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German Pages 264 [268] Year 1986
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Schleiermacher-Archiv Herausgegeben von Hermann Fischer und Hans-Joachim Birkner, Gerhard Ebeling, Heinz Kimmerle, Kurt-Victor Selge
Band 2
Walter de Gruyter · Berlin · New York 1986
Hermann Patsch
Alle Menschen sind Künstler Friedrich Schleiermachers poetische Versuche
Walter de Gruyter · Berlin · New Nork 1986
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds der V G W O R T
Gedruckt auf säurefreiem Papier (alterungsbeständig - ph 7, neutral)
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der Deutschen
Bibliothek
Patsch, Hermann: Alle Menschen sind Künstler : Friedrich Schleiermachers poet. Versuche / Hermann Patsch. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1986. (Schleiermacher-Archiv ; Bd. 2) ISBN 3-11-010218-8 NE: GT
© 1986 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 (Printed in Germany) Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Satz pagina GmbH, Tübingen; Druck: Hildebrand, Berlin 65 Einband: Lüderitz & Bauer, Berlin 61
Franz Patsch gewidmet
Vorwort Einen fächerübergreifenden Beitrag zu dem geistesgeschichtlichen Phänomen Romantik am Beispiel des bedeutenden Theologen, Philosophen, Pädagogen und Platon-Übersetzers Friedrich Schleiermacher zu liefern, mag gewagt erscheinen, bedenkt man die uneinholbare Vielseitigkeit des Autors und die Offenheit der gegenwärtigen Romantik-Diskussion. Aber diese Offenheit verdankt sich den für die Goethezeit auf den Gebieten der Literaturwissenschaft, der Theologie und der Philosophie in Gang gekommenen Neu-Editionen, und so kann die vorliegende Arbeit durch die Edition und Interpretation der bisher weithin unbekannten und ungedeuteten Gedichte Schleiermachers einen weiteren, bescheidenen Baustein auf dem Wege der Erhellung dieses für die Moderne so wichtigen Zeitalters abgeben. Die Verbindung von literaturwissenschaftlichen und editionsphilologischen Prinzipien, die dem Leser ungewohnt erscheinen wird, rechtfertigt sich aus der Sache; die deutliche Scheidung in einen analytischen und einen editorisch-kommentierenden Teil soll aus methodologischen Gründen den Aufbau durchsichtig halten. Bei den poetischen Versuchen Schleiermachers, die im ersten Teil keine Berücksichtigung fanden, wird aber bewußt die Grenze zwischen philologischer Beschreibung und Interpretation fließend gehalten. Der Textteil versammelt das bisher ungedruckte und gedruckte poetische Œuvre Schleiermachers so vollständig, wie es nach dem gegenwärtigen Forschungsstand möglich ist. Die Anregung zu diesem Buch verdanke ich Arthur Henkel, der in mir die Neugier auf Schleiermacher und seine Rolle in der frühromantischen Bewegung erweckte und meine Lust auf Quellenstudien förderte. HansJoachim Birkner ermunterte mich, das Manuskript unter Berücksichtigung der erweiterten Quellendokumentation zu überarbeiten, und empfahl es dem Herausgeberkreis der Kritischen Gesamtausgabe Schleiermachers zur Aufnahme in das Schleiermacher-Archiv. Hermann Fischer danke ich für seine Bemühungen um die Drucklegung. Mit Andreas Arndt und Wolfgang Virmond von der Schleiermacher-Forschungsstelle Berlin (West) ergab sich ein fruchtbarer Gedankenaustausch über tausenderlei Einzelfragen zur Schleiermacherforschung; Virmond und Günter Mecken-
Vili
Vorwort
stock von der Schleiermacher-Forschungsstelle Kiel danke ich insbesondere noch für die gemeinsame Abklärung der Lesarten bei den bis an die Grenze der Lesbarkeit gehenden handschriftlichen Gedichten Schleiermachers in den wissenschaftlichen Tagebüchern. Wichtige Anfragen beantworteten u. a. das Archiv der Brüder-Unität in Herrnhut, die Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der Klassischen Literatur in Weimar sowie die Biblioteka Jagielloñska der Uniwersytet Jagielloñski in Krakau, die mir Mikrofilme aus dem Varnhagen-Nachlaß zur Verfügung stellte. Der Akademie der Wissenschaften der DDR, Zentrales Akademie-Archiv, Berlin, die den Schleiermacher-Nachlaß betreut und die mir mehrfach Gastrecht und Beratung gewährte, danke ich für die Erlaubnis zum Abdruck der Handschriften. Ich widme mein Buch dem Andenken meines Onkels Franz Patsch, der mich während meiner Handschriften-Studien in Berlin wie einen Sohn aufnahm und über die Jahre hin den Fortgang der Arbeit mit Güte begleitete. Er starb am 21.11.1984. München, im April 1986
Hermann Patsch
Inhaltsverzeichnis VORWORT
VII
EINLEITUNG
1
LITERARHISTORISCHERTEIL
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Schleiermachers Weg zur Poesie Die Probe mit dem Kunstsinn Die Übersetzungen aus der Anthologia Graeca Das Ende der Poesie: Das Elegie-Fragment Exkurs 1: Die Beurteilung der antiken Versmaße in der ,Aesthetik' . Poetische Nachbildungen in der Platon-Übersetzung Charaden als Gesellschaftskunst
7 29 40 56 64 68 77
EDITORISCHER UND KOMMENTIERENDER T E I L
81
Zur Methode der Textherstellung Die Handschriften Die empfindsamen Gedichte aus der Zeit in Stolpe Die Epigramme Die Übersetzungen aus dem Griechischen Die Charaden Die Gelegenheitsgedichte Exkurs 2: Eine Anleihe bei A. W. Schlegel
83 86 103 111 121 142 158 170
TEXTE
173
Verzeichnis der Siglen Die empfindsamen Gedichte Die Epigramme Die Übersetzungen aus dem Griechischen Charaden Gelegenheitsgedichte
175 177 190 198 209 222
Anhang: Unautorisierte Charaden
231
χ Verzeichnis der Abkürzungen Literaturverzeichnis Sachregister Namensregister
Inhaltsverzeichnis
234 236 249 250
Einleitung „Goethe - Fichte - Novalis - Schleiermfacher] gleichsam die äußern Grenzen meiner Schule. Werkbildenden Einfluß hab ich nur auf Tieck, A. W. [Schlegel] und Schütz.-" notierte Friedrich Schlegel im Dezember 1802 in Paris1, nach seiner einer Flucht gleichenden Übersiedlung nach Frankreich, die den endgültigen Zerfall der frühromantischen „Schule", also des Kreises um das ,Athenaeum', besiegelte. Die Zusammenstellung mit Goethe, Fichte und Novalis bezeugt die unerhörte Wertschätzung, die Schlegel seinem Berliner Freund bewahrte, den Rang, den er ihm zuschrieb, aber auch das Bewußtsein, daß dieser nicht eigentlich von ihm beeinflußbar, bestimmbar war. Diese Einsicht wirft ein helles Licht auf die oft erörterte, nur dialektisch zu beantwortende Frage nach dem Verhältnis Schleiermachers zu seinen romantischen Zeitgenossen 2 , deren „Athenaeus" er doch war im fernen Berlin 3 , als die Jenaer „Schule" sich zusammenfand. Aber zu den Autoren der ,Europa', obwohl erwünscht, ja bedrängt, gehörte er nicht mehr. Die „äußere Grenze", die Schlegel in der Planungszeit der neuen Zeitschrift bestimmte, meint ja ein Doppeltes: die Zugehörigkeit wie die Selbständigkeit, die Berührung und damit gegenseitige Affizierung wie die Abstoßung und Verselbständigung. Durch die Begegnung mit Friedrich Schlegel wurde Schleiermacher ein „Romantiker" - diese Bestimmung bleibt, bei aller Mißlichkeit der begrifflichen Festlegung produktiver, ja inkommensurabler Autoren gültig, wenn sie sich offen hält für das Widerspiel einer ontologischen „Formel" des 1 2
3
KFSA XVI, S. 442 Nr. 223 Vgl. aus den letzten Jahren Kantzenbach (1967), Redeker (1968), Herms (1974), Forstman (1977), Timm (1978). Zur früheren Lit. s. o. S. 8 Anm. 4. - Mit dem Fortschreiten der KFSA, der sich die Kritische Gesamtausgabe (KGA) der Werke Schleiermachers an die Seite stellt, wird ein differenzierteres Bild möglich werden. Damit erst wird das philologische Fundament für Einzelstudien, etwa zur religiösen Sprache, zum Plato-Verständnis, zur Rezeption der Transzendentalphilosophie, gelegt sein. Die Fruchtbarkeit der gegenseitigen Spiegelung unter Ausschöpfung der Nachlaßpapiere hat sich bei der Hermeneutik bisher am eindrücklichsten gezeigt (vgl. zuletzt Michel, 1982). Diese Formulierung gebraucht Fr. Schlegel für Schleiermachers Verdienste um den dritten Band des ,Athenaeums' in einem Brief an Sophie Bernhardi, Ende Sept. 1799 (Körner C H I , S.99).
2
Einleitung
Romantischen und der historischen Vielfalt der romantischen Phänomene 4 . Die lebensgeschichtliche Begegnung mit Friedrich Schlegel mußte ihn analog zu dessen dichterischem Weg - mit der Verlockung der Kunst konfrontieren, mit der Verlockung, die eigene Schöpferkraft zu erproben. Die frühromantische Schule war eine zugleich philosophische und poetische Bewegung, und die Brüder Schlegel als ihre ideologischen Sprecher sind das Vorbild dafür, wie sprachgewandte Denker von der Philosophie zur Ästhetik, von der Theorie zur Praxis, also von der Poetologie zur Dichtung kamen. Der Leser des Briefwechsels Schleiermachers mit den Schlegeln weiß und die vorliegende Sammlung belegt, daß auch Schleiermacher diesen Weg zu gehen versucht hat - und daß dieser sich ihm letzten Endes verschloß. Die Furcht, angesichts des Jenaer dichterischen Ausbruchs „allein im Gebiet der Prosa zurückzubleiben" 5 , gebiert schon 1800 poetische Pläne. Freilich reflektiert Schleiermacher recht bald die Trennung zwischen Kunst und Leben, zwischen „Werke bilden" und „sich selbst bilden", wobei das erste den Künstler, das zweite das Individuum ausmache: „je mehr Individualität, je weniger Anlage zur Kunst; je mehr Künstlergabe, desto weniger innere Individualität" 6 . Das ist kritisch gegenüber Friedrich Schlegels „Künstlertalent" gesagt, hätte Schleiermacher aber gewiß auch auf sich beziehen lassen. 1802 wehrt er Vermehrens Bitte um einen poetischen Beitrag für dessen Taschenbuch mit der Selbstbezeichnung „Dilettant" noch ab 7 . 1803 dann aber, in dem von den romantischen Experimentierzentren Berlin und Jena abgeschnittenen Stolpe, erlebt Schleiermacher sein „Dichterjahr" oder vielmehr „Dichterhalbjahr", füllt er Gedankenbücher und schließlich ein Gedichtheft mit Gedichten, Epigrammen, poetischen Übertragungen. Er nimmt diese Versuche so ernst, daß er sie mit auserwählten Briefpartnern diskutiert, zu denen A. W. Schlegel als Mentor in besonderem Maße gehört, von denen Fr. Schlegel ebenso betont ausgeschlossen ist. Schleiermacher beweist dabei, als poeta doctus, eine außerordentliche Vertrautheit mit der Dichtungstheorie seiner Zeit, aber in einer kennzeichnenden Auswahl: die wenigsten seiner Dichtversuche bewegen sich in den 4 5 6
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Vgl. auch Henkel (1967) (ohne Bezug auf Schleiermacher)! Br. v. 29. März 1800 an A. W. Schlegel (EK S. 739) Br. an Schwarz v. 28. März 1801 (Briefwechsel m. Schwarz S. 262f). Dieser poetologische Brief wäre zu spiegeln mit dem ,Brouillon' yon 1805/06, wo Schleiermacher den Gegensatz von Kunst und Leben „scheinbar", „freilich relativ gültig" nennt (Ausgabe Birkner S. 109). s. Vermehren an Schleiermacher, Br. v. 1. Apr. 1802 (MLA VIII, S. 52).
Einleitung
3
eigentlich romantischen Formen (zwei Sonette, ein Madrigal, ein Gedicht in Stanzen) - es fehlen Romanzen, Terzinen, Kanzonen, Triolette - , nicht das Prospekt der romantischen „Universalpoesie" aus dem ,Athenaeum' ist sein Ziel, sondern er liefert eher wissenschaftlich-akademische Übersetzungsdichtung, verstrickt sich in die metrischen Theorien, die Formüberlegungen und -experimente der klassizistischen Übersetzer Voß und A. W. Schlegel. Der ältere Schlegel ist der eigentliche Anreger und Lehrer, von dessen erdrückendem Vorbild er sich nur schwer und erst in späteren Jahren freimachen kann. Der einzige selbständige Versuch einer romantischen „Elegie" scheitert in mehrfachem Anlauf. Die Sammlung der Dichtversuche Schleiermachers erschließt der deutschen Literatur keinen neuen Dichter, aber sie fügt dem Bild des bedeutenden Theologen, Philosophen und Philologen eine bisher weitgehend unbekannte Facette hinzu, die (zugleich) typisch für die romantische Bewegung ist. Sie nimmt den Autor dort ernst, wo er sein Scheitern erprobt und erlebt; einen Autor, der sich dieses Scheitern eingestand und der dennoch - vielleicht gerade deshalb - der Dichtungstheorie, wie seine Vorlesungen über Ethik und Ästhetik zeigen, nicht den Abschied gab. Vielmehr muß zu der Genese der Kunstanschauung des mittleren (Hallenser) Schleiermacher die vorhergehende eigene Kunsterfahrung gerechnet werden, wenn er in seinem „Brouillon zur Ethik" gemäß der Lehre vom individuellen Allgemeinen kraft des allen gemeinsamen „Gefühls" (als der „Fantasie in ihrer individuellen Receptivität") den kühnen Satz wagt: „alle Menschen sind Künstler" 8 . Das gilt in vergleichbarem Maße auch für die (zu Lebzeiten nur in Hörermitschriften wirkende) „Ästhetik" des späten (Berliner) Schleiermacher, die niemand Geringerer als Benedetto Croce die „beachtenswerteste ( . . . ) jener ganzen Periode" genannt 9 und von der der Geschichtsschreiber der europäischen Kulturkritik René Wellek gegen Hegel und Solger auf Schleiermacher als den repräsentativen „Ästhetiker des romantischen Expressionismus" geschlossen hat 10 . Zur Genese dieser Kunstphilosophie ist die romantische Epoche Schleiermachers, ist mithin seine eigene Erfahrung als Dichter und Nachbildner zu rechnen. 11 8 9 10
11
ed. Birkner S. 106, 108 Croce (1930) S. 325, vgl. die Gesamtdarstellung S. 324-336. Wellek (1959) S. 553f. Mit dem - unpräzis erscheinenden - Begriff „romantischer Expressionismus" umschreibt W. Schleiermachers „Ästhetik des Gefühls, der schöpferischen Kunst, des Ausdrucks". Odebrecht, der verdienstvolle Hg. der ,Ästhetik' (1931), hat in seiner Einleitung und in seiner Monographie (1932) um der Originalität Schleiermachers willen allen Einfluß der romantischen Zeitgenossen bestritten. Aber daß S. bereits in seiner romantischen Zeit „auf literarischem Gebiete zur Selbständigkeit ästhetischen Urteils gelangt" sei (1931,
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Einleitung
Die Weigerung Schleiermachers, Friedrich Schlegel Beiträge zur ,Europa' zu liefern - Schlegel hat nie eine Zeile der poetischen Versuche seines Freundes gesehen - , hat, neben manchem anderen, zur Entfremdung der beiden Männer beigetragen. Schleiermachers Versuche „mit der Kunst" hatten die Bedeutung der „Probe" 12 , deren Ergebnis er akzeptierte. Hier mag - es sei dies an dieser Stelle nur vorsichtig vermutet einer der Gründe dafür liegen, warum Schleiermacher die fernere Entwicklung seiner romantischen Freunde nicht mitgemacht hat. Der im bürgerlichsten Sinne solide Lebensweg Schleiermachers ist - bei gleicher vielfältiger Begabung - nicht vergleichbar mit den Kurven und Bahnen, die die Brüder Schlegel gingen und die einen späteren Konsens undenkbar machen. Dennoch findet sich - anders als umgekehrt - nie ein abfälliges Wort Schleiermachers über Friedrich Schlegel nach dem Ende ihrer Freundschaft; es ist im Gegenteil bei aller Enttäuschung und kritischen Haltung auf eine bleibende Hochachtung des früheren Gefährten zu schließen13, die sich noch zuletzt nach Friedrich Schlegels Tod in dem Zitat aus dem ,Athenaeum' in dem Akademie-Vortrag ,Ueber den Begriff der Hermeneutik' von 1829 bezeugt 14 . Und es muß Schleiermacher tief berührt haben, als er 30 Jahre nach dem ,Athenaeum' seinen Namen zusammen mit Friedrich Schlegels im ,Musenalmanach für das Jahr 1830' stehen fand - beide mit poetischen Werken15! Charaden und ein posthumes religiöses Gedicht schließen - freilich in einem endgültigeren als dem seinerzeit von Schlegel gemeinten Sinn - die „äußeren Grenzen" einer „Schule", die als poetische Bewegung auch Schleiermacher in ihren Bann gezogen und zu eigenen dichterischen Versuchen verlockt hatte.
12 13
14
15
S. XHIf), widerspricht den Zeugnissen, wie ich oben zeigen werde. Schleiermacher hat sich - wie besonders seine Äußerungen über Schiller und Goethe belegen - nie von den Kunsturteilen seiner dichterischen Freunde freigemacht. - Zu dem besonderen Aspekt der Musikphilosophie S.s siehe die schöne Monographie von Scholtz (1981). Eine Arbeit über S. als Kunstkritiker gibt es m.W. nicht. Br. an Henr. Herz v. 31. Aug. 1803 (Br. I, S. 379/ M I, S. 315) Schleiermacher hat lange Fr. Schlegels Bild in seiner Wohnung hängen gehabt, wie Adolph Müller 1805 für Halle (Briefe v. d. Universität S. 176) und Marwitz 1808 für Berlin bezeugen (ebd. S. 429f). Erst Henriette Schleiermacher hat es im Herbst 1811 weggehängt (Br. II, S. 253). Das dort als das „ziemlich paradoxe Wort eines ausgezeichneten Kopfes der uns nur eben entrissen worden ist" zitierte „Behaupten (ist) weit mehr als Beweisen" konnte freilich kein Hörer entschlüsseln! Es geht - wie erst der Schlegel-Forscher Körner gesehen hat (1928, S. 8f) - auf das Fragment 82 (Athenaeum 1/2, S. 197f) zurück. - Vgl. auch Schleiermachers Brief an Ludwig Tieck v. 14. Juli 1830 (Holtei III, S. 352f), der, obzwar nicht unkritisch zurückblickend, Schlegel „Freund" nennt. Siehe dazu oben S. 147
Literarhistorischer Teil
Schleiermachers Weg zur Poesie Eine biographische Skizze
Schleiermachers Weg zur Wort-Kunst ist von vielerlei Faktoren bestimmt, deren Wirkung im Einzelnen schwer abzuschätzen ist, die in ihrer Gesamtschau aber kein ungewöhnliches Bild entstehen lassen: Bildungserlebnisse der Schul- und Studentenzeit, vielfältige Lebenserfahrungen in der Begegnung mit Menschen in kulturell scharf umrissenen Kreisen während der Hauslehrerzeit, die Rezeption der sehr lebendigen zeitgenössischen Auseinandersetzung mit Kunstwerken und ästhetischen Theorien, vor allem aber der Anschluß an die produktiven Gestalten der sich bildenden frühromantischen Schule des ausgehenden 18. Jahrhunderts in Berlin. Theoretische und lebenspraktische Einflüsse kommen zusammen, um Wünsche, Pläne, Versuche zu gebären und zu reflektieren, bis zu dem Ergebnis, künstlerischer Prosa und Lyrik als außerhalb des eigenen Schöpfungsvermögens stehend künftighin zu entsagen. Dieser Weg kann, soweit er sich durch die vielfältige und verschiedenartige, dabei vielfach zufällige Überlieferung rekonstruieren läßt, mangels wissenschaftlicher Vorarbeiten nur in einer biographisch orientierten Skizze beschrieben werden, die reihend vorgeht und ihr Hauptaugenmerk auf die am besten dokumentierte Begegnung mit den Brüdern Schlegel legt. Als Schleiermacher im Sommer 1797 in der „Mittwochsgesellschaft" den drei Jahre jüngeren Friedrich Schlegel kennenlernte, war er eine für sein Alter ungewöhnlich ernste und gereifte Persönlichkeit. „Schleyermacher ist ein Mensch, in dem der Mensch gebildet ist", schrieb Friedrich Schlegel an seinen Bruder. „Er ist nur drey Jahr älter wie ich, aber an moralischem Verstand übertrifft er mich unendlich weit ( . . . ) . Sein ganzes Wesen ist moralisch, und eigentlich überwiegt unter allen ausgezeichneten Menschen, die ich kenne, bey ihm am meisten die Moralität allem andren" 1 . Bewunderte Schlegel an seinem neuen Freund die „Moralität", 1
Brief vom 28. Nov. 1797 (Walzel S. 322). D i e erste Erwähnung Schleiermachers in einem Brief Fr. Schlegels geschieht übrigens nicht, wie meist zu lesen ist, in dem Brief v. 31. Okt. 1797 an A . W . Schlegel (Walzel S.301), sondern, soweit ich sehe, in einem Brief v. 26.
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Literarhistorischer Teil
die Bildung des Menschen, so dieser an ihm die vielseitige Kenntnis und die weltoffenen Umgangsformen: Er ist ein junger Mann von fünfundzwanzig Jahren, von so ausgebreiteten Kenntnissen, daß man nicht begreifen kann, wie es möglich ist, bei solcher Jugend so viel zu wissen, von einem originellen Geist, der hier, wo es doch viel Geist und Talente giebt, alles sehr weit überragt, und in seinen Sitten von einer Natürlichkeit, Offenheit und kindlichen Jugendlichkeit, deren Vereinigung mit jenem allen vielleicht bei weitem das Wunderbarste ist,
berichtete Schleiermacher seiner Schwester2. Und er wagte die prophetische Folgerung: „Kurz, für mein Dasein in der philosophischen und literarischen Welt geht seit meiner näheren Bekanntschaft mit ihm gleichsam eine neue Periode an"3. Die neue Periode, die hier begann, eröffnete einen Lebensabschnitt im Denken der beiden für die deutsche Geistesgeschichte so bedeutenden Männer, der sie nachhaltig prägen sollte und der dadurch gekennzeichnet ist, daß sie dem anderen jeweils einen neuen Denk- und Lebensraum erschlossen 4 . Schleiermacher war für Schlegel das Vorbild einer in sich August 1797 - d . h . vier Wochen nach seiner Ankunft in Berlin - an Niethammer: „Die Philosophie liegt freylich hier im Argen. Doch habe ich einen Prediger Schleyermacher gefunden, der Fichtes Schriften studirt u. das (sc. Philosophische) Journal mit einem andern Interesse, als dem der Neugier u. Persönlichkeit liest" (Fr. Schlegels Briefe an Niethammer S. 432 / KFS A XXIV, S. 12). Kennzeichnend ist auch die - gleichfalls frühere - Charakterisierung in Schlegels Brief an Novalis v. 26. Sept. 1797: „Es giebt auch einen Philosophen in Berlin; er heißt Schleyermacher, ist reformirter Geistlicher, und trägt viel zu meiner Zufriedenheit hier bey. Er hat Sinn und Tiefe, und das Höchste den kritischen Geist: dabey so viel Sinn für Mystik, daß es beynah hinreicht" (Preitz S. 106 / Novalis, Schriften IV, S. 491). 2 3 4
Br. an Charlotte Schleiermacher v. 22. Okt. 1797 (Br. I, S. 161 / M I, S. 94) Br. I, S. 1 6 2 / M I, S.94 Vgl. Haym (1870, 4. Aufl. 1920) S. 414. Haym sieht m.E. das gegenseitige Geben und Nehmen zu sehr als ein philosophisches. Zwar bezeichnete Fr. Schlegel Schleiermacher anderen gegenüber als seinen „philosophischen Freund" (an Goethe, Br. v. 3. Juni 1798, Körner-Wieneke S. 170), doch was er damit meint, ist etwa in folgendem Satz angedeutet: „Was für mich so unerschöpflich fruchtbar an Dir ist, das ist, daß Du existirst" (Br. ohne Datum (Juli 1798), Br. III, S.81, s. auch S.80, 92 u.ö.). Im ganzen treffender Gundolf (1924) S. 428ff, wenn ich auch nicht glauben möchte, daß Fr. Schlegel für seine von Fichte nicht befriedigten Bedürfnisse bei Schleiermacher „die philosophische Formulierung" fand (S. 438). Dagegen sprechen die Fragmenten-Hefte Schlegels, deren gedankliche und terminologische Abhängigkeit von Schleiermacher erst bewiesen werden müßte. Zum Problem vgl. neben Herms (1972) S. 235-264 auch Stock (1930), der sich häufig auf Gundolf bezieht, um schließlich überhaupt der „Annahme tieferer Einflüsse und Abhängigkeiten wechselseitiger Art" zweifelnd gegenüberzustehen (S. 50). Das Verhältnis der beiden Denker ist kaum eindeutig beschreibbar; vor allem die geistige Geschichte der Trennung ist m.E. noch nicht zwingend erhellt.
Schleiermachers Weg zur Poesie
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gefestigten Persönlichkeit, die philosophische Ernsthaftigkeit und gesammelte Produktivität verband, an ihm und Friedrich von Hardenberg ging ihm die Wirklichkeit der religiösen Existenz auf, ohne die seine spätere Konversion nur schwer zu denken ist. Schleiermacher aber empfing den Einblick in die Welt der Kunst und der Poesie, er entdeckte die Kraft des Schöpferischen und Gestaltenden, das Wirken des Genies, und wurde hineingenommen in die Denkbewegung der romantischen Lebensphilosophie, deren theologischer Ausdruck seine ,Reden über die Religion' geworden sind. Die Kehre, die sich in Schleiermacher durch die Begegnung mit Friedrich Schlegel vollzog, wird deutlich, wenn man seinen bisherigen Bildungsgang bedenkt 5 . Der Zögling auf dem Pädagogium (Gymnasium) in Niesky erhielt eine vorzügliche Schulbildung - trotz (oder wegen) der geistlichen Enge der Herrnhuter Gemeinde. „Nicht für das Leben in der Welt wurden ( . . . ) die Schüler gebildet, sondern eingewöhnt in das Leben mit dem Heiland" 6 . Doch abgeschlossen von der Welt und von Lehrern betreut, denen Erziehen religiöse Pflicht war, herrschte in der Schule eine geistige Atmosphäre, wie sie nur ein gutes Internat entwickeln kann. Das Hauptgewicht des Unterrichts lag auf den alten Sprachen; hier erhielt Schleiermacher den Grundstock seiner späteren philologischen Meisterschaft. Die Ausbildung in den naturwissenschaftlichen Fächern war auf der Höhe der Zeit. Die Schülerschaft und Lehrerschaft war international. Und was heutige Pädagogen nur zu träumen wagen, war dort Wirklichkeit: es herrschte das Kurssystem, es gab keinerlei Prüfungen. Die Lehrer verstanden es derart, die Schüler zu eigenständiger Arbeit - Lektüre, botanische Studien usw. - anzuhalten, daß (der Herrnhuter) Meyer aus späterer Sicht urteilen konnte: „Das Ziel des Schulunterrichts, sich selbst überflüssig zu machen, erreichte das Pädagogium in hohem Grade" 7 . Doch ein Kuriosum herrschte auf dieser Schule: es gab in den höheren Klassen keinen deutschen literarischen Unterricht! Diese Lücke wurde aufgefüllt durch vieles Vorlesen der Lehrer - Meyer nennt u.a. Ossian, Geliert, Pope, Uz, Ramler, Kleist 8 - und vor allem durch den allgemeinen
5
Zum Folgenden s. außer Dilthey (1870/1922/1970) und Meisner (1934) besonders das materialreiche Buch von Meyer (1905)! Zu den musikalischen Eindrücken s. Sattler (1921/2).
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M e y e r S . 74
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ebd. S. 93
8
S. 84. D o c h „überreichen Ersatz" (S. 89) würde ich das nicht nennen.
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Literarhistorischer Teil
„Schreibegeist", der sich in Tagebüchern, Stilübungen, Abhandlungen und dichterischen Versuchen austobte 9 . Daß in dieser Auswahl trotz aller relativen Weite eine Zensur lag, konnte Schleiermacher in Niesky noch nicht bewußt werden. Drückend wurde sie ihm erst in Barby auf dem Seminar (Hochschule). Bücher durften nur mit Zustimmung der Dozenten bestellt werden; Wieland, Goethe, Schiller, ja sogar Lavater standen auf dem Index. Wenn Schleiermacher sich zwar den ,Werther' zu beschaffen wußte, so war seine Einsicht in die allgemeine Welt der Literatur doch nur fragmentarisch und beruhte zumeist auf den Besprechungen und Notizen in der Jenaer .Allgemeinen Literatur-Zeitung'. Rationalistische Theologie, Sturm und Drang, die Philosophie Kants - alle diese geistigen Strömungen erreichten ihn nur vielfach gefiltert, gefälscht und abgeflacht. Die Poesie, die er wirklich kannte, war die religiöse Dichtung, die das Leben der Gemeinde prägte und die ihn - Jahre nach der Abkehr von Herrnhut - für die Lieder Hardenbergs empfänglich machte. Über ausgewählte Dichtungen aus der Zeit der Empfindsamkeit kam seine Kenntnis nicht wesentlich hinaus; empfindsam ist auch das erste erhaltene poetische Werk, die Naturschilderung „Die Wasserfahrt" 10 . Mit Recht konnte er über diese Zeit später urteilen: „Die Kunst und die Frauen kannte ich noch gar nicht" 11 . Dasselbe Bild zeigen auch die brieflichen Äußerungen des Hallenser Studenten. Schleiermacher ist ein nahezu wütender Leser, mit der Feder in der Hand lesend, aber die Namen, die beiläufig erwähnt werden, sind für sein Denken bezeichnend genug: Klopstock, Wieland, Matthisson, Hölty. Allein auch diese Namen erscheinen wie zufällig, wirklich beschäftigen ihn die alten und neuen Philosophen, der philosophische Umbruch seiner Zeit und deren theologische Folgerungen. Nichts ist charakterisierender für den jungen Denker, als daß der knapp 21-jährige bekennt, die ,Essays' Montaignes seien seine „Hausbibel", woran er täglich sein Herz stärken müsse 12 . Schleiermacher schreibt philosophische Aufsätze (Über das höchste Gut, Über die Freiheit des Menschen, Über den Werth des Lebens), deren Ergebnisse er sein Leben lang beachten wird, und plant
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Schleiermacher bewahrte sich bis ans Lebensende Geburtstagsverse auf (s. ebd. S. 51,120 Anm.), die sich noch im Nachlaß befinden. Siehe auch seine eigenen Gelegenheitsgedichte! Meyer S.213f Br. an Eleonore Grunow v. 19. Aug. 1802 (Br. I, S. 319 / M I, S. 260) Br. an Brinckmann ν. 28. Sept. 1789 (KGAV/1, S. 152; Br. IV, S. 27 liest „Handbibel")
Schleiermachers Weg zur Poesie
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ihre Herausgabe als ,Kritische Briefe' 13 . Für die Kunst blieb da wenig Raum 14 . Doch Friedrich Schlegel war nicht die erste dichterische Existenz, der Schleiermacher begegnete. Seit der Zeit im Seminar zu Barby und bis zu seinem Tode ist er mit dem wenig älteren schwedischen Diplomaten und Weltmann Karl Gustav von Brinckmann befreundet gewesen. Dieser hatte bereits 1789 unter den Namen Selmar zwei Bände Gedichte in deutscher Sprache publiziert, wobei ihm Schleiermacher freundschaftliche Schreiberdienste leistete 15 . 1804 fügte Brinckmann eine weitere Sammlung hinzu, die er Goethe widmete. Schleiermacher war von Brinckmann denkbar verschieden; daß er ihm inniger Freund sein konnte, zeigt die Offenheit seines Charakters für eine künstlerische Existenz und seine Fähigkeit, sich in fremdes Wesen einzufühlen und dann auch für diese Freundschaft nach außen hin einzutreten. Brinckmann führte Schleiermacher Henriette Herz und der ,Mittwochsgesellschaft' zu, er vermittelte also indirekt die Bekanntschaft mit Schlegel. In innerer und äußerer Weise ist er so der Mittler geworden für die jener Zeit so unverständliche und widersinnige Freundschaft zwischen Schleiermacher und Friedrich Schlegel. Die „neue Periode", die mit der neuen Freundschaft für Schleiermacher begann, fand darin ihren Ausdruck, daß Schlegel von Anfang an Schleiermachers Überzeugung bekämpfte, daß er zum Schreiben nicht tauge. „An mir rupft er beständig, ich müßte auch schreiben, es gäbe tausend Dinge, die gesagt werden müßten und die grade ich sagen könnte", klagte Schleiermacher seiner Schwester 16 ; und in dem Bericht von seiner Geburtstagsfeier heißt es: Neun und zwanzig Jahr und noch nichts gemacht, damit konnte er gar nicht aufhören, und ich mußte ihm wirklich feierlich die Hand darauf geben, daß ich noch in diesem Jahr etwas Eigenes schreiben wollte, ein Versprechen, was mich schwer drückt, weil ich zur Schriftstellerei gar keine Neigung habe. 1 7
1797 hat Schleiermacher zwar nichts mehr veröffentlicht, aber in den ,Fragmenten' des zweiten Bandes des ersten Jahrganges des ,Athena13
an dens., 22. Juli 1789 (Br. IV, S. 20) u.ö. D i e frühen Aufsätze Schleiermachers sind von Dilthey auszugsweise in den ,Denkmalen' abgedruckt. Eine Edition dieser für Schleiermachers geistige Genese so wichtigen Aufsätze nimmt im Rahmen der im Erscheinen begriffenen Kritischen Gesamtausgabe G. Meckenstock vor ( K G A 1 / 1 - 3 ) .
14
s. aber das ,Tafellied' , D e n Vollendeten' (oben S. 224)!
15
s. Br. IV, S. 4. D i e Briefe Schleiermachers an Brinckmann stehen Br. IV, S. 1-lOOff (wozu die Kollationen durch Leitzmann zu vergleichen sind), B. s an S. M L A VI. Schleiermacher widmete B. die zweite und dritte Aufl. der ,Reden'. Vgl. M L A VI, S. 95.
16
Br. v. 22. Okt. 1797 (Br. I, S. 162 / M I, S. 95)
17
Br. v. 21. Nov. 1797 (Br. I, S. 165 / M I, S. 97)
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Literarhistorischer Teil
eums' stehen einige „Randglossen" - wie A. W. Schlegel die Fragmente nennt 18 - , deren Urheber Schleiermacher ist19. Besonders berühmt ist der ,Katechismus der Vernunft für edle Frauen' (Athenaeum 1/2, S. 285ff) geworden, den Friedrich „eine höchst ernsthafte Parodie" genannt hat 20 . Von nun an fehlte in keinem Jahrgang der romantischen Zeitschrift ein Beitrag Schleiermachers21, für den letzten Jahrgang war er - nach der Übersiedlung Friedrich Schlegels nach Jena - in Berlin der Korrektor und „Commissionair" 22 . Der Briefwechsel verrät die Arbeit, die er damit hatte; noch bei der Gewißheit des Aufhörens der Zeitschrift schrieb A. W. Schlegel: „Überhaupt bitte, flehe, dringe, ermahne u[nd] bevollmächtige ich Sie alles zu thun, was das Heil des Athen.[aeums] erfodert" 23 . Die Beiträge zum , Athenaeum' sind in Stil und Anlage ganz denjenigen der Brüder Schlegel gemäß. Von Friedrich übernahm Schleiermacher die Mode der Fragmentenhefte 24 . Seine Rezensionen, denen A. W. Schlegel den Rang einer „Architeufeley" zubilligte25, haben - von dem Schleiermacher eigenen dunklen Stil abgesehen - ihr Vorbild in den kritischen Besprechungen der Brüder. Einen eigenen Ansatz und die originäre Form seines Denkens zeigen die Schriften, die aus einem konkreten Anlaß (die ,Vertrauten Briefe über Friedrich Schlegels Lucinde') oder aus der Notwendigkeit heraus erwuchsen, seine Gedanken in der in den Gesprächen mit Fr. Schlegel geklärten philosophisch-theologischen Grundhaltung darzustellen (die ,Reden über die Religion', die .Monologen'). Hier war er
18
„Randglossen ( . . . ) nämlich Glossen an den Rand des Zeitalters geschrieben" (Br. an Schleiermacher, 22. Jan. 1798, Br. III, S. 71).
19
D i e erste wissenschaftliche Bestimmung des Anteils S. s lieferte Dilthey: Denkmale S.74ff. D i e zusammenfassende Analyse stellte Minor an (Fr. Schlegel: Jugendschriften II, S. 203ff), ergänzt von Houben-Walzel (1904) Sp.5ff. Siehe abschließend Eichner in Bd. II der K F S A und - restriktiver - Meckenstock in KG A1/2. - Ein erster Versuch, den Dilthey nicht kannte, ist der von F. G. Kühne in seinem Aufsatz von 1838 (S. 29-40), der 37 Fragmente heraussonderte, von denen freilich nur 6 Schleiermacher wirklich angehören.
20
Walzel S. 366
21
Bd.II/2, S. 300-306: ,Anthropologie v. Immanuel Kant'; Bd. III/l, S. 129-139: .Garve's letzte noch von ihm selbst herausgegebene Schriften'; Bd. III/2, S. 243-252: Engel, P h i losophen für die Welt'. S. zu Schleiermachers Anteil Behler (1960) S. 28f. 45.64.
22
Siehe den Br. Fr. Schlegels an den Verleger Frölich vom Ende Aug. 1799 (Körner A , S. 23), von A . W. Schlegel an Schleiermacher v. 23. Sept. 1799 (Br. III, S. 122f) und Schleiermachers Antwort v. 5. Okt. (EK S. 593-595).
23
handschriftlich, Br. v. 16. Juni 1800 (zu Br. III, S. 186)
24
s. Denkmale S. 71ff
25
Br. v. 20. Aug. 1800 (Br. III, S. 218)
Schleiermachers Weg zur Poesie
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eigentlich „bei sich selbst", hier erwies er sich als der Denker, als welcher er so stark auf die Gedankenwelt der frühen Romantik gewirkt hat. D a ß Schleiermachers Werk ,Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern' von 1799 als Reden entworfen sind, mit der persönlichen Anrede (Ihr, Euch), ist ein Stilprinzip, und mit Recht hat die Forschung sie als säkulare Predigten mit seinen Predigten verglichen 26 , die ja auch kurz darauf (1801) zum ersten Mal im Druck erschienen. In den ,Reden' kommen zum ersten Mal Überlegungen zum Verhältnis von Religion und Kunst zur Sprache; ein Thema, das zu bedenken der jungen romantischen Bewegung mehr und mehr sich aufgedrängt hatte 2 7 . Schleiermacher versteht die Kunst nicht als transzendentales Vermögen, so wenig wie Religion ein solches ist. „Religion und Kunst stehen nebeneinander wie zwei befreundete Seelen deren innere Verwandtschaft, ob sie sie gleich ahnden, ihnen doch noch unbekannt ist" 28 . „Beide Quellen der Anschauung des Unendlichen" 2 9 gilt es zu vereinigen und so die Religion zur Vollendung zu bringen; die neue Poesie ist gleichzeitig ein Weg zur „Auferstehung der Religion", ihre Künder sind deren Retter und Pfleger. „Schon sehe ich einige bedeutende Gestalten eingeweiht in diese Geheimniße aus dem Heiligthum [sc. des Unendlichen und Einen] zurükkehren, die sich nur noch reinigen und schmüken um im priesterlichen Gewände hervorzugehen" 3 0 . Der die romantische Poesie so als religiösen Aufbruch deutet, ist sich doch dessen bewußt, daß er selbst den Weg, auf dem „der Kunstsinn für sich allein übergeht in Religion", nicht gegangen ist.
26
Vgl. besonders Seifert (1960) und Hertel (1965). In die theologische Diskussion einzugreifen, ist hier nicht der Ort. Zur zeitgenössischen Rezeption vgl. Dilthey (Ges. Sehr. XIII/ 1, S. 442-458) und Meckenstock (KGA 1/2). Zu ihr gehört jedenfalls auch die poetische Rezeption, die sich in Gedichten an den „Redner der Religion" aussprach (Friedrich Schlegel: Athenaeum III/2, 1800, S. 234; Albrecht Heinrich Matthias Kochen - s. zu diesem A D B XVI, S . 4 0 7 Í - : Musen-Almanach für das Jahr 1802. Hg. v. Bernhard Vermehren S. [98]; Carl Gustav von Brinckmann: Gedichte, 1804, S. 209), gelegentlich auch in Satire und Karikatur (Anonymus = Garlieb Merkel: Ansichten der Literatur und Kunst unsres Zeitalters, 1803, S. 28f, mit einem Kupfer, auf dem das „kleine, feine Priesterchen" die ,Reden' in Spiegelschrift, als sinnenfälligen Beleg der Verkehrtheit, in der Hand hält. Vgl. Sembdner, 1974, S. 26f mit Anm. 47).
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Ich kann auf dieses Thema nur hinweisen, es darzustellen, ist nicht meine Aufgabe. Siehe dazu Kluckhohn (1961) S. 131ff. 157ff und neuerdings Forstman (1977) undTimm (1978). Reden S. 169. Ebd. eine Anspielung aufWackenroder: „Freundliche Worte und Ergießungen des Herzens schweben ihnen immer auf den Lippen". ebd. S. 170 S. 172
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Warum sind die, welche dieses Weges gegangen sein mögen, so schweigsame Naturen? Ich kenne ihn nicht, das ist meine schärfste Beschränkung, es ist die Lükke, die ich tief fühle in meinem Wesen, aber auch mit Achtung behandle. Ich bescheide mich nicht zu sehen, aber ich - glaube; die Möglichkeit der Sache steht klar vor meinen Augen, nur daß sie mir ein Geheimniß bleiben soll31.
Wenn es aber schnelle Bekehrungen gebe, wenn einem Menschen plötzlich wie durch eine innere unmittelbare Erleuchtung der Sinn fürs Universum aufgehe, so könne dies Wunder mehr als irgend etwas andres durch den „Anblick großer und erhabener Kunstwerke" geschehen. Diesen Gedanken schränkt Schleiermacher jedoch sogleich ein, indem er implicite seinen Freunden die Aufgabe zuweist, solche Kunstwerke zu schaffen: „doch ist dieser Glaube mehr auf die Zukunft gerichtet als auf die Vergangenheit oder die Gegenwart" 3 2 . Die meisten der hier zitierten Aussagen der ,Reden' sind in der zweiten Auflage von 1806 abgewandelt. Inzwischen warTiecks ,Genoveva' erschienen, die Schleiermacher zunächst zwar ohne besondere Begeisterung las 33 , deren „christliche Schwärmereien" (Hülsen) 3 4 aber ohne die ,Reden' - von denen Tieck „grausam begeistert" war 3 5 - nicht zu denken sind und die sein Interesse für die folgenden Werke stets wachhielten 3 6 . Vor allem aber war ihm in der Person und im Werk Hardenbergs die geahnte Einheit von Religion und Kunst begegnet, hier sah er die erhoffte Gestalt „im priesterlichen Gewände", die im ,Ofterdingen' und in den ,Geistlichen Liedern' das in den ,Reden' beklagte Schweigen durchbrochen und die via Christiana verkündet hatte. So wurde für Schleiermacher in der zweiten Auflage der ,Reden' „der zu früh entschlafene göttliche Jüngling" ein „herrliches Beispiel" für den homo religiosus, „dem Alles Kunst ward, was sein Geist berührte": An ihm schauet die Kraft der Begeisterung und der Besonnenheit eines frommen Gemüths, und bekennt wenn die Philosophen werden religiös sein und Gott suchen wie Spinoza und die Künstler fromm sein und Christum lieben wie Novalis, dann wird die große Auferstehung gefeiert werden für beide Welten 37 .
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S. 166f S. 167 Br. I, S. 247 / M I, S. 175 (an H. Herz, 8. Juli 1800) Hülsen an Schleiermacher, Br. v. 15. Jan. 1800 (MLA VIII, S. 15) Fr. Schlegel an Schleiermacher, Br. o. D. (April 1799) (Br. III, S. 115) Ich muß hier darauf verzichten, Schleiermachers Verhältnis zu Tieck näher zu charakterisieren. Eine Monographie gibt es nicht. Pünjer S. 53. Vgl. ebd. S. 135 die Verteidigung dieser Sätze in der 3. Aufl. von 1821!
Schleiermachers Weg zur Poesie
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Novalis wird dem Redner zum eschatologischen Zeichen, die Jenaer Romantik zum Himmelsstreif der Apokalypse der Religion 38 . Als Friedrich Schlegel die ,Reden' gelesen hat, schreibt er, er sei unendlich begierig auf die - oft versprochenen und nie geschriebenen - „Visionen" für das ,Athenaeum': Ich weiß nicht wie es kommt daß ich mir denke, diese würden mehr den Charakter heiliger Schriften haben wie die Reden, die mir dafür zu rhetorisch und zu bestimmt sind. Ich habe in der dritten Rede mit Freude eine rhetorifuge Bewegung gespürt, die etwas ähnliches als ich meyne zu wollen scheint. In diesem ersten Versuch und Taubenausflug aus dem Kasten der Cultur ins Freie der Religion scheinst Du mir zwar in der Mitte zu seyn, nicht aber die Schrift. Sie ist voll vom heiligen Geist, aber sie selbst ist nicht heilig 39 .
D e n Charakter einer „heiligen Schrift im eigentlichen Sinn" spricht Schlegel dagegen Hülsens Aufsatz ,Naturbetrachtungen auf einer Reise durch die Schweiz' (Ath. III/l, S. 34-57) zu 40 . Schleiermacher hat selbst in der zweiten Rede ausgesprochen: „Nicht der hat Religion, der an eine heilige Schrift glaubt, sondern welcher keiner bedarf, und wohl selbst eine machen könnte" 41 . Nach dem Romantiker-Treffen in Dresden im August 1798 42 , bei dem Friedrich nach einer Äußerung Rahel Levis „wie der Messias" unter den Freunden gesessen haben und von diesen „auch ganz apostolisch behandelt" worden sein soll 43 , hatte Schlegel in der Tat den Plan, „eine neue Bibel zu schreiben, und auf Muhameds und Luthers Fuß-
38
Mit Hinweis auf Sommer (1973) muß ich hier darauf verzichten, S. s. Verhältnis zu Hardenberg, den er bis zu seinem Tode liebte, ausführlicher zu untersuchen. Noch im Jahr 1831 hat er „unter strömenden Thränen" als Abschluß einer Predigt aus den ,Geistlichen Liedern' zitiert (SW II/3, S. 10; s. den Augenzeugenbericht in Hardenberg: Nachlese (1883) S. 263ff). Er hat auch - trotz der in seiner Vorlesung über Praktische Theologie geäußerten Einwendung, daß die Lieder des Novalis als zu stark religiös-subjektiv sich für den Gemeindegesang nicht eigneten (SW 1/13, S. 179; vgl. Albrecht, 1963, S. 129) dafür gesorgt, daß mehrere der Lieder in das Berliner Gesangbuch von 1829 aufgenommen wurden. Freilich wurde selbst hier „die schonend bessernde Hand unbedenklich angelegt" (Gesangbuch S. V)! Ob von S. selbst, ist unbekannt. - Vgl. noch Novalis: Sehr. I, S. 125.
39
Br. o. D. (April 1799) (Br. III, S. 114). Vgl. auch Brief o. D. (Mitte März): „Das Evangelium von der Vollendung der dritten Rede macht mir fast so viel Freude als die Verheißung der Visionen, auf die ich unglaublich lüstern bin" (Br. III, S. 104).
40
Br. an Caroline Schlegel v. 19. Febr. 1799 (Caroline I, S. 502f); s. auch Br. an Schleiermacher v. 2. März 1799 (Br. III, S. 102f) und o. D. (Mitte März) (ebd. S. 105f), Br. an A. W. Schlegel v. 25. Febr. 1799 (Walzel S.406): „philosophische Kirchenmusik".
41
S. 122 Siehe dazu Schlagdenhauffen (1934) S. 195ff; Behler (1966) S. 78f und Eichner (1970). Fr. Schlegel an Caroline, Br. v. 29. Okt. 1798 (Caroline I, S. 471)
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stapfen zu wandeln" 44 . Auch Novalis hatte ein ähnliches Projekt 45 . D i e ,Natur-Betrachtungen' Hülsens nun sind „göttlich", sind „das sonderbarste eigenste und heiligste", was Friedrich seit langer Zeit gelesen habe 46 , sie sind eine „heilige Schrift im eigentlichen Sinn". Schlegel rühmt den Stil, neben dem Goethes Naturschilderungen zur „Naturfühlerey" absinken. „Die gute Hälfte in Versen, oft zwey Hexameter nach einander", man muß den Text „wohl dreymal so langsam lesen wie etwas andres, und fast singen" 47 . Als „von einem großen Genie" zitiert er Schleiermacher die Zeile „Nirgends dem Blicke endet die schöne Verwirrung und nirgends die Freude" 48 und lehnt dessen Konjekturen ab, die wirkliche Hexameter schaffen wollen. Die hymnische Stilisierung des Textes, der Zeile für Zeile nach griechischen Metren skandiert werden kann, bewirkte offenbar für Fr. Schlegel das Air der Heiligkeit, in Hülsens Naturreligion fand er den „hieroglyphische(n) Ausdruck der umgebenden Natur in dieser Verklärung von Fantasie und Liebe", als den er „jede schöne Mythologie" verstand 49 . 44
Fr. Schlegel an Novalis, Br. v. 20. Okt. 1798 (Preitz S. 130; vgl. ebd. S. 209ff die kommentierende Zusammenstellung). Siehe auch die folgenden Briefe v. 16. Nov. und 2. Dez. (S. 135f. 137ff) und schließlich die Nr. 95 der ,Ideen' (Athenaeum III/l, S. 20f). Die ,Ideen' sind die typisch Schlegelsche Form des obigen Planes. Vgl. auch Walzel S. 421 (Br. v. 7. Mai 1799). Zu Friedrichs späterer Ablehnung solcher Pläne s. Körner (1935) S. 73, aber auch S. 87. Zum sprachphilosophischen Hintergrund des Bibel-Planes s. schließlich noch Nüsse (1962), bes. S. 96f und Patsch (1966) S. 453ff.
45
Br. an Fr. Schlegel v. 7. Nov. 1798 (Preitz S. 132 / Novalis: Sehr. IV, S. 262f) und v. 10. Dez. (ebd. S. 143 bzw. 269), das Fragment „Eine Bibel ist die höchste Aufgabe der Schriftstellerey" (Sehr. III, S.321 Nr. 433; s. auch S.363 Nr. 557; S. 365 Nr. 571), „Vereinigung mit Tieck und Schlegel und Schleyermacher zu diesem Behuf" (S. 557 Nr. 9) - doch s. auch die spätere Ablehnung der ,Idee' 95 Schlegels als „Tollheit" (Sehr. IV, S. 491). Novalis hat dann keine neue Bibel, sondern - in seinen ,Geistlichen Liedern' - die „Probe eines neuen, geistlichen Gesangbuchs" geschrieben (Br. an F. Schlegel v. 31. Jan. 1800) (Preitz S. 156 / Sehr. IV, S.317). Br. III, S. 105, 102; s. auch den Br. an Gries v. 21.1.00 (Autograph, Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg) Br. III, S. 102 ebd. S. 102; s. Athenaeum III/l, S. 49. Zu Schleiermachers Konjektur s. Br. III, S. 105f. Auch A. W. Schlegel hat gerade diese Zeile (wie manches andere) verändern wollen, nur auf Hülsens energischen Protest hin ist sie in dieser Form gedruckt worden (s. MLA VIII, S. 1-12, bes. S. 4ff und S. 30f). Athenaeum III/l, S. 101 (,Rede über die Mythologie' im ,Gespräch über die Poesie'). Fr. Schlegel traf damit nicht Hülsens Intention, der vielmehr erklärte: „Auch in meinen Dichtungen findet Schlegel Religion. Ich weiß davon nichts, und muß förmlich dagegen protestieren" (an Schleiermacher, 13. Apr. 1800, M L A VIII, S. 33). Siehe noch ,Idee' Nr. 107 (Athen. III/l, S. 23) und das Fragment „Hülsens Übertritt zum Christentum wäre der schönste Gewinn für dieses" (KFSA XVIII, S. 399 Nr. 939).
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Kein anderes Werk hat auf Schleiermachers nächsten poetischen Versuch solchen Einfluß gehabt wie dieser Aufsatz des zurückgezogenen Gelehrten und idealistischen Erziehers 50 , der auch in seine Briefe metrische Sätze flocht. Schleiermacher hat mit Hülsen über die Form dieses Werkes debattiert 51 und dabei die Belehrung empfangen, daß es keinen eigentlichen Unterschied zwischen Prosa und Poesie gebe, weil die Sprache nichts anderes ausdrücken könne als „Dichtung überhaupt" und „ohne Rhytmus gar kein Gedanke statt finden kann" 5 2 . Wenn Hülsen später nach der Lektüre der ,Monologen' bemerken konnte, daß diese „gewissermaßen ( . . . ) ein Gegenstück zu meinen Naturbetrachtungen (sind)" 53 , so trifft das nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form zu. Die ,Monologen' sind, nach dem eigenen Zeugnis Schleiermachers, „ein Versuch, den philosophischen Standpunct, wie es die Idealisten nennen, in's Leben überzutragen, und den Charakter darzustellen, der nach meiner Idee dieser Philosophie entspricht. Zu diesem Zweck schien mir die Form, die ich gewählt, die beste zu seyn" 54 . Er hat diese Form in einem langen Brief an Brinckmann gegen den Vorwurf der Künstelei verteidigt und dabei seine künstlerische Absicht dargelegt 55 . Die rhetorische Struktur der ,Reden' habe sich in einem Selbstgespräch verboten, „denn wer wird mit sich selbst rhetorisieren?" Da ein Monolog „offenbar eine Annäherung an das Lyrische" darstelle, mußte die Sprache lyrisiert werden. Ich wollte ein bestimmtes Silbenmaaß überall durchklingen lassen: im zweiten und vierten Monolog den Jamben allein, im fünften den Daktylus und Anapäst, und im ersten und 50
Zu Hülsen s. Haym (1920) S. 502ff und Flitner (1913). Neben den bei Flitner (S. 96-124) und M L A V i l i (S. 1—40) gedruckten Briefen stehen zwei wichtige Briefe dieses selbständigen Denkers bei Körner C I, S. 53-64.
51
D a s ist zu schließen aus Hülsens Brief v. 2. Okt. 1799 ( M L A VIII, S. 8f). Schleiermacher hat offenbar eine völlig hexametrische Fassung gefordert (s. S. 9), wie auch wohl A . W. Schlegel, dem Hülsen am 8. Juli 1799 einen ausführlichen Brief über seine Kunstanschauung schrieb (Flitner S. 102-104). Aufschlußreich ist, daß Flitner (S. 17 A n m . ) berichtet, Hülsen habe Hölderlins ,Hyperion' geschätzt. Der .Hyperion' hat bekanntlich gleichfalls, wenn auch nicht in der Häufung wie bei Hülsen, metrische Partien. Über Hülsen also hat Hölderlin auf Schleiermacher gewirkt, der den ,Hyperion' schwerlich jemals gelesen haben wird.
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M L A V i l i , S . 9 . Ähnliche Gedanken äußert Schleiermacher später in einem Brief an Reimer v. Dez. 1803 (Br. I, S. 338).
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ebd. S. 16 (Br. v. 26. Jan. 1800) Br. IV, S. 55/M I, S. 164 (Br. an Brinckmann v. 4. Jan. 1800). D i e ,Monologen' erschienen Anfang Januar 1800.
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Siehe die Briefe Brinckmanns v. 29. Apr. 1800 ( M L A VI, S . 2 9 ) und 30. Mai ( S . 3 0 ) , Schleiermachers Replik v. 27. Mai (Br. IV, S. 65ff).
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dritten hatte ich mir etwas Zusammengesezteres gedacht ( . . . ) Das gestehe ich Dir aber gern, daß der Jambe stärker gewesen ist als ich, und sich im zweiten und vierten Monolog etwas unbändig aufführt 5 6 .
Dieses Bauprinzip ist es, das Schleiermachers Sprache mit der Hülsens verbindet. Friedrich Schlegel hat ihre verschiedene Ausprägung als hexametrische und jambische Tendenz bezeichnet und sie „jetzt, da der Numerus und Prosa anfangen zu entstehen" 57 , für grundsätzliche Möglichkeiten des Schreibens überhaupt erklärt 58 . Für ihn gehört diese Form „zu denen, die sich selbst durch ihre innere Consequenz hinlänglich constituiren" 59 . Man kann den Text der ,Monologen' 6 0 fast durchweg skandieren, und wenn Elision erlaubt wäre, könnten häufig einwandfreie griechische Metren hergestellt werden. Ein Beispiel für die jambische Tendenz des zweiten Monologes: Wer sich zu dieser Klarheit nie erheben kann, den treibt vergeblich dunkle Ahndung nur umher, vergebens wird er erzogen und gewöhnt, und sinnt sich tausend Künsteleien aus ( . . .) 61 Wenn man den Text absetzt, wird über der rhythmischen auch die Versstruktur deutlich. Gelegentlich begegnen Alexandriner: Was sie Gewissen nennen, kenne ich nicht mehr; es straft mich kein Gefühl, es braucht mich keines zu mahnen. Auch streb ich nicht seitdem nach der und jener Tugend ( . . .) 6 2 Das Kennzeichnende dieser Sprache ist, daß nicht nur einzelne Zeilen wie zufällig einem Versmaß entsprechen, sondern daß ganze Perioden in der obigen Weise gegliedert werden können. 56
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Br. IV, S. 67. Interessant zu sehen ist, daß Schleiermacher ein Jahr später bei der Rezension des „Charaktergemäldes" ,Herr Lorenz Stark' von J. J. Engel bei dessen hexametrischem Stil fragt, „ob hierbei Mangel an Gehör, oder eine neue bisher unerhörte Theorie von dem prosaischen Rhythmus zu Grunde läge" (Br. IV, S. 572). Br. III, S. 180f (Br. v. 2. Juni 1800) ebd. S. 181: „Das große Uebergewicht der ersten Tendenz bei Hülsen ist Dir gewiß auch aufgefallen, wir haben ja schon so oft davon gesprochen. Ritter schreibt, wenn er sich regen und schwingen will, reine Jamben. So auch manches von mir. Auch bei Dir glaubte ich sonst diese Tendenz überwiegend. Doch waren vielleicht ursprünglich schon beyde da." Vgl. auch Dorotheas Bemerkung MLA VII, S. 70. Br. III, S. 177 (Br. o. D., Mai 1800). Rahel Levi fand 1801 in den .Monologen' „Egmont'sche Dichtersprache, aber aus Eingebung und hoher Stimmung, sehr natürlich" (an Wilh. Bokelmann, 13. Juni. Rahel-Bibliothek VIII, S. 150). Ich zitiere nach der kritischen Ausgabe von Schiele/Mulert (1914). ebd. S. 27 S. 28. In der zweiten Aufl. von 1810 heißt es bezeichnenderweise „so nicht mehr"!
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Zuletzt ein Beispiel für die angestrebten Daktylen im fünften Monolog: Frühe sucht Manchen das Alter heim, das mürrische dürftige [hofnungslose, und ein feindlicher Geist bricht ihm ab die Blüthe der Jugend, wenn sie [kaum sich aufgethan; lange bleibt Andern der Muth, und das weisse Haupt hebt noch und schmükt Feuer des Auges und des Mundes freundliches Lächeln. 63 Es verwundert nicht mehr, daß Schleiermacher später Distichen und metrische Übersetzungen gewagt hat. Auch die Stilisierung der ,Monologen' stellte eine Vorübung dar, „um Schlegels würdiger Genösse im Übersetzen des Plato zu sein" 64 - er, der im zweiten Monolog bekennt, daß er auszuschließen sei „aus dem heiligen Gebiet der Künstler" 65 . Mit merkwürdigen Sätzen schließt Schleiermacher den vierten Monolog, der ,Aussicht' überschrieben ist: Es ist das höchste für ein Wesen wie meines, dass die innere Bildung auch übergeh in äussre Darstellung, denn durch Vollendung nähert jede Natur sich ihrem Gegensaz. Der Gedanke in einem Werk der Kunst mein innres Wesen, und mit ihm die ganze Ansicht, die mir die Menschheit gab, zurükzulassen, ist mir die Ahndung des Todes. Wie ich mir der vollen Blüthe des Lebens bewusst zu werden anfing, keimte er auf, jetzt wächst er in mir täglich und nähert sich der Bestimmtheit. Unreif, ich weiss es, werd ich ihn aus freiem Entschluss aus meinem Innern lösen, ehe das Feuer des Lebens ausgebrannt ist; liess ich ihn aber reifen und vollkommen werden das Werk: so müsste dann, so wie das treue Ebenbild erschiene in der Welt, mein Wesen selbst vergehn; es wäre vollendet. 6 6
Wieweit der Gedanke, daß das vollkommene Kunstwerk den Künstler das Leben koste, literarischer Topos oder Koketterie ist, vermag ich nicht zu entscheiden. Auf jeden Fall haben wir hier eine bedeutsame Auskunft über den Plan eines Romans vor uns, mit dem Schleiermacher sich damals trug, der alles enthalten sollte, was er vom Menschen und dem menschlichen Leben zu verstehen glaubte 67 . Daß dazu die Form des Romans nötig sei, entsprach der Forderung Friedrich Schlegels, gemäß derer dessen Lehren solche sein müßten, „die sich nur im Ganzen mittheilen, nicht einzeln beweisen, und durch Zergliederung erschöpfen lassen ( . . . ) Sonst wäre die rhetorische Form ungleich vorzüglicher" 68 . Für dieses Werk konnten die ,Reden' und die ,Monologen' nur - rhetorische - Vorstudien 63
S. 84
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Br. IV, S. 71f
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Monologen S. 36, vgl. S. 34.
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S. 82, s. dazu auch Dilthey, Ges. Sehr. XIII/1, S. 460.
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Siehe die Erörterung dieses Planes am Ende dieses Kap.!
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Athenaeums-Fragment Nr. 111 (Ath. 1/2, S. 203)
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sein. Als Vorbilder konnte Schleiermacher die Werke Rousseaus und Jacobis, besonders aber Goethes ,Meister' vor Augen haben. Schleiermacher hat von seinen frühen Werken die ,Monologen' stets am meisten geliebt, auch wenn er sie in der äußeren und inneren Form nicht wieder nachgeahmt hat. Auf kein anderes seiner Werke hat er ein Gedicht gemacht 69 , in keinem anderen hat er sich selbst idealisiert gesehen 7 0 . Ungern jedoch gedachte er später seines nächsten Werkes, der (anonymen) Verteidigungsschrift ,Vertraute Briefe über Friedrich Schlegels Lucinde'71. Auch hier wählte er eine literarische Form: er fingierte Briefe 7 2 und fügte - nach Schlegels Vorbild - einen ,Essay über die Schaamhaftigkeit' ein. Die Brüder Schlegel waren - vom Gehalt ganz abgesehen - von Form und Stil sehr angetan, sie rühmten vor allem die Kunst der Nachahmung des weiblichen Stils in den Briefen der Frauen 73 . So konnte sich Schleiermacher durch dieses Lob von Neuem zum Schreiben eines Romans angeregt sehen 74 , den sich Dorothea denn auch nicht anders als in Briefform denken konnte 75 . Eine andere Form, über die Schleiermacher viel nachgedacht hat, ist die des Dialogs. Seine Beschäftigung mit Piaton ließ ihn in seinem,Dialog
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,An Charlotte Kathen. Mit den Monologen' (s. das folgende Kap. und den Kommentar oben S. 103f!) s. Br. II, S. 137Í/M III, S. 144f (Br. an Henriette v. Willich v. 18. Sept. 1808). Vgl. auch den Br. an Charlotte Pistorius v. 28. Juli 1804 (Br. I, S. 401 / M I, S. 347). Hamburg 1800. Das Werk erschien im Juli 1800 (Br. III, S. 195). Den Plan faßte S. noch 1799 (s. Br. III, S. 121, 137, 139). Gleichzeitig rezensierte Schleiermacher das Buch des Freundes im Juli 1800 im Berliner ,Archiv der Zeit und ihres Geschmacks' (abgedr. Br. IV, S. 537-540). Diese Form haben auch S. s ,Briefe bei Gelegenheit der politisch theologischen Aufgabe und des Sendschreibens jüdischer Hausväter. Von einem Prediger außerhalb Berlin' (1799). Schleiermacher hat sich auch später noch der Briefform in Auseinandersetzungen bedient. Siehe Friedrichs Br. v. 5. Mai 1800 (Br. III, S. 173) und das Lob in der ,Europa' 1/1, 1805, S. 54, auch Dorotheas Br. v. 28. Apr. 1800 ( M L A V I I , S. 56). Zu A. W. Schlegel undTieck s. Br. III, S. 186f; Fichtes Urteil in seinem Br. an Fr. Schlegel v. 16. Aug. 1800 (Körner A, S. 2/Ges. Ausg. III/4, S. 284); heftige Ablehnung bei Gentz (Br. v. 25.4.1803 und 17.9.03 an Brinckmann, Briefe ed. Wittichen Bd. II, S. 122.154f). Zur geistesgeschichtlichen Bedeutung dieser Schrift, auf die es mir hier nicht ankommen kann, s. Kluckhohn (1931) S. 424-463 und die treffliche Einleitung von Eichner (KFSA V, S.XLVIff)! Vgl. neuerdings Dierkes (1983). Br. an Fr. Schlegel v. 8. Aug. 1800 (Br. III, S. 125 / M I, S. 182) Br. v. 15. Mai 1800 ( M L A V I I , S. 62)
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über das Anständige'16 einen sokratischen Dialog nachahmen, den Sophron und Kallikles im Berliner Tiergarten führen. Seine Begründung für die Wahl dieser Form ist wie bei den ,Monologen' eine philosophische: Dialogen müssen sich von Essays durch Nebenabsichten unterscheiden. Reine Begriffsbestimmungen müssen nur in Essays gegeben werden. Doch scheint auch das Verhältniß des wahren Begriffs zum hergebrachten die Form zu bestimmen. Kann das hergebrachte zum Grunde gelegt werden, wie ich beim Essay über die Schaamhaftigkeit gethan habe: so ist Essay gut. Muß von Grund aus gegen ihn polemisiert werden: so muß Dialog sein 77 .
Diese Bestimmung des Dialogs als eine polemische Gattung läßt verstehen, warum Schleiermacher eine ganze Reihe von philosophischen Dialogen geplant hat: auf Kant, Reinhold, Fichte, Schelling, Spinoza 78 , auf Themen wie Treue, Scherz, Kunst, Selbstmord usw.79. Auch hören wir von dem Plan einer Nachbildung des platonischen Symposions, das mit einer Lobrede auf Christus enden sollte 80 . Wenn Schleiermacher Piaton und seine eigenen Dialogen-Pläne auch einmal seinen „einzigen Trost" genannt hat81, so hat er doch, wie es scheint, kein einziges dieser Vorhaben verwirklicht. Seine Auseinandersetzung mit den kritisierten Philosophen geschah in der wissenschaftlichen Form der ,Kritik der bisherigen Sittenlehre' von 1804. Aus einer Zeit innerer Not und äußerer Anstrengung stammt das einzige Werk Schleiermachers, das eine wirkliche künstlerische Form hat und von ihm selbst untertreibend als einem Kunstwerk „ähnlich" angesehen wurde, die ,Weihnachtsfeier'S2. Schleiermacher schrieb das kleine 76
Von Dilthey aus der Handschrift hg. (Br. IV, S. 503-533). Der Plan entstand im Zusammenhang mit den Lucinde-Briefen (s. Denkmale S. 121). Fr. Schlegel erwähnt das Gespräch im Mai 1800 (Br. III, S. 178), A. W. Schlegel am 16. Juni (Br. III, S. 186), Schleiermacher lehnt am 28. Juni die Veröffentlichung ab, „theils weil noch Eins dazu gehört, theils weil ich es noch einmal hätte umschreiben müssen" (EK S. 747). Zur geplanten Umschreibung s. Denkmale S. 127 (1802). - S. s Dialog bespricht Hirzel (1895) I, S. 559, II, S. 431, s. auch S. 421ff. Ein paar Sätze auch bei Haym (1920) S. 590.
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Denkmale S. 127 (Fragment Nr. 41) s. Denkmale S. 122f (Kant, Reinhold), S. 138ff (Schelling, Fichte), S. 140 (Spinoza). s. Denkmale S. 127ff. 136ff. 141. Siehe Schleiermacher an Fr. Schlegel, Br. v. 24. Jan. 1801: „ ( . . . ) ist mir ( . . . ) der philosophische Dialog wieder recht ins Gemüth gekommen, und ich habe fest beschlossen diesen Sommer einige zu schreiben. Sie sind moralischen Inhalts, und können auf gewisse Weise avant-coureurs sein" (Br. III, S. 258 / M I, S. 200). Vgl. auch Br. III, S. 261 / M I, S. 201 und M L A V I I I , S. 46 (Vermehren an S., Br. v. 28. Jan. 1802). Siehe Gaß an Schleiermacher, Br. v. 28. Nov. 1819, vom Sommer 1804 ausgesagt (G S. 181). Das entspricht dem in den ,Denkmalen' S. 141 Nr. 166 skizzierten Plan. Br. an Reimer v. 11. Nov. 1803 (Br. III, S. 370/M I, S. 320); vgl. Br. III, S. 360. Das Büchlein erschien in einem Teil der Auflage anonym, in den in Halle und Berlin ausgegebenen Exemplaren fehlte der Name des Verfassers (s. Br. an Gaß v. 5. Jan. und 4. Febr. 1806, G S.41f).
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Werk in drei Wochen. Es sollte (wie die ,Monologen' eine „Neujahrsgabe") eine Weihnachtsgabe werden, erschien aber erst im Januar 1806. Der Form nach ist die ,Weihnachtsfeier' eine Rahmenerzählung, die (in oftmals unverkennbar goethisierender Sprache) einen Zyklus von je drei Erzählungen und „Reden" enthält83. Schleiermacher läßt - mit deutlichen Porträts84 - eine Weihnachtsgesellschaft sich versammeln, aus deren Plauderei die Weihnachtserzählungen der Frauen und die philosophisch-theologischen Reden der Männer über den Grund der Festfreude erwachsen. A.W. Schlegel, Goethe, Jean Paul werden namentlich erwähnt; die Frauen singen Hardenbergs ,Geistliche Lieder' 85 ; die Themen des Gesprächs sind die religiöse Erziehung, das Verhältnis von Kunst und Religion, die christologischen Grundlagen des Weihnachtsfestes. Das Ganze ist in künstlerischer Form, aber ohne die sprachlichen Finessen der ,Monologen', eine nachdenkliche Besinnung über die weihnachtliche Freude. 86 Die ,Weihnachtsfeier' ist Höhepunkt und Abschluß der poetischen Versuche Schleiermachers. Er verwertete in ihr die Erfahrungen seiner vorherigen Werke und verknüpfte die erprobten Formen. Der Anredecharakter der ,Reden' und die gedankliche Führung der ,Monologen' finden sich in den Reden der Männer wieder, der platonisierende ,Dialog über das Anständige' wird in das lebendige Gespräch der Familie transformiert. Neu ist, wie Schleiermacher selbst bekennt 87 , der Versuch in der Gattung 83
Gewöhnlich wird die ,Weihnachtsfeier' nur nach ihrem Gedankengehalt, d. h. primär nach ihrer Christologie, untersucht, die Form wird mit ein paar nichtssagenden Sätzen abgetan. Vgl. zuletzt Hirsch (1968) S. 7-52 und Quapp (1978). Zur Entstehung s. Borsch (1957).
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Das äußerliche Vorbild für die Gesellschaft ist wohl das Reichardtsche Haus, in dem Schleiermacher während seiner Hallenser Zeit viel verkehrte (s. dazu das Kap. über die Charaden!). Porträts gibt S. von Charlotte von Kathen (s. S. 88ff und dazu Br. II, S. 50/ M II, S. 51 und Br. II, S. 63 / M II, S. 63); das Kind Sophie soll eine Anspielung auf Sophie von Kühn sein; bei Ernestine hat S. „ein Bild ( . . . ) vorgeschwebt, was ich mir selbst nach Erzählungen, die vielleicht nicht die getreuesten waren, entworfen habe von einer Schwester von Schlegel in Dresden (sc. Charlotte Ernst)" (Br. v. 21. Febr. 1809 an H. Willich, M III, S. 346). S.76 ,Ich sehe dich in tausend Bildern' (Novalis, Sehr. I, S. 177), S.87 ein Vers ,Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt' (ebd. S. 173). Im ,Musen-Almanach für das Jahr 1802' sind unter Hardenbergs ,Geistlichen Liedern' (S. 189-204) diese beiden nicht abgedruckt; S. kannte sie aus der Ausgabe der Werke von 1802, wenn nicht schon seit Nov. 1799 in einer Abschrift Fr. Schlegels für den zunächst geplanten Druck im , Athenaeum' (s. Br. III, S. 134). Von ihm lieben „Liedern" Hardenbergs spricht er in einem Br. an Brinckmann v. 22. Apr. 1800 (Br. IV, S. 65). Vgl. noch Novalis: Sehr. I, S. 121f. Zur Interpretation s. Sattler (1923), Sommer (1973) und zuletzt Scholtz (1981) S. 31^45. Zur zeitgenössischen Rezeption - bekannt ist vor allem Schellings Rezension in der J A L Z geworden - s. meinen Aufsatz (1985)! Br. an Henriette Herz v. 17. Jan. 1806 (Br. II, S. 50 / M II, S. 50); s. auch Br. III, S. 408!
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der Erzählung. In der Verknüpfung der Formen ist, literaturgeschichtlich gesehen, für die Gattung der Rahmennovelle das Vorbild Goethes ,Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten' von 1795, für die in ein Gespräch eingestreuten Vorträge Friedrich Schlegels ,Gespräch über die Poesie' aus dem ,Athenaeum' von 180088; für das Ganze ist gewiß, neben Piatons ,Symposion', auch Schellings ,Bruno. Ein Gespräch' von 1802 bedeutsam geworden. 89 Mit dieser auch literarisch interessanten Zusammenfassung seiner poetischen Studien und Erfahrungen Schloß Schleiermacher seine Versuche auf dem Gebiet der Prosa ab, der Professor der Theologie behandelte die Kunst fortan im Rahmen seiner Ethik und Ästhetik. Gelegentlich wurde bereits bei der Besprechung der gedruckten Werke auf Pläne Schleiermachers hingewiesen, die unausgeführt blieben. In nahezu allen Formen der Literatur wollte er sich versuchen; wie Friedrich Schlegel ist er über Pläne nie hinausgekommen. Wir hören von Novellen, Dialogen, Komödien. Doch sein Ehrgeiz sah als Ziel seines künstlerischen Tuns einen Versuch in den großen Formen der Literatur an: im Roman und in der Tragödie. Nur auf dem Hintergrund dieser weit ausgreifenden Pläne ist sein schließlicher Verzicht auf künstlerische Betätigung recht zu würdigen. Aus der Tatsache, daß ihm nach dem Urteil seiner Freunde die Erzählungen in der ,Weihnachtsfeier' auf den ersten Anhieb so gut gelungen waren, schöpfte Schleiermacher die Hoffnung, „daß ich die Novellen, die ich im Sinne habe, wol würde schreiben können, wenn ich dazu käme" 90 . In den Fragmentenheften finden wir die Themen dieser geplanten „Standes- und Sittenschilderungen"91. Doch nicht nur Novellen hatte 88
Athenaeum III/l, 1800, S. 58-128.169-187. Hinzu kommt auch das ,Gespräch über die neuesten Romane der Französinnen' in der ,Europa' (Bd. 1/2, S. 88-106) von Dorothea, das Schleiermacher - der es Fr. Schlegel zuschrieb - „herrlich" fand (Br. an Reimer v. 26. Okt. 1803, Br. III, S. 369).
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S. erwähnt dieses Werk in einem Br. an Willich v. 15. Juni 1802 (MLA IX, S. 45) und in seiner Schelling-Rezension von 1804 (Br. IV, S. 593). S. auch Fr. Schlegels Br. an Schleiermacher v. 15. Sept. 1802 (Br. III, S. 322) und die kritisch lobende Besprechung in der ,Europa' 1/1, S. 56f! Auf das ,Symposion' spielt Schleiermacher in der ,Weihnachtsfeier' selbst an, vgl. S. 52 mit Symposion 198a-199a (Scholtz, 1981, S. 33). Br. an H. Herz v. 17. Jan. 1806 (Br. II, S. 50/M II, S. 50). Denkmale S. 140f (Fragment Nr. 160): „1. Der Arzt gezwungen seinem (vermeinten?) Nebenbuhler das Leben zu retten. 2. Die Putzmacherin, welche die Braut ihres Geliebten schmücken soll. 3. Der Haarkräusler als Diener der Intrigue. 4. Die Reise auf der Post. Noch ganz dunkel." Siehe auch den Br. an H. Herz v. 21. Juni 1803 (Br. I, S. 370 / M I , S. 306).
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Schleiermacher im Sinn. Wir finden z.T. umfängliche Schemata von Tragödien 92 , Märchen93, den Plan einer „philosophierende(n) Erzählung"94 und den eines Romans 95 . In einem Brief hören wir von einer „Komödie auf Fichte, die aber schwerlich fertig und gewiß nie gedruckt werden wird"96. Eine Antigone-Übersetzung gedieh nicht über die Anfänge hinaus97, eine gemeinsame Übersetzung der griechischen Tragiker mit A. W. Schlegel kam nicht zustande 98 . Der Plan, einen Roman zu schreiben, beschäftigte Schleiermacher lange Zeit. Am 5. Juli 1799 schrieb er an Henriette Herz: Schlegel hat mir lezthin verschiedentlich demonstrirt, ich müßte einen Roman schreiben; meine religiösen Ideen über Liebe, Ehe und Freundschaft ließen sich nicht anders mittheilen, und mitgetheilt sollten sie werden, also müßte ich den Roman auch schreiben können. Ich habe ihm gestanden, ich hätte es schon seit einiger Zeit als meinen Beruf gefühlt, ich zweifelte aber am Können, und das thue ich auch n o c h " .
Diese Briefstelle läßt das Thema des geplanten Romanes erkennen, aber auch den Grund, warum er schließlich nicht geschrieben wurde. Wahrscheinlich enthält das unter der Überschrift „Idee zu einem Roman: Geschichte eines geistigen Faublas" (= Frauenverführers) überlieferte Fragment100 den Inhalt der Handlung: (Ein Mann) liebt drei Frauen und einige Mädchen, tritt die ab die er genoßen hat, behält die die er nicht genießt und will die nicht genießen die er liebt. Er ist immer zwischen Liebe und Freundschaft. Die eine ist höchst eifersüchtig die zweite höchst unbefangen und die dritte höchst discret. Die Intrigue entsteht daraus daß er nicht länger eine vor der andern geheim halten kann. Kein tragisches E n d e ( . . . )
Das Kolportagehafte dieser Konstellation erklärt sich ganz aus den von Friedrich erwähnten „religiösen Ideen über Liebe, Ehe und Freund92
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Denkmale S. 119 Plan einer Tragödie, in der Schwiegervater und künftiger Eidam verschiedene politische Grundsätze, bei revolutionären Umständen, vertreten ; S. 142 Plan einerTragödie aus dem Kreuzfahrermilieu. Siehe auch den Br. an H. Herz v. 2. Aug. 1803 (MI,S.311). Denkmale S. 140 ebd. S. 109 Nr. 186/KGA 1/2, S.42: „Darstellung eines Menschen, der immer fragt, aber warum soll ich denn glücklich sein?" Ebd. Nr. 187: „Geschichte eines geistigen Faublas". Vgl. dazu das Folgende! Br. an H. Herz v. 21. Juni 1803 (M I, S. 306f / Br. I, S. 370). Vgl. das Epigramm auf Fichte (Epigramm Nr. 4; dazu, daß es auf Fichte geht, s. den Kommentar)! Siehe Schleiermachers Br. an A. W. Schlegel v. 12. Okt. 1803 (EK S. 772). Vielleicht ist in dem Bruchstück Br. III, S. 373 von dieser Übersetzung die Rede. Vgl. A. W. Schlegel an Schleiermacher, 26. Sept. 1803 (Br. III, S. 364), Schleiermacher an A. W., 12. Okt. 1803 (EK S. 771); auch A. W. an S., 7. Sept. 1801 (Br. III, S. 290f) und Caroline an A. W., 10. Dez. 1801 (Caroline II, S.233) (zur Sophokles-Übersetzung). Br. I, S. 230/M I, S. 157 KGA 1/2, S. 42 Nr. 187 (Denkmale S. 109 verstümmelt)
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Schaft", und Schleiermacher hat ausdrücklich betont, daß aus seinen Vertrauten Briefen über Friedrich Schlegels Lucinde' und aus seiner Anzeige im Berliner Archiv der Zeit 101 „eine Ahndung" seines Romans, der sich „innerlich tüchtig aus(arbeite)", genommen werden könne 102 . Daß Schleiermacher seine Ideen gerade in einem Roman darlegen wollte, war für den Kreis der frühromantischen Freunde nahezu selbstverständlich. In einem seiner Fragmenthefte hatte Fr. Schlegel einen Satz geschrieben, den Schleiermacher mit Sicherheit gelesen hat: Jeder progressive Mensch trägt einen nothwendigen Roman a priori in seinem Innern, welcher nichts als der vollständigste Ausdruck seines ganzen Wesens (ist) 103 .
Diesen Ausdruck seines ganzen Wesens darzustellen, war die Aufgabe, der er sich gestellt sah, wenn er an der „Poesie der Neueren" Teil haben wollte 104 . Er bereitete sich auf das neue Genre sorgfältig theoretisch vor, versuchte eine gattungsmäßige Eingrenzung und Klärung und plante zu diesem Zweck sogar, ein Buch über die deutsche Literatur zu schreiben105, ein Unternehmen, das dann der ,Vertrauten Briefe' wegen unterblieb. Die Schlegels ermunterten Schleiermacher sehr zu seinem Roman, besonders Dorothea, die damals gerade ihren ,Florentin' schrieb106. Doch Schleiermacher erkannte bald seine Grenze, schon Ende 1800 hat er das Projekt in ferne Zukunft gerückt. In einem Brief an seine Schwester über die Herrnhuter Gemeinde schreibt er: Ich möchte Dich beinah bitten, auf diese näheren Erörterungen noch zehn Jahre zu warten, dann sollst Du sie in ihrem ganzen Zusammenhange in einem Roman finden, den
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abgedr. Br. IV, S. 537-540 Br. an Fr. Schlegel v. 8. Aug. 1800 (Br. III, S. 215 / M I, S. 182); s. auch Fr. Schlegel an Schleiermacher, o. D. (März/April 1800) (Br. III, S. 163). Literary Notebooks S. 71 Nr. 572. Daß Schleiermacher Schlegels Fragmentenhefte kannte, ist durch Walzel S. 343 und S. 351 bezeugt. - Vgl. auch A. W. Schlegels Bemerkung zum Roman im ,Athenaeum' 1/1, 1798, S. 149. Siehe Denkmale S. 116/KGA 1/2, S. 122: „Ist nicht der Roman eigentlich die einzige Poesie der Neueren? Alles andre ist ihnen fremd. Ihr Drama hat seinen Ursprung in der Novelle und neigt immer dazu hin; und das beste lyrische ist theils im Roman, theils muß man einen darum herum machen um es zu verstehen". Siehe Fr. Schlegel an Schleiermacher, 6. Jan. 1800 (Br. III, S. 145), Schleiermacher an A.W. Schlegel, 18. Jan. 1800 (EK S.737) und 23. Dez. 1800 (EK S.764). In Tagebuch II (Denkmale S. 115ff = Gedanken III: KGA 1/2, S. 122ff) befinden sich unter der Überschrift „Poesie" eine lange Reihe von Fragmenten, die sich mit Problemen der Literatur und Kunst befassen. Fr. Schlegels Einfluß auf diese Gedanken ist dabei unverkennbar. ML A VII, S. 61f. 96
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ich einmal schreiben will und der alles enthalten soll, was ich vom Menschen und dem menschlichen Leben zu verstehn glaube 107 .
Diese Erweiterung des Themas zeigt den universalen Aspekt, unter dem Schleiermacher seinen Roman sah, und es ist verständlich, wenn er später in Anbetracht seines Unvermögens bekennen konnte: „Oft habe ich ( . . . ) an den Roman gedacht, den ich einst zu schreiben hoffte, nun aber nicht schreiben werde, und ich habe mehrere Male herzlich geweint" 108 . Die Art und Weise, wie er sich zeitweise überschätzen konnte und wie er zugleich vom Kunsturteil der Romantiker abhing, zeigen Schleiermachers Äußerungen über Schiller109. Die Brüder Schlegel standen bekanntlich in sehr gespanntem Verhältnis zu Schiller110, Schleiermacher - der Schiller nie gesehen hat - ist ihr eifrigster Nachahmer gerade da, wo er am wenigsten kompetent ist111. Schillers Kunstanschauungen hält er für unreif und schwankend112. Er drängt auf eine „Teufeley" auf das „risible Subjekt" im satirischen ,Reichsanzeiger' des ,Athenaeums' 113 und bedauert A. W. Schlegels Ablehnung, dem an einem guten Verhältnis zu Goethe mehr gelegen ist „als an allen Teufeleyen der Welt"114. Den ,Wallenstein' und die ,Maria Stuart' lehnt er ab, ehe er die Stücke kennt115, desgleichen die ,Braut von Messina'116. Besonders kennzeichnend ist die Art und Weise, wie Schleiermachers Rezensionswunsch von Schillers ,Macbeth' motiviert ist. Schleiermacher schreibt am 17. Mai 1801 an Henriette Herz: 107
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Br. an Charlotte Schleiermacher v. 27. Dez. 1800 (Br. I, S. 252 / M I, S. 193). Vgl. das oben angeführte Zitat aus den ,Monologen'! Br. an Willich v. 10. Aug. 1803 (MLA IX, S. 70). Zur Aufgabe des Roman-Planes s. auch den Br. v. 21. Juni 1803 an H. Herz (M I, S. 306f / Br. I, S. 370). Auf die Darstellung der interessanten Verhältnisse zu Goethe, Novalis, Tieck, Jean Paul, zu den Werken der Brüder Schlegel, die in der Literatur z. T. noch gar nicht, z. T. schon lange nicht mehr behandelt wurden, muß ich im Rahmen dieses Abrisses verzichten. Z u Goethe vgl. Scholz (1913), zu Novalis Sommer (1973), zu Fr. Schlegel die in der Einleitung genannte Literatur. Körner (1924) Eine fast vollständige Zusammenstellung der Zeugnisse sowie eine treffliche Charakterisierung enthält die Sammlung von Borcherdt (1948) S. 62-67.564-575. Hinzuzufügen wären Br.IV, S. 98.578. In der Rezension von ,De Piatonis Phaedro' von Fr. Ast heißt es: „ ( . . . ) nur ist es zu bewundern, daß er sich in der Theorie des Kunst= und Schönheits=Sinnes so oft bei den Schillerschen Ideen, denen man doch das Unreife und Schwankende so leicht abmerkt, hat beruhigen können" (Br. IV, S. 578). Br. an A. W. Schlegel v. 5. Okt. 1799 (EK S. 594), vgl. Br. v. 24. Dez. 1799 (S. 599ff). Br. an Schleiermacher v. 1. Nov. 1799 (Br. III, S. 131) EK S. 594; M I, S. 197 / Br. I, S. 257; Br. III, S. 261 / M I, S. 201 M I, S. 307 / Br. I, S. 370
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„Schiller's Macbeth (ist) da, von dem [A. W.] Schlegel wunderliche Dinge erzählt, so daß es mich grausam in den Fingern juckt ihn zu recensiren" 117 . Der Entschluß zur Rezension ist also gefaßt, ehe Schleiermacher das Werk kennt; vielleicht hat Schlegel ihn selbst dazu aufgefordert und blieb selbst im Hintergrund. Schleiermachers umfängliche Rezension erschien am 30. Juli 1801 in der Erlanger Literaturzeitung 118 . Zwar rühmt er Schiller darin als einen der größten Dichter, seine Macbeth-Bearbeitung aber verreißt er mit philologischer Akribie. Jede Abweichung vom Originaltext wird getadelt, Übersetzungsschnitzer und Abhängigkeit von Eschenburgs Prosaübersetzung werden genau nachgewiesen, die Versbehandlung wird als unshakespearehaft gerügt. Schillers Macbeth hinterlasse „bei aller Treue und Aehnlichkeit ( . . . ) einen ganz andern Eindruck ( . . . ) als der englische" 119 , so daß erwiesen sei, „daß jede Aenderung, die man sich, aus welchem Grunde es auch sei, vermeintlich nur am Einzelnen erlaubt, dennoch ins Ganze eingreift, und daß es im Shakespeare wirklich eine unverlezbare Einheit und Ganzheit giebt" 120 . Die implizite Forderung ist demnach eine vollständige und getreue Übersetzung, und daß Schleiermacher dabei an A. W. Schlegel dachte, bedarf keines Nachweises 121 . Der Kunstrichter getraute sich auch, Schiller als Künstler zu übertreffen. Die J o h a n n a von Orleans' gefiel ihm zwar besser als erwartet, nur ist sie ihm zu unhistorisch. „Ich habe alles, was man historisch von ihr weiß, jezt gelesen und glaube, daß sich doch noch etwas ganz anderes hätte daraus machen lassen" 122 . Ein Jahr später möchte Schleiermacher die ,Braut von Messina' rezensieren, denn „ich könnte dabei recht viel von meinen Gedanken sagen" 123 - dabei kennt er das Stück nur aus einem Aufführungsbericht 124 . Der Wunsch, es besser zu machen als Schiller, läßt nicht auf sich warten:
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Br. v. 17. Mai 1801 (M I, S . 2 0 7 / Br. I, S.266). Zu A . W . Schlegels Beurteilung der Macbeth-Bearbeitung Schillers s. Böcking II, S. 212f und Körner (1924) S. 72f. 149 sowie Caroline an A . W., Br. v. 25. Mai 1801 (Caroline II, S. 152).
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abgedr.Br. IV, S. 540-554
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Br. IV, S. 548
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ebd. S. 541
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A . W. Schlegel war die Rezension desungeachtet zu wenig scharf und „zu gründlich und philologisch" (Br. an Schleiermacher v. 7. Sept. 1801, Br. III, S. 290). Siehe S. s. Antwort (EK S. 767f). Caroline rechnete die Rezension „nicht zu seinen besten" (Caroline II, S. 216).
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Br. an Willich v. 13. Jan. 1802 ( M L A I X , S. 33)
123
Br. an H. Herz v. 9. Juli 1803 (Br. I, S. 372f / M I, S. 308)
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Siehe Br. an H. Herz v. 21. Juni 1803 (Br. I, S. 370 / M I, S. 307)
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D i e Braut von Messina hat mich nicht nur kritisch afficirt, sondern mir auch große Lust erregt es mit einer Tragödie zu versuchen, in demselben Styl und unter ganz gleichen äußeren Bedingungen. U n d darf ich Dir's ins Ohr sagen, ich glaube, ich würde alles besser machen, nur daß es mir schwer werden würde, eine so schöne Fabel als diese zu erfinden, und erfinden müßte ich mir wol meine eigne 1 2 5 .
Ein Fragmentenheft aus diesen Tagen enthält denn auch einen ausführlichen Plan zu einer Tragödie von der Heimkehr eines Kreuzfahrers 126 , der seine Anleihe bei der ,Braut', vor allem aber an Lessings ,Nathan' nicht verleugnen kann. Der zitierte Satz aus dem Brief vom 2. August 1803 geht folgendermaßen weiter: Von dem Bessermachen sind selbst die Verse nicht ausgenommen, denn Schiller hat sich unzählige Fehler und Härten erlaubt, die oft durch eine Kleinigkeit wären hinweg zu wischen gewesen 1 2 7 .
Ein Jahr später nennt Schleiermacher Schillers Hexameter „elend" 128 . Hinter diesem Urteil steht die Erfahrung dessen, der sich inzwischen selbst an griechische Metren gewagt hat. Wie ich in meinem Kommentar zeige, stammen Schleiermachers Gedichte zum allergrößten Teil aus dem Jahr 1803. Dieses Jahr ist, wenn man so sagen darf, das „Künstlerjahr" Schleiermachers, in ihm kulminieren die geschilderten poetischen Versuche, der Geistliche blieb hinter seinen dichtenden Freunden nicht mehr „allein im Gebiet der Prosa zurück" 129 . Wie hoch er sein Können schätzte, zeigen seine Urteile über Schillers Verse. Wer aber Schiller kritisiert, muß es sich auch gefallen lassen, an ihm gemessen zu werden.
125
Br. an H. Herz v. 2. Aug. 1803 (M I, S. 311 - Dilthey hat diese Stelle unterschlagen).
126
Denkmale S. 142 Nr. 175
127
s. A n m . 125. Im Text steht „Bessermacher" (verdruckt).
128
Br. an Brinckmann v. 1. Aug. 1804 (Br. IV, S. 98)
129
Siehe Br. an A . W. Schlegel v. 29. März 1800 (EK S. 739)!
Die Probe mit dem Kunstsinn Im Sommer 1800 erschienen A. W. Schlegels „Gedichte" und damit die erste rein poetische Sammlung eines Autors aus dem Romantiker-Kreise. Die poetischen Werke des älteren Schlegel sollten von da an in formaler Hinsicht das Maß sein, das Schleiermacher sich setzte (und an dem er letztlich verzagte). Aber nicht nur bei A. W. Schlegel hatte das Gemeinschaftsleben der sich konstituierenden „romantischen Schule" in Jena seit dem Herbst 1799 zu einer „Hochflut von Gedichten" 1 geführt, von denen dem in Berlin zurückgebliebenen Schleiermacher Nachrichten und Beispiele gegeben wurden. So erhielt er, mit einem enthusiastischen Kommentar Dorotheas, Friedrich Schlegels erstes Gedicht, die Stanzen „An Heliodora" 2 . Von nun an wußte er, daß Friedrich und Dorothea in die entstehenden Romane (den 2.Teil der ,Lucinde' 3 , den ,Florentin') Gedichte flochten, daß Friedrich sich als Dichter sah. „Ich bin auch in den Orden der Poesie gerathen", schrieb dieser und führte die für sein Leben umwälzende Neuerung auf die „Ansteckung" durch seinen Bruder zurück. 4 So kann es nicht verwundern, daß Schleiermacher das Bedürfnis fühlte, im Kreise der Freunde nicht zurückzustehen und im erhofften Kontakt mit A. W. Schlegel die gleiche Ansteckung zu erleben. Er schreibt am 29. März 1800 nach Jena an August Wilhelm: (Friedrich) macht ja verwunderungswürdige Fortschritte in der Poesie, so auch Dorothea, und ich wollte nur ich wäre bei Ihnen, unter andern auch um womöglich gleichfalls angesteckt zu werden: denn ich fürchte mich gewaltig allein im Gebiet der Prosa zurückzubleiben 5 .
Schlegels Antwort ist ermutigend; er tröstet ihn, daß er die Beredsamkeit habe, die „gewißermaaßen die Antithese der Poesie" sei, und rät ihm, mit scherzhaften und witzigen Gedichten den Anfang zu machen 6 . „Noch eher 1
s. Behler (1966) S. 80f
2
Br. v. 6. Jan. 1800 (Br. III, S. 144; M L A VII, S. 25f)
3
s. dazu K F S A V, S. LXIIIff!
4
an Gries. Br. v. 28. Jan. 1800 (Autograph im Besitz der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg; vgl. auch Körner Β II, S. 43); vgl. an Schleiermacher, 6. Jan. 1800 (Br. III, S. 146)
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EK S. 739
6
Br. v. 21. April 1800 (Br. III, S. 171)
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Literarhistorischer Teil
würde ich wie mir Friedrich prophezeiht mit Elegien beginnen - aber ich werde wol noch lange, wo nicht immer an der Prosa kleben" 7 ist Schleiermachers resignierende Replik. Er studierte die Gedichte A. W. Schlegels mit „großem Eifer und Lust - ich kann aber nicht sagen daß sie mir eben Muth zur Poesie gemacht hätten: denn es so zu können ist doch unendlich schwer, und es nicht so zu wollen ist unerlaubt" 8 Da verweist ihn Schlegel auf Friedrich: Wenn Sie sonst gesonnen sind sich zur Poesie zu wenden, und Glauben und Andacht dazu in sich fühlen, so ist die Ungeübtheit in der äußeren Technik gewiß der geringste Anstoß. Friedrich kann Ihnen hiebey ein großes Beispiel seyn (. . . ) sein philologischer Enthusiasmus und Mysticismus hat ihn zunächst auf die schwierigsten modernen Formen geführt, weil diese so abstract symmetrisch und antithetisch construirt sind, und er hat uns alle durch die dabey bewiesene Maestria in Erstaunen gesetzt. ( . . . ) Wenn er nun erst wieder bey Ihnen ist, wird er Ihnen schon manches mittheilen können. Ich stehe auch auf diesen Fall mit meinen metrischen Kenntnissen zu Dienst. Das Resultat unsrer Mittheilungen darüber wird seyn, daß es damit ganz und gar keine Hexerey ist 9 . Wenn Sie sich also zur Poesie bekehren wollen, so thun Sie es nur bald 10 .
Schleiermacher hat diesen Rat A. W. Schlegels angenommen, er wurde der treue Schüler des Metrikers, wie es der Brief versprach. Nun waren freilich die Brüder Schlegel auf Grund ihrer Kenntnis der europäischen Literatur längst über die Schleiermacher bekannten poetischen Formen hinausgegangen; sie konnten, wie August Wilhelm schrieb, ihres „Nächsten Poesie nicht ansehen, ohne ihrer zu begehren in (ihrem) Herzen" 11 , und wetteiferten miteinander und mit Tieck in der Nachahmung romanischer Formen. Es war Schleiermacher bewußt, daß er ihnen hierin nicht folgen konnte. In einer Diskussion über den sapphischen Vers riet ihm Friedrich zwar zu den „romantischen" Formen - mit der bezeichnenden Einschränkung: „die freylich bis jetzt im Deutschen noch nicht versucht sind außer von mir" 12 - , aber Schleiermacher wies ihn auf seine Unkenntnis der „ausländischen modernen Poesie", also der romanischen Literatur hin: (Es) kann freilich Formen geben die das ausrichten können wozu weder Sonette und Stanzen noch unsre deutschen melischen Formen (auf die ich übrigens nichts halte) geschickt sind. Indeß scheint es mir, als gebe es eben in der melischen Gattung Fälle w o
7
Br. v. 3. Mai 1800 (EK S. 742); die Prophezeiung steht Br. III, S. 153
8
Br. v. 27. Mai 1800 (EK S. 743)
9
Br. v. 9. Juni 1800 (Br. III, S. 182)
10
Br. v. 20. August 1800 (Br. III, S. 222)
11
Athenaeum II/2, S. 281 (,Nachschrift des Uebersetzers an Ludwig Tieck')
12
Br. o. D . (Juni 1800) (Br. III, S. 193)
Die Probe mit dem Kunstsinn
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offenbar ein bestimmtes, höchst bestimmtes Sylbenmaaß gefordert wird und nicht unsere gezählten Verse, und da scheint mir eben das Sapphische theils so sehr bestimmt, theils nicht sehr schwierig zu sein 13 .
Das Eingeständnis der Unkenntnis der romanischen und die selbstbewußt ausgesprochene Ablehnung der deutschen Metrik lassen verständlich werden, warum Schleiermacher sich bei seinen späteren eigenen Versuchen in überwiegendem Maße auf griechische Vorbilder stützte, deren Regeln ihm offenbar leichter verfügbar waren. Im Jahr 1800 jedenfalls, aus dem diese poetologischen Erörterungen stammen, faßte Schleiermacher noch nicht den Mut, seinen romantischen Freunden in das „Gebiet" der Poesie zu folgen. Zu diesem Schritt verhalf auch Friedrich Schlegels Aufforderung in seiner Elegie ,Herkules Musagetes' von 1801 (als Beschluß seines Aufsatzes ,Über Lessing') an seine „Freunde" nicht, die „germanische Flur" „zum Garten der Musen" zu machen14. Immerhin gibt es Spuren, daß Schleiermacher erste poetische Versuche - vielleicht Übertragungen - unternommen hat; vergebens verlangt Friedrich nach den „Versen" des Freundes15. „Wann werden wir Deine Hexameter, Sonette, Nachbildungen, Gedichte u.s.w. erhalten?"16 A. W. Schlegel erinnert an „poetische Uebersetzungen und Studien" und erwähnt Sophokles sowie Trimeter; schließlich findet er es schade, daß Schleiermacher sich nicht am ,Musen-Almanach für das Jahr 1802' beteiligt habe: „ ( . . . ) für das nächste Jahr rechne ich ganz gewiß darauf"17. Auch Vermehren scheint Schleiermacher um Beiträge zu seinem Almanach angegangen zu haben 18 . 13 14
Br. v. 10. Juli 1800 (Br. III, S. 205) KFSA V, S. 285. In dem Gedicht wird Schleiermacher als „Redner der Religion" (Z. 64) zu den „Freunden" gezählt. (Die entsprechende Zeile hat Schlegel in der Ausgabe seiner Gedichte von 1809 freilich getilgt. Siehe Schleiermachers Bemerkung dazu in seinem Br. v. 18. Juli 1809: Finke: Br. an F. Schlegel S. 25.)
15
Vgl. Br. III, S. 268: „Warum sendest Du mir nicht Dein erstes Sonett?" (o. D. = 17. April 1801); Schleiermachers Antwort Br. III, S. 273: „Mein erstes Sonett ist für gar keins zu rechnen" (27. April 1801); schließlich Friedrichs Br. v. 15. Juni: „Ich bitte recht sehr und recht dringend, daß Du mir von Deinen Versen schickst" (MLA VII, S. 108).
16
Br. o. D . (Juni 1801) (Br. III, S. 287) Br. v. 7. Sept. 1801 (Br. III, S. 290f). Schleiermachers Antwort (EK S. 768) geht lediglich auf Schlegels Proben einer Ödipus-Übersetzung ein; sie ist wichtig für seine Überlegungen zur griechisch-deutschen Metrik. s. M L A VIII, S. 52. Vermehren, Autor der ,Briefe über Friedrich Schlegel's Lucinde zur richtigen Würdigung derselben' (Jena 1800), von Fr. Schlegel bei Schleiermacher eingeführt (Br. III, S.293), übersandte ihm seinen Musenalmanach für das Jahr 1802 (MLA V i l i , S.40), in dem der Empfänger das Huldigungsgedicht „An Schleyermacher" von (Albrecht Heinrich Matthias) Kochen nicht übersehen konnte (S. [98] - Paginierung
17
18
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Literarhistorischer Teil
Der , Musen-Almanach für das Jahr 1802', von A.W. Schlegel und L. Tieck herausgegeben, gilt - mit Gedichten der Brüder Schlegel, vonTieck, Novalis, Fichte, Schelling und anderen - als die erste romantische Anthologie, die programmatisch den Jenaer Aufbruch der Lyrik dokumentiert. Da Goethe und Schiller ihre Mitarbeit verweigert hatten, war dieses Taschenbuch auch nach außen hin der Beleg für die Konstituierung einer neuen „Schule", die mit den Postulaten des ,Athenaeums' ernstmachen wollte 19 . Zu Recht sah die Kritik „ein vereintes Bestreben poetisch zu schaffen", das diesen Almanach als „merkwürdiges Denkmal in den Jahrbüchern deutscher Kunst erhalten" werde 20 . Wenn A. W. Schlegel Schleiermacher als möglichen Beiträger sah, so mußte - neben dem dadurch unterstrichenen Bewußtsein der Zusammengehörigkeit - der Erwartungsdruck nur noch steigen. Auf die Dauer konnte Schleiermacher sich den Forderungen, Hoffnungen, Bitten der Freunde nicht verschließen, sich ernsthaft auf poetische Versuche einzulassen. Als die biographische Situation - das Scheitern der Liebe zu Eleonore Grunow, die Versetzung als Hofprediger in das weltabgeschiedene Stolpe - dem theoretischen Wollen die Erlebnistiefe gab, machte Schleiermacher die „Probe" mit dem „Kunstsinn" 21 . Im Sommer und Herbst 1803 erlebte Schleiermacher sein „Dichterhalbjahr". In den Gedichten aus Stolpe, gesammelt in einem Gedichtheft 2 2 und also bewußt nicht nur als flüchtige Versifikationsübungen gedacht, finden sich - neben Epigrammen und Übersetzungen aus der ,Anthologia Graeca' - eine Reihe von Gedichten empfindsamen Inhalts, die sich formal an die poetischen Schöpfungen der Jenaer Romantik anlehnen. „An Charlotte Kathen" und „Am 21. November" sind Sonette, der „Logogryph" ist in Stanzen geschrieben, „Nach dem Italiänischen" ist ein Madrigal. Die weiteren Gedichte, für die kein formales Vorbild zu ermitteln ist, bewiesen gleichfalls ein deutliches Formbewußtsein, das bei der Reimgegemäß dem Inhaltsverzeichnis). Vermehren hatte offenbar Beiträge für den Jg. 1803 erhofft, dem immerhin Schlegel nicht weniger als neun Gedichte beigesteuert hat. 19
Vgl. G. vom H o f e s vorzügliches Nachwort zum Faksimiledruck (1967)! D a ß die frühromantische Schule eine disparate Vereinigung war und „der Grund, warum sie eine Sekte bildet, mehr außer ihr liegt als in ihr", also letztlich defensiv ist, dazu hat Schleiermacher Erhellendes in seinem Br. an Brinckmann v. 26. Nov. 1803 gesagt (Br. IV, S. 83 / M I, S. 322).
20
J A L Z Nr. 104 v. 2. May 1805, Sp. 219. Nach Bulling (1962) S. 82 ist der Vf. der Sammelrezension Friedrich August Schulze, d. h. der Dichter Friedrich Laun, der - als „Ungenannter" selbst Beiträger des Schlegel-Tieckschen Musen-Almanach war!
21
Br. an H. Herz v. 31. Aug. 1803 (Br. I, S. 379 / M I, S. 315)
22
Vgl. die editorisch-philologische Beschreibung oben S. 87ff!
Die Probe mit dem Kunstsinn
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bung bis zum Raffinement geht - bei angestrebtem leichtem, volksliedhaftem Ton („An der See", „Klage", „Der Verlassene"). Schleiermachers Probe mit seinem Kunstsinn führt ihn also zuerst zu den früher abgelehnten „deutschen melischen Formen" und „gezählten Versen", vorwiegend romanischer Gattung. Der schmale Umfang dieser Reim-Poesie - neben dem Logogryphen nur sechs Gedichte - und das ausnahmslos gleiche biographische Thema zeigen sinnenfällig die Beschränktheit der poetischen Fähigkeiten Schleiermachers, zumindest in diesem Genre. Für die romanischen Formen, aber auch für den - eigens zu analysierenden - Versuch einer romantischen Elegie sind Schleiermachers Vorbilder und Anreger, wie gezeigt, die Brüder Schlegel - wobei freilich nicht unbemerkt bleiben darf, daß Fr. Schlegel seit seiner Übersiedlung nach Frankreich den Versuch fast völlig aufgegeben hatte, komplizierte romanische Versformen im Deutschen nachzubilden 2 3 . A. W. Schlegel sammelte soeben seine musterhaften Übersetzungen romanischer Kunst in den ,Blumensträuße(n) italiänischer, spanischer und portugiesischer Poesie', die Schleiermacher - der die Ausgabe im Oktober 1803 erhielt 2 4 - noch einmal angeregt und bestärkt haben müssen. Insgesamt kann man sich aber des Eindrucks nicht erwehren, daß Schleiermacher mit seinem eigenen Beitrag zur „Jungen Lyrik um 1800" (Gerhard Schulz) 25 den Schlegels nachhinkt, als diese ihr Bestes schon gegeben hatten und die Jenaer „Stanzen Wuth und Gluth" 2 6 längst abgeklungen war. Welches der romantisierenden Gedichte Schleiermachers das erste war, läßt sich nicht mehr feststellen. Es sei zunächst etwas über seinen Versuch in Stanzen, dann über das Madrigal gesagt, schließlich sei das Gedicht an Charlotte von Kathen wegen der Sonettenform ausführlicher analysiert 27 . Das Sonett und die Stanze hatte Schleiermacher schon im Sommer 1800
23 24
Vgl. Eichner in KFSA V, S. L X X X V ! Schleiermacher besaß sie am 26. Okt. 1803 (Br. an Reimer, Br. III, S . 3 6 8 f ) . Schlegel hatte sie ihm am 26. Sept. angekündigt: „Durch Reimer werden Sie ein Ex. von meinem kürzlich fertig gewordenen Taschenbuche erhalten. Es hat mir in der That viele Mühe gemacht, ist aber auch eine gute Übung gewesen. Ich wünsche ihm ihren Beyfall" (handschriftlich, zu Br. III, S. 365 oben). D a ß es sich bei dem Taschenbuch um die B l u m e n sträuße' handelt, geht aus Walzel S. 518f deutlich hervor, auch hat das Exemplar ganz das Format eines Taschenbuches. Darum sind E K zu berichtigen, die (S. 772 A n m . 4) das in Schleiermachers Antwort erwähnte Taschenbuch für den Musenalmanach von 1802 halten.
25
Schulz (1983) S.614ff
26
s. Dorotheas Br. v. 6. Jan. 1800 ( M L A VII, S. 25f).
27
Zu den editorischen Einzelheiten s. den jeweiligen Kommentar!
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Literarhistorischer Teil
für die höchsten der modernen Formen erklärt 28 , so daß die eigenen Versuche gerade in diesen lyrischen Gattungen nicht verwundern. In der Stanzenform hat Schleiermacher ein einziges Mal gedichtet, und es erstaunt, daß er dies in einem Logogryphen tat. Der Logogryph gehört der Gattung nach zur Charade; die Form der Stanze ist bei dieser Gesellschaftsdichtung singular und wirkt deplaziert. Es ist, als habe Schleiermacher sich angesichts der hochrangigen literarischen Tradition nicht an einem anspruchsvollen Thema versuchen mögen und lediglich ein Denkspiel zu konstruieren gewagt! Immerhin hat er das Gedicht dem Kenner A. W. Schlegel zur Begutachtung vorgelegt und für die Stanzen das Urteil Sehr Gut erhalten 29 . Sogleich freilich gab es zwischen ihm und seinem Mentor eine kleine Diskussion in metricis. Nach dem Lob der Stanzen hatte Schlegel geschrieben: Uebrigens ziehe ich jetzt die mit lauter weiblichen Reimen vor, wenigstens wenn ich diese nicht ausschließend gebrauche, lasse ich die Reimstellung frey 30 .
So hatte er es auch in den musterhaften Übersetzungen in den Blumensträußen' gehalten. Schleiermacher war über diese Liberalität entsetzt: Ich muß noch einmal zur Metrik zurückkehren, ( . . . ) um Ihnen zu sagen daß ich einen furchtbaren Schreck gehabt habe an dem was Sie von den Stanzen mit männlichen (so!) Reimen sagen. Die freie Reimstellung, das übersteigt meine Begriffe, wenn es nemlich noch eine Stanze sein soll; und wenn ich den Gedanken fasse, es könnte in Ihrem Gedicht eine einzige solche Stanze sein, möchte ich bittere Thränen weinen. Aber das ist doch gewiß nicht? 31 .
Schleiermachers Logogryph beachtet genau die Regel, die Heinse und Goethe aufgestellt hatten: bei der Reimfolge ab ab ab cc ist der Reim b jeweils männlich 32 . Schlegel machte sich von diesem Vorbild frei, was ihm der ottave rime erlaubte. Er ließ sogar in allen acht Zeilen männliche Reime zu. Diese freie Reimstellung nun überstieg die Begriffe des formalistischen Rigoristen Schleiermacher, der den fünffüßigen Jambus „je länger je mehr" verachtete und nur durch den Reim für einen Vers zu halten vermochte 33 . Dabei hätte er sich nicht so zu wundern brauchen, hätte er Schlegels „Nachschrift des Uebersetzers an Ludwig Tieck" nach der Übersetzung des ,Rasenden Rolands' gründlich gelesen: 28
Br. an Fr. Schlegel v. 10. Juli 1800 (Br. III, S. 205)
29
A. W. Schlegel an Schleiermacher, Br. v. 26. Sept. 1803 (Br. III, S. 366). Schleiermachers
30
ebd. S. 366f
Brief, der auch Übersetzungen griechischer Epigramme enthalten hatte, ist nicht erhalten. 31
Br. v. 12. Okt. 1803 (EK S. 772)
32
Vgl. Heusler (1929) S. 166f.
33
Br. an Reimer v. Juni 1803 (Br. III, S. 349)
D i e Probe mit dem Kunstsinn
35
D i e Italiänische Oktave hat durch den Wellengang der Verse und die Verflößung der angefangenen und schließenden Vokale der Wörter in einander an Mannichfaltigkeit unstreitig viel vor der unsrigen voraus. Ich glaubte daher mich nicht auf die üblich gewordene Form der letzten (nämlich daß von den verschlungnen dreifachen Reimen die weiblichen vorangehen und die männlichen folgen, und daß Schlußreime weiblich sind) einschränken zu dürfen, sondern habe mir in Ansehung des Gebrauchs und der Anordnung der männlichen und weiblichen Reime gar keine Regel vorgeschrieben, bald diese bald jene vorangesetzt, auch mit männlichen geschlossen, und dann wieder ganze Strophen mit weiblichen Endungen gemacht. D i e Hauptsache ist, daß das Ohr gleich vom Anfange an den Wechsel gewöhnt wird 34 .
Es kennzeichnet den Anfänger, sich angesichts der Freiheit der Könner gegen alle Verunsicherung durch starres Festhalten an der reinen Lehre zu wappnen. Das Madrigal ,Nach dem Italiänischen' will mit der Überschrift wohl keine Quelle angeben, sondern auf die Gattung verweisen. Möglicherweise hat Schleiermacher sich durch die Übersetzungen A. W. Schlegels von Madrigalen Giovanni Battista Guarinis und Torquato Tassos in den soeben erschienenen ,Blumensträußen italiänischer, spanischer und portugiesischer Poesie' anregen lassen. Die einleitende „Zueignung" hat er „eine schöne Composition recht im Geiste der italienischen Schule" genannt 35 . Dieser Schule hat er wohl auch nacheifern wollen. In der Goethe-Zeit wurde das Madrigal formal sehr frei gehandhabt, sowohl was das Metrum als auch die Länge der Zeilen und die Art des Reims angeht 36 . So auch in Schleiermachers Gedicht. Das Reimschema (aabc / bddcc) variiert weibliche und männliche Reime, wobei der männliche c-Reim jeweils den Abschluß des Satzes und Gedankens in Form einer Aufforderung enthält. Metrisch überwiegen Daktylen. Die Zeilen haben drei Hebungen, mehrfach mit Auftakt; der 9. Vers hat als Abschluß - möglicherweise aus Versehen - vier Hebungen. Der Inhalt ist konventionell und auch durch den biographischen Hintergrund nicht vertieft: Zephyr, der Westwind - der auch sonst gern in deutschen Gedichten weht - , soll der unglücklich Geliebten „zärtliche Seufzer der Liebe", der Bach „Ströme von bittern Zähren" bringen, wobei der Wind als flüsternd, der Bach als klagend gedacht sind und aufgefordert werden, die Herkunft ihrer Gaben nicht zu verraten. Das ist blaß und ohne sinnliche Anschauung gedichtet, mit verbrauchten Reimen und holprigem Rhythmus. 34
Athenaeum II/2, S.278f
35
Br. an Reimer v. 26. Okt. 1803 (Br. III, S. 369)
36
s. Heusler (1929) S. 184ff.
36
Literarhistorischer Teil
Sehr viel anspruchsvoller ist das Monologen-Sonett „An Charlotte Kathen", das das Gedichtheft eröffnet - gewiß nicht zufällig. Schleiermacher sandte es am 10. August 1803 an Charlotte von Kathen, die Schwester seiner späteren Frau, die ihn um ein Exemplar der ,Monologen' gebeten hatte, und dankte ihr für den Anlaß, sich selbst noch einmal in diesem „Spiegel" zu betrachten 3 7 . Das signalisiert für das Sonett einen hohen Selbstanspruch, der auch durch die mehrfache Überarbeitung - es gibt insgesamt fünf verschiedene Versionen - als Suche nach einer gültigen Fassung belegt wird. Das Sonett ist - wie auch das spätere „Am 21. November" - italienisch' gebaut, es folgt mit seinem Reimschema abba abba cde cde genau den Vorschriften, die A. W. Schlegel im Winter 1803/04 in seinen „Vorlesungen über Schöne Litteratur und Kunst" in Berlin gegeben hat 3 8 . Friedrich Schlegels Sonett ,Reden über die Religion' aus dem letzten Band des ,Athenaeums' hatte dieses Schema 3 9 , wie auch das Sonett ,An die Dichterin' aus dem ,Florentin' (das Dorothea Veit Schleiermacher noch vor dem Druck übersandte 4 0 ). Schon 1800 hatte Schleiermacher die Sonette aus der ersten Sammlung der Gedichte A. W. Schlegels nachdrücklich bewundert; das Sonett gehörte für ihn zu den höchsten modernen Formen 4 1 . So ist sein Versuch gerade in dieser Gattung nicht überraschend, auch nicht, daß er das formale Vorbild genau nachahmt. Ein Ideal schwebt jedem Guten vor In das er strebt sich fester zu gestalten; So trachten sich die Kräfte zu entfalten So steigt er zur Vollkommenheit empor. Die erste Strophe formuliert das Humanitätsideal der Goethe-Zeit, das von Herder, Goethe, Schiller und W. von Humboldt ausgebildet und in 37
M I, S. 313 / Br. I, S. 377. Schleiermachers fast schwärmerische Freundschaft wird durch eine deutliche Anspielung in der ,Weihnachtsfeier' von 1806 (S. 88ff) und die Patenschaft für das siebente Kind unterstrichen, das nach ihm Friedrike genannt wurde (geb. 18. März 1806) (s. Heimatbriefe Arndts S. 213, wonach M III, S. 66 verständlich wird). Ch. ν. Kathen (1777-1850) muß eine bedeutsame Frau gewesen sein. Sie stand auch in Briefwechsel mit Jean Paul und Ernst Moritz Arndt (der sie 1811 gleichfalls mit einem Gedicht „An Charlotte von Kathen" beschenkte, s. Arndts Briefe an eine Freundin S. 51ff).
38
A . W. Schlegels Vorlesungen über Schöne Litteratur und Kunst. Dritter Teil (1803-1804): Geschichte der Romantischen Litteratur (ed. Minor III, S. 207-218 / ed. Lohner, Sehr. IV, S. 185ff). Vgl. Mönch (1955). Anders dagegen Schlegels Mustersonett ,Das Sonett' (Gedichte S. 198/Böcking I, S. 304), das in den Terzetten das Schema cde dee hat.
39
Athenaeum III/2, S. 234 ( K F S A V, S. 301f)
40
KFSA V, S. 172. Br. v. 31. Okt. 1800 ( M L A VII, S. 94f)
41
Br. an A . W. Schlegel v. 27. Mai 1800 (EK S. 743)
Die Probe mit dem Kunstsinn
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Schleiermachers Individualitätsgedanken eigentümlich weiterentwickelt 42 - den Menschen als einen zu Bildenden, aus seinen ihm gegebenen Anlagen sich zur Persönlichkeit Emporzuläuternden ansah. „Jeder individuelle Mensch" - hat Schiller unter Berufung auf den jungen Fichte gesagt „trägt, der Anlage und Bestimmung nach, einen reinen, idealischen Menschen in sich, mit dessen unveränderlicher Einheit in allen seinen Abwechselungen übereinzustimmen die große Aufgabe seines Daseins ist" 43 . „Immer mehr zu werden was ich bin, das ist mein einziger Wille", heißt es in den ,Monologen' 44 . Und so stellt - ganz im Sinne des Gedichtes - das „Ich" der ,Monologen' keinen empirischen, sondern einen ,idealischen' Menschen dar. 45 Diese Strophe ist klar formuliert und auf Grund ihrer philosophischen Tradition, die bis auf Piaton zurückzuführen ist, eindeutig zu verstehen. Schleiermacher hat dennoch viel an ihr geändert, wohl weil er sprachlich und philosophisch noch nicht zufrieden war. „Ideal" gehört eigentlich nicht zu seinem Wortschatz (er sagt lieber „Idee", später „Urbild" 4 6 ), er überträgt: „heiliges Bild". Auch die logische Beziehung auf das Ideal ist durch „in das" und „so" noch nicht deutlich genug; schließlich macht die „Vollkommenheit" über „Tugend" eine Entwicklung zu „Sittlichkeit" durch. Die Endfassung lautet: Ein heiiges Bild schwebt Jedem Bessern vor In dessen Züg' er strebt sich zu gestalten Wem sich die Kräfte so bestimmt entfalten Nur der hebt sich zur Sittlichkeit empor. Das ist logischer durchkonstruiert, wirkt aber im Bildbereich blasser: die „Züge" des heiligen Bildes sind nur verständlich, wenn man den ersten Entwurf kennt; das Emporheben war für die „Vollkommenheit" anschaulicher. Die zweite Strophe bezeugt das romantische Bestreben des Symphilosophein, das Schleiermacher Bedürfnis war:
42 43
44 45
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Vgl. besonders den zweiten Monolog! ,Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen' (1795), Vierter Brief; vgl. J. G. Fichte: Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten (1794). S. 104 (ed. Schiele-Mulert S. 69) Vgl. den Selbstkommentar in dem Br. an Charlotte Pistorius v. 28. Juli 1804 (M I, S. 347/ Br.I, S.401Í)! Siehe die Vorreden von 1810 und 1821 zu den .Monologen' !
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Literarhistorischer Teil
Das meine legt ich gern den Freunden vor Hier lies was immer in mir sollte walten Wie hoch den Blick ich suchte zu erhalten In diesen Tönen der Gefühle Chor. Die Endfassung tilgt die Aufforderung an die Empfängerin und bezieht die urteilenden Freunde stärker ein; auch der Gedanke des Gefühlschors ist, logisch passender, dem „Geist" nebengeordnet: Das meine legt ich hier den Freunden vor Daß richtend könnt ihr Auge drüber walten Wie diese Bahn der Geist sich würd erhalten Und solche Töne der Gefühle Chor. Sind die Quartette ganz der Vergangenheit und dem Bekenntnis zu dem Werk gewidmet, so richten die Terzette den Blick auf die traurige Gegenwart. Wie in den »Monologen' die Liebe und die „heiligste Verbindung" der Ehe zu einer „neue(n) Stufe des Lebens" führen sollten 47 , so auch im ersten Terzett, mit der entsprechenden Metaphorik von Ziel und Höhe. Das Terzett lautet in der Endfassung: So hofft ich nah dem schönen Ziel zu kommen Ergriff in kühnem Muth der Liebe Hand In seltne Höhen mich mit ihr zu schwingen. Die Leserin wußte, warum es zu der Liebe zu Eleonore Grunow „kühnen Mutes" bedurfte - von „stolzem Muth" spricht die Interlinearfassung - : die Geliebte war noch verheiratet und hätte sich scheiden lassen müssen. Die Trennung der Liebenden, das Scheitern der Verbindung reflektiert das mit schneidendem „Jetzt" ansetzende abschließende Terzett: Jezt dem Verlassnen ist der Muth genommen Geraubt des Himmels heiiges Unterpfand Nichts Großes wird dem Einsamen gelingen. Aber hier sind zu viele Gefühle beteiligt; der Dichter arbeitet heftig in Rand- und Interlinearversionen. Die Selbstbezeichnungen „Verlassner" und „Einsamer" (R: „Bedürftiger") werden getilgt, für Stolpe wird die Metapher „Wüste" gefunden, statt der Rede in der dritten Person klingt der letzte Vers mit dem Personalpronomen aus: 47
S. 114 (Schiele-Mulert S. 74)
Die Probe mit dem Kunstsinn
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Jezt ist durch herbe Pein das Herz beklommen In liebeleere Wüste streng verbannt Wird unter Thränen wenig mir gelingen. Dieses Sonett ist, auch wenn es in Bild- und Sprachgebrauch keine eigenen Wege geht, Schleiermachers gelungenstes poetisches Werk. Es bezieht seine Wahrheit aus der offen dargelegten Lebenssituation, aus den Gefühlen des einsamen, auf sein literarisches Werk wie seine Lebenspläne zurückschauenden Mannes. Die Form des Sonetts kam der dichterischen Bewältigung entgegen, insofern sie in den Quartetten den distanzierenden Blick zurück, in den Terzetten den Umschlag von der Hoffnung in die Hoffnungslosigkeit, d.h. die persönliche Aussage, gestattete. Diese Subjektivität aber schloß für Schleiermacher einen möglichen Abdruck - und es sind zu seiner Zeit erheblich schlechtere Sonette in einer Fülle von Taschenbüchern gedruckt worden - aus. Die Bereitschaft, sein Innerstes den Freunden zu öffnen, war die Forderung der ,Monologen' und war Schleiermachers Lebenspraxis, so daß das Gedicht den Freunden und Freundinnen auf Rügen und in Berlin (Henriette Herz) wohl bekannt werden durfte, nicht aber den Brüdern Schlegel, die von ihm Druckmanuskripte erheischten. Dabei war Schleiermacher doch deren Anregung und Beispiel gefolgt, wie so viele andere zur gleichen Zeit. „Das Jahr 1803 spülte eine Flut romantischer Sonette in Deutschland hoch" 48 . Auch der einsame Prediger in Stolpe in Westpreußen folgte nichtsahnend der Zeitströmung! Blickt man zurück auf Schleiermachers dichterische Versuche in den „deutschen melischen Formen", näherhin auf die romantisierenden, so wird man angesichts des schmalen, thematisch einseitigen und sprachschöpferisch konventionellen Œuvres seinem eigenen Resümee nach dem Abschluß seiner „Probe" mit dem „Kunstsinn", zum Schluß seines „Dichterhalbjahres" zustimmen: „ ( . . . ) ich (bin) so ganz unpoetisch" 49 .
48 49
Mönch (1955) S. 176 Br. an Brinckmann v. 26. Nov. 1803, d. h. nach dem Elegie-Fragment (s. dort) und dem Geburtstags-Sonett (Br. IV, S. 82/M I, S. 322).
Die Übersetzungen aus der Anthologia Graeca Zu den unbezweifelten Vorbildern lyrischen Schaffens gehörte zu allen Zeiten der neueren Literatur, jenseits aller Schulen und theoretischen Debatten, die Lyrik der Antike. Darunter ist die ,Anthologia Graeca' zu rechnen, jene höchst vielfältige, überaus lebendige Sammlung griechischer Epigramme und Gelegenheitsgedichte aus altgriechischer bis frühbyzantinischer Zeit 1 , die immer wieder - und gerade in der klassisch-romantischen Zeit - zur Nachbildung verlockte. Auch Schleiermacher konnte sich für kurze Zeit dem Zauber dieses Vorbilds nicht entziehen, er hat in seinen gut zwei Dutzend poetischen Übertragungen seine vielleicht bedeutendste Leistung auf dem Felde der Poesie vollbracht. Wann Schleiermacher damit begonnen hat, griechische Poesie zu übersetzen, läßt sich nicht mehr genau feststellen. Die erste Erwähnung - nicht sicher zu deuten - findet sich in einem Brief Friedrich Schlegels aus dem Juni 1800, wo er Schleiermacher fragt, was er in der „sapphischen Form" suche2. Dann scheint Schleiermacher sich im Sommer 1801 mit griechischen Übersetzungen beschäftigt zu haben, neben der Platon-Übersetzung, die im ,Phaidros' bereits Nachbildungen erforderte, darunter die einer Grabinschrift aus der ,Anthologia'-Tradition3. Friedrich schreibt im Juni: „Wann werden wir Deine Hexameter, Sonette, Nachbildungen, Gedichte u.s.w. erhalten?" 4 Und A. W. Schlegel fragt schließlich im September bei ihm an: „Was machen denn die poetischen Übersetzungen und Studien? Der Sophokles und die Trimeter? Nehmen Sie sich in Acht, daß ich Ihnen nicht zuvorkomme" 5 . Von diesen zu erschließenden Versuchen ist nichts erhalten. Das Jahr 1803 brachte dann, neben und gleichzeitig mit den Gedichten romantischen Charakters und gnomischen Epigrammen, Übersetzungen aus der 1 2 3 4 5
Siehe Beckby (1957)! Br. ohne Datum (Br. III, S. 193) Piatons Werke 1/1, S. 107, 109, ,Midas Grab' S. 145 Br. o. D. (Juni) (Br. III, S. 287) Br. v. 7. Sept. 1801 (Br. III, S. 290f). Siehe Schleiermachers Antwort vom 17. Sept. (EK S. 768)!
Anthologia Graeca
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, Anthologia Graeca'. Auch hier ist, wie sich beweisen läßt, A . W. Schlegel der entscheidende Anreger gewesen. Diese Übersetzungen müssen, wie die Eintragungen in das Gedichtheft von der ersten Seite an belegen 6 , in kurzer Zeit - wenigen Monaten - entstanden sein. Sie zeigen Schleiermacher auf der H ö h e der Übertragungskunst. Wohlvertraut mit der zeitgenössischen poetologischen Diskussion, bot sich ihm hier eine dichterische Gattung an, die sich ihm mehr als jede andere „durch den Zusammenhang der Theorie" erschließen und ihm „hernach lebendig" werden konnte 7 . Schleiermachers Übersetzungen sind ein eigener, nicht uninteressanter Beitrag zur Verlebendigung der ,Anthologia'-Tradition in der GoetheZeit. Sie sind zugleich ein erhellender Beleg dafür, wie weit es ein meisterhafter Prosa-Übersetzer, wenn er sich genau genug an seinen Vorbildern ausrichtet, auf poetischem Gebiet bringen kann - und welche Mühe er damit hat. Aus den Übersetzungen und aus den gelegentlichen brieflichen Äußerungen soll nun im Folgenden versucht werden, Schleiermachers metrische Theorie zu rekonstruieren. Der Vergleich mit A. W. Schlegel und Johann Heinrich Voss wird zeigen, inwieweit diese Theorie Schleiermachers eigene ist. Dabei braucht bei Schlegel die Chronologie der Veröffentlichungen nicht exakt berücksichtigt zu werden, da Schleiermacher dessen Anschauungen wie die Friedrichs aus den Gesprächen mit ihm - besonders wohl 1801, als A . W. Schlegel in Berlin war 8 - kannte. Das gilt nicht in gleichem Maße für Vossens,Zeitmessung der deutschen Sprache' aus dem Jahr 1802, die Schleiermacher erst E n d e 1803 einsah, d.h. nach den Übersetzungen 9 . Aber Vossens Nachdichtungen waren ihm wie allen Gebildeten seiner Zeit geläufig und mußten auf seine eigenen Versuche einwirken, sodaß die ,Zeitmessung' als theoretische Zusammenfassung des zuvor Erprobten berücksichtigt werden kann. Mit Übersetzungen aus der ,Anthologia Graeca' steht Schleiermacher in einer guten Tradition. Ernst Beutler hat gezeigt, daß - nach sporadischen vorherigen Versuchen 1 0 - es im 18. Jahrhundert H e r d e r s , Z e r s t r e u t e 6 7
Vgl. die philologischen Darlegungen im Kommentar (oben S. 121ff)! Siehe den - schon mehrfach zitierten - Br. an Henr. Herz. v. 31. August 1803 (Br. I, S. 379/ M I , S. 315).
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Dafür, daß Schleiermacher Schlegels Vorlesung gehört hat, finde ich keine Zeugnisse. Es ist unwahrscheinlich, daß Schleiermacher diese Tatsache nicht erwähnt hätte. S. Fr. Schlegels Br. an A . W. S. v. 1. März 1802: „War dieser bei der Vorlesung?" (Walzel S.491).
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s. Br. an A . W . Schlegel v. 12. Okt. 1803 (EK S.771), an Brinckmann v. 26. Nov. 1803 (Br. IV, S. 81 / M I, S. 321) und die anderen in meiner Einleitung zum Kommentar angeführten Belege!
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s. dazu Rubensohn (1897).
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Literarhistorischer Teil
Blätter' (1785) waren, die dieser literarischen Gattung den Weg bahnten 11 . Ohne Herder hätte die epochemachende Ausgabe der Anthologia durch Brunck 12 , nach der auch Schleiermacher übersetzte, nicht ihren Erfolg gehabt, ohne Herder wäre die Anthologie wie zuletzt noch bei Lessing weiterhin nur ihres archäologischen Wertes wegen geachtet worden. Herder war der erste, der in großem Umfange übersetzte und so den Reichtum dieser unbekannten Gattung offenbarte, er war der erste, der die Vorlage auch dem Metrum gemäß übersetzte, und er war schließlich der erste, der selbst im Stil der Anthologie dichtete und damit Goethes epigrammatische Dichtungen anregte. Nach Herder und Goethe haben sich viele Übersetzer an die ,Anthologia Graeca' gewagt, oft genug in nachweisbarer Anlehnung an sie, zumeist in Musenalmanachen und Taschenbüchern, seltener in selbständigen Sammlungen 13 . In den Schillerschen Musenalmanachen spielt das Epigramm eine beherrschende Rolle, auch hierin wird dieser Almanach Vorbild für viele folgende. Bis zum Jahre 1824 erscheinen rund 30 selbständige Übersetzungen aus der Anthologia 14 , bedeutend darunter sind die von Seckendorff und Jacobs 15 . Jacobs' Sammlung ist die umfangreichste, Beutler hielt sie für „eine stilistisch wie metrisch glänzende Leistung" 16 . Sehr bedeutsam ist die Vorrede, die genau die geistesgeschichtliche Situation spiegelt, in der die Anthologia-Übersetzungen entstehen. Jacobs beruft sich auf Herders Vorbild, der der Allgemeinheit die Bekanntschaft mit dieser Poesie geschenkt habe. Die reiche Fülle poetischen Lebens, die in diesen kleinen Gemählden herrscht, die Zartheit schöner Gefühle, die fröhliche Heiterkeit, die reine Größe einer edlen und wahrhaft humanen Denkungsart, die aus ihnen hervorleuchtet, alles dieses ergriff die Gemüther 11 12
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Beutler (1909) Analecta veterum poetarum graecorum. Editore Rieh. Fr. Phil. Brunck. Tom. I—III (Straßburg 1772-76, 2. Aufl. 1785). Zu Herders Wirkung auf den Erfolg dieser Ausgabe, der 1794-95 die von Jacobs folgte (s. meinen Kommentar), s. Beutler S. 112! Knapp referiert im Schlußkapitel Beutlers (aaO, S. 109-118). Ein ähnliches Buch für das 19. Jahrhundert scheint es nicht zu geben. S. auch Wiegand (1958), Prang (1971) S. 163169, Neumann (1980) (Nachwort). Beutler, aaO, S. 113. Daselbst eine Aufzählung der Almanache. F.K.L. von Seckendorff: Blüthen griechischer Dichter, Berlin 1800; Tempe, 2 Bde., Leipzig 1803 (unter den Initialen F. J.) und Wien/Prag 1804 (mit der fehlerhaften Verfasserangabe F. Jacobi). Jacobs hatte schon 1802 in Wielands ,Attischem Museum' eine Anzahl von Epigrammen unter dem Titel „Attische Analekten" veröffentlicht (s. Beutler, aaO, S. 110). Beutler S. 116. Ich führe in meinem Kommentar zuweilen die betreffenden Übersetzungen Jacobs' an, sofern er dieselben Stücke übersetzte wie Schleiermacher, um eine repräsentative Vergleichsmöglichkeit zu geben.
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unbefangener Leser mit verdienter Bewundrung, und setzte die Reize des satyrischen Epigramms in Schatten, denen man vorher fast ausschließend gehuldigt hatte 17 .
Daß dieses Bild in gewissem Sinne einseitig ist, gibt Jacobs zu, wenn er in seiner Übersetzung den Verzicht auf besonders anstößige Gedichte für selbstverständlich hält und die übrigen von vornherein nur für die Lektüre von Männern gedacht hat. Die Alten haben überhaupt nicht für das andre Geschlecht geschrieben. Zwar mag es auch in dieser Klasse des zarten Geschlechtes einige heroische Naturen geben, die, von dem Palladium eines begeisterten Gefühls für die Schönheit geschützt, den Schleyer der Züchtigkeit dreist zerreißen und sich einen Genuß erlauben, der nur für Männer bestimmt zu seyn scheint. Ihnen mag ihre männlichere Natur dieses Recht verleihen; aber nur mit Gefahr großer Mißdeutungen werden sie es geltend machen 18 .
Der Verteidiger der ,Lucinde' setzt sich über diese Vorurteile und Skrupel hinweg19. Er wird auch in der Worttreue seiner Übersetzung nicht wie Jacobs dem „Gefühl" folgen, sondern der geschmähten „Regel" 20 . Von einer geistigen Wirkung Herders auf Schleiermacher ist wenig zu spüren21, für einen künstlerischen Einfluß finde ich keine Zeugnisse. Daß Schleiermacher Herders ,Zerstreute Blätter' kannte, ist bei seiner Belesenheit zwar wahrscheinlich, doch eine Wirkung auf die eigenen Übersetzungsversuche hat diese Lektüre nicht gehabt. Er hat die ,Blätter' in dem weltabgelegenen Stolpe im Jahre 1803 gewiß nicht zur Hand gehabt, wie das Schweigen der Briefe beweist. Von allen Unternehmungen nach Herder hat Schleiermacher nachweislich nur die von Jacobs, A. W. Schlegel und Voß 22 gekannt, davon Jacobs' Werk erst nach seinen eigenen Übersetzungen, das Vossens an deren Ende 23 . Er ließ sich, wie es scheint, ausschließlich von den wenigen Versuchen A. W. Schlegels anregen, die dieser in der ,Europa' veröffentlicht hatte 24 , nachdem er sie in seinen Berliner 17 18 19
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Tempe, Leipziger Ausgabe, Bd. I, S. I-XII, hier S. II. ebd. S. VHIf Siehe aber Spaldings Protest „ex capite Moraline" gegen die Übersetzung von Meleagros III (XII 86) (s. meinen Kommentar)! s. Tempe S. Χ! Unger (1940) hat einen möglichen Einfluß Herders auf Schleiermacher so sorgfältig begründet, daß ihm nicht grundsätzlich widersprochen werden kann. Doch er gibt selbst zu, daß direkte Belege fehlen (S. 361ff. 399 Anm. 98). Johann Heinrich Voß: Sämtliche Gedichte. Sechster Theil. Oden und Lieder. VII. Buch. Vermischte Gedichte. Fabeln und Epigramme. Königsberg 1802 s. meinen Kommentar! Europa 1/2, S. 119-121 („Kleine Gedichte aus dem Griechischen") (Böcking III, S. 107ff. 174). Das Skolion im .Musenalmanach für das Jahr 1802' S. 128 (Böcking II, S. 35), ist von Schlegel frei erfunden und keine Übersetzung.
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Literarhistorischer Teil
,Vorlesungen über schöne Litteratur und Kunst' im Winter 1802/03 als Anschauungsmaterial vorgetragen hatte 25 . A. W. Schlegel stand in der Tradition der Anthologia-Übersetzungen, deren Erneuerer Herder war, über ihn ist sie zu Schleiermacher gelangt. Im inneren und äußeren Sinne wurde er so der Anreger Schleiermachers. In der Nachfolge Schlegels mußte es Schleiermacher darum gehen, das griechische Versmaß genau nachzubilden. Er mußte damit der crux gewahr werden, die die Metriker des 18. Jahrhunderts nicht müde wurden zu bekämpfen: daß nach der Verslehre der klassischen Philologie der antike Vers von der Quantität, der deutsche Vers aber von der Betonung getragen wird 26 . Die deutsche Sprache mußte der griechischen Schablone angepaßt werden; die strengen Metriker handelten dabei nach der Devise: Koste es, was es wolle! Daß eine antike Länge nicht mit der deutschen Hebung, die Kürze nicht mit der Senkung schlechthin übereinstimme, war ihnen seit Klopstock ebenso deutlich wie die Überzeugung, daß das Maß die griechische Sprache zu sein habe. Hierin war sich auch Schleiermacher mit seinen Lehrern durchaus einig. Die Rigoristen unter den Metrikern waren Voß und A. W. Schlegel, deren reiche Untersuchungen und konsequente Befolgung man mit Achtung zur Kenntnis nehmen muß und deren große Wirkung nicht übersehen werden kann 27 . Bei beiden gingen Theorie und Praxis Hand in Hand, denn wie Voß schreibt, „den Dichtern liegt ob, den geretteten Wohlklang zu erhalten und zu vermehren" 2 8 . Prosodische Richtigkeit erhielt den Rang einer Tugend, mit der unsere Sprache „mit griechischer Anstrengung" ausgbildet werden sollte. „Je mehr Schwierigkeit, desto glänzender der Ruhm des Überwinders" 2 9 . Von einem Hexameter ist zu fordern, daß er sechs Takte enthält, auftaktlos ist, zweisilbig endet und im dritten oder vierten Takte eine Zäsur hat. Die Füllung der Takte kann zwei- und dreihebig sein. Dem gleichen Grundmaß gehorcht auch der Pentameter, mit dem Unterschiede, daß der dritte und sechste Takt einsilbig sind. Voß und Schlegel gingen mit ihren Forderungen über dieses formale Schema hinaus. Sie verboten - in Übereinstimmung mit den Griechen 30 - die sog. Zäsur post quartum trochaeum, d.h. nach weiblichem 4. Takt, und die „amphibrachischen" Kola („das 25 26
ed. Minor II, S. X X , 243ff. 268ff/ed. Lohner, Sehr. III, S. 205ff. 225ff Zum Folgenden vgl. Heusler (1917); ders. (1929) Bd. III, S. 244-280 („Der Hexameter und seine Sippe").
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s. Vossens .Zeitmessung' und Schlegels - ζ. T. erst aus dem Nachlaß veröffentlichte - Aufsätze, die Böcking VII, S. 98-268 zusammengestellt hat (vgl. Sehr. I, ed. Lohner).
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Zeitmessung S. 76
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ebd. S. 259
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Rupprecht (1950) S. 15
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Zwitschern / der Vögel). Ihr besonderes Interesse aber erlangte die Qualität der taktfüllenden Wörter. Hier mußte dem griechischen Vorbild ( - ν ν oder — ) genau gefolgt werden, und das bedeutet: hier wurde die deutsche Sprache quantitativ gemessen. Schlegel, der dabei noch über Voß hinaus ging, konnte sich nur mit reinen Daktylen wie ,lebete' zufrieden geben, alle Daktylen mit Nebenton oder abgestufter Quantität (Finsternis, Fremdlinge, Vaterland, Meerkatzen, Kaufmann ge-)31 mußte er verwerfen. Noch folgenschwerer war Schlegels strenges Verbot, mit dem er gleichfalls Voß übertrumpfte, Trochäen zu gebrauchen anstelle des griechischen Spondeus. Ein Trochäus wie etwa ,wahre' war ihm ein Greuel, er strebte statt dessen einen Spondeus, etwa ,Wahrspruch', an. Der rechte Gebrauch des Spondeus zeigte den Könner, hier war er einer Meinung mit Voß, beide hielten sich an den Wahlspruch: „Frei von Lastern zu sein, ist dem Metriker nicht genug, sondern keiner dargebotenen Tugend zu ermangeln" 32 . Beide strebten danach, den Spondeus zu „stärken", indem sie in den Abtakt ein hochtoniges Wort stellten - Voß nannte einen so gewonnenen einen „geschleiften Spondeus" 33 (,géht rück-/-wärts'). Diese Übung war besonders verhängnisvoll am Zeilenschluß und vor der Zäsur. Die Schablone der Metrik zerstörte den natürlichen Rhythmus der Sprache. Die üblen Folgen dieser Regeln lassen sich deutlich ablesen an den Schlimmbesserungen, die A.W. Schlegel Goethes Epigrammen und anderen hexametrischen Dichtungen auf dessen Bitten hin angedeihen ließ34. Goethe hatte in ,Alexis und Dora' geschrieben: Nur ein /Tráuriger / stéht,// rückwärts ge/wéndet, am / Mást. Die Zeile war nach den strengen Regeln falsch. ,rückwärts ge-' überfüllt den Takt (— v), ,nur ein' ist ein Trochäus. Goethe „bessert" im Sinne der strengen Theorie Schlegels folgendermaßen: Einer nür / steht rück/wärts // trâurïg gë/wëndët äm / Mäst. Schlegel gefällt das selbst nicht, doch auch sein Vorschlag, ,einer' und ,traurig' auszutauschen, ändert die logische Verderbtheit nicht mehr. Auch er muß zugeben, daß der Spondeus,steht rück/wärts' künstlich und unge31 32 33 34
s. die Klassen und Beispiele bei Heusler (1929) S. 265ff! Voß: Zeitmessung S. 160 ebd. S. 129-131 u. ö. Heusler freilich nennt ihn „verdreht". s. Goethes Werke, Weimarer Ausgabe Bd. I, S. 424-477. Das Beispiel auch in den Heuslerschen Büchern und bei Trunz (Goethes Werke, Hamburger Ausgabe Bd.I, S . 4 8 2 487). Zum Ganzen siehe auch Körner (1924) S. 104f.
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Literarhistorischer Teil
wohnt ist und überdies die Anschaulichkeit des Bildes mindert 35 . Auf ähnliche Weise hat Schlegel auf die epigrammatischen Gedichte Goethes überall einen schlechten Einfluß geübt, Goethe widerstand ihm in größerem Maße eigentlich nur bei der Frage der Trochäen. Schlegel hat in seinen Berliner Vorlesungen ihm denn auch gerade dieses angekreidet: Überhaupt wären ihm, nach allem was er für die Verbesserung in der neuen Ausgabe gethan, reichere und gewähltere Rhythmen zu wünschen. Man täusche sich nicht über den Grad, worin diese Nachbildung des antiken bisher gelungen: nach meiner Meynung müßte hier noch ein weit größerer Rigorismus Statt finden, und der Trochäe statt des Spondeen besonders aus dem Pentameter ganz verbannt werden 36 .
Die Zeugnisse Schleiermachers führen uns ganz in dieselbe Welt. Als sein Freund Brinckmann ihm seine Gedichte schickt, schreibt ihm Schleiermacher: „Ich wollte an deinen Gedichten ein großes Studium machen, die Metrik mit dem Voß in der Hand daraus lernen" 37 . So lesen Philologen Gedichte! Der Metriker ist denn auch gleich bei der Hand, Schillers Hexameter für „elend" zu erklären und Brinckmanns Verse für unvergleichlich besser als die Goethes und Schillers zu halten 38 . Als Brinckmann ihm vorher mitgeteilt hatte, daß er den „reinen Trochäus" aus seinen Werken geächtet habe 39 , ist Schleiermachers Antwort ganz entsprechend: „Der reine Trochäus hat schon lange bei mir im schwarzen Register gestanden, und ich hoffe Voß giebt uns noch eine neue Ausgabe des Homer und Virgil ohne diesen hinkbeinigen Freund" 40 . Man sieht, Schleiermacher hat die Lektion seines Lehrers gelernt, der ihn soeben darüber belehrt hatte: „wenn man die Trochäen nicht ganz vermeiden kann, so muß man sie durch Position und Diphthongen verkleiden" 41 . Das strenge Verbot der Trochäen ist das Merkmal der Unterscheidung von Voß und Schlegel, Schleiermacher steht hier ganz auf der Seite des Freundes. Es gibt ein früheres Zeugnis für die Art und Weise, wie Schleiermacher die philologische Theorie Schlegels aufnimmt und weiterzudenken versucht. Schlegel schickte ihm im September 1801 in einem Brief (in dem er berichtet, daß Goethe mit ihm über die antiken Silbenmaße berate) den 35 36 37 38 39
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WA I, S. 425 Schlegel, aaO ed. Minor S. 290/ed. Lohner S. 243 Br. v. 1. August 1804 (Br. IV, S. 98) ebd. Br. v. 5. Nov. 1803 (MLA VI, S. 35). Brinckmann ist in der Metrik Vossianer, wie er mehrfach bekennt (ebd. S.60.64f). Vgl. auch seinen Widmungsbrief vom 15. Mai 1804 an Goethe (Briefwechsel zw. Brinckmann und Goethe S. 39f) ! S. auch Beissner (1941) S. 192. Br. v. 26. Nov. 1803 (Br. IV, S. 81) Br. v. 26. Sept. 1803 (Br. III, S. 364), zu Anth. XVI, 178 (s. meinen Kommentar).
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Beginn einer Übersetzung des Oedipus auf Kolonos 42 . Schleiermachers Antwort ist sehr kennzeichnend: Die Trimeter haben mich sehr ergözt, indeß wage ich Ihnen eine kleine Einwendung zu machen. Ich glaube nemlich daß wir uns der leidigen Alexandriner wegen noch mehr als die Griechen hüten müssen auch nur den kleinsten Abschnitt in die Mitte der zweiten Dipodie zu bringen, wie Des blinden Greisen Kind / Antigone wohin Lieber würde ich mir gleich im ersten Vers die Freiheit der ungleichen Füße vindiciren und sagen Des blinden Greisen Tochter Antigone wohin ( . . . ) ich glaube ehe die Menschen an diesen Vers gewöhnt sind müßte schlechterdings kein Wort mit dem 3! Fuß endigen. Ferner glaube ich daß man sich den Tribrachys u. Anapäst viel erlauben müsse aber nie den Daktylus weil bei uns die Länge vor 2 Kürzen so unmenschlich lang ist und gar keine Jamben sondern nur einen Trochäus repräsentiren kann. Belehren Sie mich doch hierüber 4 3 .
Man kann in der Tat den obigen Trimeter als männlichen Alexandriner lesen. In der Verachtung des Alexandriners aber waren sich Schleiermachers Zeitgenossen einig 44 . Anderseits erlaubte der griechische Trimeter eine Zäsur nach dem zweiten oder dritten Takt 45 . Schlegel ist formal ganz im Recht. Doch auch Schleiermachers Änderung ist keine Verbesserung, die „Freiheit der ungleichen Füße" macht den Satz holperig und bringt nichts ein, da durch den Auftakt ,Antigoné' die alexandrinische Struktur nicht beseitigt ist, andererseits aber die Wucht des echten Alexandriners verloren ging. Schlegel hat sich darum zwar dem Argumente Schleiermachers gebeugt, nicht aber seinen Vorschlag angenommen 4 6 . Die Aussagen über den Daktylus und seine Varianten klingen ganz nach Voß, sie beruhen auf dem Vorurteil der quantitativen Messung der Sprache. In Wahrheit gibt es im Deutschen keinen Unterschied von Daktylus, Anapäst und Tribrachys in der metrischen Zeile, die griechischen Termini dürfen nur annähernd gebraucht werden. Auf jeden Fall zeigen die Äußerungen Schleiermachers, der zu dieser Zeit noch selbst Trimeter schreiben will 47 , wie sehr er in der Diskussion über die Möglichkeit der 42
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Br. v. 7. Sept. 1801 (Br. III, S. 289-292, das dortige Datum 1800 ist zu verbessern, s. S. 438). Die Übersetzung bei Böcking III, S. 145-153. Br. v. 17. Sept. 1801 (EK S. 768) s. Heusler (1929) S. 163f. Vgl. Schillers Brief an Goethe vom 15. Okt. 1799 (Gräf-Leitzmann II, S. 274). Heusler (1929) S. 178; Rupprecht (1950) S. 32f Böcking III, S. 145: „Wohin, des blinden Greisen Kind, Antigone". s. Br. III, S. 290. Daß Schleiermacher zwei Jahre später bei der Übersetzung von Anth. Gr. IX, 497 (Krates I) dann selbst den Fehler macht, den er hier A.W. S. vorwirft, zeige ich in meinem Kommentar z. St.
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Literarhistorischer Teil
Nachahmung der antiken Maße steht. Der Satz, mit dem er die obigen Äußerungen schließt, will darum ernster genommen werden, als er klingt: „Werden Sie mich nicht auslachen sondern mich lieber corrigiren, wenn ich fortfahre wo Sie stehn geblieben sind?" Im Juni 1803 begann Schleiermacher, an den Rand seiner Tagebücher Distichen zu schreiben 48 . Diese Entspannungsübung nach der Abfassung der ,Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre' und neben der Platon-Übersetzung wird in den Briefen der nächsten Monate immer wieder erwähnt; die Freunde Spalding und Brinckmann sollen „korrigieren". Die Epigrammatik war seit den Xenien Goethes und Schillers allenthalben in Übung; daß sie nicht nur polemisch zu sein brauchte, zeigten die antiken Beispiele und Goethes ,Venezianische Epigramme'. Dem dialektischen Charakter Schleiermachers kam diese Dichtungsweise sehr zupaß. Seine Versuche sind durchaus talentiert, wenn auch die dauernden Änderungen am Text zeigen, welche Mühe er sich mit der Metrik gibt. Als Beispiel diene das gnomische Distichon ,Bedingung': Wer sich selbst nicht anschaut, nie wird er das ganze begreifen Wer nicht das Ganze gesucht findet wol nimmer sich selbst. Schleiermacher hat fast nicht gebessert, war also wohl mit der metrischen Form zufrieden. Den trochäischen Beginn durfte er dulden. Daß er sonst stets Daktylen bildet, ohne auch nur einen Spondeus zu versuchen, zeigt, daß er in der Praxis den harten Regeln, die „Vieltonigkeit" und Abwechslung forderten 4 9 , denn doch nicht entsprach. Er hat sich aber bemüht, die tieftonigen Silben der Daktylen kurz zu halten. Heraus fällt für unser Ohr die Tonbeugung auf ,anschaut', durch die "Schleifung" ist eigentlich ein Creticus ( - v - ) entstanden (,selbst nicht än/schäut'), der den Metrikern mißfallen mußte. Die Folge ,wird nie' in der ersten Fassung ist geschickter; es liegt dann nach der Zäsur eine aufsteigende Tonfolge vor, bei ,nie wird' ist der Ton „geschleift". Die epigrammatischen Versuche sind die Vorübung zu den Übersetzungen aus der ,Anthologia Graeca'. Zu ihnen wurde Schleiermacher allem Anschein nach durch A. W. Schlegels wenige Beispiele in der ,Europa' angeregt, der dort zunächst Muster für die „Sylbenmaaße" aufgestellt und dann „Kleine Gedichte aus dem Griechischen" übersetzt hatte 5 0 . Schleier48
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s. Br. an Henriette Herz v. 21. Juni 1803: „Heute und gestern habe ich überhaupt viel in Papieren gelebt und habe daraus einige Distichen gemacht" (Br. I, S. 369 / M I, S. 305f). S. weiterhin meinen Kommentar zu den Epigrammen. s. Voß: Zeitmessung S. 22 u. ö. Europa 1/2, S. 117-121. Die Gedichte stammen aus den Vorlesungen, s. Anm. 25! Zum folgenden Zitat s. auch Heusler (1917) S. 79.
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mâcher konnte dort als Möglichkeit für einen Hexameter die Zeile finden: „Wie oft / Seefährt / kaum vör/rückt // mûh/vôllërës /Rüdern". Doch an der Spondeensucht konnte er sich nicht stoßen. Er mußte sich im Gegenteil auf eine Vorlage verwiesen sehen, an der es sich lohnen würde, seine metrischen Fähigkeiten zu beweisen. Er wußte sehr wohl, daß er ein Übersetzer und kein Dichter war, daß ihm die Kunst „nur durch den Zusammenhang der Theorie" nahegekommen war 51. Hier hatte er nun einen Stoff, bei dem es auf philologisches Können, auf „Theorie", ankam und nicht auf produktive Fähigkeit. Diese Aufgabe muß ihn für einige Tage - freilich nicht sehr lange völlig bezaubert haben, denn seine Nachbildungen entstanden kurz nacheinander. Leider ist der Brief, den er Schlegel über dessen Übersetzungen geschrieben hat und dem er auch gleich eigene Versuche beifügte, nicht erhalten 52 , so daß wir auf Rückschlüsse aus der Antwort und auf andere Zeugnisse angewiesen sind. Schleiermacher wird das betreffende Heft der ,Europa' Anfang September erhalten haben 5 3 , Spalding scheint am 18. September die meisten Epigramme zu besitzen 54 , Schlegel bespricht am 26. September das Gedicht Antipatros XXXII (Anth.Gr. XVI, 178), d. h. das drittletzte des Gedichtheftes (Nr. 24) 55 . Schleiermacher hat also in rascher Folge übersetzt. Daß wir keine weiteren Proben haben, beweist allerdings, daß sein Feuer nur ein Strohfeuer war. Schleiermacher hat Schlegels Übersetzung sehr genau gelesen, soz. mit dem Metronomium in der Hand: er wies ihm nämlich einen Fehler nach! Unter den Muster-Hexametern steht folgende Zeile 56 : Alle Gë/wâssër aüf / Ërdën // ent/riesêln / öder ënt/brâusën ,,ent/riesëln" aber bildet einen zu verabscheuenden Trochäus! Schlegel wies darauf hin, daß er „entrieselen" geschrieben hatte, „eine Dehnung 51
s. Br. an H. Herz v. 31. August 1803 (M I, S. 315 / Br. I, S. 379).
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Schlegel erhielt ihn am 24. Sept. 1803 (s. Br. III, S; 363).
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D a s Heft 1/2 erschien Ende August. (Zu den Erscheinungsdaten der ,Europa' s. Behlers Nachwort zur Neuausgabe S.44f und Chélin (1981), die Houben-Walzel (1904) S p . 2 7 überholen.) In dem Br. an H. Herz v. 31.8.1803 (s. Anm. 51) ist von der .Europa' nicht die R e d e , was bei früherem Erhalt zu erwarten wäre. D o c h da in den veröffentlichten Briefen Schleiermacher lediglich die Vorlesungen A . W. Schlegels in II/l (S. 3-95) erwähnt ( M L A IX, S. 72f; Br. III, S. 369) - auch 1/1 blieb ohne Echo - , beweist das Schweigen nicht viel.
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„Von Versen und Prosa ein andermal" (handschriftl.). Seine ausführliche Stellungnahme steht in dem Br. v. 31. Okt. (hsl. zu Br. III, S. 367f), den ich im Kommentar jeweils ausführlich zitiere.
55
Br. III, S. 364
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Europa 1/2, S. 117 (Böcking II, S. 32, dort gebessert)
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Literarhistorischer Teil
dergleichen Voß schon gebraucht, u[nd] die mir hier eben mahlerisch schien"57. Schleiermacher war natürlich stolz über das Zutreffende seiner Entdeckung 58 . Schlegels weitere Aussagen sind wichtig auch für Schleiermachers Übersetzungsprinzipien: Meine Absicht bey den eigenen Gedichten war, die Trochäen aus dem Hexameter und Pentameter gänzlich zu verbannen, wenigstens müssen sie spondeisiren. Bey dem Uebersetzen (sc aus der Anthologia) geht dies freylich nicht, es ist sehr schwer, besonders hat die älteste Elegie eine unnachahmliche einfache Grazie. 59
Das geht vor allem nicht im Schlußtakt, wo nicht überall ein Spondeus wie „zu/rück nimm" gebildet werden kann, und es geht auch nicht immer am Versbeginn, daß man statt „Achtzigjährigem" „Àchzïgbê/jâhrtëm" schreiben kann60. Doch innerhalb der Zeile bemüht sich Schlegel sehr, den Trochäus zu vermeiden; in der ,Europa' jedenfalls befindet sich dafür kein Beispiel. Dafür gibt es „geschleifte" Spondeen in Menge, auch läuft ihm zweimal eine Zäsur post quartum trochaeum unter61. „Zum Rigorismus darf ich Sie nicht erst ermahnen", stimmt er Schleiermacher zu. „Mir däucht, wenn man die Trochäen nicht ganz vermeiden kann, so muß man sie durch Position und Diphthongen verkleiden" 62 . Der Adlatus ist ganz der Meinung des Lehrers. (Es) ist mir recht aus der Seele geschrieben was Sie sagen man müsse die Trochäen wenigstens durch Position und Diphtongen verkleiden. Nemlich ich habe eine Ahndung daß man noch dahin kommen wird gewisse Positionen und Diphtonge nicht anders als producirt zu gebrauchen. Ist die Verabscheuung der Trochäen im Hexameter erst recht gründlich im Gange so wird die Sache sich hoffentlich bald ins Klare sezen 63 .
Aber der Schüler möchte noch rigoristischer sein als der Lehrer. Schlegel hatte, unter Hinweis auf Voß 64 , die Zeile ,Nün wïdër/strêbëndén / Schäum 57
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59 60 61
62 63 64
handschriftlich, zu Br. III, S. 364. Das Zitat geht (hsl.) weiter: „ein naseweiser Setzer oder Corrector hat das vermuthlich für Versehen gehalten". Bei Br. ausgelassen sind auch folgende Hinweise auf Druckfehler (zu .Europa' 1/2, S. 120): „Es sind noch andre Druckfehler in den übersetzten Stücken. Winke dem Wein 1. [ies] Trinke Jungfrauen 1. Jungfrau'n" (richtig bei Böcking III, S. 108 und danach bei Minor und Lohner - .Jungfrauen' ist also nicht erst nach Schlegels „neuerlichen strengen Grundsätzen" fehlerhaft, wie Minor, aaO S. XX folgerte). Br. v. 12. Okt. 1803 (EK S. 772. Dort steht „entrieseln", was nach meiner Lesart nun verbessert werden muß.) Br. III, S. 364 Europa 1/2, S. 119 (.Antwort des Solon') ebd. S. 119 und 120 jeweils die 2. Zeile von unten (das gilt für S. 120 auch nach der Änderung gemäß Anm. 57) Br. III, S. 364 EK S. 771 Zum betreffenden Zitat bei Voß s. meinen Komm. z. St. (Antipater Anth. Gr. XVI, 178)
XXXII,
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. . g e t a d e l t 6 5 , weil ,wider-' hochtonig ist und der Takt dadurch überfüllt wird. Schleiermacher ist da anderer Meinung: (Ich hätte) nicht geglaubt daß Sie ihm [sc. Voß] beistimmen würden in dem Verbot die zweisilbigen Partikeln wenn sie keinen ächten Diphtong haben, wenigstens in der Zusammensezung als Doppelkürzen zu gebrauchen. Geben Sie denn auch das überall auf, welches Sie sonst noch vertheidigten? 66
Der Lehrling nimmt den Meister beim früheren Wort, er verweigert die Gefolgschaft: er hat ausgelernt. Schleiermacher hat die Zeile nicht geändert. Nach dieser Rekonstruktion der Theorie nun zur Praxisl
Schleierma-
cher hat 26 Stücke aus der ,Anthologia Graeca' übersetzt, wie sie ihm aus der Brunckschen Ausgabe bekannt war. Veröffentlicht hat er, soweit ich ermitteln konnte, von allen seinen Versuchen vermutlich nur einen. Man muß daraus schließen, daß er mit seinen Übersetzungen nicht zufrieden war. Nicht umsonst hat er Friedrich Schlegel, der ihn darum bat, nichts für die ,Europa' gegeben 67 ! Aber anderseits hatte er dabei die Bestätigung gewonnen, in metricis Schiller übertreffen zu können. Prüfen wir also die Übersetzungen des metrischen Rigoristen auf die angestrebte Richtigkeit! Die poetischen Fähigkeiten oder Unfähigkeiten werden dabei nebenher zutage treten. Ich wähle den ersten Versuch Schleiermachers, das letzte der längeren Stücke, das veröffentlichte Gedicht und schließlich ein Beispiel für die Übersetzung einer Form, die im Griechischen nicht durch Distichon gebildet wird. Dieses der / Timas / Staub,// die / vor der Ver/mählung ge/storben Auf nahm / Phersepho/nes // dunkeles / Ehege/mach Der nach/trauernd / meist // mit / noch unbe/rühretem /Eisen A l l e Ge/spielen des / Haupts // liebliche / Loken ge/weiht. (Sappho, V I I 489, Nr. 1)
Der erste Versuch gehört zu denen, die Schleiermacher am besten gelungen sind. Die Zäsuren sind - von Vers 3 abgesehen - glücklich gesetzt, der Wechsel von Spondeen im Anvers und Daktylen im Abvers gibt dem Fluß der Töne ein ansprechendes Gefälle. Im 2. und 3. Vers nutzt Schleiermacher die Gelegenheit, „geschleifte" Spondeen zu schaffen ( A u f nahm, Der 65
Br. I I I , S. 364, zu Nr. 24
66
E K S. 771
67
Fr. Schlegel an Schleiermacher, Br. v. 20. März 1804: „Kann ich von Deinen Versen nichts zu sehen bekommen, und ist wenigstens von diesen nichts für den Druck bestimmbar?" (Br. I I I , S. 384). Zur Ablehnung Schleiermachers s. ebd. S. 398 (Br. v. 26. Mai 1804).
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Literarhistorischer Teil
nach-), gebraucht anderseits die Vorsilbe un- tieftonig. ,trauernd' soll wohl durch Positionslänge einen Spondeus bilden, könnte aber auch ein Trochäus sein, da Schleiermacher sonst bei Partizipien nicht auf Positionslängen achtgibt. Auffällig ist die griechische Skansion der Eigennamen (Tîmâs, Phërsëphônës), die, obwohl sie von Voß verworfen wird, Schleiermacher fast stets anwendet 68 . Wie die meisten Übersetzungen zeigt auch diese, daß es Schleiermacher nicht recht gelingt, Logik und metrisches Schema harmonisch zu vereinen. Die logische Spröde des Textes wird durch den (bewußten) Verzicht auf genaue Zeichensetzung noch verstärkt. Die kleineren Stücke gelingen Schleiermacher meist gut, vor allem die Zweizeiler. Hier bessert er auch am wenigsten. Bei den längeren Gedichten aber bleibt selten eine Zeile ohne Veränderung. Als Beispiel wähle ich die Nr. 24 (Antipater XXXII), und zwar darum, weil Schleiermacher sie A. W. Schlegel zur Beurteilung gesandt hat, sie also für einigermaßen gelungen hielt 69 . Die sich em/por aus dem/ Schooß// frisch/ hebende/Tochter des/ Meeres Kypria/ hier ein Ge/bild// schau von dem/ Pinsel A/pells Wie mit der/ Hand sie zu/sammenge/rafft// die durch/nezeten/ Haare Nun wider/strebenden/ Schaum// träufelnden/ Loken ent/drückt Selber be/kennen wol/ izt// A/thene/ oder auch/ Here: Nicht der Ge/stalt Wett/streit// bieten wir/ länger Dir/ an. Das Gedicht ist metrisch so „richtig" übersetzt, daß Schlegel Schleiermacher einen „Kenner" und seinen „Bundesgenossen" im Übersetzen der alten Dichter nennen konnte 7 0 . Er widersprach nur der Tonbeugung auf ,widerstrebenden' und dem Spondeus ,Athene', die aber Schleiermacher beide - wie ich bereits gezeigt habe - mit Absicht gebraucht hatte, weil er die zweisilbige Partikel als Doppelkürze empfand und die griechischen Namen stets griechisch skandierte. Auffällig gegenüber dem ersten Gedicht ist - und das gilt auch für die meisten anderen Übersetzungen die Armut an Spondeen. Neben ,Athene' bildet nur noch ,Ge/stält W e t t streit' einen („geschleiften") Spondeus. Der ausgesprochene Wille, Trochäen zu verbannen, führt bei dem recht empfundenen Mangel wirklicher „Spondeen" in der deutschen Sprache schließlich zum Verzicht auf zweisilbige Takte. Mit dem einseitigen Gebrauch des Daktylus aber geht der besondere Reiz des Hexameters verloren, der nicht zuletzt in dem Wechsel 68
s. meinen Komm, jeweils z. St. Zu Voß und Spalding s. den Komm, zu Meleager L X V !
69
Zum Einzelnen s. meinen ausführlichen Komm. z. St.
70
Br. III, S. 363f
Anthologia Graeca
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der Takte liegt71. Der Widerstreit zwischen richtigem Sprachgefühl und metrischer Schablone hat den Verlust der poetischen Wirkung zur Folge. In dem vermutlich wenige Jahre später veröffentlichten Gedicht ,Von Solon' (Nr. 2) geht Schleiermacher den Weg zurück vom Sprachgefühl zur metrischen Vorschrift, ohne jedoch wirklich der Schlegelschen Spondeensucht zu verfallen. Wolken, ent/stürzet her/ab// des/ Schnees Ge/stöber; der/ Hagel So wie des/ Donners Ge/walt,// zeuget der/ leuchtende/ Blitz. Sturmes Ge/tös, in die/Tiefe// sich/ wühlend,/ schüttelt das/ Meer durch; Rühret es/ keiner, er/scheint's// eben vor/ allen und/ sanft. So durch ge/waltige/ Männer// zer/rütten sich/ Staaten, in/ Herrschers Knechtschaft/ sinket das/Volk,// richtiger/ Kunde be-/ raubt. Der Text enthält einen „positionslangen" Spondeus (,wühlend') den „echten" Spondeus ,Knechtschaft' und den von Voß und Schlegel gern gesehenen Spondeus im Schlußtakt (,Meer durch'); ein Trochäus kommt nicht vor 72 . Schleiermacher brauchte keine Scheu zu haben, seine Übersetzung zu publizieren. Die Druckfassung ist eine verbesserte Randfassung. Interessant ist, daß außer 'Knechtschaft' keiner der angeführten Spondeen bereits in der Erstfassung steht, die dortigen Spondeen ,Stürmend' und ,Staat geht' jedoch beseitigt sind. Unter den übersetzten Stücken befinden sich drei, die im Griechischen nicht in Distichen abgefaßt sind: der Trimeter ,Krates I' (Nr. 9) und die beiden folgenden Skolia. Schleiermacher folgt auch hier der Vorlage genau 73 . Ich analysiere Skolion XX. Der griechische Text lautet nach Brunck 74 : Ά ύς τάν βάλανον τάν μεν εχει, τάν δ'έραται λαβείν. κάγώ παΐδα καλήν τάν μέν εχω , τάν δ'εραμαι λαβείν. Schon die vielfache Wortgleichheit weist auf das strenge metrische Schema hin: 71 72 73 74
s. Heusler (1929) S. 273 u. ö.; Voß: Zeitmessung S. 160f. .Schnees' (V. 1) ist zweisilbig empfunden! s. dazu im Einzelnen meinen Komm. z. St. Brunck: Analecta I, S. 159
54
Literarhistorischer Teil
V -V V V -vv —
VV— V V —V — ν ν v v - v—
Nun hat zwar Schleiermacher im Gedichtheft - wohl aus Raumgründen den Text in zwei Langzeilen übersetzt 75 , ich gebe ihn darum auch so wieder. Wenn man die Langzeile jedoch zweizeilig schreibt, stellt sich heraus, daß er das obige Schema genau nachgeahmt hat: Diese Eichel bësîzt jëzô das Schwein jënë begehrt es schön Sö dies liebliche Kind häb ich änizt jênês bëgëhr ich schön Der griechische Text - das gilt mutatis mutandis auch für Skolion XXI zwingt zur parallelen Übersetzung, so daß das Schema nahezu auf der Hand liegt. Doch der Wille zur Nachahmung der Metrik zeigt sich darin, daß Schleiermacher den Text umstellt 76 , ohne das Schema zu verletzen, und besonders in dem streng parallelen Aufbau der Verse 2 und 4, die dem Metrum genau folgen. Schleiermacher hat lediglich in Vers 1 und 3 im ersten Takt den Spondeus durch einen Trochäus ersetzt, den er ja außerhalb des Hexameters nicht zu fürchten brauchte. Die häufigen Verbesserungen, vor allem in den nur in meinem Kommentar analysierten Stücken, zeigen die Mühe, die Schleiermacher hatte, um „richtig" zu übersetzen, und damit den Grund, warum er trotz der angeführten gelungenen Versuche so bald die Lust zu weiteren Übertragungen verlor. So will auch seine Ablehnung an Friedrich Schlegel, seine Verse in der ,Europa' zu veröffentlichen, zu verstehen sein: „Daß ich Dir zu dieser nichts gegeben habe, und auch jezt noch nicht daran denken kann, ist wahrlich kein Nichtwollen, sondern ein baares Nichtkön75
Im Ms. findet sich bei Nr. 10 und 11 ein Kreuz. Vielleicht wollte Schleiermacher damit auf das besondere Schema hinweisen. - Ein anderer Grund für die Übersetzung in zwei Langzeilen ist vielleicht auch hier das Vorbild A . W. Schlegels, der in seinem ,Skolion' (Europa 1/2, S. 123; Böcking III, S. 109) einen Brunckschen Vierzeiler (Brunck I, S. 158, Nr. 18) zweizeilig übersetzt und diesen Eingriff in seinen Vorlesungen folgendermaßen erläutert: „Eins der schönsten (sc. Skolien) habe ich nach dem Sylbenmaaß, wie es (sc. Gottfried) Herrmann unstreitig richtig geordnet, zu übertragen gesucht" (Minor II, S. 243/Lohner, Sehr. III, S . 2 0 5 ) . D a ß Schleiermacher das griechische Vorbild Schlegels gesucht und gefunden hat, ist durch die Seitenzahl evident (AWS S. 158 - Schi. S. 159).
76
s. meine Übersetzung im Komm., die genau dem Text nachgeht.
Anthologia Graeca
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nen"77. Es „so zu können" wie A. W. Schlegel, hatte er schon vor Jahren für „unendlich schwer", „es nicht so zu wollen" aber für „unerlaubt" gehalten 78 . Mit dem Übersetzertalent Schlegels konnte er nicht mithalten, dafür fehlte ihm das poetische Gespür und die leichte Hand; von seinem Vorbild aber konnte er sich nicht freimachen. In bewußtem Verzicht widmete er sich nun Jahre hindurch der Übersetzung Piatos, bei der ihn Friedrich Schlegel im Stich gelassen hatte; an der Übersetzung Piatos und des Neuen Testamentes entwickelte er seine Hermeneutik. Sein Ausflug in die Poesie aber bewahrte ihm die Fähigkeit, sein Leben lang die Kunst des Verseschmiedens als Gesellschaftsübung - bis hin zu seinen Charaden - zu kultivieren. Er gab ihm die Sicherheit, Jahrzehnte später in Kirchenlieder bessernd einzugreifen 79 . Und nicht zuletzt verlieh ihm seine Beschäftigung mit den griechischen Versmaßen in der deutschen Sprache die Kompetenz zu den sachgerechten dichtungstheoretischen Urteilen, die er in seiner ,Aesthetik' fällte 80 .
77
Br. v. 26. Mai 1804 (Br. III, S. 398). Friedrichs Brief s. Anm. 67! Fr. Schlegel bekam übrigens nie - trotz vielfacher Aufforderungen (Br. III, S. 268, 287, 288; M L A VII, S. 108, 125) - eines der Gedichte Schleiermachers zu sehen (s. auch Br. III, S. 273).
78
Br. an A. W. Schlegel v. 27. Mai 1800 (EK S. 743) s. Albrecht (1963) S. 122.127.171 und die Faksimiles auf S. 169 und 175, die Schleiermachers Bearbeitungen sinnenfällig belegen. Das ist freilich nur die Spitze des Eisberges. Die in der Bibliographie von Tice (1966) Nr. 107 erwähnte Sammlung deutscher Hymnen (im British Museum London) enthält über 300 gedruckte (meist Einzel-)Blätter liturgischer Art zu Schleiermachers Gottesdiensten von 1817-1828, die dieser - unzufrieden mit dem in den Kirchen Berlins üblichen Porstschen Gesangbuch - von Reimer drucken ließ und die, in Vorwegnahme des von Schleiermacher initiierten Berliner Gesangbuchs von 1829, durchweg „gebessert" erscheinen und zur Alternatimpraxis, also zum Wechselgesang zwischen Solo bzw. Chor und Gemeinde, eingerichtet sind. Die Erforschung dieses umfassenden Materials - zu dem auch ein Blatt aus dem Varnhagen-Nachlaß mit dem Lied „Komm hernieder heiiger Gottesgeist" zu rechnen ist - steht noch aus.
79
80
s. Exkurs I!
Das Ende der Poesie: Schleiermachers Elegie-Fragment Im Sommer 1803 begann Schleiermacher, seinen romantischen Freunden in den Bereich der Poesie zu folgen und selbst zu dichten. Er wurde dabei nie die Skrupel los, daß es ihm hierzu an Begabung fehle. Nach den ersten empfindsamen Gedichten und Epigrammen schrieb er an Henriette Herz: Ich wollte wol, mein Schicksal vergönnte mir in meinem Leben noch einmal eine Probe damit [sc mit dem Kunstsinn] zu machen, denn noch wage ich nicht zu entscheiden, ob ich wirklich einigen Sinn habe oder ob alles nur durch den Zusammenhang der Theorie (wie so vieles) in mich gekommen ist; alles andre, was ich sonst auf diesem Wege zuerst erlangt, wenigstens ins Bewußtsein bekommen habe, ist doch hernach lebendig in mir geworden; ob es mit der Kunst auch so gehen würde, bezweifle ich1.
Die bisherigen Versuche haben ihn nicht befriedigt, das ist offenbar; noch hatte er nichts Großes angegriffen, alles Umfänglichere war - wie ich zu Anfang gezeigt habe - über den reinen Plan oder eine Notiz in den ,Gedankenbüchern' nicht hinausgediehen. Der September brachte die Übersetzungen aus der ,Anthologia Graeca'. Die Flucht in die poetische Vorlage war der Versuch, das, was aus dem Zusammenhang der Theorie in ihn gekommen war, lebendig werden zu lassen. Die Beschäftigung mit der griechischen Epigrammatik hatte ihm ein handwerkliches Können eingebracht und ihn in die griechische Rhythmik eingestimmt. Es ist ein logischer Schritt, daß er an dieser Stelle nicht bei gnomischen Epigrammen und Xenien stehen blieb, sondern auch einmal einen Versuch mit einer eigenen Elegie wagte. „Vor der Hand ist es wol nur Wiz und Scherz, daß ich mit wizigen und scherzhaften Gedichten anfangen soll. Noch eher würde ich wie mir Friedrich prophezeiht mit Elegien beginnen", hatte er A. W. Schlegel schon vor Jahren geschrieben 2 . In der Tat ist Schleiermachers Elegie ein Beginn, ein entschlossener Schritt über die Fixierung an eine Vorlage hinaus. Das Anempfundene, das aus dem Zusammenhang der Theorie in ihn Gekommene sollte eigenes Leben entwickeln. Schleiermacher machte einen Versuch mit 1 2
Br. v. 31. Aug. 1803 (M I, S. 315 / Br. I, S. 379) Br. v. 3. Mai 1800 (EK S. 742)
Das Ende der Poesie
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seiner eigenen künstlerischen Schöpferkraft. Um so kennzeichnender aber ist darum das Abbrechen des Versuches. Der Beginn war gleichzeitig das Ende. Herder war von seinen Übersetzungen zu Dichtungen im AnthologieStil weitergeschritten, Goethe war ihm darin gefolgt. Das Beispiel A. W. Schlegels hatte Schleiermacher vor Augen. Seit Klopstock hatte kaum ein Dichter darauf verzichtet, in griechischen Metren zu dichten; der Hexameter hatte sich auch bei denen durchgesetzt, die auf die Ode verzichteten. Im Altertum wurde jedes nichtepigrammatische Gedicht in Distichen eine Elegie genannt 3 ; daran anknüpfend, galten auch im 18. Jahrhundert Distichengedichte als Elegien. Die strenge metrische Form, die sie bei Goethe, Schiller, W. v. Humboldt, den Schlegels bekam, dankt sie dem Vorbild und der Lehre Vossens, ohne dessen korrekte Behandlung des Distichons die deutsche klassische Elegie „wahrscheinlich ein anderes Aussehen hätte" (Beissner) 4 . A. W. Schlegel hatte 1799 im zweiten Band des ,Athenaeums' eine Elegie ,Die Kunst der Griechen, An Goethe' veröffentlicht 5 , Friedrich Schlegel Schloß seinen Aufsatz ,Über Lessing' mit der Elegie ,Herkules Musagetes' ab 6 . Beide Gedichte kannte Schleiermacher gut 7 . Von der deutschen Elegie-Tradition war er von seinem Bildungsgang her nicht unberührt 8 . Den letzten Anstoß zur eigenen Produktion gab nun die Muster-Elegie A. W. Schlegels in der Nummer der ,Europa', die ihn bereits zur ,Anthologia Graeca' geführt hatte 9 . Friedrich Schlegel hatte im ,Athenaeum' unter dem Hinweis auf Goethe von der Elegie gesagt: „sie ist hier einheimisch, und lebt unter 3
Siehe Wiegand: Art. .Elegie' (Reallexikon Bd. I, S. 332-334). Zum Ganzen s. auch jeweils Beissner (1941) und Prang (1971) S. 208-217!
4
Beissner S. 124
5
Athenaeum II/2, S. 182-192. Fr. Schlegel nannte sie „teufelmäßig antik" (Walzel S. 407f).
6
Charakteristiken und Kritiken. Von A . W . und F. Schlegel. B d . I , Königsberg 1801, S. 271-281 ( K F S A Bd. V, S. 281-285)
7
Im .Herkules Musagetes' wird Schleiermacher als „Redner der Religion" angesprochen. Er rezensierte die .Charakteristiken' überaus kritisch in der Erlanger Litteraturzeitung vom 28. Sept. 1801 (Br. IV, S. 554-561).
8
A m 22. Juli 1789 erwähnt S. in einem Brief an Brinckmann Höltys .Elegie auf einen Dorfkirchhof' (Br. IV, S. 16). Unger (1940), der S. 400 A n m . 99 auf diese Stelle hinweist, hätte in diesem Gedicht einen schönen Beleg für .Wehmut' im Schleiermacherschen Sinn finden können, wäre er der Briefstelle nachgegangen. S. kannte und liebte übrigens auch das literarische Vorbild dieses Gedichtes von Thomas Gray, von dem er sich eine Übersetzung seines englischen Jugendfreundes Okely aus den Tagen in Barby sein Leben lang aufbewahrte (Meyer, 1905, S. 199 Anm. 205.211.214f A n m . ) .
9
Europa 1/2, S. 117f
58
Literarhistorischer Teil
uns", und ihr eine einfühlsame Lobrede gehalten 10 . A. W. Schlegel hat ihr in seinen Berliner Vorlesungen „sanfte Wehmuth" bescheinigt und sie beschrieben als „ein unauflösliches Gemisch von Leidenschaft und betrachtender Ruhe, von Wollust und Wehmuth, einzig gemacht die zwischen Erinnerung und Ahndung, zwischen Fröhlichkeit und Trauer schwebende hin und herschwankende Stimmung auszudrücken" 11 . Hier haben wir den geistesgeschichtlichen Hintergrund für das, was Schleiermacher unter einer Elegie verstand und was er demzufolge anstrebte. Schlegels Theorie ist die Folie, die uns den Maßstab für die Deutung und Wertung des Versuches Schleiermachers liefert 12 . Das Entstehen der Elegie Schleiermachers läßt sich genau verfolgen 13 . Am Anfang steht der Plan, auf Friedrichs Drängen um Beiträge für die Zeitschrift ,Europa' hin abgefaßt: „Visionen kosmisch in Hexametern, Satyren eben so ethisch. Beides vielleicht für die Europa". Dem Plan folgen bald nicht weniger als acht Fassungen, hinzu kommen Pläne für zwei weitere „kosmische" Elegien und eine „ethische" Satire, die nicht mehr ausgeführt sind. Wir haben ein direktes Zeugnis Schleiermachers, das seinen Plan nicht nur genau datiert, sondern auch deutlich die von Wollen und Bewußtsein des Nichtkönnens bewegte Stimmung Schleiermachers kennzeichnet. Er schreibt am 27. September 1803 an Henriette Herz: ( . . . ) am lezten Nachmittag ( . . . ) konnte ich wirklich einige Gedanken haben und auch einige Distichen zu einer Elegie machen. Zu vier Elegien habe ich doch den Plan gemacht, die gewiß sehr gut würden und von großem Effect, wenn ich sie so machen könnte, wie ich sie mir denke. Es geht mir aber mit der Poesie, wie mit der Musik. Ich kann ganz göttliche Sachen innerlich nicht nur nachsingen, sondern auch componiren. So wie ich aber den Mund aufthue, möchte man, wie Du weißt, davonlaufen. Verse werde ich wohl machen lernen, aber keine Poesie ( . . .) 14 .
Diese Sätze zeigen genau die Spannung Schleiermachers zwischen Wollen und Vermögen, sie lassen verstehen, daß ihm sein Versuch grundsätzlich werden konnte, daß hier für ihn eine Entscheidung fiel, deren Ausgang er eigentlich immer schon - seit den ,Reden' - geahnt hatte und die er nun akzeptierte. 10
Athenaeum 1/1, S. 107-140 (,Elegien aus dem Griechischen'), Zitat S. 108
11
ed. Minor II, S. 249272Í (s. bes. S. 2 6 5 - 2 9 1 ) / e d . Lohner, Sehr. III, S. 209.229 (S. 223-243) D a ß Schleiermacher dabei einen engeren Begriff von Elegie hat als die Brüder Schlegel,
12
sei vermerkt. Von der strengen Forderung A . W. Schlegels nach einem vielsilbigen Schluß des Pentameters (S. 277ff / S. 232f) hat er den Texten zufolge nichts gewußt. Zur Elegie bei den Brüdern Schlegel s. Beissner (1941) S. 159ff! 13 14
Vgl. dazu im Einzelnen meinen ausführlichen Kommentar! Br. I, S. 380
Das Ende der Poesie
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Der erste Entwurf der Elegie lautet: Eile doch her o Geliebte zu mir es erwartet die Sehnsucht Duftender Küße Dich längst nach dem geschäftigen Ernst Wehe die Götter der Arbeitschweren Stunden sie rufen Nahende Schatten der Nacht schon in das stille Gemach Die Distichen sind formal gut gebaut und zeigen den geübten Könner. Den Trochäus auf ,schweren' wird der rigoristische Metriker gleich im nächsten Versuch verbessern. Die Zeilen sind durch Enjambement verklammert, doch würde Friedrich Schlegel wie bei Goethe tadeln können, daß die Elegie in einzelne Distichen zerfalle 15 . Der Inhalt ist noch nicht eigentlich elegisch, die vier Verse bilden die Exposition, die Klage folgt in der Prosa-Fortsetzung. Kennzeichnend ist, daß Schleiermacher bereits nach vier Zeilen zu ändern beginnt. Die Verbesserung hat keine metrischen, sondern inhaltliche Gründe. Schleiermacher meint offenbar, daß der Ruf an die Geliebte erst Sinn habe, nachdem die Feststellung der hereinbrechenden Nacht getroffen ist. Die Umstellung aber - die durch Ziffern angezeigt ist erzwingt eine Änderung des Textes. Damit freilich ist die logische Folge eine andere, die Nachtsituation wird zur tragenden Mitte und muß ausführlicher dargelegt werden, wie der Rückgriff der Letztfassung zeigt. In den Randfassungen ist Schleiermacher noch nicht bereit, diese - ja durchaus nicht anstößige - Konsequenz zu ziehen. Jetzt ist der Übergang der Exposition zur geträumten Liebeserfüllung aber so unmittelbar, daß er nicht recht begründet erscheint: Hohem Dienste geweiht sind mir die heiligen Stunden Wo den ereileten Tag zögernd umarmet die Nacht Laß nachläßig gestrekt auf weicheres Polster uns kosen Jezt der geflügelte Kuß jezt der behagliche Scherz Das Vorbild der Schlegels hatte gezeigt, daß eine Elegie langen Atem benötige. Schon bei Vers 7 setzt aber der Umschlag in die Wehmut ein. Schleiermacher sieht sich also gezwungen, das von A. W. Schlegel „Wollust" genannte Stadium durch Einschübe zu verlängern (V. 8ff), die wiederum Textänderungen zur Folge haben. So weit gekommen, mußte auffallen, daß bei dieser Fassung der anfängliche Ruf an die Geliebte weg15
Siehe Beissner S. 160. Vgl. aber das spätere gerechtere Urteil in der ,Geschichte der alten und neuen Literatur' (KFSA Bd. VI, S. 382)! Das „Übergehen des Sinnes aus einem Distichon in das andere" fordert für die Elegie auch A. W. Schlegel in seinem Br. v. 9. Mai 1798 an Goethe (Körner-Wieneke S. 67f, zu Athenaeum 1/1, S. 107ff).
60
Literarhistorischer Teil
gefallen war, damit aber sowohl das Stadium der Wollust als auch der Umschlag in die Wehmut der logischen Anknüpfung ermangelt. Schleiermacher setzt erneut an, diesmal unter Rückgriff auf die Varianten der ersten Fassung, und schreibt in einem Zug den Grundtext des von mir ,Letzte Fassungen' genannten Textbestandes nieder. Daß auch dieser Text sich vielfache Änderungen und Besserungen gefallen lassen muß, ist bei Schleiermachers Arbeitsweise selbstverständlich. Das so entstandene Fragment von 7 Distichen ist recht gelungen. Die Verknüpfung der Exposition - der Situation des nach der Arbeit des Tages auf die Geliebte hoffenden Mannes - ist durch „drum" mit dem Ruf an die Geliebte geleistet, der Wunsch geht allmählich in das Stadium der „Wollust" über, in dem die Erfüllung als „izt" geschehend geträumt wird. Die Gräzismen („längst harret die Sehnsucht Durstiger Lippen des Thaus") sind Ausdruck des Stilwillens, künstliche Spondeen („Läß näch/ läßig", Beredsamkeit) erfreuen den Metriker. Doch Schleiermacher ist auch mit diesem Entwurf noch nicht zufrieden. Die Erwähnung der Arbeit im ersten Entwurf war im Verlaufe der Änderungen weggefallen, damit aber war die Ausgangssituation nicht exakt genug fixiert. Auch der „höhere Dienst" ist nicht recht motiviert, zumal wenn der Vergleichspunkt der Arbeit fehlt. Das aus dem ersten Entwurf übernommene ,Schau' steht hier jetzt fehlplaziert, da die Anrede an die Geliebte erst in V. 5 folgt. Schließlich erschien Schleiermacher auch die „gewidmete Stunde" ungeschickt, so daß eine weitere Randfassung die bemerkten Schwächen aufheben sollte: Endlich so wäre die Zeit die Arbeitschwere gewichen Harrend des morgenden Rufs schlichen die Bücher sich fort Jezo zu schönerem Dienst ertönt die geweihete Stunde Wenn den ereileten Tag zögernd umarmet die Nacht. Diese Fassung ist logisch stimmiger, fällt freilich mit „schlichen die Bücher sich fort" aus dem hymnischen in burschikosen Stil. Die letzte Rezension scheint mit einem - nicht sicher zu lesenden Vers die Fortsetzung beginnen zu wollen: Also ruf ich durchs Haus antwortend vernehm ich im Garten Schlegel hat den Wechsel von Fröhlichkeit und Trauer gefordert, Schleiermacher hat aber bisher nur das Stadium der „Wollust" dargestellt. Ob diese Zeile der Beginn der „Wehmut" sein soll, ist nicht recht zu sehen. Vorher hatte Schleiermacher ihre Darstellung nach einer Zeile zugunsten der Einfügung weiterer „Wollust"-Verse abgebrochen:
Das Ende der Poesie
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Aber sie zögert! so still! Nichts regt sich in ihrem Gemache Diese für die Stimmung der Elegie notwendige Fortsetzung hat Schleiermacher nicht ausgeführt. Ihren Plan, der zum Teil bereits rhythmisch geordnet ist16, hat er nur skizziert: Die Geliebte antwortet nicht, die „ewig quelende Wahrheit" seines Alleinseins bricht sich Bahn. „Armer du hattest sie nie" - der biographische Bezug auf das Verhältnis zu der verheirateten Pfarrfrau Eleonore Grunow ist ganz deutlich. Schleiermacher erkennt sich als Träumenden, der ungestört den vergeblichen Traum träumen kann, während die Geliebte die „verhaßte Nähe" des Mannes umfange - von der sie sich dann auch in der Tat niemals befreit hat 17 . Angesichts dessen ist das Träumen-Können ein Trost, der Traum heiligt den Lebensraum des Träumenden. Die Fortsetzung ist gekennzeichnet durch die Stimmung der Wehmut und Trauer. Der biographische Hintergrund garantiert die Wahrhaftigkeit des Gefühls und hätte der Elegie die persönliche Wärme vermitteln können, die man bei den kühl konstruierten Elegien der Brüder Schlegel vermißt 18 . Aber Schleiermacher hat seine Elegie abgebrochen, jeweils nach der Darstellung der „Wollust", die Prosa-Fortsetzung blieb unausgeführt. Man hat den Eindruck, als scheute er vor der Darstellung seiner innersten Gefühle zurück, die er doch in manchem anderen der empfindsamen Gedichte ausgesprochen hatte. Die „Wollust" war anempfunden, wie die unaufhörlichen Verbesserungen zeigen, sie war zu unecht, um sich gültig zu artikulieren. Hier, bei dem echten Gefühl, versagt sich die Sprache ein zweites Mal, aus Scheu, aus Einsicht, daß die Wehmut nicht leichtfertig beschworen werden dürfe - „Doch zu häufig gemischt, und es steht vom verbitterten Mahle Unauslöschlichen Dursts auf der betrogene Gast", hatte er früher in einem Epigramm gewarnt (Nr. 1 ,Lebensüberdruß') - , aus Erkenntnis der Unzulänglichkeit: man wird alle diese Motive zusammennehmen müssen, um das Abbrechen zu erklären. „kein Nichtwollen, sondern ein baares Nichtkönnen" hat Schleiermacher Friedrich Schlegel gegenüber später eingestanden 19 . Seine „Probe" mit dem „Kunstsinn" war gescheitert, die Kunst war nicht durch die Theorie in ihm „lebendig" geworden. Der Abbruch des ersten und einzigen wirklich ernsthaften Versuches ist ein deutliches Zeichen. Wohl hat 16 17
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Ich habe daher die Zeilen abgesetzt. VV. 2f bilden ein Distichon. Zum Drama der Trennung, das hier nicht weiter von Belang ist, vgl. die Briefe aus den Jahren 1803 und 1805/06. Auszunehmen wäre höchstens A. W. Schlegels Elegie ,Neoptolemos an Diokles', das den Tod des Bruders beklagt (Gedichte, 1800, S. 238ff; s. auch Beissner S. 162f). Br. v. 26. Mai 1804 (Br. III, S. 398)
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Literarhistorischer Teil
Schleiermacher später noch das Dichten als Gesellschaftskunst getrieben, er hat Stammbuch verse und Charaden geschrieben, wobei ihm seine Übung und seine theoretische Kenntnis zu Nutzen waren, aber „ernsthaft" hat er (so weit ich sehe) nie wieder gedichtet. Sein „Dichterjahr" - wie ich es in der Einleitung genannt habe - endet nach einem halben Jahre, der Wissenschaftler wendet sich der Übersetzung des Piaton zu. Nicht als Dichter also ist Schleiermacher für die Romantik von Bedeutung geworden, sondern als Denker, gleich Fichte, Steffens und Ritter, wie Schelling hat er sich auf dem ihm nicht zustehenden Gebiet der Poesie versucht und dann verzichtet, wie A. W. Schlegel hat er - nun in immer größerer Entfremdung von den romantischen Anfängen - in seiner Platon-Übersetzung dem philologischen Eros der Romantik ein Denkmal gesetzt. „Auch dieser Romantiker hat das Beste seiner Romantik als Vermittler, als Übersetzer eines Urgeistes gegeben" (Gundolf) 20 . Für die Geschichte der deutschen Elegie ist es zu bedauern, daß Schleiermacher seine Elegie nicht ausgeführt hat. Friedrich Beissner hat über die Elegien der Brüder Schlegel geurteilt: „Für die Geschichte der Gattung ist es überhaupt lehrreich zu beobachten, daß aus romantischem Geiste keine wirkliche Elegie hervorwächst"21. Es mag dies daran liegen, daß „romantischer Geist" und der Geist, aus dem heraus Elegien geschrieben werden, nicht kongruent sind. Novalis22, Tieck, Brentano haben keine Elegien gedichtet, die klassizistischen Versuche der Brüder Schlegel sind anempfunden, gekünstelt, kaum lesbar, sie sind eher Lehrgedichte. A. W. Schlegels rechte Einsicht in das Wesen der Elegie hat auf seine Werke keinen Einfluß gehabt, weil er zu sehr Philologe war und zu wenig Künstler. Die Schlegels haben es letztlich nicht verstanden, sich von den Vorbildern der Griechen zu lösen und im Sinne Goethes auf ihre Weise „Griechen" zu sein. In dieser Hinsicht ist Schleiermachers Fragment ein Schritt über die Brüder hinaus. Vom Metrum abgesehen, ist nichts Griechisches in seinen Versen, die gewohnten Mythologismen fehlen, die „Götter" werden getilgt. Schleiermachers Elegie ist eher im Geiste der Empfindsamkeit geschrieben, aus der die „heilige Wehmuth" stammt. Seine Elegie enthält in ihrem Plan jenes von A. W. Schlegel geforderte „Gemisch von Leidenschaft und betrachtender Ruhe, von Wollust und Wehmuth, ( . . . ) Fröhlichkeit und Trauer". Hätte er die Prosa-Fortsetzung ausgeführt und wäre er nicht trotz aller Neuansätze in dem unechten Ton der „Wollust" steckengeblieben, er hätte die erste romantische Elegie schreiben können. 20 21 22
Gundolf (1924) S. 509 (Schlußsatz) Beissner (1941) S. 164; vgl. auch Prang (1971) S. 213f. Zu den Anfängen bei Novalis s. Beissner ebd.
Das Ende der Poesie
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Die „Theorie" war in ihm, der Plan ist richtig - aber Schleiermacher war kein Dichter. Wol Manchen drängt innerlich der Trieb kunstreiche Werke zu bilden, doch den Stoff zu sichten, und was unschiklich wäre sorgsam und ohne Schaden herauszusondern, oder wenn in schöner Einheit und Grösse der Entwurf gemacht ist, auch die lezte Vollendung und Glätte jedem Theile zu geben, das ist ihm versagt ( . . . ) Allein muss Jeder stehn und unternehmen was ihm nicht gelingt! 23 .
Der Literaturhistoriker braucht diesen Worten Schleiermachers nichts hinzuzufügen.
23
Monologen S. 55
Exkurs 1:
Die Beurteilung der antiken Versmaße in Schleiermachers ,Aesthetik' In Schleiermachers ,Aesthetik'-Manuskript von 18191 wird Friedrich Schlegel nirgends erwähnt, A. W. Schlegel nur einmal angesichts des ,Ιοη' als Beispiel eines antiken Stoffes in deutscher Sprache2. Schleiermachers Gewährsleute in dem praktischen Teil seiner Darstellung sind vielmehr zumeist Goethe 3 und Klopstock. Hierin zeigt sich deutlich die Gewichtsverlagerung, die er seit seiner allmählichen Lösung vom Kreis der Romantiker vorgenommen hat. Aber da seine eigenen klassizistischen Versuche durch die Brüder Schlegel angeregt sind, steht ihr Einfluß auch hier im Hintergrund. Schleiermacher ist mit seinen Vorbildern der Meinung, daß „in der Art der Alten genau zu dichten, ( . . . ) ohne Zweifel wir das meiste gethan haben". Das gelte zunächst für den Bereich der Übersetzung: Das Versuchen, wie weit sich die Sprache ausdehnen und verschieben lasse, ohne ihren eigenthümlichen Charakter zu verlieren, ist allerdings ein Gegenstand der Kunst, und es kommt dabei gar nicht an auf die Genauigkeit, womit Worte wiedergegeben werden können, sondern es kommt besonders an auf die musikalische Behandlung der kunstgemäßigen Sprache und damit zusammenhängend die Lösung von dem Reim . . Λ
Diese Absetzung gegen die philologische Übersetzung ist bemerkenswert und ohne das Beispiel der Schlegels kaum zu denken. Die Hermeneutik im Sinne einer Verstehenslehre wird erweitert zu der Anerkennung der 1
Das Manuskript der Ästhetik-Vorlesung Schleiermachers aus dem SS 1819 ist erstmals 1931 von Odebrecht herausgegeben worden. Die Ausgabe von Lommatzsch in den SW geht auf eine Hörer-Nachschrift aus dem WS 1832/33 zurück. Dazwischen las S. noch im SS 1825 über Ästhetik. Vgl. Odebrecht S. XXIIff.
2
,Aesthetik' ed. Odebrecht S. 284 (ed. Lommatzsch S. 707). Ebd. S. 283 wird A. W. Schlegel indirekt erwähnt durch einen Hinweis auf die „neuen vortrefflichen spanischen Uebersezungen". Daß in der .Aesthetik' „kein Wort über Goethe" stehe (Scholz, 1913, S. 23), stimmte schon für die Ausgabe von Lommatzsch nicht (s. S.651, 669, 702, 704, 707), in der Ausgabe von Odebrecht ist Goethe der am häufigsten angeführte Autor. ed. Odebrecht S. 279; dort auch das folgende Zitat.
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Exkurs 1: Die antiken Versmaße in der ,Aesthetik'
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poetischen Übersetzung als einer Kunst wie die Musik, bei der „die Behandlung der Instrumente auch wahren Kunstsinn und Kunsttalent" voraussetzt. Von dieser Erkenntnis aus lehnt Schleiermacher die Übersetzungen Solgers und der Stolbergs wegen der Unnatürlichkeit oder der Willkür in der Nachbildung der antiken Formen ab. Aber dies bestätigt nur die Schwierigkeit der Aufgabe, daß die Uebersetzung das tiefste Eindringen in die fremde Sprache fordert, das bestimmteste Gefühl, wie sich die eine Sprache in der anderen abspiegeln lasse und also keinen geringen Grad von Kunsttalent heischt 5 .
Ein gelungenes Beispiel führt Schleiermacher nicht an. Große Bedeutung mißt Schleiermacher dem Gebrauch antiker Versmaße in der selbständigen Dichtung zu. Auch hier stellt er das Ergebnis der deutschen Versuche über das der romanischen. Darum bedauert er, daß nach einer anfänglichen Überschätzung diese Dichtart nun ungerecht zurückgesetzt werde. Die Nachbildung hat offenbar einen sehr vortheilhaften Einfluß auf unsre Sprachbildung gehabt. Man hat nachgedacht über die metrischen Verhältnisse und den logischen Accent usw. Es hing die Nachbildung der alten Sylbenmaaße auch zusammen mit einer freieren Stellung der Sprache, und wir haben uns hierdurch aus den Fesseln gerissen, welche die romanischen Sprachen binden und welche besonders die französische uns mitzutheilen drohte 6 .
Der Hinweis auf Goethes ,Hermann und Dorothea' erhebt seine These zur Gewißheit: „Wir haben also an eigentlich poetischer Ausdehnung gewonnen durch diese Veränderungen, welches wir dem gründlicheren Studium der antiken Poesie verdanken" 7 . Freilich hält Schleiermacher die Anwendung der antiken Versmaße für gelungen nur bei epischen Dichtungen; der Blick auf Klopstocks Oden zeigt ihm, daß diese Maße in den lyrischen Gedichten „nicht recht einheimisch bei uns werden wollen" 8 . Doch möchte er - wie eine Randbemerkung hinzufügt - das Odenmaß trotz aller Fremdheit nicht ganz verwerfen, denn für den „hohen erhabensten Styl" sei keine andere Form angemessener 9 . Diesen mehr sprachphilosophischen Bemerkungen gehen in den Vorlesungen Erörterungen praktischer Art zur Seite, die die Schulung der 5
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ebd. S. 280. Zu diesem Gedankengang vgl. auch den früheren Aufsatz S. s ,Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens' von 1813 (SWIII/2, S. 207-245). ed. Odebrecht S. 280; vgl. ed. Lommatzsch S. 704. ed. Odebrecht S. 281 ebd. ebd. S. 282
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Literarhistorischer Teil
eigenen Versuche verraten 10 . Dabei gehen Fragen der Sprachtheorie und Fragen der möglichen Popularität eigentümlich ineinander, wodurch der Abstand zu seinen Lehrmeistern deutlich ausgedrückt wird, denen es um die Reinheit des Versmaßes zu tun war und nicht um Popularität. Schleiermacher stellt als den Unterschied der griechischen und deutschen Sprache die verschiedenartige Musikalität heraus, die in der Poesie zur quantitativen bzw. akzentuierenden Messung führe. Diese unterschiedliche Musikalität habe zur Folge, daß in den germanischen Sprachen „das Sylbenmaaß nicht in diesem Gegensaz zum logischen Gehalte" stehen dürfe wie in den antiken11. Bei den Alten war die reine Quantität in der Poesie durchaus das Bestimmende und Ueberwiegende, ohne daß man behaupten könnte, daß das andere dabei ganz verloren gegangen sei. Aber indem die Sprache selbst etwas Beweglicheres hatte, was sie dem Gesänge näher brachte, so war eine Differenz mehr darin, die wir nicht hineinbringen können. Bei uns müssen sich die beiden Elemente auf bestimmte Art gegen einander ausgleichen, während bei den Alten jedes für sich bestimmt entwikkelt sein konnte. Daher müssen wir andere Regeln haben als sie ( . . .) 12 .
Das bedeutet die Abkehr von seinen Lehrmeistern, explizit die Abwendung von Voß und die Hinwendung zu Goethe. „Das Dictum [sc Goethes], daß man die alten Sylbenmaaße im Deutschen annehmen soll, aber nicht genau, ist wirklich ein iudicium absurdissimum", hatte Friedrich Schlegel noch geurteilt 13 , aber Schleiermacher stimmt Goethe nun voll zu. „Ein fremdes Sylbenmaaß wird in eine Sprache aufgenommen, in der es doch etwas anderes wird, als in seiner ursprünglichen Heimath" 14 , und darum war der Versuch - wieder vermeidet Schleiermacher den Namen A. W. Schlegels15 - , über Klopstock hinaus tiefer „in das eigentliche Wesen des Hexameter einzudringen", verfehlt. Schleiermacher setzt die „Natur der Sprache" als die Grenze der Nachbildung 16 , das deutlichste Beispiel dieser Grenzüberschreitung aber liefert ihm Voß: 10
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Die betreffenden Erörterungen nur bei Lommatzsch (S. 650ff, bes. S. 668f), wonach ich nun zitiere. ed. Lommatzsch S. 656 ebd. S. 662 Br. an A. W. Schlegel v. 15. Apr. 1806 (Körner C I, S. 320), angesichts der Elegie ,Rom' von A. W. S. ed. Lommatzsch S. 668 „Später fand man (!), daß auch Klopstok noch weit entfernt sei, in das eigentliche Wesen des Hexameter einzudringen, und daß seine Hexameter keine eigentlichen Hexameter seien, sondern etwas von der Eigenthümlichkeit unserer Sprache angenommen haben" (ebd. S.668). Das geht doch wohl gegen Schlegels ,Der Wettstreit der Sprachen' (Athenaeum 1/1) und gegen die Gedanken, die sich in den ,Betrachtungen über Metrik' (Böcking Bd. VII, S. 155-196 / ed. Lohner, Sehr. I, S. 181-218) finden. ed. Lommatzsch S. 662
Exkurs 1: Die antiken Versmaße in der ,Aesthetik'
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Wenn wir ( . . . ) den Vossischen Hexameter betrachten, den man in Beziehung auf die Identität mit dem Griechischen als das Maximum aufstellen kann, so ist da die größte Assimilation des Griechischen ( . . . ) Aber in diesem Bestreben, den Hexameter in seiner vollkommen griechischen Reinheit ins Deutsche überzutragen, ist so viel an dem Grundcharacter dieser Sprache modificirt worden, daß die Popularität desselben in unserer Sprache sehr zweifelhaft ist17.
Wenn wir uns des Willens zur Spracherziehung in der Voß-Schlegel-Schule erinnern, dem Schleiermacher wie selbstverständlich beigepflichtet hatte 18 , so wird der Abstand zu den damaligen Gedanken unübersehbar. Der einst die Hexameter Schillers „elend" nannte und die vossierenden Brinckmanns rühmte19, stellt sich nun aus Gründen der Popularität, und das heißt letztlich der Natur der Sprache wegen, auf die Seite Goethes: Wenn wir den Göthischen Hexameter betrachten, so steht dieser in Beziehung auf die klassische Reinheit sehr hinter dem Vossischen zurükk, aber weil er nicht so viel von dem Grundcharacter unserer Sprache aufgeopfert hat, so hat der Göthische Hexameter eine weit größere Popularität. Auf der einen Seite ist also der Göthische Hexameter viel unvollkommener als der Vossische, auf der andern Seite aber ist er mehr geeignet, dieses Versmaaß einheimisch zu machen 20 .
Die Freiheit von den strengen Regeln der Voß-Schlegel-Schule erwarb Schleiermacher nicht durch seine eigenen Übersetzungs- und Nachbildungsbemühungen. 1803 war das Vorbild der Freunde noch zu stark, als daß er sich von ihm hätte lösen können. Wo er von den Regeln abwich, war nicht das Sprachgefühl, sondern das sprachliche Unvermögen der Grund. Dennoch darf die Bedeutung der eigenen Versuche für die nunmehrige Abkehr von den früheren Vorbildern nicht unterschätzt werden. Sie konfrontierten ihn der „Natur der Sprache", deren Wirklichkeit ihm gerade in der Erkenntnis des eigenen Scheiterns aufgehen mußte.
17 18 19 20
ebd. S. 668f Siehe den Br. an A. W. Schlegel v. 17. Sept. 1801 (EK S. 768) (zum Trimeter)! Br. IV, S. 98 (an Brinckmann, Br. v. 1. Aug. 1804) ed. Lommatzsch S. 669
Poetische Nachbildungen in der Platon-Übersetzung Schleiermachers Übersetzung der Werke Piatons hatte eine geistesgeschichtliche Wirkung, die nur mit der Homer-Übersetzung durch Johann Heinrich Voß und mit der Shakespeare-Übertragung A. W. Schlegels vergleichbar ist1. Daß diese Übersetzung von Friedrich Schlegel angestoßen und geplant, dann aber von Schleiermacher völlig allein durchgeführt wurde, ist bekannt und braucht hier nicht erörtert zu werden 2 . Der wissenschaftliche Rang der Arbeit Schleiermachers erwuchs aber nicht aus der Übertragung, sondern aus den „Einleitungen", die Schleiermacher den einzelnen Werken vorausschickte und die in einer bis dahin unerhörten Weise Piaton historisch und systematisch erschlossen. „Noch Niemand hat den Piaton so vollständig selbst verstanden und Andere verstehen gelehrt, wie dieser Mann", urteilte August Boeckh in seiner berühmten Rezension in den ,Heidelbergischen Jahrbüchern der Literatur' 18083, und diesem Lob ließe sich unschwer weiteres an die Seite stellen. „Jede Uebersetzung soll ein Kunstwerk sein, nämlich nachahmender Kunst", hatte Boeckh gefordert und diese Forderung durch die Nachbildung Schleiermachers für eingelöst angesehen 4 . Hatte dieser doch in der allgemeinen Einleitung des ersten Bandes dem Leser versprochen, ihm Piaton als „philosophischen Künstler" vorzustellen 5 , und davon die Förderung des Verständnisses abhängig gemacht. Um die Nachahmung der Sprachkunst Piatos hat sich Schleiermacher auch in der Tat mit äußerster Energie bemüht, so daß er sogar gelegentlich Anleihens bei modernen Dichtern nicht verschmähte 6 . Berühmt ist die Wiedergabe des Wortspiels 1
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3
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Vgl. zusammenfassend Redeker (1968) S. 261-267 und dessen Vorwort zur Ausgabe von Diltheys .Leben Schleiermachers' ( 3 I/2, S. Xff). Schleiermachers Hallenser Schüler Karl Thiel verglich die Übersetzung gar mit der Bibelübersetzung Luthers (1835). Die innere Geschichte der Trennung - nämlich aufgrund des verschiedenen Platon-Verständnisses - ist noch nicht erhellt. Die fragmentarische Darstellung bei Dilthey ( 2 Leben S. 652ff/ 3 I/2, S. 37ff) ist durch KFSA überholt. Ges. Sehr. VII, S. 1-38, hier S. 3. Siehe auch die wechselseitigen Briefe B. s und S. s zu dieser Rezension (MLA XI, S. llff)! ebd. S. 1. Vgl. ders.: Encyklopädie (1877) S. 159, 168 sowie Creuzer (1805) S. 21. Piatons Werke 2I/1, S. 6 An einer Stelle des .Phaidros' (1/1, S. 101) beruft sich Schleiermacher für die Wiedergabe
Poetische Nachbildungen in der Platon-Übersetzung
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μανική τέχνη - μαντική τέχνη (244c) mit „Wahnsagekunst / Wahrsagekunst" 7 . Aber Schleiermacher hat für seine Arbeit doch auch vernichtende Kritik erfahren, weniger in Rezensionen als in privaten Äußerungen. Berüchtigt ist Friedrich August Wolfs wegwerfender Vorwurf der „Syrupsperioden" und der Übersetzung Piatons ins „Kauderwelsche" 8 ; Charlotte von Schiller spricht von dem „Wortgetön der Schlegelschen Schule" 9 ; Friedrich Ast schließlich findet „in diesem künstlichen und mühsamen Nachgebilde keineswegs das schöne, lebendige Urbild wieder" 10 . Unsere Fragestellung beschränkt sich auf einen für die gesamte Übersetzung recht nebensächlichen Aspekt: auf die Untersuchung, wie Schleiermacher die poetischen Zitate, die Piaton in seine Darstellung flocht (besonders im ,Phaidros' und in der ,Politela'), aufgenommen und nachgebildet hat. Hinzu kommen die erläuternden Verse griechischer Poesie im philologischen Kommentar zu den einzelnen Gesprächen. Beide - am Gesamtwerk gemessen - wenig umfangreichen Textgruppen, die Schleiermachers Übersetzungspoesie immerhin um einiges erweitert dokumentieren, sind gänzlich ohne dichterischen Ehrgeiz entstanden, sind auch völlig unauffällig piaziert. Umso interessanter muß es sein, diese Versuche mit der Theorie zu vergleichen, die die Übersetzungen aus der ,Anthologia Graeca' prägte. Der Zufall will es, daß die Übersetzung des ,Phaidros' 1804 erschien, d . h . im gleichen Arbeitszusammenhang entstand mit den genannten Übersetzungsübungen und dem Briefwechsel mit A.W. Schlegel, die Übersetzung der ,Politela' aber erst 1828, d. h. nach der in der ,Aesthetik'-Vorlesung von 1819 formulierten Abkehr von der radikalen Position
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eines Wortspiels auf A. W. Schlegels .Gedichte' von 1800 (s. die Angabe im Kommentar auf S. 374). Phaidros (1/1, S. 111, vgl. S. 376). Vgl. die Äußerung von Wilhelm von Schütz aus dem Jahr 1822 (bei Sembdner, 1974, S.232). Fr. Schlegel war dieses Wortspiel „freylich sehr hart" (Br. o. D . , Mai 1801, Br. III, S. 274 - die dortige Lesung ist entsprechend zu verbessern).
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Daß Schleiermacher den Plato „unlesbar" übersetze, meinte Wolf schon in Halle, während seines freundschaftlichen Umgangs (Br. an Eichstädt v. 4.3.1806, in: Reiter: Wolf I, S. 411), zu den „Syrupsperioden" s. Springer (1870) I, S.452 (die dortige Datierung auf Sommer 1803 kann nicht stimmen, da S. s Übersetzung erst ab 1804 erschien), von „Griechisch mit deutscher Schrift" schrieb Wolf 1812 (Reiter II, S. 134), das Wort vom „Kauderwelsch" fiel nach S. s harscher Schrift ,Buttmann und Schleiermacher über Heindorf und Wolf', Berlin 1816 (SW III/l, S. 694-702) in einem Br. an Goethe v. 9.11.16 (Reiter II, S. 219; s. III, S. 214-216).
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Br. an Friedrich v. Stein, Febr. 1807 (Briefe Zimmermanns S. 28f)
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Literarhistorischer Teil
Schlegels in metricis11. So läßt sich von vornherein vermuten, daß die gewandelte Theorie auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen wird. In der Zeit der Übereinstimmung mit dem älteren Schlegel verhielt sich Schleiermacher auch kritisch zu Johann Heinrich Voß, der ihm zu wenig radikal und zu wenig konsequent erschien. Vossens Homer-Übersetzung aber galt, auch und gerade bei aller kritischen Beurteilung, in der Schlegelschen Schule als Vorbild, wenn auch als ein zu übertreffendes 12 . So kann nicht gleichgültig sein, wie Schleiermacher die zahlreichen HomerZitate Piatons behandelt. Die sich hierbei abzeichnende vorsichtige Wandlung soll vorab betrachtet werden. Es zeigt sich, wie zu erwarten, vom ersten Bande der Platon-Übersetzung an, daß Schleiermacher die Übertragungen der ,Ilias' und der ,Odyssee' durch J. H. Voß stets zu Rate zog13 und deren Kenntnis auch bei seinen Lesern voraussetzte. Bemerkenswert ist lediglich das Maß der Freiheit, das er sich zugestand. Diese Freiheit geht nur in Bd. 1/1 (von 1804) so weit, daß die Voßsche Formulierung expressis verbis abgelehnt werden kann. An einer Stelle des ,Phaidros' erkennt Schleiermacher eine homerische Wendung, die Übersetzung "aber (konnte) aus Voss nicht genommen werden" 14 . Ähnlich heißt es zu einem Text im .Protagoras', Vossens Nachbildung sei „vom Gebrauch dieser Stelle zu abweichend" 15 . Das Homer-Zitat im ,Laches' (201b) aber wird ohne Hinweis auf den Übersetzer einfach von Voß übernommen 16 . Diese Übernahmepraxis läßt sich von nun an ausschließlich beobachten. Ab Bd. 1/2 von 1805 folgt Schleiermacher Voß, gibt seine 10
Rez. d. 2. Aufl. (1819) S. 65 » s . o . S64ff! 12 Zu Fr. Schlegel s. die Bemerkungen im .Gespräch über die Poesie' (Athenaeum III/l, S. 91f), zu A. W. Schlegel die Rezension in der ALZ 1796 (Böcking X, S. 115-193), wiederabgedruckt in den .Charakteristiken und Kritiken' 1801, von Schleiermacher in seiner Rezension besprochen (Br. IV, S. 559). 13 Die benutzte Ausgabe der - von Voß stets erneut überarbeiteten - Übersetzung konnte ich nicht feststellen. Der Vergleich mit dem Nachdruck von Stemplinger (o. J.) zeigte, daß die Zitate aus der ,Ilias', von Winzigkeiten abgesehen, der Ausgabe von 1793 entsprechen. II/2, S. 463 belegt, daß S. nicht der Ausgabe von 1806 folgte. Die Zitate aus der .Odyssee' entsprechen hingegen der Ausgabe von 1806, müssen aber in den ersten Bänden aus einer früheren Ausgabe stammen. Bei Rauch: Tabulae sind keine Ausgaben genannt. 14 1/1, S. 384 (zu S. 148) 15 ebd. S. 393 (zu S. 235), mit Zitat der Vossischen Übersetzung von Od. X, 279. 16 ebd. S.368. Der Kommentar S.412 gibt wohl die Stelle aus der Odyssee an, nicht aber den Übersetzer (so auch 2. Aufl. S. 422). Dem gleichen Zitat im ,Charmides' (161a) geht es entsprechend (1/2, S. 23 und 395).
Poetische Nachbildungen in der Platon-Übersetzung
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Quelle aber durchaus nicht in jedem Fall an, offenbar weil nunmehr klar ist, daß eigene Übersetzungen sich verbieten und jeder gebildete Leser den eigentlichen Autor erkennt 17 . Selbst wo Schleiermacher Voß kritisieren möchte und er einen besseren Vorschlag hätte, kann dies dennoch heißt es in Bd. II/3 von 1809 - „kein Grund sein uns von seiner Uebersezung zu entfernen" 18 . Der Vossische Text ist nun unantastbar. Dieser Sinneswandel hat, neben der äußeren und inneren Trennung von den Brüdern Schlegel und der eigenen fortlaufenden Übersetzungserfahrung, ihren Grund in dem persönlichen Kennenlernen der beiden Männer im Mai 1805 in Giebichenstein, wo es zu gemeinsamer Beratung der Platon-Übersetzung kam 19 . Die „Winke" Vossens hat Schleiermacher als „sehr lehrreich" empfunden; „meine Arbeit", so schrieb er später dem Sohn, würde durch kritische Belehrung und Verbesserung von Vater Voß „sicher ( . . . ) gewinnen" 20 . Von diesem Augenblick an fällt kein kritisches Wort mehr über Voß. In der ,Politela' dann - Bd. III/l erschien erst 1828 - hat Schleiermacher weit über 20 Homer-Zitate streng nach Voß wiedergegeben. Selbst wenn der platonische Text vom homerischen abwich, „habe ich doch nicht geglaubt, auch von der Vossischen Uebersezung abweichen zu müssen"21. Die Treue gegenüber der klassischen Übersetzung wiegt stärker als die Textkritik. Freilich hat Schleiermacher sich damit auch der Freiheit der eigenen Nachbildung begeben. Zu dieser Freiheit war Schleiermacher dort gezwungen, wo er - im ,Phaidros' wie in der ,Politeia' - poetische Zitate vorfand, für deren Übersetzung er keine Vorbilder kannte. Hier läßt sich beobachten, daß Schleiermacher zunächst die zwischen ihm und A.W. Schlegel diskutierten Regeln streng einhält, um später zu größerer Selbständigkeit zu finden. Allgemein gilt, daß Schleiermacher - seinem Urtext entsprechend - die lyrischen Stellen nicht eigens graphisch abhebt, dem Leser also nicht augenfällig macht. So geht der Hexameter Gleichwie Wölfe das Lamm, so lieben den Knaben Verliebte 17
1/2, S. 419, 421 wird Voß genannt, S. 395 und 397 nicht. In II/2 (von 1807) fehlen die Hinweise auf S.458, 463, 465 , 482f; Voß wird genannt S.460; aus der 1806 erschienenen Übersetzung von Hesiods ,Theogonie' wird zitiert S. 513, aus den ,Hauslehren' (Kratylos 398a - S. 48) dann wieder ohne Hinweis.
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II/3, S.496; vgl. S.491. Vgl. M II, S. 37 (an Brinckmann); G S. 23. Br. an Heinrich Voß d. J. vom 16.12.1806 (Programm Eutin 1864, S. 28) III/l, S. 551; vgl. ähnlich S. 539.
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im ,Phaidros' (241 d - S. 107) ganz im Sinne Piatons so in die Rede ein, daß der Leser wie Phädros von Sokrates erst aufmerksam gemacht werden muß: „Hast du denn nicht gemerkt, du Seliger, daß ich schon Verse spreche, nicht mehr nur Dithyramben?" 22 An den anderen Stellen sind die lyrischen Zitate, wie es Piatons hinführenden Worten entspricht, als solche durch Gänsefüßchen kenntlich. Das gilt sogleich - ebenfalls im ,Phaidros' - für den sog. Widerruf des Stesichoros: Unwahr ist diese Rede, denn nie bestiegst du die zierlichen Schiffe, noch kamst du je zur Feste von Troja (243 b - S . 109)
Diese Verse sind, mit dem bewußt eingesetzten Spondeus beginnend, vorzüglich übersetzt. Im gleichen Dialog führt Piaton eine Grabinschrift auf Midas den Phrygier an (264d.e), die traditionsgeschichtlich der Anthologia Graeca entstammt und dort auf Kleobulos von Lindos zurückgeführt wird, wobei im platonischen Text freilich zwei Zeilen ausgelassen sind23. Die Inschrift soll kraft ihres zyklischen Prinzips - so deutet Sokrates - das Unzusammenhängende, Ungegliederte der in dem Dialog besprochenen Rede illustrieren. Schleiermachers Übersetzung dieses Epitaphs lautet folgendermaßen 24 : Hier an des Midas Grab erblikst du mich eherne Jungfrau. Bis nicht Wasser mehr fließt, noch erblühn hochstämmige Bäume, Muß ich verweilen allhier an dem vielbethräneten Denkmal, Daß auch der Wanderer wisse, wo Midas liege begraben. Das ist zeilengemäß und nach den zwischen Schleiermacher und dem älteren Schlegel abgesprochenen Regeln für Hexameter - also mit Ein22
23
24
I/l S. 107 (Lesung gemäß dem Druckfehlerverzeichnis S. 413). Im Kommentar S. 375 vermutet S., daß dieser Vers von Piaton selbst herrührt. Der griechische Text bei Brunck: Analecta T. I S. 76, als Sechszeiler. Beckby II, S. 94 Nr. 153 bucht ebenfalls wie Piaton nur den Vierzeiler und erklärt im Apparat die fehlenden Verse als spätere Hinzufügung (vgl. auch den Kommentar S. 577). Jacobs übersetzt nach Brunck (Tempe I, S. 175). I/l, S. 145. Siehe den Kommentar S. 383, der auf die fehlenden Zeilen hinweist, sie aber nicht nennt, auch die Anthologia Graeca nicht erwähnt, so daß der Hinweis unverständlich bleibt. Als von Kleobulos stammend erwähnt Schleiermacher das Epigramm in der Vorrede zum ,Protagoras' (ebd. S. 234).
Poetische Nachbildungen in der Platon-Übersetzung
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schränkung des reinen Trochäus und mit Bevorzugung des Spondeus übersetzt. Lediglich in dem ersten Vers ist der Gedankengang umgestellt und - entgegen dem griechischen Text - der Leser angesprochen, was durchaus sinnvoll - die erste mit der vierten Zeile verbindet. Da Schleiermacher, von der erwähnten Ausnahme abgesehen, seine Übersetzungen aus der Anthologia Graeca sonst nicht veröffentlicht hat, muß es das besondere Interesse erwecken, daß gerade das soeben angeführte Beispiel eine Kritik erfahren hat, und zwar in einer Plato-Rezension von Friedrich Ast. Schleiermacher hatte 1802 in der ,Erlanger Litteraturzeitung' Asts Erstlingswerk ,De Piatonis Phaedro' ziemlich herablassend verrissen 25 , und nun ließ Ast es sich nicht entgehen, umgekehrt Schleiermachers Übersetzung in seiner Landshuter spätromantischen Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst' einer akribischen, recht beckmesserhaften Kritik zu unterziehen 26 . Ast, der Schleiermachers Sprache „ein unerfreuliches Zwittergeschöpf" nennt, „weder deutsch, noch platonisch" 27 , setzt in der Besprechung der Grabinschrift seinen kritischen Hebel dort an, wo Schleiermacher durch die Umstellung und den Leserbezug einen logischen Gedankenzusammenhang erzeugte. Ast kann die Übersetzung nicht für gelungen halten, weil sie „das Unzusammenhängende und Abgeschnittene, weßhalb sie Piaton eben anführt, nicht bemerkbar macht" 28 . Er verweist auf den Text bei Brunck und die Übersetzung in Jacobs',Tempe', ist aber offenbar auch mit dieser nicht zufrieden, sondern entwirft eine eigene, die „treuer und dem Zwecke des Piaton gemäßer" sein möchte: Eherne Iungfrau bin ich, und lieg auf dem Hügel des Midas, Bis sich noch Wasser ergießt, und erblüh'n hochstämmige Bäume, Stets allhier ausdauernd am vielbethräneten Grabmahl, Zeigend dem Wanderer an, hier liege beerdiget Midas. Die strengere Textnähe dieser Übersetzung muß, besonders was Vers 1 angeht, Ast eingeräumt werden; in Vers 2 aber ist „bis - noch" gegenüber „bis nicht - mehr" eine logische Verschlechterung; Vers 3 ist mit der künst25 26
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Abdruck Br. IV, S. 573-579. Vgl. dazu auch Patsch (1977), bes. S. 307. Ast (1808) S. 102-141 (zu 1/1), wozu auch die Besprechungen in H . 2 , S. 90-113, H . 4 , S. 60-83 und die Rezensionen der Heindorfschen Platon-Ausgabe in H. 3, in Bd. II/l, 1810 sowie III/l, 1810, jeweils mit gelegentlichen Bemerkungen über S., zu rechnen sind. Als Fortsetzung ist die Rez. der zweiten Auflage (Ast: 1819) zu betrachten. - Erstes biographisches Zeugnis sind die strikt ablehnenden Äußerungen in Asts Br. an Creuzer (?) vom 3.8.1806 (Euphorion, 1. Erg.heft 1895, S. 189f). ZWK 1/4, S. 63; vgl. ebd. 1/1, S. 115-118. ZWK 1/1, S. 126, dort auch das Folgende.
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lichen Nachahmung des griechischen Partizips rhythmisch mißlungen; und warum in V. 4 statt des Personalpronomens das Partizip Präsens steht, ist nicht einzusehen. Schleiermacher, der diese Rezension gelesen hat 29 , hat sich Asts Einwänden gleichwohl nicht gänzlich verschließen können. Zwar erwähnt er in der Vorrede zur 2. Auflage, die er im Oktober 1816 schrieb, Ast nicht, wenn er von den „Beurtheilungen" spricht, „die mir bisher sehr sparsam vorgekommen sind. ( . . . ) Ich habe die wenigen nach Ueberzeugung benuzt, und mich übrigens begnügt zu bessern, was bei wiederholter Durchsicht sich mir selbst darbot"30, aber die Neufassung der Übersetzung des Epitaphs ist schwerlich ohne eine Notiz bei der seinerzeitigen Lektüre zu denken 31 : Eherne Jungfrau bin ich und lieg an dem Grabe des Midas. Bis nicht Wasser mehr fließt, noch erblühn hochstämmige Bäume, Immer verweilend allhier an dem vielbethräneten Denkmal, Daß auch der Wanderer wisse, wo Midas liege begraben. Im Kommentar zitiert Schleiermacher dann auch die bei Piaton fehlenden Zeilen 32 . Daß die Übersetzung erheblich gewonnen hätte, kann man nicht sagen 33 . In der 'Politeia' hatte Schleiermacher Gelegenheit, neben einer Fülle von schon erwähnten Homer-Zitaten und zweien von Hesiod - wo er gleichfalls Voß folgt 34 - ein zweizeiliges Fragment von Pindar, den Hexameter eines Unbekannten sowie vier Aischylos-Zitate zu übersetzen. 29
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s. MLA XI, S. 32f (an Boeckh, Br. v. 18.6.1808). Vgl. zu dieser Rezension auch die Bemerkungen in dem Briefwechsel zwischen Creuzer und Savigny (Dahlmann S. 241 bzw. Stoll S. 326). Creuzer vermutete: „Die ganze Recension von Plato soll aus Friedr. Schlegels Papieren sein" (Dahlmann ebd.). 1/1, 2. Aufl. S. VII. Asts Platon-Monographie von 1816 habe S. erst erreicht, als der größte Teil bei der Druckerei war; der ganze Entwurf habe ihn nicht überzeugt, so daß er keine Notwendigkeit zur Auseinandersetzung sehe. ebd. S. 144f. Der Einfluß zeigt sich in V. 1 und an dem Partizip in V. 3. S. 391. Da die Reihenfolge der Verse gegenüber der Ausgabe der Anthologia Graeca von Brunck umgekehrt ist, kann nicht dieser die Quelle sein (Brunck schweigt auch in seinen Erläuterungen dazu); Schleiermacher stützte sich hier wohl auf den textkritischen Apparat der inzwischen erschienenen Piaton-Ausgabe von Imm. Bekker. Siehe den textkritischen Kommentar bei Beckby II, S. 94 mit 577. An dieser Stelle sei noch erwähnt, daß S. in 1/1, S. 403f (2. Aufl. S. 415) ein Gedicht des Simonides rekonstruiert, das im ,Protagoras' (345-347a) diskutiert wird. Diese Rekonstruktion ist denen in modernen Ausgaben sehr nahe (s. Wirth, 1963, S. 131 nach Diehl). S. erschließt kein griech. Versmaß; seine Übersetzung ist dem Text genau nachgebildet, aber ohne metrischen Ehrgeiz. S. 133 übernimmt S. Vossens Übersetzung der ,Hauslehren' V. 287-289 (Hesiods Werke
Poetische Nachbildungen in der Platon-Übersetzung
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Von besonderem Interesse sind die Übertragungen des Aischylos. Hier nämlich nimmt Schleiermacher vorweg, womit Johann Gustav Droysens Aischylos-Übersetzung von 1832 als bahnbrechend gilt: die Wiedergabe der Trimeter durch sechsfüßige Jamben 35 ! Schleiermacher übersetzt die Verse 593f der ,Sieben gegen Theben' folgendermaßen: die tiefe Furche nuzend im Gemüth woraus Ihm edle Frucht, Entschluß und Rath emporgedeiht (362 a.b - S. 129)
Hier reizt ein Vergleich mit der Übersetzung von Heinrich Voß d. J., die kurz vorher (1826) - von Vater Voß überarbeitet - erschienen war 36 : (Denn scheinen nicht der Beste will er, aber sein,) Einerntend Frucht vom tiefen Saatfeld seiner Brust, Aus dem hervorsprießt weises Raths Besonnenheit. Auch Voß strebt, wie es offenbar naheliegt, sechsfüßige Jamben an, verdirbt aber den Redefluß durch den spondeischen Beginn in V. 593; die Verse sind sprachlich - wie sonst auch - nahezu unlesbar, logisch kaum verständlich. Schleiermacher hat das poetische Bild der fruchtbringenden Ackerfurche in der Brust, an dem Voß scheitert, in eine andere Vorstellungswelt die seiner Ethik - übertragen, indem er statt „Brust" „Gemüt" übersetzt und aus diesem „Entschluß" und „Rat" erwachsen läßt. Aber diese Übertragung ist halbherzig, das Bild ist - da „Furche" und „Frucht" stehen bleiben - verdorben 37 . Rhythmisch geschickt ist die Überbindung der Verse durch Enjambement. Die drei verbleibenden Texte des Aischylos im platonischen Text stammen aus nur fragmentarisch erhaltenen Tragödien: 380 a aus der ,Niobe', 383 b aus der ,Psychostasia', 391 e gleichfalls - was Schleiermacher nicht erkennen konnte - aus der ,Niobe' 38 . Das letztgenannte Fragment sei abschließend angeführt: ( . . . ) die ächten Götterstammes sind, so nah dem Zeus, daß ihnen auf des Ida Höhn
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S.29), S.296 von V. 120-122 (S. 15), ohne diesen in seinem Kommentar zu nennen (s. S. 535, 562). Auf die Übersetzung von Voß hatte S. II/2, S. 513 hingewiesen. Vgl. Droysen (1832) und die Bemerkungen in der Neuausgabe (1977) S. 285. Voß: Äschylos S. 67 (als W . 585-587) Geschickter Droysen, a. a. O., S. 132: „Aus tiefen Furchen ärndtend seiner treuen Brust, / Draus ihm hervorsprießt viel bewährten Rathes Frucht". Zu der letztgenannten Zuschreibung s. Nauck: Fragmenta S. 54 Nr. 162 und Rufener (1973) S. 650.
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sein väterlicher Altar steht im Aetherduft, und noch in ihnen kenntlich rinnt das Götterblut (391 e - S . 175)
„Tragische Señare sind diese Verse ohne Zweifel, woher aber ist unbekannt", urteilte Schleiermacher 39 . Er hat diese Señare (Trimeter) gleichfalls als sechsfüßige Jamben übersetzt und auf die im Griechischen geforderte Diärese nach der fünften Silbe verzichtet; ungeschickt ist lediglich die geforderte Anfangsbetonung von „Altar". Das - dem griechischen Text entsprechende - Enjambement erhöht den rhythmischen Reiz, den diese wenigen Zeilen ausüben. Blickt man zurück auf die von Schleiermacher über Jahrzehnte hin ohne jeden literarischen Ehrgeiz in den Platon-Übersetzungen nebenher geleisteten Nachbildungen lyrischer Zitate, ergibt sich letztlich kein anderes Bild als bei den seinerzeit sehr genau und bewußt getätigten Übersetzungsübungen aus der ,Anthologia Graeca': Schleiermacher will philologisch genau übersetzen und dabei das griechische Versmaß in einer der deutschen Sprache angemessenen Weise wiedergeben. Das hat er grundsätzlich von J. H. Voß und A. W. Schlegel gelernt, ohne dabei selbst schöpferisch zu sein. Gewiß gestattet er sich im Laufe der Jahre mehr Freiheiten - aber er ist doch offensichtlich auch froh, wenn er einfach Vossens Übersetzungen übernehmen kann. Herausragende oder in besonderem Maße in die Zukunft weisende Leistungen hat Schleiermacher bei seinen poetischen Übertragungen nicht erbracht. Der zu Anfang referierte Vorwurf der künstlichen Sprachbehandlung verkennt Schleiermachers Programm. Auch seine lyrischen Nachbildungen sind ein Beleg für sein Ideal der „fremden Aehnlichkeit", wie er es in seinem Vortrag ,Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens' von 1813 formuliert hat 40 . Auch hier gilt - wie er es in der ,Aesthetik' ausdrückt - , „daß die Originalsprache in ihrer ganzen Natur immer durchbricht und durchschimmert", wobei aber gleichzeitig der eigenen Sprache das „Recht" zugebilligt werden muß, „sich in antiker und fremder Form natürlich und ohne Schaden zu bewegen" 41 . Das freilich ist die Formulierung eines Ideals, das im Bereich der Kunst Schleiermachers romantische Freunde eher erreicht haben als er.
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III/l, S. 543
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SWIII/2, S. 207-245, hier S. 227. D i e Darlegung ist - was textintern nicht leicht zu sehen
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ed. Odebrecht S. 283f
ist - gegen Wolfs paraphrasierende Übersetzungsweise gerichtet (s. M II, S. 199).
Charaden als Gesellschaftskunst Das Rätsel hat seinen Sitz im Leben in der geselligen Unterhaltung, für die es geschaffen, in der es bedacht, geraten und goutiert wird. „Wer eine Gesellschaft unterhaelt[,] macht sie auch", sagt Schleiermacher1, und in diesem Sinn kann man behaupten, daß der Rätselerfinder durch den fruchtbaren „Wechselprozeß" zwischen sich und dem Hörer=Rater die freie Gesellschaft bildet, die ihren Zweck in sich selbst hat. „Beides, das Bilden und Unterhalten der Gesellschaft^] kann nicht getrennt, sondern muß als eines gedacht werden", heißt es im ,Versuch einer Theorie des geselligen Betragens' von 1799, und diese Gesellschaft entwickelt dann ihren wahren Charakter, wenn sie "eine durch alle Theilhaber sich hindurchschlingende, aber auch durch sie völlig bestimmte und vollendete Wechselwirkung" erzeugt 2 . Der Zweck der Gesellschaft wird gar nicht als außer ihr liegend gedacht; die Wirkung eines Jeden soll gehen auf die Thätigkeit der übrigen, und die Thätigkeit eines Jeden soll seyn seine Einwirkung auf die andern. Nun aber kann auf ein freies Wesen nicht anders eingewirkt werden, als dadurch, daß es zur eignen Thätigkeit aufgeregt, und ihr ein Objekt dargeboten wird; und dieses Objekt kann wiederum zufolge des obigen nichts seyn, als die Thätigkeit des Auffodernden; es kann also auf nichts anders abgesehen seyn, als auf ein freies Spiel der Gedanken und Empfindungen, wodurch alle Mitglieder einander gegenseitig aufregen und beleben 3 .
Schleiermacher hat hier vorweg - bezogen auf die Erfahrungen in den Berliner Salons, wohl besonders in dem seiner Freundin Henriette Herz 4 eine Theorie entworfen, die vollständig seine Praxis als Rätsel- und Charadendichter in den Gesellschaften des Reichardtschen Hauses zu Halle (ab 1804) und später dann im eigenen und im Hause Georg Reimers zu Berlin erklärt und rechtfertigt. In dieser geselligen Sphäre konnte er seine „eigenthümliche Manier vollkommen walten" lassen, die „Gewandtheit" 5 , die ihm eigen war; und das dichterische Äußere der gereimten Charade 1 2 3 4
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Denkmale S. 107 Nr. 169 (von 1798/9) / KGA1/2, S. 38 Werke II (ed. Nohl) S. 8f / KGA 1/2, S. 168f ebd. S. 10 / KGA 1/2, S. 169f Vgl. zu den jüdischen literarischen Salons in Berlin Landsberg (1913) und neuerdings Altenhofer (1981) sowie Feilchenfeldt (1984)! Werke II, S. 17.19 / KGA 1/2, S. 174.176
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erfüllte die Forderung der „schönen Form" 6 , in der alles gesagt werden darf. Das Medium dieser geistreichen gesellschaftlichen Übung ist freilich die mündliche Mitteilung, vielleicht noch die handschriftliche Notiz, sicher nicht das Buch. Das erklärt, warum Schleiermachers Rätsel erst spät einen vom Verfasser autorisierten Druck erfuhren (s. u.) und warum viele von ihnen zunächst lediglich mündlich überliefert sind. Das Wagnis, die unter ästhetischen Kriterien als dilettantisch erscheinende Dichtform neben „ernsthaften" poetischen Werken zu publizieren, wie es endlich in den zwanziger Jahren geschah, läßt auf einen Wandel der ästhetischen Anschauung und auf Vorgänger schließen. Schon der sich selbst nicht nennende Herausgeber der Sammlung ,Schleiermacher's Räthsel und Charaden' von 1874 wies dafür auf das Beispiel Schillers und Goethes, die die Rätseldichtung literaturfähig gemacht hätten. Goethe führte am 30. Januar 1802 in Weimar Schillers ,Turandot, Prinzessin von China, Ein tragikomisches Märchen nach Gozzi' auf, in dem die Titelfigur ihren Bewerbern drei Rätselfragen stellt8. Schiller war dabei der Meinung: „Dieses Stück ( . . . ) wird das Interesse vermehren, wenn bei wiederholten Repräsentationen zuweilen mit den Rätseln changirt wird" 9 . Er bemühte sich daher, für die folgenden Vorstellungen weitere Rätsel zu erfinden. Goethe unterstützte ihn hierbei 10 . Schon kurze Zeit darauf konnte Goethe in seinem Aufsatz ,Weimarisches Hoftheater' mitteilen: So haben wir die angenehme Wirkung schon erfahren, daß unser Publikum sich beschäftigt, selbst Rätsel auszudenken, und wir werden wahrscheinlich bei jeder Vorstellung künftig im Fall sein, die Prinzessin mit neuen Aufgaben gerüstet erscheinen zu lassen11.
Bei allem Zugeständnis eines Einflusses der Weimarer Dichter auf die Gattung des Kunsträtsels ist aber doch nicht zu übersehen, daß Schiller zwar poetische Rätsel, aber keine Charaden geschrieben hat, die seit dem 6 7
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Denkmale S. 106 Nr. 157 / KGA1/2, S. 36 Schleiermacher denkt an Anspielung und Persiflage, Ironie und Parodie (Werke II, S. 27f / KGA 1/2, S. 182), an dieser Stelle jedenfalls noch nicht an das Rätsel. Schillers Werke, Nationalausgabe, Bd. XIV, S. 1-146. Zu den Daten s. d. Kommentar S. 292.316. Br. an Iffland v. 21. Jan. 1802 (Gesamtausgabe VI, S. 333) Vgl. Nationalausgabe S. 139-146, wo die 15 Rätsel, von denen eines von Goethe stammt, aufgeführt sind. Vgl. auch Gräf-Leitzmann: Briefwechsel II, S. 388.393f. 409.473 sowie Biedermann (1924). Sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe, Bd. XXXVI, S. 187-196, hier S. 196. Der Aufsatz, am 12. Februar beendet, erschien am 3. März im Druck (Gräf-Leitzmann II, S. 388.396; III, S. 214).
Charaden als Gesellschaftskunst
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Anfang des 19. Jahrhunderts sich ausbreitende Mode der Charaden-Dichtung also gar nicht auf ihn zurückgehen kann12. Immerhin war es seither nicht mehr unter der Würde des Gebildeten, Rätselstrophen zu entwerfen und drucken zu lassen, und die Charade legte sich als verhältnismäßig leichte Form der Gebrauchsliteratur nahe. In vielen Salons und Kaffeehäusern wurde - wie Johann Peter Hebel 1804 berichtet - „das Charadenwesen ( . . . ) zur Sucht"13, die Taschenbücher und Wochenblätter nahmen die neue Produktion begierig auf 14 , die denn auch bald „für denkende Leser" (Sphinx 1808) als „Unterhaltungsbuch für gebildete Gesellschaften" (Deutsches Räthselbuch 1812) gesammelt und herausgegeben wurden. In diesen frühen Sammlungen kommen Schleiermachers Charaden nicht vor 15 , offenbar blieb ihre Kenntnis zunächst auf den geselligen Kreis beschränkt, für den sie geschaffen wurden. Man darf annehmen, daß Schleiermacher dieses gesellschaftliche Denkspiel im Reichardtschen Hause in Giebichenstein bei Halle, in das ihn Steffens Ende 1804 eingeführt hatte, wird lieben gelernt haben 16 . Mindestens eine Charade (Nr. 10) verrät ihre Herkunft aus Halle unmittelbar. Schleiermacher muß bald einigen Ruf als Charaden-Verfasser genossen haben. Noch 1874 konnte ein Herausgeber schreiben: „ . . . es braucht als allgemein bekannt nicht erwähnt zu werden, daß seine Räthsel-Improvisationen aus der kleinen 12
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So mit Recht Schupp in dem instruktiven Nachwort seiner Ausgabe (Rätselbuch S. 365442, hier S. 422). J. P. Hebel an Hitzig, Karlsruhe März 1804 (Briefe I, S. 195). Den Hinweis auf den Kreis um Hebel verdanke ich der Darstellung von Schupp. W. G. Becker's ,Taschenbuch zum geselligen Vergnügen' enthielt Charaden mindestens ab dem Jg. 1803, ,Minerva' in den Jahrgängen 1812-1829, unter dem Titel ,Agrionien' von Th. Hell (i.e. K . G . T h . Winkler, s. Schupp, a . a . O . , S.343) gesammelt. ,Sphinx' nennt - in dem beigegebenen .Schlüssel' - das „Morgenblatt für gebildete Stände, die Zeitung für die elegante Welt, die Bildungsblätter, die wöchentlichen Unterhaltungsblätter, die Nordischen Miscellen und mehrere andere Zeitschriften" als Quellen (S. 4). Auch das Hallische Patriotische Wochenblatt brachte ab dem Jahrgang 1805 Charaden ( z . B . S. 744-746 Rätsel von Schiller), was in Jg. 1806 S. 19 eigens begründet wird. Zu einer möglichen Anregung oder einem Absenker s. den Kommentar zu Nr. 3! - Auch die ,Neue Sammlung' von Bührlen (um 1830) enthält keine Charaden Schleiermachers. Zu Schleiermachers Verkehr im Reichardtschen Haus - der sog. „Herberge der Romantik" (s. Neuss, 1932) - sind die vielfältigen Erinnerungen zu vergleichen. Siehe Varnhagen: Denkwürdigkeiten 2. Aufl. I, S. 363ff; Steffens: Was ich erlebte V, S. 144; VI, S. 91.96; Raumer's Leben S. 43-46; Oehlenschläger: Lebens-Erinnerungen II, S. lOf; die genauen Berichte Adolph Müllers (Briefe von der Universität); zusammenfassend Dilthey (1870/1970), Wächtler (1895). „Man sprach sogar von seiner Verweichlichung im Reichardt'schen Hause" (Kühne, 1838, S.49). Übrigens ist in all den Erinnerungen und Briefen nirgends von Charaden die Rede!
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Literarhistorischer Teil
Universitätsstadt sich über ganz Deutschland verbreiteten" 17 . Er konnte drei Jahrzehnte nach Schleiermachers Tod! - noch zehn Charaden aus mündlicher Überlieferung mitteilen, in der dritten Auflage von 1883 gar 21. „Man pflegt in der Berliner Unterhaltung jedes feinere Räthsel unbekannter Herkunft ohne weiteres auf Schleiermacher zu taufen", schrieb dazu ein Rezensent 18 . Was ist das Besondere an Schleiermachers Charaden? Es liegt gewiß nicht in dem von vornherein als begrenzt anzusehenden Haushalt von Räthselwörtern, die so auch bei anderen Verfassern vorkommen; es liegt auch nicht in der gattungsmäßigen Ausgestaltung, denn hier hielt sich Schleiermacher zumeist an den Zwang der Norm, die ein ,Erstes' und ein ,Zweites' aus dem ,Ganzen' eines zusammengesetzten Substantives herausgliedern und wieder verknüpfen hieß. Im Vergleich mit der Fülle der zeitgenössischen Produktion stechen Schleiermachers Charaden zumeist durch ihre Kürze heraus - die längeren sind vielleicht ein Indiz für das Entstehen in den späteren Jahren - , immer aber durch ihr Überraschungsmoment und ihren bleibenden Witz. „Ein gutes Rätsel sollte witzig sein; sonst bleibt nichts, sobald das Wort gefunden ist", hatte Friedrich Schlegel im ,Lyceums'-Fragment 96 gefordert 19 . Die jahrzehntelange mündliche Überlieferung zeigt ebenso wie die Tatsache mehrfacher Drucke und Sammlungen (und Nachdrucke bis in die Gegenwart), daß Schleiermacher für seine Zeitgenossen diese Forderung eingelöst hatte. Die Gleichsetzung mit Schiller 20 ist dem gegenwärtigen Leser freilich kaum mehr nachvollziehbar.
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Schleiermacher's Räthsel und Charaden. Berlin 1874, S. 5 a/d (i.e. Alfred Dove): Schleiermacher's Räthsel und Charaden. In: Im neuen Reich, 4. Jg. 1874, Bd. I, S.720 KFSA II, S. 158 So der Rezensent J. Ferdinand in: Aurora 1829, S. 111; aber auch noch G. Scherer (vor 1900) und Freund (nach 1885) S. 5.
Editorischer und kommentierender Teil
Zur Methode der Textherstellung Die Absicht dieser Edition ist, für den überschaubaren Bereich der Dichtversuche Schleiermachers dessen poetische Texte zu erstellen, wozu die Beschreibung ihrer Überlieferung und ihre Kommentierung gehören. Damit ist gesagt, daß die Edition den allgemeinen Grundprinzipien einer historisch-kritischen Ausgabe moderner Autoren genügen möchte, soweit darüber eine Einigung erreichbar ist1, dabei aber von der spezifischen Arbeitsweise des Autors und der Beschaffenheit des von ihm hinterlassenen Materials ausgeht. Eine vorab festgelegte, generelle Editionsmethode ist nicht sinnvoll. „Über die anzuwendende Methode entscheidet der Sachverhalt der Überlieferung" (Seiffert) 2 . Dieser Sachverhalt läßt - um es vorweg zu sagen - eine nicht allzu strenge Modifikation des „genetischsynoptischen Prinzips" der Textkonstitution ratsam erscheinen. Das Bestreben des Textkritikers soll sein, einen lesbaren Text herzustellen, der diplomatisch genau ist und die Betrachtung des Werdens des Textes ermöglicht. Das ist bei komplizierter Textlage nahezu unmöglich und nicht ohne Kompromisse zu erreichen. Die Beispiele, die H. W. Seiffert in seinen grundlegenden Untersuchungen zur Methode der Herausgabe deutscher Texte' gibt, sein eigener Entwurf eingeschlossen, zeigen deutlich: bei komplizierten Überlieferungsverhältnissen wird entweder der Apparat unübersichtlich oder der Text kaum lesbar. Man wird deshalb je nach der Sachlage das kleinere Übel wählen müssen; ich entscheide mich für die Belastung des Apparates. Da Schleiermacher - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - seine Gedichte nicht veröffentlicht hat, sind von vorneherein nur „Autorvarianten" zu berücksichtigen. Deren Schichtung freilich ist zuweilen recht kompliziert, so daß sich die Frage nach der Anordnung des Apparates stellt. Es kommen im Text die üblichen Varianten vor: Sofortkorrekturen, Sofortvarianten, Spätvarianten, interlineare Schichtungen, außerlineare Schichtungen, wobei bei diesen wiederum alle Arten der Varianten auftreten 1
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Vgl. bes. Scheibe (1971); Zeller (1971) und die anderen Autoren ihres Diskussionsbandes ,Texte und Varianten'! Vgl. auch den Überblick bei Sulzer (1982) sowie Oellers/Steinecke (1983). Seiffert (1963) S. 208
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Editorischer und kommentierender Teil
können 3 . Dabei kann glücklicherweise das Problem der innerhandschriftlichen Chronologie fast stets gelöst werden, wie ich jeweils zur Stelle zeige. Neben den Schichtungen lassen sich also Fassungen erkennen, die eine relative Selbständigkeit haben. Ich folge jedoch Seifferts Einwänden gegen Beißners „ideale" Methode der genetischen Textherstellung4 und unterlasse es, das Gedicht jeweils für die ermittelte Fassung ganz zu rekonstruieren. Anderseits kann ich aber nicht darauf verzichten, mit Hilfe dieser Ermittlung die Genese des Textes sichtbar werden zu lassen, d. h. die genetische Methode muß aus sachlichen Gründen modifiziert beibehalten werden. Ich mache das so, daß ich die Randfassung oder die interlineare Fassung jeweils vollständig gesondert abdrucke und dabei durch Zusätze in eckigen Klammern die Zeilen lesbar mache. Gibt es sowohl Randfassung als auch interlineare Fassung, drucke ich in chronologischer Reihenfolge. Der Nachteil dieser Methode liegt darin, daß zwar der Apparat durch die genetische Druckanordnung einerseits entlastet wird, anderseits aber jeweils für die Fassungen aufgespalten werden muß. Jede Druckeinheit erhält also ihren Apparat, wenn es der Text erfordert, d. h. wenn die Varianten den jeweiligen Fassungen eindeutig zugeordnet werden können. Komplizierend kommt hinzu, daß auf Grund der handschriftlichen Überlieferung zuweilen ein zweiter Apparat (T; Dr) hinzugefügt werden muß, der die Angaben über das Vorkommen in den Handschriften und die eventuellen Druckorte enthalten muß. Dieser zweite Apparat steht in der Regel erst am Schluß der Textanordnung, ist aber in einigen Fällen bereits hinter den Zwischenfassungen nötig. Gibt es Druckorte und sekundäre Abschriften, folgt diesem Apparat stets ein dritter (LA), der die fehlerhaften Lesarten der Abschreiber und Drucker enthält 5 . Schleiermachers Überschriften auf den übersetzten Stücken aus der ,Anthologia Graeca' werden mit dem Sigel Ü mitgeteilt. Diese Art der Textherstellung ist entscheidend darauf angewiesen, daß die einzelnen Fassungen eindeutig identifiziert werden können. Sie lassen sich in der Regel glücklicherweise durch farbliche oder graphische Merkmale - verschiedene Tinte, unterschiedliche Feder - feststellen, so daß hierbei keine besonderen Probleme auftreten. Schwierig ist die Frage der Schichtung, und zwar dann, wenn Schleiermacher zwei Vorschläge macht, ohne einen durch Streichung zu tilgen. 3 4 5
Die Begriffe nach Seiffert S. 42ff, dem ich auch terminologisch möglichst folge. ebd. S. 141ffu.ö. Gleich das ,Monologen'-Gedicht (Nr. 1) enthält alle diese Apparate, so daß es zur Anschauung dienen mag.
Zur Methode der Textherstellung
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Welcher ist in den Text zu übernehmen, welcher in den Apparat zu verweisen? Hierbei ließ sich das subjektive Urteil des Herausgebers nicht ausschließen. Ich habe für solche Fälle keine Regel aufgestellt, sondern wenn etwas das Metrum eine Entscheidung erlaubte - nach sich bietenden Merkmalen geurteilt. Die Reihenfolge des Druckes ist die der umfänglichsten und spätesten Handschrift, der Hs A, wobei deren Text chronologisch eingeordnet ist. Die Texte sind in die verschiedenen Sachgruppen eingeteilt. In Orthographie und Interpunktion folge ich Schleiermacher genau, zumal er auf deren eigentümliche Form Wert legte 6 , auch wenn ihm A. W. Schlegel „keine festen Grundsätze" bescheinigte und sie einen wahren Übelstand schalt 7 . Dabei ist es jedoch nötig, nicht nur die zahlreichen Abkürzungen und Abbreviaturen aufzulösen, die ihren Grund zumeist im Platzmangel haben, sondern auch die Buchstaben zu ergänzen, die zwar wegen Schleiermachers flüchtiger Schreibweise nicht zu lesen sind, aber unzweifelhaft gemeint sind (z.B. lieb[e]n, d[a]s, h[a]t). Auf diese Ergänzungen zu verzichten, hieße den Text verfälschen, zumal da, wo sie vom Metrum gefordert sind. Ich kennzeichne die Ergänzungen mit einer eckigen Klammer. Eine Zutat jedoch vermag ich nicht jeweils zu verdeutlichen: die Umlautpünktchen. Daß Schleiermacher fast regelmäßig auf sie verzichtet, ist die Crux der Entzifferung seiner Schrift 8 . Sie müssen ohne Frage ergänzt werden; wenn in wenigen Fällen die Entscheidung nicht eindeutig ist (könnt - könnt), ist das im Apparat vermerkt 9 . Die Grenze der Philologie war für mich dort erreicht, wo es gegolten hätte, die abweichende Orthographie und Interpunktion der Kopisten und unautorisierten Drucke aufzuführen. Für die Bestimmung der Art der Handschriften wurden deren Abweichungen beachtet, für die Textherstellung haben sie keinerlei Wert, ich habe sie darum nicht kollationiert. Es genügt der Hinweis, daß stets orthographisch gebessert wird. Da bei den Charaden Überlieferungsverhältnisse sui generis vorliegen, die eine Modifizierung der hier vorgetragenen textkritischen Methode erfordern, werde ich in dem betreffenden Kapitel einleitend die spezielle Form der dortigen Textherstellung darlegen. 6
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S. seine Briefe an Reimer vom 23.2.1804 (Br.III, S.381), an A.W. Schlegel vom 19.5.1804 (Körner C I, S. 82-84); vgl. noch Br. III, S. 352; Br. IV, S. 79. Brief aus dem April 1804 (hsl., teilweise gedruckt Br.III, S.387); ders. an Reimer, 6.3.1804 (Körner Β I, S. 183f). Schleiermachers Antwort auf den Tadel ist der Brief vom 19.5.1804 (s. vorige Anm.). Hinzu kommt, daß er in der Regel auch die u-Bogen ausläßt. Mehrfach ist durch das Fehlen der Pünktchen ζ. B. auch unsicher, ob Schleiermacher e oder ä gemeint hat (italienisch - italiänisch).
Die Handschriften Die Gedichte Schleiermachers befinden sich in einer Reihe von Handschriften verschiedener Art und von verschiedener Hand. Fünf Handschriften sind Autographen, sie enthalten, betrachtet man die sekundären Handschriften, fast das gesamte poetische Werk Schleiermachers. Es gibt keine Abschrift, die ein Gedicht enthielte, das nicht auch autograph überliefert wäre! Für den Zeitraum, den ich das „Künstlerjahr" Schleiermachers nenne, d.h. den Zeitraum, in dem er seine Dichtungen so ernst nahm, daß er sie sammelte, werden wir darum das gesamte Werk überliefert haben. Die späteren Abschreiber haben keine anderen Quellen entdecken können als ich. Mit einiger Sicherheit wird man daraus und aus dem Mangel an diesbezüglichen biographischen Äußerungen schließen können, daß es solche anderen Quellen nicht gibt. Dieser Schluß gilt nicht für die Zeit vor und nach dem „Dichterjahr" Schleiermachers, wie der Anhang der Gelegenheitsgedichte beweist, für die es meist keine Autographen gibt. Sie sind alle Gelegenheitswerke, die Schleiermacher nicht der zusätzlichen Fixierung für nötig befand. Ein eigenes Problem bilden die Überlieferungsverhältnisse der Handschriften, die Charaden enthalten. Hier befinden sich in Abschriften und Drucken Fassungen, die älter sind als die autograph überlieferten. Die Autographen werden mit Großbuchstaben bezeichnet, àie Abschriften mit Kleinbuchstaben. Eine Ausnahme macht die Hs H, die von Henriette Herz geschrieben ist. Henriette Herz hat von Schleiermachers Briefwechsel mit ihr eine Teilabschrift angefertigt, bevor sie diesen vernichtete 1 . Diese Abschrift hat naturgemäß nicht den Rang eines Autographen, kommt aber an ihn heran und muß durch den Großbuchstaben von den sekundären Texten abgehoben werden. Die Handschriftenverhältnisse werden im Folgenden erörtert. 1
Siehe Fürst: Henriette Herz S.53f. Ursprünglich sollten auch diese Abschriften vernichtet werden. - Die eigenhändigen biographischen Notizen, die Fürst stark bearbeitet hat, sind veröffentlicht MLA 1896 (S. 141-184): Jugenderinnerungen von Henriette Herz. Der Briefwechsel mit Schleiermacher ist nur teilweise veröffentlicht, bei Br. I und III und M I und II leider in je verschiedener Ausführlichkeit. Ein dort fehlender Brief S. s bei Landsberg (1913) S. 419.
Die Handschriften
Das Gedichtheft
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(Hs A)
Das Gedichtheft (Hs A) ist die wichtigste Quelle, die poetische Versuche Schleiermachers enthält. Es besteht aus einem Heft von 8 Blättern, d. h. 16 Seiten. Davon sind 5 Blätter, d. h. 10 Seiten, beschrieben. Das Format ist 4° (18 cm breit - 22 cm hoch). Jeweils am Rand sind ca. 7 cm freigelassen für reichliche Verbesserungen. Das Heft hat die Signatur: Akademie der Wissenschaften der DDR - Archiv - Nachlaß Schleiermacher Nr. 232. Die Übersetzungen aus dem Griechischen und eine Charade sind nur hier überliefert, desgleichen der erste Entwurf des Monologen-Sonettes und einige Randfassungen. Die Verbesserungen und die teilweise nahezu unleserliche Schrift zeigen, daß die Hs A ein „Probierheft" Schleiermachers war, ähnlich seinen Fragmentenheften - ein von Friedrich Schlegel übernommener Brauch. Anderseits sind einige Epigramme, unbeschadet weiterer Verbesserungen, ganz sicher Letztfassungen aus den Hss B, C oder D, also Abschriften von dort. Diese Abschriften sind mit dem sichtbaren Bemühen um Sauberkeit geschrieben, mit gleicher Feder und Tinte. Es gehören dazu der erste Entwurf des Monologen-Gedichtes (Hs A S. 1), die Epigramme ,Lebensüberdruß' bis ,Trauer und Wehmuth' (S.3), ,An der See', ,Klage' (S. 4), ,Der Verlassene', ,Nach dem Italiänischen' (S. 5), ,Logogryph' (S. 6). Diese poetischen Versuche können in einem Zuge geschrieben sein, mit Bestimmtheit ist das von den Epigrammen zu sagen. Merkwürdig bleibt dabei, daß Schleiermacher die Seiten nicht vollständig beschrieb und S. 2 zunächst vollständig frei ließ. Der letzte Entwurf des Monologen-Gedichtes und die griechischen Übersetzungen zeigen ein neues Stadium der Schrift. Besonders die Elegien sind mit dickerer Feder flüchtig und „geschmiert" auf's Papier geworfen, mit Ausnahme der S. 2 und S. 7 in den freien Raum unter die Gedichte gedrängt. Sie sind so oft verbessert und geändert worden, daß sie die Urform darstellen werden. Eine neue, dickere Feder bei gleicher Schrifttype zeigt der ,21. November' (S. 7). Ein neuer Ansatz scheint mir auch ,Mimnermos VII' (S. 8) zu sein. Erstaunlich im Duktus geändert ist die Schrift der Charaden, die fast keine Ähnlichkeit mit der vorherigen hat. Es muß sich um ein erheblich späteres Schriftstadium handeln. Die Charaden können in einem Zug geschrieben sein. Da fast keine Verbesserungen vorgenommen sind, wird es sich um eine Abschrift von einer Vorlage handeln 2 . 2
Diesen Verdacht erhärte ich an seiner Stelle.
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Editorischer und kommentierender Teil
Datierung: Das Gedichtheft läßt sich datieren, da einige Gedichte im Briefwechsel erwähnt werden. Den ersten Anhalt liefert der Brief an Charlotte von Kathen, dem das Monologen-Sonett beigefügt war 3 . Er trägt das Datum vom 10. August 1803. Da er die Neufassung enthielt, muß das Gedichtheft schon eher angelegt worden sein. Am 26. September 1803 antwortet A. W. Schlegel auf die Übersendung der Elegie Antipatros XXXII und des Logogryphs 4 . Spalding bespricht am 17. Juli 1803 einige Epigramme, die Schleiermacher ihm geschickt hat 5 . Da Schleiermacher Spaldings Verbesserungsvorschläge an den Rand des Gedichtheftes geschrieben hat, müssen diese Eintragungen nach dem 17. Juli vorgenommen worden sein. Die völlig identischen Schriftzüge lassen vermuten, daß diese Randzeilen zur gleichen Zeit wie die Textzeilen - die eine modifizierte Abschrift aus den Tagebüchern darstellen - in das Gedichtheft eingetragen wurden. Wenn man weiter vermuten dürfte, daß Schleiermacher zunächst das Deckblatt - auf das dann wenig später das Monologen-Sonett kam frei ließ, hätten wir Hs A als zwischen dem 17. Juli und dem 10. August 1803 angelegt zu denken. Die Daten weisen alle auf den Sommer 1803. Heraus fällt die Datierung „im Juni 1804", die Henriette Herz dem Brief Schleiermachers gibt, der die zweite Fassung des Gedichts ,Der Verlassene' enthält 6 . Vielleicht liegt hier ein Versehen vor. Diese genaue Abgrenzung ist sehr erstaunlich, denn sie widerspricht dem Befund der Handschrift, deren Schriftzüge auf verschiedene Entstehungsstadien zu weisen schienen. Die Briefe beweisen eindeutig, daß Schleiermacher sich im Sommer 1803 sowohl mit empfindsamen Gedichten (Brief an Ch. ν. Kathen), mit Epigrammen (Brief an Spalding) und mit der Übersetzung griechischer Elegien (Brief an A. W. Schlegel) beschäftigte. Die zitierten Beispiele stehen auf den Seiten 1, 3, 6 und 7 (wie die Tabelle zeigt), das bei H. Herz erwähnte Gedicht auf S.5 (in anderer Fassung). Ist es richtig, daß das Gedichtheft im Juli 1803 angelegt wurde, setzt man damit für Mitte September beinahe den gesamten Stoff voraus, mindestens von S. 1 bis 7. Das ist mit dem graphischen Befund nur schlecht zusammenzubringen. Auch die Bemerkung „conf Jakobs Tempe" über Antipatros XXXII (S. 7) bringt uns nicht weiter, denn Schleiermacher benutzte (wie ich 3
Br. I, S. 376-378/M I, S. 312f. Siehe den Kommentar zu diesem Gedicht!
4
Br. III, S. 364 und 366f
5
Br. III, S. 352-355 nur bruchstückhaft veröffentlicht. Erwähnung dieses Briefes auch M I , S. 309 (an H. Herz, 26. Juli 1803).
6
handschriftlich
D i e Handschriften
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zeigen werde) die Auflage von 1803, so daß wir dadurch nicht mehr erfahren, als wir durch den Brief A. W. Schlegels schon wissen. Es bleibt zu erwägen, ob Schleiermacher zwar in der ermittelten Zeit seine Gedichtproben seinen Freunden zur Beurteilung sandte, das Gedichtheft aber erst später angelegt hat. Das ist jedoch wenig wahrscheinlich. Wenn etwas sicher ist, dann dies, daß die Übersetzungen der griechischen Elegiker erst nach den empfindsamen Gedichten in das H e f t eingetragen wurden, denn - von der anderen Schrift ganz abgesehen - sie sind jeweils in den freigebliebenen R a u m gedrängt worden. A n ihnen ist aber so sehr geändert und gebessert worden - allein an dem A . W. Schlegel bekannten Gedicht lassen sich zwei Rezensionen der ersten Fassung erkennen - , daß daraus geschlossen werden muß, daß sie unmittelbar bei ihrem Entstehen eingetragen wurden. Dann lag Mitte September 18037 das Gedichtheft bis einschließlich S. 7 vor, die empfindsamen Gedichte einschließlich des von H . Herz für den Juni 1804 bezeugten - und die Epigramme müssen mithin einige Zeit vorher eingetragen worden sein. Was für die Eintragung gilt, gilt mutatis mutandis auch für die Entstehung. Aus all den Überlegungen kann nur der Schluß gezogen werden, daß Schleiermacher in dieser kurzen Zeit seine Schrift mehrfach erheblich gewandelt hat. Oder sollte die Feder der Grund sein und die Flüchtigkeit des Schreibens? Das Gedicht ,Am 21. November' ist wahrscheinlich 1803 entstanden, es ist in sauberer Schrift mit dicker Feder geschrieben und gleicht im Aussehen den Übersetzungen. Das Faksimile bei Dorow 8 zeigt mit dünner Feder und sauberer Schrift am 17. August 1805 dieselbe Schrift wie die Reinschrift der Gedichte. A n eine grundsätzliche Änderung der Schrift ist darum nicht zu denken. Das Ergebnis ist nicht ganz befriedigend. Aber sicher ist doch, daß die zitierten Versuche im Sommer und Herbst 1803 bekannt waren und ihrem Inhalt nach während Schleiermachers Aufenthalt als Hofprediger in Stolpe entstanden sein müssen. D a ß Schleiermacher sich zu dieser Zeit das Heft angelegt hat, ist nahezu eindeutig. Nicht zu entscheiden ist, bis wann Schleiermacher das H e f t benutzt hat. Der terminus post quem ist zunächst das erste Jahr in Halle: Herbst 1804. Erst in Halle übte Schleiermacher in der Gesellschaft die Kunst der Charade. Die Charaden der Hs A sind eine Abschrift, die Schrifttype ist weit von der Handschrift des 17. August 1805 entfernt. D a n n muß die Abschrift später erfolgt sein, auch wenn man nach den obigen Erfahrun7
D e r Brief erreichte A . W. Schlegel am 24. Sept. 1803 (Br. III, S. 363); er ist nicht erhalten.
8
Dorow: Facsimile Nr. 3 (s. Exkurs: Eine Anleihe bei A . W. Schlegel!)
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Editorischer und kommentierender Teil
gen aus der Schrift nicht allzuviel schließen darf. Wenigstens die Vorlage muß noch aus der Hallenser Zeit stammen, denn sonst ist nicht einzusehen, weshalb in einer Charade aus „bei uns dem Markte" in „am Markt zu Halle" verdeutlicht ist. Die Verbesserung scheint während der Abschrift vorgenommen zu sein. Diese Beobachtung beweist, daß Hs A frühestens nach Schleiermachers Abgang von Halle im Dezember 1807 abgeschlossen wurde. Wann das war, vermag ich nicht zu sagen. Übersicht über die Reihenfolge in Hs A Seite 1:
Seite 2:
Seite 3:
Seite 4:
Seite 5:
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23.
An Charlotte Kathen Sappho IV (VII 489) Solon XVII Meleager XCI (V177) Meleager XCV (V178) Meleager LXV (V198) Meleager LXXIV (XII114) Meleager CVI (V141) Meleager LXIX (V156) Lebensüberdruß Erfahrung Verständniß Bescheidene Bitte Bedingung Kunst und Liebe Trauer und Wehmuth KratesI (1X497) Skolion XX An der See Klage Skolion XXI Der Verlassene Nach dem Italiänischen
Fragmentheft
Seite 6:
Seite 7:
Seite 8: Seite 9: Seite 10:
24. Hermodoros (XVI170) 25. Euenos VI (XII172) 26. Logogryph 27. Meleager CXXI (VII 461) 28. Meleager III (XII86) 29. Platon XI 30. Platon IX (XVI160) 31. Platon II (V78) 32. Antipater LVII (1X720) 33. Antipater LVI (1X729) 34. Antipater LV (1X724) 35. Antipater LIV (1X728) 36. Antipater LVIII (1X721) 37. Antipater XXXII (XVI178) 38. Lukillios XXXVI (XI113) 39. Motto zur Treue 40. Der Zauberlehrling 41. Am 21. November 42. MimnermosVII (1X50) 43-49 Charade 1-7 50-57 Charade 8-15 58-59 Charade 16-17
III (Hs B)
Das Fragmentheft III, hier Hs B, von Dilthey mit C, in der KGA 1/2 als „Gedanken III" bezeichnet 9 , ist ein Quartheft ohne Aufschrift. Sein Beginn ist in das Jahr 1799 zu setzen 10 . Die Seiten sind unpaginiert. Auf S. 6 befinden sich am Rand zwei Sprüche: ,Wie bei den Men9 10
Denkmale S. 88.115 / KGA 1/2, S. 119ff ebd. / K G A 1/2, S.XXIXf
Die Handschriften
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sehen du forschest' und ,Wer sich selbst nicht anschaut'. Beide Gedichte beziehen sich auf Fragmente aus dem Umkreis der ,Monologen'. Hs Β hat die Signatur: AdW der D D R - Archiv - Nachlaß Schleiermacher - Nr. 143. Die Sitte, in Tagebuchform Fragmente zu sammeln, hat Schleiermacher von Friedrich Schlegel übernommen, um diesem stets fordernden Freund Gedankensplitter und Aperçus zu liefern. „Schön ists, daß Du einige Fragmente gelegt hast", schreibt Friedrich Schlegel im Sommer 1798 aus Dresden. „Wir wollen unsre Eyer in guter Ruhe wie gute Hennen mit einander verzehren" 11 . Die frühen und für uns allein wichtigen Hefte, die Dilthey nur in großen Auszügen veröffentlicht hatte, sind in der KG A vollständig ediert 12 . Auf die dortigen Beschreibungen des Herausgebers Günter Mekkenstock sei hier verwiesen. Im dritten und vierten Gedanken-Buch sowie auf zwei einzelnen Blättern hat Schleiermacher gelegentlich neben die Fragmente an den Rand Übertragungen ihres Inhalts ins elegische Versmaß geschrieben. Einen Teil dieser Gedichte hat er später, mit einer Überschrift versehen, in das Gedichtheft (Hs A) übertragen. Da sich die Hefte einigermaßen datieren lassen, lassen sich Anhaltspunkte für die Entstehung der Gedichte gewinnen, denn zuweilen stehen sie in gebesserter Form anschließend unmittelbar im Text, so daß sich mindestens für diese behaupten läßt, daß sie zur gleichen Zeit wie die ungeformten Fragmente entstanden sein müssen.
Fragmentheft
IV (Hs C)
Dieses Autograph ist ein umfangreiches Manuskript von 28 Seiten. Es hat keine Beziehung zu den vorhergehenden Gedankenbüchern, sondern setzt neu ein. Seinem Inhalt nach gehört es in die Jahre 1801 bis 1803. Diltheys Abdruck 13 ist nicht vollständig. Die Handschrift trägt Bleistiftpaginierung von fremder Hand. Hs C hat die Signatur: AdW der D D R - Archiv - Nachlaß Schleiermacher - Nr. 144. Auf den Seiten 24, 26 und 27, also am Ende des Manuskripts, befinden sich eine Reihe von Gedichten in griechischem Versmaß, zum Teil im Text, 11 12 13
Br. III, S. 90 Denkmale S. 88ff / KGA1/2, S. 119ff Denkmale S. 123ff
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Editorischer und kommentierender Teil
zum Teil am Rand. Sie müssen dem Kontext nach in das Jahr 1803 gehören. Diese Datierung stimmt mit den Briefzeugnissen überein. Auf Seite 24 stehen unmittelbar hintereinander eine Reihe von Sprüchen, deren chronologische Zusammengehörigkeit damit erwiesen ist: 1. Schau dem entflohenen Glüke (Dilthey Nr. 165), 2. Thränen der Wehmuth (Nr. 167), 3. Schau dem entflohenen Glüke (andere Fassung von Nr. 165, fehlt bei Dilthey), 4. Wenn von dem Glauben (Nr. 168), 5. Hört, spricht Kunz (Nr. 169), 6. Laß uns ein Bild (Nr. 170). Auf Seite 26 stehen die beiden Fassungen von ,Sollte die Liebe wol sein'. Auf Seite 27 befinden sich Schleiermachers Entwürfe zur Elegie.
Handschrift
D
Diese Handschrift besteht aus zwei einzelnen Blättern, deren Zusammenhang mit den übrigen Fragmentheften nicht ersichtlich ist. Dilthey datiert sie in die Zeit der Entstehung der ,Lucinde'-Briefe und der Rezension 14 , also in das Jahr 1800. Das ist möglich, aber nicht überzeugend. Ähnliche Thematik haben die Briefe Schleiermachers an Henriette Herz in den Jahren 1802 und 180315. Sicherheit ist nicht zu erhalten. Auf Blatt I Oberseite steht ,Weißt du dem Urbild nur', auf Blatt II Oberseite ,Trauert ein zärtliches Herz' und ,Wunderlich oft in scheinbarem Krieg'. Alle Gedichte stehen am Rand. Hs D hat die Signatur: AdW der D D R - Archiv - Nachlaß Schleiermac h e r - N r . 145.
Handschrift
E
Die Handschrift enthält eine weitere Fassung des Gedichtes ,An Charlotte Kathen. Mit den Monologen'. Sie befindet sich in dem Brief an Charlotte von Kathen, der Schwester der zukünftigen Frau Schleiermachers, vom 10. August 180316. Sie hat keine Überschrift. Der obere Rand trägt die Bemerkung „Zugabe zu den Monologen - 1803". 14 15
16
ebd. S. 113 (Schleiermachers Rezension der ,Lucinde' Br. IV, S. 537-540) Bei diesen Briefen muß die Textform bei M I genommen werden, da die wichtigsten Stellen in Br. - aufgrund der moralischen Zensur der Familie (s. Arndt/Virmond, 1981) verstümmelt sind. Siehe Br. 1, S. 376-378 (dort Abdruck der Hs) / M I, S. 312f. Vgl. auch die Erwähnungen M L A I X , S. 68f; Br. I, S. 379 und M I, S. 311.
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Die Handschriften
Hs E hat die Signatur: AdW der D D R - Archiv - Nachlaß Schleiermac h e r - N r . 753/3.
Charadenblatt
(Hs F)
Diese Handschrift ist ein beidseitig sauber beschriebenes Blatt von der Hand Schleiermachers. Es enthält fünf Charaden, die sich in dem Gedichtheft (Hs A) nicht befinden. Die saubere Schrift zeigt, daß es sich um eine Abschrift von einer Vorlage handeln muß. Das Blatt ist kein Fragment einer eventuell größeren Sammlung, denn es enthält einen Abschlußstrich. Die Charaden tragen die Nummern 1 bis 5. Es handelt sich um die Charaden 18-22. Hs F hat das Format 8° (12,5-20). Sie hat die Signatur: AdW der D D R - Archiv - Nachlaß Schleiermacher - Nr. 233/1.
Handschrift
H (Henriette
Herz)
Die Briefe Schleiermachers an Henriette Herz sind nicht erhalten, es existieren nur ausführliche Abschriften von Henriettes Hand 17 . In diesen Abschriften befindet sich unter dem Datum „Stolpe im Juni 1804" eine Fassung des Gedichtes „Der Verlassene". Der unmittelbar anschließende Brief trägt die Überschrift „aus Schlobitten, die Zeit ungewiß" und hat folgenden Text: „Zum Abschiede will ich Dir noch mittheilen, was ich eben in zwei Stammbücher geschrieben, wohl zu merken, von eigener Erfindung". Es folgen die Gnomoi ,Selbst sich kennen', ,Was ist das' und ,Froh mit dem Leben gespielt', jeweils mit Anmerkungen. Die letzte Anmerkung lautet: Das ist eine ganz ordentliche Gnome, und solcher könnte ich eine ganze Menge machen, wenn man mich dazu einsperrte bei Wasser und Brodt und zwei Wachslichtern.
Es ist offensichtlich, daß Henriette Herz die Sprüche an diese Stelle gerückt hat, weil sie ihr hinter das Gedicht zu passen schienen. Für die Chronologie ist aus dieser Stellung nichts zu entnehmen. Der folgende Brief stammt aus Halle mit dem Datum des 22. Oktober 1804. Dann müßte Schleiermachers Brief mit den Sprüchen zwischen dem Juni und dem Oktober 1804 geschrieben sein. In dieser Zeit war Schleiermacher aber nicht in Schlobitten, seine Reise nach Halle führte nicht über West17
Siehe Fürst: Herz S. 53f; Br. I, S. 172 Anm.; M I, S. 5 und 353.
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Editorischer und kommentierender Teil
preußen 18 . Dennoch hat H. Herz sich mit dieser Einordnung nicht sehr geirrt, denn die Ortsangabe erlaubt eine Datierung. Schleiermacher begab sich am 26. April 1804 auf eine Dienstreise nach Westpreußen, von der er am 12. Mai wieder zurückgekehrt war 19 . Auf dieser Reise war er auch „ein Paar Tage" in Schlobitten 20 , dem Ort seiner Erziehertätigkeit von 1791 bis 1793, dem er so viel an innerer Bildung zu verdanken hatte. Er traf sich dort mit Graf Alexander von Dohna, um sich mit ihm wegen seiner Berufungen nach Würzburg und Halle zu beraten 21 . Daß Schleiermacher sich hier in „Stammbücher" eintragen mußte, ist bei seinem freundschaftlichen Verhältnis zur Familie der Dohnas nicht verwunderlich. Damit wäre dieser Brief in die Zeit zwischen dem 26. April und dem 12. Mai 1804 datiert. Ist die Jahresangabe richtig - ein Versehen ist nicht ausgeschlossen 22 - , dann muß der Brief in der ersten Juniwoche geschrieben sein, unmittelbar vor der Abreise nach Rügen, die zwischen dem 5. und 7. Juni geschah 23 . Die Reise dauerte bis zum 12. Juli 180424. Beide Briefe sind bisher unveröffentlicht. Signatur: AdW der D D R Archiv - Nachlaß Schleiermacher - Nr. 751, B1.61.
Handschrift
a
Diese Handschrift vom Format 8° (13x22) besteht aus 3 Bogen (6 Blättern à 12 Seiten), von denen 6 Seiten von einer Frauenhand sehr sauber beschrieben sind. Sie enthält Gedichte, Epigramme und Charaden, die alle auch autograph überliefert sind. Solange die Schreiberin nicht identifiziert ist, läßt sich die Hs nicht datieren. Signatur. AdW der D D R - Archiv - Nachlaß Schleiermacher - Nr. 233/ 2. (Nr. 233 enthält den Nachlaß Jonas.) Die Gedichte und Epigramme dieser Handschrift stehen alle im Gedichtheft, desgleichen die Charaden, die die Nummern 1-11 tragen. Nach einem Strich kommen 3 Charaden, die in Hs A nicht enthalten sind, 18 19
20 21 22
23
24
Siehe Br. III, S. 403f; IV, S. 103 Anm. MLA IX, S. 84 / Br. I, S. 393; Br. III, S. 393; vgl. auch Schleiermacher und seine Lieben S. 68 (H. Herz an Willich, 13. Mai 04). MLA IX, S. 88 Vgl. seinen Br. v. 9. Apr. 1804 an A. v. Dohna (Briefe an Dohna S. 38f / M I, S. 341)! Siehe die Erörterung bei der Beschreibung der Hs A und den Kommentar zu ,Der Verlassene'! MLA IX, S. 88. Zur Reise s. auch Körner C I, S. 83 (Br. S. s an A. W. Schlegel v. 19. Mai 1804), ebd. S. 99.135 sowie H. Herz an Willich v. 1. Juni 1804 (Schleiermacher und seine Lieben S. 71)! Siehe Petrich: Schleiermacher und Luise v. Willich S. 161 (Br. v. 14. Juli 1804)!
Die Handschriften
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wohl aber in Hs. F. Diese letzten Charaden haben dieselbe Textform wie Hs F (deren Nummern 1, 2 und 5), könnten also von dort abgeschrieben sein. Aber warum fehlen 3 und 4? Merkwürdiger noch die ersten 11 Charaden: sie stehen zwar in derselben Reihenfolge wie in Hs A, haben aber demgegenüber Lücken (es fehlen die dortigen Nummern 1, 9, 11, 15-17), der Text steht den Varianten des Druckes 25 näher (s. Nr.7,12), ist aber wiederum auch mit diesem nicht identisch (s. Nr. 3). Wenn es stimmt, wie ich noch darlegen werde, daß die Varianten auf eine ältere Textform zurückgehen als die Hs A, wäre auch der Text von Hs a älter. Auch bei den Gedichten und Epigrammen ist der Zusammenhang mit dem Gedichtheft schleierhaft. Die Reihenfolge der Gedichte ist eine andere, das Monologen-Gedicht hat eine überraschende Übereinstimmung mit der Textform des Briefes an Charlotte Kathen (Hs E). Andererseits wiederum ist - mit Lücken - die Reihenfolge der Epigramme die gleiche wie in Hs A, auch die Textform stimmt überein. Einmal, in dem Epigramm ,Kunst und Liebe', sind die Änderungen des Randes benutzt. Dabei sind diese Sprüche mit den Überschriften des Heftes versehen, die in den Tagebüchern noch fehlen. Bei dem Monologen-Gedicht und dem Gedicht ,Zephyr o flüstre ihr flehend' fehlen die Überschriften des Heftes. Und warum fehlt ganz der ,21. November'? Trotz mancher Übereinstimmung ist also mit Sicherheit zu schließen, daß diese Handschrift keine Abschrift von Hs A sein kann. Ihre Stellung in der Überlieferung ist dunkel. Die Reihenfolge des Textes in Hs a: S. 1: Lebensüberdruß; Erfahrung (nur die Überschrift, dann eine Lücke); Bedingung; Kunst und Liebe; Klage. S. 2: Der Verlassenen (sie!); Ein heiiges Bild (Ohne Überschrift!). S. 3: Str. 3 von S. 2; An der See. S. 4: Zephyr (ohne Überschrift!); Charaden Nr. 1-5 (numeriert). S.5: Charaden Nr. 6-12. S. 6: Charaden Nr. 13 und 14.
Handschrift
b
Diese Handschrift ist die umfänglichste Abschrift, die bis auf die griechischen Übersetzungen alle poetischen Versuche Schleiermachers, die sich im Nachlaß befinden, enthält. Sie entstammt der Hand des Schwiegersohnes, Nachlaßverwalters und Briefwechselherausgebers Schleiermachers, 25
Schleiermacher's Räthsel und Charaden. Berlin 1874, S. 53ff. Siehe dazu auch die Diskussion in dem Kap. über die Charaden!
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des Predigers Ludwig Jonas. Die Abschrift ist offensichtlich zum Zwecke des Druckes bestimmt gewesen. Hs b hat das Format 8° (17x20,5). Sie hat die Signatur: A d W d e r D D R - A r c h i v - Nachlaß Schleiermacher - Nr. 632, Bl.1-6. Die Hs besteht aus 3 Bögen à 12 Seiten, von denen 11 beschrieben sind. Sie enthält, wie sich beweisen läßt, Abschriften von Hs A, Hs H und Hs F. Zunächst kommen einige Seiten Charaden. Dabei sind die Blätter durchweg in der Mitte geteilt; innen ( = H s b 1) steht jeweils die Fassung des Gedichtheftes, außen ( = Hs b 2) die Fassung des Musenalmanachs von 183026, unter der (unverständlichen) Seitenüberschrift „Fragm. 23a" (bzw. ,,23.b."/„24") und der Angabe des Fundortes: „Musenalmanach 1830". Die Fassung von Hs A ist mit gebesserter Orthographie und Zeichensetzung geschrieben, die des Musenalmanachs enthält Schreibversehen. Mit Bleistift sind von unbekannter Hand - nicht Jonas', nicht Diltheys - die Auflösungen eingetragen, die im Almanach durchaus fehlen 27 . Von Nr. 1-14 sind die Charaden in der Reihenfolge des Gedichtsheftes aufgeführt, dann kommt - offenbar, weil die dazwischen befindlichen Rätsel nicht entziffert werden konnten (und auch nicht gedruckt waren) die Nr. 17. Es folgt die Abschrift von Hs F. Deren Text ist in einem Falle (Nr. 18) zwar nicht mit dieser identisch, die Abweichung läßt sich aber durch den Einfluß von Mu ( b 2) erklären. Hieran fügt Jonas die Nr. 16 des Gedichtheftes nach. Die Nr. 15 hat der Abschreiber also nicht lesen können. Die Nummern 16 und 17 beweisen, daß Jonas seine Abschrift von Hs A nahm, denn sie sind weder gedruckt noch befinden sie sich in einer anderen Handschrift oder Abschrift. Nach den Charaden kommt auf b 1 der ,Logogryph' mit besonderer Anführung der Randvarianten unter der Bezeichnung „Quervermerk" oder „Randbemerk. Schleierm.'s". Auf b 2 befinden sich noch einige, aber lange nicht alle, Charaden aus dem Musenalmanach, für die Autographen nicht erhalten sind. Auf dem letzten Blatt stehen unter der Überschrift „In ein Stammbuch" die Epigramme aus Hs H, mit den brieflichen Bemerkungen Schleiermachers am Rand. Schließlich folgen alle Gedichte aus dem Gedichtheft, zum Teil mit den Randbemerkungen. Das Gedicht ,Der Verlassene' wird in beiden Fassungen, aus Hs A und Hs H , aufgeführt. 26 27
Siehe den Kommentar z. St. In den Jahrgängen 1831 und 1832 stehen keine Auflösungen, so daß sie dort nicht hergenommen sein können. Sie können auch nicht aus dem Druck von 1874 abgeschrieben sein, denn dort (S. 56) werden die Charaden Nr. 17 und 20 falsch aufgelöst (s. Komm, z. St.), während Hs b wie die 3. Aufl. von 1883 die richtigen Lösungen haben.
D i e Handschriften
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Es fehlen aus der Hs A also außer der Charade Nr. 15 nur die früheren Fassungen des Monologen-Gedichtes, die griechischen Übersetzungen und die beiden Epigramme, die Schleiermacher an die griechischen Übersetzungen angefügt hatte und die Jonas für solche gehalten haben wird. Ist die Vermutung richtig, daß es sich hier um eine Abschrift zum Zwecke des Druckes handelt, ist sie in die fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts zu datieren.
Handschrift
c
Diese Handschrift stammt von einer Frauenhand, die nicht identisch ist mit der von Hs a. Sie ist mit Charaden beschrieben, ohne eine Numerierung. Die Reihenfolge ist die des Gedichtheftes, der Text entspricht mehrfach dem des Musenalmanaches oder steht ihm nahe (s. Nr. 1, 5, 6,11,12, 16-18), unterscheidet sich häufig jedoch erheblich von diesem (s. Nr. 7,10, 14), und zwar so, daß er älter sein muß als dieser. Das erweist sich daraus, daß Nr. 10 „am Markt zu Halle" hat statt „In vielen Städten". Die Reihenfolge wird wie in Hs b durch die Nachstellung von Nr. 16 unterbrochen, die Handschrift kann jedoch keine Abschrift von Hs b sein, desgleichen nicht von Hs. a. Der Text der Nummern 12, 14 und 17 hat keine Parallelen bei den anderen handschriftlichen Zeugen. Merkwürig ist, daß mit Nr. 18 der Bereich der Hs A überschritten wird, der Text ist dabei gegen Hs F identisch mit Mu. Diese Handschrift bezeichnet also einen eigenen Überlieferungszweig. Hs c enthält folgende Charaden: 1, 5-7, 9-12, 14, 17, 18 und (als Nachtrag) 16. Durch die Reihenfolge und dadurch, daß mit einer Ausnahme nur Charaden enthalten sind, die im Gedichtheft stehen, ist die Nähe zu Hs A erwiesen. Eine Datierung ist nicht möglich, solange die Schreiberhand nicht identifiziert ist. Hs c hat das Format 8° (13,5x21). Signatur: AdW der D D R - Archiv Nachlaß Schleiermacher - Nr. 632, B1.9
Handschrift
d
Auf einer Seite von vieren dieser Handschrift befindet sich ein Brief Georg Ernst Reimers - des Sohnes und Nachfolgers des Freundes und Ver-
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legers Schleiermachers 28 - an Ludwig Jonas vom 18. November 1853. Auf der Rückseite des freien Blattes stehen, von der Hand Jonas', Abschriften von Fragmenten und Gedichten aus Hs Β und Hs C, in gebesserter Orthographie. Es handelt sich um die Epigramme ,Lebensüberdruß', E r f a h rung', ,Verständniß', ,Bescheidene Bitte', ,Bedingung', ,Laß uns ein Bild', ,Sollte die Liebe wol'. Der Text stimmt nicht immer exakt mit der Vorlage überein. Es handelt sich dabei offensichtlich um Lesefehler. Die Abschrift scheint zum Zwecke des Druckes gemacht zu sein. Ihre Datierung ergibt sich aus dem glücklichen Zufall, daß sie sich auf der Rückseite eines Briefes befindet. Sie erweist damit die Vermutung als richtig, daß auch die anderen Abschriften von der Hand Jonas' aus den fünfziger Jahren stammen. Hs d hat das Format 8° (13,5x22) und enthält 4 Seiten. Signatur: AdW der D D R - Archiv - Nachlaß Schleiermacher - Nr. 632, Bl. 7-8.
Handschrift
e
Diese Handschrift ist eine Abschrift des ,Logogryphs' von der Hand Jonas'. Am Rand stehen die Randbemerkungen der Hs A, sodaß die Abschrift von dort erfolgt sein muß. Hs e bildete die Vorlage für den Druck 29 , denn sie enthält die dortige Anmerkung von der Hand Diltheys. Damit ist die Zeit wie bei den Hss b, c und d bestimmt; die Anmerkung Diltheys stammt wohl aus dem Jahre 1860. Das Format ist 8° (14x20). Signatur: AdW der D D R - Archiv - Nachlaß Schleiermacher - Nr. 632, B1.10.
Handschrift
f
Hs f gleicht Hs e. Sie ist eine Abschrift von ,Antipater XXXII' von der Hand Jonas', offenbar zum Zwecke des Druckes. Der Text entspricht genau dem des Druckes 30 , auch darin, die Randfassungen mit in den Text einzubeziehen. Hs f hat das Format 8° (13x15). Sie besteht aus einem zurechtgerissenen Zettel, auf dessen anderer Seite geschäftliche Notizen o.ä. zu ent28
29 30
Georg Andreas Reimer hatte 16 Kinder (Μ I, S. 359), er starb 1842 (M III, S. 412). Georg Ernst R. lebte von 1804-1885 ( A D B Bd. 27, 1888, S. 712f). s. Br. III, S. 366 Anm. ebd. S. 364 Anm.
Die Handschriften
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Ziffern sind. Die Zeit bestimmt sich wie bei den vorhergehenden Handschriften. Signatur: AdW der DDR - Archiv - Nachlaß Schleiermacher - Nr. 632, Bl.ll.
Handschrift g Diese wichtige Handschrift aus dem Nachlaß Varnhagens von Ense 31 ist mit 14 numerierten Charaden beschrieben. Die Schreiberhand ist weder die Varnhagens noch Raheis. Das beidseitig beschriebene Blatt trägt auf der Vorderseite die Überschrift „Charaden", auf der Rückseite die Unterschrift „von Fr. Schleierm" (so!). Auffällig dabei ist die Benutzung der lateinischen Schrift und die durchgehende Kleinschreibung der Substantive. Später ist von Varnhagens Hand in deutscher Schrift links neben die Überschrift eingefügt worden: „Schleiermacher.", links in den frei gebliebenen Raum neben der Unterschrift: „Halle 1807". Unterhalb der Charaden befanden sich ursprünglich in großen lateinischen Schriftzügen - und zwar, soweit die Mikrokopie erkennen läßt, in Bleistift - Lösungen notiert, die mehrfach unzutreffend gewesen sein müssen: bei Nr. 5 ist „Spitzbube" entzifferbar (statt „Taschendieb"), bei Nr. 7 „Bierkanne" (statt „Weinglas"), bei Nr. 14 „Klopstock" (statt „Wieland"). Diese Lösungen sind später in deutscher Schrift - wohl der gleichen, die die Über- und Unterschrift ergänzte, also Varnhagens - mit den durchgehend richtigen Antworten überschrieben worden. Dabei wurde für Nr. 4 zunächst „Hochzeit" notiert, dann richtig in „Hochmuth" gebessert. Hs g enthält die Charaden Nr. 1-14, d.h. in der von Hs A bekannten Reihenfolge, aber mit einem Text, der mit DTb fast identisch ist - wo ja ebenfalls nur 14 Charaden überliefert sind. Der einzige Unterschied zwischen Hs g und DTb zeigt, daß der Text von Hs g älter und ursprünglicher sein muß: Zeile 1 der ersten Charade „Das Erste bringt das Herz" (DTb) - mit der geforderten Antwort „Brust" - ist unsinnig, sinnvoll dagegen ist „Das erste birgt das herz" (Hs g). „bringt" ist offenbar ein Schreib- oder Lesefehler bzw. ein Druckfehler (die Druckvorlage für DTb ist noch nicht gefunden). Eine Handschrift wie Hs g könnte folglich die Vorlage für den Druck, den DTb repräsentiert, gewesen sein. Das wäre dann der Fall, wenn die nachträgliche Einfügung „Halle 1807" in etwa Recht hätte. Dafür spräche das noch unverbesserte, selbstverständliche „bei uns am 31
Vgl. Stern: Sammlung S.720, wo „3 Blätter mit Charaden Schleiermachers", d.h. Hs g und Hs h, genannt sind.
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Editorischer und kommentierender Teil
markte" (nämlich in Halle) in Nr. 10. Auch Kühne spricht im ,Deutschen Taschenbuch' von „gesellschaftliche(n) Improvisationen aus dem Jahre 1807"32. So hätten wir hier eine - wenn auch nicht autographe - Quelle, die bis in Schleiermachers Hallenser Zeit zurückreicht 33 . Denkbar ist aber auch eine andere Erklärung: wir haben (analog zu Hs h) die Abschrift eines Druckes vor uns, nämlich des bisher unbekannten Taschenbuches, auf dem (mit dem Druckfehler) DTb fußt. Dieser Druck hätte dann - anders als DTb - keine Lösungen enthalten. Hs g hat das Format 8°. Sie befindet sich in der Biblioteka Jagielloñska der Uniwersytet Jagielloñski in Krakau.
Handschrift
h
Die Handschrift aus dem Nachlaß Varnhagens von Ense besteht aus zwei Blättern von unbekannter Hand, auf denen 9 numerierte Charaden zu lesen sind. Das erste Blatt ist mit „Charaden v. Friedr. Schleiermacher." überschrieben. Auf dem jeweils unteren Teil der Blätter sind von Varnhagens Hand Lösungen notiert. Es handelt sich um die Charaden 9, 2,17,13, 23, 24, 1, 7, 25. Das ist die Reihenfolge der ersten 9 Charaden im Musenalmanach für das Jahr 1830' (Mu), und in der Tat ist die Handschrift wortund satzzeichengleich - bis hin zu Apostrophierung und Sperrung - mit diesem Druck. Sie muß eine Abschrift von daher sein, d.h. sie ist textkritisch wertlos. Warum die Handschrift nach der 9. Charade abbricht, könnte daran liegen, daß Mu im Anschluß an diese recht lange Charaden bringt. Die angebotenen Lösungen sind, da Mu keine Auflösungen gibt, z.T. dort falsch, wo es kein Analogon in Hs g gibt (Nr. 23 „Wachslicht" statt „Wachsstock", Nr. 24 „Windbeutel" statt „Beutel"). Hs h hat das Format 8°. Sie befindet sich in der Biblioteka Jagielloñska der Uniwersytet Jagielloñski in Krakau.
Handschrift
i
Die Handschrift aus dem Nachlaß Varnhagens von Ense - in Sterns Verzeichnis nicht erwähnt - enthält drei Blätter von der Hand Varnhagens. 32 33
DTb S. 49f Zu Varnhagens Beziehungen zu Schleiermacher in dieser Zeit s. oben (Scherzgedicht auf V.)!
D i e Handschriften
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(Ihr Zusammenhang ist aus der Mikrokopie nicht zu erkennen.) Blatt I enthält die Überschrift „Silbenräthsel von Schleiermacher. / (Aus dem Stegreif.)". Es handelt sich um vier in 3 RCh aus der mündlichen Tradition gedruckte Charaden (Nr. 3, 4, 18, 10), z.T. mit leichten Varianten, jeweils mit der Lösung versehen. Auf die erste verzeichnete Charade ( = RCh Nr. 3): Vereint abscheulich, Getrennt mir heilig. Meineid. bezieht sich eine Notiz auf einem eigenen Blatt (vielleicht die Rückseite) unter der Überschrift „Schleiermacher": Sein Silbenräthsel: „Getrennt mir heilig, vereint abscheulich" - womit „Mein Eid" und „Meineid" angedeutet sind - wurde von jemand durch das Wort „Kinderfrau" gelöst, artig und spaßhaft!
Auch diese Lösung ist - in Klammern - im Verzeichnis der RCh erwähnt. Blatt II enthält unter der Überschrift „Silbenräthsel. / Von Schleiermacher." die in RCh als Nr. 1 der mündlichen Tradition geschöpfte Charade „Wir sind's gewiß in vielen Dingen", mit größeren Textvarianten. Diese Handschrift ist ein starker Beleg für die Authentizität der zitierten Charaden, was aber für die mündliche Überlieferung nicht insgesamt gelten muß. Für die in dieser Arbeit abgedruckte autographe bzw. autorisierte Überlieferung hat Hs i keine Bedeutung. Die Handschrift befindet sich in der Biblioteka Jagiellonska der Uniwersytet Jagielloñski in Krakau.
Handschrift
k
Die Handschrift aus dem Nachlaß Varnhagens von Ense - in Sterns Verzeichnis nicht erwähnt - besteht aus einem eng beschriebenen Blatt von der Hand Varnhagens. Am rechten oberen Rand steht - wohl als spätere Zufügung - die Jahreszahl 1806 mit Fragezeichen. Das Blatt enthält vier Epigramme Schleiermachers, und zwar die aus dem Gedichtheft bekannten Nummern 2, 3, 4 und 6, sowie zwei Übersetzungen aus der Anthologia Graeca, nämlich die Nummern 2 und 14, sämtlich jeweils mit „Fr. Schleiermacher" unterschrieben. Die einzelnen Texte haben vor der Überschrift eine Ziffer, beginnend mit 69, endend mit 74. Diese Bezifferung läßt darauf schließen, daß das Blatt Teil einer umfangreichen Sammlung von Epigrammen war, vielleicht für eine geplante Anthologie. Eine Erklärung ist mir nicht möglich.
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Editorischer und kommentierender Teil
Der Text der Handschrift entspricht in der Reihenfolge und in den (gegenüber dem Gedichtheft gelegentlich geänderten) Überschriften, ja bis in die Satzzeichen hinein dem Druck im ,Deutschen Taschenbuch auf das Jahr 1838', nicht aber im Umfang, denn die Handschrift schließt mit der Übersetzung aus der Anthologia Graeca „Von Meleager" (Nr. CXXI), während DTb lediglich die vorletzte Übertragung „Von Solon" (Nr. XVII) kennt. Hs k kann also keine Abschrift von DTb sein, sondern könnte wie DTb auf die noch unentdeckte Quelle zurückgehen, die folglich mindestens eine Übertragung aus der Anthologia Graeca mehr gehabt haben müßte, als aus DTb ersichtlich wäre. Möglich ist noch eine andere Erklärung: Wir haben hier Varnhagens Abschrift einer von Schleiermacher selbst hergestellten „Handschrift" aus dem Jahr 1812, die Värnhagen von Schleiermacher erbeten hat und erhielt 34 . Varnhagen spricht im Briefwechsel mit Rahel zunächst von „aus dem griechischen übersetzten Gedichte(n)", nach deren Erhalt von „Epigramme^)", was genau auf Hs k paßt 35 . Hs k befindet sich in der Biblioteka Jagielloñska der Uniwersytet Jagiellonski in Krakau.
34
Schleiermacher an Rahel, Br. v. 29. Jan. 1812 (ungedr., Varnhagen-Nachlaß). Varnhagens Br. ist nicht bekannt.
35
Br. an Rahel v. 24. Jan. und 7. Febr. 1812 (Briefwechsel II, S. 232, 242)
Die empfindsamen Gedichte aus der Zeit in Stolpe Zu den
Monologen
Das Sonett über die ,Monologen' sandte Schleiermacher am 10. August 1803 an Charlotte von Kathen, die Schwester seiner späteren Frau, die ihn um ein Exemplar der ,Monologen' gebeten hatte. Er schreibt ihr, daß sie ihn dadurch veranlaßt habe, sich selbst in diesem Spiegel zu betrachten. „Es war ein glücklicher Genius, der mich trieb mich selbst oder vielmehr mein Streben, das innerste Gesez meines Daseins so darzustellen" 1 . Die Entstehungs- und damit die Textgeschichte dieses Gedichts ist verwickelt. Die Fassung, die Schleiermacher Charlotte schickte, ist offenbar die letzte - d.h. die fünfte! Dennoch trägt bereits die erste Fassung die Überschrift ,An Charlotte Kathen. Mit den Monologen'. Den Schriftzügen und den verschiedenen Federn und Tinten nach möchte man zwar einige Zeit zwischen den Fassungen ansetzen, aber zuviel darf man angesichts dieser Tatsache daraus nicht schließen. Das gilt auch, wenn die Überschrift nachgetragen sein sollte. Die erste Fassung ist - als erstes Gedicht des Gedichtheftes - sauber eingetragen. Ob sie der erste Entwurf ist, muß dahingestellt bleiben. Die Verbesserungen im Text sind in ähnlicher Schrifttype, die Randnotizen mit spitzerer Feder geschrieben. Welche Fassung ist die frühere? Die Randnotizen zu V.7 - die mit anderer Tinte geschrieben sind - und V.ll scheinen mir ihre Priorität zu erweisen. Beide können nicht - V.ll schon der graphischen Stellung wegen nicht - nach dem interlinearen Text geschrieben sein. Hinzu kommt, daß nur bei einer Priorität der Randnotizen sich Schleiermacher gezwungen sah, zwischen den Text zu schreiben - und darauf zu verzichten, wo er die Randnotiz gut fand (Strophe I!). Die Neufassung in Hs A ist wiederum, fast ohne Verbesserungen, sauber und in einem Zug geschrieben. Sie benutzt häufiger die Textänderungen als die Randnotizen, auch ist sie mit derselben etwas breiteren 1
M I, S. 313 / Br. I, S. 377 (dort „meines Lebens"). Erwähnung dieses Tatbestandes auch M I, S. 311 (Br. an H. Herz v. 2. Aug. 1803) und MLA IX, S. 68f (Br. an Willich v. 10. Aug.); Erwähnung des Sonetts Br. I, S. 379 (Br. an Eleonore Grunow v. 20. Aug. 1803).
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Editorischer und kommentierender Teil
Feder geschrieben. Wir haben hier die letzte ausgefeilte Fassung vor uns. Der Begriff ,Endfassung' ist freilich nicht ganz korrekt, denn sie ist nicht identisch mit Hs E, diese aber scheint eine Abschrift von Hs A zu sein2. Daß Schleiermacher „seltne Höhen" (Hs A) in „reine Höhen" (Hs E) bessert, ist eher zu denken als der umgekehrte Vorgang. Dann erklären sich die übrigen Textänderungen als Lesefehler, soweit sie keine Besserungen sind3. Jedoch ist merkwürdig, daß die Änderungen in Hs A nicht vermerkt sind. Hs a ist, wie ich dargelegt habe, als ganze in der Überlieferung ziemlich rätselhaft. Die Frühfassungen kennt sie nicht, sie folgt - ohne Überschrift, mit orthographischen Besserungen und einem Schreibversehen - dem Text von Hs A, doch mit einer entscheidenden Ausnahme: sie schreibt „reine Höhen" (Vers 11)! Dabei kann sie keine Abschrift von Hs E sein, denn bei allen sonstigen Unterschieden zwischen Hs A und Hs E folgt sie Hs A. Andererseits kann diese wichtige Übereinstimmung kein Zufall sein. Ich vermag diesen Tatbestand nicht zu erklären. Bei einem klassischen Text würde man von einem ,Mischtext' sprechen. Die Endfassung ist zweimal gedruckt, einmal im Anschluß an den Brief Schleiermachers an Charlotte von Kathen in Br. I, S. 378, einmal in Diltheys ,Leben Schleiermachers' OS. 467 / 2S.511f / Ges. Sehr. XIII/1, S. 479). Beide Drucke gehen auf Hs E zurück. Sie sind textlich, aber nicht graphisch identisch; dabei scheint mir die Punktation der letzten Strophe zu erweisen, daß Dilthey seinen Text in der Biographie ohne erneute Einsicht in die Handschrift aus der Briefausgabe übernahm. An der See Im März 1803 hatte Eleonore Grunow, die unglücklich verheiratete Berliner Pfarrfrau, Schleiermacher mitgeteilt, daß sie bei ihrem Manne bleiben wolle. Der Schmerz über diesen Entschluß ist in allen Gedichten Schleiermachers zu finden, auch in diesem. Im Juli 1803 war Schleiermacher im Seebad Stolpemünde - ein Aufenthalt freilich, der ihm gesundheitlich nicht bekam 4 . Hier wird dieses Gedicht entstanden sein. Schleiermacher erwähnt es 1 1/2 Jahre später 5 . 2 3
4 5
Nach meiner textkritischen Regel drucke ich jedesmal Hs A ab. Und das ist „solche Bahn - solche Töne" (Hs E) gegenüber „diese Bahn - solche Töne" (Hs A) gewiß nicht! Über die anderen Stellen kann man streiten. Siehe den Br. an H. Herz v. 26. Juli 1803 (M I, S. 308) ; auch den vom 9. Juli (Br. I, S. 372) ! Br. v. 11. Nov. 1804 an Reimer: „Wie Du zu dem Lied am Meere gekommen bist, begreife ich nicht; ich wüßte gar nicht es bei mir gehabt zu haben. Es muß wohl von Jette (i. e. H. Herz) herrühren" (Br. IV, S. 106).
Die empfindsamen Gedichte
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Die Niederschrift ist in einem Zuge geschehen, zusammen mit den folgenden Gedichten. Es wird sich darum um eine Abschrift handeln, worauf auch der Mangel an Verbesserungen hinweist. - Dilthey (Leben Schleiermachers, !S.295 / 2S. 329f / Ges. Sehr. XIII/1, S.310f.) druckt nur die ersten drei Strophen ab.
Klage Es gilt das soeben Gesagte. Das Gedicht ist offenbar zugleich mit dem ,An der See' in die Handschrift eingetragen. Entstanden ist es ebenfalls im Sommer 1803. Von der Todesgewißheit und -sehnsucht reden die Briefe jener Zeit häufig 6 .
Der Verlassene Das Gedicht ist wie die anderen, mit denen es zusammen steht, im Sommer 1803 entstanden. Es ist in Hs A in einem Zug und ohne Verbesserungen geschrieben, also wohl nicht der erste Entwurf. Die zweite Fassung (Hs H) befindet sich bei den Abschriften der Henriette Herz. Sie hat dort keine Überschrift, sondern lediglich die Angabe „Stolpe im Juni 1804". Es ist möglich, daß hier ein Schreibversehen vorliegt, d.h. daß der Juni 1803 gemeint ist. Es ist nicht recht einzusehen, warum Schleiermacher das Gedicht seiner Freundin erst ein Jahr später gesandt haben soll. Auch würde man dann erwarten, daß er die Änderungen in das Gedichtheft eingetragen hätte, denn im Juni 1804 bestand dieses Heft längst, im Juni 1803 aber noch nicht. Bei der Anlage des Heftes hätte, so muß man es sich also denken, Schleiermacher die Fassung des Briefes an H. Herz nicht mehr besessen. Doch die methodische Sauberkeit verlangt Skepsis gegenüber Änderungen am überlieferten Text. Überzeugend kann man die Angabe des Briefes nicht hinwegdisputieren. Die Datierung auf 1803 bleibt nur eine Vermutung. Ist die Datierung auf den Juni 1804 richtig, so muß der Brief 6
Vgl. den Br. an H. Herz v. 9. Juli 1803: „Bist Du böse, daß ich mit Vergnügen an die Schwindsucht denke" (M I, S. 308 / Br. I, S. 372). Vgl. MLA IX, S. 68 (15. Juni); Br. I, S. 374 / M I, S. 309 (30. Juli); M I , S. 325 / Br. I, S. 386 (7. Dez.). Siehe auch H. Herz' sorgenvolle Briefe an Willich (Schi, und seine Lieben S. 61ff: 6. Aug., 21. Dez. 1803)!
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Editorischer und kommentierender Teil
in der ersten Juniwoche geschrieben sein, denn zwischen dem 5. und 7. Juni trat Schleiermacher eine längere Reise nach Rügen an7. Welche Fassung ist die ältere? Ich sehe nicht, wie das rein von den Texten her entschieden werden soll. Die Randfassung von Hs A findet sich in Hs H nicht, erlaubt also keinen Schluß. Die Unterschiede sind durchweg gleichrangig und verraten nicht, welcher Entwurf der ältere ist. Das Gedicht ist nicht primär autobiographisch - Schleiermachers Mutter war vor vielen Jahren gestorben, eine Tochter hatte er damals natürlich auch nicht - , die Präzisierung „Sohn" (Hs H) statt „Kindlein" besagt also nichts. Auch die Rede von der verlorenen „Braut" ist zu allgemein, um eine definitive Entscheidung zu erlauben. In zwei Fällen (V.4 und 9) ist in Hs H der Rhythmus gestört, gewiß ohne Absicht - hier könnte wieder ein Schreibversehen vorliegen. In Diltheys Abdruck (Leben Schleiermachers 'S. 294 / 2S. 328f) sind zwei Zeilen der letzten Strophe nach Hs H gegeben 8 .
Nach dem
Italiänischen
Die Überschrift gibt wohl keinen Hinweis auf eine Quelle, sondern auf die Form dieses Gedichtes: es ist ein Madrigal. Aus dem gleichen formalen Grund hat etwa auch Goethes frühes Gedicht ,Das Schreien' den Untertitel ,Nach dem Italiänischen' 9 . Schleiermachers Kenntnis der italienischen Sprache ist bezeugt 10 . Die italienische Dichtung stand schon seit geraumer Zeit neben der spanischen und portugiesischen im Kreise um die Brüder Schlegel in hohem Ansehen und regte zur Nachahmung an, wie die vielen Stanzen und Sonette beweisen, etwa die Sonette ,Die Italiänischen Dichter' von A. W. Schlegel11. 7
s. M L A I X , S. 88 und die Angaben bei der Diskussion der Hs H! Leben Schleiermachers S. 294 / 2 S. 328 Anm. (Ges. Sehr. XIII/1, S. 110 nach Hs A geändert) 9 Hamburger Ausgabe Bd. I, S. 18 10 Nach Br. I, S. 174 (Br. an Charlotte Schleiermacher v. 23. Mai 1798) hat S. von Henriette Herz italienisch gelernt. In der Rezensentenliste der JALZ aus dem Jahr 1804, in der „Hr. Hofprediger Schleiermacher" aus „Stolpe in Pommern" die Nr. 177 trägt, steht in der Rubrik „Wissenschaft" unter anderem „ ( . . . ) schöne Künste, fr. engl, ital." (Bulling, 1962, S. 350), vielleicht aufgrund einer Selbstangabe Schleiermachers, wahrscheinlicher aber auf Angabe von A. W. Schlegel, der S. für die JALZ warb. " Schlegel: Gedichte S. 170ff. Siehe Fr. Schlegel an Schleiermacher, Br. v. 21. März 1800: „ ( . . . ) wir ( . . . ) dichten in italiänischen und spanischen Weisen" (Br. III, S. 161). 8
Die empfindsamen Gedichte
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Schleiermacher kannte diese Versuche alle, die ,Italiänischen Dichter' schon vor dem Druck 12 . Er studierte sie „mit großem Eifer und Lust"13. So kann man wohl mit Fug annehmen, daß er sich auch zu seinem eigenen Gedicht von ihnen anregen ließ. Möglicherweise ist sein Gedicht nach dem 26. Oktober 1803 entstanden, so daß es auf die Lektüre der eben erschienenen ,Blumensträusse italiänischer, spanischer und portugiesischer Poesie' unmittelbar zurückginge14. Dort hatte A. W. Schlegel mehrere Madrigale von Giovanni Battista Guarini und Torquato Tasso übersetzt. Die einleitende „Zueignung" pries Schleiermacher als eine „schöne Composition recht im Geiste der italienischen Schule"15. Dieser „Schule" wollte er wohl auch nacheifern. Daß Hs a ohne Überschrift überliefert, gehört zu ihren Unerklärlichkeiten.
Am 21. November Dieses Sonett ist ein elegischer Rückblick auf das vergangene Jahr. Der 21. November ist Schleiermachers Geburtstag. Er schreibt am 21. November 1803 an Henriette Herz von dem Gefühl seines traurigen Zustandes: „Das unglücklichste Jahr meines Lebens habe ich beendigt; aber was können alle künftigen sein als nur Fortsetzungen von diesem (.. .)"16. Und Charlotte von Kathen bekennt er am 26.: „Es sind Zeiten [i.e. die Winterszeit], wo die wehmütigsten Erinnerungen sich mir aufdrängen ( . . . ) Wenn ich an die denke, die aller dieser Tröstungen entbehrt und sich selbst und alles eben so sehr verloren hat als mich, so möchte ich vor Wehmuth vergehen" 17 . Der Inhalt dieser Briefe und der Inhalt des Gedichtes bekunden den Schmerz um den Verlust Eleonore Grunows. Kein Zweifel, daß das Sonett an diesem 21. November 1803 entstanden ist. 12
Aus Notizen auf Abschriften, die sich im Schleiermacher-Nachlaß befinden, geht hervor, daß sie in die vorletzte Nummer des ,Athenaeums' sollten, nämlich vor den Aufsatz Hülsens; desgl. die Sonette ,Sinnbilder', ,Ewige Jugend', ,Meine Wahl', ,An Schelling' (alle in den ,Gedichten' gedruckt).
13
Br. an A. W. Schlegel v. 27. Mai 1800 (EK S. 743, zu den ,Gedichten'), s. auch an Brinckmann, Br. v. 22. April (Br. IV, S. 64f).
14
Schleiermacher besaß sie am 26. Okt. 1803 (Br. an Reimer, Br. III, S. 368f). Br. III, S. 369. Schleiermacher kann diesem Brief nach die Nachdichtungen des Guarini „mit dem Original ( . . . ) vergleichen"; eine direkte Anregung hat sich in den Gedichten Guarinis aber nicht finden lassen. (Rauch: Tabulae enthält keinen Hinweis darauf, daß S. eine Ausgabe des Guarini besaß.) M I, S. 321 / Br. I, S. 382 M I , S. 324f/Br. I, S. 385. Vgl. auch den Br. v. 26. Nov. 1803 an Willich (ML A I X , S. 74).
15
16 17
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Elegie Konnten wir bei dem Monologen-Gedicht fünf Fassungen herausfinden, so hat dieses Gedicht nicht weniger als acht! Bei keinem anderen Gedicht Schleiermachers können wir darum so deutlich das Werden verfolgen, vor allem, da wir die Prosanotizen besitzen, die die Idee vor der Ausführung skizzieren. Das Elegie-Fragment steht auf der vorletzten Seite von Hs C. Damit ist es in den Herbst des Jahres 1803 zu datieren. Zwei Fragmente vor ihm steht der wichtige Plan: „Visionen kosmisch in Hexametern, Satyren eben so [,] ethisch. Beides vielleicht für die Europa" (Fragment 192)18. Es folgen bald danach Notizen zu einer Rezension von Schellings Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums' von 1803. Die drei ersten Hefte der Zeitschrift ,Europa' erschienen 1803, die Rezension am 21. April 1804 in der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung19. Durch diese Eingrenzung ist es möglich, die Bemerkung eines Briefes auf den vorliegenden Text zu beziehen. Schleiermacher schreibt am 27. September 1803 an Henriette Herz nach einer Reise: ( . . . ) am lezten Nachmittag in Marienfeld konnte ich wirklich einige Gedanken haben und auch einige Distichen zu einer Elegie machen. Zu vier Elegien habe ich doch den Plan gemacht, die gewiß sehr gut würden und von großem Effect, wenn ich sie so machen könnte, wie ich sie mir denke 20 .
Offenbar sind hier die erste Fassung der ,Elegie' gemeint und die Prosanotizen über weitere Pläne. Die Textgeschichte lehrt, die einzelnen Schritte der Entwicklung der Gedanken zu erkennen. Die erste Ausführung des Plans „Visionen kosmisch in Hexametern" ist der Vierzeiler, aus dem Schleiermacher die anderen langen Fassungen entwickeln wird. Eine geplante Umstellung der Zeilen zwingt zu der ersten Textänderung. Diese Änderung ist mit derselben etwas dunkleren Tinte vorgenommen worden, mit der auch die folgenden Prosanotizen geschrieben sind. Wir haben hier also das zweite Stadium vor uns. Die von mir ,Prosa-Fortsetzung' genannte Fassung in bereits rhythmisch gegliederter Sprache - die Verse 2 und 3 bilden ein Distichon - hat 18 19
20
Hs C S. 26 (Denkmale S. 144) Abdruck Br. IV, S. 579-593. Nach Bulling (1962) ging die Rezension am 22. März 1804 bei der Redaktion der Jen. ALZ ein. - Für die ,Europa' hat Schleiermacher keine Beiträge geliefert. Br. I, S. 380
Die empfindsamen Gedichte
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Schleiermacher später nicht ausgeführt. Sie ist in der Handschrift noch nicht nach Zeilen abgesetzt. In der Handschrift folgt jetzt - wie auch sonst zwischen den Fragmenten - ein Strich, der jedoch nur eine graphische, keine zeitliche Trennung bedeutet. Die von Schleiermacher in dem Brief an H. Herz angekündigten Pläne zu vier Elegien schließen dieses Stadium ab. Sie lauten: Eine zweite Elegie könnte sein die Sehnsucht nach ihrem Tode; eine dritte die Klage über die zertrümmerte Welt. (Hs C S. 27; Dr: Denkmale 145)
Die mit „Satyren eben so ethisch" angekündigte Elegie hat folgenden Plan: Eine Satyre [auf] die Leser. Anfangend von den Romanenlesern, aber die Leser der Wissenschaft und der Kunst sind eben so. Sie haben kein Ideal, sie suchen keine Welt, sie erkennen kein Gemüth: sie fassen nur Bilder oder suchen sich selbst. (Hs C ebd; Dr: - )
Die nächsten Stadien werden durch die Randfassungen gekennzeichnet. Diese Fassungen müssen nach den Prosa-Plänen geschrieben sein, denn sie richten sich im Platz nach diesen. Hier stellen sich die Verse 1-7 als der erste Schritt dar - vielleicht auch nur V. 1-6, wo der spätere Abschluß erreicht ist. V. 7 führt in die Thematik der ,Prosa-Fortsetzung' und wird später nicht wieder aufgenommen. Die Verse 3 und 8 sind durch ein + miteinander verbunden, die Zeilen 8-14 bringen eine Neufassung von V. 4-6. Nach einer kleinen Lücke folgt nun der nächste Schritt: ein ganz neuer Beginn mit den Versen 15-17. Sie gleichen V. 1-3 der ursprünglichen letzten Fassung, wir befinden uns damit in den von mir ,Letzte Fassungen' genannten Stadien. Daß Schleiermacher bei der letzten Randfassung mitten im Satz abbricht und die Zeilen in seiner Neufassung - nun wieder in der Textspalte - wörtlich wiederholt, zeigt, daß diese unmittelbar nach jener geschrieben sein muß. Doch auch diese, alle bisherigen Entwürfe verwertende Neufassung genügte Schleiermacher noch nicht. Der nächste Schritt ist gekennzeichnet durch Verbesserungen im Text und durch eine Neufassung der Verse 1-4 am Rand. Der letzte Schritt schließlich verrät sich durch die schwarze Tinte - mit der die Fragmente 195ff geschrieben sind - : es handelt sich um die Verbesserung in V. 6 und die Aufnahme eines neuen Gedankens zwischen V. 6 und 7 am Rand, der vielleicht den Beginn der Fortsetzung bildet. Die Texte sind weithin nur per analogiam zu entziffern. - Dilthey druckt die Fassung der Textspalte, dabei V. 1-4 nach der Randfassung, V. 14 mit Konjektur.
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Logogryph Der Gattung nach gehörte der Logogryph eher zu den Charaden, der poetischen Form und dem geistigen Gehalt nach aber hierher ans Ende der ,empfindsamen Gedichte'. Das Rätsel ist wie alle anderen Gedichte in Hs A 1803 entstanden. Schleiermacher sandte es in einem (verlorenen) Brief Mitte September an A. W. Schlegel, zusammen mit Übersetzungen griechischer Epigramme. Schlegel antwortete unverzüglich. Im Postskript heißt es: Das Logogryph ist allerdings in sehr guten Stanzen geschrieben, wie können Sie daran nur zweifeln ? ( . .·) Ich finde in Ihrem Räthsel nur zu wenig logogryphisches und dieses zu unbestimmt, doch hat es einer von unsern Freunden gerathen21.
Die Auflösung ist Glaube - Laube. Es lassen sich drei Stadien der Textentwicklung feststellen. Zu fragen ist, ob die Verbesserungen im Text oder die Randverbesserungen früher sind. Zu vermuten ist, daß wie bisher die Randfassung die ältere ist, da nur dann Schleiermacher gezwungen war, zwischen den Text zu schreiben. Das ist nicht völlig überzeugend zu begründen, ist aber wahrscheinlich. Entscheiden müssen die Verse 11-14, die in dreifacher Fassung vorliegen. V. 11 „schönste Wahrheit" (Rand) scheint älter zu sein als „ewge Wahrheit" (interlinearer Text). Noch deutlicher sind V. 12f. Im Urtext stand: „Dich heiligen der heiligen [i.e. Heiligen] Gesichte Ziehn Dir die Welt zum Ideal hinauf". R behält die „heiligen Gesichte" (heiligen = Adjektiv!): „Belebend ziehn die heiligen Gesichte Den trunknen Blik zum Ideal hinauf". Τ schließlich nimmt den „trunknen Blik" auf, schafft aber einen neuen Reim auf „Geschichte": „So richtet sich [,] verklärend die Geschichte [,] Der trunkne Blik zum Ideal hinauf". Daß der interlineare Text vor der Randfassung entstanden sein soll, ist danach kaum möglich. Welche Fassung Schleiermacher an Schlegel geschickt hat, läßt sich nicht mehr feststellen. V. 21 hat sich der Dichter im Reim versehen: statt „Wonnen" sollte wohl das übliche „Bronnen" stehen. Der Reim „gewonnen" (V. 19) dürfte den Schreibfehler hervorgerufen haben. Hs e bildete die Druckvorlage für Br. III, S. 366 Anm., denn sie enthält die dortige handschriftliche Anmerkung Diltheys22.
21
22
Br. v. 26. Sept. 1803 (Br. III, S. 366f). Aus dem Druck geht nicht hervor, daß es sich um ein Postskriptum handelt. Siehe die Beschreibung der Hs e!
Die Epigramme Die Epigramme Schleiermachers befinden sich in den Handschriften A, B, C und D sowie in den Abschriften a und d, drei Epigramme unabhängig davon in Hs H und Hs b, vier in Hs k. Hs A hat, wie sich zeigt, jeweils die späteste Textfassung. Dilthey druckt nach verschiedenen Handschriften, die ich stets unter dem Text angebe. Das ,Deutsche Taschenbuch auf das Jahr 1838' (= DTb) (und dessen unbekannte Quelle) 1 drucken nach Hs A, und zwar - bei teilweise geänderter Überschrift - die Epigramme ,Erfahrung', ,Verständniß', ,Bescheidene Bitte', ,Kunst und Liebe'. Diese Drucke hat Schleiermacher offenbar selbst veranstaltet, sie gelten also als autorisiert. Auffällig sind die Auslassungen: ,Lebensüberdruß', »Bedingung', ,Trauer und Wehmuth'. Datierung: Die Sprüche stehen in den Fragmentenheften zumeist am Rande, aber nicht immer (s. Nr. 1-4,11 Hs C!), zuweilen stehen Randfassung und Textfassung so dicht nebeneinander (Nr.2!), daß sie kurz hintereinander entstanden sein müssen. Die Epigramme sind im einzelnen nicht zu datieren, zumal die Randfassungen nicht, es können nur allgemeine Schlüsse aus der Datierung der Handschriften gezogen werden. Der Inhalt der fast stets vorhergehenden Prosafassungen weist mehrmals auf die ,Monologen' hin, also den Jahreswechsel 1799/1800. Hs C beginnt 18012; die Epigramme stehen auf Seite 24, was für 1802/1803 spricht. In einem Brief vom 21. Juni 1803 an Henriette Herz schreibt Schleiermacher: Heute und gestern habe ich überhaupt viel in Papieren gelebt und habe daraus einige Distichen gemacht, die ich Dir beilege. Wenn Du es der Mühe werth hälst, so gieb sie doch gelegentlich Brinckmann, er möchte sie corrigiren. Du wirst auch aus diesen sehen, daß ich wol heitre Worte reden kann3. 1
Kühne: Fr. Schleiermacher. Ein Lebensbild S. 49 (unverändert in ders., 1843, S. 32) gibt seine Quelle nur ungenau an: „Die beifolgenden Epigramme standen vor dreißig Jahren in einem Almanach". Den betreffenden Almanach habe ich (bei einem guten Hundert eingesehenen) nicht gefunden. - Hierher gehört auch Hs k, die bei den Epigrammen mit DTb übereinstimmt.
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Siehe die Beschreibung der Hs! Br. I, S. 369/M I, S. 305f. Brinckmann muß als fruchtbarer Epigrammatiker gelten. HaugWeisser drucken in ihrer Epigrammatischen Anthologie' nicht weniger als 166 Epi-
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Editorischer und kommentierender Teil
Möglicherweise sind an diesen beiden Tagen die meisten - oder gar alle? Epigramme entstanden, ich vermute zumindest die von Hs C S. 24. Sicher ist auf jeden Fall, daß die Abschriften in Hs A nach dem 17. Juli 1803 vorgenommen wurden, da Schleiermacher einen Vorschlag Spaldings4 in den Spaltentext übernommen hat (,Kunst und Liebe'). Bei der Textedition ist zu beachten, daß bei paralleler Überlieferung in verschiedenen Autorhandschriften die Überschriften alle aus Hs A stammen und in den übrigen Handschriften noch fehlen. Bei den Epigrammen ohne Überschrift in den Handschriften füge ich in Klammern eine hinzu.
Lebensüberdruß Die Fassung von Hs A ist offensichtlich jünger als die von Hs C. Sie übernimmt in freier Abwandlung zwei Vorschläge der dortigen Randfasssung. Der letzte Vers bleibt unverändert. Klanglich-rhythmisch ist der letzte Wurf gelungener als die vorherigen, aber er bezahlt es mit größerer Un Verständlichkeit. Wie stets in Hs C, geht der Versifikation ein Prosafragment voraus. Es lautet: Thränen s[in]d das Salz des Lebens weñ es aber versalzen ist bleibt [ei]n5 unauslöschlic h e r Durst zurük (Hs C S. 24, Nr. 167; Dr: Denkm. S. 141)
Unmittelbar unter dieser Prosafassung steht die Erstfassung. Sie hält sich noch deutlich an den prosaischen Text und ist gut verständlich. Die Änderungen im Text sind rhythmische Besserungen. Die Vorschläge des Randes schlagen die Brücke zur Schlußfassung, die ohne Kenntnis dieses Weges kaum verständlich wäre. Merkwürdig ist die Fassung dieses Epigramms, die Spalding in seinem Brief vom 17. Juli 1803 erwähnt 6 . Er schreibt: „Folgender Vers Ohne der Wehmuth Schmerz / ünd Thränen / der Liebe / verschmähte hat die Krank-
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gramme B. s (aus den ,Gedichten von Selmar' 1789 und den ,Gedichten' von 1804) nach (Th. VII, S. 155-230). Siehe den Br. Spaldings v. 17. Juli 1803 (teilweise veröffentlicht Br. III, S. 352-355, die Zitate alle handschriftlich). Vgl. den Br. v. 26. Juli 1803 an H. Herz: „ ( . . . ) Spalding ( . . . ) , der auch die Distichen bekommen hat" (M I, S. 309). Kürzel Teilweise veröffentlicht Br. III, S. 352-355. Die Zitate alle handschriftlich und orthographietreu. Zu Spaldings Kennerschaft s. seinen eigenen ,Versuch didaktischer Gedichte' (1804) und seine Epigramme bei Haug-Weisser: Anthologie VIII, S. 181-184!
Die Epigramme
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heit (die sogenannte englische) der Amfibrachen". Spalding schlägt, mit der vossischen Begründung „Wenig behagen dem Ohre die Verse mit schwachem Gehüpfe", folgende Fassung vor: „Ohne der Wehmut Schmerz, und der Zärtlichkeit Thränen, verschmähte". Da nicht anzunehmen ist, daß Spalding falsch zitiert, hat Schleiermacher ihm eine andere Fassung als die uns überlieferte mit der Bitte um Rat geschickt. Zu vermuten ist, daß diese „amfibrachische" Fassung die ältere ist, denn die Änderung in „die liebenden Thränen" - die das Textverständnis erschwert - ist nur aus metrischen Gründen erklärbar. Den Vorschlag Spaldings hat Schleiermacher dann als Möglichkeit an den Rand geschrieben, unter Angabe der Herkunft. Damit ist bewiesen, daß Schleiermacher erst nach dem Empfang dieses Briefes das Gedichtheft angelegt hat. Auch den letzten Vers bespricht Spalding: „Dursts ist eine schrekliche Silbe, und wird durch Aufstellung von dergleichen ungefähr das Verbrechen der Söhne Lots begangen ( . . . ) Nimmer des Durstes erquikt mag wol durch den argen Vossismus nicht einmal viel gewinnen. Unauslöschlichen ist das Wort, das durch Ton und Sinn unabänderlich dahin gehört; und also tröste man sich über rsts durch den folgenden Vokal, welcher in solchen Fällen ein großer Trost ist". Schleiermacher hat den Text deshalb unverändert gelassen, Spaldings Erwägung aber am Rande vermerkt. Das Gedicht beinhaltet die Abgrenzung eines „kräftigen Geistes" gegen eine allzu sentimentale Pflege der ihm und seinen Freunden (und Freundinnen!) so wichtigen „Wehmuth" - jedenfalls (wenn man so weit deuten darf) sofern sie nicht „heilig" und d.h. zugleich religiös ist7. Die Spitze gegen den Gefühlskult der Empfindsamkeit ist m. E. unverkennbar. Erfahrung Dieses Epigramm ist in drei Fassungen überliefert. Die älteste Form ist die Randfassung von Hs C. Sie steht neben folgendem Prosafragment: D e m entflohnen Glük muß man nicht nachsehn es ist hinten mißgestaltet, und wenn es das Gesicht wendete würdest D u eine Furie zu erbliken glauben. ( H s C S. 2 4 Nr. 165; Hs d. D r : Denkm. S. 141)
Das Distichon in der älteren Fassung ist diesem Text ganz nachgebildet. Drei Nummern nach der Prosafassung, im Text, nicht am Rand, steht die 7
Vgl. die schöne Arbeit von Unger (1940), der bereits dieses Epigramm bei seiner Untersuchung angeführt hat (S. 401 A n m . 102).
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zweite Fassung von Hs C. Sie gleicht nahezu der Schlußfassung in Hs A. Daß die Fassungen in Hs C so dicht hintereinander stehen und daß die zweite Form in die Textspalte der Seite geschrieben ist, beweist, daß sie in zeitlicher Nähe entstanden sind. In Hs A ist eher „ihr" zu lesen, aber zur Not kann das Wort auch „ihm" heißen, und die von Schleiermacher autorisierte Druckfassung entscheidet für diese Lesung. Spalding erwähnt in seinem Briefe vom 17. Juli 18038 auch dieses Epigramm: „Die Lesung aus der Gorgo adoptire ich". Und er schreibt weiter: „ich wolte wol ra then: versteinende, nicht versteinernde". Spalding muß also eine Fassung wie die zweite aus Hs C vorgelegen haben, wo vielleicht „versteinernde" zu lesen ist. Da Hs A „versteinende" liest, wie Spalding vorschlägt, ist Schleiermacher ihm also gefolgt - ohne wie sonst die Herkunft anzugeben. Diese Beobachtung erweist weiter, daß das Gedichtheft erst nach Erhalt dieses Briefes angelegt sein kann. Das Distichon nimmt ein Bild aus der griechischen Mythologie auf. Die Gorgo ist ein weibliches Ungeheuer mit einem grauenvollen Haupt. Ihr Blick hat versteinende Kraft 9 . Der Text von Hs A steht in DTb auf S. 50 unter der gleichen Überschrift. Verständniß Dieses Epigramm zeigt in seinen Verbesserungen deutlich, wie Schleiermacher um den dichterischen Ausdruck ringt. Die Fassung aus Hs C ist wie stets die ältere. Sie hat keine Prosafassung als Vorstufe, sondern ist gleich in Hexametern niedergeschrieben. Vermutlich ist der Spruch ein Angriff auf Fichte. Der Text steht in DTb auf S. 50 unter der Überschrift „Verständigung" (so auch Hs k!). Bescheidene
Bitte
Die Fassung der Hs A setzt die der Hs C voraus, bringt aber eine deutliche Änderung: statt des „Dialogs" von Hinz und Kunz redet nur noch eine Person. Nach Spaldings Brief 10 hatte diese Form die Überschrift „Fichti8 9 10
s. Anm. 6 RE XIV, Sp. 1635.1638f (Art. Gorgo) s. Anm. 6
Die Epigramme
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sehe Wissenschaftslehre". Das Epigramm ist also gegen Fichtes Überzeugung gerichtet, daß er den Weg entdeckt habe, „auf welchem die Philosophie sich zum Range einer evidenten Wissenschaft erheben muß" 11 , von welcher souveränen Warte aus er dann die Unverständigen und Kritiker scharf tadeln konnte 12 . Ich vermute, daß Schleiermachers Epigramm direkt bezogen ist auf Fichtes Schrift von 1801 ,Sonnenklarer Bericht an das größere Publikum über das eigentliche Wesen der neuesten Philosophie. Ein Versuch, die Leser zum Verstehen zu zwingen'13. Bei der Ausarbeitung dieses Xenions scheint Schleiermacher auf den Gedanken gekommen zu sein, eine „Komödie auf Fichte" zu planen, „die aber schwerlich fertig und gewiß nie gedruckt werden wird"14. Daß diese Ausrichtung auf Fichte nicht ursprünglich ist, zeigen die Prosafassungen, die sich in allen drei frühen Tagebüchern finden 15 : So wie Viele sagen: „das verstehe ich nicht, also taugt es nicht": so sagen andere: „der versteht mich nicht, also taugt er nicht": Was ist wol anmaßender? (Hs Β Nr. 4; Dr: Denkmale S. 92 und Anm. 3 / KGA1/2, S. 119)
Die beiden Fassungen von Hs C, wo dieser Text fehlt, stehen der Prosa so nahe, daß sie im Anschluß an sie gedichtet sein müssen. Zwischen Hs C und Hs A muß es eine der Hs A ähnliche Fassung gegeben haben. Spalding schreibt nämlich in dem erwähnten Briefe: „Die erste Zeile der Fichtischen Wissenschaftslehre würde ich so skandiren: Schweiget und hört! Glaubt mir, daß nichts, wer mich nicht versteht, taugt;" 16 . Die Zeile kann keine Verbesserung von Hs C sein, ist gegenüber Hs A aber eine Verschlechterung, da sie keinen sauberen Hexameter bildet. Mit recht, wenn auch unbewußt, zitiert Schleiermacher Spaldings Vorschlag am Rand des Gedichtsheftes fälschlich mit „tauge" statt „taugt" und stellt so einen Hexameter her. Die Lesung „bleibe" (V. 4) statt „bliebe" (Dilthey) entscheide ich nach DTb; in der Handschrift steht kein i-Punkt, so daß auch Diltheys Lesung möglich ist. Der Text steht DTb S. 50 unter der gleichen Überschrift. 11 12
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Vorrede zur ,Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre' (1794) (PhB Bd. 246, S. 6) Vgl. auch die , Vorerinnerung' der ,Ersten Einleitung in die Wissenschaftslehre' von 1797 (PhB 239, S. 5ff). Berlin 1801 (PhB 129, S. 547-644) Br. an H. Herz v. 21. Juni 1803 (Br. I, S. 370 / M I, S. 306f) Dilthey bezeichnet die Tagebücher mit Α , Β und C (s. Denkmale S. 88f); Diltheys Hs C, die einige Gedichte enthält, trägt bei mir den Namen Hs Β ( = KGA 1/2: Gedanken III). hsl., s. Anm. 6
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Bedingung Die Prosafassung dieses Distichons findet sich in Hs B ; sie lautet: Selbstanschauung und Anschauung des Universums sind Wechselbegriffe; darum ist jede Reflexion unendlich (Hs Β S. 6, Nr. 3 4 ; D r : Denkmale S. 118 / K G A 1 / 2 , S. 127)
Der Zusammenhang der Fragmente spricht für die Zeit der Entstehung der ,Monologen' 17 , der Gehalt dieses Satzes gehört ganz den ,Reden' an und ist echt romantisch. E r wird darum häufig zitiert. Die Fassungen entsprechen sich fast völlig.
Kunst und Liebe Dieses Gedicht hat keine Vorform in den Fragmentenheften. Spalding muß es in einer etwas früheren Fassung gekannt haben, denn er schreibt: „Das Hemistichion verlangt mein Gefühl so: Liebst denn bildend nicht du (. . . ) Der Hexameter würde so mir genügen: Dir ist das Höchste die Kunst, dem heisst der Gipfel die Liebe" 1 8 . Den zweiten Vorschlag hat Schleiermacher in seinen Text aufgenommen, um das doppelte ,Höchste' und die gerügte zweifache Skansion auf -st zu vermeiden, den ersten hat er mit ,Sp.' am Rand vermerkt. Die Abschrift der Hs a kontaminiert Text und Randfassungen. Die Druckfassung übernimmt in V. 2 und 3 die Randvorschläge, mit einer leichten Besserung. Sie steht in DTb S. 50f unter der Überschrift „Das Höchste" (so auch Hs k).
Trauer und Wehmuth Die Textformen sind in Hs D älter als in Hs A. Die älteste Fassung ist das fünfzeilige Fragment, das neben dem Prosatext steht. Die fünfte Zeile ist von mir nur unzureichend entziffert. Der Prosatext lautet: Die Wehmuth entsteht aus der Elementaranschauung der sittlichen Welt wie sie ist, in sich. Sie ist einTheil des praktischen Spinozismus. Nur ein Ironist kann sie haben. (Hs D Bl. II Vorderseite Nr.9; Dr: Denkmale S. 114) 17
s. Denkmale S. 117f.
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hsl., s. A n m . 6. In dem gedruckten Textstück Br. III, S . 3 5 3 protestiert Spalding gegen den Inhalt von V. 4.
Die Epigramme
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Nach Niederschrift des ersten Epigrammentwurfes, in gleichen Schriftzügen wie dieser, fügte Schleiermacher dem Prosatext einen Satz hinzu: Kanst du dich nicht in fremde Natur mitlebend einsenken (?) 19 .
Kaum noch zu entziffern ist die Textfassung, die auf derselben Seite ganz oben am Rand steht. Die Stellung zeigt, daß sie jünger ist als die am korrekten Platz stehende Fassung. Der Text kommt dem der Hs A nahe. Wir haben in diesem Gedicht die Merkmale der „heiligen Wehmuth", deren geistesgeschichtlichen Raum Unger beschrieben hat 20 . „Jede Freude und jeder Schmerz, jede Liebe und jede Furcht" begleitet nach Schleiermachers Worten diese heilige Wehmut, „ja in seinem (i.e. des Christen) Stolz wie in seiner Demuth ist sie der Grundton auf den sich Alles bezieht" 21 . Die „Elementaranschauung der sittlichen Welt wie sie ist" nämlich als vergängliche, flüchtige, unreine - gebiert „Trauer und Wehmuth", Liebe und Mitgefühl mit dem Mittrauernden, „ungekünstelte Demuth" des Sterblichen angesichts des Universums, des Ewigen und Unsichtbaren 22 , und den Wunsch, „uns mit allem was uns angehört in jenes heilige Gebiet zu retten, wo allein Sicherheit ist gegen den Tod und Zerstörung" 23 . Schleiermacher, dem „alle diese Gefühle ( . . . ) Religion" sind24, spricht in seinen ,Reden' die Gemeinde der auf diese Weise Wehmütigen an, selber „mitfühlenden Sinn(es) harrend und Schmerzenerfüllt". Unschuld und Weisheit Beide Fassungen - die Schleiermacher nicht in Hs A aufgenommen hat stehen unmittelbar untereinander und sind der Tinte nach auch wohl zusammen entstanden. Sie stehen am Rande folgenden Prosatextes: Unschuld ist das Unbewußtseyn der Wechselwirkung des animalis[ch]en und moralischen[.] Man kehrt wieder zu derselben zurük indem man diese Wechselwirkung vernichtet. (Hs D Bl. II Vorderseite Nr.10; Dr: Denkmale S. 114) 19
Dieser Zusatz muß nach dem Epigramm geschrieben sein, da das letzte Wort diesem ausweicht (fehlt Denkmale).
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Unger (1940); daselbst S. 367 das Gedicht (mit der falschen Überschrift Diltheys), S. 365 das Fragment. Darin, daß Schleiermacher den Begriff „heilige Wehmut" geprägt habe, ist Unger zu korrigieren: der Begriff findet sich schon in Klopstocks ,Messias' (s. Langen, 1954, S. 132f). RedenS. 299 Reden S. 108f Reden S. 111 ebd.
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Schleiermacher spricht in diesen Sätzen die romantische Hoffnung aus, die verlorene Unschuld mit Hilfe der Reflexion wiederzugewinnen - konkret dadurch, daß sie die „Wechselwirkung" als „Trug" entlarvt. Dilthey verbindet in seinem Text die lesbaren Zeilen 11.2.3. II 4 25 .
Motto zur Treue Das Distichon ist wie das folgende ein Nachtrag in Hs A, da es dort erst auf Seite 7 steht. Die Fassung der Hs D ist mit derselben Tinte geschrieben wie ,Unschuld und Weisheit', entstammt also derselben Zeit. Es steht dort am Rand neben folgendem Text: Motto zur Treue aus Aristoteles: Nur tugendhafte Seelen die in sich selbst beständig sind können es auch gegen andere seyn. (Hs D Bl. I Vorderseite, Nr.2; Dr: Denkmale S. 113)
Hier ist ein Thema angesprochen, das Schleiermacher viel beschäftigt hat.
Der
Zauberlehrling
Das Distichon ist wie das vorhergehende offenbar ein Nachtrag in Hs A. In den sonstigen Handschriften befindet sich keine Vorstufe dazu. Ob Schleiermacher von Goethes ,Zauberlehrling' angeregt wurde? Er erwähnt am 9. Juli 1803 - also in die angenommene Zeit durchaus passend - die Vertonung dieses Gedichts durch Zelter 26 .
Schöpfung Der Spruch steht in der Reihe der Gedichte, die Hs C Seite 24 eingetragen sind. Er hat darum dort kein Prosa-Äquivalent. Dieses steht vielmehr da, wo merkwürdigerweise der Spruch oder eine Vorform von ihm fehlt: in Hs B. Der Prosatext lautet: Wenn Gott in der Schöpfungsgeschichte sagt[:] laßt uns ein Bild machen das uns gleich sei so muß man nur denken, daß er dies zu der eben geschafnen Erde sagt, und es ist ein herrlicher sehr sinnvoller alter Mythos. (Hs Β S. 12, Nr.[76]. Dr: Denkmale S. 123 / KGA1/2,S. 137) 25 26
Denkmale S. 114 Br. an H. Herz (Br. I, S. 373)
Die Epigramme
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Gott und Erde sollen also gemeinsam den Menschen schaffen, und insofern ist dieser dann „göttliche Erde" und „irdischer Gott" zugleich. Dieser neue „alte Mythos" ist natürlich eine Umdeutung des ursprünglichen. In einem Brief vom 24. August 1802 an Henriette Herz 27 stellt Schleiermacher das Prosafragment in einen anderen Zusammenhang, nämlich den von Freundschaft und Liebe. Er teilt Gedanken über dieses Thema aus einem - sonst nicht bekannten - längeren Fragment mit, durchaus in den Gang des Briefes eingesponnen, und fügt hinzu: „Dies ist das Fragment, wahrscheinlich aus diesem entstanden ist folgender Zusatz": es folgt, mit ganz leichter Textänderung, der obige Prosatext. „Das sind aber lauter todte Buchstaben" 28 . Das Distichon aus dem Kontext von Liebe und Freundschaft heraus zu interpretieren, dürfte aber doch wohl verfehlt sein. Dieses Thema gibt es nicht her! Schleiermacher schreibt ja auch selber nur von einem „wahrscheinlich". Wichtig ist die Bemerkung des Briefes lediglich für die Chronologie.
Mensch und Welt Diesen Vierzeiler hat Schleiermacher nicht in Hs A übernommen. Er steht am Rand neben einem wichtigen Fragment: Das Universum gleicht darin dem Mensch[e]n daß die Thätigkeit die Hauptsache ist, die Begebenheit nur das vergäng[li]che Resultat. Der ächte historische Sinn erhebt sich über die Geschichte. Alle Erscheinungen sind nur wie die heiligen Wunder da um die Betrachtung zu lenken auf den Geist der sie spielend hervorbrachte. (Hs Β S. 6; Dr: Denkmale S. 117 / KGA1/2, S. 126)
Dieser nahezu Hegeische Gedanke 29 gehört - auch nach dem Kontext der Fragmente - in den Raum der ,Monologen'.
Die Herkunft der Liebe Die erste Fassung des Distichons steht direkt im Text, hat also offenbar keine prosaische Vorform. Die zweite Fassung steht am Rand. Schleiermacher spielt hier wohl auf die Diskussion über die Herkunft der Eros an, die er gerade in Piatons ,Symposion' gelesen haben wird. 27 28
29
M I, S. 261-264 ebd. S. 263. In Br. I ist - aus moralischen Gründen? - die ganze Stelle über dieses Thema ausgelassen (s. S. 320f)! Vgl. Gadamers Polemik gegen diesen Satz (1960, S. 184f)!
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Nach Hesiod ist Erebos (erebos = finstere Unterwelt, Totenreich; Dunkel) der Sohn des Chaos; er zeugt mit seiner Schwester, der Nacht (nyx), den Äther und den Tag, nach anderer Überlieferung auch den Eros 30 . Die Liebe verschlingt wie der Tag Nacht und Finsternis.
Stufen der
Erkenntnis
Dieser Spruchland die folgenden beiden befinden sich in einer Briefabschrift von Henriette Herz (Hs H). Der Brief trägt die Angabe „aus Schlobitten, die Zeit ungewiß". Ich habe gezeigt, daß er vom Ende April / Anfang Mai 1804 stammt31. Schleiermacher schreibt: „Zum Abschiede will ich Dir noch mittheilen, was ich eben in zwei Stammbücher geschrieben, wohl zu merken, von eigner Erfindung". Die Stammbuchverse gelten Angehörigen der Familie der Dohnas in Schlobitten.
Die Liebe Es gilt das zu dem vorigen Epigramm Gesagte. Schleiermacher bemerkt zu diesem Gedicht: „Ist das nicht mystisch genug? Und ist nicht das Antike und Moderne recht schön combinirt und entgegengesetzt?" 32 . Die Verknüpfung von antik und modern ist darin sichtbar, daß die sechshebigen Jamben gereimt sind.
Zwei
Lehren
Es gilt das zu den beiden vorigen Epigrammen Gesagte. Schleiermacher kommentiert diesen Spruch: „Das ist eine ganz ordentliche Gnome, und solcher könnte ich eine ganze Menge machen, wenn man mich dazu einsperrte bei Wasser und Brodt und zwei Wachslichtern".
30 31 32
s. RE XI, Sp. 403f (Art. Erebos), Sp. 485ff (Art. Eros). Siehe die Beschreibung der Hs H! handschriftlich (wie stets bei Hs H)
Die Übersetzungen aus dem Griechischen Datierung·. Die Texte in der Hs A scheinen alle aus dem Jahre 1803 zu stammen. Die Art, wie an ihnen gebessert ist, und ihre Stellung im Text sie sind jeweils in den freigebliebenen Raum geschrieben - beweisen mit einiger Sicherheit, daß sie ad hoc konzipiert sind. Wenn Schleiermacher das Gedichtheft im Juli angelegt hat, müssen die Texte in rascher Folge eingetragen worden sein, denn A. W. Schlegel bespricht bereits am 26. September das Gedicht ,Antipater XXXII' (Anth. Gr. XVI 178), das in der Handschrift auf Seite 7 steht, und zwar in der von Schlegel verworfenen Gestalt! Eine Randänderung scheint auf Schlegels Einwand hin vorgenommen zu sein. Da man annehmen darf, daß Schleiermacher das Gedicht ,Am 21. November' - das die Seite abschließt - gleich an seinem Geburtstag in das Heft schrieb, sind mit einer Ausnahme alle griechischen Übersetzungen zwischen dem Juli und dem November 1803 in die Handschrift eingetragen worden und wohl in der Hauptsache auch entstanden. Hinzu kommen noch zwei Beobachtungen. Bei dem Gedicht ,Antipater XXXII' steht neben der Stellenangabe „conf Jakobs Tempe". Friedrich Jacobs hat seine Übersetzungen aus der Anthologia Graeca unter folgenden Titeln veröffentlicht: „Tempe, von F. J., Leipzig, Bey G. J. Göschen, 1803" und „Tempe, von F. Jacobi [sie!], Wien und Prag, bey Franz Haas, 1804". Wenn der Hinweis auch nachgetragen sein wird, so ist doch wahrscheinlich, daß Schleiermacher die (Leipziger) Ausgabe von 1803 in der Hand gehabt hat und nicht die (Wiener) von 1804, da er den Namen richtig auflöst. Über dem Gedicht ,Lukillios XXXVI' steht „nach Voss IV 298". Aus dem Text läßt sich beweisen, daß das Distichon erst nach Lektüre der Vossischen Übersetzung geschrieben ist. Gemeint ist,Sämtliche Gedichte von Johann Heinrich Voss. Sechster Theil. Oden und Lieder. VII. Buch. Vermischte Gedichte. Fabeln und Epigramme. Königsberg 1802'. Diese Beobachtung freilich verunsichert erneut die Datierung: In einem unveröffentlichten Briefteil Spaldings vom 21. November 18031 verspricht dieser Schleiermacher, ihm Vossens ,Zeitmessung' - von der noch zu reden sein 1
zu Br. III, S. 371 ff
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wird - zu senden, und schickt ihm „auch den ersten Theil seiner lyrischen Gedichte, worin alle die Stükke stehn mit antikem Versmaße". Ob er ihm neben dem „ersten Theil", dem Oden-Band, „auch" den obigen sechsten schickte, darf füglich bezweifelt werden, auf jeden Fall ist sicher, daß Schleiermacher am 21. November - an dem er nach den obigen Erwägungen die Handschriften-Seite abgeschlossen haben soll - die Vossischen ,Sämtlichen Gedichte' von 1802 nicht besaß, zu diesem Datum jene Anleihe bei diesem mithin noch nicht gemacht haben kann 2 . Dem Schriftbild nach kann das geborgte Wort „Menedemos" freilich nachgetragen sein. Wenn damit die Datierung hinsichtlich des terminus ante quem verunsichert wird, so kann sie doch nicht wesentlich hinausgeschoben sein. „Mich freut, daß Sie mit Voss besser zufrieden geworden", schreibt Spalding am 10. Februar 18043. Am 20. März 1804 fragt noch einmal Fr. Schlegel um Verse für die Zeitschrift ,Europa' an 4 . Dann ist im Briefwechsel von Schleiermachers poetischen Versuchen nicht mehr die Rede. Es bleibt noch, die Ausgabe zu bestimmen, nach der Schleiermacher übersetzt hat. Der Zeit nach kommen zwei in Frage: ,Analecta veterum poetarum graecorum. Editore Rieh. Fr. Phil. Brunck. Tom. I—III. Argentorati. Apud Io. Gothof R. Bauer & Socium. Bibliopalas. o.J.' 5 und ,Anthologia Graeca Sive Poetarum Graecorum Lusus. Ex recensione Brunckii. Tom.I (-V). Indices et commentarium adiecit Friedericus Iacobs. Lipsiae In bibliopolio Dyckio 1794 (-1795)'. Schleiermacher gibt mehrfach über der Übersetzung die Seitenzahl des Brunckschen Werkes an, etwa „Sappho P. 55". Da Jacobs diese Seitenangaben aber am Rand seiner Ausgabe abdruckt, ist noch kein Schluß erlaubt. Die Entscheidung fällt dadurch, daß Schleiermacher „P.71" übersetzt, d.h. Solon XVII: dieses Epigramm hat Jacobs nicht in seiner Ausgabe. Das gleiche gilt von Mimnermos VII 6 . Die benutzte Ausgabe ist also die von Brunck. 2
3 4 5 6
Oder irrt sich Spalding? Am 21. Nov. schreibt er: „Die Zeitmessung schicke ich nun nicht, wohl aber die Lyrica" (handschriftlich), Schleiermacher aber bekennt Brinckmann am 26. Nov.: „Die Zeitmessung steht schon eine Weile bei mir leider ungelesen" (Br. IV, S. 81/M I, S. 321). Aber wie kam Spalding überhaupt auf den Gedanken, Schleiermacher die ,Zeitmessung' schicken zu wollen, wenn dieser sie nicht - auf die Erwähnung am 21. Okt. hin (hsl., zu Br. III, S. 367f) - angefordert hat? An A. W. Schlegel schreibt Schleiermacher schon am 12. Okt.: „Auf Vossens Zeitmessung hoffe ich mit jedem Posttag" (EK S. 771). - In Schleiermachers Nachlaß fand sich die ,Zeitmessung' (Rauch: Tabulae S. 69 Nr. 470), die .Gedichte' sind nicht gebucht. handschriftlich Br. III, S.384 Nach Beckby: Anthologia Graeca I, S. 84: 1772-76, 2. Auflage 1785 Jacobs hat die Seiten I 60-75 bei Brunck, wo sich diese Epigramme befinden, in seiner
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
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Der gleiche Schluß legt sich auch aus den Quellenangaben in den ersten Bänden der Platon-Übersetzung zwingend nahe - erschienen 1804 und 1805, also aus dem gleichen Zeitraum stammend - , wo Schleiermacher seinen Kommentar mehrfach mit dem Hinweis auf „Brunck Anal. I" belegt, dabei aber mit Versen von Solon und Simonides Texte zitiert, die bei Jacobs fehlen 7 . Gegen dieses eindeutige Ergebnis spricht eine unsicher zu deutende Beobachtung. Bei dem Epigramm Lukillios XXXVI gibt Schleiermacher an: „III 324", wobei 324 aus 36 gebessert ist. III 36 sind aber Band- und Seitenzahl der Ausgabe von Jacobs! Bei Brunck steht das Epigramm Bd. II (sic!) S. 324. Wenn das mit dem obigen Ergebnis übereinstimmen soll, bleibt nur die Annahme, daß Schleiermacher sich bei der III verschrieben hat, die 36 aber für Lukillios XXXVI steht. Die metrischen Übersetzungen befinden sich alle im Gedichtheft, die sekundären Abschriften enthalten sie nicht. Dilthey hielt sie für „schwerlich zu entziffern" 8 . Er druckt lediglich ein Epigramm zur Kommentierung einer Briefstelle ab. Der Zettel, auf den die Abschrift genommen wurde, ist noch vorhanden (Hs f). Etwa im Jahre 1807/1808 gab Schleiermacher vermutlich einige der von mir mitgeteilten Epigramme in einen Almanach, darunter als einzige (?) griechische Übersetzung Solon XVII (Nr. 2). Sie wurden in einem ,Lebensbild Schleiermachers' von F. G. Kühne nachgedruckt im ,Deutschen Taschenbuch auf das Jahr 1838'9. Den Almanach habe ich nicht ermitteln können 10 . Ich drucke im Text nicht die Überschriften Schleiermachers ab, die oft nur „ebd" lauten, sondern die vollständige Überschrift der Anthologia
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Ausgabe nicht mit abgedruckt. Das Nachlaßverzeichnis notiert die Ausgabe von Brunck (Rauch: Tabulae S. 61 Nr. 155-157), die von Jacobs nicht. Piatons Werke 1/1, S. 393 (das als Erläuterung zu 343c erwähnte Gedicht des Simonides führt Schi, nur an: „S. Brunckii Anal.I, 122, X", übersetzt es aber nicht; vgl. S.234); S. 410 (Solon - s. oben S. 138); II/l, S. 471 (Simonides - s. oben S. 139) Br. III, S. 364 Anm. S. 51. Die Quellenangabe „vor dreißig Jahren in einem Almanach" (S.49) ist leider zu ungenau, als daß ich sie auswerten konnte. Hs k (s. dort) läßt vermuten, daß Kühne seine Quelle nicht vollständig abgedruckt hat. Ich prüfte mehr als hundert Taschenbücher und Almanache, aber ohne Erfolg - was freilich bei der großen Zahl der Taschenbücher der damaligen Zeit kein Wunder ist (s. Köhring 1929; Lanckoronska-Rümann 1954). Es gibt für die Almanache kein Verfasserlexikon. Im Autorenverzeichnis der ,Almanache der Romantik', hg. v. Pissin (1910), ist Schleiermacher nicht verzeichnet. Auch Goedeke half nicht weiter. - Zu der Vermutung, daß es gar keinen Druck gegeben hat, sondern daß Kühne sein Material von Varnhagen hat ( = Hs k), s. oben S. 145f!
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Graeca mit der heute üblichen Band- und Seitenzahl. Schleiermachers Angaben - auch die Hinweise auf die Übersetzungen von Jacobs und Voss - kommen in eine besondere Anmerkung (Ü).
Sappho IV Das Epigramm steht bei Brunck Tom. I S. 55, Beckby gibt ihm die Überschrift „Die Braut"11. Die Verbesserung in Vers 3 ist mit hellerer Tinte geschrieben, also später nachgetragen. Sie soll die Tonhebung (,nöch ûnbë-/-riihrëtëm') beseitigen, schafft aber einen Trochäus (,frisch ge/schärfëtëm'). Als Beispiel für eine Übersetzung, die von rigoristischen Regeln der Metrik unbelastet ist und die Schleiermacher nachweislich nachträglich kennengelernt hat, gebe ich die Nachbildung von Jacobs12: Grab der Jungfrau Diess istTima's Grab; sie wandelte, eh' sie vermählt ward, Zu dem dunkeln Gemach Persephoneiens hinab. Als sie verblich, da mähten mit scharfen Stahle die Jungfraun Ihres trauernden Haupts liebliche Locken auf's Grab.
Solon XVII Dieser Spruch Solons gehört nicht in die Anthologia Graeca, er fehlt darum bei Jacobs. Er steht bei Brunck Tom. I S.71 und hat die (griechische) Überschrift „Aus einer Elegie über dieTyrannis des Peisistratos". Das Gedicht ist spondeenreich übersetzt, ermangelt aber - nicht nur der fehlenden Punktation wegen - der Logik13. Die Randfassung soll da offenbar Abhilfe schaffen. Dabei unterläuft Schleiermacher (wenn ich richtig lese) der Fehler eines viersilbigen Taktes (V. 5 R). Der Text ist unter der Überschrift ,Von Solon' abgedruckt im d e u t schen Taschenbuch auf das Jahr 1838', herausgegeben von Karl Büchner, Berlin o.J., Seite 51, unter Berufung auf einen Druck „vor dreißig Jahren in einem Almanach". Auf die gleiche Quelle wird Varnhagens Abschrift in 11 12 13
Beckby II, S. 293 Tempe I, S. 272 Zu ,entStürzen' (V. 1) s. Grimm: Dt. Wörterbuch III (1862) Sp. 637!
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
125
Hs k zurückgehen. Ich habe den Erstdruck nicht finden können (s.o.). Schleiermacher folgt dabei der Randfassung, bessert aber noch weiter.
Meleager
XCI
Das Gedicht steht bei Brunck Tom. I S. 26, Beckby nennt es „Steckbrief auf Eros" 14 . Es ist in der Form eine Nachahmung wirklicher Steckbriefe auf entlaufene Sklaven 15 . Auf Eros gibt es viele Gedichte Meleagers, in ihnen kommt die Hetäre Zenophila häufig vor. Über die Herkunft des Eros (V. 5ff) waren sich die Alten nicht einig 16 , wie der Dichter auch in seinem „Stammbaum des Eros" (Anth. Gr. V, 180) bekennt. Die Verbesserungen im Text sind, wie die etwas dickere Tinte zeigt, mit Ausnahme des noch späteren Verses 10 eine Rezension. Die neue Fassung von Vers 10 ist mit spitzerer Feder unmittelbar unter den Text geschrieben. Ich drucke nur diese revidierte Fassung und verweise die geänderten Wörter in den Apparat. Schleiermachers Übersetzung ist nicht immer geschickt. „Weinerlich süß" (V. 3) steht für γλυκύδακρυς „beschwingt hinten" soll heißen „auf dem Rücken beflügelt". Die vorgeschlagene Lesung „andere" (V. 8) ist nach άλλα vermutet. Statt „Schüz" steht im Text „Schuz": Schleiermacher schreibt nur selten die Umlautpünktchen. Die Lesung ist nach dem Griechischen (τοξότα) eindeutig. Gegen „überall" (V. 7) erhebt Spalding Einspruch: „überall darf nicht gesagt werden, weil die Nachbarschaft des ber dem ü die Stammsilbigkeit nachweist. Also ein Kretikus, und nichts anderes" 17 . Doch Tonbeugungen gibt es bei Schleiermacher noch öfter (s. V. 3). Häufig sind Trochäen (Morgen, Welches, zu dem); die Zäsuren sind in V. 4, 7 und 9 sehr ungeschickt, weil sie der Satzlogik widersprechen, besonders kraß in Vers 4 (beschwingt // hinten). Der ursprüngliche Vers 10 hat die Zäsur post quartum trochäum, ,ïn Zë/nophilas' bildet einen „geschärften" Spondeus.
Meleager
XCV
Wie das vorhergehende, so handelt auch dieses Epigramm von dem Eroten. Es steht bei Brunck Tom. I S. 27, Beckby nennt es „Verkauf des 14 15 16 17
Beckby I, S. 331 ebd. S. 657 sub 177 s. ebd. S. 657 sub 180 sowie RE XI, Sp. 485«. Br. v. 21. Okt. 1803 (hsl., zu Br. III, S. 367)
126
Editorischer und kommentierender Teil
Eros" 18 . Erotenverkauf wurde in der hellenistischen Kunst häufig dargestellt19. Goethe wurde durch dieses Motiv zu dem Gedicht „Wer kauft Liebesgötter?" angeregt 20 . Herder war der erste in Deutschland, der das Gedicht in Distichen übersetzte 21 . Sein Text sei als vergleichendes Beispiel angeführt: Verkauf des Amors. Man verkauf' ihn! Und ob er so süß im Schooße der Mutter wie ein unschuldiges Kind schlummre; verkaufet ihn doch. Denn er ist ungezogen, ein loser Bube, geschwätzig, wild und böse, der ja selber die Mutter nicht schont. Leichtgeflügelt und keck: er kratzt mit den Nägeln; er weinet kläglich und wenn er dir weint, lacht er im Herzen dich aus. Kurz, ein Ungeheuer. Verkauft ihn. Wo nur ein Schiffer sein begehrt, er nehm' immer den Bösewicht hin. Aber sehet, er weint! er fleht! - Sei ruhig, o Lieber, Glaubs, ich lasse dich nicht! Dich und Zenophila nie! Schleiermachers Verbesserungen verraten sich durch die dickere Tinte als Rezension. - Wieder finden wir Tonbeugungen (un/maßig) und ungeschickte Zäsuren (V. 3, 7, 9 - Vers 9 ist kaum mit einer metrisch exakten Zäsur, d.h. hinter ,seht', zu lesen). Wenigstens ein Trochäus findet sich (V. 6 wild ja), während ,weinend' V. 4 wohl als Spondeus gemeint ist. In den Versen 1 und 2 gibt es „geschleifte" Spondeen (ver/kauft ob/schon, ver/ kauft wo/zu), ebenso in der verbesserten Fassung von Vers 10, wenn man mit griechischen Längen liest (mir Ze/nophila) 22 .
Meleager
LCV
Das Epigramm steht bei BrunckTom. I S. 20, Beckby nennt es „Eros ohne Pfeil" 23 . Die Texte bei Brunck und Beckby sind nicht identisch. So stammt das holperige „O" (V. lf) von Brunck: Schleiermacher übersetzt das dortige ώ (mit Recht) als Interjektion. Beckby druckt jedesmal ού und 18 19 20 21 22
23
Bd. I, S. 331 ebd. S. 657 sub 178 Sämtliche Werke, Jubiläums-Ausgabe, Bd. I, S. 27f (1795); s. ebd. S. 249: Warnung'! Poetische Werke, Bd. II, S. 13 (1785). Vgl. dazu auch Beutler (1909) S. 84! Entgegen der vorherigen Elegie darf ich nach Seifferts Kriterien V. 10 Var. nicht in den Text aufnehmen, weil ihm das ,Ruhig' fehlt. Beckby I, S. 345
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
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übersetzt „nein", im gleichen Sinn als Interjektion. - ,Flur' (V. 2) ist Metapher für den weiblichen Schoß24. Dieses Epigramm hat Schleiermacher neben anderen (s. bei Meleager CXI) im September 1803 an seinen Freund Spalding gesandt 25 . Die Antwort des Metrikers lautet folgendermaßen: Die völlig griechische Skansion Dorothea ist Kezerei Siehe Vossens „Zeitmessung" (Königsberg 1802.8) p.18.19. Wer es ändern will, vergisst, dass wir zum okzidentalischen Kaiserthum, zur lateinischen Kirche gehören, und also jene noch so unerhörte Namen schon prädestinirt sind für unsere Aussprache; welcher Gewohnheit sie nicht verlezen können, ohne uns Mislaut, ja völlig störend zu sein. Sie haben neben der Dörötheä auch Timäriön. Blauäugige ist ewig verdamt, doch nicht mehr als unbändigen ( . . . ) Mit solchen kleinen Änderungen sind die Epigramme vortrefflich übersetzt 26 .
Spalding hätte auch auf die merkwürdige Skansion ,Anti/kleiä' (V. 3) hinweisen können. Wie Schleiermacher die Zeile skandiert haben wollte, ist nicht recht zu ermitteln. Entweder man setzt die Zäsur hinter ,der', was der Logik des Satzes widerspricht, oder man erhält einen doppelten Auftakt in der Mitte des Verses: ,Uëppïgës / Lächeln / Dü // dér bläu / äugigen / Anti / kleiä.' Mir scheint, daß Schleiermacher in der Randfassung dem Einwand gegen die griechische Skansion von ,Dorothea' Rechnung getragen hat. Das Wort wird nun „deutsch" skandiert: ,Ihr Dörö/theäs...'. Ist diese Vermutung richtig, haben wir einen Beweis dafür, daß die Übersetzungen aus dem Griechischen zu dieser Zeit bereits in dem Heft standen. Die Randfassung ist mit anderer Tinte geschrieben als die Verbesserungen im Text, die sich durch die etwas dickere Tinte als zu der bei den vorherigen Epigrammen festgestellten Rezension gehörig erweisen.
Meleager
LXXIV
Der Zweizeiler steht bei Brunck Tom.I S. 22, Beckby gibt ihm die Überschrift „Trennung auf Hoffnung" 27 . Eos und Phosphores sind Namen für 24 25 26
27
ebd. S. 658 Siehe dessen Br. v. 18. Sept. 1803 (hsl.): „Von Versen und Prosa ein andermal"! Br. v. 21. Okt. 1803 (hsl., zu Br. III, S. 367). Voß schreibt an der von Spalding bezeichneten Stelle: „Fremde Namen der Personen, wenn sie mehrsilbig und ohne Abkürzung sind, haben den Ton nie auf der letzten Silbe; zweisilbige werden Trochäen ( . . . ) ; drei und viersilbige endigen trochäisch, wenn die vorlezte in der Ursprache lang ist, und daktylisch, wenn kurz". - Das von Spalding zitierte Wort „unbändigen" kommt in den mir vorliegenden Texten nicht vor. Bd. IV, S. 73
128
Editorischer und kommentierender Teil
den Morgenstern, Hesperos ist der Abendstern. Die Situation des ,Tageliedes' ist - anders als Anth. Gr. V, 172 - durch den Rekurs auf den Abendstern etwas verbogen. Merkwürdig ist Schleiermachers Übersetzung von χαίρε mit „verlauf", aber durchaus dem Sinn angemessener als die wörtliche Übersetzung „gegrüßt" über der Zeile und bei Jacobs28. ,verlaufen' heißt,hinweg-, vergehen', „die Zusammensetzung mit ver verstärkt die bedeutung des einfachen Zeitwortes zu ,hinweglaufen, laufend verschwinden'"29. Das möglichst baldige Verschwinden ist mit χαίρε gemeint - „auf Wiedersehn" übersetzt Beckby treffend, „rauben" (V. 2) für άπάγειν bei Schleiermacher und Jacobs ist zu negativ. Wohl ohne Absicht ist, daß Vers 1 eine von Voß angestrebte sog. Tmesis bucolica bildet, d.h. bei der Zäsur nach 3 einen Nebenschnitt nach 4 hat, wobei der vierte Takt dreisilbig ist30.
Meleager CVI Die Vorlage steht bei Brunck Tom. I S. 30, Beckby überschreibt „Ins Herz gesungen"31. Im griechischen Text steht statt ,Leier Apolls' eigentlich ,die Kithara des Latoiden'. Λατοΐδας d.h. Letos Sproß, ist der Beiname Apollos32, Schleiermacher entschlüsselt also richtig. Die Verbesserungen entsprangen metrischen Gründen; dabei ist die Änderung im Text früher als die am Rand. Vers 2 hätte mit „so / lieblich" einen Trochäus enthalten. Die Randfassung ist gut gelungen; es ist nun auch der Trochäus des Antaktes beseitigt.
Meleager
LX1X
Das Gedicht steht bei Brunck Τ. I S. 21, Beckby nennt es „Meer der Liebe"33. Der schwierige grammatische Satz hat Schleiermacher zu mehrfachen Versuchen veranlaßt. Die durchgestrichene Fassung enthält mit ,bläuen' 28 29 30 31 32 33
Tempe I, S. 336 Grimm: Dt. Wörterbuch XII/1, 1956, Sp. 739 Zur ,tmesis bucolica' s. Heusler (1929) S. 258f. Beckby I, S. 313 Pape-Benseler (1911) S. 777 Beckby I, S. 321
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
129
einen Trochäus, mit ,ein/ládend' eine Tonbeugung. Doch auch die neue Fassung ist nicht besser: doppelter Auftakt nach der Zäsur, Trochäus (Lïebës/fahrt). ,ge/wlnnt Às/klëpïâs' bildet einen „geschärften" Spondeus. Krates I Brunck hat den Text T.I S. 186, Beckby überschreibt „Heilmittel gegen Liebe" 34 . Schleiermacher hat, wie die Seitenzahl zeigt, einen großen Sprung vorwärts getan in seiner Ausgabe! Die Übersetzung ist wie im griechischen Original ein Trimeter. Vers 3 hat einen Fuß zuviel. Schleiermacher übersetzt jambisch, der dreisilbige Takt (,leidige') ist erlaubt 35 . Die Umstellung des besseren ,übrig noch' verstehe ich nicht. Wenn Schleiermacher früher auch beim Trimeter die Zäsur nach dem dritten Takt abgelehnt hat, um nicht einen Alexandriner zu erhalten 36 , so hat er jetzt dennoch zweimal den Schnitt dort; Vers 2 ist ihm zum Alexandriner geworden.
Skolion
XX
Dieses Epigramm steht Brunck T I S . 159, Jacobs T. I S. 91; in der Anthologia Graeca fehlen alle Gedichte, die als σκόλια „Trinklieder" bezeichnet sind. Im Griechischen hat das Epigramm folgendes metrische Schema: V— V V -ν V V ν - ν - ν
V —
ν
ν
-
V —
V V - V -
Ich versuche eine eigene Übersetzung nach dem Gang des Textes, ohne Rücksicht auf die vorgeschriebene Metrik: Das Schwein: diese Eichel zwar hat es, doch jene begehrt es zu haben. Auch ich: hübsches Kind zwar hab ich, doch jenes begehr ich zu haben. 34 35 36
Beckby III, S. 305. Siehe Tempe II, S. 165. s. Heusler(1929)S.178. Siehe Br. an A. W. Schlegel v. 17. Sept. 1801 (EK S. 768) und oben S. 47!
130
Editorischer und kommentierender Teil
Schleiermacher war nicht zufrieden damit, das Epigramm lediglich in solche (schlechten) Verse zu bringen. Wenn er den Vierzeiler auch zweizeilig schrieb37, so zeigt das metrische Schema doch, daß er das obige nachahmte: Dïesë Eichel bësîzt / jezö däs Schwein jënë bëgëhrt ës schön e Ä ύσ τάν βα-λά-νον τάν μεν εχει, τάν δ'ε-ρα-ται λα-βείν Mit Ausnahme des ersten Taktes, der auch sonst trochäisch gebildet werden durfte, stimmt das Schema genau überein, auch in der Länge der Kola. Dasselbe gilt für die zweite Zeile. Am Rande des Textes, der sich ganz unten auf Seite 3 der Hs A befindet, steht ein Kreuz. Dasselbe befindet sich auch am Rand von Skolion XXI (also dem folgenden Stück) ganz unten auf Seite 4. Die Kreuze sollen wohl die Zusammengehörigkeit ausdrücken. Die Schrift zeigt, daß die Epigramme zur gleichen Zeit übertragen wurden; beide sind in den freibleibenden Raum der Seiten gedrängt. Die Zusammenstellung im Griechischen mag von dem Wortspiel βάλανος (Eichel) - βαλανεύς (Bader) herrühren.
Skolion XXI Der griechische Text steht Brunck T. I S. 159, Jacobs T. I S. 92; er fehlt in der Anthologia Graeca. Das metrische Schema ist das gleiche wie beim vorherigen Skolion: Ich versuche eine eigene Übersetzung nach dem Gang des Textes: Hure und Bader haben den gleichen standhaften Brauch: in gleicher Wanne wäscht man den Edlen, wäscht man den Schuft. Wieder hat Schleiermacher das metrische Schema des griechischen Textes angestrebt. Vers 1 ist mit Ausnahme des ersten Taktes metrisch mit Skolion XX identisch, in Vers 2 steht ein Trochäus statt eines Daktylus, das letzte Wort muß unnatürlich betont werden (,Erbármlichén l ). Das Schema der Übersetzung: 37
Zur Vermutung, daß für diese Umstellung A. W. Schlegels ,Skolion' der Grund sein könnte, s. o. S. 54 Anm. 75!
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
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— V / — V V / — // — V V / — ' — V V / — V / — — V/— ν /-//-ν V/— '— V V/— V/V Es gilt das zu Skolion XX Gesagte. Hermodoros Das Epigramm steht bei Brunck T. I S.262, Beckby überschreibt es „Aphrodite und Pallas"38. Mit der ,Knidischen Kypris' ist die vielgerühmte Aphrodite des Praxiteles gemeint 39 , die „speervertrauende Pallas" ist die Athene Parthenos des Pheidias vom Jahr 43840. ,Kekropisch' heißt ,Athenisch'41. Im gr. Text steht nicht ,Kypris', wie Schleiermacher übersetzt, sondern ,Kythereia', wie jener ein poetischer Name für Aphrodite. Schleiermacher bessert „unfehlbar" in „begeistert" (V. 1), um die von Spalding getadelte Betonung auf un- zu umgehen, die er denn doch bei „Unsterblichen" (V. 2) zur „Schärfung" des Spondeus benutzt (wenn er ,und / den Ün/sterblichen' betont haben wollte und nicht ,ünd den Ün/ sterblichen'). Euenos VI Brunck hat den griechischen Text T. I S. 165, Beckby überschreibt „Süßere Pein"42. Die Verbesserungen sind mit dickerer Feder geschrieben, sind also wohl später. ,Ists gleich' gegenüber ,Ist es doch' erreicht - selten bei Schleiermacher - einen Spondeus im ersten Takt.
Meleager
CXXI
Schleiermacher kehrt wieder zu Meleager zurück. Der Text steht bei Brunck Tom. I S. 35, Beckby betitelt „Aisigenes"43. Schleiermacher hat merkwürdig schlecht übersetzt. Der Wechsel des Subjekts - den der griechische Text nicht hat - ist in keiner Fassung gelungen. 38 39 40 41 42 43
Beckby IV, S. 393 s. Anthologia Graeca XVI, 159f u. ö. (Beckby IV, S. 387ff)! Beckby IV, S. 549 sub 169 Pape-Benseler (1911) S. 642 Beckby IV, S. 103 Beckby II, S. 275
132
Editorischer und kommentierender Teil
Der Schrift nach gab es nur eine Rezension, die aber drei Stufen erkennen läßt: die interlinearen Verbesserungen, die erste Randfassung (die ich in den Apparat verwiesen habe) und die gebesserte Randfassung. Varnhagens Abschrift (Hs k), die auf einen Druck zurückgehen kann, gibt eine Weiterentwicklung der Randfassung. Hier lautet die Überschrift (analog zur Druckfassung von Solon X V I I ) „Von Meleager". Da in den Randfassungen der „geschleifte" Spondeus wieder aufgelöst ist, kann Schleiermachers Interesse nicht besonders auf ihm geruht haben. Während auch J . Erichson in seiner Übertragung am Wechsel des Subjekts scheitert, hat Jacobs damit keine Schwierigkeiten 44 : Grab des Gerechten Erde sey mir gegrüsst, Allnähererin! ihn, der im Leben Nie dich gedrücket, umfang leise den Aisigenes.
Meleager III Schleiermacher geht nun ganz an den Anfang seiner Ausgabe zurück. Das Epigramm steht bei Brunck T. I S. 3f, Beckby nennt es „Apostata der Kypris" 45 . Spalding hat in dem schon mehrfach zitierten Brief an der Tatsache der Übersetzung gerade dieses Gedichtes Anstoß genommen. E r schreibt: „Das Epigramm Brunck I.p.3 „Kypris die [sie!] Frau" etc. darf, ex capite Moraline, nicht Nicomacheorum, sondern Spaldingicorum, nicht übersetzt werden" 4 6 . Schade, daß man nicht wissen kann, was Schleiermacher darauf geantwortet hat! Schleiermachers Übersetzung ist sehr ungeschickt, ja man kann sagen: falsch; gemeint ist, daß Venus die Liebe des Mannes zur Frau erweckt, Amor aber die Pädophilie. In Vers 1 steht die Zäsur schon nach 2m; die Zäsur des Pentameters ist falsch, es müßte heißen ,re/girt'. Die Randfassung beseitigt wieder den Spondeus (,wohin'), bildet dafür aber eine reizvolle Pause: ,Izö wö/hin ? Zür /'. Die Lesung von ,Kypris' (V.3) ist unsicher (Kypren von κυπριν, Kypria?). Das Schluß-e von ,glaube' muß apokopiert werden, mit der 44
Tempe II, S. 234. J. Erichson übersetzt: Erde, sei mir gegrüßt, Allmutter, und welcher im Leben // Dir nicht Last war, leicht sei dem Äsigenes auch. (Prometheus Bd. I, H. 5/6, 1808, S. 180)
45
Beckby IV, S. 57
46
Br. v. 21. Okt. 1803 (hsl., zu Br. III, S. 367)
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
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Umstellung des ,ich' (s. App.) verlor es seinen Sinn; es blieb versehentlich stehen.
Piaton XI Das Epigramm steht bei Brunck T. I S. 171, Jacobs T. I S. 104; es wird von beiden dem Philosophen Piaton zugeschrieben 47 . Bei Beckby fehlt es. Chariten sind die Grazien, Töchter des Zeus, Göttinnen der Anmut und Schönheit.
Platon IX Das Epigramm steht bei Brunck T. I S. 171, Beckby nennt es „Praxiteles' Aphrodite" 48 . Schleiermacher hat dabei von den sechs Versen des Epigramms nur die - relativ selbständigen 49 - Verse 5 und 6 übersetzt. Er überschreibt darum auch „Zu 9", d.h. ,Platon IX'. Offenbar war er mit dem Entwurf gleich zufrieden, denn er verzichtet völlig auf Änderungen. Die Skansion der Eigennamen ist ganz griechisch, was zu „geschärften" Spondeen verhilft: ,Prâxïtë/lês sâh', ,wle ÀJres'. Die Aphrodite (= Paphie) des attischen Bildhauers Praxiteles wird in nicht weniger als elf Epigrammen gerühmt (Anth. Gr. XIV, 159-170).
Platon II Das Epigramm steht bei Brunck T. I S. 169, Beckby überschreibt es „Flucht der Seele" 50 . Tasso hat das Motiv des Übergangs der Seele in den Körper des Geliebten beim Kuß - nach anderen - aufgenommen 51 . Die Zäsur auf ,Ägä/thön' ist deutsch und griechisch falsch, daher die Randbesserung. 47
48 49
50 51
Die Echtheitsfrage bei Piatons Epigrammen ist umstritten (s. Beckby I, S. 17 Anm. 1). Jacobs' Übersetzung s. Tempe I, S. 54. Beckby IV, S. 389; s. Tempe I, S. 139. Die Forschung ist hier z. T. der gleichen Meinung wie Schleiermacher (Beckby IV, S. 549 sub 160). Beckby I, S. 281 ebd. S . 6 5 1 f s u b 7 8
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Editorischer und kommentierender Teil
Antipater von Sidon LVII Schleiermacher übersetzt von hier an, wie er in der Überschrift anzeigt, aus Band II: Brunck T. II S.21. Beckby überschreibt das Epigramm „Myrons Kuh" 52 . Die erzene Kuh des attischen Erzgießers Myron (um 450 v. Chr.), die zunächst auf der Agora in Athen, später im Friedenstempel zu Rom stand, war im Altertum sehr berühmt 53 . In der Anthologia Graeca stehen sehr viele Epigramme auf sie (IX, 713-742. 793-798), von denen Schleiermacher fünf übersetzte 54 . Kein geringerer als Goethe hat 1818 einen Aufsatz über dieses Kunstwerk geschrieben und einige Epigramme übertragen 55 . Beutler nennt das Epigramm auf Myrons eherne Kuh das berühmteste Epigramm des 18. Jahrhunderts 56 . Antipater
LVI
Das zweite von Schleiermacher übersetzte Epigramm auf Myrons Kuh steht bei Brunck T. II S. 21. Beckby schreibt es einem Anonymus zu57. Die Randfassung ist mit dunklerer Tinte geschrieben. Sie enthält mit ,Pflüg än/leget' einen „geschärften" Spondeus, der bewußt aus dem Trochäus ,Pflug auch' gebessert ist. Zu beachten ist auch das molossische , Arbeit / geht' (V. 2). Das Verbum ,befesten' (V. 1) ist zu Schleiermachers Zeit nicht ungewöhnlich 58 . Antipater
LV
Das Epigramm steht bei Brunck T. II S. 21. Beckby Bd. III S. 425. Schleiermacher skandiert hier ,My/rön', in Antipater LVII und LVIR noch ,Myrön', was der deutschen, im folgenden Stück ,Myrön', was der griechischen Skansion entspricht. Das verschiedene Vorgehen ist nicht konsequent. 52 53 54 55
56 57 58
Beckby III, S. 423 s. ebd. S. 807 sub 713 Übersetzungen von Jacobs s. Tempe I, S. 194-196. Sämtl. Werke, Jubiläums-Ausgabe Bd. 35, S. 145-154 (,Myrons Kuh'). Vgl. den profunden Kommentar von Herbert von Einem in der Hamburger Ausgabe Bd. 12, S. 607-611; Beutler (1909) S. 103f. Goethes Aussagen über Myron sind gesammelt bei Grumach (1949) II, S. 514-519. Beutler (1909) S. 47 Beckby III, S. 425 s. Grimm: Dt. Wb. I (1862) Sp. 1257 (Zitat von Goethe)
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
Antipater
135
LIV
Von Nr. LVII bis LIV hat Schleiermacher, Stück für Stück zurückgehend, übersetzt, nachdem das Thema des ersten Epigrammes ihn zu weiteren Versuchen reizte. Der Text steht bei Brunck T. II S. 21. Beckby Bd. III S. 425. Wie bei LV bildet ,Küh nün' einen Trochäus. Oder las Schleiermacher hier einen Spondeus? Die Verbesserung über der Zeile ist wegen der Tonbeugung (,nür das ün/lüstige / Erz') eine Verschlechterung.
Antipater
LVIII
Dieses letzte von Schleiermacher übersetzte Myron-Epigramm steht bei Brunck T. II S. 21, Beckby Bd. III S. 423. Die Verbesserungen verraten sich durch die dunklere Tinte als Rezension. Über ,brüllend daneben' (V. 1 App) steht aus dem Urtext τιπτε δε μυκα („warum brüllst du denn?"), offenbar, weil Schleiermacher die Übersetzung nicht behagte, ihm im Augenblick aber keine bessere gelang. Von diesem Epigramm besitzen wir eine Übersetzung Goethes. Sie lautet 59 : Armes Kalb, was nahst du dich mir mit bittendem Blöcken? Milch ins Euter hat mir nicht geschaffen die Kunst.
Antipater
XXXII
Das Epigramm steht bei Brunck Τ. II S. 15, Beckby nennt es „Aphrodite Anadyomene" 60 . Das Bild des Apelles (um 325) war eines der Weltwunder, Augustus brachte es vom Asklepiostempel zu Kos nach Rom61. Schleiermacher weist in seiner Überschrift auf Jacobs' ,Tempe' hin, wobei er - wie ich zu Anfang gezeigt habe - die Leipziger Ausgabe von 1803 meint. Die Übersetzung Jacobs' hat keinen Einfluß auf Schleiermacher gehabt. Sie lautet 62 : 59 60 61 62
Myrons Kuh (1818) (s. Anm. 55) S. 147 Beckby IV, S. 397 ebd. S. 549 sub 178 Tempe I, S. 316
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Editorischer und kommentierender Teil
Die Venus Apells Sieh, vom Pinsel Apellens erzeugt, ein treffliches Kunstwerk; Kyprien, wie sie dem Schooß purpurner Wellen entsteigt! Wie sie ergreift mit der Hand die triefenden Haare des Scheitels, Und das schäumende Naß drücket aus feuchtem Gelock! Pallas spricht nun selber und Jupiter's hehre Gemahlin: Sieh, wir bestreiten dir itzt nicht mehr den Preiß der Gestalt. Die Tinte läßt erkennen, daß Schleiermacher Jacobs' Übersetzung erst las, als er seinen Text bereits in das Heft eingetragen hatte: sie ist die gleiche wie die der Änderungen. Die Verbesserungen haben aber mit Jacobs' Fassung nichts zu tun, die ja auch seinen metrischen Bedürfnissen nicht genügen konnte. Eine neue Stufe der Entstehung des Textes ist der Randvermerk „Tritonia oder auch Here". Schleiermacher sandte seine Übertragung in einem (verlorenen) Brief an A. W. Schlegel, den dieser am 24. September 1803 erhielt 63 . Schlegel antwortete: Zum Rigorismus darf ich Sie nicht erst ermahnen. Doch habe ich Zweifel gegen widerstrebenden. Ich glaube, man muß Voßens Gründen in seiner Zeitmessung hierüber nachgeben. So scheint mir Athene oder auch Here den Vers allzu leer zu machen. Mir däucht, wenn man die Trochäen nicht ganz vermeiden kann, so muß man sie durch Position und Diphthongen verkleiden 64 .
Schleiermacher stimmte zwar den sich in diesem Urteil aussprechenden metrischen Gründen zu - ,Athene' bildet einen Trochäus, der auch bei einem Namen nicht erlaubt ist - , nicht aber der Anwendung auf seinen Fall: Warum rechnen Sie mir aber die lezte Sylbe in Athene für eine kurze an? Würden Sie sie denn in einem trochäischen Sylbenmaaß als eine reine Kürze brauchen? Bei dem „Athene oder auch Here" dachte ich ganz eigentlich an das alte so oft vorkommende ήε και 65 .
Trotz dieser Verteidigung hat Schleiermacher aber dann doch am Rand eine Schlegels Einwand nachgebende, diphthongische Fassung vermerkt: ,Tri/tömä / oder auch Here', widerstrebenden' aber ließ er trotz der Tonbeugung aus Grundsatz stehen. Auf welche Stelle bei Voß Schlegel anspielt, ist nicht sicher zu sagen. Ich denke folgende: Voß schreibt: „Alle Vorwörter, die trennbar mit Handlungswörtern vereint werden, sind als Nebenwörter zu betrachten, und bekommen in der Zusammensezung durch Nachdruck hochtonige 63 64 65
s. Br. III, S. 363 Br. v. 26. Sept. 1803 (Br. III, S. 364) Br. v. 12. Okt. 1803 (EK S. 771)
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
137
Länge" 66 . Als Beispiel führt er ,widerhalten' an. .widerstrebenden' müßte demnach - v / - v v skandiert werden, damit aber begänne die Zeile ,Nun widerstrebenden' mit einem Amphibrach (v - v), oder richtiger: mit einem Antibaccheos ( — v). Beides aber ist vom Übel 67 . Doch Schleiermacher skandiert anders. Er schreibt: (Ich hätte) nicht geglaubt daß Sie ihm (i.e. Voß) beistimmen würden in dem Verbot die zweisilbigen Partikeln wenn sie keinen ächten Diphtong haben, wenigstens in der Zusammensezung als Doppelkürzen zu gebrauchen 68 .
Da für Schleiermacher also ,wider-' kurz ist, liegt für ihn keine Tonbeugung vor, mithin ist der Takt richtig. Er ließ die Zeile stehen. Die Verbesserung am Rand zu V. 1 enthält mit ,em/pör nün' für mein Sprachgefühl einen Trochäus. Doch Schleiermacher gebraucht ,nun' noch zweimal in der einsilbigen Senkung (,Kuh nun' Antipater LIVund LV), so daß er möglicherweise einen Spondeus hörte. Dilthey hat dieses Epigramm in einer Anmerkung mit allen Varianten abgedruckt 69 . Hs f war die Vorlage für den Druck 70 .
Lukillios
XXXVI
Das Epigramm steht bei Brunck T. II S. 324, Jacobs T. III S. 36; Beckby betitelt es „Der Quacksalber" 71 . Es ist in der Anthologie zwischen lauter Spottverse gegen Ärzte gestellt. Schleiermachers Hinweis auf Voß habe ich bei der Erörterung der Datierung bereits besprochen. Dabei irrt er sich in der Angabe der Bandzahl: das Epigramm steht nicht in Band IV, sondern in Band VI 72 . Die Seitenzahl stimmt. Schleiermacher hat von Voß den Arztnamen ,Menedemos' entlehnt, im griechischen Text steht - wie dann in der Verbesserung Markos. Wie Voß auf diesen Namen kam, ist unersichtlich; in den beiden Fällen, in denen dieser in der Anthologie vorkommt, handelt es sich nicht 66 67 68 69 70 71 72
Voß: Zeitmessung S. 31f Zum Amphibrach s. ebd. S. 137.150f; zum Antibaccheos S. 154f. 235ff. EKS.771 Br. III, S. 364 Anm. Vgl. die Beschreibung der Handschrift! Beckby III, S. 603 Sämtliche Gedichte von Johann Heinrich Voss. Sechster Theil. Oden und Lieder. VII. Buch. Vermischte Gedichte. Fabeln und Epigramme. Königsberg 1802, S. 298. Nach S. X stammt die Übertragung aus dem Jahre 1791. Jacobs' Übersetzung s. Tempe II, S. 11.
138
Editorischer und kommentierender Teil
um einen Arzt 73 . Überdies hat Voß das Epigramm fehlgedeutet, weil er den Spott nicht verstand: Der unglückliche Arzt Unseren marmornen Zeus berührte der Arzt Menedemos, Marmorn war er, und Zeus; aber man trägt ihn hinaus. Das Schriftbild verrät, daß die Verbesserung der Seitenzahl nach dem Hinweis auf Voß geschrieben sein muß.
Mimnermos VII Dieses letzte von Schleiermacher in dem Gedichtheft übersetzte Epigramm scheint der Schrift nach ein Neuansatz zu sein. Es ist auf jeden Fall nach dem 21. November 1803 eingetragen worden. Der griechische Text steht bei Brunck T. I S. 62, er fehlt bei Jacobs. Beckby überschreibt „Menschengerede"74. „Gemüth" (für φρήν-V. 1) ist ein Schlüsselwort Schleiermachers. Den metrischen Vorschriften nach wird man die Zäsur hinter ,Gemüth' vermuten, die Logik des Satzes ist dabei freilich nicht beachtet.
Solon V Dieser Hexameter steht nicht in dem Gedichtheft, sondern im Kommentar zum ,Laches' (Piatons Werke 1/1, 1804, S. 410; 2. Aufl. 1817, S.421). Die Übersetzung ist also im gleichen Arbeitszusammenhang entstanden wie die übrigen Übertragungen aus der Anthologia Graeca, in Stolpe. Schleiermacher erläutert damit eine Stelle im ,Laches', wo unter Berufung auf Solon demjenigen Weisheit verheißen wird, der „gern lernen will so lange er lebt, nicht aber meint daß das Alter ihm schon von selbst den Verstand mitbringen werde" (188b - S. 344). Der griechische Text, den Schleiermacher mit dem Hinweis „Aus dem Plutarchos Solon 96.e. Brunck Anal. I. 65. V" zitiert, fehlt bei Jacobs. Der fragmentarische Spruch stammt, was Schleiermacher nicht aus Bruncks 73 74
Anth. Gr. VI, 63 (Schreiber), XII, 184 (amatus) Beckby III, S. 39
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
139
Kommentar (III, S. 10) haben kann, aus Plutarchs Werk über Solon. Woher Schleiermacher die Angabe „96" hat, war nicht zu ermitteln 75 . Wirth76 überschreibt „Der Greis". Eine handschriftliche Fassung ist nicht erhalten.
Simonides
XI
Dieses Skolion findet sich nicht in dem Gedichtheft, sondern im Kommentar zum ,Gorgias' (Piatons Werke II/l, 1805, S. 471; 2. Aufl. 1818, S. 476). Die Übersetzung ist also gleichfalls in Stolpe entstanden. Schleiermacher kommentiert damit die Stelle, in der Sokrates bei der Debatte um das wichtigste Gut des Menschen Gorgias erinnert: Du hast ja wol, denke ich, bei Gastmälern Leute jenes Trinklied singen gehört, worin sie aufzählen, das Beste sei die Gesundheit, und das zweite in Schönheit einherzugehn, und das dritte wie der Dichter des Trinkliedes meint, reich sein ohne Falsch. (451e - S. 32)
Der griechische Text steht, wie Schleiermacher auch anzeigt, bei Brunck T. I S. 122f; er fehlt bei Jacobs. Schleiermacher hat den Fünfheber genau zeilengemäß übersetzt, einschließlich des Enjambements in Z. 3, worauf die wenig erfreuliche rhythmische Struktur zurückzuführen ist. Eine handschriftliche Fassung ist nicht erhalten.
Aus der
Platon-Übersetzung
Die Nachbildungen, die in Bd. 1/1, 1804 und II/l, 1805 erschienen, sind alle in Stolpe entstanden, d.h. im gleichen Arbeitszusammenhang mit den Übersetzungen aus der Anthologia Graeca (s. Solon V, Simonides XI!). Die Nachbildungen aus II/2,1807, sind in Halle entstanden zu denken, die in II/3, 1809 und III, 1828 in Berlin. Siehe dazu allgemein die Darstellung in dem Kapitel ,Poetische Nachbildungen in der Platon-Übersetzung' ! Die Herkunft von Text 1 und 2 ist unbekannt. Schleiermacher führte Text 1 auf Piaton selbst zurück (1/1, S. 375). Zu 3: Zur Besprechung dieses Epitaphs auf Midas den Phrygier - das bei Brunck T.I, S. 76; Jacobs T.I, S. 175; Beckby Bd. II, S. 97 steht - s. das genannte Kap. Nach Beckbys Kommentar (S. 577) sind unter der ,ehernen Jungfrau' Sphinx oder Sirene zu verstehen. 75
76
Die bei Rauch: Tabulae S. 56 Nr. 6-7, S. 64 Nr. 277 und S. 70 Nr. 510 genannten Ausgaben des Plutarch waren mir nicht erreichbar. Wirth (1963) S. 101; vgl. den Quellennachweis S. 223
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Editorischer und kommentierender Teil
Die Anthologia Graeca nennt Kleobulos von Lindos als Verfasser. Diesen Kleobulos von Lindos erwähnt Schleiermacher in dem Kommentar zum ,Protagoras': Wenigstens besizen wir noch ein allgemein dem Simonides zugeschriebenes und diesem hier in Sprache und Manier unverkennbar ähnliches Gedicht, welches sich eben so polemisch auf das im Phädros angeführte Epigramm des Kleobulos bezieht, der ja selbst auch zu den Sieben gehörte (von denen Piaton 343 c spricht) (1/1, S. 234; mit Angabe im Kommentar S. 393: „S. Brunckii Anal. I, 122, X").
Dieses Gedicht des Simonides hat Schleiermacher nirgends übersetzt, aber das folgende Skolion anläßlich des ,Gorgias' (II/l, s. 471 - s. oben Simonides XI mit Kommentar). Zu 4 bis 6: Der erste, ungeschickt übersetzte Text wird im ,Kratylos', nachdem Sokrates über den Mythos von Kronos und Rhea gesprochen hat (402 b.c), auf Orpheus zurückgeführt (II/2, S.55; 2. Aufl. S.58). DielsKranz buchen ihn unter die Fragmente der Vorsokratiker77. Schleiermacher vermutet in seinem Kommentar einen Zusammenhang mit den orphischen Hymnen: „Die Orphische aber mag wol der Anfang sein des Hymnos auf den Okeanos", mit (fehlerhaftem) griechischem Zitat zweier Verse und deren Übersetzung (S.463, 2. Aufl. S.479). Diese Vermutung ist unzutreffend; der Hymnus auf Okeanos ist, wie eine moderne Ausgabe zeigt 78 , selbständig. An anderer Stelle (II/3, S. 497) nennt Schleiermacher die Orpheus-Ausgabe von Gesner (1764); als Quelle denkbar ist auch die bei Rauch: Tabulae S. 61 Nr. 154 aufgeführte Ausgabe von Gottfried Hermann (1805), die auf Gesner fußt. Zu dem von Piaton im ,Philebos' (66c) auf Orpheus zurückgeführten Zitat weist Schleiermacher auf V.379 in der Ausgabe von Gesner und auf den anders lautenden Text bei Plutarch. Zu 7 bis 12: Bei den Nachbildungen aus der ,Politela' handelt es sich, neben einer anonymen Zeile, um einen Text des Pindar und vier Texte von Aischylos. Zu Text 7 (362 a.b) s. die Bemerkungen in dem Kap. über die poetischen Nachbildungen. Schleiermacher gibt in seinem Kommentar (S.534f) selbst den Hinweis auf die Quelle: Aischylos ,Sieben gegen Theben' 79 . Zu Text 8 (365 b) notiert er (S. 535): „Bei Boeckh das 232ste Fragm.", er bezieht sich damit auf die grundlegende Pindar-Ausgabe seines Schülers und Freundes August Boeckh, die er - wohl als Gabe des Autors - als „schöne(n) Lederband mit Goldleisten" besaß 80 . Das von 77 78 79
80
Diels-Kranz (1951) S. 6 Quandt (1955) S. 55 Nr. 83 Nach Rauch: Tabulae S. 61 Nr. 130 besaß Schi, als Ausgabe „Aeschylus ed. Tauchnitz. Lips. 1819". Rauch: Tabulae S. 59 Nr. 65-67. Siehe Boeckhius: Pindari Opera II/2, S. 670f Nr. 129.
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
141
Boeckh erschlossene Versmaß hat er nicht nachgeahmt. Text 9 (380a) ist, wie Schleiermacher weiß (S. 539), aus der verlorenen ,Niobe' des Aischylos81. Den langen Text 10 zitiert Piaton, um zu zeigen, wie von Göttern nicht geredet werden soll (383b), nämlich nicht so anthropomorph wie von Homer oder hier Aischylos, der Apollon die Göttin Thetis bei ihrer Hochzeitsfeier in der angeführten Weise preisen läßt. Schleiermacher notiert dazu: Daß die Verse des Aischylos am Ende des Buches aus dessen Psychostasia sind, welche nach Plutarchos ganz eigen diesen Gegenstand, die Lebensloose des Achilleus und Hektor, behandelte, ist wol sehr wahrscheinlich (S. 540)
Nauck: Fragmenta S. 105 Nr. 350 sammelt die Stelle aber nicht unter der ,Psychostasia', sondern unter ,Incertarum Fabularum Fragmenta'. Schleiermacher hat die Señare als sechsfüßige Jamben mehr schlecht als recht übersetzt; die Endbetonung in V.4 und 6 ist äußerst ungeschickt. Der Hexameter in Text 11 (390e) ist - nach Rufener 82 - von Suidas dem Hesiod zugeschrieben worden. Schleiermacher schreibt in seinem Kommentar: Dieser Vers ist nicht homerisch, auch weiß niemand bestimmt anzugeben wohin er gehört, sondern nur daß er von Vielen für hesiodisch gehalten wird., Wenn man aber bedenkt, wie er hier mitten unter homerischem steht ( . . . ) so sollte man fast glauben, Piaton selbst habe ihn wenigstens durch einen Gedächtnissfehler für homerisch gehalten ( . . . ) (S. 542f.)
Zu Text 12 s. das Kap. ,Poetische Nachbildungen'!
81 82
s. Nauck: Fragmenta S. 52 Nr. 156 (1973) S. 650
Die Charaden Die
Überlieferung
Die literatursoziologischen Erwägungen zur Gattung der Charade (s.S. 77ff) erklären auch die häufige Anonymität und Pseudonymität ihrer Überlieferung: für den geselligen Augenblick geboren, haftet ihnen keine dauerhafte individuelle Autorschaft an, verwischt sich ihre Herkunft. So kommt es zu der häufig nachweisbaren Tatsache, daß Rätseldichtungen ohne oder unter falschem Verfassernamen tradiert werden. 1 Und wenn „jedes feinere Räthsel unbekannter Herkunft" ohne weiteres auf Schleiermacher zurückgeführt wird 2 , so unterliegt auch die mündliche Überlieferung seiner Rätsel und Charaden dem Verdacht, als res nullius einem berühmten Namen zugewachsen zu sein. Dieser Verdacht läßt sich - wenn auch nur für einen kleinen Teil des Materials - beweisen. Der Herausgeber der ,Räthsel und Charaden' Schleiermachers von 1874 fügte den zu Lebzeiten des Verfassers gedruckten Charaden „auf Grund mündlicher Überlieferung" 10 Charaden hinzu; diese Sammlung vermehrte er mit Hilfe der „freundlichen Theilnahme, die dem Büchlein von so vielen Seiten entgegengebracht wurde" 3 , in der dritten Auflage von 1883 auf 21. Dabei tilgte er freilich stillschweigend eine Charade, die er wohl Schleiermacher nicht mehr zusprechen mochte 4 . Die Charade Nr. 14 ist der Absenker einer von Karl Müchler in seinem ,Taschenbuch zur geselligen Unterhaltung auf das Jahr 1811' gedruckten und dann 1812 im ,Deutschen Räthselbuch' wiederholten
1 2 3 4
Vgl. Arnold (1928); Schupp (1972) S. 424! Rez. Dove (s. o. S.80 Anm. 18) RCh3. Aufl. S. 5 Es ist die Charade Nr. 5 - also mitten in der Reihe - RCh 1. Aufl. S. 47: „Ich sitze oft in mir / Um meiner selbst zu pflegen / Und bin dann um mich selbst / Recht herzlich oft verlegen" (Lösung: Rath). Ein versehentliches Auswechseln dieser Charade ist wegen der Reihenfolge ausgeschlossen, d. h. sie muß - da der wirkliche Verfasser bisher nicht nachgewiesen werden konnte - als apokryph gelten. (Letzter Nachdruck: Schupp, 1972, S. 162)
Die Charaden
143
Charade5, die Nr. 7 ist die Neufassung einer 1808 in der ,Sphinx' und 1812 im ,Deutschen Räthselbuch' veröffentlichten anonymen Charade6. Die neue Nr. 5 der 3. Auflage wurde 1919 aus Paul Heyses Nachlaß und als dessen Eigentum herausgegeben - es muß offenbleiben, ob mit Recht 7 . Dieser Nachweis wenigstens dreier pseudonymer Werkchen in der Charaden-Sammlung fordert gegenüber der mündlichen Überlieferung zumindest zur Zurückhaltung auf 8 , zumal eine weitere Wucherung belegbar ist9. In die vorliegende Arbeit wird die mündliche Tradition deshalb nur als Anhang aufgenommen. Die Überlieferung der Druckfassungen sieht nur auf den ersten Blick einfacher aus. Der anonyme Herausgeber der abschließenden Anthologie schreibt: „Von den in der hier gebotenen Sammlung enthaltenen sind die 5
Müchler's Taschenbuch S.79; ,Räthselbuch' S.353 Nr. 740: „Der Mensch, durch regen Fleiß, Geschicklichkeit und Kraft / Mein erstes Sylbenpaar aus meiner Letzten schafft; / Und wenn sein Werk gelingt, so triffst du sicher dann, / Was ihm noch übrig bleibt, in meinem Ganzen an" (Lösung: Buttermilch). RCh 3. Aufl. S. 56 Nr. 14: „Der Mensch mit regem Fleiß, mit Thätigkeit und Kraft / Aus meinem Letzten die zwei Ersten schafft; / Und wenn es ihm gelingt, was er mit Eifer treibt, / So ist sein Ganzes das, was ihm noch übrig bleibt". Zu Karl Friedrich Müchler vgl. die Angaben bei Schupp (1972) S. 341. Das ,Taschenbuch' erschien auch unter dem Titel: Räthsel, Charaden und epigrammatische Scherze, Berlin 1811.
6
,Sphinx' S. 167 Nr. 204 (textgleich ,Räthselbuch' S. 419 Nr. 892): „Wißt vom Ganzen, das kein Rittersmann, / Ja, kein Reiter wohl entbehren kann, / Zeigt mein Erstes euch nur schmale Pfade; / Doch mein Zweites bürgt für süße Kost, / Fesselt Bacchus, und verkündet Frost. / Aus dem Ganzen, was Apollons Gnade / Selten gut heißt, macht' ich die Charade" (Lösung: Stegreif) (im Textteil „von ungenannten Verfassern"). RCh 3. Aufl. S. 49 Nr. 7: „Als der Reiter aus der Ersten / Auf die Erde fiel, / Sank er in dem hohen Grase / In die Zweite thauig kühl; / Und dann macht' ich ohne Gnade / Aus dem Ganzen die Charade".
7
Westermanns Monatshefte Bd. 125 (1919) S. 564 (vgl. den Hinweis bei Arnold, 1928, S. 232). Die drei ersten Zeilen sind textgleich, die vierte lautet statt „Doch hoffe nicht zu sehr" bei Heyse: „Doch täuscht es manchmal sehr".
8
Diesem Kriterium unterliegen die in Hs i bezeugten Rätsel, aber auch die in den Sammlungen fehlende, gewiß „echte" Charade, die Gustav Parthey überliefert: „Bei einer Mittagsgesellschaft wendet sich Schleiermacher an meinen Oheim, den Arzt [Heinrich] Kohlrausch, mit der Frage: Was ist das? Das erste macht Leibweh, das zweite macht Kopfweh, das ganze heilt beides" (1907, S. 230). Die Lösung entspricht dem Namen des Angesprochenen. Freund (1885) druckt 37 Rätsel unter dem Namen Schleiermachers, wovon 2 (S. 88 Nr. 260; S. 99 Nr. 304) in RCh oder sonstwo nicht nachzuweisen sind. Nr. 260 stammt aber nach dem Nachweis Arnolds (S. 231) von Friedrich Rückert, so daß auch für die andere ein Irrtum des Hg. anzunehmen ist, zumal die Ausgabe von falschen Zuweisungen nur so strotzt. - Kennzeichnend für die Fluktuation der Namen ist Arnolds Nachweis, daß Charaden Schleiermachers neben dem schon genannten P. Heyse auch unter den Namen K. F. Gottschalk und Paula Dehmel publiziert worden sind (S. 231f).
9
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Editorischer und kommentierender Teil
ersten siebenundzwanzig Charaden bereits bei Schleiermacher's Lebzeiten gedruckt", er führt unter der Überschrift „Bereits gedruckt in Taschenbüchern, Musen-Almanachen und Zeitschriften" aber 29 Charaden auf 10 ein Versehen (?), das nicht mehr erklärt werden kann. Zu den Druckorten kann z.Zt. folgendes gesagt werden: Schleiermacher hat offenbar im letzten Jahrzehnt seines Lebens zweimal eine - und zwar merkwürdigerweise eine zu Zweidritteln identische - Sammlung seiner Charaden herausgegeben, die dann mehrmals nachgedruckt wurde. Der erste Druckort aus der ersten Hälfte der 20er Jahre hat sich bisher noch nicht identifizieren lassen - die Quelle sei ,Unbekanntes Taschenbuch' (UT) genannt. Sie muß 14 Charaden enthalten haben. 1829 gab Schleiermacher dann 27 Charaden in den von Amadeus Wendt herausgegebenen ,Musenalmanach für das Jahr 1830' ( = M u ) n . In diesen 27 Charaden sind alle 14 in UT erschienenen enthalten, jedoch nur einmal mit identischem Text, sonst - z.T. erheblich - abgeändert. Der Grund für die, wenn auch variierte, Neuaufnahme des bereits gedruckten Rätselgutes ist unbekannt. Die Nachdrucke der Charaden nach dem Tode Schleiermacher lassen sich auf diese beiden Druckorte zurückführen: F. G. Kühne nahm in seinem „Lebensbild" Schleiermachers für das .Deutsche Taschenbuch auf das Jahr 1838' (=DTb) die Überlieferung aus UT auf 12 , Ludwig von Lancizolle 1854 in seinem Buch ,Ideen, Reflexionen und Betrachtungen aus Schleiermachers Werken' (=La) die aus Mu 13 . 1874 faßte ein ungenannter Herausgeber die bisherigen Drucke zusammen in einem Büchlein ,Schleiermacher's Räthsel und Charaden' (=RCh), das drei Auflagen erlebte 14 . Dabei vereinigte er beide Zweige in der Weise, daß er den Text von DTb unter der Überschrift „Varianten" (=Var) abdruckte, wo dieser von Mu abwich 15 . Die Unterschiede zwischen Mu, La und RCh erklären sich als Druckvarianten. Als ein später Trieb dieser Sammlung ist die Edition dreier weiterer 10 11
12
13 14
15
RCh 3. Aufl. S. 5 und 7. Von einem Druck in „Zeitschriften" ist nichts bekannt. Leipzig o. J., S. 262-273. Der Almanach wurde im Sept. 1829 ausgeliefert (s. Kossmann, 1909, S. 5). F. G. Kühne: Friedrich Schleiermacher. Ein Lebensbild (S. 3-60, hier S. 51-54). Nachgedruckt in: F. Gustav Kühne: Porträts und Silhouetten I (1843) S. 1-39 (hier S. 33f). Zu Ferd. Gustav Kühne s. A D B 51, Leipzig 1906, S. 431^135 sowie Pierson (1889). Berlin (Verlag G. Reimer) S. 267-274 Berlin 1874, Verlag von Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung). Wichtig ist die ,Dritte vermehrte Auflage mit einem Anhange von Räthseln und Charaden Ph. Buttmann's', Berlin 1883, wo auf S. 6 die Druckorte - leider fehlerhaft - aufgeführt sind. S. 53-55, 3. Aufl S. 65-68
Die Charaden
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Charaden anzusehen, die Georg Hirzel, ein Enkel G. Α. Reimers, 1894 aus der Familientradition vornahm 16 . Daß es bisher nicht gelang, den ersten Druckort aufzufinden, liegt an den ungenauen Quellenangaben. Der anonyme Herausgeber der großen Sammlung gibt als seine Quellen neben dem ,Musenalmanch f.d.J. 1830' an das ,Taschenbuch zum geselligen Vergnügen', Leipzig 1825. Unter diesem Titel erschienen in dem betreffenden Jahr zwei Leipziger Taschenbücher, nämlich das »Taschenbuch zum geselligen Vergnügen auf das Jahr 1825', ohne Herausgeber, Leipzig bei Joh. Friedrich Gleditsch 17 , und ,W. G. Becker's Taschenbuch zum geselligen Vergnügen. Herausgegeben von Friedrich Kind. Auf das Jahr 1825', Leipzig bei Georg Joachim Göschen. Aber in beiden Taschenbüchern findet sich weder in dem angegebenen Jahrgang noch in den vorhergehenden oder folgenden Jahrgängen eine Zeile von Schleiermacher 18 ! Woher stammt dann diese Angabe? Sie ist wohl ohne eigene Nachprüfung erschlossen aus dem allgemeinen Hinweis im ,Deutschen Taschenbuch auf das Jahr 1838', wo es heißt: „ . . . die Charaden, gesellschaftliche Improvisationen aus dem Jahre 1807, fanden sich vor vierzehn bis sechszehn Jahren in einem Leipziger Taschenbuch" 19 . Diese Angabe des Druckortes war zu ungenau, als daß ich ihn hätte ermitteln können. An dieser Stelle drängt sich ein Verdacht auf: Wenn ein Herausgeber seine Quelle so ungenau angibt, dann hat er sie offenbar selber nicht genauer gekannt, u.U. nur erschlossen. Woher aber könnte F. Gustav Kühne 2 0 dann sein Material haben? Die Antwort auf diese Frage kann nicht zweifelhaft sein: von Varnhagen von Ense! Zu den Schleiermacheriana, die Varnhagen sammelte, gehören auch Charaden, Epigramme und Übersetzungen aus der Anthologia Graeca (s. die Beschreibung der Handschriften g und k); seine Sammlung deckt das von Kühne im .Deutschen Taschenbuch auf das Jahr 1838' abgedruckte Material vollständig ab, und zwar mit einem besseren (älteren) Text. Die Charaden-Handschrift g enthält die Datumsnotiz „Halle 1807"; eine Angabe, die auch Kühne bringt. (Ebenso könnte die allgemeine, gleichfalls nicht verifizierbare Rückführung der Epigramme und Übersetzungen bei Kühne auf einen Almanach „vor dreißig Jahren" aus der Jahresangabe 1806 auf Hs k gefolgert sein.) Diese Übereinstimmungen könnten, müssen aber nicht Zufall sein. Kühne hat mit Varnhagen nachweislich über seinen geplan16 17
18
19 20
Siehe den Kommentar zu Nr. 30-32! Nach anderer Quelle (Hamberger/Meusel: Das Gelehrte Teutschland Bd. XXI, S. 473) war von 1821-1825 Amadeus Wendt der Herausgeber des Gleditsch'sehen Taschenbuches, das dann 1826-1829 unter dem gleichen Titel im Leipziger Verlag Voß unter der Herausgeberschaft von Ferdinand Philippi erschien. Ich prüfte von Becker's Taschenbuch die Jgge. 1804-1833, vom Taschenbuch bei Gleditsch die Jgge. 1821-1825, bei Voß die Jgge. 1826-1829. a . a . O . , S.49f Zu Kühne vgl. oben Anm. 12.
146
Editorischer und kommentierender Teil
ten Aufsatz korrespondiert und diesen um biographisches Material gebeten 21 . Zu diesem Material könnten durchaus die kleinen poetischen Werke Schleiermachers gehört haben. Da Varnhagen keine Quellen, sondern lediglich vermutete Jahreszahlen angibt, wäre Kühne auf eigene Kombinationen angewiesen gewesen. Daraus folgt, wenn diese Vermutung zurecht besteht: Kühnes Angaben sind Fiktion! Damit wäre die nur schwer erklärbare, merkwürdige Doppelung der Charaden-Drucke in den 20er Jahren aus der Welt geschafft, und es wäre zugleich auch erklärt, warum die Suche nach den angegebenen Druckorten vergeblich war 2 2 .
Die umfängliche Gabe von Charaden in den Musenalmanach erklärt sich aus der Verlagsgeschichte. Als Verlag ist angegeben: Weidmannsche Buchhandlung G. Reimer Leipzig. Darin spiegelt sich, daß Schleiermachers Freund Georg Andreas Reimer 1822 die Weidmannsche Buchhandlung in Leipzig übernommen hatte und von seinem Sohn Karl und seinem späteren Schwiegersohn Salomon Hirzel leiten ließ (die 1832 gemeinsam die Besitzer wurden) 23 . Der verlegerische Plan war nun, die alte Tradition der poetischen Almanache auf hohem Niveau neu aufzunehmen und in einem ausschließlich der Poesie gewidmeten Jahrbuch „in die Fusstapfen der noch mit Ruhm genannten Musenalmanache" zu treten 24 . Als Herausgeber wurde Amadeus Wendt gewonnen, der bereits editorische Erfahrungen mitbrachte 25 ; nach Wendt gaben ab 1833 Adelbert von Chamisso - der bereits in Halle zu Schleiermacher Beziehungen geknüpft hatte 2 6 - und Gustav Schwab das nun ,Deutscher Musenalmanach' genannte Taschenbuch heraus. Sicher wurde Schleiermacher als berühmter Gelehrter und bekannter Name von den jungen Verlegern um einen Beitrag angegangen; und er fand sich in illustrem Kreise wieder: der ,Musenalmanach' beginnt mit einem umfänglichen Poem Goethes, er enthält weiterhin Gedichte von Chamisso, Hoffmann von Fallersleben, Immermann, Kleist, Platen, Riemer, Rückert, Friedrich Schlegel, Schwab und (Schleiermachers Freund) de Wette. Es wurde das programmatische 21
Varnhagens Briefe an Kühne sind nicht bekannt. Die Briefe Kühnes befinden sich im Varnhagen-Nachlaß (s. Stern, 1911, S. 432). In den Briefen vom 28.1.1837 und 15.2.1837 dankt Kühne für Mitteilungen über Schleiermachers Biographie, die er für den Aufsatz im D T b nutzen wolle, erwähnt aber keine poetischen Werke. (Freundlicher Hinweis von Wolfgang Virmond, der im Dez. 1983 den V.-Nachlaß in Krakau einsah.) Die Briefnotizen liefern also keinen direkten Beweis für die obige Vermutung.
22
Zu der verbleibenden Frage nach den möglichen Vorlagen Varnhagens vgl. die Beschreibung der Hss g und k!
23
Vgl. Reimer (1900) S. 37; Roller (1924) S. 15.
24
So im gedruckten Einladungsschreiben vom Sept. 1828 (bei Kossmann, 1909, S . 3 f ) .
25
Zu Wendt s. Anm. 17 und Kossmann (1909) S. XV.
26
S. Schleiermachers Br. an Varnhagen v. 17. Nov. 1806 (Briefe v. d. Universität S. 343/M II, S. 73)
Die Charaden
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Bestreben deutlich, ältere und jüngere Dichter der romantischen Schule zu versammeln und in dem so geschaffenen gemeinsamen Organ die Seichtheit der vielen anderen Taschenbücher zu vermeiden; der Almanach erreichte - jedenfalls zu Beginn - ein Niveau wie lange nicht mehr 27 . Anerkennend heißt es in einer Recension: Der umsichtige Redacteur hat mit Ausnahme weniger die bedeutendsten Namen, welche jetzt den deutschen Parnaß zieren, oder unlängst noch schmückten, für sein Unternehmen zu gewinnen gewußt und ihrer nicht unwerth mögen, im Allgemeinen die Gaben erachtet werden, welche das Büchlein hier zum Kranze geschlungen bietet 28 .
Zu den „unlängst noch" den Parnaß schmückenden Dichtern gehört der am 12.1.1829 gestorbene Friedrich Schlegel, dessen Gedicht „Das wunderbare Bild von der heiligen Verkündigung in Florenz" posthum gedruckt erscheint 29 . Es muß Schleiermacher seltsam berührt haben, daß er 30 Jahre nach dem ,Athenaeum' noch einmal mit Friedrich Schlegel in einer Zeitschrift stand! Die Charaden Schleiermachers erhielten, wie stets, höchstes Lob: „sinnigere, schönere Räthselspiele als sie Schleiermacher hier uns bietet, sind wohl selten seit Schiller gedichtet worden", urteilt der schon zitierte Rezensent 30 . Die
Handschriftenverhältnisse
Bei den Charaden liegen Überlieferungsprobleme sui generis vor, die nach der allgemeinen Diskussion der Handschriften (s. S. 86ff) - eine eigene Untersuchung benötigen. Das editorische Urteil wird dadurch erschwert, daß einerseits die Drucke weder im Text noch in der Reihenfolge mit den Handschriften übereinstimmen und daß andererseits die Autographen einen Überlieferungszweig darstellen, der weder mit den 27
Goethe gab - nach seinem Tode von Riemer vermittelt - auch für 1831 und 1833 Gedichte in den .Musenalmanach', 1831 begegnen als zusätzliche bedeutende Namen Arndt, Kerner, A.W. Schlegel, Heck, Uhland, 1832 Arnim, 1833 Eichendorff, Fouqué, Grün, Immermann, Lenau, Varnhagen. Die Reihe der für die deutsche Literaturgeschichte wichtigen Namen nimmt freilich im Lauf der Jahre ab; dem .Deutschen Musenalmanach' f. d. J. 1836 kreidet eine Rezension die „zahllose Menge von Poeten" als „charakterlos" an und fertigt ihn als „Anfänger- und Dilettanten-Almanach" ab (Literarischer Zodiacus 1835, II, S. 287). Der Tod Chamissos ließ den Jg. 1839 den letzten werden. Vgl. noch allgemein Lanckoronska/Rümann (1954) S. 45f.
28
Johann Ferdinand in ,Aurora' Nro. 14, 7. Oct. 1829, S. 109 S. 246. Wendt erhielt es über Tieck, der es „unbedeutend" fand (s. H. Eichner: KSFA Bd. V, S. CVI mit Anm. 15).
29
30
Aurora, a . a . O . , S. 111
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Editorischer und kommentierender Teil
Drucken noch mit den Abschriften von fremder Hand in direkten Bezug zu setzen ist. Einen allgemeinen Überblick über die Reihenfolge der Charaden in den verschiedenen Handschriften und Drucken gibt die unten folgende synoptische Tabelle. Die in den Handschriften erhaltenen Fassungen der Charaden Schleiermachers stehen in den Hss A , F, a, b, c, g und h. Autographen: Hs A enthält die Nummern 1 bis 17, Hs F die Nummern 18 bis 22. H s F zeigt keine, Hs A zeigt nur sehr wenige Verbesserungen; die Handschriften erweisen sich damit als Abschriften von Vorlagen. Dabei belegt die Verbesserung von „am Markt zu Halle" aus „bei uns am Markte" bei Charade Nr. 10, daß, wenn nicht die Hs A , so doch deren Vorlage (=A V ) aus der Hallenser Zeit (1804-1807) stammen muß. Abschriften: Die Abschriften sind von sehr unterschiedlicher Art. Wie bereits bei der Besprechung der Handschriften dargelegt, ist der Zusammenhang der Hss a und c mit den Autographen A und F rätselhaft. Sie sind ohne Zweifel beide mit ihnen verwandt, denn sie haben - im Gegensatz zu Mu - die gleiche Reihenfolge. Die Textfassungen aber können keine Abschriften von diesen sein. Der Text von Hs a steht g/DTb sehr nahe (s. Nr. 7.12.14 - jeweils im Gegensatz zu Hs A ) , ist aber von diesem geringfügig verschieden (Nr. 3); auch hat er Lücken. Die Nummern 18, 19 und 22 sind mit Hs F identisch; wenn sie eine Abschrift von ihr sind, warum fehlen dann die Nr. 20 und 21? D a Hs b im ersten Teil eine Abschrift von Hs A ist, sind die Nummern 1-14.16-17 aus dieser genommen und lediglich in der Orthographie gebessert. Die Nummern 18-22 stammen aus Hs F. Reihenfolge und Text stimmen, von orthographischen Änderungen und dem Nachtrag von Nr. 1631 abgesehen, überein; daß in Nr. 18 Hs b abweichend von Hs F mit Mu zusammengeht („lächelnd weinen" statt „Weinend lachen"), ist ein Lesefehler durch den Einfluß von Mu, der in der Spalte daneben aufgeführt wird ( = b2) 3 2 . Anders steht es mit Hs c. Die gleiche Reihenfolge und die Tatsache, daß mit einer Ausnahme nur Charaden enthalten sind, die im Gedichtheft stehen, erweist die Nähe zu Hs A. D e r Text aber kann keine Abschrift von dort sein. Er entspricht vielmehr häufig Mu (Nr. 1.5.6.11.12.16-18), unter31 32
s. den Komm. z. St. s. die Beschreibung der Hs b.
Die Charaden
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scheidet sich jedoch mehrfach auch von diesem (Nr. 7.10.14), und zwar so, daß er älter sein muß als dieser. Das zeigt sich daran, daß in Nr. 10 Mu „In vielen Städten" hat, Hs c jedoch „am Markt zu Halle". Nr. 12 kann keine Abschrift der Druckfassung von Mu sein, da in diesem Falle der Lesefehler „Huldigungen" statt „Hundejungen" nicht verständlich wäre. Hs c geht also deutlich auf eine Vorstufe von Mu zurück. Nr. 12 und 17 sind aber sonst identisch mit Mu, ihre Textform hat keine Parallelen in den anderen Handschriften. Nr. 14 hat nirgendwo eine Parallele, Nr. 7 ist mit Hs A identisch, Nr. 10 steht zwischen A und Mu. Merkwürdigerweise wird mit Nr. 18 der Bereich von Hs A überschritten, der Text ist dabei gegen Hs F identisch mit Mu. Hs c ist also ein eigener Überlieferungszweig, dessen Eigenart wohl am besten als ,Mischtext' bezeichnet wird. Drucke: Mu ist von den Hss A und F in Reihenfolge, Text und Umfang ganz und gar verschieden; die Textfassungen sind deutlich später. Man muß annehmen, daß Schleiermacher die bereits vorhandenen Texte zusammenstellte und für den Druck umformte, ohne daß noch festgestellt werden kann, wie seine Vorlagen ausgesehen haben, d.h. in welchem Verhältnis diese zu den im Nachlaß erhaltenen Autographen A und F bzw. den relevanten Abschriften a, c, g stehen. Für den bei Mu über A F hinausgehenden Stoff wird eine eigene kleine Sammlung vorausgesetzt werden können. Die völlige Umstellung der Reihenfolge kann nicht mehr erklärt werden. DTb beruht auf einer Hs gemäß Hs g, wobei Nr. 1 zeigt, daß Hs g den besseren Text hat. g/DTb beschränken sich auf den Stoff von Hs A, zu der eine große Nähe besteht. Der Text ist häufig identisch (Nr. 2-6. 8-11. 13) oder ähnlich (Nr. 14), jedoch auch mehrfach verschieden (Nr. 1. 7. 12). Dabei scheint es, als seien g/DTb älter als Hs A, denn in Nr. 10 gleichen sie dem dort gestrichenen Text, bei Nr. 12 ist er diesem zur Hälfte gleich, Nr. 1 und 7 sehen älter aus. Weil g/DTb die Nummern 15-17 nicht enthalten, muß für das Entstehen von Hs A noch eine kleine Dreier-Quelle vorausgesetzt werden. Da die betreffenden Nummern mit etwas dunklerer Tinte in Hs A eingetragen worden sind, legt sich ihre Eigenständigkeit von vornherein nahe. Von diesen drei Charaden ist nur eine (Nr. 17) in gänzlich veränderter Gestalt in Mu gekommen. Einen Stammbaum für die erörterten Handschriften und Drucke aufzustellen, ist nicht ratsam, da dieser mit zu vielen hypothetischen Zwischenstufen arbeiten müßte. Doch erlauben die verschiedenen Fassungen von Nr. 10 eine relative chronologische Einordnung der Texte in drei Gruppen.
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Editorischer und kommentierender Teil
Die erste Stufe wird durch den Text „bei uns am Markte" gebildet, der noch in Halle geschrieben sein muß. Ihn haben der unverbesserte Text von Hs A (=A V ), DTb, Var33 sowie die Hss a und g. Die zweite Stufe heißt „am Markt zu Halle". So schreiben der gebesserte Text von Hs A, Hs c und Hs b. Als dritte Stufe schließlich schreibt Mu „In vielen Städten". Die Reihenfolge sieht also aus: 1. Stufe: Av, DTb=Var, a, g 2. Stufe: A, b, c 3. Stufe: Mu Hs F muß vor Hs a liegen, gehört also zeitlich in die erste Stufe. Eine genauere Datierung ist nicht möglich. Synoptische Tabelle der Reihenfolge der Charaden in den verschiedenen Handschriften und Drucken: HsF
-
1 2 3 4 5 6 7 -
8 -
9 10 11
Hsb1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Hsc 1 -
2 3 4 -
5 6 7 8 -
9
Mu= Hs h 1 7 2 2 24 21 20 27 8 8 26 1 1 25 22 18 4 4 23
-
-
-
-
-
-
21 15 16 17 18 19 20
12 10 11
-
-
-
18(1) 19(2) 20(3) 21(4) 22(5)
33
Hsa
12 13 -
14
-
3 17 16 10 15 13 (23) 5 (24) 6 (25) 9 (26)11 (27)12 (28)14 (29)19
3 -
5 6 9 -
In der 1. Aufl. „bei uns dem Markte" (S. 55), in der 3. gebessert (S. 68).
gl DTb1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
II
Hs A 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17
+ + + + +
+ + +
+ + +
+
Die Charaden
Druckanordnung
und
151
Apparatgestaltung
Über das zu Beginn der Arbeit grundsätzlich zur Methode der Textherstellung Gesagte hinaus muß bei der Kompliziertheit des Falles noch folgendes hinzugefügt werden: Meiner textkritischen Regel gemäß drucke ich nur den autograph überlieferten Text (in der Reihenfolge Hs A - Hs F) und die über die handschriftliche Überlieferung hinausgehenden autorisierten Texte aus Mu, nicht jedoch die sog. mündliche Überlieferung. Eine Ausnahme machen die von Hirzel herausgegebenen drei Charaden, da deren Authentizität gleichfalls nicht zu bezweifeln ist. Der erste Apparat (I) enthält wie üblich die getilgten oder verbesserten Stellen des Textes. Da die textkritische Analyse die Priorität von g/DTb und Hs a vor Hs A ergeben hat, ist für diese Fassungen ein eigener Apparat nötig (II). Ein dritter schließlich sammelt den Text von Hs c, b sowie Mu und seinen Derivaten (LA). Bei den sekundären Handschriften bzw. Drucken verzeichne ich nur die Lesarten, nicht aber die orthographischen Unterschiede und Satzzeichen. Sie wurden bei der Analyse der Abhängigkeiten genutzt, sind aber für die Textherstellung unerheblich. Jeder Schreiber und Drucker hat Schleiermachers eigenwillige Orthographie (wol, Glük u.ä.) und Zeichengebung verbessert. Das gilt mutatis mutandis auch für DTb/g und Hs a. Es genügt hier der Hinweis, daß DTb im Unterschied zu Schleiermacher „Erstes" und „Zweites" groß zu schreiben beliebt, Hs a aber „ganzes" klein. Kommentar Nr.l DTb bezahlt die Parallelität des Satzbaus mit Unanschaulichkeit. Der Text fehlt in Hs a, er steht in RCh als Nr. 7 auf S. 1534. Die Auflösung ist,Brustbild'. Nr. 2 Charitinnen sind Grazien, griechische Göttinnen der Anmut, Heiterkeit und Lieblichkeit. Der Text fehlt in Hs c, er steht in RCh als Nr. 2 auf S. 10. Die Auflösung ist,Tanzbär'. Nr. 3 Der Text dieser nettesten Charade Schleiermachers fehlt in Hs c; er steht in RCh als Nr. 24 auf S. 34. Oie Auflösung ist ,Brautschatz'. 34
Ich führe jeweils die Seitenzahl der 3. Aufl. an. Die Auflösungen stehen dort auf S. 99.
152
Editorischer und kommentierender Teil
Verkürzt und leicht verändert, aber doch wohl ein Absenker der Schleiermacherschen Charade, erscheint ein anonymer Zweizeiler mit der gleichen Lösung in dem 1812 in Halle und Berlin herausgekommenen ,Deuts c h e ^ ) Räthselbuch' 35 : Wohl dem, dem mein E r s t e s so sehr mein Z w e i t e s ist, Daß er über mein E r s t e s mein G a n z e s vergißt. Nr. 4 Der Text fehlt in Hs c, er steht - völlig verändert - in RCh als Nr. 21 auf S. 31. Die Auflösung ist ,Hochmuth'. Nr. 5 Der Text steht in RCh als Nr. 20 auf S. 30. Die Auflösung heißt,Taschendieb'. Nr. 6 DTb stimmt hier mit Mu überein (so daß Var fehlt). Der Text steht in RCh als Nr. 27 auf S. 37. Schleiermacher darf bei seinen Ratern die Kenntnis des Mythos von Daphne und Apollon voraussetzen:· die männerscheue Nymphe flieht den sie verfolgenden Gott, auf ihr Flehen hin nimmt die Erde sie in ihren Schoß auf und läßt an ihrer Statt einen Lorbeer sprießen. Die Lösung heißt ,Lorbeerkranz'. Nr. 7 Es fällt auf, daß Hs c diesmal mit Hs A identisch ist. Hs a geht wie üblich nach DTb. Wie bei Nr. 10, so kann auch bei diesem Beispiel eine Stufung der Fassungen erkannt werden: die persönliche Ansprache („Euer Blut") in DTb/g und a ändern A und c ins Unpersönliche („braver Männer Blut"), Mu greift wieder auf DTb zurück und kennt die Fassung der Hs A ersichtlich nicht. Damit bestätigt sich die in der textkritischen Analyse gewonnene Einsicht in die Abhängigkeitsverhältnisse. Die verschiedene Schreibweise Gluth/Glut steht so in der Handschrift. Der Text findet sich in RCh als Nr. 8 auf S. 16. Die Lösung ist,Weinglas'.
35
Räthselbuch S. 269 Nr. 567. Diese Fassung hat 1836 K. Friedrich Gottschalk als Eigentum beansprucht (s. Arnold, 1928, S.231f).
Die Charaden
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Nr. 8 Diese Charade fehlt in Hs c. Auch hier hat Hs g einen besseren Text als DTb, dessen Fassung verlesen und verstümmelt ist. In RCh steht der Text als Nr. 26 auf S. 36. Das gesuchte Wort heißt ,Morgenröthe'. Nr. 9 Nr. 9 fehlt in Hs a. Der Text steht in RCh als Nr. 1 auf S. 9. Die Auflösung lautet ,Wachslicht'. Nr.10 Am Beispiel der Fassungen dieser Charade habe ich die relative Chronologie der Handschriften ermittelt. Der Text steht in RCh als Nr. 25 auf S. 35. Das Lösungswort ist ,Trauring'. Nr. 11 Schleiermacher verzichtet auf den Reim und dichtet Hexameter. Die Charade fehlt in Hs a. In RCh steht der Text als Nr. 22 auf S. 32. Die Lösung ist ,Wallnuß'. Das ist in Hs c mit fremder Schrift eingefügt. Nr. 12 Der Text in Hs A ist gebessert, A v zeigt dabei eine Nähe zu DTb/g und a. Die Lesart „Huldigungen" in Hs c zeugt von völligem Mißverständnis, beweist aber zugleich, daß diese Handschrift keine Abschrift nach dem Druck von Mu sein kann. Die Charade steht in RCh als Nr. 18 auf S. 28. Die Lösung ist ,Spitzbube'. Eine erstaunliche Ähnlichkeit, ohne nachweisbare Abhängigkeit, hat Karl Müchlers Charade in dem ,'Taschenbuch zur geselligen Unterhaltung auf das Jahr 1811' (S.80): Mein Ganzes mach drei Sylben kund, wer rechtlich denkt, kann mich nicht leiden; es ist die erste Sylb' ein H u η d, ein J u n g e sind die letzten beiden, und alle drei in einem Bund, zu einem Schimpfwort eng verschlungen, sind schlechter noch als H u n d e j u n g e n .
Nr. 13 Der Text fehlt in Hs c. Die Lesung „erfreit" ist für das ei eindeutig, sonst gibt das Wort manche Rätsel auf. Hs b 1 - die Abschrift von Hs A - und die
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Editorischer und kommentierender Teil
anderen Quellen lesen „erfreut" bzw. „freut". Das ei wird weniger eine Dialekteigentümlichkeit sein als ein Versehen unter dem Zwang des Reimes. - Vielleicht ist in Zeile 4 statt „d(a)ß" „h(a)lt" zu lesen. Alle Zeugen, auch Mu und La, stimmen mit Hs A überein, nur RCh ändert den vierten Vers. Nr. 13 steht in RCh als Nr. 4 auf S. 12. Die Auflösung heißt ,Flugschrift'. Nr. 14 Die Charade ist wie Nr. 11 in Hexametern geschrieben. Der Text steht in RCh als Nr. 23 auf S. 33. Das gesuchte Wort heißt ,Wieland'. Wieland gab ein beliebtes Rätselwort ab; im ,Deutsche(n) Räthselbuch' von 1812 finden sich drei Charaden und ein Logogryph mit dieser Lösung. Mit dieser Charade endet das Überlieferungsgut, das im DTb zum Druck gefunden hat. Nr. 15 Diese Charade steht nur in Hs A, sie ist sonst nirgends überliefert. Hs b1, die sich auch hart mit der Entzifferung von Nr. 16 tut (s.u.), hat sie offenbar nicht lesen können. Die Lösung ist ,Komma'. Schleiermacher nutzt das Wortspiel, daß ein Kompliment macht, wer „Kompliment" sagt. Nr. 16 Diese Charade fehlt in Hs a und Mu. Hs b, die Abschrift von Hs A, hat den Text offenbar nicht gleich entziffern können, denn sie trägt ihn erst anschließend an die Abschriften von Hs A und Hs F nach. Warum auch Hs c Nr. 16 hinter den Nummern 17 und 18 hat, vermag ich nicht zu erklären. Mit diesem Text beginnt die letzte Seite von Hs A. Die Überschrift „1.2" ist unverständlich. In Hs b ist mit Bleistift die Lösung vermerkt: ,Marktschreier'. Nr. 17 Die letzte Charade der Hs A fehlt in Hs a. In Hs c und in den Drucken ist sie in einen Vierzeiler umgeformt worden. Als solcher steht sie in RCh als Nr. 3 auf S. 11. Die Überschrift „I.II" vermag ich nicht zu deuten. Die Auflösung heißt ,Mondschein'. Dieses Wort steht in Hs b und h sowie RCh3. Aufl., während RCh 1. Aufl. fälschlich,Mondlicht'angibt (S. 56).
Die Charaden
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Nr. 18 Mit Nr. 18 kommen wir auf das Gebiet der gut lesbaren Hs F. Dort hat die Charade die Nummer 1, während sie in Hs a mit Nr. 12 überschrieben ist. Die Lesart „lächelnd weinen" in Vers 2 bei b 1 ist durch den Einfluß von b 2 (=Mu) entstanden. Der Text steht als Nr. 17 in RCh auf S. 27. Die Lösung ist ,Windbraut'. Nr. 19 Von jetzt an fehlen die Charaden in Hs c. Der Text ist in Hs F mit 2, in Hs a mit 13 überschrieben. Er steht in RCh als Nr. 16 auf S. 26. Die Lösung ist ,Strumpfband'. Nr. 20 Der Text ist neben Hs F nur in Mu (und dessen Abschrift Hs b) erhalten. Er trägt in Hs F die Nr. 3, bei RCh steht er als Nr. 10 auf S. 18. - Die Hexameter bzw. Pentameter sind durch das Einrücken besonders gekennzeichnet. Die Lösung ist ,Zauberspruch' (so richtig Hs b und RCh 3. Aufl., während RCh 1. Aufl. S. 56 fälschlich .Zauberkunst' angibt). Nr. 21 Diese lange Charade befindet sich nur in Hs F, wo sie die Nr. 4 trägt, und in Mu (sowie Hs b). In Mu ist die zweite Strophe völlig umgeformt. Der Text steht in RCh als Nr. 15 auf S. 24f. Die Lösung ist ,Kasperle'. Nr. 22 Der Text hat in Hs F die Nr. 5, die Parallelüberlieferung in Hs a hat die Nr. 14. Die Charade steht als Nr. 13 in RCh auf S. 22. Das gesuchte Wort ist ,Brautjungfer'. Nr. 23 Von hier an (bis Nr. 29) sind die Charaden nicht autograph erhalten. Sie sind in Mu gedruckt. Hs h - als Teilabschrift von Mu - gibt die Nummern 23, 24 und 25 wieder. RCh hat die Reihenfolge von Mu übernommen, den Text in der Rechtschrift modernisiert. Die Charade steht als Nr. 5 in RCh auf S. 13. Das gesuchte Wort ist ,Federkiel'. Nr. 24 Die Charade steht als Nr. 6 in RCh auf S. 14. Die Lösung ist ,Beutel'. Hs h notiert fälschlich: ,Windbeutel'.
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Editorischer und kommentierender Teil
Nr. 25 Die Charade steht als Nr. 9 in RCh S. 17. Oie Auflösung ist ,Wachsstock'. Hs h rät: ,Wachslicht'. Nr. 26 Die Charade steht als Nr. 11 in RCh auf S. 19f. Der private Anlaß ist nicht mehr zu ermitteln. Das gesuchte Wort steht schon in der Überschrift: ,Stammbuch'. Nr. 27 Die Schülerin Zelters ist unbekannt. Schleiermachers persönliche Berührung mit Zelter und seine Hochschätzung dieses bedeutenden Musikers er wird ihm 1832 die Grabrede halten - sind bezeugt 36 . Die Anspielung auf den Namen sind in Z. 5-8 nicht zu verkennen. Die Charade steht als Nr. 12 in RCh auf S. 21, die Lösung ist,Kelter'. ,Ter-ne' als das „seltne Glück" (Z. 2) ist die Zusammenstellung von drei Nummern beim Lottospiel. Nr. 28 Die Charade steht als Nr. 14 in RCh auf S. 23, das gesuchte Wort heißt ,Handschuh'. Nr. 29 Die Charade steht als Nr. 19 in RCh auf S. 29, die Lösung ist ,Weinfaß'. Nr. 30-32 Die Charaden sind veröffentlicht in dem Manuskriptdruck ,Ungedruckte Gedichte. Zur Feier des 13. Juli 1894 für Gustav Freytag in Druck gegeben', o.O., o.J., herausgegeben von Georg Hirzel, Seite 6f. Georg Hirzel war Enkel G. A. Reimers und besaß „vieles Ungedruckte" aus Reimers Nachlaß 37 , wohl durch Salomon Hirzel (1804-1877) - den Schwiegersohn Reimers - vererbt. In Reimers Haus gab Schleiermacher, wie Hirzel selbst erzählt, „abends beimThee seine Rätsel und Charaden auf" 38 . So ist die Authentizität der von H. überlieferten Charaden für gesichert zu halten. Die Anzahl der apokryph überlieferten Stücke in RCh ließ ja bereits vermuten, daß noch mehr als die bekannten Beispiele für Schleiermachers Anteilhabe an dieser Form der Geselligkeit vorhanden sein müßten. Schleiermacher war großzügig darin, Charaden zu verschen36
37 38
Vgl. Sattler (1924/25) und den Br. an Zelter v. 24.6.1822 (Christliche Welt 30, 1916, S. 383). Vgl. dessen eigene Aussage in der Dt. Revue 18, 4. Bd., 1893, S. 98. ebd. S. 99
Die Charaden
157
ken. So schreibt er an Wilhelmine Gaß, die Frau seines Freundes und Kollegen J. Chr. Gaß: „Ich hatte Dir ( . . . ) auch Verse zugedacht, freilich nur Charadenverse; aber die Blizmädchen haben doch vergessen sie abzuschreiben" 39 . Die Auflösungen sind nicht angegeben. Sie lauten: 1. Schlagbaum; 2. Baumschule (vgl. für Zeile 5f Lk 13, 6-9); 3. Bergquell (Zeile 7-10: ,Seele' als Ursprung und Lebenskraft).
39
Bauer: Briefe an Gaß S. 266, Br. ohne Datum, versuchsweise auf 1828 datiert.
Die Gelegenheitsgedichte Wie viele seiner Zeitgenossen, hat auch Schleiermacher sich der gern geübten Pflicht nicht entzogen, zu Gelegenheiten des Lebens Gedichte zu verfassen. Der Grund für die Geläufigkeit, die er dabei bewies, scheint durch die Herrnhuter Erziehung gelegt worden zu sein. Aus der Zeit im Pädagogium in Niesky jedenfalls rührt die erste Spur her, wenn im Briefwechsel von einem - leider nicht erhaltenen - „Lied" Schleiermachers auf den Geburtstag seines Lehrers G. W. Hörne die Rede ist, wohl aus dem Jahr 17841. Einige Gedichte sind in der Familientradition erhalten geblieben 2 , 1
2
G.W. Hörne an Schleiermacher, 19. Nov. 1784, nach Niesky geschrieben (Br. III, S . 5 / KGAV/1, S. 22). Unter den Nieskyschen Papieren (AdW der D D R - Archiv - Nachlaß Schleiermacher Nr. 524) findet sich das folgende Gedicht, das in der Schleiermacher-Forschungsstelle Kiel als von Schleiermacher stammend für denkbar gehalten wird: 15r
Der Tag, vor dem ich längst gezittert, den manche Thräne schon geklagt, Der oft mein Innerstes erschüttert Wenn mich sein Schreckenbild geplagt, Der selbst im Schooße reiner Freuden Mir trüb ins helle Auge sah, Tritt nun mit einer Schaar von Leiden Dem bangen Herzen allzu nah. So eilst Du auf so raschen Schwingen, Der Tage bängster, schnell daher? So seh ich Dich schon Stunden bringen, Von Kummer und von Wehmuth schwer? So war die Schaale des Genusses So bald, so bald schon ausgeleert? So wird der Kelch des Freudenflusses Dem Lechzenden so früh gewehrt. Schon seh ich euch ihr Stunden kommen, Die doch mein Geist so gern vergist, Da mir vor Angst das Herz genommen, Vor Schmerz die Seel' entrissen ist. Von einem theuern Haus zum andern Z u jeglichem geliebten Ort Seh ich den lezten Gang mich wandern Und Thränen quelln bei jedem Wort,
Die Gelegenheitsgedichte
159
andere sind aus Stammbüchern3 bekannt geworden. Die Druckorte sind verstreut und abgelegen. Handschriftliche Fassungen sind nur ausnahmsweise überliefert.
15v
16r
Hier seh ich Aeltern, Schwestern, Bruder, Die Zärtlichen! - MitThränen stehn Sie küssen mich, ich küsse wieder Sie harren stumm; ich kann nicht gehn. Hier drücken liebende Verwandte Den lezten Kuß den Wangen auf, Und dort umarmen mich Bekannte, Und unterbrechen meinen Lauf, Auch Dich soll ich bald traurig missen, Auch Dich, o Gnädigste, nicht sehn. Wie werden meine Thränen fliessen, Wie klopfend wird mein Herz nicht gehn! Ach bald, bald hörst Du meine Klagen, Wie sehr der Abschied mich betrübt. Bald wird mein stummer Blick Dir sagen, Wie ehrfurchtsvoll ich Dich geliebt. Ja unter allen Seelenleiden, Vollendeten nicht mehr bewust, Bleibt doch die Trennung und das Scheiden Fürwahr der schmerzlichste Verlust. Von dem Geliebten sich zu trennen, Von dem, was unser Herz verehrt, Wer kann die bangen Schmerzen nennen, Als wer die Trennung selbst erfährt? Wie schön, wenn einem treuen Gatten Die Gattin ewig war gegönnt! Wie schön, wenn unter einem Schatten Zwei Freunde lebten ungetrennt! Dann lebt auch ich in stillen Freuden Im väterlichen Haus in Ruh, Und dann beweint ich nicht das Scheiden Von einer Gönnerin wie Du. Wie Du - Hier strömen meine Zähren, Hier rinnt ein heller Thränenbach. Wer kann wol meinen Seufzern wehren, Wer hindert wol mein banges Ach? Zu gut bist Du, die ich verehre Mehr, als Du, Theure, selbst gewust, Als daß ich meinen Thränen wehre, Nicht weinend schlug auf meine Brust Die Stunde, die mich oft entzükte, Gesegnet sei sie tausendmal, D a ich euch wiederum erblickte, Dich und den würdigsten Gemahl.
160
Editorischer und kommentierender Teil
Im Folgenden sind diese Gedichte - das früheste stammt von dem 16jährigen Jüngling, das letzte von dem 65jährigen Manne - gesammelt und kommentiert. Für diesen langen Zeitraum ist der Umfang - wohl nicht zufällig - gering. Es versteht sich, daß bei dieser Gattung stets neue Funde möglich sind4.
Geburtstagsgedicht
für Charlotte
Schleiermacher
Aus Schleiermachers Zeit auf dem Pädagogium in Niesky hat sich ein Gedicht erhalten, das Schleiermacher seiner Schwester Charlotte (geb. 1765) zu ihrem Geburtstag am 31. März 1785 nach Gnadenfrei sandte. Es wurde 1855 gedruckt: .Protestantische Monatsblätter für innere Zeitgeschichte', hg. von Heinrich Geizer. Bd. VI, Juli bis December 1855, Gotha, S. 33-35 5 . Ich spürte neue Lebensgeister, Mein dankbar Herz schlug laut empor Zu jedem Guten ward ich dreister, Ein neues Leben drang hervor. Die bewußte Schönschrift, die die Handschrift Schleiermachers sein kann, aber nicht sein muß, weist freilich eher auf eine Abschrift. Schleiermachers Autorschaft ist m. E. ausgeschlossen, wenn man das Gedicht im Frühjahr 1783 beim Abschied nach Gnadenfrei an die Fürstin von Pleß gerichtet sein läßt. Dagegen sprechen innere wie äußere Gründe: 1. Die in Z. 25 genannten „Schwestern" (Plural!) sind biographisch nicht zu fassen - die jüngere Schwester Caroline Marie war im Juli 1781 gestorben (KGA V/1, S. XXVII).; 2. Der Vater wüßte Ende 1784 nichts mehr von der poetischen Gabe seines Sohnes ( „ . . . mich hat er gar nichts von seiner Gabe sehen oder wissen lassen . . . " Br. III, S. 5, s. o. Anm. 1); 3. der 14 l/2jährige kann nicht ein so anspruchsvolles Gedicht produziert haben, wenn ihm im März 1785, also zwei Jahre später, lediglich ein so pubertäres Gedicht wie das Geburtstagsgedicht an die Schwester gelingt. - Ob eine spätere biographische Situation denkbar ist, muß vorläufig noch offen bleiben. 3
Neben den in dieser Sammlung wiedergegebenen eigenen Gedichten hat Schleiermacher auch gern griechische (1807 für Varnhagen, s. Stern, 1911, S. 720) und biblische Verse (1814/5 für Ringseis, 1886, S. 199; 1828 für einen unbekannten Empfänger: Autographensammlung Amann S. 84) in Stammbücher geschrieben. Aus dem Jahr 1805 sind in Stammbüchern Verse von A. W. Schlegel (s. o. Exkurs II) und Novalis („Was paßt, das muß sich ründen" für Oehlenschläger, 1850, II, S. 42; ders., Breve II, S. 46) bezeugt.
4
Der KGA V/1, S. 17 angeführte (Kirchenlied-[?])Vers (aus einem Br. v. 7.6.1784) könnte ein solcher Fund sein. - Büchmann (o. J. S. 123) führt - leider nur mit dem nicht zu verifizierenden Hinweis „wird auch auf Schleiermacher zurückgeführt" - folgende bekannten Verse an: „Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft".
5
S. 11-72: „Schleiermacher und die Brüdergemeinde. Zur innern Geschichte des deutschen Protestantismus"
161
Die Gelegenheitsgedichte
Der Herrnhuter E . R . Meyer kommentiert das Gedicht in seinem grundlegenden Buch ,Schleiermachers und C. G. von Brinkmanns Gang durch die Brüdergemeine' (1905) folgendermaßen: Es ist auf eine bekannte Choralmelodie wohl in der Karwoche gedichtet, in freier Anlehnung an den Lehrtext des Tages, Römer 4,25. Es entspricht ganz dem, was man nach dem Bisherigen von dem 17jährigen Pädagogisten erwartet nach Inhalt und Form. Die Mystik ist die brüderische, die Formeln, ja manche Reime sind ganz die dort üblichen, allen im Ohr liegenden, im Vergleich z . B . zu Albertini beides gemäßigt und prosaisch. Vers 5 - 7 sind Lotte in den Mund gelegt 6 .
Die „bekannte Choralmelodie" bzw. das formale Vorbild ließen sich im Herrnhuter Gesangbuch nicht auffinden 7 . Der Verbleib der Handschrift ist unbekannt.
In Ewalds Stammbuch Kurz nach seiner Ankunft im Seminarium zu Barby schrieb Schleiermacher seinem neuen Freunde G. v. Brinckmann Verse aus dem ,Messias' ins Stammbuch: Sterbliche, kennt ihr die Ehre, die euer Geschlecht verherrlicht, O so singt den ewigen Sohn durch ein göttliches Leben. Klopstock Das war am 24. September 1785 8 . Anderthalb Jahre später wurde er wegen Unglaubens der Anstalt verwiesen. Zum Abschied schrieb er dem Mitstudenten Ewald am 2. April 1787 die mitgeteilten ernsten Verse ins Stammbuch. Die Gedichte seiner Freunde sind in ähnlichem Ton. Meyer, der sie edierte, urteilt: Das sind für Studenten merkwürdige Inschriften, nichts von Freude und froher Lebenszuversicht. Es weht durch sie alle etwas hindurch von dem schweren Kampf, den für jeden von ihnen Barby gebracht hat 9 . 6
Meyer (1905) S. 143, das Gedicht S. 144. Meyer druckt (S. 121 Anm.) nach der obigen Quelle und offenbar, wie Verschreibungen beweisen (Z. 8 Kindheit, 26 höchste Gut, 45 Und bracht, 63 immer weidet), nicht nach dem Original. E r druckt das Gedicht als Vierzeiler, mit veränderter Orthographie und Zeichensetzung. - Albertini ist Schleiermachers Freund in jener Zeit, der später Bischof der Herrnhuter und ihr fruchtbarster Gemeindelieddichter wurde. Schleiermacher rühmte seine Lieder sehr (s. Br. IV, S. 290) und stellte sie neben die des Novalis.
7
Gesangbuch, zum Gebrauch der evangelischen Brüdergemeinen. Barby 1810 (Vorbericht
8
Br. IV, S. 3
9
Meyer (1905) S . 2 3 9
1778). Vgl. zu den Passionsliedern S. 106-179.
162
Editorischer und kommentierender Teil
Genügsamkeit und Verzicht hatte Schleiermacher von jung auf gelernt; nun, in den Kämpfen mit dem Vater, lernte er die Einsamkeit des Abtrünnigen kennen, die Prüfungen des „wirklichen Lebens" standen ihm bevor. Der 18jährige vertraut, in der Sprache seiner pietistischen Herkunft, seinem in Entbehrungen geübten Herzen. Druck: E. R. Meyer: Schleiermachers und C. G. von Brinkmanns Gang durch die Brüdergemeine. Leipzig 1905, S. 238 Das Stammbuch ist nicht mehr auffindbar 10 .
Den
Vollendeten
Die beiden Strophen befinden sich in dem 1820 in Berlin erschienenen Buch ,Tafellieder der Hallisch-akademischen Zeitgenossen aus den Jahren von 1785 bis einschließlich 1790' und tragen die Unterschrift ,Schleiermacher'11. Schleiermacher war vom Sommer 1787 bis Frühjahr 1789 in Halle, so daß das Gedicht in dieser Zeitspanne geschrieben sein muß. Es handelt sich um zwei ernste alkäische Strophen in Klopstocks Nachfolge, dessen Kenntnis das obige ,Messias'-Zitat deutlich bewies. Die strengen Zeilen nehmen sich unter den ausnahmslos burschikosen Liedern seltsam genug aus. Sie sind die einzigen Spuren einer Beteiligung des zurückgezogenen Studenten an der studentischen Geselligkeit12. Bei den „Vollendeten" hat Schleiermacher gewiß auch an seinen Freund und Mitabtrünnigen Okely gedacht, der im Sommer 1787 beim Baden ertrunken war13. Noch in den .Monologen' hat er um ihn geklagt. Nachdruck: Wilhelm Dilthey: Leben Schleiermachers. I. Band. Zweite Aufl. [ . . . ] hg. v. Hermann Mulert. Berlin/Leipzig 1922, S. 45 / Ges. Sehr. XIII/1, S. 42f Der Verbleib der Handschrift ist unbekannt. 10 11
12
13
Freundliche Auskunft des Archivs der Brüder-Unität in Herrnhut (Brief v. 2.3.1982). S. 22. Schleiermacher ist - wie auch die anderen Dichter der .Tafellieder' - auf S. 13 als „dem academischen Verein ( . . . ) beigetreten" verzeichnet, so daß die Verfasserschaft gesichert ist, denn ohne Frage ist er - wie die anderen - unter Hinweis auf diesen Druck geworben worden. (Die Mitgliedschaft vermeldet auch Meisner in seiner Einleitung zu M II, S. 8). Die Sammlung ist, einer Kondolenzliste nach, frühestens 1821 gedruckt. - Die Broschüre ist nicht identisch mit der gleichen Titels (!), aber ohne Ort und ohne Jahr erschienenen, die mir gleichfalls vorgelegen hat. Dort befindet sich kein Gedicht Schleiermachers, wohl aber ist auf der vorletzten Seite gleichfalls sein Eintritt vermerkt. Nach der Liste ist sie frühestens 1823 gedruckt. Vgl. Meisner (1934) S. 32, dessen Hinweis auf Brinckmanns Gedichte als Vorbild aber weniger überzeugt. s. Br. III, S. 16f.
163
Die Gelegenheitsgedichte
An Frau von Aulok Dieser Brief in Hexametern ist in Faksimile und Übertragung 1917 von Ernst von Dobschütz als Einzeldruck ediert worden: Schleiermacher. Ein poetischer Brief. 1917. Herrn Wirklichen Geheimen Oberkonsistorialrat Professor D. Dr. Paul Kleinert zum 25. September 1917 [o.O.]. Er enthält folgende Nachschrift: „Von Schleiermacher / gedichtet und geschrieben / an die Großmutter meiner / Frau, Frau von Aulock / zu Pangel bei Nimptsch. / Sybel". Der poetische Wert des Briefes ist unbedeutend, er zeigt lediglich die Geläufigkeit, mit der Schleiermacher Hexameter zu schreiben versteht. Nach von Dobschütz blühte „damals in unserem Heimatland Schlesien ( . . . ) (die) Sitte des Briefes in Versen". Er datiert den Brief in die Jahre 1810 bis 1820. Ein brieflicher Hinweis läßt aber die Entstehung eher im Jahr 1796 vermuten. Charlotte Schleiermacher, auf die in V. 23 angespielt wird, schreibt am 7.8.1796 an ihren Bruder: Viel habe ich dir heute zu erzählen - die Aulock war hier, nur auf einige Stunden ( . . . ) wir kamen auf allerley Sujets - kurz ich wies ihr die Verse, die du hier hinterlassen - sie gefielen ihr alle außerordentlich besonders aber der erste an mich ( . . . ) - sie sagte einigemahl sehr artig - ach daß er mir doch auch so etwas hier gelassen - sagen Sie es ihm daß ichs gewünscht hätte ( . . . ) KGA V/1, S. 414.
Auf diesen Wunsch könnten sich die Verse 37f beziehen. Danach ist es überaus wahrscheinlich, daß Schleiermacher Frau Friederike Eleonore von Aulock (1764-1834) auf die von Charlotte übermittelte Bitte hin die als Faksimile erhaltene poetische Epistel geschickt hat. Ist diese Datierung richtig, haben wir hier das früheste handschriftlich erhaltene Gedicht Schleiermachers vor uns. Zum Verständnis sind einige Anmerkungen nötig, die ich vom Herausgeber übernehme. V. 1: Bad Landeck mit seinem berühmten Marmorbassin (V. 14). V. 19: Frau von Aulock hatte acht Kinder. - Von einem Pastor Carl Sybel hat von Dobschütz den Brief erhalten.
In das Stammbuch
August von
Goethes
Anfang Juli 1805 war Goethe einer Einladung seines Freundes Friedrich August Wolf nach Halle gefolgt. Dorthin nahm er das Stammbuch seines Sohnes August mit, in das - einer Sitte der Zeit folgend - die Bekannten Goethes sich eintragen sollten.
164
Editorischer und kommentierender Teil
In diesem Stammbuch stehen auf Seite 13 einige Distichen Schleiermachers vom 24. Juli 1805, die - nach den Worten des ersten Herausgebers Walter Vulpius14 - „in feinsinnigster Weise ( . . . ) das Loos des Epigonenthums (charakterisiren)". Schleiermachers eigene Charakterisierung der Stammbuchverse ist direkter. Nachdem er berichtet hat, daß Goethe „sehr freundlich" zu ihm gewesen sei und ihn „wie einen alten Bekannten" aufgenommen habe 15 , schreibt er: „Sein Sohn sieht etwas dümmlich aus und wird schon gewaltig verzogen. Das Letzte habe ich ihm recht prophetisch, ehe ich ihn noch gesehen hatte, ins Stammbuch geschrieben" 16 . Die Erstedition erfolgte in der Deutschen Rundschau Bd. 68, 1891, S. 248. Der Text ist hier nach einer Fotokopie der Stammbuchseite gebessert, die die Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar zu Verfügung stellten. (Das Stammbuch trägt die Signatur: Goethes Familie: XXIII, 4a)
Scherzgedicht
auf Varnhagen
Karl August Varnhagen von Ense näherte sich Schleiermacher während seiner Hallenser Studentenzeit 180617; das vertraute Verhältnis dauerte auch in Berlin fort. 1812 hat Varnhagen in der Zeitschrift ,Die Musen' seine Übersetzung der „Epigramme des Piaton" mit einer Zueignung an Schleiermacher versehen 18 . Die Übersetzung stammte aus der Zeit in Halle, wo Varnhagen sie Schleiermacher bereits gezeigt und dieser sie „mit Wohlgefallen aufgenommen, und mit genauer Sorgfalt ( . . . ) manche Verbesserung angegeben" hatte 19 . Die Zueignung lautet:
14
15 16
Vulpius (1891) S. 248. Das Gedicht ist - nach dem Text bei Vulpius - auch nachgedruckt bei Wölbe (1923) S. 465. Briefe an H. Herz v. 15. und 23. Aug. 1805 (Br. II, S. 35/M II, S. 41f) Br. v. 23. Aug. 1805 (M II, S. 42). Charakteristischer Weise ist in Br. II gerade dieser Satz weggelassen worden (s. S. 36); auch Dilthey schweigt darüber in der Biographie. Darum konnte auch Scholz (1913) S. 13f.67 nichts Rechtes mit dem Spruch anfangen.
17
Siehe Varnhagen: Denkwürdigkeiten 2 I, S. 364ff und Schleiermachers Brief v. 17. Nov. 1806 an V. (Br. v. d. Universität S. 342f/Dorow: Reminiscenzen S. 90f). Im VarnhagenNachlaß ist ein undatierter Zettel Schleiermachers mit einer Einladung zum Tee aus dem Jahr 1806 erhalten. Schleiermacher trug sich in Varnhagens Stammbuch ein (s. Stern, 1911, S. 719).
18
Die Musen Jg. 1, 1812, H. 4, S. 156-167 Varnhagen: Denkwürdigkeiten I, S. 381
19
Die Gelegenheitsgedichte
165
Zueignung an F. Schleiermacher Du, der zaubernd beherrschet den Urquell griechischer Weisheit, Daß die geheiligte Fluth deutsche Gefilde durchströmt, Gütig empfange die Blumen, die treu nachfolgen dem Strome, Gern ihr schönes Geschlecht weiterverpflanzend mit ihm!20. Erst in späteren Jahren waren Varnhagen und Schleiermacher einander entfremdet 21 , während der Kontakt zu Rahel offenbar nie abriß 22 . Was Schleiermachers Gedicht auf Varnhagen zum 21. Februar 1808 betrifft, so erzählt V. in seinen .Denkwürdigkeiten', daß er die befreundeten jungen Frauenzimmer aus dem Kreis um Rahel Levi einst wegen ihrer Handarbeiten geneckt habe und dafür bei seinem Geburtstage bestraft wurde. Ein unbekannter Bote gab ein Kästchen ab, in dem sich ein Gedicht und die in diesem geschilderten Sachen in Puppengröße befanden. V. bezweifelt nicht, „daß Schleiermacher die Hand im Spiele gehabt". Der Schlußvers behielt jedoch insofern Recht, eingestanden wurde der Zusammenhang nie, wiewohl der Augenschein des Benehmens jeden Zweifel aufheben mußte, und besonders das Gedicht noch heutiges Tages seinen Vater nicht verläugnen kann, weßhalb auch seine Aufbewahrung hier um so günstiger verziehen sein mag, da stets merkwürdig bleibt, was ein solcher Mann auf dergleichen verstohlenen Nebenwegen bisweilen glücklich erzielt! 23
Im Briefwechsel erwähnt S. diesen Scherz nirgends. Überlieferung·. Varnhagen druckt das Gedicht in seinen ,Denkwürdigkeiten' ab: Κ. A. Varnhagen von Ense. Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens. 2. Aufl. 1. Theil. Leipzig 1843, S. 496Í24. Das Gedicht hat sich im Varnhagen-Nachlaß erhalten 25 . Es befindet sich auf drei Blättern, in sorgfältiger Zierschrift von unbekannter Hand. Das erste Blatt trägt die Aufschrift „An K. A. Varnhagen / zum 21" Februar 1808"; die Verse stehen auf Blatt Zwei und Drei. Unter dem Gedicht ist in der Handschrift Varnhagens notiert: „von Fr. Schleiermacher!" 20
21
22
23
24 25
Die Musen S. 156. Gänzlich verändert abgedruckt beim Wiederabdruck der Gedichte in: Schriften II, S. 479. Vgl. Willich (1909) S. 135f. Der Aufsatz ,Schleiermacher und Friedrich Schlegel' von 1835 ist in versöhnlichem Ton gehalten (Denkwürdigkeiten 2V, S. 110-117). Vgl. Behrend: Rahel S. 87-89. Die erste Notiz Schleiermachers über Rahel stammt von 1801 (Denkmale S. 130). Die Beerdigung Raheis mußte S. wegen Arbeitsüberlastung ablehnen (Br. v. 11. März 1833, ungedruckt, im V.-Nachlaß). Denkwürdigkeiten 3 II, S. 91ff (in der 2. Aufl. im Text ein wenig anders formuliert I, S. 495ff), das Zitat S. 94 (bzw. S. 497f). 3 II, S. 92f. Das Gedicht ist auch nachgedruckt bei Kirchner (1925) S. 9. Die Hs unterscheidet sich von den Drucken lediglich durch die Satzzeichen.
166
Editorischer und kommentierender Teil
Der Nachlaß liegt z. Zt. in der Uniwersytet Jagiellonski, Biblioteka Jagiellonska, Krakau.
Auf Buttmanns
Silberpokal
Der Philologe Philipp Buttmann (1764-1829), mit Schleiermacher und seinem Kreis seit langem bekannt, mit F. A. Wolf Herausgeber des ,Museum der Alterthums-Wissenschaft', gründete am 4. November 1809 die „Gesetzlose Gesellschaft zu Berlin", deren erster „Zwingherr" er war26. Diese Gründung ist im Zusammenhang mit den preußischen Reformbestrebungen nach der Niederlage gegen Napoleon zu sehen. Mitbegründer waren Spalding, Heindorf, Schleiermacher, bis 1810 kamen u.a. Zelter, Savigny, Wilhelm von Humboldt, Niebuhr, Süvern und viele andere illustre Namen hinzu. Diese Gesellschaft traf sich zwanglos alle 14 Tage zu einem feudalen Essen, das nicht direkt politisch, aber doch patriotisch veranlaßt war. Buttmanns „Geburts- und Ehrentag" am 5. Dezember wurde jeweils als „Buttmannstag" besonders gefeiert. Im Jahr 1817 erhielt er bei dieser Gelegenheit einen silbernen Pokal überreicht, den auf der einen Seite griechische Distichen August Boeckhs, auf der Gegenseite ein Gedicht Schleiermachers zierten. Der Scherzname „Witzbold-König", der sich auf Buttmanns geistvolle Schlagfertigkeit bezieht, ist noch 1883 von dem ungenannten Herausgeber der Charaden Schleiermachers und Buttmanns zitiert worden 27 . Nach dem Tode Buttmanns wurde Schleiermacher selbst der (dritte) „Zwingherr"; er hat seinen Freund beerdigt und ihm in der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 8. Juli 1830 die Gedächtnisrede gehalten 28 . Überlieferung: Die Verse Schleiermachers sind überliefert in einem ohne Herausgeber in Berlin 1834 in der Druckerei G. Reimer erschienenen Gelegenheitsdruck: ,Ph. Buttmann und die Gesetzlosen. Am 4. November / 5. December 1834. Statt Handschrift für die Mitglieder der gesetzlosen Gesellschaft', S. 22. W. Hoppe hat das Gedicht in seiner Dar26
27
28
Vgl. zum Folgenden den Beitrag von Hoppe (1959) in der Festschrift der Gesetzlosen Gesellschaft zum 150jährigen Bestehen! Siehe auch Arndt/Virmond (1984) mit Facsimile des Protokollbuches. RCh 3. Aufl. S. 5f
SWIII/3
Die Gelegenheitsgedichte
167
Stellung der Geschichte der gesetzlosen Gesellschaft nachgedruckt, wobei er die Dedikation und das Datum ausließ29.
Weibliches
Zeitmaaß
Das Gedicht ist unkommentiert veröffentlicht in dem Manuskriptdruck ,Ungedruckte Gedichte. Zur Feier des 13. Juli 1894 für Gustav Freytag in Druck gegeben', o.O., o.J., herausgegeben von Georg Hirzel, S. 7-9. Georg Hirzel war der Enkel Reimers (siehe den Kommentar zu den Charaden Nr. 30-32), er kann als Besitzer eines Teils des Reimerschen Nachlasses als vertrauenswürdiger Editor gelten. Aufgrund welcher Kriterien (Handschrift Schleiermachers? Familientradition?) er dieses Gedicht Schleiermacher zuschrieb, ist unbekannt und kann nicht mehr nachgeprüft werden, da seine Sammlung verschollen ist. Das Gedicht ist reimlos, doch assonieren die Zeilen 2 und 4. So könnte hier ein Nachklang zu den Bemühungen der romantischen Freunde Schleiermachers vorliegen, die romanische Technik der Assonanz im Deutschen heimisch zu machen. Es lassen sich jedoch Zweifel an der Verfasserschaft Schleiermachers nicht unterdrücken. Weder die Form noch das Thema (wenngleich Schleiermacher gewiß von Vorurteilen, das Decorum betreffend, im Maße seiner Zeit frei war) haben irgendeine Parallele in Schleiermachers poetischem Schaffen. Es mag an sein eigenes Wort erinnert werden, daß „man dem Schriftsteller auf jeden Fall einen schlechten Dienst erweist, dem man ein Werk zuschreiben will, welches irgend einem Anderen zugehört" 30 . Doch da kein stringenter Gegenbeweis geführt werden kann, muß es bei dem geäußerten Zweifel an Hirzeis Zuschreibung bleiben.
An Bettina von Arnim In den letzten Lebensjahren Schleiermachers hat Bettina von Arnim, wie man ihren biographischen Zeugnissen entnehmen kann, ein enges freundschaftliches Verhältnis zu dem Theologen gehabt, der seine bedeutende 29 30
(1959) S. 33 Intell. Bl. der Jenaischen Allg. Lit. Ztg. No. 54 ν. 28. Junius 1806 Sp.456 ( = Br. IV, S. 127) (in einer „Erklärung gegen die Redaction der N. Leipz. Lit. Zeit." vom 16. Juni 1806)
168
Editorischer und kommentierender Teil
Partnerin offenbar in jeder Hinsicht respektierte 31 . Dieses Verhältnis ging über ein amtliches - Schleiermacher war der Konfirmator der Söhne - weit hinaus; es war, wie die Reste der Briefe Bettinas an Schleiermacher erkennen lassen32, von dem geistigen „Eros genialer Begegnung" (Richard Benz) gekennzeichnet, den Bettina nach Achim von Arnims Tod (am 21. Januar 1831) vielfach suchte. Diese wechselseitige Freundschaft hat einmal zu dem Austausch von Gedichten geführt, in denen - wenn auch in dem halb spielerischen Modus der sofortigen Zurücknahme - das Wort „Liebe" fiel. Bettina sandte dem Fürsten Hermann von Pückler-Muskau nach dem am 12. Februar 1834 erfolgten Tod Schleiermachers in einem umfänglichen Brief vom 3. März, der der Freundschaft mit dem Theologen gewidmet war, die Abschrift zweier Gedichte mit, das eine als ich an einem Sonntag aus seiner Predigt kam, das andere seine Antwort, die er mir eine halbe Stunde darauf schickte. ( . . . ) Wenn Sie diese kunstlosen Reime mit dem einfachen Sinn, den sie enthalten, so fassen wie ich, dann wird, wenn Sie es zusammenhalten mit dem spielenden Scherz, der durch uns ging, es nicht verfehlen Sie tief zu rühren33.
Diesen Brief an Pückler hat Bettina Jahre später auf weite Strecken wörtlich in ihrem Briefroman ,Ilius Pamphilius' als „Abschrift eines Briefes" wiedergegeben, „den ich bei Schleiermachers Tod, also vor xx Jahren geschrieben habe" 34 . Bei dieser „Abschrift" ließ sie die beiden Gedichte aus. In einer früheren Fassung des betreffenden Roman-Ausschnitts jedoch, den sie ihrem jungen Freund Moriz Carriere überließ und der die eigene Überschrift „Schleiermachers Tod" erhielt, bildeten die Gedichte noch den Abschluß. Im Unterschied zu der allgemeinen Datierung „an einem Sonntag" in dem Brief an Pückler trägt das Gedicht Bettinas hier die Überschrift „Am letzten Ostertag nach der Predigt über die Auferstehung, an Schleiermacher", das Gedicht Schleiermachers die Bemerkung „Schleiermachers 31
32
33 34
Zum Verhältnis Schleiermachers zu Bettina von Arnim vgl. Willich (1909) S. 127-135; Drewitz (1969/1978) S. 145f und bes. Moltmann-Wendel (1971). Im Folgenden fasse ich meine Untersuchung „Ob ich dich liebe, weiß ich nicht" zusammen. Die in Bettinas Roman ,Ilius Pamphilius und die Ambrosia' (1848) erwähnten 14 Briefe an Schleiermacher (II, S. 79.152), die sich B. nach Schleiermachers Tod zurückerbat (Willich, 1909, S. 133), sind 1929 versteigert worden (Henrici: Versteigerung 148, S. 34) und seither verschollen. Undatierte Auszüge bei Wyss, 1935, S. 93-98. Ein zusätzlicher Brief v. 4.4.1831 steht Br. IV, S. 404f. Pückler-Briefwechsel S. 220f (Werke V, S. 235ff) Ilius II, S. 191-200 (Werke II, S. 632-638)
Die Gelegenheitsgedichte
169
Antwort am selben Ostermorgen" 35 . Warum Bettina in dem Briefroman die Gedichte dann ausgelassen hat, ist unbekannt. Das Gedicht Bettinas geht in der ersten Strophe unbewußt auf ein Gedicht zurück, das 1775 anonym in der Zeitschrift ,Iris' erschien und Goethe zugeschrieben wird36. Mit dieser Strophe war die Struktur des gesamten Poems gefunden, dessen Inhalt biographisch aus der Situation der Dichterin nach dem Tode des Gatten erklärt werden muß. Schleiermacher nahm in seinem Antwort-Gedicht die Verse Bettinas scherzhaft und formgewandt auf, antwortete in dem gleichen tändelnden Ton, wendete seine Dreizeiler aber so, daß er - seine Partnerin seelsorgerisch ernstnehmend - in der letzten Strophe ihre schwärmerische Verehrung vorsichtig zurechtrückte. Datierung: Die allgemeine Zeitangabe „an einem Sonntag" in dem Brief an Pückler verdient aus literarischen und sachlichen Gründen den Vorzug vor der späteren Beziehung auf den im Gedicht gar nicht aufgenommenen Ostermorgen. Unter den gedruckten Predigten Schleiermachers ist keine Predigt erhalten, die Bettinas Anfangszeile „Ob ich dich liebe" erzeugt haben könnte, doch lassen sich ihr Datum und der Predigttext aus einem Brief von Henriette Herz erschließen: Sonntag Lätare, 13. März 1831, mit Predigt über Johannes 13, 31-3537. Überlieferung: Das Gedicht und das Antwort-Gedicht kamen sowohl aus dem Nachlaß Pücklers als auch aus dem Nachlaß Bettinas zum Druck: 1. Aus dem Nachlaß des Fürsten Pückler-Muskau. Briefwechsel und Tagebücher des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau. Hg. von Ludmilla Assing. Erster Band: Briefwechsel, 1. Band, Hamburg 1873, S. 220f. 2. Eine auf ein Autograph Bettina von Arnims zurückgehende identische Fassung edierte Fritz Bergemann im Jahrbuch der Sammlung Kippenberg, Zweiter Band, Leipzig 1922, S. 319Í38. Die handschriftliche Fassung Schleiermachers hat sich im Nachlaß Bettina von Arnims nicht erhalten 39 . 35
36
37
38
39
Das Dokument bei Bergemann (1922) S. 309-319, das Gedicht S. 319f ( = Werke V, S. 747-752 bzw. S. 752f). Zeile 2 hat aus Versehen „einmal nur" statt „nur einmal"; zusätzlich finden sich orthographische und Satzzeichenänderungen. Zum Text s. WA 4. Bd., Weimar 1891, S.363, unter den Gedichten „zweifelhaften Ursprungs"; zur Zuschreibung s. WA 5. Bd. 2. Abth., Weimar 1910, S. 229f. s. H. Herz an Alexander zu Dohna, Br. v. 14.-22. März 1831 (Bauer: Ungedruckte Predigten S. 124 mit Anm. 14) und dazu meine Erwägungen in dem o. a. Aufsatz! Vgl. auch die Bettina-Ausgabe von Waldemar Oehlke (1922) VII, S.431f und Konrad/ Müller (1961) V, S. 236! Freundliche Auskunft der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen Literatur in Weimar (Brief v. 5.5.1983)
Exkurs 2:
Eine Anleihe bei August Wilhelm Schlegel In seinem Buch ,Facsimile von Handschriften berühmter Männer und Frauen', Berlin 1836, gibt Wilhelm Dorow 40 als No 1, Faksimile Nr. 3 ein formal anspruchsvolles Gedicht wieder, das Schleiermacher einer „abreisenden Freundin" gegeben habe41. Dieses Gedicht hat folgenden Wortlaut: Den ewgen Schlangenkreis, der uns umfahet, Zu überschaun braucht nur des Schiksals Wächter; Wohlthätig schwindet eins, wenn andres nahet. Mag auch die Zukunft dröhn aus düstern Fernen: Sucht euren Weg, verbrüderte Geschlechter! Der Himmel leuchtet ja mit seinen Sternen. Halle d. 17!en August 1805. F. Schleiermacher Diese Stammbuchverse erwecken in der Tat den Eindruck, es handle sich um Verse Schleiermachers; ganz so - Gedicht samt Ort, Datum, Unterschrift - sieht auch das Stammbuchblatt für August von Goethe vom 24. Juli des gleichen Jahres aus. Aber in Wahrheit handelt es sich um die zwei abschließenden Terzette aus August Wilhelm Schlegels Sonett „Zuversicht", Schleiermacher seit dem Druck der „Gedichte" 1800 bekannt 42 . Die fast perfekte Texttreue 43 bis in die für Schleiermacher ungewöhnliche Orthographie hinein zeigt, daß dieser die Verse nicht auswendig zitiert haben kann, sondern sie wohl unter den Augen der Empfängerin unmittelbar aus dem Buch abgeschrieben hat, sich also keines Plagiates schuldig 40 41 42
43
Zu Dorow s. A D B V, Leipzig 1877, S. 359f (Urlichs). op. cit. S. 3 A.W. Schlegel: Gedichte S.210. Siehe Schleiermachers erstes Urteil über die GedichtAusgabe Br. IV, S. 64f. Bei der Übersetzung des Phädros von Piaton (1804) hat S. an einer Stelle Schlegels Sonett .Deutung' (Gedichte S. 205) nachgeahmt (Plato 1/1, S. 101.374). Dieses kannte er besonders gut, weil daneben das Sonett an Fr. Schlegel steht. Lediglich Zeile 4 heißt es bei Schlegel „Mag doch".
Exkurs 2: Eine Anleihe bei A. W. Schlegel
171
machte. Wer diese Freundin gewesen ist, geht aus dem Briefwechsel und den sonstigen biographischen Zeugnissen nicht hervor. Wahrscheinlich war das Gedicht mit seinem Aufruf zur Zuversicht im Umkreis Schleiermachers so bekannt, daß auf die Angabe des Autors verzichtet werden konnte 44 . Das Gedichtzitat verbürgt schon für den August 1805 die Vorahnungen Schleiermachers, die Eroberungspolitik Napoleons betreffend. Wenige Monate später wird er - in der ,Weihnachtsfeier' - schreiben: „Ein großes Schiksal geht unschlüssig auf und ab in unserer Nähe, mit Schritten unter denen die Erde erbebt, und wir wissen nicht wie es uns mit ergreifen kann" 45 . Zugleich belegt es erneut den tiefen Eindruck, den August Wilhelm Schlegels Poesie auf Schleiermacher trotz aller zurückhaltenden Äußerungen dieser gegenüber gemacht hatte und weiterhin macht.
44
45
Daß das Gedicht auch sonst für bedeutend gehalten wurde, zeigt sich ζ. B. daran, daß es in die Anthologie ,Ewiger Musenalmanach junger Germanen' (1809) aufgenommen wurde (S.514). Weihnachtsfeier S. 56
Texte
Verzeichnis der Siglen A - H: Autographen (s. S. 87-94) a - k: Abschriften (s. S. 94-102) Ü: Überschrift in der Handschrift (nur b. Anthol. Gr.) I: Charaden-Textapparat (s. S. 151) II: Charaden: DTb/g und a (s. S. 151) LA: Lesungen der Abschriften und Drucke Mu, La, RCh: Charaden-Nachdrucke (s. S. 144) T: Handschriftliche Überlieferung Dr: Druckorte
Die empfindsamen Gedichte An Charlotte Kathen Mit den Monologen. 1 Ein Ideal schwebt jedem Guten vor In das er strebt sich fester zu gestalten; So trachten sich die Kräfte zu entfalten So steigt er zur Vollkomenheit empor. 5 Das meine legt ich gern den Freunden vor Hier lies was im[m]er in mir sollte walten Wie hoch den Blik ich suchte zu erhalten In diesen Tönen der Gefühle Chor. Dem Bilde hofft ich näher noch zu komen 10 Ich gab der Liebe voll Vertraun die Hand In seltne Höhen hofft ich mich zu schwingen. Jezt dem Verlassnen ist der Muth genomen Geraubt des Himels heiiges Unterpfand Nichts Großes wird dem Einsamen gelingen. 4 .steigt' aus ,So' (gebessert aus graphischen Gründen) - 8 ,diesen' aus .welchen' (gestrichen) - 14 ,wird' aus ,mir' (gestr.) am Rand: 2 In dessen Züg' er strebt sich zu gestalten 3 Nach solchem Maaß die Kräfte zu entfalten 3 Durch dieses Bild [die Kräfte zu entfalten] 7 Wie (?) ich den Blik mir 9 D e m schönen Ziele hofft ich nah zu komen 11 [In seltne Höhen] träumt ich mich zu schwingen 12 Die Hand hat wild das Schiksal mir genomen 13 Zur Wüste den bedürftigen verbannt 14 U.[nd] außer Thränen will ihm nichts gelingen 7 ,Wie' vielleicht ,Ue.' - 13 darunter drei Wörter ,wo' (?) .nichts' .rette' (?) (unverständlich)
178
Texte
zwischen den Zeilen: 4 [So steigt] der Mensch [zur] Tugend nur [empor] 6 U.[nd] richtend sollt ihr auge drüber walten 7 Den Geist in dieser Bahn zu erhalten 10 Ergriff in stolzem Muth der Liebe [Hand] 11 Mit ihr in seltne Höhen mich [zu schwingen] 12 [Jezt] hat die herbe Pein das Herz beklommen 13 In liebeleere Wüste streng verbannt 14 Wird unter Thränen wenig mir gelingen 13 ,In' aus ,Zur' T: Dr:
Hs A -
[Endfassung:] 1
Ein heiiges Bild schwebt Jedem Bessern vor In dessen Züg' er strebt sich zu gestalten Wem sich die Kräfte so bestirnt entfalten Nur der hebt sich zur Sittlichkeit empor
5
Das meine legt ich hier den Freunden vor Daß richtend könnt ihr Auge drüber walten Wie diese Bahn der Geist sich würd erhalten Und solche Töne der Gefühle Chor.
10
So hofft ich nah dem schönen Ziel zu komen Ergriff in kühnem Muth der Liebe Hand In seltne Höhen mich mit ihr zu schwingen Jezt ist durch herbe Pein das Herz beklomen In liebeleere Wüste streng verbannt Wird unter Thränen wenig mir gelingen.
6 .könnt' vielleicht ,könnt' (s. Hs E) - 7 ,Wie' aus ,Ob' Hs E: 1 Jedem ] jedem - 2 Punkt - 4 Punkt - 6 könnt ] möcht - 7 diese ] solche - 9 Komma - 10 in ] mit - 11 seltne ] reine; Punkt T: H s A , E , a, b Dr: Dilthey: Leben; Br. I, S. 378 (beide Hs E) LA: 1 Jedem ] jedem (a, b, Dilthey, Br.) - Bessern ] Bessren (Dilthey, Br.) - 6 könnt ] könnt (a, b); möcht' (Dilthey, Br.) - würd ] wird (a) - 10 in ] mit (Dilthey, Br.) - 11 seltne ] reine (a, Dilthey, Br.)
Gedichtheft (Hs A) S. 1 oben: An Charlotte Kathen. Mit den Monologen
Gedichtheft (Hs A) S. 1 unten: An Charlotte Kathen (Endfassung), Sappho IV, Solon XVII (aus der Anthologia Graeca)
Die empfindsamen Gedichte
181
An der See 1
Hier wohl Wellen sich heben Kräuselt blinkender Schaum Drunten ist alles eben Zittert ein Tropfen kaum 5 Flimmre nicht Lust Der Brust Bleibet nur Leid bewußt. Räumt nun Sonne den Himmel Taucht die Gluth in die See 10 Leuchtet das Sterngewimmel Wieder dem alten Weh Blende nur Licht Bald sticht Länger Dein Strahl mich nicht. 15
Vöglein flattern und singen Liebesfreude sie lehrt Drunten darf nichts erklingen Trauer ist ungestört Tiefe nur Du 20 Zur Ruh Schließest die Sinne zu. Lüftchen wogend und fächelnd Spielt ums leidende Herz Weht durch die Welt hin lächelnd 25 Spottet dem bittern Schmerz Fluthendes Grab Hinab Löse der Pein mich ab. am Rand: 4 od.[er] Alles ein öder Raum T: Hs A , a, b Dr: Str. 1-3 Dilthey: Leben LA: 5 Flimmre ] Flamme (a); Flimmert (b) - 10 Sterngewimmel ] Sternengewimmel (Dilthey) - 21 Sinne ] Augen (Dilthey) - 23 leidende ] liebende (a) - 25 bittern ] bitteren (a) - 27 Löse ] Löst (a, b)
182
Texte
Klage 1
Wie schauerlich leer Ists weit um mich her Mein Wort wol erschallt Doch Keinem vernomen umsonst es verhallt.
5
Wol sucht sich ein Herz Mein liebender Schmerz Doch Keiner sich regt Vom Schmachten der Seele zum Mitleid bewegt.
Laß Vater mich ruhn 10 Vom nichtigen Thun Es kühle das Grab Die brennenden Schmerzen des Lebens mir ab. T: Hs A, a, b Dr: LA: 4 Doch Keinem ] von Keinem (a)
Der Verlassene 1
„Wo ist doch meine Mutter? wo kann die Treue sein?" Ach sie mußt ihr Kindlein lassen Wandert weinend andre Strassen Laß die Mutter nur sein 5 Führe Dich allein. „Wo ist doch meine Tochter? wo weilt sie mir so lang?["] Ach sie dient in fremden Landen Seufzet fern in harten Banden Wird die Zeit ihr gar lang 10 Und im Herzen bang[.] „Wo mag die Braut doch bleiben? ich sehne mich so sehr!["] Ach sie kann mit Dir nicht leben Mußt sich Deinem Feinde geben Jammre weine nur sehr 15 Siehst sie nimermehr.
Die empfindsamen Gedichte
183
„Wo ist nun meine Freude? wo ist nun all mein Glük[?"] Ach die Freud in Nacht versunken Ach das Glük in Gram ertrunken Keine Freude kein Glük 20 Kehret Dir zurük. [,,]Wo ist der Tod zu finden? wer gräbt mir wol mein Grab?" Ach wer suchet wird ja finden Kannst es wo Du willst Dir gründen Balde gräbt man ein Grab 25 Willst Du nur hinab. am Rand: 9 od. [er] Währt die Zeit ihr gar lang 10 Und das Herz ist bang. T: Hs A , a, b Dr: Dilthey: Leben LA: Ü Der Verlassene ] Der Verlassenen (a) - 6 mir ] nur (Dilthey) - 8 Seufzet ] Seufzend (a) - harten ] fremden (a) - 22f Dilthey nach Hs H
[Andere Fassung] 1 „Wo ist wohl meine Mutter? wo kann die Treue sein?" Ach sie muß den Sohn verlassen, Weint er könne selbst sich fassen Laß die Mutter sein 5 Tröste Dich allein. „Wo ist doch meine Tochter? wo weilt sie wohl so lang?" Ach sie dient in fremden Landen Seufzet fern in harten Banden Wird die Zeit ihr lang 10 Und im Herzen bang. „Wo mag die Braut doch bleiben? ich sehne mich so sehr" Ach die Braut ist Dir gestorben Ist vom Feind mit List erworben Jammre, weine nur sehr 15 Siehst sie nimmermehr. -
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Texte
„Wo ist nun meine Freude? wo ist nun all mein Glück?["] Ach die Freud in Nacht versunken All Dein Glück in Schmerz ertrunken Keine Freude, kein Glück 20 Kehret Dir zurück. „Wo ist der Tod zu finden? wo gräbt man wohl mein Grab?" Wo Du suchest wirst Du finden Kannst's in Land und See Dir gründen Balde gräbt man ein Grab 25 Willst Du nur hinab. T: H s H , b Dr: -
Nach dem Italiänischen 1
Zephyr o flüstre ihr flehend Du trügst ihr, treu sie umwehend Zärtliche Seufzer der Liebe Doch sag ihr nicht, ja nicht von mir. 5 Klag ihr o Bach wie trübe Die Ströme von bittern Zähren Schwellend die Fluth Dir mehren Doch forscht sie mehr von Dir O so verschweige sie sein von mir [.] 6 ,Die' mit dunklerer Tinte eingefügt T: Hs A , a, b Dr:LA: 9 sein ] seien (a, b)
Am 21! Novemb.[er] 1 Dir sind die muntren Farben nun verschwunden Hier waltet treuer Trauer düstres Grauen Kein Morgenroth ist irgend hier zu schauen Im Dunkel keine Blume wird gefunden
Die empfindsamen Gedichte
5
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Das Laub hat sich zum Kranze nicht gewunden Und eilet nicht Dir hochbetrübten Frauen Hülfreich ein Gott den Hochzeitschmuk zu bauen Wird bald das abgerissne Reis entblättert funden Auf langer Sehnsucht falben Grund gemahlet In trüber dunkler Hofnung Farbe schwebet Dein heiiger Namen hier Eleonore O daß statt Grau nur Himelsbläue strahlet' Erglühend selges Roth die Wangen hebet Und ewges Grün Dich schmüket Leonore
am Rand: 1 In Schwarz v[er]hüllt so unsres Lebens Stunden 2 Es herrscht n[u]r (?) tr[euer Trauer düstres Grauen] 3 Kein Glanz u[nd] (?) muntres Farbenspiel z[u] schauen 4 Erinnrungsblumen w[er]den nicht gefunden 5 Dies Laub 8 Myrtenreis Randfassung: 4 nicht ] Kürzel T: H s A , b Dr: LA: 10 schwebet ] schwebt (b) - 11 Namen ] Name (b) - 13 hebet ] hebt (b) LA zur Randfassung: 1 Schwarz ] Schmerz (b) - 2 nur tr ] - in (?) (b) - 3 und ] ist (b)
[Elegie] 1
Eile doch her o Geliebte zu mir es erwartet die Sehnsucht Duftender Küße Dich längst nach dem geschäftigen Ernst Wehe die Götter der Arbeitschweren Stunden sie rufen 4 Nahende Schatten der Nacht schon in das stille Gemach 3 ,Wehe' und ,sie rufen' im Text gestrichen, über den Zeilen mit etwas dunklerer Tinte neue Wörter, die folgende Verse ergeben: 3 Schon sind [die Götter] des Tags die belehrenden Geister gewichen 4 Nun sich der Abend genaht schau [in das stille Gemach] ; Dabei ,schau' aus ,schon' - 1/3 vor ,Eile' eine 2, vor ,Schon' eine 1 zeigen geplante Umstellung an. T: H s C Dr: -
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Texte
[Prosa-Fortsetzung] 1 Sie antwortet nicht, wo sie wol sein mag! Wehe! da bricht sie hervor die ewig quelende Wahrheit! Armer du hattest sie nie ledig ist Garten u[nd] Haus. Nur todte[r] Buchstab, mich nicht (?) im Traume erschauert (?). 5 Ein Traum war die Hofnung d[er] Vergangenheit, u[nd] nun träume ich den Traum nach (Wol mir daß ich es ungestört kann, dich aber umfängt die v[er]haßte [Nähe) Alle Umgeb[unge]n s[in]d ein Heiligthum d[ie]s[e]s Traumes, ohne [Bildniß. T: H s C Dr: Denkmale 145 LA: 4 fehlt Denkmale
[Randfassungen] la Siehe sie schlegt die hohem Dienst ge weihe te [Stunde] lb Hohem Dienste geweiht s[in]d mir (?) die heiligen Stunden Wo den ereileten Tag zögernd umarmet die Nacht Laß nachläßig gestrekt auf weicheres Polster uns kosen + Jezt der geflügelte Kuß jezt der behagliche Scherz 5 Jezt die Beredtsamkeit des stillen Umfangens der Liebe Spreche das heiige Glük Wiedererschaffend uns aus 7 Aber sie zögert! so still! Nichts regt sich in ih[re]m Gemache 8
+
Alles vergessend erst was uns die Sorge wirkt Und von des Tages Last die entstellende Spur zu v[er]wischen 10 Wechsle behaglicher Scherz jezt mit geflügeltem Kuß Liebe wehe mich an aus dem Hauch der Lippen (?) u[nd] Liebend Hebe der Busen sich mir Lächle das Auge mich an U[nd] d[ie] Beredtsamk[ei]t des sehnsuchtvollen Umfangens 14 Spreche das herrliche Glük wiedererschaffend es aus 15 Nun s[in]d d[ie] Götter des Tags d[ie] belehrenden Geister gewichen Schau an das stille Gemach harrend des m[or]g[en]d[en] (?) Rufs Denn es ertönt die dem ρ
Die empfindsamen Gedichte
187
3/8 durch + einander zugeordnet - 9 Und ] durch Verschreiben unleserlich, vielleicht ,Um' 10 über ,Scherz' steht ,Spiel', über ,Kuß' ,Scherz' - 14 herrliche ] lich-Kürzel - 15 Götter ] Kürzel T: H s C Dr: -
[Letzte Fassungen] 1 Nun sind die Götter des Tags die belehrenden Geister gewichen Schau an das stille Gemach harrend des morgenden Rufs Denn es ertönt die dem höheren Dienste gewidmete Stunde Wenn den ereileten Tag zögernd umarmet die Nacht 5 Eile drum her o Geliebte zu mir! längst harret die Sehnsucht Durstiger Lippen des Thaus der den Ermüdeten lezt Laß nachläßig gestrekt auf weicherem Polster uns kosen Süßer Vergessenheit nun pflegend und sinniger Ruh Und der geschäftigen Sorg entstellende Spur zu verwischen 10 Wechsle behagliches Spiel izt und geflügelter Scherz Liebe nur wehe Dein Hauch mir an Du Holdestef.] Liebend Hebe der Busen sich mir lächle das Auge mich an Und die Beredtsamkeit des entzükungsvollen Umfangens Zeige des himlischen Glüks wiedererschaffende Kraft 5 ,längst harret' mit schwarzer Tinte über ,es erwartet' (gestrichen) - 6 ,des Thaus' aus ,den Thau' (schwarze Tinte) - 9 ,der geschäftigen Sorg' über ,νοη der täglichen (?) Last (?) die' (gestr.) - 11 ,Dein Hauch' bis ,Holdeste' über ,auch Du aus dem Hauche der Lippen und' (gestr.) - 14 ,Zeige des himlischen Glüks wiedererschaffende Kraft' aus .Spreche das himlische Glük wiedererschaffend mir aus' (,mir aus' gestr.; ,Zeige' über ,Spreche'); unmittelbar hinter dem letzten Wort: ,ewige Wiedergeburt' am Rand zu 1-4 (braune Tinte) 1 Endlich so wäre die Zeit die Arbeitschwere gewichen Harrend des morgenden Rufs schlichen die Bücher (?) sich fort. Jezo zu schönerem Dienst ertönt die geweihete Stunde 4 Wenn den ereileten Tag [zögernd umarmet die Nacht] 4 ,ereileten' aus ,ereilenden' am Rand bei 6/7 (schwarzeTinte): Also ruf ich durchs Haus antwortend vernehm ich im Garten T: H s C Dr: Denkmale 145 (1-4 Randtext) LA: 11 nur ] nun (Denkmale) - Liebend ] liebend (Denkm.) - 1 4 Denkm. kombiniert: ,Zeige des himmlischen Glücks ewige Wiedergeburt'
188
Texte
Logogryph 1 Der ruft Du sollst Dein Wissen auf mich gründen Und jener warnt ich Loke Dich vom Ziel! Der mahnt Dich Ruhe nur bei mir zu finden Und jenem bin ich ein verfänglich Spiel 5 Den kann nur ich zur großen That entzünden Und jener klagt, ich mach der Trägen viel. Mir ist an Wissen nichts und Thun gelegen Auch nicht an Ruh ich will das Herz bewegen. So komm! ich zeige Dir im schönsten Lichte 10 Die Welt, durch mich nur lebet sie Dir auf. Und ewge Wahrheit ist es wenn ich dichte Der Welt der Menschheit sieggekrönten Lauf So richtet sich verklärend die Geschichte Der trunkne Blik zum Ideal hinauf 15 Mit Lebensglanz und hoher Lust belohnen Den Schauenden die himlischen Visionen. Nim weg den sanften Hauch der mich begonnen So findst Du Dich am kühlen Schattenort Wo mancher schon die Liebe mir gewonnen 20 Mit magischsüßem Sehnsucht vollem Wort Es säuseln Bäume hier, es flüstern Wonnen Vertrauen ruht im wohlgeschüzten Port Es lauscht die Einsamkeit durch dichte Schatten 24 Hinaus wo schön Natur und Kunst sich gatten. 2 ursprüngliche Einklammerung gestrichen - 5 Den ] im Text ,Dem' - 20 ,süßem' über ,[magisch]em der' (gestr.) - ll-14a gestrichen, der Text lautete ursprünglich: 11 Du schaffest selbst zur Wahrheit was ich dichte 12 Und heller wird Dir stets der Gottheit Lauf (?). 13 Dich heiligen der heiligen Gesichte 14 Ziehn Dir die Welt [zum Ideal hinauf] am Rand: 6 [Und jener klagt,] des Edlen wend ich viel 9 Kom dañ [ich zeige Dir im schönsten Lichte] 10 Die Welt, der Zukunft Vorhang rek ich auf 11 Die schönste Wahrheit ist es was ich dichte 12 Ich mahle Dir den sieggekrönten Lauf
Die empfindsamen Gedichte 13 14 22 23 24
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Belebend ziehn die heiligen Gesichte Den trunknen Blik zum Ideal hinauf Mein Jünger ruht [im wohlgeschüzten Port] U.[nd] lauschet sinkend hier [durch dichte Schatten] Hinaus wo frei [Natur und Kunst sich gatten.]
Randfassung: 12 darunter steht folgende Zeile (gestr.) ,Und siehst gelingen Deiner Brüder Lauf' - 14 ,Den trunknen' unter ,Ziehn Dir den' (gestr.) - 23 über .sinkend hier' steht,sanft bewegt', dabei ,sanft' aus ,tief' (gestr.), ,sanft bewegt' aus ,bewegt sanft' (Umstellung durch Bogen) T: Hs A , b, e Dr: Br. III, S. 366 L A : 12 sieggekrönten ] sieggekrönter (Br.) - 20 Sehnsucht vollem ] sehnsuchtsvollem (Br.) Randfassung: 10 rek ] roll (b) - 24 frei ] freie (b)
Die Epigramme Lebensüberdruß. Thränen der Wemuth u[nd] Liebe, sie sind der lieblichen Jugend frischendes Salz; weh dem, welchem die Quelle nicht fließt Aber zuviel v[o]n dem Salze so steht vom verdorbenen Mahle Unauslöschlichen Dursts auf der gesättigte Gast. am Rand zu 1-3: dem nüchternen Leben würzendes Salz nur so genügt es dem feinen Gaumen Aber zu häufig gemischt 1 ,u Liebe' bis ,Jugend' über ,sind für das oft so nüchterne Gastmal' (gestr.), dabei steht über ,das' ,dem' - 3 ,Mahle' aus ,Gastmal',, - 4 vor ,Unauslöschlichen' stand ,Mit' (gestr.) T: H s C , d Dr: Denkmale 141
Ohne der Wemuth Schmerz u.[nd] die liebenden Thränen verschmähte Nüchternes Lebens Genuß willig ein kräftiger Geist Doch zu häufig gemischt, und es steht vom verbitterten Mahle Unauslöschlichen Dursts auf der betrogene Gast am Rand: 1 Sp. [= Spalding] und der Zärtlichkeit 4 Sp. Nimmer des Durstes erquikt T: H s A , a Dr: Denkmale 141 LA: 1 liebenden Thränen ] liebende Thräne (a) - 2 willig ] völlig (Denkm.) - 3 Mahle ] Mahl (a) - 4 Dursts ] Durstes (a)
Erfahrung Schau dem entflohenen Glüke nicht nach d[ie] Gestalt ist zu[m] schreken Wendet es gar das Gesicht gleicht es d[en] Furien ganz
Die Epigramme
191
Τ: H s C , d Dr: Denkmale 141 LA: 1 Nicht ] Kürzel - 1 zum schreken ] zu schrecklich (d); zu schreckend (Denkm.) - 2 den Furien ] der Furie (d, Denkm.)
Schau dem entflohenen Glüke nicht nach, in den Naken gezaubert Wohnt aus der Gorgo Haupt ihm die v[er]steinernde Kraft. T: H s C , d Dr: 2 aus ] korrigiert aus unleserlichem Wort - versteinernde ] vielleicht: versteinende LA: 2 Wohnt] Wehet (?) (d)
Schau dem entflohenen Glüke nicht nach, in den Naken gezaubert Wohnt aus der Gorgo Haupt ihm die versteinende Kraft T: Hs A (Hs a nur Überschrift), k Dr: DTb LA: 1 Glück (Glücke k) nicht nach! In (DTb, k)
Verständniß Weñ von dem Glauben du hörst so manches Priesters der Weisheit Unverständlich Gespräch lerne nur dieses d[a]raus Daß sich die leere Vernunft nach der göttlichen Dichtung Lebenerfüllender Kraft imer vergeblich gesehnt Daß auch die leerste Vernunft doch hin zu der göttlichen Dichtung Lebenserfüllender Kraft weñ auch vergebens sich sehnt 1 ,so manches Priesters der' aus ,der Priester der neuen' (gestr.) - 3 über ,sich die' steht klein ,in ihnen' - 5 ,doch hin zu der' über ,sich nach der' (gestr.) - 6 ,vergebens' aus ,vergeblich' T: Hs C, d Dr: LA: 3 sich die ] sich in ihm die (d) - 4 vergebens ] vergeblich (d) - 6 vergebens ] vergeblich (d)
192
Texte
Wenn von dem Glauben du hörst in der Weisheit neueren Schulen Unverständlich Gespräch, lerne nur dieses daraus Daß auch leere Vernunft doch hin zu der göttlichen Dichtung Lebenerfüllender Kraft aber vergebens sich sehnt T: Hs A, k Dr: Denkmale 141; DTb LA: Ü Verständniß ] Verständigung (DTb; k) - 4 Lebenerfüllender Kraft ] Lebensfülle der Kraft (Denkm.)
Bescheidene Bitte Hört, spricht Kunz wer mich nicht versteht, der tauget wol wenig. Hinz: was ich nicht versteh, Leute das ist auch nichts werth O, Ihr vortreflichen Zwei verstehet Euch unter einander Daß doch einiger Werth bleibe der kläglichen Welt
am Rand: H[ört] s.[pricht] K.[unz] wer ρ Wenig tauget auch das, Leute was ich nicht versteh O vortreflich[er] Kunz, wir flehn, verstehe dich selber daß doch T: H s C , d Dr: LA: 2 nicht ] Kürzel - 3 verstehet ] versteht (d)
Schweiget und hört, rufts dort, nichts taugt wer mich nicht verstehet Auch was ich nicht versteh Leute bedeutet nicht viel 0 vortreflicher Mann! wir flehn verstehe dich selber Daß doch einiger Werth bleibe der kläglichen Welt. am Rand: 1 Sp. [aiding] Glaubt mir daß nichts, wer mich nicht v[er]steht tauge T: Hs A, k Dr: Denkmale 141; DTb LA: 3 flehen (DTb, k) - 4 bliebe (Denkm.)
Die Epigramme
193
Bedingung Wer sich selbst nicht anschaut wird nie das Ganze begreifen Wer nicht das Ganze gesucht findet auch nimer sich selbst T: Hs B, d Dr: KGAI/2, S.127 LA: 1 nie ] nimmer (d)
Wer sich selbst nicht anschaut, nie wird er das ganze begreifen Wer nicht das Ganze gesucht findet wol nimer sich selbst T: Hs A, a Dr: Denkmale 118 LA: 1 selbst nicht ] nicht selbst (Denkm.); nie ] wie (a)
Kunst und Liebe Dir ist das höchste die Kunst, dem heißt der Gipfel die Liebe Liebest Du bildend denn nicht? bildet nicht liebend auch er Sträflicher Uebermuth ist Kunst entbehrend der Liebe Liebe nur leeres Geschwäz wo nicht die Kunst sie beseelt. am Rand: 1 od.[er]: dem heißet die Liebe das Höchste 2 Sp.[aiding] Liebst denn bildend nicht Du? 3 od.[er] sträflich[e]r Frevel ist Kunst entbehrt sie der heiligen Liebe T: Hs A, a, k Dr: DTb LA: Ü Kunst und Liebe ] Das Höchste (DTb, k) - 1 heißt ] heißet (DTb, k) - 2 Liebst denn bildend nicht Du? (DTb, k) - 3 Sträflicher Frevel wird Kunst, entbehrt sie der heiligen Liebe (DTb, k) Hs a: Kunst u[nd] Liebe Dir ist das höchste die Kunst, dem heißet die Liebe das Höchste Liebest deñ bildend nicht Du? Bildet nicht liebend auch er? Sträflicher Frevel ist Kunst, entbehrt sie der heiligen Liebe Liebe nur leeres Geschwätz, wo nicht die Kunst sie beseelt.
194
Texte
Trauer u.[nd] Wehmuth. Trauert ein zartes Gemüth um das untergegangene Schöne Reicht ihm, den liebenden Wahn theilend die tröstende Hand Aber ein größeres Herz algegenwärt[i]g in Allem (?) Wäget die Werke der Zeit stärkend (?) das hohe Gefühl Sehend in dem was ist das Gewesene gleich u[nd] d[ie] Zukunft 2 ,Reicht' aus ,Reichet'; ,ihm' über der Zeile eingefügt - 4 Wäget ] Waget T: H s D Dr: -
Trauert ein zärtliches Herz um d[as] untergegangene Schöne Reichet den liebenden Wahn achtend ihm freund[li]ch[e]n Trost Seht ihr ein hohes Gemüth nicht achtend vergängliches Dasein Klagend dem inneren Sein weihen das ernste Gefühl Welchem ach Reinheit fehlt überall wie im eig[e]n[en] Bus[e]n Wo imer T[u]g[en]d u[nd] Geist waltet und liebende Kunst Dann zu der Wemuthseufzenden Brust anbetend das Höchste Neigt mittrauernd Euch harrend u[nd] Schmerzenerfüllt 3 nicht ] Kürzel; ,vergäng-liches' durch Verschreibung unlesbar, erschlossen nach H s A - 5 .überall wie' über ,wie (?) er (?) fehlt' (gestr.); ,eigenen' vielleicht ,engen' T: H s D Dr: -
Trauert ein zärtliches Herz um ein untergegangenes Schöne Reichet, den liebenden Wahn ehrend, ihm freundlichen Trost Seht ihr ein hohes Gemüth nicht haftend am flüchtigen Dasein Weihen das ernste Gefühl klagend dem inneren Sein Dem, ach! Reinheit fehlt wie der Tugend im eigenen Busen So überall wo Geist waltet und liebende Kraft Dann zu der Wemuthseufzenden Brust, anbetend das Höchste Neigt mitfühlenden Sinn harrend und Schmerzenerfüllt 8 ,mitfühlenden Sinn' aus ,mitfühlend die Brust' (gestr.) T: Hs A Dr: Denkmale 114 LA: Ü Trauer und Wehmuth ] Treue und Wehmuth ( D e n k m . )
Die Epigramme
195
[Unschuld und Weisheit] Wunderlich oft in scheinbarem Krieg in listigem Frieden lebet im Menschen d[a]s Thier mit dem erhabenen Geist Selig die Unschuld die das v[er]borg[e]n[e] Spiel noch nicht ahndet Heilig die Weisheit kräftig vernichtet den Trug Wunderlich unter dem Schein des Krieges u[nd] fr[ied]lich[e]m (?) [Hadern (?) Lebet im Menschen das Thier oft mit dem höheren Geist Selig die Unschuld die nicht ahndet innere (?) Täuschung Heilig die Weisheit nur welche vernichtet den Trug 7 nicht ] Kürzel T: H s D Dr: 1/2/3/8 Denkmale 114 LA: 1 in ] und (Denkm.)
[Motto zur Treue] Weißt du dem Urbild nur dem du nachstrebst Treue zu halten Dann wo du liebest geschiehts sicher mit ewiger Treu. T: H s D Dr: Denkmale 113
Wenn du dem Urbild weißt, dem du nachstrebst Treue zu halten Liebst du die Freunde gewiß auch mit beharrlicher Treu. T: H s A Dr: -
[Der Zauberlehrling] Leicht wol erlernt sich die Kunst, in die Schlange den Stab zu verwandeln Aber die Schlang' in den Stab! Moses, o wärest du hier T: H s A Dr: -
196
Texte
[Schöpfung] Laß uns ein Bild nun schaffen, uns gleich sprach Gott zu der Erde Darum ist irdischer Gott, göttliche Erde der Mensch T: Hs C, d Dr: Denkmale 123.142 LA: 1 uns gleich sprach ] mir gleich spricht (Denkm. 142)
[Mensch und Welt] Wie bei dem Menschen du forschest nach dem was drinnen sich reget Unbeachtend was er äußerlich leidet und thut Also auch in der Welt such auf der ewigen Kräfte unvergänglich Gesez, würdige hohe Gesta[l]t 3 ,der ewigen' aus ,des Menschen die' (gestr.) - 4 .würdige' aus ,ewige' (gestr.) T: Hs Β Dr: Denkmale 117 / KGA1/2, S. 126
[Die Herkunft der Liebe] Sollte die Liebe wol sein der Nacht u[nd] des Erebos Tochter? Glaub[e]t nur dann daß sie bald Vater und Mutter verschlingt. am Rand:
Heilige Liebe der Nacht warst du u[nd] des Erebos Tochter Lebtest sogar d[urc]h die welche du beide v[er]schlingst? 3 ,der Nacht warst du' aus ,du warst der Nacht' (Umstellung durch Zahlen über den Wörtern) T: Hs C, d Dr: LA: 3 warst ] wärst (d)
Die Epigramme
197
[Stufen der Erkenntnis] Selbst sich kennen ist viel, viel mehr noch die Welt zu erkennen Aber das höchste ist doch Gott zu erkennen allein. Wer kennt Gott? Wer die Welt hat erkannt - und die Welt zu erkennen? Keiner vermag es als wer selbst sich zuvörderst erkenntf.] T: Hs H, b Dr: -
[Die Liebe] Was ist das, was mit Dir, die Welt und Gott verbindet? Wodurch in Einem sich das All beisammen findet? Es ist die Liebe! Sie begreifen, ihr entbrennen das heißt zu allem Heil den eingen Schlüssel kennen. T: Hs H, b Dr: -
[Zwei Lehren] „Froh mit dem Leben gespielt!" das hat noch keinen gereuet. „Heilig die Seele bewahrt!" so nur gedeihet der Mensch! Nicht widersprechen sie sich, die beiden gepriesenen Lehren[:] Sei Dir heilig, so wird schöner das Leben zum Spiel. T: Hs, H, b Dr: -
Die Übersetzungen aus dem Griechischen Sappho IV
(VII 489)
Dieses der Timas Staub, die vor der Vermählung gestorben Auf nahm Phersephones dunkeles Ehegemach Der nachtrauernd meist mit noch unberühretem Eisen Alle Gespielen des Haupts liebliche Loken geweiht. 3 über ,noch unberühretem' steht ,frischgeschärfetem' (hellere Tinte) Ü: Sappho P.55
Solon XVII Wolken entstürzet herab des Schnees Gewicht u[nd] des Hagels So wie des Donners Gewalt zeuget der leuchtende Bliz Stürmend machet das Mer aufwühlend erbrausen doch wenn es Keiner beweget erscheints eben vor allen u[nd] sanft Also d[urc]h kräftige Männer der Staat geht unter, in Herrschers Knechtschaft sinket das Volk besserer Kentniß (?) beraubt am Rand: 3 Sturmes Gewalt in die Tiefe hineingewühlt (?) schüttelt das Mer durch 4 Rührt es keiner erscheints ρ 5 A.[lso] d[urc]h gewaltige Männer (?) zerrüten sich Staaten, [in Herrschers] 6 [Knechtschaft sinket das Volk] richtiger Kunde [beraubt] Ü: P.71.
[Druckfassung] Von Solon Wolken, entstürzet herab des Schnees Gestöber; der Hagel So wie des Donners Gewalt, zeuget der leuchtende Blitz.
(-)
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
199
Sturmes Getös, in die Tiefe sich wühlend, schüttelt das Meer durch; Rühret es keiner, erscheint's eben vor allen und sanft. So durch gewaltige Männer zerrütten sich Staaten, in Herrschers Knechtschaft sinket das Volk, richtiger Kunde beraubt. T: H s k Dr: DTb
Meleager XCI
(V177)
Eros rufe den Wilden ich aus. So eben nur eben Ist er am Morgen früh fliegend dem Lager entschlüpft Weinerlich süß ist der Knabe, behend, unerschroken, geschwäzig Spöttisch lachend, beschwingt hinten, und Köcherumschnallt 5 Welches Vaters zu sagen vermag ich nicht; weder hat Aether Erde noch See jemals sich zu dem frechen bekant So überall ist er Allen berüchtiget. Also verwehrt Euch Ob er den Seelen nicht schon andere (?) Neze gestellt. Aber o siehe! Du dorten im Winkelchen! Nicht mir entgehst Du 10 Schüz in Zenophilas Aug allzubehaglich verstekt. 1 ,So' aus .Denn' (gestr.) - 2 ,Ist' aus ,Hat' (gestr.); ,dem [Lager] entschlüpft' über der Zeile, ursprünglich ,das Lager geräumt' - 4 ,Spöt-tisch' gebessert aus ,.. .tisch' (unlesbar) - 5 .weder' aus ,nicht' (gestr.); zwischen ,hat' und ,Aether' stand ,sich' (gestr.) - 6 ,sich' aus ,so' (?) (gestr.) - 7 ,Also' gebessert aus ,Aber' - 8 ,Ob' aus ,Daß' (gestr.); .schon andere Neze' über , . . . andre (?) zu . . . ' (gestr.) - 9 ,Du dorten' gebessert aus ,Da dieser' (gestr.); .mir' aus .mehr' (gestr.) - 10 Text mit spitzerer Feder unmittelbar unter das Gedicht geschrieben, ursprünglich .Zielend in Zenophilas Augen so listig verstekt'; ,so listig verstekt' aus , . .ft' (gestr., unlesbar); .Schüz' im Text .Schuz'
ich
Ü: Meleager 91.
Meleager XCV
(V178)
Werd er verkauft! obschon er noch schläft im Schooße der Mutter Werd er verkauft! wozu soll ich den frechen erziehn Spöttisch die Nase nur rümpft der beflügelte, scharf mit den Nägeln Kneift er u[nd] weinend auch Lacht er unmäßig (?) Dir neu 5 Ueber das ist er verwegen, und immergeschwäzig u[nd] listig Blikend und wild, ja selbst Mütterchen schmeichelt er nicht Wunderlich Alles. Darum auch verhandl ich ihn! Will wo ein Schiffer
200
Texte
Welchem die Fahrt schon eilt kaufen den Knaben, der komm. Aber er fleht! o seht den Verweineten! Nichts von verkaufen 10 Ruhig! der Zenophila bleibst zum Gespielen Du hier. 3 ,Spöttisch' bis ,der' über ,Ihn mit der spöttischen Nase' (gestr.); .beflügelte' aus .beflügelten' - 4 ,Dir' aus ,hier' (gestr.) - 5 ,ist er ver-' über , . . . ' (gestr., unleserlich); ,und' aus ,so' 7 .Schiffer' über .Kaufman' (gestr.) - 8 .Welchem' bis .eilt' über .Hurtig zu sezen [sagen ?] bereit' (gestr.); in .der' ein Strich: ,er'? - 10 .zum' über ,Du' (gestr.); .Gespielen' aus .Gespiele'; ,Du' über .mir' Unter 10: .[Ruhig!] du bleibst als Gespiel mir Zenophila hier' O: 95.
Meleager LXV
(V198)
O. Du der Demo Loke! Sandale der Heliodora O der Timarion Du balsambeträufelte Flur Ueppiges Lächeln Du der blauäugigen Antikleia Ihr frischduftende stets Kränze der Dorothea! Nicht mehr birget der goldene Köcher geflügelte Pfeile Eros, leider in mir fühl ich Dein ganzes Geschüz! am Rand: 4 Ihr Dorotheas so schön duftende Kränze so frisch darüber Ergänzungen: 4 Du [Dorotheas so schön] duftendes Blumenpaar (?) 5 statt .birget' bis .Pfeile' über der Zeile: .[Nicht mehr birg]t Dir fliegende Pfeile der goldene Köcher' - 6 .leider' über .denn ach' (gestr.); .fühl' über ,hab'; .Dein' über .das'; .ganzes' über .ganze'; ,Ge-schüz' aus ,Ge-schoß' (gestr.). Die Zeile lautete also ursprünglich: .Eros, denn ach in mir hab ich das ganze Geschoß!' Ü: 65.
Meleager LXXIV Eos Bote verlauf, o Phosphoros! brächtest Du bald nur Heimlich als Hesperos die, welche Du raubest zurük! 1 über .verlauf' steht .gegrüßt' Ü: 74
(XII114)
201
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
Meleager CVI
(V141)
Eros hört mit! wie was in die Ohren mir Heliodora Flüstert, lieblicher klingt nimmer die Leier Apolls. am Rand: Eros hör es! fürwahr so lieblich als Heliodora's Ohrengeflüster erklingt ρ [nimmer die Leier Apolls] 2 .lieblicher' aus ,so [gestr.] lieblich'; Trennungsstrich zwischen ,lieblicher' und .klingt'
Ü: 106
Meleager LXIX
(V 156)
Leicht mit den blauen Augen beredet Asklepias alle Wie auf die ruhige See einladend zur Schiffahrt der Liebe. Alle gewinnt Asklepias leicht! Wie auf stilles Gewässer Laden zur Liebesfahrt bläuliche Augen uns ein lf mehrfach durchstrichen, darüber in anderer Feder: ,[Leicht] beredet zur Fahrt Asklepias alle der Liebe' - 3f in veränderter Schrift unter 2 Ü: 69
Krates I
(IX 497)
Eros bezwinget Hunger, wo nicht der die Zeit Doch weñ auch diese nicht die Flam auslöschen will Ein Mittel bleibet Dir dann noch übrig der leidige Strik. 3 .bleibet' aus .bleibt'; .noch übrig' aus .übrig noch' (Bogen) Ü: Krates Anthl.P. 186
Skolion XX Diese Eichel besizt jezo das Schwein jene begehrt es schon So dies liebliche Kind hab ich anizt jenes begehr ich schon 1 über der Zeile: .Jezt die [Eichel] verzehrt gierig' - 1.2 .schon' über .doch' (gestr.) Ü: Skol XX. P.159
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202
Texte
Skolion XXI
(-)
Wie der Bader so hat ähnliche Weis überall auch die Hur In demselben Trog wäscht sie den Held wie den Erbärmlichen Ü: 1.159
Hermodoros
(XVI170)
Fremdling siehst Du die Knidische Kypris, Du rufest begeistert Herrsche den Sterblichen Du und den Unsterblichen auch Doch die Kakropische speervertrauende Pallas erblikend Sagst Du: Warlich es hat Paris nur Ochsen geführt. 1 .begeistert' über .unfehlbar' - 4 unter der Zeile steht mit etwas dunklerer Tinte von .warlich' bis .Paris': .Paris hat doch warlich' Ü: Anth 1,262
Euenos VI
(XII 172)
Ist es doch quälend zu hassen und Quaal auch lieben so will ich lieber vom guten Geschwür Schmerzen erleiden u[nd] Tod. 1 über .ist es doch' steht .Ists gleich'; über .und' .wie'; über .auch' .bringt' - 2 über .lieber' steht .eher' Ü: 165.
Meleager CXXI
(VII 461)
Erd Allmutter gegrüßt sei, und welcher zuvor auf Dir nie Schwer gedrükt sei auch jezt leichter dem Aisigenes. 1 über .welcher' bis .Dir' steht .weil er auf keinerlei Art Dich' - 2 .auch' eingefügt zwischen .sei' und ,jezt' am Rand: Sei mir o Erd Allmutter gegrüßt u.[nd] welcher vorher Dich nie schwer drükte sei izt leicht auch dem Aisigenes.
203
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
1 ,vorher Dich' steht über ,Dich nie schwer' - 2 ,nie schwer' vor ,drükte' gedrängt; ,izt' zwischen ,sei' und ,leicht' eingefügt; hinter ,auch' stand ,Du izo' (gestr.) Ü: Meleager 121. Hsk: Von Meleager. Sei mir, o Erd', Allmutter, gegrüßt! Und welcher zuvor Dich Nie schwer drückte, sei Du auch dem Aesigenes leicht.
Meleager III
(XII 86)
Kypris als Frau wirft Frauenbethörete Flamen hernieder Eros wieder regiret Liebe der Männer allein. Wohin wend ich? Zum Sohn, zur Mutter? Doch Kypris glaube ich Selber gestehet: es siegt doch das verwegene Kind. 3 vor ,glaube' stand ,ich' (gestr.); statt ,Kypris' ,Kypren'? am Rand: 3 Izo wohin? Zur Mutter zum Sohn? Doch Ü: 3
Piaton XI Suchend ein Heiligthum zum Besiz das nimer verginge Fanden die Chariten Dich Geist des Aristophanes. Ü: Piaton 1.11 (I aus 9 gebessert)
Platon IX
(VI 160)
Praxiteles sah nimer verbotenes: aber das Eisen Bildete wie Ares wollte die Paphie sehn. Ü: Zu 9.
Platon II Als ich küßt Agathon schwebt auf den Lippen die Seele Arme, sie drängte sich vor wünschend hinüberzugehn
(V 78)
204
Texte
am Rand: Unter des Agathon Kuß schwebt mir ρ [auf den Lippen die Seele] Aermste, sie drängt sich hervor [wünschend hinüberzugehn] Ü: 2
Antipater LVII
(IX 720)
Hätte Myron nicht hier an dem Stein mir die Füße befestigt Sicher mit anderem Rind strich ich die Wiesen umher. Ü: 11,21
Antipater LVI
(IX 729)
Lege mir einer das Joch um den Hals und befeste den Pflug dran Denn daß ich pflüge Dein Theil hast Du Myron wol gethan 1 ,befeste' b aus f (?) gebessert - 2 ,Dein' aus ,mein' am Rand: Mir um den Naken das Joch u[nd] den Pflug anleget: zum mi[n]dsten Hat, daß die Arbeit geht Myron das s[ein]e gethan 1 statt .anleget' bis ,mindsten' [über der Zeile] ursprünglich ,auch festiget, mi[n]dstens' [gestr., unter der Zeile] Ü: ibd.
Antipater LV
(IX 724)
Bald wird die Kuh nun brüllen gedulde Dich! nicht nur Prometheus Bildet belebtes auch Du hast es verstanden Myron. Ü: ibid
Antipater LIV
(IX 728)
Bald wird die Kuh nun brüllen, gedulde Dich! sollte sie zögern Hat doch nicht Myron Schuld sondern das Erz hat nicht Lust. 2 ,nicht Myron' im Text ,Myron nicht' (Umstellung durch Ziffern); über ,sondern' bis ,nicht' steht ,nur das unlustige Erz' Ü: ibd
205
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
Antipater LVIII
(IX 721)
Kalb warum so mir die Weichen umschnüffelst Du? Welches Gebrüll Nicht h[a]t der Künstler auch Milch mir in das Euter gefüllt 1 ,die Weichen' über ,das Euter' (gestr.); ,welches Gebrüll' hinter ,brüllend daneben' (?) (gestr.); über .brüllend daneben' ,τιπτε δε μυκςι' - 2 ursprüngl. ,Nicht h[a]t der Künstler mit Milch auch mir das Euter gefüllt' (,mit' und ,auch' gestr.; ,in' über der Zeile) Ü: ibid
Antipater XXXII
(XVI178)
Die sich empor aus dem Schooß frisch hebende Tochter des Meeres Kypria hier ein Gebild schau von dem Pinsel Apells Wie mit der Hand sie zusammengerafft die durchnezeten Haare Nun widerstrebenden Schaum träufelnden Loken entdrükt Selber bekennen wol izt Athene oder auch Here: Nicht der Gestalt Wettstreit bieten wir länger Dir an. 3 über ,durch-neze-ten' steht,-feuchte-' - 4 widerstrebenden' über ,den unwilligen' (gestr.); ,Loken' über ,Haaren' (gestr.) - 6 ,bieten' über .tragen' (?) (gestr.); ,Dir an' über ,mit Dir' (gestr.) am Rand: 1 Die aus dem Schooße des Meeres empor nun steigende Tochter 2 Kypria hier von Apells Pinsel beschaue das Werk. 2b Kypria von Apelles Pinsel beschaue das Werk ((gestr.) 5 [Selber bekennen wol izt] Tritonia oder auch Here Ü: II, 15 (conf Jakobs Tempe.) Τ: Hs A, f Dr: Br. III, S. 364 LA: 3 durchnezeten ] durchfeuchteten (f, Br.) - 5 izt ] muß (f, Br.)
Lukillios XXXVI
(XI113)
Gestern den steinernen Zeus berührte der Arzt Menedemos Obgleich steinern u[nd] Zeus trägt man ihn heute hinaus. 1 über ,berührte' bis ,Menedemos' steht ,[berüh-]rete Markos der Arzt nur' - Ü 324 aus 36 gebessert Ü: III 324 (nach Voss IV [recte VI] 298)
206
Texte
Mimnermos
(IX 50)
Nur Dein eigen Gemüth befriedige Laß dann die Nachbarn Krittelt der eine zu scharf, lobt Dich der andre dafür. Ü: Mimn. VII.
Solon V
(-)
Ich von Tage zu Tag' altere weiter belehrt. Ü: Brunck Anal. I.65.V. T:Dr: Piatons Werke 1/1, S. 410
Simonides XI
(- ) Skolion
Die Gesundheit ist das Beste jedem Menschen Zweitens, daß er schön von Gestalt erscheine Reichsein ohne Falsch das dritte, und endlich Das Vierte sich der Jugend freun mit Freunden. Ü: Brunck. Anal. I, 122 T:Dr: Piatons Werke II/l, S. 471
Aus der Platon-Übersetzung 1. Gleichwie Wölfe das Lamm, so lieben den Knaben Verliebte. Dr: Piatons Werke 1/1, 1804, S. 107 (Phädros)
2.
Unwahr ist diese Rede, denn nie bestiegst du die zierlichen Schiffe, noch kamst du je zur Feste von Troja. Dr: S. 109
Die Übersetzungen aus dem Griechischen
207
3. [Grab des Midas] Hier an des Midas Grab erblikst du mich eherne Jungfrau. Bis nicht Wasser mehr fließt, noch erblühn hochstämmige Bäume, Muß ich verweilen allhier an dem vielbethräneten Denkmal, Daß auch der Wanderer wisse, wo Midas liege begraben. Dr: S. 145
[Zweitfassung] Eherne Jungfrau bin ich und lieg an dem Grabe des Midas. Bis nicht Wasser mehr fließt, noch erblühn hochstämmige Bäume, [Bis die Sonne nicht mehr uns scheint, und der scheinende Mond nicht. Bis auch die Ströme nicht fließen und nicht mehr brausen die Wogen,] Immer verweilend allhier an dem vielbethräneten Denkmal, Daß auch der Wanderer wisse, wo Midas liege begraben. Dr: Piatons Werke 1/1, 2. Aufl. 1817, S. 144f (Klammer S. 391)
4. Wo Erst Okeanos selbst der geräuschige schreitet zur Ehe, Der sich mitTethys von Mutterseit' ihm Schwester begattet. Dr: Piatons Werke II/2, 1807, S. 55 (Kratylos)
5. [Hymnos auf den Okeanos] Dich Okeanos feir' ich, den unvergänglichen Vater Dich unsterblicher Götter und sterblicher Menschheit Ursprung. Dr: S. 463 (Kommentar) 6.
Aber im sechsten Geschlecht laßt ruhen den Kreis des Gesanges. Dr: Piatons Werke II/3, 1809, S. 240 (Philebos)
[Kommentar-Fassung : ] Aber im sechsten Geschlecht laßt ruhn den Geist vom Gesänge. Dr: S. 497
7. [Aischylos] Die tiefe Furche nuzend im Gemüth woraus Ihm edle Frucht, Entschluß und Rath emporgedeiht. Dr: Piatons Werke III/l, 1828, S. 129 (Politeia)
208
Texte
8. [Pindar] Ob ich durch das Recht die höhere Feste oder durch schlängelnden Betrug ersteigend Dr: S. 134
9. [Aischylos] Verschuldung läßt Gott wachsen bald, wenn er zu Boden schmettern will ein Haus. Dr: S. 159
10. [Aischylos] ihr schönes Mutterglük der Söhne krankheitloses spätes Lebensziel. Und dies gesagt bekräftet sein Päan zulezt mein gottbegünstigt Schiksal mich ermutigend. Da hoft ich, truglos werde Phoibos Göttermund mir sein der kunstreich Weissagungen sprudelnde. Er aber selbst der Sänger, der selbst dieses sprach, Er selbst von damals Hochzeitsgast, ist selber nun Des Sohnes Mörder. Dr: S. 164f
11. Götter gewinnet Geschenk, Geschenk auch mächtige Herrscher Dr: S. 173
12. [Aischylos] die ächten Götterstammes sind, so nah dem Zeus, daß ihnen auf des Ida Höhn sein väterlicher Altar steht im Aetherduft, und noch in ihnen kenntlich rinnt das Götterblut. Dr: S. 175
Charaden ι. Im ersten wohnt das Herz, das zweite zeigt die Seele Doch komt dem Ganzen zu daß Leib u[nd] Fuß ihm fehle.
(A)
II: 1 Das erste birgt das herz (g) - Das Erste bringt das Herz (DTb/Var) T: Hs A, b, c, g, h Dr: Mu, La, RCh - DTb, Var LA: Im ersten ruht das Herz, im zweiten suchst du Seele, Das Ganze klagt nicht drob, daß Leib und Fuß ihm fehle.
(b, c, h, Mu, La, RCh)
2.
Mein erstes ist der Charitinnen Spiel Das zweite läuft in Wäldern wild umher Das Ganze quält sich ab in Straßen kreuz und quer Und ist der Kinder Lust und ihres Spottes Ziel
(A, a, g, DTb/Var)
T: Hs A, a, b, g, h Dr: Mu, La, RCh - DTb, Var LA: 1 Das Erste kennst du als der Charitinnen Spiel, 4 Als wilder Knaben Lust und ihres Muthwills Ziel
(b, h, Mu, La, RCh)
3.
Wol dem Jüngling dessen erstes so sein zweites ist Daß er auch des reichsten Ganzen gern dabei vergißt Wol dem Mädchen die als erstes zu dem zweiten Vielbewundert auch das Ganze kann begleiten II: 1 dem sein erstes(a) - 2 reisten(a) - 4 viel bewundert (DTb/Var)
(A, g, DTb/Var)
210
Texte
Τ: Hs A , a, b, g Dr: Mu, La, RCh - DTb, Var LA: 1 erstes ] Erste (b 2 erstes) - 3 Doch die Jungfrau, kommt als Erste sie zu ihrem Zweiten - 4 Lasse doch vom Ganzen zierlich sich dorthin begleiten (b, Mu, La, RCh)
4.
Stehn wie das erste sagt wird sehr gesucht Des Zweiten Ruhm begehren wol fast alle Das Ganze wird von Vielen gar verflucht Und hat es wer: so hofft man daß er falle.
(A, a, g, DTb/Var)
T: Hs A, a, b, g Dr: Mu, La, RCh - DTb, Var LA: Wer wie die Erste steht, ist zu beneiden, Der Zweiten Ruhm begehren wohl fast alle; Hat Wer das Ganze, hofft man, daß er falle, Und bis dahin sucht jeder ihn zu meiden.
(b, Mu, La, RCh)
5.
Was in dem ersten Paare man hat, das erhaschet das Ganze Merkt man es zeitig genug: so schreit man haltet das lezte. (A, a, g, DTb/Var) T: Hs A , a, b, c, g Dr: Mu, La, RCh - DTb, Var LA: Was in dem ersten Paar du hattest, erhäscht sich das Ganze; Merkst du es zeitig, du wirst „haltet die letzte mir" schrein. (b, c, Mu, La, RCh)
6.
Aus eines Gottes Mißgeschik Und eines Mädchens liebescheuer Bitte Entsprangen einst die ersten zwei, das dritte Gewinnet und verliert der Liebe erstes Glük Das Ganze wird durch Liebe nicht erworben Am schönsten durch die Macht der Kunst Am häufigsten doch durch des Glükes Gunst Und dann, ach, hat es oft der Liebe Glük verdorben.
(A, a, g, DTb)
211
Charaden II: 1 mißgeschikke (g) Τ: Hs A, a, b, c, g Dr: Mu, La, RCh - DTb LA: 3 das dritte (Mu) - 4 Gewinnt sich und verliert (b, c, Mu, La, RCh)
7. Die Gluth der Sonne macht das erste zart Die Glut des Feuers macht das zweite hart Das Ganze faßt was neue Glut Ergießt in braver Männer Blut. II:
(A, c)
Mein Erstes (erstes [a, g]) glüht die Sonne zart; Mein Zweites (zweites [a, g]) glüht, dann wird es hart; Mein Ganzes faßt (fast [a]), was neue Gluth Ergießt in Euer (euer [a,g, DTb]) Blut. (Var, DTb, a, g)
T: Hs A, a, b, c, g, h Dr: Mu, La, RCh - DTb, Var LA: Das Erste glüht' die Sonne, so ward es mild und zart, Das Zweite glüht' im Feuer, und wurde spröd' und hart; Das Ganze faßt, was neue Glut Ergießt in Euer Blut, (b, h, Mu, La, RCh)
8. Durch dichte Nacht drängt sich mein erstes Silbenpaar Auf zartem Weiß stellt sich das zweit' am schönsten dar Mög oft das Ganze Dein erwachend Aug erfreuen Und ungetrübt die Lust des Lebens Dir erneuen.
(A, a, g, DTb)
I: 3 ,oft' durch Verschreiben unleserlich, vielleicht aus ,auch' II: 1 Silberpaar (DTb) - 3 erfreun (g, DTb) - 4 erneun (g) (Zeile 4 fehlt DTb) T: Hs A, a, b, g Dr: Mu, La, RCh - DTb LA: 1 Durch dunkle Nacht drängt sich das erste Silbenpaar (b, Mu, La, RCh)
212
Texte
9. Aus zarten Blumen wird das erste zubereitet Von fernen Sternen her das zweit' uns zugeleitet Das Ganze seht ihr oft in schöngeschmükten Zimern Weit über Sternen hoch und über Blumen schimmern.
( A , g, DTb/Var)
II: 3 schön geschmückten (g, D T b ) T: Hs A , a, b, c, g, h Dr: Mu, La, RCh - D T b , Var L A : 2 zweite uns geleitet (c) - 4 Hoch über Blumenpracht, hoch über Sternen schimmern (b, c, h, Mu, L a , RCh)
10. Dem ersten fügt schau wem ein altes Sprichwort zu Das zweite steht am Markt zu Halle jedem offen Vom Ganzen ruf ich auch schau wem Du's giebst Dir zu Willst Du nach meinem Wunsch ein frohes Leben hoffen.
(A)
I: 2 ,am Markt zu Halle' in etwas dunklerer Tinte aus ,bei uns am Markte' (gestr.) II: 1 Zum Ersten fügt „schau wem" (g, DTb/Var) - 2 bei uns am (dem [RCh 1 ]) Markte (a, g, DTb/Var) - 3 „Schau wem Du's giebst" (g, DTb/Var); giebts (a) T: Hs A , a, b, c, g Dr: Mu, L a , RCh - D T b , Var L A : 1 Zum Ersten fügt „Schau wem!"; (Sprüchwort La) - 2 In vielen Städten (am Markt zu Halle [c]) steht die Zweite Jedem offen (b, c, Mu, La, R C h )
11.
U m das Ganze wird oft noch mühsam kämpfend gestritten Wenn der Feind es schon längst gänz[li]ch im innern zerstört Doch hat das erste der Feind so sind oft herrliche Städte Mehr als das zweite nicht werth wenn Du als taub es verwirfst ( A , g, DTb/Var) T: Hs A , b, c, g Dr: Mu, L a , RCh - D T b , Var L A : 1 Ueber das Ganze wird oft von Knaben noch kämpfend gestritten, 2 Wenn auch der Feind schon längst gänzlich (schon gänzlich [c]) das Innre zerstört; (b, c, Mu, La, RCh)
Charaden
213
12. Das erst ist mir ein Hund, das zweit und dritt ein Junge Das Ganz' ist ärger noch als selbst ein Hundejunge.
(A)
1:1 ,Das erst ist mir' über ,Mein erstes' (.erstes' gestr.) - 2 ,Das Ganz' ist' aus ,Mein Ganzes' II: 1 Mein Erstes ist ein Hund - 2 Das Ganze ärger (a, g, DTb/Var) T: Hs A, a, b, c, g Dr: Mu, La, RCh - DTb, Var LA: 1 Nimmst du die Erst' (erste [e]) als Hund, die andern Zwei (anderen zwei [c]) als Jungen: 2 Das Ganze nimmst du doch auch nicht zum Hundejungen (zu Huldigungen [c]) (b, c, Mu, La, RCh)
13.
Durchs erste glaubte man die Zukunft sonst zu deuten Durchs zweite wähnen wir die Zukunft zu bereiten Doch ist das Ganze nur der Gegenwart geweiht Und selten d[a]ß es sich der Zukunft noch erfreit (A, a, b, g, h, DTb/Var, Mu, La) II: 4 erfreut (a, g, DTb/Var) T: Hs A, a, b, g, h Dr: Mu, La, RCh - DTb, Var LA: 4 erfreut (b, h, Mu, La); der Zukunft freut (RCh)
14.
Gutes Gehör braucht seltner als andre das erste zu fragen Gutes Gesicht kann weiter umher das zweite erspähn Guter Geschmak hat gewiß das Ganze liebend verehret Doch kaum alles genossen, was nur zu reichlich es darbeut.
(A)
I: 3 .verehret' aus .genossen' (?) (gestr.) II: 2 erspähen - 3 den ganzen (a, g, DTb/Var) - 4 er darbeut (a) T: Hs A, a, b, c, g Dr: Mu, La, RCh - DTb, Var LA: 1 seltener [c] - 2 erspähen - 3 wird gewiß den Ganzen liebend (den ganzen Bestand [c], das Ganze liebend [RCh]) verehren - 4 alles genießen, was allzureichlich er darbot (darbeut [c]) (b, c, Mu, La, RCh)
214
Texte
15.
Das Drittel nehmt von einem Kompliment Und sezt die Hälfte der Mama ans End Das Ganze wird auch so des Punktes Vorteil zeigen Ihr nehmt ein wenig Luft und könnt dann weiter steigen I: 3 ,so' aus ,dann' (?) (gestr.) T: H s A Dr:-
16.
Die Messen jezt das erste sind drum gehts damit zu Ende Die Redner nur das zweite sind doch klatscht m[an] in die Hände Die Aerzte zu vortreflich sind als daß mans ganze fände. T: Hs A, b, c Dr:-
17.
Das erste borgt nur Licht, das zweit ist nicht die Wahrheit Doch bringt das Ganz uns oft in Finsternissen Klarheit I: 1 Das D von ,Das' gebessert aus ,M[ein]' T: H s A , b, c, h Dr: Mu, La, RCh LA: Mein erstes ist ja nicht die Sonne Mein zweites ist die Wahrheit nicht Drum geb ich oft nur trügerische Wonne Und stets ein ungewisses Licht, (b, c, h, Mu, La, RCh)
(A)
Charaden
215
18.
Heulend kommt das Erste nur heran Weinend lachen steht dem Zweiten an Doch das Ganze will noch mehr bedeuten Als Geheul und Weinen ohne Lachen Darum rath ich Euch bei Zeiten Eh es nahet Euch davon zu machen.
(F, a)
T: Hs F, a, b, c Dr: Mu, La, RCh LA: 1 die erste - 2 lächelnd weinen; (der Zweiten [Mu, b, La, RCh]) - 3 will uns - 6 Eh' (Ehe [La]) (b, c, Mu, La, RCh)
19.
An junge Damen Oeffentlich macht Ihr das Eine Oeffentlich tragt Ihr das Zweite Doch das Ganze giebt uns Keine Ausgenommen nur die Bräute.
(F, a)
II: 1 mach (a) T: Hs F, a, b Dr: Mu, La, RCh LA: 4 Oeffentlich - als nur die Bräute, (b, Mu, La, RCh)
20.
Nicht mehr bestraft man, wie sonst, die ersten Zwei-, denn die Schönen Glaubt man treiben allein jezt noch die sträfliche Kunst. Vielen geehrt bleibt immer das Dritte, wofern es ein Weiser Vortrug, reichend darin gute Belehrung und Rath Doch zieht Jemand vor das Ganze dem edleren Dritten Um dadurch der Gewalt jener Zwei zu entgehn Der mag alte Fettein besuchen und schlechtes Gesindel Aber die Müh ist umsonst denn sie betrügen ihn doch
216
Texte
Τ: Hs F, b Dr: Mu, La, RCh LA: 1 straft - 2 jetzt die gefährliche Kunst - 3 Vielen bleibt immer die Dritte geehrt, wofern sie ein Meister - 4 milde Belehrung - 5 Doch gelüstete (gelüstet [RCh]) Wen noch jetzt nach des Ganzen Geheimniß, - 6 Welchen ein feiges Gemüth treibt von der männlichen Bahn, - 7 Wohl! der suche sich alternde Fettein und (b, Mu, La, RCh)
21.
Die Erste müßt Ihr Euch bequemen Für diesmal nur verkehrt zu nehmen. So seht Ihr sie wol oft auf Eseln reiten Und grober Kerle breiten Rükken 5 Mit ihrer Last gewaltig drükken Auch liebte sie in guten alten Zeiten Bußfertge Sünder noch zur Kirche zu begleiten.
Weit zierlicher ist nun der beiden lezten Paar Wie gern, Ihr Schönen, möchts um euren Hals sich schmiegen 10 Wie gern auf eurer Brust sich wiegen Wie sehnt es sich nach eurem dunklen Haar! Und wird der Wunsch gewährt, ich habe nichts dagegen Es mag sich wie es kann ein Jeder pflegen.
Doch müßt Ihr dieses ja dem Ganzen nicht erlauben, 15 Wie sehr Ihrs auch bewundert und belacht! Es bleibt ein grobes Ding, das könnt Ihr sicher glauben. Gebt keine Blößen, nehmt Euch ja in Acht! In kauderwelscher Sprache straft es gern; Und ist es stumm, so borgt es sie von seinem Herrn. T: Hs F, b Dr: Mu, La, RCh LA: 1 (Das Erste [La]) - 6 pflegte sie - 7 Sünder hin zur - 1 4 dürft ihr das dem - 1 5 Wenn ihrs bisweilen auch - 17 euch wohl in - 19 ist er; borgt er (b, Mu, La, RCh) Strophe 2 lautet Mu, b, La, RCh:
Charaden
217
Nun fügt noch zwei hinzu! die machen mich verlegen, Nicht ihres Sinnes, nein, des schlechten Klanges wegen, Denn sie bedeuten nichts; laßt sie accentlos fallen. Ja, wären sie betont, sie würden euch gefallen! Ihr milder Glanz erfreut das Auge wunderbar; Wie mögen sie so gern um euren Hals sich schmiegen, Ihr Schönen! wie so stolz auf eurer Brust sich wiegen, Wie sehnen sie sich erst in euer dunkles Haar, Wenn ihr den Wunsch gewährt, und wollt sie also hegen In eurer nächsten Näh - ich habe nichts dagegen.
22. Die zwei lezten, merkts Ihr Herrn Wollten wol die Erste werden; Drum begleiten sie sie gern Mit andächtigen Geberden. 5
Sind sie so das Ganze worden: Wie siehts um die Erste aus! Aus der lieben lezten Orden Muß sie ohn Erbarmen raus, Mitten unter großer Freude 10 Bei gar viel verstelltem Leide.
(F)
I: 7 über ,lieben' steht,beiden' II: 1 Herren - 7 beiden (a) T: Hs F, a, b Dr: Mu, La, RCh LA: 1 Meine letzten zwei, ihr - 2 Möchten auch - 3 (hin sie gern [La]) - 4 Mit gar zierlichen - 6 Schlimm siehts - 7 Denn aus jener beiden Orden - 8 Treibt man scherzend sie heraus (hinaus [RCh]) - 9 Doch wenn gleich bewegt von manchem Leide - 10 Ahndet ihr doch höh'res Glück und Freude, (b, Mu, La, RCh)
218
Texte
23.
Die beiden ersten helfen fliegen Und schäumend taucht die dritf in Meereswogen ein, Auch durch das Ganz' ist schon so Mancher hoch gestiegen, Doch Mancher plumpt' auch tief in Schmuz und Schlamm hinein. T:Dr: Mu
24.
Für mich allein bin ich ein gar vieldeutig Wesen, Setz' Geld mir vor: gleich wird, wozu ich da bin, klar. Doch ist am wohlsten mir in meiner Haut gewesen, Wenn - oftmals ohne Geld - ich hinterm Winde war. T:Dr: Mu
25.
Blumen geraubt ist die Erst', oft stützt auch Blumen die Zweite·, Sieh, wie am Weihnachtsbaum still sich das Ganze verzehrt. T:Dr: Mu
26.
An Frau von H. ins Stammbuch. Die Erste treibt der schwanken Aeste viel Und drinnen giebt's ein fröhliches Gewühl Von bunten Vögeln und Insekten, Die auch dich bald erfreuten, bald dich neckten. Doch stände noch ein Baum dahinter: So wär' es gleich wie öder Winter,
Charaden Und in den Aesten alles still: Nur Zahlen hingen dran und Namen Von sel'gen Herrn und alten Damen Wer sich damit befassen will. Die Zweite hat nicht Ast noch Zweig; Doch ist sie gern an Blättern reich, Und wißbegier'ge Augen wandern Von einem eifrig zu dem andern. Steht aber noch ein Haus davor: O so verschone ja mein Ohr! Denn alle Weisheit ist sogleich verschwunden, Nur Kraut und Rüben werden drin gefunden. Das Ganze füllt sich auch mit Namen und mit Zahlen, Doch ist's auch reich an Blüth' und Früchten mancher Art, Es tönt Gesang darin und Sprüche streng und zart; Da ist manch edler Kern, doch sind das meiste Schalen. Es wird nur allzubald ein bunter Tummelplatz, Der Freund begrüßt den Freund, das Liebchen seinen Schatz. Hier steht ein Herz in vollen Flammen, Dort stellt unruhig Volk bedenklich sich zusammen. Doch, was ein Jeder bringen muß, Ist doch für dich ein Freundesgruß; Und Jeder will in Sprüchen und in Bildern Die Schmerzen dir des Abschieds mildern. T:Dr: Mu 27.
An eine Schülerin Zelters. Setz' zu dem Ersten le, dann stell's in deine Küche; Doch zu dem Zweiten ne, so ists ein seltnes Glück. Das Ganze spendet dir die stärkendsten Gerüche, Giebt, was es grün empfing, als flüssig Gold zurück. Willst du zum Ueberfluß noch auf das Ganze reimen, So magst du dir behend ein seltnes Rößlein zäumen; Denn es muß seyn schneeweiß, Wie dein geliebter Greis. T:Dr: Mu
220
Texte
28.
Wie Freundschaft gern die erste reicht beim Scheiden, Ein Frauenknecht entzückt aus deiner zweiten trinket: So wirft empörter Zorn dem Feind das Ganze hin. Doch mir o Freundin hegst du milden Sinn, Und wirst des Ganzen willig dich entkleiden, Daß froh mein Mund auf deine erste sinket. T:Dr: Mu
29.
Die Erste wird gepreßt, die Zweite wird gerollt. Macht Wer das Ganze ledig, und nicht die Flaschen voll, So weiß ich, was ich denken soll, Mit lustigen Gesellen hat er zu viel getollt. T:Dr: Mu
Drei Charaden. 1.
Hör' ich mein Erstes sausen Duck' ich mich geschwind, Und des Zweiten Brausen Deutet auf viel Wind. Das Ganze macht mir Flausen Wenn wir auf Reisen sind Und hat's gleich weder Leib noch Glieder So geht es doch gemächlich auf und nieder. T:Dr: Hirzel 1894
(30.)
Charaden
2. Das Ganze ist für Zucht und Wartung angelegt Mein Erstes wird darin geheget und gepflegt, Doch bleibt es in den beiden letzten stehn, Wenn Andere hinein und dadurch vorwärts gehn. So faul nun jenes ist, verlangt es dennoch Schonung Gewährst du diese ihm, gewährt es dir Belohnung. T:Dr: Hirzel 1894
3. Mein Ganzes wird vom Ersten eng umschlossen, Doch höhnend solcher Knechtschaft Schande Zerbricht es stürmisch die verhaßte Bande Und durch der Zweiten Trieb hat es sich frei ergossen, Bald finden sich zu ihm viel fröhliche Genossen, Mit ihnen zieht er fort in ferne Lande. Doch wie er auch von hinnen eilet Die Seele dennoch stets im Kerker weilet. Und wird ihm diese nicht darin geboren So ist ihm Leib und Leben auch verloren. T:Dr: Hirzel 1894
Gelegenheitsgedichte An Charlotte, zum 31. Merz 1785 Viel Gnade, Freud' und Gottesfried Von unserm treusten Freunde, Der auch am Kreuz für dich verschied, Am Oelberg blutig weinte, 5 Der uns aus aller Noth Befreit durch seinen Tod, Und uns dadurch, daß er einst starb, Die Kindschaft Gott's und Heil erwarb. Sieh fleißig Ihn am Kreuze an, 10 Das giebt vergnügte Stunden, Den liebevollen Martermann, Den Herrn voll Blut und Wunden, Daß seine Todsgestalt Dir nimmermehr veralt' 15 Und du Ihn gnädig stets erblickst, Wenn du Ihm einen Seufzer schickst. Daß Er dir stets im Herzen sei, Dich nichts von Ihm entwöhne Und alle Tag' dir sichtbarer 20 Sei seine Marterschöne, Steh' dankbar unter'm Kreuz, Und seine Liebe reiz', Weil Er so viel für dich getan, Dein Herz zur Gegenliebe an. 25
Ihn lieben, das ist Seligkeit, Das größte Gut auf Erden, Und selbst dort in der Ewigkeit Wird uns kein größres werden.
Gelegenheitsgedichte
Und denkst du nur daran, 30 Was Er, Er dir gethan, So heißt's gewiß in deinem Sinn: Sein will ich sein, will lieben Ihn! Denn Er hat mich mit Blut erkauft, Daß ich könnt' Seine werden. 35 Ich bin auf seinen Tod getauft, Um sein zu sein auf Erden; Und da ich ihn drum bat Und vor sein Kreuze trat, Da hat er mir es zugesagt: 40 „Auch dein bin ich, sei unverzagt!" Da wusch Er mich in seinem Blut Von allen meinen Sünden Und ließ mich auch in seinem Tod Vergebung, Frieden finden. 45 Er bracht' mich zur Gemein, Um sicher da zu sein Vor allem Uebel dieser Welt, Bei dem Volk, das sich zu ihm hält. So oft ich jetzt um Jesum wein', 50 Um seine liebe Nähe, Tritt Er mir so in's Herz hinein, Grad als ob ich ihn sähe, So wie Er für mich starb, Und dadurch mir's erwarb, 55 Daß ich, so sündig ich auch bin, Doch ihm gehör' als sein Gewinn. So denkst du heut und giebst dich Ihm Auf's neue hin zu eigen, Und Er hört gnädig deine Stimm', 60 Und wird sich zu dir neigen; Da wirst du immer sein Und immer selig sein, Und täglich weidet sich dein Herz In deines Bräut'gams Tod und Schmerz.
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Texte
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Und dabei denk' auch oft an mich, Und wenn du mit ihm redest, So bitt' ich, daß du brüderlich Auch ofte für mich betest. So bleiben wir ein Herz, 70 Und Ihm für seinen Schmerz Recht dankbar, bis Er uns zu sich Einst ruft: Auch darauf freue dich. T:Dr: Geizer 1855
[In Ewalds Stammbuch] Natur bedarf weit minder als wir glauben; Wem nicht an wenig genügt, Den macht kein Reichtum satt. Wir werden hier, so lang die Prüfungstage währen, Nichts Wünschenswürdiges entbehren. T:Dr: Meyer 1905
Den Vollendeten Nicht seyn vergessen unsre Vollendeten, Noch, Brüder, freut euch, daß sie uns angehört! Und ihres Lebens Werk und Streben Weiter zu fördern sey heiige Pflicht uns. Wie bald manch Andrer selbigen Weges zieht, Schließ' enger stets sich hier der vertraute Kreis! Wer einst der Letzte bleibt, der halte Aller Gedächtniß in treuer Seele! T:Dr: Berlin 1820 / Dilthey: 2 Leben
Gelegenheitsgedichte
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A n Fr. v. Aulok Haben am heilenden Quell die Nymphen Dir freundlich [geschmeichelt Sorgsam Deiner gepflegt? zärtlich Dich Schwester genannt, Ihre Kräfte bewährt, und Deine gerühmt, daß die Kranken Dein Geist sichrer erquikt, als ihr Wasser sie heilt? 5 Haben sie Dich liebkosend gelokt oft wiederzukehren ihre Zierde, wenn D u Heilung bei ihnen Dir suchst? Wolfeil gab ihnen die Wahrheit das Lob, die Reize der Zauber ihrer Fluren. Doch ach leider zu bösem Gebrauch, Was sie Dir schönes gesagt, und gutes erwiesen, war alles 10 mir zum Verdruß, nur mir war es zum Unglük erdacht, D a ß ich sie manchmal genekt, an ihren Reizen gezweifelt und bei Dianen, im Scherz, sie bei der strengen verklagt D a ß ich den reineren Quell aus kühlem Felsen und dichter Haine Gewölben wol mehr acht, als ihr marmornes Bad: 15 So viel ist mein Verbrechen, und dafür schworen sie Rache unerbittlich, und mehr hielten sie noch als den Schwur. Hätt ich nicht, ohne sie, Dich in Pangel damals besuchet Deines Anschauns mich, Deines Gespräches erfreut? Dich gesehn, die zärtliche Mutter der hastenden Kinder 20 und im Schooß der Natur die feinfühlende Frau? Und am Lager der Dulderin, die D u so kindlich verehrest fromme Tugenden Dich sorgsam üben gesehn? Dich die Freundin der Schwester, der mir so innig geliebten welche mein halbes Ich mir der Himmel geschenkt? 25 Hätte sie nicht des süßen Gesprächs uns vieles bereitet daß ich der fliehenden Zeit ängstlich geflehet zu stehn? Mir in Dein Herz der schönen Aussichten viele geöfnet Dir mit weiserer Hand meine Fehler verdekt? Doch das konnte sie nicht, hätt ich mich selber gezeigt, hier 30 mischt in den großen Verlust doch sich ein kleiner Gewinn. Werther hältst D u mich so! Sie mahlte mich besser als wahr ist imer schmeichelt das Bild führet den Pinsel die Gunst Wol viel schönes erzählt sie von mir im Vertrauen und leihet ohn es zu wißen, was ihr nur gehöret an mich 35 Glaub es alles, und miß nach ihrem Maaße die Gunst ab, die D u auch ungesehn mir dem entferneten schenkst
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Texte
Eins nur hätte sie wol vermeiden sollen - der Dichtrinn auszuplaudern, daß ich Verse zu machen gewagt. Willst Du den Fehler ihr freundschaftlich versöhnen, so wirke 40 am Parnaße dafür Sündenvergebung mir aus. 5 ,sie' aus ,sich' gebessert H: Faksimile Dr: Dobschütz 1917
[In das Stammbuch August von Goethes] „Nicht der Jüngling begehrt ich zu sein, so sprächen wol Viele. Denn fürwahr nicht umsonst zahlet die Welt ihm voraus Was an verzärtelnder Lieb' er empfängt auf die Erbschaft des Vaters; Reichliche Zinsen dereinst klaget die Mahnerin ein." Aber dem Göttersohn wohnt höherer Muth in der Seele Spielend löset die Schuld, wer sich ambrosisch genährt. E Schleiermacher Halle d 24! Jul. 1805. H: Weimar Dr: Deutsche Rundschau 1891
An K. A. Varnhagen zum 21". Februar 1808 Dichter lassen gern sich schenken Freun sich schöner Angedenken Wollen ausgezeichnet sein. Drum empfange heut die Gaben Welche wir bereitet haben Freundlich so gedenkend dein. Du verachtest nicht das Kleine Liebst vielmehr das Zierlich-Feine, Drum ist klein was wir gesandt: Handschuh' erst, daß sie nicht leidet, Die so sauber mahlt und schneidet, Deine Kunsterfahrne Hand.
Gelegenheitsgedichte
Deine Stimme zart und süße, Daß nicht für den Kopf sie büße, Sieh ein Mützchen warm und schön. Wärmend wirds auch dazu dienen, Wenn die Muse dir erschienen, Die Begeist'rung zu erhöhn[.] Auch ein Jäckchen zu der Mütze! Glaube nur, es ist dir nütze Bei den Abendstreiferein. Heb' es auf für schlimmre Tage, Mög' es von der Krankheit Plage Heilend dich sodann befrein! Dichter sind ja arme Teufel Darum ist wol sonder Zweifel Dir die Börse groß genug. Um den Dank dir zu ersparen Sollst du nimmermehr erfahren, Wer gespielt dir den Betrug. H: Varnhagen-Nachlaß Dr: Denkwürdigkeiten 2 I, 496f / 3 II, 92f
[Auf Buttmanns Silberpokal] Die Gesetzlosen ihrem Zwingherrn am 5. December 1817 Witz steht auf dem Becher wenig; Trink, so findst du drinnen viel: Und nie fehlt dir Witzbold-König Unter uns ein würdig Ziel. (F. Schleiermacher.) T:Dr: Berlin 1834
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Texte
Weibliches Zeitmaaß. Lieblich knospen schöne Kinder In den ersten Unschuldstagen Kennen nicht das kurze Leben Nicht die Flucht der Tag' und Jahre. Doch wenn sich die Knosp' erschließet Will die Schaam sie hold begleiten; Und dann lernt die ros'ge Jungfrau Was ein Monat sei begreifen. Farblos sehet ihr sie wandeln Wenn der Mond sich ihr erneuet: Daß sie nun der Liebe fähig Jünglinge, habt ihr das Zeichen. Auf denn, wenn ihr dies gewahret! A u f , den Wettkampf zu beginnen, Daß zum schönen Preis sie einer Für das Leben sich erringe! Dient mit tapferm Muth und Anmuth Ruft die Musen euch zu Hülfe Zeigt des Mannes ganze Tugend In der Jugend schöner Hülle. Hat sie Einen nun erwählet Und sich eigen ihm gegeben In der Werber edlen Orden: Schlürft sie Leben - und es lebet. Anders zählt sie nun den Monat Wenn es in ihr drängt und pochet; Herbe Wehen, SchmerzensstundenSo beginnen ihr die Wochen. Liebes Kind auf Mutterschoose Komm dich an der Brust zu nähren! Laß bewahren dich und pflegen, Kose süß in frommen Thränen!
Gelegenheitsgedichte
So aus Wochen in die Monden Aus dem Monat in die Wochen Reihen sich die schönen Jahre Wo ein Volk von Kindern sprosset. Stolz der Mutter sind die Kinder, Stolz des Mannes ist die Mutter, In der schönen kräftgen Fülle Immer frisch in langer Jugend. Ernstes Leben, heitre Scherze, Arbeitstage, süße Nächte, Wonn'ger Schlaf in treuen Armen Will das Leben gern verlängern. Doch es schwinden mit den Jahren Auch der Monat und die Wochen; Wunderliche Jahre kommen Ohne Wochen, ohne Monden. Ach das sind die Sabbatsjahre Die gewissen ungewissen, Zeigen, ob zu ew'ger Jugend Sich der Geist empor kann schwingen. T:Dr: Hirzel 1894
[Bettina von Arnim an Schleiermacher] „Ob ich Dich liebe, weiß ich nicht, Seh' ich nur einmal Dir in's Gesicht, Kann ich nicht sagen, wie mir geschieht. Ob ich Dich liebe, weiß ich nicht. Ob ich Dir traue, weiß ich nicht, Entgeht mir Deine Lehre nicht, Thu' ich auf eignen Geist Verzicht. Ob ich Dir traue, weiß ich nicht.
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Texte
Ob ich Dich kenne, weiß ich nicht, Ich glaub', was Deine Lippe spricht, Dein Geist ist mir das höchste Licht. Ob ich dich kenne, weiß ich nicht. Ob treu Dein Kind bleibt, weiß es nicht, Daß nie ihm Deine Lieb' gebricht, Ist was sein Flehn zum Himmel spricht. Ob es Dir treu bleibt, weiß es nicht."
[Schleiermachers Antwort] Ob Du mich liebest, weißt Du nicht? Ich weiß es wohl, Wenn so Dein Flehn zum Himmel spricht. Schaust Du mir offen in's Gesicht: So weißt Du wohl, Ob Du mir trauest oder nicht. Glaubst Du, was meine Lippe spricht, So weißt Du wohl, Wie meine Liebe Dir nicht gebricht. Ob Du mir treu bleibst, weiß ich nicht, Doch weißt Du wohl, Gleich bleib' ich mir und ändre nicht. Entgeht Dir meine Lehre nicht, So weißt Du wohl, Mein Geist sei nicht Dein höchstes Licht. T:Dr: Assing
1873 / Jb. d. Samml. Kippenberg 1922
Anhang
Unautorisierte Charaden (Quelle: Schleiermacher's Räthsel und Charaden. Dritte vermehrte Auflage mit einem Anhange von Räthseln und Charaden Ph. Buttmann's. Berlin. Verlag von Wilhelm Hertz. 1883. S. 38f., 43-63, Auflösungen S. 99f; mit der dortigen Bezifferung. Die sicher Pseudonymen Charaden dieser Ausgabe - s. oben S. 142f - sind hier ausgelassen. Zur ÜberlieferungderNummern 1, 3, 4, 10, 18 bei Varnhagen s. o. S. 101)
[1]
28. Das E r s t e sollst Du sein, das Z w e i t ' bist Du gewesen, Und durch des G a n z e n Macht von aller Noth genesen. [Christkind]
[2]
29. Mein Mein Mein Doch
[3]
[4]
Z w e i t e s thront auf Süßigkeit, D r i t t e s ruft zur Heiterkeit, E r s t e s nur bezeichnet Schmerz, alle Drei erfreu'n das Herz.
1. Wir sind's gewiß in vielen Dingen, Im Tode sind wir's nimmermehr; D i e sind's, die wir zu Grabe bringen, Und eben diese sind's nicht mehr. Denn, weil wir leben, sind wir's eben Von Geist und Angesicht; Und weil wir leben, sind wir's eben Zur Zeit noch nicht.
[.Auguste ?]
[Verschieden]
2. Von der L e t z t e n umschlungen schwebt mein vollendetes G a n z e Zu den zwei E r s t e n empor, wenn es die Parze gebeut. [Galgenstrick]
Texte
232 [5]
3.
Getrennt mir heilig, Vereint, abscheulich.
[6]
[7]
[8]
[9]
4. Himmlische Tugend, Scheußlicher Mord, Fehler im Kartenspiel alles ein Wort.
[Vergeben]
5. Mein Mein Mein Doch
[Vielleicht]
E r s t e s ist nicht wenig, Z w e i t e s ist nicht schwer, G a n z e s läßt dich hoffen, hoffe nicht zu sehr.
6. In das Herz des größten Weltbezwingers Setze D u hinein, Und es wird der größte Leidensüberwinder Bezeichnet sein.
8. Nimm mir ein Nu, so bleib' ich ein Nu.
[10] 9. Mich bedarf fast jede Sache, Wenn ich ohne Kopf sie mache.
[11]
[Meineid! Kinderfrau]
10. D e r ist überall willkommen, Darf zur spröd'sten Schönen kommen. D i e kann durch ein leises Drücken Zarte Liebe hoch beglücken. D a s zu finden ist oft schwer, Mancher trifft's von ungefähr.
[Geld - Geduld]
[Monument]
[Feile - Eile]
[der, die, das Rechte]
Anhang: Unautorisierte Charaden
[12]
11.
O schöner Nr. E i n s ! in Dir ist wahres Leben, In dir will ich mich auch auf Nr. Z w e i begeben. O schönes Nr. Z w e i ! worin das Ganze liegt! In Dir ist Nr. E i n s , wenn hier Gestöber fliegt. [13]
[Nachtmütze]
13.
Gieb mir die E r s t e , ich geb' Die die Z w e i t e Und lasse das G a n z e für höfliche Leute. [15]
[Mailand]
12.
Wenn Dich auf rauhem Pfad die E r s t e schreckt, Wenn Stürme Dir die b e i d e n L e t z t e n rauben, So zage nicht und halte fest den Glauben An jene Zeit, wo Dich das G a n z e deckt. [14]
233
[Handkuß]
15.
Wenn man das E r s t e auf das Z w e i t e setzt, So hört das Z w e i t e auf, das G a n z e zu sein.
[Kronprinz]
[16] 16. Die b e i d e n e r s t e n Silben sind das Inwendige vom Auswendigen, Das D r i t t e ist ein Fisch, Das G a n z e ist das Auswendige vom Inwendigen. [Futteral] [17]
17.
War ein Tempel in Rom das E r s t e , so war in der Welt das Ζ w e i t e, und die Welt war das G a n z e . [18] 18. Nimmst du mir mit, so tödt' ich dich, Sonst findet man bei Bräuten mich. [19]
[Mitgift]
19.
Als Jambus erfreulich, Als Trochäus abscheulich. [20]
[Zufrieden]
[Modern]
20.
Die Z w e i t e ist beständig, die E r s t e ein Pfeil, Und das G a n z e nur von der E r s t e n einTheil. [21] 21. Den Reiter schützt, den Reiter ziert, Wodurch das Roß den Werth verliert.
[Zeitraum]
[Koller]
Verzeichnis der Abkürzungen (Genaue Titel im Literaturverzeichnis) ADB Beckby Böcking Br. I-IV Caroline Denkmale DTb EK G KFSA KGA Körner-Wieneke
-
Körner A Körner Β 1,11 Körner C I-III M I, II M III MLA
-
Preitz RCh Reiter RE
-
Sehr SW Tempe Walzel
-
Allgemeine Deutsche Biographie H. Beckby: Anthologia Graeca August Wilhelm von Schlegel's sämmtliche Werke Aus Schleiermacher's Leben. In Briefen. Bd. I-IV Caroline. Briefe aus der Frühromantik Denkmale der inneren Entwicklung Schleiermachers Deutsches Taschenbuch a. d. J. 1838 Briefe Fr. Schleiermachers an A. W. Schlegel Briefwechsel mit Gaß Krit. Friedrich Schlegel Ausgabe Schleiermacher. Kritische Gesamtausgabe August Wilhelm und Friedrich Schlegel im Briefwechsel mit Schiller und Goethe Briefe von und an Fr. und Dor. Schlegel Briefe von und an A. W. Schlegel, 2 Bde Krisenjahre der Frühromantik, 3 Bde Schleiermacher als Mensch, 2 Bde Schleiermachers Briefwechsel mit seiner Braut Mitteilungen aus dem Litteraturarchive in Berlin. Neue Folge. Bde II, VI-IX, XI Friedrich Schlegel und Novalis Schleiermacher's Räthsel und Charaden Friedrich August Wolf, 3 Bde Paulys Realencyklopädie der classischen Altertumswiss. Schriften Sämtliche Werke Friedrich Jacobs: Tempe F. Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm
Verzeichnis der Abkürzungen
Zur
235
Zitierung
Quellen werden mit einem kennzeichnenden Stichwort, wissenschaftliche Abhandlungen
unter A n g a b e des Autors
und des
Erscheinungsjahres
zitiert! Bei der schlechten Quellenlage der Briefe Schleiermachers - es gibt keine hinlängliche Ausgabe, die kritischen Ansprüchen standhält - ist es nötig, jeweils alle Quellen anzugeben, in denen die betreffenden Briefe stehen, da die Ausgaben je verschieden vollständig sind. Ist nur eine der Briefausgaben genannt, heißt das in der Regel, daß der Text sonst nicht gedruckt ist. Nur bei den Angaben aus MLA sind keine weiteren Belege angeführt, da sie gegenüber Br. und M vollständig sind. Die während des Umbruchs erschienenen kritischen Brief-Ausgaben (Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. 3. Abt. Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bd. XXIV: Die Periode des Athenäums 27. Juli 1797 - Ende August 1799. Mit Einleitung hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn u.a. 1985; Friedrich Schleiermacher. Kritische Gesamtausgabe. V. Abt. Bd. 1: Briefwechsel 1774-1796. Hg. v. Andreas Arndt und Wolfgang Virmond. Berlin/N. York 1985) wurden nur dort eingearbeitet, wo sich Änderungen am Text ergaben.
Literaturverzeichnis Bibliographie Rauch, D.: Tabulae Librorum e Bibliotheca Defuncti Schleiermacher ( . . . ) · Berolini 1835 Tice, Terrence N.: Schleiermacher Bibliography. With Brief Introductions, Annotations, and Index. Princeton Pamphlets No. 12. Princeton, New Jersey 1966 (21985)
Schleiermacher:
Werk- und Briefausgaben,
verstreute
Quellen
Werke Friedrich Schleiermacher's sämmtliche Werke. Erste Abtheilung. Zur Theologie. Bd. 5, Berlin 1846 (S. 1-39: Briefe bei Gelegenheit der politisch-theologischen Aufgabe und des Sendschreibens jüdischer Hausväter. Von einem Prediger außerhalb Berlin. 1799) Erste Abtheilung. Zur Theologie. Bd. 13. Friedrich Schleiermacher's literarischer Nachlaß. Zur Theologie. Bd. 8: Die Praktische Theologie nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt. Aus Schleiermachers handschriftlichem Nachlasse und nachgeschriebenen Vorlesungen. Hg. von Jacob Frerichs. Berlin 1850 (Photomech. Nachdr. Berlin 1983) Zweite Abtheilung. Predigten. Bd. 3. Predigten von Fr. Schleiermacher. 3. Bd. Neue Ausgabe. Berlin 1835 Zweite Abtheilung. Bd. 6. Fr. Schleiermacher's Literarischer Nachlaß. Predigten. 2. Bd. Predigten über das Evangelium Marci und den Brief Pauli an die Kolosser. Hg. v. Friedrich Zabel. Zweiter Theil. Berlin 1835 Dritte Abtheilung. Zur Philosophie. 2. Bd. Dr. F. Schleiermacher's philosophische und vermischte Schriften 2.Bd. Berlin 1838 (S. 207-245: Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens, 1813) Dritte Abtheilung. Bd. 7. Zur Philosophie. F. Schleiermacher's Literarischer Nachlaß. Zur Philosophie. 5. Bd. Vorlesungen über die Aesthetik. Aus Schleiermacher's handschriftlichem Nachlasse und aus nachgeschriebenen Heften hg. v. Carl Lommatzsch. Berlin 1842 (Photomech. Nachdruck Berlin 1974) Schleiermachers Werke. Zweiter Band. Hg. v. O. B r a u n / J. Bauer. Leipzig 1913 (S. 1-31: Versuch einer Theorie des geselligen Betragens. Hg. v. Herrn. Nohl) Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. Hans-Joachim Birkner und Gerhard Ebeling, Hermann Fischer, Heinz Kimmerle, Kurt-Victor Selge ( = K G A ) Erste Abteilung. Schriften und Entwürfe. Band 1: Jugendschriften 1787-1796. Hg. v. Günter Meckenstock. Berlin/New York 1984 Band 2: Schriften aus der Berliner Zeit 1796-1799. Hg. v. Günter Meckenstock. Berlin/ New York 1984
Literaturverzeichnis
237
Friedrich Schleiermacher. Kleine Schriften und Predigten. Bd. I 1800-1820 bearb. v. Hajo Gerdes. Berlin 1970 Die Weihnachtsfeier. Ein Gespräch. Halle 1806 Piatons Werke von F. Schleiermacher. 1/1 Berlin 1804 (21817); 1/2, 1805; II/l, 1805 (21818); II/ 2, 1807; II/3, 1809; III/l, 1828 Denkmale der inneren Entwicklung Schleiermachers, erläutert durch kritische Untersuchungen (Anhang zur 1. Aufl. von Wilhelm Dilthey: Leben Schleiermachers. Erster Band. Berlin 1870) Schleiermacher's Räthsel und Charaden. Berlin 1874 Dritte vermehrte Auflage mit einem Anhange von Räthseln und Charaden Ph. Buttmann's. Berlin 1883 Friedrich Schleiermacher. Reden. Ueber die Religion. Kritische Ausgabe von Bernhard Pünjer. Braunschweig 1879 Friedrich Schleiermacher. Die Weihnachtsfeier. Ein Gespräch. Kritische Ausgabe v. Hermann Mulert. Leipzig 1908 (PhB 117) Friedrich Schleiermacher. Monologen nebst Vorarbeiten. Kritische Ausgabe, hg. v. Friedrich Michael Schiele, 2. Aufl. hg. v. Hermann Mulert. Leipzig 1914 (PhB 84) Friedrich Schleiermachers Ästhetik. Im Auftrage der Preußischen Akademie der Wissenschaften und der Literatur-Archiv-Gesellschaft zu Berlin nach den bisher unveröffentlichten Urschriften zum ersten Male hg. v. Rudolf Odebrecht (Das Literatur-Archiv 4). Berlin/Leipzig 1931 Fr. D. E . Schleiermacher. Hermeneutik. Nach den Handschriften neu hg. und eingeleitet von Heinz Kimmerle. Heidelberg 1959 (Abh. d. Heidelberger Akademie derWiss., Phil.-hist. Kl., Jg. 1959, 2. Abhandlung) (Zweite, verb, und erweiterte Aufl. 1974) Fr. D. E . Schleiermacher. Brouillon zur Ethik (1805/06). Auf der Grundlage der Ausgabe von Otto Braun hg. und eingeleitet v. Hans-Joachim Birkner. Hamburg 1981 (PhB 334) Briefe bei Gelegenheit der politisch theologischen Aufgabe und des Sendschreibens jüdischer Hausväter. Von einem Prediger außerhalb Berlin. Berlin, 1799 (Faksimile-Ausgabe Berlin 1984, mit einem Nachwort von Kurt Nowack)
Briefausgaben
und
-einzeldrucke
Aus Schleiermacher's Leben. In Briefen. I.II. Zweite Aufl. Berlin 1860. III. Zum Druck vorbereitet v. Ludwig Jonas, nach dessen Tode hg. v. Wilhelm Dilthey. Berlin 1861. IV. Vorbereitet v. Ludwig Jonas, hg. v. Wilhelm Dilthey. Berlin 1863 (Photomech. Nachdr. Berlin/ N. York 1974) Friedrich Schleiermacher's Briefwechsel mit J. Chr. Gaß, hg. v. W. Gaß. Berlin 1852 Schleiermachers Briefe an die Grafen zu Dohna. Hg. v. J. L. Jacobi. Halle 1887 Mitteilungen aus dem Litteraturarchive in Berlin. Neue Folge. Bd. II: Briefe von Ludwig Gottfried Blanc an Friedrich Schleiermacher. Berlin 1909 Bd. VI: Briefe von Karl Gustav v. Brinckmann an Friedrich Schleiermacher. Berlin 1912 Bd. VII: Briefe von Dorothea Schlegel an Friedrich Schleiermacher. Berlin 1913 Bd. VIII: Briefe A. L. Hülsens, J. B. Vermehrens und Fritz Weicharts an Friedrich Schleiermacher. Berlin 1913 Bd. IX: Briefe Friedrich Schleiermachers an Ehrenfried und Henriette von Willich geb. von Mühlenfels 1801-1806. Berlin 1914 Bd. XI: Briefwechsel Friedrich Schleiermachers mit August Boeckh und Immanuel Bekker. 1806-1820. Berlin 1916
238
Literaturverzeichnis
Friedrich Schleiermachers Briefwechsel mit seiner Braut. Hg. v. Heinrich Meisner. Gotha 1919 Schleiermacher als Mensch. Sein Werden. Familien- und Freundesbriefe 1783-1804. Hg. v. Heinrich Meisner. Gotha 1922 Schleiermacher als Mensch. Sein Wirken. Familien- und Freundesbriefe 1804-1834. Hg. v. Heinrich Meisner. Gotha 1923 Schulprogramm Eutin 1864 (S. 26-28: Schleiermacher an Heinrich Voß) Briefe von der Universität in die Heimath. Aus dem Nachlaß Varnhagens von Ense. Leipzig 1874 Petrich, Hermann: Schleiermacher und Luise von Willich, nach ungedruckten Briefen. Zeitschr. f. kirchl. Wissenschaft und kirchl. Leben 3, 1882, S. 157-173 Bäumer, Gertrud: Ein ungedruckter Brief August Wilhelm v. Schlegels an Schleiermacher. Euphorion 5, 1898, S. 505-511 Leitzmann, Albert: Rudolf Haym zum Gedächtniss. Neue Briefe von Karoline von Humboldt. Hg. und erläutert (S. 142-150: Mitteilungen aus Brinckmanns handschriftlichem Nachlaß. 4. Schleiermacher). Halle 1901 Bauer, Johannes: Ungedruckte Predigten Schleiermachers aus den Jahren 1820-1828. Mit Einleitung und mit einem Anhang ungedruckter Briefe von Schleiermacher und Henriette Herz. Leipzig 1909 Neue Briefe Schleiermachers aus der Jugendzeit. Niesky 1784 und 1785. ZKG 31, 1910, S.587-592 Briefe Schleiermachers an Wilhelmine und Joachim Christian Gaß. ZKG NF 10, 1928, S.250-278 Briefe Friedrich Schleiermachers an August Wilhelm Schlegel. Hg. v. Josefa Elstner / Erich Klingner. Euphorion 21, 1914, S. 584-598. 736-773 Wendland, Walter: Zwei neue Schleiermacherbriefe. Die christliche Welt 30. Jg., 1916, S.382f Schleiermachers Briefwechsel mit Friedrich Christian Schwarz. Hg. v. Heinrich Meisner / Hermann Mulert. ZKG 53, 3. F. 4, 1934, S. 255-294
Verstreute
Quellen
Friedrich Schleiermacher zum 150. Todestag. Handschriften und Drucke. Bearbeitet v. Andreas Arndt und Wolfgang Virmond. Berlin / New York 1984 Amann, Robert: Autographensammlung. S.A. Stargardt. Marburg 1963 Ph. Buttmann und die Gesetzlosen. Am 4. November / 5. December 1834. Statt Handschrift für die Mitglieder der gesetzlosen Gesellschaft. Berlin. Gedruckt bei G. Reimer. 1834 von Dobschütz, Ernst: Schleiermacher. Ein poetischer Brief. 1917. Herrn Wirklichen Geheimen Oberkonsistorialrat Prof. D. Dr. Paul Kleinert zum 25. Sept. 1917 Dorow, Wilhelm: Facsimile von Handschriften berühmter Männer und Frauen. Berlin 1836 Kühne, F. G.: Friedrich Schleiermacher. Ein Lebensbild. Deutsches Taschenbuch auf das Jahr 1838. Hg. v. Karl Büchner. Berlin. S. 3-60 Musenalmanach für das Jahr 1830. Hg. v. Amadeus Wendt. Leipzig Protestantische Monatsblätter für innere Zeitgeschichte. Hg. v. Heinrich Geizer. Bd. 6, JuliDec. 1855. Gotha Tafellieder der Hallisch-akademischen Zeitgenossen aus den Jahren von 1785 bis einschließlich 1790. Berlin 1820
Literaturverzeichnis
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Sachregister Alexandriner 18, 47,129 Anapäst 17, 47 Anthologia Graeca 32, 40-55, 69, 72-74, 76, 84, lOlf, 121-140, 180, 198-206 Assonanz 167 Athenaeum 1, 3f, llf, 15, 23, 32, 36, 57, 107, 147 Charade 4, 34, 55, 62, 77-80, 85, 86f, 89f, 93f, 96f, 99f, 142-157, 167, 209-221, 231-233 Daktylus 17, 19, 35, 45, 47f, 51f, 131 Deutsches Taschenb. a.d.J. 1838 111, 114f, 123f, 144-153, 191-193, 199, 209-214 Distichon 19, 48, 51, 53, 57-59, 108, 111, 113f, 116, 118f, 121, 166 Elegie 3, 30f, 33, 50, 56-63, 87, 92, 108f Epigramm 2, 32, 34, 40, 45, 56, 61, 87f, 94-96, 98, lOlf, 110-120, 123-138, 164 Europa (Zeitschrift) 1, 4, 20, 23, 43, 48-50, 54, 57f, 108, 122 Hermeneutik 4, 55, 64 Herrenhut(er) 9, 25 Hexameter 16, 18, 28, 31, 40, 44, 46, 49f,
52, 54, 57f, 66f, 71f, 74, 108, 114f, 116, 153f, 155, 163 Ideal 37,109f Individualität 2, 37 Jambus 17f, 47, 75f, 141 Kunst/Künstler 2,13f, 19, 23, 25, 32, 39, 56, 61, 63, 65,109 Logogryph 32-34, 88, 90, 96, 98, 110, 154 Madrigal 3, 32f, 35, 106 Musenalmanach f.d.J. 1830 4, 96, 144-150, 155f, 209-218 Ode 65 Pentameter 44, 46, 50, 58,155 Reim 34-36, 64 Romantik, -tisch lf, 7, 13, 15, 29, 32, 62 Skolion 43, 53, 90, 129-131, 201f Sonett 3, 30-33, 40, 106f, 170 Spondeus 45f, 48-54, 60, 72f, 126, 129, 131-133, 135 Stanze 30, 32-34, 106, 110 Tribrachys 47 Trimeter 31, 40, 47, 53, 67, 75f, 129, 141 Trochäus 45-50, 53f, 59, 73, 124, 126, 129, 131, 135-137
Namensregister Aischylos 74f, 140f, 207f Albertini, Joh. Β apt. v. 161 Albrecht, Chr. 15,55 Altenhofen Norbert 77 Amann, Rob. 160 Antipater 50, 88, 90, 121, 134-137, 204f Aristoteles 118 Arndt, Andreas 92, 166 Arndt, Ernst Moritz 36, 147 Arnim, Achim von 147, 168 Arnim, Bettina von 167ff, 229f Arnold, Rob. 142f, 152 Assing, Ludmilla 169, 230 Ast, Friedrich 26, 69, 73f Aulock, Friederike Eleonore von 163, 225f Bauer, Johannes 157,169 Beckby, Hermann 40, 72, 74, 122, 124-126, 128f, 131-138 Becker, W. G. 79, 145 Behler, Ernst 12, 15, 29, 49 Behrend, Fritz 165 Beißner, Friedr. 46, 57f, 59, 61f Bekker, Immanuel 74 Benz, Richard 168 Bergemann, Fritz 169 Bernhardi, Sophie 1 Beutler, Ernst 42, 126, 134 Biedermann, Flod. v. 78 Birkner, Hans-Joachim 2f Boeckh, August 68, 74, 140f, 166 Böcking, Eduard 27,36,43,47,49f, 54, 66, 70 Borsch, Eckehard 22 Bokelmann, Wilh. 18 Borcherdt, Hans 26 Brentano, Clemens 62 Brinckmann, Karl Gustav von lOf, 13, 17, 20, 22, 28, 32, 39, 41, 46, 48, 57, 67,71, 107,111, 122, 161f
Brunck, Rieh. Fr. Phil. 42, 51, 53f, 72f, 122-139, 206 Bührlen, F. L. 79 Bulling, Karl 32, 106, 108 Buttmann, Philipp 69, 144, 166, 227, 231 Carriere, Moriz 168 Chamisso, Adelbert v. 146f Chélin, Henri 49 Creuzer, Friedrich 68, 73f Croce, Benedetto 3 Dahlmann, Η. 74 Dehmel, Paula 143 de Wette, Leberecht 146 Diels, Hermann 140 Dierkes, Hans 20 Dilthey, Wilhelm 9,11-13, 19, 21, 28, 68, 79, 90-92, 98, 104-106, 109-111, 115, 117f, 123, 137, 162,164, 178, 181, 183, 186f, 189-196, 205, 224 Dobschütz, Ernst v. 163, 226 Dohna, Alexander Graf zu 94, 169 Dorow, Wilh. 89,164,170 Dove, Alfred 80, 142 Drewitz, Ingeborg 168 Droysen, Joh. Gust. 75 Eichendorff, Joseph v. 147 Eichner, Hans 12, 15, 20, 33, 147 Eichstädt, Η. Κ. A. 69 Einem, Herbert v. 134 Engel, Joh. Jak. 12, 18 Erichson, Joh. 132 Ernst, Charlotte 22 Eschenburg, Joh. Joachim 27 Euenos 90, 131, 202 Ewald, Johannes 161f, 224 Feilchenfeldt, Konrad 77 Ferdinand, Johann 80, 147 Fichte, Joh. Gottlieb 1, 8, 20f, 24, 32, 37, 62,114f
Namensregister Finke, Heinrich 31 Flitner, Willy 17 Forstman, Jack 1, 13 Fouqué, Friedr. de la Motte 147 Freund, E.S. 80,143 Freytag, Gustav 156 Frölich, Heinrich 12 Fürst, Joseph 86,93 Gadamer, Hans Georg 119 Garve, Christian 12 Gaß, Johann Chr. 21, 157 Gaß, Wilhelmine 157 Geliert, Christ. Fürchtegott 9 Geizer, Heinr. 160, 224 Gentz, Friedrich v. 20 Gesner, Joannes Matthias 140 Gleditsch, Joh. Friedr. 145 Goedeke, Karl 123 Göschen, Georg Joachim 145 Goethe, August von 163f, 170, 226 Goethe, Johann Wolfgang v. 1, 4, 8, lOf, 16, 20, 22f, 26, 32, 34, 36, 42, 45-48, 57, 59, 62, 64-67, 69, 78, 106, 118, 126, 134f, 146f, 163f, 169 Gottschalk, K. Friedr. 143, 152 Gräf, Gerhard 47, 78 Gray, Thomas 57 Gries, Joh. Diedrich 16, 29 Grimm, Jacob/Wilhelm 124, 128, 134 Grün, Anastasius 147 Grumach, Ernst 134 Grunow, Eleonore 10, 32, 38, 61, 103f, 107 Guarini,·Giovanni Battista 35, 107 Gundolf, Friedrich 8, 62 Hardenberg, Friedrich von (Novalis) 1, 8 - 1 0 , 14-16, 22, 26, 32, 62, 160f Haug, J.C.F. Ulf Haym, Rudolf 8, 17, 21 Hebel, Johann Peter 79 Hegel, Georg Wilh. Friedr. 3, 119 Heindorf, Ludwig Friedr. 69, 73, 166 Heinse, Joh. Jakob. Wilh. 34 Hell, Theodor (= Winkler, K. G) 79 Henkel, Arthur 2 Henrici, Karl Ernst 168 Herder, Johann Gottfr. 36, 41-44, 57, 126 Hermann, Gottfried 54, 140
251
Hermodoros 90, 131, 202 Herms, Ellert 1, 8 Hertel, Friedrich 13 Hertz, Wilhelm 144,231 Herz, Henriette 4, 11, 14, 22-24, 26-28, 32, 39, 41, 48f, 56, 58, 77, 86, 88f, 92-94, 103-109, l l l f , 115, 118-120, 164, 169 Hesiod 74, 120, 141 Heusler, Andreas 34f, 44f, 47f, 53, 128f Heyse, Paul 143 Hirsch, Emanuel 22 Hirzel, Georg 145, 156, 167 Hirzel, Rudolf 21, 220f, 229 Hirzel, Salomon 146, 156 Hitzig, Julius 79 Hölderlin, Friedrich 17 Hofe, Gerhard vom 32 Hölty, Ludwig Chr. Heinr. 10, 57 Hoffmann v. Fallersleben, Aug. Heinr. 146 Holtei, Karl v. 4 Homer 46, 68, 70, 74, 141 Hoppe, Willy 166 Hörne, G.W. 158 Houben, H.-H. 12,49 Hülsen, August Ludwig 14-18, 107 Humboldt, Wilhelm v. 36, 57, 166 Iffland, Aug. Wilh. 78 Immermann, Karl Leberecht 146 Jacobi, Friedrich Heinrich 20 Jacobs, Friedrich 42f, 72f, 88, 121, 123f, 128, 132-139 Jean Paul siehe Richter Jonas, Ludwig 94, 96-98 Kant, Immanuel 10, 12, 21 Kantzenbach, Friedr. Wilh. 1 Kathen, Charlotte von 20, 22, 32f, 36, 88, 90, 92, 95, 103f, 107, 177-180 Kerner, Justinus 147 Kind, Friedrich 145 Kirchner, Joachim 165 Kleinert, Paul 163 Kleist, Ewald von 9 Kleist, Heinrich von 146 Kleobulos von Lindos 72, 140 Klopstock, Friedr. Gottlieb 10, 44, 57, 64-66, 117, 161f
252
Namensregister
Kluckhohn, Paul 13, 20 Kochen, Albrecht Heinr. Matthias 13, 31 Köhring, Hans 123 Körner, Josef 1, 4, 8, 12, 16f, 20, 26f, 29, 45, 59, 66, 85, 94 Kohlrausch, Heinrich 143 Konrad, Gustav 169 Kossmann, E.F. 144,146 Kranz, Waither 140 Krates 47, 90, 129, 201 Kühn, Sophie von 22 Kühne, F. Gustav 12, 79, 100, 111, 123, 144-146 Lancizolle, Ludwig v. 144, 209- 217 Lanckoroñska, Maria 123, 147 Langen, August 117 Landsberg, Hans 77, 86 Laun, Friedrich (= Schulze, Friedr. August) 32 Lavater, Johann Kaspar 10 Leitzmann, Albert 11, 47, 78 Lenau, Nikolaus 147 Lessing, Gotthold Ephraim 28, 31, 42, 57 Levi, Rahel siehe Varnhagen, Rahel Lohner, Edgar 36, 44, 46, 50, 54, 58, 66 Lommatzsch, Carl 64-67 Lukillios 90, 121, 123, 137, 205 Marwitz, Alexander von der 4 Matthisson, Friedrich v. 10 Meckenstock, Günter llf, 13 Meleager 90, 125-129, 131-133, 199-203 Meisner, Heinrich 9, 162 Merkel, Garlieb 13 Meyer, E.R. 9f, 57, 161f, 224 Michel, Willy 1 Mimnermos 87, 90, 121, 138, 206 Minor, Jacob 12, 36, 44, 46, 50, 54, 58 Mönch, Walter 36, 39 Moltmann-Wendel, Elis. 168 Montaigne, Michel 10 Müchler, Karl Friedr. 142f, 153 Müller, Adolph 4, 79 Müller, Joachim 169 Mulert, Hermann 18, 37f, 162 Myron 134f Napoleon 166, 171 Nauck, August 75, 141
Neuss, Erich 79 Niebuhr, Barthold Georg 166 Niethammer, Friedr. Imman. 8 Nohl, Herman 77 Novalis siehe Hardenberg Nüsse, Heinr. 16 Odebrecht, Rudolf 3, 64f, 76 Oehlenschläger, Adam 79, 160 Oehlke, Waldemar 169 Oellers, Norbert 83 Okely, Samuel 57, 162 Ossian 9 Parthey, Gustav 143 Petrich, Hermann 94 Philippi, Ferdinand 145 Pierson, Edgar 144 Pindar 74, 140, 208 Pissin, R. 123 Pistorius, Charlotte 20, 37 Platen, August Graf von 146 Piaton 21, 23, 40, 48, 55, 62, 64-76, 90, 119, 133, 139-141, 164, 170, 203f, 206-208 Pleß, Fürstin von 160 Plutarch 139-141 Pope, Alexander 9 Prang, Helmut 42, 57, 62 Preitz, Max 8, 16 Pückler-Muskau, Hermann v. 168f Pünjer, Bernhard 14 Quand, Wilhelm 140 Quapp, E . H . U 22 Ramler, Karl Wilh. 9 Rauch, D. 70, 107, 122f, 139f Raumer, Karl v. 79 Redeker, Martin 1, 68 Reichardt, Johann Friedr. 22, 77, 79 Reimer, Georg Andreas 21, 33f, 55, 77, 85, 104, 107, 145f, 156, 166f Reimer, Georg Ernst 97, 144 Reimer, Hermann 146 Reimer, Karl 146 Reinhold, Karl Leonhard 21 Reiter, Siegfried 69 (Richter) Jean Paul 22, 26, 36 Riemer, Friedrich Wilh. 146f Ringseis, Joh. Nepomuk v. 160
Namensregister Ritter, Johann Wilh. 18, 62 Roller, Theodor 146 Rousseau, Jean Jacques 20 Rubensohn, Max 41 Rückert, Friedrich 143, 146 Rümann, Arthur 123, 147 Rufener, Rudolf 75, 141 Rupprecht, Karl 44, 47 Sappho 31, 40, 90, 124, 180, 198 Sattler, Walther 9, 22, 156 Savigny, Friedr. Carl v. 74,166 Scheibe, Siegfried 83 Schelling, Friedr. Wilh. Joseph 21-23, 32, 62, 108 Scherer, G. 80 Schiele, Fr. Mich. 18, 37f Schiller, Charlotte von 69 Schiller, Friedrich von 4, 10, 26-28, 32, 36f, 42, 46-48, 51, 57, 67, 78-80, 147 Schlagdenhauffen, Alfred 15 Schlegel, August Wilhelm passim Schlegel, Caroline 15, 24, 27 Schlegel, Friedrich passim Schleiermacher, Caroline Marie 160 Schleiermacher, Charlotte 8, 11, 26, 106, 160f, 163, 222ff Schleiermacher, Henriette verw. v. Willich 4, 20, 22, 103 Scholtz, Gunter 4, 22f Scholz, Heinrich 26, 64, 164 Schütz, Wilhelm v. 1,69 Schulz, Gerhard 33 Schupp, Volker 79, 142f Schwab, Gustav 146 Schwarz, Friedr. Christian 2 Seckendorf^ F.K.L. 42 Seifert, Paul 13 Seiffert, Hans Werner 83f, 126 Sembdner, Helmut 13,69 Shakespeare 27, 68 Simonides 74, 123, 139f Sokrates 72 Solger, Karl Wilhelm 3, 65 Solon 50, 90, 122-125, 138f, 180, 198f, 206 Sommer, Wolfgang 15, 22, 26 Sophokles 24, 31, 40, 47
253
Spalding, Georg Ludwig 43, 48f, 88, 112-116, 121f, 125, 127, 131f, 166, 190, 192f Spinoza 14, 21, 116 Springer, Anton 69 Steffens, Heinrich 62, 79 Stein, Friedrich v. 69 Steinecke, Hartmut 83 Stemplinger, Eduard 70 Stern, Ludwig 99, 146, 164 Stock, Hans 8 Stolberg, Grafen zu 65 Stoll, Adolf 74 Süvern, Johann Wilh. 166 Sulzer, Dieter 83 Sybel, Carl 163 Tasso, Torquato 35, 107,133 Thiel, Karl 68 Tice, Terrence N. 55 Tieck, Ludwig 1, 4, 14, 16, 20, 26, 30, 32, 34, 62, 147 Timm, Hermann 1,13 Trunz, Erich 45 Uhland, Ludwig 147 Unger, Rudolf 43, 57, 113, 117 Uz, Johann Peter 9 Varnhagen von Ense, August 55, 99-102, 123, 132, 145-147, 160, 164f, 226f Varnhagen, Rahel 15, 18, 99, 102, 124, 165 Veit, Dorothea 18, 20, 23, 25, 29, 33, 36 Vergil 46 Vermehren, Bernhard 2, 13, 21, 31 Virmond, Wolfgang 92, 146, 166 Voß, Johann Heinrich 3, 41, 43-53, 57, 66-71, 74-76, 121f, 124, 127f, 136-138, 205 Voß, Heinrich d.J. 71,75 Vulpius, Walter 164 Wackenroder, Wilhelm Heinrich 13 Wächtler, August 79 Walzel, Oskar 7, 12, 15f, 25, 33, 41, 49, 57 Weisser, Friedr. Christ. Ulf Wellek, René 3 Wendt, Amadeus 144-147 Wiegand, Julius 42, 57 Wieland, Christoph Martin 10, 42, 154 Wieneke, Ernst 8, 59
254
Namensregister
Willich, Ehrenfried v. 23, 26f, 94, 103, 105, 107 Willich, Ehrenfried v. (Sohn) 165, 168 Willich, Luise von 94 Wirth, Gerhard 74, 139 Wittichen, Friedr. Carl 20
Wölbe, Eugen 164 Wolf, Friedrich August 69, 76, 163, 166 Wyss, Hilde 168 Zeller, Hans 83 Zelter, Karl Friedrich 118,156,166, 219
Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Werke und Pläne Ästhetik 3, 55, 6 4 - 6 7 , 69, 76 Dialog 2 0 - 2 3 Essay 20f Komödie 23 Kritik d. Sittenlehre 21, 48 Lucinde-Briefe 12, 20, 25, 92 Märchen 24 Methoden d. Übersetzens 76 Monologen 12,17,19f, 22, 36, 38f, 63, 84, 91f, 103f, 111, 116, 119, 162, 177-180 Novellen 23 Plato-Übersetzung 40, 48, 55, 62, 6 4 - 7 6 , 123
Predigten 13, 169 Reden über d. Religion 9, 12-15, 17, 22, 116f Rezensionen 12, 27, 92, 108 Roman 19f, 23f, 26 Satire 58, 108f Tragödie 23f Versuch e. Theorie d. gesell. Betragens 77 Visionen 15, 58, 108 Weihnachtsfeier 2 1 - 2 3 , 171
Internationaler Schleiermacher-Kongreß Berlin 1984 Teilband 1
Korrektur zu dem Beitrag von Siegfried Müller: „Die Erfahrung des jungen Schleiermacher als Grundlage seines philosophisch-theologischen Denkens." (S. 153-161) Der Text muß in folgender Seitenfolge gelesen werden: S. 153, 155, 156, 154, 157 ff. S. 153 fehlt als Überschrift vor dem laufenden Text: 1. Schleiermacher und das philosophisch-theologische Denken.
FRIEDRICH SCHLEIERMACHER Kritische Gesamtausgabe Herausgegeben von Hans-Joachim Birkner, Gerhard Ebeling, Hermann Fischer, Heinz Kimmerle und Kurt-Victor Selge Bisher
erschienen:
ERSTE ABTEILUNG (SCHRIFTEN UND ENTWÜRFE)
Band 1: Jugendschriften 1 7 8 7 - 1 7 9 6 Herausgegeben von Günter Meckenstock Groß-Oktav. LXXXIX, 609 Seiten, 3 Faksimiles. 1984. Ganzleinen DM 2 4 2 , - ISBN 3 11 0085941
Band 2: Schriften aus der Berliner Zeit 1 7 9 6 - 1 7 9 9 Herausgegeben von Günter Meckenstock Groß-Oktav. XCI, 430 Seiten, 3 Faksimiles. 1984. Ganzleinen DM 1 9 8 , - ISBN 3110102668
Band 7: Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhang dargestellt (1821/22) Herausgegeben von Hermann Peiter Teilband 1: Groß-Oktav. LXVI, 357 Seiten. Teilband 2: Groß-Oktav. VIII, 409 Seiten. 1980. Ganzleinen zusammen DM 2 4 8 , - ISBN 3110075156
Teilband 3: Marginalien und Anhang Unter Verwendung vorbereitender Arbeiten von Hayo Gerdes-f und Hermann Peiter Herausgegeben von Ulrich Barth Groß-Oktav. XXV, 672 Seiten, 1 Faksimile und 1 Farbtafel. 1984. Ganzleinen DM 2 4 2 , - ISBN 3110085933
FÜNFTE ABTEILUNG (BRIEFWECHSEL UND BIOGRAPHISCHE DOKUMENTE)
Band 1: Briefwechsel 1 7 7 4 - 1 7 9 6 Herausgegeben von Andreas Arndt und Wolfgang Virmond Groß-Oktav. LXXII, 489 Seiten, 12 Abbildungen, 1 Faltkarte. 1986. Ganzleinen DM 2 2 8 , - ISBN 311 008595 X Preisänderungen vorbehalten
Walter de Gruyter
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Berlin · New York
Internationaler Schleiermacher-Kongreß Berlin 1984 Herausgegeben von Kurt-Victor Selge Teil 1: Groß-Oktav. XXXIV, 640 Seiten. 1985. Teil 2: Groß-Oktav. Seite 641-1319. 1985. Ganzleinen DM 1 9 8 , - ISBN 311 0100185 Hauptvorträge von R. Vierhaus, G. Ebeling, H. Kimmerle, H. Dierkes sowie Beiträge zu 13 Sektionen: Junger Schleiermacher — Theorie der Subjektivität — Theologie und Philosophie — Ästhetik — Dialektik — Hermeneutik — Exegese und Predigt — Ethik und Pädagogik — Antike Philosophie — Glaubenslehre — Politik und Kirchenpolitik — Nachwirkungen — Edition: Die „Allgemeine Hermeneutik von 1809/10"
FRIEDRICH SCHLEIERMACHER
Kleine Schriften und Predigten Herausgegeben von Hayo Gerdes und Emanuel Hirsch 3 Bände. Oktav. Ganzleinen
Band 1: Kleine Schriften und Predigten 1 8 0 0 - 1 8 2 0 Bearbeitet von Hayo Gerdes 482 Seiten. 1970. DM 8 0 , - ISBN 311001187 5
Band 2: Schriften zur Kirchen- und Bekenntnisfrage Bearbeitet von Hayo Gerdes 306 Seiten. 1969. DM 4 2 , - ISBN 3110011883
Band 3: Dogmatische Predigten der Reifezeit Ausgewählt und erläutert von Emanuel Hirsch 406 Seiten. 1969. DM 49.50 ISBN 3110011903
Preisänderungen vorbehalten
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