedene Rechtsordnungen" 260 . Damit soll zum Ausdruck kommen, daß das sekundäre Gemeinschaftsrecht weder von der nationalen Hoheitsgewalt abgeleitet noch von ihm abhängig ist. Andererseits entfaltet das Gemeinschaftsrecht auch

250 257

258

250 2511

Vgl. z. B. Schmidt, DVBl 1972, 247 (bes. 253). Mit dieser Fixierung auf die traditionellen, nationalen Rcchtsquellen bricht erfreulicherweise Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, 1971, S. 67 ff. Fundstellen (Gründungsverträge): Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ( E G K S ) : BGBl. 1952 II S. 4 4 7 ; Europäische Atomgemeinschaft ( E A G ) : BGBl. 1957 II S. 1014, 1678; Europäisdie Wirtschaftsgemeinschaft ( E W G ) : BGBl. 1957 II S. 766, 1 6 7 8 ; (BGBl, jeweils Text in 4 Sprachen); Sartonus II, Internationale Verträge — Europarecht; WohlfarthEverling-Glaesner-Sprung, Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, 1960 (Anhang mit deutschem und französischem Text). Ipsen, (Fn. 254) S. 6, 111. BVerfGE 22, 293, 296 f.; zuletzt BVerfGE 37, 271 ( 2 7 7 ) ; BVerwGE 38, 90, 9 4 ; Ipsen, (Fn. 254) S. 62 f.

104

Fritz Ossenbiihl

im innerstaatlichen Raum unmittelbare Wirkung und überlagert und verdrängt entgegenstehendes nationales Recht261. 2. Normschichten und

Normkategorien

a) Die verschiedenen Ansätze einer Strukturierung des Gemeinschaftsrechts können hier nicht dargeboten werden 262 . Auf die Unterscheidung zwischen Primärrecht und Sekundärrecht ist bereits hingewiesen worden. Notwendig erscheint noch eine weitere Auffächerung des Sekundärrechts. b) Das Sekundärrecht umfaßt Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen (Art. 189 EWGV, Art. 161 EAGV), Empfehlungen und allgemeine Entscheidungen (Art. 14 EGKSV). Die Verordnungen haben allgemeine Geltung. Sie sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten „unmittelbar in jedem Mitgliedstaat" (Art. 189 Abs. 2 EWGV; Art. 161 Abs. 2 EAGV). So können z.B. durch Gemeinschaftsverordnungen Zahlungsansprüche des einzelnen Marktbürgers gegen einen Mitgliedstaat begründet werden, deren Entstehung auch durch innerstaatliche Haushaltsvorschriften nicht gehindert werden kann, und die die innerstaatlichen Gerichte in unmittelbarer Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu wahren haben 263 . — Richtlinien sind dagegen nach dem Wortlaut der Römischen Verträge (Art. 189 Abs. 3 EWGV; 161 Abs. 3 EAGV) für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel. Die normative Zielbestimmnug der Gemeinschaften bedarf danach noch ergänzender nationaler Rechtssetzungen über Form und Mittel der Zielverwirklichung. Dies schließt aber nicht aus, daß einer Richtlinie auch „Durchgriffcharakter" zukommt mit der Konsequenz, daß der einzelne Marktbürger sich vor nationalen Gerichten unmittelbar auf eine Gemeinschaftsrichtlinie berufen kann. Eine solche unmittelbare Wirkung der Richtlinien in Verbindung mit Ratsentscheidungen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Leber-Pfennig-Entscheidung angenommen 264 . Für Empfehlungen nach Art. 14 Abs. 3 EGKSV gilt dasselbe, weil sie kraft Legaldefinition — in freilich verwirrender Terminologie — den Richtlinien nach Art. 189 Abs. 3 EWGV entsprechen. Sekundäre Rechtsnormen sind schließlich die allgemeinen Entscheidungen i. S. der Art. 14 Abs. 2, 15 Abs. 3 EGKSV, die nicht „einen Einzelfall betreffen" 265 . 261 262 283

2M

265

BVerfGE 31, 145, 174; siehe auch unter § 4. Dazu Ipsen, (Fn. 254) S. 119. Vgl. EuGH, Urt. v. 12. 5. 1972, Rechtssache 93/71, N J W 1972, 1639 = D V B l 1973 72 (betr. Zahlung einer Schlachtprämie). EuGH, Urt. v. 6. 10. 1970 - RS 9/70, AS IX, 1 = D V B l 1971, 44 = D Ö V 1971, 310 = N J W 1970, 2182; dazu Ipsen, (Fn. 254) S. 124 ff.; Grabitz, Entscheidungen und Richtlinien als unmittelbar wirksames Gemeinsdiaftsredit, EuR 1971, 1; krit. Rambow, DVBl 1971, 46; ferner: Wägenbaur, DVBl 1972, 244. Vgl. Ipsen, (Fn. 254) S. 447 ff.; Börner, Die Entscheidungen der Hohen Behörde, 1965, S. 114 ff.; Fuß, N J W 1964, 327, 328.

Die Quellen des Verwaltungsrechts 3.

105

Fundstellen

a) Das primäre Gemeinschaftsredit ist im Bundesgesetzblatt Teil I I veröffentlicht. Nichtamtliche Textsammlung: Sartorius I I , Europarecht und internationale Verträge. b) Das sekundäre Gemeinschaftsrecht wird im Amtsblatt der Gemeinschaften publiziert.

X I . Völkerrecht Das Völkerrecht hat mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht gemeinsam, daß es als „Zwischensouveränitätenordnung" selbständig neben der staatlichen Reditsordnung steht 2 6 6 . I m Gegensatz zum Europäischen Gemeinschaftsrecht entfaltet das Völkerrecht jedoch keine unmittelbaren Wirkungen im innerstaatlichen Raum. Hierzu bedarf es vielmehr der „Umsetzung" durch innerstaatliche Normen, die nach herkömmlicher Lehre das Völkerrecht in innerstaatliches Recht umwandeln (Transformationslehre), nach einer neueren Auffassung den Charakter des Völkerrechts unangetastet lassen, es jedoch durch Anwendungsbefehl innerstaatlich in Vollzug setzen (Vollzugslehre) 2 6 7 . a) D i e „allgemeinen Regeln des Völkerrechts" sind nach A r t . 25 G G (generelle Transformation) 2 6 8 „Bestandteil des Bundesrechts". Sie binden deshalb die innerstaatlichen Behörden unmittelbar. Freilich ist die Relevanz dieser „allgemeinen Regeln des Völkerrechts" für das innerstaatliche Verwaltungsrecht gering, weil trotz zunehmender Einbeziehung der Rechtsstellung des Individuums in das Völkerrecht die „allgemeinen R e g e l n " durchweg an die Staaten adressiert sind 2 6 9 .

Dualistische Theorie: vgl. Triepel, Völkerrecht und Landesrecht 1899, unveränderter Nachdruck 1958, S. 111 ff.; Rudolf, Völkerrecht und deutsches Recht, 1967, S. 128 ff., 139 ff. mit weiteren Nachweisen. 2 , 7 Vgl. Rudolf, (Fn. 266); zur Vollzugslehre: Partsch, Die Anwendung des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht, Uberprüfung der Transformationslehre, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, 1964; die Rechtsprechung des BVerfG läßt beide Deutungen zu, vgl. den Bericht von Kimminich, AöR 93 (1968), 485, 496 ff.). 268 Transformation, Inkorporation; die Terminologie ist uneinheitlich; vgl. z . B . Maunz/DüriglHerzog, Art. 25 Rn. 6 ff.; Wolff/Bachof, VerwR I, § 2 5 IV; Menzel, Völkerrecht, 1962, S. 54 ff. 2«» Vgl. dazu etwa Partsch, Die Rechte und Freiheiten der europäischen Menschenrechtskonvention, 1966, S. 29 ff., 46 ff. 218

106

Fritz Ossenbühl

b) Anders verhält es sich dagegen mit den völkerrechtlichen Verträgen (Staatsverträge, Verwaltungsabkommen) 270 . Ihre Transformation richtet sich nach Art. 59 Abs. 2 GG. Sie erfolgt bei Staatsverträgen durch besonderes Zustimmungsgesetz und bei sog. normativen Verwaltungsabkommen durch Rechtsverordnung 271 . Im übrigen bedürfen Verwaltungsabkommen keiner besonderen Transformation, weil sie sich im Rahmen des eigenen Funktions- und Entscheidungsbereidies der Exekutive halten und deshalb durch schlichten, nicht notwendig per Verwaltungsvorschriften (Auslegungserlasse, Ermessensrichtlinien) gelenkten Vollzug im Einzelfall erfüllt werden können. Die Bindung der (innerstaatlichen) Exekutive an die Regelung des Verwaltungsabkommens mit Wirkung gegenüber betroffenen Einzelnen (im Gegensatz zum staatlichen Partner des Abkommens) wird man mit dem Institut der Selbstbindung der Verwaltung zu begründen haben. Im innerstaatlichen Verwaltungsrecht gewinnen die völkerrechtlichen Verträge namentlich durch den hohen Stand an Gastarbeitern (4 Mill.) zunehmende Bedeutung, soweit sie den status von Ausländern (z. B. Niederlassungsabkommen) außerhalb des Bereichs der EWG betreffen (vgl. § 55 Abs. 3 AuslG) 272 . Ein weiterer verwaltungsrechtlich relevanter Vertrag ist beispielsweise die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950 273 , die in der Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht nicht selten eine Rolle spielt274. §8

Rangordnung der Rechtsquellen 1 I. Notwendigkeit der Rangordnung Es gehört zum Wesen einer Rechtsordnung, daß sie eine widerspruchslose Einheit bildet; anders könnte sie ihren Zweck, eine Ordnung zu schaffen, nicht 270

271 272

273

274

1

Zur Terminologie und Begrifisabgrenzung: MaunzIDüriglHerzog Art. 59 Rn. 37; von Mangoldt/Klein, Art. 59 Anm. V; näheres bei Härle, Die völkerrechtlichen Verwaltungsabkommen der Bundesrepublik, JIR 12 (1965), 93; Rudolf, (Fn. 266) S. 222 ff. Vgl. Maunz/Dürig/Herzog Art. 59 Rn. 45. Vgl. aus der Rspr. z . B . BVerwGE 38, 90; D Ö V 1970, 341; D Ö V 1970, 856; Voscherau/Kloesel, Gewerbeausübung und Niederlassungsabkommen, D Ö V 1970, 814. Zustimmungsgesetz v. 7. 8. 1952 (BGBl. II 685), zuletzt geändert durch Protokoll Nr. 5 v. 20. 1.1966, BGBl. 1968 II S. 1120, in Kraft seit 1 0 . 1 2 . 1 9 7 1 , BGBl. 1972 II S. 105, Sartorius II, Nr. 130; Literatur: Partsch, (Fn. 269); Menzel, D Ö V 1970, 509. Z. B. BGH N J W 1966, 1021 und BGHZ 45, 46 = N J W 1966, 726, (betr. Amtshaftung; Art. 5 Abs. 5 MensdiRKonv.); O V G Münster D Ö V 1970, 344 (betr. Versammlungsfreiheit; Art. 11 MensdiRKonv.); weitere Beispiele bei Menzel, D Ö V 1970, 514 ff. Literatur: Hensel, Die Rangordnung der Rechtsquellen, insbesondere das Verhältnis von Reichs- und Landesgesetzgebung, in: H D S t R II S. 313; WolffjBacbof, V w R I, § 26; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 468 ff.

107

Die Quellen des Verwaltungsredits

erreichen. Normwidersprüche, die durch die Vielfalt der Normsetzer und Normen unvermeidbar sind, müssen deshalb aufgelöst werden. Diese kollisionsauflösende, einheitsstiftende Funktion kommt den Regeln über die Rangordnung der Normen zu. Rangprobleme treten auf, wenn zwei Voraussetzungen zusammentreffen: a) eine potentielle Doppelkompetenz (Konkurrenz zweier Normsetzer; z. B. „konkurrierende" Gesetzgebung nach Art. 74 GG), b) themenidentische, aber inhaltlich einander widersprechende Regelungen verschiedener Herkunft. II. Völkerrecht und innerstaatliches Recht Die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts" haben kraft der generellen Transformation durch Art. 25 G G im innerstaatlichen Bereich die Qualität von „Bundesrecht mit Verfassungsrang" 2 . Das nach Art. 59 Abs. 2 G G speziell transformierte Völkerrecht nimmt den Rang des Zustimmungsgesetzes ein. III. Europäisches Gemeinschaftsrecht und innerstaatliches Recht 3 Die Frage nach der Zuordnung zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht, speziell nach dem „Vorrang des Gemeinschaftsrechts", hat verständlicherweise eine kaum mehr übersehbare Diskussion ausgelöst, weil hinter dem „Vorrangproblem" letztlich die Frage steht, ob die Gemeinschaftsorgane mit dem Hebel des Rechts die europäische Integration beschleunigen können. Der derzeitige Stand der Meinungen stellt sich aus europäischer und deutscher Sicht wie folgt dar:

1. Europäisches Gemeinschaf tsrecht und innerstaatliche

Gesetze

Eine echte Kollision zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalen Gesetzen besteht bei den Gemeinschaftsnormen mit Durchgriffcharakter (z. B. Verordnungen). Diese Kollision wird vom Europäischen Gerichtshof im Sinne des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht gelöst 4 . Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck gebracht, daß die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts „im innerstaatlichen Raum unmittelbare Wirkung 2

Vgl. im einzelnen zu dem Streit um die Auslegung des Art. 25 GG von

Klein, Art. 25 Anm. V; Maunz/Dürig/Herzog,

3

4

Mangoldtj

Art. 25 Rn. 22 ff.; Partsch, Die An-

wendung des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht, 1964, S. 61 ff. Grundlegend: Zuleeg, Das Recht der europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, 1 9 6 9 ; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsredit, 1972, S. 255 ff. Entscheidende Wendung zuerst EuGH, Urteil v. 1 5 . 7 . 1 9 6 4 , Rechtssache 6/64 (Costa ./. E N E L ) , A S X 1251 (1269 f.); dazu Grossfeld, JuS 1966, 3 4 7 ; ferner: Urteil v. 1 3 . 2 . 1 9 6 9 , Rechtssache 14/68 (Farbenhersteller Walt Wilhelm u.a.), AS

XV 1 (13 ff.). Zur Rechtsprechung des EuGH: Pescatore, NJW 1969, 2065; zuletzt E u G H v. 13. 7. 1972 D Ö V 1973, 410.

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Fritz Ossenbühl

entfalten und entgegenstehendes nationales Recht überlagern und verdrängen" 5 . Diese sich immer mehr verfestigende integrationsfreundliche Auffassung ist durch das „Prinzip der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften" motiviert 6 . Aus europäischer Sicht wird die Vorrangregel exemplarisch in den Art. 189 Abs. 2 EWGV, Art. 161 Abs. 2 EAGV und Art. 14 Abs. 2 EGKSV erblickt7. Aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts wird der Vorrang aus Art. 24 Abs. 1 GG deduziert 8 , der als „Integrationshebel" nicht nur die Möglichkeit eröffnet, daß deutsche Hoheitsgewalt in supranationaler Hoheitsgewalt „aufgeht", sondern als deren Konsequenz auch die innerstaatliche Verbindlichkeit und Unantastbarkeit der supranational gesetzten Normen impliziert. Insoweit stellt sich der „Vorrang des Gemeinschaftsrechts" als Ergebnis einer Deutung der Europäischen Gemeinschaften dar, die in ihnen einen mit den herkömmlichen staatstheoretischen und völkerrechtlichen Kategorien nicht erklärbaren Verband eigener Art sieht, dessen Rechtsordnung selbständig und unabhängig vom nationalen Recht existiert, so daß die herkömmlichen Theorien über das Inkrafttreten des Vökerredits im nationalen Bereich versagen 9 . Der „Vorrang des Gemeinschaftsrechts" ist freilich nicht in dem schroffen Sinne zu verstehen, wie er in der innerstaatlichen Rechtsordnung etwa in Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht") zum Ausdruck kommt 10 . Trotz thematischer Identität (z. B. Kartellrecht) können nationale Normen und Gemeinschaftsrecht nebeneinander gelten und zur Anwendung kommen. Das nationale Recht wird nach dem „Prinzip der Funktionssicherung" jedoch insoweit verdrängt, als es „die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftskartellrechts und die volle Wirksamkeit der zu seinem Vollzug ergangenen Maßnahmen auf dem gesamten Gemeinsamen Markt beeinträchtigt" 11 . 2. Europäisches Gemeinschaftsrecht und Grundrechte12 Die Diskussion um das Problem des „Vorrangs des Gemeinschaftsrechts" steht insbesondere unter dem Eindruck, daß auch die nationalen Grundrechte 5

BVerfGE 31, 145, 174 = DVB1. 1972, 271 v. Anm. Sommer (Umsatzausgleichssteuer für Milchpulver); einschränkend BVerfGE 37, 271 betr. Grundrechte; dazu sub 2. • Vgl. Ipsen, (Fn. 3) S. 277 ff., 280 ff. 7 Ipsen (Fn. 3) S. 285. 8 Vgl. BVerfGE 31, 145, 173 f.; Ipsen, (Fn. 3) S. 285. ' Dies gilt auch für die „Vollzugslehre"; vgl. Zuleeg, (Fn. 3) S. 70 f.; Ipsen, (Fn. 3) S. 269 f. 10 Näheres bei Ipsen, (Fn. 3) S. 287 ff. 11 EuGH, Urt. v. 1 3 . 2 . 1 9 6 9 , Rechtssache 14/68 (Farbenhersteller) AS X V 1 (13 ff.); dazu Harms, in: Gemeinschaftsrecht und nationale Rechte, Kölner Schriften zum Europaredit, Bd. 13, 1971, 11/37 ff. 12 Literatur: Zieger, Das Grundrechtsproblem in den Europäischen Gemeinschaften, 1970; dazu Fuß, AöR 96 (1971), 291 ff.; ferner: Benda/Klein, Das Spannungsverhältnis von Grundrechten und übernationalem Recht, DVB1 1974, 389; Riegel,

Die Quellen des Verwaltungsrechts

109

diesem „Vorrang" weichen müssen und der „Marktbürger" dem Gemeinschaftsrecht „grundrechtsentkleidet" gegenübersteht13. Denn der nationale Richter hätte den „Vorrang des Gemeinschaftsrechts" auch gegenüber der Berufung auf Grundrechte des Grundgesetzes zu beachten, während der Europäische Gerichtshof lediglich zur Auslegung und Anwendung von Gemeinschaftsrecht und nicht von nationalem Recht kompetent ist. In der Tat hat sich der Europäische Gerichtshof zwar ausdrücklich für den Vorrang des Gemeinschaftsrechts auch gegenüber nationalen Grundrechten ausgesprochen14, aber ebenso zum Ausdruck gebracht, daß die Beachtung der „von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten" getragenen Grundrechte zu den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen" des Gemeinschaftsrechts gehören, deren Wahrung der Europäische Gerichtshof zu sichern hat 15 . Freilich wird der Europäische Gerichtshof im gegenwärtigen Stadium der Entwicklung vermutlich eher dazu neigen, grundrechtliche Bremswirkungen der Integration durch das „Prinzip der Funktionssicherung" zu überwinden 16 . Demgegenüber räumt das Bundesverfassungsgericht bei dem gegenwärtigen Stand der Integration (Fehlen eines demokratisch gewählten Parlamentes und eines Grundrechtskataloges) im Konfliktsfalle den grundgesetzlichen Grundrechtsgarantien gegenüber dem Gemeinschaftsrecht den Vorrang ein, weil die Integrationskraft des Art. 24 GG dort ende, wo das Gemeinschaf tsrecht „die Identität der geltenden Verfassung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in die sie konstituierenden Strukturen aufheben würde" 17 .

IV. Stufen der innerstaatlichen Rechtsordnung Im innerstaatlichen Bereich müssen in einer groben Sichtung zunächst drei Rechtsmassen voneinander abgeschichtet werden: Bundesrecht, Landesrecht und autonomes Recht. Bundes- und Landesrecht gehen als staatliches Recht dem autonomen Recht (z. B. kommunalen Satzungen) vor, weil sich die Autonomie

13

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17

Zum Problem der allgemeinen Grundsätze und Grundrechte im Gemeinschaftsrecht, N J W 1974, 1585; Fuß, Die Europäischen Gemeinschaften und der Rechtsstaatsgedanke, 1967, S. 53 ff. Vgl. z. B. Kupp, Die Grundrechte und das Europäische Gemeinschaftsrecht, N J W 1970, 353; BFH 93, 248 = N J W 1969, 388; zust. Anm. Zuleeg, EuR 1969, 262. EuGH AS VI/2, 885, 920 f.; EuGH, Urt. v. 17. 12.1970, Rechtssache 11/70, D Ö V 1971, 309. EuGH, Urt. v. 12. 12.1969, Rechtssache 29/69, AS X V , 419 = DVB1 1970, 612 m. Anm. Meier; Urteil v. 17.12. 1970, Rechtssache 11/70, D Ö V 1971, 309. Vgl. die vorsichtige Formulierung im Urteil vom 1 7 . 1 2 . 1 9 7 0 (wie vorige Fußnote): „Die Gewährleistung dieser (Grund-)Rechte muß zwar von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten getragen sein, sie muß sich aber auch in die Struktur und die Ziele der Gemeinschaft einfügen." Vgl. BVerwGE 37, 271, (279); dazu Rupp, N J W 1974, 2153.

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aus staatlicher Rechtsetzungsgewalt ableitet. Für das Verhältnis von Bundesrecht zu Landesrecht gilt Art. 31 G G : „Bundesrecht bricht Landesrecht" 1 7 a . Innerhalb des Bundesrechts und des Landesrechts steht die Verfassung im obersten Rang der Normenhierarchie. Ihr folgt das förmliche Gesetz und die auf formalgesetzlicher Grundlage ergehende Rechtsverordnung. Demnach ergibt sich folgende Stufung:

Grundgesetz Förmliches Bundesgesetz Bundesrechtsverordnung

Bundesrecht

Landesverfassung Förmliches Landesgesetz Landesredl tsverordnung

Landesrecht

Art. 31 G G

Autonomes Recht

Gewohnheitsrecht kann sich je nach Rechtsmaterie auf allen Stufen bilden. Es nimmt dann im Rechtsquellensystem den jeweiligen Rang ein. Normwidersprüche zwischen Rechtssätzen verschiedener Stufen werden in der Weise aufgelöst, daß die ranghöhere Norm vorgeht. Normkollisionen auf derselben Rangstufe werden im allgemeinen mit der lex specialis-Regel zu lösen sein, wenn sie sidi nicht — wie namentlich auf der Verfassungsstufe — nach dem Prinzip der Konkordanz 1 8 erklären lassen. O b auf der Stufe der Verfassung oder der förmlichen Gesetze weitere Stufendifferenzierungen getroffen werden können oder müssen, ist umstritten und in neuerer Zeit namentlich im Verhältnis von Plan- und Vollzugsgesetz sowie allgemeinem Gesetz und Einzelfallgesetz am Beispiel des Haushaltsgrundsätzegesetzes und der kommunalen Neugliederungsgesetze diskutiert worden 1 9 . Ein weiteres Sonderproblem bietet die „Einstufung" der Verwaltungsvorschriften, deren Placierung mit dem Hinweis auf den „Gesetzesvorrang" allein nidit präzise und abschließend umrissen werden kann 2 0 . 170

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19

20

Vgl. BVerfGE 26, 116 ( 1 3 5 ) ; Bundesverfassungsrecht bricht jedoch inhaltsgleiches Landesverfassungsrecht nidit ( B V e r f G E 36, 342 = DVBl. 1974, 420). Vgl. dazu Hesse, Grundzüge des Verfassungsredits der Bundesrepublik Deutschland, 7. Auflage, 1974, S. 2 0 ff. (28). V g l . W o l f f / B a c h o f , V w R I, § 2 6 I I I ; Gunter Püttner, D Ö V 1970, 3 2 2 ; Quaritsch, Das parlamentslose Parlamentsgesetz, 2. Auflage, 1961, 18 ff. Dazu ausführlich Ossenbühl, (Fn. 1) S. 473 ff.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

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§9 Geltungsbereich der Rechtsquellen I. Zeitlicher Geltungsbereich 1.

Inkrafttreten

Der Zeitpunkt des Inkrafttretens von geschriebenen Rechtsvorschriften ist häufig im jeweiligen Gesetz bestimmt. Er liegt bei Gesetzen, auf die sich die Verwaltung und der Bürger in ihren Dispositionen einstellen müssen, erheblich später als der Zeitpunkt der Verkündung1. Fehlen spezielle Regelungen über das Inkrafttreten, so gelten die allgemeinen Vorschriften, die allerdings für die einzelnen Rechtsquellenkategorien unterschiedlich aussehen2 und auch von Land zu Land verschieden sind3. Gesetze und Rechtsverordnungen im Bunde wie auch in den meisten Ländern treten 14 Tage nach der Verkündung in Kraft.

2.

Außerkrafttreten

Für das Außerkrafttreten von Normen gelten insbesondere folgende Tatbestände. a) Rechtsvorschriften treten infolge Zeitablaufs außer Kraft, wenn die Rechtsquelle selbst befristet ist oder in ihrer Geltungsweise durch andere Rechtsquellen begrenzt wird. Beispiele sind die Gesetze des Gemeinsamen Ausschusses (Art. 115 k Abs. 2 GG) sowie Polizei- und Ordnungsverordnungen4. b) Im Regelfall werden Rechtsvorschriften durch formelle Aufhebung in jüngeren Gesetzen außer Kraft gesetzt. Häufig werden die aufgehobenen Vorschriften genau bezeichnet5; zuweilen wird aber auch dem neu erlassenen Gesetz eine Generalklausel eingefügt, die besagt, daß alle entgegenstehenden oder gleichlautenden Bestimmungen außer Kraft treten. Solche Generalklauseln sind positivrechtlicher Ausdruck des allgemein geltenden Satzes: lex posterior derogat legi priori6. 1 2 3

4

5 6

Z.B. § 189 BBauG. Vgl. z. B. Art. 82 Abs. 2 GG; § 36 OBG NW, § 36 PrPVG, § 25 SOG NS. Vgl. z.B. Art. 126 LV Bremen (Inkrafttreten am Tage nach der Verkündung); Art. 71 Abs. 3 LV NRW (14 Tage nadi Verkündung). Längste Geltung 20 Jahre (§ 34 I OBG NW, § 42 PVG, § 62 II LVwG Sdil-H) bzw. 30 Jahre (§ 42 Hess SOG, § 23 SOG NS, § 23 OBG NS). Vgl. z.B. § 184 BBauG. Zur Bedeutung der lex posterior-Regel: Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht,

1972, S. 264 ff.; 278 ff.; Renck, JZ 1970, 770.

112

Fritz Ossenbühl

c) Bei Untergang des gesetzgebenden Hoheitsträgers gilt die Rechtsordnung im allgemeinen fort. Sonderregelungen gelten im Bereich des autonomen Rechts7 und der Polizei- und Ordnungsverordnungen 8 , wenn infolge von Gebietsänderungen einzelne gesetzgebende Instanzen wegfallen und in anderen Hoheitsträgern aufgehen. 3.

Rückwirkung9

Verwaltungsrechtliche Vorschriften haben im allgemeinen keine rückwirkende Kraft. Nicht selten greifen sie jedoch abändernd in bereits vergangene und abgewickelte Tatbestände ein, etwa in der Weise, daß durdi nachträglich eingeführte Stichtagsregelungen bereits entstandene Ansprüche gegen den Staat wieder entfallen. Es liegt auf der Hand, daß solche rückwirkenden Gesetze unter dem Aspekt der rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verfassungsrechtlich problematisch sind. Nach einer inzwischen durdi eine lange Reihe von Entscheidungen gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts10 sind belastende Gesetze, die abgeschlossene Tatbestände rückwirkend erfassen, regelmäßig „unvereinbar mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit, zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit gehört, die ihrerseits für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet". Echte (retroaktive) Rückwirkung in diesem Sinne liegt vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift; dies steht im Gegensatz zur Einwirkung auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen (sog. unechte, retrospektive Rückwirkung) 11 . Ausnahmen von dem Verbot der retroaktiven Rückwirkung gelten nur in den Fällen, in denen das Vertrauen des Bürgers auf eine bestimmte Rechtslage nicht schutzwürdig, weil sachlich nicht gerechtfertigt ist. Solche Ausnahmesituationen hat das Bundesverfassungsgericht in folgenden Fallgestaltungen erblickt 12 : a) Der Bürger mußte nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den zurückbezogen wird, mit der Neuregelung rechnen, z. B. weil die bestehende Regelung nur vorläufigen Charakter hat. 7

8 9

10 11 12

Z.B. § 15 GO N W (Regelung der Überleitung von Ortsredit in den Gebietsänderungsverträgen). Z. B. § 39 O B G N W . Literatur: Friedrich Klein/Günther Barbey, Bundesverfassungsgericht und Rückwirkung von Gesetzen, 1964; Kisker, Die Rückwirkung von Gesetzen, 1963; Kimminicb, Die Rückwirkung von Gesetzen, J Z 1962, 518. Aus der Rechtsprechung ausführlich und lehrreich: BVerfGE 30, 367, 385 (Stichtagsregelung im B E G ) ; ferner zuletzt BVerfGE 32, 111, D Ö V 1972, 2 3 2 (Ausschluß der „Osterreichfälle" von der Entschädigung nach dem L A G ) . Seit der Wende BVerfGE 13, 2 7 0 ; zuletzt BVerfGE 30, 367 (385). Vgl. BVerfGE 30, 367, 386. BVerfGE 30, 367, 387 ff.

Die Quellen des Verwaltungsrechts

113

b) Die geltende Rechtslage ist unklar und verworren oder lückenhaft oder in dem Maße systemwidrig und unbillig, daß ernsthafte Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit bestehen. In diesen Fällen erfordert das Rechtsstaatsprinzip selbst eine rückwirkende Klärung. c) Ein Vertrauensschutz des Bürgers muß dann zurücktreten, wenn rückwirkende Gesetze ihm keinen oder nur einen ganz unerheblichen Schaden zufügen. d) Schließlich sind zwingende Gründe des gemeinen Wohls denkbar, die dem Vertrauensschutz vorgehen und deshalb eine Rückwirkung rechtfertigen können. 4. Fortgelten

vorkonstitutionellen

Rechts

Vorkonstitutionelles Recht ist Recht, welches aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes stammt. Der Grundgesetzgeber stand vor der Frage, ob und mit welchem Charakter und Rang jenes Recht in der grundgesetzlichen Ordnung weitergelten sollte. Dieses Problem hat zwei Seiten. Die inhaltlichmaterielle Seite regelt Art. 123 Abs. 1 GG, wonach vorkonstitutionelles Recht nicht fortgilt, soweit es dem Grundgesetz widerspricht. Die Kompetenz- und Rangfrage regeln die Art. 124, 125 GG, die für die Einordnung vorkonstitutioneller Vorschriften in das heutige Rechtsquellensystem an die grundgesetzliche Legislativkompetenz anknüpfen. Reichsgesetze, die Materien regeln, welche nach dem Grundgesetz in die Legislativkompetenz der Länder fallen, gelten danach als Landesgesetze fort (z.B. Reichstheatergesetz vom 15. Mai 1934). Die Kompetenz für künftige Gesetzänderungen liegt also beim Landesgesetzgeber. II. Räumlicher Geltungsbereich13 Der räumliche Geltungsbereich eines Gesetzes deckt sich im allgemeinen mit dem Zuständigkeitsbereich des gesetzgebenden Hoheitsträgers (z. B. Bund, Land, Gemeinde). Denkbar ist aber auch, daß der räumliche Geltungsbereich beschränkt wird; dann entsteht partielles Bundes- oder Landesrecht. Zu einem Nebeneinander partiell unterschiedlichen Kommunalrechts auf der Satzungsebene kommt es namentlich bei den z. Z. aktuellen Gebietsänderungen und den damit zusammenhängenden Vereinigungen mehrerer bislang selbständiger Hoheitsträger 14 . 13

14

8

Literatur: Vogel, 1965. Vgl. oben I.2.c).

Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm,

Allgemeines Verwaltungsredit

114

Fritz Ossenbühl

III. Persönlicher Geltungsbereich Der persönliche Geltungsbereich einer Rechtsnorm knüpft im allgemeinen an den räumlichen Geltungsbereich an. Danach richten sich die Rechtsnormen an alle, die es im territorialen Geltungsbereich angeht. Dies gilt ohne Rücksicht auf Wohnsitz, Nationalität oder Art des Rechtssubjekts. Normen des Landespolizeirechts verpflichten deshalb Ausländer 1 5 in gleicher Weise wie andere inländische Hoheitsträger (z. B. den Bund) 1 6 . Rechtsnormen von Hoheitsträgern ohne territoriales Substrat (z. B. Personalverbände) wenden sich an die betreffenden Mitglieder.

15 16

Ausnahme: Exterritorialität der Diplomaten. Vgl. zu diesem ausgiebig diskutierten Problem Götz, Allgemeines PolizeiOrdnungsredit, 3. Aufl. 1975, S . 89 f. mit weiteren Nachweisen.

und

DRITTER TEIL

Das Verwaltungshandeln von Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens §10 Verwaltungshandeln und Verwaltungsrechtsverhältnis I. Übersicht Nicht selten bedienen sich die Träger öffentlicher Verwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben der Handlungsformen des Privatrechts1. So beschäftigen sie Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes auf der Grundlage privatrechtlicher Dienstverträge. Zur Deckung ihres Sachbedarfs schließen sie Kaufverträge. In diesen Fällen handelt es sich um Rechtsverhältnisse des privaten Rechts zwischen öffentlicher Verwaltung und Bürger. Man versteht im Privatrecht unter einem Rechtsverhältnis rechtliche Beziehungen zwischen Personen als Rechtssubjekten, deren wesentliche Elemente Rechte und ihnen korrespondierende Pflichten sind2. Häufig wird die öffentliche Verwaltung jedoch auf dem Boden des für den Staat und seine Untergliederungen geltenden Sonderrechts tätig. Ihr stehen dann besondere Handlungsformen des öffentlichen Rechts zu Gebote. Als Instrumente genereller und abstrakter Regelungen kommen Rechtsverordnung, Verwaltungsvorschrift, Sonderverordnung und Satzung in Betracht. Sie sind bereits ausführlich dargestellt worden3. Zur Regelung von Einzelfällen stellt das geltende Verwaltungsrecht der Verwaltung den Verwaltungsakt, die Einzelweisung und den verwaltungsrechtlichen Vertrag zur Verfügung. Sie sind anschließend zu behandeln. Der Erörterung bedürfen schließlich Planung und Plan der Verwaltung und ihre tatsächlichen Handlungen (z. B. Bau und Unterhaltung öffentlicher Straßen), soweit sie als hoheitlidie Realakte nach Maßgabe des öffentlichen Rechts vorgenommen werden.

1 2 3

Vgl. oben § 2 III und unten §§ 31 f. Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts, 2. Auflage 1972, § 12. Vgl. oben § 7 I I I - V I .

116

H a n s - U w e Eridisen und W o l f g a n g Martens

II. Das Verwaltungsrechtsverhältnis Verwaltungsrechtsverhältnisse können einmal zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung bestehen. Aber auch dort, wo die Verwaltung dem Bürger öffentlich-rechtlich handelnd gegenübertritt, werden Rechtsverhältnisse begründet, verändert und beendet. Solche Verwaltungsrechtsverhältnisse, denen eine über das übliche Maß hinausgehende rechtliche Verdichtung der verwaltungsrechtlichen Beziehungen eignet, bestehen zwischen Verwaltung und Bürger in einer Vielzahl von Fällen. Sonderverbindungen zwischen Verwaltung und Bürger können indes nicht nur und ausschließlich nach Maßgabe öffentlichen Rechts begründet, inhaltlich gestaltet und beendet werden, wie es beispielsweise beim Beamten- und Strafvollzugsverhältnis der Fall ist; sie können auch wahlweise öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich geordnet sein, wie es etwa viele der unten 4 im einzelnen behandelten Anstaltsnutzungsverhältnisse zeigen 5 . 1. Die Begründung von

Verwaltungsrechtsverhältnissen

Verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen können einmal unmittelbar aufgrund Rechtssatzes unabhängig von einem final darauf gerichteten Verhalten der Beteiligten Zustandekommen. Unabhängig vom Willen der Beteiligten entstehen verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen z. B. aufgrund gesetzlich festgelegter Anzeige- und Auskunftspflichten 6 oder durch gemeindliche Satzungen, die einen Anschluß- und Benutzungszwang begründen. Sie entstehen bei Schadenszufügung im Rahmen von § 839 BGB, Art. 34 G G : hier wird zwischen der haftenden Körperschaft und dem Geschädigten ein zum Schadensersatz verpflichtendes Rechtsverhältnis begründet 7 . Verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen entstehen unmittelbar aufgrund objektiven Rechtssatzes auch bei Fehlen oder Wegfall des rechtlichen Grundes für eine Leistung — Erstattungsverhältnis 8 — oder bei der Rechtsbeeinträchtigung durch Verwaltungsakt oder verwaltungsrechtlichen Realakt — allgemeiner Beseitigungsanspruch 9 . Verwaltungsreditliche Sonderverbindungen können weiter durch Verwaltungsakt, also durch ein auf Begründung eines solchen Rechtsverhältnisses gerichtetes einseitig hoheitliches Verhalten der Verwaltung begründet werden. So entsteht etwa eine verwaltungsrechtliche Sonderverbindung, wenn dem Bürger durch Ordnungs- oder Polizeiverfügung aufgegeben wird, eine Gefahr 4 5

6

Vgl. § 44. Vgl. zum Verwaltungsreditsverhältnis 158 ff.; Forsthoff, V w R , S. 177 ff.

auch Henke,

VVDStRL

28

(1970),

149,

Vgl. §§ 6, 24 BSeuchG, 9 ViehseudiG, 11 FleisdibeschauG, 16 f. PstG (Anzeigepflicht); §§ 46 W a f f G , 36 BSeuchG, 73 ViehseudiG, 116 B S H G (Auskunftspflicht). 7 Vgl. dazu im einzelnen unten § 51 II. 8 D a z u unten § 18 III. • Vgl. dazu im einzelnen unten § 53 V .

117

Das Verwaltungshandeln

für die öffentliche Sicherheit zu beseitigen. Wenn z. B. die Polizei ein Motorrad wegen Diebstahlverdachts sicherstellt, so begründet sie dergestalt durch Verwaltungsakt ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis10. Auch Anstaltsnutzungsverhältnisse werden nach ganz überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur in der Regel durch Verwaltungsakt begründet11. Die einseitige Begründung einer verwaltungsrechtlichen Sonderverbindung kann indes nicht nur durch Verwaltungsakt, sondern auch durch ein Verhalten entstehen, welches auf die Wahrnehmung fremder Interessen gerichtet ist. Hinzuweisen ist auf die Fälle der Geschäftsführung mit (gesetzlichem)12 oder ohne Auftrag 13 . Neben der Möglichkeit einseitig eine verwaltungsrechtliche Sonderverbindung zu begründen, steht die Möglichkeit, zwei- oder mehrseitig durch darauf gerichtete Einigung, d. h. durch verwaltungsrechtlichen Vertrag ein solches Rechtsverhältnis zu konstituieren. 2. Die

Rechtsfähigkeit

Die Zuordnung von Rechten und Pflichten aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis setzt voraus, daß dem Zuordnungssubjekt Rechtsfähigkeit zukommt. In der wissenschaftlichen Diskussion der Rechtsfähigkeit14 unterscheidet man Vollrechtsfähigkeit und Teilrechtsfähigkeit. Zuweilen wird auch der Begriff der Rechtssubjektivität einbezogen, verstanden als „Eigenschaft eines Menschen oder eines anderen sozialen Substrats, Zuordnungssubjekt mindestens eines Rechtssatzes zu sein" 15 . Vollrechtsfähigkeit ist immer dann gegeben, wenn die Rechtsordnung „Rechtsfähigkeit" zuerkennt, wie das in § 1 BGB für den Menschen geschehen ist. Vollrechtsfähigkeit kommt neben ihm auch juristischen Personen des privaten wie des öffentlichen Rechts zu 16 . Vollrechtsfähigkeit bedeutet jedoch nicht etwa die Fähigkeit, Träger aller denkbaren Rechte oder Pflichten zu sein. So können beispielsweise juristische Personen nicht Träger familienrechtlicher Rechte und Pflichten sein. Und gemäß Art. 19 Abs. 3 GG 18

11

1!

13

14

15

Vgl. LG Köln N J W 1965, 1440; dazu Menger und Ericbsen, 73; Bender, Staatshaftungsrecht, 2. Auflage 1974, Rn. 194.

OVG Rheinl.-Pf. DÖV 1967, 169; Hans J.Wolff, (Fn. 10) Rn. 184; Badura, JuS 1966, 17, 19.

VerwArch. 57 (1966),

VwR II, §99 l i l a ; Bender,

Z. B. § 1 Abs. 3 Gesetz über die Errichtung d. Bundesverwaltungsamtes vom 28.12. 1959, BGBl. I, 829; §§ 103 ff. BSHG; vgl. Simons, Leistungsstörungen verwaltungsreditlidier Sdiuldverhältnisse, 1967, S. 68. Z . B . den gesetzlich geregelten Fall der GoA in § 1 2 1 BSHG; Simons (Fn. 12) S. 68; des weiteren vgl. unten § 30 II. Vgl. etwa Hans J. Wolf}, Organschaft und Juristische Person Bd. 1, 1933, §§ 7 f.; Bachof, AöR 83 (1958), 208 ff.; Fabricius, Die Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963; E. W. Bötkenförde in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 269 ff.

So Wolff-Bachof, VwR I, § 32 III a. Vgl. Bachof, AöR 83 (1958), 263.

118

Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

gelten die Grundrechte für inländische juristische Personen nur, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind 17 . Für das Verwaltungsrechtsverhältnis besonders wichtig ist die Einsicht, daß auch die natürliche Person im öffentlichen Recht nicht Träger aller Rechte sein kann. So kann sie nicht als solche, sondern immer nur als Amtswalter hoheitliche Befugnisse ausüben. Bezugspunkt der Vollrechtsfähigkeit ist die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit und auch hier nur die Fähigkeit, Rechtssubjekt im vermögensrechtlichen, haftungsrechtlichen und zivilprozessualen Bereich zu sein 18 . Daraus folgt, daß sich mit der Vollrechtsfähigkeit natürlicher und juristischer Personen nicht notwendigerweise ihre Fähigkeit verbindet, Zuordnungssubjekt verwaltungsrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein. Zwar steht ihnen in der Regel weitreichende, nicht einer besonderen Einzelzuweisung bedürftige Rechtsfähigkeit auch im Bereich des Verwaltungsrechts zu, doch muß das nicht der Fall sein. Das läßt sich beispielhaft an Bundesbahn und Bundespost verdeutlichen: Beide sind gemäß §§ 1, 2 Abs. 1 BBahnG, §§ 3, 4 PostverwaltungsG selbständige Sondervermögen mit voller Rechtsfähigkeit im vermögensrechtlichen, haftungsrechtlichen und prozessualen Bereich, ohne daß ihnen verwaltungsrechtliche Rechtsfähigkeit zukommt 19 . Teilrechtsfähigkeit liegt demgegenüber dann vor, wenn Rechtssubjektivität in bezug auf einen bestimmten Bereich oder auf bestimmte Angelegenheiten, u. a. auch nur eine ganz bestimmte Angelegenheit zuerkannt wird 20 . So kann z. B. gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 GastG eine Gaststättenerlaubnis auch nicht rechtsfähigen Vereinen erteilt werden. Regelungen dieser Art, die organisierte Personen- und/oder Sachgesamtheiten zu Zuordnungssubjekten einzelner Rechte und Pflichten machen, finden sich im Verwaltungsrecht häufiger 21 . Solchen Gesamtheiten kommt insoweit Teilrechtsfähigkeit zu. Dem tragen § 61 Nr. 2 V w G O und § 11 Nr. 2 E V v V f G 1973 Rechnung, indem sie Vereinigungen für beteiligtenfähig erklären, soweit ihnen ein Recht zustehen kann.

3. Die verwaltungsrechtliche

Handlungsfähigkeit

Die rechtlich zuerkannte Fähigkeit einer Person, selbst durch ein Verhalten Rechtsfolgen herbeizuführen, knüpft an die natürliche Zurechnungsfähigkeit an, die sich aus dem Lebensalter und dem damit vermuteten Vorhandensein bestimmter geistiger Fähigkeiten ergibt. So unterscheidet das B G B nach der Art des rechtlich erheblichen Verhaltens zwischen Geschäfts- und Deliktsfähigkeit 17

18

Vgl. zur Tragweite des Art. 19 Abs. 3 GG die Erläuterungen von v. Mutius in: BK (Zweitbearbeitung) mit umfassenden weiteren Nachweisen. Vgl. E. W. Böckenförde (Fn. 14) S. 304; Bachof, AöR 83 (1958), 266 f.

(Fn. 14) S. 305.

19

E. W. Böckenförde

20

Vgl. Hoppe, Organstreitigkeiten vor den Verwaltungs- und Sozialgeriditen, 1970, S. 167, der hier von punktueller Rechtsfähigkeit spricht. Vgl. z. B. §§ 1 Abs. 1 Nr. 5 und 6 KStG; 3 PartG; 2 Abs. 1 VereinsG.

21

119

Das Verwaltungshandeln

und trifft dafür verschiedene Regelungen in §§ 104 ff. einerseits und §§ 827 f. andererseits. Im Verwaltungsrecht fehlen Regelungen dieses allgemeinen Zuschnitts. Es gibt demgegenüber eine Vielzahl von Sonderregelungen über die Fähigkeit zur Vornahme verwaltungsrechtlich erheblicher Handlungen. So kann etwa der Mensch mit 14 Jahren über sein religiöses Bekenntnis entscheiden22, ist er mit 16 Jahren berechtigt, die Feuerbestattung anzuordnen23 und kommt ihm mit 18 Jahren das Wahlrecht zu 24 . Hinsichtlich jener Vorschriften, die Altersgrenzen als Voraussetzung für die Erteilung einer behördlichen Erlaubnis festsetzen, wie z. B. § 7 Abs. 1 StVZO, nach der auch Minderjährigen von einem bestimmten Alter an ein Führerschein erteilt werden darf, ist umstritten, ob sie „öffentlich-rechtliche Geschäftsfähigkeitsregelungen" darstellen, so daß der Minderjährige selbständig antragsbefugt und prozeßfähig ist 25 , oder ob sie lediglich Altersgrenzen für das Erlaubtsein der natürlichen Handlung, etwa des Autofahrens bestimmen26. Im Verwaltungsrecht besteht neben dem Mangel einer allgemeinen gesetzlichen Regelung der Fähigkeit, Rechtsfolgen zu begründen, auch terminologische Unklarheit. So verwendet Hans J . Wolf! 27 als allgemeinen Begriff den der „Wirkungsfähigkeit", dem er als Unterbegriffe „Handlungs-, Willens-, Geschäfts-, Verfügungs-, Delikts-, Wahl-Fähigkeit usw." unterordnet. Forsthoff 28 definiert die „Geschäftsfähigkeit" als „Fähigkeit zu Willenserklärungen und rechtlich relevanten Handlungen" und verwendet sie damit als Oberbegriff. Der Begriff „Geschäftsfähigkeit" findet sich indes nicht in verwaltungsrechtlichen Vorschriften29. Es ist auch zu bedenken, daß unter Geschäftsfähigkeit vom Wortsinn her nur die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte selbständig vornehmen zu können 30 , zu verstehen ist, so daß die Ausübung des Wahlrechts, die Bestimmung des religiösen Bekenntnisses oder deliktisches Verhalten sich nur schwer dieser Begrifflichkeit zuordnen lassen. Als Oberbegriff ist daher, wie im BGB, der der Handlungsfähigkeit anzuwenden31. Diesem können die einzelnen nach 22 23 24

25

§ 5 S. 1, 2 RelKErzG. § 5 FeuerbG. § 12 Abs. 1 BWahlG iVm. Art. 38 Abs. 2 GG; §§ 6 Abs. 2 GO N W iVm. 7 Abs. 1 KomWGG NW. So Bay VGH VerwRspr 9, 385; BVerwG MDR 1966, 442 = VerwRspr 18, 199;

vgl. Wolff-Bachof, VwR I, § 32 Vc.

2B

27 28 29

30 31

So Middel, S. 45 ff.

öffentlidi-reditlidie

Willenserklärungen von Privatpersonen,

1971,

Wolff-Bachof, VwR I, § 32 Vb.

VwR, S. 181. Begründung zu § 1 2 EVwVfG 1973, S. 43; a. A. Middel Hinweis u. a. auf § 62 Abs. 1 Nr. 2 VwGO.

Larenz (Fn. 2) S. 73.

(Fn. 26) S. 40 unter

Vgl. auch die Formulierung in § 77 Nr. 2 LVwG Sdil.-Holst. und § 12 Nr. 2 EVwVfG 1973.

120

Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

der Art des jeweiligen rechtsfolgebedingenden Verhaltens kategorisierten Fähigkeiten, wie Wahl-, Verfügungs-, Deliktsfähigkeit etc., untergeordnet werden. Die Beschränkung des öffentlichen Rechts auf Sonderregelungen wirft das Problem auf, welche Regelungen auf Fälle anzuwenden sind, für die solche öffentlich-rechtlichen Spezialnormen nicht bestehen. Es gibt im öffentlichen Recht einzelne Verweise auf die §§ 104 ff. BGB, wie in § 102 Abs. 1 AO für das Steuerrecht und § 62 Abs. 1 VwGO für das Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten. Nach überwiegender Ansicht wird darüber hinaus bei fehlender öffentlich-rechtlicher Sonderregelung die Fähigkeit, durch darauf gerichtete Willenserklärungen Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts zu begründen, in unmittelbarer 32 oder sinngemäßer33 Anwendung der §§ 104 ff. BGB beurteilt. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, daß die natürlichen Tatsachen, von denen die Zuerkennung der „Geschäftsfähigkeit" abhänge, gleichermaßen im öffentlichen Recht und Privatrecht relevant seien34. So verweisen auch § 77 Nr. 1, 2 LVwG Schl.-Holst. und § 12 Nr. 1, 2 EVwVfG 1973 auf die allgemeinen Regelungen des BGB. Nach abweichender Auffassung sollen die §§ 104 ff. BGB nur bei öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen mit vermögensrechtlichen Inhalten (Steuererklärung, Antrag auf eine gewerbliche Konzession etc.) angewandt werden35, da auch im Zivilrecht die §§ 104 ff. BGB bei höchstpersönlichen Willenserklärungen des Familien- und Erbrechts nicht strikt Anwendung finden36. Bezüglich der höchstpersönlichen Willenserklärungen des öffentlichen Rechts ist nach dieser Ansicht jeweils in Analogie zu den §§ 104 ff. BGB oder zivilrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Sondervorschriften zu entscheiden. Hinsichtlich der Begründung verwaltungsrechtlicher Rechtsfolgen durch sonstiges tatsächliches, etwa deliktisches Verhalten, kann, sofern öffentlich-rechtliche Regelungen nicht bestehen, wenn die Rechtsfolgen strafähnlichen Charakter haben, auf das Strafrecht, etwa auf § 3 JGG 3 7 , wenn sie in vermögensrechtlicher Haftung bestehen, auf die §§ 827, 828 BGB zurückgegriffen werden. Da die Zuerkennung der Handlungsfähigkeit an die natürliche Zurechnungsfähigkeit (Alter, Einsichtsfähigkeit) anknüpft, kommt sie primär nur natürlichen Personen zu. Aber auch juristischen Personen und sonstigen rechtsfähigen Personen- und Sachgesamtheiten muß die Möglichkeit gegeben sein, selbst Rechtsfolgen begründen zu können. Das wird rechtstechnisdi dadurch ermöglicht, daß natürliche Personen als Organe für diese Rechtsgebilde handeln 32

33 34 35

37

So Hans J. Wolf}, V w R I, 8. Auflage 1971, § 3 3 V I I ; anders nunmehr WolffBachof, V w R I, § 33 VII. Middel (Fn. 26) S. 148 Fn. 17. Forsthoff, VwR, S. 181. Schwarz, Gem. Tag 1963, S. 145. Middel (Fn. 26) S. 154 f. unter Hinweis auf die Ehelichkeitsanfechtung, § 1 5 9 5 Abs. 1 S. 2, Aufhebung und Rüdetritt beim Erbvertrag, §§ 2290 Abs. 2 S. 2, 2296 Abs. 1 S. 2, Testierfähigkeit, § 2 2 2 9 Abs. 1, 2 BGB. Forsthof}, V w R , S. 182.

Das Verwaltungshandeln

121

und deren Verhalten der Organisation als eigenes Verhalten zugerechnet wird (sogenannte organschaftliche Vertretung), wie das z. B. bei den §§ 89, 31 BGB der Fall ist. Die Vertretungsmacht der Organe richtet sich nach der rechtlichen Ausgestaltung der jeweiligen Organisation, bei Staatsorganen nach ihrer organisationsrechtlich begründeten Zuständigkeit. 4. Der Inhalt von

Verwaltungsrechtsverhältnissen

Was den Inhalt der Rechte und Pflichten angeht, so erhält das Verwaltungsrechtsverhältnis zwisdien Verwaltung und Bürger sein Gepräge dadurch, daß den an ihm beteiligten Rechtssubjekten ein je eigener und prinzipiell verschiedenartiger Status zukommt. Insoweit unterscheidet sich das Verwaltungsrechtsverhältnis grundlegend vom privatrechtlichen Rechtsverhältnis. Hauptleistungspflichten werden in aller Regel durch den Begründungsakt bestimmt. So wird etwa durch eine Ordnungsverfügung die Verpflichtung zu einem bestimmten, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit beseitigenden Verhalten festgelegt, werden durch Einigung, wie etwa beim verwaltungsrechtlichen Austauschvertrag, die Beteiligten gehalten, einander bestimmte Leistungen zu erbringen. Wird die verwaltungsrechtliche Sonderverbindung durdi Anwendung eines Rechtssatzes auf einen konkreten Sachverhalt begründet, so beschreibt die Rechtsfolge des Rechtssatzes — häufig in Verbindung mit anderen Normen — den Inhalt der Rechte und Pflichten der verwaltungsrechtlichen Sonderverbindung. So entsteht etwa eine einen Träger öffentlicher Verwaltung zur Leistung von Schadensersatz in bestimmter Höhe verpflichtende verwaltungsrechtliche Sonderverbindung durch Anwendung der § 839 BGB, Art. 34 GG in Verbindung mit §§ 249 ff. BGB auf einen konkreten Sachverhalt. Häufig finden sich solche Regelungen auch in Satzungen. So ergehen viele Anstaltsnutzungsordnungen in Form einer Satzung. Sie müssen diese Form beachten, wenn nach Maßgabe der Gemeindeordnungen Anschluß- und Benutzungszwang 38 für gemeindliche Einrichtungen wie etwa Friedhof 39 , Schlachthof 40 , Wasserversorgung 41 , Energieversorgung 42 festgelegt wird 43 . Vielfach wird in dieser Satzung auch der Inhalt des Nutzungsverhältnisses und damit u. a. der Hauptleistungspflichten geregelt. Zahlreich sind die Regelungen über den 39

Vgl. dazu z.B. § 1 9 nw GO; §11 bw GO; § 8 nds. GO; § 2 2 rhpf GO; § 1 9 Abs. 2 hess GO; Art. 24 bay GO; Rauball, Johannes und Reinhard, Gemeindeordnung für NRW, 2. Auflage 1974, S. 130 f.; Gönnenwein, Gemeinderedit, S. 514 f.; Klüber, Das Gemeinderecht in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 93 f. » Vgl. etwa OVG Münster OVGE 25, 106 f. 40 Vgl. etwa BGHZ 61, 7; OVG Münster OVGE 18, 71, 76. 41 Vgl. BGHZ 59, 303, 307. 42 Vgl. LG Frankfurt MDR 1970, 843. 43 Vgl. Fn. 38.

122

Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

Inhalt von Anstaltsnutzungsverhältnissen in sog. Ordnungen, Nutzungsverordnungen, Nutzungsvorschriften oder wie sie auch immer genannt sein mögen, die unter Bezug auf die sog. Anstaltsgewalt ergehen. Für einige verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen finden sich, soweit es die Hauptleistungspflichten angeht, keine ausdrücklichen Regelungen im Verwaltungsrecht. Hinsichtlich der weiteren Verhaltens- und der sekundären Leistungspflichten44 — z. B. Schadensersatzpflichten — bestehen ebenfalls Regelungslücken. Auch der E V w V f G 1973 trifft hier keine Regelung; er sieht jedoch in § 59 für den verwaltungsrechtlichen Vertrag die ergänzende entsprechende Anwendung der Vorschriften des B G B vor. Um die Lücken auch in anderen Fällen zu füllen, in denen „ein besonders enges Verhältnis des einzelnen zur Verwaltung begründet worden ist und mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis für eine angemessene Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts vorliegt" 45 , bedienen sich Rechtsprechung und Schrifttum der Regelungen des B G B über das Schuldverhältnis. Dabei gehen die Auffassungen darüber auseinander, ob diese analog anzuwenden sind 46 , oder ob die in den Vorschriften des B G B zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken 47 hier Bedeutung gewinnen 48 . Mögen die Methoden der Rechtsgewinnung auch unterschiedlich sein, die gewonnenen Ergebnisse stimmen weitgehend überein 49 . Die — analoge oder rechtsgrundsätzliche — Heranziehung von BGB-Vorschriften beschränkt sich in Rechtsprechung und Schrifttum auf verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen vermögensrechtlicher Art, die zivilrechtlichen Schuldverhältnissen gleichen. Darüber hinaus gibt es indes — wie aus den oben genannten Beispielen bereits ersichtlich geworden ist — eine Fülle sonstiger verwaltungsrechtlicher Sonderverbindungen nicht vermögensrechtlicher Art50. Sie sind bisher als solche wenig — manche meinen zu wenig 51 — in das Blickfeld der Verwaltungsrechtsdogmatik geraten. Aus dieser Feststellung darf allerdings nicht gefolgert werden, daß es hinsichtlich dieser Rechtsverhältnisse an jeder, über die Bestimmung der Hauptleistungspflichten hinausgehenden rechtlichen Ordnung fehle. Vielmehr sind die einschlägigen Regelungen, ausgehend von jenen verwaltungsrechtssystematischen Determinanten entwickelt worden, die auch die Gliederung des vorliegenden Buches bestimmen. Aus die44 43 48 47 48

Zur Terminologie vgl. Larenz, Lehrbuch des Schuldredits Bd. I, 10. Auflage 1970, S. 7. So BGHZ 21, 214; 54, 299; 59, 303. So etwa RGZ 65, 117. So BGHZ 59, 303, 305; Wolff-Bachof, VwR I, § 44 III b; Bender, (Fn. 10) Rn. 199. Vgl. dazu Hermann Weber, JuS 1970, 169, 170; Simons (Fn. 12) S. 84 f.; Papier, Die Forderungsverletzung im öffentlichen Redit, 1970, S. 17 f.; BVerwGE 13, 17, 22.

49 50 51

Vgl. auch Stürner, JuS 1973, 749, 750. Vgl. auch Wolff-Bachof, VwR I, § 44 I. Vgl. Bachof, VVDStRL 30 (1972), 193, 231 f. m.w.N. in Fn. 172; Reditsformen des Verwaltungshandelns, 1974, S. 110.

Krause,

Das Verwaltungshandeln

123

sem Grunde sind auch die Rechte und Pflichten der auf Seiten der öffentlichen Verwaltung beteiligten Rechtssubjekte hier nicht abzuhandeln. Sie sind Gegenstand des gesamten vorliegenden Buches52. Ebenso verhält es sich mit den Pflichten des einzelnen, die durch Verwaltungshandeln begründet, konkretisiert oder aktualisiert werden 63 . Dagegen müssen die Berechtigungen der Bürger, seine subjektiven öffentlichen Rechte im vorliegenden Zusammenhang erörtert werden. 5. Die subjektiven öffentlichen Rechte Dem Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts kommt in einem rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht eine außerordentlich große Bedeutung zu. Das subjektive öffentliche Recht ist nämlich diejenige Rechtsfigur, die den einzelnen aus seiner Rolle als bloßes Objekt hoheitlichen Waltens befreit und in den Status eines Rechtssubjekts erhoben hat, das den Trägern öffentlicher Gewalt anspruchsberechtigt gegenübertritt, von ihnen also ein Tun, Dulden oder Unterlassen verlangen kann. Demjenigen, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, eröffnet dementsprechend Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG den Rechtsweg64. Und daran anknüpfend, bestimmt für den verwaltungsgerichtlichen Prozeß § 42 Abs. 2 VwGO, daß vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig sind, wenn der Kläger geltend macht66, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Der so vorgenommenen Begrenzung der sog. Klagebefugnis entspricht es, daß die Begründetheit der Klage nicht nur objektive Rechtswidrigkeit, sondern darüber hinaus eine Rechtsverletzung des Klägers voraussetzt (§113 Abs. 1 und 4 VwGO). Bei der Bestimmung des Begriffs des subjektiven öffentlichen Rechts ist davon auszugehen, daß es keinen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch gibt. Abgesehen von der Möglichkeit seiner Begründung durch Verwaltungsakt oder verwaltungsvertragliche Vereinbarung, liegt ein subjektives öffentliches Recht vielmehr nur dann vor, wenn a) ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts dem Staat oder einem sonstigen Verwaltungsträger Verhaltenspflichten auferlegt (zwingender Rechtssatz), b) dieser Rechtssatz zumindest auch der Befriedigung von Einzelinteressen (Individualinteressen) zu dienen bestimmt ist, also nicht lediglich die Verwirklichung öffentlicher Interessen (Interessen der Allgemeinheit) bezweckt und 52 53 54



Vgl. auch Forsthoff, VwR, S. 184; Wolff-Bachof, V w R I, § 41 vor I. Systematisierung und Darstellung bei Wolff-Bachof, V w R I, § 42. Vgl. zur Tragweite des Art. 19 Abs. 4 GG zusammenfassend Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Reditsweggarantie, 1973. Zu den Anforderungen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung vgl. Erichsen, VerwArch. 64 (1973), 321 ff.; BVerwGE 22, 113; BVerwG D V B l 1964, 191 und D Ö V 1967, 856.

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Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

c) dem einzelnen die Rechtsmadit eingeräumt ist, die normgeschützten Interessen gegenüber dem durdi den Rechtssatz Verpflichteten durchzusetzen66. 1. Verhaltenspflichten werden den Trägern öffentlicher Verwaltung zunächst im Bereich strikter Gesetzesbindung auferlegt. Aber auch dort, wo sie nach Ermessen oder gesetzesfrei zu handeln befugt sind, obwaltet insoweit zwingendes Recht, als es um die Einhaltung der Ermessensschranken bzw. der verfassungsrechtlichen Bindungen gesetzesfreier Aktivitäten geht. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß die Berechtigung des Bürgers durch die Verpflichtung der Verwaltung begrenzt wird. Daher kann der einzelne bei Ermessensentscheidungen nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung haben, der lediglich im Fall der Ermessensreduzierung auf Null im Ergebnis zu einem Recht auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln erstarkt 57 . 2. Die letztlich entscheidende Frage bei der Ermittlung eines subjektiven öffentlichen Rechts geht dahin, zu bestimmen, ob der jeweils einschlägige Rechtssatz, der auch eine ungeschriebene, gewohnheitsrechtlich oder als allgemeiner Rechtsgrundsatz geltende Norm sein kann 58 , zwar nicht notwendigerweise ausschließlich, aber doch jedenfalls auch den Einzelinteressen desjenigen zu dienen bestimmt ist, der sich auf ihn beruft. Die Frage nach der Interessenrichtung des in Betracht kommenden Rechtssatzes stellt sich ausnahmslos, ist also auch bei der Geltendmachung eines Rechts auf fehlerfreie Ermessensausübung zu beantworten 68 . Bisweilen ergibt sich die individualschützende Funktion einer Rechtsnorm bereits aus ihrem Wortlaut, so etwa bei den Grundreditsbestimmungen und solchen Vorschriften des einfachen Rechts, die ausdrücklich einen „Anspruch" oder ein „Recht" begründen. Im übrigen ist auf Sinn und Zweck des Rechtssatzes abzuheben, wobei es auf die gegenwärtige Beurteilung, nicht auf die Wertung des historischen Gesetzgebers ankommt. Das hat unter dem Einfluß der Wertvorstellungen des Grundgesetzes zu einer im Vergleich mit der Vergangenheit erheblich erweiterten Anerkennung subjektiver Berechtigungen des öffentlichen Rechts geführt. 58

57

59

Grundlegend Bathof in: W . Jellinek-Gedächtnisschrift, 1955, S. 287 ff. Bemühungen um eine Neubestimmung des subjektiven öffentlichen Rechts (vgl. z. B. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1 9 6 8 ; Bartlsperger, VerwArdi 60 (1969), 4 7 f.; ders., DVB1 1970, 31 f.; Lorenz (Fn. 54 S. 54 ff.) haben sich bisher nicht durchsetzen können. B V e r w G E 11, 95, 9 7 ; BVerwG DVB1 1969, 5 8 6 ; O V G Münster DVB1 1967, 5 4 6 ; W . Martens, JuS 1962, 245, 2 4 8 ; allgemein zum Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung Hoffmann-Betking, D V B l 1970, 850 f. B V e r f G E 27, 297, 307. B V e r w G E 39, 235, 2 3 7 ; dazu Erichsen, VerwArch 64 (1973), 305 f.; Maunz-Därig-

Herzog, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 55 Fn. 1.

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Das Verwaltungshandeln

Trotzdem bietet die Rechtsprechung immer noch das Bild einer verwirrenden und nicht widerspruchsfreien Kasuistik. Sehr deutlich zeigt sich dies bei zwei Fallgruppen, die den Verwaltungsgerichten häufig zur Entscheidung unterbreitet werden. Die eine von ihnen betrifft Klagen gegen begünstigende Verwaltungsakte mit belastender Drittwirkung 60 . Bei der anderen Gruppe handelt es sich um Klagen auf behördliches Tätigwerden gegen Dritte. In diesem Zusammenhang ist vor allem das Begehren ordnungsbehördlichen oder polizeilichen Einschreitens gegen Störer zu erwähnen. Der Rückgriff auf Wertvorstellungen des G G hat Rechtsprechung und Lehre entgegen der früheren Auffassung zu der Annahme veranlaßt, daß die polizeiliche Generalermächtigung ebenso wie spezialgesetzliche Ermächtigungen unter bestimmten Voraussetzungen dem Schutz individueller Interessen zu dienen bestimmt sein können 61 . 3. Was schließlich die Rechtsmacht des Inhabers des rechtlich geschützten Interesses zu dessen Durchsetzung angeht, so braucht sie unter der Herrschaft des Grundgesetzes nicht mehr besonders geprüft und nachgewiesen zu werden. Das ergibt sich aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 G G in Verbindung mit den übrigen das Staat-Bürger-Verhältnis regelnden Verfassungsbestimmungen 62 .

6. Die Nachfolge

im

Verwaltungsrechtsverhältnis

Ebenso wie im Privatrecht stellt sich auch im öffentlichen Recht die Frage nach der inhaltlichen und personellen Änderung von Rechtsverhältnissen 63 . Allerdings spielt sie hier eine weit weniger wichtige Rolle als dort. Immerhin kommt aber namentlich dem Problem der Rechtsnachfolge in verwaltungsrechtliche Rechtspositionen eine gewisse praktische Bedeutung zu. Seine Lösung erfordert zunächst, zwischen der Nachfolge in Rechte und Pflichten der Träger öffentlicher Verwaltung einerseits und der Nachfolge in Rechte und Pflichten des Bürgers andererseits zu unterscheiden. Auf der Seite der Verwaltung ist davon auszugehen, daß im modernen Staat mit seiner rechtssatzmäßig festgelegten Zuständigkeitsordnung die frühere Übung freier Veräußerung von Hoheitsrechten überwunden ist und der Vergangenheit angehört 64 . Ein Subjektwechsel setzt daher stets eine gesetzliche Grundlage voraus. Das gilt sowohl für die Einzelrechtsnachfolge durch Abtretung als auch für die Gesamtrechtsnachfolge, wie sie z. B. bei Maßnahmen 60

"

Vgl. dazu unten § 12 I I I 2. Vgl. z . B . B V e r w G E 11, 9 5 ; O V G Münster DVBl

DVBI 1967, 779; W.Martens,

1967, 5 4 6 ; O V G Lüneburg

JuS 1962, 245 f.; Menger-Erichsen,

VerwArch 57

(Fn. 56) S. 299 f.; BVerfGE 27, 297, 308; vgl. auch Lorenz

(Fn. 54) S. 55 f.

(1966), 180 f.

62

Bacbof

63

Für das Steuerschuldverhältnis ausführlich erörtert von Kruse, Steuerrecht I Allgemeiner Teil, 3. Auflage 1973, § 14. Vgl. H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Auflage 1966, S. 870 f.

64

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Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

der Gebietsreform (Eingemeindungen, Verschmelzung von Gemeinden) in Betracht kommt 65 . Die Nachfolgefähigkeit von Rechten und Pflichten des Bürgers richtet sich ebenfalls primär nach dem Inhalt der einschlägigen gesetzlichen Regelungen, die das Problem jedoch nur punktuell behandeln und überdies ein einheitliches Prinzip nicht erkennen lassen. So finden sich zahlreiche Vorschriften, die eine Gesamtrechtsnachfolge, insbesondere im Wege der Erbfolge, in vermögensrechtliche Verbindlichkeiten des einzelnen anordnen 66 . Ausnahmsweise wird aber auch das Gegenteil bestimmt 07 . Die polizeiliche Zustandshaftung kann mit behördlicher Zustimmung auf Antrag des tatsächlichen Gewalthabers von diesem an Stelle des Eigentümers übernommen werden 68 . Noch unübersichtlicher ist die Gesetzeslage in Ansehung subjektiver öffentlicher Rechte des Bürgers. Die Regelungen reichen von der Eröffnung genereller Nachfolgefähigkeit 09 über die Zulassung der Übertragung 70 und die Bestimmung der Vererblichkeit 71 bis hin zum Ausschluß der Übertragung 72 und der Einzel- wie der Gesamtrechtsnachfolge73. Soweit die Frage der Rechtsnachfolge in verwaltungsrechtlidie Rechtspositionen des einzelnen gesetzlich nicht normiert ist, kommt es darauf an, ob die in Rede stehende Berechtigung oder Verpflichtung höchstpersönlichen Charakter besitzt oder nicht in dem Ausmaß persongebunden ist, daß ihre Übertragung durch Einzelnachfolge und ihre Vererbung ausgeschlossen erscheinen müßte 74 . Dieser Ausgangspunkt der Beurteilung ist weitgehend anerkannt. Doch bestehen erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber, zu welchen Ergebnissen er führt. Während nämlich nach überkommener Auffassung öffentlich-rechtliche Rechte 65

Zum Sonderfall der Funktionsnachfolge bei tatsächlicher Übernahme von Kompetenzen eines weggefallenen oder handlungsunfähigen Verwaltungsträgers vgl.

06

Vgl. z . B . § 8 Abs. 1 StAnpG; § 1 1 9 A O ; § 6 1 Abs. 3 BBG, § § 9 2 a Abs. 2, 92 c BSHG. § 101 OWiG. § 20 Abs. 2 S. 2 prPVG und Nadifolgebestimmungen im geltenden Polizei- und Ordnungsrecht. Vgl. z. B. §§ 8 Abs. 6 und 19 a Abs. 4 W H G ; ebenso für die Baugenehmigung die Bestimmungen der Landesbauordnungen. Vgl. z. B. § 48 GewO; § 84 Abs. 1 BBG. Vgl. z . B . § 121 Abs. 1 BBG; §§ 630, 1288 Abs. 1 R V O ; zwar nicht rechtskonstruktiv, wohl aber hinsichtlich ihrer praktischen Auswirkungen gehören auch die berufs- und gewerberechtlichen Hinterbliebenen — Privilegien in diesen Zusammenhang; vgl. etwa § 46 G e w O ; § 13 ApothG; § 19 GüKG; § 19 PBefG; § 10 GastG. Vgl. z. B. § 4 Abs. 1 BSHG; § 119 Abs. 1 R V O ; § 60 c Abs. 1 G e w O ; § 1 Abs. 3 ApothG; § 157 Abs. 1 BBG. § 2 Abs. 2 S. 2 WoGG. Dabei läßt ein gesetzlicher Ausschluß von rechtsgeschäftlichen Verfügungen zu Lebzeiten des Berechtigten noch nicht die Annahme zu, daß damit auch die Rechtsnachfolge im Falle seines Todes ausgeschlossen sei; vgl. BVerwGE 30, 123, 124.

87 68

60

70 71

72

73 71

Wolff-Bachof, VwR I, § 41 IV c.

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127

und Pflichten grundsätzlich als höchstpersönlich und damit als nachfolgeunfähig anzusehen sind und nur für rein vermögensrechtliche Positionen eine Ausnahme gemacht wird 76 , beginnt sich gegenwärtig im Gefolge vertiefter wissenschaftlicher Bearbeitung des Problemfeldes76 eine Tendenz zu stärkerer und sachgemäßerer Differenzierung abzuzeichnen. So hat man einerseits erkannt, daß auch vermögensrechtliche Ansprüche höchstpersönlicher Natur und deshalb nachfolgeunfähig sein können 77 . Andererseits wird nicht mehr unbesehen angenommen, mit ihrer Nichtvermögenswertigkeit verbinde sich notwendigerweise die Höchstpersönlichkeit einer Rechtsposition. Das hat ewa zu der Einsicht geführt, daß durch Ersatzvornahme 78 erzwingbare polizeiliche Verhaltenspflichten nicht höchstpersönlich sind und deshalb die Erben für die Kosten einer Ersatzvornahme einzustehen79 haben. Als nachfolgefähig werden zunehmend auch solche Rechtsstellungen angesehen, die auf sachbezogenen Regelungen80 beruhen. Daraus folgt z. B., daß der Widerruf einer Baugenehmigung und die Abbruchverfügung gegenüber dem Rechtsnachfolger des Grundstückseigentümers wirken, gegen den sie ausgesprochen wurden81.

7. Die Beendigung

des

Verwaltungsrechtsverbältnisses

Die im Verwaltungsrechtsverhältnis bestehenden Rechte und Pflichten können aus verschiedenen Gründen erlöschen: a) Ist Inhalt der verwaltungsrechtlichen Sonderverbindung die Verpflichtung zur (einseitigen) Erbringung oder zum Austausch von Leistungen, so erlöschen mit ihrer Erfüllung die Rechte und Pflichten, und die verwaltungsrechtliche Sonderverbindung hat nur noch Bedeutung als Rechtsgrund der Leistung. b) Verzicht ist die einseitige Erklärung eines Berechtigten, ein Recht nicht mehr innehaben zu wollen, mit der Rechtsfolge, daß das Recht erlischt. Eine Verzichtserklärung kann diese Rechtsfolge nur auslösen, wenn der Verzichtende Nadiw. bei Knöpfle in: Maunz-Festgabe, 1971, S. 230 Fn. 7 ; v. Mutius, VerwArdi 62 (1971), 84 Fn. 31. " Knöpfte (Fn. 75) S. 225 f.; v. Mutius, VerwArdi 62 (1971), 83 f. und 63 (1972), 87 ff.; Ossenbühl N J W 1968, 1992 ff.; Rimann, DVBl 1962, 553 f.; Heitmann, Die Rechtsnachfolge in verwaltungsrechtlidie Berechtigungen und Verpflichtungen einer Zivilperson von Todes wegen, Diss. Münster 1970; K. Otto, Die Nachfolge in öffentlich-rechtliche Positionen eines Bürgers, 1971; Willemer, Rechts- und Pflichtennachfolge im Verwaltungsrecht, Diss. Hamburg 1972. 75

77 78 70 8U 81

Vgl. B V e r w G E 21, 302, 3 0 3 ; 25, 23, 2 5 f.; 30, 123, 124 ff.; 35, 48 f.; 36, 252, 253 f. Vgl. unten § 20 II 1 a). Ossenbühl, N J W 1968, 1992 ff. Vgl. dazu unten S. 145. BVerwG N J W 1971, 1624; O V G Saarlouis BRS 22 N r . 2 1 5 ; O V G Münster DVBl. 1973, 2 2 7 ; anders noch B a y V G H BayVBl 1970, 3 2 9 ; vgl. dazu auch Niehues in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 2 6 0 ff.

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Hans-Uwe Eridisen und Wolfgang Martens

dispositionsbefugt 8 2 ist. In bezug auf eine durch Verwaltungsakt eingeräumte Reditsposition wird gelegentlich die Zulässigkeit des Verzichts mit dem Argument geleugnet, daß derartige Positionen nicht der Verfügungsgewalt des einzelnen entsprungen seien 83 . Dagegen ist einzuwenden, daß es gesetzlich geregelte Fälle des Verzichts auf öffentlich-rechtliche Berechtigungen gibt 8 4 . Zum anderen finden sich auch im Zivilrecht Ansprüche, die nicht der Verfügungsgewalt des Anspruchsinhabers entsprungen sind 8 5 , aber gleichwohl verzichtbar sind 8 6 . Dagegen kann die Dispositionsbefugnis z. B . fehlen, weil die Ausübung eines Rechts zugleich im öffentlichen Interesse liegt 8 7 oder weil mit einem Recht zugleich eine entsprechende Pflicht verbunden ist 8 8 . c) D a s Institut der Verwirkung ist nach Tatbestand und Rechtsfolge noch recht diffus. Es wird hergeleitet aus dem Grundsatz von Treu und Glauben 8 9 . A u f die Verwirkung eines Rechts kann der Verpflichtete sich berufen, wenn es erst zu einem Zeitpunkt geltend gemacht wird, zu dem er nach Treu und Glauben nicht mehr mit der Geltendmachung rechnen mußte 9 0 . Eine Verwirkung kommt nur dann in Betracht, wenn auch Verzicht möglich wäre, d. h. bei disponiblen Rechtsgütern 9 1 . Als Rechtsfolge der Verwirkung wird überwiegend ein Verbot der Ausübung des Rechts angesehen 9 2 .

Wilde, Der Verzicht Privater auf subjektive öffentliche Rechte, DIss. Hamburg 1966, S. 27; Walsmann, Der Verzicht, 1912, S. 67; Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des BGB, Lehrbudi II. Bd., 15. Auflage 1960, § 143 III 3; WolffBachoj, VwR I, § 54 I c 2; Forsthoff, VwR, S. 287, 288. 8 3 Vgl. Forsthoff, VwR, S. 288; anders etwa Landmann-Rohmer-Eyermann-Fröhler, GewO Bd. 1, 12. Auflage 1969, § 49 Rn. 39 f. 84 Vgl. die Nachweise bei Brüggemann, Der Verzicht von Zivilpersonen im Verwaltungsrecht, Diss. Münster, 1966, S. 55. 85 etwa: Erbschaft. 8 6 Gegen eine derartige „formalistische Kongruenzvorstellung, daß jedes subjektive Recht auch so vergehen müsse, wie es entstanden sei", Wilde (Fn. 82) S. 29. 87 So etwa bei den Grundrechten, vgl. Eridisen in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 219, 238 und Sturm in: Festschrift für Willi Geiger, 1974, S. 173, 192 f. 8 8 Hingewiesen sei etwa auf die Konzession zur Personenbeförderung, vgl. WolffBachof, VwR I, § 54 I c, weitere Beispiele bei Brüggemann (Fn. 84) S. 34 f. 8 8 BVerwGE 44, 294; dazu Menger, VerwArch 66 (1975), 85 ff.; BVerwG N J W 1974, 2247, 2248; Forsthoff, VwR, S. 172; Wolff-Bachof, VwR I, § 3 7 III e l ; Becker, DÖV 1967, 729, 737. 90 Vgl. etwa BVerwGE 44, 294; BVerfGE 32, 305 f.; Becker, DÖV 1967, 729 f.; Wolff-Bachof, VwR I, § 37 III e; weiter aus dem Zivilrecht etwa BGHZ 25, 47, 51; Soergel-Siebert-Knopp, BGB, 10. Auflage 1967, § 2 4 2 Rn. 281; Wieacker in: Recht und Staat 193/194 (1956), 23 f. 81 So auch Wolff-Bachof, VwR I, § 3 7 III e 1; a. A. Soergel-Siebert-Knopp (Fn. 90) Rn. 292. •2 Vgl. etwa Wolff-Bachof, VwR I, § 54 I a 6; Becker, DÖV 1967, 729, 737; Enneccerus-Nipperdey (Fn. 82) § 228 IV 4; Soergel-Siebert-Knopp (Fn.90). 82

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129

d) Hinsichtlich der Verjährung besteht Einigkeit, daß sie nur dort stattfindet, wo sie gesetzlich vorgesehen ist93. Solche Fälle sind etwa § 144 AO, § 87 pr. KAG, § 197 BGB. Ergänzend wird die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB analog oder als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens herangezogen94. 1. Abschnitt Der Verwaltungsakt §11 Bedeutung und Begriff des Verwaltungsaktes I. Geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung Der Begriff des Verwaltungsakts erscheint im ersten Drittel des 19. Jahrhundert in der deutschen staats- und verwaltungsrechtlichen Literatur. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung des französischen Begriffs acte adtninistratif, womit jede Maßnahme der Verwaltung, sei sie nach Maßgabe des Zivilrechts oder des öffentlichen Rechts ergangen, gemeint war. Demgegenüber wird der Begriff des Verwaltungsakts in Deutschland von Anbeginn an auf Maßnahmen der Verwaltung im Bereich des öffentlichen Rechts beschränkt1. Die zentrale Stellung, die dem Institut des Verwaltungsakts in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik auch heute noch zukommt, wurde von Otto Mayer begründet. Nach seiner Definition ist der Verwaltungsakt „ein der Verwaltung zugehöriger obrigkeitlicher Ausspruch, der dem Unterthanen gegenüber im Einzelfall bestimmt, was für ihn Rechtens sein soll" 2 . Daß damit im wesentlichen noch heute Gültiges gesagt worden ist, zeigt sich, wenn man sich die Definition vergegenwärtigt, die in § 31 S. 1 EVwVfG 1973 enthalten ist. Es heißt dort: „Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist" 3 . Diese Definition stimmt bis auf eine Abweichung mit der Legaldefinition des § 106 Abs. 1 LVwG Schl.-Holst. überein: „Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere öffent03

04 1

2 3

9

Vgl. Forsthoff, VwR, S. 193; Wolff-Bachof, V w R I, § 3 7 III e 2 ; z . B . B S G E 22, 1 7 3 ; BSG N J W 1968, 1947; BSG DVB1 1969, 372. Vgl. Wolff-Bachof, V w R I, § 37 III e 2 ; BSGE 19, 88; BSG DVBl 1963, 409. Vgl. dazu Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971, S. 110 fF. Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, 1. Auflage 1895, S. 64 f., 95. BT-Drucks. 7/910. Allgemeines Verwaltungsredit

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H a n s - U w e Eridisen und W o l f g a n g Martens

lich-rechtliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist". Der Verwaltungsakt war für Otto Mayer jenes Instrument öffentlicher Verwaltung, mit dem sie der rechtsstaatlichen Forderung nach Rechtssicherheit im Verhältnis des Bürgers zum Staat gerecht werden und „die Bahnen und Grenzen seiner (des Staates) Wirksamkeit wie die freie Sphäre seiner Bürger in der Weise des Rechts genau bestimmen und abgrenzen kann" 4 . Der Verwaltungsakt gewann indes in der Folgezeit in erster Linie unter dem Blickwinkel des Rechtsschutzes Bedeutung. So legte etwa Art. 107 WRV fest: „Im Reich und in den Ländern müssen nach Maßgabe der Gesetze Verwaltungsgerichte zum Schutze der einzelnen gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörden bestehen". Dementsprechend war in manchen Ländern der Rechtsschutz, den die Verwaltungsgerichte gewährten, auf Klagen gegen (häufig auch nur bestimmte — Enumerationsprinzip) Verwaltungsakte beschränkt 5 . Auch die nadi dem 2. Weltkrieg in den westlidien Besatzungszonen zunächst erlassenen Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit machten „den Verwaltungsakt zum Angelpunkt des ganzen Reditsschutzsystems" 6 . Dieser Bedeutung des Verwaltungsakts entsprechend kam es in § 25 VO Nr. 165 der Brit. Militärrregierung über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Brit. Zone zur ersten Legaldefinition: „Verwaltungsakt im Sinne dieser Verordnung ist jede Verfügung, Anordnung, Entscheidung oder sonstige Maßnahme, die von einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts getroffen wird" 7 . Die VwGO eröffnet in § 40 Abs. 1 S. 1 den Rechtsweg zu den Verwaltungsgeriditen für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art. Damit kommt dem Institut des Verwaltungsakts keinerlei Bedeutung für die Eröffnung des Rechtsweges mehr zu 8 . Andererseits macht die VwGO in §§ 68 ff. die Zulässigkeit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht auf Aufhebung oder Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts — An4

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8

Verwaltungsrecht I, S. 62 unter Bezug auf Stahl, D i e Philosophie des Rechts, Zweiter B a n d : Rechts- und Staatslehre, 1870, S. 137. Vgl. e t w a die §§ 10 f., 70 f. der Landesverwaltungsordnung für Thüringen v o m 10. Juni 1926. M a n spricht insoweit v o n nachträglichen Verwaltungsstreitsachen; vgl. dazu auch Menger, System des verwaltungsgerichtlidien Rechtsschutzes, 1954, S. 137 f. So Bachof, Staatsbürger und Staatsgewalt, Bd. II, 1963, S. 1, 8. Vgl. auch § 2 2 Abs. 1 MilitärregierungsVO N r . 165 für die britische Zone u n d § 22 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsgesetzes für die amerikanische Zone. S o w e i t d e r Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten in den einschlägigen Vorschriften auch für sonstige oder andere öffentlich-rechtliche Streitigkeiten eröffnet waren, w u ß t e n die Gerichte damit zunächst w e n i g anzufangen. D a s B V e r w G hat sich diese Einsicht allerdings erst spät zu eigen gemacht. Vgl. dazu Menger und Eridisen, VerwArch 58 (1967), 70, 78 und dann B V e r w G E 38, 336.

Das Verwaltungshandeln

131

fechtungs- oder Verpfliditungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO — von besonderen Voraussetzungen abhängig. Diese besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen begrenzen die Möglichkeit des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes und kennzeichnen damit eine Sonderstellung des Verwaltungsakts. So tritt, wenn der Verwaltungsakt nicht innerhalb der Widerspruchs- oder Klagefrist der §§ 70 Abs. 1, 74 Abs. 1 VwGO angefochten wird, die sog. Bestandskraft ein, d. h. die Regelung des Einzelfalles wird von der Rechtsordnung, abgesehen vom Fall der Nichtigkeit des Verwaltungsakts, ohne Rücksicht darauf, ob sie rechtmäßig erlassen wurde oder nicht, als für den Betroffenen endgültig verbindlich angesehen9. Aber auch schon vor dem Eintritt der Bestandskraft ist der Verwaltungsakt wirksam. Das gilt auch für den rechtswidrigen, aber nicht nichtigen Verwaltungsakt, wie die Regelung des § 80 Abs. 1 VwGO zeigt, die offensichtlich davon ausgeht, daß auch der rechtswidrige Verwaltungsakt wirksam ist. Die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts kann durch die in § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vorgesehene Anordnung der sofortigen Vollziehung auch dann erhalten werden, wenn der Verwaltungsakt angefochten wird. Es bleibt noch darauf hinzuweisen, daß die Verwaltung, wie §§ 3, 6 VwVG des Bundes und die entsprechenden Vorschriften der Länder zeigen, mit dem Erlaß eines Verwaltungsaktes die Möglichkeit hat, sich einseitig einen Vollstreckungstitel zu schaffen10. Der Stellenwert des Verwaltungsakts im System der verwaltungsrechtlichen Handlungsformen ist also weitgehend aus Regeln des Verwaltungsprozeßrechts und aus jenen des Verwaltungsvollstreckungsrechts ersdiließbar: mit dem Verwaltungsakt ist der Verwaltung ein Mittel zur schnellen, wirksamen und zwangsweise durchsetzbaren, einseitigen Regelung von Sachverhalten gegeben. Die Verwaltung hat also die Möglichkeit, durch den Erlaß eines Verwaltungsakts einseitig11 die Rechtsfolgen verbindlich gegenüber dem Bürger festzulegen, die sidi im Einzelfall aus der Anwendung der Rechtsordnung auf einen Sachverhalt ergeben12. Damit tritt der für Otto Mayer entscheidende Aspekt der Rechtssicherheit heute wieder in den Vordergrund13. 9 10 11

12

13

9*

Vgl. dazu unten § 41 V. Vgl. dazu unten § 20 II. Bedenken dagegen bei / . Martens, DVB1 1968, 322, 324/325, die jedoch auf unreflektierten Prämissen zur Wirkung gerichtlicher Entscheidungen beruhen. J . Martens geht offenbar davon aus, die gerichtliche Entscheidung substituiere den Geltungsgrund der Verwaltungsentscheidung. Soweit er im übrigen die „Zweiseitigkeit" des Verwaltungsaktes mit der Zustimmung durch Niditanfechtung erklärt, läuft das auf die verfassungsrechtlich unhaltbare Figur des Verwaltungsaktes auf Unterwerfung hinaus. Kritisch zu J. Martens auch v. Mutius in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 167, 191 f. Vgl. auch BVerwG VwRspr 23, 3/4 N r . 61 und die Ausführungen von J. Martens, DVBI 1968, 322, 324 ff. Vgl. auch Rüfner, V V D S t R L 28 (1970), 187, 205 und Vogel, ebendort, 2 6 9 ; Rupp, DVBI 1963, 577, 5 7 8 ; ]. Martens, DVBI 1968, 322, 323 f.

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Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

In dieser Funktion hatte und hat der Verwaltungsakt seine Bedeutung für den Bereich der Eingriffsverwaltung, die den Nährboden seiner Entstehung gab. Der Verwaltungsakt ist seit dem Ende der fünfziger Jahre insbesondere im Hinblick auf seine Brauchbarkeit als Instrument der Leistungsverwaltung gelegentlich in Frage gestellt worden14. Sein Einsatz im Bereich der Leistungsverwaltung rechtfertigt sich indessen aus der von ihm durch Konkretisierung, Klarstellung und Stabilisierung bewirkten Rechtssicherheit15. Eben diese allein mit dem Verwaltungsakt gegebenen Möglichkeiten lassen ihn als Handlungsform eines auf die effektive Bewältigung einer Massenverwaltung ausgerichteten Verwaltungsrechts nicht nur unverzichtbar erscheinen, sondern sie legen die Prognose nahe, daß seine Bedeutung künftig jedenfalls eher zu- als abnehmen wird.

II. Die einzelnen Merkmale der Definition des Verwaltungsakts 1. Die

Maßnahme

Die in § 31 S. 1 EVwVfG 1973, § 106 Abs. 1 LVwG Schl.-Holst. enthaltene Formulierung „Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche, bzw. öffentlich-rechtliche Maßnahme" läßt erkennen, daß die Begriffe Verfügung und Entscheidung nur als Beispiele zur Erläuterung des Oberbegriffs hoheitliche Maßnahme aufgeführt werden. Ein Verwaltungsakt liegt demnach nur vor, wenn eine Maßnahme vorhanden ist. Maßnahme ist jedes zweckgerichtete Verhalten, welches Menschen oder juristischen Personen bzw. deren Untergliederungen zurechenbar ist 16 . Nun gehört es heute nicht mehr zu den Seltenheiten, daß Entscheidungen der Verwaltung unter Verwendung von Maschinen ergehen17. Die Steuerung des Verkehrs durch eine Verkehrsampel, der vom Computer erlassene Steuerbescheid oder auch die allmonatliche Telefongebührenrechnung haben Zweifel daran entstehen lassen, ob es sich auch bei diesen Vorgängen automatisierter Verwaltung um Maßnahmen i. S. der Definition des Verwaltungsaktes handele. Bei ihnen trete im Verhältnis zum Bürger nicht der amtswaltende Mensch, sondern die Maschine in Erscheinung. Es komme so zu einem zweistufigen Gesetzesvollzug, nämlich in einen rechtlich erheblichen und einen rein technischen, der Beherrschung durch den menschlichen Willen entzogenen Teil des Entscheidungsprozesses18. Es ist indes zu beachten, daß die von einem Elektronenrechner ermittelte Entscheidung immer durch 14 15

19 17 18

Vgl. etwa Rupp, DVBl 1959, 81, 85 f.; Menger, VerwArdi 51 (1960), 375 f. Vgl. auch Bachof, V V D S t R L 30 (1972), 193, 232 f. Zur Bedeutung des Verwaltungsakts vgl. auch Haueisen, D Ö V 1961, 121, 125 f.; Renck, JuS 1965, 129, 131 f.; Wolff-Bachof, VwR I, § 50 I ; Rupp, DVBl 1963, 577, 578 f. Zu eng Wolff-Bachof, VwR I, § 46 IV. Vgl. dazu auch oben § 4 I und unten § 41 II 2. Zeidler, Über die Technisierung der Verwaltung, 1959, S. 15 ff., 18.

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das von Menschen eingegebene Programm bestimmt ist. Vor allem aber wird mit Recht darauf hingewiesen, daß auch diese „Verwaltungsfabrikate" 1 9 der Verwaltung zuzurechnen sind 20 . Aus diesem Grunde handelt es sich auch bei solchen von Maschinen gefertigten „Verwaltungsfabrikaten" um Maßnahmen i. S. der Verwaltungsaktsdefinition 2 1 . Davon, daß solche Maßnahmen Verwaltungsakte sein können, gehen auch die Regelungen der § § 3 3 Abs. 4 und 35 Abs. 2 N r . 3 E V w V f G 1973 sowie § 108 Abs. 3 L V w G Schl.-Holst. aus, wo von Verwaltungsakten die Rede ist, die „mit H i l f e automatischer Einrichtungen erlassen" werden. 2. Die Behörde Die Maßnahme muß nach § 31 S. 1 E V w V f G 1973, § 106 Abs. 1 LVwG Sdil.-Holst, von einer Behörde 22 getroffen worden sein. a) Der Begriff „Behörde" wird in den Gesetzen sehr häufig verwandt. Insbesondere spricht auch das Grundgesetz mehrfach von „Behörden" 2 3 . Es ist gleichwohl bis heute nicht gelungen, den Behördenbegriff in Rechtsprechung und Schrifttum allseits befriedigend zu definieren 24 . § 1 Abs. 3 E V w V f G 1973, § 3 Abs. 2 L V w G Schl.-Holst. bestimmen in vertretbarer Weise Behörde als „jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt" 2 5 . Als „Stelle" ist eine durch Organisationsrecht geschaffene, überindividuelle, d. h. vom Wechsel der sie innehabenden Personen unabhängige, in gewisser Weise verselbständigte Organisationseinheit zu verstehen 26 , „öffentliche Verwal19 20

21

22 23

24 25

28

So etwa der Ausdruck von Zeidler (Fn. 18) S. 18. Vgl. Bull, Verwaltung durch Maschinen, 2. Auflage 1964, S. 67, 82; Müller-Heidelberg, DVBl 1961, 12; Schoeningh, Rechtliche Auswirkungen der Technisierung der Verwaltung auf das System der öffentlich-rechtlichen Ersatzansprüche, Diss. Bodium 1973, S. 97. So die heute wohl ganz überwiegende Auffassung. Vgl. etwa Forsthoff, VwR, S. 206; Luhmann, Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung, 1966, S. 32; v. d. Groeben/Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein, Kommentar, 1968, § 108 Rn. 3.3; Kuhn, Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein, Kommentar, 1968, § 108 Rn. 10; Bull (Fn. 20) S. 62, 73. Zum Begriff der Behörde vgl. auch unten § 38 I und § 56 III. Vgl. etwa Art. 84, 85, 86, 87, 87 b. Weitere Nachw. bei Hans ]. Wolff, V w R II, § 76 Ia. Vgl. dazu Hans }. Wolff, V w R II, § 76. Vgl. auch § 3 Abs. 2 LVwG Schl.-Holst. Ebenso oder ähnlidi O V G Münster N J W 1972, 2241; Ule, VerwprozeßR, Anh. zu § 3 2 S. 128; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 4 2 Rn. 64; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 4 2 Rn. 44. Vgl. auch schon § 2 5 Abs. 2 MRVO Nr. 165: „Verwaltungsbehörde i. S. dieser Verordnung ist jede mit Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Geltungsbereich dieser Verordnung betraute deutsche Stelle, ohne Rücksicht auf ihre Rangstufe oder Besetzung, jedoch mit Ausnahme der Gerichte und der Amtsstellen der Religionsgesellschaften". Vgl. auch BVerfGE 10, 20 ff., 48.

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tung" ist hier im materiellen Sinne gemeint 27 ; es geht also um solche Aufgaben, deren Erfüllung ein Verhalten verlangt, welches seinem Inhalt nach öffentliche Verwaltung darstellt. Behörde i. S. der Verwaltungsaktsdefinition ist demnach jede Organisationseinheit des Staates oder seiner Untergliederungen, die aufgrund des Organisationsrechts als solche nach außen in Erscheinung tritt und öffentliche Verwaltung im materiellen Sinne ausübt 28 . Es werden damit also nicht nur Organisationseinheiten der Verwaltung im organisatorischen Sinne29 erfaßt, sondern audi solche aus dem Bereich von Gesetzgebung und Rechtsprechung im organisatorischen Sinne. Dementsprechend ist der Präsident des Oberlandesgerichts Behörde, wenn er gemäß § 10 Abs. 2 EheG Befreiung von der Pflicht zur Vorlage eines Ehefähigkeitszeugnisses erteilt, ist der Präsident des Bundestags Behörde, wenn er anordnet, einen Zwischenrufer von der Galerie zu entfernen, und wird etwa der Bundestag als Behörde angesehen, wenn er die gemäß § 46 Abs. 2 GG erforderliche Genehmigung für die Strafverfolgung von Abgeordneten erteilt 290 . b) Behördenfunktionen i. S. der Definition des Verwaltungsakts können auch von natürlichen Personen oder juristischen Personen des Privatrechts wahrgenommen werden, soweit sie durch öffentlich-rechtliche Regelung in die Organisation des Staates oder seiner Untergliederungen einbezogen worden sind. Man spricht dann von Beleihung30. Insoweit kann etwa kirchlichen Stellen 31 Behördeneigenschaft zukommen und kann der Sachverständige des TÜV einen Verwaltungsakt erlassen310. c) Kein Verwaltungsakt ist die der Verwaltung nicht zurechenbare Handlung eines Unbefugten. Bei solcher Betätigung eines „Hauptmanns von Köpenick" handelt es sich um strafbare Amtsanmaßung (§ 132 StGB), die verwaltungsrechtlich grundsätzlich 32 irrelevant ist, es sei denn, die Verwaltung selbst habe den Schein rechtmäßiger Amtsausübung erweckt. Auf diesem Gedanken beruht etwa die Beurteilung von Amtshandlungen des Scheinbeamten: Bei nichtiger oder zurückgenommener Ernennung sind die Amtshandlungen des 27

Vgl. dazu oben $ 1 1 . Vgl. etwa Wolff-Bachof, VwR I, § 46 II. s » Vgl. dazu oben § 1 I. 28a Vgl. Maunz in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 38 Rn. 4; auch Bay VerfGHE n. F. 1, 38, 40 einerseits und 5, 216, 219 andererseits. 30 Im einzelnen ist hier vieles streitig. Vgl. zu diesen Fragen: Ossenbühl und Gallwas, VVDStRL 29 (1971), 137ff., 211 ff.; W.Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 133 ff.; v. Mutius, VerwArdi 62 (1971), 291, 300 und 64 (1973), 433 ff. Beispiele bei Michaelis, Der Beliehene, Diss. Münster, 1969, S. 90 f. und Hans J. Wolff, VwR II, $ 104 I b. 31 Nur soweit sie vom Staat verliehene Befugnisse ausüben. Vgl. dazu Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgeriditsbarkeit II, S. 121, 122. 310 Vgl. VG Münster NJW 1967, 171, 172. 32 Einzige Ausnahme ist $ 11 Abs. 2 EheG. 29

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Ernannten in gleicher Weise gültig, wie wenn sie ein Beamter vorgenommen hätte (§ 14 BBG). Jede andere Lösung würde unannehmbare Konsequenzen haben. 3. Die

Gebietsklausel

Die Maßnahme einer Behörde kann nur dann ein Verwaltungsakt sein, wenn sie „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" getroffen wird. Der erste Halbsatz des § 31 S. 1 EVwVfG 1973 spricht von hoheitlichen Maßnahmen. Hoheitliches Handeln liegt immer und nur dann vor, wenn von einem Träger öffentlicher Verwaltung im Bereich des öffentlichen Rechts gehandelt wird 33 . Dementsprechend spricht auch § 106 Abs. 1 LVwG Sdil.-Holst. von öffentlichrechtlichen Maßnahmen. Da § 31 S. 1 EVwVfG 1973 weiter verlangt, daß die Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts erfolgt, ist hier das Adjektiv „hoheitlich" ebenso überflüssig wie die zusätzliche Aufnahme dieser Gebietsklausel in § 106 Abs. 1 LVwG Schl.-Holst. Ein Verwaltungsakt liegt also nur vor, wenn eine Maßnahme im Rechtsbereich ergeht. Dieses wurde früher für Maßnahmen im sog. besonderen Gewaltverhältnis34, wozu etwa das Strafvollzugsverhältnis, das Wehrdienstverhältnis, das Beamtenverhältnis und das Schulverhältnis gerechnet wurden, überwiegend in Abrede gestellt. Heute ist insbesondere noch Gegenstand der Diskussion, ob Gnadenentsdoeidungen Rechtsqualität zukommt. Auch sie ergehen indes — wie alle Maßnahmen der vollziehenden Gewalt — in Ausübung rechtlich organisierter und übertragener Gewalt sowie nach Maßgabe der über Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden umfassenden Bindung an die Grundrechte340. Es handelt sich daher bei den Gnadenentscheidungen um Rechtsakte und damit — da sie die übrigen Voraussetzungen, von denen das Vorliegen eines Verwaltungsaktes abhängt, erfüllen — um Verwaltungsakte34b. Die Rechtsordnung legt gelegentlich fest, daß durch Maßnahmen der Behörden, die sie zur Erfüllung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung treffen, privatrechtliche Beziehungen begründet werden. Von weittragender praktischer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das den Gemeinden in §§ 24 f. BBauG und § 17 StädtebauförderungsG eingeräumte Vorkaufsrecht bei Grundstücken in bestimmten Planungsgebieten. Übt die Gemeinde dieses Vorkaufsrecht durch entsprechende Erklärung aus, so kommt gemäß § 24 Abs. 4 S. 2 BBauG i. V. Vgl. § 2 II. Zum gegenwärtigen Stand der Erkenntnis: Erichsen in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 219, 238 f.; Paetzold, DVBl 1974, 454 ff. 3 4 a Dazu im einzelnen Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, S. 73 f. und neuestens, wiederum die Reditsfreiheit der Gnadenentsdieidungen betonend, Evers, D Ö V 1974, 131. 3 4 b So auch Trautmann, M D R 1971, 173, 176 f.; Bültes, DVBl 1972, 562, 5 6 3 ; K. Müller, DVBl 1963, 18, 20 f.; Eyermann-Fröhler, VwGO, § 42 Rn. 3 7 ; WolffBachof, V w R I, § 46 III d ; a. A. etwa Ule, VerwGbarkeit, § 42 Anm. 6. 33

34

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mit § 505 Abs. 2 BGB ein K a u f v e r t r a g zwischen ihr und dem Verkäufer über das betroffene Grundstück zustande 340 . Dieser K a u f v e r t r a g unterliegt der Regelung von Rechtsnormen, deren Zuordnungssubjekt jedermann sein kann, also des Privatrechts. Wirkung und Erfolg der Maßnahme treten also auf dem Gebiet des Privatrechts ein. Daraus folgt jedoch nicht, daß die Ausübung des der Gemeinde in den §§ 24 f. BBauG eingeräumten Vorkaufsrechts kein Verwaltungsakt sein kann, denn die Gebietsklausel der Definition stellt nicht darauf ab, in welchem Bereich der Erfolg eintritt, sondern nach Maßgabe welcher N o r m die Behörde gehandelt hat 3 5 . Verwaltungsakte sind also jene Maßnahmen, die nach Maßgabe öffentlichen Rechts ergehen. D a die Vorschriften der §§ 24 f. BBauG, § 1 7 StädtebauförderungsG ausschließlich die Gemeinde und damit eine Untergliederung des Staates berechtigen, handelt es sich — wovon auch der B G H 3 6 ausgeht — bei ihnen um öffentliches Recht. Die Erklärung der Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts erfüllt daher insoweit — aber entgegen der Auffassung des B G H 3 7 auch hinsichtlich der anderen Merkmale — die Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes 38 . Jene Verwaltungsakte, die, wie die Erklärung über die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts, auf die Gestaltung privatrechtlicher Beziehungen gerichtet sind, werden als privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte bezeichnet. Zu ihnen gehören insbesondere auch die nach vielen öffentlichrechtlichen Regelungen erforderlichen Genehmigungen privatrechtlicher Rechtsgeschäfte. Hinzuweisen ist etwa auf die Bodenverkehrsgenehmigung nach § 19 f. BBauG, auf die Zustimmung des Arbeitsamtes zu Massenentlassungen nach § 1 6 KündigungsschutzG und auf die Genehmigung einer Stiftung nach § 80 BGB 39 . Die erforderliche Genehmigung wird als Rechtsbedingung qualifiziert 40 .

4. Die

Regelung

U m einen Verwaltungsakt kann es sich nur handeln, wenn die M a ß n a h m e zur Regelung eines Einzelfalles ergeht. Dabei kann Regelung in einem Rechts34c

35 38 37 38

39 40

Wie dieser Kaufvertrag zustande kommt, ist fraglich. Vgl. dazu Ernst-ZinkahnBielenberg, BBauG, § 2 4 Rn. 43; Grauvogel in: Kohlhammer Kommentar zum BBauG, § 24 V 2 a; B G H M D R 1963, 303 und N J W 1960, 1806; Schütz-Frohberg, BBauG, 3. Auflage 1970, § 24 Anm. 4 a und 6. Vgl. dazu Wilke, JuS 1966, 481 ff. B G H Z 60, 275 f. B G H Z 60, 275 f. Vgl. O V G Münster N J W 1962, 653; Menger und Erichsen, VerwArch 59 (1968), 378 f. BVerwG DVB1 1970, 179, 180. Vgl. ErmannjHejermehl, BGB, Vorbem. vor § 158 Anm. 2. D e s weiteren dazu Kieckbusch, VerwArch 57 (1966), 17 und 162 ff.; O. Lange, A c P 152 (1952/53), 241 ff. sowie R G Z 168, 261, 267; 129, 357, 376.

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Staat nur die rechtliche Regelung sein. Die Maßnahme muß also nach ihrem Inhalt darauf gerichtet sein, eine Rechtsfolge zu setzen, sie muß, um die griffige Formel Otto Mayers aufzunehmen, durch ihren Entscheidungssatz gegenüber dem einzelnen festlegen wollen, „was für ihn Rechtens sein soll" 41 . Ob die Maßnahme diesen Inhalt hat, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Wenn beispielsweise der Antrag des A auf Gewährung einer Rente aus der Sozialversicherung abgelehnt wird, er dagegen nichts unternimmt, jedoch später einen neuen Antrag stellt und die Behörde diesen Antrag erneut ablehnt, so stellt sich die Frage, ob in dieser zweiten Äußerung der Behörde ebenfalls eine Regelung und damit ein Verwaltungsakt liegt. Ob eine auf die Bewirkung einer Rechtsfolge gerichtete Maßnahme vorliegt, ist durch Auslegung ihres Entscheidungssatzes festzustellen42. Wenn also etwa der neue Antrag mit dem Hinweis auf den bereits erteilten Bescheid abgelehnt wird, so soll keine neue Rechtsfolge gesetzt werden. Es handelt sich dann nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine sog. wiederholende (wiederholte) Verfügung43. Ergeht hingegen auf den zweiten Antrag ein ablehnender Bescheid mit neuer sachlicher Begründung, so liegt es nahe, daraus zu schließen, daß die Rechtsfolge erneut gesetzt und damit eine neue Regelung erlassen werden soll. Man spricht in solchen Fällen vom Zweitbescheid. Die in ihm getroffene Sachentscheidung kann auf eine zulässige Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage — anders als bei der sog. wiederholenden Verfügung — vom Verwaltungsgericht nachgeprüft werden44. Gleichgelagerte Fragen entstehen auch im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Auskunft und Zusage45. Die Auskunft, so wird schlagwortartig definiert, ist eine Wissenserklärung; sie kann sich auf Tatsachen beziehen oder Rechtsauskunft sein. Die Auskunft ist also nicht auf Setzung einer Rechtsfolge gerichtet und daher kein Verwaltungsakt. Die Zusage ist demgegenüber eine „im ungeschriebenen allgemeinen Verwaltungsrecht wurzelnde behördliche Selbstverpflichtung mit Bindungswillen zu einem späteren Tun oder Unter41 42

43

44 45

O. Mayer, VwR I, S. 93. Vgl. dazu Erichsen/Hoffmann-Becking, JuS 1971, 144, 145; Hoffmann-Becking, DÖV 1972, 196, 199. Vgl. auch die — teilweise abweichenden — Ausführungen von Badura, unten S. 288 f. Zur wiederholenden Verfügung im einzelnen: Wolff-Bachof, VwR I, § 46 V b 2; Bay. VGHE 11, 51 f.; BVerwGE 13, 99, 101 f.; BVerwG DVB1 1963, 186. Die Terminologie ist nicht einheitlich. Während die Rechtsprechung ganz überwiegend von wiederholender Verfügung spridit — vgl. etwa BVerwGE 23, 175, 176; 27,181, 184, 185 — wird in der Literatur mehrfach von wiederholter Verfügung gesprochen — vgl. etwa Siegmund-Schultze, DVB1 1970, 256. Die Bezeichnung „Verfügung" ist nicht sehr glücklich, weil es sich mangels Regelungsgehalt gerade nicht um eine Verfügung i. S. der herkömmlichen Terminologie, sondern um einen Realakt handelt. Vgl. dazu unten § 19 I. Vgl. dazu im einzelnen Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, 1974, S. 288 ff. und 331 ff.

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lassen gegenüber einem Bürger" 46 . Die Zusage will eine Rechtsfolge, nämlich die Selbstverpflichtung der öffentlichen Verwaltung begründen. Sie ist mithin auf die Regelung eines Einzlfalles gerichtet460. Ob im jeweiligen Fall eine Auskunft oder eine Zusage vorliegt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln 47 .

5. Die unmittelbare Rechtswirkung nach außen Es muß sich um eine Regelung mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen handeln. a) Dieses Merkmal findet sich noch nicht sehr lange in den Definitionen des Verwaltungsakts. Das hat seinen Grund darin, daß bis vor nicht allzu langer Zeit das Vorliegen rechtlicher Regelungen nur in jenen Fällen angenommen wurde, in denen es um die Abgrenzung der individuellen Verhaltensfreiheit der Bürger 48 bzw. um Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger 49 ging 480 . Verhaltensgebote im sog. Innenbereich des Staates, also die oben behandelten Verwaltungsvorschriften und die Einzelweisungen 50 , wurden nicht als rechtliche Regelungen angesehen61. Nachdem nunmehr auch der Innenbereich des Staates als rechtlich geordnet begriffen wird, wird auch Regelungen im Innenbereich Rechtsqualität zuerkannt. Sie werden gleichwohl nicht in den Verwaltungsaktsbegriff einbezogen, sondern nunmehr durch das Erfordernis der unmittelbaren Rechtswirkung nach außen aus dieser Kategorie eliminiert. 46

BVerwGE 26, 31; vgl. auch die Definition des 44. Deutschen Juristentages: „Zusage ist ihrem Wesen nach hoheitliche Selbstverpflichtung der Verwaltung gegenüber bestimmten Erklärungsempfängern. Auskunft ist individuelle Tatsachenmitteilung einer Verwaltungsbehörde." 4,0 Anders — trotz gegenteiliger Äußerung in der Einzelbegründung — wohl die in § 34 EVwVerfG 1973 zum Ausdruck kommende Auffassung. A. A. auch WolffBachof, VwR I, § 45 II b 2. 47 Vgl. dazu etwa Monreal, Auskünfte und Zusagen von Finanzbehörden, 1967, S. 41 ff., 168 ff.; Ancker, Auskünfte durch die Verwaltung, Diss. Hamburg 1970, S. 10 f.; BSG DVBl 1966, 940. 48 Zu den Begründern dieser Auffassung gehören Laband, Das Staatsredit des Deutschen Reiches, Bd. 1, 2. Auflage 1887, S. 590 und Georg Jellirtek, Gesetz und Verordnung, 1887, S. 240 f. 49 Zu den Begründern dieser Auffassung gehören Anschütz, Art. Gesetz in: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, 2. Auflage 1913, Bd. 2, S. 212, 214 und Thoma, Der Vorbehalt der Legislative und das Prinzip der Gesetzmäßigkeit, in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II, 1932, S. 221, 223. 49a Vgl_ d a 2 u Eridisen, Staatsrecht und Verfassungsgeriditsbarkeit I, 1972 S. 31 und oben § 5 II, § 6 II. 50 Vgl. dazu § 7 IV. 51 Vgl. dazu Eridisen (Fn. 34 a) S. 31.

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Eine Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung ist dann zu bejahen, wenn die Maßnahme auf unmittelbare Bewirkung einer Rechtsfolge für ein Rechtssubjekt gerichtet ist, es unmittelbar betrifft 82 . Auf diese Weise werden die intrapersonalen Maßnahmen, wie Verwaltungsvorscbriften und Weisungen, ausgeschlossen, die nur innerhalb der Organisation eines Trägers öffentlicher Verwaltung Reditswirkungen äußern und den einzelnen Amtswalter lediglich in seiner Eigenschaft als „Glied der Verwaltung" 53 berechtigen oder verpflichten. b)Auch die Maßnahmen in den übrigen sog. besonderen Gewaltverhältnissen wurden früher weitgehend und werden z. T. auch heute nodi nicht als Verwaltungsakte angesehen. Die Begründungen dafür sind unterschiedlidi. Es wird etwa das Unterworfensein unter die besondere Dienst- und Befehlsgewalt zur Begründung herangezogen 54 . Verbreitete Resonanz hat aber vor allem die von Ule 55 begründete, gelegentlich auch vom BVerwG 58 herangezogene Unterscheidung von Grund- und Betriebsverhältnis gefunden. Als Grundverhältnis hat Ule die Gesamtheit jener Rechtsbeziehungen bezeichnet, die sich aus der Begründung, Veränderung oder Beendigung des besonderen Gewaltverhältnisses ergeben. Als Betriebsverhältnis werden die Rechtsbeziehungen angesehen, „die sich aus der Geltung der (geschriebenen oder ungeschriebenen) ,Betriebsordnung' ergeben" 57 . Maßnahmen, die lediglich das ,Betriebsverhältnis*, also die Amtsstellung des Beamten oder die Stellung des Schülers oder Studenten im Unterrichts- oder Lehrbetrieb einer Schule oder Hochschule betreffen, sind keine Verwaltungsakte, da sie keine rechtliche Regelung darstellen. Sie treffen den Adressaten nicht als Person; seine individuelle Rechtsstellung wird durch sie nidit berührt" 58 . Die Unterscheidung von Grund- und Betriebsverhältnis sah sich jedoch alsbald zunehmender Kritik ausgesetzt, weil es nicht gelang, brauchbare Kriterien für die Abgrenzung dieser beiden Bereiche zu entwickeln 59 . Wie der letzte Satz des vorstehenden Zitats zeigt, wird mit diesem Begriffspaar lediglich eine andere — indes nicht notwendig förderliche — Bezeichnung für die heute 52

5J

54 55

59 57 38 59

So audi Wolff-Bachof, VwR I, § 46 VII b; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 42 Anm. 32; BVerwGE 28, 145, 146; 8, 192; 7, 125, 128; 5, 153; 1, 260; Püttner, Allgemeines Verwaltungsredit, 2. Auflage 1973, S. 85. So BVerwGE 14, 84, 85, 87. Im einzelnen dazu Risken, Grenzen amtlicher und dienstlicher Weisungen im öffentlichen Recht, S. 38 f., 68 f. So Bachof in: Festschrift für Laforet, 1952, S. 285 f. Vgl. VVDStRL 15 (1957), 133, 151 ff.; DVB1 1957, 17. Ihm folgend: v. Uangoldt] Klein, GG, Art. 19 Abs. 3, Anm. 6 a, S. 579; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 42 Rn. 47 f., 50 a; Kopp, VwGO, 1973, § 42 Anm. 9. Vgl. BVerwGE 5, 153, 154; 8, 192, 193. Ule, VVDStRL 15 (1957), 152; vgl. auch ders., VerwGbarkeit, Anm. IV 4 zu § 42. So Ule, VerwprozeßR, Anm. zu § 32 V, S. 139. Vgl. etwa Siegmund-Schultze, DVBl 1962, 508, 509; Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 25; Menger, VerwArch 51 (1960), 375 ff.

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überwiegend als entscheidend erkannten Kriterien angeboten. Es kommt also auch bei einer Maßnahme im sog. besonderen Gewaltverhältnis darauf an, ob sie auf unmittelbare Bewirkung einer Rechtsfolge für ein Rechtssubjekt gerichtet ist 60 . Ist das der Fall, so sind insoweit die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes erfüllt. c) Erhebliche Schwierigkeiten bereitet immer wieder die Einordnung von sog. Organisationsakten, wie beispielsweise der Schließung einer Schulklasse durch eine Gemeinde 61 , der Eingemeindung eines gemeindefreien Forstgebietes durch Beschluß des Landesinnenministeriums 62 , der Änderung von Fleischbeschaubezirken 63 oder der Ordnung und Zuweisung von Aufgaben im Rahmen öffentlicher Verwaltung 6 4 . In diesem Zusammenhang wird mehrfach die Auffassung vertreten, diesen Maßnahmen komme eine Doppelnatur zu 6 4 0 . So werden sie einerseits als Verwaltungsakt — etwa wenn sie in den Rechtsbestand von Gebietskörperschaften eingreifen —, zugleich aber auch als justizfreier Regierungsakt — gegenüber den Gebietsangehörigen — angesehen 65 , oder aber als Verwaltungsakt gegenüber dem Betroffenen und als Rechtsnorm im übrigen qualifiziert 66 . D a ß eine Maßnahme indes einerseits Verwaltungsakt und andererseits Rechtsnorm sollte sein können, ist angesichts der auf eine alternative Klassifikation angelegten Kriterien notwendig ausgeschlossen67. Eine Maßnahme kann nur entweder Verwaltungsakt oder Rechtsnorm sein. Betrifft also eine Organisationsmaßnahme unmittelbar den Rechtskreis einer Gebietskörperschaft oder/und ihre Mitglieder 68 , so handelt es sich um eine Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung und damit — wenn die weiteren Voraussetzungen gegeben sind — um einen Verwaltungsakt. Sie ist dann Verwaltungsakt auch für den, dessen Rechtskreis sie nicht unmittelbar betrifft 6 9 . Diesem mangelt es nur an der Klagebefugnis des § 42 Abs. 2 V w G O 7 0 . Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang noch auf die Maßnahmen im Rahmen von Aufsichtsverhältnissen (z. B. Kommunalaufsicht). Ihnen kommt unmittelbare Rechtswirkung nach außen zu, wenn sie den Rechtsbereich, der dem Vgl. auch BVerwGE 14, 84, 86; Forsthoff, VwR, S. 203 ff. Hess. VGH DÖV 1951, 306; BVerwGE 18, 40, 41. 62 OVG Lüneburg DÖV 1963, 150; dazu Fichtmüller, JuS 1965, 350 ff. 63 BVerwG DVBl 1961, 86. 61 Vgl. BVerwG DÖV 1966, 796; BVerwGE 14, 84. e4 ° Dazu Bachof in: Festsdirift für Werner Weber, 1974, S. 515 ff. 05 So EyermannIFröhler, VwGO, § 42 Rn. 38; OVG Lüneburg DÖV 1963, 150— 1. Leits. und S. 151. 68 So Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 42 Rn. 29; Schweiger, DÖV 1955, 360. 87 So auch Wolff-Bachof, VwR I, § 46 V a 4. 63 Darauf stellen auch Bay VGH Bay VBl 1956, 121 und Bay VBl 1971, 309; OVG Münster OVGE 18, 97 ab. 69 Gegen die Theorie von der Doppelnatur auch Bay VGH DÖV 1964, 849; Menger, VerwArch 50 (1959), 283. 70 So audi Fichtmüller, JuS 1965, 350, 354. 60

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D a s Verwaltungshandeln

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Adressaten zugeordnet ist, unmittelbar betreffen 71 , sie also etwa in den Selbstverwaltungsbereich einer Gemeinde eingreifen, wie es beispielsweise die Genehmigung einer gemeindlichen Satzung oder deren Versagung tun 7 1 a . d) Unter Anwendung dieser Kriterien ist auch die Frage zu beantworten, ob in jenen Fällen Verwaltungsakte vorliegen, in denen das Gesetz die Vornahme von Maßnahmen durch eine Behörde an die Mitwirkung (z. B. Einvernehmen, Zustimmung) einer anderen Behörde knüpft (sog. mehrstufiger Verwaltungsakt72). Das geltende Recht macht davon vielfältigen Gebrauch. Mehrstufig ist z. B. die Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde nach § 36 Abs. 1 BBauG 7 2 0 im Hinblick auf das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde. Das gleiche gilt für die Baugenehmigung im Fall des § 9 Abs. 2 FStrG, die nur mit Zustimmung der obersten Landesstraßenbaubehörde erteilt werden darf. Die Rechtsprechung des BVerwG tendiert dahin, die Mitwirkungsakte als bloße Verwaltungsinterna ohne unmittelbare Rechtswirkung im Verhältnis zum Bürger zu qualifizieren. Sie verweist dann bei Verweigerung des Einvernehmens oder der Zustimmung den Bürger auf die Verpflichtungsklage gegen die nach außen hin zum Handeln berufene Behörde, wobei im Rahmen dieser Klage die Rechtmäßigkeit der Verweigerung mit überprüft und bei Rechtswidrigkeit die Mitwirkungshandlung als durch das Urteil des Verwaltungsgerichts ersetzt angesehen wird 7 2 b . Um die Frage nach der Verwaltungsaktsqualität einer Mitwirkungshandlung zu beantworten, ist zu untersuchen, ob die Maßnahme auf unmittelbare Bewirkung einer Rechtsfolge für ein Rechtssubjekt gerichtet ist. Dieses Rechtssubjekt kann einmal der Träger öffentlicher Verwaltung sein, dessen Behörde den Verwaltungsakt gegenüber dem Bürger erläßt. In diesem Fall handelt es sich bei der Mitwirkungshandlung einmal dann um einen Verwaltungsakt, wenn durch sie der Behörde, die gegenüber dem Bürger tätig wird, eine bestimmte Entscheidung im Rechtskreis des Trägers öffentlicher Verwaltung, deren Organisationseinheit sie ist, aufgegeben wird. Wenn also etwa die Zustimmung oder das Einvernehmen versagt wird, dann ist die beantragte Genehmigung zu versagen. Betrifft diese eine Angelegenheit aus dem Rechtskreis Vgl. dazu im einzelnen bzgl. kommunalauf sichtsbehördlicher Genehmigung: BVerwG D Ö V 1970, 2 7 7 f f . ; O V G Lüneburg O V G E 25, 375, 3 7 8 ; bzgl. anderer Maßnahmen der Kommunalaufsidit: O V G Münster O V G E 18, 8 7 ; D Ö V 1970, 6 0 7 ; Johannes und Reinhard Rauball, Gemeindeordnung für N W , 2. Auflage 1970, Anm. 1 zu § 112 GO N W , S. 4 4 7 ; bzgl. einer Genehmigung auf dem Gebiet des Handwerksrechts: BVerwGE 16, 83, 84 und dazu: G. Küchenhoff, JuS 1965, 52, 58. 7 1 0 Vgl. dazu Bachof (Fn. 64 a) S. 515, 518 ff. 7 2 Dazu auch unten § 40 III. Begriffsprägung durch Menger, VerwArch 50 (1959), 397. 7 2 0 Vgl. auch §§ 14 Abs. 1, 31 Abs. 1 und 2 BBauG. 7 2 b BVerwGE 16, 116; 18, 133; 19, 9 4 ; 21, 3 5 4 ; 22, 3 4 2 ; 26, 31; 28, 1 4 5 ; 34, 65. Kritisdi dazu Menger/Erichsen, VerwArch 58 (1967), 70, 74; Schuegraf, DVB1 1961, 6 5 4 ; Fickert, DVBl 1964, 173, 174.

71

142

Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

des Trägers öffentlicher Verwaltung, dessen Behörde den Bescheid gegenüber dem Bürger erläßt, so liegt ein Verwaltungsakt vor. Zum anderen liegt dann ein Verwaltungsakt vor, wenn der Behörde, die den Verwaltungsakt erläßt, die Entscheidung im Rechtskreis des Trägers öffentlicher Verwaltung, dessen Organisationseinheit sie ist — durch Erklärung der Zustimmung oder des Einvernehmens —, freigegebenen wird, wenn sie also nunmehr in Wahrnehmung eigener Aufgaben des von ihr repräsentierten Trägers öffentlicher Verwaltung — positiv oder negativ — entscheiden darf 73 . Auch hier gilt, daß eine Maßnahme, der Verwaltungsaktsqualität zukommt, diese immer und gegenüber jedermann besitzt. Eine Verpflichtungsklage des Bürgers auf Erlaß dieses Verwaltungsakts ist indes nur dann gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zulässig, wenn er geltend macht, durch die Ablehnung dieses Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Eine Mitwirkungshandlung kann auch dann Verwaltungsakt sein, wenn sie auf unmittelbare Bewirkung einer Rechtsfolge für den Bürger gerichtet ist. Das wird indes nur selten der Fall sein.

6. Der

Einzelfall

Ein Verwaltungsakt liegt schließlich nur vor, wenn es sich um die Regelung eines Einzelfalles handelt. Dieses Merkmal grenzt die Kategorie des Verwaltungsakts gegen die des Rechtssatzes ab 74 , der allgemein gilt. Indessen, so griffig das Merkmal des Einzelfalls auf den ersten Blick erscheint, so schwierig kann die Abgrenzung im Anwendungsfall werden. Das BVerwG sah sich z. B. bei folgendem Sachverhalt vor die Frage gestellt, ob ein Verwaltungsakt vorlag: Ende Dezember 1952 traten in Stuttgart und Umgebung epidemische Typhuserkrankungen auf. Bis Mitte Januar 1953 waren etwa 400 Kranke zu verzeichnen. Man kam zu dem Ergebnis, daß Endiviensalat die Infektionsquelle sei. Daher erging am 20 .Januar 1953 eine Anordnung des Innenministeriums, daß bis auf weiteres der Groß- und Einzelhandel mit Endiviensalat in den von Typhus betroffenen Kreisen Nord- und Südwürttembergs verboten sei. Diese Anordnung wurde durch Rundfunk und Presse bekanntgemacht740. Wenn man in diesem Endiviensalatfall auch auf den ersten Blick den Eindruck hat, es 73

Soweit beispielsweise die Gemeinde die nadi außen handelnde Behörde ist, wird ihr durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteter Rechtskreis durch die Erteilung oder Versagung des Einvernehmens seitens der Mitwirkungsbehörde gemäß § 36 Abs. 1 BBauG oder § 9 Abs. 2 FStrG tangiert. Deshalb ist in diesen Fällen die Mitwirkungshandlung Verwaltungsakt. Dagegen ist die Mitwirkungshandlung einer Behörde dann kein Verwaltungsakt, wenn sie lediglich zur Kontrolle der Ausübung von Kompetenzen dient, die auf eine andere Behörde delegiert worden sind; vgl. etwa den BVerwG DVBl 1964, 1000 f. zugrunde liegenden Fall.

74

Vgl. dazu nunmehr mit umfassenden Nachweisen v. Mutius, BVerwGE 12, 87.

740

(Fn. 11) S. 167 ff.

Das Verwaltungshandeln

143

handele sich um die Regelung eines Einzelfalles, so ergeben sich bei näherer Betrachtung alsbald Zweifel. Da im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung unbekannt war, welche Kreise noch von Typhus befallen waren, war die räumliche Reichweite dieses Verbotes im Zeitpunkt seines Erlasses unbestimmt. Weil die Zahl der von diesem Verbot Betroffenen von seiner räumlichen Erstreckung abhing, war auch sie im Zeitpunkt seines Erlasses unbestimmt. Andererseits ging es um die Bekämpfung einer ganz konkreten Seuchengefaht. Es stellt sich die Frage, welcher Aspekt entscheidend dafür ist, ob hier ein Einzelfall vorliegt. a) Aus der Vielzahl der für die Abgrenzung von allgemeiner Regelung und Einzelfallregelung, also zur Unterscheidung von Rechtsnorm und Einzelakt in Betracht gezogenen Kriterien 75 , werden hier die Zahl der unmittelbaren personalen Adressaten der Regelung und der durch sie geordneten Lebenssachverhalte in die Betrachtung einbezogen76. Es ergeben sich dann folgende Kombinationsmöglichkeiten: Eine Regelung kann sich an eine im Zeitpunkt ihres Erlasses77 unbestimmte Zahl von unmittelbaren personalen Adressaten für unbestimmt viele Sachverhalte richten. Sie ist dann generell und abstrakt. So bestimmt etwa die Verordnung über die Aufrediterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf den öffentlichen Wegen und in öffentlichen Anlagen der Stadt Dortmund v. 21. Dez. 1959 in § 8 Ziff. 1 und 2: „Die Schneeräumung . . . obliegt den Eigentümern, dinglichen Berechtigten oder sonstigen Verpflichteten, im folgenden als Pflichtige bezeichnet... Die Bürgersteige einschließlich der Radwege und nicht befestigten Gehwege sind von den Pflichtigen in der ganzen Ausdehnung ihrer bebauten und unbebauten Grundstücke in der Zeit von 8.00 bis 20.00 Uhr nach jedem beendeten Schneefall unverzüglich vom Schnee zu räumen . . Eine Regelung kann sich an eine im Zeitpunkt ihres Erlasses bestimmte 78 Zahl von unmittelbaren personalen Adressaten für einen bestimmten Sachverhalt richten. Sie ist dann individuell und konkret. Beispiel: Entscheidung, daß der Rechtskandidat A das 1. juristische Staatsexamen am 1.4.1973 nidit bestanden habe. Die Kategorisierung dieser Regelungstypen ist nach allgemeiner Meinung problemlos. Im ersten Fall handelt es sich um eine Rechtsnorm — Rechtsverordnung, Satzung —, im zweiten Fall um einen Verwaltungsakt. Eine Regelung kann sich jedoch auch an eine im Zeitpunkt ihres Erlasses bestimmte Zahl von unmittelbaren personalen Adressaten für unbestimmt viele 75 76

77

73

Vgl. dazu v. Mutius (Fn. 11) S. 167, 176 f. Vgl. dazu Volkmar, Allgemeiner Reditssatz und Einzelakt, 1962, S. 77 f.; v. Mutius (Fn. 11) S. 167, 195 f. Es kommt immer auf den Erlaßzeitpunkt an. Vgl. v. Mutius (Fn. 11) S. 167, 196 ff. Die Bestimmbarkeit der Zahl ist, wie Volkmar (Fn. 76) S. 59 f. dargelegt hat, hier kein für die Einordnung bestimmendes Kriterium. Sie hat Bedeutung für die Wirksamkeit jeder rechtlichen Regelung, da eine solche nur dann wirksam sein kann, wenn ihre Adressaten bestimmbar sind.

144

Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

Sachverhalte richten. Sie ist dann individuell und abstrakt. So hatte in einem vom OVG Münster79 entschiedenen Fall die Klägerin eine Anordnung des Oberstadtdirektors erhalten, in der ihr aufgegeben wurde, an den Tagen, an denen nicht durch natürliche Witterungseinflüsse allgemeine Glatteisgefahr gegeben sei, sondern sich durch die Abdämpfe der von ihr betriebenen Kühltürme in deren Umgebung Glätte gebildet habe, den hierdurch verursachten polizeiwidrigen Zustand zu beseitigen. Solche individuell abstrakten Regelungen werden als Verwaltungsakte qualifiziert 700 . Eine Regelung kann sich schließlich an eine im Zeitpunkt ihres Erlasses unbestimmte Anzahl von unmittelbaren personalen Adressaten für einen bestimmten Sachverhalt richten. Sie ist dann generell und konkret. Als Beispiel sei die Sperrung einer bestimmten Straße wegen dort bestehender Explosionsgefahr angeführt 80 . Bei der generell-konkreten Regelung ist zwar im Zeitpunkt ihres Erlasses die Zahl der Adressaten, die von ihr künftig unmittelbar personal betroffen sind, offen und damit unbestimmt, jedoch lassen sich alle von dieser Regelung Betroffenen durch ihre Beziehung zum geregelten raum-zeitlich konkreten Sachverhalt definieren. So richtete sich das Verbot, Endiviensalat zu verkaufen, im Januar 1953 an alle, die in den vom Typhus befallenen Kreisen mit Endiviensalat Handel betrieben oder betrifft etwa die Widmung der Straße zum Gemeingebrauch alle jene, die diese Straße benutzen wollen. Man spridit in diesen Fällen von einer Allgemeinverfügung81. Sie wird in § 31 S. 2 EVwVfG 1973 definiert als Verwaltungsakt, „der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft". Das ist im ersten Halbsatz zumindest ungenau, da auch jeder Rechtssatz „sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Personenkreis richtet" 82 . Im Gegensatz zum Regelbefund der Rechtsnorm regelt die Allgemeinverfügung jedoch einen konkreten Sachverhalt 83 . b) Lange Zeit recht umstritten war die Frage, ob Verkehrszeichen Verwaltungsakte sind. Das Verkehrszeichen trifft eine Regelung darüber, in welcher Weise eine ganz bestimmte Fläche einer Straße benutzt werden darf. Besonders plastisch wird dies etwa beim Halteverbot, welches in einem bestimmten räumlichen Bereich jedes Halten von Kraftfahrzeugen verbietet. Die Zahl der 79 790

80 81 82 83

O V G E 16, 289 f. Wolff-Bachof, V w R I, § 4 6 V I a 4 ; Volkmar (Fn. 76) S. 150 f.; v. Mutius, (Fn. 11) S. 199 f.; Püttner (Fn. 52) S. 8 1 ; O V G Münster O V G E 16, 2 8 9 f . Vgl. auch das Beispiel bei Volkmar (Fn. 76) S. 128. A. A. v. Mutius (Fn. 11) S. 167, 206 ff. Vgl. Menger und Erichsen, VerwArch 59 (1968), 368. Das wird etwa von Fuß, D Ö V 1964, 522, 526 und von ]. Martens, DVB1 1968, 322, 328 für unerheblich gehalten.

Das Verwaltungshandeln

145

Personen, die von diesem Halteverbot betroffen sein wird, ist jedoch beim Erlaß dieser Regelung nicht abzusehen. Dementsprechend hat das BVerfG Verkehrszeichen als Allgemeinverfügungen angesehen und damit alsbald Gefolgschaft in der zunächst recht unterschiedlichen, ganz überwiegend jedoch zur Annahme von Rechtsverordnungen tendierenden Rechtsprechung gefunden84. Im Schrifttum wird demgegenüber im Hinblick auf Verkehrszeichen gelegentlich von dinglichen Verwaltungsakten gesprochen85. Darunter werden Regelungen verstanden, die die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betreffen. Es handelt sich mithin nur um einen Spezialausdruck für die im zweiten Halbsatz des § 31 S. 2 EVwVfG 1973 definierte Erscheinung der Allgemeinverfügung. In die Kategorie des dinglichen Verwaltungsaktes können demnach z. B. die Widmung86, die Eintragung einer Jahrhunderteiche in das Naturdenkmalbuch87, die Festsetzung eines Wasserschutzgebietes nach § 19 WHG 8 8 oder die Freigabe von Wasserskistrecken89 eingeordnet werden. Die Rechtsprechung stand dem Terminus „dinglicher Verwaltungsakt" bisher recht zurückhaltend gegenüber, doch könnte sich das ändern, nachdem das BVerwG nunmehr im Zusammenhang mit der Nachfolge in die Ordnungsund Polizeipflicht sowie im Hinblick auf die Baugenehmigung die Dinglichkeit im öffentlichen Recht entdeckt hat 90 . Ob indessen damit der Weg bereitet ist für die Einordnungen der Verkehrszeichen in die Kategorie der dinglichen Verwaltungsakte, ist zweifelhaft. Es bleibt bei einer solchen Betrachtung doch wohl zu sehr außer acht, daß Verkehrszeichen nach dem Wortlaut der StVO aber auch nach dem Verständnis der betroffenen Verkehrsteilnehmer zumindest in erster Linie als personale Verhaltensge- und -verböte anzusehen sind91. 84

Vgl. zu diesen Fragen Menger/Erichsen, VerwArch 56 (1965), 378 ff. und VerwArdi 59 (1968), 366 f. Verkehrszeichen sind als Rechtsverordnungen angesehen worden von BVerwG VerwRspr 9 (1957), 747, 7 4 8 ; O L G H a m m N J W 1954, 7 3 5 ; V G H Bremen D A R 1957, 1 3 8 ; O V G Münster DVB1 1961, 4 5 6 ; O V G Stuttgart J Z 1964, 716.

85

So zuerst Niehues, D Ö V 1965, 3 1 9 f.; ders. neuestens in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 245 f. Ihm folgend Wolff-Bacho}, V w R I, § 46 V I I I ; Menger und Erichsen, VerwArdi 59 (1968), 366 ff.; VG Münster N J W 1967, 1630 f. Die Annahme von Reditsbeziehungen zwischen Personen und Sachen stellt sidi als reditstechnisdie Verkürzung sachbezogener Rechtsverhältnisse unter Personen dar, was etwa Grund, DVB1 1974, 449 ff. verkennt. Vgl. Niehues (Fn. 85) S. 247 f. Gegen Grund v. Mutius, DVB1 1974, 904 f.

88

Vgl. dazu B G H D Ö V 1968, 1 3 2 ; Kodal, Straßenredit, 2. Auflage 1969, Anm. II 2 zu „Widmung" S. 996. Dazu Wolff-Bachof, V w R I, § 46 VIII. B V e r w G E 18, 1. Vgl. V G H Kassel D Ö V 1966, 871. Vgl. BVerwG D Ö V 1971, 640 f. und dazu v. Mutius, H R R V w R C 7, 1972. Dazu auch v. Mutius (Fn. 11) S. 167, 2 1 4 f.

87 88 88 80 81

10 Allgemeines Verwaltungsrecht

146

Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

§12 Arten der Verwaltungsakte Die unter dem Begriff des Verwaltungsaktes zusammengefaßten Verwaltungsentscheidungen weisen eine solche Mannigfaltigkeit auf, daß es zweckmäßig erscheint, die Fülle der Erscheinungen durch Kategorisierung gedanklich zu ordnen. Überprüft man die im Schrifttum angebotenen sehr unterschiedlichen Gliederungen, erweisen sich diejenigen Einteilungen als besonders fruchtbar, die auf Kriterien von rechtlicher Erheblichkeit beruhen. Dieser Einsicht entspricht die anschließende Gruppierung. Unter bewußtem Verzicht auf Vollständigkeit stellt sie einige rechtsdogmatisch bedeutsame Typen von Verwaltungsakten vor. Damit wird zugleich auch eine Reihe geläufiger terminologischer Festsetzungen vermittelt, auf die dann im Verlauf der weiteren Darstellung ohne erneute Erläuterung zurückgegriffen werden kann.

I. Befehlende, gestaltende und feststellende Verwaltungsakte Die Unterscheidung von befehlenden, gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten knüpft an deren Inhalt an. 1. Befehl Befehlende Verwaltungsakte (Verfügungen) gebieten oder verbieten ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen. Ihre Domäne sind die Bereiche der mit den Mitteln des Eingriffs und des Zwanges arbeitenden Polizei- und Ordnungsverwaltung sowie der Abgabenverwaltung. Nur befehlende Verwaltungsakte sind vollstreckungsfähig und ggf. vollstreckungsbedürftig. 2. Gestaltung Gestaltende Verwaltungsakte sind auf die Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechtsverhältnissen gerichtet. Gestaltend in diesem Sinn wirken z. B. Erteilung und Widerruf einer Erlaubnis, Ernnennung und Entlassung eines Beamten. Bezieht sich der Verwaltungsakt auf ein Rechtsverhältnis des privaten Rechts, handelt es sich um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt; privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt ist z. B. die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts gemäß §§ 24 ff. BBauG, wenn man darin eine öffentlichrechtliche Regelung sieht1. Widerspruch und Anfechtungsklage haben auch bei gestaltenden Verwaltungsakten aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 S. 2 VwGO). 1

Vgl. oben S. 135 f.

Das Verwaltungshandeln

3.

147

Feststellung

Feststellenden Charakter haben Verwaltungsakte, die Ansprüche oder bestimmte rechtlich erhebliche Eigenschaften von Personen (z. B. Wohnsitz, Wahlrecht) und Sachen (z. B. Einheitswert von Grundstücken) feststellen. Im Einzelfall kann es schwierig sein, den feststellenden Verwaltungsakt von der rechtlich unverbindlichen Mitteilung oder Meinungsäußerung abzugrenzen 2 . Unterscheidungsprobleme können sich auch im Verhältnis von feststellendem und gestaltendem Verwaltungsakt ergeben3.

II. Gebundene Verwaltungsakte, Ermessensakte und freie Verwaltungsakte Die Unterscheidung von gebundenen Verwaltungsakten, Ermessensentscheidungen und Verwaltungsakten im gesetzesfreien Raum knüpft an das unterschiedliche Ausmaß der rechtlichen Bindungen beim Erlaß von Verwaltungsakten an. Diese Bindungen sind im folgenden darzustellen 4 .

1. Gebundene

Verwaltungsakte

a) Von einem gebundenen Verwaltungsakt spricht man dann, wenn ihn die Behörde bei Vorliegen der im gesetzlichen Tatbestand bezeichneten Voraussetzungen erlassen muß oder nicht erlassen darf, insoweit also völlig fremdbestimmt agiert. In diesem Sinn heißt es z. B. in § 23 Abs. 1 nw O B G : „Die Ordnungsbehörde darf eine Erlaubnis oder Bescheinigung, auf die der Antragsteller unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch hat (gebundene Erlaubnis), nur versagen, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen." Wichtigster Fall einer gebundenen Erlaubnis ist die Baugenehmigung, die zu erteilen ist, wenn das geplante Bauvorhaben allen öffentlichrechtlichen Vorschriften entspricht 5 . Gebunden sind in aller Regel audi gewerberechtliche Erlaubnisse. Eine Bindung an strikte Gesetzesbefehle kommt nicht nur bei begünstigenden, sondern ebenso auch bei belastenden Verwaltungsakten in Betracht 6 . So gilt namentlich im Steuerrecht der allgemeine Grundsatz, daß die Behörde zur 2

Vgl. Badiof, Rspr BVerwG II N r . 323 ff.; BVerwG DVB1 1970, 500 mit abl.

Anm. Wendt = JZ 1970, 137 mit abl. Anm. Schick; Hoffmann-Betking, 3 4

5

8

10*

DÖV

1972, 196 ff. Vgl. in bezug auf die Baugenehmigung Friauf, DVB1 1971, 719 ff. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der einzelne einen Anspruch darauf hat, daß sich die Träger öffentlicher Verwaltung ihren normativen Verpflichtungen entsprechend verhalten, vgl. oben § 10 II 5. Vgl. dazu Friauf in: I. v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Auflage 1972, S. 431 ff. Zu dieser Unterscheidung vgl. unten III.

148

Hans-Uwe Eridisen und Wolfgang Martens

Geltendmachung der gesetzlich entstandenen Steueransprüche verpflichtet ist 7 . Daneben verdient die unter bestimmten Voraussetzungen obligatorische Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte Erwähnung 8 . b) Die Bindung der Verwaltung an das Gesetz ist indes von unterschiedlicher Intensität. Einzugehen ist in diesem Zusammenhang auf die Erscheinung des unbestimmten Begriffs. Sie ist von den Generalklauseln des Privatrechts (z. B. gute Sitten, Treu und Glauben, Verkehrssitte), aber auch von den grundrechtlichen Gewährleistungen des Verfassungsrechts her 9 vertraut. In der Verwaltungsgesetzgebung nehmen derartige Begriffe einen besonders breiten Raum ein, wie die nachstehenden, fast beliebig vermehrbaren Beispiele illustrieren: Gemeinwohl; öffentliches Interesse, Wohl und Bedürfnis; öffentliche Sicherheit und öffentliche Ordnung; Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs; Gefahr und Störung; Beeinträchtigung des Landschaftsbildes; anständige Baugesinnung; Zuverlässigkeit; Eignung; Befähigung; Sittlichkeit; Würdigkeit. Solche vagen Begriffe finden sich sowohl (häufiger) auf der Tatbestandsseite wie (seltener) auf der Rechtsfolgeseite der Rechtssätze. Sie werden zumeist „unbestimmte Rechtsbegriffe" genannt. Man pflegt zwei Arten unbestimmter Rechtsbegriff zu unterscheiden: empirische bzw. deskriptive Begriffe und normative bzw. wertausfüllungsbedürftige Begriffe 10 . Empirische Begriffe beziehen sich auf Gegenstände und Ereignisse der Wirklichkeit, auf wahrnehmbare oder sonst erfahrbare Objekte (z. B. Tagesanbruch, Nachtzeit, Gefahr, Störung). Normativen Begriffen fehlt dieser Wirklichkeitsbezug; sie erschließen sich dem Interpreten erst durch wertende Stellungnahme, der unvermeidbar subjektive Elemente innewohnen. Beide Kategorien des unbestimmten Begriffs werfen eine Reihe von Rechtsfragen auf, die Schrifttum und Rechtsprechung seit langem beschäftigen, ohne daß bisher allgemein anerkannte Lösungen erzielt worden wären. Dabei geht es einmal um seine Auslegung (Interpretation) und Anwendung im konkreten Fall (Subsumtion) durch die Verwaltung. Zum andern bedarf der Klärung, inwieweit die Handhabung des unbestimmten Begriffs durch die Behörde verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung unterliegt 11 . Betrachtet man zunächst die empirischen Begriffe, so zeigt sich, daß mit ihrer Auslegung keine spezifischen Probleme verbunden sind. Ihr Sinngehalt im Rahmen einer gesetzlichen Vorschrift läßt sich mit den geläufigen Interpretationsmethoden ermitteln 12 . Dagegen wird die Anwendung dieser BeKruse, Steuerrecht I Allgemeiner Teil, 3. Auflage 1973, S. 37 f. Vgl. z. B. §§ 9 Abs. 1, 23 Abs. 1 B R R G ; 12 Abs. 1, 28, 30 B B G ; 15 Abs. 1 und 2 GastG. • Vgl. dazu Franz-Jürgen Säcker, Grundprobleme der kollektiven Koalitionsfreiheit, 1969, S. 95 ff. 10 Vgl. zu dieser Unterscheidung etwa Engisch, Einführung in das juristische Denken, 5. Auflage 1971, S. 109 ff.; Latenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Auflage 1969, S. 243 ff. 11 Vgl. dazu sehr klar Ule, VerwprozeßR, S. 24. 1 8 Zutreffend Forsthoff, V w R , S. 85 f. 7

8

Das Verwaltungshandeln

149

griffe auf den Einzelfall insbesondere dann nicht immer zu eindeutigen Ergebnissen führen, wenn es darauf ankommt, Prognosen zu stellen. So kann es z. B. durchaus zweifelhaft sein, ob bei einem nur teilweise verfüllten stillgelegten Schacht eines Bergwerks das Entstehen eines Tagesbruchs hinreichend wahrscheinlich und damit die öffentliche Sicherheit gefährdet ist. Auch Sachverständige werden hier nicht immer zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen13. Wendet man sich sodann den normativen Begriffen zu, beginnen die Unsicherheiten bereits auf der Ebene der Auslegungu. Solche Begriffe weisen nach einer plastischen Formulierung von Philipp Heck15 neben einem festen „Begriffskern" einen besonders weiten, diffusen „Begriffshof" auf, zu dessen Rändern hin die Entscheidungsgewißheit immer mehr abimmt. Das wird für manche Begriffe um so deutlicher, je weniger es der gegenwärtigen pluralistischen Gesellschaft gelingt, sich auf gemeinsame Wertvorstellungen zu einigen. Außerdem ist zu beachten, daß bei den normativen Begriffen Auslegung und Anwendung häufig praktisch nicht rein voneinander getrennt werden können, weil ihre Konkretisierung vielfach erst im Wege der Anwendung erfolgt. Daß es etwa bei der Frage, ob jemand zuverlässig oder ein Verhalten unzüchtig im Sinne eines gesetzlichen Tatbestandes ist, in Grenzfällen Subsumtionszweifel geben kann, läßt sich nicht bestreiten. Als Ergebnis der vorstehenden Überlegungen bleibt festzuhalten: Bei der Handhabung eines unbestimmten Gesetzesbegriffs leiden Interpretations- und Subsumtionsergebnis gelegentlich an mangelnder Eindeutigkeit. Gewiß muß sich auch in derartigen Situationen die Verwaltung zu derjenigen Entscheidung durchringen, die sie allein für richtig hält, hat mithin die Behörde nicht die Wahl zwischen mehreren Entscheidungen16. Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß bisweilen verschiedene Beurteiler zu unterschiedlichen Einschätzungen und Bewertungen gelangen können. Darin liegt offenkundig eine Relativierung der Gesetzesgebundenheit der Verwaltung 17 . Man spricht insoweit von einem Beurteilungsspielraum der Verwaltung. Damit wird gesagt, daß mehrere Rechtsanwender bei der Anwendung desselben unbestimmten Rechtsbegriffs auf denselben Sachverhalt zu unterschiedlichen Lösungen kommen können und dürfen 18 . Aus diesem Befund hat die Verwaltungsrechtslehre wichtige Folgerungen in Richtung auf eine Begrenzung der verwaltungsgerichtlichen Prüfungsbefugnis gegenüber Verwaltungsakten in Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe gezogen. So hat Bachof dafür plädiert, im Bereich der Grenzfälle der Behörde 13

14 15 16

17 19

Vgl. Badhof, J Z 1955, 100; den., Rspr BVerwG II, 260 ff.; Erichsen, VerwArch 63 (1972), 341. Erichsen, VerwArch 63 (1972), 341 f. Heck, AcP 1914, 112, 173. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 331; Obermayer, N J W 1963, 1178; Fellner, DVB1 1966, 164. Vgl. auch Wolff-Bachof, VwR I, § 31 I c 3. Vgl. Erichsen, VerwArch 63 (1972), 342.

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Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

bei der Subsumtion einen gerichtlich unüberprüfbaren Beurteilungsspielraum zuzuerkennen19. Ganz ähnlich hat sich Ule dafür ausgesprochen, die gerichtliche Kontrolle auf die Vertretbarkeit der Verwaltungsentscheidung zu beschränken20. Dem ist unter Einbeziehung der von beiden Autoren ausgesparten Auslegung von normativen Begriffen21 beizupflichten. Es darf also insoweit das auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns begrenzte Verwaltungsgericht nicht seine eigene abweichende Ansidit an die Stelle derjenigen der Behörde setzen, der mit der Sachkompetenz auch die Verantwortung für die Entscheidung übertragen worden ist. Die Verwaltungsgerichte haben dagegen in der unzutreffenden Annahme, auch die Anwendung unbestimmter Begriffe alsse immer nur eine richtige Entscheidung zu, grundsätzlich eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung in Anspruch genommen22. Lediglich bei Prüfungsentscheidungen, prüfungsähnlichen Entscheidungen und dienstlichen Beurteilungen im Beamtenrecht haben sie mit Rücksicht auf die dabei zu fällenden höchstpersönlichen, mithin unvertretbaren und nicht nachvollziehbaren Werturteile die Kontrolle begrenzt und sich damit begnügt zu prüfen, ob die Behörde von falschen Tatsachen ausgegangen ist, rechtsverbindliche Verfahrensvorschriften verletzt hat, allgemeingültige Bewertungsgrundsätze nicht beachtet hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen23. Einen Wandel der Rechtsprechung könnte freilich ein Urteil des BVerwG vom 16.12. 1971 24 signalisieren. In Abweichung von seiner bis dahin vertretenen Auffassung hat das Gericht hier zu dem Begriff der Eignung einer Schrift, Kinder oder Jugendliche sittlich zu gefährden25, folgendes ausgeführt: „Die Aufnahme in die Liste setzt eine Eignung zur Jugendgefährdung voraus. Diese war bisher als ein unbestimmter Rechtsbegriff angesehen worden, der nur eine einzige richtige Entscheidung zuläßt. Es handelt sidi bei der Indizierung jedoch nidit lediglich um die Feststellung von Tatsachen und deren Subsumtion, die Entscheidung über die Eignung zur Jugendgefährdung enthält vielmehr ein vorausschauendes und zugleich richtungweisendes Urteil mit erheblichem Einschlag wertender Elemente. Die Vorstellung, daß bei der Anwendung des 19 20 21 22

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24

25

Bachof, J Z 1955, 97 ff.; ausführlich dazu Ossenbähl (Fn. 16) S. 328 ff. Ule in: W. Jellinek-Gedächtnisschrift, 1955, S. 309 ff. Vgl. dazu Jesch, AöR 82 (1957), 163 ff. Vgl. z . B . BVerwGE 16, 116; 17, 5; 18, 40 und 247; 21, 184; 23, 112; 24, 60; 29, 279; 35, 69; 40, 353; s. dazu Kellner, N J W 1966, 857ff. Vgl. z . B . BVerwGE 8, 272; 11, 139 und 165; 12, 20 und 29; 15, 39; 23, 194; 38, 105; BVerwG DVBl 1964, 321 und 825; 1968, 428; OVG Hamburg DVBl 1970, 698; s. audi Hummel, Gerichtsschutz gegen Prüfungsbewertungen, 1969. BVerwGE 39, 197 = J Z 1972, 204 mit Anm. Bachof = DVBl 1972, 388 mit Anm. Schmidt-Salzer und Wagenitz = N J W 1972, 519 mit Anm. Ott, N J W 1972, 1219; vgl. zu dem Urteil ferner Erichsen, VerwArdi 63 (1972), 338; Ossenbähl, DÖV 1972, 401; Jarosch, DÖV 1974, 123. § 1 I des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften i. d. F. vom 29. 4.1961 (BGBl. I S. 497).

Das Verwaltungshandeln

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Begriffs der Eignung zur Jugendgefährdung nur eine richtige Lösung möglich sei, erweist sich als eine Fiktion. Von der Sache her sind mehrere Lösungen, ist eine .Bandbreite der Entsdieidungsmöglichkeiten' (Redeker, D Ö V 1971, 757 [ 7 6 2 ] ) denkbar, die das Recht in gleicher Weise als vertretbar ansehen kann 2 6 ." Davon ausgehend, beschränkt das Gericht anschließend die richterliche Kontrollbefugnis und fährt dann fort: „Diese Begrenzung der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung verletzt nicht Art. 19 Abs. 4 GG. Gerichtlicher Rechtsschutz dient der Abwehr von Rechtsverletzungen. Sind mehrere rechtmäßige Entscheidungen möglich, verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nicht, daß die Auswahl unter ihnen letztverantwortlich vom Gericht getroffen wird 2 7 ." Ob sich diese Ansicht auch in bezug auf andere unbestimmte Gesetzesbegriffe durchsetzen wird, muß abgewartet werden 28 .

2.

Ermessensakte

a) Bisweilen bindet der Gesetzgeber die Verwaltung nicht in der strengen Weise, daß sie unter (mehr oder weniger) genau umschriebenen Voraussetzungen zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist. Eine solche Lockerung der Gesetzesgebundenheit wird gesetzessprachlich verschiedenartig formuliert. So werden Behörden manchmal ausdrücklich dazu ermächtigt, nach (pflichtmäßigem) Ermessen zu handeln. Das wichtigste Beispiel dafür liefert die polizeiliche Generalklausel, wie sie sich in § 14 Abs. 1 pr. PVG 2 9 und seinen heute geltenden Nachfolgebestimmungen 30 findet. Die gleiche Bedeu28 27 28

28

30

B V e r w G 39, 2 0 3 . B V e r w G E 39, 203, 205. Für volle Nachprüfung des Begriffs des „wichtigen Grundes" im Sinne des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen v. 5. 1. 1938 ( R G B l . I S. 9) hat sich ausgesprochen B V e r w G E 40, 3 5 3 ; ebenso in bezug auf die Handhabung der Begriffe des § 1 Abs. 4 und 5 B B a u G B V e r w G D V B 1 1974, 767, 774 = N J W 1975, 70, 74 mit Anm. David. U n d uneingeschränkte Prüfungskompetenz hinsichtlich des „besonderen Einzelfalles" und der „Gründe des öffentlichen Gesundheitsinteresses" im Sinne von § 3 Abs. 3 B Ä O bei der Beurteilung, ob ein Ausländer approbiert werden soll, nimmt in Anspruch B V e r w G D V B 1 1974, 849 = D Ö V 1974, 782. Dagegen qualifiziert das V G Berlin (DVB1 1974, 375 und 378) den Begriff des „guten Unterhaltungsfilms" gemäß § 8 Abs. 1 des Filmförderungsgesetzes als unbestimmten Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum. Aus der jüngsten wissenschaftlichen Problemdiskussion vgl. etwa Ossenbühl, D V B 1 1974, 3 0 9 f f . ; Stüer, D V B 1 1974, 3 1 4 f f . ; Schwerdtfeger, Arbeitslosenversicherung und Arbeitskampf, 1974, S. 79 ff., 97 ff. Danach haben die Polizeibehörden im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht wird. — D i e Vorschrift zeigt zugleich, wie unbestimmte Gesetzesbegriffe und Ermessen miteinander verbunden werden können. Vgl. die Nachweise bei Friauf (Fn. 5) S. 156.

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tung haben Vorschriften, auf Grund derer die Verwaltung etwas tun darf oder kann (z. B. §§ 8 Abs. 1 RuStAG; 56 Abs. 2 B S H G ; § 12 Abs. 2 BBG) oder befugt bzw. berechtigt ist, Maßnahmen zu treffen 31 . Durch derartige Wendungen wird also der Verwaltung ebenfalls Ermessen eingeräumt. In allerdings weitaus geringerer Intensität gilt das auch nodi für Soll-Vorschriften 32 . b) Mit der Gewährung von Ermessen33 verleiht der Gesetzgeber der Verwaltung einen Spielraum zu eigener und eigenverantwortlicher Wahl und Entscheidung. Innerhalb dieses Spielraums können mehrere unterschiedliche, ja gegensätzliche Verhaltensweisen in gleicher Weise als zulässig und rechtmäßig zu erachten sein. Dabei lassen sich je nach dem Inhalt der gesetzlichen Ermächtigung Entschließungs- und Auswahlermessen unterscheiden34. Das Entschließungsermessen bezieht sich auf die Frage, ob eine gesetzlich vorgesehene, aber nicht vorgeschriebene Rechtsfolge gesetzt werden soll, also z. B. darauf, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit hinreichenden Anlaß zu polizeilichem Einschreiten gebe. Beim Auswahlermessen geht es demgegenüber darum, welche von mehreren zulässigen Maßnahmen oder auch gegen welchen von verschiedenen in Betracht kommenden Adressaten diese eingesetzt werden sollen. In beiden Fällen ist Ermessen demnach als Verhaltensermessen zu verstehen und als solches auf der Rechtsfolgeseite des Rechtssatzes angesiedelt. Auf seiner Tatbestandsseite hat das Ermessen dagegen im rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht unter der Geltung des Grundgesetzes keinen Platz 35 . Auch wenn dort unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet werden, impliziert das — wie oben dargelegt — ungeachtet einer Relativierung ihrer Gesetzesbindung nicht eine Wahlfreiheit der Verwaltung, wie sie das Ermessen kennzeichnet. Diese Wahlfreiheit ermächtigt die Verwaltung zur Setzung der Rechtsfolge im Einzelfall. Die Einräumung von Ermessen ermöglicht, den besonderen Umständen und Gegebenheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen und ihn dadurch in seiner Eigenart zweckmäßig und gerecht zu entscheiden. Dazu bedarf es stets einer Besinnung auf Sinn und Zweck des ermächtigenden Gesetzes und einer Abwägung der in concreto auf dem Spiel stehenden häufig kollidierenden öffentlichen und privaten Interessen. Forsthoff bezeichnet das Ermes31

82 33

34 35

Nach Auffassung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes handelt es sich auch bei der Entscheidung der Behörde gemäß § 131 Abs. 1 S. 1 R A O darüber, ob die Einziehung der Steuer nadi Lage des einzelnen Falles unbillig wäre, um eine Ermessensentsdieidung, bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens durch den Maßstab der Billigkeit bestimmt werden, vgl. BVerwGE 39, 355, 361 ff.

Vgl. Wolff-Bachof, VwR I, § 31 II b.

Zur Geschichte des Ermessens vgl. Erichseti, Verfassungs- und verwaltungsreditsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971, S. 157 ff. Terminologie nach Wolff-Bachof, VwR I, § 31 II c 1. Ossenbähl (Fn. 16) S. 317 mit zahlreichen Nachweisen; vgl. aber auch — allerdings für einen Sonderfall - BVerwGE 39, 355, 361 ff.

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sen daher zutreffend als „wählendes Verhalten im Rahmen einer Wertverwirklichung" 38 . Ermessensausübung ist weder Handeln nach Belieben noch gar nach Willkür 3 7 , unterliegt vielmehr einer ganzen Reihe verwaltungsrechtlicher und auch verfassungsrechtlicher Bindungen. Von den rechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung soll im folgenden näher die Rede sein, soweit es sich um solche Bindungen handelt, deren Einhaltung gerichtlich überprüfbar ist. Damit scheidet die Zweckmäßigkeit der Ermessensausübung aus der weiteren Darstellung aus. Sie ist zwar Gegenstand des Widerspruchsverfahrens (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO), nicht jedoch des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, da dieses auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns beschränkt ist 38 . c) Die der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugänglichen Bindungen des verwaltungsbehördlichen Ermessens umschreibt § 114 V w G O wie folgt: „Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch39, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist." Die Bestimmung setzt danach voraus, daß die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens einzuhalten ( V e r b o t der Ermessensüberschreitung) und von ihrem Ermessen einen zweckentsprechenden Gebrauch zu machen hat Verbot des Ermessensmißbrauchs oder Ermessensfehlgebrauchs). Wird dem zuwidergehandelt, liegt ein gerichtlich überprüfbarer Ermessensfehler 40 vor, der Rechtswidrigkeit bewirkt. aa) Ist die Verwaltung befugt, nach Ermessen zu handeln, so ist sie zugleich verpflichtet, dieses Ermessen zu betätigen. Fehlt es daran, z. B. weil die Behörde sich irrig für gebunden gehalten hat, liegt darin ein Ermessensfehler, *> Forsthoff, VwR, S. 87. 37 Wolff-Bachof, V w R I, § 31 II c 3 ; Ossenbühl (Fn. 16) S. 315 f. 3 8 Vgl. dazu ausführlich Ule (Fn. 11) S. 11; für eine — wenn auch begrenzte — gerichtliche Zweckmäßigkeitskontrolle Lohmann, Die Zweckmäßigkeit der Ermessensausübung als verwaltungsrechtliches Rechtsprinzip, 1 9 7 2 ; s. auch Soell, das Ermessen der Eingriffsverwaltung, 1973, S. 74, 119 ff. 3 9 Der Sinn des Wortes „auch" ist dubios. Es dürfte schwerlich zum Ausdruck bringen sollen, daß neben Ermessensüberschreitung und Ermessensmißbrauch auch die zutreffende und vollständige Sacbverhaltsermittlung durch die Behörde und die Beachtung etwaiger Verfahrensvorschriften überprüfbar seien; denn das ist selbstverständlich und wird deshalb zu Recht an keiner Stelle im Gesetz besonders erwähnt. Die Wendung führt aber vor allem in die Irre, weil sie eine besonders weitgehende Prüfungsbefugnis suggeriert, während das Gegenteil zutrifft. Bettermann hat daher gemeint, das „auch" sei als „nur" zu lesen. 4 0 Im Schrifttum werden die Ermessensfehler teilweise stärker differenziert; vgl. z. B. Stern, Ermessen und unzulässige Ermessensausübung, 1964.

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der zur gerichtlichen Aufhebung der Verwaltungsentscheidung führt 41 . Ein derartiger Fehler (Ermessensunterschreitung oder Ermessensmangel) steht der Ermessensüberschreitung gleich. Von diesem Fall abgesehen, bindet das Verbot der Ermessensüberschreitung die Verwaltung an den vom Gesetz der Ermessensbetätigung gezogenen Rahmen, untersagt ihr mithin, Entscheidungen zu treffen, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. So ist z. B. nach den Bestimmungen der StVO die Einrichtung bewachter und gebührenpflichtiger Parkplätze zur Regelung des ruhenden Verkehrs auf öffentlichen Straßen und Plätzen unzulässig42. bb) Ungleich ergiebiger und wichtiger ist das Verbot des Ermessensmißbrauchs bzw. Ermessensfehlgebrauchs. Es verpflichtet die Verwaltung zunächst ganz allgemein dazu, sich von sachlichen und zweckgerechten Erwägungen leiten zu lassen. Die handelnden Amtswalter müssen danach einerseits ihre Entscheidungen von persönlichen Motiven (z. B. Freundschaft, Feindschaft) freihalten und dürfen andererseits nur solche Gesichtspunkte berücksichtigen, die der Zweck der gesetzlichen Ermächtigung deckt. Unzulässig ist etwa eine Polizeiverfügung aus fiskalischen Beweggründen43. Ebenso wenig darf der Erlaß eines Ermessensaktes davon abhängig gemacht werden, daß der Bürger wirtschaftliche Gegenleistungen erbringt, die sich nicht im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Zwecksetzung des von ihm begehrten Verwaltungshandelns halten, also nicht in einem sachlichen Zusammenhang damit stehen (sog. Koppelungsverboty4. Bindungen des behördlichen Ermessens ergeben sich darüber hinaus vor allem auch aus dem Verfassungsrecht, so aus den Prinzipien der Sozialstaatlichkeit und der Rechtsstaatlichkeit. Freilich hat das Sozialstaatsprinzip insoweit in der Rechtsprechung noch keine besondere Rolle gespielt45. Dagegen gehen vom rechtsstaatlichen Übermaßverbot (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) um so kräftigere Impulse aus46. Es verlangt, daß das eingesetzte Mittel zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich (notwendig) ist und Mittel und Zweck in einem angemessenen Verhältnis stehen. 41 42 43

44

45

46

BVerwGE 15, 196, 199; 37, 112, 115 f.; V G H Kassel DVBl 1964, 689. B V e r w G E 34, 241. Vgl. Drews-Wacke-Vogel, Gefahrenabwehr (Allgem. Polizeirecht), Bd. 1, 8. Auflage 1975, S. 176 f. B G H N J W 1972, 1657 und dazu Menger, VerwArch 64 (1973), 203 ff.; s. ferner Willigmann, DVBl 1960, 752 ff.; Rupp, N J W 1968, 568 ff. Vgl. aber jetzt B V e r w G E 42, 148, 156 ff.: Einschränkung des Ermessens aus einer dem Sozialstaatsgrundsatz zu entnehmenden Fürsorgepflidit gegenüber Gastarbeitern bei der Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an eine ausländische Großmutter, die ihre Enkelkinder betreuen soll. Vgl. zum Übermaßverbot Eridosen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtbarkeit I, 1972, S. 34. Aus der Rspr. z. B. B V e r w G E 23, 4, 8 und 280, 283 ff.; 26, 131, 133 ff.; 28, 139, 143; 31, 299, 305 ff. und 309, 314 ff.; 35, 326, 331 f.; 37, 344, 360 ff.; 38, 68, 70 ff.

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Hervorzuheben sind schließlich grundrechtliche Schranken des Verwaltungsermessens, insbesondere diejenigen, die sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 G G ) und seinen Konkretisierungen (Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 G G ) ableiten lassen 47 . Zwar ist der Gleichheitssatz nicht schlechthin ermessensfeindlich48; das (allgemeine) Gleichbehandlungsgebot verpflichtet aber die Verwaltung zu gleichmäßiger Ermessensausübung. Wo sich also eine feste Verwaltungsübung ausgebildet hat, führt der Gleidiheitssatz in gleichartigen Fällen in dem Sinn zu einer Bindung an die bisherige Praxis, daß von ihr nicht ohne zureichenden sachlichen Grund abgewichen werden darf. Häufig wird sich eine solche Praxis aus ermessensbindenden Verwaltungsvorschriften ergeben49. Das Institut der Selbstbindung50 verbietet z. B., völlig planlos von A den Abbruch eines baurechtswidrig errichteten Wochenendhauses zu Verlagen, wenn die Behörde gegen B, C und D unter gleichen Voraussetzungen untätig geblieben ist und weiter untätig bleibt 51 . Allerdings genügt die bloße Duldung eines Zustandes, der an sich zum Einschreiten berechtigen würde (z. B. Betrieb eines Bordells), noch nicht, um eine Selbstbindung auszulösen52. Voraussetzung für die Annahme einer Selbstbindung ist in jedem Fall die Rechtmäßigkeit der bisherigen Verwaltungspraxis. Aus einem rechtswidrigen Vorverhalten vermag sich eine Verwaltungsbindung auf Grund des Gleichheitssatzes nicht zu ergeben, weil anderenfalls im Ergebnis der Vorrang des Gesetzes zur Disposition der Verwaltung gestellt und damit beseitigt würde 53 . Art. 3 Abs. 1 G G gewährt also niemandem einen Anspruch auf Fehlerwiederholung, auf Gleichheit im Unrecht54. Wenn neuerdings vereinzelt versucht wird, Ausnahmen von dieser Regel nachzuweisen56, so muß dem ganz entschieden entgegengetreten werden 56 ; es gilt hier wie andernorts, den Anfängen zu wehren und den rechtsstaatlich und demokratisch gebotenen Primat des Parlamentsgesetzes zu bewahren. Ermessensbegrenzend können aber audi andere Grundrechte wirken; zur Bedeutung des Art. 6 Abs. 1 G G im Ausländerredit vgl. z. B. BVerwGE 42, 133 und 143 = BVerwG DVB1 1974, 83 und 86 mit Anm. Schnapp; BVerwG DVB1 1974, 849, 850 f. 48 Abweichend Bettermann, Der Staat 1, 1962, 79 ff. 49 Vgl. Ossenbühl oben § 7 I V 2. 50 Vgl. dazu etwa Mertens, Die Selbstbindung der Verwaltung auf Grund des Gleidiheitssatzes, 1963; Ossenbühl (Fn. 16) S. 514 ff.; Wallerath, Die Selbstbindung der Verwaltung, 1968; Dürig in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 428 ff. 5 1 BVerwG DVBl 1973, 6 3 6 ; Bad.-Württ. V G H BauR 1972, 43. 52 Drews-Wacke-Vogel (Fn. 43) S. 152 ff. 53 BVerwGE 34, 278, 280 ff.; 36, 313, 315 ff.; dazu Menger, VerwArch 63 (1972), 213 ff.; Ossenbühl, D Ö V 1970 2 6 4 ff. 54 Dürig in: Maunz-Dürig-Herzog, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 179 ff. 55 Götz, DVBl 1968, 93 ff.; V G H Mannheim DVBl 1972, 186 mit Anm. Götz. •r'6 Ebenso Dürig in: Maunz-Dürig-Herzog, GG Art. 3 Abs. 1 Rn. 185 ä f f . ; vgl. audi Randelzhof er, J Z 1973, 536 ff. 47

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cc) Einräumung von Ermessen verleiht in den vorstehend bezeichneten Grenzen Wahl- und Entscheidungsfreiheit, ermächtigt zu Verhalten gemäß dem Opportunitätsprinzip. Es gibt jedoch Sachlagen, in denen nur eine einzige Entscheidung als ermessensfehlerfrei und damit als allein rechtmäßig angesehen werden kann. Mit anderen Worten: Die Umstände des Einzelfalles vermögen den der Behörde von der gesetzlichen Ermächtigung eröffneten Ermessensrahmen derart zu verengen, daß in concreto nur noch eine der in abstracto möglichen Verhaltensweisen als Ergebnis pflichtgemäßer Ermessensbetätigung erscheint. In der zu dieser Frage grundlegenden Entscheidung des BVerwG heißt es dementsprechend: „Das hier in Rede stehende polizeiliche Ermessen zum Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände hat sich nach der leitenden Aufgabe der Polizei, der Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, zu richten . . . Für eine rechtsfehlerfreie Ermessensausübung kann neben anderen Umständen auch das Ausmaß oder die Schwere der Störung oder Gefährdung eine maßgebende Bedeutung haben. Bei hoher Intensität der Störung oder Gefährdung kann eine Entschließung der Behörde zum Nichteinschreiten unter Umständen sogar als schlechthin ermessensfehlerhaft erscheinen. Praktisch kann dieserhalb die rechtlich gegebene Ermessensfreiheit derart zusammenschrumpfen, daß nur eine einzige ermessensfehlerfreie Entschließung, nämlich die zum Einschreiten, denkbar ist und höchstens für das Wie des Einschreitens noch ein ausnutzbarer Ermessensspielraum der Behörde offenbleibt 57 ." Während der Tatbestand einer „Ermessensschrumpfung auf Null" im Recht der Gefahrenabwehr namentlich bei besonderer Intensität der Gefahr und hohem Rang des bedrohten Reditsgutes in Betracht kommt, wird in anderen Rechtsgebieten insoweit vor allem an den oben erörterten Grundsatz der Selbstbindung anzuknüpfen sein, der zwar nicht ausnahmslos, aber doch häufig eine Ermessensreduzierung zur Folge hat. d) Verfassungsrechtliche, insbesondere rechtsstaatliche Bedenken gegen das verwaltungsbehördliche Ermessen58 sind unbegründet59. Dieses Urteil rechtfertigen die gerichtlich überprüfbaren Ermessensbindungen, die in den vorhergehenden Ausführungen entfaltet worden sind. Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß im Bereich der eingreifenden Verwaltung die Einräumung von Ermessen der individuellen Freiheit förderlicher sein kann als die strikte Bindung, weil das Ermessen eben auch die Befugnis enthält, von einem Eingriff 57

58

BVerwGE 11, 95, 9 7 ; ebenso BVerwG DVB1 1969, 586; OVG Lüneburg DVB1 1967, 779; OVG Münster OVGE 23, 78; 24, 72; Bachof, DVB1 1961, 128 ff.; W. Martens, JuS 1962, 245 ff.; Ule, Streik und Polizei, 1972, S. 52 ff. Vgl. Imboden, Das Gesetz als Garantie reditsstaatlicher Verwaltung, 1954, S. 14 ff-; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 177 ff.;

ders., NJW 1969, 1273 ff.

59

BVerfGE 8, 274, 326; 9, 137, 146 ff.; BVerwGE 11, 95, 96 f. Ebenso auch die ganz h. M. im Schrifttum; vgl. aus jüngerer Zeit Ossenbühl, DÖV 1968, 618 ff.; 1970,

84 ff.; Schmidt-Eichstaedt, AöR 98 (1973), 173 ff.

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abzusehen. Freilich müssen Ermächtigungen zum Erlaß belastender Verwaltungsakte „nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt werden, so daß die Eingriffe meßbar und in gewissem Umfang für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar werden" 60 . Substanzlose Blankettermächtigungen würden dem Rechtsstaatsprinzip und aus grundrechtlicher Sicht dem Art. 2 Abs. 1 GG (ggf. auch speziellen Freiheitsrechten) zuwiderlaufen. 3. Gesetzesfreie

Verwaltungsakte

Anders als der gebundene Verwaltungsakt und der Ermessensakt ist der gesetzesfreie Verwaltungsakt nicht auf eine gesetzliche Grundlage zurückführbar. Gesetzesfreie Verwaltungsakte finden sich im Bereich der Leistungsverwaltung (z. B. zahlreiche Subventionsbewilligungen) und in der kommunalen Selbstverwaltung. Allerdings ist die verfassungsrechtliche 2ulässigkeit gesetzesfreier Leistungsverwaltung umstritten. Die herrschende Meinung toleriert sie jedoch und hat der im Schrifttum verschiedentlich erhobenen Forderung, den Vorbehalt des Gesetzes vom Eingriffsvorbehalt zum Totalvorbehalt zu erweitern, bisher die Gefolgschaft versagt 61 . Das erscheint annehmbar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Verwaltungsakte im gesetzesfreien Raum nicht zugleich im rechtsfreien Raum ergehen. Denn auch sie unterliegen etlichen normativen Bindungen, und zwar solchen unmittelbar verfassungsrechtlicher Art. Zu ihnen gehört einmal der Vorrang des Gesetzes, an den auch die gewährende Verwaltung gebunden ist 62 . Er verlangt z. B. für die Bewilligung von Subventionen, daß im gesetzlich festgestellten (Art. 110 Abs. 2 GG) Haushaltsplan entsprechende Mittel bereitgestellt worden sind 63 . Zum anderen ist das aus Art. 3 Abs. 1 G G abgeleitete Institut der Selbstbindung für die gesetzesfreie Leistungsverwaltung ebenso von Bedeutung wie für die gesetzesakzessorische Ermessensverwaltung 64 .

III. Begünstigende und belastende Verwaltungsakte; Verwaltungsakte mit Drittwirkung 1. Begünstigende

und belastende

Verwaltungsakte

a) Nach ihren Auswirkungen auf die Rechtssphäre des betroffenen Bürgers sind begünstigende (günstige) und belastende (lästige) Verwaltungsakte zu unterscheiden. Der begünstigende Verwaltungsakt hat die Begründung oder Be«» BVerfGE 8, 274, 325; s. audi BVerfGE 20, 150, 154 ff. 61 Vgl. W. Martens in: Hans J. Wolff-Festsdirift, 1973, S. 433 ff. 02

Ausführlich dazu Wolff-Bachof,

63

Vgl. Ipsen, VVDStRL 25 (1967), 294 ff.; zur Problematik der Subventionsrichtlinien

VwR I, § 30 II; Wolff, VwR III, § 138 III.

s. Ossenbiihl oben § 7 IV 2. M 65

Vgl. W. Martens (Fn. 61) S. 442 mit Nachweisen. § 44 Abs. 1 S. 2 EVwVfG 1973; § 116 Abs. 1 S. 2 LVwG Sdil.-Holst.

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stätigung eines subjektiven Rechts oder eines rechtlich erheblichen Vorteils zum Inhalt (z. B. Erlaubnis, Genehmigung, Beamtenernennung)65. Dementsprechend belastet jeder Verwaltungsakt, der nicht in diesem Sinn begünstigt, insbesondere also derjenige Verwaltungsakt, der dem Betroffenen rechtlichen Nachteil bringt, so z. B. der Befehl, aber auch die Ablehnung einer Begünstigung und die Aufhebung einer Gewährung. b) Die Zweiteilung in begünstigende und belastende Verwaltungsakte ist für das reditsstaatliche Verwaltungsrecht, das auch die Interessen des der Verwaltung gegenüberstehenden Bürgers gebührend zu berücksichtigen hat, von grundlegender Bedeutung, und zwar sowohl in materiellrechtlicher wie in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Materiellrechtlid) stellt das Verfassungsprinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung höhere Anforderungen an den belastenden als an den begünstigenden Verwaltungsakt. Während dieser nach herrschender Meinung im Prinzip zwingend nur den Vorrang des Gesetzes zu beachten hat, unterliegt jener darüber hinaus audi dem Vorbehalt des Gesetzes66. Dieser stärkeren Bindung der Verwaltung beim Erlaß eines belastenden Verwaltungsaktes entspricht es, daß sie beim actus contrarius (Widerruf oder Rücknahme) eines begünstigenden Verwaltungsaktes weniger frei ist als bei der Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes67. Verfahrensrechtlich gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, den Anspruch des einzelnen auf gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Auferlegung rechtswidriger Belastungen einerseits und die rechtswidrige Ablehnung oder Vorenthaltung einer Begünstigung andererseits in geeigneter Weise zu sichern. Diesem Gebot entspricht die Regelung des § 42 Abs. 1 VwGO: Durch Anfechtungsklage kann die Aufhebung eines (belastenden) Verwaltungsaktes, durch Verpflichtungsklage die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen (begünstigenden) Verwaltungsaktes begehrt werden88. 2. Verwaltungsakte

mit

Drittwirkung

a) Häufig erschöpft sich der Rechtsgehalt eines Verwaltungsaktes nicht in der (befehlenden, gestaltenden oder feststellenden) Regelung der Beziehungen zwischen Behörde und Empfänger. Hat ein Verwaltungsakt Auswirkungen auf die Rechtssphäre anderer Personen, spricht man von Drittwirkung oder Doppelwirkung. Schwierige Probleme wirft namentlich der seinen Adressaten be6 9 Vgl. oben bei Fn. 61. «' Vgl. unten §§ 1 6 — 1 9 . 8 8 Vor der Klageerhebung muß grundsätzlich ein Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) durchgeführt werden, in dem Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes zu überprüfen sind (§§ 68 ff. V w G O ) . Widerspruch und Klage sind fristgebunden (§§ 70, 74 V w G O ) .

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günstigende Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung auf. Seine rechtliche Problematik beruht auf der Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Angesichts der Regelungen der § § 4 2 Abs. 2, 113 Abs. 1 und Abs. 4 V w G O 6 9 genügt es nämlich für die Annahme eines Verwaltungsaktes mit belastender Drittwirkung nicht, daß irgendwelche Interessen Dritter beeinträchtigt werden, z. B. durch eine Gaststättenerlaubnis das Interesse des Gastwirts gegenüber an der Fernhaltung lästiger Konkurrenz 70 . Erforderlich ist vielmehr ein rechtlicher Nachteil, eine Beeinträchtigung subjektiver öffentlicher Rechte des Dritten. Danach hängt seine Klagebefugnis davon ab, ob er die Verletzung eines in dem oben bezeichneten Sinn zwingenden Rechtssatzes geltend machen kann, der gerade auch seinen Interessen zu dienen bestimmt ist. Und begründet ist die Klage, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung eines derartigen Rechtssatzes beruht. Klagen Dritter beschäftigen die Verwaltungsgeridite in zunehmendem Maße. Im Gefolge der wachsenden Einsicht in die Bedeutung des Umweltschutzes wird sidi diese Tendenz weiter verstärken. Die nachstehenden Beispiele markieren einige Schwerpunkte der bisherigen Entwicklung. Baurechtliche Nachbarklage71: Nachbarn klagen im Wege der Anfechtungsklage 72 gegen die Befreiung ( § 3 1 Abs. 2 BBauG) von der planmäßigen (§§ 9, 30 BBauG) Festsetzung eines reinen Wohngebietes (§ 3 B a u N V O iVm § 2 Abs. 10 BBauG) für die Errichtung eines Hotels. Ihre Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 V w G O ) setzt nachbarschützenden Charakter der Bestimmung voraus, von der dispensiert worden ist. Die Ausweisung als reines Wohngebiet dient Interessen der Nachbarn (Gesichtspunkt der rechtlichen Schicksalsgemeinschaft der Planbetroffenen) 73 . Die Klage ist auch begründet, da die Voraussetzungen des § 3 1 Abs. 2 BBauG offensichtlich nicht erfüllt und die Nachbarn durch rechtswidrige Abweichung von der zulässigen Art der baulichen Nutzung in ihren Rechten verletzt sind ( § 1 1 3 Abs. 1 VwGO). Gewerberechtliche Nachbar klage: Nachbarn erheben wegen zu erwartender unzumutbarer Geruchsbelästigungen Anfechtungsklage gegen die Genehmigung einer diemischen Fabrik gemäß §§ 4 ff. BImSchG (bisher §§ 16 ff. GewO). Ihre Klagebefugnis ist gegeben, da die Bestimmungen Immissionsschutzrecht enthalten und dieses den Zweck hat, die Nachbarn einer emittierenden Anlage vor unzumutbaren Einwirkungen zu schützen. Die Begründet69 70

71

72 73

Vgl. oben S. 123. Vgl. audi O V G Münster D V B l 1969, 5 6 0 : Kein Rechtsanspruch des Repetitors gegen den Staat auf Erhaltung öffentlidier Einrichtungen, die die Ausübung des Repetitorberufs ermöglichen oder erleichtern. Vgl. dazu Bender-Dohle, Nachbarschutz im Zivil- und Verwaltungsrecht, 1972; Kemnade, Der Rechtsschutz des Nachbarn im Baurecht, 1965; Kübler-Speidel, Handbuch des Baunachbarrechts, 1970; Timmermann, Der baurechtliche Nachbarschutz, 1969. B V e r w G E 22, 129, 131 f. B V e r w G E 27, 29, 33.

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Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

heit der Klage hängt davon ab, ob die Genehmigung nach § 6 BImSchG (bisher § 18 GewO) erteilt werden durfte 74 . Konkurrentenklagen75: Zur Ermittlung der Klagebefugnis bei Anfechtungsklagen gegen die Zulassung weiterer Unternehmen muß die Interessenrichtung der jeweiligen Zulassungsregelung bestimmt werden 76 . Zur Abwehr von Subventionierungen von Konkurrenten im gesetzesfreien Raum kommt ein unmittelbarer Durchgriff auf die Grundrechte der Art. 2 Abs. 1 und (oder) Art. 3 Abs. 1 G G in Betracht. Das BVerwG erkennt dem übergangenen Wettbewerbsteilnehmer die Klagebefugnis zu, wenn er geltend madien kann, seine schutzwürdigen Interessen seien willkürlich vernachlässigt worden 77 .

IV. Mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakte Mit dem Begriff des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes werden solche Verwaltungsakte bezeichnet, deren fehlerfreier Erlaß von einer Beteiligung des Bürgers abhängt. Mitwirkungsbedürftig sind zunächst alle Verwaltungsakte, die kraft gesetzlicher Bestimmung oder nach der Natur der Sache einen Antrag des Adressaten voraussetzen. Dazu gehören die meisten begünstigenden Verwaltungsakte (so z. B. Beamtenernennung, Einbürgerung, Erlaubnisse und sonstige Gewährungen). Mitwirkungsbedürftig ist aber z. B . auch die an die Zustimmung des Eigentümers gebundene straßenrechtliche Widmung 78 . Die Mitwirkungshandlung (Antrag, Zustimmung) stellt sidi als verwaltungsrechtliche Willenserklärung 79 derjenigen Privatpersonen dar, deren Interesse die Mitwirkungsbefugnis dient. Die rechtsdogmatisch vor allem interessierende Frage nach den Folgen für den trotz fehlender oder fehlerhafter Mitwirkung erlassenen Verwaltungsakt wird an späterer Stelle erörtert werden 80 . Otto Mayer nannte den mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt »Verwaltungsakt auf Unterwerfung" 81 . Neuerdings spricht das BVerwG in Anlehnung an Hans ]. Wolff82 dann von einem Verwaltungsakt auf Unterwerfung, wenn ein „Verwaltungsakt von der Übernahme einer Verpflichtung abhängt, die ihn überhaupt erst wirksam macht" 83 . Eine derartige VerpflichBVerwGE 24, 2 3 ; 28, 131. Vgl. dazu Scholz, Wirtsdiaftsaufsidit und subjektiver Konkurrentenschutz, 1 9 7 1 ; ders., W i R 1972, 35 ff.; Zuleeg, Subventionskontrolle durch Konkurrentenklage, 1974. 7 8 Vgl. BVerwGE 9, 340; 10, 122; 16, 187; 17, 3 0 6 ; 30, 347. 7 7 BVerwGE 30, 191, 196 ff. 7 8 § 2 Abs. 2 FStrG und die entsprechenden Bestimmungen der Landesstraßengesetze. 7 9 Vgl. dazu Krause, VerwArch 61 (1970), 297 ff. 80 Unten § 39 III. 8 ' O. Mayer, VwR I, S. 9 8 ; V w R II, S. 151. 82 Wolff-Bachof, VwR I, § 48 III. 8 3 BVerwG DVB1 1969, 665. 74

75

Das Verwaltungshandeln

161

tung darf dem Adressaten jedoch nicht auferlegt werden, um damit den Vorbehalt des Gesetzes zu umgehen 84 . §13

Wirksamkeit des Verwaltungsaktes Ein Verwaltungsakt muß seinem Adressaten bekanntgegeben werden. Erst mit der Bekanntgabe wird er diesem gegenüber wirksam 1 . Der mit seiner Bekanntgabe wirksam gewordene Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht durch die Behörde zurückgenommen oder widerrufen, durch gerichtliches Urteil aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs. 2 EVwVfG 1973). Wirksamkeit mit der Folge seiner Verbindlichkeit entfaltet auch der rechtswidrige Verwaltungsakt, falls er nicht an einem solchen Mangel leidet, der zur Nichtigkeit führt 2 . Nur der nichtige Verwaltungsakt ist unwirksam (§ 39 Abs. 3 EVwVfG 1973). Die Eigenschaft der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ist in mehrfacher Hinsicht von weittragender Bedeutung. Sie äußert sich zunächst im Verhältnis zum Adressaten. Dieser wird z. B. dadurch verpflichtet, einen belastenden Verwaltungsakt zu befolgen, sofern er nicht als gestaltender Verwaltungsakt sich bereits durch seinen Erlaß selbst verwirklicht. Will der Adressat Befolgungspflicht oder Selbstverwirklichung hemmen, muß er Widerspruch einlegen, dem i. d. R. aufschiebende Wirkung zukommt (§ 80 Abs. 1 VwGO). Auch andere Behörden müssen bei ihren Entscheidungen unbestreitbar jedenfalls von der Existenz des Verwaltungsaktes ausgehen, wenn dieser nicht nichtig ist. Man kann hier von Tatbestandswirkung des Verwaltungsaktes sprechen, die an die Tatsache seines Vorhandenseins anknüpft 3 . Die Terminologie ist allerdings recht uneinheitlich. „Tatbestandswirkung" wird nämlich häufig auch die Bindung an den Inhalt der Regelung eines fremden Verwaltungsaktes genannt. Eine solche Bindung ist ebenfalls anzuerkennen, weil sonst das System der Zuständigkeitsverteilung aus den Angeln gehoben würde. Dagegen sind andere Behörden an die einem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Erwägungen und Feststellungen nur dann gebunden, wenn das gesetzlich bestimmt ist. Feststellungswirkung in diesem Sinn hat nach § 15 Abs. 5 BVFG der zum Nachweis der Vertriebenen- oder Flüchtlingseigenschaft erteilte Ausweis der Vertriebenenbehörde hinsichtlich der Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit. Diese Feststellung bindet die Einbürgerungsbehörde bei der Prüfung gemäß Art. 116 Abs. 1 GG, ob der Antragsteller die deutsche Volkszugehörigkeit besitzt 4 . 84

Erichsen, VerwArch 61 (1970), 174 ff.; Renck, JuS 1971, 77 ff. in Auseinandersetzung mit der in Fn. 83 erwähnten Entscheidung des BVerwG.

1

Vgl. §§ 37 Abs. 1 und 39 Abs. 1 EVwVfG 1973 sowie unten § 41 II 6. Vgl. zur Nichtigkeit unten § 15 II 2. ® Vgl. Jesch, Die Bindung des Zivilrichters an Verwaltungsakte, 1956, S. 58 ff. 4 BVerwGE 34, 90 ff.; 35, 316 ff.; vgl. in diesem Zusammenhang auch § 4 Abs. 3 StVO. 2

11

Allgemeines Verwahungsredit

162

Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

I m G r u n d s a t z ebenso ist die Frage nach der Bindung der Gerichte an Verwaltungsakte zu beantworten, w e n n m a n v o n der Feststellungswirkung absieht, die nicht in Betracht k o m m t . A n Existenz u n d I n h a l t eines V e r w a l tungsaktes ist auch der Richter gebunden. Das folgt aus dem Verfassungsprinz i p der Gewaltenteilung. Das Grundgesetz h a t dieses P r i n z i p jedoch nicht in reiner F o r m verwirklicht, l ä ß t vielmehr in beträchtlichem U m f a n g die G e w a l tenhemmung durch Gewaltenverschränkung u n d G e w a l t e n k o n t r o l l e sowie die Gewaltenverlagerung zu 5 . D e r Gewaltenkontrolle dient insbesondere auch der (verwaltungs-) gerichtliche Rechtsschutz gegen belastende Verwaltungsakte (Art. 19 Abs. 4 G G , §§ 40, 42, 113 V w G O ) . U n d im R a h m e n der ihnen d a m i t anvertrauten Kontrollbefugnisse gegenüber der vollziehenden G e w a l t entfällt d a n n selbstverständlich eine Bindung der Gerichte. A u ß e r d e m ist zu beachten, d a ß es Fälle gibt, in denen ein Gericht z w a r nicht z u r A u f h e b u n g von Verwaltungsakten, w o h l aber zur P r ü f u n g ihrer Rechtmäßigkeit b z w . Rechtswidrigkeit berufen ist. Wichtige Beispiele d a f ü r liefern die Tatbestände der Amtspfliditverletzung (Art. 34 G G , § 839 BGB) u n d des Widerstandes gegen die Staatsgewalt ( § 1 1 3 StGB) 6 .

§14

Nebenbestimmungen Begriff u n d wesentliche Erscheinungsformen der Nebenbestimmungen hat das Verwaltungsrecht dem Privatrecht entlehnt. Die Beifügung solcher Nebenbestimmungen zu Verwaltungsakten h a t sich zu einer viel geübten Praxis der Verwaltungsbehörden entwickelt, die sich dieses Mittels vornehmlich zu dem Zweck bedienen, begünstigende Verwaltungsakte inhaltlich oder zeitlich zu begrenzen. I. A r t e n Als Nebenbestimmungen können einem V e r w a l t u n g s a k t Befristung, Bedingung, A u f l a g e u n d Vorbehalt der nachträglichen A u f n a h m e , Ä n d e r u n g oder E r g ä n z u n g einer A u f l a g e beigefügt werden (§ 32 E V w V f G 1973). 1. Befristung,

Bedingung und

Widerrufsvorbehalt

Befristung ist eine Bestimmung, nach der eine Begünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Z e i t p u n k t beginnt, endet oder f ü r einen bestimmten Zeitraum gilt (Beispiel: Erteilung der Erlaubnis z u r Aufstellung eines Werbe5 6

Zuletzt BVerfGE 34, 59 f. Vgl. dazu und zum Begriff der Reditswidrigkeit in § 113 StGB: Lorenz, DVB1 1971, 165, 171 f.; Mohrbotter, JZ 1971, 213 ff.; W.Meyer, NJW 1972, 1845 ff.; Günther, NJW 1973, 309; KG NJW 1972, 781 mit Anmerkung Rostek S. 1335 f.

Das Verwaltungshandeln

163

standes einer politischen Partei auf einem öffentlichen Platz während eines Monats vor dem Wahltag). Unter Bedingung versteht man eine Bestimmung, nadi der der Eintritt oder der Wegfall einer Begünstigung oder einer Belastung von einem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignissesn abhängt. Es sind also wie im Privatrecht (§ 158 BGB) aufschiebende und auflösende Bedingung zu unterscheiden (Beispiele: Baugenehmigung mit der Maßgabe, daß Einsteilplätze für Kraftfahrzeuge geschaffen werden 1 ; vorsorgliche, durch den Eintritt des Verteidigungsfalles bedingte Einberufung eines gedienten Wehrpflichtigen 2 . Der Widerrufsvorbehalt ist eine besondere Art der auflösenden Bedingung. Ungewisses zukünftiges Ereignis, von dem der Wegfall des Verwaltungsaktes abhängt, ist die Ausübung des vorbehaltenen Widerrufs (Beispiel: Begründung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf, wenn der Beamte einen Vorbereitungsdienst abzuleisten hat; vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 BRRG, § 5 Abs. 2 BBG).

2. Auflage und

Auflagenvorbehalt

a) Bei der Auflage handelt es sich um eine Bestimmung, durch die dem Adressaten eines begünstigenden Verwaltungsaktes ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. In der Verwaltungspraxis ergibt sich häufig die Notwendigkeit, einen Verwaltungsakt noch nach seinem Erlaß mit Auflagen zu versehen oder diese zu ergänzen. Ein entsprechender Vorbehalt ermöglicht es der Verwaltung, den Verwaltungsakt den gewandelten Erfordernissen anzupassen, ohne Entschädigung leisten zu müssen, was anderenfalls unter Umständen der Fall wäre 3 . b) Die Auflage ist im Gegensatz zu den übrigen Nebenbestimmungen nicht integrierender Bestandteil des Verwaltungsaktes, dem sie beigegeben wird, sondern ihrem Rechtsgehalt nach selbst Verwaltungsakt. Ihre Befolgung kann daher auch erzwungen werden. Den Unterschied zwischen (aufschiebender) Bedingung und Auflage hat besonders plastisch C. F. von Savigny formuliert: „Die Bedingung . . . suspendiert, zwingt aber nicht, der Modus zwingt, aber suspendiert nicht 4 ". Ungeachtet dieser klaren begrifflichen Trennung erweist sich die Abgrenzung bisweilen als problematisch. Dafür ist nicht zuletzt mangelnde Genauigkeit der Gesetzes- und Verwaltungssprache verantwortlich. So kann sich etwa die Qualifikation von „Baubedingungen" als außerordentlich schwierig erweisen5. In Zweifelsfällen bedarf es daher der Auslegung. Dabei wird nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit regelmäßig 1 2 3 4

5

ir

BVerwGE 29, 261, 265. BVerwGE 27, 263, 265 f.; dagegen VG Saarland NJW 1968, 516. Vgl. dazu unten S. 182, 400. System des heutigen römischen Rechts, 3. Bd. 1840, S. 231.

Weyreuther, DVB1 1969, 232 ff.

164

Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

der Annahme einer Auflage als der den Adressaten weniger belastenden Beschränkung der Vorzug zu geben sein (str.) 9 . c) Die Auflage ist die praktisch weitaus bedeutsamste aller Nebenbestimmungen. Sie findet sowohl in der klassischen Ordnungsverwaltung wie auch in den Bereichen der modernen Leistungs- und Lenkungsverwaltung vielfachen Einsatz. Namentlich als „Instrument der Wirtschaftsverwaltung" 7 ist die Auflage unentbehrlich geworden. II. Zulässigkeit Die Frage, ob einem Verwaltungsakt Nebenbestimmungen beigegeben werden dürfen, hat der Gesetzgeber bisweilen ausdrücklich entschieden, indem er die Beifügung entweder verboten 8 oder gestattet 9 bzw. sogar geboten 10 hat. Unabhängig von solchen gesetzlichen Regelungen sind etliche Verwaltungsakte ihrer Natur nach in freilich unterschiedlichem Umfang nebenbestimmungsfeindlich. So duldet z. B. die Einbürgerung als statusbegründender Verwaltungsakt aus Gründen der Rechtssicherheit keinerlei Beschränkung durch Nebenbestimmungen 11 . Von derartigen Fällen abgesehen, hängt die Zulässigkeit lästiger Nebenbestimmungen entscheidend davon ab, ob ein Anspruch auf den Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsaktes besteht oder sein Erlaß in das Ermessen der Behörde gestellt ist. Ein Verwaltungsakt, auf dessen Erlaß ein Anspruch besteht, darf mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie gesetzlich zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden 12 . Das grundsätzliche Erfordernis gesetzlicher Zulassung folgt daraus, daß die Nebenbestimmung den Anspruch beschränkt. Dazu ist die Verwaltung nur kraft gesetzlicher Ermächtigung befugt 13 . Anders verhält es sidi nur dort, wo die Nebenbestimmung der Sicherstellung gesetzlich vorgesehener Voraussetzungen dient; denn hier räumt die Nebenbestimmung gerade anspruchshindernde Versagungsgründe aus (Beispiel: Erteilung einer Gaststättenerlaubnis mit Auflagen zu dem Zweck, die Betriebsräume in einen Zustand zu versetzen, der die Versagung der Erlaubnis nach § 4 I Nr. 2 GastG nicht (mehr) zulassen würde). 6 7

8 8 10

11 12 13

Vgl. dazu Roellecke, DÖV 1968, 333 ff.; Weyreuther, DVBl 1969, 232 ff. Herbert Krüger, DVBl 1955, 450 ff., 518 ff.; zur Auflage bei der Vergabe von Subventionen vgl. Götz, Redit der Wirtschaftssubventionen, 1966, S. 45 ff. Z. B. § 53 Abs. 1 GewO. Z. B. §§ 3 Abs. 2, 5 GastG; § 17 AtomG. Z. B. § 8 Abs. 2 FStrG und die entsprechenden Bestimmungen der Landesstraßengesetze. BVerwGE 27, 263, 266. Vgl. § 32 Abs. 1 EVwVfG 1973; § 23 Abs. 2 S. 1 OBG NW. Vgl. dazu oben S. 40 f. und unten S. 167.

165

D a s Verwaltungshandeln

Begünstigenden Verwaltungsakten, deren Erlaß im behördlichen Ermessen liegt, dürfen dagegen ganz allgemein Nebenbestimmungen ohne eine besondere gesetzliche Grundlage beigefügt werden14. Das Recht zur Vorenthaltung einer Begünstigung schließt dasjenige auf ihre Gewährung unter Beschränkungen ein. Die Rechtmäßigkeit einer lästigen Nebenbestimmung ergibt sich jedoch nicht schon daraus, daß sie nach den dargestellten Grundsätzen an sich zulässigerweise beigefügt worden ist. Sie muß vielmehr darüber hinaus den Anforderungen gerecht werden, an die unter der rechtsstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes jede Ermessensbetätigung gebunden ist 15 . Demgemäß muß sich eine Nebenbestimmung im Rahmen der Zwecksetzung des Verwaltungsaktes und der gesetzlichen Regelung halten, muß sie also sachbezogen und sachgerecht sein18. Unstatthaft ist die Verfolgung ressortfremder öffentlicher Interessen. Und rechtliche Bindungen des behördlichen Ermessens enthalten schließlich die Grundrechte und das Übermaß verbot (Beispiel: A in der Stadt Tugendheim erhält die Erlaubnis, auf dem Bürgersteig einer öffentlichen Straße einen Zeitsdiriftenkiosk aufzustellen. Der Erlaubnis ist die Auflage beigefügt, daß nur solche Druckwerke verkauft werden dürfen, die nach dem Gutachten des Jugendausschusses des Stadtrates unbedenklich auch Jugendlichen zugänglich gemacht werden können. Ist die Auflage rechtmäßig? Aufstellung eines Zeitschriftenkiosks ist erlaubnisbedürftige Sondernutzung, Festsetzung von Auflagen an sich zulässig (§ 8 FStrG und die entsprechenden Bestimmungen der Landesstraßengesetze). Die beigefügte Auflage leidet jedoch an mehreren Mängeln: Da weder Straßen- noch verkehrsrechtlich motiviert, ist sie vom Gesetzeszweck nicht gedeckt. Zur Verfolgung des Auflagenzwecks fehlt der Gemeinde ferner die Zuständigkeit, wie das GjS ergibt, das auch inhaltlich eine solche Maßnahme nicht zuläßt, die überdies gegen Art. 5 Abs. 1 S. 3 und 12 Abs. 1 GG verstößt). Wird einem begünstigenden Verwaltungsakt unzulässigerweise eine lästige Nebenbestimmung beigefügt, so stellt sich die — wie der vorstehende Sachverhalt zeigt — für den Adressaten wichtige Frage, ob die Rechtswidrigkeit der Nebenbestimmung den Verwaltungsakt als Ganzes ergreift oder dessen günstiger Teil bestehen bleibt. Es handelt sich dabei um einen Ausschnitt aus dem Problemkreis der Teilrechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, das erst an anderer Stelle zusammenhängend behandelt werden kann 17 . §15 Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten Der Entscheidung der Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist, kommt im rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht eine außerVgl. § 3 2 Abs. 2 E V w V f G 1 9 7 3 ; § 2 3 Abs. 2 S. 2 O B G N W Erfüllung ordnungsbehördlicher Aufgaben). 1 5 Vgl. dazu oben S. 153 ff. « B V e r w G E 36, 145, 147 ff. 1 7 Vgl. dazu unten S. 172 ff. 14

(jedoch nur zur

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Hans-Uwe Eridisen und Wolfgang Martens

ordentliche Bedeutung zu. Das leuchtet ohne weiteres ein, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sich an die Feststellung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes ganz unterschiedliche Rechtsfolgen anknüpfen. So haben etwa Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nur Erfolg, sofern der belastende Verwaltungsakt bzw. die Ablehnung oder Unterlassung des begünstigenden Verwaltungsaktes rechtswidrig ist (§113 Abs. 1 und 4 VwGO). Ferner folgt der Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte anderen Rechtsregeln als die Rückname rechtswidriger Verwaltungsakte. Und schließlich spielt die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes auch im System der öffentlichrechtlichen Entschädigungs- und Schadensersatzleistungen eine wesentliche Rolle. Es gilt deshalb im folgenden zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt als rechtmäßig oder aber als rechtswidrig erscheint. I. Der rechtmäßige Verwaltungsakt Wer Klarheit über die Erfordernisse zu gewinnen sucht, denen ein Verwaltungsakt entsprechen muß, um als rechtmäßig prädiziert werden zu können, gelangt alsbald zu der Einsicht, daß es eine allgemeingültige gesetzliche Regelung dieser Erfordernisse weder gibt noch überhaupt geben kann. Und auch dort, wo die Verwaltungsgesetze für einzelne Typen von Verwaltungsakten mehr oder weniger detaillierte Vorschriften enthalten, sind diese durchweg nicht erschöpfend. Zusätzliche Bindungen lassen sich insbesondere aus den für das Handeln der Verwaltung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätzen ableiten. Zusammenfassend formuliert kann rechtmäßig derjenige Verwaltungsakt genannt werden, der von der zuständigen Behörde im richtigen Verfahren und in der gehörigen Form erlassen worden ist und nicht an inhaltlichen Mängeln leidet 1 . Die damit bezeichneten Rechtsbindungen sind in anderen Zusammenhängen ausführlich zu behandeln. An dieser Stelle genügt es daher, einen zusammenfassenden Überblick zu geben. 1. Zuständigkeit,

Verfahren,

Form

a) Es entspricht einem elementaren rechtsstaatlichen Gebot, daß die Verwaltungsbehörden nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Zuständigkeit zum Erlaß von Verwaltungsakten befugt sind. Die Verteilung der Zuständigkeiten auf die verschiedenen Subjekte öffentlicher Verwaltung (Verwaltungsträger) und ihre Behörden ist Gegenstand des Rechts der Verwaltungsorganisation, das unten dargestellt werden wird 2 . Darauf ist hier zu verweisen. 1

Wolff-Badiof, VwR I, § 50 II.

= Vgl. §§ 55 ff.

Das Verwaltungshandeln

167

b) Ein Verwaltungsakt ist ferner nur dann rechtmäßig, wenn er in einwandfreier Art und Weise zustande gekommen und in der vorgeschriebenen Form verlautbart worden ist. Welche Erfordernisse insoweit Beachtung verlangen, wird im Abschnitt über das Verwaltungsverfahren erörtert werden 3 , auf den ebenfalls Bezug genommen wird. 2. Inhaltliche

Anforderungen

a) Art. 20 Abs. 3 GG bindet die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht. Die Bedeutung des damit zum Ausdruck gebrachten Verfassungsprinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung für das Verwaltungshandeln ist bereits mehrfach hervorgehoben worden 4 . Es handelt sich dabei um ein genuin rechtsstaatliches Postulat, das heute zugleich als demokratisches Verfassungsgebot erscheint5. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes tritt die Bindungskraft des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in besonderem Maße zutage, und zwar wie folgt: Sowohl belastende wie begünstigende Verwaltungsakte unterliegen dem Vorrang des Gesetzes, dürfen also nicht einem gültigen Rechtssatz widersprechen. Für belastende Verwaltungsakte gilt darüber hinaus der Vorbehalt des Gesetzes, der ihre Rückführbarkeit auf eine gesetzliche Ermäditigungsgrundlage verlangt. Beruht ein belastender Verwaltungsakt unmittelbar auf einer Rechtsverordnung oder einer Satzung, so muß diese ihrerseits gesetzlich ermächtigt sein6. Ob auch für Einzeleingriffe in die Individualsphäre im Rahmen besonderer Gewaltverhältnisse7 eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist, war bisher umstritten. Überwiegend nahm man insoweit eine gewohnheitsrechtlich legitimierte Regelungsbefugnis der Exekutive an 8 . Daran kann nicht festgehalten werden, nachdem das BVerfG entschieden hat, daß auch die Grundrechte von Strafgefangenen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können 9 . Diese Ausdehnung des Vorbehaltsbereichs läßt sich nicht auf den Strafvollzug begrenzen; sie ergreift vielmehr zumindest alle zwangsweise 3 4 5

6

7

8 9

Vgl. §§ 38 ff. Vgl. §§ 3 II 1, 5 II, 12 II. Zur Entwicklung des Prinzips Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Auflage 1968; Erichsen, Verfassungs-- und verwaltungsgesdiiditliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971, S. 147 ff. Art. 80 Abs. 1 GG und die entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen für Rechtsverordnungen; BVerwGE 6, 247, 248 ff. für das Satzungsrecht. Vgl. zum Begriff oben S. 43 ff.

Vgl. W. Martens, ZBR 1970, 197, 199 f.

BVerfGE 33, 1 LS. 1, 9; dazu Erichsen,

JZ 1972, 360 ff.; H. Weber, JuS 1972, 339.

VerwArdi 63 (1972), 441 ff.;

Starck,

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begründeten besonderen Gewaltverhältnisse10; allerdings wird man — dem BVerfG folgend11 — für eine gewisse Übergangsfrist Grundrechtseingriffe ohne gesetzliche Grundlage noch hinnehmen müssen. Der Vorbehalt des Gesetzes greift schließlich dort ein, wo eine Begünstigung untrennbar mit einer Belastung verbunden ist12, sofern sich diese Belastung nidit darin erschöpft, als (außerhalb gebundener Gewährungen) vorbehaltsfreie Nebenbestimmung die Erreichung des mit der Zuwendung verfolgten öffentlichen Zwecks sicherzustellen13. Dagegen unterliegt ein Verwaltungsakt, der seinen Adressaten ausschließlich begünstigt, nicht dem Vorbehalt, sondern allein dem Vorrang des Gesetzes. Werden also etwa Vermögenswerte Zuwendungen (z. B. Subventionen) gewährt, so müssen dafür grundsätzlich im gesetzlich festgestellten Haushaltsplan (Art. 110 Abs. 2 GG) Mittel ausgewiesen sein14; es ist jedoch nicht erforderlich, daß die Modalitäten durch besonderes Leistungsgesetz normativ geregelt sind. Soweit im Schrifttum unter Berufung auf demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien die Ausdehnung des Vorbehaltsbereichs auf die Leistungsverwaltung und damit die Erweiterung des Eingriffsvorbehalts zum Totalvorbehalt gefordert wird, erscheint dies als erwägenswertes rechtspolitisches Postulat. Ihm kommt aber nicht der Rang eines verfassungsrechtlichen Verbots zu Lasten der Verwaltung (und damit im Endergebnis der potentiellen Leistungsempfänger) zu, Leistungen ohne eine über die haushaltsmäßige Deckung hinausgehende gesetzliche Grundlage zu erbringen15. b) Neben der Bindung an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit ist weiter diejenige an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht (Art. 1 Abs. 3 GG) hervorzuheben. Auch dazu ist oben schon grundsätzlich Stellung genommen worden16. Hier bleibt nachzutragen, in welchen Hinsichten grundrechtliche Gebote speziell dem Verwaltungsakt inhaltliche Anforderungen auferlegen. Ergeht ein Verwaltungsakt auf Grund eines Gesetzes und sind die gesetzlichen Voraussetzungen für seinen Erlaß erfüllt, so muß darüber hinaus die Ermächtigungsgrundlage ihrerseits mit den Grundrechten vereinbar sein, also z. B. ein Enteignungsgesetz dem Art. 14 Abs. 3 GG, ein berufsregelndes Gesetz dem Art. 12 Abs. 1 GG entsprechen. In diesem Zusammenhang ist darauf hin10

11 12 13 14 15 10

Vgl. Erichsen in: Hans J. Wolff-Festschrift, 1973, S. 238 ff.; zum Vorbehalt im Schulrecht vgl. OVG Berlin JZ 1973, 551, 554 f. mit Anm. Evers; OVG Koblenz NJW 1973, 1663; OVG Hamburg MDR 1973, 787; BayVerfGH DÖV 1974, 672 mit Anm. Hennecke. BVerfGE 33, 1 Ls. 2, 12 f. Vgl. BVerwGE 6, 282, 288; 20, 101, 102. Vgl. oben S. 165. Zu den Voraussetzungen von Haushaltsübcrschreitungen s. Art. 114 GG. Näher dazu W. Martens in: Hans J. Wolff-Festschrift, 1973, S. 433 ff. Vgl. oben S. 41 ff.

Das Verwaltungshandeln

169

zuweisen, daß zur Prüfung der Grundrechtsmäßigkeit eines Gesetzes17 nur dann Anlaß besteht, wenn insoweit ernsthafte Zweifel bestehen oder in einer öffentlichrechtlidien Aufgabe ausdrücklich verlangt wird, seine Verfassungsmäßigkeit zu untersuchen. Während es sich in Fällen der vorstehend bezeichneten Art um eine durch das Gesetz gleichsam mediatisierte Grundrechtsbindung der Verwaltung handelt, hat sie dort unmittelbar die Grundrechte zu beachten, wo sie Verwaltungsakte im gesetzesfreien Raum oder in Ausübung eines ihr vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessens erläßt. Die grundrechtlichen Gewährleistungen wirken hier als ermessensbegrenzende Faktoren. In der Spruchpraxis der Gerichte haben sich dabei vor allem das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Prinzip der Selbstbindung der Verwaltung und das den Grundrechten immanente Übermaßverbot als ergiebige Schranken des verwaltungsbehördlichen Ermessens erwiesen18. c) Rechtmäßig ist ein Verwaltungsakt schließlich nur dann, wenn er auf einen tatsächlich und rechtlich möglichen Erfolg gerichtet und inhaltlich hinreichend bestimmt ist. 19 II. Der rechtswidrige Verwaltungsakt 1. Begriffliche

Abgrenzung

Vorab aus der weiteren Erörterung auszuscheiden ist der sog. Nichtakt20. Vom rechtswidrigen ist sodann der unzweckmäßige Verwaltungsakt zu unterscheiden. Die Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes wird zwar im Widerspruchsverfahren nachgeprüft (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO), ist aber nicht Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Besonderen Regeln folgt schließlich der unrichtige Verwaltungsakt. Unrichtig nennt man einen Verwaltungsakt, der Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten (z. B. falsa demonstratio) enthält. Solche Mängel kann die Behörde jederzeit und formlos — auch mit Wirkung für die Vergangenheit — berichtigen21. Rechtswidrig ist nach einer Formulierung des BVerwG derjenige Verwaltungsakt, der durch unrichtige Anwendung bestehender Rechtssätze zustande gekommen ist 22 . Was die Fehlerquellen und Fehlergründe im einzelnen betrifft, 17

18 19 20 21

"

Vgl. dazu Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit I, 1972, Fälle 2, 3 7 und 8 ; Schwerdtfeger, Die öffentlichrechtliche Fallbearbeitung, 2. Auflage 1973, S. 120 ff. Vgl. oben S. 155. Vgl. näher dazu Wolff-Bachof, V w R I, § 50 II d. Vgl. dazu oben S. 134. § 38 E V w V f G 1973; BVerwG J Z 1973, 122; ebenso die Bestimmungen der Prozeßordnungen über die Berichtigung von Urteilen, vgl. z . B . § 118 VwGO, § 319 Z P O . B V e r w G E 13, 28, 31.

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so kann auf die oben dargestellten Anforderungen verwiesen werden, denen ein rechtmäßiger Verwaltungsakt entsprechen muß. Die Nichtbeachtung auch nur einer von ihnen führt zur Rechtswidrigkeit.

2. Rechtsfolgen der

Rechtswidrigkeit

Die Rechtsordnung reagiert in unterschiedlicher Weise auf die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes. In einigen Fällen bleibt die Verletzung geltender Rechtssätze rechtsfolgenlos, wird also der rechtswidrige Verwaltungsakt aufrechterhalten; dies allerdings nur dann, wenn er weder nichtig ist noch an inhaltlichen Fehlern leidet. Unbeachtlichkeit wird dementsprechend allein für entscheidungsunerhebliche formelle Fehler erwogen und vertreten 23 . Außerdem kommt eine nachträgliche Heilung des wegen Verletzung von Form- und Verfahrensvorschriften ursprünglich rechtswidrigen Verwaltungsaktes in Betracht 24 . Kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt nicht aufrechterhalten werden, ist weiter die Möglichkeit seiner Umdeutung (Konversion) in einen anderen Verwaltungsakt zu erwägen, dessen Erlaß rechtmäßig gewesen wäre 25 . Zumeist wird jedoch ein rechtswidriger Verwaltungsakt weder einer Aufrechterhaltung noch einer Umdeutung zugänglich sein. In solchen Fällen ist die Rechtsfolge der Rechtswidrigkeit nach deutschem Verwaltungsrecht entweder Nichtigkeit oder Aufhebbarkeit bzw. nach einem verbreiteten Sprachgebrauch Anfechtbarkeit. Die damit signalisierte Anlehnung an Rechtsfiguren des bürgerlichen Rechts darf indes nicht zu dem Fehlschluß verleiten, es bestünden insoweit in beiden Rechtsgebieten auch inhaltlich weitgehend übereinstimmende Regelungen. Das Gegenteil ist richtig. Während nämlich die rechtlich mißbilligte privatrechtliche Willenserklärung grundsätzlich nichtig ist (§§ 125, 134, 138 BGB), bewirkt die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes nur ausnahmsweise seine Nichtigkeit. Das erklärt sich aus der Tragweite dieser Fehlerfolge: Der nichtige Verwaltungsakt ist ohne weiteres rechtlich unwirksam und braucht daher von niemandem (Bürger, Behörde, Gericht) beachtet zu werden. Die im Hinblick auf den immerhin von ihm ausgehenden Rechtsschein zugelassene (§ 43 Abs. 1 VwGO) und auch zweckmäßige Nichtigkeitsfeststellung hat daher nur deklaratorische Bedeutung. Nichtigkeit als regelmäßige Folge der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes hätte unannehmbare Konsequenzen für die Verwaltung selbst, deren Funktionsfähigkeit beeinträchtigt würde, aber auch für alle diejenigen, die auf die Rechtmäßigkeit vertraut und darauf ihr Handeln eingerichtet haben. Das gilt 23

Vgl. § 42 E V w V f G 1973 und unten § 41 III; zum Problem auch Mußgnug, Das Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten?, 1970; Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, 1973, S. 7 ff. 24 Vgl. § 41 E V w V f G 1973 und unten § 41 III. "*' Vgl. zu den Voraussetzungen § 43 E V w V f G 1973 und unten § 41 IV.

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um so mehr, als es häufig durchaus zweifelhaft sein kann, ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig oder reditswidrig ist. Führt danach die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich nur zu seiner Aufhebbarkeit, so bleibt damit der rechtswidrige Verwaltungsakt einstweilen ebenso wirksam wie der rechtmäßige Verwaltungsakt. Erst seine Aufhebung durch die Verwaltung oder das Verwaltungsgericht beendet seine Geltung 26 . Handelt es sich um einen belastenden Verwaltungsakt, so wird die Initiative zu seiner Beseitigung im allgemeinen vom Betroffenen ausgehen, der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. V w G O ) im Wege der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) — deshalb auch der Terminus „Anfechtbarkeit" — seine gerichtliche Kassation begehren wird. Anfechtung ist hier also im Gegensatz zum bürgerlichen Recht nicht Selbst-, sondern Fremdanfeditung, und nicht sie, sondern erst ein weiterer Hoheitsakt beseitigt den rechtswidrigen Verwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, wenn das Gesetz einen Fehler ausdrücklich mit dieser Folge verknüpft. Während die Verwaltungsgesetze sich insoweit bisher zumeist mit punktuellen Regelungen begnügen, kündigt § 40 Abs. 2 E V w V f G 1973 hier einen Wandel an. Danach soll ein Verwaltungsakt niditig sein, der 1. bei schriftlichem Erlaß die erlassende Behörde nicht erkennen läßt; 2. ohne die rechtssatzmäßig zwingend vorgeschriebene Aushändigung einer Urkunde (z. B. § 16 RuStG) ergeht; 3. unter Verletzung einer durch Sach- oder Rechtsbelegenheit begründeten und begrenzten örtlichen Zuständigkeit erlassen wird; 4. aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (Beispiel: Abbrudiverfügung hinsichtlich eines bereits beseitigten Bauwerks); 5. die Begehung einer strafbaren Handlung oder einer Ordnungswidrigkeit (§ 1 OWiG) verlangt (Beispiel: Aufforderung an den privaten Polizeihelfer, den verfolgten Verbrecher zu erschlagen); 6. gegen die guten Sitten verstößt (z. B. antisemitische Maßnahmen). Im übrigen bedarf es des Rückgriffs auf allgemeine Kriterien, die eine sachgerechte Abgrenzung des nichtigen vom bloß aufhebbaren Verwaltungsakt ermöglichen. Geht man davon aus, daß zwischen Nichtigkeit und Aufhebbarkeit nur ein gradueller Unterschied besteht und die jeweils angemessene Fehlerfolge daher im Wege wertender Beurteilung zu ermitteln ist, dann stellen Schwere und Offenkundigkeit des Fehlers geeignete Kriterien dar. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (sog. Evidenztheorie) 27 . 26 27

Vgl. oben § 13. § 40 Abs. 1 E V w V f G 1973; BVerwGE 19, 284, 287 f.; vgl. auch B V e r w G E 23, 237,

238; 35, 334, 343. Anders die insbesondere bisher von Hans

J.Wolf}

(zuletzt

(VwR I, 8. Auflage 1971, § 51 I b 4, III) vertretene sog. Unmöglichkeitstheorie, die annimmt, niditig sei derjenige Verwaltungsakt, der „tatsächlich Unmögliches

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Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens

Diese Voraussetzungen dürften z . B . bei allen in § 40 Abs. 2 E V w V f G 1973 ausdrücklich genannten Nichtigkeitsgründen erfüllt sein. Daneben ist etwa an besonders eklatante Verfehlungen der sachlichen Zuständigkeit (Beispiel: Geltendmachung einer privatrechtlichen Schadensersatzforderung durch Polizeiverfügung 28 ), an die Erlaubnis zur Vornahme strafbarer Handlungen (Beispiel: Erlaubnis eines bis zum 31.12. 1974 gemäß § 285 StGB strafbaren Glücksspiels29) und an den auf einen rechtlich unmöglichen Erfolg gerichteten Verwaltungsakt (Beispiele: Einbürgerung eines deutschen Staatsangehörigen 30 ; Versetzung eines Niditbeamten in den Ruhestand 31 ) zu denken. Nicht rechtlich unmöglich mit Nichtigkeitsfolge ist jedoch der Verwaltungsakt, zu dessen Befolgung der Betroffene der Zustimmung eines Dritten bedarf, sofern dieser nicht hoheitlich zur Duldung verpflichtet wird (Beispiel: Abbruchverfügung gegen einen von mehreren Eigentümern). Hier genügt es, wenn die Zustimmung bzw. die Duldungsverfügung bei Vollstreckungsbeginn vorliegt 32 . Aufhebbar ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt, sofern die Rechtswidrigkeit nicht folgenlos bleibt, der Verwaltungsakt auch nicht umgedeutet werden kann und nicht nichtig ist. In der Praxis ergibt sich die Aufhebbarkeit zumeist entweder aus der fehlerhaften Interpretation von Rechtssätzen oder aus Subsumtionsfehlern. Eine gewisse Rolle spielt ferner der auf einer verfassungswidrigen Ermächtigungsgrundlage beruhende und deshalb aufhebbare Verwaltungsakt 3 3 . Erwähnung verdient schließlich die unmittelbar durch Verwaltungsakt bewirkte Verletzung verfassungsrechtlicher Prinzipien, z. B. des rechtsstaatlichen Übermaß Verbotes. 3.

Teilrechtswidrigkeit

Ist nur ein Teil eines Verwaltungsaktes rechtswidrig, so stellt sich die namentlich im Hinblick auf den mit einer fehlerhaften belastenden Nebenbestimmung versehenen begünstigenden Verwaltungsakt wichtige Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der rechtswidrige Teil den Verwaltungsakt im ganzen infiziert oder aber die Restregelung unberührt läßt 3 4

28 29 30 31 32

53

34

beinhaltet oder der schon für sich betrachtet, d. h. ohne Rücksicht auf die Lebensverhältnisse, die zu regeln er unternimmt, rechts(satz)widrig ist, also eine im objektiven Recht unter keinen Umständen vorgesehene Rechtsfolge ausspricht" und damit rechtlich unmöglich ist. Wie hier nunmehr Wolff-Bachof, V w R I, § 51 I c. PrOVGE 50, 248. OLG Celle N J W 1969, 2250. B a y V G H VerwRspr 13, 283 ff. B G H Z 2, 315, 317. PrOVGE 72, 278, 284; O V G Münster OVGE 26, 141; O V G Saarland BRS 22 N r . 213. Handelt es sich bei der Ermäditigungsgrundlage um ein nachkonstitutionelles förmliches Gesetz, richtet sich das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG. Ausführlich dazu W. Martens, DVBl 1965, 428 ff.; Wey reuther, DVBl 1969, 232 ff.

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Isolierte Teilrechtswidrigkeit setzt zunächst voraus, daß ein Verwaltungsakt seinem Inhalt nach überhaupt teilbar ist. Das ist einmal bei nur äußerlicher Zusammenfassung mehrer materiell selbständiger Anordnungen in einem Bescheid (z. B . Polizeiverfügung mit verschiedenen voneinander unabhängigen Befehlen) und zum anderen auch dann der Fall, wenn die nach der Abtrennung des fehlerhaften Teils verbleibende Restregelung als selbständiger Verwaltungsakt für sich fortbestehen kann (z. B . rechtswidrig bedingte als unbedingte E r laubnis). Es kommt weiter darauf an, ob die Behörde einen solchen Verwaltungsakt ohne die einschränkende Klausel hätte erlassen dürfen. Fehlt es daran, ergreift die Rechtswidrigkeit den Verwaltungsakt als Ganzes; sonst bleibt der fehlerfreie Restakt gültig. Eine in Rechtsprechung und Schrifttum verbreitete Meinung geht freilich darüber noch hinaus und läßt über die Erstreckung der Rechtswidrigkeit den Behördenwillen entscheiden: H ä t t e die Verwaltung den Verwaltungakt ohne den rechtswidrigen Teil nicht erlassen, so sei er insgesamt fehlerhaft. In der Sache nichts anderes besagt die Formulierung, Teilrechtswidrigkeit führe zur Rechtswidrigkeit im ganzen, wenn der rechtswidrige Teil so wesentlich sei, daß die Behörde ohne ihn den Verwaltungsakt nicht erlassen hätte 3 5 . Dieser A u f fassung kann nicht zugestimmt werden. Das bedarf für den gebundenen V e r waltungsakt keiner näheren Begründung. Die Rechtsgebundenheit läßt für eine Willens- und Entscheidungsfreiheit der Verwaltung keinen Raum. W i r d also z. B . eine gebundene Erlaubnis durch eine rechtswidrige Nebenbestimmung beschränkt, infiziert diese nicht die Begünstigung, zu deren Erteilung die Behörde gesetzlich verpflichtet ist. D e r Rückgriff auf den Behördenwillen ist jedoch auch beim Ermessensakt unstatthaft. Wer insoweit für eine entsprechende oder rechtsgrundsätzliche Anwendung des § 139 B G B eintritt, übersieht, daß die Adaptierung des Grundsatzes der Privatautonomie, auf dem diese Bestimmung beruht, den Rechtsprinzipien des Verwaltungshandelns zuwiderlaufen würde. Auch auf die Maßgeblichkeit des „Verknüpfungswillens" der Verwaltung 3 6 läßt sich nicht abheben, weil die Frage der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes eben nicht nach subjektiven, sondern ausschließlich nach objektiven Kriterien zu beurteilen ist. Ihre prozessuale Entsprechung findet die isolierte Teilrechtswidrigkeit in der teilweisen Aufhebung des Verwaltungsaktes durch das Verwaltungsgericht, die § 1 1 3 Abs. 1 S. 1 V w G O ausdrücklich („soweit") vorsieht. Geeigneter Rechtsbehelf bei einem rechtswidrig beschränkten begünstigenden Verwaltungsakt ist daher die Anfechtungsklage, nicht die auf Verurteilung zur Erteilung der unbeschränkten Begünstigung gerichtete Verpflichtungsklage 3 7 . Die unzulässigerweise einem begünstigenden Verwaltungsakt beigefügte Auflage ist selbstänSo für den teilweise nichtigen Verwaltungsakt § 40 Abs. 4 EVwVfG 1973. » So Weyreuther, DVB1 1969, 232, 234 f. für die Bedingung. 37 W. Martens, DVBl 1965, 428, 430 ff.

35 3

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dig anfechtbar und aufhebbar, da sie inhaltlich als — wenngleich von der Begünstigung abhängiger — Verwaltungsakt erscheint 38 .

§16

Aufhebung von Verwaltungsakten durch die Verwaltung — Einführung Die im folgenden zu behandelnde Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung berechtigt oder verpflichtet ist, einen Verwaltungsakt wieder aufzuheben oder zu ändern, gehört zu den schwierigsten Problemen des gegenwärtigen Verwaltungsrechts, dessen Verfassungsabhängigkeit hier erneut sichtbar wird. Die Frage wird nicht etwa durch die gesetzliche Bestimmung von Widerspruchs- und Klagefrist (§§ 70, 74, 76 VwGO) beantwortet; denn die mit Fristablauf eintretende Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes (auch „formelle Bestandskraft" oder in Anlehnung an das Prozeßrecht „formelle Rechtskraft" genannt) wirkt nur gegenüber dem betroffenen Bürger, bindet aber nicht zugleich auch die Behörde an den von ihr erlassenen Verwaltungsakt. Das Verwaltungsrecht kennt ferner keine Vorschrift wie § 318 Z P O , der das Gericht an die Entscheidung bindet, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist. Verwaltungsakte erwachsen schließlich nicht in materielle Rechtskraft, wie sie formell rechtskräftigen Urteilen zukommt (§ 121 VwGO, § 322 ZPO). Materielle Rechtskraft bedeutet Maßgeblichkeit des Entscheidungsinhalts eines formell rechtskräftigen Urteils für Parteien und Gericht in einem späteren Prozeß 1 . Sie dient damit der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Verwaltungsakten kann allenfalls eine der materiellen Rechtskraft in ihrer Wirkung ähnliche materielle Bestandskraft (auch „Bindungswirkung" genannt) beigelegt werden, und dies auch nur insoweit, als sie nach Gegenstand, Verfahren und Inhalt urteilsähnlich sind. Urteilsähnlichkeit setzt voraus, daß ein Verwaltungsakt auf Grund eines abgeschlossenen Sachverhalts in einem prozeßähnlichen Verfahren ergeht und das Bestehen oder Nichtbestehen einer Berechtigung oder einer Verpflichtung feststellt, also streitentscheidend wirkt 2 . Das ist nur selten der Fall. In aller Regel wird es an einer oder mehreren dieser Voraussetzungen fehlen. So wirken etwa zahlreiche Verwaltungsakte im Dienst sozialgestaltender Funktionen der Exekutive jedenfalls auch in die Zukunft. Insoweit muß die Verwaltung elastisch bleiben und zur Reaktion auf wechselnde Lagen imstande sein. Außerdem bietet der Verwaltungsakt nur ausnahmsweise die Gewähr der Richtigkeit, wie sie dem Urteil auf Grund des 38 1 2

Ebenso BVerwGE 36, 145, 153 f.; BVerwG BauR 1974, 263 f. Vgl. Zeiss, Zivilprozeßrecht, 1971, § 70. BVerfGE 2, 380, 392-394; BVerwGE 4, 250, 252 f.

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rechtsförmlichen Verfahrens und der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters eignet. Daher obliegt es dem rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht, besondere Grundsätze für eine sachgerechte Beurteilung der Beständigkeit und Dauer von Verwaltungsakten zu entwickeln. Diese Grundsätze müssen einerseits den von der Verwaltung zu verfolgenden öffentlichen Interessen, andererseits aber auch den berechtigten Individualinteressen des betroffenen Bürgers gerecht werden. Inhaltlich stellen die maßgeblichen Rechtsregeln zunächst darauf ab, ob es sich um die Aufhebung eines rechtmäßigen oder eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes handelt. In Übereinstimmung mit der heute weithin üblichen Terminologie wird im folgenden die Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes als „Widerruf (dazu § 17), die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes als „Rücknahme" (dazu §§ 18 f.) bezeichnet3. Wesentlich ist sodann, ob sich Widerruf oder Rücknahme auf einen begünstigenden oder belastenden Verwaltungsakt beziehen. Dabei ist besonders zu beachten, daß ein Verwaltungsakt auch ambivalent sein kann 4 : Ein Rentenbescheid, der die begehrte Leistung lediglich teilweise gewährt, begünstigt den Rentner nicht nur, sondern belastet ihn zugleich insoweit, als die zuerkannte hinter der beantragten Rente zurückbleibt. Die Streichung der Rente ist also Widerruf oder Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes, ihre Erhöhung als Widerruf oder Rücknahme eines belastenden Verwaltungsaktes zu beurteilen. §17 Die Aufhebung rechtmäßig erlassener Verwaltungsakte I. Notwendigkeit des Widerrufs Es stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt ein Bedürfnis bestehen kann, einen Verwaltungsakt, der rechtmäßig erlassen wurde, aufzuheben. Die Regelung eines Verwaltungsakts erschöpft sich indes vielfach nicht mit seinem Erlaß. Häufig entfaltet er seine Wirkung auch in die Zukunft, sei es durch Begründung einer Verpflichtung (z. B. Ordnungspflicht), einer Berechtigung (z. B. Rentenberechtigung) oder einer Eigenschaft (z. B. Widmung), oder sei es in der Fortgeltung als rechtliche Grundlage für erbrachte Leistungen o. ä. Die Fortgeltung der durch den Verwaltungsakt gesetzten Rechtsfolge läßt die Frage entstehen, wie sich Änderungen der Sach- und Rechtslage, die sich nach Erlaß des Verwaltungsakts ergeben, auswirken. Sie haben in der Praxis häufig den „Widerruf des Verwaltungsakts" zur Folge. So hat z. B. bei einer Inanspruchnahme nach dem Reichsleistungsgesetz der nachträglich aufgetretene Eigenbedarf des ehedem Leistungspflichtigen zum Widerruf des Beschlagnahme und Zuweisung regelnden Verwaltungsakts1 gegenüber dem begünstigten Lei3 4 1

So jetzt auch Wolff-Bachof, V w R I, § 53 I u. III. Bachof, Rspr. BVerwG II S. 344. Vgl. hess V G H VerwRspr 1 (1949), 38 (Bettfedernrelnigungsmasdiine) und O V G Lüneburg VerwRspr 3 (1951), 675.

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stungsempfänger geführt. D i e Bestellung eines Tierarztes zum Fleischbeschauer wurde widerrufen, da ein anderer Veterinär Anspruch auf den Beschaubezirk geltend machte 8 ; die Erlaubnis eines Rechtsanwaltes zur Abhaltung auswärtiger Sprechtage wurde widerrufen, als er am O L G zugelassen wurde 3 , und die später eingetretene schwierige Finanzlage einer Gemeinde bewog sie zur A u f hebung eines auf eine Geldleistung gerichteten Bewilligungsbescheides 4 . D i e Erlaubnis zur Benutzung des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes wurde widerrufen, weil der Erlaubnisinhaber Mitbenutzer beleidigte 5 , und die E r laubnis zur Aufstellung eines Zeitungskiosks hinter dem „Chor der Johanniskirche" wurde wegen Feilbietens von Heftchen der sog. Schmutz- und Schundliteratur 6 aufgehoben. In dem einer Entscheidung des B G H 7 zugrundeliegenden Sachverhalt war die Genehmigung zur Errichtung einer Tankstelle erteilt worden. Als infolge eines neuen Planfeststellungsbeschlusses eine Änderung der Straßenführung und damit die Beseitigung der Tankstelle erforderlich wurde, widerrief die Gemeinde die Genehmigung. Das B V e r w G hatte schließlich folgenden Fall zu entscheiden: Einem Wehrpflichtigen w a r nach seiner E i n berufung eine finanzielle Sonderleistung bewilligt worden. Als aus finanziellen Gründen die dem Bewilligungsbescheid zugrunde liegende Gesetzesvorschrift gestrichen wurde, stellte die Wehrverwaltung die Zahlung ein und widerrief den Bewilligungsbescheid 8 . I n allen diesen Entscheidungen ging es um die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der zu einer rechtlichen Besserstellung des Adressaten führte. Seinem in fast allen Beispielen durch Klage verfolgten Interesse an der Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts für die Zukunft begegnet das von den Behörden verfolgte Interesse an der Beseitigung des Verwaltungsakts. Demgegenüber wendet sich der Bürger in aller Regel nicht gegen den Widerruf eines ihn belastenden V e r waltungsakts und soweit er es tun sollte, würde ihm die Klagebefugnis des § 4 2 Abs. 2 V w G O fehlen. Dementsprechend mangelt es in der Rechtsprechung insoweit an Beispielsmaterial.

II. D e r Widerruf belastender Verwaltungsakte D e r Widerruf ausschließlich belastender Verwaltungsakte wird weitgehend als unproblematisch angesehen 9 . E r wird — wie es auch §§ 45 Abs. 1 E V w V f G Hess VGH VerwRspr 5 (1953), 701. BVerwGE 1, 99. 4 BGH VerwRspr 6 (1954), 308. 5 BVerwGE 18, 34. • VGH Stuttgart VerwRspr 6 (1954), 569. 7 BGH N J W 1970, 1178 = D Ö V 1970, 421; vgl. dazu Menger und Eridisen, VerwArdi 61 (1970), 384 f. 8 BVerwGE 36, 71. 8 Vgl. Forsthoff, VwR, S. 264; Eyermann/Fröhler, VwGO, § 42, Anhang Rdn. 33 S. 304; Wolff-Bachof, VwR I, § 53 IV c. 2

3

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177

1973, 117 Abs. 1 L V w G Schi.-Holst, vorsehen — nur dann ausgeschlossen, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müßte oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn entgegenstehende Weisungen oder Verwaltungsvorschriften vorliegen 1 0 . Beim Widerruf belastender Verwaltungsakte, die einen anderen begünstigen, sind die Regeln über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte, auf die sogleich eingegangen wird, zu beachten.

III. Der Widerruf begünstigender Verwaltungsakte 1. In Rechtsprechung,

Literatur

und EVwVfG

1973

D e r Widerruf begünstigender Verwaltungsakte ist nur in wenigen Fällen gesetzlich geregelt. Audi soweit das, wie etwa in § 15 Abs. 2 u. 3 GaststättenG der Fall ist, stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Widerruf außerdem zulässig ist. D a m i t sieht man sich auf die allgemeinen Grundsätze über den Widerruf begünstigender Verwaltungsakte und damit in einen Problemkreis verwiesen, den die Verwaltungsrechtswissenschaft nach dem 2. Weltkrieg vernachlässigt hat. Nachdem Rechtsprechung 1 1 und Wissenschaft 1 2 anfänglich den Grundsatz der freien Widerrufbarkeit von V e r w a l tungsakten vertreten hatten, führte der Rückgriff auf die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes alsbald zu einer Abkehr von diesem Prinzip 1 3 . I m einzelnen ist indes noch vieles unklar, zeigen Rechtsprechung und Schrifttum keine klare Linie. D e r diffuse Grundsatz des Vertrauensschutzes 1 4 bestimmt weitgehend die gewonnenen Ergebnisse. So soll ein begünstigender V e r w a l tungsakt nicht widerrufen werden dürfen, wenn Vertrauen in seinen F o r t bestand investiert worden ist 1 5 . Diese Investition wird in der Regel in dem Beginn der Verwirklichung des genehmigten Werkes (sog. Inswerksetzen) oder in der Vornahme besonderer Anstalten 1 6 gesehen. D e r Gedanke des Widerrufsausschlusses wegen Inswerksetzung hat sich — soweit ersichtlich — zunächst im Vgl. v. d. Groeben/Knack, Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land SchleswigHolstein, Kommentar Stand 1968, § 117 Rn. 4.1.1. " Vgl. BVerfGE 2, 380, 393 f. 12 Vgl. Forsthoff, VwR, 1. Auflage 1950, S. 201. 13 Vgl. BGH VerwRspr 5 (1953), 278; Bay VGH VerwRspr 3 (1951), 316; Haueisen, N J W 1955, 1457, 1458, 1459 m. w. N.; Kimminich, JuS 1965, 249, 257. 14 Vgl. Ossenbühl, DÖV 1972, 25 f.; Grabitz, DVBl 1973, 675; Schmidt, JuS 1973, 529; Kisker, VVDStRL 32 (1974), 150ff.; Püttner, VVDStRL 32 (1974), 200, 206 alle m. w. N. 1 5 Vgl. Haueisen, N J W 1955, 1457, 1459; OVG Lüneburg VerwRspr 3 (1951), 675, 678; Hess VGH VerwRspr 1 (1949), 38; Kimminich, JuS 1965, 249, 257. 18 Siehe Forsthoff, VwR, S. 269 m. w. N.; Kimminich, JuS 1965, 249, 257; BGH MDR 1963, 915.

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Allgemeines Verwaltungsredit

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H a n s - U w e Erichsen und Wolfgang Martens

Baurecht entwickelt 17 , und der geradezu „klassische Fall" (ForsthofT) ist der des Beginns der Bauausführungen aufgrund der Bauerlaubnis mit dem ersten Spatenstich 18 . Später wurde diese Überlegung auf andere Bereiche übertragen und nicht nur auf andere Erlaubnisse und Dispense, sondern auch auf den leistungsgewährenden Bewilligungsbescheid angewandt. Von diesen Überlegungen gehen auch §§ 45 Abs. 2 E V w V f G 1973 und 117 Abs. 2 LVwG Schi.-Holst, aus. Sie bestimmen, daß ein begünstigender rechtmäßiger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung f ü r die Zukunft, also ex nunc 180 , nur widerrufen werden darf, wenn bestimmte Gründe vorliegen. Damit bekennen sie sich im Grundsatz zur Unwiderrufbarkeit begünstigender Verwaltungsakte, berücksichtigen aber gleichzeitig, d a ß schon nach bisher herrschender Auffassung der Vertrauensschutzgedanke f ü r die Verwaltung keine absolute Aufhebungssperre bewirkt. Er kann dort nicht eingreifen, wo gar kein Vertrauen investiert worden ist 19 , also z. B. der Begünstigte etwa wegen längerer Ortsabwesenheit von dem begünstigenden Verwaltungsakt gar keine Kenntnis hatte. Der Vertrauensschutzgedanke schließt auch dann einen Widerruf nicht aus, wenn überhaupt kein Vertrauen in den Verwaltungsakt investiert werden durfte. Das ist entsprechend der in § 45 Abs. 2 N r . 1 E V w V f G 1973 vorgesehenen und in § 117 Abs. 2 N r . 1 L V w G Schi.-Holst, getroffenen Regelung dann der Fall, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschriften zugelassen ist oder wenn die Verwaltung dem Verwaltungsakt — zu ergänzen ist: zulässigerweise — einen Widerrufsvorbehalt beigefügt hat 2 0 . Der Vertrauensschutzgedanke soll auch nicht eingreifen und der Verwaltungsakt widerrufen werden dürfen, wenn Anlaß zum Widerruf ein Verhalten des Begünstigten selbst war, durch das er Verhaltenserwartungen, die die Verwaltung zulässigerweise durch Beifügung einer Auflage zum Ausdruck gebracht hat, nicht entspricht 21 oder sie zu enttäuschen droht 2 2 . Dementsprechend sieht die in § 45 Abs. 2 N r . 2 E V w V f G 1973 vorgesehene Regelung in wesentlicher Übereinstimmung mit § 117 Abs. 2 N r . 2 L V w G Sdil.-Holst. bei Nichterfüllung oder nicht fristgemäßer Erfüllung einer zulässigen Auflage den Widerruf vor 2 3 . Ist eine Auflage zulässig beigefügt, so darf der Verwaltungs17

Vgl. z . B . P r O V G E 24, 395 und 28, 378; Scboen, Festgabe für Preuß. O V G , S. 118, 134. 18 O. Mayer, V w R I, S. 254. 180 Vgl. dazu Wolff-Bachof, V w R I, § 53 I V g 2. 19 Vgl. Kuhn, L V w G Schl.-Holst., Kommentar, § 116 Anm. 18. 20 Vgl. dazu I. v. Münch, JZ 1964, 53 f. und 121; Wolff-Bachof, V w R I, § 53 I V d 2. 21 Vgl. Forsthoff, V w R , S. 265, 266 und aus der Rspr. Bay V G H VerwRspr 3 (1951), 316, 318 f.; B G H Z 24, 100. 22 So Bay V G H VerwRspr 3 (1951), 316, 318 f. 23 Vgl. Haueisen, N J W 1955, 1457, 1460; Kimminich, JuS 1965, 249, 257; Forsthoff, V w R , S. 265, 266; B G H Z 24, 100, 101; Bay V G H VerwRspr 3 (1951), 316 321.

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akt jedoch auch bei Nichterfüllung nicht ohne weiteres widerrufen werden. Zwar soll es im Ermessen der Verwaltung stehen, ob sie die Auflage selbständig erzwingen oder den Verwaltungsakt widerrufen will 24 . Das Übermaßverbot wird hier indes in der Regel gebieten, daß die Behörde zunächst die Erfüllung der Auflage zu erreichen sucht25. Darüberhinaus sind in § 45 Abs. 2 Nr. 3—5 EVwVfG 1973 in Übereinstimmung mit § 1 1 7 Abs. 2 Nr. 3 - 5 LVwG Schl.Holst. weitere Widerrufsgründe vorgesehen. So wird in § 45 Abs. 2 Nr. 5 EVwVfG 1973 der Widerruf für zulässig erklärt, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. In dieser Regelung kommt das alte ius eminens26, das auch in § 74 Einl. ALR seinen Niederschlag gefunden hat, zum Tragen. In § 45 Abs. 2 Nr. 3 EVwVfG 1973 wird ein Widerruf dann vorgesehen, wenn die Behörde berechtigt wäre, den Verwaltungsakt aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen — Änderung der Sachlage — nicht zu erlassen, falls ohne Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet, ein neuerlicher Erlaß des Verwaltungsakts also Ermessensmißbrauch wäre 260 . Nach § 45 Abs. 2 Nr. 4 EVwVfG 1973 ist auch bei veränderter, den neuerlichen Erlaß des Verwaltungsakts ausschließender Rechtslage die Behörde berechtigt, den Verwaltungsakt zu widerrufen, falls sie aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit von der Begünstigung noch kein Gebrauch gemacht oder aufgrund des Verwaltungsakts noch keine Leistung empfangen worden ist und ohne Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre 26b . In diesen Fällen der nach Erlaß eintretenden Änderung der Sach- oder Rechtslage stellt sich indes die Frage, ob es hier noch um die Aufhebung rechtmäßiger Verwaltungsakte geht. Durch die Änderung der Sachoder Rechtslage gerät die Regelung des Verwaltungsakts in Widerspruch zur bestehenden Rechtsordnung. Es wird daher die Auffassung vertreten, daß sie rechtswidrig werde27 und daß es sich dementsprechend in diesen Fällen um die Rücknahme von Verwaltungsakten handle, so daß die dafür geltenden Regeln anzuwenden seien28. Demgegenüber hat das BVerwG 29 in Übereinstimmung mit Vgl. B G H Z 24, 100, 102. Wobei eine selbständige Erzwingung nicht für erforderlich angesehen wird, sondern Widerruf unter Bestimmung einer Frist für die Erfüllung der Auflage angedroht werden darf. So Haueisen, N J W 1955, 1457, 1460. 2 6 Dazu Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsreditsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971, S. 44 f., 159 f. 2 6 0 Vgl. dazu Wolff-Bacho}, V w R I, § 53 IV d 4. 2 6 b Vgl. dazu Woljf-Bacbof, V w R I, § 53 IV d 5. 2 7 Vgl. etwa Hans J.Wolff, V w R I, 8. Auflage 1971, § 5 3 I I I c 5 ; Forsthoff, V w R , S. 2 6 4 ; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 108 Rdn. 16; Haueisen, N J W 1956, 201 f. 2 8 So Forsthoff, V w R , S. 2 6 4 ; Haueisen, N J W 1956, 201, 202 insbesondere F n . 4 ; J A 1969 Ö R S. 186. 2» BVerwGE 1, 35, 3 6 ; 2, 55, 57 f.; 17, 70, 73. Ebenso Wolff-Bachoj, V w R I, § 5 3 II d 3. 24

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seiner Rechtswidrigkeitsbestimmung 290 ebenso wie der Gesetzgeber in § 15 GaststättenG allein auf den Zeitpunkt des Erlasses abgestellt. Ihm folgen, wohl ohne die damit verbundene Problematik zu erkennen, der EVwVfG 1973 in § 45 Abs. 2 Nr. 3 und 4 und § 117 Abs. 2 Nr. 3 und 4 LVwG Schl.-Holst. In den Fällen des § 45 Abs. 2 Nr. 3 - 5 EVwVfG 1973 hat nach der in § 45 Abs. 3 EVwVfG 73 vorgesehenen Regelung die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, daß er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. 2. Kritik Beim Widerruf begünstigender Verwaltungsakte geht es um das Individualinteresse des Begünstigten am Bestand des Verwaltungsakts einerseits und um das für eine Aufhebung streitende, von der Verwaltung verfolgte öffentliche Interesse andererseits. Die vorgetragene, in Rechtsprechung und Lehre entwickelte, in § 117 Abs. 2 LVwG Schl.-Holst. kodifizierte und in § 4 5 Abs. 2 EVwVfG 1973 aufgenommene Auffassung zum Problem des Widerrufs begünstigender Verwaltungsakte vernachlässigt, daß das GG zur Lösung des Gegensatzes von individuellem und öffentlichem Interesse in den Grundrechten Direktiven bereitstellt 30 . Die Frage nach der Widerrufbarkeit von begünstigenden Verwaltungsakten ist daher unter Einbeziehung dieser grundrechtlichen Determinanten zu lösen31. Dabei ist zu beachten, daß es zwei verschiedene Arten von Begünstigungen durch Verwaltungsakt gibt. Einmal sind es jene Verwaltungsakte, die die Ausübung einer grundrechtlich garantierten Freiheit zulassen und zum anderen jene, die Rechte konstitutiv zuerkennen. a) Daß die Erteilung einer Erlaubnis, die von einem präventiven Verbot befreit, grundrechtlich geschützte Handlungsfreiheit wieder herstellt, ist inzwischen anerkannt 32 . So stellt die Bauerlaubnis 33 nach ganz überwiegender Meinung die Eigentümerbefugnis des Art. 14 GG wieder her 34 , und die Approbation des Arztes aktualisiert dessen Berufsfreiheit aus Art. 12 GG. Demgegenüber geht die h. M. davon aus, daß beim Dispens ein repressives Verbot durchbrochen und damit grundrechtlich garantierte Freiheit nicht wieder 2B

° BVerwGE 13, 28, 31 und dazu oben § 15 II 1. Vgl. audi W. Schmidt, JuS 1973, 529, 531 f. mit Hinweis auf BVerfGE 31, 289 in Fn. 25. 31 Vgl. Menger/Erichsen, VerwArdi 61 (1970), 384 f., 388; Ansätze bei Kimminich, JuS 1965, 249, 258; Wolff-Bachof, VwR I, § 53 IV gehen hierauf nicht ein. 32 Vgl. BVerfGE 20, 150, 154 f.; Ossenbähl, D Ö V 1968, 618; 624. 33 Vgl. schon Pr O V G E 28, 371, 372; ferner B G H MDR 1964, 487. 34 BVerwGE 16, 116, 120; 22, 129, 133; vgl. dazu Friauf, D V B l 1971, 713, 719 f. 30

Das Verwaltungshandeln

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hergestellt werde. Mit ihm werde mehr gewährt, als die Behörde zu gewähren verpflichtet gewesen sei 35 . Er könne daher nach „freiem aber pflichtgemäßigem Ermessen widerrufen werden, also auch dann, wenn die Behörde ihre Ansicht ändert" 8 6 . Diese Ansicht verkennt, daß der Dispens heute als Mittel zur Aktualisierung und Sicherung größtmöglicher Geltung der Grundrechte zu verstehen ist. Grundrechtseinschränkende Gesetze müssen gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 G G allgemein sein. Das den Grundrechtseingriff legitimierende öffentliche Interesse muß also als Tatbestand der Norm in abstrakten Falltypen erfaßt werden. Dabei ist es unvermeidlich, daß die abstrakte Formulierung audi den einen oder anderen Sachverhalt erfaßt, in dem der von der Norm vorgesehene Eingriff zur Erreidiung des mit dem Gesetz verfolgten Zwecks nicht erforderlich oder im Bezug zu ihm unverhältnismäßig ist 37 . Der Dispens eröffnet in diesen Fällen die Möglichkeit, eine Verletzung des Übermaßverbotes zu vermeiden. Damit gehört auch die durch Dispens eingeräumte Freiheit zum Schutzbereich der Grundrechte 38 . Erlaubnis und Dispens haben also grundrechtsaktualisierenden Charakter. Der Widerruf solcher Verwaltungsakte setzt das gesetzliche Verbot der Grundrechtsausübung erneut in Geltung; er bedeutet also eine Verkürzung grundrechtlich garantierter Möglichkeit, Freiheit auszuüben, und stellt daher einen. Eingriff dar. So aktualisiert die Genehmigung, anläßlich eines Volksfestes auch an Sonn- und Feiertagen Einzelhandelsgeschäfte geöffnet zu halten 39 , etwa Art. 12 Abs. 1 GG. Ihr Widerruf muß daher mit den für Eingriffe in die Berufsausübung geltenden Anforderungen übereinstimmen, d. h. auf gesetzlicher Grundlage beruhen und unter Zugrundelegung der aus dem Übermaßverbot 40 vom BVerfG entwickelten Stufenlehre 41 von „vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls" 42 getragen sein. Audi die Erlaubnis zur Aufstellung mechanisch betriebener Spielgeräte 43 kann nur widerrufen werden, wenn die Kautelen der Art. 12, 14 G G eingehalten sind. b) Werden durch Verwaltungsakt Ansprüche auf Leistungen bewilligt oder Rechtspositionen zuerkannt, die von den grundrechtlidi garantierten Hand35

36

37 38

39 40 41 42 45

Vgl. BVerfGE 25, 112, 116, 119 f.; 9, 338, 353 f. und die Argumentation in BGH DÖV 1970, 421 und bei Ossenbühl, DÖV 1968, 618, 624, 625; ferner Hans Joachim Müller, DÖV 1969, 119, 126. Forsthoff, VwR, S. 268; vgl. auch E. R. Huber, AöR 78 (1952/53), 113, 114 f.; BGH MDR 1964, 487. A. A. Wolff-Bacbof, VwR I, § 53 IV e 6. Vgl. ausführlich dazu Erichsen, DVBl 1967, 269 ff. und zuletzt Schwabe, JuS 1973, 133 ff. So auch Hoppe, DVBl 1969, 340, 346 f.; Schwabe, JuS 1973, 113, 137 f. und Mengerl Erichsen, VerwArdi 61 (1970), 384, 388. Vgl. BGH AöR 78 (1952/53), 102 f. Vgl. Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgeriditsbarkeit I, 1971, S. 34 ff. BVerfGE 7, 377 ff. BVerfGE 7, 377, 404 f. Vgl. BGHZ 24, 100.

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lungsfreiheiten nicht u m f a ß t sind 44 , geht es also nicht um die Wiederherstellung grundrechtlicher Freiheiten 45 , so ergibt sich f ü r die Heranziehung grundrechtlicher Entscheidungsdirektiven zur Regelung des Widerrufs von Verwaltungsakten ein anderer Ansatz. Es stellt sich nämlich im Hinblick auf den jeweiligen Verwaltungsakt die Frage, ob die durch ihn geschaffene Rechtsposition des Schutzes z. B. des Art. 14 Abs. 1 G G oder anderer Grundrechte 4 6 teilhaftig wird. Vermögenswerte subjektive öffentliche Redete sollen etwa dann von Art. 14 Abs. 1 G G geschützt sein, wenn sie durch eigene Leistung und/oder eigenen K a p i t a l a u f w a n d erworben sind, sich also als Äquivalent eigener Leistung erweisen und nicht auf einseitiger staatlicher Gewährung beruhen 47 . Erfüllen die zuerkennenden Verwaltungsakte diese Voraussetzungen, ist ihr Widerruf gemäß Art. 14 G G nur rechtmäßig, wenn er auf der Grundlage eines Gesetzes erfolgt, welches die Sozialbindung des Eigentums konkretisiert oder den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 G G genügt 48 . c) Erfolgt der Widerruf eines Verwaltungsaktes im Rahmen von Art. 14 Abs. 3 GG, stellt er also eine Enteignung dar, so ist die Zahlung einer Entschädigung verfassungsrechtlich geboten 49 und nicht etwa, wie die Begründung zum E V w V f G 1973 meint 50 , eine Frage der Billigkeit. Stellt sich der Widerruf als Eingriff in nichtVermögenswerte Rechte dar, so kann ein Anspruch auf Entschädigung aus Aufopferung gegeben sein.

§18

Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte I. V o m Grundsatz freier Rücknahme z u m Vertrauensschutz Bei der Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes ist von der lex scripta aus44

45

46 47

48 49 50

Zur Frage, ob die Grundrechtsgewährleistungen Leistungsansprüche bzw. Teilhaberechte umfassen vgl. etwa W. Martens und Häberle, VVDStRL 30 (1972), 7 ff., 43 ff.; BVerfGE 33, 303 ff. und v. Mutius, VerwArch 64 (1973), 183 ff. Vgl. B G H VerwRspr 5 (1953), 278: Widerruf eines einem Assessor Unterstützung bewilligenden Verwaltungsakts wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben. B G H VerwRspr 6 (1954), 308: Widerruf der Bewilligung von Trennungsentsdiädigung wegen akuter Finanznot. BVcrwGE 36, 71: Widerruf eines Verwaltungsakts, der einem Wehrpflichtigen Sonderleistungen bewilligte, wegen Gesetzesänderung. Vgl. Menger/Erichsen, VerwArdi 61 (1970), 384, 388. So BVerfGE 11, 221, 226; 22, 241, 253; 24, 220, 225 f.; kritisch dazu Menger/ Erichsen, VerwArch 61 (1970), 384, 385, 386. Vgl. audi W. Schmidt, JuS 1973, 529, 532. Vgl. dazu Rüfner, BB 1968, 881, 885. BT-Drucksache 7/910 S. 73 1. Sp. Zutreffende Ansätze zur Einordnung demgegenüber S. 73 r. Sp. a. E.

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zugehen. Die Verwaltungsgesetze enthalten jedoch nur fragmentarische Regelungen der Voraussetzungen, unter denen ein zu Unrecht erlassener oder nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakt durch die Verwaltungsbehörde zurückgenommen werden muß oder darf 1 . Soweit positivrechtliche Bestimmungen fehlen oder nicht als abschließende Festlegungen anzusehen sind, obliegt es Rechtsprechung und Lehre, allgemeine Rechtsgrundsätze für die Beurteilung der Zulässigkeit der Rücknahme zu entwickeln. Die traditionelle Auffassung in Lehre und Rechtsprechung hat die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte nicht als Problem empfunden. Sie ging nahezu einhellig dahin, daß die Behörde wenn nicht gar verpflichtet so doch jedenfalls berechtigt sei, einen als rechtswidrig erkannten Verwaltungsakt voraussetzungslos zurückzunehmen. Umstritten war lediglich, welche zeitliche Wirkung der Rücknahme beizumessen sei. Während einerseits dafür plädiert wurde, sie regelmäßig nur in die Zukunft (ex nunc) wirken zu lassen, wurde andererseits dem Grundsatz der in die Vergangenheit zurückwirkenden (ex tunc) Rücknahme der Vorzug gegeben. Begründet wurde jene Auffassung im wesentlichen mit dem Hinweis auf das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dessen Verletzung durch die Beseitigung des rechtswidrigen Verwaltungsaktes wieder geheilt werde. In der Gegenwart hat die Regel der freien Rücknehmbarkeit des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes kaum noch Anhänger2. Zu ihrer Überwindung hat wesentlich ein Urteil des OVG Berlin vom 14. 11. 1956 beigetragen, das vom BVerwG bestätigt worden ist3. Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Klägerin, einer in der D D R lebenden Beamtenwitwe, wurde vom beklagten Berliner Innensenator bescheinigt, daß ihr ein Anspruch auf Versorgung zustehe, sofern sie ihren Wohnsitz in Westberlin begründe. Daraufhin siedelte die Klägerin dorthin über. Nunmehr setzte der Beklagte das Witwengeld der Klägerin fest. Als sich später herausstellte, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung nicht erfüllt waren, stellte der Beklagte die Zahlung des Witwengeldes ein und teilte der Klägerin mit, sie müsse die überzahlten Versorgungsbezüge zurückzahlen. Der Fall zeigt deutlich die Unzulänglichkeit der früheren Auffassung, weil und soweit sie das schutzwürdige Vertrauen des Adressaten in die Rechtsbeständigkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes unberücksichtigt läßt. Dieses Vertrauen ist auch von Rechts wegen schutzfähig. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist nämlich nur eines von mehreren Elementen des Rechtsstaatsprinzips. Dieses Prinzip enthält daneben auch den Grundsatz der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, aus dem sich für das in Rede stehende Problem der Gedanke des Vertrauensschutzes des Begünstigten ablei1

a 3

Vgl. z . B . § 1 2 BBG; § 5 3 Abs. 2 GewO; § 1 5 GüKG; §§ 93 ff., 222 AO. Zu ihnen zählt vor allem Forsthoff, VwR S. 261. DVBl 1957, 503 und BVerwGE 9, 251 ff.

GastG; § 2 5

PBefG; § § 7 8 ,

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ten läßt 4 . Gesetzmäßigkeit und Rechtssicherheit sind als Bestandteile des beide Erscheinungen umschließenden Rechtsstaatsprinzips verfassungsrechtlich gleichrangig und gleichwertig. Daraus folgt, daß die Lösung im konkreten Konflikt der Rechtsgüter und Interessen nur durch ihre Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls gewonnen werden kann. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf danach nur dann zurückgenommen werden, wenn das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung das Vertrauen des durch den Verwaltungsakt Begünstigten auf die Rechtsbeständigkeit der behördlichen Entscheidung überwiegt 5 . Diese spezifisch verfassungsrechtliche Begründung und Absicherung des Vertrauensschutzes erübrigt den vielfach befürworteten 6 , jedoch im vorliegenden Zusammenhang nicht unproblematischen Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben. In § 44 Abs. 2 S. 1 EVwVfG 1973 hat die vorstehend dargestellte Beschränkung der Rücknahmebefugnis für denjenigen rechtswidrigen Verwaltungsakt Eingang gefunden, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist. In bezug auf andere rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte läßt § 44 Abs. 3 EVwVfG die Rücknahme ohne die bezeichnete Begrenzung zu, verpflichtet allerdings die Behörde, dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den er durch schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes erlitten hat (Ersatz des sog. negativen Interesses, wie ihn auch § 122 I BGB vorsieht). Sachlich erscheint diese Differenzierung nicht gerechtfertigt 7 ; es sollte daher nicht an ihr festgehalten werden.

II. Rücknahme für die Zukunft und rüdewirkende Rücknahme Bei der für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Rücknahme anzustellenden Güter- und Interessenabwägung kommt — wie bereits hervorgehoben — den Umständen des Einzelfalles entscheidende Bedeutung zu. Trotzdem lassen sich einige weitgehend anerkannte praktikable Regeln formulieren, an denen die 4

5

6 7

So z. B. auch BVerwGE 11, 136, 137 f.; 13, 28, 32 f.; BVerwG N J W 1961, 1130 f.; für eine Fundierung des Vertrauensschutzes in der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG W.Schmidt, JuS 1973, 529 ff.; für eine Ableitung aus Art. 2 I GG Grabitz, DVB1 1973, 675, 681 ff.; allgemein und grundsätzlich zum Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht die Referate von Püttner und Kisker, in VVDStRL 32 (1974), 149 ff. und 200 ff. Die Rechtsprechung des BVerwG zusammenfassend BVerwGE 19, 188, 189 mit weiteren Nachweisen; vgl. ferner Ossenbühl, D Ö V 1972, 28 ff.; Becker, D Ö V 1973, 379 ff.; BVerwG JuS 1973, 321 Nr. 10, 579 Nr. 7. BVerwGE 19, 188, 189 mit weiteren Nachweisen. Vgl. Ossenbühl, Die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte, 2. Aufl., 1965, S. 166 f.

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Rücknahmebefugnis der Verwaltung gemessen werden kann. Es wird vor allem danach zu unterscheiden sein, ob die Rücknahme nur mit Wirkung für die Zukunft oder auch mit rückwirkender Kraft ausgesprochen werden soll8. Handelt es sich um eine Rücknahme mit Wirkung ex nunc, wird in aller Regel dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung gesetzmäßiger Zustände der Vorrang gegenüber dem Interesse des Begünstigten am Fortbestand des rechtswidrig gewährten Vorteils gebühren. Nur ganz ausnahmsweise wird aus besonderen Gründen die Gesetzmäßigkeit dem Vertrauen des Adressaten nachzuordnen sein. So hat etwa in dem oben mitgeteilten Fall das BVerwG die Einstellung der Zahlung der Bezüge für die Zukunft mit Rücksicht auf den Rang der Behörde und die durch ihr Verhalten veranlaßte einschneidende und dauerhafte Änderung der Lebensführung der betagten Klägerin für unzulässig erklärt9. Eine Rücknahme ex nunc kommt sinnvollerweise nur bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung in Betracht. Darunter sind solche Verwaltungsakte zu verstehen, die ein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis zur Entstehung bringen (z. B. Einbürgerung, Beamtenernennung, Rentenbescheid, Baugenehmigung, gewerberechtliche Erlaubnis). Bei Verwaltungsakten mit einmaliger Begünstigung (z. B. bestimmte Sozialhilfeleistungen) würde sie gegenstandslos sein und ihren Zweck verfehlen. Hier bedarf es daher stets einer Rücknahme ex tunc, die natürlich auch beim Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erforderlich ist, wenn es darum geht, die Voraussetzungen für die Rückforderung bereits erbrachter Leistungen zu schaffen. Darüber wird alsbald zu handeln sein. Bei der Rücknahme mit Wirkung ex tunc führt die Abwägung der kollidierenden Interessen zu einer Umkehrung des für die Rücknahme mit Wirkung ex nunc charakteristischen Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Zumeist wird also der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes einer rückwirkenden Rücknahme entgegenstehen. Man wird allerdings dem Vertrauen des Begünstigten nur dann den Vorrang einräumen können, wenn es durch Verbrauch gewährter Leistungen, Vermögensdispositionen10 oder in sonstiger Weise (z. B. Errichtung des rechtswidrig genehmigten Bauwerks) betätigt worden ist. Von dieser Einschränkung abgesehen, entfällt der Vertrauensschutz mangels Vertrauens oder dessen Schutzwürdigkeit, sofern der Begünstigte 1. den Verwaltungsakt durch unlautere Mittel (Täuschung, Drohung, Bestechung) oder durch unrichtige bzw. unvollständige Angaben erwirkt hat (§ 44 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 und 2 EVwVfG 1973) oder 8 9

10

B V e r w G E 19, 188, 189 f. B V e r w G E 9, 251, 253 ff.; weitere Beispiele enthalten B V e r w G E 8, 296, 304 f.; 10, 64, 66 ff.; 13, 28, 32 f.; 13, 253 f.; 41, 277, 279 ff.; BVerwG DVB1 1964, 324, 325 f. und 751 ff. Insoweit übereinstimmend § 4 4 Abs. 2 S. 2 E V w V f G 1973; ebenso auch B V e r w G E 17, 335, 338. Besonderer Prüfung bedarf die Vertrauensbetätigung bei der Gewährung einmaliger Leistungen; vgl. dazu B V e r w G E 19, 188, 190 ff.; 24, 294, 296 f.

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2. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit 11 nicht kannte (§ 44 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 E V w V f G 1973).

III. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch Solange ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht aufgehoben worden ist, bildet er den Rechtsgrund für die auf ihm beruhenden Leistungen 12 . Erst seine rückwirkende Rücknahme läßt die rechtliche Grundlage für bereits erbrachte Gewährungen entfallen. Damit stellt sich die Frage nach ihrer Rückgängigmachung, die das bürgerliche Recht mit der Verpflichtung zur Herausgabe des durch ungerechtfertigte Bereicherung Erlangten ( § § 8 1 2 Ii. B G B ) beantwortet. An die Stelle des privatrcchtlichen Bereicherungsanspruchs tritt im öffentDielichen Recht ein eigenständiger öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch15. ser Anspruch richtet sich auf Riickgewähr von Leistungen öffentlichrechtlichen Ursprungs, die rechtsgrundlos bewirkt worden sind. Ein solcher Erstattungsanspruch kann nicht nur der Verwaltung gegen den Bürger, sondern umgekehrt audi diesem gegen jene zustehen (z. B. Anspruch auf Erstattung von ohne Rechtsgrund gezahlten oder beigetriebenen öffentlichen Abgaben). Eine allgemeine positivrechtliche Regelung des Erstattungsanspruchs fehlt. Nur vereinzelt finden sich besondere gesetzliche Vorschriften, die ihn für bestimmte Fallgruppen normieren 14 . Für die hier in Rede stehende Problematik ordnet § 44 Abs. 2 S. 5 E V w V f G 1973 an: „Soweit der Verwaltungsakt (mit Wirkung für die Vergangenheit) zurückgenommen worden ist, sind bereits gewährte Leistungen zu erstatten". Doch setzt die Geltung eines Erstattungsanspruchs nicht das Inkrafttreten dieser Bestimmung voraus. Denn auch dort, wo spezialgesetzliche Regelungen (noch) nicht ergangen sind, wird der Anspruch einhellig anerkannt. Seine dogmatischen Ableitungen variieren allerdings erheblich. Sie reichen von der rechtsgrundsätzlichen oder entsprechenden Anwendung der §§ 812 ff. B G B über die These seiner gewohnheitsrechtlichen Geltung bis zur Berufung auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und die Erwägung, die Reditsordnung selbst gebiete die Rückgängigmachung rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen. 15 Falls auf das bürgerlichrechtliche Bereicherungsrecht zurückgegriffen werden könnte, würde das vor allem die (rechtsgrundsätzliche oder entsprechende) An11

12

13

14

15

Jede fahrlässige Unkenntnis soll zur Rücknahme berechtigen nach BVerwGE 8, 261, 2 7 1 ; 17, 335, 337. BVerwGE 8, 261, 264 ff.; BVerwG DVB1 1967, 489.

Vgl. dazu Eckart

Weber,

Der Erstattungsanspruch,

1970;

Hermann

Weber,

JuS 1970, 169 ff.; Söhn, Steuerreditliche Folgenbeseitigung durch Erstattung, 1973; BVerwGE 4, 215, 218 f.; 6, 1, 10; 18, 308, 3 1 4 ; 25, 72, 76. §§ 151 f. A O ; § 87 Abs. 2 B B G ; § 53 Abs. 2 B R R G und die entsprechenden Bestimmungen der Landesbeamtengesetze.

Vgl. Eckart Weber (Fn. 13) S. 11 ff., 29 ff.

D a s Verwaltungshandeln

187

wendbarkeit des § 8 1 8 Abs. 3 BGB implizieren, also zum Ausschluß des Erstattungsanspruchs bei Wegfall der Bereicherung führen, sofern nicht der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes gekannt hat (§ 819 Abs. 1 BGB). Vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Bestimmungen, wie sie das Beamtenrecht enthält 1 6 , wird man die Frage, ob die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung zuzulassen sei, danach zu beurteilen haben, ob die Interessenlage des jeweiligen Erstattungsfalles der von den §§ 818 Abs. 3, 819 BGB vorausgesetzten Interessenlage entspricht oder nicht 17 . Das wird differenzierende Lösungen erfordern. Für den Erstattungsanspruch im Anschluß an die rückwirkende Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes erscheint es weder erforderlich noch gerechtfertigt, auf den Wegfall der Bereicherung zu rekurrieren, weil das schutzwürdige Vertrauen des Adressaten bereits bei der Entscheidung über die Rücknahme in ausreichendem und sachgerechtem Maße berücksichtigt wird 1 8 . Das gilt jedenfalls dann, wenn die Rücknahmebefugnis mindestens grobfahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit voraussetzt. U n d völlig sinnlos erscheint es, die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung zwar zunächst grundsätzlich zuzulassen, sie aber dann unter denselben Voraussetzungen wieder zu versagen, auf Grund derer die Rücknahme erlaubt wird (so § 44 Abs. 2 S. 7/8 iVm Abs. 2 S. 3 N r . 3 E V w V f G 1973). Zu prüfen bleibt die Frage der Vererblichkeit der Erstattungspflicht, die nicht nur von rechtsdogmatischem Interesse, sondern auch praktisch bedeutsam ist. Sie betrifft einen Ausschnitt aus dem Problemkreis der {Gesamt-) Rechtsnachfolge im öffentlichen Recht, einem positivrechtlich ebenfalls nur fragmentarisch und sehr uneinheitlich geregelten Institut. Soweit ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen fehlen, tritt im öffentlichen Recht in entsprechender Anwendung der §§ 1922, 1967 BGB der Erbe in solche öffentlichrechtlichen Positionen ein, die nicht höchstpersönlicher N a t u r sind 19 . Das ist die Erstattungspflicht als (regelmäßig) auf Geldzahlung oder (seltener) auf Naturalleistung gerichtete Verbindlichkeit nicht. Sie ist daher vererblich 20 . Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs erfolgt in der verwaltungsbehördlichen Praxis regelmäßig durch Verwaltungsakt, den sog. Leistungsbescheid, und zwar auch dann, wenn eine gesetzliche Ermächtigung dazu fehlt. Diese Praxis hat die Billigung der Rechtsprechung gefunden („Kehrseiten16

17 18 1!l

Nach § 87 Abs. 2 BBG und § 53 Abs. 2 BRRG sowie den entsprechenden Bestimmungen des Landesrechts regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge nach den bürgerlichrechtlidien Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes wird jedoch seine grobfahrlässige Unkenntnis gleichgestellt. So auch Hermann Weber, JuS 1970, 169, 171; Wolff-Bachof VwR I, § 44 I b 6. BVerwGE 25, 72, 81 f. Vgl. oben § 10 II 6. BSGE 24, 190, 192; Eckart Weber (Fn. 13) S. 87 ff.

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theorie") 21 . Nach zutreffender Auffassung bedarf jedoch der Erlaß eines Leistungsbescheides als belastenden Verwaltungsaktes einer gesetzlichen Grundlage (Vorbehalt des Gesetzes)22, die erst mit dem Inkrafttreten der Regelung des § 44 Abs. 2 S. 8 EVwVfG 1973 vorhanden sein wird. Die Bestimmung sieht vor, daß die zu erstattende Leistung zugleich mit der Rücknahme des Verwaltungsaktes festgesetzt werden soll.

§19

Rücknahme rechtswidriger belastender Verwaltungsakte Vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit kann der Betroffene einen befehlenden (z. B. Abbruchverfügung, Abgabenbescheid) und gestaltenden Verwaltungsakt (z. B. Entlassungsverfügung) mit der Anfechtungsklage angreifen, kann mit der Verpflichtungsklage der Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsaktes (z. B. Baugenehmigung, Rentenbescheid) begehrt werden (§ 42 Abs. 1 VwGO). Die Frage nach der Rücknahme belastender Verwaltungsakte zugunsten des Betroffenen wird daher erst nach dem Ablauf der Widerspruchs- und Klagefrist (§§ 70, 74 VwGO) zum Problem. Dieses Problem hat zwei verschiedene Aspekte. Zunächst bedarf der Klärung, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Verwaltung befugt oder sogar verpflichtet ist, nach Unanfechtbarkeit erneut in die Sachbehandlung einzutreten und neu zu entscheiden. Sodann ist der mit dieser Frage verknüpften Problematik des Rechtsschutzes desjenigen nachzugehen, der einen ihn belastenden Verwaltungsakt hat unanfechtbar werden lassen.

I. Die Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens Die für die Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens und die Neubescheidung maßgeblichen Rechtsgrundsätze werden ausführlich im Abschnitt über das Verwaltungsverfahren dargestellt werden 1 . An dieser Stelle genügt es, sie insoweit vorzustellen, als ihre Kenntnis für die Lösung des Rechtsschutzproblems erforderlich ist. N u r ausnahmsweise ist die Verwaltung verpflichtet, in eine erneute Sachbehandlung einzutreten und neu zu entscheiden. Eine derartige Verpflichtung besteht, wenn 1. eine rechtserhebliche Änderung der Sach- oder Rechtslage oder 2. Wiederaufnahmegründe im Sinne von § 153 VwGO iVm § 580 Z P O 21

BVerwGE 25, 72, 76 ff.; 30, 77, 79; BVerwG DVB1 1969, 665, 666 f.; ebenso Eckart Weber (Fn. 13) S. 69 ff.

22

W. Martens in: Festschrift für Hans J. Wolff, 1973, S. 434.

1

S. unten S. 286 ff.

Das Verwaltungshandeln

189

vorliegen2 bzw. auch nur geltend gemacht werden. Das wird damit begründet, daß die Bindungswirkung eines unanfechtbar gewordenen Verwaltungsaktes nicht weiter reichen könne als diejenige eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils 3 . Im übrigen ist die Behörde zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, das Verfahren wiederaufzugreifen und einen Zweitbescheid4 zu erlassen. Sie hat dabei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Diese von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Beurteilung5 hat die ausdrückliche Billigung des BVerfG gefunden6. Sie rechtfertigt sich daraus, daß Gesetzmäßigkeit und Rechtssicherheit gleichrangige Verfassungsprinzipien sind. Diese bereits bei der Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte in ihrer Bedeutung hervorgehobene Einsicht beansprucht bei der Rücknahme belastender Verwaltungsakte gleichermaßen Beachtung — freilich mit dem Unterschied, daß die Rechtssicherheit hier zugunsten der Verwaltung wirkt. Ermessen obwaltet auch dann, wenn die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes feststeht. Soweit nicht spezialgesetzliche Bestimmungen in solchen Fällen eine Neubescheidung anordnen — wie dies für das Gebiet des Sozialrechts kennzeichnend ist7 — stehen sowohl das Wiederaufgreifen des Verfahrens wie die Rücknahme des Verwaltungsaktes ungeachtet seiner Rechtswidrigkeit im behördlichen Ermessen8. Dabei ist jedoch zu bedenken, daß die Aufrechterhaltung eines zweifelsfrei als rechtswidrig erkannten Verwaltungsaktes nur ausnahmsweise und unter besonderen Voraussetzungen ermessensfehlerfrei wird erfolgen können 9 . Dagegen erscheint die Ablehnung des Wiederaufgreifens im Hinblick auf das Rechtsgut der Rechtssicherheit dann nicht als ermessensfehlerhaft, wenn sich aus dem Vorbringen des Betroffenen, der auf Änderung dringt, keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen „Prüfungsgrund" ergeben10. Im übrigen sind wie bei 2

So im Anschluß an BVerwGE 11, 106, 107; 19, 153, 1 5 5 ; 24, 115 LS. 2, 1 1 7 : § 47 Abs. 1 E V w V f G 1973, der außerdem nodi das Vorliegen neuer Beweismittel nennt, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, einen Fall, den BVerwGE 25, 241 ff. der Änderung der Sachlage gleichstellt. Dagegen kann nadi BVerwGE 28, 122, 126 f. ein Wandel in der Rechtsauffassung nicht einer Änderung der Rechtslage gleichgestellt werden.

Zu den Grenzen der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Urteile vgl. Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl., 1971, S. 2 3 0 ; Zeiss, Zivilprozeßredit, 1971, §§ 7 1 - 7 3 . 4 Zu diesem Begriff vgl. bereits oben S. 137. 5 BVerwGE 11, 106, 107; 19, 153, 155; 23, 25, 28 f.; 28, 122, 1 2 5 ; 39, 231, 233 f.; 44, 333, 334. 6 B V e r f G E 27, 297 305 f.; dazu Menger-Erichsen, VerwArch 61, (1970), 287 ff. 7 Vgl. §§ 627, 1300 R V O ; § 79 A V G ; § 93 R K G ; Schachtschneider, VerwArch 63 (1972), 112, 116 ff., 121 ff. 8 BVerwG DVB1 1967, 159; Bachof, Rspr. BVerwG II S. 351. » Ebenso Bachof (Fn. 8 ) ; vgl. aber auch Wolff-Bachof, V w R I, § 53 V I d. 10 Maurer, D Ö V 1966, 487 ff.; BVerwGE 39, 2 3 1 ; O V G Berlin J R 1971, 305, 306 mit Anmerkung Guthardt; O V G Berlin J R 1972, 171 f. 3

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jeder Ermessensentscheidung alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles gebührend zu berücksichtigen; das Ermessen ist also nicht etwa besonders frei und nur durch das Willkürverbot begrenzt 11 .

II. Der Rechtsschutz des Betroffenen Für die Ausgestaltung des Rechtsschutzes des Bürgers kommt es darauf an, ob die Verwaltung nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen zu erneuter Sachbehandlung und Entscheidung verpflichtet oder ob sie nach Ermessen zu handeln befugt ist. Soweit die Behörde zum Wiederaufgreifen des Verfahrens und zur Neubescheidung verpflichtet ist, hat der Betroffene einen verwaltungsgerichtlich durchsetzbaren, der behördlichen Verpflichtung korrespondierenden Anspruch. Im Bereich behördlichen Ermessens bedarf es weiterer Differenzierung. Greift hier die Verwaltung das Verfahren wieder auf und trifft sie durch Erlaß eines Zweitbescbeides eine neue Sachentscheidung, so wird damit der Verwaltungsrechtsweg wieder eröffnet 12 . War allerdings eine gegen den Erstbescheid gerichtete Klage rechtskräftig abgewiesen worden, steht die Rechtskraft dieses Urteils (§ 121 VwGO) einer davon abweichenden gerichtlichen Entscheidung entgegen 13 . Ob ein Zweitbescheid oder nur eine sog. wiederholende (wiederholte) Verfügung ohne Regelungsgehalt 14 anzunehmen ist, kann bei einer dem Erstbescheid inhaltsgleichen Tenorierung zweifelhaft sein. Für einen Zweitbescheid sprechen dann insbesondere eine in wesentlichen Punkten geänderte Begründung und die Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung 15 . Problematisch erscheint danach der Rechtsschutz allein im Fall der Ablehnung erneuter Prüfung und Bescheidung unter Hinweis auf die Unanfechtbarkeit des Erstbescheides. Auch bei dieser Konstellation ist die verwaltungsgeriditliche Klage zulässig. Dem Betroffenen steht die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) zu, weil er geltend machen kann, in seinem Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch 16 verletzt zu sein. Zwar setzt dieses Recht voraus, daß der Ermessen gewährende Rechtssatz zumindest auch den Interessen desjenigen zu dienen bestimmt ist, der den Fehlgebrauch des Ermessens rügt. Diese Voraus11

12

13 14

15 16

Beispiele für ermessenserhebliche Gesichtspunkte bei Bachof, (Fn. 8); vgl. auch BVerfGE 27, 295, 306 f.: Ableitung von Grenzen des Ermessensspielraums aus Sinn und Zweck des in besonderem Maße auf Verwirklichung der materiellen Gerechtigkeit angelegten Wiedergutmachungsrechts, s. ferner BVerwG DVB1 1962, 640 f.; OVG Berlin JR 1972, 171 f. BVerwGE 13, 99, 101, 103; 17, 256 f.; 24, 115, 116; a. A. z . B . Bettermann, JZ 1965, 265 ff.; Maurer, D Ö V 1966, 489. BVerwGE 35, 234, 235 f. Vgl. oben S. 137. Insoweit a. M. Badura, unten S. 289; vgl. auch BVerwGE 44, 333, 335. BVerwGE 13, 99, 103; 17, 256, 257, 258. Vgl. dazu oben S. 124.

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Das Verwaltungshandeln

setzung ist jedodi gegeben; denn „der ungeschriebene Rechtssatz, es liege im Ermessen der . . . Behörde, einen unanfechtbaren fehlerhaften Bescheid zugunsten des Betroffenen abzuändern, hat evidentermaßen . . . einen Bezug zum allgemeinen Wohl und zum Individualinteresse, indem er der Korrektur des im regulären Verfahren ergangenen Erstbescheides dient" 1 7 . Die Unanfechtbarkeit des Erstbescheides steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, weil der Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des verwaltungsbehördlichen Ermessens erst nach dem E r l a ß jenes Bescheides entstanden ist, so daß dessen Unanfechtbarkeit insoweit keine Präklusionswirkung zukommen kann 1 8 . D i e Begriindetheit der Klage hängt davon ab, ob die I a. E . ) bezeichneten Grenzen ihres Ermessensspielraums gehalten hat. So wäre etwa unter dem Gesichtspunkt Ermessensfehler anzunehmen, wenn im Streitfall ohne gen von einer in gleichartigen Fällen geübten Praxis abgewichen worden wäre 1 9 .

Behörde die oben (bei überschritten oder einder Selbstbindung ein sachgerechte Erwägundes Wiederaufgreifens

§20

Vollstreckung von Verwaltungsakten Feststellende und gestaltende Verwaltungsakte sind einer Vollstreckung weder bedürftig noch überhaupt fähig, da ihre Rechtswirkungen ipso iure eintreten. Dagegen stellt sich beim befehlenden Verwaltungsakt (z. B . Steuerbescheid, Polizeiverfügung), sofern ihn der Adressat nicht freiwillig befolgt, die Frage nach der Durchsetzung des Gebotenen oder Verbotenen. Die zwangsweise Verwirklichung des befehlenden Verwaltungsaktes erfolgt im Wege der Verwaltungsvollstreckung. D i e Verwaltungsvollstreckung unterscheidet sich wesentlich von der V o l l streckung privatrechtlicher Ansprüche. Wird ein privatrechtlicher Anspruch nicht befriedigt, muß der Gläubiger regelmäßig auf Erfüllung klagen. Das gerichtliche Urteil, das im Erkenntnisverfahren ergeht, dient als „ T i t e l " , aus dem in dem sich anschließenden besonderen Vollstreckungsverfahren durch den Gerichtsvollzieher oder das Vollstreckungsgericht nach den Bestimmungen des Achten Buches der Zivilprozeßordnung (§§ 704—945) vollstreckt wird. Selbsthilfe des Gläubigers läßt die Rechtsordnung nur ganz ausnahmsweise zu ( § § 2 2 9 - 2 3 1 BGB). I m Gegensatz dazu dürfen die Verwaltungsbehörden ihre Verwaltungsakte selbst verwirklichen. Diese A r t der Durchsetzung — eben die Verwaltungsvollstreckung — setzt auch, dies wiederum im Unterschied zur Realisierung privatrechtlicher Ansprüche, ein gerichtliches Erkenntnisverfahren nicht voraus: D e r Verwaltungsakt trägt — wie man treffend gesagt hat — seinen Titel in sich selbst. 17 16 19

BVerfGE 27, 297, 307. BVerfGE 27, 297, 3 0 8 - 3 1 0 ; kritisch Schwabe, Insoweit zutreffend BVerwGE 26, 153, 155.

JuS 1970, 382 ff.

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Ob behördliche Vollstreckungsmaßnahmen dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen, ist streitig. Bedenkt man jedoch, daß mit der zwangsweisen Verwirklichung eines Verwaltungsbefehls erneut und noch weitergehend in die Individualsphäre eingegriffen wird als durch die in der Ebene des Normativen bleibende Anordnung, kann nicht zweifelhaft sein, daß die Vornahme von Zwangsmaßnahmen eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage erfordert, die Befehlsbefugnis also nicht die Vollzugsbefugnis einschließt1. Das Problem ist freilich gegenwärtig ohne praktische Bedeutung, da in Bund und Ländern allenthalben gesetzliche Regelungen des Rechts der Verwaltungsvollstreckung bestehen 2 . Diese Regelungen unterscheiden sich zwar in Einzelheiten, beruhen aber im Grundsätzlichen auf gleichartigen Prinzipien. Ihnen gilt die anschließende Darstellung. I. Vollstreckung von Geldforderungen 1. Gegenstand der Vollstreckung wegen Geldforderungen sind öffentlichrechtliche Geldforderungen (insbesondere also Steuern, Gebühren, Beiträge); privatrechtliche Geldforderungen kommen nur insoweit in Betracht, als die Verwaltungsvollsteckung gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist 3 . 2. Die Vollstreckung wird durch Vollstreckungsanordnung4 eingeleitet (so z. B. § 3 Abs. 1 BVwVG). Die Einleitung der Vollstreckung ist an folgende Voraussetzungen geknüpft (vgl. z. B. § 3 Abs. 2 B V w V G ) : a) Leistungsbescheid, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist 5 ; b) Fälligkeit der Leistung; c) Ablauf einer einwöchigen Frist seit Bekanntgabe des Leistungsbescheides bzw. nach Eintritt der Fälligkeit. 1

2

3

4

5

Ausführlich dazu G. Arndt, Der Verwaltungsakt als Grundlage der Verwaltungsvollstreckung, 1967, S. 25 f., 43 f. Vgl. für den Bund: Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (BVwVG) v. 2 7 . 4 . 1953 (BGBl. I S. 157 = Sartorius I N r . 112); Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes v. 10. 3. 1961 (BGBl. I S. 165 = Sartorius I N r . 115); Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen v. 12. 8. 1965 (BGBl. I S. 796 = Sartorius I N r . 117). Die Rechtsgrundlagen der Verwaltungsvollstreckung in den Ländern sind nachgewiesen bei Engelhardt, Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz vom 27. April 1953, 1970, § 5 Rdnr. 5 ff. Vgl. z. B. § 2 I des hamburgischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes v. 13. 3. 1961 (GVBL I S. 7 9 ) ; §§ 71 ff. des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für Rheinland-Pfalz v. 8. 7. 1957 (GVBl. S. 101). Die Vollstreckungsanordnung ist kein Verwaltungsakt, also nicht mit der Anfechtungsklage anfechtbar; vgl. BVerwG N J W 1961, 332, 333. Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Leistungsbescheid ergehen darf, vgl. Woljf-Bachof, V w R I, §§ 30 III a 4, 44 III f 1.

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Außerdem soll der Schuldner vor Anordnung der Vollstreckung mit einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche besonders gemahnt werden (so z . B . § 3 Abs. 3 BVwVG). 3. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung über die Beitreibung (vgl. z. B. § 5 Abs. 1 BVwVG), die sich ihrerseits eng an die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung anlehnen. Danach erfolgt die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen durch Pfändung und Pfandverwertung im Wege der Versteigerung. In Forderungen wird durch Pfändungsverfügung und Einziehung vollstreckt. Die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen wird nach den Vorschriften über die gerichtliche Zwangsvollstreckung betrieben. Vollstreckungsorgan ist hier also das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht. 4. Der Rechtsschutz aus Anlaß von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung8 ist gesetzlich nur fragmentarisch geregelt. Abhängig von der jeweiligen Sach- und Interessenlage sind verschiedene Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. a) Soweit Vollstreckungsmaßnahmen als Verwaltungsakte zu qualifizieren sind (Beispiel: Sachpfändungen), können sie nach erfolglosem Widerspruchsverfahren mit der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO angegriffen werden7. Maßnahmen, für die Zivilgericht oder Gerichtsvollzieher zuständig sind, müssen dagegen im ordentlichen Rechtsweg mit den in der ZPO vorgesehenen Rechtsbehelfen bekämpft werden8. b) Außerordentlich umstritten ist die Frage, welche Rechtsbehelfe dem Vollstreckungsschuldner zu Gebote stehen, wenn er nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Leistungsbescheides gegen den der Vollstreckung zugrunde liegenden Anspruch selbst Einwendungen erhebt, also etwa Erfüllung, Aufrechnung, Stundung, Erlaß oder aber geltend macht, die Sach- oder Rechtslage habe sich dergestalt geändert, daß die Aufrechterhaltung des Leistungsgebotes und seine Vollstreckung rechtswidrig sei. Eine Anfechtungsklage, die sich immer nur gegen einzelne Vollstreckungsmaßnahmen richten kann und voraussetzt, daß diesen Verwaltungsaktsqualität zukommt, wird hier häufig keinen ausreichenden Rechtsschutz bieten 9 . Deshalb haben die Verwaltungsgerichte verschiedentlich ausgehend von § 173 VwGO in entsprechender Anwendung des § 767 ZPO eine verwaltungsgerichtliche Vollstreckungsgegen- bzw. Vollstreckungsabwehrklage zugelassen10. Dem6

7 8 9 10

Vgl. dazu ausführlich: Engelhardt (Fn. 2 ) ; Kröller, Vollstreckungsschutz im Die Reditsbehelfe im VerwaltungsVerwaltungszwangverfahren, 1970; Trauisen, vollstreckungsverfahren, 1971. BVerwG N J W 1961, 332, 3 3 3 ; O V G Lüneburg DVBl. 1962, 344. BVerwG N J W 1961, 332, 333. Vgl. Schenke, VerwArdi. 61 (1970), 260, 342. So z . B . O V G Hamburg DVBl 1962, 6 8 3 ; O V G Münster J Z 1965, 366 mit

Anmerkung Rupp;

JZ 1965, 719 mit Anmerkung Menger;

N J W 1966, 1247, 1248 13

S.

Allgemeines Verwaltungsredit

vg. ferner

Renck,

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gegenüber ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Regelungen der V w G O den Vorrang vor denjenigen der Z P O besitzen, auf diese also jedenfalls dann nicht zurückgegriifen werden darf, wenn solche Klagearten in Betracht kommen, die in der V w G O vorgesehen sind 11 . Das wird in aller Regel der Fall sein. Dabei ist — je nach Sachlage — entweder an eine Klage auf Feststellung, daß die Verbindlichkeit nicht mehr bestehe (§ 43 Abs. 1 VwGO) 1 2 , oder eine Verpflichtungsklage auf Rücknahme des Leistungsbescheides (§ 42 Abs. 1 VwGO) 1 3 zu denken. Allenfalls in Ausnahmefällen wird demnach in Analogie zu § 767 Z P O eine Klage auf Unzulässigkeit der Verwaltungsvollstreckung zu erwägen sein. c) Für den Rechtsschutz eines Dritten, der durch eine Vollstreckungsmaßnahme in seinen Rechten verletzt wird (z. B. durch Pfändung einer ihm gehörenden, also schuldnerfremden Sache), sehen die Verwaltungsvollstreckungsgesetze im allgemeinen die Drittwiderspruchsklage (§ 771 Z P O ) vor dem ordentlichen Gericht vor 14 .

II. Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassungen 1. Ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung (audi die Herausgabe einer Sache) oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, kann mit bestimmten, gesetzlich (z. B. in § 9 B V w V G ) vorgesehenen Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Daraus erklärt sich der für diese Art der Verwaltungsvollstredsung vielfach verwendete Ausdruck „Verwaltungszwang". Zwangsmittel sind die Ersatzvornahme, das Zwangsgeld und der unmittelbare Zwang. a) Wird die Verpflichtung, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt, so kann die Behörde einen anderen mit der Vornahme der Handlung auf Kosten des Pflichtigen beauftragen (z. B. § 10 BVwVG). Diese Ersatzvornahme ist also die Ausführung einer Handlung kraft behördlichen Auftrags durch einen Dritten an Stelle des Verpflichteten auf dessen Kosten, z. B. der Abbruch eines baurechtswidrigen Gebäudes durch einen Unternehmer auf der Grundlage eines mit der Behörde geschlossenen Werkvertrages, wenn der Grundeigentümer einer Abbruchverfügung nicht nachkommt. b) Zur Vornahme unvertretbarer Handlungen kann der Pflichtige durch ein Zwangsgeld angehalten werden. Bei vertretbaren Handlungen kann ein Zwangsgeld verhängt werden, wenn die Ersatzvornahme untunlich ist, besonders, wenn der Pflichtige außerstande ist, die daraus entstehenden Kosten zu tragen ( z . B . § 1 1 BVwVG). Ist das Zwangsgeld uneinbringlich, kann durch 11 12 13 14

BVerwGE 27, 141, 142 f. Schenke (Fn. 9) S. 351 ff. BVerwGE 27, 141, 143, 144 f. BGH DÖV 1960, 597; Kreiling, N J W 1963, 888, 890 f. m. w. N.

Das Verwaltungshandeln

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gerichtliche Entscheidung Ersatzzwangshaft angeordnet werden (vgl. im einzelnen z. B. § 16 BVwVG). c) Führen die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Ziel oder sind sie untunlich (etwa ungeeignet zur Zweckerreichung), kann die Behörde den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen oder die Handlung selbst vornehmen (z. B. § 12 BVwVG). Der unmittelbare Zwang kommt also als schärfstes Zwangsmittel nur als ultima ratio in Betracht. Soweit es sich nicht um die von einigen Landesgesetzen15 der Ersatzvornahme zugerechnete Vornahme der Handlung durch die Verwaltung selbst handelt, besteht der unmittelbare Zwang in der Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt (z. B. Fesseln, Wasserwerfer, Diensthunde) und durch Waffen. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs steht in besonderem Maße unter dem Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit. Innehabung, Ausübung und Grenzen von Zwangsanwendungsbefugnissen sind im Bund und in einigen Ländern durch besondere Gesetze geregelt, andernorts haben entsprechende Vorschriften in die allgemeinen Vollstreckungsgesetze Aufnahme gefunden16. 2. Die gesetzliche Ausgestaltung des Zwangsverfahrens trägt dem Umstand Rechnung, daß die Vollstreckung des Verwaltungsaktes in der Hand der Verwaltung selbst liegt. Seine Erzwingung ist daher unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten formalisiert und reglementiert. a) Die Durchsetzung des Verwaltungsaktes setzt regelmäßig voraus, daß er entweder unanfechtbar oder sein sofortiger Vollzug angeordnet oder dem Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung beigelegt ist (so z. B. § 6 Abs. 1 BVwVG). Damit verweist das Verwaltungsvollstreckungsrecht auf die VwGO; denn diese regelt den Eintritt der Unanfechtbarkeit (§§ 70, 74, 76 sowie rechtskräftige Abweisung der verwaltungsgerichtlichen Klage), die Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 und den Wegfall des Suspensiveffekts (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 - 3 ) . b) Sodann muß das von der Behörde ausgewählte Zwangsmittel schriftlich unter Bestimmung einer zumutbaren Frist für die Erfüllung17 angedroht werden. Die Androhung wird in der Praxis häufig bereits mit dem zu vollziehenden Verwaltungsakt verbunden. Das ist zweckmäßig und zulässig (vgl. im einzelnen § 13 BVwVG). c) Wird die Verpflichtung nicht innerhalb der in der Androhung bestimmten Frist erfüllt, setzt die Behörde das Zwangsmittel fest (vgl. etwa § 14 BVwVG). Die Festsetzung eines anderen als des angedrohten Zwangsmittels ist rechtswidrig. 15

18 17

13*

Vgl. die Nachweise bei Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Auflage 1975, S. 171. Vgl. die Nachweise in Fn. 2. Überfallartiger Verwaltungszwang verstößt gegen Art. 19 Abs. 4 GG und ist daher rechtswidrig; vgl. B V e r w G E 17, 83, 85 f.

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d) Erst danach darf das festgesetzte Zwangsmittel angewendet werden. Leistet der Pflichtige bei der Ersatzvornahme oder bei unmittelbarem Zwang Widerstand, kann dieser mit Gewalt gebrochen werden (s. § 15 BVwVG). e) Es sind jedoch Situationen denkbar, in denen die Einhaltung des vorstehend beschriebenen Verfahrensganges den mit dem Verwaltungsbefehl bezweckten Erfolg gefährden oder vereiteln würde (Beispiele: Ein mit Mineralöl beladener Tankwagen stürzt um, durdi das auslaufende ö l droht eine Grundwasserverseuchung18 — Der Fahrer stellt seinen PKW verkehrsbehindernd ab und geht fort 10 . Für solche Fälle hat das Verwaltungsvollstreckungsredit durch das Institut des sofortigen Zwanges bzw. der unmittelbaren Ausführung Vorsorge getragen: Danach kann der Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung strafbarer Handlungen oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt (so § 6 Abs. 2 BVwVG). Auch Androhung und Festsetzung des Zwangsmittels sind unter diesen Voraussetzungen entbehrlich (§§ 13 Abs. 1 und 14 BVwVG). 3. Für den Rechtsschutz im Zusammenhang mit Maßnahmen des Verwaltungszwanges gilt im wesentlichen folgendes: a) Zwangsmaßnahmen können mit der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO angegriffen werden, soweit es sich bei ihnen um Verwaltungsakte handelt. Androhung und Festsetzung eines Zwangsmittels sind anfechtbare Verwaltungsakte20, während seine Anwendung mangels Regelungsgehalts als Realakt erscheint21. Ist das Zwangsmittel angewendet, also der Verwaltungsakt vollzogen, gewährt § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO dem Betroffenen Rechtsschutz, wenn er den Verwaltungsakt rechtzeitig angefochten hat und die Behörde zur Rückgängigmachung der Vollziehung in der Lage ist. Dies ist der klassische Fall des Folgenbeseitigungsanspruchs22. Wo eine Folgenbeseitigung nicht möglich ist (Beispiel: polizeilicher Hiebwaffeneinsatz gegen Demonstranten), kann gegebenenfalls auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anwendung des Zwangsmittels geklagt23 und darüber hinaus Schadenersatz wegen Amtspflichtverletzung24 oder Entschädigung wegen Aufopferung26 oder enteignungsgleichen Eingriffs26 verlangt werden. Vgl. OVG Münster DVBl 1964, 683, 684 f. Vgl. BayVGH BayVBl 1972, 4 7 ; VG Hannover DVBl 1971, 286; Stedten, 1971, 243, 244 f. 20 Hans J. Wolff, VwR III, § 160 II h. 21 Renck, JuS 1970, 113, 114 f.; unzutreffend BVerwGE 26, 161, 164. — Zum Folgenbeseitigungsansprudi s. unten § 53 V. 2 3 BVerwGE 26, 161, 164 ff.; Renck, JuS 1970, 113 f. 2 4 Zur Amtshaftung s. unten § 51. 2 5 Zur Aufopferung s. unten § 52 IV. 2{> Zum enteignungsgleichen Eingriff s. unten § 52 III. 18 10

DVBl

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Ebenso verhält es sich mit den Rechtsschutzformen beim sofortigen Zwang bzw. bei der unmittelbaren Ausführung. Zwar bestimmt § 18 Abs. 3 BVwVG, daß hiergegen die Rechtsmittel zulässig sind, die gegen Verwaltungsakte allgemein gegeben sind. Aber nach der Zwangsanwendung scheiden Widerspruch und Anfechtungsklage offensichtlich aus. Dem Betroffenen kann deshalb nur mit verwaltungsgerichtlich durchsetzbaren Ansprüchen auf (Folgen-) Beseitigung27 oder Feststellung der Rechtswidrigkeit und im ordentlichen Rechtsweg einklagbaren Ansprüchen auf Schadensersatz oder Entschädigung geholfen werden. b) Bei alledem ist zu beachten, daß die Rechtswidrigkeit eines Vollzugsaktes nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des ihm zugrunde liegenden Verwaltungsaktes nicht damit begründet werden kann, dieser leide an ursprünglicher Fehlerhaftigkeit. Anderenfalls würden die Anfechtungsfristen der VwGO praktisch gegenstandslos werden. § 18 Abs. 1 S. 3 BVwVG verlautbart insofern einen allgemeingültigen Grundsatz (Beispiel: A läßt eine mit der Baufälligkeit seines Hauses begründete Abbruchverfügung unanfechtbar werden. Gegenüber der Androhung und Festsetzung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme wird A nicht mit dem Einwand gehört, das Haus sei gar nicht baufällig oder die Verfügung verstoße gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit). In derartigen Fällen muß der Betroffene versuchen, durch Verpflichtungsklage auf Rücknahme oder einen günstigeren Z-weitbescheid den zu vollstreckenden Verwaltungsakt selbst aus der Welt zu schaffen28. 2. Abschnitt Plan und Planung §21 Gegenwärtige Bedeutung Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft der Nachkriegszeit sahen sich in ständig zunehmenden Maße mit staatlicher Planung und deren Resultaten, einer Vielfalt verschiedener Pläne, konfrontiert1. Zu jenen Plänen, die seit langer Zeit zum Arsenal staatlicher Verhaltensmuster gehörten, wie etwa der Haushaltsplan und der Fluchtlinienplan, trat eine Vielzahl weiterer, vom Gesetzgeber als Planung und Plan bezeichneter Erscheinungen. So sprechen z. B. Art. 109 Abs. 3 GG i. V. m. § 9 StabG und nunmehr auch das Gemeindehaushaltsrecht2 von Finanzplanung, Art. 91 a Abs. 3 GG von Rahmenplanung und « Zur Terminologie BVerwG DVB1 1971, 858, 860. 2 8 S. oben I 4 und § 19 II. 1

2

Vgl. dazu Oldiges, Grundlagen eines Plangewährleistungsrechts, 1970, S. 15 f.; Ossenbühl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit, dargestellt am Beispiel der Entwicklungsplanung? Gutachten B zum 50. Deutschen Juristentag, 1974, S. 19 f. §§ 70 nw G O ; 101 hess G O ; 90 nds GO; 85 bw GO; 83 sh GO; 101 rhpf GO.

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Art. 9 1 b GG von Bildungsplanung. Das BBauG kennt unter dem Oberbegriff der Bauleitpläne den Flächennutzungsplan und den Bebauungsplan 3 , das Städtebauförderungsgesetz den Sozialplan 4 , das Raumordnungsgesetz sieht Raumordnungspläne vor 5 , und § 36 Wasserhaushaltsgesetz ordnet die Aufstellung wasserwirtschaftlicher Rahmenpläne an 6 . Die erhebliche Zunahme rechtssatzmäßig festgelegter Planungsverpflichtungen hat viele Gründe 7 . Sie im einzelnen darzulegen, ist an dieser Stelle nicht möglich. Hingewiesen sei indes auf die vielfach vertretene These, eine Planungspflicht ergebe sich aus dem Sozialstaatsprinzip 8 , und zwar vor allem angesichts der zunehmend erkannten Knappheit der Ressourcen (z. B. Mangel an Arbeitskraft, Raum und finanziellen Mitteln) und der damit verbundenen Notwendigkeit der Ausweitung staatlichen — verteilenden und umverteilenden — Zugriffs auf Bereiche, die bisher gesellschaftlich diszipliniert wurden 9 . Darüber hinaus hat der Fortschritt der Technik in einem gegenüber früher unvergleichlich größerem Maße entschejdungserhebliche komplexe Datengefüge und -interdependenzen verfügbar gemacht und damit einen technokratischen Machbarkeitsanspruch ausgelöst, der sich gelegentlich bis zur „Planungseuphorie" steigert 10 . Auch nach den bisherigen gelegentlich recht desillusionierenden Erfahrungen ist das Streben nadi Planung jedodi insgesamt gesehen als der positiv zu bewertende Versuch zu begreifen, Einzelmaßnahmen in ihrer wechselseitigen gegenwärtigen und zukünftigen Bedingtheit zu koordinieren und auf übergeordnete Zielvorstellungen auszurichten 11 . 3 4 5 6

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§§ 1 Abs. 2, 5, 8 BBauG. § 8 Abs. 2 StbFG. Vgl. §§ 3 f. RaumOrdG. Übersicht über die verschiedenen Pläne bei Wolff-Badiof, VwR I, § 47 IX; Obermayer, VVDStRL 18 (1959), 146 f.; Kölble, Planung I (herausgegeben von J. H. Kaiser), S. 91, 93. Vgl. Weidmann, Planung III, 1968, S . 3 9 f . ; Forsthoff, VwR, S. 303; Herzog, Planung II in: Ev. Staatslexikon, 1966; Böikenförde, Der Staat 11 (1972), 459, 471 f. Vgl. etwa Oldiges (Fn. 1) S. 34 f., 166; Wahl, Plangewährleistungsanspruch, 1971, S. 121 f.; Herzog, Regierungsprogramme und Regierungspläne im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in Bd. 51 der Schriftenreihe der Hochschule Speyer, 1972, S. 40 f; Benda, NJW 1967, 849, 850 f.; Harnisch feger, Planung in der staatlichen Demokratie, 1969, S. 30 f.; Häberle in: Festschrift für G. Küdienhoff, 1972, S. 452, 459 f.; S&midt-Aßmann, D Ö V 1974, 541, 543. Es gibt kaum einen Bereich, für den heute nicht Pläne aufgestellt oder projektiert werden. Einen Oberblick über den Umfang des heutigen Planungswesens geben die von ]. H. Kaiser herausgegebenen Bände Planung I—VII. Vgl. ]. H. Kaiser, Planung I, S. 7: „Planung ist der große Zug unserer Zeit. Planung ist ein gegenwärtig ins allgemeine Bewußtsein aufsteigender Sdilüsselbegriff unserer Zukunft". Vgl. auch Oldiges (Fn. 1) S. 20.

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§22

Der Plan als Handlungsform Über die Einordnung der verschiedenen Pläne, die von Bund, Ländern und Gemeinden erstellt werden, in die Handlungsformen des öffentlichen Rechts herrscht Unklarheit 1 . Schon der Haushaltsplan gab über ein gutes Jahrhundert hinweg Stoff für Auseinandersetzungen über seine diesbezügliche Einordnung 2 , und die Zunahme von Plänen und Planung hat die vorhandene Ratlosigkeit noch beträchtlich gesteigert. D i e Pläne unterscheiden sich einmal in der Form 3 . S o wird der Haushaltsplan gemäß Art. 110 Abs. 2 S. 1 G G durch Gesetz festgestellt. D e r Bebauungsplan ergeht nach § 10 B B a u G als Satzung, und die Finanzplanung erfolgt gemäß § 9 Abs. 1 S t a b G durch Beschluß der Bundesregierung 4 . Andere Pläne wiederum unterliegen einem besonderen Planfeststellungsverfahren 5 . D i e Heterogenität der Pläne 6 beschränkt sich indes nicht auf die Form, auch ihr Inhalt ist unterschiedlich. Das gilt einmal hinsichtlich des Planadressaten: Während z. B . der durch Gesetz festgestellte Haushaltsplan im Verhältnis zum Bürger entsprechend § 3 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung 7 ohne rechtliche Wirkung ist, enthält der Bebauungsplan gemäß § 8 Abs. 1 B B a u G die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung auch im Verhältnis zum Bürger. Es gilt zum anderen hinsichtlich der Rechtsfolgen: Während z. B . ein Umlegungsplan gemäß § 72 B B a u G unmittelbar privatrechtsgestaltende Wirkung entfaltet, bedarf etwa der Bebauungsplan noch des Vollzuges durch Erteilung oder Ablehnung von Baugenehmigungen. Imperative oder normative Pläne, wie z. B . der Bebauungsplan, binden unmittelbar das Verhalten der von ihnen betroffenen Zivilpersonen, während influenzierende Pläne bestimmte Ziele und Prioritäten festsetzen, sie aber nicht durch Befehl, sondern durch den Einsatz staatlicher Lenkungsmittel 8 zu verwirklichen suchen 9 . Neben diesen beiden, sich durch die verschieden starke I n tensität ihrer Verhaltensbeeinflussung unterscheidenden Plantypen stellt der indikative oder informative Plan eine Sammlung von D a t e n und Voraus1

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Vgl. Ossenbübl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit, dargestellt am Beispiel der Entwicklungsplanung? Gutachten B zum 50. Deutschen Juristentag, 1974, S. 45 f.; Schmidt-Aßmann, DÖV 1974, 541. Vgl. Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit II, 1973, S. 90, 93 f.; Kölble, Planung I, S. 93. Vgl. Kölble (Fn. 2) S. 93 f.; Wolff-Bachof, VwR I, § 47 I X b, c, d. Vgl. dazu Erichsen (Fn. 2) S. 90 f. Vgl. dazu unten § 42. Vgl. dazu Ossenbübl (Fn. 1) S. 46 f., 49 f. Vgl. auch § 3 HaushaltsgrundsätzeG. Z. B. durch Steuervorteile und Subventionen. Oldiges, Grundlagen eines Plangewährleistungsrechts, 1970, S. 92 f.; Wolff-Bachof, VwR I, § 18 I b 4; Beispiele: Entwicklungspläne, Bundes jugendplan, Rahmenplanung gemäß Art. 91 a GG, Bildungsplanung gemäß Art. 91 b GG.

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berechnungen dar 10 . Ein Einfluß auf die gesellschaftliche Entwicklung geht von ihm — wenn überhaupt — allenfalls insofern aus, als Einzelpersonen, Unternehmen und staatliche Organe sich an seine Vorhersagen halten und entsprechend disponieren 11 . Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, um die Vielfalt der als Plan bezeichneten Erscheinungen zu verdeutlichen. Die angeführten Beispiele zeigen bereits, daß die für die Kategorisierung verwaltungsrechtlicher Handlungsformen entscheidenden Kriterien, nämlich Innen- und Außenverhältnis, abstrakt-generelle und konkret-individuelle Regelung, rechtlicher und tatsächlicher Erfolg, Einseitigkeit und Zweiseitigkeit, zur Klassifikation des Plans nicht herangezogen werden können 12 . Bei dem Plan handelt es sich vielmehr um eine Erscheinung, die das bisherige System staats- und verwaltungsrechtlicher Handlungsformen und der sie bedingenden Merkmale überschreitet13. Allen Versuchen, Gegenteiliges nachzuweisen14, ist jedenfalls bis heute ein überzeugender Erfolg versagt geblieben. Das dürfte seinen Grund darin haben, daß die Kriterien für die Einbeziehung eines Vorganges in die Kategorie der Planung und des Plans außerrechtlidier Natur sind. Von den primär angesprochenen Wissenschaften — den Politik-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften — sind sie bis heute nicht befriedigend definiert. Aus dem Bereich der Rechtswissensdiaft liegen zwar Definitionen vor 15 , ihnen mangelt es indes an klassifikatorischen Merkmalen, die eine Abgrenzung gegenüber dem überlieferten Bestand staatsund verwaltungsrechtlicher Handlungsformen ermöglichen. Dieser Befund erklärt, warum Staats- und Verwaltungsrecht den Plan bisher nicht zu einem rechtlichen Systembegriff haben machen können. Die Versuche, typologisch zu gliedern 16 , Pläne und Planung jeweils unter besonderen Aspekten zu definieren, also etwa zwischen „zentraler Planung" (z. B. auf den Gebieten der Verteidigung, Wirtschaft und Sozialpolitik) und „Verwal10

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Wolff-Bachof, V w R I, § 18 I b 4; Oldiges (Fn. 9) S. 92; Egerer, Der Plangewährleistungsanspruch, 1971, S. 28 f.; Beispiele: Wirtschaftsbericht der Bundesregierung, Grüner Bericht, Sozialbericht. Oldiges (Fn. 9) S. 92; Egerer (Fn. 10) S. 29. Die Abgrenzung des indikativen vom influenzierenden Plan ist schwierig und umstritten. Vgl. H. P. Ipsen, Planung II, S. 81 f. einerseits und Egerer (Fn. 10) S. 29 andererseits. Zum ganzen auch Scheuner, Planung I, 1965, S. 83 f. Vgl. zur Lenkungwirkung staatlicher Planung auch Oldiges (Fn. 9) S. 21, 23, 24, 28, 29. Vgl. Wolff-Bachof, V w R I, § 47 I X a. Wenn Forsthoff, VwR, S. 310, 312 den Plan (bzw. genauer den Gesamtplan) im Verhältnis zu den tradierten Handlungsformen als aliud qualifiziert, so verkennt er die Vielfalt der Erscheinungsformen des Plans. Vgl. etwa Imboden, VVDStRL 18 (1959), 121 f.; Obermayer, VVDStRL 18 (1959), 150, 170; Scheuner (Fn. 11) S. 71, 73. Vgl. Kaiser, Planung II, S. 20 f.; Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 927; Herzog, Planung I in: Ev. Staatslexikon, 1966, Sp. 1520; Egerer (Fn. 10) S. 22. Zur Typologie der Pläne: H. P. Ipsen, Planung I, S. 43 f.; (Fn. 11) S. 69 f.; Oldiges (Fn. 9) S. 42 f.; Egerer (Fn. 10) S. 27 f.; Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 314 f., 926 f.

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tungsplanung" (namentlich dort, wo Räume zu ordnen sind, z. B. Bauleit- und Raumplanung 17 ), zwischen Raum- und Wirtschaftsplanung 18 , Gesamt- und Fachplanung 19 oder zwischen Objekts- und Ablaufsplanung 20 zu unterscheiden, geben Zeugnis von der bisherigen Erfolglosigkeit der Bemühungen, zu einer einheitlichen Plandefinition zu kommen, die auch als neue Kategorie staatsund verwaltungsrechtlicher Handlungsformen brauchbar ist. Ob diesen Bemühungen angesichts der Heterogenität der Erscheinungsformen von Planung und Plänen, der häufig anzutreffenden typologischen Unreinheit der Planungstätigkeiten und der Tatsache, daß Planung größtenteils nur akzidentiell zu einer anderen staatlichen Tätigkeit gehört 21 , Erfolg beschieden sein wird, ist zu bezweifeln 22 . Dementsprechend hat das BVerwG schon im Jahre 196423 Skepsis gegenüber dem Plan als einheitlichem Rechtsinstitut erkennen lassen. Andererseits kennt die Rechtsordnung den Plan und stellt damit die Aufgabe dogmatischer Bewältigung der mit diesem Rechtsbegriff bezeichneten Verhaltensmuster. Gegenwärtig kann das nur in der Weise geschehen, daß man den einzelnen Plan daraufhin analysiert, welcher der vorhandenen Handlungsformen er ganz oder teilweise zuzuordnen ist24, um dann die ihr zugeordneten Rechtsfolgen, wie z. B. über das Erlaßverfahren und den Rechtsschutz25, ganz oder teilweise auf ihn anzuwenden 26 . §23

Planänderung und Plangewährleistung Planung und Plan stehen in einem Spannungsfeld, welches durch die Schlagworte Flexibilität und Kontinuität der Planung bestimmt wird 1 . Planung und " So Scheuner (Fn. 11) S. 70 f., den., D Ö V 1965, 542, 543. 18 Vgl. H. P. Ipsen (Fn. 11) S. 79, 80. 19 So Forsthoff, VwR, S. 304 f. im Hinblick auf den raumbezogenen Plan. Fachplanung dient danach der Durchführung eines bestimmten Vorhabens (vgl. z. B. § § 3 6 BundesbahnG, 14 W H G , 16 f. FStrG, 8 f. LuftVG), während die Gesamtplanung nicht auf ein bestimmtes Obekt gerichtet, sondern gebietsbezogen ist. 20 Forsthof}, Planung III, S. 27 f.; Laux, Planung als Führungsmittel der Verwaltung, 1967, S. 51 f. Beispiel für Ablaufplanung: §§ 2, 9, 10, 22 StabG; Oldiges (Fn. 9) S. 44 differenziert zwischen raumordnender Planung, zeitlich koordinierender Ausbauplanung und staatlicher Lenkungsplanung. 21 Vgl. Oldiges (Fn. 9), S. 41; Schmidt-Aßmann, D Ö V 1974, 541. 22 So auch Ossenbühl (Fn. 1) S. 52; Wolff-Bachof, V w R I, § 47 I X a. a BVerwGE 18, 318, 320, 321. 24 Vgl. auch BVerwGE 18, 318, 320, 321. Weiter dazu Obermayer, VVDStRL 18 (1959), 160; vgl. auch im einzelnen die Aufstellung von Wolff-Bachof V w R I, § 47 I X a. " Vgl. H. P. Ipsen (Fn. 16) S. 60 f.; Egerer (Fn. 10), S. 43 f.; Oldiges (Fn. 9) S. 120 f. 28 Vgl. dazu auch Schmidt-Aßmann, D Ö V 1974, 541, 543 f., 546 f. 1

Vgl. dazu Ossenbühl, Welche normativen Anforderungen stellt der Verfassungsgrundsatz des demokratischen Rechtsstaates an die planende staatliche Tätigkeit, dargestellt am Beispiel der Entwicklungsplanung? Gutachten B zum 50. Deutschen Juristentag, 1974, S. 196 f.

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Plan haben in die Zukunft gerichtete Zielsetzungen. Sie sind abhängig von der Analyse bestehender Gegebenheiten und der Prognose über den zukünftigen Verlauf vielfältiger, interdependenter Prozesse 2 . Dergestalt und durch die Möglichkeit der Änderung der Planziele 3 fließen in die Planung und den Plan unvermeidbar Unsicherheiten und Ungenauigkeiten ein. Sie führen zu der N o t wendigkeit, die im Verlauf der Planverwirklichung entstehenden und die seine weitere Durchführung bedingenden Faktoren ständig zu kontrollieren und ausgehend von den dergestalt gewonnenen Ergebnissen die Planung anzupassen. „Zur Planung selbst gehört, nicht als seltene Ausnahme, sondern als praktische Bedingung ihreres Erfolges, die Veränderlichkeit des P l a n s " 4 . Andererseits ist der Plan auf Verwirklichung der ihn motivierenden Zielsetzung gerichtet und damit häufig auf ein planmäßiges Verhalten der Bürger. D e r einzelne soll sich also am Plan orientieren, durchaus auch Investitionen vornehmen. I h m liegt daher an einer Plangewährleistung 5 . Soweit es dabei um Entschädigung für im Vertrauen auf den Planbestand gemachte Investitionen geht, kann auf die späteren Ausführungen 6 verwiesen werden. A n dieser Stelle ist indes die Frage nach einem Anspruch auf Planung und/ oder Planvollzug zu stellen. W i e oben bereits gesagt, wird die staatliche P l a nungspflidit vielfach aus dem Sozialstaatsprinzip hergeleitet. D e r Planungspflicht entspricht jedoch nicht ohne weiteres ein Recht des einzelnen auf Planung; es ist vielmehr erforderlich, daß die Verpfliditungsnorm auch dem einzelnen ein Recht einräumt. Insoweit besteht hinsichtlich des Sozialstaatsprinzips weitgehende Ubereinstimmung darüber, daß es der gesetzlichen E n t faltung bedarf, daß also ohne eine gesetzliche Grundlage Rechte, die über den Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums hinausgehen 7 , nicht bestehen. Dementsprechend bestimmt etwa § 2 Abs. 9 B B a u G , daß auf A u f stellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen kein A n spruch besteht. Besteht demnach audi kein Ansprudi des einzelnen Bürgers auf Planung 8 , so bleibt die Frage, ob dem einzelnen planbetroffenen Bürger jedenfalls ein 2

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Vgl. auch Schmidt-Aßmann, DÖV 1974, 541, 542; Mengerl Erichsen, VerwArch 59 (1968), 381; Egerer, Der Plangewährleistungsanspruch, 1971, S. 39; Redeker, JZ 1968, 537, 541. Vgl. audi Kriele, DÖV 1967, 531, 532. So v. Simson, Planung I, 1965, S. 420; vgl. auch Oldiges, Grundlagen eines Plangewährleistungsrechts, 1970, S. 106. Vgl. H.P.Ipsen in: Festschrift für Ernst Rudolf Huber, 1973, S. 219 f., 233; weitere Nadiw. zum Problem der Plangewährleistung bei H. P. Ipsen, a. a. O., S. 219, 220 Fn. 3 und 4 und Seidler, Reditssdiutz bei staatlicher Wirtschaftsplanung, 1973, S. 115, 120 f. Vgl. unten § 53 VI 3; audi Seidler (Fn. 5) S. 123 f.; H. P. Ipsen (Fn. 5) S. 233 f. Vgl. dazu v. MangoldtjKlein, GG, S. 607 f.; Hesse, VerfR, S. 86; Schnapp in: Grundgesetz Bd. 1 (Hrsg. von Münch), Art. 20 Rn. 19; Oldiges (Fn. 4) S. 166; BVerfGE 1, 97, 105; BVerwG DÖV 1958, 737, 738. So auch Egerer (Fn. 2) S. 123; Oldiges (Fn. 4) S. 166 m. w. N.

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Anspruch auf Planfortbestand 9 oder ein Anspruch auf Vollzug eines gerade bestehenden Plans 10 zusteht. Auch insoweit erweist sich das Sozialstaatsprinzip nach dem oben Gesagten nicht als tragfähig 11 , sind andererseits aber das für jede Ausübung staatlicher Gewalt verbindliche Willkür- 1 2 und Übermaßverbot 1 3 zu beachten. Ob darüber hinaus ein Anspruch auf Planfortbestand oder Planvollzug besteht 14 , ist wiederum nicht für alle Pläne einheitlich beantwortbar. Es kommt hier insbesondere auf die Interpretation der Schutzbereidie von Art. 12 und 14 GG, auf die Form des Plans — Norm, Verwaltungsakt, Verwaltungsvorschrift 15 — und seine damit zusammenhängende Einwirkung auf die Rechtsgütersphäre des einzelnen 16 , weniger indes auf eine in ihrer normativen Legitimation fragwürdige Güterabwägung 17 an. In der Regel wird ein A n spruch des Bürgers auf Planfortbestand und Planvollzug schwer zu begründen sein 18 . U m so notwendiger ist es daher, eine präventive Plangewährleistung durch ein Planungsverfahren herbeizuführen, das optimale Möglichkeiten der Datenanalyse und Prognose bereitstellt. Auch hier kommt es wieder auf die Form des Plans an. Soweit einschlägige Verfahrensregelungen — Gesetzgebungsverfahren, Verfahren zum Erlaß von Verwaltungsakten — bestehen, müssen die in ihnen vorgesehenen Möglichkeiten, insbesondere der Anhörung der Planbetroffenen — im Verwaltungsverfahren etwa in Form der Partizipation 19 , die jedoch nicht die verfaßte Entscheidungskompetenz und Verantwortungszuordnung verlagern darf — genutzt werden. Das gilt um so mehr, als die Verwaltung, auch soweit es nicht wie in § 10 BBauG ausdrücklich festgelegt ist, sich der Form der Satzung bedient, um dergestalt, jedenfalls soweit Ausführungsregelungen der Länder zu § 47 V w G O nicht ergangen sind, den erlassenen Plan der prinzipalen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zu entziehen. So wird etwa anstelle des in § 17 FStrG geregelten, zu einem anfechtbaren Verwaltungsakt führenden Planfeststellungsverfahrens, der Weg gewählt, die Festsetzungen über Bebauungspläne zu treffen. Dieses Verfahren hat das BVerwG, allerdings unter sehr kritischer Resonanz 20 , für zulässig erachtet 21 . » Vgl. dazu Ossenbühl (Fn. 1) S. 197 f. 10 Hinsichtlidi des Bebauungsplanes einerseits Redeker, DVB1 1969, 7, 8, andererseits Hoppe, DVBl 1969, 246. " Vgl. auch Oldiges (Fn. 4) S. 166. 12 Vgl. Egerer (Fn. 2) S. 119 f.; Fröhler, Das Wirtschaftsredit als Instrument der Wirtschaftspolitik, 1969, S. 138 f. 13 Vgl. Seidler (Fn. 5) S. 121 f. 14 Vgl. Egerer (Fn. 2) S. 118. 15 Vgl. dazu Ossenbühl (Fn. 1) S. 199 f. 16 Vgl. dazu Redeker, JZ 1968, 537, 541; Ossenbühl (Fn. 1) S. 200. 17 So aber Kriele, DÖV 1967, 531, 534 f. 18 Grundsätzlich ablehnend: Egerer (Fn. 2) S. 118; Redeker, JZ 1968, 537, 541 Kriele, DÖV 1967, 531, 538. 10 Dazu unten § 38 III. 20 Vgl. dazu Blümel, DVBl 1972, 122 und v. Mutius, VerwArch 63 (1972), 211. 21 Vgl. BVerwG DÖV 1971, 636.

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3. Abschnitt Verwaltungsrechtlicher Vertrag und andere verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen §24

Begriff und Arten des verwaltungsrechtlichen Vertrages Während der Verwaltungsakt — und zwar audi der mitwirkungsbedürftige1 — auf die einseitige Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet ist, setzt der Vertrag Rechtsfolgen durch darauf gerichtete Einigung von — mindestens zwei — Rechtssubjekten. Es gibt ihn als Handlungsform nicht nur im Privatrecht, sondern auch im öffentlichen Recht. Man denke nur an den völkerrechtlichen Vertrag oder an Verträge unter den Ländern der BRD, denen staatsrechtliche Qualität zukommt2. An dieser Stelle geht es indessen nur um den verwaltungsrechtlichen Vertrag, also um die Setzung von Rechtsfolgen des Verwaltungsrechts durch Einigung von mindestens zwei Rechtssubjekten. § 9 EVwVfG 1973 sieht ebenso wie § 74 LVwG Schl.-Holst. neben dem Erlaß eines Verwaltungsaktes den Abschluß eines verwaltungsrechtlichen Vertrages als nach außen wirkende Maßnahme des Verwaltungsverfahrens vor. Je nachdem, ob es sich bei den vertragsschließenden Rechtssubjekten um Träger öffentlicher Verwaltung handelt3 oder um einen Träger öffentlicher Verwaltung auf der einen und einen Bürger auf der anderen Seite, spricht man von koordinationsoder subordinationsrechtlichen verwaltungsrechtlichen Verträgen4.

§25

Die Zuordnung eines Vertrages zum öffentlichen Recht I. Die Notwendigkeit der Unterscheidung von öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag Sowohl das Privatrecht wie auch das öffentliche Recht kennen also den Vertrag. Man kann ihn als Rechtsfigur begreifen, die diesen nach unterschied1

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Vgl. dazu oben § 12 IV. Zur Abgrenzung von mitwirkungsbedürftigem Verwaltungsakt und Vertrag vgl. etwa Bernhardt, VerwArdi 55 (1964), 210, 2 5 0 ; Stern, J Z i960, 557, 560; Wolff-Bachof, VwR I, § 44 II a 2. Vgl. etwa den Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen v. 2 0 . 1 0 . 1 9 7 2 und dazu BVerfG N J W 1974, 1127 f. Vgl. dazu § 56 II. Ob dieser Sprachgebrauch sehr glücklich ist, ist eine andere Frage. E r hat sich indessen durchgesetzt, vgl. Bisek, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, Diss. Münster 1970, S. 5; Beinhardt (Fn. 1) S. 213 f.; Kottke, System des subordinationsreditlichen Verwaltungsvertrages, Diss. Hamburg 1966, S. 6 f. und wird deshalb audi hier verwendet. Bedenken bei Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage 1973, S. 99.

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liehen Merkmalen voneinander geschiedenen Teilrechtsordnungen vorausliegt und einem für beide Teile geltenden Gemeinrecht1 angehört. Das ändert indessen nichts daran, daß jeweils im Einzelfall zu bestimmen ist, ob ein öffentlich-rechtlicher oder ein privatrechtlicher Vertrag vorliegt, da, wie alsbald gezeigt werden wird, die Grenzen der Abschluß- und Gestaltungsfreiheit unterschiedlich sind.

II. Unterscheidungskriterien Die Frage, ob es sich um einen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag handelt, wird von der Rechtsprechung und ihr folgend vielfach auch vom Schrifttum ausgehend vom „Gegenstand des Vertrages" beantwortet2. Fraglich ist indes, was „Gegenstand des Vertrages" in diesem Sinne ist. Die in der Formulierung unterschiedlichen Umschreibungen3 laufen überwiegend darauf hinaus, daß Gegenstand des Vertrages die durch ihn begründeten oder mit ihm verknüpften Rechtsfolgen sind4. Dieser Ansatz liegt auch der Regelung des § 5 0 S. 1 EVwVfG 1973 zugrunde, der in Übereinstimmung mit § 1 2 1 S. 1 LVwG Schl.-Holst. darauf abstellt, ob ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird 5 . Insoweit werden jedoch beim Austauschvertrag, der auch unter den öffentlich-rechtlichen Verträgen die Regel ist, jedenfalls dann erhebliche Schwierigkeiten gesehen, wenn es um Verträge zwischen Verwaltung und Bürger geht. Während hier die Verwaltung vielfach Verpflichtungen zu Leistungen übernimmt, die ohne weiteres als öffentlich-rechtliche zu qualifizieren sind — wie etwa der Erlaß eines Verwaltungsaktes (Baugenehmigung) — und zu denen die Verwaltung sich auch nur öffentlich-rechtlich verpflichten kann, kann die für den Bürger begründete Verpflichtung in diesen Fällen immer nur eine sein, wie sie jedermann eingehen und erfüllen könnte — Zahlung von Geld6, Übereignung von Grundstücken etc. 60 . Das führt indes auch dann, wenn man der Subjektstheorie folgt, nicht dazu, diese Verpflichtungen in jedem Falle als privatrechtlich zu qualifizieren. Das zeigt sich etwa bei den aufgrund öffentlichrechtlicher Normen durch Verwaltungsakt begründeten Verpflichtungen des Bürgers wie etwa beim Steuerbescheid oder bei den Ordnungsverfügungen. In allen diesen Fällen entstehen öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die auf LeiVgl. den Ausdrude von Bullinger, öffentliches und Privates Recht, 1968, S. 75, 82. Vgl. BGHZ 32, 214; 35, 69 f.; 56, 365, 368; BGH DVB1 1965, 276; BVerwGE 22, 138; 25, 299, 301; Rupp, JuS 1960, 59, 60; JA 1969, ÖR 66; weitere Nachweise bei Menger, VerwArdi 64 (1973), 203 Fn. 1. 3 Vgl. dazu Menger, VerwArdi 64 (1973), 203 f. 4 Vgl. etwa BGH DVBI 1965, 276; BGH JZ 1973, 420. 5 Vgl. amtliche Begr. BT-Drucksache 7/910, S. 78. « Vgl. auch BVerwG DVBI 1973, 800, 801; Rüfner, JZ 1973, 421 f. » --o ® t c C O g

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